Der Anspruchsausschluss nach § 361 Abs. 1 BGB im Lichte des unionsrechtlichen Verbots des Rechtsmissbrauchs: Zugleich eine Analyse von § 241a BGB [1 ed.] 9783428580729, 9783428180721

Der im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in das BGB eingefügte § 361 Abs. 1 normiert einen umfassenden

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Der Anspruchsausschluss nach § 361 Abs. 1 BGB im Lichte des unionsrechtlichen Verbots des Rechtsmissbrauchs: Zugleich eine Analyse von § 241a BGB [1 ed.]
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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 522

Der Anspruchsausschluss nach § 361 Abs. 1 BGB im Lichte des unionsrechtlichen Verbots des Rechtsmissbrauchs Zugleich eine Analyse von § 241a BGB Von

Marco Förderer

Duncker & Humblot · Berlin

MARCO FÖRDERER

Der Anspruchsausschluss nach § 361 Abs. 1 BGB im Lichte des unionsrechtlichen Verbots des Rechtsmissbrauchs

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 522

Der Anspruchsausschluss nach § 361 Abs. 1 BGB im Lichte des unionsrechtlichen Verbots des Rechtsmissbrauchs Zugleich eine Analyse von § 241a BGB

Von

Marco Förderer

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18072-1 (Print) ISBN 978-3-428-58072-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der Fakultät für Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Sie wurde gefördert durch die Universitätsstiftung der Philipps-Universität Marburg. Die eingearbeitete Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand von September 2019. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Tobias Helms, der mein Interesse für das Zivilrecht bereits seit dem vierten Semester durch eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Privatrechtsvergleichung der Philipps-Universität Marburg förderte und hierdurch zugleich den Grundstein für die spätere Anfertigung dieser Arbeit auf dem Gebiet des Zivilrechts gelegt hat. Während meiner darauffolgenden Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter begleitete er mich den kompletten Schreibprozess über mit seiner fachlichen Expertise und kritischen sowie konstruktiven Anmerkungen in einer außergewöhnlich angenehmen Arbeitsatmosphäre. Ebenfalls danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Constantin Willems, der nicht nur in kürzester Zeit das Zweitgutachten erstellt hat, sondern auch zahlreiche hilfreiche Anmerkungen hatte. Für die vielen konstruktiven Diskussionen danke ich insbesondere meinen Freunden und seinerzeitigen Kollegen am Lehrstuhl Herrn Nils Heuser und Herrn Dr. Fabian Laurent Schirmer. Zudem danke ich meinem Opa, Herrn Horst Schu sowie meinen Freunden Herrn Nils Heuser und Herrn Martin Labes für die kritische Durchsicht der Arbeit und die zahlreichen Anregungen. Abschließend möchte ich meiner gesamten Familie danken, allen voran meinen beiden Eltern, Michaele und Joachim, für ihre immerwährende Unterstützung und Förderung über die gesamte Studien- und Promotionszeit. Frankfurt, im März 2020

Marco Förderer

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kapitel 1 Grundlagen

19

§ 1 Mindestharmonisierung vs. Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 § 2 Abgrenzung von Unternehmern und Verbrauchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kapitel 2 Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

23

§ 1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Rechtsfolgen des § 241a Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 § 2 Der Anspruchsausschluss und seine Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Richtlinienkonforme Umsetzung des § 241a Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einzelne Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . C. Einzelne Ansprüche des Unternehmers gegen Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ansprüche Dritter gegen den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 40 43 44

§ 3 Missbrauchsmöglichkeiten des Verbrauchers im Rahmen von § 241a Abs. 1 BGB 45 Kapitel 3 Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss infolge des Widerrufs

46

§ 1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 A. Historische Entwicklung der Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB und des Anspruchsausschlusses aus § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 B. Die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 § 2 Einführung in die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vom Ausschluss erfasste Ansprüche: geklärte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nicht vom Ausschluss erfasste Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ausschlusswirkung hinsichtlich der Ansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer oder Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 58 59 60 60 62

8

Inhaltsübersicht

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . A. Die Ausgangsproblematik der Beschädigung und Zerstörung der empfangenen Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Gefahr des Missbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Dogmatische Umsetzungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Missbrauchsmöglichkeiten: § 242 BGB und der unionsrechtliche Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 67 117 127

§ 4 Reichweite des Anspruchsausschlusses des § 361 Abs. 1 BGB in Dreipersonenverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 A. Die Weiterveräußerung der Ware an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 B. Die Verschenkung der Ware an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Kapitel 4 Vergleich von § 241a BGB und § 361 Abs. 1 BGB

200

Kapitel 5 Schluss

203

§ 1 Fazit zu § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 § 2 Fazit zu § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Kapitel 1 Grundlagen

19

§ 1 Mindestharmonisierung vs. Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 § 2 Abgrenzung von Unternehmern und Verbrauchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Kapitel 2 Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

23

§ 1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Rechtsfolgen des § 241a Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Erhöhte Anforderungen an eine Willenserklärung des Verbrauchers . . . . . . . 24 II. Auswirkungen auf die Eigentumslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Recht zum Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Zwei-Personen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Drei-Personen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Verkauf/Verschenkung an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Vermietung/Verleihung an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c) Zerstörung der Ware durch einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 IV. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 2 Der Anspruchsausschluss und seine Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 A. Richtlinienkonforme Umsetzung des § 241a Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Gesetzliche Ansprüche als „Gegenleistung“ im Sinne des Art. 27 VRRL . . . 38 II. Beschränkung des Regelungsbereichs von Art. 27 VRRL auf die vertragliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Einzelne Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Ansprüche auf Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

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Inhaltsverzeichnis II. Ansprüche auf Erlösherausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Ansprüche auf Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 IV. Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . 42 C. Einzelne Ansprüche des Unternehmers gegen Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 D. Ansprüche Dritter gegen den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

§ 3 Missbrauchsmöglichkeiten des Verbrauchers im Rahmen von § 241a Abs. 1 BGB

45

Kapitel 3 Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss infolge des Widerrufs

46

§ 1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 A. Historische Entwicklung der Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB und des Anspruchsausschlusses aus § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 B. Die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Wertverlust der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Umgang mit der Ware außerhalb des erforderlichen Prüfungsumfangs – Erfordernis eines Vertretenmüssens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Belehrungspflicht des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 IV. Berechnung des Wertersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 § 2 Einführung in die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 A. Europarechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 B. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 C. Vom Ausschluss erfasste Ansprüche: geklärte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 D. Nicht vom Ausschluss erfasste Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 E. Ausschlusswirkung hinsichtlich der Ansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer oder Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Haftung des Unternehmers für eine fehlerhafte oder unterbliebene Widerrufsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Haftung bei der Verletzung sonstiger Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . 65 III. Pflicht zum Ersatz von Verwendungen auf die Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IV. Ansprüche des Verbrauchers gegen Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 § 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 A. Die Ausgangsproblematik der Beschädigung und Zerstörung der empfangenen Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I. Die Sachlage vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 1) 67

Inhaltsverzeichnis

11

II. Die Sachlage ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht, aber vor dessen Ausübung (Phase 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Parallele Diskussion im Rücktrittsfolgenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Teleologische Reduktion bei Kenntnis vom Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . 75 b) Teleologische Reduktion ab dem Kennenmüssen des Rücktrittsrechts 78 c) Ablehnung einer teleologischen Reduktion und Lösung über das Schadensersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Das Rückgewährschuldverhältnis als Haftungsgrundlage . . . . . . . . 79 bb) Der ursprüngliche Kaufvertrag als Haftungsgrundlage . . . . . . . . . . 83 2. Folgen für die Beurteilung der Sachlage im Widerrufsfolgenrecht . . . . . . 86 III. Die Sachlage nach Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher (Phase 3) 94 IV. Auslegung der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Die Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Einschränkende Auslegung des Art. 14 Abs. 5 VRRL unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 48 Satz 2 VRRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Folgen für die Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Konkretisierungsansätze für das Merkmal „infolge des Widerrufs“ . . . 104 b) Stellungnahme zu den bisherigen Konkretisierungsansätzen . . . . . . . . . 109 c) Eigener Konkretisierungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Folgen für den Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Die Gefahr des Missbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Allgemeine Erwägungen zum Begriff des Rechtsmissbrauchs nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Die Missbrauchsgefahr vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Die Missbrauchsgefahr ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Die Missbrauchsgefahr nach Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher (Phase 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 V. Alternative Anknüpfung: Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 C. Dogmatische Umsetzungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Missbrauchsmöglichkeiten: § 242 BGB und der unionsrechtliche Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Historische Entwicklung des unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots von Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Beginn der Entwicklung im Rahmen der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . 129 2. Weiterentwicklung im Rahmen von Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Die Fortsetzung im Rahmen von Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

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Inhaltsverzeichnis II. Kategorisierung der Fälle des Rechtsmissbrauchs in der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Unterscheidung zwischen nationaler Normvermeidung und nationaler Normerschleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Unterscheidung zwischen nationaler Normvermeidung und missbräuchlicher Ausübung von Rechten aus dem Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Einordnung des Rechtsmissbrauchseinwands in Fällen der Normvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Einordnung des Rechtsmissbrauchseinwands in Fällen der missbräuchlichen Geltendmachung von Rechten, die vom Unionsrecht verliehen werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Das Rechtsmissbrauchsverbot als teleologische Interpretation des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Das Rechtsmissbrauchsverbot als nachträgliche, von der Auslegung unabhängige Korrektur eines formalen Ergebnisses . . . . . . . . . . . . 151 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Erfordernis einer Absicht als subjektives Kriterium im Rahmen der ersten Fallgruppe der Normvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Das Verbot missbräuchlicher Praktiken als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Die Anerkennung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts . . . . . . . . . 158 3. Eine generelle Regel des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Die Auffassung der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Die Auffassung der Generalanwälte des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Ablehnende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Positive Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Unentschlossene Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 c) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 IV. Übertragbarkeit auf das Verbraucherschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 V. Anwendbarkeit im konkreten Fall des Art. 14 Abs. 5 VRRL und des § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Objektives Element des Verbots missbräuchlicher Praktiken . . . . . . . . . . . 175 2. Subjektives Element des Verbots missbräuchlicher Praktiken . . . . . . . . . . 178 VI. Folgen für die Beurteilung eines Rechtsmissbrauchs nach nationalem Recht 179

Inhaltsverzeichnis

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§ 4 Reichweite des Anspruchsausschlusses des § 361 Abs. 1 BGB in Dreipersonenverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 A. Die Weiterveräußerung der Ware an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Der Regelfall: Der Anspruch auf Herausgabe des Surrogats aus § 285 BGB im Mittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Unwirksamkeit der Widerrufserklärung gem. § 242 BGB? . . . . . . . . . . . . 186 2. Die Sachlage vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 1) 187 3. Die Sachlage ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht, aber vor dessen Ausübung (Phase 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Die Sachlage nach Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher (Phase 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Kauf unter Eigentumsvorbehalt: Der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB im Mittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Die Sachlage vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 1) 192 2. Die Sachlage ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht, aber vor dessen Ausübung (Phase 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Die Sachlage nach Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher (Phase 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 B. Die Verschenkung der Ware an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Anspruch auf Herausgabe gegen den Dritten bei Verfügung als Berechtigter 198 II. Anspruch auf Herausgabe gegen den Dritten bei Verfügung als Nichtberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Kapitel 4 Vergleich von § 241a BGB und § 361 Abs. 1 BGB

200

Kapitel 5 Schluss

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§ 1 Fazit zu § 241a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 § 2 Fazit zu § 361 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Einleitung Das Zivilrecht, wie wir es kennen, wird zunehmend europarechtlich geprägt. So wurden im Laufe der letzten Jahre zahlreiche EU-Richtlinien im BGB umgesetzt. Es wird davon ausgegangen, dass mittlerweile 80 Prozent des deutschen Rechts durch Unionsrecht beeinflusst werden.1 Beispiele für umfassende Reformen durch das Unionsrecht finden sich im Verbrauchsgüterkaufrecht, im Pauschalreiserecht, im Recht der Zahlungsdienstleistungen, im Recht der unbestellten Leistungen sowie im Verbraucherwiderrufsrecht.2 Da sich die europarechtlichen Vorgaben nicht immer harmonisch in die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen einfügen lassen3, stellt die Umsetzung derartiger Richtlinien den Gesetzgeber oftmals vor die Herausforderung, eigentlich systemfremde Vorschriften in das vorhandene Rechtssystem des BGB zu integrieren. Dass diese Integration in das nationale Recht nicht immer vollkommen gelingen kann, liegt bereits in der Natur der Sache, insbesondere, wenn vollharmonisierende Richtlinien dem nationalen Gesetzgeber keinen Spielraum bei ihrer Umsetzung lassen. Deshalb können sich im Anschluss an die Umsetzung schwierige Rechtsfragen stellen, bei deren Beantwortung dem europarechtlichen Hintergrund eine entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Zwei solcher Normen, die als Beleg für dieses Phänomen herangezogen werden können und Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, finden sich in § 241a BGB und § 361 Abs. 1 BGB. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf § 361 Abs. 1 BGB gerichtet sein, während § 241a BGB in erster Linie als Vergleichsmodell dazu dienen wird, Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Normen herauszuarbeiten. § 241a BGB regelt die Rechtsfolgen der Erbringung unbestellter Leistungen und schließt in seinem Abs. 1 aus, dass in diesen Fällen Ansprüche gegen den Verbraucher begründet werden. Neben der Frage, welche konkreten Ansprüche durch die Norm ausgeschlossen werden, ist klärungsbedürftig, welche Auswirkungen die Vorschrift auf allgemeine Vertragsgrundsätze, die Eigentumslage und die Rechtsstellung des Verbrauchers generell hat. Schließlich stellt sich noch die Frage, welche Missbrauchsmöglichkeiten die Norm dem Verbraucher eröffnet, wenn sie Ansprüche gegen diesen ausschließt, und wie diesen zu begegnen ist. 1

Vgl. Hoppe, EuZW 2009, 168 f. Vgl. auch Heiderhoff, ZJS 2008, 25. 3 Vgl. zur sogenannten Eindimensionalität des Unionsrechts, Schoch, JZ 1995, 109, 117 f.; Remien, RabelsZ 60 (1996), 1, 17; Rybarz, Billigkeitserwägungen im Kontext des Europäischen Privatrechts, 4. 2

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Einleitung

§ 361 Abs. 1 BGB ist im Vergleich zu § 241a BGB zwar deutlich knapper formuliert, doch wirft die Norm keineswegs weniger Probleme auf. Die Vorschrift schließt nach ihrem Wortlaut alle Ansprüche gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs aus, sofern diese nicht im Untertitel zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen ausdrücklich geregelt sind. Die wohl zentralen Ansprüche des Unternehmers aus diesem Untertitel sind der Rückgewähranspruch gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB sowie der Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB. Verschlechtert sich die empfangene Ware in den Händen des Verbrauchers, ist der Unternehmer wegen des Zusammenspiels von § 361 Abs. 1 BGB mit § 357 Abs. 7 BGB nach dem Wortlaut der Ausschlussnorm auf die Wertersatzpflicht des Verbrauchers aus § 357 Abs. 7 BGB beschränkt. Diese setzt allerdings unter anderem stets eine ordnungsgemäße Belehrung seitens des Unternehmers voraus. Erfolgte diese nicht, stellt sich die Frage, wie sich der eingetretene Wertverlust der Ware für den Unternehmer kompensieren lässt. In der Praxis gehen mit der Rücksendung der Ware infolge eines Widerrufs regelmäßig Wertverluste einher. Nach einer aktuellen EHI-Studie zum Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2018 können im Durchschnitt lediglich 70 Prozent der retournierten Waren von den Händlern weiterhin als A-Ware verkauft werden.4 Durchschnittlich 30 Prozent der retournierten Waren können demnach nicht mehr zum ursprünglichen Preis, sondern nur noch mit Rabatt weiterverkauft werden. Für neun Prozent der Händler ist der mit der Retoure einhergehende Wertverlust noch gravierender: Sie gaben an, im Falle einer Retoure überhaupt keine oder nur vereinzelte Artikel wiederverkaufen zu können.5 Nach einer anderen Studie des Händlerbunds aus dem Jahr 2016 ist die Quote der nur mit Abschlag weiterverkäuflichen Waren im Textilbereich besonders hoch: So können durchschnittlich 44 Prozent der zurückgesendeten Textilien nicht mehr zum ursprünglichen Preis verkauft werden.6 Zwar fallen hierunter auch Wertverluste der Waren, die auf den prüfungsbedingten Umgang mit diesen zurückzuführen und 4 EHI-Studie, Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2018 – Trends und Strategien der Onlinehändler, S. 13; Das EHI hat für die Studie von September bis Oktober 2017 eine Onlinebefragung unter 105 Onlinehändlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Die befragten Unternehmen erwirtschaften zusammen einen Gesamtumsatz in Höhe von ca. 10,6 Milliarden Euro. Fast drei Viertel der befragten Onlinehändler sind als Multi-, Cross- oder Omnichannel-Händler sowohl online als auch stationär aktiv; abrufbar unter: https://www.ehi-shop.de/image/data/PDF_Leseproben/EHI-Studie_Versand-Retourenma nagement_im_E-Commerce_2018_LP.pdf, zuletzt aufgerufen am 12.09.2018. 5 EHI-Studie, Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2018 – Trends und Strategien der Onlinehändler, entsprechende Seiten abrufbar unter https://fashionunited.de/nach richten/einzelhandel/modehaendler-verzeichnen-nach-wie-vor-hoechste-retourenquote-ehi-stu die/2018022024403, zuletzt aufgerufen am 12.12.2018. 6 Händlerbund Studie, Retouren-Studie 2016 – Wie fair sind Kunden im Online-Handel?, S. 10; Der Händlerbund fragte für die Studie 856 Händler, ob sie bereits Retouren mit Beschädigungen erhalten haben; abrufbar unter: https://www.haendlerbund.de/de/downloads/stu die-retouren-2016.pdf, zuletzt aufgerufen am 12.09.2018; zu dem volkswirtschaftlichen Hintergrund siehe auch Makowski, JZ 2016, 787.

Einleitung

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demnach grundsätzlich nicht nach § 357 Abs. 7 BGB ersatzfähig sind. Dennoch ist nach der Erhebung jede fünfte Rücksendung im Online-Textilhandel getragen, verschmutzt oder ohne Etikett7, wodurch grundsätzlich eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers ausgelöst wird, sofern dieser ordnungsgemäß belehrt wurde.8 Dass es allerdings an einer solchen ordnungsgemäßen Belehrung durchaus fehlen kann, zeigt sich an dem hauseigenen Online-Store der Modemarke Supreme. Bis Mitte Juli 2018 sprach das Unternehmen in seiner Widerrufsbelehrung davon, dass der Verbraucher als Rechtsfolge des Widerrufs die Hinsende- und Rücksendekosten tragen müsse9, obwohl Art. 13 Abs. 1 Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU als Umsetzungsgrundlage unionsweit auch für den Versand aus Großbritannien ausdrücklich bestimmt, dass die Lieferkosten vom Verkäufer im Falle des Widerrufs zu erstatten sind. Angesichts von Filialen unter anderem in London, Paris, New York und Los Angeles und einer Unternehmensbewertung von etwa einer Milliarde US-Dollar10 wird deutlich, dass auch größeren Unternehmen Belehrungsfehler unterlaufen können und es sich hierbei nicht nur um ein theoretisches Problem handelt. Fehlt es an einer solchen ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung, besteht für den Unternehmer nach dem Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB keine Möglichkeit, Ersatz für den eingetretenen Schaden zu verlangen. Im Textilbereich etwa würde im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Belehrung dem Unternehmer bei durchschnittlich jeder fünften Rücksendung ein nicht ersatzfähiger Schaden entstehen. Die wirtschaftlichen Konsequenzen können hierbei, je nach Größe des Unternehmers und Höhe der Schäden, ein enormes Ausmaß annehmen. Die Frage, ob dieser Anspruchsausschluss in allen Fällen gerechtfertigt ist oder ob und inwieweit diesem Grenzen zu setzen sind, bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Greift die Ausschlusswirkung zum Beispiel ein, wenn der Verbraucher die Ware vorsätzlich oder sogar in Schädigungsabsicht zerstört oder beschädigt? Wie verhält es sich, wenn der Verbraucher die empfangenen Waren weiternutzt und hierbei beschädigt, obwohl er den Vertrag bereits widerrufen hat? Wie ist zu verfahren, wenn der Verbraucher die Ware an Dritte veräußert und den Vertrag anschließend widerruft oder gar die Veräußerung nach Erklärung des Widerrufs erfolgt? Durch diese bisher weitgehend unerforschten Fragen wird das Missbrauchspotential der Norm offensichtlich. Wann jedoch ein Verhalten des Verbrauchers tatsächlich als missbräuchlich im Sinne des nationalen oder des 7 Händlerbund Studie, Retouren-Studie 2016 – Wie fair sind Kunden im Online-Handel?, S. 8, 10; abrufbar unter: https://www.haendlerbund.de/de/downloads/studie-retouren-2016.pdf, zuletzt aufgerufen am 12.09.2018. 8 Siehe hierzu unten Kap. 3 § 1 B. II. 9 Vgl. https://www.supremenewyork.com/shop/terms in der Fassung vom 05.07.2018, abrufbar unter https://web.archive.org/web/20180705142322/http://www.supremenewyork.com/ shop/terms; zuletzt aufgerufen am 23.09.2018. 10 vgl. https://omr.com/de/supreme-marketing/, zuletzt aufgerufen am 12.09.2018; Die Unternehmensbewertung resultiert aus einer Investition der Carlyle Group Ende 2017 in Höhe von 500 Millionen US Dollar für 50 % der Anteile an dem Unternehmen.

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Einleitung

Unionsrechts zu qualifizieren ist, wird im Rahmen der Arbeit näher untersucht. Hierzu erfolgt unter anderem eine detaillierte Auswertung der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet des Rechtsmissbrauchs, eine dogmatische Einordnung dieser Rechtsprechung sowie deren Wirkungsweise im Rahmen des Verbraucherschutzrechts.

Kapitel 1

Grundlagen Die Reichweite des im Mittelpunkt der Arbeit stehenden Anspruchsausschlusses aus § 361 Abs. 1 BGB und auch derjenige des § 241a Abs. 1 BGB hängen stark von der Auslegung der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) 2011/83/EU als Umsetzungsgrundlage ab. Denn anders als nach bisheriger Rechtslage folgt die VRRL als aktuelle Umsetzungsgrundlage nicht mehr dem Prinzip der Mindestharmonisierung, sondern dem der Vollharmonisierung. Dem nationalen Gesetzgeber ist es demnach nicht mehr gestattet, über das in der Richtlinie festgesetzte Schutzniveau hinauszugehen, wenn er sie gemäß Art. 288 UAbs. 3 AEUV i. V. m. Art. 4 Abs. 3 EUV ins nationale Recht umsetzt. Um sich der Wirkungsweise der VRRL bewusst zu werden, sollen im Folgenden kurz die Unterschiede zwischen einer mindestharmonisierenden und einer vollharmonisierenden Richtlinie dargestellt werden. Anschließend wird der mit einer Vollharmonisierung einhergehende Konflikt zwischen dem nationalen und dem europäischen Recht beispielhaft anhand der Abgrenzung von Unternehmern und Verbrauchern aufgezeigt. Diese Abgrenzung ist nämlich sowohl für § 241a BGB als auch für § 361 Abs. 1 BGB von Relevanz, da beide Vorschriften nur im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern Anwendung finden.

§ 1 Mindestharmonisierung vs. Vollharmonisierung Mindestharmonisierende Richtlinien bezwecken einen einheitlichen Mindeststandard in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Den jeweiligen nationalen Gesetzgebern steht es jedoch frei, über die Vorgaben der Richtlinie hinauszugehen und ein höheres Schutzniveau zu schaffen.1 Davon zu trennen ist die überschießende Umsetzung von Richtlinien, was dazu führt, dass der Anwendungsbereich der nationalen Norm denjenigen der Richtlinie überschreitet.2

1 Vgl. z. B. Art. 8 RL 93/13 EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, siehe auch MüKo BGB/Lorenz, Vor. § 474 BGB Rn. 33; monographisch zum Ganzen: Wagner, Das Konzept der Mindestharmonisierung. 2 Vgl. Kuhn, EuR 2015, 216; BGH NJW 2014, 2646, 2649; Riesenhuber/Habersack/ Mayer, Europäische Methodenlehre, § 15.

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Kap. 1: Grundlagen

Vollharmonisierende Richtlinien geben hingegen im Rahmen ihres Anwendungsbereichs ein bestimmtes Schutzniveau vor, das weder über- noch unterschritten werden darf.3 Hierdurch wird zwar die individuelle Gestaltungsmöglichkeit der nationalen Gesetzgeber eingeschränkt, indem sie nicht mehr auf individuelle Bedürfnisse mit einem höheren Schutzniveau reagieren können. Gleichzeitig wird allerdings der Binnenmarkt gestärkt, indem die Verbraucher einerseits in der gesamten europäischen Union denselben Schutz genießen und dort zum Beispiel nach den gleichen Regeln Waren bestellen können. Zum anderen können Unternehmer ihre Waren leichter an Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten verkaufen, weil sie nicht mehr für jeden Mitgliedstaat besondere Schutzbestimmungen einhalten müssen, sondern zum Beispiel eine einheitliche Belehrungspflicht besteht. Dies wiederum senkt die Transaktionskosten, deren Ersparnis an die Verbraucher weitergegeben werden kann.

§ 2 Abgrenzung von Unternehmern und Verbrauchern Bei der Umsetzung von vollharmonisierenden Richtlinien können allerdings Konflikte zwischen der umzusetzenden Richtline und dem nationalen Recht entstehen, wenn bestehende nationale Normen von den Vorgaben der Umsetzungsgrundlage abweichen. Eine solche Abweichung besteht bei den Definitionen der Verbraucher- und Unternehmereigenschaft in §§ 13, 14 BGB, welche unter anderem für § 361 Abs. 1 BGB und das gesamte Widerrufsrecht sowie für § 241a Abs. 1 BGB maßgeblich sind. Wird eine solche Abweichung festgestellt, hat dies jedoch nicht zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Vollharmonisierung zur Folge, sondern es ist jeweils im Einzelfall zu klären, ob die umzusetzende Norm der Richtline tatsächlich vollharmonisierend wirkt oder ob Ausnahmen in der Richtlinie selbst vorgesehen sind. § 13 BGB bestimmt die Verbrauchereigenschaft unabhängig von persönlichen Eigenschaften ausschließlich nach dem Zweck des Rechtsgeschäfts. In Fällen der Zusendung unbestellter Waren im Sinne des § 241a Abs. 1 BGB schließt der Empfänger jedoch regelmäßig gar kein Rechtsgeschäft ab, so dass für die Zuordnung des „Rechtsgeschäfts“ lediglich eine hypothetische Betrachtungsweise herangezogen werden kann.4 Art. 2 Nr. 1 VRRL als Umsetzungsgrundlage begreift als Verbraucher jene natürliche Personen, die bei Abschluss von Verträgen zu Zwecken

3 Vgl. exemplarisch Art. 4 VRRL; Gsell/Herresthal/Riehm, Vollharmonisierung im Privatrecht, 83, 84 ff.; Lippstreu, Wege der Rechtsangleichung im Privatrecht, 124 ff. 4 Palandt/Grünberg, § 241a BGB Rn. 2; NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 13; Erman/ Saenger, § 241a BGB Rn. 4; MüKo BGB/Finkenauer, § 241a BGB Rn. 8; Berger, JuS 2001, 649, 651; Hau, NJW 2001, 2863, 2864.

§ 2 Abgrenzung von Unternehmern und Verbrauchern

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handeln, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen. Indem hier bereits jede berufliche Tätigkeit zu einer Versagung der Verbraucherstellung führt, manifestiert sich in Art. 2 Nr. 1 VRRL ein engerer Verbraucherbegriff als in § 13 BGB. Denn bei einer Beurteilung nach § 13 BGB wäre bei einer rein beruflichen Tätigkeit eine Verbraucherstellung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern die Grenze zur Eigenschaft als Unternehmer erst bei einer selbstständigen Tätigkeit überschritten. Konnte der Gesetzgeber nach bisheriger Rechtslage den Verbraucherschutz und damit auch den Verbraucherbegriff über die mindestharmonisierenden Richtlinien ohne Weiteres ausdehnen, könnte nunmehr in dieser Abweichung ein Verstoß gegen den Grundsatz der Vollharmonisierung aus Art. 4 VRRL liegen. Hierzu müsste Art. 2 Nr. 1 VRRL der vollharmonisierenden Wirkung der Richtlinie unterliegen. Der Wortlaut des Art. 4 VRRL spricht zunächst für eine solche vollharmonisierende Wirkung. Denn nach Art. 4 S. 1 VRRL dürfen die Mitgliedstaaten, sofern in der Richtlinie nichts anderes bestimmt ist, weder von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften einführen noch solche aufrechterhalten. Mit der hierbei gewählten Formulierung „von den Bestimmungen dieser Richtlinie“ wird erst einmal eine umfassende vollharmonisierende Wirkung jeglicher Normen der VRRL nahegelegt. Gegen eine solche Annahme spricht jedoch die systematische Stellung der Norm. Denn der Grundsatz der Vollharmonisierung wird in Art. 4 VRRL normiert und bezieht sich in systematischer Hinsicht nur auf die nachfolgenden Artikel der VRRL, die die inhaltlichen Vorgaben betreffen. Art. 2 Nr. 1 VRRL, der den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie festlegt, wäre demnach aus systematischer Sicht nicht von der Vollharmonisierung erfasst. Darüber hinaus legt Art. 2 Nr. 1 VRRL lediglich den Geltungsbereich der Richtlinie unter anderem im Hinblick auf den geschützten Personenkreis fest.5 Der Grundsatz der Vollharmonisierung der Richtlinie unterscheidet sich jedoch in seiner Wirkung, sofern es um Vorschriften geht, die den Geltungsbereich der Richtlinie abstecken, und solchen, die das materielle Recht ausgestalten.6 Betreffen Vorschriften nur den Geltungsbereich der Richtlinie, gebietet der Grundsatz der Vollharmonisierung nur, dass mindestens die von der Richtlinie geregelten Sachverhalte auch nach innerstaatlichem Recht unter den besonderen Schutz des Verbraucherrechts gestellt werden.7 Eine Übernahme oder inhaltliche Deckungsgleichheit der Begriffe „Verbraucher“ und „Unternehmer“ ist hingegen

5 6 7

Staudinger/Olzen, § 241a Rn. 20. Unger, ZEuP 2012, 270, 276. Unger, ZEuP 2012, 270, 276.

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Kap. 1: Grundlagen

nicht erforderlich.8 Da sich der Wirkungsbereich der Richtlinie auch in seiner vollharmonisierenden Wirkung lediglich auf den eigenen Geltungsbereich beziehen kann, steht es den Mitgliedstaaten frei, über Sachverhalte, die außerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie liegen, beliebig zu disponieren und einen weitergehenden Verbraucherbegriff festzulegen.9 In diesem Zusammenhang ist auch Erwägungsgrund 13 S. 1 und S. 3 VRRL zu berücksichtigen, wonach eine mitgliedstaatliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie und damit auch des Verbraucherbegriffs als zulässig angesehen wird. Diesbezüglich wird im Erwägungsgrund als Beispiel eine Ausdehnung auf kleine und mittlere Unternehmen als möglich und zulässig erachtet. Infolgedessen führt die Ausdehnung des Verbraucherbegriffs in § 13 BGB auf rechtsgeschäftliche Zwecke, die überwiegend der beruflichen, nicht selbstständigen Tätigkeit dienen, nicht zu einer Richtlinienwidrigkeit der Norm. Die Erweiterung des Verbraucherbegriffs im nationalen Recht führt gleichzeitig dazu, dass der Unternehmerbegriff in § 14 BGB ebenfalls von dem der Umsetzungsgrundlage in Art. 2 Nr. 2 VRRL abweicht. Da allerdings im konkreten Fall eine gleichzeitige Verbraucher- und Unternehmerstellung nicht möglich ist, führt die Erweiterung des Verbraucherbegriffs auch zwingend zu einer Begrenzung des Unternehmerbegriffs. Wenn allerdings in der Ausdehnung des Verbraucherbegriffs kein Verstoß gegen den Grundsatz der Vollharmonisierung zu erblicken ist, kann die zwingend daraus folgende Beschränkung des Unternehmerbegriffs auch nicht als richtlinienwidrig angesehen werden.10 Bei doppelten Vertragszwecken stellt § 13 BGB in Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 17 S. 2 der VRRL auf den im Vordergrund stehenden Zweck ab und geht somit im Zweifel eher von einer Verbraucherstellung des Adressaten aus.11 Das Beispiel der Abgrenzung von Unternehmern und Verbrauchern nach der VRRL und dem deutschen Recht hat gezeigt, dass auch bei vollharmonisierenden Richtlinien nicht jede Abweichung zur Unionsrechtswidrigkeit der nationalen Norm führen muss, sondern insbesondere bei Normen, die den Geltungsbereich der Richtlinie abstecken, stets eine detaillierte Prüfung geboten ist.

8 Hans Schulte-Nölke, Briefing Paper on the Proposed Consumer Rights Directive, Chapter I – Definitions, 2010, 12, abrufbar über: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/note/ join/2010/447502/IPOL-IMCO_NT(2010)447502_DE.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.08.2018. 9 Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 3, 4; Unger, ZEuP 2012, 270, 276; Hans Schulte-Nölke, Briefing Paper on the Proposed Consumer Rights Directive, Chapter I – Definitions, 2010, 12. 10 Purnhagen, JIPITEC 2012, 93, 96; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 21. 11 Purnhagen, ZRP 2012, 36, 37; Purnhagen, JIPITEC 2012, 93, 95; vgl. zu dieser Ratio zum deutschen § 13 BGB: BGH NJW 2009, 3728.

Kapitel 2

Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell § 1 Grundlagen A. Historie In seiner letzten Fassung beruht § 241a Abs. 1 BGB ebenso wie § 361 Abs. 1 BGB auf der VRRL. Erstmals Einzug in das BGB fand § 241a BGB jedoch durch die Umsetzung des Art. 9 der Fernabsatzrichtlinie (FARL) 1997/7/EG. Der Anwendungsbereich der Richtlinie und damit auch von § 241a Abs. 1 BGB wurde einige Jahre später durch Art. 9 der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (FinDRL) 2002/65/EG um Finanzdienstleistungen, die mit der Aufforderung zur sofortigen oder späteren Zahlung verbunden sind, erweitert. Während in den Vorgängerrichtlinien vom EU-Gesetzgeber lediglich eine Mindestharmonisierung bezweckt wurde, ist die VRRL – wie schon hervorgehoben – auf eine Vollharmonisierung gerichtet. Hierdurch soll gemäß Art. 1 VRRL und den Erwägungsgründen Nr. 1, 6, 7 VRRL ein hohes Verbraucherschutzniveau geschaffen und eine Rechtszersplitterung im Binnenmarkt vermieden werden. Sinn und Zweck des § 241a Abs. 1 BGB ist seit jeher die Sanktion wettbewerbswidrigen Verhaltens des Unternehmers.

B. Rechtsfolgen des § 241a Abs. 1 BGB Nach dem Wortlaut des § 241a Abs. 1 BGB wird bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet. Was die ausgeschlossenen Ansprüche anbelangt, so ist zwischen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen zu differenzieren, da § 241a Abs. 1 BGB bereits im Vorfeld auf den Vertragsschluss derart einwirkt, dass vertragliche Ansprüche in der Regel schon überhaupt nicht zustande kommen, während es bei gesetzlichen Ansprüchen einer positiven Ausschlussanordnung bedarf. Darüber hinaus ist eine derartige Differenzierung bereits unmittelbar in § 241a BGB angelegt, indem § 241a Abs. 2 BGB für gesetzliche Ansprüche eine Rückausnahme von dem Anspruchsausschluss normiert.

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

Um jedoch die Reichweite des Anspruchsausschlusses beurteilen zu können und überhaupt einen Überblick über in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen zu erlangen, ist es zunächst notwendig, sich die Wirkung des § 241a Abs. 1 BGB vor Augen zu führen. I. Erhöhte Anforderungen an eine Willenserklärung des Verbrauchers Bereits aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts folgt, dass ein bloßes Schweigen grundsätzlich keine vertragliche Bindung zur Folge hat.1 Für diese Feststellung bedarf es eigentlich keines Rückgriffs auf § 241a Abs. 1 BGB. Infolgedessen drängt sich die Frage nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift auf und ob ihr überhaupt eine Wirkung zukommt, die über eine rein deklaratorische hinausgeht. Man wird § 241a Abs. 1 BGB eine Bedeutung wohl insofern einräumen müssen, dass an den Annahmewillen des Verbrauchers strengere Anforderungen zu stellen sind als generell bei der Auslegung von (konkludenten) Willenserklärungen.2 Denn auch wenn § 241a Abs. 1 BGB nach seinem Wortlaut anordnet, dass ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet wird, so möchte die Norm nach ihrem Sinn und Zweck einen Vertragsschluss nicht generell verhindern.3 Dies ist vielmehr die Aufgabe von Verbotsgesetzen im Sinne des § 134 BGB, wie sie sich für die spezielle Fallkonstellation der Zusendung unbestellter Waren in §§ 3, 4 Nr. 1, 7 UWG wiederfinden. Die h. M. geht davon aus, dass § 241a Abs. 1 BGB eine konkludente Annahmeerklärung weitgehend ausschließe und somit das Angebot des Unternehmers, sofern es nicht nach § 134 BGB i. V. m. §§ 3, 4 Nr. 1, 7 UWG nichtig sei, nur durch eine ausdrückliche Annahmeerklärung oder etwa die Zahlung des Kaufpreises angenommen werden könne.4 Dies hat zur Folge, dass auch bei einem Gebrauch, Verbrauch oder einer Weiterveräußerung der unbestellten Ware bzw. bei einer Inanspruchnahme der Dienstleistung in diesem Verhalten keine Annahmeerklärung erblickt werden kann und dieses Verhalten von der h. M. toleriert wird.5 Man kann hiergegen anführen, dass der Verbraucher zwar vor Belästigungen durch unbestellte 1 Vgl. BGH NJW-RR 1994, 1163, 1165; MüKo BGB/Busche, § 147 BGB Rn. 6; BeckOGK/Möslein, § 146 BGB Rn. 34; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 30; Brox/Walker, BGB AT, § 4 Rn. 23; Köhler, BGB AT, § 6 Rn. 5. 2 Lorenz, JuS 2000, 833, 841; Riehm, Jura 2000, 505, 508. 3 Der Verbraucherschutz muss nicht aufgedrängt werden: Altmeppen, FS Westphalen, 1, 4 f. 4 Erman/Saenger, § 241a BGB Rn. 15 a; Palandt/Grünberg, § 241a BGB Rn. 6; BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 73 f., 107; MüKo BGB/Finkenauer, § 241a BGB Rn. 15, 26; HK-BGB/Schulze, § 241a BGB Rn. 10; Czeguhn/Dickmann, JA 2005, 587, 589; Wolf/Neuner, BGB AT § 37 Rn. 65; zur entsprechenden Lesart des Art. 27 VRRL, wonach „das Ausbleiben einer Antwort […] nicht als Zustimmung [gilt]“ und demnach die Zustimmung gegenüber dem Unternehmer zum Ausdruck gebracht werden muss und somit eine konkludente Annahmeerklärung ausgeschlossen ist, vgl. Köhler, JuS 2014, 865, 871. 5 A. A.: Deckers, NJW 2001, 1474; Löhnig, JA 2001, 33, 35.

§ 1 Grundlagen

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Leistungen geschützt, allerdings nicht um den Wert der empfangenen Leistung unentgeltlich bereichert werden solle.6 Dieser teleologische Aspekt trifft zwar zu, gleichzeitig wird man auf der Gegenseite den Unternehmer allerdings als wenig schutzwürdig ansehen müssen, wenn er bewusst unbestellte Leistungen an den Verbraucher erbringt. Darüber hinaus fordern Art. 24 Abs. 1 VRRL und der Erwägungsgrund 57 VRRL insofern die Einführung von wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen. Der Verbraucher wird die Sache in der Regel nicht lediglich zur Seite legen und sie dort ungenutzt liegen lassen. Ebenso wenig haben auch weder der Unternehmer noch der Verbraucher irgendeinen Nutzen, wenn die Sache unmittelbar entsorgt wird. Deshalb wird der Sachgebrauch bei unbestellten Leistungen den Regelfall darstellen. Würde man in diesem Gebrauch die konkludente Annahmeerklärung des Verbrauchers erblicken und abgesehen von einer möglichen Nichtigkeit gemäß § 134 BGB i. V. m. §§ 3, 4 Nr. 1, 7 UWG einen Vertragsschluss bejahen, so bestünde in der Regel keine angemessene und abschreckende Sanktion für den Unternehmer. Da eine solche jedoch vom Richtliniengesetzgeber ausdrücklich gefordert wird, entspricht der (weitgehende) Ausschluss von konkludenten Annahmeerklärungen am ehesten dem gesetzgeberischen Willen. Man könnte hiergegen lediglich anführen, Art. 24 Abs. 1 VRRL sei dem Art. 27 VRRL vorgeordnet und dass sich das Sanktionserfordernis nur auf die vorangehenden Artikel beziehe. Allerdings spricht der Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 VRRL von Sanktionen für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften. § 241a Abs. 1 BGB stellt gerade eine aufgrund „dieser Richtlinie“ erlassene innerstaatliche Vorschrift dar und unterfällt somit dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 VRRL. Darüber hinaus wurde die in Art. 25 S. 2 VRRL normierte Unabdingbarkeit ebenfalls in § 241 Abs. 3 BGB umgesetzt. Demnach ging auch der nationale Gesetzgeber davon aus, dass die systematische Stellung des Art. 25 S. 2 VRRL vor dem in § 241a Abs. 1 BGB umgesetzten Art. 27 VRRL nichts daran ändert, dass Art. 27 VRRL vom Regelungsbereich des Art. 25 S. 2 VRRL erfasst wird. Sofern aber Art. 25 S. 2 VRRL auch für Art. 27 VRRL Wirkung entfaltet, ist kein Grund ersichtlich, nicht auch die Tragweite des Art. 24 Abs. 1 VRRL auf Art. 27 VRRL zu erstrecken. Demnach sollen – nach den Vorgaben des Art. 24 Abs. 1 VRRL – auch Verstöße gegen den aufgrund von Art. 27 VRRL erlassenen § 241a Abs. 1 BGB wirksam, angemessen und abschreckend sanktioniert werden. Die Ansicht, die sich gleichwohl für die Möglichkeit einer konkludenten Annahmeerklärung aussprach7, wird man als überholt ansehen können. Denn diese bildete sich auf Basis der Fernabsatzrichtlinie (FARL) 1997/7/EG, durch deren Art. 9 § 241a Abs. 1 BGB erstmals in das BGB eingefügt wurde. Die FARL beinhaltet jedoch keine dem Art. 24 Abs. 1 VRRL entsprechende Anordnung von effektiven Sanktionen, so dass die Vertreter dieser Ansicht diesen neuen Gesichtspunkt überhaupt nicht berücksichtigen konnten. 6

Berger, JuS 2001, 649, 653; Casper, ZIP 2000, 1602, 1607. Berger; JuS 2001, 649, 653 f.; Deckers, NJW 2001, 1474; Löhnig, JA 2001, 33, 35; Jayme/Schulze, JuS 2001, 881; Riehm, Jura 2000, 505, 511. 7

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

Zudem würde andernfalls § 241a Abs. 1 BGB weitgehend bedeutungslos werden, da er ansonsten lediglich allgemeine Vertragsgrundsätze wiedergeben würde. Deshalb ist mit der h. M. eine konkludente Annahmeerklärung spätestens nach Umsetzung der VRRL im Falle des § 241a Abs. 1 BGB weitgehend (bei Zahlung des Kaufpreises ist eine konkludente Annahmeerklärung weiterhin möglich) ausgeschlossen. Inwiefern sich der Gebrauch, der Verbrauch oder die Veräußerung der Ware auswirken, stellt auch im Rahmen des § 361 Abs. 1 BGB ein Problem dar. Allerdings stellt sich hier nicht die Frage danach, ob ein Primäranspruch zur Entstehung gelangt, sondern ob ein Sekundäranspruch in Form eines Schadensersatzanspruchs durch die Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird.8 II. Auswirkungen auf die Eigentumslage Im Kontext des § 361 Abs. 1 BGB ist die Beurteilung der Eigentumslage relativ eindeutig: Der Unternehmer übereignet die Sache üblicherweise an den Verbraucher, so dass im Falle des Widerrufs der Verbraucher zunächst weiterhin als Eigentümer anzusehen ist und dem Unternehmer nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübereignung zusteht. Demgegenüber wird die Rechtsfolge des § 241a Abs. 1 BGB in dieser Hinsicht nicht einheitlich beurteilt. Überwiegend wird vertreten, dass § 241a Abs. 1 BGB keinen Einfluss auf die Eigentumsverhältnisse habe, der Unternehmer somit in der Regel Eigentümer der unbestellten Ware bleibe.9 Es käme demnach kein gesetzlicher Eigentumsübergang zustande, wohingegen ein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb gleichwohl möglich bliebe. Dieser solle aber vom Abschluss des Kaufvertrages und von der Kaufpreiszahlung abhängen.10 Demgegenüber wird teilweise vertreten, dass § 241a Abs. 1 BGB zu einem gesetzlichen Eigentumserwerb des Verbrauchers führe. Zwar sei der Wortlaut lediglich als Anspruchssauschluss formuliert, bei entsprechend formulierten Vorschriften wie Art. 16 Abs. 2 WG und Art. 21 ScheckG würde jedoch von der h. M. ebenso ein gesetzlicher Eigentumserwerb angenommen.11 Im Unterschied zu § 241a Abs. 1 BGB wurde hierdurch jedoch der damalige gesetzgeberische Wille12 umgesetzt, der durch den Wortlaut der Normen nicht ausreichend zu Tage getreten war.13 Bei § 241a Abs. 1 BGB hat sich der Gesetzgeber zumindest bei seiner Umsetzung

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Vgl. dazu unten Kap. 3 § 2 B. Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 32; BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 85 ff.; Sosnitza, BB 2000, 2317, 2322. 10 HK-BGB/Schulze, § 241a BGB Rn. 8; Löhnig, JA 2001, 33, 34; Altmeppen, FS Westphalen, 1, 7. 11 MüKo BGB/Finkenauer; § 241a BGB Rn. 36; Riehm, Jura 2000, 505, 512. 12 Leiß, Die unbestellte Leistungserbringung, 111; Bülow, AcP 186 (1986), 576 ff. 13 Lorenz, FS Lorenz, 193, 212. 9

§ 1 Grundlagen

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aufgrund der FARL14 bewusst gegen eine Qualifizierung als gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand ausgesprochen. Im Rahmen der Umsetzung der VRRL hat sich der Gesetzgeber hierzu nicht erneut geäußert15, die sonstigen Änderungen der Vorschrift jedoch betont. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass sich seine ursprüngliche Haltung zur Eigentumslage nicht geändert hat. Soweit von Finkenauer16 behauptet wird, der recht verstandene gesetzgeberische Wille fordere einen gesetzlichen Eigentumsübergang, da in der Gesetzesbegründung auf die Rechtslage in Portugal verwiesen wird, welche im Ergebnis auf eine Schenkung hinauslaufe, so trifft dies nicht zu. Denn dieser Verweis dient lediglich dazu, den Ausschluss des Vindikationsanspruches zu rechtfertigen. Verdeutlicht wird dies dadurch, dass im Folgesatz der Gesetzgeber ausdrücklich von der Trennung von Besitz und Eigentum ausgeht, indem er zum einen hervorhebt, es sei durch den Schutzzweck der Regelung gerechtfertigt, dass sachenrechtlich ausnahmsweise Besitz und Eigentum dauerhaft auseinanderfallen können, wenn dem Verbraucher bewusst unbestellte Leistungen aufgedrängt würden. Zum anderen führt er aus, dieses Auseinanderfallen stelle im Hinblick auf die Verjährung von Herausgabeansprüchen auch keinen Einzelfall im BGB dar.17 Darüber hinaus liegt ein Eigentumserwerb auch nicht zwangsläufig im Interesse des Verbrauchers. Da der Verbraucher die Sache nicht zwingend behalten wird, können etwa für die Beseitigung der Ware Kosten anfallen, welche der Verbraucher als neuer Eigentümer selbst zu tragen hätte. Selbst wenn man einen zweifelhaften Anspruch auf Aufwendungsersatz aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Unternehmer bejahen würde18, könnten damit Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verbunden sein. So würde ihm zum einen das Prozessrisiko aufgebürdet werden und zum anderen hätte er das Insolvenzrisiko des Unternehmers zu tragen, auf dessen Auswahl er keinerlei Einfluss gehabt hat. Entscheidend gegen einen gesetzlichen Eigentumserwerb spricht außerdem zum einen die Stellung im allgemeinen Schuldrecht und zum anderen, dass § 241a Abs. 1 BGB nach seinem Wortlaut lediglich relative Wirkung zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher entfaltet.19 Eine für einen dinglichen Rechtserwerb erforderliche absolute Wirkung lässt sich somit § 241a Abs. 1 BGB nicht entnehmen. 14

Vgl. BT-Drucks. 14/2658, 46: Der Gesetzgeber ging vom dauerhaften Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz als Folge des durch § 241a Abs. 1 BGB angeordneten umfassenden Anspruchsausschlusses aus, wodurch gleichzeitig ein gesetzlicher Eigentumserwerbsgrund abgelehnt wurde; BT-Drucks. 14/2920, 5, 14, und BT-Drucks. 14/3195, 32, wo hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken immer nur der Ausschluss des Herausgabeanspruchs und nicht ein gesetzlicher Eigentumserwerbsgrund problematisiert wird. 15 BT-Drucks. 17/12637, 37, 44 f. 16 MüKo BGB/Finkenauer; § 241a BGB Rn. 36. 17 BT-Drucks. 14/2658, 46. 18 Hierzu Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, Rn. 638. 19 Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 33.

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

Eine Aneignung des Verbrauchers gemäß § 958 Abs. 1 BGB infolge einer Dereliktion des Unternehmers nach § 959 BGB20 scheitert angesichts des regelmäßig fehlenden Verzichtswillens21 auf Seiten des Unternehmers. Andernfalls wäre der Unternehmer nicht mehr in der Lage, im Falle einer Annahme des Kaufvertragsangebots durch den Verbraucher dessen vertraglichen Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB in Form der Übereignung der Ware zu erfüllen.22 Eine letzte Ansicht versucht, das dauerhafte Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum dadurch zu lösen, dass sie dem Verbraucher einen Übereignungsanspruch analog §§ 886, 1169, 1254 BGB zugesteht.23 Hierzu wird angeführt, es leite sich aus der Gesamtschau dieser Normen der Grundsatz ab, dass der Inhaber eines dinglichen Rechts diese Rechtsposition aufgeben müsse, wenn ausgeschlossen sei, dass er sie jemals durchsetzen könne. § 241a BGB stelle eine vergleichbare peremptorische Einrede dar, die der Durchsetzung des Anspruchs aus dem Eigentum dauerhaft entgegenstehe. Äquivalent zu den Fallkonstellationen der §§ 886, 1169, 1254 BGB müsse deshalb ein Übereignungsanspruch des Verbrauchers gegen den Unternehmer begründet werden. Allerdings fordert eine Analogie stets eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage.24 Der Gesetzgeber war sich vorliegend jedoch des Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz bewusst und hat daran gleichwohl in den Gesetzgebungsmaterialien festgehalten.25 Ein verfassungswidriger Zustand ist nicht ersichtlich, vielmehr würde ein Übereignungsanspruch in die Eigentumsfreiheit des Unternehmers aus Art. 14 Abs. 1 GG eingreifen und diesen möglicherweise unverhältnismäßig in seiner Eigentumsfreiheit beschränken26, jedenfalls nicht umgekehrt. Folglich kann keine für die Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke angenommen werden, so dass ein Übereignungsanspruch analog §§ 886, 1169, 1254 BGB ausscheidet. Zuletzt ist auch zu berücksichtigen, dass sich der gesamte Streitstand unmittelbar nach der erstmaligen Einführung des § 241a BGB entwickelt hat. Der Gesetzgeber hat dennoch bei der Umsetzung der VRRL mehr als zehn Jahre später keine eigentumsrechtliche Regelung zu Gunsten des Verbrauchers getroffen27, wodurch auch

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So Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, 275 f.; Bunte, FS Gaedertz, 87, 95. MüKo BGB/Oechsler, § 959 BGB Rn. 3. 22 Ebenso Naumann, Unbestellte Leistungen, 86. 23 Löhnig, JA 2001, 33, 35. 24 BGHZ 105, 140, 143; 149, 165, 174; 170, 187; Danwerth, ZfPW 2017, 230, 232 f.; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 297 f.; Leipold, BGB I, § 5 Rn. 13; Bitter/Röder, BGB AT, 200. 25 BT-Drucks. 14/2658, 46. 26 Siehe zur Problematik: Sosnitza, BB 2000, 1317, 1319 ff.; BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 89 f.; Erman/Saenger, § 241a BGB Rn. 2 f.; NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 11. 27 Dies wäre trotz der von der VRRL angestrebten Vollharmonisierung möglich gewesen, da der außervertragliche Bereich nicht in ihren Regelungsbereich fällt, siehe unten Kap. 2 § 2 A. 21

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der Konstruktion einer Verwirkung des Eigentums durch den Unternehmer und anschließender Aneignung durch den Verbraucher28 eine Absage erteilt wurde. Man könnte allenfalls versuchen, die Sanktionsanordnung des Art. 24 Abs. 1 VRRL i. V. m. dem Erwägungsgrund 57 VRRL an dieser Stelle fruchtbar zu machen und dafür zu plädieren, dass es zur effektiven und angemessenen Sanktionierung des Unternehmers erforderlich sei, dass das Eigentum auf den Verbraucher übergehe oder ein darauf gerichteter Anspruch entstünde. Allerdings besteht bereits eine ausreichende Sanktionierung dadurch, dass der Unternehmer seine Eigentumsposition dauerhaft nicht durchsetzen kann und seine mit dem Eigentum eigentlich verbundene Nutzungsbefugnis vollkommen „entwertet“ wird. Eine zusätzliche Begünstigung29 des Verbrauchers durch einen Eigentumserwerb ist hingegen für eine effektive Sanktionswirkung nicht erforderlich. Abschließend lässt sich festhalten, dass ohne eine dingliche Einigung, die seitens des Unternehmers nur dann bejaht werden kann, wenn es zum Kaufvertragsschluss und zur Kaufpreiszahlung kommt, ein Eigentumserwerb des Verbrauchers nicht in Betracht kommt. § 241a Abs. 1 BGB lässt somit die Eigentumslage unberührt. III. Recht zum Besitz Eine hiervon unabhängig zu beurteilende Frage betrifft jedoch das Besitzrecht des Verbrauchers und eine eventuelle Verfügungsbefugnis. So kommt es etwa entscheidend auf das Vorliegen eines Besitzrechts an, wenn der Verbraucher die Ware an Dritte vermietet oder verleiht und sich die Frage nach einem abgeleiteten Besitzrecht des Dritten stellt. Verneint man ein solches, könnte der Unternehmer die Ware vom Dritten herausfordern, wobei sich die Frage stellt, inwieweit dies dem Sinn und Zweck des § 241a Abs. 1 BGB entspricht (da der Verbraucher hierdurch Regressansprüchen des Dritten ausgesetzt werden könnte). Darüber hinaus wird sich zeigen, dass der Verbraucher nur bei Vorliegen eines Besitzrechts Schadensersatzansprüche gegen Dritte bei Beschädigung der Ware geltend machen kann und andernfalls schutzlos gestellt ist. Es herrscht jedoch keine Einigkeit darüber, ob dem Verbraucher ein solches Besitzrecht zuzugestehen ist oder nicht. Einerseits wird es abgelehnt, aus § 241a Abs. 1 BGB ein solches Recht zum Besitz abzuleiten.30 Hierfür wird angeführt, dass § 241a Abs. 1 BGB keine Rechte oder Ansprüche des Verbrauchers begründe, sondern lediglich Ansprüche des Unternehmers ausschließe.31 Zudem erfordere ein 28

Müller-Helle, Die Zusendung unbestellter Ware, 234 ff. Trotz der oben angeführten Interessenlage im Falle der Entsorgung der Ware wird man im Falle der Verwendung der Ware durch den Verbraucher einen Eigentumserwerb grundsätzlich als begünstigend ansehen können. 30 Erman/Saenger, § 241a BGB Rn. 26; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 34; Berger, JuS 2001, 649, 653; Schwarz, NJW 2001, 1449, 1451; Koch/Schug, Ad Legendum 2009, 11, 14. 31 HK-BGB/Schulze, § 241a BGB Rn. 8. 29

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

Recht zum Besitz zumindest das Bestehen eines gesetzlichen Rechtsverhältnisses, dessen Entstehung § 241a Abs. 1 BGB jedoch gerade verhindern wolle.32 Andererseits wird angeführt, dass § 241a Abs. 1 BGB dem Empfänger ein Recht zum Behaltendürfen verschaffe, auf Grund dessen er die Sache nutzen, gebrauchen und verbrauchen dürfe, was rein faktisch gesehen nichts anderes darstelle als ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB.33 Zwar kann aus der Formulierung der Norm als Ausschlusstatbestand kein Recht zum Besitz abgeleitet werden, sie steht der Annahme eines Rechts zum Besitz aber ebenso wenig zwingend entgegen. Um jedoch aus der rein faktischen dauerhaften Zuordnung des Besitzes zum Verbraucher ein gesetzliches Besitzrecht ableiten zu können, bedarf es einer ausreichend tragfähigen Begründung.34 1. Zwei-Personen Verhältnis Für diese Beurteilung sind der Schutzzweck des § 241a Abs. 1 BGB sowie die Folgen der Annahme bzw. Verneinung eines Rechts zum Besitz von entscheidender Bedeutung. Der Sinn und Zweck des § 241a Abs. 1 BGB besteht in der Sanktionierung des wettbewerbswidrigen Verhaltens des Unternehmers. Im reinen ZweiPersonen-Verhältnis besteht zwischen der Annahme eines Rechts zum Besitz und dem reinen Anspruchsausschluss hingegen kein Unterschied: Der Verbraucher kann die Sache vielmehr in beiden Fällen nutzen, gebrauchen, verbrauchen oder sogar entsorgen. 2. Drei-Personen Verhältnis Sobald jedoch eine dritte Person involviert ist, stellen sich schwierige Auslegungsfragen. Insoweit gilt es, zwischen verschiedenen Fallgruppen zu differenzieren: a) Verkauf/Verschenkung an Dritte Sofern der Empfänger die Ware an Dritte verkauft oder verschenkt, spielt es keine Rolle, ob man sich für oder gegen ein Recht zum Besitz des Verbraucher ausspricht, sondern allein, ob man ihm eine aus § 241a Abs 1 BGB abgeleitete Verfügungsbefugnis zuerkennt oder nicht.35 Ohne Verfügungsbefugnis bleibt es dabei, dass der Dritte nur gutgläubig Eigentum an der Ware erwerben kann und die Ware andernfalls vom Unternehmer nach § 985 BGB herausverlangt werden kann. Indem der Ver32

Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 34. MüKo BGB/Finkenauer, § 241a BGB Rn. 35; NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 39; BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 113; Sosnitza, BB 2000, 2317, 2323. 34 Leiß, Die unbestellte Leistungserbringung, 103, im Ergebnis jedoch ein Besitzrecht ablehnend. 35 Siehe dazu unten unter Kap 2 § 1 B. IV. 33

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käufer im Regelfall keine (mittelbare) Besitzposition mehr innehat, käme auch bei Anerkennung eines Besitzrechts ein abgeleitetes Besitzrecht gemäß § 986 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB nicht in Betracht. b) Vermietung/Verleihung an Dritte Anders verhält es sich hingegen im Falle der Vermietung oder Verleihung der Ware durch den Verbraucher an einen Dritten. Sofern man kein Besitzrecht des Empfängers anerkennt, kann der Dritte einem Herausgabeanspruch des Unternehmers aus § 985 BGB kein abgeleitetes Besitzrecht aus § 986 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB entgegensetzen. Da § 241a Abs. 1 BGB nach seinem Wortlaut zunächst einmal nur das Verhältnis des Unternehmers zum Verbraucher regelt, kann sich der Dritte auch nicht auf den Anspruchsausschluss berufen.36 Demnach hätte die Verneinung des Besitzrechts zur Folge, dass der Unternehmer die Sache vom Dritten vindizieren könnte. Nehmen wir also den Fall an, dass der Verbraucher die ihm zugesendete Ware an einen Dritten vermietet und der Unternehmer diese daraufhin vom Dritten herausverlangt. Dies hätte zum einen zur Folge, dass der Verbraucher gegenüber dem Dritten schadensersatzpflichtig werden würde, obwohl die Vermietung nur eine besondere Form der Nutzung darstellt. Zum anderen würde der Unternehmer die Sache vom Dritten zurückerhalten und damit trotz seines wettbewerbswidrigen Verhaltens nicht effektiv sanktioniert werden. Die effektive Sanktionierung von Verstößen gegen § 241a Abs. 1 BGB wird jedoch ausdrücklich von Art. 24 Abs. 1 VRRL gefordert. Diese gewünschte Sanktionierung könnte der Unternehmer andernfalls umgehen, indem er zunächst dem Verbraucher bewusst für diesen ungeeignete Waren (z. B. DVDs mit Kinderfilmen für einen erwachsenen oder Bücher, die explizit auf Frauen zugeschnitten sind, für einen männlichen Empfänger) in der Hoffnung zusendet, dass dieser dieselben an taugliche Dritte weitergibt. Anschließend könnte er nach Geltendmachung des Herausgabeanspruchs gegenüber dem Dritten versuchen, den Verbraucher in den Vertragsschluss zu drängen, damit dieser sicher sein kann, sich gegenüber dem Dritten nicht schadensersatzpflichtig zu machen.37 Und selbst wenn eine solche Schadensersatzpflicht realistischerweise nicht im Raum steht, weil die Sache etwa ohne bestimmte Dauer verliehen wurde und deshalb jederzeit nach § 604 Abs. 3 BGB zurückgefordert werden könnte, könnte der Verbraucher (aus sozialen Gründen) bestrebt sein, die Entziehung des Gegenstandes beim begünstigten Dritten zu verhindern. Zudem schafft es für den Verbraucher Rechtsunsicherheit: Er darf die Ware entsorgen, aber nicht an einen für die Sache geeigneten Dritten vermieten oder 36

Berger, JuS 2001, 653; Schwarz, NJW 2001, 1454; Leiß, Die unbestellte Leistungserbringung, 152 ff.; a. A.: BeckOK BGB/Sutschet, § 241a BGB Rn. 9; Otto, Jura 2004, 391, wonach der Dritte durch Singularsukzession in die Rechtsposition des Verbrauchers eintreten soll. Hierfür fehlt jedoch jeglicher Anhaltspunkt im Gesetz. 37 So auch Walter, Die rechtliche Behandlung der Erbringung unbestellter Leistungen nach § 241a BGB, 229.

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

verleihen, ohne einer potentiellen Schadensersatzpflicht ausgesetzt zu sein. Der Gesetzgeber wollte jedoch alle denkbaren Ansprüche gegen den Verbraucher ausschließen, damit er eben nicht in die missliche Lage gerät, nicht zu wissen, welche Rechte und Möglichkeiten er habe.38 Genau diese Situation würde jedoch hervorgerufen, wenn man das Entstehen eines Besitzrechts verneinen würde und der Verbraucher infolgedessen auf die Einholung fundierten Rechtsrats angewiesen wäre.39 Das Problem wurde teilweise durchaus auch von den Autoren gesehen, die ein Besitzrecht ablehnen. So wird zum Teil eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des § 986 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. m. § 242 BGB mit der Folge vorgeschlagen, dass der Unternehmer grundsätzlich nur die Herausgabe vom Dritten an den Verbraucher verlangen könnte.40 Zudem soll der Anspruch des Unternehmers nach § 242 BGB ausgeschlossen sein, weil er kein schützenswertes Interesse an einem unmittelbaren Besitz der Sache beim Empfänger habe.41 Sofern man jedoch diesen Weg gehen möchte, erscheint es stark konstruiert und inkonsequent, zunächst ein Besitzrecht zu verneinen, die tatsächlichen Folgen eines Besitzrechts jedoch durch eine Anwendung von § 242 BGB herbeizuführen. Es erscheint deshalb stringenter und aus Rechtsklarheits- und Rechtssicherheitsaspekten sinnvoller, direkt ein Besitzrecht des Verbrauchers anzunehmen, ohne auf § 242 BGB zurückzugreifen. c) Zerstörung der Ware durch einen Dritten Dies zeigt auch die letzte Fallgruppe, die die Zerstörung der Ware durch einen Dritten betrifft. Nur wenn man dem Verbraucher ein Recht zum Besitz zugesteht, kann dieses als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB verletzt werden und einen deliktischen Anspruch gegen Dritte begründen, die die Ware beschädigen oder zerstören. Der unberechtigte Besitz wird nach h. M. hingegen lediglich durch die §§ 861, 858 BGB geschützt42, so dass wenn überhaupt nur in den seltenen Fällen der verbotenen Eigenmacht ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 858 BGB43 bestünde.

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Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2920, 14. BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 113. 40 Leiß, Die unbestellte Leistungserbringung, 160 f. 41 Leiß, Die unbestellte Leistungserbringung, 160 f. 42 BGHZ 137, 89; BeckOK BGB/Förster, § 823 BGB Rn. 156; MüKo BGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 289; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 34; T. Honsell, JZ 1983, 531, 532. 43 Erman/Saenger, § 241a BGB Rn. 17; Larenz/Canaris, SchuldR BT II, § 77 III 1c, S. 440 f.; teilweise wird sogar die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 2 BGB in Fällen des unrechtmäßigen Besitzes verneint, MüKo BGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 290; oder nur eingeschränkt angewendet, BeckOK BGB/Förster, § 823 BGB Rn. 156; zu dieser Frage soll jedoch vorliegend keine Stellung bezogen werden, da bei einem Verneinen der Anwendbarkeit des 39

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Um jedoch einen Ausgleich für die dem Verbraucher entzogene faktische Nutzungsmöglichkeit zu schaffen, wird teilweise eine Korrektur über die Grundsätze der Drittschadensliquidation vorgeschlagen.44 Der Unternehmer habe einen Anspruch aufgrund einer Eigentumsverletzung aus § 823 Abs. 1 BGB, aber keinen Schaden, da der wirtschaftliche Wert dauerhaft dem Verbraucher zugeordnet sei. Hingegen habe der Verbraucher einen durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit begründeten Schaden, aber keinen Anspruch. Als Fremdkörper im System des BGB bilde § 241a Abs. 1 BGB eine neue Fallgruppe der Drittschadensliquidation, so dass dem Verbraucher analog § 285 BGB ein Anspruch gegen den Unternehmer auf Abtretung des Schadensersatzanspruchs zustehe.45 Diese Lösung hat jedoch gegenüber der hier vorgeschlagenen Annahme eines Rechts zum Besitz einen entscheidenden Nachteil: Der Verbraucher trägt insoweit das Insolvenzrisiko des Unternehmers und ebenso das Durchsetzungsrisiko seines Abtretungsanspruchs. Zudem handelt es sich bei der Schaffung einer neuen Fallgruppe der Drittschadensliquidation um eine starke Verkomplizierung eines an sich einfachen Sachverhalts, der mithilfe der Anerkennung eines Rechts zum Besitz dogmatisch überzeugend gelöst werden kann. Akzeptiert man, dass der Verbraucher ein Recht zum Besitz hat, steht diesem ein eigener Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu, so dass es keines Rückgriffs auf die Grundsätze der Drittschadensliquidation bedarf.46 3. Fazit Die Analyse der Fallgruppen mit Drittbezug hat gezeigt, dass die Anerkennung eines dem Verbraucher zustehenden Rechts zum Besitz zu interessengerechteren Lösungen führt und die von Art. 24 Abs. 1 VRRL geforderte angemessene Sanktionierung des Unternehmers effektiv umsetzt. Baldus47 führt hiergegen jedoch an, dass aufgrund der Vollharmonisierung der VRRL die Annahme eines Rechts zum Besitz nicht mehr möglich sei, da die Richtlinie ein solches nicht vorsehe. Diese Annahme ist jedoch nicht zwingend. Wie sich im späteren Verlauf der Arbeit noch zeigen wird, steht der von der h. M.48 vertretene Ausschluss gesetzlicher Ansprüche durch § 241a Abs 1 BGB im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie. Dies hat seinen Grund darin, dass der Regelungsbereich der Richtlinie auf die vertragliche Ebene beschränkt ist. Ein sich aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 858 BGB der Verbraucher sogar noch schlechter gestellt werden würde als hier angenommen und somit die Argumentation nicht gefährdet werden würde. 44 Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 61; Link, NJW 2003, 2811, 2812. 45 Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 61; Leiß, Die unbestellte Leistungserbringung, S. 165 ff. 46 So auch Weiss, JuS 2015, 8, 12 f.; BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 113. 47 MüKo BGB/Baldus, § 986 BGB, Rn. 65. 48 NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 13; P/W/W/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241a BGB Rn. 2; siehe vertiefte Darstellung unten Kap. 2 § 2.

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

§ 241a Abs. 1 BGB ableitendes gesetzliches Besitzrecht ist damit ebenso wenig vom Regelungsbereich der VRRL umfasst wie gesetzliche Ansprüche. Demzufolge steht die Vollharmonisierung der VRRL der Annahme eines Rechts zum Besitz nicht entgegen. Soweit teilweise davon ausgegangen wird, dass gegen die Annahme eines Rechts zum Besitz der Wille des Gesetzgebers spreche49, findet dies keine Grundlage in den Gesetzgebungsmaterialien zur Umsetzung des Art. 9 FARL. Wie oben gezeigt, ging der Gesetzgeber ausdrücklich von einem Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz aus, nicht aber von einem Auseinanderfallen von unmittelbarem und berechtigtem Besitz. Vielmehr spricht der Vergleich zu Portugal, wo das dauerhafte kostenlose Behaltendürfen im Ergebnis auf eine Schenkung hinausläuft, ebenfalls für ein Recht zum Besitz des Verbrauchers. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Missbrauchserwägungen, da im Falle des § 241a Abs. 1 BGB der Unternehmer einerseits aufgrund seines wettbewerbswidrigen Verhaltens nicht schutzwürdig ist und andererseits dem Verbraucher ohnehin die dauerhafte Gebrauchs- und Entsorgungsmöglichkeit zusteht. Eine Ausnahme von der Annahme eines Rechts zum Besitz wird man jedoch in den Fällen des § 241a Abs. 2 BGB machen müssen. Hiernach sind gesetzliche Ansprüche nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. § 241a Abs. 2 BGB normiert damit grundsätzlich eine Ausnahme von § 241a Abs. 1 BGB, bei deren Vorliegen die Folgen des § 241a Abs. 1 BGB nicht eintreten sollen und somit auch kein Recht zum Besitz für den Verbraucher begründet wird. Deshalb besteht keine Gefahr, dass der Verbraucher durch Vermietung oder Verleihung an Dritte die generelle Herausgabepflicht an den Unternehmer vereiteln kann. Demzufolge ist davon auszugehen, dass § 241a Abs. 1 BGB dem Verbraucher ein gesetzliches Recht zum Besitz vermittelt. IV. Verfügungsbefugnis Wie oben bereits aufgezeigt, können die Komplikationen in Dreipersonenverhältnissen nur durch die Annahme einer Verfügungsbefugnis des Verbrauchers vollständig gelöst werden. Andernfalls hätte es der Unternehmer in der Hand, die Ware beim Verkauf durch den Verbraucher von einem bösgläubigen Erwerber nach § 985 BGB zu vindizieren. In Fällen einer unentgeltlichen Verfügung wäre darüber hinaus auch der gutgläubige Erwerber einem Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ausgesetzt und müsste die Ware demnach an den Unternehmer herausgeben. Die Interessenlage ist hier vergleichbar mit derjenigen bei der Vermietung oder Verleihung der Ware. Bei Bejahung einer Verfügungsbefugnis des Verbrauchers stünde 49

Leiß, Die unbestellte Leistungserbringung, 103 ff.

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wiederum nicht primär eine Begünstigung des Verbrauchers, sondern eine effektive Sanktionierung des Unternehmers im Vordergrund. Letztendlich wird der ausdrücklich beabsichtigte Präventivcharakter der Norm vollständig nur durch die gleichzeitige Anerkennung einer Verfügungsbefugnis erzielt.50 Dennoch wird überwiegend eine Verfügungsbefugnis des Verbrauchers abgelehnt.51 Dies wird größtenteils als zwingende Folge der Verneinung eines gesetzlichen Eigentumserwerbs durch § 241a Abs. 1 BGB angesehen und dementsprechend nur kurz abgehandelt.52 Es entspreche nicht dem gesetzgeberischen Willen, dem Verbraucher eine solche Rechtsmacht zuzugestehen.53 Bei dieser Argumentation wird jedoch zum einen verkannt, dass eine Verfügungsbefugnis nicht zwingend eine Eigentümerstellung des Verbrauchers voraussetzt, sondern auch auf anderem Wege hergeleitet werden kann. Zum anderen wollte der Gesetzgeber ursprünglich mit § 241a Abs. 1 BGB trotz der dauerhaften Trennung von Eigentum und Besitz den wirtschaftlichen Effekt einer schenkweisen Übereignung erreichen.54 Der wirtschaftliche Effekt des Eigentums berechtigt aber gemäß § 903 BGB den Verbraucher zum beliebigen Umgang mit der Sache und nicht nur zur bloßen Selbstnutzung.55 Die Veräußerung einer Ware fällt unproblematisch unter den beliebigen Umgang mit der Sache. Somit kann ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille nicht als Argument für die Verneinung einer Verfügungsbefugnis angeführt werden. Bislang wurde es jedoch versäumt, eine dogmatisch stringente Begründung für eine Verfügungsbefugnis herzuleiten. So wurde zum Teil vertreten, dass der Verbraucher durch die Verfügung das schuldrechtliche und dingliche Angebot des Unternehmers dann letztlich doch annehme und infolgedessen als Eigentümer und Berechtigter über die Sache verfügen könne.56 Wie oben aufgezeigt, wird eine solche konkludente Annahme jedoch durch § 241a Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Zunächst könnte man für eine dogmatische Herleitung einer Verfügungsbefugnis über eine Gesamtanalogie zu den gesetzlichen Verfügungsermächtigungen nachdenken. So sind etwa der Insolvenzverwalter (§ 80 I InsO), der Nachlassverwalter (§ 1985 Abs. 1 BGB) und der Testamentsvollstrecker (§ 2205 S. 2 BGB) kraft Gesetzes als 50 Lorenz, FS Lorenz, 193, 211; a. A.: Sosnitza, BB 2000, 2317, 2322, der von einem nur kompensativen Charakter der Regelung ausgeht. 51 Sosnitza, BB 2000, 2317, 2322; Schwarz, NJW 2001, 1149, 1452; NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 32; BeckOK BGB/Sutschet. § 241a BGB Rn. 9; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 57, BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 91. 52 Vgl. etwa BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 90 ff.; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 57. 53 Sosnitza, BB 2000, 2317, 2322. 54 BT-Drucks. 14/2658, 46, die Regelung liefe im Ergebnis auf eine Schenkung hinaus; beim Vergleich zum portugiesischen Recht erlangt der Empfänger auch die dingliche Verfügungsbefugnis, da dort aufgrund des Traditionsprinzips sich das Problem der Divergenz von Eigentum und Besitz nicht stellt; Lorenz, FS Lorenz, 193, 211. 55 Lorenz, FS Lorenz, 193, 211. 56 Casper, ZIP 2000, 1602, 1608.

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

Nichteigentümer verfügungsbefugt. Allerdings scheitert eine Analogie, sofern man eine planwidrige Regelungslücke bejaht, jedenfalls an der vergleichbaren Interessenlage: § 241a Abs. 1 BGB verleiht dem Verbraucher keine den Parteien kraft Amtes vergleichbare Stellung. Die Verfügungsbefugnisse der oben genannten Personen sind immer untrennbar mit der Verwaltung des Vermögens im fremden Interesse verbunden, was sich auch den jeweiligen Normen entnehmen lässt, die die betreffenden Personen zur Verfügung ermächtigen. Im Fall des § 241a Abs. 1 BGB besteht jedoch keine solche Verwaltung von Vermögen in fremdem Interesse, vielmehr wird die wirtschaftliche Nutzungsbefugnis dem Verbraucher dauerhaft zugeordnet. Folglich scheidet eine Gesamtanalogie zu gesetzlichen Verfügungsermächtigungen aus. In Betracht kommt somit lediglich eine rechtsgeschäftliche Verfügungsermächtigung seitens des Unternehmers gemäß § 185 Abs. 1 BGB. Eine ausdrückliche Ermächtigung liegt in der Regel nicht vor. Demnach käme nur eine konkludente Ermächtigung in Form der Zusendung der Ware in Betracht. Der Wille des Unternehmers wird allerdings regelmäßig nicht darauf gerichtet sein, den Verbraucher zur Verfügung über die Ware zu ermächtigen. Diesem Problem könnte jedoch möglicherweise mit einer – bisher noch nicht in Betracht gezogenen – Anwendung des Grundsatzes protestatio facto contraria non valet57 begegnet werden. Dessen Anwendung ließe sich damit begründen, dass sich der Unternehmer wegen § 241a Abs. 1 BGB bewusst ist, dass er mit der Zusendung der Ware an den Verbraucher die Nutzungsbefugnis an dieser vollständig an diesen abgibt. Dabei stellt eine anschließende Weiterveräußerung nur eine besondere Form der Nutzung dar. Der gesetzgeberische Wille, der jegliche vertragliche Bindung zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher zu vermeiden sucht58, steht einer solchen Annahme nicht entgegen, da die Verfügungsermächtigung als einseitiges Rechtsgeschäft keine vertragliche Bindungswirkung zwischen den Beteiligten entfaltet. Entsprechend dem Grundsatz protestatio facto contraria non valet kann sich der Unternehmer somit nicht auf einen entgegenstehenden Willen berufen, so dass trotz fehlender ausdrücklicher Verfügungsermächtigung des Unternehmers eine Verfügungsbefugnis des Verbrauchers geschaffen werden kann. Es ist jedoch zu beachten, dass die Verfügungsermächtigung gemäß § 185 Abs. 1 BGB den Verbraucher deutlich begünstigt, was nicht dem eigentlichen Sinn und Zweck des § 241a Abs. 1 BGB entspricht.59 Dennoch ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 24 Abs. 1 VRRL eine effektive und wirksame Sanktionierung des Unternehmers fordert. Diese gebietet, dass der Unternehmer die Ware auch nicht von einem Dritten herausfordern können soll.60 Wiederum soll es ihm nicht möglich sein 57 Vgl. zu dieser Rechtsfigur allgemein BGHZ 95, 399 m.w.N; MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB, 7. Aufl. 2016, Rn. 386. 58 BT-Drucks. 14/2658, 46. 59 Vgl. Kap. 2 § 1 A. 60 Vgl. die Ausführungen zur Vermietung/Verleihung an Dritte, Kap. 2 § 1 B. III. 2. b).

§ 2 Der Anspruchsausschluss und seine Reichweite

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durch gezielte Zusendung von auf Dritte zugeschnittenen Waren (z. B. Damenkleidung für einen männlichen oder Kinderspielzeug für einen erwachsenen Empfänger61) den Empfänger in eine Kauf- und Zahlungspflicht zu drängen. Dementsprechend steht die effektive und wirksame Sanktionierung im Vordergrund. Dass diese gleichzeitig eine Begünstigung des Verbrauchers mit sich zieht, steht dem nicht entgegen. Somit bietet sich eine dogmatisch überzeugende Lösung an, die die Sanktionsanordnung des Art. 24 Abs. 1 VRRL und den wirtschaftlichen Effekt einer schenkweisen Übereignung effektiv umsetzt. Infolgedessen ist dem Verbraucher eine Verfügungsbefugnis zuzusprechen.

§ 2 Der Anspruchsausschluss und seine Reichweite Da nun die rechtlichen Konsequenzen der Anwendung des § 241a Abs. 1 BGB geklärt sind, kann in einem nächsten Schritt die für die vorliegende Arbeit zentrale Frage analysiert werden, welche der überhaupt nach dem oben Gesagten in Betracht kommenden Ansprüche vom Ausschluss des § 241a Abs. 1 BGB erfasst sind. Vertragliche Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher kommen regelmäßig mangels Annahmeerklärung des Verbrauchers weder aus einem Kauf-, Dienst- oder Verwahrungsvertrag noch aus einem sonstigen vertraglichen Verhältnis in Betracht. Infolgedessen steht die Frage im Mittelpunkt, inwieweit gesetzliche Ansprüche von § 241a Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden. § 241a Abs. 1 BGB ordnet nach seinem Wortlaut an, dass „ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet“ wird. Der Wortlaut ist somit weit gefasst und könnte neben vertraglichen auch gesetzliche Ansprüche ausschließen. Eindeutig ergibt sich dieses Ergebnis aber aus einem Umkehrschluss zu § 241a Abs. 2 BGB. Dieser Absatz geht davon aus, dass in bestimmten Sonderfällen gesetzliche Ansprüche nicht ausgeschlossen sind. E contrario lässt sich daraus schlussfolgern, dass grundsätzlich auch gesetzliche Ansprüche von der Ausschlusswirkung des § 241a Abs. 1 BGB erfasst sind.

A. Richtlinienkonforme Umsetzung des § 241a Abs. 1 BGB Vor diesem Hintergrund stellt sich jedoch die Frage, ob § 241a Abs. 1 BGB richtlinienkonform umgesetzt wurde. Der in § 241a Abs. 1 BGB umgesetzte Art. 27 VRRL fordert als Rechtsfolge eine Befreiung von der Erbringung der Gegenleistung. 61 Sofern im Haushalt Kinder vorhanden sind, wird sie es diesen unentgeltlich übereignen wollen. Unabhängig vom guten Glauben des begünstigten Kindes könnte der Unternehmer die Ware gemäß § 985 BGB oder § 816 Abs. 1 S. 2 BGB vom Kind herausverlangen und den Elternteil in den Kauf der Ware drängen.

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

Infolge der angestrebten Vollharmonisierung ist grundsätzlich weder eine strengere noch eine mildere Rechtsfolge zulässig. Das in Art. 4 VRRL verankerte Konzept der Vollharmonisierung steht jedoch zum einen unter dem Vorbehalt einer abweichenden Regelung in der Richtlinie selbst und kann sich zum anderen naturgemäß ausschließlich auf den Regelungsbereich der Richtlinie beziehen.62 Demnach wäre § 241a Abs. 1 BGB als richtlinienkonform anzusehen, wenn entweder gesetzliche Ansprüche unter den Begriff der „Gegenleistung“ gefasst werden könnten63 oder der Regelungsbereich der Richtliniennorm lediglich auf den vertraglichen Bereich beschränkt wäre64, so dass es dem Gesetzgeber freistünde, außerhalb dieses Geltungsbereichs eigene Regelungen zu treffen. I. Gesetzliche Ansprüche als „Gegenleistung“ im Sinne des Art. 27 VRRL Im Gegensatz zu Art. 27 VRRL spricht Art. 9 FinDRL vom Ausschluss „jeder Verpflichtung“. Art. 9 FinDRL, der seit 2002 den Regelungsbereich von § 241a Abs. 1 BGB unionsweit auf Finanzdienstleistungen im Fernabsatz erweitert, gilt für Finanzdienstleistungen fort und geht nicht vollkommen in Art. 27 VRRL auf. Der Grund dafür liegt darin, dass Finanzdienstleistungen gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. d VRRL vom Anwendungsbereich der VRRL ausgenommen sind. Die unterschiedliche Formulierung lässt vermuten, dass der Europäische Gesetzgeber zwischen der vertraglichen Gegenleistung und sonstigen und damit auch gesetzlichen Verpflichtungen unterscheidet. In diesem Fall würde der Begriff „Gegenleistung“ in Art. 27 VRRL keine gesetzlichen Ansprüche erfassen und § 241a Abs. 1 BGB wäre deshalb in seiner Reichweite bei unbestellten Finanzdienstleistungen anders auszulegen als bei sonstigen Leistungen oder Warenlieferungen. Eine dahingehende Differenzierung wird jedoch in § 241a Abs. 1 BGB nicht vorgenommen. Um dieses für den Verbraucher aus dem Wortlaut des § 241a Abs. 1 BGB nicht erkennbare Problem zu lösen, wird teilweise vertreten, den Begriff der Gegenleistung weit auszulegen und hierdurch auch bestimmte gesetzliche Ansprüche unmittelbar unter Art. 27 VRRL zu fassen.65 Zwar ist es richtig, dass die VRRL nicht nach nationalem Rechtsverständnis, sondern europarechtlich autonom auszulegen ist66, weshalb nicht ohne weiteres ein synallagmatisches Verständnis der Gegenleistung wie in Deutschland zu Grunde gelegt werden kann. Dennoch ist auch dem Euro62

Schmidt, GPR 2014, 73, 78. So Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn 44 ff. 64 So NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 13; P/W/W/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241a BGB Rn. 2; BeckOK BGB/Sutschet, § 241a BGB Rn. 9; MüKo BGB/Finkenauer, § 241a BGB Rn. 1; Schürnband, Verbraucherschutzrecht, Rn. 41. 65 Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 38; vgl. zur Wahrung der Rechtseinheit durch die autonome Qualifizierung unionsrechtlicher Begriffe unabhängig von gleichlautenden Begriffen im mitgliedstaatlichen Recht, Geiger/Khan/Kotzur/Geiger, EUV/AEUV, Art. 19 EUV Rn. 17. 66 Vgl. allgemein: BeckOGK/Richters/Friesen, § 310 BGB Rn. 93; Gebauer/Wiedmann EuropZivilR/Gebauer, Kap. 4 Rn. 8; Heinrichs, NJW 1995, 153, 155. 63

§ 2 Der Anspruchsausschluss und seine Reichweite

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päischen Gesetzgeber die Differenzierung durchaus bewusst.67 So wird etwa in dem Anhang I Nr. 29 Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGPRL) RL 2005/ 29/EG, auf den in Art. 27 VRRL Bezug genommen wird, neben der Bezahlung (also der Gegenleistung) auch das Verlangen auf Verwahrung oder Rücksendung als unlauter angesehen. Überdies stellt Art. 27 S. 2 VRRL klar, dass das Ausbleiben einer Antwort des Verbrauchers auf eine solche unbestellte Lieferung oder Erbringung nicht als Zustimmung gilt. Auch dieser auf Art. 27 S. 1 VRRL bezogene Satz befasst sich ausschließlich mit der vertraglichen Ebene. Zusätzlich befasst sich auch der Erwägungsgrund 60 der VRRL ausschließlich mit dem Begriff „Gegenleistung“ im Rahmen von vertraglichen Rechtsbehelfen. Dies spricht in seiner Gesamtheit gegen eine derart weite Auslegung dieses Begriffs. Infolgedessen lassen sich gesetzliche Ansprüche nicht unter den Begriff der „Gegenleistung“ subsumieren, so dass hierdurch keine unionsrechtliche Rechtfertigung des Ausschlusses gesetzlicher Ansprüche erfolgen kann.

II. Beschränkung des Regelungsbereichs von Art. 27 VRRL auf die vertragliche Ebene Der Ausschluss gesetzlicher Ansprüche in § 241a Abs. 1 BGB könnte sich dennoch als richtlinienkonform erweisen, wenn der Regelungsbereich der Richtliniennorm auf den vertraglichen Bereich beschränkt wäre und der nationale Gesetzgeber im Bereich der gesetzlichen Ansprüche autonom gesetzgeberisch tätig werden konnte. Obwohl die obige Auslegung des Begriffs der „Gegenleistung“ nicht unmittelbar den Ausschluss gesetzlicher Ansprüche legitimiert hat, zeigt seine Beschränkung auf vertragliche Ansprüche, dass sich Art. 27 VRRL ausschließlich mit der vertraglichen Ebene beschäftigt und damit hinsichtlich seines Regelungsbereichs auf vertragliche Ansprüche beschränkt ist. Besonders deutlich wird dies durch den Erwägungsgrund 60 VRRL, der (allerdings in etwas ungenauer dogmatischer Terminologie) ausschließlich davon spricht, einen „vertraglichen Rechtsbehelf“ des Verbrauchers zu schaffen. Der Begriff des vertraglichen Rechtsbehelfs ist hierbei autonom unionsrechtlich auszulegen. Aus dem Kontext im Erwägungsgrund selbst lässt sich bereits folgern, dass hiermit nicht lediglich Ansprüche gemeint sind, sondern vielmehr auch Einreden und Einwendungen. Dieser geht davon aus, dass die UGPRL die Lieferung unbestellter Waren oder Dienstleistungen an den Verbraucher lediglich verbiete, aber noch keinen vertraglichen Rechtsbehelf vorsehe, und es deshalb erforderlich sei, nunmehr in der VRRL einen solchen „vertraglichen Rechtsbehelf“ vorzusehen. Dieser vertragliche Rechtsbehelf solle in der Form erfolgen, dass der Verbraucher von der Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung für derartige unbestellte Lieferungen oder Erbringungen von Leistungen befreit wird. Der „vertragliche Rechtsbehelf“ stellt hier – genauer genommen – ein Abwehrmittel, also eine Einrede oder Einwendung dar. 67

NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 13.

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

Diese Interpretation wird auch durch die englische und französische Sprachfassung untermauert. In der englischen Fassung ist die Sprache von einem contractual remedy, was neben vertraglichem Rechtsbehelf auch als vertragliches Abwehrmittel übersetzt werden kann. Eine Übersetzung des französischen Begriffs recours contractuel kann neben vertraglichem Rechtsbehelf auch vertraglichen Einspruch ergeben. Hier wird folglich der defensive Charakter des Begriffs des „vertraglichen Rechtsbehelfs“ deutlich, der sich mithin auch nur gegen vertragliche Ansprüche des Unternehmers richten kann. Somit sind gesetzliche Ansprüche nicht vom Regelungsbereich des Art. 27 VRRL erfasst, weshalb sich auch der Grundsatz der Vollharmonisierung nicht auf gesetzliche Ansprüche erstreckt.68 Vielmehr hat sich der Europäische Gesetzgeber aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Konzepte in den Mitgliedstaaten, insbesondere auch zum Eigentumserwerb, insofern einer Regelung enthalten.69 Deshalb bedarf es keiner Rechtsfortbildung der EU-Richtlinie70, um einen nationalen Ausschluss gesetzlicher Ansprüche zu ermöglichen. Ebenso ist in umgekehrter Weise auch keine richtlinienkonforme Reduktion des § 241a Abs. 1 BGB auf einen Ausschluss von lediglich vertraglichen Ansprüchen71 notwendig. Wie oben aufgezeigt, erstreckt sich der Regelungsbereich des Art. 27 VRRL von vornherein lediglich auf den vertraglichen Bereich, so dass der Gesetzgeber außerhalb dieses Regelungsbereiches für gesetzliche Ansprüche eigenständig disponieren konnte. Gestützt wird diese Auffassung letztlich auch noch durch die geforderte und zugelassene Anordnung von effektiven Sanktionen gemäß Art. 24 Abs. 1 VRRL. Mit dem Ausschluss von gesetzlichen Ansprüchen durch den nationalen Gesetzgeber wird letztlich dieser Forderung nachgekommen.72 Dafür, dass Art. 27 VRRL die Rechtsfolgenregelungen der Art. 23, 24 VRRL in irgendeiner Art und Weise verdrängen würde, gibt es keine Anhaltspunkte.73 Mithin wurde § 241a Abs. 1 BGB richtlinienkonform umgesetzt.

B. Einzelne Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher Im Anschluss kann nun der Frage nachgegangen werden, welche gesetzlichen Ansprüche im Einzelnen durch § 241 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden. Zu Beginn soll hierbei der Fokus auf die Ausschlusswirkung hinsichtlich von Ansprüchen des Unternehmers gegen den Verbraucher gerichtet werden. In diesem Verhältnis 68

Vgl. auch MüKo BGB/Finkenauer, § 241a BGB Rn. 1. NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 13; BeckOK BGB/Sutschet, § 241a BGB Rn. 9. 70 So Jäckel/Tonikidis, JuS 2014, 1064, 1065. 71 So Köhler, JuS 2014, 865, 868; Piekenbrock, GPR 2012, 195, 198; ähnlich Erman/ Saenger, § 241a BGB Rn. 27. 72 NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 13; MüKo BGB/Finkenauer, § 241a BGB Rn. 1. 73 P/W/W/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241a BGB Rn. 2; Schmidt, GPR 2014, 73, 78. 69

§ 2 Der Anspruchsausschluss und seine Reichweite

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kommen zunächst neben Herausgabeansprüchen auch Ansprüche auf Herausgabe des Erlöses, Ansprüche auf Schadensersatz sowie Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht, die im Folgenden einzeln untersucht werden. I. Ansprüche auf Herausgabe Ein Anspruch auf Herausgabe der empfangenen Ware gemäß § 985 BGB scheidet nach der hier entwickelten Auffassung74 schon tatbestandlich aufgrund des von § 241a Abs. 1 BGB vermittelten Rechts zum Besitz aus. Deshalb kommt es hier auf die teilweise umstrittene Frage, ob § 241a Abs. 1 BGB den Anspruch aus § 985 BGB ausschließt75, nicht an. Ebenso scheidet durch das Recht zum Besitz auch ein Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 1 und 2 BGB tatbestandlich aus. Überdies werden nach ganz h. M. durch § 241a Abs. 1 BGB die bereicherungsrechtlichen Herausgabeansprüche nach § 812 BGB ausgeschlossen.76 Das liegt einerseits am klaren Wortlaut des § 241a Abs. 1 BGB, andererseits am historischen Willen des Gesetzgebers. Dieser hat explizit den Ausschluss von Ansprüchen aus § 812 BGB zur effektiven Sanktionierung des Wettbewerbsverstoßes des Unternehmers gewünscht.77 Für eine teleologische Reduktion dahingehend, dass § 812 BGB nicht ausgeschlossen sein soll, sofern der Verbraucher die Sache ohne Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen tatsächlichen und rechtlichen Belange herausgeben kann und der Unternehmer sie auf eigene Kosten abholt78, besteht somit kein Raum. II. Ansprüche auf Erlösherausgabe Ansprüche auf Erlösherausgabe im Falle einer Weiterveräußerung durch den Verbraucher etwa aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB oder aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB scheiden bereits deshalb aus, weil der Verbraucher nach der hier vertretenen Auffassung79 verfügungsbefugt ist und somit als Berechtigter verfügen kann bzw. kein fremdes Geschäft vorliegt.

74

Siehe oben Kap. 2 § 1 B. III. Die h.M. bejaht einen Anspruchsausschluss: Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 46; NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 35; Sosnitza, BB 2000, 2317, 2319; Berger, JuS 2001, 649, 652; a. A.: Casper, ZIP 2000, 1602, 1607; Altmeppen, FS Westphalen, 1, 8. 76 Purnhagen, JIPITEC 2012, 93, 100; BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 79; Jauernig/ Mansel, § 241a BGB Rn. 5; BeckOK BGB/Sutschet, § 241a BGB Rn. 9. 77 BT-Drucks. 14/2658, 46. 78 HK BGB/Schulze, § 241a BGB Rn. 7. 79 Vgl. hierzu Kap. 2 § 1 B. IV. 75

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

III. Ansprüche auf Schadensersatz Während ein Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB bereits tatbestandlich mangels Vindikationslage ausscheidet, bedarf es bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz eines Ausschlusses durch § 241a Abs. 1 BGB. Da ein solcher Anspruch jedoch in der Regel nicht „durch die Lieferung“, sondern erst später entsteht, könnte man versucht sein, den Anspruchsausschluss nicht dementsprechend weit auszulegen. Der wirtschaftliche Wert der unbestellt gelieferten Ware oder sonstigen Leistung wird allerdings durch § 241a Abs. 1 BGB endgültig dem Verbraucher zugeordnet, so dass eine Inanspruchnahme wegen Ingebrauchnahme, Beschädigung, Nutzung oder Zerstörung nicht gerechtfertigt ist. Dies findet auch seine Stütze im historischen Willen des Gesetzgebers. Dieser hat hervorgehoben, dass die Norm nicht nur klarstelle, dass keinerlei vertragliche Ansprüche entstehen würden, sondern darüber hinaus auch, dass weder außervertragliche Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen noch Schadensersatzansprüche des Versenders bestünden, es sei denn, der Verbraucher hätte erkennen müssen, dass die Lieferung irrtümlich erfolgte.80 Die gleichen Erwägungen gelten auch für einen Anspruch aus § 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB. Mithin sind Schadensersatzansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher umfassend ausgeschlossen. In umgekehrter Anspruchsrichtung (Verbraucher gegen Unternehmer) entfaltet § 241a Abs. 1 BGB hingegen keine Wirkung.81 Dies folgt zum einen aus dem Wortlaut des § 241a Abs. 1 BGB, der nur von Ansprüchen gegen den Verbraucher spricht, und zum anderen daraus, dass Art. 27 VRRL i. V. m. Art. 4 VRRL nur vertragliche Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher betrifft. In Betracht käme etwa bei Mangelfolgeschäden durch die Ware ein Anspruch aus c.i.c. gemäß § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Ebenso kann auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bei Verletzung des berechtigten Besitzes oder sonstigen Eigentums des Empfängers entstehen. IV. Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag Eine Ausnahme vom Grundsatz des Ausschlusses gesetzlicher Ansprüche ergibt sich jedoch bei Vorliegen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Hieraus stammende Ansprüche werden nach einhelliger Auffassung nicht von § 241a Abs. 1 BGB ausgeschlossen, zumindest dann, wenn keine vorherige Einwilligung eingeholt werden kann.82 So möchte man z. B. nicht dem rettenden Arzt, der in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit handelt, den Aufwendungsersatz und den 80

BT-Drucks. 14/2658, 46. Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 52. 82 BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 81; MüKo BGB/Finkenauer, § 241a BGB Rn. 30; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 41; BeckOK BGB/Gehrlein, § 677 BGB Rn. 18; Erman/Dornis, § 677 BGB Rn. 41; Hau, NJW 2001, 2863, 2865. 81

§ 2 Der Anspruchsausschluss und seine Reichweite

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Vergütungsanspruch versagen. Da der Unternehmer in dem Fall in keiner Weise wettbewerbswidrig handelt oder sich einer unerwünschten Absatzmethode bedient, unterfallen diese Konstellationen nicht dem Schutzzweck des § 241a Abs. 1 BGB. Sofern jedoch eine Einwilligung des Verbrauchers eingeholt werden kann, kann die Leistung wiederum als aufgedrängt angesehen werden. Dies wäre z. B. der Fall, wenn ein Käufer sein Auto in die Inspektion gibt, darüber hinaus aber keinen Reparaturauftrag erteilt. Während der Inspektion durch den Verkäufer erkennt dieser jedoch einen (zusätzlichen) Schaden und repariert das Auto ohne Einwilligung des Käufers. In diesen Fällen ist ein Ausschluss über § 241a Abs. 1 BGB gerechtfertigt.83 In den sonstigen Fällen kann man entweder § 241a Abs. 1 BGB teleologisch reduzieren84 oder die Regelungen der GoA als spezieller ansehen und § 241a Abs. 1 BGB auf diesem Wege für nicht anwendbar erklären.85 Gegen eine Spezialität spricht jedoch, dass die Regeln der GoA nicht auf Unternehmer und Verbraucher beschränkt sind und somit die Regeln der GoA nicht als speziellere Normen vollständig in der allgemeineren des § 241a Abs. 1 BGB aufgehen.86 Abschließend lässt sich festhalten, dass § 241a Abs. 1 BGB – mit Ausnahme bestimmter Fälle der berechtigten GoA – zu einem umfassenden Anspruchsausschluss zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher führt.

C. Einzelne Ansprüche des Unternehmers gegen Dritte Daneben stellt sich jedoch auch die Frage, wie sich § 241a Abs. 1 BGB auf Ansprüche des Unternehmers gegen Dritte, die Besitz an der Ware erlangen, auswirkt. Wie oben aufgezeigt87, erwirbt der Dritte nach der hier vertretenen Ansicht im Falle der Veräußerung durch den Verbraucher aufgrund dessen Verfügungsbefugnis Eigentum an der Ware, so dass ein Anspruch des Unternehmers gegen den Dritten auf Herausgabe aus § 985 BGB ausscheidet. Deshalb kann es auch bei einer unentgeltlichen Veräußerung keinen Anspruch gegen den Dritten aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB geben. Ein Herausgabeanspruch aus § 822 BGB gegen den Dritten scheitert daran, dass ein Kondiktionsanspruch gegen den Verbraucher wegen § 241a 83

So auch MüKo BGB/Finkenauer, § 241a BGB Rn. 30. Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 41, der jedoch für die teleologische Reduktion des § 241a BGB auf Art. 27 VRRL i. V. m. Art. 5 V i. V. m. Anh. I Nr. 29 UGP-RL zurückgreift. Dies liegt daran, dass er grundsätzlich gesetzliche Ansprüche unter den Begriff „Gegenleistung“ fasst. Nach der hier vertretenen Auffassung ist für gesetzliche Ansprüche mangels Regelungsreichweite der VRRL nicht auf diese zurückzugreifen; vgl. auch BeckOGK/Fritzsche, § 241a BGB Rn. 81. 85 NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 41. 86 Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 40. 87 Siehe Kap. 2 § 1 B. IV. 84

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Kap. 2: Unbestellte Leistungen nach § 241a Abs. 1 BGB als Vergleichsmodell

Abs. 1 BGB und nicht wegen etwaiger Entreicherung ausgeschlossen ist. Durch das Besitzrecht des Verbrauchers sind auch keine Herausgabeansprüche aus §§ 1007 Abs. 1, 2 BGB gegeben. Ebenfalls scheitert ein Anspruch aus § 861 BGB an der erforderlichen verbotenen Eigenmacht. Bei der Vermietung/Verleihung an Dritte kann dem Unternehmer ein vom Verbraucher abgeleitetes Besitzrecht gemäß § 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB entgegengehalten werden.88 § 241a Abs. 1 BGB wirkt sich somit nicht unmittelbar im Verhältnis zwischen dem Unternehmer und einem Dritten aus. Allerdings wirken die dem Verbraucher durch § 241a Abs. 1 BGB eingeräumten Rechte mittelbar insoweit fort, dass er in der Lage ist, dem Dritten eine sichere Rechtsposition zu verschaffen.

D. Ansprüche Dritter gegen den Verbraucher Eine Besonderheit kann sich noch ergeben, wenn der versendende Unternehmer die Ware nur unter Eigentumsvorbehalt erworben hat und als Nichteigentümer die Ware an den Verbraucher versendet. In diesem Fall stellt sich die Frage, welche Rechte dem Eigentümer als Vorbehaltsverkäufer zustehen und inwieweit § 241a Abs. 1 BGB hier seine Wirkung entfaltet. Gegen eine Anwendung von § 241a Abs. 1 BGB könnte sprechen, dass der versendende Unternehmer den Rechtsverlust einkalkuliere, wohingegen dies auf den Vorbehaltsverkäufer nicht zutreffe.89 Auf der anderen Seite spricht für eine Anwendung des § 241a Abs. 1 BGB jedoch zum einen, dass andernfalls eine Lücke für Missbrauch entstehen würde. Der Unternehmer könnte sich eines Dritten als „formalen Eigentümer“ bedienen und so die durch § 241a Abs. 1 BGB intendierte Sanktion umgehen.90 Zum anderen hat der Verbraucher regelmäßig keine Möglichkeit, die Eigentumsverhältnisse an der ihm zugesendeten Ware zu überprüfen, so dass dem Vorbehaltsverkäufer das Risiko des Sachverlustes eher zuzumuten ist.91 Um Rechtsunsicherheiten für den Verbraucher zu vermeiden, wirkt der Anspruchsausschluss des § 241a Abs. 1 BGB damit auch im Verhältnis zum Vorbehaltsverkäufer. Dieser kann sich beim versendenden Unternehmer schadlos halten.

88 89 90 91

Siehe hierzu oben Kap. 2 § 1 B. III. 2. b). Berger, JuS 2001, 649, 653. NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 31. Erman/Saenger, § 241a BGB Rn. 34; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 63.

§ 3 Missbrauchsmöglichkeiten des Verbrauchers im Rahmen von § 241a Abs. 1 BGB 45

§ 3 Missbrauchsmöglichkeiten des Verbrauchers im Rahmen von § 241a Abs. 1 BGB Abschließend stellt sich noch die Frage, ob dieser umfassende Anspruchsausschluss unangemessene Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet. Einem solchen Missbrauch wird zum einen bereits dadurch entgegengewirkt, dass der Schutzzweck der Norm konsequent durchgesetzt wird. So werden z. B. provozierte Bestellungen als eine zurechenbare Aufforderung durch den Verbraucher und damit anders als im Rahmen von § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB als eine Bestellung im Sinne des § 241a Abs. 1 BGB angesehen und somit vom Anwendungsbereich ausgenommen.92 Ebenso fallen auch nichtige Bestellungen nicht in den Anwendungsbereich der Norm.93 Deshalb kann sich der Verbraucher im Falle einer Anfechtung auch nicht auf den Schutz des § 241a Abs. 1 BGB berufen. Vielmehr erfolgt die Rückabwicklung wie gewohnt über das Bereicherungsrecht. Der umfassende Anspruchsausschluss rechtfertigt sich nämlich dadurch, dass der Unternehmer aufgrund seines wettbewerbswidrigen Verhaltens seine Schutzwürdigkeit verliert. Sofern ein solcher Wettbewerbsverstoß aber nicht vorliegt, findet § 241a Abs. 1 BGB gemäß Art. 27 VRRL i. V. m. Art. 5 Abs. 5, Anhang I Nr. 29 UGP-RL keine Anwendung. Für gesetzliche Ansprüche, die nicht von der VRRL geregelt werden, folgt dies aus § 241a Abs. 2 BGB. Insgesamt ist § 241a BGB damit so gestaltet, dass er wenig bis gar keinen Raum für einen Missbrauch durch den Verbraucher schafft, sofern der Unternehmer ausnahmsweise schutzwürdig ist. Die Interessenlage ist an dieser Stelle jedoch grundverschieden im Vergleich zu § 361 Abs. 1 BGB. Ein Unternehmer, der den Verbraucher lediglich falsch oder überhaupt nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, ist nicht mit einem wettbewerbswidrig handelnden Unternehmer im Sinne des § 241a Abs. 1 BGB vergleichbar, so dass im Rahmen des § 361 Abs. 1 BGB auch die schutzwürdigen Interessen des Unternehmers stärker zu berücksichtigen sind.

92

NK-BGB/Krebs, § 241a BGB Rn. 34; Palandt/Grüneberg, § 241a BGB Rn. 4; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 25; a. A.: Erman/Saenger, § 241a BGB Rn. 10. 93 Erman/Saenger, § 241a BGB Rn. 12; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 27; Lorenz, FS Lorenz, 193, 209.

Kapitel 3

Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss infolge des Widerrufs § 1 Grundlagen A. Historische Entwicklung der Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB und des Anspruchsausschlusses aus § 361 Abs. 1 BGB Durch die Umsetzung der VRRL wurde das deutsche Widerrufsrecht umfassend reformiert. Die wohl wichtigste Änderung bestand in der Loslösung des Widerrufs vom Rücktrittsfolgenrecht: Bis zur Umsetzung der VRRL zum 13.06.2014 wurde für die Rechtsfolgen des Widerrufs auf die des Rücktritts verwiesen. Ab dem 13.06.2014 erfolgte hingegen eine Verselbstständigung der Rechtsfolgen des Widerrufs in den §§ 357 – 361 BGB. Über diese Vorschriften hinaus bestehen gemäß § 361 Abs. 1 BGB keine weiteren Ansprüche gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs. Dieser Ausschlusswirkung kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers aus § 357 Abs. 7 BGB infolge einer fehlerhaften oder unterlassenen Belehrung ausscheidet. Zwar bleibt der Rückgewähranspruch des Unternehmers grundsätzlich bestehen. Sofern sich die Ware jedoch zum Beispiel verschlechtert oder vollständig untergeht und die Leistungspflicht des Verbrauchers infolgedessen durch § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird, bestehen nach dem Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB keine Ansprüche gegen den Verbraucher wegen der Verschlechterung oder des Untergangs der Ware. Ob eine solche Ausschlusswirkung immer gerechtfertigt ist, ist bislang wenig diskutiert worden und soll den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bilden. Nun existierten bereits vor der Umsetzung der VRRL vergleichbare Vorgängervorschriften. Bis vor der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 galt § 361 a Abs. 2 S. 7 BGB a. F. Dieser schloss über die entsprechend anzuwendenden Rücktrittsvorschriften und die eigenen Regelungen in § 361 a BGB a. F. hinausgehende Ansprüche aus. Für Fälle der Verschlechterung, des Untergangs der Sache oder einer sonst vom Verbraucher zu vertretenden Unmöglichkeit der Rücksendeverpflichtung hatte dieser dem Unternehmer gemäß § 361 a Abs. 2 S. 4 BGB a. F. die Wertminderung oder den Wert zu ersetzen. Eine ordnungsgemäße Belehrung oder anderweitige Kenntniserlangung vom Widerrufsrecht führte hier nicht erst zur Begründung der Wertersatzpflicht, sondern begründete die vollständige Haftung des Verbrauchers. Sofern eine ordnungsgemäße Belehrung unterblieb und der Verbraucher

§ 1 Grundlagen

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auch nicht anderweitig Kenntnis vom Widerrufsrecht erlangte, haftete dieser nur (aber immerhin) für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, § 361 a Abs. 2 S. 5 BGB a. F. Deshalb bestand hier keine derartige Missbrauchsgefahr, da die Wertersatzpflicht wegen § 361 a Abs. 2 S. 4, 5 BGB a. F. auch bei fehlerhaften oder unterbliebenen Belehrungen für vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigungen erhalten blieb. Während sich vor der Schuldrechtsreform die Vorschriften des § 361 a BGB a. F. und § 361b BGB a. F. mit den Voraussetzungen und den Rechtsfolgen des Widerrufs beschäftigten, wurden ab dem 01.01.2002 die Voraussetzungen in § 355 BGB a. F. verselbstständigt und die Rechtsfolgen in § 357 BGB a. F. transferiert. Auf der Rechtsfolgenseite ergaben sich jedoch einige Änderungen: So ist zum einen die Wertersatzpflicht wegen einer Verschlechterung oder des Untergangs der Sache oder einer anderweitigen Unmöglichkeit der Rückgabepflicht nicht mehr ausdrücklich in § 361 a Abs. 2 S. 4 BGB a. F. geregelt gewesen, sondern entstand über den Verweis des § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. auf die Wertersatzpflicht im Rücktrittsrecht gemäß § 346 Abs. 2 BGB. Über § 357 Abs. 3 S. 1 BGB a. F. wurde diese Wertersatzpflicht jedoch modifiziert: Demnach war der Verbraucher abweichend von § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB für Verschlechterungen durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme wertersatzpflichtig, wenn er hierüber belehrt und auf eine Möglichkeit hingewiesen worden war, diese zu vermeiden. Sinn und Zweck dieser Schlechterstellung gegenüber dem Rücktritt lag darin, dass das Widerrufsrecht dem Verbraucher kraft Gesetzes und unabhängig von einer Vertragsverletzung des Unternehmers zustand. Hierdurch sollte insbesondere für Fernabsatzverträge ein angemessener Interessenausgleich geschaffen werden.1 Ausgenommen waren lediglich Verschlechterungen, die ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen waren, § 357 Abs. 3 S. 2 BGB a. F. Eine zweite Modifizierung der grundsätzlich entsprechend anzuwendenden Rücktrittsvorschriften fand sich in § 357 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. Dieser bestimmte, dass die Haftungserleichterung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB keine Anwendung fand, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden war oder hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hatte. Die gesetzgeberische Intention dahinter war, dass dem Verbraucher aufgrund des schwebend wirksamen Vertrags gesteigerte Pflichten zukommen, sofern er belehrt worden war oder anderweitig Kenntnis von seinem Widerrufsrecht erlangt hatte.2 Demnach wurde die Haftung des Verbrauchers auf Wertersatz im Rahmen der Schuldrechtsreform verstärkt. Während er nach der Rechtslage des § 361 a Abs. 2 S. 4, 5 BGB a. F. nur für den Ersatz von Gebrauchsvorteilen haftete, bestand nunmehr bei ordnungsgemäßer Belehrung oder sonstiger Kenntnis vom Widerrufsrecht auch eine Wertersatzpflicht für die Abnutzung der Ware durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme, sofern sie nicht auf die Prüfung der Sache zurückzuführen war. 1 2

BT-Drucks. 14/6040, 199. BT-Drucks. 14/6040, 200.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Weitergehende Ansprüche wurden gemäß § 357 Abs. 4 BGB a. F. mit identischem Wortlaut zu § 361 a Abs. 2, 7 BGB a. F. ausgeschlossen. Zum 08.12.2004 wurde die Vorschrift des § 357 BGB a. F. im Rahmen der Umsetzung der FinDRL partiell verändert. Allerdings hatte dies auf die hier relevanten Absätze drei und vier keine Auswirkungen. Mit Wirkung zum 11.06.2010 wurde in § 357 Abs. 3 BGB a. F. ein neuer Satz 2 hinzugefügt. Dieser sah vor, dass bei Fernabsatzverträgen ein unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilter Hinweis einem solchen bei Vertragsschluss gleichsteht, wenn der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise über die Wertersatzpflicht und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung unterrichtete. Sinn und Zweck hiervon war, Fernabsatzgeschäfte über eine Internetauktionsplattform rechtlich genauso zu behandeln wie Fernabsatzgeschäfte, die über einen „normalen“ Internetshop abgeschlossen werden.3 Zuvor musste die Belehrung spätestens bei Vertragsschluss in Textform erfolgen, andernfalls war eine Wertersatzpflicht ausgeschlossen. Der reine Verweis auf der Internetseite genügte nach der damaligen Rechtsprechung dieser Textform nicht. Indem anders als beim herkömmlichen Internetshop das Angebot auf der Internetauktionsplattform bereits ein rechtlich verbindliches Angebot darstellte und nicht lediglich eine invitatio ad offerendum, war es dem Verkäufer meist aus technischen Gründen nicht möglich, den Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss in Textform zu belehren. Denn erst nach Zeitablauf der Auktion, zeitgleich mit dem Vertragsschluss wurde dem Unternehmer bekannt, wer überhaupt sein Vertragspartner geworden ist.4 Dies führte zu dem unbefriedigenden Zustand, dass eine Wertersatzpflicht bei Internetauktionen regelmäßig ausgeschlossen war, während dies bei anderen Online-Geschäften nicht der Fall war. Durch Einfügung des Satzes 2 in § 357 Abs. 3 BGB a. F. wurde diese ungerechtfertigte Ungleichbehandlung beseitigt. Angesichts des Urteils des EuGH in der Rechtssache Messner5 sah sich der deutsche Gesetzgeber zum 04.08.2011 zu einer Änderung von § 357 Abs. 3 BGB a. F. veranlasst. Damals entschied der EuGH unter anderem, dass dem Verbraucher nicht die Beweislast dafür auferlegt werden könne, dass er die Ware während der Widerrufsfrist nicht in einer Weise benutzt habe, die über das hinausgehe, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich sei. Andernfalls würde die Wirksamkeit und Effektivität des Widerrufs beeinträchtigt werden.6 Um die Beweislast dementsprechend zu regeln7, wurde § 357 Abs. 3 S. 1 BGB a. F.

3 4 5 6 7

BT-Drucks. 16/11643, 72. BT-Drucks. 16/11643, 72. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315, Rn. 27 – Messner. BT-Drucks. 17/5097, 17.

§ 1 Grundlagen

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dahingehend umformuliert, dass der Verbraucher abweichend von § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache zu leisten hat, 1. soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht, und 2. wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist. Zwar betraf das Urteil des EuGH lediglich den Nutzungswertersatz und auch nur das Widerrufsrecht im Fernabsatz, gleichwohl hielt es der Gesetzgeber dennoch aus Gründen der Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit für sachgerecht, die Beweislastumkehr auf alle Widerrufsrechte und auch auf Wertersatzansprüche wegen einer Verschlechterung der Sache auszudehnen.8 Während die vorherige Fassung des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB a. F. nur eine Abweichung von § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 HS. 2 BGB vorsah, wurde ab dem 04.08.2011 auch diejenige Verschlechterung von § 357 Abs. 3 S. 1 BGB a. F. geregelt, die nicht nur auf eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme zurückzuführen war. In der Sache führte dies zwar zu demselben Ergebnis wie die vorherige Abweichung von § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 HS. 2 BGB, allerdings wurde auch hier die Beweislast zugunsten des Verbrauchers umgekehrt, indem er nicht mehr für die Vorfrage einer bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme beweispflichtig war.9 Eine weitere Änderung bestand darin, dass der Unternehmer den Verbraucher nunmehr nicht mehr auf die Möglichkeit hinweisen musste, dass er den Wertersatz vermeiden kann. Diese Vorgabe wurde als in der Praxis schwer handhabbar angesehen und deshalb abgeschafft.10 Darüber hinaus fand ein sehr bedeutender Wandel statt, der so nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien hervorgeht. Während bei der Vorgängervorschrift grundsätzlich immer Wertersatz geschuldet war und durch die ordnungsgemäße Belehrung die Wertersatzpflicht lediglich auf die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme, die über die Prüfung der Sache hinausgeht, erweitert wurde11, war nunmehr ein Hinweis auf die Rechtsfolge der Wertersatzpflicht zwingende generelle Voraussetzung für einen Wertersatzanspruch bei Verschlechterung der Sache.12 Hierdurch wurde der Verbraucherschutz in extremer Weise erweitert, ohne dass hierzu in den Gesetzgebungsmaterialien ausdrücklich Stellung genommen worden wäre. 8

BT-Drucks. 17/5097, 17. BT-Drucks. 17/5097, 17. 10 BT-Drucks. 17/5097, 17. 11 Vgl. MüKo BGB/Masuch, 5. Auflage 2007, § 357 BGB Rn. 33 ff.; Die Erweiterung folgte über § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 HS. 2 BGB und für den Fall der diligentia quam in suis über § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB hinaus. 12 Vgl. MüKo BGB/Masuch, 6. Auflage 2012, § 357 BGB Rn. 41 ff. 9

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Schließlich erfolgte im Rahmen der Umsetzung der VRRL zum 13.06.2014 eine Trennung der Wertersatzpflicht in § 357 Abs. 7 BGB und des Anspruchsausschlusses in § 361 Abs. 1 BGB. Die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB dient der Umsetzung von Art. 14 Abs. 2 VRRL. Nach Art. 14 Abs. 2 VRRL haftet der Verbraucher für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist. In keinem Fall haftet der Verbraucher für den Wertverlust der Waren, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. h VRRL über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit h VRRL muss der Verbraucher, bevor er durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise vom Unternehmer im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Art. 11 Abs. 1 VRRL sowie über das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B VRRL informiert werden. Art. 11 Abs. 1 VRRL bestimmt, dass der Verbraucher den Unternehmer innerhalb der Widerrufsfrist über seinen Entschluss, den Vertrag zu widerrufen, informieren muss. Art. 6 Abs. 1 lit h VRRL wurde in Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 EGBGB und Art. 11 Abs. 1 VRRL in § 355 Abs. 1 S. 2 BGB umgesetzt. Die Anforderungen an die Belehrung, die erfüllt sein müssen, damit eine Wertersatzpflicht überhaupt bestehen kann, sind somit seit der Umsetzung der VRRL deutlich umfassender. Musste der Unternehmer den Verbraucher vor dem 13.06.2014 lediglich auf die Rechtsfolge der Wertersatzpflicht hinweisen, ist er nunmehr zur umfassenden Belehrung des Verbrauchers verpflichtet, um einen Wertersatzanspruch geltend machen zu können. Diese Belehrung beinhaltet allerdings keinen Hinweis mehr auf die Rechtsfolge der Wertersatzpflicht.13 Die Ausnahmeregelung der Vorgängerfassung, die bei einer ordnungsgemäßen Belehrung oder anderweitigen Kenntniserlangung vom Widerrufsrecht die Haftung auch bei diligentia quam in suis abweichend von § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB zuließ, ist infolge der Loslösung vom Rücktrittsfolgenrecht nicht mehr notwendig. Vielmehr ist der Verbraucher unter den Voraussetzungen des § 357 Abs. 7 BGB unabhängig von einer Regelung im Rücktrittsfolgenrecht wertersatzpflichtig. Mit Einführung des § 361 Abs. 1 BGB zur Umsetzung von Art. 14 Abs. 5 VRRL änderte sich erstmals seit längerem der Wortlaut des Ausschlusstatbestands. Während es in früheren Fassungen lediglich hieß, dass weitergehende Ansprüche nicht bestehen, heißt es nunmehr, dass über die Vorschriften „dieses Untertitels hinaus“ keine weiteren Ansprüche gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs bestehen. Eine detaillierte Darstellung des europarechtlichen Hintergrunds der aktuellen Norm erfolgt an späterer Stelle.14 13 14

Siehe unten zum Meinungsstreit Kap. 3 § 1 B. III. Siehe unten Kap. 3 § 3 A. IV. 1.

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B. Die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB Als einzige im Untertitel des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen autonom geregelte Anspruchsgrundlage des Unternehmers bei Wertverlust der Ware kommt der Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB enorme Bedeutung zu. Insbesondere stellt sich bei diesem Anspruch nie die Frage, ob er gemäß § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird. Bei Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen bietet er dem Unternehmer damit eine gesicherte und wirksame Grundlage zur Durchsetzung seines wirtschaftlichen Interesses am Erhalt der ursprünglich verkauften Sache. Im Folgenden sollen der Umfang der Wertersatzpflicht und deren Voraussetzungen dargestellt werden. I. Wertverlust der Ware Zunächst erfordert der Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB einen Wertverlust der Ware. Ein solcher kann zum Beispiel durch eine normale Abnutzung infolge des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Ware, eines weitergehenden Gebrauchs oder einer Beeinträchtigung der Sachsubstanz verursacht werden. Darüber hinaus wird allerdings auch der vollständige Wertverlust, zum Beispiel durch den Untergang der Sache, erfasst.15 Schließlich kann ein Wertverlust außerhalb einer Substanzbeschädigung auch aus einem negativen Werturteil des Marktes resultieren. Solche Fälle finden sich regelmäßig, wenn der Markt – wie zum Beispiel bei der Erstzulassung eines KFZ – auf die Ingebrauchnahme der Ware durch den Verbraucher mit Preisabschlägen reagiert.16 Gleichwohl muss im Einzelfall immer geprüft werden, ob der entsprechende Umgang mit der Ware nicht zur Prüfung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise notwendig war und deshalb von der Wertersatzpflicht ausgenommen ist. Auf dieses Erfordernis wird im nächsten Abschnitt noch näher eingegangen. Keinen Wertverlust erleidet die Ware hingegen, wenn lediglich Nutzungen aus ihr gezogen werden, mit denen aber kein abnutzungsbedingter Wertverlust einhergeht.17 Eine grundsätzliche Nutzungswertersatzpflicht lässt sich damit aus § 357 Abs. 7 BGB – anders als nach früherer Rechtslage – nicht mehr ableiten. Für den Warenbegriff gilt die an Art. 2 Nr. 3 VRRL angelehnte Definition in § 241a Abs. 1 BGB, wonach eine Ware eine bewegliche Sache darstellt, die nicht auf 15 BT-Drucks. 17/12637, 63, BeckOK/Müller-Christmann, § 357 BGB Rn. 17; BeckOGK/ Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 51; Jauernig/Stadler, § 357 BGB Rn. 10; Erman/Koch, § 357 BGB Rn. 13. 16 BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 52; Jauernig/Stadler, § 357 BGB Rn. 10; BeckOK/Müller-Christmann, § 357 BGB Rn. 17; 17 Erman/Koch, § 361 BGB, Rn. 1; P/W/W/Stürner, § 357 BGB Rn. 18; Artz/Brinkmann/ Ludwigkeit, jM 2014, 222, 225 f.; Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71, 75; Hilbig-Lugani, ZJS 2013, 545, 549; Janal, WM 2012, 2314, 2321; Leier, VuR 2013, 457, 459.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft wird.18 Schließlich ist noch anzumerken, dass der Anspruch aus § 357 Abs. 7 BGB im Gegensatz zum Wertersatzanspruch infolge des Rücktritts aus § 346 Abs. 2 BGB keine (partielle) Unmöglichkeit der Rückgewähr gemäß § 275 BGB erfordert.19 Die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB verpflichtet den Verbraucher somit insbesondere nicht dazu, das Rückgabehindernis bis zur Opfergrenze des § 275 Abs. 2 BGB zu beseitigen, selbst wenn ihm dies durch Rückerwerb oder Reparatur der Ware möglich wäre.20 II. Umgang mit der Ware außerhalb des erforderlichen Prüfungsumfangs – Erfordernis eines Vertretenmüssens? Die Wertersatzpflicht beschränkt sich jedoch auf Wertverluste, die auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen sind, der nicht zur Prüfung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise notwendig war. Dem Verbraucher sollen hierdurch dieselben Prüfungsmöglichkeiten eingeräumt werden, die er auch beim Kauf im stationären Handel hätte.21 Neben der Besichtigung der Ware kann unter Umständen auch ein Ausprobieren der Ware im Sinne einer Ingebrauchnahme vom erforderlichen Prüfungsumfang gedeckt sein. Im Einzelfall ist jeweils der Vergleich zu den Prüfungsmöglichkeiten im stationären Handel zu ziehen und festzustellen, ob der Umgang des Verbrauchers hierüber hinausging oder nicht.22 So dürfen Kleidungsstücke zum Beispiel anprobiert, aber nicht getragen werden.23 Bücher dürfen beispielsweise flüchtig durchgeblättert werden.24 Daneben kann es aber auch Fälle geben, in denen die dem Verbraucher zugestandene Prüfungsmöglichkeit einen hohen Wertverlust oder sogar die faktische Unverkäuflichkeit der Ware nach sich ziehen kann. So verhält es sich zum Beispiel beim Befüllen eines Wasserbettes und anschließender Rücksendung. Gleichwohl wird hierdurch keine Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 BGB ausgelöst.25 18

Vgl. auch BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 47. Vgl. zur h. M. hinsichtlich der Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB im Rahmen des Anspruchs aus § 346 Abs. 2 BGB, BGHZ 178, 182; OLG Stuttgart NJW-RR 2010, 412, 416; Palandt/Grüneberg § 346 BGB Rn. 7; BeckOK BGB/Schmidt, § 346 BGB Rn. 41 f. 20 Schwab, JZ 2015, 644, 650; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 357 BGB Rn. 21; BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 53. 21 Vgl. Erwägungsgrund 47 VRRL; BT-Drucks. 17/5097, 15; vgl. zur alten, aber übertragbaren Rechtslage BGH NJW 2017, 878, 880. 22 Zu den Einzelfällen siehe zusammenfassend m.w.N. BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 62 ff. 23 Vgl. Erwägungsgrund 47 VRRL; BT-Drucks. 17/5097, 15; Erman/Koch, § 357 Rn. 15. 24 BT-Drucks. 14/6040, 200; BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 62. 25 Vgl. zur alten, aber übertragbaren Rechtslage BGHZ 187, 268; zur aktuellen Rechtslage BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 60, 62; vgl. zu dem Thema auch EuGH C-681/17 – Slewo/ 19

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Die Prüfungsmöglichkeit des Verbrauchers endet hingegen mit der Erklärung des Widerrufs. Denn mit Erklärung des Widerrufs endet das Bedürfnis des Verbrauchers, die Beschaffenheit, die Eigenschaften oder die Funktionsweise der Ware zu prüfen, denn er hat sich bereits dazu entschieden, diese an den Unternehmer zurückzugewähren. Ab Erklärung des Widerrufs hat der Verbraucher somit den Gebrauch der Sache einzustellen, sofern er keiner Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB unterliegen möchte.26 Schließlich ist zu beachten, dass die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB einen Umgang des Verbrauchers mit der Ware voraussetzt.27 Zwar sprechen § 357 Abs. 7 BGB und auch die Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 2 VRRL nur von einem Umgang mit der Sache, so dass auch der Umgang durch Dritte damit gemeint sein könnte, was sich insbesondere beim Weiterverkauf der Sache an Dritte und einer anschließenden Verschlechterung auswirken könnte. Allerdings spricht Erwägungsgrund 47 VRRL davon, dass manche Verbraucher ihr Widerrufsrecht ausüben, nachdem sie die Waren in einem größeren Maß genutzt haben, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig gewesen wäre. Erwägungsgrund 47 VRRL spricht somit von einem Umgang mit der Ware durch den Verbraucher. Der Gedanke des Erwägungsgrundes wurde in Art. 14 Abs. 2 VRRL durch die Formulierung umschrieben, dass der Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit den Waren zurückzuführen sein muss. Die Erwägungsgründe einer Richtlinie entfalten zwar keine unmittelbare Wirkung, beanspruchen aber insoweit Geltung, dass sie bei der Auslegung der einzelnen Ledowski, NJW 2019, 1507, in der der Gerichtshof davon ausgeht, dass es sich bei Matratzen, deren Schutzfolie entfernt wurde, nicht um versiegelte Waren handle, bei denen aufgrund des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen gemäß Art. 16 lit. e VRRL kein Widerrufsrecht bestehe. Er führt insbesondere an, dass eine Vergleichbarkeit mit einem Kleidungsstück bestehe, das gereinigt und desinfiziert werden könne. 26 Nach den Gesetzgebungsmaterialien soll die Rechtsfolge des § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB weitgehend der bis dahin geltenden Rechtslage des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB a. F. entsprechen, BT-Drucks. 17/12637, 63. Dieser sah abweichend von § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache vor, soweit diese auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen war, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausging. Ab Erklärung des Widerrufs musste der Verbraucher entsprechend der Lage beim Rücktritt den Gebrauch der Sache einstellen, vgl. Staudinger/Kaiser, § 357 BGB, Rn. 43. Tat er dies nicht, war er wegen Beschädigungen der Sache neben einer Schadensersatzpflicht gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F., § 346 Abs. 4 BGB i. V. m. §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 283 BGB auch einer Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 3 S. 1 BGB a. F. ausgesetzt, Staudinger/Kaiser, § 357 BGB, Rn. 43. Dafür, dass sich an der Pflicht, den Gebrauch mit der Sache nach Erklärung des Widerrufs einzustellen mit der Umsetzung der VRRL etwas ändern sollte, ist nichts ersichtlich. Deshalb ist auch bei § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB davon auszugehen, dass ein Umgang mit der Ware nach Erklärung des Widerrufs nicht mehr zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise notwendig ist, da kein dahingehendes Prüfungsbedürfnis des Verbrauchers mehr besteht. 27 Unger, ZEuP 2012, 270, 293; Schwab, JZ 2015, 644, 649; BeckOK BGB/MüllerChristmann, § 357 BGB Rn. 21; MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 28.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Normen zu berücksichtigen sind.28 Mithin ist Art. 14 Abs. 2 VRRL und infolgedessen auch § 357 Abs. 7 BGB im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung dahingehend auszulegen, dass ein Umgang mit der Ware durch den Verbraucher für die Wertersatzpflicht erforderlich ist. Eine zufällige Verschlechterung der Ware löst somit keine Wertersatzpflicht des Verbrauchers aus.29 Bewahrt er zum Beispiel das bestellte Fernsehgerät noch in der Originalverpackung in der Wohnung auf, und es tritt eine Beschädigung durch Hochwasser ein, handelt es sich um einen zufälligen Wertverlust der Ware, der nicht auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist.30 Sofern der Verbraucher Dritte mit der Prüfung der Ware beauftragt oder ihnen den Umgang mit der Ware gestattet, wird ihm deren Verhalten nach § 278 BGB zuzurechnen sein.31 Andernfalls hätte es der Verbraucher in der Hand, etwa seinem Ehepartner oder seinen Kindern den Umgang mit der Ware zu gestatten und bei einer Verschlechterung den Vertrag zu widerrufen ohne einer Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB ausgesetzt zu sein. Derartige Fälle sind auch nicht allzu selten, wenn man bedenkt, wie oft Eltern für ihre Kinder Spielsachen im Fernabsatz bestellen und ihnen diese anschließend überlassen. Zum Teil wird in der Literatur der Ausschluss der Wertersatzpflicht für zufällige Verschlechterungen als ungeschriebenes Erfordernis eines Vertretenmüssens des Verbrauchers gedeutet.32 Begründet wird dies damit, dass dem Verbraucher nach dem Sinn und Zweck der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 2 VRRL nicht die Gefahr des zufälligen Untergangs und damit die Sachgefahr auferlegt werden dürfe. Zum einen hafte der Verbraucher im stationären Handel auch nicht für den zufälligen Untergang der Ware, zum anderen könne der Verbraucher bei einer Zufallshaftung von der Ausübung seiner Rechte abgehalten werden, indem er die Ware für die Dauer der Widerrufsfrist ungeprüft in die Ecke stelle. Erwägungsgrund 47 der VRRL gebiete jedoch eine effektive Möglichkeit zur Ausübung der Rechte des Verbrauchers.33 Es sei jedoch zu beachten, dass ein nicht prüfungsbedingter Umgang mit der Ware

28 Vgl. Bleckmann, RIW 1987, 929, 932; Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 19 EUV, Rn. 16; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art. 19 EUV, Rn. 45; vgl. monographisch zur richtlinienkonformen Auslegung von Normen, Drexler, Die richtlinienkonforme Interpretation in Deutschland und Frankreich. 29 Magnus, JZ 2017, 893; Schwab, JZ 2015, 644, 649; Unger, ZEuP 2012, 270, 293; MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 28; Jauernig/Stadler, § 357 BGB Rn. 10; BeckOK BGB/MüllerChristmann, § 357 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg, § 357 BGB Rn. 9. 30 Siehe zu diesem Beispiel Erman BGB/Westermann, § 357 BGB Rn. 14. 31 Vgl. BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 70, der die Beschmutzung der Ware etwa mit Kaffee durch einen Familienangehörigen oder Mitbewohner als Beispiele nennt. 32 BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 66 ff.; a. A. Palandt/Grüneberg, § 357 BGB Rn. 8 f., der zwar grundsätzlich von einer verschuldensunabhängigen Haftung spricht, gleichzeitig aber auch die Haftung für die zufällige Verschlechterung ausschließt. 33 BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 67.

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stets einen Verstoß gegen die dem Verbraucher auferlegte Sorgfaltspflicht darstelle.34 Dies hat zur Folge, dass jeder Wertverlust, der auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist und dazu geeignet ist, eine Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB auszulösen, vom Verbraucher zu vertreten wäre. Die angeführte Argumentation bestätigt den Ausschluss der Zufallshaftung des Verbrauchers. Allerdings folgt diese bereits aus einer ordnungsgemäßen Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal des Umgangs des Verbrauchers. Wenn nämlich jeder infolge eines nicht-prüfungsbedingten Umgangs mit der Ware eingetretene Wertverlust vom Verbraucher zu vertreten ist, besteht kein Unterschied zwischen dem nicht-prüfungsnotwendigen Umgang des Verbrauchers, der überhaupt erst eine Wertersatzpflicht auslösen kann, und dem Merkmal des Vertretenmüssens. Eine Zufallshaftung des Verbrauchers ist demnach durch die Erforderlichkeit eines Umgangs mit der Ware unabhängig von einem zusätzlichen ungeschriebenen Erfordernis eines Vertretenmüssens schon ausgeschlossen. Dem Merkmal eines Vertretenmüssens der Verschlechterung der Ware kommt somit neben einer korrekten Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal des Umgangs des Verbrauchers mit der Ware keine eigenständige Bedeutung zu. Man mag das Erfordernis eines Vertretenmüssens postulieren, um eine mit den §§ 280 ff. BGB einheitliche Systematik herzustellen. In der Sache wirkt sich dieses zusätzliche ungeschriebene Erfordernis allerdings nicht aus.

III. Belehrungspflicht des Unternehmers Zusätzlich zu den bereits genannten Umständen muss der Unternehmer den Verbraucher gemäß § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB nach Maßgabe des Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet haben. Im Streit steht, ob darüber hinaus – wie nach alter Rechtslage – auch eine Belehrung über die Verpflichtung zum Wertersatz erforderlich ist.35 Gegen eine dahingehende Belehrungspflicht spricht, dass weder § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB noch die entsprechenden Belehrungsvorschriften aus der VRRL eine derartige Voraussetzung aufstellen. Art. 14 Abs. 2 VRRL i. V. m. Art. 6 Abs. 1 lit. h VRRL sprechen als Umsetzungsgrundlagen nur von einer Informationspflicht im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung dieses Rechts sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B VRRL.36 34

BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 67. Befürwortend: Palandt/Grüneberg, § 357 BGB Rn. 10; Erman/Koch, § 357 BGB Rn. 16; BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 72; ablehnend: LG Ellwangen BeckRS 2018, 1138 Rn. 93 ff.; Schwab, JZ 2015, 644, 650; Artz/Brinkmann/Ludwigkeit, jM 2014, 222, 228; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 357 BGB Rn. 23; MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 34. 36 Vgl. MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 34. 35

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Allerdings enthält das Muster-Widerrufsformular auch einen Hinweis auf die mögliche Haftung für den Wertverlust.37 Indem der Unionsgesetzgeber es dem Unternehmer aber freistellt, ob er das Muster-Widerrufsformular verwendet oder den Verbraucher in eigenen Worten belehrt, kann man davon ausgehen, dass er beide Belehrungsmöglichkeiten als gleichwertig ansieht.38 Hieraus wird zum Teil gefolgert, dass stets die detaillierte Belehrung des MusterWiderrufsformulars für die Informationspflicht des Unternehmers maßgeblich sei und es sich insoweit um ein Redaktionsversehen des Unionsgesetzgebers handle.39 Dagegen spricht jedoch, dass der Unionsgesetzgeber für die Wertersatzpflicht nach Inanspruchnahme von Dienstleistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist eine Belehrung hinsichtlich der Wertersatzpflicht in Art. 14 Abs. 3, 4 lit. a i), Art. 6 Abs. 1 lit. j VRRL angeordnet hat. Ebenfalls findet sich in Art. 6 Abs. 6 VRRL i. V. m. Art. 6 Abs. 1 lit. i VRRL eine Informationspflicht des Unternehmers in Bezug auf das Tragen der Kosten für die Rücksendung der Ware.40 Der Vergleich mit diesen Informationspflichten spricht gegen ein redaktionelles Versehen des Unionsgesetzgebers und eher dafür, dass bewusst auf eine Pflicht zur Belehrung über die Wertersatzpflicht aus Art. 14 Abs. 2 VRRL verzichtet wurde.41 Darüber hinaus spricht entscheidend gegen eine Erweiterung der Belehrungspflicht, dass mit einer fehlerhaften Belehrung weitreichende Folgen einhergehen. So stehen dem Unternehmer nach dem Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB über die Vorschriften des Untertitels zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen keine weiteren Ansprüche gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs zu. Die Norm und ihre Ausschlusswirkung werden im weiteren Verlauf der Arbeit eingehend untersucht. Fest steht jedoch, dass der Unternehmer hierdurch stark sanktioniert wird und der Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB für diesen von enormer Bedeutung ist. Folglich muss sich der Unternehmer darauf verlassen können, dass ihm dieser Anspruch auch zusteht, wenn er seinen Belehrungspflichten nach dem Wortlaut des § 357 Abs. 7 Nr. 2 i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB nachkommt. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist deshalb – selbst bei einem Redaktionsversehen des Unionsgesetzgebers – eine Pflicht zur Belehrung über die Wertersatzpflicht abzu37

Vgl. auch BT-Drucks. 17/12637, 63. BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 72; vgl. Art. 6 Abs. 4 VRRL. 39 BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 72. 40 Dies spricht auch dagegen die Belehrung über die Wertersatzpflicht als Teil des „Verfahrens für die Ausübung des Widerrufsrechts“ anzusehen, vgl. MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 34. Denn in Art. 14 Abs. 4 lit. a i) VRRL unterscheidet der Unionsgesetzgeber zwischen der Belehrung über die Wertersatzpflicht aus Art. 6 Abs. 1 lit. j VRRL und der Belehrung über das Verfahren der Ausübung des Widerrufsrechts aus Art. 6 Abs. 1 lit. h VRRL. Im nationalen Recht wurden die entsprechenden Hinweispflichten über das Tragen der Rücksendekosten und der Wertersatzpflicht in § 357 Abs. 6 S. 1 BGB und § 357 Abs. 8 S. 2 BGB normiert. 41 Ähnlich MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 34 in Bezug auf die umgesetzten Normen im BGB. 38

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lehnen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass unzählige nach dem Wortlaut der Norm richtige Belehrungen als unrichtig angesehen werden würden und der Unternehmer sanktioniert würde, obwohl ihn keine Nachforschungspflicht hinsichtlich eines unionsrechtlichen Redaktionsversehens trifft. Es reicht demnach aus, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu belehren, um die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB auszulösen. Diese Belehrung muss in jeder Hinsicht den genannten Anforderungen entsprechen. Erfüllt sie diese nicht, ist sie als unrichtig einzustufen und damit einer unterbliebenen Belehrung gleichzustellen.42 Zeitlich hat die Belehrung gemäß Art. 246 a § 4 Abs. 1 EGBGB vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erfolgen. Wird eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nachgeholt, lässt diese die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB für bereits eingetretene Verschlechterung der Ware nicht wiederaufleben.43 IV. Berechnung des Wertersatzes Nachdem die Tatbestandsvoraussetzungen des Wertersatzanspruchs aus § 357 Abs. 7 BGB im Einzelnen dargestellt wurden, stellt sich im Anschluss die Frage, welche Maßstäbe bei der Berechnung des Wertersatzes anzuwenden sind. Im Umkehrschluss zum Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 8 BGB, der sich gemäß § 357 Abs. 8 S. 4 BGB an der vereinbarten Gegenleistung orientiert, ist bei der Berechnung des Wertersatzes aus § 357 Abs. 7 BGB auf den objektiven Wert der Ware abzustellen.44 Übersteigt der objektive Wert jedoch den vereinbarten Kaufpreis, steht im Streit, ob der vereinbarte Kaufpreis eine Obergrenze für die Wertberechnung bildet oder ob ihr weiterhin der den Kaufpreis übersteigende objektive Wert zu Grunde zu legen ist.45 Eine solche Begrenzung findet allerdings in der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 2 VRRL keinen Niederschlag, weshalb eine solche Abweichung zugunsten des Verbrauchers aufgrund des vollharmonisierenden Charakters der 42 AG Dülmen BeckRS 2018, 6849 Rn. 21; BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 73; MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 35; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 357 BGB Rn. 23; a. A. entgegen der absolut h. M.: Nordholtz/Bleckwenn NJW 2017, 2497, 2498 ff., dessen Auslegung jedoch weder im Wortlaut noch im Telos der Richtlinie eine Stütze findet, vgl. AG Dülmen BeckRS 2018, 6849 Rn. 21; BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 73. 43 Vgl. den Wortlaut der entsprechenden Normen: Art. 6 Abs. 1 VRRL („bevor) sowie § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB („unterrichtet hat“); Singbartl/Henke, EWS 2017, 213, 215 Fn. 14; so auch, allerdings ohne Begründung, MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 35; Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848. 44 MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 36; Palandt/Grüneberg, § 357 BGB Rn. 11; BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 75; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 357 BGB Rn. 24; a. A. ohne jegliche Begründung entgegen der ganz h. M.: jurisPK/Hönninger, § 357 BGB Rn. 28. 45 Für eine Begrenzung: Palandt/Grüneberg, § 357 BGB Rn. 11; ablehnend: BeckOGK/ Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 75; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 357 BGB Rn. 24.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Richtlinie als unzulässig anzusehen wäre.46 Die konkrete Höhe des Wertersatzes bestimmt sich anhand der Differenz zwischen dem objektiven Wert der Sache im ausgelieferten Zustand und dem objektiven Wert, der der Sache infolge der Verschlechterung zugemessen wird. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung des objektiven Wertes ist die Entstehung des Wertersatzanspruchs, mithin in der Regel der Zeitpunkt, in dem sich die Ware verschlechtert oder untergeht.47 V. Fazit Die Wertersatzpflicht des Verbrauchers aus § 357 Abs. 7 BGB steht und fällt mit der ordnungsgemäßen Belehrung durch den Unternehmer. Dieser Belehrung kommt mithin eine enorme Bedeutung zu, die die Unternehmer nicht unterschätzen sollten. Es ist zu begrüßen, dass den Unternehmern vom Gesetzgeber Musterformulare an die Hand gegeben werden, an die sie sich halten können, ohne einen Belehrungsverstoß befürchten zu müssen. Der Belehrungsverstoß hat grundsätzlich zur Folge, dass dem Unternehmer nach dem Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB keine Ansprüche gegen den Verbraucher wegen der Verschlechterung oder Zerstörung der Ware zustehen. Im folgenden Teil der Arbeit liegt der Fokus auf dieser Ausschlusswirkung und der Frage, inwieweit diese tatsächlich im Einzelfall ihre Wirkung entfaltet.

§ 2 Einführung in die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB A. Europarechtlicher Hintergrund § 361 Abs. 1 BGB dient der Umsetzung des Art. 14 Abs. 5 VRRL, der bestimmt, dass der Verbraucher aufgrund der Ausübung seines Widerrufsrechts nicht in Anspruch genommen werden kann, sofern in Art. 13 Abs. 2 VRRL oder in Art. 14 VRRL nicht etwas anderes vorgesehen ist. Art. 13 Abs. 2 VRRL stellt klar, dass der Unternehmer bei einer vom Verbraucher ausdrücklich gewünschten teureren Art der Lieferung diese zusätzlichen Kosten im Widerrufsfall nicht zu erstatten hat. Dies wurde in § 357 Abs. 2 S. 2 BGB umgesetzt. Art. 14 Abs. 1 VRRL regelt die Rücksendepflicht des Verbrauchers innerhalb von 14 Tagen nach Widerrufserklärung sowie die Kostentragungspflicht des Verbrauchers für die Rücksendungskosten, sofern er darüber unterrichtet wurde. Im BGB wurde dieser Artikel in § 357 Abs. 1 BGB und § 357 Abs. 6 S. 1 BGB umgesetzt. Art. 14 Abs. 2 VRRL beschäftigt sich, wie oben bereits aufgezeigt, mit der Wertersatzpflicht des Verbrauchers, die jedenfalls bei einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung des Verbrauchers entfallen soll. Eine Umsetzung erfolgte in § 357 Abs. 7 BGB. Art. 14 Abs. 3 VRRL behandelt die Fälle, in denen der Verbraucher bei Gas-, Wasser- oder 46 47

BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 75. BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 77.

§ 2 Einführung in die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB

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Stromlieferungsverträgen bereits eine Lieferung vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt. Im Falle des Widerrufs ist der anteilige Betrag auf der Grundlage des vereinbarten Gesamtpreises vom Verbraucher zu erstatten. Umgesetzt wurde dies in allen Einzelheiten in § 357 Abs. 8 BGB. Schließlich normiert Art. 14 Abs. 4 VRRL Rückausnahmen von den Pflichten des Verbrauchers bei der Lieferung von Gas, Wasser oder Strom oder digitalen Inhalten, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert wurden, wenn bestimmte Belehrungspflichten seitens des Unternehmers nicht eingehalten wurden. Auch hier erfolgte eine Umsetzung ins deutsche Recht in § 357 Abs. 8 BGB und § 357 Abs. 9 BGB.

B. Problemaufriss Die hier zentral zu behandelnde Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf alle Ansprüche gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs, die nicht im selben Untertitel geregelt sind. In Frage kommende Ansprüche ergeben sich infolge des Widerrufs nach dem Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB somit konkret nur aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB und den §§ 357 – 357c BGB. Von besonderer Relevanz ist die Wertersatzpflicht des Verbrauchers aus § 357 Abs. 7 BGB. Sie dient dem Schutz des Unternehmers, wenn die Ware in der Hand des Verbrauchers an Wert verliert und dies nicht nur auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise notwendig war. Diese besteht jedoch, wie oben bereits erläutert, nicht bei einer unterbliebenen, falschen oder unvollständigen Belehrung durch den Unternehmer. Wirklich interessant werden nun die Fälle, in denen der Unternehmer den Verbraucher nicht bzw. nicht ordnungsgemäß belehrt hat und eine Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 BGB grundsätzlich ausscheidet. Auch eine nachträgliche ausreichende Belehrung lässt eine Wertersatzpflicht nicht wiederaufleben.48 Art. 6 Abs. 1 VRRL spricht von einer Belehrung, „bevor der Verbraucher durch einen Vertrag […] oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist“. Auch § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB fordert, dass der Unternehmer den Verbraucher „unterrichtet hat“. Es verbleibt bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen der Anspruch des Unternehmers auf Rückgewähr der erbrachten Leistung gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB. Was passiert also, wenn die Sache in der Hand des Verbrauchers sich verschlechtert, untergeht, er diese weiterveräußert oder weiterverschenkt? Diese Fragen sind weitgehend offen. Widmen wir uns jedoch zunächst dem, was zur Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB als geklärt gelten kann.

48 Singbartl/Henke, EWS 2017, 213, 215 Fn. 14; so auch, allerdings ohne Begründung, MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 35; Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

C. Vom Ausschluss erfasste Ansprüche: geklärte Fragen Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass § 361 Abs. 1 BGB grundsätzlich weitergehende Ansprüche aus der Rückabwicklung des Vertrags, etwa aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Nutzungsentschädigung oder aus § 280 BGB aufgrund der Herausgabe der Ware mit einer erheblichen Wertminderung, ausschließt.49 Es existiert daher keine Möglichkeit mehr, wie nach der alten Rechtslage Schadensersatz gemäß §§ 280 ff. BGB über §§ 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F., 346 Abs. 4 BGB oder Nutzungswertersatz gemäß §§ 357 Abs. 1 BGB a. F. i. V. m. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB geltend zu machen. § 357 Abs. 7 BGB beinhaltet insoweit eine abschließende Regelung in Bezug auf den Wertersatz.50 Ebenso sind auch Ansprüche aus § 280 BGB i. V. m. § 311 Abs. 2, 3 BGB wegen Ausübung des Widerrufsrechts ohne sachlichen Grund grundsätzlich bis zur Missbrauchsgrenze ausgeschlossen. Alles andere wäre mit der Begründungsfreiheit und der unentziehbaren Natur des Widerrufsrechts unvereinbar.51 Diese Anspruchsziele können auch nicht auf anderen Wegen wie etwa im Rahmen einer Vertragsstrafe verfolgt werden.52 Denn hierdurch könnte der Verbraucher aus Furcht vor möglichen Belastungen von dem Gebrauchmachen seines Widerrufsrechts absehen, was durch § 361 Abs. 1 BGB gerade vermieden werden soll.53 Darüber hinaus ist zu beachten, dass § 361 Abs. 1 BGB nicht nur von Ansprüchen des Unternehmers gegen den Verbraucher spricht, sondern von jedweden Ansprüchen gegen den Verbraucher. Ebenso stellt auch die Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL nur darauf ab, dass der Verbraucher aufgrund der Ausübung seines Widerrufsrechts nicht in Anspruch genommen werden kann, differenziert aber nicht nach dem Gläubiger des Anspruchs. Deshalb sind auch die Rechte Dritter gegen den Verbraucher aufgrund der Ausübung seines Widerrufsrechts ausgeschlossen.54 Solche Dritte können etwa andere Verbraucherdarlehensnehmer bei der gesamtschuldnerischen Darlehensaufnahme sein.55

D. Nicht vom Ausschluss erfasste Ansprüche Art. 14 Abs. 5 VRRL schließt als Umsetzungsgrundlage für § 361 Abs 1 BGB allerdings nur solche Ansprüche aus, die sich aufgrund der Ausübung des Wider49 Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1; NK-BGB/Ring, § 361 BGB Rn. 3; MüKo BGB/ Fritsche, § 361 BGB Rn. 3. 50 P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 4; BT-Drucks. 17/13951, 68. 51 MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 3. 52 Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1; BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 10; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 361 BGB Rn. 5. 53 HK-BGB/Schulze, § 361 Rn. 1. 54 BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 8. 55 Knops/Martens, WM 2015, 2025, 2027; Martens, FS Derleder, 333. 342 f.

§ 2 Einführung in die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB

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rufsrechts ergeben. Das innerstaatliche Vertragsrecht bleibt gemäß Art. 3 Abs. 5 VRRL insoweit unberührt, als die Richtlinie darüber keine Regelung trifft. Diese vertragsrechtlichen Bestimmungen können nach dem Erwägungsgrund 48 der VRRL zur Anwendung gelangen, wenn der Unternehmer oder der Verbraucher die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts nicht erfüllt. Unberührt sollen deshalb Schadensersatzansprüche des Unternehmers aus Vertrag, culpa in contrahendo (c.i.c.) und Delikt bleiben, die sich unabhängig vom Widerrufsrecht aus der Verletzung von Schutzpflichten ergeben.56 Wann ein Anspruch tatsächlich „unabhängig“ vom Widerrufsrecht besteht, wird an späterer Stelle näher untersucht.57 Daneben soll mangels Regelung in der VRRL ein Schadensersatzanspruch wegen Verzögerung der Rücksendung aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB möglich sein.58 In diesem Zusammenhang wäre auch eine Zufallshaftung für die zufällige Verschlechterung oder den zufälligen Untergang der Ware nach § 287 S. 2 BGB denkbar, sofern diese noch in der Obhut des Verbrauchers nach Erklärung des Widerrufs untergeht.59 Dies würde jedoch in der Regel voraussetzen, dass der Unternehmer gegen den Verbraucher zunächst einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB geltend machen könnte, der lediglich am fehlenden Vertretenmüssen des Verbrauchers scheitern würde. Ob aber ein dahin gerichteter Anspruch von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB erfasst wird oder nicht, wird überwiegend60 überhaupt nicht problematisiert.61 Wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit noch zeigen wird, wird auch ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB grundsätzlich durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, so dass sich eine etwaige Zufallshaftung nach § 287 S. 2 BGB an dieser Stelle nicht auswirkt. Darüber hinaus soll auch ein Anspruch aus § 285 BGB auf Herausgabe des Surrogats infolge einer Verschlechterung oder sonstigen Unmöglichkeit der Herausgabe der Ware nicht von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB umfasst sein.62

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Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1; NK-BGB/Ring, § 361 BGB Rn. 3, 5. Siehe Kap. 3 § 3 A. IV. 58 BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 361 BGB Rn. 6; 59 MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 5; P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 5. 60 P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 5 geht von der Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB nach Fristsetzung aus, äußert sich jedoch nicht zu einem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1,3, 283 BGB. 61 Vgl. MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 5, der zwar von der Zufallshaftung nach § 287 S. 2 BGB ausgeht, sich aber nicht mit dem Problem der Sperrwirkung auf den Anspruch beschäftigt, bei dem § 287 S. 2 BGB überhaupt erst relevant wird. 62 MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 5. 57

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

E. Ausschlusswirkung hinsichtlich der Ansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer oder Dritte Nachdem die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB für die Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher nun im Überblick dargestellt wurde, stellt sich die Frage, ob § 361 Abs. 1 BGB auch in umgekehrter Anspruchsrichtung seine Wirkung entfaltet. Der Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB ist in dieser Hinsicht allerdings eindeutig: Es bestehen nur keine weiteren Ansprüche gegen den Verbraucher. Ansprüche gegen den Unternehmer unterfallen somit schon nicht dem Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB. Es bedarf folglich keiner teleologischen Reduktion wie bei der offen formulierten Vorgängervorschrift des § 357 Abs. 4 BGB a. F.63 Deshalb entfaltet § 361 Abs. 1 BGB ebenso wie § 241a Abs. 1 BGB seine Wirkung nur für Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher. Allerdings gebietet der Grundsatz der Vollharmonisierung, dass grundsätzlich auch weitergehende Ansprüche des Verbrauchers insoweit ausgeschlossen sind, als sie sich innerhalb des sachlichen Geltungsbereichs der VRRL bewegen. Diese setzt sich mit der widerrufsbedingten Rückabwicklung des Vertrags auseinander, befasst sich jedoch nicht mit den Rechtsfolgen einer nicht pflichtgemäßen Durchführung.64 So entsteht beim Verbraucher infolge des Widerrufs ein Rückzahlungsanspruch aus § 357 Abs. 1 BGB, der der Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 VRRL dient. Demgegenüber kann der Unternehmer gemäß § 357 Abs. 4 S. 1 BGB als Umsetzung von Art. 13 Abs. 3 VRRL die Rückzahlung beim Verbrauchsgüterkauf verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis darüber erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Sofern der Unternehmer oder Verbraucher die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts aber nicht erfüllt, sollen nach dem Erwägungsgrund 48 der VRRL Sanktionen, die gemäß der VRRL in innerstaatlichen Vorschriften festgelegt sind, sowie vertragsrechtliche Bestimmungen zur Anwendung gelangen. Weitergehende Sanktionen für den Verbraucher über das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers aus Art. 13 Abs. 3 VRRL hinaus, welches innerstaatlich in § 357 Abs. 4 S. 1 BGB festgelegt ist, sind nicht vorhanden. Demnach sind vor allem die innerstaatlichen vertragsrechtlichen Bestimmungen maßgeblich. I. Haftung des Unternehmers für eine fehlerhafte oder unterbliebene Widerrufsbelehrung In Betracht kommen Ansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer wegen seines Verhaltens anlässlich des Vertragsschlusses, der Durchführung des Vertrags 63 BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 8.1; MüKo BGB/Masuch, 6. Aufl. 2012, § 357 BGB Rn. 67. 64 P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 6.

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oder dessen Rückabwicklung.65 Hierunter fällt auch die Verletzung von Informations- und Belehrungspflichten. Das zentrale Thema ist hier die Haftung aufgrund einer fehlenden oder unzureichenden Widerrufsbelehrung. Deren Entwicklung wurde entscheidend im Rahmen der sogenannten Schrottimmobilien-Fälle in den Rechtssachen Schulte66 und Crailsheimer Volksbank67 geprägt. Im Mittelpunkt der Entscheidungen stand Art. 4 S. 3 der Haustürwiderrufs-Richtlinie (RL 85/577/ EWG). Hiernach haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete „Maßnahmen“ zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn die Widerrufsbelehrung nicht oder nicht ausreichend erfolgt. Der EuGH legte die Vorschrift dahingehend aus, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass ihre Rechtsvorschriften die Verbraucher, die infolge einer mangelnden Widerrufsbelehrung Risiken eingegangen sind, dahingehend schützen, dass sie die Folgen der Verwirklichung dieser Risiken nicht zu tragen haben.68 Diese Informationspflicht aus § 2 Abs. 1 HWiG a. F. stellte eine echte Rechtspflicht dar69 und konnte somit Gegenstand einer Pflichtverletzung sein. Aktuell findet sich die Informations- und Belehrungspflicht in § 356 Abs. 3 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 EGBGB wieder, welche ebenfalls als echte Rechtspflicht Gegenstand einer Pflichtverletzung und damit eines Schadensersatzanspruchs sein kann.70 Eine mit Art. 4 S. 3 Haustürwiderrufs-Richtlinie (RL 85/577/ EWG) vergleichbare aktuelle Vorschrift existiert mit der Sanktionsanordnung des Art 24 Abs. 1 VRRL, wonach die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen festlegen und die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen treffen. Die Informationspflichten finden sich in Art 6 VRRL und wurden in § 356 Abs. 3 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 EGBGB umgesetzt. Für Verstöße gegen § 356 Abs. 3 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 EGBGB sind somit gemäß Art. 24 Abs 1 VRRL wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen zu schaffen und die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dass sich Art. 24 Abs. 1 VRRL als generelle Regelung nicht wie Art. 4 S. 3 Haustürwiderrufs-Richtlinie (RL 85/577/EWG) ausschließlich auf das Unterlassen einer Widerrufsbelehrung bezieht, ist unschädlich, da dieser Fall, wie oben aufgezeigt, mitumfasst wird.

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Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1; Schärtl, JuS 2014, 577, 582. EuGH NJW 2005, 3551 – Schulte. 67 EuGH NJW 2005, 3555 – Crailsheimer Volksbank. 68 EuGH NJW 2005, 3551, 3554 – Schulte; NJW 2005, 3555 – Crailsheimer Volksbank. 69 BGH NJW 2008, 1585, 1586; LG Bremen NJW 2006, 1210; MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 8. 70 AG Bad Segeberg NJW-RR 2015, 921, 924; BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 9; Jauernig/Stadler, § 361 BGB Rn. 1. 66

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Als Umsetzung der Sanktionspflicht kommt ein Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Ersatzfähig sind damit sämtliche Schäden, die bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht entstanden wären (z. B. die Abstandnahme vom Abschluss eines günstigeren Geschäfts aufgrund des Eindrucks der Bindungswirkung an die eigentlich widerrufliche Vertragserklärung oder die Verwendung der ausgezahlten Valuta eines Verbraucherdarlehens für ein ungünstigeres Geschäft, nachdem der ursprüngliche Verwendungszweck weggefallen ist: etwa bei Finanzierung eines Grundstückskaufvertrags, der wegen Formnichtigkeit nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 125 S. 1 BGB doch nicht zustande kommt und das Geld mangels Kenntnis von der Widerrufsmöglichkeit nunmehr mit Wertverlust angelegt wird).71 Allerdings ist – wie sonst auch – die Kausalität sorgfältig zu prüfen. Diese kann z. B. fehlen, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht trotz ordnungsgemäßer nachträglicher Widerrufsbelehrung nicht fristgerecht ausübt.72 Teilweise wird ein solcher Schadensersatzanspruch nach der Umsetzung der VRRL verneint, weil die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung in den §§ 355 ff. BGB abschließend geregelt seien.73 Allerdings lässt sich weder aus der Gesetzgebungsgeschichte noch aus dem Zweck der §§ 355 ff. BGB entnehmen, dass nunmehr Schadensersatzansprüche wegen einer fehlerhaften Belehrung ausgeschlossen sein sollen.74 In den §§ 355 ff. BGB besteht zwar unter anderem ein Zusammenhang zwischen der ordnungsgemäßen Belehrung und dem Beginn der Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts, die sich gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB auf zwölf Monate und 14 Tage verlängern kann. In den anderen Fällen der §§ 355 ff. BGB dient die ordnungsgemäße Belehrung allerdings vielmehr dazu, Pflichten des Verbrauchers zu begründen. So ist er zum Beispiel neben der bekannten Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB gemäß § 357 Abs. 6 BGB dazu verpflichtet, die Kosten der Rücksendung der Ware zu tragen, sofern er hierüber ordnungsgemäß belehrt wurde. Eine fehlerhafte Belehrung führt in diesem Zusammenhang jedoch nur dazu, dass diese Pflichten entfallen. Ein tatsächliches Recht des Verbrauchers infolge einer fehlerhaften Belehrung über den Widerruf selbst hinaus normieren die §§ 355 ff. BGB hingegen nicht. Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die §§ 355 ff. BGB die Rechte des Verbrauchers infolge einer fehlerhaften Belehrung abschließend regeln. Folglich ist auch nach der Umsetzung der VRRL weiterhin ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter oder unterbliebener Belehrung möglich.

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MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 9, 11. MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 10. Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1; NK-BGB/Ring, § 361 BGB Rn. 8. BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 9; Jauernig/Stadler, § 361 BGB Rn. 1.

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II. Haftung bei der Verletzung sonstiger Aufklärungspflichten Daneben sind auch weiterhin Schadensersatzansprüche des Verbrauchers aus c.i.c. möglich, wenn er unzureichend über die Chancen und Risiken etwa bei Einlagen als stiller Gesellschafter belehrt wurde.75 In diesen Fällen wurden in Übereinstimmung mit dem EuGH76 und der Haustürwiderrufsrichtlinie die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft angewendet. Dies hatte zur Folge, dass der Verbraucher den Gesellschaftsvertrag kündigen musste und möglicherweise weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhielt oder sich sogar an den Verlusten des Fonds beteiligen musste.77 Sofern der Unternehmer aber seine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Chancen und Risiken verletzte, konnte der Verbraucher dennoch neben den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs so gestellt werden, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und die Einlage nicht geleistet.78 Da diesbezüglich in der VRRL eine Regelungslücke vorliegt79 und nach dem Erwägungsgrund 8 VRRL die Richtlinie die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts unberührt lassen soll, gelten die oben genannten Grundsätze trotz der vollharmonisierenden Wirkung der VRRL fort.80 III. Pflicht zum Ersatz von Verwendungen auf die Ware Zuletzt stellt sich noch die Frage nach Verwendungsersatzansprüchen des Verbrauchers gegen den Unternehmer, wenn er Verwendungen auf die Sache tätigt. Vor Umsetzung der VRRL stand dem Verbraucher ein Ersatzanspruch gegen den Unternehmer für notwendige Verwendungen aus § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i. V. m. § 347 Abs. 2 S. 1 BGB zu. Für nicht notwendige Verwendungen konnte er Ersatz gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i. V. m. § 347 Abs. 2 S. 2 BGB insoweit verlangen, wie der Unternehmer dadurch bereichert war. Nach Umsetzung der VRRL findet sich in den §§ 357 ff. BGB keine entsprechende Regelung für einen Anspruch auf Ersatz von Verwendungen des Verbrauchers. Es existiert auch kein Verweis mehr auf das Rücktrittsfolgenrecht und damit auf § 347 Abs. 2 BGB. Ein Anspruch aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

75 P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 7; BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 9; vgl. zur alten Rechtslage BGH NJW 2017, 61. 76 EuGH NJW 2010, 1511 – Friz/von der Heyden. 77 Habersack, ZIP 2010, 775; Armbrüster, EuZW 2010, 614; Kindler/Libbertz, NZG 2010, 603; Gerbaulet, Der Widerruf des Haustürbeitritts zu einer Fondgesellschaft, 15, 224 ff. 78 BGH NJW-RR 2003, 1407; NJW 2005, 1784, 1786 ff. 79 P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 7. 80 Schwab, JZ 2015, 644, 652 f.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

gemäß § 994 Abs. 1 S. 1 BGB scheitert in der Regel daran, dass der Verbraucher mit Erhalt der Sache Eigentümer der Ware wird.81 Übrig bleibt damit nur eine analoge Anwendung des § 347 Abs. 2 BGB. Hierfür sind eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vonnöten. Teilweise wird durch den aufgehobenen Verweis auf das Rücktrittsrecht eine planwidrige Regelungslücke verneint.82 Überwiegend wird hingegen nicht nur das deutsche Umsetzungsgesetz als planwidrig unvollständig empfunden, sondern ebenfalls die VRRL, da sich in den Erwägungsgründen 48 ff. VRRL zu den Rechtsfolgen des ausgeübten Widerrufsrechts keine Überlegungen des europäischen Gesetzgebers zum Verwendungsersatz des Verbrauchers erkennen lassen.83 Dies kollidiert auch nicht mit dem Grundsatz der Vollharmonisierung, da von den Regelungen der Richtlinie nicht mit einem strengeren oder milderen Verbraucherschutz abgewichen, sondern diese lediglich aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke ergänzt wird.84 Es ist insbesondere auch keine Wertung des Unionsgesetzgebers dahingehend erkennbar, dass der Verbraucher endgültig mit seinen Aufwendungen auf die Ware belastet bleiben soll.85 Folglich ist der nunmehr abgeschaffte Verweis auf das Rücktrittsrecht für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke unschädlich. Eine vergleichbare Interessenlage ist auch nach der Umsetzung der VRRL zu bejahen, da sich an der Vergleichbarkeit der Rechtsinstitute grundsätzlich nichts durch die Reform von 2014 geändert hat. Widerruf und Rücktritt wandeln beide das ursprüngliche Schuldverhältnis mit Wirkung ex nunc86 in ein Rückgewährschuldverhältnis um. In beiden Fällen erfolgt dies durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung: die Widerrufs- oder Rücktrittserklärung, welche als Gestaltungsrechte87 unmittelbar ihre Rechtswirkung entfalten. Zuletzt lässt sich als Gemeinsamkeit noch nennen, dass es auf Rechtsfolgenseite bei beiden Rechtsinstituten die Möglichkeit eines Anspruchs auf Wertersatz gibt. Demnach ist eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen gewährleistet und die Analogievoraussetzungen gegeben. Folglich kann der Verbrau81

Selbst bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts sind die §§ 987 ff. nicht anwendbar, da ein Anspruch aus § 985 BGB durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird; vgl. dazu unten im Detail Kap. 3 § 4 A. II. 3. 82 So wohl MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 12, bezieht sich zwar nur auf Nutzungsersatz, geht hinsichtlich von Aufwendungen aber nur auf § 304 BGB ein, wenn der Unternehmer die Ware in Fällen des § 357 Abs. 2 S. 2, Abs. 5 oder Abs. 6 S. 3 BGB nicht rechtzeitig abholt und dem Verbraucher Mehraufwendungen für die Aufbewahrung der Sache entstehen. Auf § 347 Abs. 2 BGB wird hingegen nicht explizit eingegangen. 83 Schwab, JZ 2015, 644, 651; Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1; BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 9.1; P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 6. 84 Schwab, JZ 2015, 644, 651. 85 Schwab, JZ 2015, 644, 651. 86 Vgl. zur ex nunc-Wirkung beim Widerruf Schärtl, JuS 2014, 577, 581; zum Rücktritt vgl. Lorenz, JuS 2011, 871. 87 MüKo BGB/Fritsche, § 355 BGB Rn. 59.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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cher vom Unternehmer analog § 347 Abs. 2 BGB Ersatz seiner Verwendungen auf die Sache verlangen. IV. Ansprüche des Verbrauchers gegen Dritte Zuletzt sind auch noch Ansprüche gegen Dritte denkbar. Dies kann z. B. in Fällen verbundener Geschäfte (§§ 358 ff. BGB) relevant werden. Auch diese sind nicht von der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB erfasst.88

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten Nach Erörterung der bereits geklärten Fragen richtet sich nun der Fokus auf die weitgehend ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB. Wie verhält es sich, wenn sich die Sache in der Hand des Verbrauchers verschlechtert, untergeht, er diese weiterveräußert oder weiterverschenkt? Welchen Einfluss hat ein Verkauf unter Eigentumsvorbehalt auf die Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB, und welche Folgen hat es, wenn sich die Übereignung der Sache von dem Unternehmer an den Verbraucher als nichtig erweist und der Verbraucher die Sache anschließend an Dritte weiterveräußert?

A. Die Ausgangsproblematik der Beschädigung und Zerstörung der empfangenen Ware I. Die Sachlage vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 1) Um sich der Problematik zu nähern, ist es sinnvoll, mit einem einfachen und naheliegenden Beispielsfall anzufangen: A bestellt über den Online-Shop des B einen Badmintonschläger. Aufgrund eines internen Systemfehlers wurde an die E-Mail mit der Bestellbestätigung keine Widerrufsbelehrung angehängt. Nachdem der Schläger an A geliefert wurde und er diesen auf sichtbare Mängel überprüft und für einwandfrei befunden hatte, nimmt er ihn mit zum nächsten Treffen mit den Freunden im Fitnessstudio. Während des Spiels rutscht A der Schläger aus der Hand, so dass dieser gegen die Wand prallt, wodurch sich der Rahmen des Schlägers irreparabel verzieht. Nun erlangt A Kenntnis von seinem Widerrufsrecht, widerruft seine Willenserklärung fristgerecht und sendet den beschädigten Badmintonschläger zurück an B. B fragt sich, ob ihm irgendwelche

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BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 8; HK-BGB/Schulze, § 361 BGB Rn. 1.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Rechte hinsichtlich der Beschädigung des Badmintonschlägers und des damit einhergehenden Wertverlusts zustehen. Zunächst kommt ein Anspruch des Unternehmers B gegen A aus § 357 Abs. 7 BGB auf Wertersatz für den Wertverlust des Schlägers in Betracht. Hierzu ist es in einem ersten Schritt erforderlich, dass der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Schlägers nicht notwendig war. Das ausgiebige Spielen und der anschließende Kontrollverlust, bei dem der Schläger gegen die Wand prallte, stellt keinen Umgang mit dem Schläger dar, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise notwendig war. Zieht man den Vergleich zum stationären Handel, hat der Verbraucher dort auch nicht die Möglichkeit, mit dem Schläger ausgiebig zu spielen, sondern nur dessen Eigenschaften kurz auszuprobieren. Überdies müsste der Unternehmer den Verbraucher aber auch nach Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet haben. Dies ist vorliegend aufgrund eines internen Systemfehlers des B nicht erfolgt. Folglich scheidet ein Anspruch des B gegen A auf Wertersatz nach § 357 Abs. 7 BGB aus. Möglicherweise könnte B aber einen Anspruch gegen A auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 311 a Abs. 2 S. 1 BGB haben. Als Schuldverhältnis käme das Rückabwicklungsschuldverhältnis im Sinne des § 355 Abs. 3 S. 1 BGB infolge der Ausübung des Widerrufsrechts in Betracht. Das anfängliche Leistungshindernis könnte darin zu sehen sein, dass von Anfang an nur die Rückgabe des mit einem unbehebbaren Mangel behafteten Badmintonschlägers möglich war. Soweit es jedoch um die weiteren Voraussetzungen in § 311 a Abs. 2 S. 2 BGB geht, wonach keine Schadensersatzpflicht besteht, wenn der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat, fällt auf, dass die Norm bei der Anwendung auf Rückabwicklungsschuldverhältnisse Probleme bereitet. Aus diesem Grund stellt § 346 Abs. 4 BGB für Verletzungen von Pflichten aus dem Rückgewährschuldverhältnis aus § 346 Abs. 1 BGB klar, dass der Gläubiger nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 BGB, aber eben nicht unter Anwendung des § 311 a Abs. 2 BGB, Schadensersatz verlangen kann. Der Grund hierfür liegt darin, dass § 311 a Abs. 2 BGB auf den freien, privatautonomen Vertragsschluss abstellt, der die a limine unmögliche Pflicht begründet, so dass dem Vertragspartner der Vorwurf gemacht werden kann, seine Leistungs(un)fähigkeit nicht zu kennen.89 Allerdings versprechen im Falle eines Rücktritts weder der Rücktrittsberechtigte noch dessen Rücktrittsgegner in irgendeiner Weise ihre Leistungsfähigkeit und müssen daher über diese auch nicht im Bilde sein.90 Deshalb ist der dem § 311 a Abs. 2 BGB zu Grunde liegende Vorwurf weder auf das gesetzliche noch auf das vertragliche Rücktrittsrecht zugeschnitten.

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BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 660. BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 660.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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Für eine parallele Behandlung von Widerrufsfällen spricht zum einen die Ähnlichkeit der Rechtsinstitute91 und zum anderen der historische Vergleich. Bis zur Umsetzung der VRRL wurde hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs auf das Rücktrittsfolgenrecht und damit auch auf § 346 Abs. 4 BGB verwiesen. Vor dem 13.06.2014 war mithin ein Schadensersatzanspruch aus § 311 a Abs. 2 BGB auf der Grundlage eines Rückabwicklungsschuldverhältnisses eindeutig nicht möglich. Sofern man darüber hinaus bedenkt, dass der Verbrauchschutz im Widerrufsfolgenrecht unter anderem92 mit der Abkehr vom Nutzungswertersatz gemäß §§ 357 Abs. 1 BGB a. F. i. V. m. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB93 im Vergleich zur vorherigen Gesetzeslage zugunsten des Verbrauchers verschärft wurde, scheint ein Rückgriff auf § 311 a Abs. 2 BGB und damit eine intensive Haftungsverschärfung weder mit dem Willen des Unionsgesetzgebers noch mit dem Willen des nationalen Gesetzgebers vereinbar zu sein. Folglich bedarf es nicht des Rückgriffs auf § 361 Abs. 1 BGB, um einen Anspruch aus § 311 a Abs. 2 BGB auszuschließen, vielmehr findet die Vorschrift parallel zum Rücktrittsrecht überhaupt keine Anwendung auf das Rückgewährschuldverhältnis infolge des Widerrufs. Man könnte jedoch über einen Schadensersatzanspruch des B gegen A aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB nachdenken. Als taugliches Schuldverhältnis käme hier nur der ursprüngliche Kaufvertrag in Betracht, da der Badmintonschläger bereits vor Erklärung des Widerrufs beschädigt wurde und somit nach Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses keine Handlung mehr ersichtlich ist, auf die eine Schutzpflichtverletzung gestützt werden könnte. Darüber hinaus müsste A allerdings auch eine Schutzpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB verletzt haben. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB hat A Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des B zu nehmen. Indem er den Badmintonschläger beschädigte, könnte er diese Rücksichtnahmepflicht verletzt haben, wenn er zum sorgfältigen Umgang mit der Sache verpflichtet gewesen wäre. Vorliegend ist A allerdings mit dem Erhalt der Ware von B Eigentümer des Badmintonschlägers gemäß § 929 S. 1 BGB geworden. Gemäß § 903 S. 1 BGB kann der Eigentümer mit seiner Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, nach Belieben verfahren. Eine Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit der Sache kann jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem der Ver91 Vgl. zur Ähnlichkeit von Rücktritt und Widerruf oben die Ausführungen zum Verwendungsersatzanspruch des Verbrauchers analog § 347 Abs. 2 BGB in Kap. 3 § 2 E. III. 92 Der Anwendungsbereich der Vorschriften über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge ist im Vergleich zu den bisherigen Haustürgeschäften erweitert worden, indem in erster Linie auf die örtlichen Verhältnisse und weniger auf den situativen Kontext abgestellt wird (vgl. § 312 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. zu § 312 b Abs. 1 BGB). Daneben wurden die Informationspflichten des Unternehmers sowohl im stationären Handel als auch bei außerhalb von Geschäftsräumen und im Fernabsatz geschlossenen Verträgen intensiviert (§ 312 a Abs. 2 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246 EGBGB bzw. § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246 a EGBGB; Die zusätzlichen Informationspflichten werden im Einzelnen aufgelistet von Förster, ZIP 2014, 1569, 1571). 93 Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter „Vom Ausschluss erfasste Ansprüche“ in Kap. 3 § 2 C.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

braucher keinerlei Kenntnis vom Widerrufsrecht hat, nicht bestehen. Er kann vielmehr in diesem Zeitraum auf die Endgültigkeit des Rechtserwerbs vertrauen und beliebig mit der Sache verfahren, ohne eine Schutzpflichtverletzung im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB befürchten zu müssen.94 Etwas anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass man eine Rücksichtnahmepflicht bereits ab Entstehung des Widerrufsrechts oder Erhalt der Leistung annehmen würde, allerdings im Rahmen des Vertretenmüssens eine Korrektur dahingehend vornähme, dass er diese Schutzpflichtverletzung vor Kenntnis des Widerrufsrechts nicht zu vertreten habe.95 Eine Schadensersatzpflicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB scheidet damit in jedem Fall vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht aus. Andere Ansprüche auf Ersatz des Wertverlustes des Badmintonschlägers sind nicht ersichtlich. Folglich lässt sich festhalten, dass es bei Beschädigungen der Ware in Unkenntnis des Widerrufsrechts und vor Erklärung des Widerrufs keines Rückgriffs auf § 361 Abs. 1 BGB bedarf, um Ansprüche gegen den Verbraucher auszuschließen, da diese dem Grunde nach schon überhaupt nicht bestehen. Der Unternehmer hat somit keine Möglichkeit, über eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers aus § 357 Abs. 7 BGB hinaus Ersatz für Beschädigungen der Ware, die in Unkenntnis des Widerrufsrechts entstehen, zu verlangen. Im vorliegenden Fall ist B somit infolge der Rücksendung nach Erklärung des Widerrufs zur vollständigen Rückzahlung des Kaufpreises gegenüber A verpflichtet. Fraglich ist, ob B auch zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet wäre, wenn die Ware vollkommen untergegangen wäre und eine Rücksendung damit unmöglich wäre. Im Mittelpunkt dieser Fragestellung steht das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers aus § 357 Abs. 4 S. 1 BGB. Hiernach besteht beim Verbrauchsgüterkauf eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers96 : Der Verbraucher muss die Sache zunächst an den Unternehmer zurückschicken oder diesem den Nachweis erbringen, dass er die Ware abgesendet hat. Bis dahin steht dem Unternehmer gemäß § 357 Abs. 4 BGB in Umsetzung von Art. 13 Abs. 3 VRRL ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der Rückzahlung des Kaufpreises zu. Es ist jedoch zu beachten, dass ihm dieses Zurückbehaltungsrecht nicht hinsichtlich einer Wertersatzpflicht des Verbrauchers zusteht97, wobei diese bei fehlender Belehrung ohnehin nicht gegeben wäre. Bei einer reinen Beschädigung der Sache ist die Rücksendung weiterhin möglich, so dass der Unternehmer ohne Weiteres bis zu diesem Zeitpunkt die Rückzahlung des Kaufpreises verweigern kann, danach aber trotzdem zur vollen Rückzahlung verpflichtet ist.

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So auch Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1850; neuerdings auch MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6. 95 Siehe dazu unten eingehend Kap. 3 § 3 A. II. 1. c) aa). 96 Palandt/Grüneberg, § 357 BGB Rn. 5; P/W/W/Stürner, § 357 BGB Rn. 10; BeckOGK/ Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 19. 97 MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 15.

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Wie verhält es sich aber, wenn eine Rücksendung unmöglich ist, da die Ware komplett untergegangen (etwa verbrannt oder gestohlen) ist? Kann der Unternehmer in diesem Fall die Rückzahlung des Kaufpreises dauerhaft nach § 357 Abs. 4 S. 1 BGB verweigern? Hierzu müsste das Zurückbehaltungsrecht in seinem Bestand unabhängig von der Leistungspflicht zur Rücksendung sein. Diese ist gemäß § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit der Rücksendung der Ware jedoch erloschen. Für eine Unabhängigkeit von der Leistungspflicht per se spricht, dass der Wortlaut des § 357Abs. 4 S. 1 BGB nicht von einer Pflicht zur Rücksendung spricht, sondern immer nur von der tatsächlichen Rücksendung bzw. dem tatsächlichen Rückerhalt der Ware. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 VRRL nahezu identisch übernommen wurde und sich auch aus den Gesetzgebungsmaterialien98 keine weiteren Informationen ableiten lassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der englischen oder französischen Sprachfassung des Art. 13 Abs. 3 VRRL. Auch diese stellen nur auf die tatsächliche Rücksendung bzw. den tatsächlichen Rückerhalt der Ware ab. So spricht die englische Fassung davon, dass die Rückzahlung zurückgehalten werden kann „[…] until he has received the goods back, or until the consumer has supplied evidence of having sent back the goods […].“ Die französische Sprachfassung verhält sich hierzu identisch, indem sie davon spricht, dass „[…] le professionnel peut différer le remboursement jusqu’à récupération des biens, ou jusqu’à ce que le consommateur ait fourni une preuve d’expédition des biens […].“ Es empfiehlt sich daher, die anderen Zurückbehaltungsrechte im BGB daraufhin zu untersuchen, welche Auswirkungen die Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung besitzt. Das Zurückbehaltungsrecht des Besitzers aus § 1000 S. 1 BGB, wenn er auf die Sache nach §§ 994, 996 BGB ersatzfähige Verwendungen getätigt hat, eignet sich allerdings nicht zum Vergleich, da die Zahlungspflicht des Eigentümers nicht nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich werden kann.99 Selbiges gilt für das Zurückbehaltungsrecht aus §§ 972, 1000 BGB und aus §§ 2022 Abs. 1 S. 2, 1000 BGB. Es verbleiben demnach die Zurückbehaltungsrechte aus § 320 Abs. 1 BGB und aus § 273 Abs. 1 BGB. § 320 Abs. 1 BGB ist jedoch in Fällen der Unmöglichkeit einer Leistungspflicht irrelevant, da die Gegenleistungspflicht gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ipso iure erlischt. Im Rahmen des Zurückbehaltungsrechts aus § 273 Abs. 1 BGB steht hingegen fest, dass ein naturgemäß nicht oder – z. B. wegen Unmöglichkeit – nicht mehr bestehender Anspruch kein Zurückbehaltungsrecht verleihen kann.100 Die Begründung ist auch auf das Zurückbehaltungsrecht aus § 357 98 BT-Drucks. 17/12637, 63, wonach § 357 Abs. 4 BGB den Rechtsgedanken des Rückgaberechts nach § 356 BGB a. F. auffassen soll. Die Vereinbarung eines Rückgaberechts sei jedoch nicht mehr möglich und angesichts des Zurückbehaltungsrechts auch nicht mehr notwendig. Ansonsten wird nur der Inhalt von Art. 13 Abs. 3 VRRL wiedergegeben. 99 „Geld hat man zu haben“, vgl. etwa Erman/Westermann, § 275 BGB Rn. 2. 100 RG JW 1919, 105; BeckOGK/Krafka, § 273 BGB Rn. 53; BeckOK BGB/Lorenz, § 273 BGB Rn. 1; Staudinger/Bittner, § 273 BGB Rn. 37.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Abs. 4 S. 1 BGB übertragbar: Mangels Bestehens eines Anspruchs auf Rückübereignung der Ware besteht auch kein Bedürfnis mehr für die erleichterte Durchsetzung dieses „Anspruchs“.101 Infolgedessen ist – trotz des misslichen Wortlauts – das Zurückbehaltungsrecht aus § 357 Abs. 4 S. 1 BGB sinngemäß ausgeschlossen, wenn der Anspruch auf Rückübereignung und Rücksendung wegen Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB untergegangen ist. Dies erscheint auf den ersten Blick eine für den Unternehmer sehr belastende Lösung zu sein, da er im Vergleich zur bloßen Verschlechterung der Ware überhaupt nichts mehr zurückerhält, aber dennoch zur vollen Kaufpreisrückzahlung verpflichtet bleibt. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass der Unterschied zwischen dem Rückerhalt einer beschädigten Ware und dem vollkommenen Ausbleiben der Rücksendung in manchen Konstellationen marginal sein kann. So sind Fälle denkbar, in denen die Verschlechterung der Ware so gravierend ist, dass sie den Wert um über 90 Prozent senkt und der Unternehmer eine quasi wertlose Sache zurückerhält, aber auch hierfür keinen Wertersatz verlangen kann. Folglich hat das Zurückbehaltungsrecht aus § 357 Abs. 4 S. 1 BGB keinen Einfluss auf die Pflicht des Unternehmers, den Kaufpreis vollständig zurückzuerstatten, sofern dem Verbraucher die Rücksendung der Ware infolge eines Untergangs der Ware unmöglich geworden ist. Einen letzten Einfluss auf die Kaufpreisrückzahlungspflicht des Unternehmers könnte allenfalls – unabhängig von einem Zurückbehaltungsrecht aus § 357 Abs. 4 S. 1 BGB – § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB haben. Hiernach entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht. Es wäre somit erforderlich, dass die Rückübereignung der Ware und die Rückzahlung des Kaufpreises synallagmatisch miteinander verknüpft sind. Allerdings ergeben sich beim Widerruf – parallel zum Rücktritt – die wechselseitigen Verpflichtungen im Rückabwicklungsverhältnis als Rechtsfolge durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Bei diesen Verpflichtungen fehlt das entscheidende Merkmal eines gegenseitigen Vertrages, weil nicht jeder Vertragspartner seine Leistung verspricht, um die andere zu erhalten.102 Untermauert wird dies beim Rücktritt durch die Vorschrift des § 348 BGB, der die §§ 320, 322 BGB für entsprechend anwendbar erklärt. Diese Norm wäre überflüssig, wenn zwischen den Rückabwicklungspflichten ein Synallagma bestehen würde. Vor der Umsetzung der VRRL wurde für das Widerrufsfolgenrecht auch auf § 348 BGB verwiesen, so dass bis zur Reform keine synallagmatische Verknüpfung zwischen den Leistungen infolge des Widerrufs bestand. Dafür, dass sich daran nach der Reform – neben den grundlegenden Überlegungen von oben – etwas geändert haben sollte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Deshalb ist nicht davon auszugehen, 101

Vgl. zu der Begründung zu § 273 BGB, BeckOGK/Krafka, § 273 BGB Rn. 53. Vgl. zum Rücktritt BGH NJW 2002, 506; MüKo BGB/Gaier, § 348 BGB Rn. 2; Erman/ Röthel, § 348 BGB Rn. 1; Palandt/Grüneberg, § 348 BGB Rn. 1; Soergel/Lobinger, § 348 BGB Rn. 2; a. A.: ohne weitere Begründung Jauernig/Stadler, § 348 BGB Rn. 1. 102

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dass die Rückübereignung der Ware und die Rückzahlung des Kaufpreises im Gegenseitigkeitsverhältnis zueinander stehen103, so dass § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB von vornherein keine Anwendung findet. Darüber hinaus würde eine Anwendung des § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB mit ihren Belehrungspflichten ad absurdum führen. Zum einen zeigt sich dies in Fällen des vollständigen Untergangs der Ware und der vollständigen Unmöglichkeit der Rückübereignung, wenn der Unternehmer nach § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB von der Rückzahlung des Kaufpreises befreit wäre. Zum anderen könnte man bei einer reinen Verschlechterung der Ware über eine Teilunmöglichkeit der Rückübereignungsverpflichtung gemäß § 275 Abs. 1 BGB nachdenken und auch so die Rückzahlungspflicht des Unternehmers nach § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB entsprechend entfallen lassen, so dass er regelmäßig104 nicht mehr auf die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB angewiesen wäre. Eine Anwendung des § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB scheitert damit aus mehreren Gründen. Folglich bleibt der Unternehmer B zur vollständigen Kaufpreisrückzahlung gegenüber Averpflichtet, wohingegen keine Pflicht des A zum Ersatz des Wertverlustes der Ware besteht. II. Die Sachlage ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht, aber vor dessen Ausübung (Phase 2) Möglicherweise ist eine andere rechtliche Beurteilung vorzunehmen, wenn die Ware in Kenntnis des Widerrufsrechts beschädigt wird. Zur Veranschaulichung dient die folgende Abwandlung des Ausgangsfalls: Als A den Schläger seinen Freunden präsentiert und diese über den günstigen Preis erstaunt sind, erzählt er von dem Kauf über den Online-Shop des B. Daraufhin weist ihn ein Freund auf das Widerrufsrecht im Fernabsatz hin und erklärt A, dass er den Vertrag widerrufen könne, falls ihm der Badmintonschläger wider Erwarten doch nicht zusage. Anschließend wird der Schläger – wie oben geschildert – beschädigt, woraufhin A den Widerruf erklärt und den beschädigten Schläger zurücksendet. Eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers aus § 357 Abs. 7 BGB scheidet wie im Ausgangsfall aufgrund der fehlenden Belehrung seitens des Unternehmers aus.

103 So im Ergebnis auch MüKo BGB/Fitsche, § 357 BGB Rn. 17; a. A. anscheinend BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 355 BGB Rn. 34, der davon spricht, dass die beiderseitigen Rückgewährpflichten das ursprüngliche Synallagma fortsetzen, aber nicht Zug um Zug zu erfüllen seien. 104 Diskrepanzen zwischen einer nach § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB entfallenden Kaufpreisrückzahlung und der Wertersatzhöhe aus § 357 Abs. 7 BGB können sich allerdings dann ergeben, wenn der Wert der Ware den Kaufpreis übersteigt. oder es sich nicht um einen Fall von Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 – 3 BGB handelt.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 311 a Abs. 2 S. 1 BGB mit dem Rückgewährschuldverhältnis als Grundlage scheidet – wie oben aufgezeigt – mangels Anwendbarkeit der Norm aus. Einer näheren Betrachtung bedarf jedoch der Anspruch des B gegen A aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Auch in diesem Stadium käme nur der Kaufvertrag als taugliches Schuldverhältnis in Betracht. Der Badmintonschläger wurde auch hier vor Erklärung des Widerrufs beschädigt. Entscheidend ist die Frage, ob in diesem Stadium eine Pflichtverletzung vorliegt. Kann in dem sorglosen Umgang mit der Ware eine Schutzpflichtverletzung gesehen werden, weil der Verbraucher während der Schwebezeit, solange die Ausübung des Widerrufsrechts noch möglich ist, auf die schutzwürdigen Interessen des Unternehmers nicht ausreichend Rücksicht genommen hat, obwohl er Kenntnis vom Widerrufsrecht hatte? 1. Parallele Diskussion im Rücktrittsfolgenrecht Diese Thematik ist verwandt mit der parallelen Diskussion im Rücktrittsfolgenrecht. Im Mittelpunkt steht hier § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB. Danach entfällt die Pflicht zum Wertersatz beim Rücktritt, wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Rücktrittsberechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 277 BGB). Sinn und Zweck der Vorschrift liegen darin, dass der Rücktritt beim gesetzlichen Rücktrittsrecht eine Reaktion auf die Pflichtverletzung des anderen Teils darstellt und der Rücktrittsberechtigte deshalb die Möglichkeit haben soll, sich von der Übernahme der Sachgefahr wieder zu befreien.105 Die durch die Norm eintretende Verlagerung der Zufallsgefahr auf den Verkäufer ist aus Sicht des Gesetzgebers dadurch gerechtfertigt, dass derjenige, der nicht ordnungsgemäß geleistet hat, auch nicht darauf vertrauen darf, dass der Gefahrübergang auf den anderen Teil endgültig ist.106 Wenn jedoch der Rücktrittsberechtigte Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis vom Rücktrittsgrund hat, wird in unterschiedlichem Maße über eine teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB oder auch eine Schadensersatzpflicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB nachgedacht. Um die für die vorliegende Arbeit relevanten Aspekte im Rahmen der §§ 280 ff. BGB herauszuarbeiten, ist es notwendig, sich auch mit der entsprechenden Problematik des § 346 Abs. 3 S. 1 105

BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 605. BT-Drucks. 14/6040, 196; ebenso z. B. Erman/Röthel, § 347 BGB Rn. 25: jurisPKBGB/Faust, § 347 BGB Rn. 74; BeckOK BGB/Schmidt, § 347 BGB Rn. 52; Roth, FS Canaris, 1131, 1147; Fest, Der Einfluss der rücktrittsrechtlichen Wertungen auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nichtiger Verträge, 63; Kamanabrou, NJW 2003, 30, 31; Bartels, AcP 215 (2015), 203, 222 ff.; krit. z. B. Gaier, WM 2002, 1, 10 f.; Honsell, FS Schwerdtner, 575, 581 ff.; Honsell, FS Picker, 363 ff.; Kohler, JZ 2001, 325, 332 f.; Thier, FS Heldrich, 439, 443 ff. 106

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Nr. 3 BGB auseinanderzusetzen. Demzufolge werden im Folgenden die diskutierten Auswirkungen der Kenntnis bzw. des Kennenmüssens auf § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB und auf die §§ 280 ff. BGB dargelegt. Hierzu werden im Wesentlichen drei Meinungen vertreten: a) Teleologische Reduktion bei Kenntnis vom Rücktrittsrecht Zum einen wird vertreten, dass § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB teleologisch zu reduzieren ist, wenn der Rücktrittsberechtigte positive Kenntnis hinsichtlich des Rücktrittsgrundes besitzt. Aufgrund dieser Kenntnis müsse er mit einer möglichen Rückgabepflicht rechnen und könne nicht mehr darauf vertrauen, dass er den empfangenen Gegenstand endgültig behalten dürfe.107 Für die Verknüpfung der Privilegierung mit der fehlenden Kenntnis vom Rücktrittsgrund spreche zunächst ein Blick auf die historische Entwicklung: Zum BGB a. F. entsprach es der herrschenden Meinung108, dass für den gesetzlich zum Rücktritt Berechtigte erst ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund eine Haftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 BGB begründet wurde. Vor Kenntnis wurde er hingegen dahingehend privilegiert, dass die Schadensersatzhaftung aus § 347 S. 1 BGB a. F., § 989 BGB durch eine Haftung nach Bereicherungsrecht analog § 327 S. 2 BGB a. F. i. V. m. § 818 Abs. 2, 3 BGB ersetzt wurde, so dass er nach § 818 Abs. 2 BGB keinen Schadensersatz, sondern nur Wertersatz schuldete. Durch die Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB hatte er wegen des Einwands der Entreicherung auch für eine verschuldete Verschlechterung des Leistungsgegenstands nicht einzustehen. Alternativ wurde der Sorgfaltsmaßstab des § 351 BGB a. F. auf die Missachtung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten herabgesetzt109 und so eine Privilegierung erzielt.

107 NK-BGB/Hager, § 346 BGB Rn. 59; P/W/W/Medicus, § 346 BGB Rn. 18; HK-BGB/ Schulze, § 346 BGB Rn. 16; Looschelders, Schuldrecht AT, § 42 Rn. 849; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht, Rn. 257; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 48 III 2, Rn. 539; Arnold, Jura 2002, 154, 158; Perkams, Jura 2003, 150, 151 f.; Rheinländer, ZGS 2004, 178, 179 f.; Schwab, JuS 2002, 630, 635; Schulze/Ebers, JuS 2004, 366, 370; Henne/Zeller, JuS 2006, 891, 893; Bockholdt, AcP 206 (2006), 769, 796 f.; Kohler, AcP 206 (2006), 683, 703 f.; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893; Lorenz, DAR 2006, 611, 617 f.; Deckenbrock/Dötsch, WM 2007, 669, 675; Konzen, FS Canaris, 605, 625; Roth, FS Canaris, 1131, 1140 f.; Hager, FS Musielak, 195, 202 f. 108 RGZ 130, 119, 123 f.; BGHZ 53, 144, 148 f.; WM 1987, 47, 48; OLG Hamburg VersR 1981, 138, 139; OLG Köln OLGZ 1970, 454, 455; Wolf, AcP 153 (1954), 97 f.; Boehmer, JZ 1953, 392, 393; Muscheler, AcP 187 (1987), 343, 467; Medicus, JuS 1990, 689, 690, 692; Büdenbender, JuS 1998, 135, 139; Soergel/Hadding, 12. Auflage 1990, § 347 BGB Rn. 10; Jauernig/Vollkommer, 9. Auflage 1999, § 347 BGB Rn. 8 f.; Erman/Westermann, 10. Auflage 2000, § 347 BGB Rn. 5; Palandt/Heinrichs, 60. Auflage 2001, § 347 BGB Rn. 8. 109 Weitnauer, NJW 1970, 637, 639; v. Caemmerer, FS Larenz, 621, 629; Nierwetberg, JuS 1984, 33, 36; Huber, JZ 1987, 650, 652 ff.; Kohler, WM 1993, 45, 48 f.; vgl. auch Staudinger/ Kaiser, § 346 BGB Rn. 128, 204.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Diese abgestufte Haftung habe der Gesetzgeber bei der Neufassung der §§ 346 ff. BGB ebenfalls beabsichtigt, so dass bei Kenntnis des Rücktrittsgrundes eine erste und bei Erklärung des Rücktritts eine zweite Zäsur eintreten solle.110 Da in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB allerdings nur die zweite Zäsur Niederschlag gefunden habe111, sei die Norm entsprechend teleologisch zu reduzieren. Darüber hinaus sei ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund eine Privilegierung hinsichtlich des Haftungsmaßstabs gegenüber dem vertraglichen Rücktrittsrecht nicht mehr gerechtfertigt.112 Denn ab Kenntnis sei die Interessenlage vergleichbar: Beim vertraglichen Rücktrittsrecht müssten die Beteiligten von Anfang an damit rechnen, dass die Leistung möglicherweise wieder zurückgegeben werden müsse.113 Daneben sei das Kriterium der Kenntnis auch in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB angelegt, wonach derjenige, der in Kenntnis des Mangels die Sache verarbeite, gleichwohl auf Wertersatz hafte.114 Dieses Prinzip ließe sich auch auf § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB übertragen, wonach derjenige, der Kenntnis vom Rücktrittsgrund habe, keiner Privilegierung mehr bedürfe.115 Schließlich werde durch die teleologische Reduktion eine Angleichung von Rücktritts- und Bereicherungsrecht herbeigeführt, da in § 819 Abs. 1 BGB ebenfalls ab Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit der Bereicherung die verschärfte Bereicherungshaftung angeordnet sei.116 Inwieweit die Norm allerdings bei Kenntnis vom Rücktrittsgrund teleologisch zu reduzieren ist, ist umstritten. Überwiegend wird vertreten, dass die Norm insoweit teleologisch zu reduzieren sei, dass der Rücktrittsberechtigte ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund nicht mehr nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzustehen habe, sondern für jede Fahrlässigkeit haften solle.117 Hingegen verbleibe die Zufallsgefahr beim Rücktrittsgegner, da die Kenntnis vom Rücktrittsgrund nicht die für die Gefahrenverteilung maßgebliche Pflichtverletzung des Rücktrittsgegners beseitige, sondern nur das Vertrauen in die Endgültigkeit des Erwerbs zerstöre.118 110

Döll, Rückgewährstörungen beim Rücktritt, 279. Ernst/Zimmermann/Hager, Schuldrechtsreform, 429, 434 ff.; Schwab, JuS 2002, 630, 635; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1064, die im Ergebnis aber eine teleologische Reduktion ablehnt; vgl. auch Arnold, ZGS 2003, 427, 433; Kohler, JZ 2002, 1127, 1134. 112 Schwab, JuS 2002, 630, 635; Ernst/Zimmermann/Hager, Schuldrechtsreform, 429, 436. 113 Schwab, JuS 2002, 630, 635; Ernst/Zimmermann/Hager, Schuldrechtsreform, 429, 436. 114 NK-BGB/Hager, § 346 BGB Rn. 50, 59. 115 Kim, Die dogmatische Untersuchung der Privilegierung des gesetzlich zum Rücktritt Berechtigten, 81; NK-BGB/Hager, § 346 BGB Rn. 59. 116 Arnold, ZGS 2003, 427, 434; Perkams, Jura 2003, 150, 153; Roth, FS Canaris, 1131, 1140 f. 117 P/W/W/Medicus, § 346 BGB Rn. 18; Looschelders, Schuldrecht AT, § 42 Rn. 849; Reinicke/Tiedke, Kaufrecht, Rn. 258; Arnold, ZGS 2003, 427, 433; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893; Perkams, Jura 2003, 150, 151; Bockholdt, AcP 206 (2006), 769, 796; Kohler, AcP 206 (2006), 683, 703 f.; Roth, FS Canaris, 1131, 1140 f.; Rheinländer, ZGS 2004, 178, 179 f. 118 Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893; Arnold, ZGS 2003, 427, 433; Perkams, Jura 2003, 150, 152; Roth, FS Canaris, 1131, 1140 f.; Rheinländer, ZGS 2004, 178, 180. 111

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Dennoch wird teilweise eine teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB dahingehend gefordert, dass dem Rücktrittsberechtigten ab Kenntnis des Rücktrittsrechts – über die Haftung für jede Fahrlässigkeit hinaus – auch die Zufallsgefahr auferlegt werden müsse.119 Begründet wird dies damit, dass ein Gleichlauf zwischen dem gesetzlichen Rücktrittsrecht ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund und dem vertraglichen Rücktrittsrecht erzielt werden müsse. Sofern der empfangene Gegenstand nicht auch beim Rücktrittsgegner untergegangen wäre, führe dies dann gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB dazu, dass der Rücktrittsberechtigte – wie beim vertraglichen Rücktrittsrecht – auch für die zufällige Verschlechterung oder den zufälligen Untergang haften müsse.120 Gegen eine solche Zufallshaftung spricht jedoch, dass der Rücktrittsberechtigte andernfalls – zur Vermeidung der Zufallsgefahr – gezwungen wäre, den empfangenen Gegenstand vorschnell zurückzugeben, bevor sich der Rücktrittsgegner bindend mit der Rückabwicklung einverstanden erklärt hat.121 Daneben spricht auch der Vergleich zum Bereicherungsrecht gegen eine Zufallshaftung des Rücktrittsberechtigten, da die verschärfte Bereicherungshaftung ab Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit aus §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB nur zu einer verschuldensabhängigen Haftung nach EBV führt. Eine Haftung für Zufall tritt erst dann ein, wenn sich der Schuldner gemäß §§ 990 Abs. 2, 286, 287 S. 2 BGB in Verzug befindet.122 Schließlich bliebe bei einer Zufallshaftung § 346 Abs. 4 BGB, der lediglich eine Verschuldenshaftung nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 BGB anordnet, unberücksichtigt. Zwar bezieht sich dessen Verweis nach seinem Wortlaut nur auf die Verletzung einer Pflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis im Sinne des § 346 Abs. 1 BGB und damit erst auf die Zeit nach Erklärung des Rücktritts. Da die Verschuldenshaftung die Haftung für Zufall nach § 287 S. 2 allerdings grundsätzlich nicht einschließt, wäre es widersprüchlich, eine schärfere Haftung vor Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses anzunehmen als nach seiner Entstehung.123 Mithin ist eine Zufallshaftung des Rücktrittsberechtigten ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund abzulehnen.

119

Schwab, JuS 2002, 630, 636; Schwab/Witt/Schwab, Examenswissen, 343, 365 f.; HK/ Schulze, § 346 BGB Rn. 16; NK-BGB/Hager, § 346 BGB Rn. 59; Hager, FS Musielak, 195, 202 f.; Linke, Die Rückabwicklung gescheiterter gegenseitiger Verträge, 187 ff.; vgl. auch MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 67, der jedoch nicht von einer teleologischen Reduktion spricht, sondern die Norm von Grund auf für Fälle der Kenntnis und Kennenmüssens des Rücktrittsgrundes für nicht anwendbar hält. 120 Schwab/Witt/Schwab, Examenswissen, S. 343, 366. 121 Döll, Rückgewährstörungen beim Rücktritt, S. 280; Kohler, JZ 2002, 1127, 1135; Roth, FS Canaris, 1131, 1141. 122 Bockholdt, AcP 206 (2006), 769, 795; Arnold, ZGS 2003, 427, 433; Roth, FS Canaris, 1131, 1141. 123 Konzen, FS Canaris, 605, 626.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

b) Teleologische Reduktion ab dem Kennenmüssen des Rücktrittsrechts Nach einem anderen Teil der Lehre soll § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB bereits dann teleologisch zu reduzieren sein, wenn der Rücktrittsberechtigte sein Rücktrittsrecht kennen müsste. Positive Kenntnis wäre demnach nicht erforderlich, sondern es reichte die fahrlässige bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Berechtigten aus, um ihm den Schutz des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB zu versagen.124 Inwieweit ihm der Schutz zu versagen ist, ob dem Rücktrittsberechtigten die Zufallsgefahr auferlegt werden soll125 oder lediglich eine Haftung für jede Fahrlässigkeit begründet wird126, ist auch hier umstritten. In gleicher Weise wie bei den Erwägungen zur teleologischen Reduktion ab Kenntnis des Rücktrittsrechts ist hier jedoch auch jedenfalls eine Haftung für zufällige Verschlechterungen nicht zielführend und deshalb abzulehnen. c) Ablehnung einer teleologischen Reduktion und Lösung über das Schadensersatzrecht Daneben lehnen einige Autoren eine teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB für Fälle, in denen der Rücktrittsberechtigte Kenntnis von seinem Rücktrittsrecht hat, vollkommen ab.127 Eine Einschränkung der eigenüblichen Sorgfalt hin zu einer Haftung für jedes fahrlässige Verhalten oder sogar für Zufall sei weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB zu vereinbaren.128 Die Privilegierung des Rücktrittsberechtigten habe nicht ihren Grund in dessen Unkenntnis vom Rücktrittsgrund, sondern in der objektiven Vertragsverletzung des Rücktrittsgegners.129 Dem Rücktrittsberechtigten nur aufgrund seiner Kenntnis oder seiner fahrlässigen Unkenntnis die Zufallsgefahr auf124

Bei grob fahrlässiger Unkenntnis ansetzend: Oechsler, Schuldrecht, § 2 Rn. 206; Reinking/Eggert, Der Autokauf, Rn. 597; bereits bei fahrlässiger Unkenntnis anknüpfend: Giesen, Gedächtnisschrift Heinze, 233, 235 f.; Henne/Zeller, JuS 2006, 891, 892 f.; Konzen, FS Canaris, 605, 625 f.; Derleder, NJW 2005, 2481, 2484; Gaier, WM 2002, 1, 11; vgl. auch MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 67, der jedoch nicht von einer teleologischen Reduktion spricht, sondern die Norm von Grund auf für Fälle der Kenntnis und Kennenmüssens des Rücktrittsgrundes für nicht anwendbar hält. 125 Hager, FS Musielak, 195, 202; Thier, FS Heldrich, 439, 446; zudem wohl Oechsler, Schuldrecht, § 2 Rn. 206. 126 Giesen, Gedächtnisschrift Heinze, 233, 235 f.; Henne/Zeller, JuS 2006, 891, 892 f.; Konzen, FS Canaris, 605, 625 f.; Derleder, NJW 2005, 2481, 2484 127 Kamanabrou, NJW 2003, 30 f.; Reischl, JuS 2003, 667, 672; Wagner, FS Huber, 591, 618 ff.; Annuß, JA 2006, 184, 188; Schneider, ZGS 2007, 57, 58 f.; Faust, JuS 2009, 481, 486; Bartels, AcP 215 (2015), 203, 233; Iden, Jura 2013, 460, 466; Fest, Der Einfluss der rücktrittsrechtlichen Wertungen auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nichtiger Verträge, 50 ff.; Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 205; jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 73; Erman/ Röthel, § 346 BGB Rn. 29; Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 13 b; Soergel/Lobinger, § 346 BGB Rn. 127, 144; BeckOK BGB/Schmidt, § 346 BGB Rn. 63. 128 Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 13 b; jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 76; Erman/ Röthel, § 346 BGB Rn. 29; Kamanabrou, NJW 2003, 30 f. 129 Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 29; Kamanabrou, NJW 2003, 30, 31.

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zuerlegen, sei als Begründung unzureichend, da für die Verteilung des Zufallsrisikos die Kenntnis vollkommen unerheblich sei130 und vielmehr nur Vertragsverletzungen zur Verschiebung der Zufallsgefahr führen könnten.131 Habe der Rücktrittsgegner aber – wie beim gesetzlichen Rücktrittsrecht – seine Pflichten nicht erfüllt, solle die Gefahr auf ihn zurückspringen.132 Zudem habe sich der Gesetzgeber bewusst – trotz entsprechender Kritik während des Gesetzgebungsverfahrens – gegen eine Differenzierung in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB anhand der Kenntnis des Rücktrittsberechtigten vom Rücktrittsgrund entschieden.133 Allerdings soll der Rücktrittsgegner auch ohne eine teleologische Reduktion nicht vollkommen schutzlos gestellt werden. Deshalb wird überwiegend vertreten, dass diesem gegen den Berechtigten ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 ff. BGB zustehen könne.134 Konkret stehen Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB oder in Verbindung mit einer Schutzpflichtverletzung aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB im Raum.135 Inwieweit das Rückgewährschuldverhältnis oder das Ursprungsvertragsverhältnis als Schuldverhältnis herangezogen werden kann, ob es eines Rückgriffs auf § 241 Abs. 2 BGB bedarf, oder zu welchem Zeitpunkt eine Pflichtverletzung bzw. ein Vertretenmüssen derselben vorliegt, wird nicht einheitlich beurteilt. aa) Das Rückgewährschuldverhältnis als Haftungsgrundlage Überwiegend wird das Rückgewährschuldverhältnis als Haftungsgrundlage herangezogen.136 Begründet wird dies mit § 346 Abs. 4 BGB, der als gesetzliche Klarstellung für Verletzungen einer Pflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis im Sinne des § 346 Abs. 1 BGB eine Haftung nach den allgemeinen Bestimmungen (§§ 280 – 283 BGB) anordne.137 Danach genüge bereits jedes objektiv dem

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jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 76; Annuß, JA 2006, 184, 188. Perkams, Jura 2003, 150, 152. 132 Perkams, Jura 2003, 150, 152. 133 Wolgast, Das reformierte Rücktrittsfolgenrecht vor dem Hintergrund der Entwicklung im deutschen und im französischen Recht, 188 f.; Tetenberg, Jura 2004, 847, 850; Wagner, FS Huber, 591, 618 f. 134 Vgl. etwa MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 69; Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 15; Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 223 ff.; Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 29 ff.; jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 117 ff.; a. A. BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 663, der als Anspruchsgrundlage § 160 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung heranziehen möchte. 135 Vereinzelt wird auch die Anwendung der §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB beim Untergang der Sache vorgeschlagen, bei einer Verschlechterung der Sache hingegen § 280 Abs. 1 BGB, Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 15. 136 Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 15; P/W/W/Stürner/Medicus, § 346 BGB Rn. 26; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 69, Bamberger/Roth/Grothe, § 346 BGB Rn. 58, Jauernig/ Stadler, § 346 BGB Rn. 9. 137 MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 69. 131

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Schuldverhältnis nicht entsprechende Verhalten des Schuldners138, weshalb eine verschlechterte, verspätete oder vollkommen ausbleibende Rückgabe des Leistungsgegenstand eine Pflichtverletzung darstelle.139 Sofern diese Pflichtverletzungsterminologie richtig verstanden werde, könne kein Zweifel daran bestehen, dass auch ein Verhalten des späteren Rückgewährschuldners vor Erklärung des Rücktritts eine Schadensersatzpflicht begründen könne140, da die Rückgabe nur verschlechtert oder überhaupt nicht erfolgen könne, wenn das Rücktrittsrecht ausgeübt werde. Eine Pflichtverletzung wäre demnach bei einer Verschlechterung immer gegeben, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sich der Leistungsgegenstand verschlechtert hat. Sogar eine Verschlechterung vor Kenntnis des Rücktrittsberechtigten von seinem Rücktrittsrecht würde demzufolge eine objektive Pflichtverletzung darstellen. Die entscheidende Abgrenzung nach den Zeitphasen erfolge vielmehr im Rahmen des Vertretenmüssens nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB:141 Vor Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis vom Rücktrittsrecht könne der Rücktrittsberechtigte davon ausgehen, dass die von ihm empfangene Leistung endgültig Teil seines Vermögens geworden sei, so dass ihn keinerlei Verpflichtung zum sorgfältigen Umgang mit der Sache treffe. Deshalb habe er weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit in diesem Zeitraum zu vertreten142, sondern schulde allenfalls Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB.143 Ab Kenntnis144 oder Kennenmüssen145 vom Rücktrittsgrund müsste der Rücktrittsberechtigte allerdings damit rechnen, dass der Vertrag möglicherweise scheitere 138

Begr. RegE zu § 280 Abs. 1 S. 1, BTDrucks. 14/6040, 135; vgl. auch Canaris, JZ 2001, 499, 512; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 69. 139 Meyer, Jura 2011, 244, 246; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 69. 140 Bamberger/Roth/Grothe, § 346 BGB Rn. 58; Jauernig/Stadler, § 346 BGB Rn. 9; NKBGB/Hager, § 346 BGB Rn. 16; Palandt/Grüneberg. § 346 BGB Rn. 15; P/W/W/Stürner/ Medicus, § 346 BGB Rn. 27; Soergel/Lobinger, § 346 BGB Rn. 168; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 70; Canaris, Schuldrechtsreform 2002, XLVI; Hager, FS Musielak, 195, 198; Gaier, WM 2002, 1, 12; Heinrichs, FS Schmidt, 159, 166 ff. 141 Vgl. zur Verortung der Abgrenzung im Rahmen des Vertretenmüssens: Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 43; jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 120; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 71. 142 Teilweise mit dem Kaufvertrag als Haftungsgrundlage, hinsichtlich des Vertretenmüssens besteht jedoch Einigkeit: Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 43; jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 120; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 71; BeckOK BGB/Schmidt, § 346 BGB Rn. 70; vgl. auch Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 228; a. A. OLG Frankfurt, NJOZ 2011, 878, 880, das selbst vor Kenntnis bzw. Kennenmüssen des Rücktrittsrechts eine Vorsatzhaftung bejaht. 143 MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 71. 144 Teilweise allerdings mit dem Kaufvertrag als Haftungsgrundlage, wobei hinsichtlich der Phasenaufteilung allerdings keine Unterschiede bestehen: Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 229; Fest, Der Einfluss der rücktrittsrechtlichen Wirkungen auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nichtiger Verträge, 57 ff.; Arnold, ZGS 2003, 427, 432, 434; Kohler, JZ 2002, 1127, 1133; Kohler, ZGS 2005, 386, 390; Kohler, AcP 206 [2006], 683, 702; Thier,

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und er den empfangenen Leistungsgegenstand zurückgeben müsse und er somit nicht mehr endgültig seinem Vermögen zugeordnet sei. Deshalb treffe ihn ab diesem Zeitpunkt die Sorgfaltspflicht, auf die Vermögensinteressen des Rücktrittsgegners Rücksicht zu nehmen, weshalb er beim Umgang mit der Sache die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 BGB) zu beachten habe.146 Zum Teil wird die Situation zu diesem Zeitpunkt als eine Art Quasi-culpa in contrahendo angesehen, in der sich das Rückgewährschuldverhältnis anbahne und parallel zu § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB Schutz- und Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Vertragspartner entstünden.147 Da bei einer c.i.c. aber eine Haftung für jede Fahrlässigkeit bestehe, müsse bei der hier vergleichbaren Situation der Schuldner auch für jede Fahrlässigkeit einstehen, so dass bereits fahrlässige Unkenntnis vom Rücktrittsgrund für ein Vertretenmüssen des Rücktrittsberechtigten ausreiche.148 Für ein Vertretenmüssen erst ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund spreche hingegen, dass die von §§ 820 Abs. 1 S. 2, 160 Abs. 2 BGB geregelte vergleichbare Situation erst zu einer Schadensersatzpflicht führe, wenn der Rückgewähr- oder Bereicherungsschuldner mit seiner Rückgabeverpflichtung rechnen müsse.149 Der Verweis auf das Bereicherungsrecht des § 327 BGB a. F. sei jedoch infolge der Schuldrechtsmodernisierung gestrichen worden, so dass nun keine Wertungsparallele mehr zu § 820 Abs. 1 S. 2 BGB bestehe.150 Zudem liegt der Vorteil einer Haftung ab Kennenmüssen darin, dass die fahrlässige Unkenntnis im Gegensatz zur tatsächlichen Kenntnis einfacher zu beweisen ist, wodurch sie als Kriterium praktikabler ist.151 Für ein Vertretenmüssen ab Kennenmüssen der Rücktrittsvoraussetzung spricht zusätzlich, dass der unsorgfältige Rücktrittsberechtigte, der infolgedessen erst später Kenntnis von seinem Rücktrittsrecht erlangt, nicht gegenüber dem

FS Heldrich, 439, 447; Bockholdt, AcP 206 [2006], 769, 795 f.; Roth, FS Canaris, 1131, 1140, 1142; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 862 f. 145 Auch hier teilweise mit dem Kaufvertrag als Haftungsgrundlage: Heinrichs, FS Schmidt, 159, 175; Jauernig/Stadler, § 346 BGB Rn. 9; Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 17, 18; Bamberger/Roth/Grothe. § 346 BGB Rn. 59; jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 112; P/W/W/Stürner/Medicus, § 346 BGB Rn. 27; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 71; Meyer, Jura 2011, 244, 249; Faust, JuS 2009, 481. 488. 146 MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 71. 147 Vgl. MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 71; Heinrichs, FS Schmidt, 159, 167 f. 148 Heinrichs, FS Schmidt, 159, 175; Jauernig/Stadler, § 346 BGB Rn. 9; Palandt/ Grüneberg, § 346 BGB Rn. 17, 18; im Ergebnis auch Bamberger/Roth/Grothe. § 346 BGB Rn. 59; jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 120; P/W/W/Stürner/Medicus, § 346 BGB Rn. 27; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 71; Meyer, Jura 2011, 244, 249; Faust, JuS 2009, 481. 488. 149 Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 229; Kohler, JZ 2002, 1127, 1133; Kohler, ZGS 2005, 386, 390; Bockholdt, AcP 206 [2006], 769, 795 f.; Thier, FS Heldrich, 439, 447. 150 BeckOK BGB/Schmidt, § 346 BGB Rn. 71. 151 BeckOK BGB/Schmidt, § 346 BGB Rn. 71.

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Sorgfältigen privilegiert werden sollte.152 Darüber hinaus entspricht es auch der Vorstellung des Gesetzgebers, dass ab Kennenmüssen des Rücktrittsgrunds eine Schadensersatzhaftung des Rücktrittsberechtigten bestehen soll.153 Folglich ist das Abstellen auf die fahrlässige Unkenntnis des Rücktrittsberechtigten sachgerechter. Teilweise wird diese Differenzierung bereits im Rahmen der Pflichtverletzung vorgenommen.154 Praktische Auswirkungen hat dies allerdings lediglich hinsichtlich der Beweispflicht, da bei einer Verortung im Rahmen des Vertretenmüssens der Schuldner sich gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten muss, wohingegen bei einer Verortung innerhalb der Pflichtverletzung dem Gläubiger weiterhin die Beweispflicht obliegt. Durch die Verortung beim Vertretenmüssen wird eine sinnvolle Beweislastverteilung erreicht, da der Kenntnisstand des Rücktrittsberechtigten für die vom Rücktrittsgegner zu beweisende Pflichtverletzung zunächst irrelevant ist und erst im Rahmen des Vertretenmüssens zum Tragen kommt, hinsichtlich dessen der Rückgewährschuldner die Beweislast trägt.155 Was den Haftungsmaßstab angeht, wird vereinzelt die Haftungsprivilegierung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB in analoger Anwendung herangezogen. Demnach solle auch im Rahmen des Schadensersatzanspruchs der Rücktrittsberechtigte bis zur Abgabe der Rücktrittserklärung nicht für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzustehen haben.156 Der Ausschluss der Wertersatzpflicht, der trotz eines schuldhaften Verhaltens des Rücktrittsberechtigten nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB vorgesehen sei, müsse erst recht für den stärkeren Schadensersatzanspruch gelten.157 Zudem verliere der Ausschluss des Wertersatzanspruchs aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ohne eine analoge Anwendung im Rahmen des Vertretenmüssens jede Bedeutung.158 Diese Begründung greift hingegen nicht durch, da der Wertersatzausschluss jedenfalls dann seine volle Wirkung entfaltet, wenn der Rücktrittsberechtigte den Rücktrittsgrund weder kannte noch kennen musste. In diesen Fällen wird der Wertersatzausschluss aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB auch nicht dadurch relativiert, dass man dem Rücktrittsgegner einen Schadensersatzanspruch zugesteht, da dieser jedenfalls an einer zu vertretenden Pflichtverletzung des Rücktrittsberechtigten scheitern wird. 152 Kamanabrou, NJW 2003, 30, 31, die sich allerdings für eine Gleichstellung von grob fahrlässiger Unkenntnis und Kenntnis ausspricht. 153 Vgl. Begr. RegE zu § 346 Abs. 2 S. 1, BTDrucks. 14/6040, 195: „Eine Rechtspflicht zur sorgsamen Behandlung entsteht erst, wenn die Partei weiß oder wissen muss, dass die Rücktrittsvoraussetzungen vorliegen.“. 154 So wohl z. B. BeckOK BGB/Schmidt, § 346 BGB Rn. 71. 155 jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 118. 156 Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 18; Heinrichs, FS Schmidt, 159, 178; Kohler, AcP 206 (2006), 683, 701. 157 Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 18; NK-BGB/Hager, § 346 BGB Rn. 69 f.; Hager, FS Musielak, 195, 202; Bamberger/Roth/Grothe, § 346 BGB Rn. 60; Arnold, ZGS 2003, 427, 433; Rheinländer, ZGS 2004, 178, 181. 158 Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 18.

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Schließlich spricht gegen eine analoge Anwendung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB auch, dass sich eine uneingeschränkte Anwendung der Norm im Rahmen des Wertersatzanspruchs nur dadurch rechtfertigen lässt, dass man dem Rücktrittsgegner einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB (i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Aussicht stellt. Denn von seiner ratio her ist § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB grundsätzlich auf Fälle zugeschnitten, in denen der Rücktrittsberechtigte den Rücktrittsgrund weder kannte noch kennen musste und deshalb mit der Sache umgehen konnte, als würde er sie endgültig behalten.159 Unterlässt man jedoch eine Differenzierung anhand des Kenntnisstands des Rücktrittsberechtigten innerhalb der Norm selbst und wendet sie zugleich noch analog im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs an, wird die ratio der Norm außer Acht gelassen. Auf eine Differenzierung nach dem Kenntnisstand im Rahmen des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB kann deshalb nur dann verzichtet werden, wenn zugleich keine analoge Anwendung im Rahmen eines Schadensersatzanspruches erfolgt.160 Es gilt somit der allgemeine Haftungsmaßstab des § 276 Abs. 1 BGB ohne eine Privilegierung für die diligentia quam in suis.161 Ab Erklärung des Rücktritts ist hingegen eindeutig nach allen Auffassungen eine Schadensersatzpflicht auf Grundlage des Rückgewährschuldverhältnisses aus § 346 Abs. 1 BGB über den Verweis in § 346 Abs. 4 BGB möglich, da den Zurücktretenden in diesem Stadium in jedem Fall Sorgfaltspflichten bezüglich des Umgangs mit der Sache treffen.162 Ist die Leistung dem Rückgewährschuldner, etwa infolge eines Diebstahls oder einer Zerstörung der Sache, vollständig unmöglich geworden, kommt ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB in Betracht.163 Bei einer reparablen Beschädigung sind hingegen für einen Schadensersatzanspruch die §§ 280 Abs. 1, 3, 281 als einschlägige Anspruchsgrundlage heranzuziehen.164 Hierbei ist dem Rückgewährschuldner – sofern der Schaden behoben werden kann – eine angemessene Nachfrist zur Reparatur zu setzen.165 bb) Der ursprüngliche Kaufvertrag als Haftungsgrundlage Nach anderer, durchaus verbreiteter Auffassung ist hingegen nicht das Rückgewährschuldverhältnis als Haftungsgrundlage heranzuziehen, sondern das ur159

jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 121. jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 121; Faust, JuS 2009, 481, 489; vgl. BTDrucks. 14/6040, 195; BTDrucks. 14/7052, 193 f. 161 So im Ergebnis auch Kamanabrou, NJW 2003, 30, 31; Soergel/Lobinger, § 346 BGB Rn. 161; Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 235; MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 72; BeckOK BGB/Schmidt, § 346 BGB Rn. 73; Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 44. 162 Vgl. z. B. Canaris, Schuldrechtsreform 2002 S. XLV; Kaiser; JZ 2001, 1057, 1062; Gaier, WM 2002, 1, 12. 163 Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 284; vgl. zum behaupteten Diebstahl im Rahmen der Wertersatzpflicht des § 357 Abs. 7 BGB, Höhne, Das Widerrufsrecht bei Kaufverträgen im Spannungsverhältnis von Opportunismus und Effektivität. 164 BGHZ 178, 182. 165 Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 285. 160

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sprüngliche Vertragsverhältnis, das sich mit Erklärung des Rücktritts ex nunc in das Rückgewährschuldverhältnis umwandelt.166 Hierbei wird es sich in der Regel um einen Kaufvertrag handeln. Zur Begründung wird vorgetragen, dass man § 346 Abs. 4 BGB nichts für eine Schadensersatzpflicht vor Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses entnehmen könne, sondern dieser vielmehr eine „Verletzung einer Pflicht aus Abs. 1“ verlange, was insbesondere den Verstoß gegen die Pflicht zur Rückgewähr des Leistungsgegenstandes aus § 346 Abs. 1 BGB meine. Eine solche Rückgewährpflicht entstehe aber erst mit der Rücktrittserklärung und nicht schon durch die bloße Kenntnis bzw. die fahrlässige Unkenntnis, dass eine solche Pflicht entstehen könne.167 Allein an die verschlechterte Herausgabe des Leistungsgegenstands nach Erklärung des Rücktritts könne nicht angeknüpft werden, da sich die Rückgabepflicht aus § 346 Abs. 1 BGB durch eine Veränderung im Sinne des § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB inhaltlich dahingehend modifiziere, dass in Fällen der Veräußerung, der Verarbeitung, der Umgestaltung oder des Untergangs von vornherein keine Rückgabepflicht bestehe. In Fällen der Belastung oder Verschlechterung hingegen beschränke sich die Pflicht zur Herausgabe auf den Gegenstand in seinem Zustand, den dieser bei Erklärung des Rücktritts hatte.168 Demnach sei der Rückgewährschuldner nicht zur Rückgewähr oder Herausgabe des Leistungsgegenstands in unversehrtem Zustand verpflichtet und verletzte deshalb auch keine Pflicht i. S. v. § 346 Abs. 1 BGB, wenn er diesen nicht mehr oder nur in verschlechtertem Zustand herausgeben könne.169 Des Weiteren würde die Annahme einer darüber hinausgehenden vorgreiflichen Rückgewährpflicht das differenzierte Wertungsmodell des § 346 Abs. 2 und Abs. 3 BGB unterlaufen und verfälschen.170 Deshalb könne nur auf vorgreifliche Rücksichtnahmepflichten aus dem ursprünglichen Vertragsverhältnis zurückgegriffen werden, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB auslösen könne.171 Schuldverhältnis sei der Kaufvertrag. Als Pflichtverletzung käme eine 166 Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 226; jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 117; Erman/ Röthel, § 346 BGB Rn. 41; Annuß, JA 2006, 184, 188. 167 Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 225, wobei diese nur auf die Kenntnis vom Rücktrittsrecht abstellt und nicht auf die fahrlässige Unkenntnis hiervon; Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 40; jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 117; Annuß, JA 2006, 184, 188; Schneider, ZGS 2007, 57, 59 f. 168 jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 117. 169 Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 40; jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 117; Staudinger/ Kaiser, § 346 BGB Rn. 225. 170 Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 40. 171 Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 226; jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 117; Erman/ Röthel, § 346 BGB Rn. 41; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, 269 ff.; Annuß, JA 2006, 184, 188.

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Schutzpflichtverletzung im Sinne einer vorgreiflichen Rücksichtnahmepflichtverletzung jedenfalls dann in Betracht, wenn das Rücktrittsrecht bereits entstanden sei, da ab diesem Zeitpunkt das Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses im Sinne des § 346 Abs. 1 BGB nur noch von der Erklärung des Rücktritts abhänge. Denn jedenfalls ab diesem Zeitpunkt müsse jede Partei auf das Interesse der Gegenpartei, im Fall der Rücktrittserklärung die erbrachte Leistung und etwaige Früchte ungeschmälert zurückzuerhalten, Rücksicht nehmen.172 Demnach entstehe die Rücksichtnahmepflicht regelmäßig mit dem Leistungsaustausch, wenn etwa ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart worden oder die geleistete Sache mangelhaft gewesen sei.173 Im Rahmen der Rücksichtnahmepflicht sei jedoch zu beachten, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch des erhaltenen Gegenstands vor Rücktrittserklärung keinesfalls pflichtwidrig sei, da § 347 Abs. 1 BGB die Parteien gerade dazu verpflichte, die empfangenen Leistungen entsprechend den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu nutzen.174 Folglich führt nach dieser Ansicht jede Verschlechterung des Leistungsgegenstands oder der vollständige Untergang außerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs zu einer Schutzpflichtverletzung im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB. Diese weite Ausdehnung der Rücksichtnahmepflicht wird im Ergebnis wiederum durch Einschränkungen beim anzulegenden Sorgfaltsmaßstab korrigiert. Im Rahmen des hierfür relevanten Vertretenmüssens kann auf das oben Gesagte175 verwiesen werden, so dass ab fahrlässiger Unkenntnis des Rücktrittsberechtigten von seinem Rücktrittsgrund eine Haftung für jede Fahrlässigkeit bestünde, während ein Vertretenmüssen vor einem Kennenmüssen des Rücktrittsgrundes stets ausscheiden würde. Tatsächlich spricht der Wortlaut des § 346 Abs. 4 BGB gegen eine Heranziehung des Rückgewährschuldverhältnisses als Haftungsgrundlage, da sich dieses allenfalls anbahnt, aber eben noch nicht zur Entstehung gelangt ist. Schon aus diesem Grund 172

jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 118; Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 42. Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 42; Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 228, die allerdings davon ausgeht, dass die Rücksichtnahmepflicht zunächst durch das auf Erfüllung gezielte Vertragsprogramm, das auf die endgültige Verschaffung von Eigentum gerichtet ist, überlagert wird und deshalb bis zu dem Zeitpunkt aufgeschoben ist und erst dann zu einer echten Rechtspflicht erstarkt, wenn der Rücktrittsberechtigte weiß, dass es zur Rückgewähr kommen kann. Wobei auch hier nicht vollkommen klar ist, ob die Kenntnis bereits für die Pflichtverletzung entscheidend ist, oder, ob dies erst beim Vertretenmüssen relevant wird. Denn Kaiser spricht zunächst von der Entstehung der Rechtspflicht, zitiert dann aber in den Fußnoten abweichende Meinungen, die für das Vertretenmüssen auf das Kennenmüssen abstellen. 174 Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 43; jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 119; wie weit dieser bestimmungsgemäße Gebrauch geht, ist allerdings umstritten. Überwiegend wird angenommen, der Rücktrittsberechtigte dürfe die Sache, auch wenn es dem Vertragszweck entspreche, nicht verbrauchen, weiterveräußern oder verarbeiten: Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 232; Soergel/Lobinger, § 346 BGB Rn. 178; Heinrichs, FS Schmidt, 159, 173; a. A.: Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 43; jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 119. 175 Siehe Kap. 3 § 3 A. II. 1. c) aa). 173

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

erscheint die Lösung über die vorgreifliche Rücksichtnahmepflicht aus dem Kaufvertrag vorzugswürdig. Entscheidend gegen die überwiegende Meinung und die Heranziehung des Rückgewährschuldverhältnisses spricht jedoch, dass sie bei konsequenter Anwendung nicht zu einem Schadensersatz neben der Leistung, sondern zu einem Schadensersatz statt der Leistung führen müsste. Der Verstoß gegen eine von Anfang an bestehende Rückgewährpflicht wäre eigentlich bei einer behebbaren Verschlechterung nur über §§ 346 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB ersatzfähig.176 Dies wiederum hätte zur Folge, dass der Rückgewährgläubiger dem Rücktrittsberechtigten zunächst erfolglos eine Nachfrist zur Beseitigung der Verschlechterung setzen müsste. Wie oben gezeigt, wird in diesen Fällen allerdings nur ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB als Schadensersatz neben der Leistung in Betracht gezogen.177 Ebenso verhält es sich bei unbehebbaren Verschlechterungen oder dem Untergang des Leistungsgegenstandes: Diese wären normalerweise nur über einen Schadensersatzanspruch aus §§ 346 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 283 BGB bzw. wegen anfänglicher Unmöglichkeit eigentlich nur über den nicht anwendbaren § 311 a Abs. 2 BGB ersatzfähig. Gleichwohl sollen diese Schäden auch hier nach § 280 Abs. 1 BGB als Schadensersatz neben der Leistung erstattet werden.178 Dies führt dazu, dass letztlich nur die Lösung über eine vorgreifliche Rücksichtnahmepflicht aus dem Kaufvertrag dogmatisch stringent zu einem Schadensersatz neben der Leistung führen kann. Infolgedessen sind die §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB mit dem ursprünglichen Vertragsverhältnis als Haftungsgrundlage und daraus abgeleiteten vorgreiflichen Rücksichtnahmepflichten die einschlägige Anspruchsgrundlage, wenn es um den Ersatz einer Verschlechterung oder gar Zerstörung des Leistungsgegenstandes vor Erklärung des Rücktritts geht, und der Rücktrittsberechtigte zumindest fahrlässige Unkenntnis vom Rücktrittsgrund hatte. 2. Folgen für die Beurteilung der Sachlage im Widerrufsfolgenrecht Aus der vergleichbaren Sachlage beim Rücktritt179 lassen sich Erkenntnisse für die Pflichtverletzung und das Vertretenmüssen im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs des Unternehmers gegen den Verbraucher aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ge176

Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 225. Vgl. oben Kap. 3 § 3 A. II. 1. c); vgl. auch Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 225, die anmerkt, dass auf die Beseitigung der Beeinträchtigung nur im Rahmen der Rechtsfolge des Schadensersatzanspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB eingegangen wird. 178 Anders nur Palandt/Grüneberg, § 346 BGB Rn. 15, der beim Untergang der Sache §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB für anwendbar hält, bei der Verschlechterung hingegen auch inkonsequenterweise nur § 280 Abs. 1 BGB. 179 Vgl. hierzu Kap. 3 § 2 E. III., § 3 A. I.; zudem besteht mit der absoluten Ausschlussfrist von zwölf Monaten und 14 Tagen in §§ 356 Abs. 3 S. 2, 356a Abs. 4 S. 2, § 356b Abs. 2 S. 3, § 356c Abs. 2 S. 2, 356d S. 2, 356e S. 2 BGB eine mit der Unwirksamkeit des Rücktritts gemäß § 218 BGB vergleichbare Regelung. 177

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winnen, sofern sich der Leistungsgegenstand in der Hand des Verbrauchers verschlechtert und dieser Kenntnis vom Widerrufsrecht besitzt. Zunächst stellt sich die Frage, ob in dem unsorgfältigen Umgang mit der Ware eine Schutzpflichtverletzung gesehen werden kann, weil der Verbraucher während der Schwebezeit, solange der Widerruf möglich ist, auf die schutzwürdigen Interessen des Unternehmers nicht ausreichend Rücksicht nimmt, obwohl er Kenntnis vom Widerrufsrecht hat. Überträgt man die Überlegungen aus dem Rücktrittsfolgenrecht auf das ähnlich gelagerte Widerrufsfolgenrecht, kommt mit Entstehung des Widerrufsrechts aus dem Kaufvertrag eine vorgreifliche Rücksichtnahmepflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB in Frage. Im Unterschied zum gesetzlichen Rücktrittsrecht bei einer mangelhaften Sache im Sinne der §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB entsteht das Widerrufsrecht jedoch bereits mit Vertragsschluss und nicht erst mit dem Leistungsaustausch. Eine Verletzung einer vorgreiflichen Rücksichtnahmepflicht scheidet allerdings vor Erhalt der Leistung aus180, so dass auch hier für den Beginn der Rücksichtnahmepflicht der Erhalt der Ware maßgeblich ist. In Anlehnung an die zum Rücktrittsfolgenrecht entwickelten Ansätze kann somit von einer vorgreiflichen Rücksichtnahmepflicht des Verbrauchers ab Erhalt der Ware ausgegangen werden. Diese verpflichtet ihn, mit der nach der Widerrufserklärung erneut dem Unternehmer zugewiesenen Sache in dessen Interesse sorgfältig umzugehen. In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die Frage nach der Reichweite dieser Rücksichtnahmepflicht. Beim Rücktritt stellt der bestimmungsgemäße Gebrauch der Sache vor Erklärung des Rücktritts grundsätzlich keine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht dar. Der Grund hierfür liegt darin, dass § 347 Abs. 1 BGB die Parteien dazu verpflichtet, die empfangenen Leistungen entsprechend den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu nutzen.181 Eine Wertersatzpflicht für entgegen der ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht gezogenen Nutzungen existiert hingegen im Widerrufsfolgenrecht nicht. Die Wertersatzpflicht aus § 357 Abs. 7 BGB beschränkt sich nur auf den Wertverlust an der Ware selbst, so dass gezogene Nutzungen nicht

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Die objektive Rücksichtnahmepflicht hat bereits beim Rücktritt ihren inneren Grund darin, dass dem Rückgewährschuldner die Möglichkeit zur Einwirkung auf die später zurückzugewährende Leistung eingeräumt wird, vgl. Erman/Röthel, § 346 BGB Rn. 42, der auch § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Vergleich heranzieht. Diese Möglichkeit ist dem Verbraucher vor Erhalt der Ware verwehrt, so dass der innere Grund für eine vorgreifliche Rücksichtnahmepflicht fehlt. Infolgedessen ist eine vorgreifliche Rücksichtnahmepflicht erst ab Erhalt der Ware und nicht bereits mit Entstehung des Widerrufsrechts anzunehmen. Sofern man davon ausgeht, dass diese Rücksichtnahmepflicht zunächst durch das auf Erfüllung gerichtete Vertragsprogramm überlagert und damit aufgeschoben wird, bis der Verbraucher Kenntnis vom Widerrufsrecht erlangt, ergeben sich hieraus im Ergebnis keine Unterschiede, da – wie gezeigt – eine Pflichtverletzung des Verbrauchers vor Kenntnis vom Widerrufsrecht von diesem nicht zu vertreten ist; vgl. zu dieser Betrachtungsweise beim Rücktritt Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 228 und oben Fn. 142. 181 Vgl. oben Kap. 3 § 3 A. II. 1. c) bb).

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

per se zu ersetzen sind182 und damit erst recht keine Wertersatzpflicht für nicht gezogene Nutzungen bestehen kann. Deshalb lässt sich die Ausnahme von der Rücksichtnahmepflicht für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nicht mit einer zu § 347 Abs. 1 BGB vergleichbaren Begründung auf das Widerrufsfolgenrecht übertragen. Allerdings bietet sich eine andere Ausnahme von der Rücksichtnahmepflichtverletzung an, die bereits im Widerrufsfolgenrecht in § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB verankert ist. Demnach kommt eine Wertersatzpflicht selbst bei erfolgter Belehrung nicht in Betracht, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware notwendig war. Dies könnte man übertragen, so dass keine Pflichtverletzung vorliegt, wenn die Verschlechterung oder der Untergang auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen sind, der zur Prüfung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften oder ihrer Funktionsweise notwendig war. Zwar sind die Wertersatz- und die Schadensersatzpflicht grundsätzlich voneinander unabhängig, und § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB verpflichtet den Verbraucher auch nicht zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften oder der Funktionsweise wie § 347 Abs. 1 BGB den Rücktrittsschuldner verpflichtet, die empfangene Leistung entsprechend den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu nutzen. Gleichwohl bringt § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass der Verbraucher nicht für ein Verhalten haften soll, das lediglich der Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise einer Sache dient.183 Denn primär dient der explizit für das Widerrufsrecht geschaffene Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB dem Ersatz von Wertverlusten der Sache. Erst wenn dieser nicht einschlägig ist oder ein Schaden über den Wertverlust hinaus entstanden ist, kommt es überhaupt auf einen Schadensersatzanspruch an. Wenn allerdings der gesetzgeberische Wille für das zu sanktionierende Verhalten im Widerrufsfolgenrecht in § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB ebenso wie in § 347 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommt, muss dieses auch im Rahmen der Pflichtverletzung im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB berücksichtigt werden. Deshalb erscheint es interessengerecht, eine Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht zu verneinen, wenn die Verschlechterung oder der Untergang der Ware auf ein Verhalten zurückzuführen sind, das lediglich der Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der erhaltenen Ware diente.

182 BeckOGK/Mörsdorf, § 357 BGB Rn. 49; Erman/Koch, § 361 BGB Rn. 1; P/W/W/ Stürner, § 361 BGB Rn. 18; Artz/Brinkmann/Ludwigkeit, jM 2014, 222, 225 f.; Föhlisch/ Dyakova, MMR 2013, 71, 75; Hilbig-Lugani, ZJS 2013, 545, 549; Janal, WM 2012, 2314, 2321; Leier, VuR 2013, 457, 459. 183 Vgl. auch die unionsrechtliche Umsetzungsgrundlage in Art. 14 Abs. 2 VRRL: „Der Verbraucher haftet für einen etwaigen Wertverlust nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist.[…]“.

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Für unseren Beispielsfall bedeutet dies, dass in der exzessiven Spielweise und der anschließenden irreparablen Beschädigung des Badmintonschlägers eine vorgreifliche Rücksichtnahmepflichtverletzung aus dem Kaufvertrag zu sehen ist. Das ausgiebige Spielen und der anschließende Kontrollverlust, bei dem der Schläger gegen die Wand prallte, stellt auch keinen Umgang mit dem Schläger dar, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise notwendig war, so dass auch die Wertung des § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB keine andere Sichtweise rechtfertigt. Folglich hat A als Verbraucher eine Schutzpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Darüber hinaus müsste der Verbraucher diese Pflichtverletzung aber auch gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 zu vertreten haben. Grundsätzlich hat dieser gemäß § 276 Abs. 1 BGB Fahrlässigkeit und Vorsatz zu vertreten. Fraglich ist insoweit, wann der Widerrufsberechtigte fahrlässig handelt und damit die Verletzung der Rücksichtnahmepflicht zu vertreten hat. Insoweit kann eine Orientierung anhand des bereits zum Rücktrittsfolgenrecht entwickelten Drei-Phasenmodells erfolgen. Demnach hat der Rücktrittsschuldner vor Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis seines Rücktrittsrechts die Verschlechterung bzw. den Untergang des Leistungsgegenstands in keinem Fall zu vertreten. Der Grund dafür liegt darin, dass er, ohne fahrlässig zu handeln, darauf vertrauen darf, dass die empfangene Leistung endgültig Teil seines Vermögens geworden ist und ihn somit keinerlei Verpflichtung zum sorgfältigen Umgang mit der Sache trifft. In der Phase vor Kenntnis des Widerrufsrechts ist die Interessenlage (wie bereits dargelegt wurde184) dieselbe: Auch hier geht der Verbraucher von der Endgültigkeit des Erwerbs der Sache aus, darf auf diesen vertrauen und dementsprechend nach § 903 S. 1 BGB mit der Ware nach seinem Belieben verfahren.185 Deshalb ist jedenfalls vor fahrlässiger Unkenntnis vom Widerrufsrecht ein Vertretenmüssen für jegliche Verschlechterung oder den Untergang der erhaltenen Sache zu verneinen. Fraglich ist jedoch, ob – wie beim Rücktrittsrecht – die zweite Phase bereits ab fahrlässiger Unkenntnis vom Widerrufsrecht eintreten soll oder erst ab Kenntnis. Für einen Beginn der zweiten Phase ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht spricht, dass die Unkenntnis des Verbrauchers – anders als beim Rücktritt – auf der Verletzung einer echten Rechtspflicht seitens des Unternehmers, nämlich seiner Belehrungspflicht, beruht. Schließlich ist der Unternehmer gesetzlich verpflichtet, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu informieren. Eine dahin gerichtete Pflicht des Rücktrittsgegners beim Rücktritt besteht hingegen nicht. Weder muss er die andere Partei generell über die Möglichkeit eines gesetzlichen Rücktrittsrechts informieren noch muss er einen ihm unbekannten Mangel als Rücktrittsgrundlage 184

Vgl. hierzu oben Kap. 3 § 3 A. I. Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1850 verortet die Problematik im Rahmen der Pflichtverletzung, allerdings auch in Anlehnung an die zum Rücktrittsfolgenrecht entwickelten Ansätze. Hierbei verkennen diese allerdings, dass es auch hier, sofern sich damit auseinandergesetzt wurde, die Phasenunterteilung überwiegend im Rahmen des Vertretenmüssens erfolgt. Dies ist angesichts der sinnvolleren Beweislastverteilung auch gerechtfertigt. 185

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

offenlegen. Der Verbraucher handelt auch nicht sorgfaltswidrig, wenn er sich nicht über ein bestehendes Widerrufsrecht selbstständig informiert, so dass auch keine Privilegierung gegenüber einem „sorgfältigen“, sich informierenden Verbraucher besteht, da eine dahingehende Sorgfaltsanforderung nicht existiert. Vielmehr obliegt die Erfüllung der Informationspflicht allein dem Unternehmer. Dagegen könnte man die neu eingeführte absolute Ausschlussfrist beim Widerruf von außerhalb von Geschäftsräumen und von im Fernabsatz geschlossenen Verträgen gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB anführen. Hiernach erlischt das Widerrufsrecht trotz fehlender oder mangelhafter Belehrung spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem „eigentlichen“ Beginn der Frist, die greifen würde, wenn ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Sinn und Zweck dieser Regelung ist allerdings nicht die Sanktionierung des Verbrauchers für eine unterlassene Selbstinformierung, sondern die Verhinderung eines ewig möglichen Widerrufs und damit die Schaffung von Rechtssicherheit.186 Auch die hier ebenso mit der c.i.c. vergleichbare Lage ändert an dieser Beurteilung nichts. Demnach haftet der Widerrufsberechtigte grundsätzlich nach dem allgemeinen Haftungsmaßstab des § 276 Abs. 1 BGB für jede Fahrlässigkeit. Allerdings besteht keine Sorgfaltspflicht, sich über ein bestehendes Widerrufsrecht zu informieren, so dass auch bei fahrlässiger Unkenntnis kein Sorgfaltsverstoß vorhanden ist, an den ein Vertretenmüssen des Verbrauchers angeknüpft werden könnte. Eine Vorverlagerung hin zum Kennenmüssen des Widerrufsrechts ist damit nicht möglich. Mithin ist im Widerrufsfolgenrecht allein die positive Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht für den Übergang in die zweite Phase maßgeblich.187 Vor dieser Kenntnis hat der Verbraucher eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht grundsätzlich nicht zu vertreten. Ab Kenntnis des Widerrufsrechts haftet der Verbraucher hingegen grundsätzlich für jede fahrlässige Verschlechterung des Gegenstands. Hierbei kann ihm auch nach den allgemeinen Regeln das Vertretenmüssen eines Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zugerechnet werden, falls sich der Verbraucher dieser Person zur Erfüllung seiner vorgreiflichen Rücksichtnahmepflichten bedient. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn er einen Dritten mit der Obhut über die Sache beauftragt oder wenn er einem Dritten einen Einfluss auf den Leistungsgegenstand einräumt, indem er ihm zum Beispiel die Benutzung oder den Umgang mit der Sache ermöglicht.188 Sofern also im Beispielsfall A den Schläger nach Kenntnis vom Widerrufsrecht einem Badmintonkollegen zum Spielen ausgeliehen hätte und dieser den Schläger dabei zumindest fahrlässig beschädigt, wäre 186

Vgl. BT-Drucks. 17/12637, 72 und Erwägungsgrund 43 VRRL. So im Ergebnis auch Singbartl/Henke, EWS 2017, 213, 216, allerdings bereits als Anforderung an die Pflichtverletzung, wobei dieser nur darauf abstellt, dass aufgrund des Widerrufsrechts als Verbraucherschutzrecht hohe Anforderungen an eine den Verbraucher benachteiligende Pflicht zu stellen seien. 188 Vgl. zur Anwendung des § 278 BGB im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB im Rücktrittsfolgenrecht ab Kenntnis des Rückgewährschuldners, Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 236. 187

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dessen Vertretenmüssen dem A gemäß § 278 BGB und die Verletzung der Rücksichtnahmepflicht analog § 278 BGB189 zuzurechnen. Vorliegend hatte A Kenntnis vom Widerrufsrecht, so dass er sich in der zweiten Phase befand, als er den Schläger fahrlässig und irreparabel beschädigte; damit hat er die Verletzung der Rücksichtnahmepflicht auch gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 BGB zu vertreten. Als nächstes stellt sich die Frage nach der Reichweite des Schadensersatzanspruchs. Zu beachten ist zunächst, dass ein Schaden infolge einer Verletzung der Rücksichtnahmepflicht grundsätzlich erst mit Erklärung des Widerrufs entstehen kann, da zuvor das Rückgewährschuldverhältnis noch nicht zur Entstehung gelangt ist.190 Es gelten zunächst die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB. Bei einer reparablen Verschlechterung kommt demnach eine Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB in Betracht: Der Unternehmer kann somit grundsätzlich die Reparatur der beschädigten Sache verlangen. Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Unternehmer die Wahl, statt der Reparatur auch den hierzu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Allerdings muss hierbei auch die Wertung des § 357 Abs. 7 BGB berücksichtigt werden. Die Wertersatzpflicht kann nämlich vom Verbraucher dadurch abgewendet werden, dass er den Wert der Sache durch Reparatur wiederherstellt, sofern dies möglich ist.191 Zudem kann er bei einer Beschädigung nach Rücktrittserklärung einen Schadensersatzanspruch des Unternehmers aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB dadurch abwenden, indem er die Verschlechterung innerhalb der ihm gesetzten Frist beseitigt. Sofern allerdings an eine Beschädigung vor Entstehung der Rückgewährpflicht strengere Anforderungen geknüpft würden als an eine Beschädigung danach, erschiene dies wertungswidersprüchlich.192 Darüber hinaus ist die Ratio des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB für die Versagung einer Erfüllung in natura in Fällen der Beschädigung der Ware vor Ausübung des Widerrufsrechts nicht einschlägig: Diese geht nämlich davon aus, dass sich eine dem Geschädigten zugewiesene Sache durch ein Verhalten des Schädigers verschlechtert. In diesem Fall ist es dem Schadensersatzberechtigten nicht zuzumuten, dem Schädiger erneut die Einwirkung auf die Sache zu gestatten.193 In Fällen der Beschädigung des Gegenstands vor Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses ist der Leistungsgegenstand allerdings dem schädigenden Verbraucher zugeordnet, da der ge189 Es besteht Einigkeit darüber, dass § 278 BGB über seinen Wortlaut hinaus nicht nur die Zurechnung des reinen Vertretenmüssens regelt, sondern auch die Zurechnung der Pflichtverletzung. Hierbei wird jedoch teilweise § 278 BGB direkt und teilweise § 278 BGB analog angewendet. vgl. BeckOK/Schaub, § 278 BGB Rn. 16; MüKo BGB/Grundmann, § 278 BGB Rn. 50; Lorenz, JuS 2007, 983, 984. 190 Vgl. zur Entstehung des Schadens im Rahmen der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB im Rücktrittsfolgenrecht, jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 122. 191 Vgl. auch zur Wertersatzpflicht nach § 346 Abs. 2 jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 64. 192 Vgl. zur selben Thematik beim Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB im Rücktrittsfolgenrecht, jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 124. 193 Vgl. BGH NJW 2018, 1746, 1748; MüKo BGB/Oetker, § 249 BGB Rn. 357.

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schädigte Unternehmer in diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Rückübereignung der Ware hat.194 Damit ist die Position des Unternehmers schwächer ausgestaltet als in den Fällen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB, in denen ihm vom Gesetz eine Beseitigungspflicht durch den Verbraucher innerhalb der Nachfrist zugemutet wird.195 Deshalb muss dies a maiore ad minus auch im Rahmen von Verletzungen von vorgreiflichen Rücksichtnahmepflichten gelten, so dass dem Verbraucher insoweit ein Wahlrecht zusteht, ob er die Forderung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrags durch eine Beseitigung in Natur abwenden möchte oder es dabei belassen will.196 Umsetzen ließe sich dieses Wahlrecht dogmatisch etwa über § 242 BGB, mit der Folge, dass der Anspruch auf Schadensersatz wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen wäre, wenn der Verbraucher die Beseitigung des Schadens in natura anbietet.197 Im Beispielsfall geht es jedoch um eine irreparable Beschädigung des Badmintonschlägers, so dass nur ein Ersatz des Wertverlustes in Betracht kommt. Folglich liegt ein Anspruch des Unternehmers gegen den Verbraucher aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB dem Grunde nach vor. Alternativ könnte man – der überwiegenden Meinung beim Rücktrittsrecht entsprechend198 – über einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB mit dem Rückgewährschuldverhältnis infolge des Widerrufs als Haftungsgrundlage nachdenken. Pflichtverletzung wäre hier nach dem objektiven Pflichtverletzungsbegriff die Rückgabe der Ware in verschlechtertem Zustand bzw. die unmöglich gewordene Rückgabe wegen vollständigen Untergangs der Ware. Die Ausführungen zum Vertretenmüssen und zum Schaden würden parallel zu den obigen Ausführungen zum Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB verlaufen. Allerdings ist beim Rückgriff auf das Rückgewährschuldverhältnis im Widerrufsfolgenrecht zu beachten, dass – anders als im Rücktrittsfolgenrecht – kein dem § 346 Abs. 4 BGB entsprechender Verweis auf die §§ 280 ff. BGB existiert. Zwar ist dieser Verweis grundsätzlich nur deklaratorischer Natur, dennoch dient er als Argumentationsgrundlage, um das Rückgewährschuldverhältnis als Schuldverhältnis heranzuziehen.199 Andererseits ist fraglich, ob man – wie teilweise beim Rücktritt vertreten200 – auch beim Rückgewährschuldverhältnis im Sinne des § 355 Abs. 3 S. 1 BGB davon ausgehen kann, dass die Wertersatzpflicht des § 357 Abs. 7 BGB dieses inhaltlich dahingehend modifiziert, dass von vornherein nur die Rückgabe der Ware im aktuellen Zustand geschuldet sei. Anders als in § 346 Abs. 2 BGB spricht nämlich 194

Vgl. auch hier zum Rücktrittsfolgenrecht, Vgl. auch hier zum Rücktrittsfolgenrecht, 196 Vgl. auch hier zum Rücktrittsfolgenrecht, Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 238. 197 Vgl. auch hier zum Rücktrittsfolgenrecht, 198 Siehe oben Kap. 3 § 3 A. II. 1. c) aa). 199 Vgl. oben Kap. 3 § 3 A. II. 1. c) aa). 200 Vgl. oben Kap. 3 § 3 A. II. 1. c) bb). 195

jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 124. jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 124. jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 124; jurisPK-BGB/Faust, § 346 BGB Rn. 124.

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§ 357 Abs. 7 BGB nicht davon, dass „statt der Rückgewähr oder der Herausgabe der Schuldner Wertersatz zu leisten“ hat, sondern lediglich davon, dass „der Verbraucher Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten“ hat. Allerdings treten hier erneut die dogmatischen Unstimmigkeiten in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Schadensersatz neben und Schadensersatz statt der Leistung auf. Es handelt sich beim Rückgewährschuldverhältnis als Haftungsgrundlage um einen Schadensersatz statt der Leistung. Im Falle der reparablen Verschlechterung müsste der Unternehmer einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB geltend machen, wohingegen er in Fällen des Untergangs der Ware auf einen Schadensersatzanspruch wegen anfänglicher Unmöglichkeit aus dem nicht anwendbaren §§ 311 a Abs. 2 BGB verwiesen wäre. Auch in diesem Kontext wäre es wieder deplatziert, wenn sich aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB die Notwendigkeit einer Fristsetzung ableiten würde. Deshalb empfiehlt es sich, dem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB mit dem Kaufvertrag als Schuldverhältnis den Vorzug einzuräumen. Nachdem aufgezeigt wurde, dass sich ein Anspruch auf Schadensersatz grundsätzlich aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ableiten lässt, stellt sich die entscheidende Frage, ob dieser Anspruch durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird. Anders als bei einer Beschädigung der Ware durch den Verbraucher vor dessen Kenntnis vom Widerrufsrecht könnte § 361 Abs. 1 BGB nunmehr nicht nur deklaratorische, sondern konstitutive Bedeutung zukommen. Im Ergebnis ist man sich einig, dass § 361 Abs. 1 BGB den vorliegenden Schadensersatzanspruch ausschließt, was noch in einem eigenen Abschnitt ausführlicher dargelegt werden wird.201 Denn es steht zunächst außer Frage, dass es sich bei dem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB um einen Anspruch handelt, der nicht aus dem Untertitel des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen stammt. Darüber hinaus handelt es sich auch um einen Anspruch, der „infolge des Widerrufs“ besteht. Denn wie sich im nächsten Abschnitt zeigen wird, ist das Tatbestandsmerkmal unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundlage in Art. 14 Abs. 5 VRRL dahingehend auszulegen, dass Schadensersatzansprüche unter anderem erfasst sind, wenn sie auf einen Ersatz des Wertverlustes der Ware gerichtet sind.202 201

Vgl. zum Meinungsstand die Diskussion unten Kap. 3 § 3 A. IV. 3. a); neuerdings abweichend zur Vorauflage nur MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6; § 357 BGB Rn. 35, der ohne nähere Begründung davon ausgeht, dass bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung Schadensersatzansprüche in Betracht kommen würden, wenn der Verbraucher über seine Verpflichtung zum Wertersatz unterrichtet worden sei und die eigenübliche Sorgfalt bei dem Umgang mit der Sache nicht gewahrt habe. Im vorliegenden Fall wurde jedoch der Verbraucher nicht zur Verpflichtung über den Wertersatz unterrichtet, so dass sich auch nach dieser Auffassung nichts anderes ergibt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nach aktueller Rechtslage eine Verpflichtung zur Unterrichtung über die Wertersatzpflicht gerade nicht mehr gefordert wird und deshalb in der Praxis auch kaum vorkommen wird. Ferner ist auch nicht ersichtlich, weshalb an eine eigenübliche Sorgfalt angeknüpft werden sollte. Auch eine derartige Anknüpfung hat sich mit der Änderung der Rechtslage zum 13.06.2014 erledigt und entbehrt sich jeder Grundlage. 202 Siehe hierzu unten Kap. 3 § 3 A. IV. 1.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Ein Anspruch aus § 826 BGB käme in Betracht, wenn der Verbraucher den Leistungsgegenstand nach Kenntnis vom Widerrufsrecht vorsätzlich zerstört, um daraufhin den Widerruf zu erklären und den Unternehmer so vorsätzlich sittenwidrig zu schädigen. Allerdings wird sich auch hier zeigen, dass dieser Anspruch nach dem Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB ebenfalls gesperrt ist, da er erst mit Ausübung des Widerrufsrechts203 entsteht, weil der Unternehmer andernfalls keinen Schaden erleidet. Sofern man § 361 Abs. 1 BGB konsequent anwendet, führt dies im Ergebnis also dazu, dass der Unternehmer auch Beschädigungen nach Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht entschädigungslos hinzunehmen hat, sofern er den Verbraucher nicht oder nicht fehlerfrei belehrt hat. III. Die Sachlage nach Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher (Phase 3) Zu guter Letzt gibt es noch die Möglichkeit, dass der Verbraucher die empfangene Ware nach Erklärung des Widerrufs beschädigt oder zerstört. Anders als in den vorherigen Fallkonstellationen existiert nach Erklärung des Widerrufs keine einheitliche Anspruchsgrundlage. Vielmehr ist die einschlägige Anspruchsgrundlage davon abhängig, ob es sich um eine reparable Beschädigung oder eine irreparable Beschädigung bzw. eine Zerstörung der Ware handelt. Je nachdem kommt entweder ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB oder aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB in Betracht. Zur Veranschaulichung dient die folgende Abwandlung des Ausgangsfalls: Nach wenigen Wochen verliert A die Lust am Badmintonsport und möchte am liebsten sein Geld zurück. Er erinnert sich an das Gespräch mit seinem Freund über das Widerrufsrecht und widerruft den Vertrag innerhalb der Widerrufsfrist (mangels Belehrung zwölf Monate und 14 Tage) gegenüber B. Er möchte allerdings vor der Rücksendung noch ein letztes Turnier im Fitnessstudio bestreiten. Hierbei reißen die Saiten des Badmintonschlägers, was bei einer starken Belastung wie einem Turnierspiel regelmäßig geschieht. Die ursprüngliche Originalbespannung kann allerdings nachbestellt werden und bei fachgerechter Reparatur die Wertminderung beheben. Der Verbraucher informiert den Unternehmer per E-Mail über die gerissenen Saiten und fragt nach, ob er den Schläger trotzdem einfach zurückschicken soll. Der Unternehmer gibt ihm daraufhin eine Woche Zeit, den Schläger neu zu bespannen und an ihn zurückzuschicken. A weigert sich jedoch und schickt den Schläger nach Ablauf der Nachfrist an B zurück.

203 Vgl. zu diesem entscheidenden Merkmal im Rahmen der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL unten Kap. 3 § 3 A. IV. 1.

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Auch in dieser Fallkonstellation scheidet eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers aus § 357 Abs. 7 BGB – wie im Ausgangsfall und der ersten Abwandlung – aufgrund der fehlenden Belehrung durch den Unternehmer aus. Es kommt jedoch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB in Betracht. Das zu Grunde liegende Schuldverhältnis bildet das Rückabwicklungsschuldverhältnis infolge der wirksamen Erklärung des Widerrufs. Zusätzlich müsste A als qualifizierte Pflichtverletzung im Sinne des § 281 BGB die Leistung trotz fälliger, möglicher und durchsetzbarer Leistungspflicht nicht wie geschuldet erbracht haben. Dazu müsste es sich bei der unversehrten Rückübereignung der empfangenen Ware seitens des Verbrauchers um eine Leistungspflicht aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB handeln. Teilweise wird davon ausgegangen, dass es sich bei der unversehrten Rückübereignung einer sich nach Erklärung des Widerrufs verschlechternden Sache um eine Schutzpflicht handelt und somit §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als einschlägige Anspruchsgrundlage dienen.204 Bei einer Zerstörung der Ware sollen hingegen die §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB die richtige Anspruchsgrundlage darstellen.205 Um eine Schutzpflicht würde es sich jedoch nur dann handeln, wenn die Pflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB nur auf eine Rückgabe der empfangenen Leistung im Zustand des Rückgabezeitpunkts abzielt. Allerdings herrscht beim Rückgewährschuldverhältnis infolge des Rücktritts die allgemeine Auffassung, dass nach Erklärung des Rücktritts bei Beschädigungen des Leistungsgegenstands eine Leistungspflichtverletzung und damit ein Schadensersatz statt der Leistung im Sinne der §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB vorliegt.206 Nach ihrem Wortlaut, der auf die Herausgabe „empfangener Leistungen“ gerichtet ist, unterscheiden sich § 346 Abs. 1 BGB und die für den Widerruf maßgebliche Vorschrift des § 355 Abs. 3 S. 1 BGB aber nicht. Für eine unterschiedliche Auslegung dieser identischen Begriffe ist nichts ersichtlich. Die Literatur äußert sich überwiegend nicht dazu, in welchem Zustand der empfangene Leistungsgegenstand zurückzugewähren ist. Sofern Autoren hierzu Stellung beziehen, gehen sie davon aus, dass der Verbraucher die empfangenen Leistungen im Rahmen einer Stückschuld so zurückzugewähren hat, wie sie erbracht worden sind.207 Dies spricht dafür, dass es sich bei der unversehrten Rückgewähr des Leistungsgegenstands um eine Leistungspflicht und nicht um eine bloße Schutzpflicht handelt. Darüber hinaus wäre es inkonsequent, bei einer Zerstörung der Ware von einer Leistungspflichtverletzung und einem Schadensersatzanspruch wegen Unmöglichkeit aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB auszugehen, bei einer (reparablen) Beschädigung 204

Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1851; vgl. auch unten Kap. 3 § 3 A. IV. 3. a). Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1851. 206 Selbst jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 116. 124, der davon ausgeht, dass das Rückgewährschuldverhältnis inhaltlich durch die Wertersatzpflicht des § 346 Abs. 2 BGB modifiziert wird; vgl. auch Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 284. 207 jurisPK/Hönninger, § 355 BGB Rn. 67. 205

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

hingegen von einem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Vielmehr muss es sich sowohl bei der Beschädigung als auch bei der Zerstörung um eine Leistungspflichtverletzung handeln, so dass §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in der Phase nach Erklärung des Widerrufs als Anspruchsgrundlage ausscheidet. Folglich besteht eine Leistungspflicht des Verbrauchers zur unversehrten Rückübereignung des empfangenen Leistungsgegenstands.208 Diese ist auch fällig sowie bei der vorliegend reparablen Beschädigung möglich und durchsetzbar. Überdies müsste der Unternehmer B dem A eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt haben. Dies ist vorliegend geschehen, indem er dem Verbraucher eine Woche Zeit gab, um den Schläger erneut mit den Originalsaiten zu bespannen. Ferner müsste der Verbraucher die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben, §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 BGB. Mit der Widerrufserklärung ist der Verbraucher grundsätzlich verpflichtet, den Gebrauch der Ware einzustellen, da nun feststeht, dass der Leistungsgegenstand wirtschaftlich nicht mehr zum Schuldnervermögen gehört.209 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Nutzung zum Erhalt der Sache oder zur Schadensminderung erforderlich ist.210 Mit der Weiterbenutzung für das Turnier nach Erklärung des Widerrufs und der anschließenden Beschädigung handelte A somit zumindest fahrlässig und hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Weiterhin müsste B noch Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 4 BGB verlangen und es müsste ihm ein Schaden entstanden sein. Durch die gerissenen Saiten hat der Badmintonschläger eine Wertminderung erlitten, wodurch dem Unternehmer ein Schaden in Höhe der Wertminderung entstanden ist. Dem Grunde nach liegt ein Schadensersatzanspruch des Unternehmers aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB vor. Dieser könnte jedoch nach § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein. Ob dies der Fall ist, ist entscheidend von der Auslegung des Merkmals „infolge des Widerrufs“ abhängig. Wie dieses Tatbestandsmerkmal auszulegen ist und ob hiervon Schadensersatzansprüche wegen Beschädigungen oder Zerstörungen nach Erklärung des Widerrufs erfasst sind, wird im nächsten Abschnitt, der sich allein mit der Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB beschäftigt, ausführlich erläutert. Im Ergebnis wird sich zeigen, dass nach der hier vertretenen Ansicht auch derartige Schadensersatzansprüche von der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB erfasst sind. Daneben käme ein Anspruch aus § 826 BGB in Betracht, wenn der Verbraucher den Leistungsgegenstand nach Erklärung des Widerrufs vorsätzlich zerstört, um den Unternehmer vorsätzlich sittenwidrig zu schädigen. Ob der Anspruch grundsätzlich von § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird, richtet sich – wie ebenfalls noch zu zeigen sein wird – nach seinem Anspruchsziel. Sofern es, wie in dem vorliegenden 208

Rn. 5. 209

Im Ergebnis auch auf §§ 280 Abs. 1, 281 BGB abstellend: P/W/W/Stürner, § 361 BGB

Vgl. oben Kap. 3 § 1 B. II. Vgl. zum Rücktritt, MüKo BGB/Gaier, § 346 BGB Rn. 75; Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 286. 210

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Fall, nur um den Ersatz des Wertverlustes der Ware geht, wird der Anspruch von § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Sofern durch die Beschädigung der Ware dem Unternehmer weitere Schäden entstehen, kann der Anspruch trotz der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB erhalten bleiben.211 Wird die Ware demgegenüber nicht reparabel, sondern irreparabel beschädigt oder zerstört, scheidet ein Anspruch auf Ersatz des Wertverlusts aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB bereits tatbestandlich aus. Ein solcher Fall läge zum Beispiel vor, wenn die gerissenen Saiten nicht durch Originalsaiten, sondern nur durch Ersatzsaiten ausgetauscht werden können und hiermit eine Wertminderung verbunden ist. In diesem Fall kommt aber grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB in Betracht. Als Schuldverhältnis dient vorliegend das Rückabwicklungsschuldverhältnis infolge der Erklärung des Widerrufs. Darüber hinaus müsste eine qualifizierte Pflichtverletzung im Sinne des § 283 BGB vorliegen. Demnach müsste A von seiner Leistungspflicht gemäß § 275 Abs. 1 bis 3 BGB befreit sein. Vorliegend könnte dem A die Erfüllung der Pflicht zur unversehrten Rückübereignung des Badmintonschlägers aus §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB unmöglich geworden sein. Indem die ursprüngliche Originalbespannung gerissen ist, ist der geschuldete Leistungserfolg der Rückübereignung der Ware in unversehrtem Zustand für ihn dauerhaft nicht erbringbar. Gleiches würde für den Fall der vollkommenen Zerstörung des Badmintonschlägers gelten. Folglich liegt eine Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB vor, so dass eine qualifizierte Pflichtverletzung im Sinne des § 283 BGB seitens des Verbrauchers gegeben ist. Diese müsste A auch zu vertreten haben, §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 BGB. Indem er mit dem Badmintonschläger spielte, obwohl er den Gebrauch einzustellen hatte, und dessen Originalsaite hierdurch riss, handelte er zumindest fahrlässig und hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Überdies ist dem Unternehmer auch ein Schaden in Höhe der Wertminderung des Schlägers entstanden. Somit besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Unternehmers aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB auf Ersatz des Wertverlustes gegen den Verbraucher. Im nächsten Abschnitt wird sich jedoch zeigen, dass dieser Anspruch – in gleicher Weise wie der Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB bei reparablen Beschädigungen – durch § 361 Abs. 1 BGB gesperrt wird. IV. Auslegung der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB Für die im Mittelpunkt der Arbeit stehende Thematik stellt sich nunmehr die zentrale Frage, inwieweit die zuvor skizzierten Ansprüche durch § 361 Abs. 1 BGB tatsächlich ausgeschlossen werden. Hierbei erfolgt zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB und sodann die Entwicklung einer allgemeinen Lösung zur Bestimmung der Reichweite der Ausschlusswirkung in Bezug auf andere Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher. 211

Vgl. unten Kap. 3 § 3 A. IV. 3. b); Kap. 3 § 3 A. IV. 3. c).

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Zu Beginn stellt sich die Frage, ob § 361 Abs. 1 BGB den Anspruch des Unternehmers aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB von seinem Wortlaut her ausschließt. Dass es sich bei dem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB um einen Anspruch handelt, der nicht aus dem Untertitel des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen stammt, ist unproblematisch. Nähere Betrachtung bedarf jedoch, ob es sich um einen Anspruch „infolge des Widerrufs“ handelt. Die im Untertitel geregelten Ansprüche aus §§ 355 Abs. 1 S. 1, 357 Abs. 7 BGB regeln alle Ansprüche infolge der Ausübung des Widerrufsrechts: § 355 Abs. 1 S. 1 BGB regelt die Rückgewährpflicht der empfangenen Leistung, § 357 Abs. 7 BGB regelt die Wertersatzpflicht, wenn die Sache nach Ausübung des Widerrufsrechts nur verschlechtert zurückgegeben werden kann. Deshalb kann zunächst davon ausgegangen werden, dass § 361 Abs. 1 BGB jedenfalls solche Ansprüche erfasst, die infolge der Ausübung des Widerrufsrechts entstehen. 1. Die Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL Art. 14 Abs. 5 VRRL spricht als Umsetzungsgrundlage davon, dass der Verbraucher „aufgrund der Ausübung seines Widerrufsrechts“ nicht in Anspruch genommen werden kann, sofern in Art. 13 Abs. 2 VRRL und Art. 14 VRRL nichts anderes vorgesehen ist. Der Wortlaut „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ bedarf einer autonom europarechtlichen Auslegung. Denn hierunter könnte entweder die komplette Phase der Abwicklung des Widerrufs, d. h. sowohl die Erklärung des Widerrufs als auch das Stadium der Rücksendung der Ware verstanden werden, oder nur der Zeitraum bis zur Erklärung des Widerrufs. Auswirkungen hätte dies darauf, ob man Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis, die nach Erklärung des Widerrufs (Phase 3) entstehen, auch als Ansprüche „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ auffasst und damit zunächst einmal als von der Ausschlusswirkung erfasst ansieht. Würde man zum gegenteiligen Ergebnis gelangen, so wären Ansprüche, die in der Abwicklungsphase entstehen, grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Des Öfteren wird in der Literatur ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass unter dem Begriff „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ nur die Phase bis zur Erklärung des Widerrufs (innerhalb der Widerrufsfrist) verstanden werden könne.212 Obwohl diese Auslegung dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, ist sie nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Vielmehr ist eine nähere Betrachtung der Richtlinie und der Verwendung der Terminologie in ihren verschiedenen Kontexten erforderlich. Zu Beginn der Analyse empfiehlt sich ein Blick in andere Sprachfassungen der Richtlinie. Die englische Sprachfassung verwendet als Äquivalent zur deutschen 212 So BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11; MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 4, die beide davon ausgehen, dass Ansprüche, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, den Verbraucher nicht mehr vom Widerruf abhalten können und deshalb nicht „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ im Sinne des Art. 14 Abs. 5 VRRL bestünden.

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Sprachfassung „as a consequence of the exercise of the right of withdrawal“. Da hier „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ oder „infolge der Ausübung des Widerrufsrechts“ die treffendsten Übersetzungen darstellen, lassen sich aus der englischen Fassung des Art. 14 Abs. 5 VRRL keine weiteren Erkenntnisse ableiten. Die französische Sprachfassung spricht von „du fait de l’exercice du droit de rétractation“. Auch dies lässt sich am besten mit „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ übersetzen, so dass sich aus einem Vergleich dieser beiden Sprachfassungen des Art. 14 Abs. 5 VRRL für die Auslegung des Begriffs „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ keine weitere Präzisierung folgt. Möglicherweise lassen sich jedoch aus der Verwendung derselben Formulierung in anderen Vorschriften der Richtlinie weitere Hinweise für ihre Auslegung finden. Der Begriff der „Ausübung des Widerrufsrechts“ wird an verschiedenen Stellen in der Richtlinie verwendet. Überwiegend wird er, dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend, als reine Erklärung des Widerrufs verstanden. Dies ist aber in den jeweiligen Zusammenhängen oftmals zwingend, da sich die betreffenden Vorschriften nur mit der Ausübung des Widerrufs selbst beschäftigen. Hierfür lassen sich beispielhaft die Art. 11 und 12 VRRL anführen.213 Art. 11 VRRL trägt den Titel „Ausübung des Widerrufsrechts“ und befasst sich in seinen unterschiedlichen Absätzen ausschließlich mit der fristgerechten Erklärung des Widerrufs und einer Pflicht des Unternehmers zur Bestätigung des Empfangs bei einer elektronischen Erklärung des Widerrufs und der damit insgesamt verbundenen Beweislast für die Ausübung des Widerrufsrechts. Unter dem Titel „Wirkungen des Widerrufs“ stellt Art. 12 VRRL klar, dass mit der „Ausübung des Widerrufsrechts“ die Verpflichtungen der Vertragsparteien zur Erfüllung bzw. zum Abschluss des Ursprungsvertrags, sofern der Verbraucher dazu ein Angebot abgegeben hat, enden. In diesen beiden Kontexten erfasst die „Ausübung des Widerrufsrechts“ nur die Erklärung des Widerrufs innerhalb der Widerrufsfrist, die dann zu der entsprechenden Rechtsfolge führt. Es existieren aber auch Vorschriften in der Richtlinie, in denen der Begriff weiter verstanden wird oder es nicht eindeutig ist, ob er in dem jeweiligen Kontext nur die Erklärung des Widerrufs erfasst oder darüber hinaus den gesamten Prozess der Abwicklung des Widerrufs. 213 Weitere Beispiele für dieses Verständnis finden sich in Erwägungsgrund 40 und 44 VRRL oder in Art. 6 Abs. 1 lit. h VRRL, der die Informationspflicht des Unternehmers zu Art. 11 VRRL statuiert. Gleiches gilt für Art. 6 Abs. 1 lit. j VRRL, der von der Ausübung des Widerrufsrechts im Zusammenhang mit der Informationspflicht hinsichtlich Art. 14 Abs. 3 VRRL spricht. Zudem geht auch Erwägungsgrund 50 VRRL von dieser Deutung aus. Nach diesem soll der Verbraucher auf der einen Seite sein Widerrufsrecht auch dann ausüben können, wenn er die Erbringung von Dienstleistungen vor Ende der Widerrufsfrist gewünscht hat. Auf der anderen Seite soll der Unternehmer sichergehen können, dass er für die von ihm erbrachte Leistung angemessen bezahlt wird, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt. Hierbei wird offensichtlich davon ausgegangen, dass die „Ausübung des Widerrufsrechts“ von der Zahlung des angemessenen Betrags an den Unternehmer – also einem Teil der Rückabwicklung – getrennt ist.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Als Beispiel für eine Norm, die beide Deutungsmöglichkeiten zulässt, kann Art. 14 Abs. 3 VRRL herangezogen werden. Hiernach zahlt der Verbraucher dem Unternehmer einen Betrag, der verhältnismäßig dem entspricht, was bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher den Unternehmer von der Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet hat, im Vergleich zum Gesamtumfang der vertraglich vereinbarten Leistungen geleistet worden ist, wenn der Verbraucher das Widerrufsrecht ausübt, nachdem er eine Belieferung mit Wasser, Gas oder Strom bereits innerhalb der Widerrufsfrist verlangt hat. Im ersten Teil wird davon ausgegangen, dass der Verbraucher den Unternehmer von der „Ausübung des Widerrufsrechts“ unterrichten muss. Wenn der Verbraucher den Unternehmer aber von der „Ausübung des Widerrufsrechts“ erst unterrichten muss, kann mit der Unterrichtung allein, die die Erklärung des Widerrufs darstellt, das Verfahren der „Ausübung des Widerrufsrechts“ noch nicht vollständig abgeschlossen sein. Das spricht für eine Auslegung der Terminologie dahingehend, dass neben der Erklärung des Widerrufs auch die Rückabwicklung des Vertrags mitumfasst ist. Andererseits wird zwischen der Zahlung des angemessenen Betrags an den Unternehmer – also einem Teil der Rückabwicklung – und der „Ausübung des Widerrufsrechts“ getrennt, was wiederum für die Auslegung als reine Erklärung des Widerrufs spricht. Ein eindeutigeres, großzügigeres Verständnis der „Ausübung des Widerrufsrechts“ findet sich im Kontext des Art. 15 Abs. 1 VRRL. Hier wird unter dem Titel „Wirkungen der Ausübung des Widerrufsrechts auf akzessorische Verträge“ davon gesprochen, dass alle akzessorischen Verträge automatisch beendet werden, wenn der Verbraucher sein Recht auf Widerruf eines im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags gemäß den Artikeln 9 bis 14 dieser Richtlinie „ausübt“. Eine „Ausübung des Widerrufsrechts“ beschränkt sich somit in dem vorliegenden Kontext nicht nur auf die reine Erklärung des Widerrufs im Sinne der Art. 11 und 12 VRRL, sondern umfasst auch das Stadium der Rückabwicklung der empfangenen Leistungen. Denn diese werden in Art. 13 Abs. 1 VRRL und Art. 14 Abs. 1 VRRL geregelt. Darüber hinaus umfasst die „Ausübung des Widerrufsrechts“ auch den Ausgleich eines Wertverlustes der Ware im Sinne des Art. 14 Abs. 2 VRRL. Eine darauf gerichtete Wertersatzpflicht des Verbrauchers kann jedoch auch noch nach Erklärung des Widerrufs entstehen, wenn die Ware einen Wertverlust nach der Erklärung des Widerrufs erleidet, bevor sie an den Unternehmer zurückgegeben wurde.214 Infolgedessen versteht Art. 15 Abs. 1 VRRL in seinem Kontext unter der „Ausübung des Widerrufsrechts“ neben der Erklärung des Widerrufs auch die vollständige Rückabwicklung des Vertrags, einschließlich eines etwaigen Wertverlustausgleichs. Darüber hinaus existiert ein weiteres Beispiel für eine im konkreten Kontext weit zu verstehende „Ausübung des Widerrufsrechts“ in Erwägungsgrund 48 Satz 2 VRRL. Nach diesem sollte der Verbraucher verpflichtet sein, die Ware spätestens 214

§ 1 B.

Vgl. hierzu das allgemeine Kapitel zu der Wertersatzpflicht des Verbrauchers, Kap. 3

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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14 Tage nach dem Tag zurückzusenden, an dem er den Unternehmer über seinen Widerruf informiert hat. Erfülle der Unternehmer oder der Verbraucher die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts nicht, so sollten Sanktionen, die gemäß dieser Richtlinie in innerstaatlichen Vorschriften festgelegt seien, sowie vertragsrechtliche Bestimmungen zur Anwendung gelangen. Es geht hier vorliegend um Verpflichtungen „im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts“. Hingegen spricht Erwägungsgrund 48 Satz 2 VRRL nicht davon, dass Verpflichtungen „nach“ Ausübung des Widerrufsrechts nicht erfüllt werden. Durch die Verwendung der Terminologie „im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts“ kommt diese der in Art. 14 Abs. 5 VRRL gewählten Formulierung „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ von allen Kontexten in der Richtlinie am nächsten. Allerdings ist „im Zusammenhang“ nach dem allgemeinen Sprachverständnis weiter auszulegen als „aufgrund“. Die englische Sprachfassung spricht hier von „obligations relating to the exercise of the right of withdrawal”, was der deutschen Wortwahl entspricht. Im französischen Richtlinientext ist die Sprache von „obligations liées à l’exercice du droit de rétractation“. Eine exakte Übersetzung wäre: Verpflichtungen, die mit der Ausübung des Widerrufsrechts verbunden sind, wobei auch dies sinngemäß der deutschen Richtlinienfassung entspricht. Im Rahmen der offen gewählten Formulierung der Verpflichtungen „im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts“ liegt es nahe, hierunter auch Ansprüche zu fassen, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen. Dies gebietet auch der Sinn und Zweck des Erwägungsgrundes: Denn über die Anwendung der allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungen soll zum Beispiel die Gewährung von Verzugsschadensersatz weiterhin möglich sein.215 Grund dafür ist, dass weder die VRRL noch die umgesetzten §§ 355 – 361 BGB etwas hinsichtlich eines Verzögerungsschadens regeln, so dass das System in diesem Bereich durch innerstaatliches Vertragsrecht ergänzungsbedürftig sein kann. Das innerstaatliche Recht bleibt ausweislich Art. 3 Abs. 5 VRRL außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie unberührt. Andernfalls existiert keine Sanktion für den Verbraucher, wenn er die Ware nicht – wie von Art. 14 Abs. 1 UAbs. 1 VRRL und §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB gefordert – spätestens nach 14 Tagen zurückgewährt. Eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers schafft hier keine Sanktion, sofern die Ware keinen Wertverlust durch eine verspätete Rückgabe erleidet, so dass nur ein Verzugsschadensersatz als Sanktionsmöglichkeit in Betracht kommt. Dies wird einerseits durch Erwägungsgrund 48 VRRL und andererseits durch Art. 24 Abs. 1 VRRL ermöglicht, der eine wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionierung von Verstößen gegen die aufgrund der Richtlinie erlassenen Vorschriften fordert. Ein Anspruch auf Ersatz eines Verzögerungsschadens entsteht jedoch naturgemäß erst dann, wenn sich der Schuldner mit der Rückgewähr der empfangenen Leistung in 215 Vgl. zu dieser allgemeinen Meinung oben Kap. 3 § 2 D. sowie unten Kap. 3 § 3 A. IV. 3. a).

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Verzug befindet. Dies kann nicht bereits gleichzeitig mit Entstehung des Rückgewähranspruchs infolge der Erklärung des Widerrufs der Fall sein, sondern erst nach Ablauf von 14 Tagen ab Zugang der Widerrufserklärung beim Unternehmer. Ein Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens entsteht somit immer erst nach Erklärung des Widerrufs, so dass unter Verpflichtungen „im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts“ insbesondere auch Ansprüche zu verstehen sind, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen. Der Erwägungsgrund erlaubt jedoch keinen automatischen Umkehrschluss für Art. 14 Abs. 5 VRRL mit der Folge, dass grundsätzlich alle Ansprüche, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, von der Sperrwirkung des Art. 14 Abs. 5 VRRL auszunehmen sind. Zwar sollen nach dem Erwägungsgrund 48 Satz 2 VRRL vertragsrechtliche Bestimmungen zur Anwendung gelangen, wenn der Verbraucher oder der Unternehmer die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts nicht erfüllen. Allerdings steht dieser zunächst in einem Zusammenhang mit Satz 1 des Erwägungsgrundes, der insbesondere auch die Frist zur Rückgabe der empfangenen Leistungen regelt, so dass die Ausnahme der Sperrwirkung hinsichtlich eines Anspruchs auf Ersatz des Verzugsschadens naheliegend ist. Sofern Erwägungsgrund 48 Satz 2 VRRL jedoch davon ausgeht, dass innerstaatliches Vertragsrecht Anwendung findet, wenn die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts nicht erfüllt werden, kann dies nur für Bereiche angenommen werden, die nicht von der Richtlinie selbst geregelt werden. Eine solche Regelung der Richtlinie findet sich allerdings in Bezug auf Verschlechterungen oder die Zerstörung der Ware. Denn für diese Fälle sieht Art. 14 Abs. 2 VRRL und auch § 357 Abs. 7 BGB lediglich die Kompensation durch eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers vor. Diese konkurriert bei einer Verschlechterung oder Zerstörung der Ware unmittelbar mit einem allgemeinen Schadensersatzanspruch und wurde durch das teilweise geforderte Vertretenmüssen des Verbrauchers216 diesem immer weiter angeglichen. Dennoch fordert der Wertersatzanspruch eine ordnungsgemäße Belehrung seitens des Unternehmers, bei deren Ausbleiben nach dem Sinn und Zweck des Art. 14 Abs. 2 VRRL nicht einfach auf den allgemeinen Schadensersatzanspruch zurückgegriffen werden kann. Dieses Beispiel zeigt, dass Erwägungsgrund 48 Satz 2 VRRL die Anwendbarkeit innervertraglichen Rechts nicht für alle, sondern nur für ergänzungsbedürftige Bereiche eröffnen kann. Deshalb kann kein allgemeiner Umkehrschluss aus der Aussage des Erwägungsgrundes für die Auslegung des Art. 14 Abs. 5 VRRL gezogen werden. Ob Art. 14 Abs. 5 VRRL somit grundsätzlich Ansprüche sperrt, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, bleibt weiterhin offen. Eine zu Art. 14 Abs. 5 VRRL identische Formulierung „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ existiert somit in keiner anderen Vorschrift der Richtlinie. Es hat sich gezeigt, dass aufgrund des unterschiedlichen Kontextes, in dem der Begriff 216

Vgl. hierzu oben Kap. 3 § 1 B. II.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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„Ausübung des Widerrufsrechts“ in anderen Vorschriften verwendet wird, kein eindeutiges Ergebnis für die Auslegung in Art. 14 Abs. 5 VRRL erzielt werden kann, sondern der Begriff jeweils abhängig von seinem Kontext weiter oder enger verstanden wird. Aus diesem Grund ist eine korrekte Auslegung der Begrifflichkeit „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ im Sinne des Art. 14 Abs. 5 VRRL nur im Kontext der Norm selbst zu erreichen. Art. 14 Abs. 5 VRRL geht nach seinem Wortlaut „Sofern in Artikel 13 Absatz 2 und in diesem Artikel nichts anderes vorgesehen ist, […]“ davon aus, dass der Zahlungsanspruch des Unternehmers für höhere Lieferkosten als die einer Standardlieferung aus Art. 13 Abs. 2 VRRL bzw. die darum geminderte Rückzahlungspflicht des Unternehmers sowie der Rückgewähranspruch aus Art. 14 Abs. 1 VRRL als auch der Wertersatzanspruch gemäß Art. 14 Abs. 2 VRRL Ansprüche sind, die „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ bestehen und andere Ansprüche ausgeschlossen sind. Der Rückgewähranspruch des Unternehmers entsteht unmittelbar mit der Widerrufserklärung durch den Verbraucher. Ebenfalls wird der Rückgewähranspruch des Verbrauchers unmittelbar mit Erklärung des Widerrufs um die Mehrkosten einer Sonderlieferung gekürzt, bzw. es entsteht bei einer Zahlung auf Rechnung ein dahin gerichteter Zahlungsanspruch des Unternehmers. Ein Wertersatzanspruch kann jedoch auch noch nach Erklärung des Widerrufs entstehen, wenn die Ware erst in diesem Zeitraum einen Wertverlust erleidet.217 Art. 14 Abs. 2 VRRL stellt nur auf die Haftung für einen Wertverlust ab und differenziert nicht danach, ob dieser vor oder nach Erklärung des Widerrufs eingetreten ist. Allerdings geht auch in diesem Fall Art. 14 Abs. 5 VRRL davon aus, dass dieser Anspruch „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ besteht. Es gilt somit auch in dem Zeitraum nach Erklärung des Widerrufs der Sinn und Zweck der Schaffung eines der Vollharmonisierung entsprechenden, abgeschlossenen Systems in den Art. 13 Abs. 2 VRRL und Art. 14 VRRL, so dass grundsätzlich auch andere in diesem Zeitraum entstehende, konkurrierende Ansprüche als vom Ausschluss des Art. 14 Abs. 5 VRRL erfasst angesehen werden müssen. 2. Einschränkende Auslegung des Art. 14 Abs. 5 VRRL unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 48 Satz 2 VRRL Der Ausschluss des Art. 14 Abs. 5 VRRL gilt allerdings nicht für alle Ansprüche, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen. Unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 48 Satz 2 VRRL ist Art. 14 Abs. 5 VRRL für bestimmte Ansprüche einschränkend auszulegen. Ein naheliegendes Beispiel für eine solche Einschränkung der Sperrwirkung existiert mit dem weiterhin möglichen Anspruch auf Ersatz eines Verzögerungsschadens.

217 Vgl. hierzu bereits die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit eines Wertersatzanspruchs für Wertverluste der Ware nach Erklärung des Widerrufs, Kap. 3 § 1 B. II.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Ob Art. 14 Abs. 5 VRRL im Einzelfall einschränkend auszulegen ist, hängt entscheidend von dem Regelungsbereich der Richtlinie ab. Außerhalb ihres Regelungsbereichs kann das vollharmonisierende System der Richtlinie ergänzungsbedürftig sein und deshalb das mitgliedstaatliche Vertragsrecht herangezogen werden. Eine solche Regelungslücke besteht etwa für den Fall der Weiterveräußerung der Ware. Die Richtlinie regelt nur den Fall, in dem die Ware einen Wertverlust erleidet. Hat die Ware allerdings keinen Wertverlust erlitten, sondern befindet sie sich in unbeschädigtem Zustand im Eigentum eines Dritten, hält die Richtlinie keine Lösung für einen Interessenausgleich bereit. Hier wird die Anwendung des innerstaatlichen Vertragsrechts über ein Zusammenspiel des Art. 3 Abs. 5 VRRL und der Berücksichtigung des Erwägungsgrunds 48 Satz 2 VRRL im Rahmen des Art. 14 Abs. 5 VRRL ermöglicht. In Betracht kämen somit Schadensersatzansprüche oder auch ein Anspruch auf Herausgabe des Surrogats. Eine ausführliche Analyse dieser Problematik erfolgt an späterer Stelle.218 Sofern allerdings die Richtlinie mit der Wertersatzpflicht in Art. 14 Abs. 2 VRRL eine entsprechende Materie abschließend regelt und besondere Voraussetzungen an den Ersatz von Beschädigungen oder der Zerstörung der Ware knüpft, können diese nicht über einen entsprechenden mitgliedstaatlichen Schadensersatzanspruch umgangen werden. Deshalb können Schadensersatzansprüche, die auf einem Wertverlust der Ware beruhen und somit in direkter Konkurrenz zum Wertersatzanspruch aus Art. 14 Abs. 2 VRRL stehen, nicht unter Rückgriff auf Erwägungsgrund 48 VRRL von dem Anwendungsbereich der Sperrwirkung des Art. 14 Abs. 5 VRRL ausgenommen werden. Deshalb sind nach Sinn und Zweck der Vorschrift zunächst einmal auch alle Ansprüche wegen Beschädigung oder Zerstörung der Ware ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn diese erst nach Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses und damit nach Erklärung des Widerrufs entstanden sind (Phase 3). 3. Folgen für die Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB Dieses Verständnis des Art. 14 Abs. 5 VRRL ist infolge einer richtlinienkonformen Auslegung auch im Rahmen des § 361 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Auch in diesem Kontext ist umstritten, welche Ansprüche durch die Wendung „infolge des Widerrufs“ ausgeschlossen werden. a) Konkretisierungsansätze für das Merkmal „infolge des Widerrufs“ Ein Ansatz zur Konkretisierung besteht darin, Ansprüche auf ihre „Unabhängigkeit vom Widerrufsrecht“ hin zu untersuchen.219 Entwickelt wurde dieser Ansatz 218

Siehe Kap. 3 § 4 A. I. Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1; NK-BGB/Ring, § 361 BGB Rn. 5; HK-BGB/ Schulze, § 361 BGB Rn. 1; ähnlich P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 5. 219

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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von Grüneberg, der Schadensersatzansprüche des Unternehmers aus Vertrag, c.i.c. und Delikt nicht ausschließt, wenn sie sich „unabhängig vom Widerrufsrecht“ aus der Verletzung von Schutzpflichten ergeben.220 Eine nähere Konkretisierung des Kriteriums der „Unabhängigkeit“ nimmt Grüneberg jedoch nicht vor. Ein Hinweis darauf, was er sich darunter vorstellen könnte, kann jedoch der Fußnote entnommen werden, die er seiner These anfügt. In dieser Fußnote wird als „engere Auffassung“ auf einen Aufsatz von Singbartl und Zintl221 verwiesen. Diese gehen davon aus, dass bei einer Beschädigung der Sache nach Erklärung des Widerrufs (Phase 3) der Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch grundsätzlich ausschließt, dies aber bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Beschädigung durch eine teleologische Reduktion der Norm zu korrigieren sei.222 Ihnen zufolge kommt nach Erklärung des Widerrufs bei einer Beschädigung der Ware ein Anspruch aus § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Betracht, wohingegen bei einer Zerstörung die §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB als einschlägige Anspruchsgrundlage dienen sollen.223 Vor Ausübung des Widerrufsrechts oder gar vor Kenntnis des Widerrufsrechts soll eine teleologische Reduktion hingegen ausscheiden. Gleiches soll für die Fälle gelten, in denen der Verbraucher nach Erklärung des Widerrufs die Sache leicht fahrlässig beschädigt. Denn eine Haftung für fahrlässig verursachte Beschädigungen nach Erklärung des Widerrufs könnte dazu führen, dass der Verbraucher aus Angst vor einer entsprechenden Haftung von seinem Widerrufsrecht erst gar keinen Gebrauch mache, da auch bei vorsichtigem Verhalten Schadensersatzansprüche nie vollkommen ausgeschlossen seien.224 Diesen Standpunkt hat Singbartl auch in einem jüngeren Aufsatz in Kooperation mit Henke bestätigt.225 Aus dem Zitat von Grüneberg „(enger Singbartl/Zintl NJW 2016, 1848: nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Beschädigung der Ware)“ kann gefolgt werden, dass dieser davon ausgeht, dass nach Ausübung des Widerrufs der Verbraucher für Schutzpflichtverletzungen, die zu einer Beschädigung der Ware führen, uneingeschränkt nach dem allgemeinen Schadensrecht haftet. Ein Anspruch wegen einer Beschädigung der Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts ist nach seiner Meinung somit „unabhängig“ vom Widerrufsrecht. Ein weiteres Indiz für diese Betrachtungsweise findet sich im folgenden Satz von Grüneberg: Ebenso schließe § 361 220

Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1. Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848. 222 Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1851. 223 Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1851. 224 Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1851. 225 Singbartl/Henke, EWS 2017, 213, 216 ff., wobei jedoch darauf hingewiesen wird, dass auch ein einheitlich europäischer Haftungsmaßstab zu suchen ist, der der groben Fahrlässigkeit ähnelt. Sie verweisen auf die grobe Fahrlässigkeit in Art. 1:305 lit b Principles of European Contract Law 2002 und den Draft Common Frame of Reference, der auf S. 555 von „gross negligence“ spricht. 221

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Abs. 1 BGB einen Verzugsschadensanspruch wegen verspäteter Rückgabe der Ware nicht aus (Erwägungsgrund 48 VRRL). Auch hierbei geht es um einen Anspruch, der nach Ausübung des Widerrufsrechts entsteht. Ob dies auf alle Ansprüche zu übertragen ist, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, ist nicht eindeutig. Das Kriterium der „Unabhängigkeit vom Widerrufsrecht“ wurde von einigen anderen Autoren aufgegriffen und teilweise näher konkretisiert: So wurde es zum Beispiel von Ring in einen weiteren Kontext gesetzt: Er fasst die Haftung wegen der Verletzung von Schutzpflichten, die „unabhängig vom Widerrufsrecht“ bestehen, als ein Beispiel der Haftung nach den allgemeinen Vorschriften für Schäden auf, die nicht im Zusammenhang mit dem Widerruf und seinen Folgen stehen.226 Für ihn sind also Ansprüche „unabhängig vom Widerrufsrecht“, wenn die entstandenen Schäden nicht im Zusammenhang mit dem Widerruf und seinen Folgen stehen. Darüber hinaus seien Ansprüche gegen den Verbraucher wegen Verletzung seiner Pflicht zur Rücksendung der Ware, beispielsweise ein Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens bei einer verspäteten Rücksendung, nicht ausgeschlossen. Dies folge auch aus dem Erwägungsgrund 48 VRRL.227 Von einem ganz ähnlichen Ausgangspunkt geht auch M. Stürner aus. Allerdings spricht er sich dafür aus, dass auch Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB nach einer Fristsetzung gefordert werden kann.228 Ring äußert sich hierzu hingegen nicht. Für Fritsche hingegen ist das entscheidende Kriterium, ob Ansprüche den Verbraucher davon abhalten können, sein Widerrufsrecht auszuüben oder nicht. Dies sei etwa bei solchen Ansprüchen nicht der Fall, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstünden und darauf beruhen, dass die Vertragspartner ihren Verpflichtungen aus § 355 Abs. 3 S. 1, §§ 357 ff. BGB nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen seien, wobei er sich auch auf Grüneberg bezieht.229 Zur Begründung führt er an, dass Art. 14 Abs. 5 VRRL Ansprüche gegen den Verbraucher „aufgrund“ beziehungsweise § 361 Abs. 1 BGB „infolge“ des Widerrufs erfassen. Nach Art. 3 Abs. 5 VRRL bleibe jedoch das innerstaatliche Vertragsrecht insoweit unberührt, wie die VRRL keine Regelung treffe. Zudem sollten nach Erwägungsrund 48 VRRL vertragsrechtliche Sanktionen zur Anwendung kommen, wenn der Verbraucher die mit der Ausübung des Widerrufsrechts verbundenen Verpflichtungen nicht erfülle. Da der Verbraucher wisse, dass er die Sache nach Ausübung des Widerrufsrechts zurückgeben müsse, sei § 361 Abs. 1 BGB insoweit teleologisch nach seinem Sinn und Zweck, den Verbraucher umfassend von Ansprüchen des Unternehmers freizustellen, deren mögliches Bestehen ihn von der Ausübung des Widerrufsrechts

226 227 228 229

NK-BGB/Ring, § 361 BGB Rn. 5. NK-BGB/Ring, § 361 BGB Rn. 6; siehe auch BTDrucks. 17/12637, 64. P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 5. MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 4.

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abhalten würden, zu reduzieren.230 Hierbei verweist er auch auf Singbartl und Zintl, wobei er allerdings anscheinend die Norm nicht nur für grob fahrlässige und vorsätzliche Beschädigungen, sondern für jegliche Beschädigungen nach Ausübung des Widerrufsrechts teleologisch reduzieren möchte. Weiterhin führt er an, dass der Verbraucher auch bei einem Präsenzgeschäft davon ausgehen müsse, dass er mit der Sache nicht nach Belieben verfahren dürfte, solange er sie nicht endgültig erworben habe. Schadensersatz würde nicht „infolge“ des Widerrufs beansprucht werden, sondern infolge unbotmäßigen Umgangs mit der Sache trotz Kenntnis von der Verpflichtung zur Rückgewähr.231 Im Einzelnen sei ein Verzugsschadensersatzanspruch nicht ausgeschlossen. Ferner sei beim Untergang der Ware nach Erklärung des Widerrufs auch ohne Belehrung nach § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB eine Haftung sogar für Zufall gemäß § 287 S. 2 BGB mit dem Rückgewährschuldverhältnis als Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB möglich. Darüber hinaus soll auch ein Anspruch aus § 285 BGB auf Herausgabe eines eventuell erlangten Surrogats bestehen können. Zu denken sei an Ansprüche auf die Versicherungssumme oder an Schadensersatzansprüche des Verbrauchers gegen Dritte, aber auch an den Kaufpreis bei nicht vorwerfbarer Veräußerung der Sache an einen Dritten.232 In Fällen, in denen der Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei, könne der Widerruf nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, was insbesondere in Betracht komme, wenn der Verbraucher im Rahmen einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung über die Verpflichtung zum Wertersatz aufgeklärt worden sei und233 wenn er nach einem unsorgfältigen Umgang mit der Sache oder ihrem ausgiebigen bestimmungsgemäßen Gebrauch von seinem Widerrufsrecht Gebrauch mache.234 Jedenfalls komme ein Schadensersatzanspruch in Betracht, wenn der Verbraucher über seine Verpflichtung zum Wertersatz unterrichtet worden sei und die eigenübliche Sorgfalt mit dem Umgang der Ware nicht gewahrt habe.235 Fritsche begründet dies durch einen Verweis auf eine andere Randnummer anscheinend damit, dass die Frage, ob der Verbraucher Wertersatz zu leisten habe, nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Messner236 nach dem nationalen Recht beurteilt werden könne.237

230

MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 4. MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 4. 232 MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 5. 233 MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 35 spricht von „oder“ statt „und“, hierbei wird es sich jedoch um ein Redaktionsversehen handeln, da in der Vorauflage noch von „und“ gesprochen wird und es mit einem „oder“ kaum Sinn ergibt. 234 MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6; § 357 BGB Rn. 35. 235 MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6. 236 EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. 237 MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 35. 231

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Eine Kombination aus dem „Unabhängigkeitskriterium“ von Grüneberg und der Abgrenzung von Fritsche findet sich bei Rosenkranz.238 Demnach bestünden Ansprüche „infolge“ des Widerrufs, solange sie nicht auf einem autonomen Rechtfertigungsgrund beruhen, der über die bloße Loslösung vom Vertrag hinausgehe. Solche Gründe lägen nahe, wenn der Anspruch unabhängig vom Zustandekommen oder Fortbestehen des Vertrags sei oder erst nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehe, da er dann den Verbraucher nicht vom Widerruf abhalten könne. Hierbei stützt er sich auch auf den Wortlaut der Umsetzungsgrundlage Art. 14 Abs. 5 VRRL, wonach nur Ansprüche erfasst sind, die sich „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ ergeben. Auf dieser Grundlage nimmt er eine Differenzierung anhand der chronologischen Abfolge der Vertragsbeziehung vor: Im vorvertraglichen Bereich sollen Ansprüche, die auf der Verletzung von Schutz- oder Rücksichtnahmepflichten beruhen, nicht ausgeschlossen sein, wenn Rechtsgüter außerhalb des Vertrages betroffen seien. Hierunter sollen auch Fälle gefasst werden, in denen von vornherein klar sei, dass von dem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht werden soll. Daneben könne die rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB oder § 826 BGB auslösen. Unionsrechtliche Bedenken aufgrund des vollharmonisierenden Charakters der Richtlinie bestünden hierbei nicht, da der EuGH in der Messner-Entscheidung239 gerade die Abweichung von zwingenden Richtlinienbestimmungen zugelassen habe.240 Ob während des Vertragsverhältnisses eine Verschlechterung der Ware oder deren Untergang zu einem Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 1 BGB führe, richte sich nach der dem Verbraucher vertraglich eingeräumten Rechtsposition. Überschreite der Verbraucher das ihm zustehende Nutzungsrecht an der Ware in einer Weise, die ihn auch bei fortbestehendem Vertrag ersatzpflichtig machen würde, bestehe der entsprechende Anspruch nicht „infolge des Widerrufs“.241 Bei einem Kaufvertrag erwerbe der Käufer beispielsweise ein unbeschränktes „Nutzungsrecht“, so dass bei einer Zerstörung kein Schadensersatzanspruch in Betracht komme. Bei einer Zerstörung der Mietsache seien hingegen Schadensersatzansprüche nicht gesperrt, da diese nicht vom Nutzungsrecht des Verbrauchers erfasst sei. Die reine Abnutzung im Sinne des § 538 BGB sei wiederum vom Nutzungsrecht erfasst und könne somit nicht über einen Schadensersatzanspruch, sondern nur über § 357 Abs. 8 BGB ersetzt werden. Diese Grundsätze sollen auch gelten, wenn der Unternehmer gegen seine Belehrungspflichten verstoßen habe. Denn Art. 14 Abs. 2 S. 2 VRRL solle als Umsetzungsgrundlage zwar auch Belehrungsverstöße sanktionieren, dies aber nur im Rahmen der Wertersatzvorschriften und nicht über diese hinaus. Dann kämen allein Ansprüche wegen Rechtsmiss238 239 240 241

BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.1. BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.2.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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brauchs nach den Grundsätzen der Messner-Entscheidung in Betracht. Im Übrigen seien Ansprüche wegen der Verletzung von Schutzpflichten nicht ausgeschlossen, wenn Rechtsgüter außerhalb des Vertrages betroffen seien, wobei er sich auf die anderen Autoren, insbesondere auch Grüneberg beruft.242 Als Äquivalent für die „Unabhängigkeit vom Widerruf“ stellt Rosenkranz in diesem Kontext darauf ab, ob Rechtsgüter außerhalb des Vertrages betroffen sind. Abschließend geht er noch auf die Phase nach Erklärung des Widerrufs ein. In dieser Phase entstehende Ansprüche seien regelmäßig nicht von § 361 Abs. 1 BGB gesperrt, da sie wohl auf einem autonomen Rechtfertigungsgrund beruhen. Beispielsweise sei ein Verzugsschadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB möglich. Ebenso seien auch Ansprüche wegen Verschlechterung oder Untergangs aus § 280 Abs. 1, 3 BGB oder § 285 Abs. 1 BGB nicht gesperrt. Nach erfolgtem Widerruf bestehe nämlich ein eigenständiges Rückgewährschuldverhältnis, in dessen Rahmen der Verbraucher seine Pflichten autonom verletzen könne. Deshalb bedürfte es keiner teleologischen Reduktion oder einer Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz, wie Singbartl und Zintl es vorschlagen. Schließlich würde der Verbraucher durch diese potentielle Haftung auch nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werden.243 Abschließend ist noch die Auffassung von Koch zu erwähnen, der ebenfalls bereits von anderen Autoren vertretene Positionen kombiniert. Diesmal wird eine Verbindung zwischen der Auffassung von Fritsche und der von Singbartl und Zintl geschaffen. Im Ausgangspunkt geht Koch davon aus, dass Ansprüche, die nach Ausübung des Widerrufsrechts dadurch entstehen, dass der Vertragspartner seinen Pflichten aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB oder §§ 357 ff. BGB nicht nachkommt, nicht von der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB berührt werden, wobei er sich auf Fritsche bezieht. Bei einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung der Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts soll § 361 Abs. 1 BGB wiederum in Übereinstimmung mit Singbartl und Zintl teleologisch dahingehend zu reduzieren sein, dass daraus resultierende Schadensersatzansprüche nicht ausgeschlossen sind.244 b) Stellungnahme zu den bisherigen Konkretisierungsansätzen Betrachtet man den Meinungsstand, lässt sich dieser in zwei Gruppen untergliedern: Diejenigen Autoren, die Ansprüche, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehen (Phase 3), nicht als Ansprüche „infolge“ des Widerrufs im Sinne des § 361 Abs. 1 BGB ansehen und diejenigen, die auch derartige Ansprüche zunächst als „infolge“ des Widerrufs ausschließen, in einem weiteren Schritt jedoch darüber nachdenken, eine teleologische Reduktion für Schadensersatzansprüche bei einer 242 243 244

BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.2. BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.3. Erman/Koch, § 361 BGB Rn. 1.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung des empfangenen Leistungsgegenstands vorzunehmen, um so eine unbillige Privilegierung des Verbrauchers zu vermeiden. Dass Ansprüche hinsichtlich der Beschädigung der Ware vor Erklärung des Widerrufs (Phase 1 und 2) im Ergebnis durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein sollen, wird größtenteils245 nicht in Frage gestellt. Zu der ersten Gruppe gehört die Mehrheit der Autoren, insbesondere Rosenkranz, Stürner, Ring und wohl auch Grüneberg sowie Fritsche. Als Begründung wird überwiegend Erwägungsgrund 48 VRRL sowie teilweise auch der Wortlaut der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL „aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts“ herangezogen. Als zusätzliches Argument wird angeführt, der Verbraucher könne durch Ansprüche, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, nicht von dessen Ausübung abgehalten werden. Fritsche möchte dies methodisch im Wege einer teleologischen Reduktion durchsetzen. Die zweite Gruppe von Autoren, bestehend aus Singbartl, Zintl, Henke und hinsichtlich einer teleologischen Reduktion wohl auch Koch, geht davon aus, dass auch die Angst vor Ansprüchen nach Ausübung des Widerrufsrechts Einfluss auf den Entschluss des Verbrauchers, den Vertrag zu widerrufen, haben kann. Setzt man sich mit den einzelnen Auffassungen auseinander, stellt man fest, dass sie allesamt zu sehr auf das nationale Recht fokussiert sind. Zunächst erfolgt insbesondere bei den Vertretern der ersten Gruppe keine konsequente Auslegung der Norm im Lichte ihrer unionsrechtlichen Umsetzungsgrundlage, des Art. 14 Abs. 5 VRRL. Vielfach wird das Merkmal „aufgrund der Ausübung des Widerrufs“ einfach nur entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch subsumiert und keine nähere Auseinandersetzung mit der Umsetzungsgrundlage vorgenommen. Bei näherer Betrachtung der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL hat sich jedoch gezeigt, dass sich ihr Ausschluss entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch grundsätzlich auch auf Ansprüche erstreckt, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehen.246

245 Lediglich Fritsche geht davon aus, dass bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung Schadensersatzansprüche bestehen können, wenn der Verbraucher über seine Verpflichtung zum Wertersatz unterrichtet worden sei und die eigenübliche Sorgfalt mit dem Umgang der Ware nicht gewahrt habe, MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6. Allerdings ist bereits die Verpflichtung zur Belehrung über die Wertersatzpflicht mit Umsetzung der VRRL zum 13.06.2014 weggefallen, so dass der praktische Anwendungsbereich sehr gering sein wird. Ferner ist nicht ersichtlich, ob Fritsche dies bereits im Rahmen der Auslegung bei § 361 Abs. 1 BGB berücksichtigen will oder im Rahmen einer Missbrauchskontrolle. Schließlich ist auch der von ihm angesetzte Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt vollkommen ungeeignet, eine Schadensersatzpflicht des Verbrauchers zu begründen. Denn zum einen erfolgte mit der Rechtsänderung zum 13.06.2014 gerade eine Loslösung vom Rücktrittsfolgenrecht, das einen solchen Maßstab vorsieht. Zum anderen wird sich zeigen, dass die Annahme eines solchen Schadensersatzanspruchs nicht im Einklang mit dem unionsrechtlichen Verbot missbräuchlicher Praktiken steht, siehe hierzu unten Kap. 3 § 3 C. VI. 246 Vgl. hierzu Kap. 3 § 3 A. IV., insbesondere IV. 2.

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Auch der oft zur Begründung herangezogene Erwägungsgrund 48 VRRL kann angesichts seiner beschränkten Reichweite diesen Grundsatz nicht generell für alle Ansprüche, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, aushebeln. Denn es wird verkannt, dass dieser nur solche Ansprüche aufrechterhält, die nicht mit Regelungen aus der Richtlinie in Konkurrenz stehen.247 Ob ein solches Konkurrenzverhältnis gegeben ist oder nicht, muss speziell für jede Anspruchsart isoliert untersucht werden und kann nicht pauschal für alle Ansprüche nach Ausübung des Widerrufsrechts beantwortet werden. Genau diesen Fehler machen jedoch die Autoren der ersten Gruppe; sie stützen nämlich auf Erwägungsgrund 48 VRRL die Aufrechterhaltung jeglicher Ansprüche, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehen. Infolgedessen wird fälschlicherweise versucht, über Erwägungsgrund 48 VRRL oder Art. 14 Abs. 5 VRRL eine Ausnahme von der Sperrwirkung für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung oder Zerstörung der Ware nach Erklärung des Widerrufs zu konstituieren, obwohl Art. 14 Abs. 5 VRRL gerade im Gegenteil wegen der direkten Konkurrenz eines solchen Schadensersatzanspruchs zum Wertersatzanspruch aus Art. 14 Abs. 2 VRRL gebietet, dass ein derartiger Schadensersatzanspruch ausgeschlossen wird. Selbst die Vertreter der zweiten Gruppe, die zunächst – in Übereinstimmung mit der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL – davon ausgehen, dass gemäß § 361 Abs. 1 BGB Ansprüche, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, als „infolge“ des Widerrufs ausgeschlossen sind, stellen hierbei fast ausschließlich auf den Wortlaut der nationalen Umsetzungsvorschrift ab und beschäftigen sich nicht mit einer näheren Auslegung des Art. 14 Abs. 5 VRRL. Sie stimmen daher zwar zunächst im Ergebnis mit der hier vertretenen Auffassung überein, ihre Begründung beruht jedoch hauptsächlich auf der Auslegung des nationalen Rechts, während in der vorliegenden Arbeit der unionsrechtlichen Umsetzungsgrundlage die entscheidende Bedeutung zugemessen wird und deren Auslegung anschließend im Wege richtlinienkonformer Auslegung zur Konkretisierung des Merkmals „infolge des Widerrufs“ im Rahmen von § 361 Abs. 1 BGB dient. Wenn insbesondere von den Autoren der zweiten Gruppe und Fritsche aus der ersten Gruppe über eine teleologische Reduktion – sei es für grob fahrlässige und vorsätzliche Beschädigungen nach Ausübung des Widerrufsrechts248 oder insgesamt für Ansprüche, die nach Erklärung des Widerrufsrechts entstehen249 – nachgedacht wird, ist der grundsätzliche Ansatz, diesen zunächst grenzenlos gewährten Verbraucherschutz einzudämmen, durchaus begrüßenswert, gleichwohl wird auch hier stets eine Lösung über das nationale Recht gesucht und das Unionsrecht vollkommen unberücksichtigt gelassen. Hierbei wird die damit einhergehende Gefahr einer unzureichenden Umsetzung der VRRL übersehen. 247 248

Koch. 249

Vgl. zu der Auslegung des Erwägungsgrunds 48 VRRL oben Kap. 3 § 3 A. IV. 2. So die zweite Gruppe der Autoren bestehen aus Singbartl, Zintl, Henke und wohl auch So MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Deshalb muss zunächst auf unionsrechtlicher Ebene über eine Einschränkbarkeit nachgedacht werden, die – wie sich noch zeigen wird250 – mittels des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken vorzunehmen ist. Nur so kann der Gefahr einer unzureichenden Umsetzung der Richtlinie begegnet werden. Sofern in diesem Zusammenhang über eine Einschränkung der Sperrwirkung wegen Missbrauchs nachgedacht wird, sei es bei Ansprüchen vor251 oder nach Ausübung des Widerrufsrechts252, verkennen die Autoren – wie sich in der noch folgenden Analyse zeigen wird253 – vollkommen das unionsrechtliche Verbot missbräuchlicher Praktiken und stellen fälschlicherweise bei ihren Missbrauchserwägungen auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Messner254 und infolgedessen auf das nationale Recht ab. In der betreffenden Rechtssache hielt der EuGH fest, dass die Zielsetzung der Richtlinie 97/7/EG und insbesondere das in Art. 6 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 festgelegte Verbot, wonach die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung sind, grundsätzlich Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen der Verbraucher einen angemessenen Wertersatz zu zahlen hat, wenn er die durch den Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt habe, nicht entgegenstünden.255 Als kleine Vorausschau kann bereits gesagt werden, dass sich diese Einzelfallentscheidung nicht zur Lösung des vorliegenden Problems eignet. Denn zum einen wurden die im Mittelpunkt der Auslegung stehenden Art. 6 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 RL 97/7/EG mittlerweile durch die VRRL vollständig abgelöst, so dass die Richtlinie als veraltet angesehen werden kann. Die Ausführungen des EuGH in diesem speziellen Einzelfall lassen sich zudem auch nicht ohne Weiteres auf Art. 14 Abs. 2 VRRL und Art. 14 Abs. 5 VRRL übertragen, da zwischen der RL 97/7/EG und der VRRL eklatante Unterschiede bestehen. So sah die betroffene Richtlinie überhaupt keine Regelung zum Wertersatz vor und bot somit absolut keine Kompensationsmöglichkeit zugunsten des Unternehmers bei Verschlechterungen der Ware. In der VRRL wird hingegen mit Art. 14 Abs. 2 VRRL eine detaillierte Regelung zur Wertersatzpflicht des Verbrauchers zur Verfügung gestellt, so dass die zentralen 250

Siehe unten Kap. 3 § 3 C. IV. So MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6; BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.1, 11.2. 252 Die Autoren der zweiten Gruppe, bestehend aus Singbartl, Zintl, Henke und Koch stellen allesamt nur auf das nationale Recht ab und verweisen noch nicht einmal auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Messner, C-489/07, Slg. 2009, I-07315. 253 Vgl. unten Kap. 3 § 3 C. VI. 254 EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. 255 EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315, Rn. 26 – Messner. 251

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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Wertungsgesichtspunkte, die der Rechtssache Messner256 zugrunde lagen, mit Erlass der VRRL weggefallen sind. Zum anderen verfolgte die RL 97/7/EG nach ihrem Art. 14 den Grundsatz der Mindestharmonisierung, während Art. 4 der VRRL eine Vollharmonisierung vorsieht. Die Ausgangslage beider Richtlinien ist somit grundverschieden. Darüber hinaus besteht mit dem Verbot missbräuchlicher Praktiken ein gegenüber einem allgemein gehaltenen Gebot von Treu und Glauben speziellerer Grundsatz, der demnach vorrangig heranzuziehen ist. Ferner lässt sich das Verbot missbräuchlicher Praktiken dank der vom EuGH entwickelten Kriterien praktisch deutlich besser handhaben als das im Gegensatz dazu auf europäischer Ebene von jeglichen Kriterien losgelöste und im Vergleich nur schwach ausgeprägte Gebot von Treu und Glauben.257 Vor diesem Hintergrund kann insbesondere die von Fritsche vorgeschlagene Lösung, Schadensersatzansprüche, die vor Erklärung des Widerrufs entstehen, zuzulassen, wenn der Verbraucher zumindest über seine Wertersatzpflicht belehrt wurde und die eigenübliche Sorgfalt gewahrt hat258, weder unter nationalen noch unter unionsrechtlichen Rechtsmissbrauchserwägungen überzeugen. Denn es wird sich zeigen, dass bei rein nationaler Betrachtung Singbartl, Zintl, Henke und Koch mit der von ihnen vertretenen teleologischen Reduktion für Ansprüche wegen grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Beschädigung der Ware nach Erklärung des Widerrufs der nationalen Rechtsmissbrauchslehre des § 242 BGB am ehesten entsprechen.259 Gleichwohl darf die Phase vor Erklärung des Widerrufs nicht vollkommen außer Acht bleiben. Hier wird sich zeigen, dass bei Beschädigungen oder Zerstörungen der Ware durch den Verbraucher, die in Schädigungsabsicht vorgenommen wurden, Schadensersatzansprüche nach nationalem Verständnis erhalten bleiben.260 Eine wie von Fritsche geforderte Einschränkung geht hingegen unter Berücksichtigung des hohen Verbraucherschutzes viel zu weit. So ist zum einen nicht ersichtlich, wo sich eine Anknüpfungsmöglichkeit für das Kriterium der diligentia quam in suis finden soll, wurde es doch gerade mit der Loslösung des Widerrufsrechts vom Rücktrittsfolgenrecht zum 13.06.2014 für das Widerrufsrecht abgeschafft. Zum anderen kann insbesondere vor Erklärung des Widerrufs die Beschädigung oder Zerstörung der Ware durch den Verbraucher wegen § 903 BGB als reine Schädigung seines eigenen Vermögens erfolgen, wenn er zum Beispiel noch gar 256

EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. Vgl. zum aktuellen Stand der Entwicklung von Treu und Glauben auf der unionsrechtlichen Ebene, MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 150 ff., der auch deutlich macht, dass der EuGH Treu und Glauben bislang nicht als allgemeinen Grundsatz des Unionsrecht anerkannt hat; siehe auch BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 277 ff.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 321 f. 258 MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6. 259 Vgl. hierzu unten die Subsumtion unter das nationale Rechtsmissbrauchsverbot, Kap. 3 § 3 B. I. 260 Siehe hierzu Kap. 3 § 3 B. II. 257

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

nicht den Entschluss zum Widerruf gefasst hat.261 Diese Komponente lässt Fritsche vollkommen unberücksichtigt. Ferner ist die Verpflichtung zur Belehrung über die Wertersatzpflicht mit Umsetzung der VRRL zum 13.06.2014 weggefallen, so dass auch dieses Kriterium in seinem praktischen Anwendungsbereich als eher untauglich erscheint. Darüber hinaus wird sich zeigen, dass die Ansicht auch unvereinbar ist mit dem unionsrechtlichen Rechtsmissbrauchsverbot, das als entscheidende Komponente eine Absicht des Verbrauchers erfordert, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen.262 Aus diesem Grund kann auch – wie von den Autoren der zweiten Gruppe vertreten – bei Ansprüchen, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehen, keine teleologische Reduktion bei grob fahrlässigen Beschädigungen durch den Verbraucher vorgenommen werden. Denn das nationale Rechtsmissbrauchsverbot wird hierbei im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 5 VRRL und damit auch des § 361 Abs. 1 BGB durch das unionsrechtliche Verbot missbräuchlicher Praktiken vollkommen überlagert, da andernfalls eine unzureichende Umsetzung der Richtlinie droht.263 Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Arbeit deutlich intensiver dem Unionsrecht als Umsetzungsgrundlage mit seinem entscheidenden Einfluss auf § 361 Abs. 1 BGB. In einem ersten Schritt wurde deswegen überlegt, wie Art. 14 Abs. 5 VRRL auszulegen ist und wie sich diese Auslegung auf § 361 Abs. 1 BGB auswirkt. In einem zweiten Schritt wird sogleich analysiert werden, inwiefern Missbrauchserwägungen Auswirkungen auf Art. 14 Abs. 5 VRRL und § 361 Abs. 1 BGB haben können und wie sich diese dogmatisch umsetzen lassen. Hierbei wird sich – wie schon erwähnt264 – das unionsrechtliche Verbot missbräuchlicher Praktiken als geeigneter Anknüpfungspunkt herausstellen und dessen Voraussetzungen den Maßstab vorgeben, unter denen Art. 14 Abs. 5 und § 361 Abs. 1 BGB einzuschränken sein werden. Gleichwohl sind die bisher entwickelten Ansätze nicht in Gänze verfehlt, denn es ist ihnen insoweit zuzustimmen, wie sie Ansprüche von der Sperrwirkung ausnehmen, wenn sie auf einer Verletzung „unabhängiger“ Schutz- oder Rücksichtnahmepflichten oder sonstiger Rechtsgüter des Unternehmers bei der Rückabwicklung des Vertrags beruhen oder durch Verzug begründet werden. In Bezug auf einen Verzugsschadensersatzanspruch wird zurecht auf Erwägungsgrund 48 VRRL verwiesen, auch wenn der Erwägungsgrund – wie oben bereits ausgeführt265 – in seiner sonstigen Reichweite oft verkannt wird.

261 262 263 264 265

Siehe hierzu unten ausführlich Kap. 3 § 3 B. III. Siehe hierzu Kap. 3 § 3 C. VI. Vgl. unten Kap. 3 § 3 C., C. VI. Siehe oben Kap. 3 § 3 A. IV. 3. b). Siehe Kap. 3 § 3 A. IV. 3. b).

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Beispiele für vollkommen „unabhängige“ Schutzpflicht- oder Rücksichtnahmepflichtverletzungen können etwa im vorvertraglichen Bereich auftreten. Dies kann der Fall sein, wenn von der Ware selbst unabhängige Rechtsgüter des Unternehmers verletzt werden. Hinsichtlich dieser Rechtsgutverletzung ist der Verbraucher nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB haftbar, ohne dass die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB eingreift. In Bezug auf die Verletzung sonstiger Rechtsgüter des Unternehmers im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrags wäre der Fall denkbar, dass der Verbraucher eine gefährliche Ware nicht ausreichend verpackt und dem Unternehmer bei Empfang der Ware bzw. Öffnen des Pakets ein Schaden außerhalb des Leistungsgegenstands selbst entsteht. Zum Beispiel, wenn ein gekauftes Motoröl nicht ausreichend verschlossen oder schlecht verpackt wurde und hierdurch beim Empfang durch den Unternehmer dessen Teppichboden Flecken bekommt, die nicht mehr beseitigt werden können. Eine andere Möglichkeit wäre die schlechte Verpackung eines spitzen oder scharfen Gegenstandes, an dem sich der Unternehmer ohne eigenes Verschulden beim Öffnen des Pakets verletzt. Hierbei sind jeweils Rechtsgüter verletzt, die mit dem Widerruf selbst in keiner Verbindung stehen, so dass hieraus resultierende Ansprüche nicht als „infolge des Widerrufs“ durch § 361 Abs. 1 BGB gesperrt werden. c) Eigener Konkretisierungsansatz Als allgemeine Vorgehensweise zur Feststellung, ob ein Anspruch von § 361 Abs. 1 BGB – bereits ohne Rücksicht auf die erst noch zu entwickelnden Einschränkungen wegen Missbrauchserwägungen – ausgeschlossen wird, bietet sich das folgende Prüfungsschema an: Zunächst muss man sich fragen, ob der Schaden auch entstanden wäre, wenn der Verbraucher den Vertrag nicht widerrufen hätte. Ist dies der Fall, ist der Schaden und damit auch der Anspruch „unabhängig“ vom Widerruf und somit nicht „infolge“ des Widerrufs entstanden. Kommt man hingegen zu dem Ergebnis, dass der Schaden nicht entstanden wäre, wenn der Verbraucher den Vertrag nicht widerrufen hätte, besteht der Anspruch grundsätzlich „infolge“ des Widerrufs und ist somit nicht „unabhängig“ vom Widerruf. Nun gilt es weiter zu differenzieren: Handelt es sich um einen Schaden, für den im Untertitel des Widerrufs eine abschließende Regelung geschaffen wurde, bleibt der Anspruchsausschluss grundsätzlich bestehen. Handelt es sich hingegen um einen Schaden aus einem Bereich, der im Untertitel des Widerrufs keinen Niederschlag gefunden hat, kann im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB der Anspruch weiterhin erhalten bleiben. Hierbei ist insbesondere auf den Einfluss des Erwägungsgrundes 48 VRRL und auf die Umsetzungsrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL hinzuweisen. Abschließend lässt sich festhalten, dass alle Schadensersatzansprüche hinsichtlich der Beschädigung oder Zerstörung der Ware, unabhängig davon, ob sie vor oder

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

nach Erklärung des Widerrufs entstehen, grundsätzlich von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB erfasst sind. Es wird sich jedoch im späteren Verlauf der Arbeit noch zeigen, dass diese schematische Betrachtungsweise nicht ausnahmslos durchgehalten werden kann, sondern unter dem Gesichtspunkt des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken im Einzelfall zu korrigieren sein wird.266 d) Folgen für den Beispielsfall Gemessen an den voranstehend herausgearbeiteten Grundsätzen ist auch der im Beispielsfall in Rede stehende Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB als „infolge des Widerrufs“ durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Sofern man den Fall strikt nach dem Wortlaut des § 361 Abs. 1 BGB löst, hat der Unternehmer B gegen den Verbraucher A daher keinen Anspruch auf Ersatz des Wertverlustes des Badmintonschlägers aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB. Bei einer Zerstörung der Ware gilt das oben Gesagte für einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB entsprechend. Gleiches gilt für Ansprüche aus § 826 BGB, wenn diese auf Ersatz des Wertverlustes des Schlägers gerichtet sind. In diesem Zusammenhang ist jedoch auch wieder darauf hinzuweisen, dass dieses formal gefundene Ergebnis keineswegs in jedem Fall endgültig ist. Insbesondere in Fällen einer sittenwidrigen Schädigung wird sich noch zeigen, dass dieses Ergebnis über das unionsrechtliche Verbot missbräuchlicher Praktiken zu korrigieren ist.267 V. Zwischenergebnis Durch die vorangegangene Analyse der unterschiedlichen Phasen (1 bis 3) vom Vertragsschluss bis zur Ausübung des Widerrufrechts hat sich gezeigt, dass § 361 Abs. 1 BGB dem Unternehmer alle Ansprüche versagt, die auf einen Ausgleich des Wertverlusts der Ware gerichtet sind, sofern es sich nicht um den im Widerrufsrecht selbst verankerten Wertersatzanspruch des § 357 Abs. 7 BGB handelt. Sobald dieser aber in Fällen einer unterbliebenen oder fehlerhaften Widerrufsbelehrung ausscheidet, hat der Unternehmer den Wertverlust der Ware entschädigungslos hinzunehmen, obwohl er im Gegenzug den vollständigen Kaufpreis der Sache an den Verbraucher zurückzuerstatten hat.

266 267

Siehe hierzu unten Kap. 3 § 3 C. V. Vgl. hierzu Kap. 3 § 3 C. V.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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B. Die Gefahr des Missbrauchs Durch diesen kompromisslosen Anspruchsausschluss des § 361 Abs. 1 BGB eröffnen sich für den Verbraucher Missbrauchsmöglichkeiten. Bei einer fehlerhaften oder unterbliebenen Belehrung seitens des Unternehmers kann der Verbraucher die Ware selbst nach Erklärung des Widerrufs vorsätzlich beschädigen oder zerstören, ohne hierfür schadensersatzpflichtig zu sein. Bevor jedoch die Frage analysiert werden kann, wie sich in Fällen des Missbrauchs durch den Verbraucher ein gerechter Interessenausgleich schaffen lässt, ist zunächst zu klären, wann überhaupt ein Fall von Missbrauch nach nationalem Recht vorliegt. I. Allgemeine Erwägungen zum Begriff des Rechtsmissbrauchs nach deutschem Recht Orientiert man sich an dem vorherrschenden Verständnis des Rechtsmissbrauchs, so wird dieser als ein Unterfall des Gebots von Treu und Glauben angesehen.268 Der Grund hierfür liegt darin, dass die Frage, ob ein Recht missbraucht wird, untrennbar mit dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme aus § 242 BGB verbunden ist.269 Allgemein gesagt liegt ein Rechtsmissbrauch dann vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine formal bestehende Rechtsposition treuwidrig in Anspruch genommen wird.270 In Rechtsprechung und Literatur wird in ganz unterschiedlichen Kontexten diskutiert, was unter einem Rechtsmissbrauch im Einzelfall zu verstehen ist.271 Fest steht dabei, dass für die Annahme eines solchen Rechtsmissbrauchs stets gewichtige Gründe erforderlich sind, da andernfalls der Vorrang des Gesetzes ausgehöhlt zu werden droht.272 Mit der Zeit haben sich Fallgruppen herausgebildet, die den Begriff des Rechtsmissbrauchs näher konkretisieren. Von besonderer Bedeutung ist für die vorliegende Frage des Missbrauchs der Ausschlusswirkung des § 361 BGB die Fallgruppe des „Fehlens eines schutzwürdigen Eigeninteresses“ an der Geltendmachung eines Rechts.

268 Vgl. BGH NJW 1980, 451; NJW 2009, 509; NJW 2012, 3185; NJW 2012, 3577; BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 1002; Chelidonis, Jura 2010, 726; Prütting, FS Stürner, 455 ff.; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 37; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 213; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 38. 269 Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 214. 270 Vgl. BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 981; MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 199. 271 Vgl. BGHZ 30, 140, 145; BGH NJW-RR 2005, 619; BAG NJW 2011, 2684; BeckOGK/ Kähler, § 242 BGB Rn. 981 ff.; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 37; MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 202 ff.; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 57 ff. 272 Vgl. BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 999.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Danach ist die Ausübung eines Rechts unzulässig, wenn das ihm zugrunde liegende Interesse nicht schutzwürdig ist.273 Zur Feststellung, ob ein Interesse schutzwürdig ist oder nicht, ist eine umfassende Wertung der Interessen des Betroffenen erforderlich.274 In diesem Zusammenhang ist es jedoch nicht erforderlich, dass das alleinige Ziel verfolgt wird, einer anderen Person Schaden zuzufügen.275 Zusätzlich zur mangelnden Schutzwürdigkeit der Interessen des Betroffenen ist jedoch eine überwiegende Schutzwürdigkeit der anderen Partei erforderlich.276 Dabei führt allerdings nicht jedes Ungleichgewicht zwischen den Parteien, insbesondere nicht jede übermäßige wirtschaftliche Benachteiligung der Gegenseite zur Unzulässigkeit der Rechtsausübung. Es ist vielmehr erforderlich, dass es sich um eine „grob unbillige, nicht mit der Gerechtigkeit zu vereinbarende Benachteiligung“ handelt.277 Neben den objektiven Kriterien zur Feststellung der Schutzwürdigkeit eines Interesses stellt sich die Frage, inwieweit subjektive Elemente beim Betroffenen vonnöten sind. Anders als es der allgemeine Sprachgebrauch vermuten lässt, ist für einen Rechtsmissbrauch im Sinne des § 242 BGB eine vorsätzliche Schädigung der Gegenpartei nicht zwingend erforderlich. Vielmehr reicht es oftmals bereits aus, wenn die Ausübung eines Rechts aus anderen Gründen dem Gebot von Treu und Glauben widerspricht.278 Abhängig davon, woran die Treuwidrigkeit angeknüpft wird, können aber auch subjektive Kriterien Bedeutung erlangen. Stellt man nämlich vorwiegend auf ein Verhalten des Gläubigers ab, sind subjektive Kriterien in die Interessenabwägung mit einzubeziehen.279 Auch wenn die Fallgruppe des „Fehlens eines schutzwürdigen Interesses“ überwiegend durch objektive Gesichtspunkte geprägt wird, müssen somit subjektive Gesichtspunkte berücksichtigt werden, wenn ein 273 BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 94; MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 467; BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 1049. 274 MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 492. 275 Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 258; Sofern der ausschließliche Zweck darin besteht, einen anderen zu schädigen, ist bereits das Schikaneverbot des § 226 BGB einschlägig. 276 BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 94; vgl. auch MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 510, wonach eine isolierte Betrachtung der Interessen einer Partei nur selten ausreiche. 277 MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 511; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 94. 278 BAG NJW 1997, 2256, 2258; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 216; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 32. 279 Inwieweit in diesen Fällen aber eine Zurechenbarkeit des Verhaltens für einen Rechtsmissbrauch zwingend erforderlich ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Zum Teil wird mindestens Fahrlässigkeit gefordert, MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 209. Andere gehen hingegen davon aus, dass ein fehlendes Verschulden durch andere Gesichtspunkte im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung ausgeglichen werden kann, es somit nicht zwingend erforderlich ist, Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 BGB Rn. 222; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 39; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 35. Im Ergebnis ist jedenfalls festzuhalten, dass subjektive Kriterien im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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Verhalten von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Interesses ist. Für die hier zu behandelnde Problematik der Berufung des Verbrauchers auf die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB trotz einer Beschädigung oder Zerstörung des erhaltenen Leistungsgegenstands hat dies zur Folge, dass eine umfassende Gesamtbewertung der Interessen und der Umstände vorzunehmen ist, wobei auch subjektive Elemente auf Seiten des Verbrauchers eine (mit-)entscheidende Rolle spielen können. Für die konkrete Fragestellung des Missbrauchs der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB ergeben sich damit folgende Fragen: Ist es bereits missbräuchlich, wenn der Verbraucher mit der Ware nach Erklärung des Widerrufs fahrlässig umgeht und diese dadurch beschädigt wird? Oder ist hierfür grobe Fahrlässigkeit, Vorsatz oder gar eine sittenwidrige Schädigungsabsicht erforderlich? Wie verhält es sich vor Ausübung des Widerrufs in den Phasen vor Kenntnis oder ab Kenntnis vom Widerrufsrecht? Für eine klare Abgrenzung empfiehlt sich auch hier eine Differenzierung anhand der unterschiedlichen Stadien vom Vertragsschluss bis hin zur Rückübereignung der empfangenen Leistungen. So wird etwa eine vorsätzliche Beschädigung der Ware durch den Verbraucher, der in Unkenntnis des Widerrufsrechts von der Endgültigkeit des Erwerbs ausgeht, kaum missbräuchlich erscheinen können, ganz im Gegensatz zu einer vorsätzlichen Zerstörung nach Erklärung des Widerrufs. II. Die Missbrauchsgefahr vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 1) Vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht besteht – wie oben aufgezeigt280 – überhaupt keine Pflicht des Verbrauchers zum sorgfältigen Umgang mit der Ware. Er kann mit dieser vielmehr im Sinne des § 903 S. 1 BGB nach seinem Belieben verfahren. Mithin kann er sie selbst vorsätzlich zerstören, ohne dass die Gefahr eines Missbrauchs der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB besteht. Denn zum einen geht er bei der Beschädigung oder Zerstörung davon aus, dass er lediglich sein eigenes Vermögen mindert, und zum anderen entfaltet § 361 Abs. 1 BGB in diesem Stadium lediglich deklaratorische Wirkung281, so dass auch eine Korrektur des § 361 Abs. 1 BGB nicht darüber hinweghelfen würde, dass es an einer, den Schadensersatzanspruch begründenden Pflichtverletzung des Verbrauchers bzw. deren Vertretenmüssen fehlt. Folglich besteht vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht keine Gefahr des Missbrauchs der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB.

280 281

Siehe Kap. 3 § 3 A. I. Vgl. Kap. 3 § 3 A. I.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

III. Die Missbrauchsgefahr ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 2) Ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht entfaltet § 361 Abs. 1 BGB hingegen konstitutive Wirkung und sperrt Schadensersatzansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher, die auf Ersatz des Wertverlustes der Ware gerichtet sind. Aus diesem Grund ist hier eine detailliertere Betrachtung des Missbrauchspotenzials geboten als in der Phase vor Kenntnis des Widerrufsrechts. Im Rahmen dieser Beurteilung ist einerseits der dezidiert verbraucherschützende Charakter des Widerrufsrechts und andererseits der allgemeine Wunsch zur Vermeidung von Rechtslücken zu berücksichtigen. Prinzipiell muss der Verbraucher ab Kenntnis vom Widerrufsrecht damit rechnen, dass er die gekaufte Sache möglicherweise an den Unternehmer zurück übereignen muss.282 Aus diesem Grund trifft ihn auch die Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit der Ware, deren Verletzung überhaupt erst einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB begründen kann. Dennoch kann nicht bei jeder fahrlässigen Beschädigung der gekauften Sache ein Missbrauchsfall angenommen werden. Dem steht ganz klar die Wertung des Art. 14 Abs. 5 VRRL und des § 361 Abs. 1 BGB entgegen. Für die Annahme eines Missbrauchs bedarf es vielmehr einer schweren Verfehlung des Verbrauchers. Diese kann allenfalls bei einem Vertretenmüssen ab grober Fahrlässigkeit angesiedelt werden. Allerdings ist auch hier zu berücksichtigen, dass selbst bei einer grob fahrlässigen Beschädigung der Ware der Verbraucher in diesem Zeitpunkt nicht zwingend davon ausgeht, dass er seine Willenserklärung tatsächlich widerrufen wird und die Sache infolge dessen an den Unternehmer zurückzuübereignen ist. Vielmehr wird der Verbraucher auch bei einer grob fahrlässig verursachten Verschlechterung der Ware in aller Regel im Zeitpunkt der Schädigung noch davon ausgehen, dass es sich um eine Schädigung seines eigenen Vermögens handelt. Deshalb kann in Fällen einer grob fahrlässigen Beschädigung nicht allgemein von einer grob unbilligen, nicht mit der Gerechtigkeit zu vereinbarenden Benachteiligung des Unternehmers, d. h. einem Missbrauch der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB ausgegangen werden. Anders gestaltet es sich hingegen in Fällen der vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung der Ware in der Absicht, den Unternehmer zu schädigen. Hier handelt der Verbraucher bewusst zum Nachteil des Unternehmers, was je nach Einzelfall auch in eine sittenwidrige Schädigung münden kann. In diesen Fällen kann eine Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB unzulässig sein, wenn das zugrundeliegende Interesse des Verbrauchers nicht schutzwürdig ist. Zwar verfolgt der Verbraucher möglicherweise neben der Absicht, den Unternehmer zu schädigen, ebenfalls den damit einhergehenden Zweck, nicht persönlich zur Leistung von Schadensersatz für den Wertverlust verpflichtet zu sein. Allerdings ist es für das Absprechen einer Schutzwürdigkeit auch nicht erforderlich, dass die alleinige Zielsetzung darin besteht, den anderen zu 282

So auch Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1850; vgl. auch oben Kap. 3 § 3 A. II. 2.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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schädigen.283 In einem solchen Kontext, in dem der Verbraucher aber die Sache in der Absicht zerstört, den Unternehmer zu schädigen, den Widerruf ausübt und sich infolgedessen hinsichtlich einer Ersatzpflicht auf § 361 Abs. 1 BGB beruft, ist kein Grund dafür ersichtlich, das zu Grunde liegende Interesse als schutzwürdig einzustufen. Ein solches Interesse steht auf sittlich tiefster Stufe und verdient keinen Schutz durch die Rechtsordnung. Allerdings ist neben der fehlenden Schutzwürdigkeit des Interesses des Verbrauchers eine überwiegende Schutzwürdigkeit des Unternehmers erforderlich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Verbraucher erst durch die unterbliebene Belehrung des Unternehmers die Möglichkeit bekommt, sich durch eine Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB einer Pflicht zur Leistung von Wertersatz zu entziehen. Andernfalls wäre der Unternehmer über den Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB ausreichend geschützt gewesen. Der Verweigerung des Wertersatzanspruchs bei einer unterbliebenen Belehrung kommt zwar auch Sanktionscharakter zu284, dennoch kann dieser nicht so weit gehen, dass der Unternehmer nur aufgrund der unterbliebenen Belehrung sittenwidrig geschädigt werden kann und ihm jegliche Ausgleichsansprüche versagt werden. Im Mittelpunkt der Beurteilung steht hier nicht die wirtschaftliche Belastung des Unternehmers, denn diese wird im Großteil der Fälle identisch mit derjenigen sein, die er bei einer grob fahrlässigen Beschädigung der Ware durch den Verbraucher erleidet. Vielmehr zeigt sich, dass derjenige, der sittenwidrig geschädigt wird, im Zivilrecht einen besonderen Schutz genießt. Im vertraglichen Bereich wird er über § 138 Abs. 1, 2 BGB geschützt, während im Deliktsrecht die spezielle Norm des § 826 BGB geschaffen wurde, obwohl eine Vielzahl von sittenwidrigen Schädigungen bereits über § 823 Abs. 1, 2 BGB abgedeckt werden können.285 Deshalb besteht eine überwiegende Schutzwürdigkeit des Interesses des Unternehmers darin, eine sittenwidrige Schädigung nicht ersatzlos hinnehmen zu müssen. Infolgedessen liegt hier eindeutig eine grob unbillige, nicht mit der Gerechtigkeit zu vereinbarende Benachteiligung des Unternehmers vor, so dass von einem Missbrauch der Verbraucherschutzrechte gesprochen werden kann. Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung für die rein vorsätzliche Beschädigung der Kaufsache, bei der dem Verbraucher keine Schädigungsabsicht gegenüber dem Unternehmer vorzuwerfen ist. Auf der einen Seite ist die Abgrenzung zu einem Handeln mit Schädigungsabsicht nur sehr schwer zu handhaben. Auf der anderen Seite kann eine vorsätzliche Beschädigung, ähnlich wie eine grob fahrlässige Be283

Siehe oben Kap. 3 § 3 B. I. Vgl. zur Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB, Rn. 11.2. 285 Über § 823 Abs. 1 BGB wird das reine Vermögen jedoch anders als in § 826 BGB nicht geschützt, vgl. RGZ 95, 173, 174; BGHZ 41, 123, 126 f.; MüKo BGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 370; Canaris, FS Larenz, 27, 36; Canaris, VersR 2005, 577, 581; Medicus/Lorenz, Schuldrecht BT, Rn. 1306; Allerdings genießt das Vermögen als solches über § 823 Abs. 2 i. V. m. einem Schutzgesetz deliktsrechtlichen Schutz, vgl. BeckOGK/Spindler, § 823 BGB Rn. 8. 284

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

schädigung, als bewusste Schädigung eigenen Vermögens erfolgen. In Betracht kommt etwa der Fall, dass ein Verbraucher eine Playstation im Internet bestellt, diese sofort aufbaut und mit dem Spielen beginnt. Hierbei gerät er jedoch derart in Rage, dass er den Playstation-Controller gegen die Wand wirft, wodurch dieser irreparabel beschädigt wird. Hierbei erfolgt zwar die Zerstörung des Playstation-Controllers vorsätzlich, allerdings steht sie in keinem Zusammenhang zum Widerruf. Es besteht damit ein deutlicher Unterschied zu den Fällen, in denen der Verbraucher die Sache in Schädigungsabsicht zerstört. Denn bei einer rein vorsätzlichen Beschädigung steht wiederum die rein wirtschaftliche Benachteiligung des Unternehmers im Vordergrund. Zudem hat er zum Zeitpunkt der Beschädigung noch keine gesicherte Aussicht auf den Rückerwerb des Eigentums an der Ware, da noch unklar war, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen wird oder nicht. Demnach erscheint weder das Interesse des Verbrauchers vernachlässigenswert noch das Interesse des Unternehmers übermäßig schützenswert. Von einer grob unbilligen, nicht mit der Gerechtigkeit zu vereinbarenden Benachteiligung des Unternehmers kann somit bei der vorsätzlichen Beschädigung der Ware nach Kenntnis vom Widerrufsrecht nicht gesprochen werden. Infolgedessen liegt in diesen Fällen kein Missbrauch der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB vor. Es lässt sich somit festhalten, dass bei einer Beschädigung oder Zerstörung der Ware in Kenntnis vom Widerrufsrecht (Phase 2) nur dann eine Berufung auf die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB missbräuchlich erscheint, wenn der Verbraucher mit Schädigungsabsicht gehandelt hat.

IV. Die Missbrauchsgefahr nach Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher (Phase 3) Das Stadium, das für missbräuchliches Verhalten am anfälligsten ist, besteht sicherlich in der Zeit zwischen der Erklärung des Widerrufs und der Rückübereignung des Leistungsgegenstands an den Unternehmer. Denn hier ist sich der Verbraucher bewusst, dass er die Sache nicht mehr nutzen darf und sie definitiv an den Unternehmer zurückzugewähren ist. Benutzt er sie dennoch und erleidet sie hierbei etwa infolge einer Beschädigung, einer Zerstörung oder in sonstiger Weise einen Wertverlust, hat zwar der Unionsgesetzgeber mit Art. 14 Abs. 5 VRRL die Entscheidung getroffen, ihn neben der Wertersatzpflicht aus Art. 14 Abs. 2 VRRL bzw. § 357 Abs. 7 BGB nicht haften zu lassen. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob das dem Handeln des Verbrauchers zu Grunde liegende Interesse in allen Fällen schutzwürdig ist. Als Anhaltspunkt kommt auch hier das Vertretenmüssen des Verbrauchers in Betracht, so dass im Folgenden eine Differenzierung anhand der Form des Verschuldens erfolgt. Wenn der Verbraucher die Beschädigung oder Zerstörung der Ware nicht zu vertreten hat, kann er gleichwohl einem Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB oder §§ 280 Abs. 1, 283 BGB ausgesetzt sein. Möglich ist dies unter

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den Voraussetzungen des § 287 S. 2 BGB, wonach der Verbraucher auch für Zufall haftet, wenn er sich mit der Rückgabe der Ware in Verzug im Sinne des § 286 BGB befindet. Hervorzuheben ist, dass in diesem Zusammenhang die Besonderheit besteht, dass ein Anspruch wegen eines Verzugsschadens aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB nicht von § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine Zufallshaftung wertungsmäßig „unterhalb“ der Haftung für leichte Fahrlässigkeit angesiedelt ist. Infolgedessen muss eine Berufung auf die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB in Fällen einer Zufallshaftung erst recht möglich sein, wenn man eine solche in Fällen leicht fahrlässiger Beschädigungen der Sache als zulässig ansieht. Würde man jedoch bereits bei jeder leicht fahrlässigen Beschädigung oder Zerstörung der zurückzusendenden Ware in diesem Stadium die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers verneinen und im Ergebnis für eine Nichtanwendbarkeit des § 361 Abs. 1 BGB plädieren, liefe die Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB für Schadensersatzansprüche, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, vollkommen leer. Man wird daher anerkennen müssen, dass eine gesetzgeberische Wertung dahingehend besteht, dass dem Verbraucher auch in diesem Stadium die Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB grundsätzlich gestattet ist. Aus diesem Grund scheidet die Bewertung als Rechtsmissbrauch zumindest dann aus, wenn der im Raum stehende Schadensersatzanspruch auf einer leicht fahrlässig zu vertretenen Pflichtverletzung beruht oder eine Haftung für einen zufälligen Untergang oder eine zufällige Verschlechterung besteht. Der vom Gesetzgeber intendierte Schutz des Verbrauchers setzt sich auch bei normaler Fahrlässigkeit fort. Denn auch hier darf sich der Rechtsanwender nicht über die gesetzliche Wertung des Unionsgesetzgebers hinwegsetzen286, so dass das Interesse des Verbrauchers an einer Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB infolge einer normal fahrlässigen Beschädigung oder Zerstörung der Ware als schutzwürdig einzustufen ist. Zudem ist auch hier eine überwiegende Schutzwürdigkeit des Unternehmers fragwürdig, da erneut rein wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen. Darüber hinaus muss auch der vom Gesetzgeber intendierte Sanktionsgedanke Niederschlag in der Anwendung der Norm finden. Der Unternehmer soll für seinen Belehrungsverstoß deutlich sanktioniert werden, um – im Sinne einer präventiven Maßnahme – solche Verstöße in Zukunft zu vermeiden.287 Von einer grob unbilligen, nicht mit der Gerechtigkeit zu vereinbarenden Benachteiligung des Unternehmers kann somit bei dem Anspruchsausschluss für den Fall einer rein fahrlässigen Beschädigung der Ware nicht gesprochen werden. Nachdem festgestellt worden ist, dass eine leicht oder normal fahrlässig verursachte Beschädigung der Ware und die anschließende Berufung auf die Aus286 So auch Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1851, wobei er nicht von Rechtsmissbrauch, sondern von einer ungerechtfertigten Privilegierung spricht. Über diese könne sich jedoch allenfalls bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz hinweggesetzt werden. 287 Vgl. zur Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB, Rn. 11.2.

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schlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB kein missbräuchliches Verhalten darstellen, widmet sich nun der folgende Teil den hier wohl relevantesten Graden des Vertretenmüssens: der groben Fahrlässigkeit und dem Vorsatz. Zunächst ist also zu fragen, ob ein schutzwürdiges Interesse besteht, sich auf § 361 Abs. 1 BGB zu berufen, wenn der Verbraucher die Ware nach Erklärung des Widerrufs pflichtwidrig weiternutzt und dabei oder auf sonstige Weise grob fahrlässig beschädigt oder zerstört. Hier nutzt der Verbraucher die Sache nicht nur, obwohl er den Gebrauch vollständig einzustellen hat, sondern er beschädigt sie auch noch, indem er einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseitegeschoben und das nicht beachtet hat, was sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte.288 Denn es ist eine Sache, die Ware zu nutzen, obwohl der Gebrauch einzustellen ist. Es ist aber eine andere, wenn bei dieser pflichtwidrigen Nutzung so rücksichtslos damit umgegangen wird, dass sie (nahezu) zwangsläufig beschädigt oder zerstört werden muss. Diese absolute Rücksichtslosigkeit hinsichtlich der wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers könnte gegen eine Schutzwürdigkeit des Interesses des Verbrauchers sprechen. Ein zusätzliches gesamtwirtschaftliches Argument gegen eine Schutzwürdigkeit des Interesses des Verbrauchers besteht darin, dass er sich aufgrund eines versicherten Risikos verantwortungslos verhalten kann. Diese Situation wird in den Wirtschaftswissenschaften als moral hazard bezeichnet.289 In gewisser Weise „versichert“ wird hier das Risiko des Verbrauchers, die Folgen einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Zerstörung oder Beschädigung der Kaufsache tragen zu müssen: Sie würden aufgrund der Regelung in § 361 Abs. 1 BGB vielmehr immer vom Unternehmer getragen werden. In der ökonomischen Praxis wird zum Beispiel von der Versicherungsbranche ein moral hazard dadurch vermieden, dass vertraglich Selbstbehalte vereinbart werden, die vom Versicherten in jedem Fall bei der Verursachung eines Schadens zu tragen sind.290 Um den moral hazard infolge einer Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB bei grob fahrlässigen Beschädigungen der Waren zu verhindern, kommt nur eine Einstufung des Interesses des Verbrauchers als nicht schutzwürdig und die Annahme eines Rechtsmissbrauchs in Betracht. Gründe dafür, dass das Interesse des Verbrauchers an einer Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB entgegen dieser Argumente als schutzwürdig anzusehen wäre, wenn er die Kaufsache nach Erklärung des Widerrufs grob fahrlässig beschädigt, sind nicht ersichtlich. Folglich ist das Interesse des Verbrauchers an der Geltendmachung der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB nicht schutzwürdig, wenn er die Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts grob fahrlässig zerstört oder beschädigt. 288 Vgl. zur Definition von grober Fahrlässigkeit, BGHZ 10, 14; BGHZ 89, 153; BGH NJW 1999, 3235, 3236. 289 Vgl. hierzu auch Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1851, der den moral hazard bei einer ungerechtfertigten Privilegierung durch eine vollkommene Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB anspricht. 290 Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1851.

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Darüber hinaus müsste für einen Missbrauch aber auch das Interesse des Unternehmers besonders schützenswert sein. Hierbei ist problematisch, dass wiederum die wirtschaftliche Belastung des Unternehmers im Vordergrund steht, welche an sich keine übermäßige Schutzwürdigkeit zu begründen vermag. Allerdings besteht hier das zusätzliche Interesse des Unternehmers, dass mit den an ihn zurückzugewährenden Waren nicht vollkommen rücksichtslos umgegangen wird. Dies geht insoweit über das normale wirtschaftliche Interesse an dem unversehrten Erhalt der gelieferten Sachen hinaus, als die Beschädigung oder Zerstörung infolge von normaler Fahrlässigkeit dieselben wirtschaftlichen Folgen für den Unternehmer haben kann wie diejenige infolge einer groben Fahrlässigkeit. Zusätzlich spricht – spiegelbildlich zur mangelnden Schutzwürdigkeit des Interesses des Verbrauchers – auch der gesamtwirtschaftliche Aspekt des moral hazard für eine überwiegende Schutzwürdigkeit des Interesses des Unternehmers an dem Erhalt derartiger Schadensersatzansprüche. Es muss allerdings auch der Sanktionsgedanke der unterbliebenen Widerrufsbelehrung berücksichtigt werden, wodurch der Unternehmer generell zur ordnungsgemäßen Belehrung des Verbrauchers angehalten werden soll. Allerdings kann dieser in dem Stadium nach (wirksamer) Ausübung des Widerrufsrechts etwas abgemildert werden, da einer Widerrufsbelehrung in dieser Phase nur noch eine untergeordnete Funktion zukommt. Denn sie beschreibt auf Rechtsfolgenseite lediglich, dass der Kaufpreis binnen 14 Tagen nach Erhalt der Widerrufserklärung an den Verbraucher zurückzuüberweisen ist und dass die Rücksendekosten von ihm zu tragen sind.291 Deshalb steht der Sanktionsgedanke einer Einstufung des Interesses des Unternehmers als überwiegend schutzwürdig nicht zwingend entgegen. Vielmehr sprechen die Argumente für eine überwiegende Schutzwürdigkeit des Interesses des Unternehmers am Erhalt von Schadensersatzansprüchen, die infolge einer grob fahrlässigen Beschädigung der Ware nach Erklärung des Widerrufs entstehen. Mithin kann bei einer Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB infolge einer grob fahrlässigen Beschädigung der Kaufsache nach Ausübung des Widerrufsrechts von einem Missbrauch der Sperrwirkung ausgegangen werden. Dass grob fahrlässiges Verhalten eine Treuwidrigkeit im Sinne des § 242 BGB begründen kann, ist keineswegs ein Einzelfall. Insbesondere im Rahmen der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf Formmängel spielt die grobe Fahrlässigkeit eine Rolle. So kann es zum Beispiel sein, dass die grob fahrlässige Herbeiführung eines Formmangels dazu führt, dass eine Berufung auf ihn ausgeschlossen ist.292 Bei einer vorsätzlichen Beschädigung gelten die Argumente, die im Zusammenhang mit der Erörterung grob fahrlässigen Verhaltens vorgebracht wurden, erst recht. Hinzu kommt, dass bei einer vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung der Ware nach Erklärung des Widerrufs eine Schädigungsabsicht des Verbrauchers nahezu zwangsläufig vorliegen muss. Die schon schwierige Abgrenzung zwischen 291 292

Vgl. § 246 a EGBGB Anlage 1. BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 468.

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reinem Vorsatz und dem Vorsatz mit Schädigungsabsicht vor Erklärung des Widerrufsrechts ist nach Ausübung des Widerrufsrechts praktisch nicht möglich. Denn ein Verbraucher, der sich bewusst ist, dass die Ware an den Unternehmer zurückzusenden ist, sie aber trotzdem vorsätzlich beschädigt, muss zwangsläufig mit einer Schädigung des Unternehmers rechnen. Eine alternative Betrachtungsweise ist – anders als vor der Erklärung des Widerrufs, wo auch bei Vorsatz der Verbraucher im Zeitpunkt der Schädigungshandlung noch von einer Selbstschädigung ausgehen könnte – nicht mehr möglich. Deshalb ist hier das Interesse des Verbrauchers erst recht als nicht schutzwürdig einzustufen. Darüber hinaus ist auch das Interesse des Unternehmers übermäßig schutzwürdig. Zum einen muss es im Vergleich zur grob fahrlässigen Beschädigung als entsprechend schutzwürdig angesehen werden. Zum anderen treten hier noch die Erwägungen zu der vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung der Ware mit Schädigungsabsicht vor Erklärung des Widerrufs hinzu: Es besteht ein überwiegendes Interesse des Unternehmers, eine sittenwidrige Schädigung nicht ersatzlos hinnehmen zu müssen. Infolgedessen liegt auch bei einer Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB infolge einer vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung der Ware (mit Schädigungsabsicht) ein Missbrauch der Ausschlusswirkung vor. V. Alternative Anknüpfung: Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts Nachdem die Missbrauchsmöglichkeiten im Rahmen der Berufung auf die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB dargestellt wurden, stellt sich die Frage, ob man nicht bereits früher ansetzen sollte und bereits die Erklärung des Widerrufs als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB ansehen müsste.293 Allerdings sprechen hiergegen zwei entscheidende Aspekte: Zum einen besteht im Untertitel 293

So wohl MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 35, der insbesondere von einer Treuwidrigkeit ausgeht, wenn der Verbraucher zwar nicht ordnungsgemäß belehrt wurde, aber im Rahmen einer formal nicht ordnungsgemäßen Belehrung über die Verpflichtung zum Wertersatz aufgeklärt wurde oder wenn er nach unsorgfältigem Umgang mit der Sache oder nach ihrem ausgiebigen bestimmungsgemäßen Gebrauch sein Widerrufsrecht ausübt. Allerdings wird dem auch wegen der hohen Hürden einer Treuwidrigkeit im Ergebnis nicht zugestimmt werden können. Denn nach seiner Formulierung wäre die Ausübung des Widerrufsrechts immer dann treuwidrig, wenn der Verbraucher nur über die Verpflichtung zum Wertersatz belehrt wurde, was nach neuer Rechtslage nicht einmal vom Gesetz gefordert wird. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Rechtschreibfehler und sollte statt „oder“ „und“ heißen wie noch in der Vorauflage. Aber selbst bei einer solchen Lesart vermag der rein fahrlässige Umgang mit der Sache oder gar der ausgiebige bestimmungsgemäße Gebrauch eine Treuwidrigkeit nicht zu begründen, da hierbei unklar ist, ob der Vertrag überhaupt widerrufen wird und ein solcher Umgang vom Verbraucher als reine Schädigung eigenen Vermögens angesehen werden kann, hierzu detailliert oben unter Kap. 3 § 3 B. III., zu den Voraussetzungen einer Treuwidrigkeit einer Widerrufserklärung allgemein vgl. unten die Darstellung im Rahmen des Weiterverkaufs der Ware, wo eine Unwirksamkeit der Widerrufserklärung ausführlich geprüft wird, Kap. 3 § 4 A. I. 1.

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des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen mit dem Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB eine Kompensationsvorschrift für Verschlechterungen oder die Zerstörung der Ware. Deren Wertung und die des § 361 Abs. 1 BGB würde umgangen werden, wenn man bereits die Erklärung des Widerrufs als unwirksam ansehen würde. Außerdem würde eine solche Bewertung zu einer Spaltung zwischen der rechtlichen Beurteilung von Verschlechterungen und Zerstörungen vor Ausübung des Widerrufsrechts (Phase 2) und von solchen nach dessen Ausübung (Phase 3) führen. Denn bei Verschlechterungen nach Ausübung des Widerrufsrechts ließe sich nicht mehr rückwirkend an die Erklärung des Widerrufs anknüpfen, sondern das Problem müsste über § 361 Abs. 1 BGB gelöst werden. Dementsprechend würde bei einer Verschlechterung vor Erklärung des Widerrufs eine Treuwidrigkeit der Widerrufserklärung im Raum stehen und nach dessen Erklärung eine Treuwidrigkeit der Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB. Da allerdings diesen Fällen dieselbe Problematik innewohnt, empfiehlt es sich, diese einheitlich unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB zu behandeln. VI. Zusammenfassung Abschließend kann festgehalten werden, dass in folgenden Fällen eine Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB einzustufen ist: 1. Wenn der Verbraucher die Kaufsache in Kenntnis vom Widerrufsrecht, aber vor dessen Ausübung (Phase 2), vorsätzlich mit der Absicht beschädigt oder zerstört, den Unternehmer zu schädigen. 2. Wenn der Verbraucher die Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts (Phase 3) grob fahrlässig beschädigt oder zerstört. 3. Wenn der Verbraucher die Kaufsache nach Ausübung des Widerrufsrechts (Phase 3) vorsätzlich (in Schädigungsabsicht) zerstört oder beschädigt.

C. Dogmatische Umsetzungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Missbrauchsmöglichkeiten: § 242 BGB und der unionsrechtliche Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauch Nachdem nun festgestellt wurde, wann eine missbräuchliche Berufung auf die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage nach dogmatischen Umsetzungsmöglichkeiten. Es erscheint natürlich naheliegend, auf § 242 BGB zurückzugreifen, da der deutsche Begriff des Rechtsmissbrauchs ein Spezialfall des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt. In diesem Kontext könnte man über eine teleologische Reduktion

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oder eine Korrektur des § 361 Abs. 1 BGB über § 242 BGB nachdenken. Allerdings darf die europarechtliche Einkleidung der Norm hierbei nicht in Vergessenheit geraten. Eine Anwendung des § 242 BGB könnte nämlich aufgrund der Vollharmonisierung zu einer unzureichenden Umsetzung der VRRL führen. Deshalb muss zunächst die Frage gestellt werden, ob bereits auf unionsrechtlicher Ebene ein Verbot des Rechtsmissbrauchs besteht und so bereits eine Korrektur im Rahmen der Richtlinie selbst möglich ist. Sofern dies der Fall sein sollte, ist zu erörtern, ob ein unionsrechtliches Verbot von rechtsmissbräuchlichem Verhalten unmittelbare Wirkung entfaltet oder ob es im nationalen Recht eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedarf. In manchen Richtlinien finden sich Vorschriften, die die Anwendung des (allgemeinen) Grundsatzes von Treu und Glauben explizit vorschreiben. Zum Beispiel geht Art. 3 der Klauselrichtlinie 93/13/EG davon aus, dass eine Vertragsklausel […] als missbräuchlich anzusehen ist, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Auch in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken wird in Art. 2 lit. h auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben Bezug genommen, indem die berufliche Sorgfalt als der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt definiert wird, bei dem billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/ oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet.294 In der VRRL existiert hingegen keine Norm, die von Treu und Glauben oder rechtsmissbräuchlichem Verhalten spricht. Es können deshalb nur richtlinienübergreifende Grundsätze herangezogen werden. Ob ein (allgemeiner) Grundsatz von Treu und Glauben auf unionsrechtlicher Ebene existiert, wird nicht einheitlich beurteilt. Vom EuGH und dem EuG wurden ein solcher allgemeiner Grundsatz von Treu und Glauben bislang nicht anerkannt.295 Demgegenüber wird in der Literatur teilweise vertreten, dass ein allgemeiner Grundsatz von Treu und Glauben im Unionsrecht existiere.296 Für die hier zu behandelnde Frage ist diese Problematik allerdings nicht entscheidungsrelevant, da auf den (spezielleren) unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauch zurückgegriffen werden kann. 294 Weitere Beispiele finden sich in Art. 3 I, 4 I RL 86/653/EG (Handelsvertreterrichtlinie) und Art. 6 lit. a RL 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie). 295 MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 150; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, Rn. 563 f., 571 f.; Schulte-Nölke/Schulze/Sanz, Europäisches Vertragsrecht im Gemeinschaftsrecht, 127 ff.; Zimmermann, Das Rechtsmissbrauchsverbot im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 190; siehe auch Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 1242 ff. 296 Heiderhoff, EU-Privatrecht, Rn. 284 ff.; Fleischer, JZ 2003, 865, 871, der Treu und Glauben zu den „gemeinschaftsrechtlichen Fixsternen“ zählt; wohl auch Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, S. 310, der davon ausgeht, dass der Grundsatz dem Sekundärrecht nicht vorgeht, aber mit ihm auf einer Stufe steht.

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Es finden sich zwar auch ausdrückliche Missbrauchsverbote in einzelnen Richtlinien297, doch sprach der EuGH in der Rechtssache Kofoed davon, dass die von ihm auszulegende Richtlinienbestimmung den allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts widerspiegle, wonach Rechtsmissbrauch verboten sei.298 Es erscheint demnach denkbar, dass ein solcher Grundsatz als Anknüpfungspunkt für die rechtsmissbräuchliche Berufung auf Vorschriften der VRRL herangezogen werden kann, obwohl die VRRL selbst keine ausdrückliche Missbrauchsschranke enthält. I. Historische Entwicklung des unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots von Rechtsmissbrauch 1. Beginn der Entwicklung im Rahmen der Grundfreiheiten Der EuGH beschäftigte sich jedoch bereits vor der Entscheidung in der Rechtssache Kofoed mit Rechtsmissbrauch im Gemeinschaftsrecht. Seinen Ursprung fand das Verbot von Rechtsmissbrauch in der Funktion als ungeschriebene299 Schranke der Grundfreiheiten. Bereits 1974 hat sich der EuGH in der Rechtssache Van Binsbergen300 mit einer rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit auseinandergesetzt. Hintergrund war, dass ein niederländischer Prozessbevollmächtigter, der Rechtssuchende vor Gerichten ohne Anwaltszwang vertrat, während eines Gerichtsverfahrens seinen Wohnsitz von den Niederlanden nach Belgien verlegte, womit er nach niederländischem Recht eigentlich nicht mehr prozessführungsbefugt war. Ein solches Erfordernis einer festen beruflichen Niederlassung von Hilfspersonen der Justiz innerhalb des Bezirks bestimmter Gerichte ist nach dem EuGH mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, wenn es sachlich geboten ist, um die Einhaltung von Berufsregeln zu gewährleisten, welche sich auf das Funktionieren der Justiz und die Erfüllung der Standespflichten beziehen. In diesem Kontext führte der EuGH ferner aus, dass „einem Mitgliedstaat nicht das Recht zum Erlass von Vorschriften abgesprochen werden [kann], die verhindern sollen, dass der Erbringer einer Leistung, dessen Tätigkeit ganz oder 297 Art. 3 Abs. 1 Durchsetzungsrichtlinie (RL 2004/48/EG) bestimmt zum Beispiel, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vorsehen, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums erforderlich sind. In Art. 3 Abs. 2 Durchsetzungsrichtlinie wird festgelegt, dass diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen und so angewendet werden müssen, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist. 298 EuGH Slg 2007, I-5795, Rn. 38 – Kofoed. 299 Vgl. zur Möglichkeit einer Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit außerhalb des geschriebenen Rechts, GA Lenz, Rs. C-23/93, 05.10.1994, Slg. 1994, I-4795, Rn. 39 f. – TV10. 300 EuGH 33/74, Slg. 1974, 1299 – Van Binsbergen; vgl. zur Beurteilung als leading case in der Lehre Baudenbacher, ZfRV 2008, 205.

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vorwiegend auf das Gebiet dieses Staates ausgerichtet ist, sich die durch Artikel 59 garantiere Freiheit zunutze macht, um sich den Berufsregelungen zu entziehen, die auf ihn Anwendung fänden, wenn er im Gebiet dieses Staates ansässig wäre; […].“301

Seit dieser Entscheidung findet sich immer wieder der Hinweis, dass die Mitgliedstaaten die missbräuchliche Ausnutzung der Grundfreiheiten unterbinden können. So entschied der Gerichtshof mehrfach – wie schon abstrakt in der Rechtssache Van Binsbergen formuliert –, dass sich Dienstleistende nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen können, wenn ihre Tätigkeit auf das Gebiet des betroffenen Mitgliedstaats ausgerichtet ist und sie sich der Dienstleistungsfreiheit bedienen wollen, um sich den speziellen Berufsausübungsregeln zu entziehen.302 Für die Niederlassungsfreiheit wurde in ähnlicher Weise für Fälle entschieden, in denen sich Staatsangehörige eines Mitgliedstaats auf die Niederlassungsfreiheit zur Umgehung von nationalen Qualifikationsanforderungen berufen wollten.303 So stellte der Gerichtshof in der Rechtssache Knoors fest, „dass ein Mitgliedstaat ein berechtigtes Interesse daran haben kann, zu verhindern, dass sich einige seiner Staatsangehörigen unter Missbrauch der durch den Vertrag geschaffenen Erleichterungen der Anwendungen ihrer nationalen Berufsausbildungsvorschriften zu entziehen versuchen.“304

Daneben kam einer Entscheidung aus dem internationalen Gesellschaftsrecht eine bedeutende Rolle für die Beurteilung eines Missbrauchs der Niederlassungsfreiheit zu, da sie die Rechtsprechung aus der Rechtssache Knoors weiter konkretisierte und damit den Grundstein für die zukünftige Entwicklung der Missbrauchsrechtsprechung legte. Es handelt sich hierbei um die Rechtssache Centros.305 In dem Fall ging es darum, dass ein dänisches Ehepaar in England eine private limited company namens Centros gründete, wobei das britische Recht keine Einzahlung eines Mindestkapitals vorschreibt. Nach dänischem Recht galt die Centros als ausländische GmbH, die in Dänemark über eine Zweigniederlassung tätig werden konnte. Eine Eintragung als Zweigniederlassung wurde jedoch von der zuständigen dänischen Behörde abgelehnt. Zur Begründung führte sie an, dass Centros keinerlei Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich entfalte und unter Umgehung der 301

EuGH 33/74, Slg. 1974, 1299, Rn. 13 – Van Binsbergen. EuGH 130/88, Slg. 1989, 3039, Rn. 26 – van de Bijl; EuGH C-148/91, Slg. 1993, I-487, Rn. 12 – 15 – Veronica Omroep Organisatie; EuGH C-23/93, Slg. 1994, I-4795, Rn. 20 – 22 – TV10; EuGH 39/75, Slg. 1975, 1547, Rn. 8 – 11 – Coenen. 303 Vgl. exemplarisch EuGH C-61/89, Slg. 1990, I-3551, Rn. 14 – Bouchoucha; EuGH 115/78, Slg. 1979, 399, Rn. 25 – Knoors, wo allerdings ein Missbrauch im konkreten Fall verneint wurde. 304 EuGH 115/78, Slg. 1979, 399, Rn. 25 – Knoors, wobei der EuGH im konkreten Fall keine Missbrauchsgefahr sah, da gemeinschaftsrechtliche Bestimmung klare Voraussetzungen hinsichtlich der notwendigen Dauer der beruflichen Beschäftigung festsetzte. 305 EuGH C-212/97, Slg. 1999, I-1459 – Centros; vgl. zu den Folgen für das Internationale Privatrecht der Entscheidung Kindler, NJW 1999, 1993; Forsthof, EuR 2000, 167. 302

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nationalen Vorschriften, insbesondere der Mindestkapitalaufbringung, beabsichtige, anstelle einer Zweigniederlassung, einen Hauptsitz in Dänemark zu errichten. Der EuGH entschied, dass die Verweigerung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig errichteten Gesellschaft auch dann gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, wenn die komplette Geschäftstätigkeit in dem Staat der Zweigniederlassung angesiedelt ist. Dennoch erwähnte er, dass „die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats alle geeigneten Maßnahmen treffen können, um Betrügereien zu verhindern oder zu verfolgen.“306 In diesem Zusammenhang führte er ferner – in Erweiterung der allgemeinen Formel aus der Rechtssache Knoors307 – aus, dass die nationalen Gerichte das missbräuchliche oder betrügerische Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen können, um ihnen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht zu verwehren. Bei der Würdigung eines solchen Verhaltens haben sie jedoch die Ziele der fraglichen Bestimmungen zu beachten.308 Der hier vorliegende Sachverhalt reiche für die Annahme eines missbräuchlichen oder betrügerischen Verhaltens nicht aus, da es gerade Sinn und Zweck der Niederlassungsfreiheit sei, mit einer Zweigniederlassung in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden.309 Schließlich finden sich auch Fälle, in denen ein Missbrauch der Warenverkehrsfreiheit im Raum stand. So ging es zum Beispiel in der Rechtssache Leclerc310 um die Vereinbarkeit einer französischen Buchpreisbindung mit der Warenverkehrsfreiheit, da sie auch importierte Bücher betraf. Der EuGH konstatierte, dass eine solche Regelung grundsätzlich eine verbotene Maßnahme gleicher Wirkung darstelle. Eine Ausnahme hiervon nahm er jedoch an, wenn die Ausfuhr der Waren nur zum Zwecke der Wiedereinfuhr und der damit verbundenen Umgehung einer gesetzlich geregelten Buchpreisbindung erfolgt.311 Infolgedessen unterlagen diese nicht mehr dem Schutz der Warenverkehrsfreiheit. Im Kontext der Grundfreiheiten dient das Rechtsmissbrauchsverbot somit dazu, eine Inanspruchnahme der Grundfreiheiten zu verhindern, wenn diese nur den Zweck

306

EuGH C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rn. 39 – Centros. EuGH 115/78, Slg. 1979, 399, Rn. 25 – Knoors. 308 EuGH C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rn. 25 – Centros; Diese Aussage fand sich bereits im Urteil in der Rs. Paletta (EuGH C-45/90, Slg. 1992, I-3423, Rn. 25 – Paletta I), welches allerdings auf den Rechtsmissbrauch einer Verordnung und nicht einer Grundfreiheit gerichtet war. Aus systematischen Gründen wird der Rechtsmissbrauch im Rahmen von Verordnungen oder Richtlinien aber erst an späterer Stelle behandelt, weshalb an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen wird. 309 EuGH C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rn. 26 f – Centros. 310 EuGH 229/83, Slg. 1985, 1 – Leclerc. 311 EuGH 229/83, Slg. 1985, 1, Rn. 27 – Leclerc; vgl. auch EuGH 299/85, , Slg. 1985, 2515, Rn. 6 – 9 – Leclerc/Syndicat des librairies de Loire.Océan; EuGH 95/84, Slg. 1986, 2286, Rn. 6 – 8 – Boriello/Alain Darros. 307

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verfolgt, sich der Anwendung nationaler, gemeinschaftsrechtskonformer Regelungen zu entziehen oder deren Anwendung in irgendeiner Weise zu umgehen.312 2. Weiterentwicklung im Rahmen von Verordnungen Der EuGH beschäftigte sich neben der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die Grundfreiheiten auch seit den achtziger Jahren zunehmend313 mit dem Verbot des Rechtsmissbrauchs im Rahmen des Sekundärrechts, beginnend mit der Berufung auf Rechte aus Verordnungen. So ging es in der Rechtssache Lair314 um die Gewährung einer Ausbildungsförderung nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG), die der Antragstellerin von der Universität Hannover versagt worden war, weil sie zuvor nicht fünf Jahre in Deutschland erwerbstätig war, was für ausländische Studierende nach dem BAföG eine Anspruchsvoraussetzung darstellte. Sie befand sich zwar seit über fünf Jahren in Deutschland, arbeitete währenddessen aber nur zweieinhalb Jahre, während sie in den darauffolgenden drei Jahren kurzzeitig beschäftigt, aber überwiegend arbeitslos war oder sich in Umschulung befand.315 Der EuGH befand, dass eine Mindestdauer beruflicher Tätigkeit nicht zur Voraussetzung für den Anspruch aus der Verordnung auf die sozialen Vergünstigungen gemacht werden könne. Eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit oder eine Umschulung aufgrund einer ungünstigen Arbeitsmarktlage ändere nichts an der Wanderarbeitnehmereigenschaft der betroffenen Person.316 Ein missbräuchliches Verhalten sei allerdings nicht durch die in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen gedeckt. Ein solches könne vorliegen „[…], wenn sich anhand objektiver Merkmale nachweisen ließe, dass sich ein Arbeitnehmer nur in der Absicht in einen Mitgliedstaat begibt, dort nach einer sehr kurzen Berufstätigkeit eine Förderung für Studenten in Anspruch zu nehmen […].“317

Während sich der EuGH in der Rechtssache Lair nur zum rechtsmissbräuchlichen Verhalten im konkreten Fall äußerte, gab er in einer weiteren Rechtssache aus dem Arbeitsrecht den mitgliedstaatlichen Gerichten allgemeinere Maßstäbe an die Hand, 312 Vgl. auch Schmidt-Kessel, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2000, 61, 67; wird auch als Umgehungsrechtsprechung bezeichnet, so z. B. GA Lenz, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795, Rn. 12, 21, 50 – TV10. 313 In gewisser Weise war die Rechtssache Cremer im Jahr 1977 (EuGH 125/76, Slg. 1977, 1593, Rn. 21 – Cremer) ein Vorläufer, da der EuGH hier feststellte, dass der Anwendungsbereich der einschlägigen Verordnung im Agrarbereich keinesfalls so weit ausgedehnt werden darf, dass er missbräuchliche Praktiken deckt. Allerdings finden sich darüber hinaus keine weiteren Erläuterungen, so dass sich die Rechtssache Lair besser zur Einführung eignet. 314 EuGH 39/86, Slg. 1988, 3161 – Lair. 315 EuGH 39/86, Slg. 1988, 3161, Rn. 3 f. – Lair. 316 EuGH 39/86, Slg. 1988, 3161, Rn. 37, 44 – Lair; bei der in Rede stehenden Rechten aus der Verordnung handelte es sich um Art. 7 Abs. 2 (EWG) Verordnung Nr. 1612/68. 317 EuGH 39/86, Slg. 1988, 3161, Rn. 43 – Lair.

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die sich auch für die Übertragung auf andere Fälle eigneten. Es ging um die Entgeltfortzahlungspflicht eines deutschen Arbeitgebers, der das italienische Attest einer bei ihm arbeitenden Familie nicht anerkennen wollte, da sich diese – wie bereits in den Vorjahren – während des Jahresurlaubs in Italien krankschreiben ließ.318 Der EuGH bestätigte zunächst die Bindungswirkung einer solchen Bescheinigung auch für die Fälle, in denen der Arbeitgeber die Angaben nicht prüfen kann.319 Weiter verwies er jedoch auf seine Rechtsprechung auf den Gebieten der Dienstleistungsfreiheit, des freien Warenverkehrs und der Arbeitnehmerfreizügigkeit, nach der „die missbräuchliche oder betrügerische Geltendmachung von Gemeinschaftsrecht nicht gestattet ist. […] Die nationalen Gerichte können also das missbräuchliche oder betrügerische Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien zwar in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht zu verwehren, haben jedoch bei der Würdigung eines solchen Verhaltens die Ziele der fraglichen Bestimmungen zu beachten.“320

Der EuGH hat demnach bei der Anwendung des Verbots von Rechtsmissbrauch nicht zwischen der Berufung auf Rechte aus Verordnungen und der Berufung auf die Grundfreiheiten differenziert, sondern wendet dieselben Kriterien einheitlich an.321 Im konkreten Fall hielt es der EuGH jedoch für nicht mit den Zielen des Art. 18 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 vereinbar, wenn der Arbeitnehmer einen zusätzlichen Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit erbringen müsste, obwohl ernsthafte Zweifel an seiner Arbeitsunfähigkeit bestünden, da Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers gerade vermieden werden sollen. Dem Arbeitgeber stünde es hingegen frei, den Nachweis des missbräuchlichen Verhaltens zu erbringen.322

318

EuGH C-45/90, Slg. 1992, I-3423 – Paletta I; EuGH C-206/94, Slg. 1996, I-2357 – Paletta II; In dem Verfahren vor den deutschen Arbeitsgerichten wurde der EuGH zweimal zur Vorabentscheidung ersucht. Zunächst legte das Arbeitsgericht Lörrach dem EuGH unter anderem die Frage vor, inwieweit der Arbeitgeber an die Bescheinigung gebunden ist, wenn er die Angaben nicht prüfen kann, sondern lediglich bei der Krankenkasse anregen kann, den Arbeitnehmer durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen zu lassen. Das BAG legte dem EuGH zusätzlich unter anderem die Frage vor, ob der Arbeitgeber dennoch einen Missbrauchstatbestand beweisen könne, aus dem mit Sicherheit oder hinreichender Wahrscheinlichkeit zu schließen ist, dass Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen hat; vgl. zu den Sachverhaltsangaben LAG Baden-Württemberg NZA-RR 2000, 514. 319 EuGH C-45/90, Slg. 1992, I-3423, Rn. 27 – Paletta I; bei der in Rede stehenden Norm handelt es sich um Art. 18 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 574/72. 320 EuGH C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 24 f. – Paletta II. 321 Beziehungsweise legte er mit seinem zweiten Satz den Grundstein für die Entscheidung Centros, wie bereits in Fn. 308 näher ausgeführt. 322 EuGH C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 26 f. – Paletta II; Nach Rückverweisung durch das BAG entschied das LAG im konkreten Fall, dass unter Berücksichtigung der Umstände der Krankmeldung die Familie Paletta nicht arbeitsunfähig erkrankt war und somit ein Missbrauch vorlag, womit ein Lohnfortzahlungsanspruch ausschied, LAG Baden-Württemberg NZA-RR 2000, 514, 515.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Für den Agrarbereich konstatierte der EuGH schließlich in der Rechtssache General Milk Products, dass Währungsausgleichbeträge für die Wiederausfuhr von neuseeländischem Cheddar-Käse nach der entsprechenden Verordnung nur dann zu gewähren sind, wenn sie nicht zu dem Zweck getätigt wurden, „die Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen missbräuchlich auszunutzen.“323 Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die – ebenfalls aus dem Agrarbereich stammende – Rechtssache Emsland-Stärke.324 Denn in dieser Entscheidung legte der EuGH erstmals ein subjektives Element als Voraussetzung für eine missbräuchliche Berufung auf unionsrechtliche Bestimmungen fest. Zugrunde lag der folgende Sachverhalt: Die Emsland-Stärke GmbH führte mehrmals Waren in die Schweiz aus, woraufhin das Hauptzollamt Hamburg hierfür Ausfuhrerstattungen gewährte. Die Waren wurden jedoch unmittelbar nach der Abfertigung zum freien Verkehr in der Schweiz unverändert und mit demselben Transportmittel wieder in die europäische Gemeinschaft eingeführt.325 Daraufhin wurden die Ausfuhrerstattungen vom Hauptzollamt Hamburg zurückgefordert. Grundlage für den Anspruch auf Rückzahlung dieser Ausfuhrerstattungen bildeten die Art. 9, 10 und 20 der Verordnung (EWG) Nr. 2730/79 in ihrer geänderten Fassung durch die Verordnung (EWG) Nr. 568/85. Der EuGH hielt fest, dass nach seiner Rechtsprechung Gemeinschaftsrechtsverordnungen bei missbräuchlichen Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern keine Anwendung fänden.326 Die erste Voraussetzung für die Feststellung eines Missbrauchs sei, „[…] dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde. Zum anderen setzt sie ein subjektives Element voraus, nämlich die Absicht, sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden. Der Beweis für das Vorliegen dieses subjektiven Elements kann u. a. durch den Nachweis eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem in der Gemeinschaft ansässigen Ausführer, der die Erstattungen erhält, und dem Einführer der Ware im Drittland erbracht werden. Es ist Sache des nationalen Gerichts, das Vorliegen dieser beiden Elemente festzustellen, für das der Beweis nach nationalem Recht zu erbringen ist, soweit dies die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigt […].“327

Dieses subjektive Erfordernis, nämlich die Absicht, sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden 323 EuGH C-8/92, Slg. 1993, I-779, Rn. 22 – General Milk Products; bei der in Rede stehenden Verordnung handelt es sich um die Verordnung (EWG) Nr. 900/84 in Verbindung mit der Verordnung (EWG) Nr. 1371/81. 324 EuGH C-110/99, Slg. 2000, I-11569 – Emsland-Stärke. 325 Vgl. zu den Sachverhaltsangaben EuGH Rs. C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 7, 8 – Emsland-Stärke. 326 EuGH C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 51 – Emsland-Stärke. 327 EuGH C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 52 ff. – Emsland-Stärke.

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Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden, war dem Missbrauchstatbestand bis dahin fremd. Dass es allerdings mit der Entscheidung in der Rechtssache EmslandStärke zu einem festen Bestandteil der Missbrauchsrechtsprechung werden sollte, zeigte sich in den Folgeentscheidungen im Agrarbereich, in denen der EuGH immer wieder auf dieses subjektive Element Bezug nahm.328 Es begann damit eine neue Ära der Missbrauchsrechtsprechung.329 3. Die Fortsetzung im Rahmen von Richtlinien Erst vor knapp 20 Jahren befasste sich der EuGH erstmals mit dem Verbot missbräuchlicher und betrügerischer Berufung auf Rechte aus Richtlinien. Den Anlass dafür gab ein griechisches Gesetz330, nach dem in notleitenden Privatunternehmen Kapitalerhöhungen in Sanierungsfällen durch Verwaltungsakt, mithin ohne Beteiligung der Aktionäre beschlossen werden konnten. Gegen einen solchen Akt wehrten sich Herr Kefalas und andere Aktionäre, da nach Art. 25 Abs. 1 der damals noch nicht umgesetzten zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 77/91/EWG eine Kapitalerhöhung stets einen Hauptversammlungsbeschluss erfordert.331 Der griechische Staat sah die Klage auf Ungültigkeitsfeststellung als missbräuchlich an und erhob die Einrede des Rechtsmissbrauchs nach Art. 281 des griechischen Zivilgesetzbuchs, wonach die „Ausübung eines Rechts […] unzulässig [ist], wenn dadurch die Grenzen, die nach Treu und Glauben, den guten Sitten oder dem sozialen oder wirtschaftlichen Zweck des betreffenden Rechts geboten sind, offensichtlich überschritten werden“.332 Dies wurde damit begründet, dass die Kapitalerhöhung die Gefahr der Entlassung von Arbeitnehmern und einen Konkurs der AG verhindert habe und gleichzeitig die Aktionäre durch den Wert ihrer Aktien geschützt wurden.333 Die Besonderheit bestand in der Rechtssache Kefalas damit nicht nur darin, dass es um die Anwendbarkeit des Missbrauchsverbots auf Rechte aus Richtlinien ging, sondern auch darin, dass eine nationale Norm zur Auflösung dieses Konflikts her328 Vgl. EuGH C-515/03, Slg. 2005, I-7355, Rn. 39 – Eichsfelder Schlachtbetrieb mit den identischen allgemeinen Ausführungen; EuGH C-279/05, Slg. 2007, I-239, Rn. 33 – Vonk Dairy Products BV, wobei hier statt der Formulierung, dass die Voraussetzungen „willkürlich“ geschaffen sein müssten, der Ausdruck „künstlich“ geschaffen werden, verwendet wurde. 329 Siehe auch Baudenbacher, ZfRV 2008, 205, 211. 330 Gesetz Nr. 1386/1983 vom 5. August 1983, insb. Art. 2 Abs. 3, 5 Abs. 1, 7, 8. 331 EuGH C-367/96, Slg. 1998, I-1843 – Kefalas; zuvor hatte der EuGH in der Rs. Pafitis in einem obiter dictum erstmals zur Anwendung einer nationalen Vorschrift über den Rechtsmissbrauch gegen Klagen der Aktionäre von Gesellschaften, die der Regelung des Gesetzes Nr. 1386/1983 unterstellt waren, Stellung bezogen. Hierbei hat er jedoch nicht entschieden, ob eine nationale Vorschrift herangezogen werden kann, um zu beurteilen, ob ein aus einer Gemeinschaftsvorschriften begründetes Recht missbräuchlich ausgeübt wird, sondern stellte nur – wie auch in der Rs. Kefalas – fest, dass die Anwendung einer solchen Vorschrift die volle Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen dürfe; EuGH C-441/93, Slg. 1996, I-01347, Rn. 67 ff. – Pafitis. 332 EuGH C-367/96, Slg. 1998, I-2843, Rn. 17 – Kefalas. 333 EuGH C-367/96, Slg. 1998, I-2843, Rn. 16 – Kefalas.

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angezogen wurde. Das vorlegende Gericht fragte damit unter anderem, ob ein nationales Gericht eine Vorschrift des innerstaatlichen Rechts anwenden könne, um zu prüfen, ob ein durch die betreffenden Gemeinschaftsvorschriften begründetes Recht von der berechtigten Prozesspartei missbräuchlich ausgeübt werde.334 Der EuGH führte aus, dass nach seiner Rechtsprechung die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht gestattet sei.335 Deshalb könne es „[…] nicht als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen werden, dass nationale Gerichte eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, wie Artikel 281 des griechischen Zivilgesetzbuchs, anwenden, um zu beurteilen, ob ein sich aus einer Gemeinschaftsbestimmung ergebendes Recht missbräuchlich ausgeübt wird.“336 Jedoch sei „[…] daran zu erinne[r]n, dass die Anwendung einer solchen nationalen Rechtsvorschrift nicht die volle Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten beeinträchtigen darf[…]. Insbesondere können die nationalen Gerichte bei der Beurteilung der Ausübung eines sich aus einer Gemeinschaftsbestimmung ergebenden Rechtes nicht die Tragweite dieser Bestimmung verändern oder die mit ihr verfolgten Zwecke vereiteln.“337

Der EuGH gibt den nationalen Gerichten damit ein Mittel an die Hand, um die Berufung auf das Gemeinschaftsrecht dann zu sanktionieren, wenn dessen Schranken überschritten sind, mit anderen Worten dort, wo die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung nicht beabsichtigt ist.338 Auf dieser Rechtsprechung baute der EuGH in seiner Entscheidung zur Rechtssache Diamantis339 auf. Der Sachverhalt ähnelte dem der Rechtssache Kefalas, denn auch hier wehrten sich Aktionäre gegen unionsrechtswidrige Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen ohne Hauptversammlungsbeschlüsse, mit denen die Sanierung der Gesellschaft bezweckt wurde. Ihnen wurde der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten, da sie zum einen die Unterstellung unter das griechische Gesetz und die damit verbundene Geschäftsführungsübernahme durch den Staat selbst mehrfach gefordert hatten und zum anderen letztlich von der anschließenden Sanierung der Gesellschaft profitiert hatten. Die Ausführungen des EuGH sind im Ausgangspunkt mit denen in der Rechtssache Kefalas identisch: Zunächst stellt er fest, dass „die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet [ist]. Eine solche läge vor, wenn der sich auf Artikel 25 Absatz 1 der Zweiten Richtlinie

334 335 336 337 338 339

EuGH C-367/96, Slg. 1998, I-2843, Rn. 18 – Kefalas. EuGH C-367/96, Slg. 1998, I-2843, Rn. 20 – Kefalas. EuGH C-367/96, Slg. 1998, I-2843, Rn. 21 – Kefalas. EuGH C-367/96, Slg. 1998, I-2843, Rn. 22 – Kefalas. Vgl. auch GA Saggio, C-373/97, Slg. 2000, I-01705, Rn. 22 ff. – Diamantis. EuGH C-373/97, Slg. 2000, I-01705 – Diamantis.

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berufende Aktionär eine Klage erhöbe, um widerrechtliche und mit dem Zweck dieser Vorschrift offensichtlich unvereinbare Vorteile zu Lasten der Gesellschaft zu erlangen“.340

In einem weiteren Schritt geht das Gericht dann – parallel zur Entwicklung bei der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf Rechte aus Verordnungen – jedoch über diesen Ausgangspunkt hinaus. Der EuGH führt nämlich des Weiteren wie in der Rechtssache Paletta341 aus, dass die „nationalen Gerichte […] das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen [können], um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten […]. Die Anwendung einer nationalen Vorschrift wie Artikel 281 des Zivilgesetzbuchs darf somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen.“342

Der Gerichtshof stellt zwar fest, dass der Wunsch nach einer Unterstellung der Gesellschaft unter das Gesetz nicht für einen Rechtsmissbrauch ausreiche, da die Unterstellung nicht zwangsläufig eine Kapitalerhöhung ohne einen Gesellschafterbeschluss nach sich ziehe.343 Es könne allerdings rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Kläger „[…] unter den verschiedenen Rechtsbehelfen, die für die Behebung einer durch einen Verstoß gegen diese Bestimmung entstandenen Lage zur Verfügung stehen, denjenigen ausgewählt hat, der den berechtigten Interessen Dritter einen derart schweren Schaden zufügt, dass er offensichtlich unverhältnismäßig ist. Eine solche Würdigung würde weder die Tragweite der genannten Bestimmung verändern noch ihre Zwecke beeinträchtigen.“344

Der zu dieser Anmerkung anregende Sachverhalt bestand darin, dass die Kapitalerhöhungen vier und fünf Jahre zurücklagen und durch die Vielzahl von Transaktionen infolge der Sanierung der Gesellschaft Rechte von gutgläubigen Dritten berührt sein können.345 Der Rahmen für die Feststellung eines unionsrechtlichen Rechtsmissbrauchs anhand einer nationalen Norm wurde somit durch die Entscheidung in der Rechtssache Diamantis weiter präzisiert. Wenige Jahre später ergänzte der EuGH in einer weiteren Entscheidung die Voraussetzungen für das Verbot von Rechtsmissbrauch – in Anlehnung an die Ausführungen in der Rechtssache Emsland-Stärke – um ein subjektives Element und stellte zudem fest, dass das Verbot des Rechtsmissbrauchs auch im Bereich des Mehrwertsteuerrechts Anwendung findet. In der betreffenden Rechtssache Hali340 EuGH C-373/97, Slg. 2000, I-01705, Rn. 33 – Diamantis; Hinsichtlich des zweiten Satzes fasst der EuGH seine Ausführungen in der Rs. Kefalas zusammen, u. a. C-367/96, Slg. 1998, I-2843, Rn. 28. 341 EuGH C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25. – Paletta II. 342 EuGH C-373/97, Slg. 2000, I-1705, Rn. 34 – Diamantis. 343 EuGH C-373/97, Slg. 2000, I-1705, Rn. 43 – Diamantis. 344 EuGH C-373/97, Slg. 2000, I-1705, Rn. 43 – Diamantis. 345 Schmidt-Kessel, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2000, 61, 65.

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fax346 stand die Auslegung der sechsten Mehrwertsteuer-RL 77/388/EWG im Raum. Die englische Bank Halifax plc wollte für ihre Geschäftstätigkeit Call-Center auf mehreren ihrer Grundstücke errichten. Anstelle lediglich 5 % der für die Bauarbeiten anfälligen Mehrwertsteuer erstattet zu bekommen, wurden von der Bank und mehreren hundertprozentigen Tochtergesellschaften zahlreiche Vereinbarungen getroffen, die bei der Anwendung der Mehrwertsteuer-RL dazu führten, dass sie die auf die Bauarbeiten entfallende Vorsteuer in vollem Umfang zurückerhalten würde.347 Die englische Steuerbehörde wies den Antrag auf Erstattung mit der Begründung zurück, dass ein Umsatz, der nur getätigt werde, um die Mehrwertsteuer zu vermeiden, gar nicht unter den entsprechenden Tatbestand der Richtlinie falle.348 Darüber hinaus seien „[…] gemäß dem im Gemeinschaftsrecht geltenden allgemeinen Grundsatz der Verhütung von Rechtsmissbrauch Umsätze mit dem alleinigen Ziel der Mehrwertsteuervermeidung nicht zu berücksichtigen […].“349

Der EuGH stellte fest, dass die betreffenden Umsätze unabhängig vom verfolgten Zweck von der Richtlinie erfasst seien, sofern sie objektiv die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen.350 Allerdings sei eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt.351 Die Anwendung des Gemeinschaftsrechts könne „nämlich nicht so weit gehen, dass die missbräuchlichen Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden, d. h. diejenigen Umsätze, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen[…].“352

In Anbetracht dessen, dass der Steuerpflichtige aber das Recht habe, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass sich seine Steuerschuld in Grenzen halte, erfordere „auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis zum einen, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe. Zum anderen muss auch aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird.“353 346

EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609 – Halifax. Vgl. zu der komplexen vertraglichen Gestaltung und den Sachverhaltsangaben, EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 12 ff. – Halifax; vgl. auch GA Maduro, C-255/02, Slg. 2006, I1609, Rn. 11 ff. – Halifax. 348 EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 36 – Halifax. 349 EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 37 – Halifax. 350 EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 56 ff. – Halifax. 351 EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 68 – Halifax. 352 EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 69 – Halifax. 353 EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 74 f. – Halifax. 347

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Der EuGH macht mit dieser Entscheidung deutlich, dass er bei der Anwendung des Verbots von Rechtsmissbrauch nicht zwischen dem Missbrauch von Grundfreiheiten oder Rechten aus Verordnungen oder Richtlinien unterscheidet. Vielmehr setzt er stets die jeweils an das Rechtsgebiet angepassten objektiven und subjektiven Anforderungen an ein rechtsmissbräuchliches Verhalten voraus. Infolgedessen konstatiert der EuGH in der Rechtssache Kofoed354 – wie bereits eingangs erwähnt – dass Art. 11 Abs. 1 lit. a der Fusionsrichtlinie 90/434 „[…] den allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts wider[spiegelt], wonach Rechtsmissbrauch verboten ist. Die betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Normen des Gemeinschaftsrechts ist nicht gestattet. Die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften kann nicht so weit reichen, dass missbräuchliche Praktiken, d. h. Vorgänge geschützt werden, die nicht im Rahmen des normalen Geschäftsverkehrs, sondern nur zu dem Zweck durchgeführt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen […].“355

Art. 11 Abs. 1 lit. a RL 90/434 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten ausnahmsweise die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie ganz oder teilweise versagen oder rückgängig machen können, wenn der hauptsächliche Beweggrund für den Austausch von Anteilen eine Steuerhinterziehung oder -umgehung ist. Vorliegend stand die Frage im Raum, ob die Berufung auf die Steuerfreiheit eines Aktientauschs mit einer Gesellschaft, an der die Aktionäre bereits beteiligt waren, rechtsmissbräuchlich war, weil unmittelbar nach dem Aktientausch Gewinne ausgeschüttet wurden, welche von der Behörde als „verdeckte“ Zuzahlung für den Aktientausch gewertet wurden und deshalb der gesamte Aktientausch der Steuerpflicht unterliegen würde.356 Der EuGH befand, dass solche Aktientäusche grundsätzlich unter die Richtlinie und damit deren Steuerbefreiung fallen. Die Mitgliedstaaten könnten allerdings selbst dann, wenn sie Art. 11 Abs. 1 lit. a RL 90/434 nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt hätten, eine allgemeine innerstaatliche Norm richtlinienkonform auslegen und so ein derartiges Verhalten unterbinden.357 Ob der Gerichtshof in diesem Urteil tatsächlich das Verbot von Rechtsmissbrauch im Unionsrecht als „allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts“ anerkannt hat, wird an späterer Stelle ausführlich diskutiert.358 2011 hat der EuGH allerdings ebenfalls in einem steuerrechtlichen Fall zu Art. 11 Abs. 1 lit. a RL 90/434 das Verbot des Rechtsmissbrauchs mit ganz ähnlichen Worten wie in der Rechtssache Kofoed als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts bezeichnet.359 Schließlich hat der EuGH erneut 2014 in der Rechtssache Italmoda zur Auslegung der Sechsten Richtlinie festgestellt, dass eine Ver354 355 356 357 358 359

EuGH C-321/05, Slg. 2007, I-5795 – Kofoed. EuGH C-321/05, Slg. 2007, I-5795, Rn. 38 – Kofoed. EuGH C-321/05, Slg. 2007, I-5795, Rn. 20 – Kofoed. EuGH C-321/05, Slg. 2007, I-5795, Rn. 45 ff. – Kofoed. Siehe unten Kap. 3 § 3 C. III. 2. EuGH C-126/10, Slg. 2011, I-10923, Rn. 50 – Foggia.

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sagung von Rechten aus derselben den allgemeinen Grundsatz widerspiegeln könne, wonach sich niemand missbräuchlich oder betrügerisch auf die im Rechtssystem der Union vorgesehenen Rechte berufen dürfe.360 Abschließend belegen zwei jüngere Entscheidungen des EuGH auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und eine auf dem Gebiet des Steuerrechts, dass er weiterhin an den objektiven und subjektiven Kriterien für das unionsrechtliche Verbot von rechtmissbräuchlichem Verhalten festhält: In der Rechtssache Starjakob361 führte eine Neuregelung der österreichischen Besoldungsordnung für Bundesbahnbedienstete hinsichtlich der Anrechnung von Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres und dem Zeitpunkt des Aufstiegs im Besoldungssystem zum Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die neue Regelung war jedoch nicht uneingeschränkt vorteilhaft für den Arbeitnehmer, da zwar seine Beschäftigungszeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres berücksichtigt wurde, gleichzeitig aber die Beschäftigungsdauer für das Erreichen der nächsten Gehaltsstufe erhöht wurde.362 Herr Starjakob verlangte die Gehaltsdifferenz, die ihm zustünde, wenn seine Beschäftigungszeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres hinzugerechnet werden würde, wollte aber gleichzeitig nicht unter die längere Beschäftigungsdauer für den Stufenaufstieg der neuen Regelung fallen und unterließ es deshalb, die für die Einordnung erforderlichen Nachweise über seine anzurechnenden Vordienstzeiten zu erbringen.363 Er stützte sich folglich auf die durch Altersdiskriminierung bedingte Unwirksamkeit der vorherigen Regelung364, die die anzurechnende Vordienstzeit beschränkte und verlangte eine komplette Anrechnung ohne die Nachteile eines verlängerten Stufenaufstiegs. Dies führte zu der Vorlagefrage, ob es einen Rechtsmissbrauch darstelle, wenn ein Bediensteter diese Mitwirkungsobliegenheit nicht erfülle und damit nur freiwillig im alten System verbleibe, um Geldansprüche geltend machen zu können.365 Der EuGH stellte zunächst auch die altersdiskriminierende Wirkung der neuen Regelung fest, da die Anhebung der Beschäftigungsdauer für den Stufenaufstieg nur diejenigen Mitarbeiter treffe, die bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres beschäftigt wurden und diejenigen, die erst danach beschäftigt wurden, faktisch in ihren bisherigen Gehaltsstufen verblieben.366 Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, ob 360

EuGH C-131/13, Rn. 43, 46 – Italmoda. EuGH C-417/13 – Starjakob. 362 Vgl. § 53 a ÖBB-G (2011). 363 EuGH C-417/13, Rn. 18 ff. – Starjakob. 364 Vgl. zur Unwirksamkeit der BO 1963 wegen Diskriminierung die Feststellung des Oberlandesgerichts Innsbruck, EuGH C-417/13, Rn. 20 – Starjakob. 365 EuGH C-417/13, Rn. 21 – Starjakob. 366 EuGH C-417/13, Rn. 22 ff. – Starjakob. Dies liegt daran, dass keine Pflicht besteht in das neue System zu wechseln. Beschäftigte, die allerdings vor Vollendung des 18. Lebensjahr keine Vordienstzeit vorzuweisen haben, haben keinen Grund in das neue System zu wechseln und verbleiben damit sinnvollerweise im alten System. Darüber hinaus setzt § 53 a Abs. 2 Z 3 361

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das im Raum stehende Vorgehen eines Arbeitnehmers rechtsmissbräuchlich sein könne, führte der EuGH zunächst unter Bezug auf seine bisherige Rechtsprechung aus, dass „eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Union nicht erlaubt ist […]. Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden […].“367

Für den konkreten Fall hielt der EuGH fest, dass die mangelnde Mitwirkung von Herrn Starjakob und das Verlangen der Gehaltsdifferenz über das alte System kein rechtsmissbräuchliches Verhalten zur Verschaffung eines ungerechtfertigten Vorteils darstelle, da er lediglich eine Gleichbehandlung erreichen wolle.368 Die zweite Entscheidung aus dem Arbeitsrecht beschäftigt sich mit dem Umgang mit Scheinbewerbungen. Eine derartige Bewerbung verfolgt nicht das Ziel einer Einstellung, sondern zielt nur darauf ab, Entschädigungsansprüche geltend zu machen. In der Rechtssache Kratzer369 bewarb sich Herr Kratzer um eine Trainee-Stelle und betonte unter anderem seine Führungserfahrung, welche für die konkrete Stelle als Trainee eher ungeeignet war. Darüber hinaus lehnte er eine nach der Absage erfolgte Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ab.370 Das BAG legte dem EuGH die Frage vor, ob auch derjenige nach der entsprechenden Richtlinie als Bewerber zu qualifizieren sei, aus dessen Bewerbung hervorgehe, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können. Falls ja, fragte es, ob eine solche Situation als Rechtsmissbrauch gewertet werden könne.371 Der EuGH befand, dass nur Personen, die tatsächlich eine Beschäftigung suchen würden, unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, da eine andere Auslegung nicht mit den Zielen der Richtlinie vereinbar sei. Gleichwohl führte der EuGH ergänzend hinsichtlich der Frage des Rechtsmissbrauchs aus, dass sich „nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs […] niemand in betrügerischer oder ÖBB-G (2011) fest, dass die Neufestsetzung des individuellen Vorrückungsstichtags nicht wirksam wird, wenn damit eine gehaltsmäßige Verschlechterung gegenüber der bisherigen Festsetzung des Vorrückungsstichtags verbunden ist. Dies wäre aber bei Personen ohne Vordienstzeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres immer der Fall, da sie niedriger eingestuft werden würden; vgl. hierzu explizit EuGH C-417/13, Rn. 28 – Starjakob. 367 EuGH C-417/13, Rn. 55 f. – Starjakob. 368 EuGH C-417/13, Rn. 57 – Starjakob. 369 EuGH C-423/15 – Kratzer. 370 EuGH C-423/15, Rn. 17, 20 – Kratzer. 371 EuGH C-423/15, Rn. 25 – Kratzer.

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missbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Union berufen [darf] […].“372 Die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens verlange das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Tatbestandsmerkmals. Was zum einen das objektive Tatbestandsmerkmal betreffe, müsse „sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der von der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde […].“373 Zum anderen sei ein subjektives Tatbestandsmerkmal erforderlich, dass der EuGH wie folgt definiert: „Es muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass wesentlicher Zweck der fraglichen Handlungen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils ist. Denn das Missbrauchsverbot greift nicht, wenn die fraglichen Handlungen eine andere Erklärung haben können als nur die Erlangung eines Vorteils […]. Zum Beweis für das Vorliegen dieses zweiten Tatbestandsmerkmals, das auf die Absicht der Handelnden abstellt, kann u. a. der rein künstliche Charakter der fraglichen Handlungen berücksichtigt werden“374

Für den Fall einer Scheinbewerbung konkretisierte der EuGH das subjektive Tatbestandsmerkmal in folgender Weise: Der Betroffene müsse „die Scheinbewerbung um eine Stelle mit dem wesentlichen Ziel eingereicht [haben], nicht diese Stelle anzutreten, sondern sich auf den durch diese Richtlinien gewährten Schutz zu berufen, um einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen.“375

Die nun folgende Entscheidung des EuGH könnte sich nicht besser eignen, um die historische Entwicklung des Grundsatzes des Verbots von Rechtsmissbrauch im Unionsrecht abzuschließen: Sie ist mit ihrem Erlass am 22.11.2017 nicht nur eine der jüngsten Entscheidungen des EuGH auf dem Gebiet des Rechtsmissbrauchs, sondern sie nimmt zusätzlich auf grundlegende Fragen Bezug und reflektiert dabei nahezu die gesamte Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich des Verbots von rechtsmissbräuchlichem Verhalten auf dem Gebiet des Steuerrechts. Im zugrundeliegenden Sachverhalt ging es darum, dass Herr Cussens und zwei weitere Personen ihre Liegenschaften für 20 Jahre an ein mit ihnen verbundenes Unternehmen vermieteten. Dieser Mietvertrag wurde jedoch einen Monat nach Vertragsschluss gekündigt und die Liegenschaften an Dritte veräußert. Nach irischem Recht wird eine Vermietung über 20 Jahre als Verfügung behandelt und unterliegt damit der Mehrwertsteuer. Auf die tatsächliche Veräußerung fiel hingegen keine erneute Mehrwehrsteuer an, da diese nur für die erste „Verfügung“ anfiel. Dadurch fiel die Mehrwertsteuerschuld signifikant geringer aus, weswegen die iri-

372 373 374 375

EuGH C-423/15, Rn. 37 – Kratzer. EuGH C-423/15, Rn. 38 f. – Kratzer. EuGH C-423/15, Rn. 40 f. – Kratzer. EuGH C-423/15, Rn. 43 – Kratzer.

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sche Steuerverwaltung den Einwand des Rechtsmissbrauchs erhob und für die zweite „tatsächliche“ Verfügung die Mehrwertsteuer veranschlagte.376 Darüber hinaus wies der Fall zwei Besonderheiten auf: Zum einen kennt das irische Recht keine allgemeine Norm, die zur Verhinderung eines Rechtsmissbrauchs herangezogen werden könnte. Zum anderen spielte sich der Sachverhalt vor der Grundsatzentscheidung in der Rechtssache Halifax ab, in der der EuGH erstmals die Anwendbarkeit des Verbots rechtmissbräuchlichen Verhaltens im Rahmen des Mehrwertsteuerrechts feststellte. Dies führte zu den Vorlagefragen, ob der unionsrechtliche Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs ohne innerstaatliche Umsetzungsnorm unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbar sei und gleichzeitig den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vorgehe.377 Der EuGH führte zur ersten Vorlagefrage aus, dass der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken keine durch eine Richtlinie aufgestellte Regel darstelle, sondern seine Grundlage in der Rechtsprechung des EuGH habe und somit keinem Umsetzungserfordernis unterliege.378 Darüber hinaus konstatierte er, dass seine Rechtsprechung hierzu in unterschiedlichen Bereichen des Unionsrechts, unter anderem im Gesellschaftsrecht, der gemeinsamen Agrarpolitik und dem Mehrwertsteuerrecht ergangen sei und die Anwendung des Grundsatzes des Verbots missbräuchlicher Praktiken unabhängig von der Frage erfolge, ob die missbrauchten Rechte oder Vorteile ihre Grundlage in den Verträgen, einer Verordnung oder einer Richtlinie haben.379 Es sei „[…] daher offensichtlich, dass dieser Grundsatz nicht die gleiche Rechtsnatur hat wie die Rechte und Vorteile, auf die er anwendbar ist.“380 Der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken, wie er in der mit dem Urteil Halifax begründeten Rechtsprechung auf den Bereich der Mehrwertsteuer angewandt werde, weise „somit den allgemeinen Charakter auf, der den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts naturgemäß innewohnt […].“381 Darüber hinaus führt er noch allgemein zur Wirkung und zum Hintergrund des Verbots von Rechtmissbrauchs aus, dass nach seiner Rechtsprechung die Versagung eines Rechts oder eines Vorteils wegen missbräuchlicher oder betrügerischer Tätigkeiten nur die einfache Folge der Feststellung sei, dass im Fall von Betrug oder Rechtsmissbrauch die objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des ersuchten Vorteils in Wirklichkeit nicht erfüllt seien und daher für diese Versagung keine spezielle Rechtsgrundlage erforderlich sei.382

376 Vgl. zu den Sachverhaltsangaben EuGH C-251/16, Rn. 12 ff. – Cussens; GA Bobek, C251/16, Rn. 4 – Cussens. 377 EuGH C-251/16, Rn. 24 – Cussens; GA Bobek, C-251/16, Rn. 5 – Cussens. 378 EuGH C-251/16, Rn. 27 f. – Cussens. 379 EuGH C-251/16, Rn. 29 f. – Cussens. 380 EuGH C-251/16, Rn. 30 – Cussens. 381 EuGH C-251/16, Rn. 31 – Cussens. 382 EuGH C-251/16, Rn. 32 – Cussens.

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Der EuGH stellte ferner fest, dass es sich bei der Heranziehung einer nationalen Norm zur Beurteilung eines Rechtsmissbrauchs lediglich um eine Verfahrensmodalität für die Durchführung des Grundsatzes des Verbots von rechtsmissbräuchlichem Verhalten handele, das Bestehen einer innerstaatlichen Norm aber keine Anwendungsvoraussetzung für das unionsrechtliche Verbot des Rechtsmissbrauchs darstelle.383 Deshalb sei dieser allgemeine Grundsatz in den Mitgliedstaaten unmittelbar und ohne innerstaatliche Umsetzungsnorm anwendbar.384 Hinsichtlich einer Rückwirkung des Verbots rechtmissbräuchlicher Praktiken äußerte sich der EuGH wie folgt: Mit seiner Auslegung des Unionsrechts verdeutliche und erläutere der Gerichtshof, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite das Recht seit seinem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden sei. Deshalb sei von den nationalen Gerichten das Unionsrecht in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass des entsprechenden Urteils entstanden seien.385 Abschließend merkt der Gerichtshof an, dass er die zeitliche Wirkung seiner Auslegung des Grundsatzes des Verbots missbräuchlicher Praktiken im Bereich der Mehrwertsteuer in seinem Urteil Halifax nicht begrenzt habe.386 Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes seien demnach bei einer Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt nicht verletzt.387 Das Urteil in der Rechtssache Cussens ist somit in mehreren Hinsichten aufschlussreich. Zum einen steht fest, dass der Grundsatz des Rechtmissbrauchs im Unionsrecht auf Sachverhalte anwendbar ist, die bereits vor dessen Entwicklung stattgefunden haben. Die praktische Relevanz dieser Feststellung wird natürlich mit zunehmender Zeit geringer, da sich immer weniger Sachverhalte finden werden, die sich vor der entsprechenden Rechtsprechungsentwicklung abgespielt haben. Zudem rückt der Gerichtshof zu Recht den Vertrauensschutz in den Hintergrund, da im Jahr 2002, zum Zeitpunkt des im vorliegenden Fall in Rede stehenden Verhaltens, bereits eine gefestigte Missbrauchsrechtsprechung auf anderen Gebieten bestand. Insbesondere standen ab dem Jahr 2000 auch die jetzigen Voraussetzungen in Form eines objektiven und subjektiven Elements durch die Leitentscheidung in der Rechtssache Emsland-Stärke fest. Lediglich die konkrete Feststellung, dass sich diese Rechtsprechung auch auf das Gebiet des Mehrwertsteuerrechts erstreckt, erfolgte im Jahr 2006 und damit nach dem missbräuchlichen Handeln. Infolgedessen herrschte auch ausreichend Rechtssicherheit. Die Entscheidung des EuGH ist insoweit nicht überraschend. Besonders interessant ist jedoch auch seine Äußerung, dass der Grundsatz des Verbots von missbräuchlichen Praktiken von allgemeinem Charakter sei, der naturgemäß einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts innewohne. Diese Stellungnahme ist wesentlich deutlicher als dieje383 384 385 386 387

EuGH C-251/16, Rn. 37 – Cussens. EuGH C-251/16, Rn. 33 – Cussens. EuGH C-251/16, Rn. 41 – Cussens. EuGH C-251/16, Rn. 42 – Cussens. EuGH C-251/16, Rn. 43 f. – Cussens.

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nigen in den vorherigen Entscheidungen, in denen der EuGH von einem „allgemeinen Grundsatz“ des Unionsrechts sprach. Abschließend wird durch die Entscheidung festgestellt, dass eventuell bestehende nationale Normen, die auf eine Vermeidung von Rechtsmissbrauch ausgerichtet sind, nur als Mittel dienen, um die Durchführung des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken zu vereinfachen, allerdings für dessen Gewährleistung nicht zwingend erforderlich sind. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die historische Entwicklung des unionsrechtlichen Verbots rechtsmissbräuchlichen Handelns im Rahmen der Grundfreiheiten begann und sich im Zusammenspiel mit der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Verordnungen weiter bis zur Rechtssache Emsland-Stärke hin konkretisierte, in der erstmals ein zweistufiger Test anhand eines objektiven und subjektiven Kriteriums entwickelt wurde. Die weitere Entwicklung innerhalb der einzelnen Rechtsgebiete vollzog sich daraufhin mit Bezug auf konkrete Rechte aus einzelnen Richtlinien. Im Mittelpunkt standen hier die Gebiete des Gesellschafts-, des Arbeits- und des Mehrwertsteuerrechts. Je nach Einzelfall variierten die konkreten Voraussetzungen, allgemein wurden jedoch stets ein objektives und ein subjektives Kriterium zur Prüfung von missbräuchlichen Praktiken herangezogen. II. Kategorisierung der Fälle des Rechtsmissbrauchs in der Rechtsprechung des EuGH Es existieren zahlreiche Ansätze in der Literatur, um die Fälle des unionsrechtlichen Rechtsmissbrauchs zu kategorisieren. Der EuGH hat eine solche Kategorisierung bisher nicht vorgenommen. Vielmehr wendet er – wie oben aufgezeigt – seinen Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken einheitlich auf alle Fälle des Rechtsmissbrauchs an. Die Ansätze bestehen entweder darin, zwischen Fällen des Primär- und des Sekundärrechts (hierzu unter lit. a), zwischen Fällen der nationalen Normvermeidung und der nationalen Normerschleichung (hierzu unter lit. b) sowie zwischen der Normvermeidung einerseits und der missbräuchlichen Ausübung von Rechten aus dem Unionsrecht andererseits (hierzu unter lit. c) zu unterscheiden. Schließlich wird noch eine Differenzierung zwischen Missbrauch, Umgehung und Täuschung vorgeschlagen.388 Der letztgenannte Kategorisierungsansatz ist im vorliegenden Kon-

388 Vgl. hierzu Fleischer, JZ 2003, 865, 870; Kjellgren, European Business Law Review 2000, 179, 180; Schön, FS Wiedemann, 1271, 1277 ff.; Basedow, FS Stathopoulos, 159, 161; Eidenmüller, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 137, 142 = KTS 2009, 137 (deutsche Fassung); Klinke, ZGR 2002, 163, 170; Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 32; Englisch, StuW 2009, 3, 6; Ottersbach, Rechtsmissbrauch bei den Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes, 33; siehe auch monographisch allgemein zur Gesetzesumgehung im Unionsrecht, von Lackum, Die Gesetzesumgehung im Europarecht.

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text jedoch nicht zielführend, da eindeutig kein Betrug im Raum steht,389 und wird deshalb im Folgenden außer Acht gelassen. Wie sich nachfolgend zeigen wird, sind diese Ansätze nur auf theoretischer Ebene zur Unterscheidung geeignet, führen in der Praxis jedoch zu keinem anderen Ergebnis als eine einheitliche Behandlung. Nichtsdestotrotz wird eine Differenzierung zwischen nationaler Normvermeidung und missbräuchlicher Ausübung von Rechten aus dem Unionsrecht helfen, eine dogmatische Einordnung des Rechtsmissbrauchseinwands zu ermöglichen. 1. Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärrecht Differenziert man die hier besprochenen Fälle nach dem Primär- und dem Sekundärrecht, ergibt sich folgendes Bild: Die Fälle, die aus dem Bereich der Grundfreiheiten stammen, sind eindeutig dem primärrechtlichen Bereich zuzuordnen, d. h. die Rechtssachen Van Binsbergen, Knoors, Centros und Leclerc. Im Bereich der Verordnungen findet oftmals eine Überschneidung zwischen dem Primär- und dem Sekundärrecht statt. Zwar steht vorrangig der Missbrauch von Rechten aus einer Verordnung im Raum, gleichzeitig werden aber oftmals Grundfreiheiten ausgeübt. So ging der EuGH in der Rechtssache Lair nicht nur auf das betreffende Recht aus der Verordnung, sondern auch auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit ein.390 Unter diese Fallgruppe fallen die Rechtssachen Paletta, General Milk und Emsland-Stärke. Die Fälle, in denen der Missbrauch von Rechten aus Richtlinien im Raum stand, sind schließlich dem Sekundärrecht zuzuordnen. Dies sind die Rechtssachen Kefalas, Diamantis, Halifax, Kofoed, Foggia, Italmoda, Starjakob, Kratzer und Cussens. Inwiefern diese Kategorisierung allerdings hilfreich sein soll, ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund weisen die Autoren wohl auch nur auf diese Unterscheidungsmöglichkeit hin, ziehen aus ihr aber keine weiteren Schlüsse.391 Wie eingangs erwähnt, differenziert auch der EuGH insofern nicht zwischen Primär- und Sekundärrecht und bezieht sich in seinen Entscheidungen zum Sekundärrecht und den Grundfreiheiten jeweils auf seine Rechtsprechung auf dem anderen Gebiet.392 Mithin 389 Während ein Rechtsmissbrauch darauf abziele, einen Sachverhalt und dessen rechtliche Wertung so zu gestalten, dass bestimmte günstige Rechtsfolgen eintreten oder ungünstige Rechtsfolgen vermieden werden, liege der Zweck des Betrugs darin, den wahren Sachverhalt vor Dritten zu verbergen und bei ihnen eine unrichtige Vorstellung von der Wirklichkeit hervorzurufen, Schön, FS Wiedemann, 1271, 1278. In Fällen der Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB versucht der Verbraucher jedoch nicht, eine unrichtige Vorstellung von der Wirklichkeit beim Unternehmer hervorzurufen. 390 Vgl. EuGH 39/86, Slg. 1988, 3161, Rn. 34, 41 – Lair. 391 Fleischer, JZ 2003, 864, 869; siehe auch Schmidt-Kessel, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2000, 61, 75 ff., der die Anwendung nationaler Missbrauchsverbote auf Richtlinien und Verordnungen beschränken will und somit eine Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärrecht vorschlägt. 392 Vgl. hierzu Schön, FS Wiedemann, 1271, 1273 und oben Kap. 3 § 3 C. I. 2.

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ist eine Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärrecht bei der Erfassung des unionsrechtlichen Verbots von Rechtsmissbrauch nicht zielführend.393 2. Unterscheidung zwischen nationaler Normvermeidung und nationaler Normerschleichung Darüber hinaus wird zwischen Normvermeidung und Normerschleichung differenziert.394 Die Normvermeidung beschreibe die Situation, in der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts infolge eines Grenzübertritts missbräuchlich geltend gemacht werden, um sich der Anwendbarkeit des nationalen Rechts zu entziehen. Die Normerschleichung beschreibe hingegen einen Tatbestand, in denen sich ein Ausländer in einen Mitgliedstaat begebe, um sich auf dessen nationales Recht zu berufen.395 Der ersten Fallgruppe wären demnach zum Beispiel die Rechtssachen Van Binsbergen, Knoors, Centros zuzuordnen. Unter Fälle der Normerschleichung fiele zum Beispiel die Rechtssache Lair.396 Gegen diese Unterteilung wendet Kamanabrou jedoch zurecht ein, dass sie nicht alle Fälle des Rechtsmissbrauchs erfasse. Zum einen falle die Rechtssache Leclerc unter keine der beiden Kategorien, da in diesem Fall keiner der Beteiligten einen Mitgliedstaat zur Vermeidung der nationalen Regelungen verließ, sondern nur die betreffenden Waren. Zum anderen könne es bei Missbrauchskonstellationen auch um Vorteile aus einer Norm des Unionsrechts gehen. Des Weiteren gehe der Nutzen der Unterscheidung nicht über eine bloße Beschreibung der Fallgestaltungen hinaus.397 Ferner können sich die Fallgruppen überschneiden, womit eine exakte Abgrenzung nicht durchgängig gewährleistet wird. So hat sich das Ehepaar in der Rechtssache Centros ins Ausland begeben, um in den Genuss der britischen Mindestkapitalregelung zu kommen, und kehrte daraufhin nach Dänemark unter gleichzeitiger Umgehung der nationalen Mindestkapitalaufbringung zurück. Abschließend lässt sich somit festhalten, dass sich mit dieser Kategorisierung zum einen nicht alle Fälle des Rechtsmissbrauchs erfassen lassen und zum anderen die Grenze der erfassbaren Fälle oftmals fließend verläuft. 3. Unterscheidung zwischen nationaler Normvermeidung und missbräuchlicher Ausübung von Rechten aus dem Unionsrecht Aus diesem Grund bietet es sich an, – wie Generalanwalt Poiares Maduro bereits in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Halifax398 – nach dem missbrauchten bzw. umgangen Recht zu unterscheiden. In der ersten Fallgruppe geht es um eine 393

Im Ergebnis so auch Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 27. Fleischer, JZ 2003, 865, 869; Schön, FS Wiedemann, 1271, 1275; Vogenauer, de la Feria/Vogenauer, Prohibiton of Abuse of Law, 521, 526 ff. 395 Fleischer, JZ 2003, 865, 869; Schön, FS Wiedemann, 1271, 1274 f. 396 Fleischer, JZ 2003, 865, 869. 397 Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 28. 398 GA Poiares Maduro, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 63 – Halifax. 394

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Normvermeidung im weiteren Sinne ohne Grenzübertritt von Personen. Sie betrifft damit die Fälle, in denen die Berufung auf das Europarecht nur zu dem Zweck erfolgt, nationales Recht zu umgehen oder zu missbrauchen. Die zweite Fallgruppe betrifft hingegen die Fälle, in denen es um die missbräuchliche Ausübung von Rechten geht, die vom Gemeinschaftsrecht verliehen werden.399 Mit dieser Differenzierung lassen sich die bereits bekannten Fälle des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens unterteilen. Unter die erste Fallgruppe lassen sich nämlich auch die zuvor angesprochenen Fälle der Normerschleichung einordnen. So ging es zum Beispiel in der Rechtssache Lair auch im Kern um die Berufung auf das Gemeinschaftsrecht, um einer nationalen Norm zu entfliehen. Denn die Betroffene wollte sich der Anwendung der Mindesterwerbstätigkeit für die BAFöG-Gewährung entziehen, indem sie sich auf das Unionsrecht berief. Darüber hinaus können durch das erweiterte Verständnis des nationalen Normentzugs auch Sachverhalte wie derjenige der Rechtssache Leclerc zugeordnet werden. Die Akteure haben hier mit dem Reimport der Bücher und der anschließenden Berufung auf das Unionsrecht versucht, sich der nationalen Buchpreisbindung zu entziehen, womit sie der Kategorie der nationalen Normvermeidung unterfallen. Ebenfalls hierunter einzuordnen sind die Rechtssachen Kefalas und Diamantis, in denen sich die Aktionäre auf die zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie beriefen, um die Unwirksamkeit des nationalen Gesetzes zur staatlichen Unterstellung von wirtschaftlich maroden Unternehmen und der damit verbundenen Kapitalerhöhung feststellen zu lassen. Aus dem arbeitsrechtlichen Bereich lässt sich schließlich noch die jüngere Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Starjakob nennen, in der sich der Betroffene auf die durch Diskriminierung bedingte Unwirksamkeit der nationalen Norm berief. 399 Ebenfalls so differenzierend Baudenbacher, Vom gemeineuropäischen zum europäischen Rechtsmissbrauchsverbot, 419 ff.; Baudenbacher, ZfRV 2008, 205; Eine von Kamanabrou (EuZA, 2018, 18, 33 f.) vorgeschlagene Kategorisierung anhand dessen, ob nationales Recht oder Unionsrecht zweckwidrig verwendet wird, ist sehr verwandt mit der eben vorgestellten Unterteilung in Normvermeidung und Missbrauch von Rechten, die vom Unionsrecht verliehen werden. Überwiegend erzielt diese auch eine gleiche Einteilung in die jeweilige Kategorie. Je nachdem worauf der Schwerpunkt in den Fällen gelegt wird, können auch unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden. So führt sie zum Beispiel an, dass die Rechtssache Lair einen Fall des Missbrauchs von Unionsrecht darstellt, obwohl sie gleichzeitig auch den Missbrauch des nationalen Rechts festhält. Je nachdem auf welchen Bereich hier abgestellt wird, kann ein Fall auch einer anderen Kategorie zugeordnet werden. Dass sie allerdings die Entscheidung in der Rechtssache Kratzer als Missbrauch nationalen Rechts einordnet, ist nicht nachvollziehbar. Sie argumentiert damit, dass das nationale Recht Scheinbewerber unter den Schutz der Antidiskriminierungsregeln stellen könne und deshalb nationales Recht missbraucht werden würde. Es ist jedoch ganz eindeutig, dass in Fällen der Mindestharmonisierung, in denen der nationale Gesetzgeber über den Mindestschutz hinausgeht nicht mehr um die Frage eines Missbrauchs von Unionsrechts geht, da bis zu dem Mindeststandard die nationalen Gerichte anhand allgemeiner Klauseln wie § 242 BGB den Anwendungsbereich in Fällen des Missbrauchs reduzieren können. Im Fall der Rechtssache Kratzer äußerte sich der EuGH aber zu dem bestehenden Fall des Missbrauchs von Unionsrechts, so dass nicht der Missbrauch nationalen Rechts im Raum stand.

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Währenddessen ging es in den Rechtssachen General Milk, Emsland-Stärke, Halifax, Kofoed und Kratzer um die missbräuchliche Berufung auf Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, um Vorteile auf eine Weise zu erlangen, die mit den Zielen und den Zwecken eben dieser Bestimmungen im Widerspruch steht. So wollten die Betroffenen in der Rechtssache General Milk auf Unionsrecht basierende Währungsausgleichsbeträge geltend machen. Ähnlich verhielt es sich in der Rechtssache Emsland-Stärke, in der die Gewährung von Ausfuhrerstattungen auf Grundlage einer Verordnung im Raum stand. Ein weiteres Beispiel für die zweite Fallgruppe bietet die Rechtssache Halifax. Die Bank Halifax beantragte hier aufgrund der sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie eine Erstattung bereits abgeführter Mehrwertsteuern. In der Rechtssache Kofoed ging es um die Steuerfreiheit eines Aktientauschs nach der Fusionsrichtlinie und damit auch um die missbräuchliche Ausübung eines Rechts, das vom Gemeinschaftsrecht verliehen wurde. Herr Kratzer wollte in der gleichnamigen arbeitsrechtlichen Rechtssache auf Grundlage der umgesetzten Antidiskriminierungsrichtlinie Schadensersatz für die Ablehnung seiner Scheinbewerbung geltend machen. Schließlich stand auch in der Rechtssache Cussens eine missbräuchliche Berufung auf eine nationale Norm, die der Umsetzung der sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie diente, im Raum. Auch bei der hier im Mittelpunkt der Arbeit stehenden Berufung auf den Anspruchsausschluss aus § 361 Abs. 1 BGB geht es um die missbräuchliche Berufung auf eine nationale Norm, die der Umsetzung der VRRL dient und damit um einen Fall der missbräuchlichen Ausübung von Rechten, die von dem Unionsrecht verliehen werden. Betrachtet man die historische Entwicklung des Verbots von Rechtsmissbrauch im Unionsrecht, stellt man fest, dass diese im Bereich der Normvermeidung als erste Fallgruppe begann, sich dann allerdings immer mehr der zweiten Fallgruppe zuwandte. Denn mit Ausnahme der Rechtssache Starjakob befassen sich die jüngeren Entscheidungen überwiegend mit der missbräuchlichen Berufung auf Rechte aus dem Unionsrecht selbst. Ein Grund dafür wird mit Sicherheit derjenige sein, dass zunehmend Richtlinien in innerstaatliches Recht umgesetzt wurden und bei einem Missbrauch dieser Rechte stets die Frage nach der Auslegung der Richtlinie und des unionsrechtlichen Verbots von Rechtsmissbrauch im Raum stand und diese oftmals den Weg zum EuGH ebnete. Nachdem nun festgestellt wurde, dass sich mit dieser Kategorisierung die Fälle des Rechtsmissbrauchs im Unionsrecht erfassen lassen, stellt sich die Frage der Zweckmäßigkeit einer solchen Systematisierung. Sie kann, wie im Folgenden zu sehen sein wird, dazu dienen, den Rechtsmissbrauchseinwand dogmatisch genauer einzuordnen. a) Einordnung des Rechtsmissbrauchseinwands in Fällen der Normvermeidung In Fällen der Normvermeidung geht es darum, dass nationales Recht umgangen werden soll, indem sich ein Beteiligter auf Unionsrecht beruft. Der Zweck der Norm des Unionsrechts wird hierbei grundsätzlich nicht verletzt, sondern der Zweck der

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Norm des nationalen Rechts vereitelt. Deshalb unterliegt es nicht der Beurteilung des EuGH, wie ein Mitgliedstaat mit dem zweckwidrigen Gebrauch oder der Vermeidung seines nationalen Rechts umgeht. Allerdings besteht ein Zusammenhang zum Unionsrecht, wenn sich der Betroffene auf dieses beruft und sich die Frage stellt, ob der Mitgliedstaat ihm dieses Recht verwehren kann. Dies ist immer dann möglich, wenn der Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Regelung nicht eröffnet ist oder eine mitgliedstaatliche Beschränkung unter bestimmten Umständen gestattet ist.400 Hinsichtlich der Reichweite des Unionsrechts und dessen Beschränkung setzt der EuGH mit seinen Vorgaben zum Zweck des Unionsrechts und den Gründen, die eine Beschränkung eines solchen Rechts rechtfertigen, dem Handlungsspielraum des nationalen Gesetzgebers und der Rechtsauslegung und -anwendung durch die nationalen Gerichte Grenzen.401 Sobald der Rechtmissbrauchseinwand sich innerhalb der Vorgaben des EuGH bewegt, obliegt dessen Umsetzung dem Mitgliedstaat. Er kann somit zum Beispiel auf ein eigenständiges Rechtsinstitut zurückgreifen oder die Norm teleologisch reduzieren.402 b) Einordnung des Rechtsmissbrauchseinwands in Fällen der missbräuchlichen Geltendmachung von Rechten, die vom Unionsrecht verliehen werden In den Fällen der missbräuchlichen Geltendmachung von Rechten, die vom Unionsrecht verliehen werden, wie bei der vorliegend in Rede stehenden Berufung auf § 361 Abs. 1 BGB, ist die Kompetenzverteilung jedoch eine andere. Wenn es darum geht, zu beurteilen, ob eine zweckwidrige Inanspruchnahme von Unionsrecht vorliegt, besteht eine ausschließliche Kompetenz des EuGH. Ob das Verbot missbräuchlicher Praktiken im Wege einer teleologischen Interpretation der jeweiligen Norm zu berücksichtigen ist oder zu einer Korrektur des formalen Ergebnisses im Anschluss an die Auslegung führt, ist Gegenstand einer lebhaften Diskussion geworden. Im Folgenden werden die beiden Deutungsmöglichkeiten erläutert und das Für und Wider dargestellt. Es wird sich jedoch zeigen, dass diese Diskussion rein theoretischer Natur ist und keine praktischen Auswirkungen auf die Handhabung des Verbots missbräuchlicher Praktiken hat. aa) Das Rechtsmissbrauchsverbot als teleologische Interpretation des Rechts Es besteht die Möglichkeit, das Rechtsmissbrauchsverbot als Rechtfertigung für eine teleologische Interpretation der vom Unionsrecht verliehenen Rechte zu begreifen.403 So ging Generalanwalt Poiares Maduro in seinen Schlussanträgen zur 400

Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 41. Schön, FS Wiedemann, 1271, 1282; Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 41. 402 Vgl. Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 41, die allerdings von „teleologischer Interpretation“ spricht. 403 So z. B. Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 39; Schön, FS Wiedemann, 1271, 1282; Fleischer, JZ 2003, 865, 871; Baudenbacher, ZfRV 2008, 205, 214; Dourado, de la Feria/Voge401

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Rechtssache Halifax davon aus, dass das „[…] Missbrauchsverbot als ein die Auslegung des Gemeinschaftsrechts beherrschender Grundsatz wirkt“.404 Im Weiteren spricht er vom Verbot des Missbrauchs von Unionsrecht als einem „gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsgrundsatz“.405 Ferner wird eine Aussage des EuGH in der Entscheidung zur Rechtssache Italmoda zur Unterstützung herangezogen, wonach missbräuchliche oder betrügerische Tätigkeiten kein in der Unionsrechtsordnung vorgesehenes Recht begründen können und somit die Versagung eines sich aus der Richtlinie ergebenden Vorteils nicht bedeute, dass dem Einzelnen nach dieser Richtlinie eine Verpflichtung auferlegt werde, sondern die schlichte Folge der Feststellung sei, dass die objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des angestrebten Vorteils, die in dieser Richtlinie in Bezug auf dieses Recht vorgeschrieben seien, in Wirklichkeit nicht erfüllt seien.406 Aus diesen Ausführungen wird geschlossen, dass in Fällen, in denen der Zweck einer bestimmten Regelung einer Berufung des Betroffenen hierauf entgegen stehe, sich dieser schon deshalb nicht auf die Norm stützen könne, weil sie aufgrund teleologischer Erwägungen nicht anwendbar sei.407 Zudem sei es wenig sinnvoll, in einem zweistufigen Verfahren den Bestand eines Rechts trotz seiner sachwidrigen Inanspruchnahme zunächst grundsätzlich zu bejahen, im Ergebnis dann aber dem Betroffenen dessen Geltendmachung unter Berufung auf den Normzweck wiederum zu versagen. Vielmehr sei es vorzugswürdig, den Normzweck als tragenden Grundgedanken bereits bei der Interpretation der Regelung zu berücksichtigen. Als Interpretation könne sowohl die „normale“ Auslegung einer Norm als auch deren Fortbildung unter Berücksichtigung des Verbots des Rechtsmissbrauchs gefasst werden.408 bb) Das Rechtsmissbrauchsverbot als nachträgliche, von der Auslegung unabhängige Korrektur eines formalen Ergebnisses Andererseits könnte man das Rechtsmissbrauchsverbot auch als nachträgliche Korrektur des zunächst durch Auslegung und Subsumierung formal bestehenden Ergebnisses auffassen.409 Diese Ansicht wird von Generalanwalt Mázak in seinen Schlussanträgen zur steuerrechtlichen Rechtssache RBS Deutschland410 gestützt. Er nauer, Prohibiton of Abuse of Law, 469, 470; Eidenmüller, KTS 2009, 137, 144; Wilke, UR 2011, 925, 930. 404 GA Poiares Maduro, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 69 – Halifax. 405 GA Poiares Maduro, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 72 – Halifax. 406 EuGH C-131/13, Rn. 57 – Italmoda. 407 Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 38. 408 Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 38 f. 409 Ranieri, Die Europäisierung der Rechtswissenschaft, 129, 132; Schmidt-Kessel, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2000, 61, 73, der vom Rechtsmissbrauchsverbot als Generalklausel spricht; Cuniberti, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 279, 282; Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 139 ff. 410 EuGH C-277/09, Slg. 2010, I-13805 – RBS Deutschland.

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führt zunächst aus, dass die Problemkreise der Auslegung und der Feststellung eines Missbrauchs systematisch eigenständig seien und deshalb nicht zusammen, sondern nacheinander behandelt werden sollten. Erst wenn feststehe, dass die Voraussetzungen zumindest formal erfüllt seien, müsse in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob eine missbräuchliche Praxis vorliege.411 Die Vertreter dieser Ansicht führen an, dass der EuGH in seinem Urteil zur Rechtssache RBS Deutschland dieser Herangehensweise gefolgt sei, indem er sich zunächst der Auslegung der Norm und anschließend der Beurteilung eines Rechtsmissbrauchs widmete.412 Zudem spreche der EuGH in der Entscheidung zur Rechtssache Halifax davon, dass bei einer formalen Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen deren Missbrauch drohe, was eine Wirkung außerhalb der Auslegung nahelege.413 cc) Stellungnahme Da der EuGH den Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken entwickelt hat, ist eine Antwort auf den Theorienstreit in erster Linie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu suchen. Erst wenn eine Analyse der Rechtsprechung zu keiner Lösung führt, sollten Praktikabilitätserwägungen eine Rolle spielen. Im Folgenden wird sich durch die Untersuchung der einzelnen Entscheidungen jedoch zeigen, dass mittlerweile eine klare Linie des EuGH zu erkennen ist. In der Rechtssache Emsland-Stärke führte der EuGH zunächst aus, dass die Rückzahlungspflicht für die gewährten Erstattungen die schlichte Folge der Feststellung sei, dass die Voraussetzungen für die gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteile missbräuchlich geschaffen und die Erstattungen somit rechtsgrundlos gewährt worden seien, so dass die Verpflichtung zur Rückzahlung bestünde.414 Diese Aussage lässt sich weder als Beleg für die eine oder die andere Ansicht auffassen, sie beschreibt nur das Ergebnis, die Rechtsgrundlosigkeit der Erstattungen, nicht allerdings den dogmatischen Weg dorthin. In seinem Tenor spricht der EuGH aber davon, dass derjenige, der Waren ausführe, seinen Anspruch auf Zahlung verlieren könne, wenn die Geschäftsgestaltung missbräuchlich sei.415 Um einen Anspruch zu verlieren, muss dieser allerdings zunächst entstehen. Würde man das Rechtsmissbrauchsverbot als teleologische Interpretation einordnen, käme der Anspruch erst gar nicht zur Entstehung. Deshalb spricht der Tenor des EuGH in der Rechtssache Emsland-Stärke für ein zweistufiges Verfahren, in dem der Anspruch zunächst entsteht, in einem zweiten Schritt durch die Wirkung des Rechtsmissbrauchsverbots allerdings wieder untergeht. 411

GA Mázak, C-277/09, Slg. 2010, I-13805, Rn. 30 f. – RBS Deutschland. 30 f. Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 137; Vogenauer, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 521, 559. 413 Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 137 unter Verweis auf EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 74 – Halifax. 414 EuGH C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 56 – Emsland-Stärke. 415 EuGH C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 59 – Emsland-Stärke. 412

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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Eine ausdrückliche Äußerung zu der dogmatischen Einordnung findet sich auch nicht in der Entscheidung zur Rechtssache Halifax. Mit der Feststellung, dass bei einer formalen Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen deren Missbrauch drohe, ergreift der EuGH weder Partei für die eine noch für die andere Auffassung. Es handelt sich hierbei nämlich um eine reine Beschreibung der Folge, wenn missbräuchliche Praktiken vollkommen ungeachtet blieben. Hingegen finden sich hierin keine Äußerungen über die dogmatische Wirkung des Rechtsmissbrauchseinwands. Der EuGH spricht allerdings an einer anderen Stelle davon, dass das einmal entstandene Recht auf Vorsteuerabzug nur dann erhalten bleibe, wenn kein Fall von Betrug oder Missbrauch vorliege.416 Diese Aussage klingt eher nach einem zweistufigen Konzept: Zunächst wird das Recht ausgelegt und unter dessen Voraussetzungen subsumiert, und in einem zweiten Schritt wird dem Betroffenen dieses Recht wieder aberkannt, wenn ein Fall von Betrug oder missbräuchlichem Verhalten vorliegt. Hinsichtlich der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache RBS Deutschland ist anzumerken, dass der EuGH tatsächlich die Auslegung der entsprechenden Norm vor den Ausführungen zum Verbot missbräuchlichen Verhaltens vorgenommen hat. Allerdings entsprach dies zum einen der Reihenfolge der ihm vorgelegten Fragen. Zum anderen fasste der EuGH die Vorlagefrage zum Rechtsmissbrauch sinngemäß derart zusammen, dass das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen wollte, ob der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken Auswirkungen auf die Auslegung haben könne, obwohl in der tatsächlichen Vorlagefrage der Begriff der Auslegung nicht vorkam.417 Diese Aussage stützt hingegen eher die erste Ansicht, da der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken nur dann Auswirkungen auf die Auslegung haben kann, wenn diese noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Die bereits angesprochene Äußerung des EuGH in der Rechtssache Italmoda ist durchaus aufschlussreich und lässt eine Tendenz zu einer Wirkung des Grundsatzes innerhalb der Auslegung erkennen.418 Allerdings ist anzumerken, dass es in der betreffenden Rechtssache um keinen Missbrauch, sondern um einen Betrug ging. In diesem Zusammenhang ging der Gerichtshof auch nicht auf seine üblichen Voraussetzungen bezüglich eines objektiven und subjektiven Elements ein, sondern nur auf die objektiven Voraussetzungen für einen Betrug oder einen betrügerischen Charakter.419 Infolgedessen steht nicht mit Sicherheit fest, dass der EuGH diese Äußerung auch im Kontext eines Rechtsmissbrauchs geäußert hätte. Mithin ist diese Aussage nicht geeignet, die Erkenntnisse aus den bisherigen Entscheidungen vollkommen zu überlagern.

416 417 418 419

EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 84 – Halifax. EuGH C-277/09, Slg. 2010, I-13805, Rn. 47, 27 – RBS Deutschland. Siehe hierzu oben Kap. 3 § 3 C. II. 3. b) aa). EuGH C-131/13, Rn. 58 – Italmoda.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Die deutlichste Aussage findet sich – vergleichbar mit den Ausführungen in der Rechtssache Italmoda420 – in der Entscheidung zur Rechtssache Cussens. Hier konstatiert der Gerichtshof, dass nach seiner Rechtsprechung die Versagung eines Rechts oder eines Vorteils wegen missbräuchlicher oder betrügerischer Tätigkeiten nur die einfache Folge der Feststellung sei, dass im Fall von Betrug oder Rechtsmissbrauch die objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des ersuchten Vorteils in Wirklichkeit nicht erfüllt seien.421 Indem der EuGH davon ausgeht, dass die objektiven Voraussetzungen für die Erlangung des ersuchten Vorteils und damit der Tatbestand der in Rede stehenden Norm in Wirklichkeit nicht erfüllt seien, spricht dies eindeutig für eine Berücksichtigung des Verbots missbräuchlicher Praktiken bereits im Rahmen der Auslegung und nicht erst im Wege einer nachträglichen Korrektur. Denn bei einer nachträglichen Korrektur ist der Tatbestand einer Norm grundsätzlich erfüllt und wird lediglich im Nachhinein korrigiert. Im Zuge der Aussage in der Rechtssache Cussens verweist der EuGH auch auf seine Äußerungen in der Rechtssache Emsland-Stärke und Halifax. In der Entscheidung zur Rechtssache Emsland-Stärke führt die Verweisung zu dem oben aufgeführten ersten Satz des Urteils, wonach die Rückzahlungspflicht für die gewährten Erstattungen die schlichte Folge der Feststellung sei, dass die Voraussetzungen für die gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteile missbräuchlich geschaffen und die Erstattungen somit rechtsgrundlos gewährt worden seien, so dass die Verpflichtung zur Rückzahlung bestünde.422 Der Verweis auf die Rechtssache Halifax führt zu der Aussage, dass die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis nicht zu einer Sanktion führen dürfe, die einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage bedürfe, sondern nur zu einer Rückzahlungspflicht als schlichte Folge dieser Feststellung, die den Rechtsgrund der Vorsteuerabzüge ganz oder teilweise entfallen lasse.423 Diese Ausführungen, die zuvor noch keine klare Richtung vorgaben, werden durch die Zitierweise des EuGH in einen neuen Kontext gerückt. So kann den Ausführungen des EuGH entnommen werden, dass die Rechtsgrundlosigkeit der empfangenen Leistungen nicht infolge einer nachträglichen Korrektur eintrat, sondern der Tatbestand des zu beschränkenden Rechts in Wirklichkeit nicht erfüllt war und somit bereits durch dessen Auslegung begründet wurde. Der Tenor der Entscheidung in der Rechtsache Emsland-Stärke, der vom Verlust des Anspruchs spricht, ist aus dieser Perspektive gesehen missverständlich. 420

Vgl. oben Kap. 3 § 3 C. II. 3. b) aa). EuGH C-251/16, Rn. 32 – Cussens. 422 EuGH C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 56 – Emsland-Stärke; (Hervorhebung durch Verfasser). 423 EuGH C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 93 – Halifax.; (Hervorhebung durch Verfasser); Schließlich wird in der Rs. Cussens noch auf Ausführungen in der Rs. Pometon verwiesen, die allerdings nahezu mit denen in der Rechtssache Emsland-Stärke übereinstimmen: EuGH C151/08, Rn. 28 – Pometon, wo wiederum auf die Ausführungen in der Rs. Emsland-Stärke verwiesen wird. 421

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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Es wird somit deutlich, dass das Verbot missbräuchlicher Praktiken in der aktuellen Rechtsprechung des EuGH bereits auf der Ebene der teleologischen Auslegung seine Wirkung entfaltet. Dies hat allerdings nicht zwingend zur Folge, dass – wie es von den Vertretern der anderen Ansicht suggeriert wird424 – nicht zunächst geprüft werden darf, ob die Norm überhaupt einschlägig ist. Die Auslegung der Norm endet einfach nicht mit der Prüfung ihrer Tatbestandsvoraussetzungen, sondern setzt sich in einer Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs fort, so dass dieser Aspekt auch noch zur teleologischen Interpretation der Norm gehört. Obwohl das Rechtsmissbrauchsverbot damit auf unionsrechtlicher Ebene im Rahmen der Auslegung seine Wirkung entfaltet, obliegt es wiederum weitgehend den Mitgliedstaaten, wie sie in ihren nationalen Rechtsordnungen die Durchsetzung des unionsrechtlichen Verbots des Rechtsmissbrauchs gewährleisten. Dies zeigt zum einen die gängige Rechtspraxis in Deutschland, in denen die nationalen Gerichte bei einem Missbrauch von Rechten, die durch das Unionsrecht verliehen werden, über die Anwendung von Generalklauseln wie § 242 BGB und § 42 AO das unionsrechtliche Verbot von Rechtsmissbrauch durchsetzen.425 Zum anderen lässt sich die Zulässigkeit des Rückgriffs auf nationale Generalklauseln den Ausführungen des EuGH zur Rechtssache Cussens entnehmen. Dort geht er nämlich davon aus, dass grundsätzlich nationale Normen zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Missbrauchsverbots herangezogen werden können, ihre Heranziehung gleichzeitig aber keine Voraussetzung für die Anwendung des unionsrechtlichen Verbots darstellt.426 c) Erfordernis einer Absicht als subjektives Kriterium im Rahmen der ersten Fallgruppe der Normvermeidung Baudenbacher geht davon aus, dass die „objektive Künstlichkeit der Situation“, nämlich, dass eine Handlung objektiv bezwecke, einen Vorteil durch willkürliche Schaffung der entsprechenden Voraussetzungen zu erlangen, im Rahmen der Fallgruppe der Normvermeidung als subjektives Element ausreiche, eine Absicht der

424

Siehe oben Kap. 3 § 3 C. II. 3. b) bb). Vgl. für eine Anwendung des § 242 BGB aus dem Arbeitsrecht z. B. BAG NZA 2017, 310, 315; vgl. für eine Anwendung des § 42 AO aus dem Steuerrecht z. B. FG Berlin-Brandenburg DStRE 2018, 305, 310; FG Rheinland-Pfalz EFG 2017, 1847 Rn. 22; monographisch hierzu Poulakos, Der Missbrauch von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO und das Europäische Gemeinschaftsrecht. 426 EuGH C-251/16, Rn. 37 – Cussens; a. A.: Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 42, die davon ausgeht, dass durch die Wirkung auf teleologischer Ebene keine Unterbindung des Rechtsmissbrauchs über nationales Recht erfolgt. Diese Ansicht greift jedoch zu kurz, da zwei Themenfelder getrennt werden müssen: Das erste betrifft die vorliegend untersuchte Wirkungsweise des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken, das zweite allerdings die praktische Durchsetzbarkeit des erlangten Ergebnisses und das Bereitstellen eines Werkzeugs für die Mitgliedstaaten, um das Verbot in ihre nationale Methodik zu integrieren. So wird es auch vom EuGH in ständiger Rechtsprechung gehandhabt. 425

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Beteiligten jedoch hierbei keine Rolle spiele.427 Entgegen dem Vorschlag des Generalanwalts Stix-Hackl in der Rechtssache Fidium Finanz, diese Absicht auch im Rahmen der ersten Fallgruppe heranzuziehen428, konstatiert sie, eine solche Prüfung hätte möglicherweise Rechtsunsicherheit und eine Einengung des Missbrauchsverbots zur Folge.429 Der Gerichtshof habe sich bislang nicht zu dieser Frage geäußert.430 Allerdings erging im Folgejahr die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Starjakob, die ebenfalls der ersten Fallgruppe zuzuordnen ist. In Bezug auf das subjektive Element führt er dort aus, dass die Absicht ersichtlich sein müsse, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden. Folglich unterscheidet er in den Anwendungsvoraussetzungen nicht zwischen beiden Fallgruppen, und es ist durchgängig ein subjektives Element erforderlich, das die Absicht der Betroffenen einschließt. d) Zwischenergebnis Die Differenzierung zwischen nationaler Normvermeidung und missbräuchlicher Ausübung von Rechten aus dem Unionsrecht trägt dazu bei, eine dogmatische Präzisierung für die korrekte Einordnung des Rechtsmissbrauchseinwands zu ermöglichen. Während diese Einordnung bei der ersten Fallgruppe der Normvermeidung relativ unproblematisch ist, bestehen innerhalb der zweiten Gruppe, der missbräuchlichen Berufung auf Rechte, die vom Unionsrecht verliehen werden, Streitigkeiten hinsichtlich der Wirkungsweise des Verbots missbräuchlicher Praktiken. Die Analyse der Rechtsprechung des EuGH hat jedoch gezeigt, dass eine Einordnung als teleologische Interpretation gegenüber einer solchen als Korrektur des formalen Ergebnisses vorzugswürdig ist. Ungeachtet dessen steht es den Mitgliedstaaten nach beiden Ansichten aber frei, ihre nationalen Generalklauseln oder Auslegungsgrundsätze zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Verbots von Rechtsmissbrauch heranziehen. Insbesondere dann, wenn keine nationale Generalklausel existiert, hat der Gerichtshof in der Rechtssache Cussens klargestellt, dass eine teleologische Reduktion der Norm möglich ist. Darüber hinaus existieren in den beiden Kategorien keine Unterschiede, insbesondere sind dieselben objektiven und subjektiven Voraussetzungen für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs erforderlich. 427

438. 428 429

438. 430

439.

Baudenbacher, Vom gemeineuropäischen zum europäischen Rechtsmissbrauchsverbot, GA Stix-Hackl, C-452/04, Rn. 93 – Fidium Finanz. Baudenbacher, Vom gemeineuropäischen zum europäischen Rechtsmissbrauchsverbot, Baudenbacher, Vom gemeineuropäischen zum europäischen Rechtsmissbrauchsverbot,

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4. Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die bisher entwickelten Kategorisierungsversuche nur bedingt geeignet sind, die Probleme des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken zu erfassen. Die Unterscheidungen zwischen Primär- und Sekundärrecht war zum Beispiel nur rein deklaratorischer Natur, während die Differenzierung zwischen Normvermeidung und Normerschleichung nicht alle Fälle des Rechtsmissbrauchs zu erfassen vermochte. Eine Kategorisierung in Fälle nationaler Normvermeidung und Fälle missbräuchlicher Ausübung von Rechten aus dem Unionsrecht ermöglicht hingegen eine klare Abgrenzung und einen besseren Blick auf die dogmatische Einordnung des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Während der EuGH für Fälle der nationalen Normvermeidung den Rahmen für die Gestaltung der nationalen Missbrauchsverbote vorgibt, aber die anschließende dogmatische Einordnung den Mitgliedstaaten überlässt, gibt er für die missbräuchliche Ausübung von Rechten aus dem Unionsrecht – um die es auch in der vorliegenden Arbeit geht – vor, dass das Missbrauchsverbot im Rahmen der teleologischen Interpretation des betreffenden Unionsrechts seine Wirkung entfaltet. Im Ergebnis führt dies für die nationalen Gerichte jedoch zu keinen unterschiedlichen Vorgehensweisen. Denn in beiden Fällen obliegt die letztliche Durchsetzung des unionsrechtlichen Verbots von Rechtsmissbrauch den Mitgliedstaten, die hierfür ihre nationalen Generalklauseln oder Auslegungsgrundsätze heranziehen können. III. Das Verbot missbräuchlicher Praktiken als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts Nachdem die Möglichkeiten einer Kategorisierung und dogmatischen Einordnung der Rechtsprechung des EuGH aufgezeigt wurden, stellt sich eine der Kernfragen im Zusammenhang mit dem Verbot missbräuchlicher Praktiken, nämlich die Frage, ob das Verbot missbräuchlicher Praktiken – wie in einigen Urteilen angeklungen – tatsächlich als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts zu qualifizieren ist.431 Von dieser Einordnung hängt es nämlich ab, ob die Verbotsvoraussetzungen auf Rechtsgebiete – wie etwa das Verbraucherschutzrecht – übertragen werden können, obwohl der EuGH die Anwendbarkeit des Verbots missbräuchlicher Praktiken auf diesem konkreten Gebiet noch nicht festgestellt hat, oder ob hinsichtlich der konkreten Verbotsvoraussetzungen in solchen Rechtsgebieten noch Unklarheit herrscht. Die Alternative zu einer Qualifizierung als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts stellt nämlich eine Einordnung als generelle Regel dar,

431 So zum Beispiel MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 155; BeckOGK/Kähler, § 242 BGB, Rn. 289, Dommermuth-Alhäuser, Arbeitsrechtsmissbrauch, 162; Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht,121; Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, 246.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

deren Voraussetzungen je nach Anwendungsbereich variieren.432 In der Literatur wird deshalb seit geraumer Zeit eine lebhafte Diskussion geführt, ob das Verbot missbräuchlicher Praktiken als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzuerkennen sei oder nicht. 1. Vorbemerkung Allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts werden vom EuGH durch eine wertende, rechtsvergleichende Betrachtung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen entwickelt. Als Rechtsgrundlage dient ihm Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 EUV, wonach er die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge sichert.433 Die grundsätzliche Existenz solcher Rechtsgrundsätze wird durch Art. 340 Abs. 2 AEUV und Art. 6 Abs. 3 EUV vertraglich bestätigt, indem sich zum einen der unionsrechtliche Amtshaftungsanspruch nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen richtet, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Und zum anderen werden die Grundrechte, wie sie sich unter anderem aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze zum Teil des Unionsrechts. 2. Die Anerkennung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts Als Anknüpfungspunkt für die Anerkennung des Verbots des Rechtsmissbrauchs als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts dient oftmals die Äußerung des EuGH in der Rechtssache Kofoed, nach der Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/434 den allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts widerspiegle, wonach Rechtsmissbrauch verboten sei.434 Diese Formulierung zeige, dass der Gerichtshof davon ausgehe, dass die mittlerweile erfolgte Ausformung des Missbrauchsverbots hinreichend konkretisiert sei und dem Missbrauchsverbot definitiv nicht mehr nur die Qualität als interpretatorische Leitlinie oder Lückenfüller zukomme.435 Dass der 432 Vgl. Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 44; Arnull, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 7, 20 f.; unentschlossen: Baudenbacher, Vom gemeineuropäischen zum europäischen Rechtsmissbrauchsverbot, 471, die aber davon ausging das der EuGH bis dahin noch keinen solchen allgemeinen Grundsatz anerkannt habe. 433 Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 19 EUV, Rn. 37; von der Groeben/ Schwarze/Hatje/Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art. 19 EUV, Rn. 22; Streinz/Huber, EUV/AEUV, Art. 19 EUV Rn. 20; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 435; Vedder/ Heintschel von Heinegg/Pache, Europäisches Unionsrecht, Art. 19 EUV Rn. 21; siehe auch allgemein hierzu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 33 ff.; Hobe, Europarecht, § 10 Rn. 404 ff.; Grosche, Rechtsfortbildung im Unionsrecht, 251 ff. 434 EuGH C-321/05, Slg. 2007, I-5795, Rn. 38 – Kofoed; sich hierauf stützend: Lenaerts, European Review of Privat Law 2010, 1121, 1138; Dommermuth-Alhäuser, Arbeitsrechtsmissbrauch, 162; BeckOGK/Kähler, § 242 BGB, Rn. 289; MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 155; Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, 246. 435 Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 118.

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EuGH verschiedene Fälle, die nach nationalem Recht unter verschiedene Kategorien des Missbrauchs zu fassen wären, unter einem einheitlichen Konzept des Verbots missbräuchlicher Praktiken zusammenfasse, spreche nicht gegen die Einordnung als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts. Vielmehr sei es Ausdruck eines unionseigenen Missbrauchsverständnisses.436 3. Eine generelle Regel des Unionsrechts Die Gegner einer Anerkennung des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts argumentieren wie folgt: Zwar sei nach überwiegender Auffassung eine ausreichende Basis für einen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Recht der Mitgliedstaaten vorhanden437, die Wirkungsweise des Verbots missbräuchlicher Praktiken entspreche allerdings nicht der eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Gemeinschaftsrechts. Denn ein solcher besitze stets zwei Funktionen: In ihrer ersten Funktion würden solche allgemeinen Grundsätze die Interpretation des Unionsrechts beeinflussen. Darüber hinaus erstrecke sich ihre Bindungswirkung auf die EU-Organe sowie die Mitgliedstaaten im Geltungsbereich des Unionsrechts.438 In diesem Rahmen setze ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts der Verwaltung Grenzen und diene der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns eines Mitgliedstaats oder eines Organs der Union.439 Da das Verbot missbräuchlicher Praktiken aber nur den einzelnen Bürger betreffe, der sich auf Unionsrecht berufe, könne diese zweite Funktion nicht festgestellt werden, womit eine Einordnung als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts ausscheide.440 Die Äußerungen des EuGH zu einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts in den Rechtssachen Kofoed, Foggia oder Italmoda seien nicht im technischen Sinne zu verstehen, sondern sollten nur zum Ausdruck bringen, dass 436 Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 121; a. A.: Englisch, StuW 2009, 3, 22, der davon ausgeht, dass es einer Differenzierung auf unionsrechtlicher Ebene zwischen institutionellem Rechtsmissbrauch von Grundfreiheiten, der Umgehung oder Ergehung von Gemeinschafsrecht, der nationalen Umgehungsbekämpfung und dem individuellen Rechtsmissbrauch bedarf. Es gäbe unterschiedliche Wertungen und Methoden je nach Kategorie und dementsprechend gäbe es auch kein „einheitliches Prinzip des Verbots von Rechtsmissbrauch im Gemeinschaftsrecht“. Zuvor spricht er jedoch von einer formalen Anerkennung als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts durch den EuGH. 437 Vgl. hierzu Basedow, FS Stathopoulos, 159, 167; Zimmermann, Das Rechtsmissbrauchsverbot im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 180; Lenaerts, European Review of Privat Law 2010, 1121, 1128. 438 Arnull, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 7, 21; Callies/Ruffert/ Wegener, Art. 19 EUV, Rn. 37. 439 Dougan, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 355 f.; Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 43 f. 440 Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 43 f.; Arnull, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 7, 21.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Rechtsmissbrauchserwägungen generell zu berücksichtigen seien.441 Zudem sei es fraglich, ob die einzelnen Kammern tatsächlich einen solchen allgemeinen Rechtsgrundsatz anerkennen wollten, obwohl dies seitens der Großen Kammer noch nicht geschehen sei.442 Darüber hinaus seien in der Rechtssache Kofoed vom Gerichtshof keine mit der Entscheidung in der Rechtssache Audiolux vergleichbaren Untersuchungen angestellt worden.443 In der betreffenden Rechtssache ging es um die Beurteilung, ob ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts existiere, der den Schutz von Minderheitsaktionären gebiete.444 Der EuGH stellte fest, dass die sekundärrechtlichen Bestimmungen nur auf ganz bestimmte Sachverhalte Anwendung fänden und ihnen damit der allgemeine übergreifende Charakter fehle, der sonst allgemeinen Rechtsgrundsätzen naturgemäß innewohne.445 Schließlich führt Kamanabrou an, dass sich die Abgrenzungsfrage zwischen einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts und einer generellen Regel ohnehin nicht stelle, wenn das Verbot missbräuchlicher Praktiken den Rechtsmissbrauch im Wege einer teleologischen Interpretation der Norm unterbinde.446 4. Stellungnahme Die Frage, ob das Verbot missbräuchlicher Praktiken einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, beschäftigte neben der Literatur auch einzelne Regierungen und die Europäische Kommission in ihren Stellungnahmen zu einzelnen Rechtssachen sowie insbesondere die Generalanwälte, die sich in ihren Schlussanträgen mit dem Verbot des Rechtsmissbrauchs auseinander zu setzen hatten. a) Die Auffassung der Europäischen Kommission Die Europäische Kommission äußerte sich stets positiv hinsichtlich des Bestehens eines allgemeinen Grundsatzes im Gemeinschaftsrecht. So führte sie im Verfahren zur Rechtssache Emsland-Stärke im Jahre 2000 ausweislich der Entscheidung des EuGH aus, dass eine Norm einer Verordnung „lediglich Ausdruck eines in der Gemeinschaftsrechtsordnung bereits zuvor geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes gewesen [sei]. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz des Rechtsmissbrauchs existiere in fast allen Mitgliedstaaten; er habe in der Rechtsprechung des

441 Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 45; Dougan, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 355, 356; Sagan, European Business Law Review 2010, 15, 25. 442 Arnull, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 7, 20. 443 Arnull, de la Feria/Vogenauer, Prohibition of Abuse of Law, 7, 20. 444 EuGH C-101/08, Rn. 32 – Audiolux. 445 EuGH C-101/08, Rn. 42, 50 – Audiolux. 446 Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 42.

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Gerichtshofes bereits Anwendung gefunden, wenngleich der Gerichtshof ihn nicht ausdrücklich als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannt habe.“447

Hierbei bezog sie sich unter anderem auf die Rechtssache General Milk448 und hinsichtlich der Grundsätze der Mitgliedstaaten auf die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro in der Rechtssache Pafitis449, die später noch näher dargestellt werden.450 Im Jahr 2011 äußerte sich die Kommission erneut zu dieser Thematik, als sie im Verfahren zur Rechtssache Paint Graphos451 von einem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Rechtsmissbrauchs sprach.452 Aus Sicht der Europäischen Kommission wird somit die Anerkennung des Verbots rechtsmissbräuchlicher Praktiken als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts bejaht. b) Die Auffassung der Generalanwälte des EuGH Den Schlussanträgen der Generalanwälte des Gerichtshofs kommt eine nicht unerhebliche Bedeutung zu: In diesen unparteiischen und unabhängigen Rechtsgutachten soll die bisherige Rechtsprechung zu ähnlichen Problemen aufgearbeitet und insbesondere auch der Rechtsstreit aus einer rechtsvergleichenden Perspektive in den übergreifenden Kontext der Rechtsprechung des Gerichtshofs eingeordnet werden und diesem schließlich die Entscheidungsfindung erleichtern.453 Die Generalanwälte fungieren hierbei als wichtiges Bindeglied zwischen der Lehre und der Praxis.454 Infolgedessen kommt ihnen auch bei einer Entwicklung oder Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes durch den Gerichtshof eine bedeutende Rolle zu. Aus diesem Grund werden im Folgenden die einzelnen Sichtweisen der Generalanwälte in ihren Schlussanträgen dargestellt. Hierbei ist die Linie der Generalanwälte nicht so eindeutig wie diejenige der Europäischen Kommission. Während vollkommene Ablehnungen selten anzutreffen ist, überwiegen die unschlüssigen und positiven Stimmen.

447

EuGH C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 38 – Emsland-Stärke. EuGH C-8/92, Slg. 1993, I-779 – General Milk Products. 449 GA Tesauro, C-441/93 – Pafitis. 450 Siehe unten Kap. 3 § 3 C. III. 4. b) aa). 451 EuGH C-78/08 bis C-80/08 – Point Graphos. 452 Vgl. Schlussanträge GA Jääskinen, C-78/08 bis C-80/08, Rn. 22 – Point Graphos. 453 Vgl. Grabitz/Hilfs/Nettesheim/Karpenstein, Das Recht der Europäischen Union, Art. 252 AEUV, Rn. 13 ff.; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Hackspiel, Europäisches Unionsrecht, Art. 252 AEUV, Rn. 12 ff.; Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 252 AEUV, Rn. 3; Bieber/Epiney/Haag/Bieber/Haag, Die Europäische Union, § 4 Rn. 88. 454 Vgl. von der Groeben/Schwarze/Hatje/Hackspiel, Europäisches Unionsrecht, Art. 252 AEUV, Rn. 14. 448

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

aa) Ablehnende Stimmen Als Ablehnung können die Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in den Rechtssachen Pafitis und Kefalas eingeordnet werden. Vorneweg ist jedoch zu beachten, dass seine letzte Stellungnahme hierzu im Jahr 1998 stattfand und unklar ist, ob er in der aktuellen Situation weiterhin daran festhalten würde. Denn insbesondere in der Rechtsache Kefalas führte er aus, dass sich gegenwärtig in der Gemeinschaftsrechtsordnung kein allgemeiner Grundsatz ausmachen lasse, der die missbräuchliche Ausübung eines durch das Gemeinschaftsrecht begründeten Rechts ahnde.455 Mit der Verwendung des Wortes „gegenwärtig“ wird deutlich, dass er eine anderweitige zukünftige Entwicklung nicht ausschließt. Für seine damalige Beurteilung führte er als Begründung an, dass seines Erachtens nach „bereits die Merkmale und der Sinn und Zweck eines Grundsatzes über den Rechtsmißbrauch deutlich [machen], daß es sich hierbei um eine Rechtsfigur handelt, die zwar in fest etablierten Rechtsordnungen eine gesicherte oder zumindest begründete Existenzberechtigung hat, viel weniger jedoch in einem System wie dem Gemeinschaftssystem, in dem der Entwicklungsprozeß in Richtung auf eine Integration noch keineswegs als abgeschlossen gelten kann. Allgemeiner gesagt, meine ich, daß die Gefahr einer Lücke im System – der letztlich durch den Mißbrauchsgrundsatz wie durch alle Auffangvorschriften begegnet werden soll – in einem Rechtssystem wie dem der Gemeinschaft, in dem es durch die Auslegungstätigkeit des Richters und die Praxis im allgemeinen leichter und sofort gelingt, das System den gesellschaftlichen Erfordernissen anzupassen, sehr gering ist oder überhaupt nicht besteht.“456

Weniger deutlich äußerte er sich in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Pafitis aus dem Jahr 1995, in denen er anführte, dass fast allen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ein Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens inhärent sei, eine gemeinschaftsrechtliche Regelung dieses Rechtsinstituts jedoch nicht bestehe.457 Der EuGH prüfe aber die Angemessenheit des nach den nationalen Rechtsordnungen vorgesehenen Rechtsschutzes, wenn Rechte auf dem Spiel stünden, auf die sich ein Einzelner auf der Grundlage von unionsrechtlichen Vorschriften berufe.458 Eine derart klare Aussage über einen unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauch wie wenige Jahre später in der Rechtssache Kefalas fand sich damals noch nicht.

455 456 457 458

GA Tesauro, C.367/96, Rn. 27 – Kefalas. GA Tesauro, C.367/96, Rn. 23 – Kefalas. GA Tesauro, C-441/93, Rn. 28 – Pafitis. GA Tesauro, C-441/93, Rn. 29 – Pafitis.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

163

bb) Positive Stimmen Generalanwalt Jacobs war hingegen bereits 1996 in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache De Agostini der Auffassung, dass sich der im Urteil Van Binsbergen459 aufgestellte Grundsatz als eine Ausformung des allgemeinen Grundsatzes des Verbotes missbräuchlicher Rechtsausübung ansehen lasse, der in den meisten Rechtsordnungen anerkannt sei.460 Damit ging er davon aus, dass sich aus dem gemeineuropäischen Grundsatz ein europäischer Rechtsgrundsatz entwickelt habe.461 In der Rechtssache Centros führte der zuständige Generalanwalt La Pergola 1998 aus, dass der Grundsatz, dass die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht gestattet sei, zu den grundlegenden Prinzipien des Gemeinschaftsrechts gehöre.462 Darüber hinaus stimmte Generalanwalt Alber mit der bereits eingangs erläuterten Auffassung der Europäischen Kommission463 in der Rechtssache Emsland-Stärke überein, wonach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften464 als solcher kein neues Rechtsinstitut schaffe, sondern einen im Gemeinschaftsrecht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz kodifiziere.465 Ähnlich verhielt es sich 2005 in der Rechtssache Halifax, in der Generalanwalt Poisares Maduro feststellte, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH sicherlich ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ableiten lasse.466 459

EuGH 33/74, Slg. 1974, 1299 – Van Binsbergen. GA Jacobs, C-34/95, C-35/95, C-36/95, Rn. 45 – De Agostini. 461 Vgl. hierzu auch Baudenbacher, Vom gemeineuropäischen zum europäischen Rechtsmissbrauchsverbot, 465. 462 GA La Pergola, C-212/97, Rn. 20 – Centros. 463 Siehe oben Kap. 3 § 3 C. III. 4. a). 464 Die Vorschrift lautet: „Handlungen, die nachgewiesenermaßen die Erlangung eines Vorteils, der den Zielsetzungen der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zuwiderläuft, zum Ziel haben, indem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Vorteils geschaffen werden, haben zur Folge, daß der betreffende Vorteil nicht gewährt bzw. entzogen wird.“ 465 GA Alber, C-110/99, Rn. 80 – Emsland-Stärke. 466 GA Poisares Maduro, C-255/02, Rn. 64 – Halifax; in seinen Schlussanträgen zur Rs. Cavallera (C-311/06) Rn. 43 spricht er davon, dass es einen Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken im Gemeinschaftsrecht gebe, wonach die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet sei. Dieser Grundsatz habe jetzt einen von der Rechtsprechung des Gerichtshofs verhältnismäßig klar festgelegten Inhalt. Daraufhin geht er auf die objektiven und subjektiven Voraussetzungen ein; Im gleichen Sinne formulierte GA Trstenjak 2010 ihre Schlussanträge in der Rs. Koller (C-118/09), Rn. 81: „Das Gemeinschaftsrecht kennt einen Begriff des Rechtsmissbrauchs, der auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zurückgeht und mittlerweile einen verhältnismäßig klar festgelegten Inhalt aufweist. Ursprünglich im Bereich der Grundfreiheiten entstanden, ist dieser Gedanke vom Gerichtshof auf andere spezifische Bereiche des Gemeinschaftsrechts übertragen und weiterentwickelt worden. Er lässt sich – stark vereinfacht – im Sinne eines Grundsatzes des Verbots 460

164

Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Im Bereich des Mehrwertsteuerrechts führte Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Italmoda aus, dass das Erfordernis des guten Glaubens des Steuerpflichtigen, der einen Umsatz bewirke, der Teil eines Steuerbetrugs sei, den allgemeinen Grundsatz widerspiegle, wonach niemand die sich aus dem Rechtssystem der Union ergebenden Rechte missbräuchlich oder betrügerisch in Anspruch nehmen könne.467 An späterer Stelle spricht er von einem „allgemein geltenden Verbot des Missbrauchs und des Betrugs“.468 Ferner stützen sich auch Generalanwälte infolge des Urteils des EuGH in der Rechtssache Kofoed auf dessen Äußerungen hinsichtlich des Verbots missbräuchlicher Praktiken als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts. So stellte Generalanwältin Sharpston 2010 in ihren Schlussanträgen zur Rechtssache Bozkurt469 unter Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Kofoed fest, dass das Rechtsmissbrauchsverbot zweifelsfrei ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts sei.470 Im Jahr 2014 ging Generalanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Fonnship471 davon aus, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Kofoed entschieden habe, dass es sich bei dem Verbot des Rechtsmissbrauchs um einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts handele.472 Unter zusätzlicher Berufung auf die ähnliche Formulierung des Gerichtshofs in der Rechtssache Italmoda473 spricht sich Generalanwalt Saugmandsgaard Øe Ende 2017 in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Altun für die Existenz eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes aus: „Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht zulässig, und die nationalen Gerichte können in jedem Einzelfall dem missbräuchlichen oder betrügerischen Verhalten der Bemissbräuchlicher Praktiken verstehen, demgemäß ,die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsvorschriften nicht gestattet [ist]‘“ Daraufhin nennt auch sie die objektiven und subjektiven Anforderungen, die der EuGH aufgestellt hat; Baudenbacher, Vom gemeineuropäischen zum europäischen Rechtsmissbrauchsverbot, 470, führt an, dass GA Trstenjak davon ausgehe, dass der EuGH das Bestehen eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes möglicherweise in der Zukunft anerkennen werde und bezieht sich auf die Fußnote 38 ihrer Schlussanträge. Diese Deutung ist allerdings vollkommen ungerechtfertigt, da Ga Trstenjak in dieser Fußnote lediglich die Aufsätze von Baudenbacher, ELR 2009, 213 f. und ders., ZfRV 2008, 205 f. zusammenfasst. Sie beginnt diese mit den Worten „Nach Ansicht von Baudenbacher“, womit deutlich wird, dass es sich nicht um seine Meinung handelt, sondern sie diese der Vollständigkeit halber aufführt. 467 GA Szpunar, C-131/13, C-163/13 und C-164/13, Rn. 50 – Italmoda. 468 GA Szpunar, C-131/13, C-163/13 und C-164/13, Rn. 57 – Italmoda. 469 EuGH C-303/08 – Bozkurt. 470 GA Sharpston, C-303/08, Rn. 58 – Bozkurt. 471 EuGH C-83/13 – Fonnship. 472 GA Mengozzi, C-83/13, Fn. 49 – Fonnship. 473 EuGH C-131/13 – Italmoda.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

165

troffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien Rechnung tragen, um ihnen unter Beachtung der Ziele der fraglichen unionsrechtlichen Bestimmungen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Unionsrecht zu verwehren. Dies ist meines Erachtens ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der unabhängig von jeglicher Umsetzung im europäischen oder nationalen Recht gilt.“474

In der Rechtssache Altun ging es allerdings um eine betrügerische Erwirkung einer E 101 Bescheinigung, die bei einer Entsendung eines Arbeitnehmers die Zugehörigkeit zum sozialen System des ausstellenden Mitgliedstaats bescheinigt, so dass im Aufnahmestaat keine gesonderten Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind.475 Aufgrund des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV hat der Entsendemitgliedstaat die Richtigkeit der Angaben in der Bescheinigung zu gewährleisten, während selbiger Grundsatz den Aufnahmestaat an die Angaben in der Bescheinigung bindet.476 Dies führte zu der Vorlagefrage, ob bei einer betrügerischen Erwirkung oder Geltendmachung einer solchen Bescheinigung ein Gericht des Aufnahmestaats diese für nichtig erklären oder sie außer Acht lassen könne.477 Im vorliegenden Fall stand somit kein originärer Missbrauch im Raum, sondern primär betrügerisches Verhalten. Die Ausführungen des Generalanwalts sind jedoch allgemein gehalten und beziehen sich damit auf die missbräuchliche und betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht. cc) Unentschlossene Stimmen Generalanwältin Kokott war in Rechtssache Kofoed im Jahr 2007 zunächst unentschlossen, indem sie davon ausging, dass sich die Behörden dem Einzelnen gegenüber nicht unmittelbar auf einen „etwa bestehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts“ berufen dürften, wonach ein Rechtsmissbrauch unzulässig sei, wenn dieser Grundsatz in einer Richtlinie wie in der Rechtssache Kofoed einen spezifischen Ausdruck und eine Konkretisierung erfahren habe.478 In ihren Vorschlägen zur Beantwortung der Vorlagefragen kommen diese Zweifel jedoch nicht zum Ausdruck, da sie hier nur davon spricht, dass der unmittelbare Rückgriff auf ein allgemeines gemeinschaftsrechtliches Verbot des Rechtsmissbrauchs unzulässig sei, wobei sie allerdings nicht mehr die Formulierung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes wählte.479 Zweifel hinsichtlich einer bereits erfolgten Anerkennung des Verbots missbräuchlicher Praktiken als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts klingen auch bei Generalanwalt Bobek in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Cussens im September 2017 durch. Er leitete die Thematik damit ein, dass er auf die terminologische 474 475 476 477 478 479

GA Saugmandsgaard Øe, C-359/16, Rn. 42 – Altun. EuGH C-359/16, Rn. 36 – Altun; GA Saugmandsgaard Øe, C-359/16, Rn. 10 – Altun. EuGH C-359/16, Rn. 37 f. – Altun. EuGH C-359/16, Rn. 27 – Altun; GA Saugmandsgaard Øe, C-359/16, Rn. 15 – Altun. GA Kokott, C-321/05, Rn. 67 – Kofoed. GA Kokott, C-321/05, Rn. 69 – Kofoed.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Vielfalt hinsichtlich des Verbots von Rechtsmissbrauchs in der Rechtsprechung des EuGH hinwies. So spreche der Gerichtshof von „Rechtsmissbrauch“, dem „Verbot missbräuchlicher Praktiken“ oder davon, dass „eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist“ oder dass „missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern“ nicht vom Unionsrecht gedeckt seien. Zudem ließen sich auch Begriffe wie „Umgehung“, „Entziehung“ oder „rein künstliche Gestaltungen“ in den Ausführungen des EuGH finden.480 Das Fehlen einer einheitlichen Terminologie werfe die grundsätzliche Frage auf, ob es einen allgemeinen Grundsatz gebe, nach dem der Missbrauch von Rechtsvorschriften verboten sei, oder ob es sich vielmehr um je nach Anwendungsbereich unterschiedliche Grundsätze handle.481 Im Mehrwertsteuerrecht sei beispielsweise die „künstliche“ Natur von Umsätzen eine wesentliche Voraussetzung, während dem Kriterium der Künstlichkeit im Bereich der Freizügigkeit eine schwächere oder teilweise überhaupt keine Bedeutung zukomme.482 Generalanwalt Bobek spricht sich infolgedessen dafür aus, diese Vielfalt anzuerkennen und nicht die Existenz eines monolithischen unionsrechtlichen Missbrauchsgrundsatzes zu behaupten. Er verzichtete anschließend bewusst darauf, näher darauf einzugehen, ob diese Annahme zur Folge habe, dass es einen einzigen Grundsatz des Verbots des Missbrauchs von Rechtsvorschriften gebe, der in unterschiedlichen Bereichen verschieden angewendet werde, oder ob es sich um eine Vielzahl bereichsspezifischer Grundsätze handle.483 Im Wesentlichen hänge die Antwort davon ab, welche Definition und welches Abstraktionsniveau man wähle. Lege man ein hohes Abstraktionsniveau zu Grunde, könne es eine einheitliche Idee eines Missbrauchsgrundsatzes geben. Schaue man sich jedoch die individuellen Missbrauchsumstände in den einzelnen Gebieten an, lasse sich eine erhebliche Vielfalt erkennen.484 Die jüngsten Schlussanträge der Generalanwälte Bobek und Saugmandsgaard Øe in den Rechtssachen Cussens und Altun haben gezeigt, dass unter den Generalanwälten noch immer keine Einigkeit darüber besteht, ob das Verbot missbräuchlicher Praktiken einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt. Während für Generalanwalt Saugmandsgaard Øe das Vorliegen eines solchen allgemeinen Grundsatzes unproblematisch erscheint, bezieht Generalanwalt Bobek nicht ab480

GA Bobek, C-251/16, Rn. 23 – Cussens. GA Bobek, C-251/16, Rn. 27 – Cussens. 482 GA Bobek, C-251/16, Rn. 28 – Cussens unter Bezugnahme auf EuGH C-109/01 – Akrich und EuGH C-58/13 und C-59/13 – Torresi. 483 GA Bobek, C-251/16, Rn. 29 ff. – Cussens. 484 GA Bobek, C-251/16, Rn. 30 – Cussens, in dessen Ausführungen jedoch deutlich wird, dass er die Frage nicht für praktisch relevant hält. Er führt nämlich im Einzelnen aus: „Auf einem hohen Abstraktionsniveau könnte es tatsächlich eine einheitliche Proto-Idee des Missbrauchsgrundsatzes geben, dessen verschwommener Schatten irgendwo an den Wänden der allegorischen Höhle Platons flackert.[…] Daher werde ich mich in diesen Schlussanträgen, die sich ja nicht mit der Konzipierung neuer großartiger Grundsätze, sondern mit banaleren Fragen praktischer Details befassen, auf den ,Grundsatz des Verbots des Missbrauchs von Rechtsvorschriften im Rahmen der Mehrwertsteuer‘ beziehen.“ (Rn. 31). 481

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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schließend Stellung, spricht sich aber klar gegen einen vollkommen monolithischen Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauchs aus. Obwohl sich nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kofoed eine gewisse Tendenz der Generalanwälte hin zu einer Anerkennung eines allgemeinen Grundsatzes des Verbots von Rechtsmissbrauch erkennen ließ, zeigen die Schlussanträge des Generalanwalts Bobek, dass diese Tendenz zehn Jahre nach dem Urteil des Gerichtshofs nicht bei allen Generalanwälten gleich stark ausgeprägt ist. c) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs Entscheidend ist letztlich die Rechtsprechung des EuGH für die Anerkennung eines allgemeinen Grundsatzes im Unionsrechts, wonach Rechtsmissbrauch verboten ist. Denn ihm obliegt – wie eingangs erwähnt – die Kompetenz zur Entwicklung solcher allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts.485 Der Gerichtshof äußerte sich im Gegensatz zu den Generalanwälten lange nicht zu der Thematik.486 In seiner Rechtsprechung erfolgte eine erste Auseinandersetzung mit diesem Streitpunkt in der Rechtssache Kofoed im Jahr 2007. Der EuGH stellte in seiner Entscheidung fest, dass Art. 11 Abs. 1 lit. a der Fusionsrichtlinie 90/434 „[…] den allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts wider[spiegelt], wonach Rechtsmissbrauch verboten ist. Die betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Normen des Gemeinschaftsrechts ist nicht gestattet. Die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften kann nicht so weit reichen, dass missbräuchliche Praktiken, d. h. Vorgänge geschützt werden, die nicht im Rahmen des normalen Geschäftsverkehrs, sondern nur zu dem Zweck durchgeführt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen […].“487

Art. 11 Abs. 1 lit. a RL 90/434 erlaubt es den Mitgliedstaaten, ausnahmsweise die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie ganz oder teilweise zu versagen oder rückgängig zu machen, wenn der hauptsächliche Beweggrund für den Austausch von 485

Vgl. oben Kap. 3 § 3 C. III. 1. Eine Ausnahme besteht für den gemeineuropäischen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach die missbräuchliche Zession unwirksam ist. Diesen stellte der EuGH in den Rechtssachen Ireks-Arkady (238/78, Rn. 20) und DEKA (250/78, Rn. 15) in den Jahren 1979 und 1983 fest, dass in den Mitgliedstaaten nationale Vorschriften existieren, wonach die in betrügerischer Absicht vorgenommene Handlungen des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger entweder den Gläubigern nicht entgegengehalten oder angefochten werden können. Diese Vorschriften seien Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen existiere. Sofern dieser Rechtsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht angewendet werde, wie es Art. 215 Abs. 2 des Vertrages (heute Art. 340 Abs. 2 AEUV) vorsehe, führe dies zu der Prüfung, ob die Abtretung, auf die sich die Klägerin berufe, in einem solchen Maße rechtsmissbräuchlich sei, dass sie gegenüber den Behörden der Gemeinschaft als unwirksam anzusehen wäre; vgl. zum Ganzen Baudenbacher, Vom gemeineuropäischen zum europäischen Rechtsmissbrauchsverbot, 466; für das hier zu untersuchende (allgemeine) Verbot von Rechtsmissbrauch ist diese sehr partielle Feststellung jedoch kaum verwertbar. 487 EuGH C-321/05, Slg. 2007, I-5795, Rn. 38 – Kofoed. 486

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Anteilen eine Steuerhinterziehung oder -umgehung ist. Eine nahezu identische Formulierung zur selben Vorschrift wählte der EuGH 2011 in seiner Entscheidung zur Rechtssache Foggia.488 In der Rechtssache Italmoda schloss sich der Gerichtshof den Ausführungen des Generalanwalts Szpunar489 an, indem er feststellte, dass die nationalen Behörden und Gerichte das in Rede stehende Recht generell zu versagen haben, wenn eine etwaige Versagung eines sich aus der Sechsten Richtlinie ergebenden Rechts den allgemeinen Grundsatz widerspiegle, wonach sich niemand missbräuchlich oder betrügerisch auf die im Rechtssystem der Union vorgesehenen Rechte berufen dürfe. Dies erfolge unabhängig davon, welches Recht aus dem Bereich der Mehrwertsteuer von der betrügerischen Handlung betroffen sei und gelte somit auch für das Recht auf Mehrwertsteuererstattung.490 Während es in den bisher genannten Entscheidungen des EuGH an näheren Ausführungen des Gerichtshofs mangelte, wurde er in der Rechtssache Cussens konkreter. Er führte aus, dass der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken, wie er in der mit dem Urteil Halifax begründeten Rechtsprechung auf den Bereich der Mehrwertsteuer angewandt werde, den allgemeinen Charakter aufweise, der den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts naturgemäß innewohne.491 Schließlich schloss sich der EuGH in der Rechtssache Altun den Schlussanträgen des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe an und konstatierte unter Verweis auf seine Rechtsprechung in den Rechtssachen Kofoed und Cussens, dass der in dieser Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz des Verbots von Betrug und Rechtsmissbrauch einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstelle, der von den Rechtsunterworfenen zu beachten sei. Die Anwendung der Unionsrechtsvorschriften könne nämlich nicht so weit gehen, dass Vorgänge geschützt würden, die zu dem Zweck durchgeführt werden, betrügerisch oder missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen.492 d) Bewertung Selbst wenn man in den Urteilen zu den Rechtssachen Kofoed, Foggia und Italmoda keine Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes durch den Gerichtshof erblicken mag, weil diese nur die Auslegung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie und zum Teil nur die Auslegung des speziellen Art. 11 Abs. 1 lit. a der Fusionsrichtlinie 90/434 betrafen, so greifen diese Bedenken spätestens seit der 488

EuGH C-126/10, Slg. 2011, I-10923, Rn. 50 – Foggia, wobei allerdings der zweite Satz fehlt, wonach die betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Normen des Gemeinschaftsrechts ist nicht gestattet sei. 489 Siehe hierzu oben Kap. 3 § 3 C. III. 4. b) bb). 490 EuGH C-131/13, Rn. 46 – Italmoda. 491 EuGH C-251/16, Rn. 31 – Cussens. 492 EuGH C-359/16, Rn. 49 – Altun.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

169

Entscheidung in der Rechtssache Altun nicht mehr durch. Indem hier keinerlei Bezug zum Mehrwertsteuerrecht bestand und der EuGH eine bewusst allgemeine Formulierung wählte, gleichzeitig aber auf seine Urteile in Kofoed und Cussens verwies, wird deutlich, dass er bereits zuvor nicht von einem auf das Mehrwertsteuerrecht begrenzten „allgemeinen Grundsatz“ ausging. Darüber hinaus wird es schwierig zu begründen, dass der EuGH den Begriff nur im untechnischen Sinne verwenden wollte. Denn man kann mittlerweile nicht mehr davon ausgehen, dass sich der Gerichtshof der Bedeutung seiner Wortwahl nicht bewusst sei. Wie sich gezeigt hat, beschäftigte dieses Thema nicht nur die Literatur, sondern auch vielfach die Generalanwälte in ihren Schlussanträgen. Insbesondere in der Rechtssache Altun sprach sich Generalanwalt Saugmandsgaard Øe für das Bestehen eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes im Unionsrecht aus, der die betrügerische und missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht verbiete. Der EuGH übernahm diese Äußerungen in seinem Urteil zur entsprechenden Rechtssache. Dass er hier lediglich von einem allgemeinen Grundsatz im Sinne einer generellen Regel sprechen wollte, ist angesichts der ihm – zumindest über die Schlussanträge der Generalanwälte – zugrundeliegenden Informationen höchst unwahrscheinlich. Hätte er einen solchen Wortsinn verfolgt, hätte er ohne Weiteres die Formulierung des „allgemeinen Grundsatzes“ ersetzen können. Dies zeigt sich auch in der Rechtssache Paint Graphos, in der er 2011 entgegen der Formulierung der Europäischen Kommission nur von einem „grundsätzlichen Rechtsmissbrauchsverbot“ sprach.493 Des Weiteren beseitigen die kürzlich ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rechtssachen Cussens und Altun einige Unsicherheiten. Zum einen stellt der EuGH in der Rechtssache Cussens die bisher vermissten Untersuchungen an, die mit denjenigen in der Rechtssache Audiolux vergleichbar sind. Er stellt erstmals fest, dass der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken den allgemeinen Charakter aufweise, der den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts naturgemäß innewohne.494 Zum anderen erging die Entscheidung in der Rechtssache Altun durch die Große Kammer des EuGH, womit die Zweifel ausgeräumt wären, dass einzelne Kammern einen solchen allgemeinen Rechtsgrundsatz ohne eine Stellungnahme der Großen Kammer wohl kaum anerkennen würden. Drittens sprach sich der Gerichtshof in der Rechtssache Cussens für einen allgemeinen übergreifenden Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken aus und folgte damit nicht dem Ansatz des Generalanwalts Bobek, der sich gegen einen „monolithischen“ Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauch aussprach.

493 EuGH C-78/08 bis 80/08, Rn. 41 – Paint Graphos; ob er sich hierdurch tatsächlich gegen einen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Unionsrecht aussprechen wollte, sei dahingestellt. Jedenfalls wird deutlich, dass andere Formulierungsweisen dem Gerichtshof nicht fremd sind. 494 EuGH C-251/16, Rn. 31 – Cussens.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Dies mag daran liegen, dass die Argumentation des Generalanwalts weitgehend darauf aufbaute, dass die (subjektiven) Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet variieren würden. Als Beispiel nannte er die im Mehrwertsteuerrecht relevante „künstliche“ Natur von Umsätzen, die für das Vorliegen der Absicht im Rahmen des subjektiven Elements herangezogen werden können. Dass für das Feststellen des subjektiven Kriteriums je nach Rechtsgebiet bestimmte Merkmale wie die „Künstlichkeit“ eines Verhaltens jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt sind, liegt in der Natur der Sache. Dazu ist allerdings anzumerken, dass der EuGH auch in der Rechtssache Kratzer auf dem Gebiet des Arbeitsrechts davon ausging, dass für die Feststellung des subjektiven Elements unter anderem der rein künstliche Charakter der fraglichen Handlungen berücksichtigt werden könne495, so dass diese Kriterien übergreifend zur Beurteilung der oft schwer erfassbaren Absicht, einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen, herangezogen werden können. An den tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs ändern diese Hilfskriterien jedoch nichts, sondern sie dienen lediglich der Subsumierung des Sachverhaltes unter den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs. Abschließend muss sich der Frage gewidmet werden, ob die Bindungswirkung des Verbots missbräuchlicher Praktiken sich tatsächlich nicht auf die EU-Organe sowie die Mitgliedstaaten im Geltungsbereich des Unionsrechts erstreckt. Bemängelt wurde in diesem Zusammenhang, dass das Verbot der Verwaltung keine Grenzen setze und nicht der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns eines Mitgliedstaats oder eines Organs der Union diene, sondern vielmehr nur die Rechte des Einzelnen begrenze, der sich auf das Unionsrecht berufe.496 In einem ersten Schritt kann auf die Äußerungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Altun zurückgegriffen werden, in der er feststellt, dass der Grundsatz des Verbots von Betrug und Rechtsmissbrauch einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstelle, der von den Rechtsunterworfenen zu beachten sei.497 Dem Recht unterworfen sind grundsätzlich auch die Mitgliedstaaten und die Organe der Union. Dies zeigte sich auch in der Rechtssache Ungarn/Slowakei498, in der eine Vertragsverletzung der Slowakischen Republik im Raum stand. Hierbei ging es unter anderem darum, ob die Slowakische Republik das Unionsrecht rechtsmissbräuchlich angewandt hat, als die staatlichen Behörden Präsident Sólyom am 21. August 2009 die Einreise in ihr Hoheitsgebiet versagten.499 Die Große Kammer des EuGH prüfte infolgedessen, ob die Voraussetzungen für einen Missbrauch vorliegen. Konkret prüfte sie – wie in den anderen Entscheidungen zum Verbot missbräuchlicher Praktiken – ob eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergab, dass trotz formaler Einhaltung der 495 496 497 498 499

EuGH C-423/15, Rn. 40 f. – Kratzer. Vgl. oben Kap. 3 § 3 C. III. 3. EuGH C-359/16, Rn. 49 – Altun. EuGH C-364/10 – Ungarn/Slowakei. EuGH C-364/10, Rn. 1 – Ungarn/Slowakei.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde, und ob zum anderen ein subjektives Element vorlag, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen wurden.500 Infolgedessen kann das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auch den Mitgliedstaaten selbst Grenzen setzen. Auch wenn die Fälle relativ selten sein mögen, ändert dies nichts an der hypothetischen Wirkung des Grundsatzes des Verbots von Rechtsmissbrauch, die sich eben auch auf die Unionsorgane und die Mitgliedstaten erstreckt. Mithin kommt dem Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken auch die bemängelte Funktion zu, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens eines Mitgliedstaats oder EU-Organs zu überprüfen. Angesichts der jüngsten Rechtsprechung spricht folglich vieles dafür, einen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Unionsrecht anzuerkennen, der rechtmissbräuchliches und betrügerisches Verhalten verbietet. Indem Kamanabrou schließlich davon ausgeht, dass sich die Frage nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts nicht stelle, da der Rechtsmissbrauch bereits durch die Interpretation des Unionsrechts unter Berücksichtigung des Normzwecks unterbunden werde, widerspricht sie sich selbst. Als eine der Funktionen von allgemeinen Rechtsgrundsätzen führt sie nämlich an späterer Stelle aus, dass diese die Interpretation des Unionsrechts beeinflussen.501 Damit wird aus ihren eigenen Ausführungen bereits deutlich, dass die Wirkung des Verbots missbräuchlicher Praktiken auf teleologischer Ebene keineswegs dazu führt, dass sich die Frage einer Qualifizierung als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts nicht mehr stellt. Denn diese Wirkungsweise ist nach ihrer eigenen Aussage geradezu typisch für einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts. Mithin verliert die Frage der Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Unionsrechts nicht an Bedeutung, wenn man nach der hier vertretenen Auffassung die Wirkung des Verbots missbräuchlicher Praktiken im Bereich der teleologischen Interpretation der Norm verortet. IV. Übertragbarkeit auf das Verbraucherschutzrecht Unabhängig davon, ob man mit der hier vertretenen Ansicht das Verbot des Rechtsmissbrauchs als einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkennt oder ob man nur von einer generellen Regel sprechen möchte, die in ihren Anwendungsvoraussetzungen je nach Rechtsgebiet leicht variieren kann, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, wie sich die Rechtsprechung des EuGH auf das Gebiet des Verbraucherwiderrufsrechts übertragen lässt. Denn bisher hat sich der Gerichtshof in diesem Bereich nicht zu einem Verbot missbräuchlicher Praktiken geäußert. 500 501

EuGH C-364/10, Rn. 58 ff. – Ungarn/Slowakei. Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 43.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

In der Rechtssache Messner502, in der es um die Vereinbarkeit der damaligen deutschen Nutzungswertersatzpflicht des Verbrauchers infolge des Widerrufs mit Art. 6 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie 1997/7/EG ging, äußerte sich der EuGH lediglich zu der Einschränkbarkeit durch den Grundsatz von Treu und Glauben, jedoch nicht speziell zum Verbot missbräuchlicher Praktiken. In concreto führte er aus, dass die Bestimmungen der Richtlinie einer Verpflichtung des Verbrauchers nicht entgegenstünden, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt habe, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werden. Die Beurteilung hierüber obliege dem nationalen Gericht.503 Die Richtlinie habe nämlich nicht zum Ziel, dem Verbraucher Rechte einzuräumen, die über das hinausgehen, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich sei.504 Dass sich die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Messner jedoch nicht für die vorliegende Problematik hinsichtlich einer Korrektur der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB fruchtbar machen lässt, wurde bereits erörtert.505 Grund dafür ist, dass sich die einzelfallspezifischen Ausführungen des EuGH mangels Vergleichbarkeit der Richtlinien nicht auf die VRRL übertragen lassen. Eine solche Übertragung wäre allerdings notwendig, da Art. 6 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 der RL 97/ 7/EG durch die VRRL vollständig abgelöst wurden und demnach als veraltet anzusehen sind. Ein eklatanter Unterschied zwischen den Richtlinien besteht zunächst darin, dass die RL 97/7/EG überhaupt keine Regelung zum Wertersatz des Unternehmers vorsah, während in Art. 14 Abs. 2 VRRL eine detaillierte Regelung des Wertersatzanspruchs des Unternehmers aufgenommen wurde. Die fehlende Wertersatzpflicht in der RL 97/7/EG war aber gerade die Ausgangslage für die Entscheidung des EuGH. Mit Einfügung des Art. 14 Abs. 2 VRRL ist deshalb der gesamten Auslegung in der Rechtssache Messner die Grundlage entzogen worden. Über die fehlende Kompensationsmöglichkeit zugunsten des Unternehmers hinaus unterscheiden sich die Richtlinien auch in ihrer harmonisierenden Wirkung: Gemäß Art. 14 RL 97/7/EG verfolgt die RL 97/7/EG den Grundsatz der Mindestharmonisierung, während Art. 4 VRRL für die VRRL eine vollharmonisierende Wirkung statuiert. Zudem ist bisher ungeklärt, ob tatsächlich ein allgemeiner Grundsatz von Treu und Glauben im Unionsrecht besteht und in welchem Verhältnis dieser zu dem Verbot missbräuchlicher Praktiken steht. Generell wird man konstatieren können, dass der Grundsatz von Treu und Glauben auf unionsrechtlicher Ebene nicht annähernd so 502 503 504 505

EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315, Rn. 29 – Messner. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315, Rn. 25 – Messner. Siehe hierzu oben Kap. 3 § 3 A. IV. 3. b).

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stark ausgeprägt ist wie das Verbot missbräuchlicher Praktiken. Der EuGH hat insofern auch bisher – im Gegensatz zum Verbot missbräuchlicher Praktiken – keine einheitlichen Kriterien zur Feststellung eines Treueverstoßes festgelegt, wodurch sich das Gebot von Treu und Glauben auf europäischer Ebene nur schlecht greifen und schwer subsumieren lässt.506 Demnach lässt sich das Verbot missbräuchlicher Praktiken mit seinen einheitlichen Grundsätzen in den Mitgliedstaaten unionsweit deutlich besser umsetzen als ein nicht klar umgrenztes Gebot von Treu und Glauben. Eine Verwandtschaft zwischen dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs ist – anders als im deutschen Recht – vom EuGH auch noch nicht konstatiert worden. Bisher verwendete er die beiden Begriffe in seiner Rechtsprechung in keinem gemeinsamen Kontext. Es empfiehlt sich deshalb auf unionsrechtlicher Ebene, diese beiden Begrifflichkeiten voneinander zu trennen.507 Jedenfalls wird man das Verbot missbräuchlicher Praktiken gegenüber einem etwaigen Grundsatz von Treu und Glauben als den spezielleren Grundsatz ansehen müssen, so dass sich aus der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Messner keine weiteren Erkenntnisse für eine Anwendung des Verbots missbräuchlicher Praktiken im Verbraucherwiderrufsrecht gewinnen lassen und deshalb in dieser Arbeit ausschließlich auf den unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauch abgestellt wird. Auch die jüngst vom BGH entschiedenen Fällen zur Verwirkung des Widerrufsrechts im Rahmen der „ewig widerrufbaren Darlehensverträge“508 waren nie Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens und fanden damit nie den Weg zum EuGH. Dies hängt damit zusammen, dass der deutsche Gesetzgeber damals über den Schutz der Mindestharmonisierung hinausgegangen war und damit kein unionsrechtliches Problem im Raum stand, sondern eine mitgliedstaatliche Eigenheit, die nach nationalem Recht zu beurteilen war. Infolgedessen muss auf die Rechtsprechung des EuGH in anderen Rechtsgebieten zurückgegriffen werden. In diesem Zusammenhang werden die Auswirkungen einer Anerkennung des Verbots von Rechtsmissbrauch als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts deutlich: Erkennt man nämlich mit der hier vertretenen Ansicht das 506 Vgl. monographisch zu der Handhabung von Treu und Glauben im Unionsrecht, Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht. 507 Reuß, „Forum Shopping“ in der Insolvenz, 240; Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 128; a. A.: BeckOGK/Kähler, § 242 BGB, Rn. 289, der das Verbot von Rechtsmissbrauch als Teil von Treu und Glauben ansieht. Hierbei bezieht er sich auf ein Urteil des EuG T-271/04 (BeckRS 2008, 70202 Rn. 106), wonach ein Rechtmissbrauch und ein Verstoß gegen Treu und Glauben zusammenfallen können. Allerdings ging es hier nicht um eine Entscheidung des EuGH selbst und zum anderen trennt auch das EuG hier zwischen beiden Rechtsinstituten. 508 Vgl. beispielhaft BGH, NJW 2018, 1390; NJW 2017, 243; NJW-RR 2017, 812; NJW 2016, 3512; NJW 2016, 3518; siehe auch jüngst BGH, NJW 2019, 66; Herresthal, NJW 2019, 13; vgl. auch allgemein hierzu Feldhusen, NJW 2018, 1209; Knops, NJW 2018, 425; Omlor, NJW 2016, 1265; Duchstein, NJW 2015, 1409.

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Verbot missbräuchlicher Praktiken als einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts an, lassen sich dessen Anwendungsvoraussetzungen ohne Weiteres auf das Verbraucherschutzrecht übertragen. Geht man jedoch mit der gegenteiligen Ansicht von einer (nur) generellen Regel aus, deren Voraussetzungen je nach Rechtsgebiet unterschiedlich ausgeprägt sind, ist ein deutlich höherer Begründungsaufwand zur Lösung des Problems erforderlich. Als Lösungsansatz empfiehlt es sich, an die Voraussetzungen aus einem vergleichbaren Rechtsgebiet anzuknüpfen und über eine Übertragbarkeit auf das Verbraucherwiderrufsrecht nachzudenken. Die Präsenz des Verbots von Rechtsmissbrauch ist derzeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den Gebieten des Arbeits- und des Steuerrechts am stärksten ausgeprägt. Von diesen beiden Materien eignet sich das Arbeitsrecht am ehesten zur Herausarbeitung von Missbrauchsvoraussetzungen für das Verbraucherwiderrufsrecht. So besteht in beiden Rechtsgebieten eine Unternehmer-Verbraucher Konstellation, da auch im Arbeitsrecht der Arbeitnehmer als Verbraucher zu qualifizieren ist.509 Infolgedessen sind die beiden Materien insoweit miteinander vergleichbar, dass in beiden Fällen rechtsmissbräuchliches Verhalten durch einen Verbraucher im Raum steht. Zum anderen geht es auf dem Gebiet des Arbeitsrechts um einen Missbrauch der Rechte aus einem Vertrags- oder einem Vertragsanbahnungsverhältnis, was dem Missbrauch der Rechte aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis nach Ausübung des Widerrufsrechts ähnelt. Überträgt man nun die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts auf das Verbraucherwiderrufsrecht, bietet sich folgende Formulierung für das Verbot missbräuchlicher Praktiken an: Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist die rechtsmissbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet. Die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens verlangt hiernach das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Tatbestandsmerkmals. 1. Was zum einen das objektive Tatbestandsmerkmal betrifft, muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der von der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wird. 2. Bezüglich des subjektiven Tatbestandsmerkmals muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass wesentlicher Zweck der fraglichen Handlungen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils ist. Zum Beweis für das Vorliegen dieses zweiten Tatbestandsmerkmals, das auf die Absicht des Handelnden abstellt, kann unter anderem der rein künstliche Charakter der fraglichen Handlungen berücksichtigt werden.510 509

BAG NZA 2005, 1111; BeckOK BGB/Bamberger, § 13 BGB, Rn. 36; Schmidt, JuS 2006, 1, 5; Riesenhuber/von Vogel, Jura 2006, 81; siehe auch zum Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag BVerfG NJW 2007, 286; BAG NJW 2010, 2827. 510 Vgl. aus dem Arbeitsrecht EuGH C-423/15, Rn. 38 ff. – Kratzer.

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Bei Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Unionsrechts, der missbräuchliche Praktiken verbietet, ließe sich der Formulierungsvorschlag in gleichem Maße verwenden. Es wirkt sich nach der hier vertretenen Ansicht demnach im Ergebnis für die konkreten Voraussetzungen des Verbots von Rechtsmissbrauch auf dem Gebiet des Verbraucherschutzrechts nicht aus, ob man einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrecht anerkennt oder die Rechtsprechung aus der vergleichbaren Materie des Arbeitsrechts überträgt. Gleichwohl unterscheidet sich die dogmatische Herangehensweise und schließlich auch die Rechtssicherheit: Während bei Anerkennung als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts die Geltung auch im Verbraucherschutzrecht als gesichert gelten kann, bestünde bei einer Qualifizierung als (bloß) allgemeine Rechtsregel die Unsicherheit, ob und in welcher konkreten Ausprägung der EuGH bereit sein wird, den Grundsatz auch im Verbraucherschutzrecht zur Geltung zu bringen. Es lässt sich somit festhalten, dass das Verbot missbräuchlicher Praktiken auch auf dem Gebiet des Verbraucherschutzrechts anwendbar ist. Die oben genannten Voraussetzungen lassen sich entweder unter Rückgriff auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts oder auf die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts stützen. V. Anwendbarkeit im konkreten Fall des Art. 14 Abs. 5 VRRL und des § 361 Abs. 1 BGB Nachdem die grundsätzliche Anwendbarkeit des Verbots missbräuchlicher Praktiken und dessen Voraussetzungen auf dem Gebiet des Verbraucherschutzrechts geklärt wurden, sind in einem nächsten Schritt die Auswirkungen auf Art. 14 Abs. 5 VRRL und § 361 Abs. 1 BGB zu erläutern. 1. Objektives Element des Verbots missbräuchlicher Praktiken Für das objektive Tatbestandsmerkmal des Verbots missbräuchlicher Praktiken ist es zunächst erforderlich, das Ziel beziehungsweise die Ziele des Art. 14 Abs. 5 VRRL zu ermitteln. Der umfassende Ausschluss aller Ansprüche, die auf dasselbe Interesse gerichtet sind wie der Wertersatzanspruch511, soll ausweislich des Erwägungsgrunds 47 VRRL zum einen dazu dienen, dass der Verbraucher nicht aus Angst vor Ersatzansprüchen davon abgehalten wird, sein Widerrufsrecht auszuüben.512 Zum anderen ergibt sich aus dem Zusammenspiel des Art. 14 Abs. 5 VRRL mit der Wertersatzpflicht aus Art. 14 Abs. 2 VRRL, dass Art. 14 Abs. 5 VRRL die Sank511

Vgl. zur Auslegung des Art. 14 Abs. 5 VRRL oben Kap. 3 § 3 A. IV. 1., 3. c). Vgl. Erwägungsgrund 47 VRRL: „Die Verpflichtungen des Verbrauchers im Falle des Widerrufs sollten den Verbraucher nicht davon abhalten, sein Widerrufsrecht auszuüben.“; siehe auch zum Sinn und Zweck der umgesetzten Norm des § 361 Abs. 1 BGB MüKo BGB/ Fritsche, § 361 BGB Rn. 4. 512

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tionierung des Unternehmers für den Verstoß gegen seine Belehrungspflicht bezweckt.513 Nach Ermittlung der Zwecke muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der von Art. 14 Abs. 5 VRRL vorgesehenen Bedingungen die Ziele dieser Regelung nicht erreicht werden. Durch eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände können teilweise auch Schlüsse auf innere Tatsachen bzw. subjektive Merkmale gezogen werden. So kann es sogar sein, dass erst das Vorliegen solcher innerer Tatsachen die Feststellung ermöglicht, dass die Ziele einer Regelung verfehlt werden.514 Der EuGH entschied diesbezüglich in der Rechtssache Ninni-Orasche, dass Wanderarbeitnehmer bei Aufnahme eines Hochschulstudiums im Aufnahmestaat als Arbeitnehmer für die Gewährung einer Studienförderung anzusehen seien, wenn eine Kontinuität zwischen der früheren Berufstätigkeit und dem durchgeführten Studium bestehe. Diese Bedingung müsse allerdings nicht vorliegen, wenn ein Wanderarbeitnehmer unfreiwillig arbeitslos geworden sei und die Lage auf dem Arbeitsmarkt ihn zu einer beruflichen Umschulung zwinge.515 Nicht ausreichend sei aber, dass sich ein Staatsangehöriger nur in der Absicht in einen anderen Mitgliedstaat begebe, dort nach einer sehr kurzen Berufstätigkeit eine Förderung für Studenten in Anspruch zu nehmen. Ein solcher Missbrauch sei nämlich durch die in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht gedeckt.516 In der Rechtssache Ninni-Orasche ging der EuGH folglich davon aus, dass der Zweck der Norm erst durch das Hinzutreten der Absicht, nach einer sehr kurzen Berufstätigkeit eine Studienförderung zu beanspruchen, vereitelt wird.517 Die Vereitelung des verfolgten Ziels ist jedoch Prüfungsgegenstand des objektiven Tatbestandsmerkmals des Verbots missbräuchlicher Praktiken. Demnach zeigt der aufgeführte Beispielsfall, dass eine haarscharfe Trennung zwischen objektivem und subjektivem Tatbestandsmerkmal nicht immer möglich ist, da subjektive Erwägungen bereits für die Feststellung relevant sein können, ob das von der Norm verfolgte Ziel erreicht wird oder nicht. In gleicher Weise verhält es sich bei den Zielen des Anspruchsausschlusses des Art. 14 Abs. 5 VRRL. Es wird sich zeigen, dass erst das Hinzutreten der sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergebenden subjektiven Merkmale dazu führt, dass die Ziele des Art. 14 Abs. 5 VRRL vereitelt werden. Vor diesem Hintergrund wird das erste Ziel des Anspruchsausschlusses, dem Verbraucher die Angst vor Ersatzansprüchen zu nehmen, damit er unbefangen sein Widerrufsrecht ausüben kann, nicht durchgängig erreicht. In folgenden Fällen be513 514 515 516 517

BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB, Rn. 11.2. Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 48. EuGH C-413/01, Slg. 2003, Rn. 35 – Ninni-Orasche. EuGH C-413/01, Slg. 2003, Rn. 36 – Ninni-Orasche. Vgl. auch Kamanabrou, EuZA 2018, 18, 48.

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steht nämlich nicht die Gefahr, dass der Verbraucher aus Angst vor Folgeansprüchen von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten wird: Dies betrifft zunächst die Sachverhalte, in denen der Verbraucher die empfangene Ware nach Erklärung des Widerrufs (Phase 3) grob fahrlässig oder vorsätzlich beschädigt. Vor solchen Ansprüchen, die aus einem in seiner eigenen Macht stehenden Verhalten resultieren, braucht der Verbraucher im Regelfall keine Angst zu haben. Derartige Beschädigungen sind nämlich so stark vom Willen des Verbrauchers gesteuert, dass sie ohne Weiteres vermieden werden können. Eine nachvollziehbare und berechtigte Furcht kann vielmehr nur vor solchen Ansprüchen bestehen, die bei keinem oder leichtem Fehlverhalten des Verbrauchers entstehen können. Bei Ansprüchen, die bereits vor Ausübung des Widerrufsrechts entstehen (Phase 2), erfüllt der Anspruchsausschluss hingegen grundsätzlich seinen Zweck, dem Verbraucher die Angst vor einem späteren Widerruf zu nehmen. Eine Ausnahme besteht allerdings für Fälle der vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung des Unternehmers in Kenntnis des Widerrufsrechts. Denn hier setzt die vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung bereits zwingend voraus, dass der Verbraucher in der Absicht handelt, den Vertrag im Anschluss zu widerrufen. Durch Entstehung des Anspruchs kann er somit nicht mehr von der Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten werden, da der Entschluss zum Widerruf des Vertrags bereits gefasst wurde. Mithin wird in folgenden Fällen das erste Ziel des Anspruchsausschlusses des Art. 14 Abs. 5 VRRL nicht erreicht, wonach der Verbraucher aus Angst vor Ersatzansprüchen nicht davon abgehalten werden soll, sein Widerrufsrecht auszuüben: 1. Wenn der Anspruch des Unternehmers auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Beschädigung oder Zerstörung der Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts beruht. 2. Wenn der Anspruch des Unternehmers durch eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung begründet wird. Das zweite Ziel der Sanktionierung des Unternehmers wird auf den ersten Blick mit dem Anspruchsausschluss durchgängig erreicht. Jeder Anspruch, der dem Unternehmer genommen wird, wirkt sich grundsätzlich sanktionierend auf diesen aus. Es kann allerdings kaum davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber den Unternehmer für seinen Belehrungsverstoß so drakonisch sanktionieren wollte, dass er auch vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen durch den Verbraucher hinzunehmen hat. In diesen Fällen tritt nämlich das Fehlverhalten des Unternehmers hinter dem des Verbrauchers zurück.518 Ob das Ziel auch bei grob fahrlässigen Beschädigungen der Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts verfehlt wird, kann dahinstehen. Denn bei grob fahrlässigen Handlungen scheitert das Verbot miss518 Vgl. auch Wendehorst, GPR 2015, 55, 59, die davon ausgeht, dass ein Fortfall der Entgeltzahlungspflicht dem Sanktionszweck widerspricht, wenn der Verbraucher in voller Kenntnis der Rechtslage mit Bereicherungsvorsatz bereits vor Vertragsschluss gehandelt hat.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

bräuchlicher Praktiken jedenfalls am subjektiven Erfordernis der Absicht des Verbrauchers, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen.519 Im Ergebnis lässt sich somit Folgendes für das objektive Erfordernis des Verbots missbräuchlicher Praktiken festhalten: Wenn sich aus der Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der von Art. 14 Abs. 5 VRRL vorgesehenen Bedingungen, die Ziele der Regelung nicht erreicht werden, indem sich der Verbraucher auf den Anspruchsausschluss beruft, obwohl er die empfangene Ware in Schädigungsabsicht (vor oder nach Ausübung des Widerrufsrechts) beschädigte, ist das erste Erfordernis des unionsrechtlichen Verbots von Rechtsmissbrauch erfüllt. Die innere Willensrichtung des Verbrauchers kann sich in diesen Fällen aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, wenn sich diese anhand der Art der Beschädigung oder aus Zeugenaussagen feststellen lässt oder der Unternehmer den Vorsatz anderweitig beweisen kann. 2. Subjektives Element des Verbots missbräuchlicher Praktiken In einem nächsten Schritt ist das subjektive Element des Verbots missbräuchlicher Praktiken zu prüfen. Hiernach muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass wesentlicher Zweck der fraglichen Handlungen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils ist. Zum Beweis für das Vorliegen dieses zweiten Tatbestandsmerkmals, das auf die Absicht der Handelnden abstellt, kann unter anderem der rein künstliche Charakter der fraglichen Handlungen berücksichtigt werden. Für den Anspruchsausschluss aus Art. 14 Abs. 5 VRRL hat dies zur Folge, dass die Berufung hierauf nur dann missbräuchlich ist, wenn der Verbraucher hiermit die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils bezweckt. Dies ist wiederum der Fall, wenn er die Ware vor Ausübung des Widerrufsrechts mit Schädigungsabsicht beschädigt bzw. zerstört oder wenn diese Beschädigung nach Ausübung des Widerrufsrechts vorsätzlich (mit Schädigungsabsicht) vorgenommen wird. Denn in diesen Fällen bezweckt der Verbraucher mit der Berufung auf den Anspruchsausschluss nur den Zweck, einen ungerechtfertigten Vorteil in der Form zu erlangen, dass er trotz einer solchen oftmals sittenwidrigen Schädigung des Unternehmers diesem keinen Ersatz hierfür zu leisten hat. Das subjektive Kriterium erlangt somit im Rahmen der missbräuchlichen Berufung auf Art. 14 Abs. 5 VRRL insoweit Bedeutung, dass es einen Rechtsmissbrauch des Verbrauchers bei einer „nur“ grob fahrlässigen Beschädigung der Ware ausschließt. Die in Schädigungsabsicht vorgenommene Beschädigung der Ware spielte nämlich bereits bei der Verfehlung der Ziele der Norm eine entscheidende Bedeutung. Dies ist der besonderen Konstellation 519 Zwar geht es grundsätzlich darum, dass die Absicht im Zeitpunkt der Berufung auf das Recht, hier also die Ausschlusswirkung des Art. 14 Abs. 5 VRRL vorliegt. Allerdings ist das der Berufung vorgelagerte Verhalten so eng mit der Missbrauchsbeurteilung verbunden, dass diese Vorgänge nicht getrennt betrachtet werden können.

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geschuldet, dass vorliegend das objektive und subjektive Kriterium nicht haarscharf voneinander zu trennen sind. Denn bereits die Ziele des Art. 14 Abs. 5 VRRL weisen eine subjektive Komponente auf, die zwingend einen Rückgriff auf die innere Willensrichtung des Verbrauchers erfordern, um festzustellen, ob sie erreicht werden oder nicht. Aus diesem Grund bedarf es im vorliegenden Fall auch keines Rückgriffs auf das Hilfskriterium des künstlichen Charakters der in Rede stehenden Handlung als Beweis für die erforderliche Absicht des Verbrauchers, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen, da die erforderliche subjektive Komponente aufgrund ihrer Relevanz innerhalb des objektiven Kriteriums bereits dort festzustellen war. Nach Anwendung des Verbots missbräuchlicher Praktiken auf Art. 14 Abs. 5 VRRL und infolgedessen auch auf § 361 Abs. 1 BGB lässt sich feststellen, dass unionsrechtlich nur dann von einem Missbrauch durch den Verbraucher gesprochen werden kann, wenn er sich auf den Anspruchsausschluss beruft, nachdem er die Ware vor Ausübung des Widerrufsrechts in Schädigungsabsicht oder nach Ausübung des Widerrufsrechts vorsätzlich (mit Schädigungsabsicht) beschädigt oder zerstört hat. VI. Folgen für die Beurteilung eines Rechtsmissbrauchs nach nationalem Recht Nach den Maßstäben des nationalen Rechts wurde oben ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 242 BGB für Fälle festgestellt, in denen der Verbraucher die Ware nach Kenntnis vom Widerrufsrecht, aber vor dessen Ausübung (Phase 2), vorsätzlich mit der Absicht beschädigt oder zerstört, den Unternehmer zu schädigen oder nach Ausübung des Widerrufrechts (Phase 3) die Ware grob fahrlässig oder vorsätzlich beschädigt bzw. zerstört und sich anschließend auf den Anspruchsausschluss des § 361 Abs. 1 BGB beruft.520 Unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken muss jedoch festgestellt werden, dass die Berufung auf den Anspruchsausschluss des § 361 Abs. 1 BGB infolge einer grob fahrlässigen Beschädigung der Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts keinen Rechtsmissbrauch zu begründen vermag. Der Grund für den unterschiedlichen Maßstab im Hinblick auf das Vorliegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auf nationaler und europäischer Ebene wird zum einen darin zu sehen sein, dass das Kriterium des Vorsatzes unionseinheitlich einfacher zu handhaben ist als die grobe Fahrlässigkeit, die sich an dem jeweils geltenden Sorgfaltsmaßstab orientiert, der innerhalb der Mitgliedstaaten stark variieren kann. Die Absicht, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen, lässt sich hingegen einheitlich in allen Mitgliedstaaten subsumieren, ohne eine Rechtszersplitterung durch unterschiedliche Sorgfaltsmaßstäbe befürchten zu müssen. Zum anderen liegt es bereits in der Natur des Europarechts, insbesondere bei vollharmonisierenden Richtlinien wie der VRRL eine Vereinheitlichung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen und damit eine Stärkung des Binnenmarkts im Sinne 520

Siehe oben Kap. 3 § 3 B. I., VI.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

der Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 26 ff. AEUV herbeizuführen. Je mehr jedoch der Rückgriff auf Missbrauchserwägungen zugelassen wird, desto eher wird dieses Ziel der Vereinheitlichung gefährdet, was ebenfalls für eine strengere Handhabung des unionsrechtlichen Verbots von Rechtsmissbrauch spricht. Zudem entspricht auch im konkreten Fall des Verbraucherrechts eine enge Missbrauchsgrenze einem hohen Verbraucherschutzniveau, auf dessen Gewährleistung die Europäische Union gemäß Art. 169 AEUV hinarbeitet. Schließlich ist das Rechtsmissbrauchsverbot auch auf nationaler Ebene vom grundsätzlichen Ansatz her anders ausgestaltet als sein Pendant auf europäischer Ebene. Während auf nationaler Ebene grundsätzlich rein objektive Kriterien maßgebend sind und subjektive Elemente weitgehend unberücksichtigt bleiben, bildet das subjektive Element auf unionsrechtlicher Ebene einen elementaren Bestandteil des Verbots missbräuchlicher Praktiken. Die Wirkung des unionsrechtlichen Verbots von Rechtsmissbrauch ist zwar grundsätzlich wegen seiner Wirkungsweise im Rahmen der teleologischen Interpretation der Richtliniennorm521 nicht zwingend im Rahmen des § 242 BGB zu verorten, gleichwohl obliegt es weitgehend den Mitgliedstaaten, wie sie in ihren nationalen Rechtsordnungen die Durchsetzung des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken gewährleisten, Deshalb lässt der EuGH auch bei der nationalen Durchsetzung des Verbots einen Rückgriff auf nationale Generalklauseln ausdrücklich zu522, was sich vorliegend auch aus mehreren Gründen anbietet: So entspricht es zum einen der gängigen Praxis der nationalen Gerichte, das unionsrechtliche Verbot im Rahmen des § 242 BGB beziehungsweise im Steuerrecht über § 42 AO zu berücksichtigen.523 Erst kürzlich hat zum Beispiel das BAG den unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken an dieser Stelle verortet.524 Zum anderen werden auch Fälle der Unwirksamkeit der Ausübung des Widerrufsrechts selbst über § 242 BGB gelöst. So prüfte der BGH kürzlich, ob der Erklärung des Widerrufs der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegensteht, wenn der Verbraucher dieses als Druckmittel einsetzt, um eine Herabsetzung des Kaufpreises zu erreichen.525 In concreto verneinte der BGH die Unwirksamkeit wegen einer unzulässigen Rechtsausübung nach der Rechtslage bis zum 12.06.2014, da es dem freien Willen des Verbrauchers überlassen sei, ob und aus welchen Gründen er von seinem im Fernabsatz bestehenden Widerrufsrecht Gebrauch mache.526 Um eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, ist damit 521

Siehe hierzu oben Kap. 3 § 3 C. II. 3. b) cc), d), 4. Vgl. hierzu oben Kap. 3 § 3 C. II. 3. b) cc), 4. 523 Vgl. für eine Anwendung des § 242 BGB aus dem Arbeitsrecht z. B. BAG NZA 2017, 310, 315; vgl. für eine Anwendung des § 42 AO aus dem Steuerrecht z. B. FG Berlin-Brandenburg DStRE 2018, 305, 310; FG Rheinland-Pfalz EFG 2017, 1847 Rn. 22; vgl. auch Schürnbrand, JZ 2009, 133, 134. 524 BAG BeckRS 2017, 112923, Rn. 127. 525 BGH NJW 2016, 1951. 526 BGH NJW 2016, 1951, 1952 mit Anm. Wendehorst, NJW 2016, 1952. 522

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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eine Lösung über § 242 BGB gegenüber einer teleologischen Reduktion oder gar einer unmittelbaren Anwendung des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken vorzuziehen. Folglich bietet die Anwendung des § 242 BGB unter Einbeziehung des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken eine dogmatische Umsetzungsmöglichkeit zur Vermeidung von Missbrauchsmöglichkeiten im Rahmen des § 361 Abs. 1 BGB ohne Gefahr zu laufen, die vollharmonisierende VRRL unzureichend umzusetzen. In Anbetracht der bisher in der Literatur vertretenen Ansichten zur Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB lässt sich vor diesem Hintergrund festhalten, dass keiner der vorhandenen Lösungsvorschläge die Norm ausreichend im Lichte der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL und insbesondere nicht konsequent genug vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken ausgelegt hat: Wie oben bereits aufgezeigt,527 legt der Großteil der Autoren528 die Norm schon nicht konsequent genug im Lichte der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL aus. Denn vielfach wird davon ausgegangen, dass Ansprüche wegen Beschädigung oder Zerstörung der Ware, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehen, gar nicht vom Anspruchsausschluss umfasst seien, so dass sich für diese Autoren die Frage eines Missbrauchs in diesem Stadium überhaupt nicht stellt. Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch Art. 14 Abs. 5 VRRL, der im Wege richtlinienkonformer Auslegung im Rahmen von § 361 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen ist.529 Gleichzeitig gehen die meisten Autoren mit Ausnahme von Rosenkranz und Fritsche davon aus, dass Ansprüche, die vor Ausübung des Widerrufsrechts entstehen, immer von § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen seien. Lediglich die beiden genannten Autoren sprechen sich unter unterschiedlichen Voraussetzungen dafür aus, dass bestimmte Ansprüche aufgrund von Missbrauchserwägungen erhalten bleiben sollen. Bei erneuter Auseinandersetzung mit diesen Auffassungen stellt man fest, dass Rosenkranz zwar nicht in der Begründung, aber zumindest teilweise im Ergebnis mit der hier vertretenen Auffassung übereinstimmt, während Fritsche weder in der Begründung noch im Ergebnis gefolgt werden kann. Für Rosenkranz sollen bei missbräuchlicher Ausübung des Widerrufsrechts Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB oder § 826 BGB möglich sein, Bedenken bestünden aufgrund der Messner-Entscheidung des EuGH530 nicht, da diese gerade die 527

Siehe Kap. 3 § 3 A. IV. 3. b). Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1; NK-BGB/Ring, § 361 BGB Rn. 5; P/W/W/ Stürner, § 361 BGB Rn. 5; MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6; BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.3. 529 Vgl. hierzu die Auslegung von Art. 14 Abs. 5 VRRL, Kap. 3 § 3 A. IV. 1. 530 EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. 528

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Abweichung von zwingenden Richtlinienbestimmungen zugelassen habe.531 Zu den genauen Voraussetzungen, wann ein Missbrauch vorliegen soll, äußert sich Rosenkranz nicht. Fritsche geht hingegen davon aus, dass ein Schadensersatzanspruch des Unternehmers gegen den Verbraucher in Betracht komme, wenn der Verbraucher über seine Verpflichtung zum Wertersatz unterrichtet worden sei und die eigenübliche Sorgfalt mit dem Umgang der Ware nicht gewahrt habe.532 Begründet wird dies anscheinend damit, dass die Frage, ob der Verbraucher Wertersatz zu leisten habe, nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Messner533 nach nationalem Recht beurteilt werden könne.534 Zunächst ist zu kritisieren, dass beide Autoren fälschlicherweise auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Messner535 zurückgreifen, obwohl das unionsrechtliche Verbot missbräuchlicher Praktiken im Hinblick auf eine Korrektur der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB wegen Missbrauchs vorzugswürdig ist. Dies basiert auf folgenden Erwägungen: Wie schon ausgeführt536, lassen sich die Ausführungen des EuGH zu diesem speziellen Einzelfall nicht auf die vorliegende Problematik übertragen. Die Frage einer Übertragbarkeit stellt sich, weil die in der Rechtssache Messner537 im Mittelpunkt stehende Richtliniennorm der RL 97/7/EG durch die VRRL abgelöst wurde und demnach als veraltet anzusehen ist. Eine Übertragbarkeit scheitert jedoch an einer Vergleichbarkeit beider Richtlinien. So existierte in der RL 97/7/EG im Gegensatz zur VRRL überhaupt keine Regelung zum Wertersatz, so dass in Fällen der Verschlechterung der Ware nach der Richtlinie keinerlei Kompensationsmöglichkeit zugunsten des Unternehmers bestand. Mit der detaillierten Regelung des Wertersatzanspruchs des Unternehmers in Art. 14 Abs. 2 VRRL ist infolgedessen der komplette Aussagegehalt der Rechtssache Messner538 weggefallen. Darüber hinaus unterscheiden sich die Harmonisierungsgrade der beiden Richtlinien: Während die RL 97/7/EG gemäß Art. 14 RL 97/7/EG eine Mindestharmonisierung bezweckte, misst Art. 4 VRRL der VRRL eine vollharmonisierende Wirkung bei. Außerdem ist das Verbot missbräuchlicher Praktiken – wie schon mehrfach ausgeführt539 – gegenüber einem allgemeinen Gebot von Treu und Glauben spezieller und somit vorrangig. Darüber hinaus ist es aufgrund der eindeutig festgelegten Kriterien auch unionsweit in den Mitgliedsatten deutlich besser umsetzbar als das 531 532 533 534 535 536 537 538 539

BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.1. MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. MüKo BGB/Fritsche, § 357 BGB Rn. 35, auf den in § 361 BGB Rn. 6 verwiesen wird. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. Vgl. zu derselben Auseinandersetzung oben Kap. 3 § 3 A. IV. 3. b), C. IV. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. Siehe exemplarisch Kap. 3 § 3 C. IV.

§ 3 Korrektur vor dem Hintergrund von Missbrauchsmöglichkeiten

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bisher auf unionsrechtlicher Ebene noch nicht klar umgrenzte Gebot von Treu und Glauben.540 Unter Berücksichtigung des Verbots missbräuchlicher Praktiken ist jedoch die Auffassung von Fritsche, nach der bereits bei Verletzung der diligentia quam in suis eine Ausnahme von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB vorgenommen werden soll541, unhaltbar. Denn rechtsmissbräuchliches Verhalten im unionsrechtlichen Sinne setzt die Absicht des Verbrauchers voraus, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen.542 Bei einer Verletzung der eigenüblichen Sorgfalt kann jedoch nicht von einer solchen Absicht ausgegangen werden. Da sich Rosenkranz nicht mit den genauen Voraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens beschäftigt und lediglich für eine Anwendbarkeit der §§ 280 Abs. 1, 826 BGB unter Berufung auf die Messner-Rechtsprechung543 plädiert, kann an den Voraussetzungen an sich keine Kritik geübt werden. Es ist jedoch festzustellen, dass die Herleitung über die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Messner544 den falschen Anknüpfungspunkt darstellt und deshalb auch nicht nach nationalen Rechtsmissbrauchserwägungen, sondern nach unionsrechtlichen Kriterien vorzugehen ist. Im Ergebnis ist Rosenkranz dennoch zum Teil zuzustimmen. Denn eine Anwendbarkeit des § 826 BGB im Stadium vor Ausübung des Widerrufsrechts setzt stets eine Schädigungsabsicht voraus und ist damit nach dem unionsrechtlichen Verbot missbräuchlicher Praktiken von der Sperrwirkung des Art. 14 Abs. 5 VRRL und damit auch der des § 361 Abs. 1 BGB auszunehmen. Im Hinblick auf § 280 BGB gilt dies jedoch nur, sofern auch hier eine Schädigungsabsicht des Verbrauchers vorliegt. Bei einem niedrigeren Verschuldensmaßstab bleibt ein Anspruch aus § 280 BGB hingegen ausgeschlossen. Dem kleineren Teil der Autoren545, der zunächst – in Übereinstimmung mit der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL – davon ausgeht, dass auch Ansprüche, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehen, von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB erfasst seien, dann aber nach rein nationalen Erwägungen für dieses Stadium eine teleologische Reduktion für solche Ansprüche vornehmen will, die durch ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten des Verbrauchers be540 Vgl. zum aktuellen Stand der Entwicklung von Treu und Glauben auf der unionsrechtlichen Ebene, MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 150 ff., der auch deutlich macht, dass der EuGH Treu und Glauben bislang nicht als allgemeinen Grundsatz des Unionsrecht anerkannt hat; siehe auch BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 277 ff.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 321 f. 541 MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 6. 542 Siehe hierzu oben die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken im Rahmen des Verbraucherschutzrechts, Kap. 3 § 3 C. IV. 543 EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. 544 EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315 – Messner. 545 Bestehend aus Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848; Singbartl/Henke, EWS 2017, 213, 216 ff.; Erman/Koch, § 361 BGB Rn. 1.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

gründet wurden, kann bei der Herleitung des Ergebnisses zwar nicht gefolgt werden, gleichwohl können die Autoren im Ergebnis teilweise überzeugen. Dass eine Korrektur der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL nur auf unionsrechtlicher Ebene erfolgen kann, wurde bereits mehrfach ausgeführt.546 Eine nach nationalen Maßstäben vorgenommene teleologische Reduktion allein nach dem Zweck des § 361 Abs. 1 BGB ist somit nicht möglich. Im Ergebnis sind jedoch Ansprüche, die nach Ausübung des Widerrufsrechts durch eine vorsätzliche (in Schädigungsabsicht vorgenommene) Beschädigung oder Zerstörung der Ware entstehen, infolge des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB ausgenommen, so dass das Ergebnis insoweit mit den Autoren der kleineren Gruppe übereinstimmt. Sofern jedoch auch bei grob fahrlässiger Beschädigung oder Zerstörung Ansprüche entgegen der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB erhalten bleiben sollen, kann dem wegen der subjektiven Komponente des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken nicht gefolgt werden. Darüber hinaus halten diese Autoren eine Korrektur für Ansprüche, die vor Ausübung des Widerrufsrechts entstehen, nicht für möglich.547 Es hat sich jedoch gezeigt, dass auch bei Beschädigungen oder Zerstörungen der Ware, die in Schädigungsabsicht vorgenommen werden, auf entsprechenden Ersatz gerichtete Schadensersatzansprüche erhalten bleiben. Abschließend lässt sich festhalten, dass diejenigen Autoren, für die sich schon die Frage des Missbrauchs nicht stellt, bereits die grundsätzliche Reichweite der Sperrwirkung des Art. 14 Abs. 5 VRRL verkennen. Dies betrifft vor allem Ansprüche, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehen. Zu den betreffenden Autoren zählen Grüneberg548, Ring549 und M. Stürner550. Aber auch Rosenkranz551 und Fritsche552 gehen fälschlicherweise davon aus, dass derartige Ansprüche im Ergebnis nicht von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB erfasst seien. Gleichwohl stellen sie sich zumindest die Missbrauchsfrage für Ansprüche, die vor Ausübung des Widerrufsrechts entstehen. Auch Koch553 und in besonderem Maße Singbartl, Zintl554 und Henke555 setzen sich mit einer Korrektur der Ausschlusswirkung auseinander, nachdem sie zunächst auch Ansprüche, die nach Erklärung des Widerrufs entstehen, als von der Ausschlusswirkung erfasst ansehen. Die Ergebnisse sind jedoch unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher 546 547 548 549 550 551 552 553 554 555

Vgl. exemplarisch Kap. 3 § 3 C. Siehe Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848, 1850. Palandt/Grüneberg, § 361 BGB Rn. 1. NK-BGB/Ring, § 361 BGB Rn. 5. P/W/W/Stürner, § 361 BGB Rn. 5. BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.3. MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 4. Erman/Koch, § 361 BGB Rn. 1. Singbartl/Zintl, NJW 2016, 1848. Singbartl/Henke, EWS 2017, 213, 216 ff.

§ 4 Reichweite des Anspruchsausschlusses des § 361 Abs. 1 BGB

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Praktiken im oben dargestellten Maße erheblich zu korrigieren. Ein besonderes Augenmerk sollte zukünftig auf das subjektive Kriterium des Verbots missbräuchlicher Praktiken gelegt werden. Bei gleichzeitiger Berücksichtigung der hier vertretenen Auslegung der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL lassen sich so unionsrechtskonforme, sachgerechte Ergebnisse finden, die gleichzeitig die Missbrauchsmöglichkeiten des Verbrauchers eindämmen.

§ 4 Reichweite des Anspruchsausschlusses des § 361 Abs. 1 BGB in Dreipersonenverhältnissen Nachdem bislang die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB für Schadensersatzansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher wegen der Beschädigung oder Zerstörung der Ware untersucht wurde, widmet sich der abschließende Teil der Arbeit der Frage, wie sich der Anspruchsausschluss auswirkt, wenn dritte Personen involviert sind. Bei diesen Sachverhaltsgestaltungen steht weniger eine Beschädigung oder Zerstörung der Ware im Raum, sondern vielmehr eine Weiterveräußerung oder Verschenkung an einen Dritten. Infolgedessen verschiebt sich der Fokus von den Schadensersatzansprüchen hin zu Herausgabeansprüchen hinsichtlich der Sache selbst oder eines etwaigen Surrogats. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Ansprüchen aus § 285 Abs. 1 BGB, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB sowie § 822 BGB und § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Es wird sich hierbei zeigen, dass sich die bereits im Rahmen der Auslegung des Art. 14 Abs. 5 VRRL und des § 361 Abs. 1 BGB erarbeiteten Ergebnisse als universelles Konzept für die Bestimmung der Reichweite der Ausschlusswirkung auch in diesen Fällen heranziehen lassen.

A. Die Weiterveräußerung der Ware an Dritte Bei der Weiterveräußerung der Ware durch den Verbraucher sind im Ausgangspunkt zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden. Die erste betrifft den Regelfall, in dem der Verbraucher die Ware sofort bezahlt und Eigentümer der gekauften Sache wird. Die zweite Konstellation besteht hingegen darin, dass der Verbraucher die Ware unter Eigentumsvorbehalt kauft und deshalb der Unternehmer bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung weiterhin Eigentümer der Kaufsache bleibt. Je nach Fallkonstellation unterscheiden sich die Anspruchsgrundlagen, die auf die Herausgabe des Surrogats gerichtet sind.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

I. Der Regelfall: Der Anspruch auf Herausgabe des Surrogats aus § 285 BGB im Mittelpunkt In einem ersten Schritt soll der regelmäßig auftretende Fall analysiert werden, in dem der Verbraucher mit Erhalt der Ware Eigentümer derselben wird und sie anschließend an einen Dritten weiterveräußert. Zur Veranschaulichung dient folgender Sachverhalt: A bestellt über den Online-Shop des B einen Badmintonschläger. Aufgrund eines internen Systemfehlers wurde an die E-Mail mit der Bestellbestätigung keine Widerrufsbelehrung angehängt. Als A den Schläger nach Erhalt mit ins Fitnessstudio nimmt, kommt C auf ihn zu und bietet ihm an, den Schläger für 10 E über dem Verkaufspreis zu kaufen, da er am selben Abend noch ein wichtiges Spiel hat und auf die Schnelle keinen anderen Schläger mehr auftreiben kann. A erklärt sich einverstanden und verkauft den Schläger an C. Er übereignet den Schläger unmittelbar an C, wobei dieser zusagt, den Kaufpreis zum nächsten Treffen mitzubringen. Allerdings versäumt es C immer wieder, das Geld mitzubringen, so dass A lieber seinen Kaufpreis vom Unternehmer zurückerhält, um nicht länger warten zu müssen. Aus diesem Grund erklärt er den Widerruf gegenüber B. C ist unter keinen Umständen bereit, den Schläger wieder herauszugeben, da ihm bisher kein anderer Schläger so viel Glück gebracht habe. 1. Unwirksamkeit der Widerrufserklärung gem. § 242 BGB? Zunächst könnte man sich die Frage stellen, ob in einem solchen Fall die Ausübung des Widerrufsrechts wegen unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB ausgeschlossen ist. Für eine unzulässige Rechtsausübung reicht es allerdings nicht aus, dass die Ausübung des Widerrufsrechts nicht durch den Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts motiviert ist.556 Vielmehr erfordert die Ausübung des Widerrufsrechts – wie sich schon durch die fehlende Begründungspflicht zeigt – gerade kein berechtigtes Interesse des Verbrauchers, sondern überlässt es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft.557 So stellt es zum Beispiel, wie der BGH 2016 klargestellt hat, keine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht als Druckmittel zur Nachverhandlung des Preises einsetzt.558 Eine unzulässige Rechtsausübung kann hingegen ausnahmsweise vorliegen, wenn der Unternehmer, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers, besonders 556 BGH NJW 2016, 3512, 3517, der BGH entschied hier zwar zur alten Rechtslage, § 355 Abs. 1 S. 4 BGB n. F. sieht allerdings ebenfalls von einer Begründung des Widerrufs ab, worauf der BGH sein Urteil stützt, womit es auf die neue Rechtslage übertragbar ist, vgl. hierzu Erman/ Koch, § 355 BGB Rn. 7; vgl. auch BGH NJW 2016, 1951; NJW 2010, 610. 557 BGH NJW 2016, 1951, 1952; Wendehorst, NJW 2016, 1952. 558 BGH NJW 2016, 1951, 1952; Wendehorst, NJW 2016, 1952.

§ 4 Reichweite des Anspruchsausschlusses des § 361 Abs. 1 BGB

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schutzbedürftig ist.559 Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Verbraucher aus reiner Willkür und in Schädigungsabsicht mehrfach Bestellungen aufgegeben hat, obwohl er von vornherein geplant hatte, diese zu widerrufen.560 Im Fall der Weiterveräußerung und anschließenden Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher besteht hingegen keine übermäßige Schutzbedürftigkeit des Unternehmers. Wenn er nämlich den Verbraucher ordnungsgemäß oder zumindest in irgendeiner Weise belehrt, erlangt dieser Kenntnis vom Widerrufsrecht. Es wird sich zeigen, dass der Verbraucher bei einer Weiterveräußerung ab diesem Zeitpunkt unter anderem einem Schadensersatzanspruch ausgesetzt ist, welcher dem Unternehmer einen ausreichenden Schutz vermittelt. Selbst bei Weiterveräußerungen vor Kenntnis vom Widerrufsrecht ist der Unternehmer nicht vollkommen schutzlos gestellt, sondern ihm steht – wie im Folgenden gezeigt werden wird – zumindest ein Anspruch auf Herausgabe des Surrogats aus § 285 Abs. 1 BGB zu. Eine unzulässige Rechtsausübung und damit einhergehende Unwirksamkeit der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß § 242 BGB kommt infolgedessen bei einer Weiterveräußerung der Ware nicht in Betracht. Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen damit ein eventueller Schadensersatzanspruch aus §§ 280 ff. BGB und ein Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB. Es empfiehlt sich auch hier, zwischen den drei bekannten Zeitphasen zu differenzieren, da sich insofern unterschiedliche Ergebnisse ergeben können. 2. Die Sachlage vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 1) Verkauft der Verbraucher die Kaufsache vor Kenntnis vom Widerrufsrecht an einen Dritten weiter, scheitert ein Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB bereits daran, dass die Ware keinen Wertverlust erlitten hat. Sie befindet sich nur bei einem Dritten, dort allerdings in unversehrtem Zustand. Ein Schadensersatzanspruch des Unternehmers aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB mit dem ursprünglichen Kaufvertrag als Schuldverhältnis scheidet bereits tatbestandlich mangels Pflichtverletzung oder bei anderweitiger Verortung mangels Vertretenmüssens aus. Denn vor Kenntnis vom Widerrufsrecht darf der Verbraucher auf die Endgültigkeit des Rechtserwerbs vertrauen und beliebig mit der Sache verfahren und sie dementsprechend auch übereignen.561 Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen anfänglicher Unmöglichkeit aus § 311 a Abs. 2 BGB mit dem Rückgewährschuldverhältnis infolge des Widerrufs als Schuldverhältnis besteht – wie oben bereits ausführlich besprochen – mangels Anwendbarkeit auf das Rückgewährschuldverhältnis nicht.562 559 BGH NJW 2016, 1951, 1952; BGHZ 183, 235; BeckOGK/Mörsdorf, § 355 BGB Rn. 89; Erman/Koch, § 355 BGB Rn. 7; Petersen, JZ 2010, 315, 316. 560 jurisPK/Hönninger, § 355 BGB Rn. 60; BeckOGK/Mörsdorf, § 355 BGB Rn. 89; Staudinger/Kaiser, § 355 BGB a. F. Rn. 92; MüKo BGB/Masuch, 6. Auflage 2012, § 355 BGB a. F. Rn. 78. 561 Vgl. hierzu oben Kap. 3 § 3 A. I. 562 Siehe hierzu oben Kap. 3 § 3 A. I.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers aus § 357 Abs. 4 S. 1 BGB hinsichtlich der Rückzahlung des Kaufpreises kann dieser dem Verbraucher in der vorliegenden Konstellation nicht entgegenhalten, da der Rückübereignungsanspruch infolge der Weigerung des C, den Schläger herauszugeben, gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden ist.563 Die Fragestellung konzentriert sich somit auf den Anspruch des Unternehmers auf Abtretung des Kaufpreiszahlungsanspruchs gegen C als Surrogat gemäß § 285 Abs. 1 BGB.564 Die Voraussetzungen sind hier unproblematisch erfüllt: A erlangt infolge der Veräußerung an C, wodurch ihm die Rückübereignung gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich wurde, einen Ersatzanspruch gegen C in Form des Kaufpreiszahlungsanspruchs gemäß § 433 Abs. 2 BGB. Der Anspruch des Unternehmers könnte lediglich an § 361 Abs. 1 BGB scheitern. Aus der – oben näher erläuterten565 – richtlinienkonformen Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB ergab sich für den Ausschluss von Ansprüchen folgende Prüfung: In einem ersten Schritt muss festgestellt werden, ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen auch ohne die Erklärung des Widerrufs vorlägen. Ist dies der Fall, besteht der Anspruch bereits „unabhängig“ vom Widerrufsrecht und wird demnach nicht durch § 361 Abs. 1 BGB als „infolge des Widerrufs“ ausgeschlossen. Gelangt man jedoch zu der Feststellung, dass erst die Ausübung des Widerrufsrechts zum Entstehen des Anspruchs führt, besteht der Anspruch zunächst „infolge“ des Widerrufs. Allerdings wird eine weitere Differenzierung notwendig: Besteht für das Anspruchsziel im Untertitel des Widerrufs eine abschließende Regelung, bleibt der Anspruchsausschluss grundsätzlich bestehen. Ist der Anspruch hingegen auf ein Ziel gerichtet, das im Untertitel des Widerrufs keinen Niederschlag gefunden hat, bleibt im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB der Anspruch weiterhin erhalten. Denn außerhalb des Regelungsbereichs der vollharmonisierenden VRRL bleibt gemäß Art. 3 Abs. 5 VRRL das allgemeine Vertragsrecht unberührt, was sich im Zusammenspiel mit Erwägungsgrund 48 VRRL hauptsächlich im Zeitraum nach Erklärung des Widerrufs auswirkt.566 Wendet man diese Prüfung auf den Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB an, ergibt sich Folgendes: Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen liegen erst mit Ausübung 563

Vgl. hierzu Kap. 3 § 3 A. I. Die Anwendbarkeit der Norm wird für das Rückgewährschuldverhältnis infolge des Widerrufs nicht wie bei demjenigen infolge des Rücktritts in Frage gestellt. Zum Meinungsstreit bzgl. der Anwendbarkeit beim Rücktritt siehe Lorenz, NJW 2015, 1725; Gegen eine Anwendbarkeit z. B.: BeckOGK/Dornis, § 285 Rn. 28; Für eine Anwendbarkeit z. B.: Staudinger/Kaiser, § 346 Rn. 221 f.; Palandt/Grüneberg, § 346 Rn. 20; Lorenz, NJW 2015, 1725; Der BGH ließ die Frage jüngst in NJW 2015, 1748, 1749 offen, die wohl h. M. und der Gesetzgeber sprechen sich jedoch im Gleichlauf zur alten Gesetzeslage für eine Anwendbarkeit aus. 565 Siehe oben Kap. 3 § 3 A. IV. 1., 3., 3. c). 566 Vgl. hierzu oben Kap. 3 § 3 A. IV. 3. c). 564

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des Widerrufsrechts vor, denn vorher besteht kein Rückgewährschuldverhältnis und damit auch keine Leistungspflicht des Verbrauchers zur Rückübereignung der Ware, die ihm sodann anfänglich unmöglich wurde.567 Infolgedessen besteht der Anspruch zunächst „infolge“ des Widerrufs und muss sich an der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB messen lassen. Allerdings geht es vorliegend nicht um einen Wertverlust der Ware, sondern um die davon unabhängige Herausgabe des Surrogats für die Unmöglichkeit der Leistungspflicht. Dieses Anspruchsziel findet im Untertitel des Widerrufs keine Regelung, womit es außerhalb des Regelungsbereichs der VRRL liegt. Gemäß Art. 3 Abs. 5 VRRL bleibt § 285 Abs. 1 BGB als Norm des allgemeinen innerstaatlichen Vertragsrechts von der Ausschlusswirkung des Art. 14 Abs. 5 VRRL unberührt, was sich sodann im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung in § 361 Abs. 1 BGB ebenso niederschlägt. Mithin ist der Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB in Fällen der Weiterveräußerung an Dritte von der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB ausgenommen.568 Schließlich führt diese Ausnahme auch zu interessengerechten Ergebnissen. Denn die vorliegende Problematik besteht unabhängig davon, ob der Unternehmer seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung nachgekommen ist. Ein Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB scheitert bei ordnungsgemäßer Belehrung zwar nicht an der fehlenden Belehrung, aber an dem mangelnden Wertverlust der Ware. Für die Weiterveräußerung besteht, soweit man den Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB nicht zuerkennt, kein Ausgleichsmechanismus, obwohl sich der Unternehmer absolut nichts vorzuwerfen hat. Der Verbraucher trifft hingegen mit der Weiterveräußerung eine privatautonome Entscheidung, deren Folgen er grundsätzlich auch zu tragen hat. Er erfährt bereits eine enorme Begünstigung, indem er den Vertrag nach Erlangung der Kenntnis vom Widerrufsrecht widerrufen kann und so zum Beispiel im Gegenzug für die Abtretung einer faktisch nicht oder nicht in vollem Umfang realisierbaren Forderung gegen einen Dritten den ursprünglich gezahlten Kaufpreis zurückerlangt. Dies kann für den Verbraucher etwa dann sinnvoll sein, wenn über das Vermögen des Dritten ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Hingegen ist nicht ersichtlich, weshalb dem Verbraucher eine doppelte Begünstigung in der Form zuteilwerden sollte, dass er den ursprünglich gezahlten Kaufpreis und zusätzlich den erhaltenen Kaufpreis vom Dritten behalten dürfte. Übersteigt das Surrogat den ursprünglichen Kaufpreis, steht es dem Verbraucher frei, den Vertrag nicht zu widerrufen und den Übererlös für sich zu beanspruchen. Folglich besteht bei einer Weiterveräußerung vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht ein Anspruch des Unternehmers aus § 285 Abs. 1 BGB auf Abtretung 567 Es macht für § 285 BGB keinen Unterschied, ob es sich um eine anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit handelt, da § 275 Abs. 1 beide Fälle umfasst; vgl. hierzu Palandt/ Grüneberg, § 285 Rn. 6; MüKo BGB/Emmerich, § 285 BGB Rn. 3; Lehmann/Zschache, JuS 2006, 502, 503. 568 So im Ergebnis ohne nähere Begründung auch MüKo BGB/Fritsche, § 361 BGB Rn. 5.

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des Zahlungsanspruchs bzw. auf Herausgabe des erhaltenen Kaufpreises aus der Weiterveräußerung. 3. Die Sachlage ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht, aber vor dessen Ausübung (Phase 2) Verkauft der Verbraucher die Sache in Kenntnis des Widerrufsrechts, aber vor dessen Ausübung an den Dritten weiter, besteht der wesentliche Unterschied zur Veräußerung vor Kenntnis vom Widerrufsrecht darin, dass der Verbraucher sich nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig machen kann. Indem der Verbraucher die Ware an einen Dritten veräußert, verletzt er eine vorgreifliche Rücksichtnahmepflicht aus dem Kaufvertrag, indem er während der Schwebelage des Widerrufs auf die schutzwürdigen Interessen des Unternehmers nicht ausreichend Rücksicht nimmt, obwohl er Kenntnis vom Widerrufsrecht hat.569 Diese Pflichtverletzung hat er ab Kenntnis vom Widerrufsrecht auch zu vertreten. Mit der Erklärung des Widerrufs entsteht ein Schaden beim Unternehmer, den ursprünglichen Kaufpreis zurückgewähren zu müssen, obwohl er die Ware vom Verbraucher nicht zurückerhält. Der Anspruch wird auch nicht durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Alle anspruchsbegründenden Tatsachen, speziell der Schaden beim Unternehmer, liegen zwar erst mit Ausübung des Widerrufsrechts vor, so dass der Schadensersatzanspruch als „infolge“ des Widerrufs entstandener Anspruch zunächst dem Anspruchsausschluss des § 361 Abs. 1 BGB zu unterliegen scheint. Allerdings führt die richtlinienkonforme Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB dazu, dass der Anspruch nicht ausgeschlossen ist. Denn der geltend gemachte Schaden des Unternehmers ist nicht durch einen Wertverlust der Ware begründet, sondern durch die Unmöglichkeit der Rückgabe infolge der Weiterveräußerung. Für dieses Anspruchsziel findet sich im Untertitel des Widerrufs keine Regelung, so dass der hierauf gerichtete Anspruch gemäß Art. 3 Abs. 5 VRRL als allgemeines innerstaatliches Vertragsrecht nicht durch Art. 14 Abs. 5 VRRL und damit auch nicht durch § 361 Abs. 1 BGB gesperrt wird. Darüber hinaus besteht auch ein Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB auf Herausgabe des Surrogats, der – wie schon ausgeführt wurde570 – bereits bei einer Veräußerung vor Kenntnis vom Widerrufsrecht eingreift und ab Kenntnis somit erst recht gelten muss. Es ist jedoch zu beachten, dass auch § 285 Abs. 2 BGB, wonach sich der Schadensersatzanspruch um den Wert des erlangten Ersatzes oder Ersatzanspruchs mindert, Anwendung findet. Zwar spricht der Wortlaut des § 285 Abs. 2 BGB nur ausdrücklich von alternativ geltend gemachtem Schadensersatz statt der Leistung, während der Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB Schadensersatz neben der Leistung ersetzt. § 285 Abs. 2 BGB geht jedoch davon aus, dass bei Unmöglichkeit 569 Vgl. oben zur Pflichtverletzung bei Beschädigung oder Zerstörung der Ware Kap. 3 § 3 A. II. 2. 570 Siehe oben Kap. 3 § 4 A. I. 2.

§ 4 Reichweite des Anspruchsausschlusses des § 361 Abs. 1 BGB

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der Herausgabe entweder ein Anspruch aus § 280 Abs. 1, 3, 283 BGB oder aus § 311 a Abs. 2 BGB besteht.571 Da aber für die anfängliche Unmöglichkeit im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses § 311 a Abs. 2 BGB keine Anwendung findet, sondern auf §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden muss, ist diese Besonderheit auch bei § 285 Abs. 2 BGB zu beachten und bei Ansprüchen wegen anfänglicher Unmöglichkeit eine entsprechende Kürzung vorzunehmen. Sofern der Verbraucher den Unternehmer darüber hinaus sittenwidrig schädigt, ist auch ein Anspruch aus § 826 BGB in Betracht zu ziehen, der nach denselben Erwägungen nicht durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird. Bei Weiterveräußerungen in Kenntnis des Widerrufsrechts, aber vor dessen Ausübung sind demnach Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, § 285 Abs. 1 BGB und § 826 BGB möglich, ohne dass die Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB entgegensteht. 4. Die Sachlage nach Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher (Phase 3) Veräußert der Verbraucher die Ware nach Erklärung des Widerrufs, ähnelt die Rechtslage derjenigen ab Kenntnis des Widerrufsrechts (Phase 2). In dieser Phase wird lediglich §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB anstelle von §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage herangezogen und mit gleicher Begründung von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB ausgenommen. Darüber hinaus besteht auch in dieser Phase der Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB. Durch den Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1,3, 283 BGB wegen nachträglicher Unmöglichkeit erfolgt dessen Minderung gemäß § 285 Abs. 2 BGB in diesem Fall wortlautgetreu. Schließlich ist ebenfalls ein Anspruch aus § 826 BGB bei entsprechender Sachlage möglich. Ein Ausschluss der Ansprüche gemäß § 361 Abs. 1 BGB findet auch hier nicht statt. 5. Fazit Für den Fall der Weiterveräußerung besteht unabhängig davon, in welcher Phase die Veräußerung stattfindet, ein Anspruch gegen den Verbraucher aus § 285 Abs. 1 BGB auf Herausgabe des Surrogats. Wird der Verkauf in Kenntnis des Widerrufsrechts vorgenommen, tritt ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB – bzw. nach Ausübung des Widerrufsrechts gemäß §§ 280 Abs. 1,3, 283 BGB – hinzu. In allen Phasen besteht schließlich auch ein Anspruch aus § 826 BGB, sofern dessen tatbestandliche Voraussetzungen gegeben sind.

571

Vgl. HK-BGB/Schulze, § 285 BGB Rn. 10.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

II. Kauf unter Eigentumsvorbehalt: Der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB im Mittelpunkt In einem nächsten Schritt soll der Fall der Weiterveräußerung nach einem Kauf unter Eigentumsvorbehalt analysiert werden. In der Praxis kommt es relativ häufig vor, dass sich der Unternehmer das Eigentum bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vorbehält.572 Zur Veranschaulichung dient folgendes Beispiel: A möchte sich für die Fußball-Weltmeisterschaft einen größeren Fernseher zulegen. Hierzu bestellt er im Elektronik-Online-Store des B einen 55 Zoll Flachbild LCD-TV für 3000 E. Hierbei nimmt er formgerecht die von B angebotene „0 % Finanzierung“ in Anspruch, wonach der Kaufpreis in 24 Monatsraten à 125 E zu begleichen ist. Bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung behält sich B das Eigentum an dem Fernseher vor. Als A seine Nachbarn zum Fußballschauen zu sich nach Hause einlädt, ist C begeistert von dem großen Fernseher. Das kommende DeutschlandSpiel am nächsten Tag möchte er unbedingt auch auf einem solch großen Fernseher erleben. Deshalb bietet er A 3200 E, wenn er ihm den Fernseher verkauft. A, der für die nächsten Spiele ohnehin zu Freunden eingeladen wurde, ist begeistert von dem „schnellen Gewinn“ und geht auf das Angebot des C ein. Da ihn C aber immer wieder bei der Zahlung des Kaufpreises vertröstet und Deutschland bei der Fußball-Weltmeisterschaft mittlerweile in der Vorrunde ausgeschieden ist, entschließt sich A zum Widerruf des Vertrags gegenüber B. Nachdem A den Vertrag widerrufen hat, zahlt C überraschenderweise den ausstehenden Kaufpreis an A, da er über eine Erbschaft kürzlich liquide geworden ist. Den Fernseher will er unter keinen Umständen herausgeben, immerhin habe er ja seine Schuld beglichen. Es wird sich zeigen, dass Ansprüche des Unternehmers infolge einer Weiterveräußerung des Verbrauchers nach einem Kauf unter Eigentumsvorbehalt zwar ebenfalls nicht durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden, gegenüber den bisherigen Fällen aber oftmals die Besonderheit besteht, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen bereits ohne Ausübung des Widerrufsrechts gegeben sind. Dies führt dazu, dass die betroffenen Ansprüche schon aus diesem Grund nicht „infolge“ des Widerrufs bestehen und somit die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB bereits im Rahmen ihres ersten „Prüfungspunkts“ zu verneinen ist. Wie bei der Weiterveräußerung ohne einen bestehenden Eigentumsvorbehalt werden im Folgenden die Anspruchslagen während der drei bekannten Zeitphasen untersucht. 1. Die Sachlage vor Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht (Phase 1) Bei einer Veräußerung der Ware vor Kenntnis vom Widerrufsrecht mangelt es zunächst an einer für §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB erforderlichen Pflichtverlet572 Vgl. zum Beispiel die AGB vom Media-Markt Onlineshop, Ziff. 8; abrufbar unter http:// www.mediamarkt.de/de/shop/AGB.html, zuletzt aufgerufen am 07.07.2018; für die Modebranche vgl. beispielhaft die AGB von Zalando Ziff. 2.1, abrufbar unter https://www.zalando.at/ zalando-agb/, zuletzt aufgerufen am 07.07.2018.

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zung in Form einer vorgreiflichen Rücksichtnahmepflicht des Verbrauchers hinsichtlich des noch möglichen Widerrufs und der damit verbundenen Rückabwicklung573. Davon unabhängig besteht allerdings eine Pflichtverletzung des Verbrauchers in der Weiterveräußerung, weil er aufgrund des Eigentumsvorbehalts grundsätzlich zum sorgfältigen Umgang mit der Sache und zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Unternehmers verpflichtet ist.574 Diese hat der Verbraucher auch zu vertreten. Eine nähere Betrachtung ist jedoch bezüglich der Entstehung eines Schadens geboten. Besteht der Kaufvertrag noch fort, wird sich die durch die Weiterveräußerung bedingte Beeinträchtigung des Sicherungsinteresses nur schwer beziffern lassen, zumal man davon ausgehen wird, dass der Anspruch aus dem Kaufvertrag das Sicherungsinteresse noch abdeckt.575 Nach Ausübung des Widerrufsrechts besteht allerdings die Pflicht zur Rückzahlung des Kaufpreises, obwohl der Verbraucher die Ware aufgrund der Weiterveräußerung nicht herausgeben kann. Hier besteht eine Beeinträchtigung des Sicherungsinteresses durch den Verlust des Eigentums in Folge gutgläubigen Erwerbs in der Höhe des Kaufpreises oder zumindest des Wertes der Sache. Mithin liegen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB vor. Der Anspruch wird auch nicht durch § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Er besteht zwar erst ab Ausübung des Widerrufrechts, da zuvor kein Schaden entstanden ist, er betrifft aber ein außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie liegendes Anspruchsziel und wird demnach von vornherein nicht von der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB erfasst. Daneben besteht ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Eigentumsverletzung, welche ab Erklärung des Widerrufs auch zu einem Schaden des Unternehmers führt. Hinsichtlich der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB gilt das zu §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB Gesagte entsprechend.

573

Vgl. oben Kap. 3 § 3 A. I. RGZ 95, 105; BGH WM 1961, 1197; Staudinger/Beckmann, § 449 BGB Rn. 72; Erman/Grunewald, § 449 BGB Rn. 15; jurisPK/Leible/Müller, § 449 BGB Rn. 22; zur Weiterveräußerung ohne Zustimmung des Verkäufers ist der Vorbehaltskäufer nicht befugt, vgl. BGH WM 1961, 1252, 1253; BeckOGK/Mock, § 449 BGB Rn. 40; MüKo-BGB/Westermann, § 449 BGB Rn. 27, 36; BeckOK BGB/Faust, § 449 BGB Rn. 18; Vereinzelt wird vertreten, dass bei einer Verschlechterung oder Untergang diese Pflichtverletzung bzw. deren Vertretenmüssen nur dann zum Tragen komme, wenn der Unternehmer tatsächlich wegen Zahlungsverzugs des Verbrauchers vom Vertrag zurücktrete. Werde hingegen der Vertrag auf andere Weise, etwa wegen eines Mangels, rückabgewickelt, seien entstandene Schäden nicht vom Schutzzweck der auf dem Eigentumsvorbehalt beruhenden Sorgfaltsnorm erfasst, jurisPK/Faust, § 346 BGB Rn. 125. Allerdings geht es hierbei darum, die Wertung des § 346 Abs. 3 BGB nicht vollkommen auszuhöhlen, die allerdings nur bei Verschlechterung und nicht bei einer Weiterveräußerung Anwendung finden. Bei der Weiterveräußerung stellt sich das Problem nicht, so dass hier keine Zweifel an der Pflichtverletzung oder deren Vertretenmüssen bestehen, vgl. BeckOGK/Mock, § 449 BGB Rn. 42.2. 575 Vgl. BeckOGK/Mock, § 449 BGB Rn. 42.2. 574

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

Darüber hinaus ist der Verbraucher einer Schadensersatzpflicht aus angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB ausgesetzt. Auch hier entsteht der Schaden zwar erst infolge der Ausübung des Widerrufrechts. Im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB wird der Anspruch allerdings nicht von der Ausschlusswirkung umfasst. Überdies kommt ein Anspruch des Unternehmers aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB auf Herausgabe des erlangten Kaufpreises576 in Betracht. Bei fehlender Weiterveräußerungsermächtigung sind dessen Tatbestandsvoraussetzungen auch erfüllt. Der Verbraucher verfügt bei der Übereignung an den Dritten als nichtberechtigter Eigentümer über die Kaufsache. Diese Verfügung ist dem Unternehmer gegenüber auch wirksam, sofern ein gutgläubiger Erwerb oder eine nachträgliche Genehmigung vorliegen. Dem Anspruch könnte somit nur noch die Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB entgegenstehen. Bei deren Prüfung ist jedoch festzustellen, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen unabhängig von der Ausübung des Widerrufsrechts vorliegen. Der Anspruch ergibt sich vielmehr bereits aus der Weiterveräußerung trotz Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts. Ob der ursprüngliche Kaufvertrag danach noch widerrufen wird, spielt hingegen für den Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB keine Rolle. Folglich besteht der Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB bereits nicht „infolge“ des Widerrufs und wird dementsprechend nicht von der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB erfasst. An diesem Ergebnis ändern auch die Äußerungen des Gesetzgebers in den Gesetzgebungsmaterialien nichts, wonach § 361 Abs. 1 BGB weitergehende Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher aus ungerechtfertigter Bereicherung ausschließe.577 Zwar stellt auch § 816 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung dar. Der Gesetzgeber wird bei dieser Aussage aber den Wertersatzanspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB wegen einer Verschlechterung der Ware vor Augen gehabt haben. Dafür spricht, dass in der Beschlussempfehlung der Ausschluss bereicherungsrechtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Anspruchs aus § 280 BGB angesprochen wird, der für Fälle, in denen der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung nicht oder nur mit erheblicher Wertminderung herausgeben kann, ausgeschlossen sein soll.578 Mit der Herausgabe des Surrogats setzte sich der Gesetzgeber hingegen überhaupt nicht auseinander. Aus diesem Grund stehen die Äußerungen in den Gesetzgebungsmaterialien einer Anwendung des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB nicht entgegen.

576 Nach h. M. ist das „Erlangte“ im Sinne des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB der Veräußerungserlös, vgl. BGHZ 29, 157, 159 f.; BGH WM 1975, 1179, 1180 f.; BeckOK BGB/Wendehorst, § 816 BGB Rn. 16; nach a. A. stellt das „Erlangte“ nur die Befreiung einer Verbindlichkeit dar, deren objektiver Wert gemäß § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen ist, vgl. MüKo BGB/Schwab, § 816 BGB Rn. 44 ff.; Mit diesem Problem soll sich in der vorliegenden Arbeit aber nicht vertieft auseinandergesetzt werden, so dass hier eine Lösung nach der h. M. vorgenommen wird. 577 BTDrucks. 17/13951, 68; BTDrucks. 17/12637, 64. 578 BTDrucks. 17/13951, 68.

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Ein weiterer Anspruch auf Erlösherausgabe ergibt sich aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB. Indem der Verbraucher die erhaltene Sache in Kenntnis des bestehenden Eigentumsvorbehalts an einen Dritten veräußert, behandelt er die Veräußerung als ein eigenes Geschäft, obwohl er weiß, dass er nicht dazu berechtigt ist. Aus diesem Grund hat er den aus der Geschäftsbesorgung erlangten Kaufpreis dem Unternehmer als Geschäftsherr herauszugeben. Dieser Anspruch besteht – genauso wie der Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB – unabhängig von der Ausübung des Widerrufsrechts und unterliegt damit nicht der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB. Abschließend besteht auch ein Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB, wobei dieser im Gegensatz zu den anderen Ansprüchen erst mit der Ausübung des Widerrufsrechts zur Entstehung gelangt, da zuvor kein Rückgewährschuldverhältnis existiert, dessen Erfüllung gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich werden kann. Deshalb muss hier auf der zweiten Stufe der Prüfung der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB gefragt werden, ob der Anspruch aufgrund seines Anspruchsziels durch eine richtlinienkonforme Auslegung von der Sperrwirkung ausgenommen wird. Dies ist mit derselben Begründung wie bei der Weiterveräußerung ohne Eigentumsvorbehalt zu bejahen. 2. Die Sachlage ab Kenntnis des Verbrauchers vom Widerrufsrecht, aber vor dessen Ausübung (Phase 2) Die Sachlage bei einer Veräußerung der Sache in Kenntnis des Widerrufsrechts entspricht im Ergebnis ausnahmsweise der Anspruchslage bei einer Veräußerung vor Kenntnis vom Widerrufrecht. Diese Besonderheit wird durch den Erwerb unter Eigentumsvorbehalt begründet, der eine schadensersatzrechtliche Haftung des Verbrauchers bereits vor Kenntnis des Widerrufsrechts auslösen kann. Für den Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB kommt im Stadium nach Kenntnis vom Widerrufsrecht noch eine zusätzliche Pflichtverletzung in Form einer vorgreiflichen Rücksichtnahmepflicht aus dem Kaufvertrag als Anknüpfungspunkt hinzu, weil der Verbraucher mit der Weiterveräußerung während der Schwebelage des Widerrufs auf die schutzwürdigen Interessen des Unternehmers nicht ausreichend Rücksicht genommen hat. Ansonsten bestehen auch hier die Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB sowie aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB. Alle Ansprüche werden durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB von dessen Sperrwirkung ausgenommen. Daneben ist auch hier der Verbraucher Ansprüchen auf Herausgabe des erlangten Kaufpreises gemäß § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB sowie aus § 285 Abs. 1 BGB ausgesetzt. Die ersten beiden Ansprüche unterfallen von Beginn an nicht der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB, während der Rückgriff auf § 285 Abs. 1 BGB durch eine richtlinienkonforme Auslegung der Norm eröffnet wird.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

3. Die Sachlage nach Erklärung des Widerrufs durch den Verbraucher (Phase 3) Eine Weiterveräußerung nach Erklärung des Widerrufs lenkt hingegen zunächst den Blick auf einen bisher unerwähnten Anspruch: Den Schadensersatzanspruch aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gemäß §§ 989, 990 Abs. 1 S. 2 BGB. Indem der Unternehmer durch die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts Eigentümer der Sache bleibt und das Rückgewährschuldverhältnis infolge des Widerrufs dem Verbraucher kein Recht zum Besitz gibt579, lag im Zeitpunkt der Weiterveräußerung grundsätzlich eine Vindikationslage vor. Allerdings unterliegt der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB, weshalb die §§ 987 ff. BGB ebenfalls nicht anwendbar sind.580 Der Anspruch auf Herausgabe der Sache entsteht nämlich erst durch Ausübung des Widerrufsrechts, indem hierdurch der Kaufvertrag als Recht zum Besitz in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Daher entsteht der Anspruch erst infolge des Widerrufs gemäß § 361 Abs. 1 BGB. Eine richtlinienkonforme Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis, da für die Herausgabe der empfangenen Sache mit dem Anspruch aus § 355 Abs. 3 BGB eine Regelung im Untertitel des Widerrufs besteht, die auf dasselbe Anspruchsziel gerichtet ist wie der Anspruch aus § 985 BGB, so dass die Sperrwirkung bestehen bleibt. Als vertraglicher Schadensersatzanspruch kommt allerdings ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB in Betracht, dessen Tatbestandsvoraussetzungen auch unproblematisch vorliegen. Hinsichtlich der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB gelten die Ausführungen zum selben Anspruch bei der Weiterveräußerung ohne Eigentumsvorbehalt entsprechend. Auch hier ist wegen des Anspruchsziels, das außerhalb des Regelungsbereichs des Art. 14 Abs. 5 VRRL liegt, eine Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB zu verneinen. Im Gegensatz zur Weiterveräußerung nach Erklärung des Widerrufs als Berechtigter bestehen im vorliegenden Fall noch Ansprüche auf Schadensersatz wegen angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB und aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Diese unterliegen – wie schon ausgeführt581 – auch bei einer Weiterveräußerung nach Erklärung des Widerrufs nicht der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB. Genauso verhält es sich bei den Ansprüchen auf Herausgabe des Kaufpreises als Surrogat gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB und §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB. 579 BeckOGK/Spohnheimer, § 986 BGB Rn. 36 f., der allgemein von dem Erlöschen ausgeht, wenn das Schuldverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird. Als Beispiel nennt er den Rücktritt, die Anfechtung und die Kündigung. Gleiches muss mithin auch für den Widerruf gelten; zum Rücktritt siehe auch MüKo BGB/Baldus, § 986 BGB Rn. 33; BeckOK BGB/Fritzsche, § 986 BGB Rn. 8; Jauernig/Berger, § 929 BGB, Rn. 59. 580 Vgl. z. B. BeckOGK/Spohnheimer, § 985 BGB Rn. 36; MüKo BGB/Raff, Vor. § 987 BGB Rn. 15. 581 Siehe oben unter Kap. 3 § 4 A. II. 1., 2.

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Diese unterliegen nach den obigen Erwägungen ebenfalls keiner Sperrwirkung durch § 361 Abs. 1 BGB. Gleiches gilt für den Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB. 4. Fazit Veräußert der Verbraucher die Ware, obwohl er aufgrund eines Eigentumsvorbehalts nicht Eigentümer der Sache geworden ist, macht er sich bereits mit einer Veräußerung vor Kenntnis vom Widerrufsrecht und anschließender Ausübung des Widerrufs schadensersatzpflichtig. Diese Schadensersatzpflicht folgt aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB sowie § 823 Abs. 1 BGB und §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB. § 361 Abs. 1 BGB steht diesen Ansprüchen infolge einer richtlinienkonformen Auslegung nicht entgegen. Daneben besteht eine Pflicht des Verbrauchers zur Herausgabe des Veräußerungserlöses gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB sowie aus § 285 Abs. 1 BGB. Während die Ansprüche aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB und §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB bereits unabhängig von der Ausübung des Widerrufsrechts bestehen, ist für die Anwendbarkeit des § 285 Abs. 1 BGB wiederum eine richtlinienkonforme Interpretation des § 361 Abs. 1 BGB vonnöten. Die entscheidende Besonderheit gegenüber den zuvor besprochenen Fallkonstellationen besteht in der schadensersatzrechtlichen Haftung des Verbrauchers bei Handlungen bereits vor Kenntnis vom Widerrufsrecht. Bei Weiterveräußerungen in den sich daran anschließenden Phasen ändert sich an der Anspruchslage nichts: Im Falle einer Weiterveräußerung nach Ausübung vom Widerrufsrechts stützt sich nur der Schadensersatzanspruch aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht nicht auf §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, sondern auf §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB. Darüber hinaus ist in allen Phasen eine Schadensersatzpflicht des Verbrauchers aus § 826 BGB möglich, sofern dessen Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind.

B. Die Verschenkung der Ware an Dritte Bisher stellte sich im Rahmen der Weiterveräußerung die Frage nach Ansprüchen des Unternehmers gegen den Verbraucher. Bei der Verschenkung der Ware an einen Dritten rücken hingegen die Ansprüche des Unternehmers gegen den Dritten in den Fokus und damit die Frage, inwieweit § 361 Abs. 1 BGB auch mittelbar Wirkung entfaltet. Hierbei ist von entscheidender Bedeutung, ob der Verbraucher als Berechtigter oder Nichtberechtigter über das Eigentum an der Sache verfügt hat. Je nach Sachlage steht dem Unternehmer ein Herausgabeanspruch gegen den Dritten zu oder nicht.

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Kap. 3: Die Wertersatzpflicht und der Anspruchsausschluss

I. Anspruch auf Herausgabe gegen den Dritten bei Verfügung als Berechtigter Übereignet der Verbraucher die Ware aufgrund einer Schenkung an einen Dritten als Berechtigter, stehen dem Unternehmer gegen den Dritten keine Ansprüche auf Herausgabe der Sache zu. In Betracht käme lediglich ein Anspruch aus § 822 BGB bei gleichzeitiger Fiktion eines Herausgabeanspruchs gegen den Verbraucher aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Der Anspruch müsste fingiert werden, da zum einen der in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelte Kaufvertrag in Parallelität zum Rücktritt einen Rechtsgrund im bereicherungsrechtlichen Sinne bildet582 und zum anderen der Anspruch gemäß § 361 Abs. 1 BGB gesperrt wäre. Eine solche Fiktion entgegen der gesetzlichen Wertung erscheint jedoch nur im absoluten Ausnahmefall gerechtfertigt. Vorliegend ist der Unternehmer jedoch ausreichend dadurch geschützt, dass ihm Schadensersatzansprüche gegen den Verbraucher zustehen. Jedenfalls ab Kenntnis vom Widerrufsrecht, die der Unternehmer selbst durch eine fehlerhafte Belehrung hervorrufen kann, ist der Verbraucher derselben Schadensersatzpflicht wie bei einer Weiterveräußerung ausgesetzt. Eine Fiktion eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB erscheint somit nicht erforderlich. II. Anspruch auf Herausgabe gegen den Dritten bei Verfügung als Nichtberechtigter Anders verhält es sich, wenn der Verbraucher bei der Übereignung der Ware infolge einer Schenkung – etwa aufgrund eines Eigentumsvorbehalts – als Nichtberechtigter an einen gutgläubigen Dritten verfügt. In diesem Fall steht dem Unternehmer gegen den Dritten ein Anspruch auf Herausgabe der Sache aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Für etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Verbraucher wird es deshalb regelmäßig an einem Schaden des Unternehmers mangeln, wenn er die Ware in unversehrtem Zustand vom Dritten zurückerhält. Sofern sich die Ware allerdings in den Händen des Dritten oder zuvor in den Händen des Verbrauchers zusätzlich verschlechtert und der Unternehmer diese nur in beschädigtem Zustand vom Dritten zurückerhält, stellt sich die Frage nach Schadensersatzansprüchen gegen den Verbraucher. Mangelt es an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung seitens des Unternehmers scheidet ein Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB aus. Ob für den Schadensersatzanspruch die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB eingreift, hängt entscheidend vom Anspruchsziel und der davon abhängigen richtlinienkonformen Auslegung der Norm ab.

582 Vgl. zum Rücktritt BeckOGK/Schall, § 346 BGB Rn. 32 Fn. 32, Rn. 153 ff.; zum Widerruf siehe MüKo BGB/Schwab, § 812 BGB Rn. 399; vgl. für den umgekehrten Fall, in dem nach Widerruf noch Leistungen erbracht werden, Feldhusen, NJW 2018, 1209, 1211.

§ 4 Reichweite des Anspruchsausschlusses des § 361 Abs. 1 BGB

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Bei einer Beschädigung der Ware durch den Dritten besteht eine Kumulierung zweier Anspruchsziele: Der Unternehmer verlangt Schadensersatz für eine Verschlechterung, die erst durch eine Weiterveräußerung eingetreten ist. In diesen Fällen liegt jedoch der Fokus auf der Verschlechterung, so dass eine direkte Konkurrenz zum Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB besteht und der Anspruch gegen den Verbraucher gemäß § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wird. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Unternehmer im Verhältnis zum Verbraucher privilegiert werden soll, nur weil ein Dritter infolge der Weiterveräußerung die Ware beschädigt und nicht der Verbraucher selbst. Aus Sicht des Unternehmers hängt es nämlich vom Zufall ab, ob der Dritte nach Veräußerung oder der Verbraucher zuvor die Ware selbst beschädigt. III. Zusammenfassung Bei einer Verschenkung und anschließendem Widerruf durch den Verbraucher als Eigentümer der Ware muss sich der Unternehmer an den Verbraucher halten, ihm steht kein Anspruch gegen den Dritten auf Herausgabe der Sache zu. Die Anspruchslage gegen den Verbraucher entspricht in diesem Fall derjenigen bei einer Weiterveräußerung. Verfügt der Verbraucher hingegen im Wege einer Schenkung als Nichtberechtigter über die Ware, steht dem Unternehmer ein Anspruch gegen den Dritten aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Treffen eine Verschenkung und eine Verschlechterung oder Zerstörung der Sache zusammen, ist für die Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB von Schadensersatzansprüchen des Unternehmers gegen den Verbraucher das Anspruchsziel des Ausgleichs des Wertverlusts maßgeblich. Derartige Schadensersatzansprüche sind folglich gemäß § 361 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, sofern nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs eingreift.

Kapitel 4

Vergleich von § 241a BGB und § 361 Abs. 1 BGB Abschließend soll die durch § 241a Abs. 1 BGB und § 361 Abs. 1 BGB angeordnete Ausschlusswirkung miteinander verglichen werden. Zunächst lässt sich festhalten, dass beide Vorschriften einen europarechtlichen Hintergrund aufweisen und in ihrer letzten Fassung auf derselben EU-Richtlinie beruhen, der VRRL. Durch die Analyse der jeweiligen Umsetzungsgrundlagen wurde deutlich, wie sich die Wirkungsweisen einzelner Artikel derselben Richtlinie unterscheiden können. So beschränkt sich der Regelungsbereich des Art. 27 VRRL auf die vertragliche Ebene, wohingegen Art. 14 Abs. 5 VRRL grundsätzlich den Ausschluss jedweder vertraglicher oder gesetzlicher Ansprüche erfordert, die sich aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts ergeben. Im Kern schließen die beiden umgesetzten Normen des § 241a Abs. 1 BGB und des § 361 Abs. 1 BGB normalerweise bestehende Ansprüche aus. Während bei § 241a Abs. 1 BGB aber auch die materiell-rechtlichen Wirkungen der Norm eine bedeutende Rolle spielen, steht bei § 361 Abs. 1 BGB die Ausschlusswirkung ganz im Vordergrund. So stellen sich bei § 241a Abs. 1 BGB zunächst Fragen nach den Anforderungen an eine Willenserklärung, der Beurteilung der Eigentumslage, eines Rechts zum Besitz beim Verbraucher als auch nach einer Verfügungsbefugnis des Verbrauchers.1 Dies lässt sich allerdings schon darauf zurückführen, dass § 241a BGB in einer einzelnen Norm die Rechtsfolgen der Erbringung unbestellter Leistungen regelt, während das Widerrufsfolgenrecht einen ganzen Untertitel im BGB mit mehreren Normen für sich beansprucht. Bei beiden Normen stellte sich die Frage, wie bei einer Beschädigung oder Zerstörung der Ware oder deren Verkauf oder Verschenkung zu verfahren ist. Bei der Analyse der einzelnen Fälle wurde die unterschiedliche Interessenlage der jeweiligen Unternehmer deutlich. Geht es dem Unternehmer im Fall des § 241a Abs. 1 BGB primär darum, einen Vertragsschluss mit dem Verbraucher herbeizuführen oder zumindest die Ware zurückzuerhalten, steht für den Unternehmer in Fällen des § 361 Abs. 1 BGB die Kompensation für den zurückzuzahlenden Kaufpreis im Vordergrund. Da der Unternehmer in Fällen des § 241a Abs. 1 BGB wettbewerbswidrig handelt, liegt zum Beispiel der Fokus beim Verkauf oder der Verschenkung an Dritte – anders als bei der Analyse zu § 361 Abs. 1 BGB – darauf, die gewünschte Sanktionierung des Unternehmers effektiv umzusetzen und die Rechtsstellung des Ver1

Vgl. hierzu oben Kap. 2 § 1 B. II., III., IV.

Kap. 4: Vergleich von § 241a BGB und § 361 Abs. 1 BGB

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brauchers zu stärken. Bei § 361 Abs. 1 BGB stehen hingegen die Rechte des Unternehmers trotz des weitreichenden Wortlauts der Ausschlussnorm im Vordergrund, und es stellt sich die umgekehrte Frage, ob der Unternehmer nicht gleichwohl Ansprüche gegen den Verbraucher geltend machen kann. Dieser gegensätzliche Ausgangspunkt wird dadurch begründet, dass der Unternehmer bei der Erbringung unbestellter Leistungen wettbewerbswidrig handelt und die Ware bewusst an den Verbraucher abgibt. In Fällen des Widerrufs ist der Unternehmer mit der Übereignung der Ware jedoch nur seiner vertraglichen Verpflichtung nachgekommen. Ein wettbewerbswidriges Verhalten fällt ihm hier keineswegs zur Last. Dies hat zur Folge, dass der Unternehmer im Anwendungsbereich des § 361 Abs. 1 BGB im Vergleich zu den Fällen des § 241a Abs. 1 BGB als potentiell schutzwürdiger einzustufen ist. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Beurteilung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auf Seiten des Verbrauchers. Die beiden Normen unterscheiden sich allerdings bereits stark in ihrer Anfälligkeit für missbräuchliches Handeln des Verbrauchers. § 241a BGB eröffnet kaum Raum für einen Missbrauch durch den Verbraucher. Dies ist bereits durch den Regelungsbereich des umzusetzenden Art. 27 VRRL begründet, der sich auf die vertragliche Ebene beschränkt. Hierdurch konnte der nationale Gesetzgeber in § 241a Abs. 2 BGB gesetzliche Ansprüche des Unternehmers für die Fälle zulassen, in denen die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Annahme erfolgte, es läge eine Bestellung vor, und der Empfänger dies erkannte oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Sollte der Unternehmer also ausnahmsweise schutzwürdig sein, wird er bereits durch die Norm selbst geschützt. Eines Rückgriffs auf ein unionsrechtliches Verbot missbräuchlicher Praktiken bedarf es damit nicht. Demgegenüber sieht § 361 Abs. 1 BGB keine Ausnahmen von der in der Norm angeordneten Sperrwirkung vor, falls der Unternehmer – etwa im Fall einer Beschädigung der Ware in Schädigungsabsicht – als besonders schutzwürdig einzustufen ist. Deshalb lag bei der Analyse des § 361 Abs. 1 BGB ein Schwerpunkt auf der Korrektur des formal vorgegebenen Ergebnisses durch den unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauchs. Hierbei wurde, wie auch im Zusammenhang mit § 241a Abs. 2 BGB, der Kenntnis des Verbrauchers von seinem Widerrufsrecht eine bedeutende Rolle zugemessen. Betrachtet man schließlich noch die mittelbaren Auswirkungen der Normen auf Ansprüche des Unternehmers gegen Dritte, fallen diejenigen des § 241a Abs. 1 BGB deutlich mehr ins Gewicht als die des § 361 Abs. 1 BGB. Indem § 241a Abs. 1 BGB nach der hier vertretenen Auffassung dem Verbraucher sowohl ein Recht zum Besitz als auch eine Verfügungsbefugnis verleiht, kann dieser dem Dritten eine bestandsfeste Rechtsposition verschaffen. In Fällen der Veräußerung oder Verschenkung an Dritte und anschließendem Widerruf greifen hingegen keine widerrufsspezifischen, sondern allgemeine Grundsätze ein. So hat der Verbraucher in der Regel Eigentum an

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Kap. 4: Vergleich von § 241a BGB und § 361 Abs. 1 BGB

der Sache erworben und kann dementsprechend dieses Recht auch an Dritte übertragen, so dass dem Unternehmer keine Ansprüche gegen den Dritten zustehen. Vielmehr muss er sich in diesen Fällen an den Verbraucher halten. Verfügt der Verbraucher hingegen – etwa im Falle eines Eigentumsvorbehalts – unentgeltlich als Nichtberechtigter an einen Dritten, steht dem Unternehmer gegen den Dritten nach den allgemeinen Regeln ein Herausgabeanspruch aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zu, ohne dass sich § 361 Abs. 1 BGB hierauf in irgendeiner Art auswirkt. Diese Unterschiede hinsichtlich der mittelbaren Wirkungen der Normen sind wiederum darauf zurückzuführen, dass § 241a BGB die gesamten Rechtsfolgen der Erbringung unbestellter Leistungen regelt und mangels Vertragsverhältnis – anders als bei § 361 Abs. 1 BGB – keine allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätze Anwendung finden. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Normen zwar insofern eine Schnittmenge besitzen, als sie ähnliche Probleme aufwerfen, die konkreten Lösungen jedoch wegen der grundverschiedenen Interessenlagen der jeweiligen Unternehmer variieren. Was Missbrauchsmöglichkeiten anbelangt, ist § 241a Abs. 1 BGB eindeutig missbrauchsfester gestaltet als § 361 Abs. 1 BGB, was jedoch hauptsachlich darauf zurückzuführen ist, dass der Gesetzgeber in Fällen der Erbringung unbestellter Leistungen den Ausschluss gesetzlicher Ansprüche selbst bestimmen konnte, während er sich bei der Umsetzung des § 361 Abs. 1 BGB sehr stark am Wortlaut der Umsetzungsgrundlage des Art. 14 Abs. 5 VRRL orientiert hat und dementsprechend keine Ausnahmen vorsehen konnte.

Kapitel 5

Schluss § 1 Fazit zu § 241a BGB Die Analyse von § 241a BGB hat gezeigt, dass die Wirkung der Norm weit über die eines reinen Ausschlusstatbestandes hinausgeht: Sie verschafft dem Verbraucher zwar kein Eigentum an der erhaltenen Ware, gleichwohl vermittelt sie ihm aber eine Verfügungsbefugnis über das Eigentum sowie ein Recht zum Besitz. Diese Stärkung der Rechtsposition des Verbrauchers basiert auf folgenden Erwägungen: 1. Nur durch Anerkennung eines Rechts zum Besitz und einer Verfügungsbefugnis können in Dreipersonenverhältnissen interessengerechte Ergebnisse erzielt werden. Ohne einen solchen Schritt steht dem Verbraucher im Falle einer Beschädigung durch einen Dritten gegen diesen kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu, obwohl § 241a Abs. 1 BGB den wirtschaftlichen Wert der Sache endgültig dem Vermögen des Verbrauchers zuordnet. Ferner kann nur so verhindert werden, dass der Unternehmer die Sache bei einem Dritten vindizieren kann, wenn der Verbraucher sie an diesen vermietet, verleiht oder verkauft und ein gutgläubiger Erwerb ausscheidet. 2. Indem hiermit die Vindikation durch den Unternehmer dauerhaft ausgeschlossen wird, wird der Sanktionsgedanke der Norm und die unionsrechtliche Vorgabe aus Art. 24 Abs. 1 VRRL, der die wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionierung von Verstößen gegen § 241a BGB fordert, umgesetzt. 3. Schließlich wird durch die Anerkennung eines Rechts zum Besitz sowie einer Verfügungsbefugnis Rechtsunsicherheit für den Verbraucher vermieden, indem nicht die diffuse Situation geschaffen wird, dass er die Ware entsorgen, aber nicht an einen Dritten vermieten oder veräußern darf, ohne einer Schadensersatzpflicht gegenüber diesem ausgesetzt zu sein, wenn der Unternehmer die Sache vom Dritten herausfordert. Die Verfügungsbefugnis des Verbrauchers lässt sich dogmatisch über eine rechtsgeschäftliche Verfügungsermächtigung seitens des Unternehmers gemäß § 185 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Grundsatz protestatio facto contraria non valet begründen, da sich der Unternehmer wegen § 241a Abs. 1 BGB bewusst ist, dass er mit der Zusendung der Ware an den Verbraucher die Nutzungsbefugnis vollständig an ihn abgibt.

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Kap. 5: Schluss

Der eigentliche Anspruchsausschluss des § 241a Abs. 1 BGB ist umfassend. Er konzentriert sich zwar primär auf gesetzliche Ansprüche, da vertragliche Ansprüche gegen den Verbraucher regelmäßig schon tatbestandlich ausscheiden. Hierbei werden jedoch konsequent Ansprüche auf Herausgabe der Ware sowie Schadensersatzund Aufwendungsersatzansprüche ausgeschlossen. Ausnahmen ergeben sich nur, wenn es sich zum einen um Ansprüche handelt, die aus einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag stammen, bei der keine vorherige Einwilligung des Verbrauchers als Geschäftsherrn eingeholt werden konnte. Zum anderen, wenn die Leistung gemäß § 241a Abs. 2 BGB nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. In beiden Fällen mangelt es an einem wettbewerbswidrigen Verhalten des Unternehmers, so dass der Schutzzweck des Anspruchsausschlusses nicht betroffen ist. Gleichzeitig werden hierdurch die Missbrauchsmöglichkeiten des Verbrauchers so gering wie möglich gehalten. Durch eine konsequente Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm wird der Unternehmer ausreichend geschützt, sofern er dieses Schutzes bedarf. Im überwiegenden Teil der Fälle mangelt es jedoch aufgrund des Verhaltens des Unternehmers an einer solchen Schutzwürdigkeit, so dass ein Missbrauch durch den Verbraucher nicht in Betracht kommt.

§ 2 Fazit zu § 361 Abs. 1 BGB Im Hinblick auf § 361 Abs. 1 BGB hat sich gezeigt, dass im konkreten Fall mittels einer zweistufigen Prüfung festgestellt werden kann, ob ein Anspruch der Ausschlusswirkung der Norm unterfällt oder von dieser unberührt bleibt. In einem ersten Schritt ist festzustellen, ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen auch ohne die Erklärung des Widerrufs vorlägen. Ist dies der Fall, besteht der Anspruch bereits „unabhängig“ vom Widerrufsrecht und wird demnach von vornherein nicht von § 361 Abs. 1 BGB als „infolge des Widerrufs“ ausgeschlossen. Gelangt man jedoch zu der Feststellung, dass erst die Ausübung des Widerrufsrechts zum Entstehen des Anspruchs führt, zum Beispiel, weil erst hierdurch ein Schaden des Anspruchsstellers entsteht, besteht der Anspruch zunächst „infolge“ des Widerrufs. Allerdings ist eine weitere Differenzierung notwendig: Besteht für das Anspruchsziel im Untertitel des Widerrufs eine abschließende Regelung, bleibt der Anspruchsausschluss grundsätzlich bestehen. Ist der Anspruch hingegen auf ein Ziel gerichtet, das im entsprechenden Untertitel keinen Niederschlag gefunden hat, bleibt im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung des § 361 Abs. 1 BGB der Anspruch weiterhin erhalten. Die richtlinienkonforme Auslegung wird dadurch begründet, dass außerhalb des Regelungsbereichs der vollharmonisierenden VRRL das allgemeine Vertragsrecht

§ 2 Fazit zu § 361 Abs. 1 BGB

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gemäß Art. 3 Abs. 5 VRRL unberührt bleibt, was sich im Zusammenspiel mit Erwägungsgrund 48 VRRL hauptsächlich im Zeitraum nach Erklärung des Widerrufs auswirkt. Die meisten Ansprüche werden erst infolge einer richtlinienkonformen Korrektur des § 361 Abs. 1 BGB von dessen Sperrwirkung ausgenommen. Dennoch können dem Unternehmer auch Ansprüche zustehen, die schon nicht „infolge des Widerrufs“ bestehen und somit bereits auf der ersten Prüfungsebene von der Sperrwirkung ausgenommen werden. Auf eine richtlinienkonforme Auslegung kommt es in diesen Fällen nicht mehr an. Solche Ansprüche können sich zum Beispiel im vorvertraglichen Bereich ergeben, wenn der Verbraucher vom Widerruf vollkommen unabhängige Schutzpflichten oder Rücksichtnahmepflichten verletzt. Aber auch im Rahmen der Rückabwicklung können derartige Ansprüche entstehen, etwa wenn der Verbraucher Rechtsgüter des Unternehmers beschädigt, die mit dem Widerruf selbst in keiner Verbindung stehen. Schließlich wurde festgestellt, dass auch die Ansprüche auf Herausgabe des Erlöses aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB und §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB bereits nicht „infolge des Widerrufs“ bestehen, wenn die Ware vom Verbraucher weiterveräußert wird und vom Unternehmer zunächst unter Eigentumsvorbehalt erworben wurde. Im Mittelpunkt stehen hingegen die Ansprüche, die grundsätzlich als „infolge des Widerrufs“ entstanden eingestuft werden können und eine zweite Prüfungsstufe durchlaufen müssen, bei der dem Anspruchsziel eine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Analyse der unterschiedlichen Phasen vom Vertragsschluss bis nach Ausübung des Widerrufrechts hat gezeigt, dass § 361 Abs. 1 BGB dem Unternehmer alle Ansprüche versagt, die auf einen Ausgleich des Wertverlusts der Ware gerichtet sind, sofern es sich nicht um den im Widerrufsrecht selbst verankerten Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7 BGB handelt. Sobald dieser aber in Fällen einer unterbliebenen oder fehlerhaften Widerrufsbelehrung ausscheidet, hat der Unternehmer den Wertverlust der Ware entschädigungslos hinzunehmen, obwohl er im Gegenzug den vollständigen Kaufpreis an den Verbraucher zurückzuerstatten hat. Geht es hingegen um Ansprüche, die nicht auf einem Wertverlust der Ware beruhen, steht deren Geltendmachung § 361 Abs. 1 BGB nicht zwingend entgegen. Beispiele für nicht ausgeschlossene Ansprüche infolge einer richtlinienkonformen Auslegung finden sich in § 285 Abs. 1 BGB, den §§ 280 ff. BGB oder in § 826 BGB, sofern es um Schadensersatz oder Herausgabe eines Surrogats aufgrund einer Weiterveräußerung der Ware geht. Tritt die Besonderheit hinzu, dass die Ware zunächst unter Eigentumsvorbehalt veräußert wurde, stehen dem Unternehmer bei einer Weiterveräußerung neben den bereits genannten Ansprüchen zusätzlich Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB und §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB zu. Grundsätzlich unberührt bleibt schließlich auch ein Verzugsschadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.

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Kap. 5: Schluss

Doch auch wenn man zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Anspruch im Prinzip der Sperrwirkung des § 361 Abs. 1 BGB unterfällt, muss dieses Ergebnis nicht endgültig sein. Denn eine Berufung auf die Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB kann im Einzelfall versagt werden, wenn sie sich als rechtsmissbräuchlich herausstellt. Zu klären waren die Fragen, in welchen Fällen eine solche missbräuchliche Berufung auf die Sperrwirkung vorliegt, auf welche Rechtsinstitute zurückzugreifen ist und wie das Unionsrecht insofern mit dem nationalen Recht zusammenwirkt. Betrachtet man nämlich die Missbrauchsmöglichkeiten beziehungsweise die dogmatischen Anknüpfungspunkte hinsichtlich des Umgangs mit missbräuchlichem Verhalten, so hat sich herausgestellt, dass die Problematik nicht allein nach nationalem Recht zu lösen ist. Denn dies hätte eine unzureichende Richtlinienumsetzung zur Folge. Vor diesem Hintergrund war es von besonderer Bedeutung, ob bereits auf unionrechtlicher Ebene ein Anknüpfungspunkt für den Umgang mit missbräuchlichem Verhalten besteht. Als geeigneter Anknüpfungspunkt hat sich das unionsrechtliche Verbot missbräuchlicher Praktiken herausgestellt. Dieses Verbot wurde vom EuGH in den letzten Jahrzenten ent- und fortentwickelt. In der bisherigen Rechtsprechung stellte sich jedoch noch nicht die Frage, ob sich dieses Verbot auch auf dem Rechtsgebiet des Verbraucherschutzrechts anwenden lässt. Da von der Beantwortung dieser Frage abhing, ob das Verbot missbräuchlicher Praktiken geeignet ist, Art. 14 Abs. 5 VRRL und § 361 Abs. 1 BGB einzuschränken, drängte sie sich in den Mittelpunkt der Arbeit. Für die Klärung der Frage spielte es eine besondere Rolle, ob es sich bei dem Verbot missbräuchlicher Praktiken um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts handelt. In diesem Fall ließe sich das Verbot missbräuchlicher Praktiken auf jedes Rechtsgebiet anwenden, unabhängig davon, ob dies in der Vergangenheit bereits geschehen ist oder nicht. Im Rahmen der Untersuchung hat sich herausgestellt, dass der EuGH spätestens in seiner jüngeren Rechtsprechung in der Rechtssache Cussens Ende 2017 und insbesondere in der Rechtssache Altun Anfang 2018 dieses Verbot als einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkannt hat. Selbst wenn man aber das Verbot missbräuchlicher Praktiken entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkennen möchte, spricht alles dafür, das Verbot auch auf das Verbraucherschutzrecht zu übertragen, indem man die vom EuGH für das ähnlich gelagerte Arbeitsrecht entwickelten Voraussetzungen heranzieht. Unabhängig davon, welche Lösungsvariante letztlich bevorzugt wird, hat dies im Ergebnis keine Auswirkungen. Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen für die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens im unionsrechtlichen Sinne sind stets die gleichen: 1. Was zum einen das objektive Tatbestandsmerkmal anbelangt, muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der von der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wird.

§ 2 Fazit zu § 361 Abs. 1 BGB

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2. Bezüglich des subjektiven Tatbestandsmerkmals muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass wesentlicher Zweck der fraglichen Handlungen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils ist. Zum Beweis für das Vorliegen dieses zweiten Tatbestandsmerkmals, das auf die Absicht des Handelnden abstellt, kann unter anderem der rein künstliche Charakter der fraglichen Handlungen berücksichtigt werden. Eine Anwendung dieser Tatbestandsmerkmale auf Fälle des Art. 14 Abs. 5 VRRL beziehungsweise des § 361 Abs. 1 BGB verdeutlichte die Unterschiede zwischen nationalem und unionsrechtlichem Missbrauchsverständnis. Während es nach rein nationaler Betrachtung bereits als missbräuchlich angesehen werden kann, wenn der Verbraucher die Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts grob fahrlässig beschädigt, erfordert ein Missbrauch im unionsrechtlichen Sinne stets, dass sich der Verbraucher auf den Anspruchsausschluss beruft, nachdem er die Ware zumindest vorsätzlich, wenn nicht sogar in Schädigungsabsicht zerstört oder beschädigt hat. En détail liegt nach nationalem Rechtsverständnis ein Rechtsmissbrauch vor, wenn sich der Verbraucher auf den Anspruchsausschluss des § 361 Abs. 1 BGB beruft, obwohl er die Ware vor Ausübung des Widerrufsrechts in Schädigungsabsicht beschädigt oder zerstört hat. Bei einer Beschädigung nach Ausübung des Widerrufsrechts genügt hingegen bereits grob fahrlässiges Verhalten des Verbrauchers um den Missbrauchstatbestand zu begründen. Unionsrechtlich ist hingegen vor der Berufung auf den Anspruchsausschluss erforderlich, dass der Verbraucher die Ware in der Phase vor der Ausübung des Widerrufsrechts in Schädigungsabsicht oder nach Ausübung des Widerrufsrechts zumindest vorsätzlich beschädigt oder zerstört hat. Damit ist der unionsrechtliche Missbrauchsbegriff enger als der nationale. Die teilweise zur Lösung der Rechtsmissbrauchsproblematik herangezogene Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Messner, in der er davon spricht, dass die Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie 1997/7/EG einer Verpflichtung des Verbrauchers nicht entgegenstünden, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt habe1, eignet sich demgegenüber nicht zur Lösung des Problems. Denn zum einen erging diese Rechtsprechung nicht zur aktuellen VRRL und zum anderen wurde das Verbot missbräuchlicher Praktiken speziell auf diese Thematik zugeschnitten, wohingegen der Grundsatz von Treu und Glauben auf unionsrechtlicher Ebene im Vergleich zum Verbot missbräuchlicher Praktiken nur eine schwache Ausprägung aufweist.2 1 EuGH C-489/07, Slg. 2009, I-07315, Rn. 29 – Messner; hierauf berufend etwa BeckOGK/Rosenkranz, § 361 BGB Rn. 11.1. 2 Vgl. zum aktuellen Stand der Entwicklung von Treu und Glauben auf der unionsrechtlichen Ebene, MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB Rn. 150 ff., der auch deutlich macht, dass der EuGH Treu und Glauben bislang nicht als allgemeinen Grundsatz des Unionsrecht anerkannt hat; siehe auch BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 277 ff.; Stempel, Treu und Glauben im Unionsprivatrecht, 321 f.

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Kap. 5: Schluss

Zwar hat der EuGH in seiner jüngsten Rechtsprechung festgestellt, dass das Verbot missbräuchlicher Praktiken keiner Umsetzung im nationalen Recht bedarf. Sofern aber eine geeignete Norm zur Heranziehung im nationalen Recht vorhanden ist, darf diese auch zur Anwendung gelangen.3 Im deutschen Recht eignet sich als Aufhänger am besten § 242 BGB, der bereits Grundlage für das nationale Rechtsmissbrauchsverbot ist und der Rechtsprechung bereits in der Vergangenheit dazu diente, dem unionsrechtlichen Verbot missbräuchlicher Praktiken im nationalen Recht Wirkung zu verleihen. Bei der Anwendung des § 242 BGB ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser insoweit unionsrechtskonform unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken auszulegen ist und nicht das nationale Rechtsmissbrauchsverständnis zu Grunde zu legen ist. Dementsprechend bietet sich mit § 242 BGB ein geeigneter dogmatischer Anknüpfungspunkt im deutschen Recht, um das unionsrechtliche Verbot im nationalen Recht umzusetzen. Infolgedessen lässt sich festhalten, dass auch der Verbraucherschutz nicht grenzenlos gewährleistet wird, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Jedenfalls wird er in die Schranken gewiesen, wenn dem Verbraucher ein missbräuchliches Verhalten zur Last fällt. Diese Schranke wird gleichwohl sehr eng gehandhabt angesichts der hohen Voraussetzungen des unionsrechtlichen Verbots missbräuchlicher Praktiken, das die nationalen Voraussetzungen vorliegend deutlich übersteigt. Hinzukommt noch die tatsächliche Beweisbarkeit in der Praxis, die sich schwierig gestalten wird. Nichtsdestotrotz ist das vom EuGH entwickelte Verbot missbräuchlicher Praktiken das maßgebliche Rechtsinstitut für die Eingrenzung von Normen, die auf vollharmonisierenden Richtlinien beruhen. Die von ihm aufgestellten Voraussetzungen gelten mit geringen Modifikationen einheitlich für alle Rechtsgebiete, so dass auch nicht zu erwarten ist, dass er die Voraussetzungen für den speziellen Fall der Ausschlusswirkung des Art. 14 Abs. 5 VRRL und dem darauf basierenden § 361 Abs. 1 BGB lockern wird. Vergleicht man die gefundenen Ergebnisse mit dem Gesetzeswortlaut des § 361 Abs. 1 BGB, stellt man fest, dass sich lediglich die erste Stufe der Prüfung der Ausschlusswirkung im Wortlaut manifestiert hat. Hierbei handelt es sich um die Feststellung, ob der Anspruch „infolge des Widerrufs“ besteht. Die zweite Prüfungsstufe, die sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der Norm ergibt, lässt sich hingegen genauso wenig wie die Missbrauchsgrenze dem Wortlaut der Norm entnehmen. Dies ist allerdings vollkommen üblich, andernfalls wäre keine richtlinienkonforme Auslegung vonnöten. Genauso ist es nicht unüblich, dass eine Norm keine eigene Ausnahmeregelung für bestimmte Missbrauchsfälle enthält, sondern durch den allgemeinen Grundsatz des Verbots von Rechtsmissbrauch beschränkt wird. Durch ihren Wortlaut suggeriert die Norm jedoch, dass grundsätzlich alle Ansprüche ausgeschlossen seien, die infolge des Widerrufs bestehen und nicht im entsprechenden Untertitel ausdrücklich geregelt wurden. Aufgrund der hohen 3

Vgl. EuGH C-251/16, Rn. 32, 37 – Cussens.

§ 2 Fazit zu § 361 Abs. 1 BGB

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praktischen Relevanz von beschädigten Rücksendungen und fehlerhaften Belehrungen wäre es jedoch erstrebenswert, die richtlinienkonforme Auslegung unmittelbar in der Norm zu verankern, um so auch kleinen und jungen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, durch bloße Gesetzeslektüre von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen. Denn der momentane Gesetzeswortlaut könnte viele solcher Unternehmen davon abhalten, Rechte gegen den Verbraucher geltend zu machen, wenn ihnen ein Belehrungsfehler unterlaufen ist. Ein Formulierungsvorschlag für § 361 Abs. 1 BGB könnte wie folgt lauten: § 361 BGB Weitere Ansprüche, abweichende Vereinbarungen und Beweislast (1) Über die Vorschriften dieses Untertitels hinaus bestehen, sofern diese ein Anspruchsziel ausdrücklich oder sinngemäß abschließend regeln, keine weiteren Ansprüche gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs.

Die Verwendung des Wortes „sinngemäß“ dient dazu, Ansprüche, die zwar nicht vollkommen identisch mit der Vorschrift aus dem Untertitel des Widerrufs sind, aber dem Anspruchsziel der abschließenden Regelung entsprechen, auch von der Ausschlusswirkung der Norm zu erfassen. Hierunter zählen zum Beispiel Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung oder Zerstörung der Ware. Diese sind zwar nicht vollkommen identisch mit dem Wertersatzanspruch, aber dennoch auf ein vergleichbares Anspruchsziel gerichtet. Ein weiteres Beispiel wäre der Ausschluss von Nutzungswertersatz, da der Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 7, 8 BGB nach seinem Sinn und Zweck die Materie des Wertersatzes abschließend regelt. Die vorgeschlagene Formulierung setzt somit die zweistufige Prüfung der Ausschlusswirkung des § 361 Abs. 1 BGB in dem Gesetzeswortlaut um und schafft Rechtssicherheit und -klarheit insbesondere für Rechtsunkundige. Hierdurch wird dem von der VRRL bezweckten Interessenausgleich zwischen den Interessen der Unternehmer und denen der Verbraucher Ausdruck verliehen und die Unternehmer darauf hingewiesen, dass sie in Fällen fehlerhafter oder unterbliebener Belehrungen nicht vollkommen schutzlos hinsichtlich jeglicher Ansprüche gestellt sind.

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Sachwortverzeichnis Anspruch – auf Erlösherausgabe gemäß §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB 195 f. – auf Herausgabe des Surrogats infolge einer Weiterveräußerung trotz Eigentumvorbehalts gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB 194 – 196 – auf Herausgabe des Surrogats nach Weiterveräußerung gemäß § 285 Abs. 1 BGB 188, 190 f. – auf Herausgabe des Surrogats nach Weiterveräußerung trotz Eigentumvorbehalts gemäß § 285 Abs. 1 BGB 195, 197 – auf Herausgabe gemäß § 816 Abs. 1 S. 2 BGB 198 – auf Herausgabe gemäß § 822 BGB 198 – auf Nutzungsentschädigung 60 – auf Nutzungswertersatz 60 – auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB 69 – auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB 94 – auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB 97 – auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB 115 – auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB 74, 87 – auf Schadensersatz gemäß § 311 a Abs. 2 BGB 68 – auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB 94, 96, 116, 121, 191, 197 – auf Schadensersatz wegen Weiterveräußerung gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB 191 – auf Schadensersatz wegen Weiterveräußerung gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB 187, 190 – auf Schadensersatz wegen Weiterveräußerung gemäß § 311 a Abs. 2 BGB 187

– auf Schadensersatz wegen Weiterveräußerung trotz Eigentumvorbehalts gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB 196 – auf Schadensersatz wegen Weiterveräußerung trotz Eigentumvorbehalts gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB 192, 195 – auf Schadensersatz wegen Weiterveräußerung trotz Eigentumvorbehalts gemäß §§ 687 Abs. 2 S. 1, 678 BGB 194 – 196 – auf Schadensersatz wegen Weiterveräußerung trotz Eigentumvorbehalts gemäß § 823 Abs. 1 BGB 193, 195 f. – auf Schadensersatz wegen Weiterveräußerung trotz Eigentumvorbehalts gemäß §§ 989, 990 Abs. 1 S. 2 BGB 196 – auf Verwendungsersatz 65 – eines Dritten 60 – wegen Ausübung des Widerrufsrechts ohne sachlichen Grund 60 Anspruchsausschluss – gesetzlicher Ansprüche 37 Besitzrecht siehe Recht zum Besitz Drittschadensliquidation

33

Eigentumslage 26 – Eigentumsvorbehalt 44, 185, 192 f. – gesetzlicher Eigentumserwerb 26 f. Geschäftsführung ohne Auftrag Leistungspflicht

27, 41 f.

95

Mindestharmonisierung 19 Missbrauchsmöglichkeiten 15, 45, 117, 126 f. protestatio facto contraria non valet

36

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Sachwortverzeichnis

Recht zum Besitz 29 – 32, 34, 44 Rechtsfortbildung 40 Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts 126 richtlinienkonforme Reduktion 40 Sanktionscharakter 25, 31, 36, 64, 123, 125, 176 Schädigung eigenen Vermögens 120 Schädigungsabsicht 120, 177 Teleologische Reduktion 41, 43, 74, 76 – 79, 105, 111, 114, 127, 156, 184 Treu und Glauben – Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses 117 – im Unionsrecht 128 Unionsrechtliches Rechtsmissbrauchsverbot 114 – als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts 157 – Auswirkungen auf die Auslegung von § 361 Abs. 1 BGB 181 – Gründe für strengeren Maßstab als im nationalen Recht 179 – Kategorisierung 145

– objektives Tatbestandsmerkmal im Hinblick auf Art. 14 Abs. 5 VRRL 175 – subjektives Tatbestandsmerkmal im Hinblick auf Art. 14 Abs. 5 VRRL 178 – Übertragbarkeit auf das Verbraucherwiderrufsrecht 171 – Umsetzung im nationalen Recht 179 Unternehmer 22 Verbot missbräuchlicher Praktiken siehe Unionsrechtliches Rechtsmissbrauchsverbot Verbraucher 20 – 22 Verfügungsbefugnis 29 f., 34 – 37, 43 Vollharmonisierung 19 – 23, 28, 33, 38, 40, 62, 66, 103 Widerrufsbelehrung – Haftung aufgrund von Belehrungsfehlern 63 – Umfang 55 Widerrufserklärung – Treuwidrigkeit gem. § 242 BGB 186 Zufallshaftung 54, 123 Zurückbehaltungsrecht 71