Die Freimaurer: Eine Einführung [5 ed.] 9783205214229, 9783205214205

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Die Freimaurer: Eine Einführung [5 ed.]
 9783205214229, 9783205214205

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Alexander Giese

Die Freimaurer Eine Einführung 5., erweiterte Auflage

Böhlau Verlag Wien Köln

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2021 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress.

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Umschlagabbildung: Unbekannt, Freimaurerabzeichen – Beamtenabzeichen - Schlüssel für den Schatzmeister oder den Schaffer, 1701–1800, Wien Museum Inv.-Nr. 42110/1, CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/110605/) Korrektorat: Volker Manz, Kenzingen Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Bettina Waringer, Wien

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21422-9

Inhalt

7 Vorwort 13

Was ist ein Freimaurer?

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Logen, Bauhütten und Großlogen

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Was tun die Freimaurer Geheimnisvolles?

47

Das englische Großlogensystem

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Frankreichs Freimaurerei: Aufklärung, Revolution und Moderne

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Die Freimaurerei in Deutschland: Ritter, Ordensbrüder, Humanisten

89

Die Freimaurerei in Italien: Die Baumeister des Nationalstaates und die Kurie

99

Freimaurer in Österreich: Reformer, Jakobiner, Liberale

117 Nachwort

121 Zeittafel 131

Weiterführende Literatur

135 Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Alexander Gieses Einführung in die Freimaurerei zählt zu den Standardwerken der masonischen Literatur. Sie bildet – trotz vieler neuerer Forschungen – noch immer die Grundlage für weitere vertiefende Untersuchungen zum Forschungsfeld der Freimaurerei und beantwortet sachkundig die Frage nach der inhaltlichen Substanz und den Zielen der Bruderkette nicht nur historisch, sondern besonders für die Gegenwart. Giese war viele Jahre Großmeister der Großloge von Österreich und Leiter der Kultur des ORF. Ich habe selbst als Freimaurerforscher die Bruderkette zu definieren versucht: Sie ist „eine international verbreitete humanitäre Vereinigung, die unter Achtung der Würde des Menschen für Toleranz, Aufklärung, freie Entwicklung der Persönlichkeit und allgemeine Menschenliebe eintritt“.1 Die Freimaurerei geht davon aus, dass menschliche Konflikte ohne zerstörerische Folgen ausgetragen werden können. Voraussetzung dafür ist die Herstellung eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Menschen unterschiedlicher Überzeugungen und Weltanschauungen. In diesem Zusammenhang spielt für sie der offene Dialog der Kulturen und Religionen eine entscheidende Rolle. Die Bruderkette ist auch stark auf den einzelnen Menschen ausgerichtet und bemüht sich, ihn ethisch zu vervollkommnen. Sie hat aber keine ethischen Lehrsätze aufgestellt, da nach ihrer Auffassung sittliche Normen einem ständigen 1 Vgl. dazu Helmut Reinalter: Freimaurerei. Geheimnisse – Rituale – Symbole. Ein Handbuch, Salier, Leipzig 2017, S. 7.

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Vorwort

Wandel unterliegen. Unter Ethik versteht die Freimaurerei „gutes“ Handeln. Die Vorstellung vom „Guten“ ist ein dem Menschen angemessenes Verhalten, bei dem praktizierte Tugendideen eine große Bedeutung haben. In der Bruderkette spricht man daher von sog. „Einübungsethik“. In diesem Sinne ist die Ethik aus freimaurerischer Perspektive auch eine Frage der Lebensgestaltung und so mit der Philosophie der Lebenskunst eng verbunden. Unter Lebenskunst versteht die Freimaurerei die „Königliche Kunst“, wie das Leben bewusst gelebt werden kann. Sie ist der praktische Versuch einer Rückkehr zum Selbst, zum einzelnen Individuum, das sich permanent bemüht, das eigene Leben zu formen und daraus ein Kunstwerk zu machen. In der Freimaurerei wird die „Königliche Kunst“ symbolisch gedeutet. Mithilfe der freimaurerischen Symbole und Rituale sollte der einzelne Bruder zu Humanität und Toleranz hingeführt werden, also zu einer Lebenskunst, zu Selbsterkenntnis, Selbsterziehung und harmonischer Lebensgestaltung.2 Die Freimaurerei hat sich im Laufe ihrer historischen Entwicklung einen Werterahmen geschaffen, der bis heute aktuell geblieben ist. In diesem Zusammenhang spielt das neue Aufklärungsdenken eine zentrale Rolle. Dabei steht die leitende Fragestellung im Vordergrund, welche wichtigen Grundlagen der historischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts noch maßgeblich nachwirken und ob es heute ein neues Aufklärungs- und Vernunftverständnis gibt, das eine brauchbare Antwort auf die Brüchigkeit der tragenden Einstellungen der historischen Aufklärung zu geben vermag. Sind ihre Leitideen heute überholt oder noch – wenn auch in neuer Form – gültig? Die neue Aufklärung versteht sich als Selbstaufklärung und kritisches Selbstdenken über Auf2 Helmut Reinalter: Freimaurerei, S. 11 ff., S. 68 ff.

Vorwort

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klärung. Sie richtet sich gegen angemaßte Autorität und Vorurteile, gegen Irrationalismus und Aberglauben, gegen Dogmen, Ideologien und absolute Wahrheiten sowie gegen Intoleranz und Fundamentalismus. Für die Freimaurerei stellen weiters die Menschenwürde und Menschenrechte nicht nur eine Form des gemeinsamen Nenners aller Grundwerte dar, die man in den verschiedenen Religionen und Kulturen findet, sondern sie fordern auch einen universalen und zugleich eigenständig modernen Freiheits- und Gleichheitsanspruch sowie allgemeine Menschenpflichten. Auch das Menschenbild der Bruderkette ist mit den Menschenrechten und den Menschenpflichten eng verbunden. Mit diesem Werterahmen hängt auch die Idee der Humanität eng zusammen. Humanität erlebt der Bruder in der Loge und im profanen Leben, in dem er sich als Mensch unter Menschen zu begreifen versucht. Menschlichkeit, Mitgefühl und Mitleid sind daher für die Freimaurer konkrete Praxis. Das Symbol des „Großen Baumeisters aller Welten“ bildet in der Bruderkette die Basis der mitmenschlichen Ethik. Diese ist eine undogmatische, vernunftorientierte, aber auch intuitive und individuelle Ethik, die in Symbolen und konkreten Handlungen ausgedrückt wird. Sie ist keine Erfolgs- und Gesinnungsethik, sondern eine Verantwortungsethik im Hinblick auf die Verwirklichung masonischer Werte in der Gesellschaft. Auch der Toleranzgedanke steht im Mittelpunkt masonischer Handlungs- und Verhaltensweisen. Die Freimaurerei war und ist an der Verbreitung der Toleranz wesentlich beteiligt. Heute stellt das Toleranzprinzip im freimaurerischen Sinne mehr als nur Duldung und Ertragen dar, nämlich die Respektierung des Andersdenkenden durch besseres Verstehen seines Andersseins.3 3 Helmut Reinalter: Die Freimaurer, C.H. Beck, 7. Aufl., München 2016.

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Vorwort

In der Welt der Bruderkette spielen Symbole und Rituale eine zentrale Rolle. Sie ist in ein kosmogonisches Modell als symbolischer Ort und symbolische Zeit des rituellen Ablaufs eingebunden. Die Darstellungsformen sind historisch tradiert und von besonderer Schlichtheit. Die gesamte Symbolik ist vor allem dem „Bauen“ und der „Bautradition“ gewidmet, wobei das Symbol des Tempelbaus der Humanität eine wesentliche Bedeutung hat. Die rituellen Arbeiten erfolgen in Bildern und bildlichen Handlungen. Die Freimaurerei besteht in einer fortlaufenden Kette von Symbolen. Die Logenarbeiten werden ritualisiert durchgeführt, um die sinnbildlichen Gebräuche auszuführen, den Sinn der Symbole anzudeuten oder auch in Baustücken (Vorträgen) zu erläutern. Im Mittelpunkt der freimaurerischen Ritualistik steht die initialische Methode. Initiation bedeutet „Einweihung“. Das Ritual bezeichnet jene Ordnung, in der eine sinnbildliche Handlung vor sich gehen soll. Rituale sind eigentlich im masonischen Verständnis, sinngerichtet und dramatisch gestaltet, Abfolgen symbolischer und allegorischer Handlungen, Worte und Gesten unter Einbeziehung figürlicher Darstellungen und Objekte. Neben dem Innenleben der Loge muss hier abschließend auch noch kurz die Wirkungsgeschichte und die gesellschaftliche Bedeutung der Freimaurerei erwähnt werden.4 Ein direkter Einfluss der Bruderkette auf Staat, Politik und Gesellschaft lässt sich nur schwer nachweisen. Die Gegner der Bruderkette haben ihren angeblich großen Einfluss dämonisiert und als politische Macht missverstanden. So sind im Laufe der Geschichte zahlreiche Verschwörungstheorien, Legenden und Erzählungen entstanden, die als Teil eines weltweiten Antimasonismus gesehen werden und an Aggressivität und Polemik bis heute nichts eingebüßt haben. 4 Helmut Reinalter: Freimaurerei, Politik und Gesellschaft. Die Wirkungsgeschichte des diskreten Bundes, Böhlau, Wien 2018.

Vorwort

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Eine einigermaßen seriöse und realistische Einschätzung der gesellschaftlichen und politischen Wirkung der Freimaurerei bezieht sich vor allem auf die Selbstbildung der Mitglieder und die Kongruenz ihres Selbsterziehungsprogramms sowie ihre Ziele und ihre Auseinandersetzung mit den wesentlichen Denkströmungen der jeweiligen Zeit. Neben politischen und gesellschaftlichen Strukturen spielen auch einzelne Persönlichkeiten in der Freimaurergeschichte seit der Frühen Neuzeit eine wesentliche Rolle. Es lässt sich nur an einzelnen konkreten Beispielen der tatsächliche Einfluss der Freimaurerei erklären und nachweisen. Dabei zeigt sich bei aller Vorsichtigkeit der Beurteilung und Einschätzung, dass die Bruderkette bei der Auflösung der frühneuzeitlichen Dogmen, in der Säkularisierung, in der Aufklärung, in der Amerikanischen und Französischen Revolution, in den verschiedenen Reform- und Freiheitsbewegungen und in den bürgerlichen Revolutionen, bei der Herausbildung des Liberalismus, der westlichen Demokratien, des modernen Parlamentarismus, des Sozialstaates und bei der Verbreitung der Menschenrechte und Menschenpflichten sowie bei den Friedensbemühungen einen gewissen Einfluss ausüben konnte. Dieser war zweifelsohne kein bestimmender, wenngleich die freimaurerischen Ideen der Humanität, Aufklärung und Toleranz in den geistesgeschichtlichen, sozialen und politischen Entwicklungen bedeutsam waren. Heute arbeitet die Freimaurerei an einer Weiterentwicklung und Vertiefung ihrer zentralen Ideen bzw. Werte und setzt sich besonders mit Gegenwarts- und Zukunftsfragen, die für die Bruderkette wichtig sind, auseinander. Die Freimaurerei muss sich heute verstärkt – auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Analysen – mit der geistigen Entwicklung der Zeit beschäftigen und darüber kritisch nachdenken, ob die Bruderkette jenseits von Parteipolitik

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Vorwort

und Religionskonflikten eine wichtige Funktion dort übernehmen könnte, wo eine aus masonischer Perspektive notwendige gesellschaftliche Kurskorrektur wesentlich erscheint – und dies ganz im Sinne der Ritualworte „wie hier im Tempel durch das Wort, im Leben durch die Tat walten zu lassen“. Innsbruck, im Dezember 2020 Univ.-Prof. em. Dr. Dr. h.c Helmut Reinalter (Leiter des privaten Forschungsinstituts für Ideengeschichte in Innsbruck)

Was ist ein Freimaurer?

Was also ist ein Freimaurer? Ein Mann, der dem Bund der Freimaurer angehört? Genügt dieser Satz? Nein. Bedeutende Männer haben bedeutsame Antworten formuliert, Bibliotheken sind geschrieben worden, um zu erklären, was die Freimaurerei ist und was nicht. In Gotthold Ephraim Lessings „Ernst und Falk“, einem Gespräch für Freimaurer, nicht über sie, heißt es: „Die Freimaurerei ist nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches, sondern ein Notwendiges, das in dem Wesen des Menschen und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist.“ Die Freimaurerei ist also eine Sache des Bürgers, ja aller Menschen. Johann Gottfried Herder setzte Lessings Freimaurergespräche fort: Er sah den Bund der Freimaurer als eine „sichtbar-unsichtbare“ Gesellschaft. Johann Gottlieb Fichte verfasste „Sechzehn Briefe für Konstant“ als eine „Philosophie der Maurerei“. Auch Friedrich Schlegel schrieb Freimaurergespräche. Alle diese Arbeiten sind wenig bekannt, obschon sie aus der Feder „deutscher Klassiker“ stammen – oder gerade deshalb! Man sollte meinen, das Urteil so bedeutender Männer müsse genügen. Man sollte meinen, wer sich als Gegner der Freimaurerei betrachtet, sehe sich veranlasst, diese Schriften zu lesen. Offenbar ist das nicht der Fall, offenbar beschäftigt zwar das „Geheimnis“ der Freimaurer viele, sie suchen es aber nicht dort, wo es zu finden ist. Naturgemäß hält man sich an das Sichtbare. Dort allein ist es nicht zu finden. Was befremdet an den Freimaurern?

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Was ist ein Freimaurer?

Zu ihren Versammlungen haben Nicht-Maurer keinen Zutritt. Sie sind verschwiegen. Sie haben Gebräuche, die, sofern sie überhaupt bekannt sind, seltsam anmuten. Sie haben Rituale, die sie pedantisch vollziehen. Und, wie man hört, besondere Symbole, die sie wie ihre Erkennungszeichen geheim halten. All das ist Grund genug, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, sie als „verdächtig“ erscheinen zu lassen. Was geht da vor sich? Scheuen sie das Licht der Öffentlichkeit? Sie, die man auch die „Erleuchteten“ genannt, die man als Männer der „Aufklärung“ bezeichnet hat? Wenn sie Ehrenhaftes denken und tun, warum verbergen sie sich? Solche und ähnliche Anschuldigungen, Gedanken und Zweifel werden immer wieder gegen die Maurer geäußert. Die Maurerei wurde oft als Geheimbund angesehen. Sie galt vielen als Urheber von Verschwörungen, Attentaten, Komplotten. Man hielt die Freimaurer für Drahtzieher in Politik, Wirtschaft und Kultur. Jahrhundertelang wurde die Maurerei mancherorts für Rebellion, Revolution, ja für Morde verantwortlich gemacht. Und Jahrhunderte hindurch gehörten diesem Bund die hervorragendsten Männer ihrer Nationen, weltweit, an: George Washington und Goethe; Alexander Fleming, der Entdecker des Penicillins; Henri Dunant, der das Rote Kreuz gründete; Gustav Stresemann und Aristide Briand, die mit dem Kellogg-Pakt die deutschfranzösische Verständigung herbeiführen wollten; Preußens König Friedrich II. ebenso wie der römisch-deutsche Kaiser Franz I.; die überwiegende Mehrheit der US-Präsidenten; Mozart; der österreichische Friedensnobelpreisträger Alfred Hermann Fried. Die Liste der hochqualifizierten Männer, die Freimaurer waren, ergäbe ein ganzes Buch. Die Situation scheint paradox: Wie konnte, wie kann ein Bund solche Mitglieder aufweisen und dennoch als ein gefährlicher Geheimbund angesehen werden?

Was ist ein Freimaurer?

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Als gefährlich, als bedenklich, das ist jetzt zu sagen, wurde und wird der Bund in allen jenen Ländern (und bei jenen Nationen) betrachtet, die entweder autoritär regiert werden oder auch bloß ihre Meinungsbildung in diesem speziellen Fall der Kirche Roms überantworten. Autoritäre Staaten, Diktaturen oder Theokratien, etwa islamische, bestimmen durch ihnen eigene Gesetze, was sie für Menschenrecht ansehen. Diesem doppelten Zwang mussten sich Freimaurer oft entziehen. Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit, die Menschenrechte und das Üben demokratischer Formen war immer wieder Aufgabe der Freimaurer; von ihnen gefordert, von ihnen verfochten. Dadurch aber setzten sie sich gewollt oder auch ungewollt, sehr oft und an vielen Orten in ein Missverhältnis zu Machthabern, die autoritär oder dogmatisch dachten und handelten. Sie wurden dann beschuldigt, „Thron und Altar“ zu unterminieren – und doch waren und sind Mitglieder des englischen und der skandinavischen Herrscherhäuser Großmeister „ihrer“ Freimaurer, waren und sind Geistliche Mitglieder des Bundes. In der Vorstellung Hitlers oder Mussolinis waren es die Freimaurer, die „internationale Verschwörungen“ anzettelten; gemeinsam, wie Hitler fabulierte, mit Juden und Bolschewiken. Doch hatten die Kommunisten gleich zu Beginn ihrer Revolution in Russland die Maurerei verboten. Das Ritual der Freimaurer stützt sich zum Teil auf Personen, Ereignisse und Bilder aus dem Alten Testament, aber das ist ja auch Grundlage zweier Weltreligionen. Juden schufen einen nur ihnen vorbehaltenen Männerbund: B’nai B’rith. In islamischen Staaten ist heute die Maurerei verboten, weil sie fundamentalistischen Prinzipien entgegensteht. Nationalistische Gruppierungen in fast allen Ländern werfen der Freimaurerei Kosmopolitismus vor, wenn nicht gar

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Vaterlandsverrat. Das war nicht nur in der Vergangenheit falsch, das ist es auch in der Gegenwart. Ein Gebhard Leberecht Blücher, ein General Scharnhorst, ein Freiherr von und zum Stein, sie alle Erneuerer eines „deutschen Vaterlandes“ – waren Freimaurer. Die meisten italienischen Patrioten wie Garibaldi – Freimaurer! Diese wenigen Hinweise machen deutlich, dass generelle Urteile über die Freimaurerei – wie verallgemeinernde Aussagen überhaupt – unrichtig sind. Vorschnelle Urteile über diese bemerkenswerte Gesellschaft müssen zu Fehlmeinungen führen. Es lohnt sich, auf die Entstehung und die Geschichte der Maurerei kurz einzugehen und auch über ihr Brauchtum zu berichten. Die Darstellung jedoch ist aus mehreren Gründen schwierig: Sie ist notgedrungen subjektiv, da die Maurerei nicht erklärt, sondern nur erlebt werden kann. Sie beruht auf dem persönlichen Erlebnis des Initiierten (d. h. Eingeführten, in die Loge Eintretenden) und auf dem, was er selbst in den Bund einbringt: an Gedanken, Überlegungen, Handlungen, Gefühlen. Der „Wert“ eines Maurers ergibt sich aus dem, was er selbst, aus dieser Konfrontation von Mensch und Symbol, aufgrund des maurerischen Brauchtums aus seinem eigenen Leben „macht“, wie er sein Leben gestaltet. Goethe hat diese Aufgabe mit zwei Worten umschrieben: Denken und Tun. Und jeder Freimaurer wird über den Bund seine eigene Meinung haben, ihn subjektiv erfahren. Das erschwert die Darstellung, die sich um eine mögliche Objektivität nur bemühen kann.

Was ist ein Freimaurer?

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Wer wird Freimaurer? Jedermann könnte es werden, nicht jeder Mann wird es. Es gibt einige Voraussetzungen zu erfüllen, die – um das Wortspiel fortzuführen – nicht jedermanns Sache sein werden. Jeder kann Maurer werden, sofern er ein freier Mann ist und sich eines guten Rufs erfreut. So einfach haben das die Gründer der Großloge von England 1717 gesehen. „Frei“ war damals einer, der nicht Leibeigener, Höriger, Schuldner war. Den guten Ruf mussten sie sich erworben haben. „Frei“ bedeutet heute wohl anderes. Das Wort „frei wozu“ sollte angewendet werden: Der Mann, der Freimaurer werden will, sollte frei sein von Vorurteilen und negativen Aggressionen, innerlich frei, sich zu einer Gemeinschaft zu bekennen, ohne seine Persönlichkeit aufzugeben. Unwissende, nicht lernfähige Männer, Extremisten, brutale, totale Egozentriker suchen gar nicht um Aufnahme in den Bund an. Es bedarf einer gewissen Geistesfreiheit, bedarf der Lebenserfahrung, bedarf einer Einsicht in wünschenswertes soziales Verhalten. Der Mann, der Maurer werden will, sucht Gleichgesinnte, mit denen er Freundschaft schließen und halten kann. Er wird also insofern „frei“ sein, dass er sich selbstständig für ein neues Leben entscheiden kann. Ob ein Mensch „wiedergeboren“ werden kann, ist nicht zu entscheiden, wohl aber kann er sein eigenes Leben „neu“ beginnen. Initiation – auch die in die Maurerei – ist stets mit einer Art „Wiedergeburt“ (in diesem Leben!) verbunden. Die Gründer der Großloge in London lebten um 1700 in einer höchst unruhigen Epoche. Religiöse Streitigkeiten, politischer Zank, Raub, Mord, Totschlag, Korruption und Unterdrückung erfüllten den Alltag. Die Gegensätze zwischen Reich und Arm nährten ein allseitiges Misstrauen. Kein Wunder, das jene ersten sich in Großlogen formierenden Freimaurer nur freie Män-

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Was ist ein Freimaurer?

ner von gutem Ruf in ihren Logen sehen wollten, solche, die es ablehnten, über jene Themen zu debattieren, die in jedem Bierhaus Gegenstand des Streits waren: Politik und Religion. Politische Kannegießerei und theologische Spitzfindigkeit wollten sie ausgrenzen. Eben das, was Männer uneins macht. Dieser Grundsatz blieb verbindlich. Politik, Tagespolitik, ob sie ihren Gegenstand aus kirchlichem oder aus staatlichem Bereich aufgreift, blieb verpönt. Darüber soll in den Logen nicht gesprochen werden. Das ließ und lässt sich verständlicherweise nicht strikt durchführen: Die Maurer leben wie alle anderen Bürger, sind aktiv und passiv Mitglieder von Kirchen, Parteien, Bürger des Staates, interessiert an allen Lebensvorgängen. Politik und Religion bestimmen auch ihr Leben. Wenn aber in den Logen darauf die Rede kommen sollte, so unterscheiden sich Maurer von Nicht-Maurern durch ihr Verhalten. Das Gespräch wird dem Maurer immer willkommen sein; Streitdebatten, die zu aggressivem Verhalten, zu Gegner- oder gar Feindschaften führen könnten, wird er nicht dulden. Die Loge dient der Harmonisierung, dient gegenseitiger Achtung. Toleranz und Humanität – worauf noch einzugehen sein wird – sind das Ziel der Loge. Die Freimaurer des 17. und 18. Jahrhunderts glaubten, durch totale „Aussperrung“ so wichtiger Lebensbereiche wie Religion und Politik einen streitfreien Ort schaffen zu können; diese für das Zeitalter des reinen Rationalismus kennzeichnende Maßnahme war aber über Jahrhunderte hinweg nur schwer aufrechtzuhalten. Immer wieder haben sich politische und religiöse Aspekte im Leben der Logen und ihrer Mitglieder als dominant erwiesen. Und inwieweit jene Grundsätze – freier Mann, guter Ruf, Abstinenz von Politik und Religion in der Loge – eingehalten wurden oder nicht, gerade das bestimmte auch die Ausbildungen verschiedener Lehrarten in der Frei-

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maurerei, brachte die vielfältigsten Obödienzen zutage; bildet die Geschichte der Maurerei, diejenige ihrer regulären (also etwa regelrechten) Bünde und die der abweichenden, einmal mehr freisinnigen, einmal mehr religiös gestimmten Gruppierungen. Wie es nun bei Gruppenbildungen zugeht – und immer zuging – hält jede Fraktion ihr Brauchtum für allein vorbildlich oder maßgebend. Trotz aller Verästelungen im maurerischen Leben und seiner Geschichte bleibt aber – und das ist nicht wenig erstaunlich – ein „Hauptstrom“ immer mächtig wirksam: derjenige, der die Brüderlichkeit aller betont, die Nächstenliebe, die Freundschaft. Die Freimaurerei stellt also keinen „monolithischen“ Block dar; die Freimaurer kennen viele Lehrarten; sie kennen voneinander abweichende Logensysteme und Rituale, selbst ihre Symbole sind nicht immer und überall ganz gleich, auch hier gibt es leichte Differenzierungen; es gibt Lehrgebäude freimaurerischer Natur, die viele Grade, bis zu 33 und darüber, umfassen; wobei „Grade“ erreichte Lebensstationen andeuten oder ausdrücken wollen, symbolisch, versteht sich; es gibt aber, gleichsam als weltumspannende Grundlage der Maurerei, vor allem und zuerst die St.-Johannis-Logen (auch Blaue Logen genannt), die drei Grade erteilen: den Grad des Lehrlings, den des Gesellen und den des Meisters. Verschiedene Lehrarten: Das bedeutet, dass die Freimaurer eine sie alle verbindende Hauptthese, die der Brüderlichkeit aller Menschen auf sehr variierte Weise erreichen wollen. Dem liegt aber ein weiteres Verbindendes zugrunde: Die Freimaurer meinen, dass eine Verbesserung der Gesellschaft, ja die der Menschheit (also aller Menschen) nur durch die Änderung jedes einzelnen erfolgen kann. Nicht Gesetze allein, nicht Gebote allein so glauben die Maurer ändern die Welt. Insofern sind sie also „religiös“, als dies auch von den bedeutenden Weltreligionen angenommen wird. Ein deut-

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scher Freimaurer-Autor, Jürgen Holtorf, hat die Freimaurerei sehr treffend eine „Verschwörung zum Guten“ genannt. Und tatsächlich steht Menschen guten Willens die Loge offen. In einigen Lehrarten wird ein freies Christentum zur Grundlage des Rituals, in anderen ist es das humane und humanitäre Weltbild, das die Brüder Freimaurer verwirklichen wollen. Es ist jedoch Gläubigen aller Religionen die Loge zugänglich, ohne jede Diskriminierung; Klassen und Rassenunterschiede sind hier aufgehoben, der Zwang von Dogmen und Ideologien wird entschieden abgelehnt. Die Freimaurer bekennen sich persönlich zu den verschiedensten politischen Ansichten, ohne deshalb Feindbilder zu schaffen oder sich Gegner aufzubauen; nur das, was der Maurer als schädlich ansieht, als gefährlich für die Entwicklung des Menschen, das versucht er von der Loge fernzuhalten und auch in sich zu überwinden: Extremismus, Fanatismus, Dogmatismus. Und nur der ist und wird Maurer, dem dies einigermaßen gelingt. Wer wird also Maurer? Ein Mann, der Extremen abhold ist – ein Mann, der „sich selbst erkennen“ will. Die Folge von Selbsterkenntnis sollte Selbstbeherrschung und die Verwandlung des Menschen sein: seine Änderung oder, wie es die Maurer (nach Alchimistenbrauch) ausdrücken, die „Selbst-Veredelung“ – so wie aus roher Materie reine Gestalt geschaffen werden kann. Jedermann, der ein wenig Lebenserfahrung hat, weiß, wie schwer es ist, sich selbst zu erkennen. Oft bleibt es beim theoretischen Vorsatz. Und die Selbsterkenntnis ist ja auch bloß die theoretische Seite – die praktische Seite dieser hohen Anforderung erweist sich erst in einem höchst wertvollen Verhalten: im besonnenen Handeln. Besonnenheit ist somit eine der höchsten maurerischen, d. h. menschlichen Tugenden (um dieses gute alte Wort zu verwenden). Einer, der seine negativen Aggressio-

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nen ablegen will und seine Vorurteile zu bekämpfen sucht, wird ein guter Maurer sein. Das ist ein langer Weg. In diesem Sinn ist jeder Maurer ein Suchender. Im speziellen Sinn aber nennen die Freimaurer die Männer, die in eine Loge eintreten wollen, Suchende.

Was unterscheidet die Freimaurerei von anderen Männerbünden? Immer wieder hört man den Satz: Die Freimaurerei ist ein Verein wie jeder andere. Das stimmt und stimmt nicht. Es stimmt, weil die einzelnen Logen im Vereinsregister des jeweiligen Staates eingetragen sind (also keine Geheimbünde sind, die ja illegal existieren). Es stimmt nicht, weil sie im Unterschied zu anderen Vereinen bestimmte Anforderungen an ihre Mitglieder stellt; um genau zu sein: Jeder, sobald er Mitglied ist, stellt sie an sich selbst. Das „Vereinsziel“ ist nämlich nicht Interessenvertretung, Geselligkeit, Ausübung einer speziellen kulturellen, sozialen oder sportlichen Aktivität, etwa die Pflege von Wissenschaft, Kunst und Kultur. Der Bund der Freimaurer hat eine große Anziehungskraft, da er in der Öffentlichkeit geheimnisumwoben erscheint, etwa als „diskrete Gesellschaft“ angesehen und ihm sogar eine nicht näher zu qualifizierende Macht zugeschrieben wird. Der Suchende erwartet, in Zukunft einer – wie immer gearteten – „Elite“ anzugehören. Aber bloße Neugier und gar die Hoffnung, „gefördert“ zu werden, sind dazu verurteilt, enttäuscht zu werden. Mit dem Eintritt in die Loge stellt sich dem Freimaurer die Aufgabe, „sein Leben zu ändern“, und zwar aus sich und von sich heraus, ohne sich dogmatischen Zwängen oder Vorschriften unterwerfen zu müssen. Das ist wohl eines jener Geheim-

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nisse der Freimaurerei, die niemand erwähnt. Und die den Bund von anderen „Vereinen“ unterscheidet. Andere Männerbünde vereinigen Menschen gleichen Charakters, gleicher Interessen zu gemeinsamen Zielen. Dieser Aspekt besteht auch in der Freimaurerei. Doch die Loge macht es sich viel schwerer: Sie vereint Männer ganz verschiedener Herkunft, differierender Bildung und Ausbildung, Männer, die oft ganz entgegengesetzte Ansichten vertreten, die konträre religiöse, politische Vorstellungen haben. Sie vereint Männer aus (fast) allen Schichten der Bevölkerung: Sie alle, brüderlich geeint, treffen einander auf gleicher geistiger Ebene. Das, was männliche Sozialformen zumeist mit sich bringen, nämlich Rangunterschiede, Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnisse, Befehlsstrukturen, das ersetzt die Loge durch eine bloß symbolische Hierarchie, die freiwillig akzeptiert wird; im Prinzip aber sind alle Freimaurer-Brüder gleich, ob prominent oder nicht. Die brüderliche Gemeinschaft in der Loge soll die bestehenden Sozialformen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Es muss eingeräumt werden, dass dies ein beständiges Ziel der Logen ist, das jedoch nur schwer zu verwirklichen ist. Es ist aber erstaunlich, wie über Jahrhunderte hinweg dieses Ziel der Brudergemeinschaft immer wieder verwirklicht wurde und wird.

Was ist Geschäftsmaurerei? Geschäftsmaurerei ist ein Missbrauch der freimaurerischen Idee. Die Bevorzugung von Brüder Freimaurern im Geschäfts- und Wirtschaftsleben sowie im politischen Leben würde zu übler Cliquenbildung führen. Jeder Ansatz dazu, dass ein Maurer einem anderen ungerechtfertigte Vorteile

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zukommen lässt, gilt als maurerisches Vergehen und wird geahndet. Der Freimaurer ist verpflichtet, in einem geschäftlichen (oder beruflichen) Kontakt nicht etwa den Maurerbruder zu bevorzugen, sondern den, der die bessere Qualifikation aufzuweisen hat; diese allein entscheidet und nicht der Umstand, ob einer Bruder ist oder nicht. Geschäftsmaurerei ist ein überaus seltenes Phänomen und geeignet, eine Loge zu ruinieren. Die Geschäftsmaurerei bleibt auch nicht geheim, sie erregt innerhalb des Bundes und in der Öffentlichkeit heftige, berechtigte Kritik – siehe den Fall der P-2-Loge in Italien, in der Lucio Gelli eine Logenform missbrauchte. Für Geschäftemacher ist die Loge, ist die Freimaurerei ein ungeeigneter Boden.

Warum gibt es keine Frauen in den Logen – oder gibt es sie doch? Die Antwort ist einfach: In den regulären Logen und Großlogen werden Frauen nicht aufgenommen. Das mag ein Vorzug oder ein Nachteil sein. Die Tradition der alten, freien und angenommenen Maurer (was „regulär“, „alt“, „frei“, „angenommen“ bedeutet, wird noch zu erklären sein) kennt die Maurerei nur als Männerbund, gemäß der Herkunft aus dem Steinmetzgewerbe, in dem nur Männer tätig waren. In der Geschichte der Maurerei gab es immer wieder Versuche, Frauen in Logen zu inkorporieren – man nannte diese dann „gemischte Logen“. Auch reine Frauenlogen wurden gegründet. Der wenn man das so nennen kann „Hauptstrom“ der Freimaurerei hat es aber stets abgelehnt, das maurerische Ziel der Selbsterziehung und der „Erziehung des Menschengeschlechts“ auf beide Geschlechter auszudehnen. Vielleicht

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ist Mozarts „Zauberflöte“, wo Pamina gemeinsam mit Tamino Prüfungen zu bestehen hat, die für ein wertvolleres Leben reif machen, sogar eine Kritik an der nur männlich ausgerichteten Maurerei. Diskussionen, ob der Bund auch Frauen offenstehen soll, flammen immer wieder unter Freimaurern auf. Frauen, Mütter und Töchter von Freimaurern werden als „Schwestern“ bezeichnet. Logen halten es hier unterschiedlich: Manche beziehen Frauen, auf rein gesellschaftlicher Basis, in ihren Kreis ein, ohne sie an der maurerischen Tempelarbeit teilnehmen zu lassen. Andere Logen halten selbst solche festlichen Zusammenkünfte für einen Verstoß gegen die Grundsätze. Tatsache jedoch ist, dass – getrennt von allen regulären Logen der Welt – es in einigen Ländern sowohl gemischte Logen als auch reine Frauenlogen gibt, entweder aus Tradition oder infolge von Neubildungen. Solche Logen benutzen ein eigenes, verändertes, für Frauen passendes Ritual. In der Regel ist der Besuch solcher Logen durch reguläre Freimaurer unerwünscht, laut Konstitution der englischen Großloge untersagt und weltweit ein Grund dafür, aus einer regulären Loge eine Winkelloge und aus einem regulären Freimaurer einen – weltweit – nicht anerkannten zu machen. Um den Begriff der Winkelloge gleich zu klären: Es genügt nicht, dass ein paar Männer sich zusammentun und behaupten, eine Loge zu bilden; sie sind dann zwar ein Verein, aber solange sie nicht von einer regulären Großloge anerkannt werden, sind sie keine freimaurerische Institution. Und das sind Frauenlogen – dem Prinzip nach – nicht. In einer Epoche, in der die Gleichberechtigung der Geschlechter zumindest in der Welt der Industrienationen ein höchst wünschenswertes Ziel geworden ist, in einer Epoche, in der es aber auch die fundamentalistische Tendenz gibt,

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Frauen aus der Öffentlichkeit zurückzudrängen (sie wieder auf Kinder, Küche, Kirche zu beschränken), ist die Frage der Frauenlogen natürlich akut. Die Freimaurer selbst betrachten ihren Männerbund als notwendig; sie sehen im Ausschluss – d. h. richtig: in der Nichtaufnahme – von Frauen durchaus keinen Akt der Diskriminierung. Die am weitesten verbreitete Meinung ist die, dass der Bestand des Männerbundes davon abhängt, wie die traditionelle Form bewahrt wird. Gegen die Tatsache, dass es gesonderte Frauenlogen gibt, hat wohl kein denkender Bruder einen Einwand. Solidarität steht dem Menschen an, ist ihm – und auch „ihr“ – angemessen und notwendig. Wer dem Bruderbund der Freimaurer antifeministische Tendenzen zuschreibt, der irrt. Freimaurer sind weder Misogyne, also Frauenfeinde, noch Machos. Antihaltungen sind nach maurerischem Verständnis absurd, des Menschen unwürdig, ja primitiv. Logen dienen aber der Selbsterziehung des Mannes, einem – weiß Gott – notwendigen Ziel. Wer Freimaurer werden will, muss wissen, dass er sich damit einem lebenslangen Lernprozess unterzieht. Er wird gleichgesinnte Männer kennenlernen, die ihr Leben human und tolerant gestalten wollen. Er sollte es wissen: Bisher fremde Männer als Brüder erleben zu dürfen, als Freunde zu haben, setzt ständige eigene Bemühung voraus. Er sollte wissen, dass der Freimaurer in der Loge mit Symbolen konfrontiert wird, die ihm für seine Selbsterziehung Hilfestellung leisten; dass ihn traditionelle Rituale erwarten, die diese Selbsterziehung fördern. Nur ein freier Mann von gutem Ruf hat Chancen, aufgenommen zu werden. Er muss wissen, dass die Freimaurerei kein Geheimbund ist; dass die Zugehörigkeit zu ihr ihm eine bedeutende Erweiterung seiner Lebenserfahrung bietet, ihm aber auch moralisch-sittliche und humanitäre Verpflichtungen auferlegt.

Logen, Bauhütten und Großlogen

Das Wort Loge bezeichnet sowohl den Ort, also den Raum, von dem maurerische Arbeit geleistet wird, als auch die Gemeinschaft von mindestens sieben Meisterbrüdern. Die Anzahl der Mitglieder einer Loge kann variieren, sie sollte jedoch nicht so anwachsen, dass ein persönlicher Kontakt nicht mehr gewährleistet ist. 30 Mitglieder stellen eine erfahrungsgemäß ausreichende Anzahl dar; umfasst eine Loge mehr als 100 Mitglieder, so ist der brüderliche, freundschaftliche Verkehr untereinander bereits sehr erschwert. Es gibt natürlich Logen, vor allem im angelsächsischen Raum, die sehr viel größer sind; sie erfüllen dann auch ganz gezielt weit umfassendere soziale und karitative Aufgaben; so betreiben etwa in den USA solche großen Logen Spitäler bzw. Kliniken sowie Alters- und Pflegeheime. Weltweit gibt es rund 40.000 Logen. Wenn man es mit einem Modewort ausdrücken darf: Diese 40.000 Logen sind die Basisorganisation der Freimaurerei. Man nennt sie St.-Johannis-Logen oder – nach der vorherrschenden Farbe – „Blaue Logen“. In der Regel wird jede Loge von einer Großloge eingesetzt, der sie zugehört. Die Grenzen eines Nationalstaates sind meist identisch mit den Bereichsgrenzen einer Großloge, d. h. alle Logen eines Staates gehören normalerweise einer Großloge an. Eine Großloge, die regulär sein will, muss mindestens drei oder vier Logen umfassen. Jede „reguläre“ Loge muss von Freimaurermeistern gegründet worden sein, ein Hausgesetz haben und im Vereinsregister ihres Landes eingetragen

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sein. Ihr Vorsitzender heißt nach altem Brauch „Meister vom Stuhl“; während der Logenversammlung fungieren Meisterbrüder als Aufseher, Sekretär, Redner, Schatzmeister, Schaffner und Almosenier. Die Logen kennen auch Türhüter, Zeremonienmeister oder „vorbereitende“ Meister. Die maurerische Arbeit findet prinzipiell in der Loge statt, die auch Bauhütte oder Tempel genannt wird. Die maurerische Arbeit ist – rein äußerlich gesehen – der Vollzug eines traditionellen Rituals, das, wie etwa auch Goethe bemerkte, höchst pedantisch vollzogen werden muss: Das Ritual löst die, man darf sagen, zunächst unsichtbare Arbeit aus, die der Maurer in und an sich leistet oder leisten sollte. Alle Funktionsträger in der Loge werden durch eine demokratische Wahl ermittelt. Die Mitglieder aller Logen in einem Land wählen die Funktionäre der Großloge, den Großmeister und die Großbeamten, entweder direkt oder durch Wahlmänner. Die Hierarchie der Freimaurer ist zugleich eine faktische und eine symbolische. Faktisch insofern, als sie den Funktionären eines Vereins vergleichbar ist „Beamte“ und „Großbeamte“. Darüber hinaus besitzt sie aber in einem vergeistigten Sinn Symbolcharakter; das trifft vor allem auf den Großmeister zu. Andere Obere als die von ihnen gewählten gibt es nicht. Jede Loge hat schon allein durch die Zusammensetzung ihrer Mitglieder ihr besonderes Profil. Die Freundschaft, die Brüderlichkeit – dem Wort nach bloße Abstrakta –, sie nehmen in der konkreten Loge jeweils konkrete, besondere, spezifische Züge an; als Wirkungen der Persönlichkeiten, die die Loge bilden. Allen Freimaurern ist das maurerische Brauchtum verbindlich, das auf Brüderlichkeit, Nächstenliebe, Humanität und Toleranz ausgerichtet ist. Insofern verwirklichen sie die Idee der Selbsterziehung, der „Erziehung

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des Menschengeschlechts“, der karitativen Hilfe, mit dem Ziel, aus der Menschheit eine Familie zu machen. Heute ist man kritisch gegenüber großen Worten. Auch die Maurer sind nicht nur gegen sich selbst kritisch eingestellt; auch sie hinterfragen ihre „großen Worte“: Zielvorstellungen sind jedoch – als Postulate – nur mit generalisierenden Ausdrücken zu erfassen. Das konkrete Detail, die Umsetzung des Wortes in die Tat – das ist die sichtbare maurerische Arbeit, die sich nicht im Tempel, in der Bauhütte, sondern im Leben des Bruder Freimaurers erweist. Die Freimaurer wissen sehr gut, dass Bemühungen um Toleranz und Humanität, dass Selbsterziehung, Erziehung überhaupt, soziale und karitative Aktivität, sehr wohl auch außerhalb der Logen stattfindet. Sie sind jedoch der Meinung, dass die wahrhafte Menschwerdung im Kreis von Gleichgesinnten, von in gleicher Weise Tätigen, leichter und erfolgreicher zu erreichen ist. Humane und tolerante Männer, die nicht dem Bund angehören, bezeichnen sie als Freimaurer ohne Schurz (d. i. das Schurzfell der Steinmetze, das die Freimaurer übernahmen). Die Loge wird, nach Steinmetztradition – auch Bauhütte genannt. Welche Tradition ist das?

Die Bauhütten des Mittelalters Um das Wort „Loge“ zu verstehen, bedarf es eines Exkurses in die Geschichte. Es muss von den „Werkmaurern“ gesprochen werden, die der Freimaurer auch „operative Maurer“ nennt. Das Bauen von Häusern ist seit jeher eine Notwendigkeit. Staunen und Bewunderung aber erregten erst Großbauten: Tempel, Türme, Mausoleen, Pyramiden. Solche Weltwun-

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der haften im Gedächtnis vieler Generationen. Seit den Anfängen unserer Hochkulturen wurden solche Großbauten errichtet. Nur von wenigen gibt es Dokumente über ihre Baugeschichte. Viele von ihnen sind zu Ruinen geworden, die den Archäologen, den Kunstkenner, den Touristen, jeden auf seine Weise beschäftigen. Vom ersten Tempel, den Salomon erbauen ließ, sind nicht einmal mehr Ruinen erhalten. Seine Baugeschichte ist jedoch aufgezeichnet und in der Bibel erhalten (Baubeginn 966 v. Chr.): Im Alten Testament wird berichtet, der Bau habe sieben Jahre gedauert, seine Weihe erfolgte im siebenten Monat. Der Herrscher von Tyrus, Hiram, ein Verbündeter Salomons, sandte einen Baumeister nach Jerusalem, namens Hieram oder Huram, dessen Mutter eine Jüdin war. Salomon ließ diesen (ersten jüdischen) Tempel, dessen Baustil assyrisch oder eben tyrisch gewesen sein mag, doppelt so groß errichten, als die Stiftshütte, das traditionelle Heiligtum, gewesen war. Der Tempel hatte die Form eines länglichen Rechtecks; die Schmalseiten wiesen nach Osten bzw. nach Westen. Im Portal standen zwei Säulen aus Erz: Jachin und Boaz genannt. Man musste einen Vorhof durchschreiten, um ins „Heilige“ zu gelangen. Dort befanden sich der Schau-Brot-Tisch, zehn goldene Leuchter, der Räucheraltar. Erst dann trat man ins „Allerheiligste“, das die Form eines Kubus hatte. In ihm war die Bundeslade aufbewahrt. Nach der Zerstörung dieses ersten Tempels durch Nebukadnezar 586 v. Chr. erbaute Zerubabel nach der Rückkehr der Juden aus der Babylonischen Gefangenschaft den zweiten Tempel, der von Juda dem Makkabäer 165 v. Chr. ausgebaut und von Herodes im Jahr 21 v. Chr. restauriert wurde. Im Jüdischen Krieg wurde 70 n. Chr. der Tempel zerstört. Seit 644 n. Chr. steht auf dem Platz des alten Tempels die Moschee Haram Esch-Sharif.

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Bemerkenswertes berichtet die Bibel über die Arbeiter am Bau. Sie erzählt von Facharbeitern, die in Stein und Erz gearbeitet haben, von Aufsehern und einem Heer von Bauhelfern. Bekanntlich wurde der Tempelbau Salomons zum Vorbild auch für den Bau christlicher Gotteshäuser. Es galt, das himmlische Jerusalem in irdischen Kathedralen, Domen, Münstern nachzuschaffen, eine Art Kopie des Salomonischen Tempels zu errichten. Den Steinmetzen, die ihre beruflichen Vorfahren in der Bibel nachgewiesen fanden, war es ein Bedürfnis, ein Ausdruck ihrer innigen Frömmigkeit, ihre enge Beziehung zu jenen Werkleuten und deren Großbau zu dokumentieren: Davon legt auch oft der Bildschmuck, legen Plastiken in den christlichen Kathedralen des Mittelalters Zeugnis ab. Salomon, die Königin von Saba, Ecclesia und Synagoge wurden Bestandteile der Bildnis- und Abbildungsprogramme. Der Salomonische Tempel wurde architektonisch auch „zitiert“: So besitzt etwa der Würzburger Dom Vorhofsäulen wie jener. Die Beschreibung des Tempels in der Bibel I Könige, 5–7, und 2 Chronik, 2–8, erleichterte es den Werk­leuten der Bauhütten, einzelne Bauelemente nachzubauen oder nachzuahmen. Es braucht hier nicht ausgeführt zu werden, dass zwar die Vorbildfunktion des Salomonischen Tempels erhalten blieb, die Bauideen der europäischen Steinmetze sie jedoch andere Wege gehen ließ. Mönchische Baumeister der später Romanik genannten Epoche bauten Kirchen, die den Charakter befestigter Burgen nicht verleugnen können; die Laien-Baumeister der Gotik schufen Kunstdenkmäler, die jede Schwere, die die Last des Steins ausübt, für den Betrachter aufhebt. Ihre Kunst, den Stein für Hochbauten zu verwenden, ihn so aufeinanderzutürmen, aneinanderzufügen, dass er selbst schwierige geometrische Figuren (etwa die kunstvollster Rosetten) formvollendet annahm, dass die

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schwierigsten Verbindungen von Stein zu Stein auch hielten und bis heute halten, das war eine Kunst, die höchstes, empirisch erworbenes Fachwissen erforderte. Diese Bautätigkeit der Bauhütten (Logen) mag wohl auch von besonderen Vorstellungen begleitet gewesen sein: etwa der, dass solche Großbauten und Baudenkmale nur dann entstehen können, wenn während der Arbeit an ihnen Friede und Eintracht herrschten. Ob die Steinmetze eine Bausymbolik bereits entwickelt hatten oder sie nach und nach ausbildeten, ob diese erst im 17. Jahrhundert entstanden ist, ist schwer festzustellen. Bauhüttenordnungen, die das soziale Leben der Werkmaurer, der Steinmetze in bestimmte Regeln brachte, sind uns aus deutschen, englischen, französischen Bauhütten erhalten. Ein besonders schönes Beispiel ist das Regius-Manuskript (auch: Halliwell-Handschrift; 14. Jh.). Sicher gab es bereits Baulegenden, wie sie etwa schon Jan Comenius in seiner „Pansophia“ symbolisch ausdeutete. Auch sein „lumen naturale“ wirkte auf die freimaurerische Symbolik. Die Freimaurer betrachten die Werkmaurer der Bauhütten der Tradition nach als ihre „Vorfahren“, deren Logen als Vorformen der Freimaurerlogen. Im Frühmittelalter erbauten Mönchsbruderschaften etwa St. Vincent in Paris, die Hauptkirche in Canterbury, die Kirche von Rochester, die Paulskirche in Westminster. Schon diese Bruderschaften reisten von Land zu Land, von Baustelle zu Baustelle. Die Benediktinerabtei Hirsau hatte eine Klosterbauhütte. Den Mönchen gesellten sich nach und nach Laien zu, Handlanger, die Oblaten genannt wurden und eigene Vorsteher hatten. Der Mönch Albertus Argentinus machte die Straßburger Bauhütte erstmals zu einem Mittelpunkt der Bauhüttengemeinden. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts werden diese Bauhütten „weltlich“. Ihre Mitglieder sind nun Laien. Und schon

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die erste Bauhüttenordnung in Straßburg, von Hüttenmeister Jost Dotzinger verfasst, lässt erkennen, dass die bruderschaftliche Organisation der vergangenen klösterlichen Epoche zu verdanken ist. Über die Bauhütten gibt es reichlich Literatur. Die älteste „Ordnung“ ist die der Steinmetze zu Straßburg, 1459; gefolgt von der Rochlitzer Ordnung; eine weitere wurde 1563 wieder in Straßburg verfasst; sie steht bereits unter dem Einfluss der Reformationsbewegung. Es gibt allein in Deutschland rund zwei Dutzend Bauhüttenordnungen, die erhalten sind und von denen wir Kenntnis haben.

Die Bedeutung der Bauhütten Was war die Bauhütte? Der Ort der Zusammenkunft der Bruderschaft und ihre Arbeitsstätte. Ein Ort, der zugleich ihre privilegierte Stellung kundtat. Die „freien“ Steinmetze unterlagen nicht dem Zunftzwang wie ihre Kollegen, die in den Städten Häuser bauten. Sie gaben sich ihre eigene Ordnung, die verschieden war von der städtischer Gewerbeordnungen. Sie waren auch kein kirchliches Institut mehr. Auf deutschem Gebiet gab es Bauhütten in Köln, Bern, Zürich und Wien. In Straßburg befand sich die Haupthütte. Unter den Steinmetzen herrschte ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, sie entwickelten ethische Haltungen, schufen „soziale Netze“. Ein oder zwei Meister leiteten eine Bauhütte. Sie wurden durch den „Parlier“ vertreten. Die Mehrheit in einer Bauhütte bildeten die zu ihr zugelassenen Gesellen. Der Lehrling, der die Kunst lernen wollte, durfte nicht von unehelicher Geburt sein. Über seine Aufnahme wurde abgestimmt. Er wurde als „Diener am rauhen Steinwerk“ bezeichnet. Freizusprechende Lehrlinge weihte man in die

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„Geheimnisse“ der Bauhütte ein; ein Eid verpflichtete sie, über das, was sie in der Loge erfahren hatten, zu schweigen. Ohne bestimmte Erkennungszeichen konnte niemand eine Bauhütte betreten; diese Erkennungszeichen konnte nur einer wissen, der in einer Bauhütte als Lehrling aufgenommen worden und in ihr Geselle oder Meister geworden war. So schützte man die Werkgeheimnisse, wie man sich auch vor unerfahrenen, ungelernten Eindringlingen abschirmte. Steinmetze hatten eine bestimmte Kleidung zu tragen. Zum Steinmetzen gehörte Hut, Stock und Arbeitsschurz. Formelhafte Wendungen, mit denen Einlass Suchende in der Loge befragt wurden, sind erhalten und werden, sehr verändert und überhöht, symbolhaft in den Freimaurerlogen angewendet. Weitere Fragen bezogen sich auf die Bedeutung etwa von Maßstab und Zirkel. Konnte ein Mann ein Ehrenzeichen vorweisen, so war dies der Beweis dafür, dass er sein Handwerk, d. h. seine Kunst, ordnungsgemäß gelernt hatte. Weit über 10.000 solcher Steinmetzzeichen sind überliefert, in Mauern eingeritzt. Meist sind es in Winkeln zusammengesetzte Striche, die abstrakte Gebilde ergeben. In der Bauhütte hatte sich der Werkmaurer nach festgelegten Normen zu verhalten. Geregelt war sein Gruß, sein Reden, sein Herantreten an den Meister. Das Zentrum der Bauhütte war die Bruderlade, in der das Bruderschaftsbuch und die Gesellenordnung aufbewahrt wurden. Auf der Lade standen Wachslichter in Leuchtern. Wurde die Bruderlade geöffnet, so war die Zusammenkunft in eine sozusagen „offizielle“ verwandelt, in der keinerlei Ungehörigkeiten geduldet wurden. Erkennungszeichen, Griffe, der Arbeitsschurz und die Bekleidung, das Wissen um die Bedeutung von Winkelmaß und Zirkel, die früh schon ein Handeln nach Recht und Pflicht symbolisierten und die zu Bruder- und Men-

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schenliebe aufforderten – das diente dem Zusammenhalt der Bruderschaft. Sie hatte eigene Heilige – in Deutschland die „Vier Gekrönten“: Steinmetze, die unter Diokletian den Märtyrertod erlitten hatten. In England waren der hl. Johannes der Täufer und der hl. Johannes Evangelist die Patrone. Nur noch wenige Bauhütten bestehen zu Beginn der Neuzeit in Europa. In England vollzieht sich jedoch etwas Einmaliges: Die Logen der Werkmaurer (der operativen Maurer) wandeln sich in Logen der spekulativen, der symbolischen Maurer, werden Freimaurerlogen. Der Vorgang ist in seinen Einzelheiten nicht ganz nachvollziehbar: Bemerkenswert ist die Aufnahme von Nicht-Steinmetzen, von „Außenstehenden“, in die Logen der Steinmetze. Rund um das Jahr 1600 war das nachweislich der Fall. Man weiß von einem Boswell of Auchinleck, der in eine Edinburger Loge aufgenommen wurde. Adelige, Mitglieder der Gentry, Geistliche, Gelehrte gesellten sich zu den „Free-Masons“, wie die Steinmetze in England hießen. Die Freimaurerei kam von den britischen Inseln – aus London, Schottland und Irland – nach Frankreich, Deutschland und Italien und vor allem nach Amerika. Über die Gründe, warum in einen Handwerker- und Künstlerverein – wenn man die Logen der Freemasons so bezeichnen darf – „Baufremde“ zugelassen wurden, kann man nur Vermutungen anstellen. Die überzeugendste dürfte die folgende sein: Seit Beginn der Neuzeit entstehen in ganz Europa Sozietäten, in denen sich Gelehrte, Literaten, Geistliche vereinen, die außerhalb von Universitäten und Kirchen, oft anknüpfend an antike Schriftsteller und Philosophen, eine Erneuerung, eine Reformation sowohl des Glaubens als auch der Gesellschaftsordnung anstreben. Der von ihnen inaugurierte Humanismus war zunächst ein philologischer. Galilei, Kopernikus, Kepler, die Entde-

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ckung des Kolumbus, der Buchdruck veränderten die Ansicht von der Welt: Sie veränderten das Weltbild. Nach der religiösen Reform eines Luthers, Calvins, Zwinglis entstanden – vor allem aufgrund der Arbeit einzelner Gelehrter wie gelehrter Sozietäten – die modernen Naturwissenschaften, wie Astronomie, Physik, Trigonometrie, Wissensgebiete, die einen Steinmetz sehr wohl interessieren konnten. Es ist bezeichnend, dass ein bedeutender Physiker (Optiker), Mitglied der Royal Society, Theophil Desaguliers, in der ersten Großloge der Welt eine richtungweisende Rolle einnahm. Freemason-Lodges gab es, aus dem Mittelalter heraufreichend, noch im 17. Jahrhundert als reine Steinmetzlogen. Seit 1600 aber erscheint ihre Tradition, so ehrwürdig und zugleich pittoresk sie sein mochte, geeignet, Männer anderer Stände und Berufe zu faszinieren. Was immer die Motive waren, aufgenommen bzw. zugelassen zu werden, das Ergebnis war zukunftsträchtig: Riten, die sich ursprünglich auf den Lebenslauf des Handwerk-Künstlers Steinmetz bezogen, passten für den Lebenslauf des Mannes überhaupt – verstand man sie symbolisch. Die drei Grade hatten eine egalisierende Wirkung auf Männer, die der feudalen Gesellschaftsordnung entstammten; zugleich aber bargen sie mannigfache Tendenzen. In England, Schottland, Irland waren sie wohl ein mehr konservatives Element. Da sie aber auch fortgesetzt werden konnten (über die drei Grade hinaus zu „Hochgraden“), waren sie vielfach ausdeutbar und wurden gedeutet. Tendenzen der Tradition, einer Reformation, ja Rebellion oder Revolution, sowohl des Einzelnen wie der Gesellschaft, waren in solchen „Graden“ mit angelegt. Wirksam wurden Toleranz, dogmenfreies Denken, wirksam das Ziel: Brüderlichkeit. Und das gelang auf die Dauer durch feste Organisationsformen.

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Freimaurerische Organisationsformen Die Loge besteht aus mindestens sieben Meisterbrüdern, die Anzahl ihrer Mitglieder kann jedoch auch 200 bis 300 Brüder und mehr umfassen. Drei oder vier Logen (mindestens) können eine Großloge bilden. Sie ist regelrecht, regulär, wenn sie sich den Grundsätzen verpflichtet, die auch die Konstitution der Großloge von England (United Grand Lodge of England) bestimmen. Sie nimmt nur Männer auf, sie verleiht drei Grade, sie anerkennt ein „supreme being“ im Symbol des Großen Baumeisters aller Welten. In ihren Logen liegt die Bibel auf, als Buch geheiligter Tradition. Solche reguläre Großlogen werden von der englischen Großloge anerkannt; es besteht der Brauch, dass sie sich dann auch gegenseitig als regulär anerkennen; dieser Vorgang hat zur Bildung der freimaurerischen Weltkette geführt. Jede Großloge ist jedoch autonom, keiner anderen unterstellt. Eine zentral gelenkte „Weltfreimaurerei“ gibt es nicht. Unter regulären und anerkannten Freimaurern gibt es ein weltweites Besuchsrecht. Dieses Großlogensystem englischer Prägung verbindet alle Großlogen, die aus St.-Johannis-Logen (Blauen Logen) gebildet sind. Historisch entstanden sind daneben, sich aus den Blauen Logen entwickelnd, Vervollkommnungsgrade, wie zum Beispiel die 33 des Schottischen Ritus; die Vervollkommnungsgrade des York-Ritus (Amerikanischer Ritus) und andere mehr. Nicht alle Freimaurer zeigen Interesse an den Vervollkommnungsgraden, da nach übereinstimmender Meinung „die ganze Maurerei in den ersten drei Graden enthalten“ ist. Der Schottische Ritus ebenso wie der York-Ritus sind jeweils organisatorisch von den Blauen Logen und den Großlogen getrennt, stehen aber in engem geistigen und direkten Zu-

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sammenhang mit ihnen. Die fälschlich Hochgrade genannten Freimaurer-Lehrarten vertiefen und erweitern rituell die maurerischen Grundgedanken und kommen so dem esoterischen Bedürfnis vieler Brüder entgegen. Name und Begriff „Loge“ stammt aus der Tradition der Steinmetze. Die Erbauer der mittelalterlichen Dome schufen sich eine besondere Arbeitsordnung und verbanden damit eine ihnen eigene Lebensform; sie schufen zu diesem Zweck Rituale, die ihr Verhalten in der Bauhütte regelten. An solche Rituale knüpfen die Freimaurerlogen ihre Symbole und freimaurerischen Gebräuche. Die Freimaurerlogen entstanden in Großbritannien. Die Werkmaurer nahmen Nicht-Maurer in ihre Logen auf. So sind auch Gedanken und Ideen sozialer und geistiger Reformer in das Brauchtum der Freimaurer eingegangen. Die Grundgedanken der Maurerei sind Brüderlichkeit, Toleranz und karitatives Wirken. Als Basisgruppe der Freimaurerei verleiht die Blaue Loge, St.-Johannis-Loge genannt, drei Grade: den des Lehrlings, den des Gesellen, und den Meistergrad. Logen sind nur dann „regulär“ (regelrecht), wenn sie im Verband einer ebenfalls regulären Großloge arbeiten. Eine Großloge gilt als regulär, wenn sie von der Großloge von England (der Muttergroßloge) anerkannt wird. Diese ist die Wahrerin der Tradition, die in den „Alten Pflichten“ und den „Landmarken“ schriftlich niedergelegt ist. Die Großlogen in aller Welt bilden gemeinsam die Weltkette der Bruderschaft. Es gibt rund 40.000 Logen, weit über 100 Großlogen, die sich gegenseitig als „regulär“ anerkennen. Eine einzige, die sich vor einem Jahrhundert in Frankreich von der Weltkette abgespalten hat (der „Grand Orient“), wird als nichtregulär betrachtet.

Was tun die Freimaurer Geheimnisvolles?

Die Loge ist ein Männerbund, aber kein Herrenklub. Die Brüder Freimaurer betreiben in ihren Logen keine Partei- oder Staatspolitik, die Loge ist nicht dazu da, Geschäftsinteressen zu fördern – wozu ist sie da? Was soll ein Mann in ihr? Dass die Freimaurer keine Dome mehr bauen, hat sich herumgesprochen. Die Antwort auf die Frage ist zugleich leicht und schwer. Leicht: Sie beschäftigen sich sowohl mit der eigenen Person als auch mit der Gesellschaft als Ganzem. Denken und Tun, Lebenlernen und Auf-den-Tod-vorbereitet-Sein; der Bereich der Lebensgestaltung und der der Todeserwartung und -überwindung gehören mit zu ihrer „Arbeit“. Die „Große Erfahrung“ besteht darin, dass ein Mann sich ändern kann, aus individueller Vereinzelung ausbrechen und das Erlebnis der Brüderlichkeit und Freundschaft zu gewinnen vermag. Damit beginnt alle freimaurerische Arbeit. Schwer ist es jedoch mit Worten zu erklären, was den Kern dieses Erlebnisses ausmacht. Die Freimaurer sagen, ihr Geheimnis ist nicht zu erklären, man muss die Freimaurerei erleben. Sie kann auch nicht „verraten“ werden, weil ja nur über Äußerlichkeiten berichtet, über das innere Erlebnis jedoch nicht allen verständlich gesprochen werden kann. Offenbar handelt es sich auch um eine Sinngebung der Existenz. Goethe meint, nur der Tätige erfahre, was an ihm sei, wer er sei. In der Loge treffen Männer zusammen, die einander sonst in der bürgerlichen Gesellschaft nie begegnet

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wären. Das ist tatsächlich eine große Erfahrung – aber nur der Ansatz zu ihr. Das maurerische Erlebnis braucht Symbole und Rituale, die allesamt auf ein richtiges, gerechtes Leben hindeuten. In unserem Schul- und Bildungssystem wird uns Wissen, werden uns Fertigkeiten vermittelt. Die Ausbildung für unsere arbeitsteilige Wirtschaft, für viele Arten von Dienstleistungsberufen stellt ständige Ansprüche an unsere Lernfähigkeit. Man hat von einem lebenslangen Lernen gesprochen und fordert mit Recht ständige Berufsfortbildung. Fast alle Anstrengung dient daher dem Beruf, dem Geschäft, dem Dienst. Wenig Aufmerksamkeit wird demjenigen gewidmet, der dies alles zu vollbringen hat: dem Menschen selbst. Seiner Person, seiner sittlich-moralischen Anlage. In neuerer Zeit versuchen Selbstfindungs- und Verwirklichungsgruppen mit mehr oder weniger Erfolg, den einzelnen Menschen innerhalb einer Gemeinschaft zu stärken. Die Rituale der Maurer und ihre Symbole wirken schon seit Jahrhunderten auf Generationen von Männern. Und was das Erstaunliche ist: Die Loge stellt keine Gebote auf, fordert zu keiner Unterwerfung auf; das Ritual stärkt den Zusammenhalt der Brüder, die Symbole präsentieren sich; ihren Sinngehalt wird und kann jeder Maurer erfahren. Das Einzige, was in der Maurerei wirklich geheim ist, sind ihre Symbole und Erkennungszeichen. Freilich sind sie in zahlreichen Publikationen veröffentlicht, und man weiß, dass sie aus dem Steinmetzhandwerk stammen, in Verbindung mit einem Astral- und Lichtmythos stehen und auf uralte Baulegenden zurückgeführt werden können. In unserem informationsfreudigen Zeitalter wird alles dokumentiert, durch Schrift, Bild, Ton. Aber Information ist noch nicht Erlebnis. Symbole zu erleben und Rituale mitzuvoll-

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ziehen ist auch nicht jedermanns Sache. In der Loge wird nicht allein der Verstand, die ratio oder die Vernunft angesprochen, sondern auch das Gefühl, der Wille und die Vorstellungskraft.

Symbole Ein Symbol ist ein Objekt in seiner höchsten Bedeutung. Nicht jeder Gegenstand kann diese höchste Bedeutung anzeigen. Ein Beispiel soll erklären, was unter einem Symbol „verstanden“ werden kann (wobei Verstehen eines Symbols nur ein Teil seiner Wirkung ist, es kommt auf das Gesamterlebnis an): Die Form eines Dreiecks kann als geometrische Figur gezeichnet werden. Ein Dreieck aus Holz oder Plastik kann ein Zeichengerät, ein Werkzeug oder ein Instrument sein; aus Blech wird es, an einer Straße angebracht, zu einer Warntafel für Kraftfahrer; der Giebel eines klassischen Portals kann, als architektonischer Teil, dreieckig gestaltet werden; die gleiche Dreiecksform deutet im kirchlichen, im christlichen Raum auf den dreieinigen Gott, das Dreieck ist sein Symbol: „ein Objekt in seiner höchsten Bedeutung.“ Die maurerischen Symbole sind nicht numinos; sie sind keine geheiligten Symbole im religiösen, dogmatischen Sinn; mit Ausnahme des Großen Baumeisters aller Welten, dem Symbol für das Unerforschliche – für Gott. Die Bibel liegt in den Logen auf, als ein Symbol geheiligter Tradition; ebenso kann der Koran oder ein anderes Buch einer Religionsgemeinschaft ihre Stelle einnehmen. Alle anderen maurerischen Symbole sind innerweltlich, unserer Welt immanent.

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Rituale Feiern und Feste, die wir alle kennen, weisen oft (mehr oder weniger ausgebildete) Rituale auf: Das Militär kennt solche, die Politik; Staatsempfänge und Sportveranstaltungen haben Rituale, Siegerehrungen, Diplomverleihungen, selbst Pensionierungen und Verabschiedungen kennen, wenn auch oft nur rudimentär, ritualisierte Formen. Vieles ist notwendig, um ein Ritual wirksam werden zu lassen. Ein bewegendes Erlebnis wird geschaffen. Wird „de rite“ (= nach dem Gebot, nach dem Gesetz) ausgeführt. Die Freimaurerrituale stammen aus dem SteinmetzBrauchtum und beziehen sich auch auf alte Mysterienbünde, als deren letzte Ausläufer man sie mitunter charakterisiert hat. Das Ritual kann feierlich, festlich stimmen, aber auch als Routine empfunden werden. Rituale müssen pedantisch, das heißt genau ausgeführt werden; man muss sich ihren Sinn vergegenwärtigen. Ebenso sind Symbole, an deren Bedeutung man nicht herangeführt wird, ohne Wirkung. Erkannte, erlebte Symbole aber, ebenso wie ernst genommene Rituale, haben, nach Meinung der Freimaurer, die Kraft, auf Dauer zu wirken. Innerhalb des Rituals, als Kernstück, wird in den europäischen Logen (nach einer Einführung des österreichischen Freimaurers Ignaz von Born, den man als Vorbild Sarastros bezeichnet) ein Vortrag gehalten. Einer der Brüder der Loge erörtert ein relevantes Thema: Es kann esoterisch sein oder exoterisch.

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Esoterik und Exoterik Unter Maurern wird auch zwischen Esoterik und Exoterik unterschieden; damit werden zwei divergierende Tendenzen umschrieben, die nur gemeinsam das Bild der Maurerei ergeben; der Maurer bemüht sich, die beiden in ein ausgewogenes Gleichgewicht zu bringen. Als esoterisch wird alles bezeichnet, was sich im Inneren, im Menschen (mit der Maurerei und überhaupt) vollzieht; esoterisch kann und soll die Erörterung und das Erlebnis des Rituals sein, als esoterisch sind Symbole zu betrachten, esoterisch ist dem Maurer das Erfahrbare an seelischen, geistigen, emotionalen Vorgängen; sein stets sich vertiefendes Wissen um Mensch und Welt, verbunden mit der Ahnung des Unerforschbaren. Aber schon die Willensbildung, die moralisch-sittlichen Verhaltensweisen, die sich der Maurer auferlegt, sind exoterisch in ihrer Auswirkung. Auch alle Aktivitäten, reale Handlungen, Aktionen, z. B. karitative Maßnahmen, Hilfeleistungen, Spenden, Opfer, das Eintreten für Menschenrechte, für eine angemessene Öffentlichkeitsarbeit; alles Verändern, Verbessern in Welt und Umwelt kann als exoterischer Bereich maurerischer Arbeit bezeichnet werden. Nach Goethe sind diese Tendenzen als „Denken und Tun“ zu bezeichnen. Jeder wird anders gewichten. Die so weit verbreitete Publizitätssucht empfindet der Maurer als „unmaurerisch“. Über die Wirksamkeit des Bundes „nach außen“ wird in den Logen aller Welt viel diskutiert, besonders junge Brüder neigen mehr zu einem Aktivismus, weil sie sich als Tätige besser erkennen lernen als durch introspektives Verhalten. Logen als solche treten nicht an die Öffentlichkeit, überlassen das, sofern diese es wollen, einzelnen Mitgliedern. (Die Interessen der Großloge werden „nach innen und nach

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außen“ vom gewählten Großmeister vertreten.) Der Maurer versucht Exoterik und Esoterik zu vereinen; was immer er anstrebt, er wird es unter einem ganzheitlichen Konzept tun – oder zu tun versuchen. Wer den Erörterungen über Freimaurerei bis hierher gefolgt ist, wird sich als Nicht-Maurer fragen – wenn dem so ist, wie hier geschildert, warum werden Freimaurer dann als verdächtig betrachtet? Müsste eine Gemeinschaft, die der Selbsterziehung des Mannes und der Erziehung überhaupt (die, der Gesellschaft) dient, nicht höchst willkommen sein? Müsste man nicht jederzeit Hoffnungen auf sie setzen? Oder – sind die realen Ergebnisse ihrer Arbeit unbefriedigend, weil offenbar „unsichtbar“? Warum diese Verschwiegenheit? Warum geben sie die Namen ihrer lebenden Mitglieder nicht bekannt? Warum bestehen sie überhaupt auf Geheimhaltung ihrer Arbeiten? Warum treten sie nicht an die Öffentlichkeit und erklären, wer sie sind, was sie tun?

Der Freimaurer und die Öffentlichkeit In vielen Ländern wird freimaurerische Öffentlichkeitsarbeit geleistet. In den meisten Ländern gibt es auch FreimaurerMuseen, Ausstellungen, Symposien. Die maurerische Geheimhaltung oder, wie sie es nennen, „Deckung“ wird nicht bei allen Obödienzen eingehalten, vorwiegend zwar in Europa, nicht aber in den USA, wo es 3,7 bis 4 Millionen Freimaurer gibt, geübt. Traditionelles Elitedenken und die über Jahrhunderte währenden Verdammungen durch die katholische Kirche mögen in Teilen Europas zusammengewirkt haben, eine solche Haltung zu favorisieren. Verschwiegenheit ist zudem in vielen Bereichen des Lebens geboten: Beamte, Notare, Rechtsanwälte, Ärzte, sie alle kennen eine durch ihren Beruf

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bedingte Verschwiegenheit. Jeder Betrieb hat seine Geschäftsund Betriebsgeheimnisse. Da nun die Freimaurerei auch eine ganz persönliche, jeden Maurer privat betreffende Angelegenheit ist, die ihm auch zum Anliegen wird, so empfindet es der jeweilige Maurer selbst natürlich als sein Recht, von sich zu sagen, dass er dem Bund angehört (ohne die Deckung zu verletzen); er wird dies aber von keinem anderen mitteilen. Die Arbeit der Maurer ist sowohl sichtbar wie unsichtbar. Sie haben sich zu allen Zeiten – wie auch heute – karitativen Aufgaben unterzogen. Von dem Satz „Tue Gutes und sprich recht viel davon“ halten die Brüder jedoch nur den ersten Teil für verpflichtend. Vielleicht kann die Frage nach den realen Ergebnissen maurerischer Arbeit mit einer Gegenfrage konfrontiert werden: Wer hat die Menschenrechte zuerst gefordert, als Gesetze formuliert? Wer hat versucht sie durchzusetzen? Wer hat zuerst gewagt, Humanität und Toleranz verbindlich zu machen? Als wünschenswerte Lebenshaltung? Freimaurer. Sie mögen im Verlauf der Geschichte – wie alle Menschen – geirrt, gefehlt, vom rechten Ziele abgekommen sein. Aber – die Freimaurerei ist und war, um mit Lessing zu sprechen, nichts Willkürliches, sondern ein Notwendiges. Und nach fast 300 Jahren ist sie das auch heute noch: notwendig. Besonders notwendig in der bürgerlichen Demokratie, die aufgrund ihres eigenen Systems dazu neigt, Partner als Feinde, als Gegner zu verkennen und die notwendige Konkurrenz der Parteien in unsachliche politische Kämpfe zu verkehren. Logen können den Missbrauch der Demokratie nicht verhindern, politisch nichts steuern. Logen können jedoch Männer heranbilden, die üble Politinstrumente (Klassen-, Rassen-, Fremdenhass und Egozentrik) verachten. Eine gebildete Öffentlichkeit hat es längst zur Kenntnis genommen: Freimaurer stellen für den Staat, die Kirche und

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Was tun die Freimaurer Geheimnisvolles?

die Parteien der Gegenwart keine Gefahr dar, sondern das Gegenteil. Die Geselligkeit der Freimaurer allein, ihr brüderlicher Umgang macht sie zu schätzenswerten Menschen. Erfüllen sie die moralisch-sittlichen Maßstäbe, die sie sich auferlegen, verbessern sie das allgemeine gesellschaftliche Klima. Bilden sie Persönlichkeiten gemäß ihrer Absicht, so dienen diese der Allgemeinheit besser, als man es im Durchschnitt gewohnt ist. Die Geschichte jeder Partei, jeder Institution kann im Hinblick auf ihre Skandale oder mit Blick auf ihre Ideale geschrieben werden. Beurteilen jedoch sollte man – ohne Eifer, Zorn und Vorurteil – die Realität. Und diese ist am Gang der Geschichte erkennbar. Diese überaus verzweigte Geschichte, die sich mit Lehrarten, Obödienzen, Gradsystemen, mit Tausenden von Persönlichkeiten beschäftigt, die sich nicht nur mit Logen- und Großlogendaten befasst, die große Teile der neuzeitlichen historischen Vorgänge mit berühren und darzustellen hätte, sie ist hier nicht zu berichten. Da muss auf die weiterführende Literatur verwiesen werden. Zwei Aspekte jedoch sollen bei einer skizzenhaften Darstellung der Maurerei in Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich hervorgehoben werden: Das, was die Maurerei dieser Länder jeweils zum Brauchtum der universellen Freimaurerei beigetragen, eventuell hinzugefügt, was sie verändert hat; und zweitens soll angedeutet werden, was als die hauptsächlichste Leistung des Bundes für das Land anzusehen ist, in dem er arbeitet. Das Geheimnis der Freimaurerei kann nicht erklärt werden, der einzelne muss die Freimaurerei erleben. Symbole und Rituale müssen in ihrer sinnlichen Bedeutung erkannt werden, um auf Dauer zu wirken. Humanität und Toleranz sollen die Lebenshaltung der Maurer bestimmen.

Das englische Großlogensystem

Aus einem Bund von Handwerkern wird ein MenschheitsBund. Die moderne Freimaurerei hat einen Geburtstag. Den 24. Juni 1717, den Johannistag. Vier Londoner Logen vereinigten sich an diesem Tag in einer Londoner Taverne zu einer Großloge, wählten einen Großmeister und gaben sich in der Folge eine gemeinsame Konstitution. Protokolle gab es erst fünf Jahre später, das Buch, das die gedruckte Konstitution enthält, erschien fünfzehn Jahre später. Herausgegeben wurde es von einem presbyterianischen Geistlichen, James Anderson, der sich bei der Abfassung dieser Freimaurer-Konstitution sowohl auf die alte Tradition als auch auf erhaltene Dokumente stützte. Die Alten Pflichten (die auch maurerische Rechte verzeichneten und die Landmarken (besonderes Brauchtum anführend) wurden hier erstmals veröffentlicht. Neben James Anderson spielte John Theophilus Desaguliers eine sicher intellektuell betonte Rolle. Er war ein aus Frankreich geflüchteter Hugenotte, ein Theologe, als Physiker im Bereich der Optik ein anerkannter Gelehrter (Mitglied der Royal Society). Desaguliers nahm an Logenarbeiten auch in Den Haag und in Paris teil. Der erste regierende Fürst, der „aufgenommen“ wurde, war Franz Stephan von Lothringen, später Kaiser Franz l. Bald wird auch der Prinz von Wales Freimaurer. Die neue Sozietät verbreitet sich schnell über Europa, sie wird Mo-

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de, erregt Aufsehen. Anfangs ziehen Londoner Freimaurer noch über die Straßen der Großstadt, um ihren Großmeister einzusetzen. Sehr bald ist ein Aristokrat, ein Herzog, Großmeister. Doch umgibt die Freimaurerei schon früh ein Geheimnis. Eine erste „Verräterschrift“ wurde von einem Samuel Prichard 1730 verfasst – heute noch ein Dokument über frühe freimaurerische Rituale in England. Die Gebräuche der alten Steinmetze waren höchstwahrscheinlich sehr wenig bekannt; die der Freimaurer wurden interessant. Da trafen sich Männer aller Stände, Angehörige der Gentry wie des Adels, Gelehrte und Geistliche. Ohne Rangunterschiede, ja sogar – was noch mehr erstaunte – Männer verschiedenster Konfessionen. Und sie redeten miteinander! Sie vertrugen sich! Allein das erregte Misstrauen. Wer waren diese Freimaurer, woher kamen sie? Englische Freimaurerhistoriker erklären heute die Herkunft so: In alten Bau-Urkunden steht: Sculptores Lapidum Liberorum. Sowohl diese lateinische Bezeichnung wie die französischnormannische: Mestre Mason de franche peer (peer = Stein) beziehen das Wort „frei“ auf den Stein. Das bedeutet, dass die Rede von Maurern (Werkmaurern, operativen Maurern, Steinmetzen) ist, die einen „frei“, d. h. leicht zu bearbeitenden Stein als Werkstoff verwenden, vermutlich Sand- oder Kalkstein. Andere Erklärungen besagen, das Wort „frei“ deute auf gewisse Privilegien hin oder zeige an, dass die Freimaurer keiner der ortsgebundenen Zünfte angehörten. Damit würde übereinstimmen, dass solche „freemasons“ verstreut im ganzen Lande lebten und zu wichtigen Großbauten in Massen zusammengezogen, gleichsam „rekrutiert“ wurden. Ein Befehl des Königs, der sie zum Erbauen des Schlosses „Windsor“ berief, ist erhalten. Die Tausenden Werkmaurer gaben sich „codes of orderly contact“ und bildeten Bauhüt-

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ten, also Logen, an der jeweiligen Arbeitsstätte. Aus leicht zu bearbeitendem Stein errichteten sie Großbritanniens Schlösser, Kathedralen und Kirchen. Solange solche Großbauten errichtet wurden, waren unter diesen Steinmetzen eben „freemasons“ zu verstehen. Im Jahr 1600 wird erstmals ein Nicht-Maurer in eine Steinmetzloge aufgenommen: Er ist ein „angenommener“ Maurer. Dieser Vorgang wird sich im 17. Jahrhundert wohl sehr oft wiederholt haben, denn in einer der vier Gründungslogen von 1717 (die die erste Großloge errichteten), in der Loge zum „Römer und der Weintraube“, waren die „angenommenen Meister“ bereits in der Überzahl gegenüber den „freemasons“. Ist dieser Vorgang bereits als ein Symptom für die wachsende Bedeutung des Bürgertums zu bewerten? Wohl kaum. Diese neue Sozietät kann als ein Ventil, als ein Vehikel betrachtet werden, das eine Art Ausgleich innerhalb der Gesellschaft anstrebte, dies offenbar aber nicht in der Öffentlichkeit zustande brachte. Freiheit und Gleichheit konnten zunächst nur im Verborgenen eingeübt und demonstriert werden. Außerdem drängte man nach Ansehen und Prestige, die Großmeister sollten dem Adel angehören. Und Desaguliers dürfte diesen Standpunkt erfolgreich vertreten haben: Er war es, der in Den Haag Franz Stephan von Lothringen, in London den Prinzen von Wales und in Paris einen Herzog dem Bund zuführte. Die erste Großloge erhielt Konkurrenz. Jene Logen in London, die an der Gründung der genannten vier nicht teilgenommen hatten, und eine Yorker Loge, die sich bald Großloge nannte, traten auf die maurerische Bühne: Nach verschiedenen Gründungen wurde eine von entscheidender Bedeutung, die Großloge der Antients (auch Ancients) oder

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Atholl-Großloge, deren Spiritus rector, Laurence Dermott, ein Schriftsteller und Organisator war. Diese Antients warfen der ersten, 1717 gegründeten Großloge vor, die wahre Tradition der Maurer nicht zu erfüllen, und nannten sie die Moderns. Sechs Jahrzehnte, bis zum Jahr 1818, gab es nun zwei Großlogen: die Moderns (gegründet 1717) und die Antients (gegründet 1751). Die Erstere betonte das aristokratische Element innerhalb ihres Mitgliederkreises, die zweite mehr das bürgerliche. Eine solche grobe Unterscheidung stimmt nur der Tendenz nach und entspricht nicht ganz der Realität. Aber es ist nicht wenig kennzeichnend, dass z. B. die hochangesehenen Flottenangehörigen bei den Moderns zu finden waren, Militärs jedoch bei den Antients, die auch mehr bürgerliche Freemasons zählten. Beide Großlogen hatten Mitglieder des Königshauses zu Großmeistern, zwei von ihnen brachten auch die Einigung zustande. Seit 1813 gibt es nur mehr eine, die United Grand Lodge of England, die sich seitdem als Mutter-Großloge behauptet.

Großlogen auch in Irland und in Schottland, in den USA … Auch in Irland und Schottland hatten sich Großlogen gebildet. Sie alle vergaben Patente zu Logengründungen auf dem Kontinent, Patente für Nordamerika, Kanada, für Übersee. Logen existierten bald in allen englischen Kolonien; Militärlogen, als sie erobert wurden; „zivile“ während ihrer Verwaltung. So waren in den amerikanischen Kolonien, in Neuengland, von den Männern, die für den Abfall von England eintraten, viele Maurer, zumeist Antients. Die Gründer der USA, die Männer, die die Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten, hatten in ihren Reihen eine große Anzahl

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von Maurern. Bekanntlich war ihr erster Präsident (wie die Mehrzahl aller folgenden) Maurer: George Washington. Die Loge, die ursprünglich das Aussehen eines Traditionsverbandes hat, erweist sich so als überaus aufnahmefähig für die Gedanken der Zeit: In ihrer demokratischen Verfassung selbst ist der Keim der aufklärerischen Ideen westlicher Prägung zu sehen. Die brüderliche Gleichheit der Mitglieder schafft den Freiraum für unabhängig denkende und unabhängig handelnde Personen. Das Brauchtum der Freimaurer hält die Brüder einer Loge in Harmonie zusammen – oder strebt diese soziale Harmonie an. Nicht nur in England und in Amerika, auch auf dem europäischen Kontinent ist die Loge Pflanzstätte, Ort und Raum der Demokratie geworden. Das ganze 18. Jahrhundert hindurch macht sich eine Elite von Männern Gedanken über Reformen. Viele dieser Reformideen entstehen in den Logen oder werden in ihnen diskutiert.

Ausbreitung des Großlogensystems Das Großlogensystem Englands, das sich so erfolgreich über den Globus ausbreitet, stützt sich wie bereits gesagt auf die Verleihung von drei Graden: auf die Grade des Lehrlings, des Gesellens, des Meisters. Die englischen Maurer betonen immer wieder, dass in diesen drei Graden die gesamte Maurerei eingeschlossen sei. Für England selbst ist die Freimaurerei einer der in Großbritannien immer wieder festzustellenden Ansätze, eine Art Ausgleich zwischen den Gesellschaftsklassen herzustellen. Es ist dieser dauernd anzustrebende Ausgleich sicher nicht allein durch die Freimaurerei erfolgt, sondern durch die weitere Ausbildung des Parteiensystems. Parteien versammeln jedoch Interessensgruppen, die einan-

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der in Schach halten. Die Idee der Freimaurer war es, in der Loge die Gegensätze der Männer zu überwinden. Englands dreistufiges Maurersystem entsprach dem Bedürfnis seiner Mitglieder nach Freiheit, Gleichheit, Emanzipation und ganz besonders nach dem Eingebundensein in altenglische Sitte und Tradition. Die Bibel, die in den Logen aufliegt, das Bekenntnis zum „supreme being“, zu Gott, seinem Symbol, dem Großen Baumeister, die Abstinenz in tagespolitischen Fragen – das alles sicherte diesen „Freiraum“ Loge. Die Loge versammelt – auch in der Fremde, etwa in den Kolonien, in Übersee – die englischen Männer gleichsam in einer Heimat. In den Militärlogen gleicht die Loge die Härte der Rangunterschiede aus, macht diese erträglicher. In Indien etwa eröffnete sie den Zugang auch dem indigenous, dem Einheimischen. Die zugleich symbolische und faktische, die gern angenommene Hierarchie bleibt im Grunde demokratisch. Englands Großmeister ist zwar Angehöriger des Königshauses, aber weder er noch der Monarch üben Einfluss aus. Die englischen Maurer treffen einander auf gleicher Ebene. Das englische Großlogensystem hat, nach innen und nach außen, die Tendenz zur sozialen Befriedung, verbunden mit der Würde der Tradition. Harmonisierung schwächt nicht die Tatkraft; sie trägt vielmehr zur Charakterbildung bei. Die Spannung zwischen Freiheit und Ordnung besteht zwar, sie lässt jedoch genug Spielraum für Selbsterziehung, ohne in Zucht auszuarten. Wie frei und wie unabhängig sich ein englischer Maurer fühlt, ist aus einer Antwort zu erkennen, die hier zitiert werden soll. Befragt, was denn ein Maurer in der Loge sei, antwortete der Mann bezeichnenderweise, er fühle sich „… als Person als ein individuelles Mitglied ... nicht als Teil einer Gruppe mit speziellen Ansichten und Zielen“. Dies mag für

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den Nicht-Maurer fast unverständlich sein, der Gruppenbildungen durch gleiche Absichten und Ziele entstehen sieht. Der Freimaurer jedoch sieht sich als individuelle Person auch innerhalb einer Gruppe. Seit dem 27. Dezember 1813 (dem Tag Johannes des Evangelisten) wuchs die Zahl der Mitglieder der nunmehr Vereinten Großloge ständig, ebenso die Anzahl der Logen. 1818 gab es in London 115 Logen, 431 im übrigen England, 46 in den Regimentern und der Flotte; 56 im Ausland, die der United Grand Lodge zugehörten. Das Logenregister verzeichnete 1818 insgesamt 648 Logen. Seit 1818 ist die Zahl der Logen auf das Fünffache gestiegen. 1967, als der Herzog von Kent als Großmeister eingesetzt wurde, umfasste die Vereinigte Großloge von England 7300 Logen. Im Jahr 1981 waren es 8115 Logen. Nirgendwo sonst entstand aus einem Bund der Handwerker ein Menschheitsbund. Nirgendwo sonst hat sich in so überzeugender Weise ein Männerbund derartige geistige, sittliche Werte und Inhalte gegeben, sich gleicherweise sowohl den Zeiten angepasst und ihnen dennoch entscheidende Anstöße vermittelt. Der internen brüderlichen Verhaltensweise entspricht die übernationale kosmopolitische Denk- und Handlungsart der Freimaurer. Die Englische Großloge sieht sich als Mutterloge aller regulären Freimaurer, und sie wird weltweit von den regulären Maurern als Mutterloge betrachtet und geachtet. In jeder Loge der Welt hat naturgemäß jeder einzelne Bruder Freimaurer seinen besonderen Charakter; betrachtet man alle Großlogen der Welt (in über 120 Staaten) als Mitglieder der einen Weltkette – so wird man auch jeder einzelnen Großloge eine ihr eigene Charakterisierung zubilligen.

Frankreichs Freimaurerei: Aufklärung, Revolution und Moderne

Englische Seeleute gründeten in Bordeaux eine Loge, irische Soldaten eines französischen Regiments eine in einem Wirtshaus in Saint-Germain-des-Prés (Paris) Das Londoner Logenverzeichnis nennt als Nr. 90 die Loge „Kings Head“ in Paris: 1732. Da ist schon ein Herzog d’Aumont mit dabei. 1735 reist der englische Großmeister Herzog von Richmond, mit ihm Desaguliers, nach Paris. Sie nehmen bei einer Logenarbeit auf: einen Staatssekretär namens Graf Saint Florentin; er wird von einem Baron de la Brede eingeführt, besser bekannt unter dem Namen Montesquieu. Dieser bedeutende Staats- und Rechtsphilosoph wird 13 Jahre später, 1748, sein Buch „Esprit des Lois“ herausgeben und damit die geistige Grundlage einer modernen Politik veröffentlichen. Die das Jahrhundert hindurch anhaltende Debatte über die Reform der Gesellschaft vollzieht sich in den Logen; vor allem in ihnen. Als die Freimaurerei nach Frankreich kam, war der absolute Herrscher Ludwig XV. ein Kind. Die gesellschaftlichen, sozialen, moralischen Missstände waren enorm. Die wenigen Logen, denen Adelige und Bürger angehörten, bildeten eine Art Fronde. Der Premierminister des Königs, Kardinal Fleury, handelte, wie Papst Clemens’ Bulle es vorschrieb. 1737 gab es daher ein Polizeiverbot für Logen. Thron und Altar verdammten die Freimaurer. Dennoch übernahm ein Jahr später ein Herzog von Antin das Amt des Großmeisters.

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Freimaurer zu sein, das wurde eine neue Art von Protest gegen unhaltbare Zustände in Staat, Gesellschaft, Kirche. Der geistige Inhalt der Freimaurerei selbst erweiterte sich. Ein schottischer Edelmann, Freimaurer, Freund des Bischof Fénélon, hielt 1737 seinen berühmten „Discours“, der bedeutende Folgen haben sollte: Andreas Michael Ramsay hatte eine Vision. Für ihn war „… die Welt eine große Republik, in der jede Nation eine Familie und jeder Einwohner eines ihrer Kinder ist“. Er wollte nichts weniger als alle Menschen von aufgeklärtem Geist und guten Sitten vereinigt sehen. Er sagte wörtlich: „Wir haben unter uns drei Arten von Brüdern: Novizen oder Lehrlinge, Gesellen oder Professoren, Meister oder Vollkommene. Den ersten erklärt man die sittlichen Tugenden, den zweiten die Tugenden der Heiden und den letzten die christlichen Tugenden, in der Art, dass unsere Einrichtung die ganze Philosophie der Gefühle und die ganze Theologie des Herzens in sich schließt ... Der Orden verlangt von uns eine rege Arbeit, die keine Akademie leisten kann.“ Ramsay war der Ansicht, ein zu schaffendes universelles Handbuch sollte alle freien Künste und Wissenschaften umfassen. „Man wird die Weisheit aller Nationen in einem einzigen Werk vereinigen, in einer Universalbibliothek alles dessen, was an Gutem, Großem, Leuchtendem und Nützlichem in Kunst und Wissenschaft existiert.“ Das war vielleicht eine Utopie. Zugleich war es der Grundgedanke für die – viel später realisierte Enzyklopädie, Ausdruck und Ergebnis der Aufklärung. Eine Utopie, die konkrete Formen annahm. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts gab es in Frankreich 200 Logen. Ramsays „Discours“ von 1737 enthielt aber auch andere Passagen: Um reine und sittliche Grundsätze der Maurerei auf Dauer bewahren zu können, wies er die Logen auf ein Hochgrad- und Rittersystem als Vorbild hin. In

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Frankreich war die Erinnerung an den Templerorden, seine Macht und Größe, seinen Sturz und seine Vernichtung immer lebendig geblieben. Nun wurden die Templer und ihr Großmeister Jacques de Molay zu Kultfiguren. Templer- bzw. Ritterbünde sprossen förmlich aus dem Boden (der Logen). Als Kehrseite zur Aufklärung, als Kontrapunkt zu rationalen Ideen zeigten manche Logen höchst mystische Neigungen und machten ihre Versammlungen zu „Sanktuarien okkulter Bestrebungen“ (Lennhof ). Geheime, hermetische Wissenschaften wurden gleichermaßen angeboten wie verheißen. Man nannte sich „Auserwählte von Lyon“, hatte „Kapitel von Arras“, „Clermont“, glaubte „Noachit“, „Philalet“, „Martinist“ zu sein. Aus der verwirrenden Fülle freimaurerähnlicher Vereinigungen traten dann – und das auf Dauer – zwei Gruppierungen in Frankreich hervor: die 1756 gegründete und später sich so nennende Grande Loge de France und seit 1773 der (ebenfalls später sich so bezeichnende) Grand Orient. In diesen beiden Logen setzte sich die demokratische Tendenz ganz durch. Ihre Amtsträger wurden gewählt und nicht mehr auf Lebenszeit ernannt. Freiheit und Gleichheit wurden zu ihren Hauptpfeilern – die „Ritterspielereien“ zunehmend in ihrem Unernst erkannt und abgetan. Nun fanden es die wahrhaft bedeutenden Persönlichkeiten an der Zeit, Logen beizutreten. Nach Montesquieu waren es der Philosoph Helvetius, der Astronom Lalande, der Mathematiker Concordet. Ihre Loge „Les Neufs Soeurs“ wird Mittelpunkt der Aufklärung. Benjamin Franklin, der Gesandte der 13 Vereinigten Staaten von Nordamerika, war ihr zweiter Meister vom Stuhl. Um nur einige Namen zu nennen: La Rochefoucauld, der nicht nur ein blendender Aphoristiker war, sondern auch die amerikanische Verfassung ins Französische übersetzte, war Mitglied dieser Eliteloge, in die

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Voltaire bei seiner Rückkehr nach Paris wenige Wochen vor seinem Tod aufgenommen wurde. Lafayette, der Held beider Welten; d’Alembert, der nun die Enzyklopädie mitverfasste und herausgab; die Maler Vernet und Greuze, der Bildhauer Houdon, der Dichter André Chénier, der Abbé Sieyes (Anwalt des dritten Standes und einer der Denker der Revolution) gehörten neben vielen anderen der Loge „Zu den neun Schwestern“ an. Bedenkt man, dass etwa ein Mirabeau, Beauharnais, Beaumarchais, Joseph de Maistre, ein Choiseul, Chamfort, Masséna, ein Talleyrand als Freimaurer arbeiteten, dann ist allein durch diese Tatsache gekennzeichnet, was so einflussreiche Männer an Gedanken, Vorstellungen und Ideen, was sie an politischen Erwartungen in die Logen einbrachten und dadurch die Maurerei, die Logen zu dem Hauptorgan aller geistigen wie sozialen Strömungen des 18. Jahrhunderts in Frankreich machten. Die Französische Revolution von 1789 war eine Revolution der Richter, des Landvolks und der Pariser Bevölkerung. In dieser noch progressiven Phase, in der eine Neuordnung Frankreichs ohne Gewalt durchaus in Sicht war, waren von 578 Deputierten zu den Generalständen 477 Initiierte, d. h. Maurer; 90 Deputierte des Adels ebenso wie eine nicht geringe Anzahl des Klerus waren Mitglieder von Logen. In diesen Logen waren die Prinzipien der Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit erprobt und nach amerikanischem Muster – die Menschenrechte erstmals in Europa gefordert worden. Die Katastrophe des „Terreurs“, durch die Jakobiner veranlasst, missbrauchte die idealen Postulate. 1792 wurden die Logen verboten. Der Großmeister endete, wie der König, auf dem Schafott. Im vorrevolutionären Frankreich, im Ancién Regime, hatte es (in beiden Obödienzen) etwa 70.000 Freimaurer

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gegeben. Die Revolutionstragödie dezimierte die Zahl durch Logenauflösung und durch Exekutionen. 1798 erneuerte und einigte Roëttiers die Freimaurerbünde. In der Napoleonischen Zeit wurden Napoleons Brüder und Verwandte ranghohe Freimaurer, z. B. Großmeister, sowohl in Frankreich als auch in anderen europäischen Ländern, in denen fast überall auch fallweise Militärlogen des Kaiserreichs arbeiteten. Sie verbreiteten Frankreichs Ruhm; aus westeuropäischer Sicht aber zugleich die Ideen der Menschenrechte. Nach der Verbannung Napoleons auf St. Helena, in der Zeit der Restauration, war die französische Freimaurerei gespalten; die imperiale Maurerei war untergegangen; Priester und Würdenträger des Staates verließen die Logen, deren Zahl schwand. Die bourbonische Polizei bespitzelte die Mitglieder, überwachte die Logen und löste sie auf. Freimaurer aus der Revolutionszeit, die man noch „Jakobiner“ nannte, und auch die Bonapartisten – sie alle begaben sich ins Exil oder hatten Verfolgungen zu erdulden. Um 1820 begannen ehemalige Mitglieder von Militärlogen des Kaiserreichs einander wieder bei Logenzusammenkünften zu treffen. Der „Ritus von Memphis“ und der „Ritus von Misraim“ sammelte Offiziere der Großen Armee. Jene Freimaurerei, die nun bald wieder, sozusagen offiziell, bestehen darf, weist jedoch zumeist royalistische Gefolgsleute auf, ist bourbonentreu und trägt, mehr oder minder deutlich, deistische Züge. Eine andere Maurerei, die es unter der Bourbonenherrschaft eigentlich gar nicht hätte geben dürfen, einigte Männer republikanischer und auch bonapartistischer Gesinnung. Es erscheint auf den ersten Blick so, als ob die Politik die Prinzipien der Maurerei umgestürzt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Noch während des Kaiserreichs (1804) war ein Rittmeister namens de Grassy-Tilly aus San Domingo nach Frankreich

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heimgekehrt. Der – wie er sich nannte – „Oberste Rat“ des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus von Charleston (USA), der dort 1801 ins Leben gerufen worden war, ermächtigte den Heimkehrer, in der Alten Welt dieses neue „Hochgradsystem“ einzuführen. Ein freimaurerisches System von Vervollkommnungsgraden, 33 an der Zahl. Der Rittmeister hatte Erfolg. Er vereinte schon früh sein System mit dem der Grand Lodge zur neuen Obödienz des Suprême Conseil – und hinfort standen einander nun diese zwei Hauptströmungen gegenüber: Grand Orient und Suprême Conseil. Aber: Rouge et Noir – die königliche Gewalt und die katholische Kirche – attackierten jedoch unbeirrt beide Gruppierungen. Hier kann die Geschichte der französischen Maurer nicht dargestellt werden. Eine Polarisierung zwischen denjenigen, die sich als Erben der Großen Revolution fühlen, und jenen, die die Revolution als verabscheuungswürdig betrachten, kann bis heute in der französischen Gesellschaft festgestellt werden, so auch bei ihren Maurern. So gab es Logen, die die Revolution von 1848 unterstützten, und Logen, die sich von Napoleon III. kontrollieren ließen, zumindest einen von ihm eingesetzten Großmeister akzeptierten, wie eben der Grand Orient. Der Suprême Conseil widersetzte sich. Aber nicht nur die Politik trennte die beiden Maurervereinigungen. Die Ideen des Liberalismus, des Positivismus, des Laizismus standen gegen traditionalistische Ideen bzw. Verhaltensweisen. Große Teile der Freimaurerei standen im antiklerikalen Lager. Jedoch keineswegs alle. Was trennte sie? Der Schöpfer des „Dictionnaire“, der Philosoph und Schriftsteller Emile Littré, Positivist, Barrikadenkämpfer, Republikaner, 1871 Abgeordneter zur Nationalversammlung, Senator auf Lebenszeit – er illustriert sehr gut das geistige Klima. Als er in die Academie Française gewählt wurde, war sein Gegner, der Erzbischof von Dupanloup, darüber so em-

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pört, dass er aus der Akademie austrat. Dieser demonstrative Protestschritt bewog hinwiederum Littré, sich in eine Loge aufnehmen zu lassen; es war die „La Clémente Amitié“. Einer damals noch gültigen Regel des Grand Orient zufolge wurde Littré bei seiner Aufnahme gefragt, ob er an die Existenz Gottes glaube. Littré antwortete: „Ein Weiser des Altertums, dem ein König die gleiche Frage stellte, dachte Tag für Tag nach und fühlte sich niemals in der Lage zu antworten. Ich bitte Sie, auch von mir weder Bejahung noch Verneinung zu verlangen. Keine Wissenschaft leugnet eine erste Ursache, denn nirgends trifft sie etwas, was gegen eine solche zeugt, noch eine solche beweist. Alles Wissen ist relativ. Immer wieder stößt man auf Wesenheiten und Urgesetze, deren tiefsten Grund wir nicht erkennen. Wer mit Entschiedenheit ausspricht, dass er weder gottgläubig noch Gottesleugner ist, beweist nur sein Unverständnis für das Problem des Werdens und Vergehens der Dinge.“ (1875) Zwei Jahre später, 1877, beseitigte der Grand Orient das Symbol des „Allmächtigen Baumeisters aller Welten“ (supreme being) unter Berufung auf die Notwendigkeit, das Prinzip der Gewissensfreiheit so klar wie möglich zum Ausdruck zu bringen. Im Grand Orient einigte man sich auf die Formel: „Die Freimaurerei hat zu Grundsätzen die unbedingte Gewissensfreiheit und die menschliche Solidarität. Sie schließt niemanden um seines Glaubens willen aus.“ Diese Formel hatte weitreichende Folgen. Die Vereinte Großloge von England und mit ihr alle regulären Großlogen erklärten, der Standpunkt des Grand Orient sei zwar kein Bekenntnis zum Atheismus, er beseitige jedoch die erste Landmarke und weiche vom traditionellen Prinzip ab. Die englische Großloge brach deshalb die Beziehungen zum Grand Orient ab und versagte ihm die Anerkennung.

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Dies war der Beginn eines nun mehr als hundertjährigen Schismas in der Weltkette. Alle regulären Großlogen betrachten den Grand Orient als irregulär. 1913 bildete sich eine dritte Großloge. Seither gibt es in Frankreich den Grand Orient, die größte Gruppierung, die Grand Loge de France, die zweitgrößte (regulär, aber von der englischen Großloge nicht anerkannt), die Grand Loge National Française, zwar die kleinste maurerische Gruppierung, die jedoch von der Weltkette anerkannt ist, weil sie die „Alten Pflichten“ und die „Landmarken“ einhält. Die VichyRegierung verbot alle Großlogen. Deren Vermögen wurde kassiert, das Eigentum versteigert. Viele Maurer, die Widerstand gegen Okkupation und Naziherrschaft leisteten, gehörten den Resistance-Bewegungen an. 1943 begannen französische Logen wieder zu arbeiten, und zwar in Nordafrika. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten alle drei Großlogen wieder in ihre Rechte ein, setzten ihre Arbeit fort. Die französischen Maurer vertiefen und erweitern das Brauchtum; in ihren Logen wurden die Ideen und Gedanken von Aufklärung, Demokratie und westlich geprägtem Liberalismus – den fortschrittlichsten Ideen des 18. und 19. Jahrhunderts sowie des 20. Jahrhunderts – mitgetragen. Teile der Freimaurerei engagieren sich in der Politik und gestalten während der großen Revolution zur Zeit des Empire, der Restauration und in den Jahrzehnten der aufeinanderfolgenden Republiken die Gesellschaft entscheidend mit. Diesen mehr exoterisch Agierenden steht auch in Frankreich eine große Zahl von Maurern gegenüber, die in der regulären Maurerei im Schottischen Ritus und seinen 33 Vervollkommnungsgraden ein höchst geschlossenes System maurerischen Brauchtums pflegen, Politik in den Logen ablehnen, der Esoterik den Vorzug geben.

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Abb. 1: Innenansicht einer Wiener Freimaurerloge um 1785

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Abb. 2: Thomas Rowlandson, Freimaurerloge, Great Queen Street, London, 1. Oktober 1808

Abb. 3: Nach Thomas Rowlandson (?), Versammlung in der Freimaurerloge Great Queen Street, London, 1800–1820

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Abb. 4: Karte mit Freimaurersymbolen um 1876, herausgegeben von Currier & Ives, New York

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Abb. 5: Freimaurerschurz mit Freundschaftstempel, 1701–1800

Abb. 6: Freimaurerschurz der Prince Hall Grand Lodge of Massachusetts, spätes 18. Jahrhundert

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Abb. 7: Franz Anton Zauner, Genius Bornii, um 1785, Gipsstatuette, Entwurf eines Denkmals für den Forscher und Freimaurer Ignaz von Born

Abb. 8: Freimaurerabzeichen (Beamtenabzeichen), Schlüssel für den Schatzmeister oder den Schaffer, 1701–1800

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Abb. 9: Freimaurerabzeichen (Beamtenabzeichen), Schlüssel für den Schatzmeister oder den Schaffer, 1701–1800

Abb. 10: Freimaurerabzeichen (Beamtenabzeichen), Feder für den Sekretär, 1701–1800

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Abb. 11: Freimaurerabzeichen (Bijou), Hexagramm „Royal Arch“, 1784

Abb. 12: Pendant mit freimaurerischen Symbolen 1758, aus South Staffordshire, Großbritannien (?)

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Abb. 13: Freimaurerabzeichen 1826, Bridgeport, Connecticut, USA

Abb. 14: Wolfgang Amadeus Mozart 1756–1791; Musiker und Komponist

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Abb. 15: Johann Wolfgang von Goethe 1749–1832; Dichter und Naturforscher

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Abb. 16: Gotthold Ephraim Lessing 1729–1781; Kritiker, Dichter, Philosoph

Abb. 17: Franz Stephan von Lothringen 1708–1756; Gatte Maria Theresias, römischer Kaiser Franz I.

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Abb. 18: Friedrich II. von Preußen 1740–1780; König von Preußen

Abb. 19: George Washington 1732–1799; 1. Präsident der USA

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Abb. 20: Henri Dunant 1828–1910; Gründer des Roten Kreuzes, Friedensnobelpreisträger

Abb. 21: Giacomo Puccini 1858–1924; italienischer Komponist

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Abb. 22: Sir Alexander Fleming 1881–1955; Entdecker des Penicillin, Nobelpreisträger

Abb. 23: Annie Besant 1849–1933; britische Frauenrechtlerin, Theosophin und Freimaurerin

Die Freimaurerei in Deutschland: Ritter, Ordensbrüder, Humanisten

Die freie Reichsstadt Hamburg war 1737 die erste deutsche Stadt, in der eine Loge gegründet wurde: Die „Loge d’Hambourg“, die später „Absolom zu den drei Nesseln“ hieß und heute noch im Matrikelverzeichnis der Vereinigten Großlogen von Deutschland die Nummer eins hat. Schon zur Gründungszeit trat die „Loge d’Hambourg“ für Freiheiten ein, die in den sehr zahlreichen, absolut regierten Staaten des Heiligen römischen Reiches nicht gewährt wurden: für Gewissens- und Meinungsfreiheit, für das Recht der Versammlungsfreiheit. Der deutsche Partikularismus, ein Ergebnis leidvoller Geschichte, verhinderte die Ausbildung einer flächendeckend einheitlichen Maurerei. In Preußen nahm sich Friedrich II. der Maurerei an; er hatte schon als Kronprinz in Rheinsberg 1738 Loge gehalten und tat das auch als König in Berlin. Bald gab es Logen in Breslau (von wo aus auch eine in Wien gegründet wurde), in Frankfurt am Main. Aber – nicht eine Großloge setzte sich durch, nicht eine Lehrart. Ersten großen Erfolg hatte nicht das englische Großlogensystem, erfolgreich waren auch hier Ritterbünde, wie die „Strikte Observanz“ oder das „Klerikat“. Ähnlich wie in Frankreich faszinierten eben alte Legenden, sollte auch hier die „Templerritterschaft“ quasi erneuert werden. Es ist kaum zu entscheiden, ob die Aristokratie in einem solchen Orden,

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Die Freimaurerei in Deutschland

der Provinzen kannte, Heermeister, Priore, Subpriore hatte, die Ordenstracht trugen (einen weißen Mantel mit rotem Kreuz, Harnisch und Helm), auch ein politisches Mittel sah und nicht nur ein gehobenes Freizeitvergnügen. Bürgerliche allerdings konnten hier eine Ritterwürde erlangen; man zog Steuern ein und hatte die Absicht, Pensionskassen zu gründen. Diese Männer waren, wie Lennhoff meint, gute Leute, aber schlechte Versicherungsmathematiker. Es konnte nicht ausbleiben, dass Abenteurer die gutgesinnten Leute düpierten. Ein solches „System“ musste Betrüger und Geschäftemacher anlocken, Hochstapler, wie Rosa, Johnson, Gugomos. Sie alle gaben vor, die einzigen echten Eingeweihten zu sein, im Besitz von Urkunden und Dokumenten. Sie traten als Hüter uralter Überlieferungen auf. 1772 waren bei einem Konvent, bei dem der Herzog von Braunschweig zum „Magnus superior ordinis Germaniam inferiorem“ gewählt wurde, 26 (!) deutsche Fürsten anwesend. Die Mitglieder schwuren strikten Gehorsam, daher der Name dieses Bundes. Mit Freimaurerei im englischen Sinn hatte dies nun nichts mehr zu tun; die Idee war ins Gegenteil verkehrt. Die „Ritter-Spielerei“ ging an der inneren Dürftigkeit zugrunde, an ihrer geistigen Inhaltslosigkeit. Goethe (Mitglied der Loge „Amalia“ seit 1780) nannte die „Strikte Observanz“ eine Maskerade, Herder nannte sie – ein Nichts. Goethe zeigte gemeinsam mit dem Hamburger Ludwig Schröder – wie später Hufeland – von 1808 an großes Interesse an einer wahren Freimaurerei, die von Maskerade gereinigt war. Für sie setzte er sich ein, nicht nur mit seinen Logengedichten und Logenreden. 1782, beim Wilhelmsbader Konvent, löste sich die „Strikte Observanz“ auf. Wie das mehr religiös getönte „Klerikat“ war auch diese Form von Ritterorden überholt. Nun sind es

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Gedanken der bürgerlichen Emanzipation, die fortan überzeugen, die den Ritter im Harnisch lächerlich machen und in die Ahnengalerie verweisen. Leider vererbte die „Strikte Observanz“ bei ihrem „Tod“, ihrer endlichen Auflösung, der späteren Maurerei in Deutschland eine kaum je mehr richtigzustellende, höchst odiose Aura: eine Fama, die dem Bund nun anhaftete! Jene unwürdige und unsinnige Vorstellung, er habe (wie es sich die „Strikte Observanz“ ausgedacht hatte) Geheime Obere. Zudem hielt sich die Ansicht, er sei von ritterlicher Herkunft. Aber: Da die Wahrheit einfach ist, muss auch das Symbol einfach sein. Schon für den klar denkenden, scharf analysierenden Lessing war die „Strikte Observanz“ nichts als Träumerei; waren die Männer der „Strikten Observanz“ weltfremde Idealisten, die des „Klerikats“ (das ein gewisser Johannes Starck erfand) Missionare, die aus Protestanten Katholiken machen wollten. Jedenfalls faszinierten solche mehr oder weniger geheimen Männerbünde im 18. Jahrhundert eben auch die Deutschen. Die neue, ernsthafte Entwicklung führte dazu, dass bis 1933 folgende freimaurerische Großlogen entstanden, die jede ihr eigenes Profil entwickelten: 1.

Die Großloge „Zu den 3 Weltkugeln“ (gegr. 1744/1772) in Berlin 2. Die Große Loge von Preußen – „Zur Freundschaft“ (gegr. 1798) (– aus ihr ging die Großloge Kaiser Friedrich zur Bundestreue hervor) 3. Die Große Landesloge von Deutschland (Freimaurerorden) (gegr. 1770) 4. Die Großloge von Hamburg (gegr. 1811) 5. Die Großloge des Königreichs Hannover (später Der

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6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

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Großorient von Westphalen) Die Große Mutterloge des Eklektischen Freimaurerbundes Frankfurt Die Große Freimaurerloge „Zur Eintracht“ in Darmstadt Die Große Landesloge von Sachsen (gegr. 1811) Die Großloge „Zur Sonne Bayreuth“ (gegr. 1811) Die Mutterloge „Die Wachsende zu den drei Schlüsseln“ in Regensburg Die Große Deutsche Bruderkette, Leipzig (gegr. 1924) (später Christlicher Orden Deutscher Dom) Der Freimaurerbund „Zur aufgehenden Sonne“ Die Symbolische Großloge von Deutschland (gegr. 1931)

Mit diesen Namen sind die wichtigsten Freimaurervereinigungen aufgezählt, die vom 18. Jahrhundert bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts in Deutschland anzutreffen waren.

Deutscher Partikularismus Deutscher Partikularismus spiegelt sich auch in seinem Logenwesen. Die verschiedensten Lehrarten werden entwickelt. Die Rituale gehen zu Zeiten konform mit denen der Großloge von England, dann wieder wird entweder christliches oder humanitäres Gedankengut stärker betont; das wechselt von Zeit zu Zeit, von Ort zu Ort; dennoch gewinnen die Großlogen ihr eigenes Profil. Die drei preußischen Großlogen könnten auch als betont national charakterisiert werden; die süd- bzw. westdeutschen Logen als humanistisch-humanitäre; in Norddeutschland, wo der Freimaurer-

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orden mehr verbreitet war, ist der christlich-protestantische Aspekt unverkennbar. Einigungsbestrebungen hatten noch wenig Erfolg. Das deutsche Bürgertum hatte im 19. Jahrhundert keine eigene Revolution erfolgreich durchgeführt, hat nicht, wie Italiens und Frankreichs Bürgertum, seine Emanzipation auch dazu benutzt, die Staatsform entscheidend mitund umzugestalten. Der Logen-Demokratie entsprach im Kaiserreich kein bürgerlich-demokratischer Staat im westlichen Sinn. Die deutschen Logen waren auch kaum politisch wirksam. War ihre Wirksamkeit nach außen gering, so entwickelten sie ein überaus reiches Innenleben und trugen so zu einer humanen Kultivierung der Männergesellschaft entscheidend bei. Der Umstand, dass sich die deutschen Klassiker wie Goethe, Herder, Fichte, dass sich ein Friedrich Schlegel, Hufeland, aber auch Weißhaupt und Knigge (die den „llluminatenbund“ organisierten) mit den Ideen und dem Brauchtum der Logen auseinandersetzten, beides grundsätzlich vertieften – das hat vielleicht für die zahlreichen Logen und Großlogen keine unmittelbare Auswirkung gehabt; aber allein die Neugestaltung bzw. die Rückführung von Ritualen auf ihren wesentlichen Inhalt, wie es Ludwig Schröder bewerkstelligte, das hatte und hat mithilfe Hufelands und Goethes immer noch Langzeitwirkung. Große deutsche Autoren wie Goethe oder Thomas Mann empfanden das Wesen der Freimaurerei für so bedeutend, dass ihre Werke maurerische Gedanken und Themen, maurerische Verhaltensweisen darstellen. Der esoterischen Seite der Maurerei wird in deutschen Logen große Aufmerksamkeit gewidmet. Toleranz und Humanität werden im politisch zerklüfteten, religiös geteilten Deutschland zu notwendigen und daher wichtigen Idealen und Postulaten. Lessing verdankt man die unangreifbare

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Definition wahrer, inhaltlicher Toleranz, die er scharf gegen eine bloß formale Duldung abgrenzt. Toleranz ist ihm nicht Indifferentismus oder Gleichgültigkeit, sondern echtes Verstehen des anderen. Herder hat den wahren Begriff der Humanität, ihr Wesen erläutert und sie damit turmhoch über bloßes Humanitätsgefasel erhoben. Die englischen Alten Pflichten werden vertieft, vergeistigt, philosophisch begründet. Die klassisch-humanistische Variante ist einer der Beiträge zur Freimaurerei, den die Deutschen leisten. Wie alle Freimaurer ergänzen auch sie ihre Tätigkeit durch intensive Bemühungen auf karitativem und pädagogischem Gebiet. Zwei Problemkreise beschäftigten die humanitäre und die christliche Freimaurerei in Deutschland: Hochgrade oder nur Johannisgrade? Und die immer zentraler werdende Judenfrage (in der auch manche Logen versagten). Die Gegner der Freimaurer standen auch in Deutschland im klerikalen und weniger nationalen als nationalistischen Lager. Der Weltkriegsgeneral Ludendorff sah in ihnen „künstliche Juden“, wie überhaupt Antisemiten auch freimaurerfeindlich waren (und sind). Die Grundsätze westlicher Demokratien, die der Aufklärung und des Liberalismus, waren vielen Deutschen – die historisch gesehen so spät und nur mit Gewalt ihre nationale Einigung im 19. Jahrhundert erreicht hatten, die nun während des Dritten Reichs mittels einer Diktatur Europas Unterwerfung durch Krieg und Völkermord erzwungen hatten – verächtlich und wertlos. Was sollten ihnen Humanität und Toleranz! Der österreichische Dichter Franz Grillparzer (kein Freimaurer) hatte noch im 19. Jahrhundert prognostiziert: Der Weg führt von der Humanität zur Nationalität, endlich zur Bestialität. Die Frage, warum humanes, humanistisches Verhalten, wie es in den Logen eingeübt worden ist, keine wirkliche Breitenwirkung hatte, ist von wahrhaft europäischer

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Bedeutung. Nationalsozialistischer Staatsterror hatte (ebenso wie der Staatssozialismus bzw. -kommunismus für Toleranz, Humanität, für Menschenrechte, d. h. für die Würde des Nächsten, keinen Platz, keinen Ort. Alle deutschsprachigen Staaten kannten zwar humanistische Schulen, Gymnasien und Universitäten, diese hatten jedoch zu Beginn des Jahrhunderts, um 1900, ihre menschenbildende Kraft von einst immer mehr verloren. Humanismus war offenbar wieder zu einer nur philologischen Existenz zurückgekehrt, zu einer, von der er zu Beginn der Neuzeit ausgegangen war. Menschenmassen, mit denen es nun die modernen Parteien und Staaten zu tun haben, waren mit Parteiprogrammen, vor allem jedoch mit Ideologien und Propaganda leichter zu lenken als mit dem Appell an die Vernunft. Humanität und Toleranz wurden gern als leere Worthülsen missdeutet und wie die so mühsam erworbenen Menschenrechte als antinational, westlich liberal verachtet. Sehr viele waren bereit, der nationalen Größe Deutschlands jedes Opfer zu bringen. Die Nationalsozialisten verstanden es, zum Teil sogar die Geschichte, etwa die Größe Preußens, in ihr Propagandakalkül einzubeziehen. Da wurde es für die 80.000 Freimaurer, vor allem für jene, die altpreußischen Logen angehörten, immer schwerer, sich gegen die Diktatur des Dritten Reichs zur Wehr zu setzen. Zahlenmäßig waren sie überdies eine verschwindende Minorität. 80.000 von fast 80 Millionen Menschen! Mit den Juden wurden die Freimaurer zum offiziellen Feindbild gestempelt, mit ihnen gingen viele in die KZ und in die Gaskammern. Von 1934 an kam es zu sogenannten legalen Auflösungen, dann zum Verbot. Die westliche Freimaurerei war Ziel der Nazi-Kriegspropaganda. Nach 1945 jedoch gab es, bis heute, kaum eine Partei oder Gruppierung, die sich selbst nicht als tolerant und human

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bezeichnete. Die Ideale der Freimaurer sind verbal in aller Munde, selbst in dem ihrer Gegner. Zur deutschen Maurergeschichte noch eine Bemerkung: Auf deutschem Boden gibt es keine nachweisbare direkte Verbindung von den Bauhütten der Werkmaurer zu den Freimaurerlogen. Es haben sich jedoch rund zwei Dutzend Bauhüttenordnungen erhalten, die von der Organisation und dem Brauchtum der Kathedralen- und Dom-Erbauer Zeugnis ablegen. Die Ritterbünde gingen zugrunde, die Freimaurerei selbst „verinnerlichte“ weitgehend auf deutschem Boden; weniger freundlich gesagt: Die Bürger in den Logen, sehr lange nicht fähig oder willens zur politischen Aktion, münzten ihre Ohnmacht in ein besonderes sittliches Pathos um, wie Kosseleck meint. Man kann es aber auch so sehen: Nicht die Revolution fand in den Logen statt, sondern die Evolution. Eine Art bürgerliche Emanzipation fand, gleichsam versuchsweise in der Retorte, zuerst in den Logen statt, man ersetzte die bürgerlich-politische Umwälzung durch die moralische Umkehr. Lessings Utopie vermochte nicht konkret zu werden. Er hatte gemeint, die „wahren Taten der Freimaurer zielen dahin, um größtenteils alles, was man gemeiniglich gute Taten zu nennen pflegt, entbehrlich zu machen“. Die gerechte „Weltreform“ können die Maurer nicht herbeiführen, wohl aber Rahmenbedingungen für eine nicht geringe Zahl von Männern schaffen. Ihre Rahmenbedingungen sind Wege zur Humanität.

Brutalität gegen Humanität Gegen Ludendorffs und seiner Frau Mathilde Attacken und Verleumdungen, die nur Unkenntnis, Urteilslosigkeit, Anmaßung und vorgefasste Meinung bewiesen, als sie die

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Freimaurerei „durch Enthüllung ihrer Geheimnisse“ zu vernichten glaubten – gegen eine derartig paranoische Haltung konnten, zur Zeit der Weimarer Republik, neun Großmeister noch entschieden protestieren. Die Nationalsozialisten begnügten sich jedoch nicht mehr mit Verleumdungen, sie zwangen die Großlogen von 1933/34 an zur „Selbstauflösung“. Neben scheinbar legalen Verfahren gab es Plünderungen, Terror, es kam zu Deportationen, Folterungen und Mord. Die NS-Kriegspropaganda operierte mit der verleumderischen These, die (nicht existierende) „Weltfreimaurerei“ verschwöre sich mit Juden und Bolschewisten gegen das Dritte Reich. Pamphlete und Karikaturen verhöhnten Churchill und Roosevelt. Die Opfer deutscher Freimaurer gibt Jürgen Holtdorf mit folgenden Zahlen an: Ermittelt wurden (nur) in 91 Logen die persönlichen Opfer an Leib und Leben. Von den 4800 Freimaurern, auf die sich diese Nachkriegsermittlung bezog (das waren 6 % aller 80.000 Mitglieder vor 1933), sind 1750 eines natürlichen Todes gestorben, 62 wurden ermordet, 238 aus Deutschland vertrieben, 133 sind verschollen, 254 haben Vermögenschäden erlitten, 377 Beruf und Amt verloren, 285 wurden im Beruf geschädigt, 53 in Konzentrationslager verschleppt, 44 haben aktiven Widerstand geleistet. Die wirtschaftlichen Verluste wurden bei 151 Logen ermittelt (also ebenfalls bei nur einem Teil) und betrugen an Sachwerten und Vermögen 75 Millionen Reichsmark (heute etwa 102 Mio. Euro). Hatten sich die deutschen Freimaurer vor dem Dritten Reich in neun Großlogen – mehr oder minder lose – verbunden, so einten sich 1949 wiedererstandene Logen in der Paulskirche in Frankfurt am Main, um eine erste „Vereinigte Großloge“ zu bilden. Nach Ausarbeitung einer Magna Charta 1958 traten auch die „Große Landesloge von Deutschland“ und die „Große Nationale Mutterloge Zu den Drei Welt-

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kugeln“, letztere 1970, dieser „Vereinigten Großloge“ bei. Amerikanische, kanadische, englische Freimaurer in Deutschland hatten zwei Großlogen gebildet. Mit diesen gemeinsam gibt es nun fünf Großlogen, die sich als reguläre Maurer (quasi in einem Dachverband) zusammengeschlossen haben: eben in den „Vereinigten Großlogen von Deutschland“. Diese Bruderschaft der Freimaurer hat einen Großmeister, einen Senat und einen Konvent für alle fünf gemeinsam. Jede einzelne Großloge blieb in ihrer traditionellen Struktur unberührt, hat also jeweils ihre eigene Hierarchie behalten. Im Einzelnen sieht das so aus: 1.

Die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland besteht aus 223 Logen. 2. Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland aus 77 Logen (FO). 3. Die Große Nationale Mutterloge Zu den Drei Weltkugeln umfasst 24 Logen. 4. Die American-Canadian Grand Lodge A. F. & A. M. 43 Logen. 5. Die Grand Lodges of British Freemasons 14 Logen. Das war der Stand in den 1980er-Jahren. Nun entstehen im Deutschland östlich der Elbe seit 1990 wiederum Logen. Alte Traditionslogen stehen wie neue vor der stets gleichen Aufgabe, Humanität, Toleranz, dogmenfreie Selbsterziehung zu vermitteln, ja zu stiften. Der Beitrag der deutschen Freimaurerei, ihr humanistisches Erbe wird neuer Wellen nationaler Überheblichkeit, Fremdenhasses und kollektiver Gleichmacherei gewärtig sein müssen. Deutschlands Maurer können an eine wahrhaft große Epoche ihrer Geschichte anknüpfen, deren geistige Werte nicht auszuschöpfen sind. Es ist vorauszusehen, dass die engen Freundschaftsbande

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mit den westlichen Maurervereinigungen, den Großlogen in England, Frankreich, Spanien und Italien wie mit den wiedererstehenden Großlogen in Osteuropa die europäische Freimaurerei insgesamt stärken in ihrem Bemühen um Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden. In einem vereinten Europa werden die Grundsätze der Humanität unverzichtbar sein. Was deutsche Freimaurer unter Humanität verstehen, formulierte der Freimaurer Herder so: „Alle Fragen über den Fortgang unseres Geschlechtes beantwortet, wie mich dünkt, ein einziges Wort: Humanität, Menschlichkeit ... Humanität ist der Charakter unseres Geschlechtes; er ist uns aber nur in Anlagen angeboren und muß uns eigentlich angebildet werden. Wir bringen ihn nicht fertig auf die Welt mit; auf der Welt aber soll es das Ziel unseres Bestrebens, die Summe unserer Übungen, unser Wert sein; denn eine Angelität im Menschen kennen wir nicht, und wenn der Dämon, der uns regiert, kein humaner Dämon ist, so werden wir die Plagegeister der Menschen. Das Göttliche in unserem Geschlecht ist also Bildung zur Humanität; alle großen und guten Menschen, Gesetzgeber, Erfinder, Philosophen, Dichter, Künstler, jeder edle Mensch in seinem Stande, bei der Erziehung seiner Kinder, bei der Beachtung seiner Pflichten durch sein Beispiel, Werk, Institut und Lehre hat dazu mitgeholfen. Humanität ... ist gleichsam die Kunst unseres Geschlechtes. Die Bildung zu ihr ist ein Werk, das unablässig fortgesetzt werden muß; oder wir sinken ... zur Rohheit, zur Brutalität zurück.“

Die Freimaurerei in Italien: Die Baumeister des Nationalstaates und die Kurie

Italien ist im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts ein geografischer Begriff. So werden Logen in Florenz und in Livorno, im Königreich Neapel, im Mailand der Österreicher, in der Republik Venedig, im Kirchenstaat des Papstes, in Rom gegründet. Ausländer gründen sie, die Rituale sind englisch oder französisch. In den italienischen Logen treffen einander Katholiken, Protestanten, Juden. Schon das allein war in den Augen der Kirche Häresie. Zudem waren die Mitglieder Aufklärer, Rationalisten, Deisten. Papst Clemens XII., schwach, krank, fast blind, unterschrieb 1738 eine von seinen Kardinälen vorbereitete Bulle: In Eminenti. Mit ihr verdammte er die Freimaurer, wie sein Vorgänger einst die Jansenisten verdammt hatte. Das kennzeichnet das Klima. In den italienischen Gebieten, den Staaten, die von Thron und Altar beherrscht waren – und das waren alle –, mussten die Freimaurer in den Untergrund gehen. Sie wurden exkommuniziert, verfolgt, eingekerkert und wenn nicht getötet, so lebenslang hinter Gittern verwahrt. Aufklärer, Rationalisten, ja Atheisten wie Deisten mussten sich verbergen, zurückziehen und verschwiegen sein. Es ging um Leib und Leben. Oder um die Karriere. Die Revolution in Frankreich musste von der Kurie als Anschlag auf Thron und Altar empfunden werden, unweigerlich brachte man Logen mit ihr in Verbindung. Napo-

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leons Heere „befreiten“, d. h. eroberten Italien. Der Papst musste ins Exil. Die Kirche hatte daher keine Sympathie für Logen, vor allem nicht für französische Militärlogen, die von napoleontreuen Männern geführt wurden. Diese Logen brachten zwar eine neue Nuance in die Beziehungen der „lateinischen Schwestern“ Italien und Frankreich; für die, welche des Throns verlustig gingen, und für ihre Anhänger war die neue Brüderlichkeit eher ein Schrecken und kein Anreiz. Nun trat aber etwas ein, was nicht mehr vergessen werden sollte: Im neuen Königreich Italien regierte der Stiefsohn Napoleons, Eugène Beauharnais, als Vizekönig, und er war zugleich Großmeister. Eine erste (allerdings unter französischer Ägide entstandene) Vereinigung Italiens fand unter Männern statt, die Freimaurer waren. Neapels König Joachim Murat fungierte ebenfalls als Großmeister. Als nach dem Ende des Empire, nach den Napoleonischen Kriegen, die feudalen Strukturen des alten Europa politisch wiederhergestellt werden sollten, der Papst wieder aus dem Exil heimgekehrt war, wandte sich die Kurie konsequent wieder gegen die Freimaurer. Das traf unmittelbar die italienischen Brüder, die 1814 bereits ihre Arbeit einstellen mussten. Viel wichtiger aber als die nun schwache, unbedeutende Freimaurerei wurden in den nächsten Jahrzehnten die Carbonari, die tatsächlich ein echter politischer Geheimbund waren. Die Päpste bannten auch sie und warfen sie mit den „Masonen“ in einen Topf. (Carbonari = Kohlenbrenner, haben auch nichts mit der Mafia Siziliens, der Camorra Süditaliens zu tun, sie waren eine politische, keine kriminelle Vereinigung.) Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts lebte die Freimaurerei wieder auf: Das Ziel der italienischen Brüder war Italiens Einheit und Wiedergeburt. Die meisten von ihnen traten,

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verbal und politisch, für das Risorgimento, die Wiedergeburt ihres Landes, ein. Die Österreicher hatten den Norden besetzt, Italiens Mitte gehörte dem Papst. Italiens Freimaurer sahen keinen Widerspruch zwischen ihrer Logenarbeit und ihrer politischen Tätigkeit. Die Ideen grenzüberschreitender Brüderlichkeit konnten sie im besetzten, in Kleinstaaten aufgeteilten Land durchaus auf die anzustrebende politische Einheit ausdehnen bzw. anwenden. Rationale und positivistische Denkhaltungen, die im Gegensatz zum fundamentalistisch-katholischen Kosmos des Glaubens und der „Unterwerfung“ unter die Kirche standen, waren nicht unbedingt antireligiös, sicher jedoch antiklerikal und antikurial. Solche Einstellungen in der italienischen Freimaurerei erschienen plausibel, ja längst bedingt und hervorgerufen durch die Verdammung vonseiten der Päpste, jener Päpste, die den alten Bann von Pontifikat zu Pontifikat erneuerten. So wurde Italiens Maurerei – bei allem Kosmopolitismus einer universalen Bruderschaft – auch national und in vielen Logen antikurikal. Von 1861 an entwickelten sich zum Teil aus der Turiner Loge „Ausonia“ der Grande Oriente von Turin; es arbeiteten die Madre Loggia Capitulare Dante Alighieri (Schottischer Ritus der „Dreiunddreißiger“). Es gab den Großorient von Neapel, den Großorient von Palermo, den der Freiheitsheld Giuseppe Garibaldi als Großmeister leitete. Für kurze Zeit wurde er dann Großmeister aller Großlogen. In den Kolonnen dieser Männerbünde stand die große Mehrheit der führenden Patrioten; sie wurden Vorbilder für die Brüder. Mit dem Erlangen der staatlichen Einigung (im Kampf gegen Österreich und den Kirchenstaat) entstand das von Savoyen regierte Königreich Italien; ungefähr gleichzeitig bahnte sich eine maurerische Einheit an. Schon 1869 trafen 150 Logen bei einem Kongress in Florenz zusammen, in Rom etablierte sich bald darauf ein vereinig-

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ter Grande Oriente mit Giuseppe Mazzoni als Großmeister. Feldzüge, Volksabstimmungen, militärische und politische Aktionen waren es, die zu Italiens Einheit geführt hatten. Das Risorgimento war durch die Kooperation radikaler, revolutionärer, liberaler und monarchistischer Kräfte zustande gekommen. Es hatten sich ja bereits moderne politische Parteien herausgebildet, die klar definierte Ziele verfolgten. Und in den Freimaurerlogen befanden sich nicht mehr nur unpolitische Männer, sondern auch viele Parteigänger der einen oder anderen Partei. Nicht mehr die Aufklärer wie im 18. Jahrhundert bestimmten das Bild der Logen, sondern Männer, die sich den Ideen des 19. Jahrhunderts geöffnet hatten. Da der Nationalstaat Italien auf Kosten des Kirchenstaates entstand, da die Päpste auf die Vatikanstadt zurückgedrängt waren, in den Parteien des Nationalstaates (so wie bei seiner Gründung) viele Freimaurer mitwirkten, auch Positionen in der Regierung einnahmen, war die Feindschaft der Kirche gegen diesen Männerbund fester Bestandteil vatikanischer Politik. Dieser wiederum sah sich als eine Partei „über den Parteien“ an, welche Definition von ihren Gegnern anders gedeutet wurde: als Ausdruck einer „Superpartei“, die alle vereinnahmen wolle. Antiklerikale Maurer engagierten sich in der Kulturpolitik, in der Schulfrage, die zum Zankapfel wurde: Sollte religiöser Unterricht obligatorisch sein oder nicht? 1869 eröffnete Papst Pius IX. das (erste) Vatikanische Konzil. Die Hauptsorge der Kirche galt der Bekämpfung von Laizismus, Antiklerikalismus, insgesamt der Gefahr einer wachsenden Irreligiosität. Die Freimaurer Italiens betrachteten sich selbst nicht als areligiös, nicht als antikatholisch. Sie kritisierten in der klerikalen Partei jedoch jene Politiker, die sich der Religion be-

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dienten, um, wie Großmeister Nathan sagte, „Italien wieder in die Unfreiheit zu stürzen“. Mehr und mehr sah sich der Großorient als Schule der Freiheit, der Toleranz, der bürgerlichen Erziehung, eben als „über“ den Parteiungen stehend, als Vertreter allgemein wertvoller humaner Ziele. Die Vertreter christlicher Politik entgegneten, die Freiheit, die die Logen verteidigten, sei die Unfreiheit der Kirche, und von Toleranz könnten sie angesichts der laizistischen Gesetzgebung nichts merken, die christlichen Schulen würden bekämpft, der Religionsunterricht, die angestrebte Trennung von Kirche und Staat könne der Familie, der Erziehung, der Religion, der Kirche nur schaden. Die Kurie Roms sah im Nationalstaat nur mehr den Feind. Individualismus ist eine besonders hervorstechende Charaktereigenschaft in Italien. Daher gab es auch in der italienischen Maurerei viele Strömungen, Teilungen, ja „Bruderkämpfe“. Sie konnten nicht alle einheitlich so betrachtet werden, wie Rom dies tat. Die Päpste Pius IX. und Leo XIII. sahen den Laienorden der „Dreiunddreißiger“, wie man Italiens Maurer insgesamt abschätzig nannte, als den Kristallisationskern der „Entchristlichung“ Italiens an. Machten ihn verantwortlich „für alles, was in Italien geschah“. 1892 veröffentlichte Leo XIII. die Bulle Inimica Vis, in der die Freimaurerei als Sekte dämonisiert wurde. Er stigmatisierte jene Personen, die „sich verbergen hinter der Maske universeller Toleranz und des Respektes vor jeder Religion, im Wahne, die Maximen des Evangelismus mit denen der Revolution vereinen zu können, Christus und Belial, die Kirche Gottes und den Staat ohne Gott“. Tatsache ist, dass die italienische Freimaurerei unter den Großmeistern Adriano Lemmi (1885–1896) und Ernesto Nathan (1896–1904) eine Art Goldenes Zeitalter erlebte. Gerade deshalb warf man ihnen immer wieder vor, sie schützten

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ihr „maurerisches Geheimnis“ wie mit einem Paravent. Es nützte wenig, wenn sich die Brüder Freimaurer verteidigten, wenn sie meinten: Man dürfe das Geheimnis einer subversiven Organisation nicht verwechseln oder gar gleichsetzen mit der gerechtfertigten Zurückhaltung einer humanitären Bruderschaft, die sich bloß reserviert verhalten wolle. Eine Affäre, der Taxil-Schwindel, schadete beiden, den Freimaurern und der Kirche, in Italien wie in Frankreich, in allen katholischen Ländern. Der französische Journalist Gabriel Antoine Jogand-Pagés schrieb unter dem Pseudonym Leo Taxil Verleumdungen und Lügen. Zuerst gegen Pius IX., dann elf Jahre lang gegen die Freimaurer. Von 1885 an, dem Jahr, in dem er spektakulär zum Katholizismus übertrat, bis 1897. Taxil war drei Monate Freimaurer gewesen, dann wegen Unregelmäßigkeiten ausgeschlossen worden. Er wusste wenig von der Maurerei, er erfand desto mehr. Er erfand – buchstäblich! – des Teufels Großmutter und seine Tochter, er erfand Satansorgien und „palladistische“ Satanslogen. Es war alles barer Unsinn, aber er sagte von sich, er sei der „Rächer der Kirche“. Und Leo XIII., der eine Enzyklika gegen die Freimaurer, Humanum Genus, erlassen hatte, er empfing Taxil, den Mann, der die „Feinde Gottes zerschmettern wollte“. Leo Taxils Bücher fanden reißenden Absatz. Nachdem er elf Jahre gegen die Freimaurerei böswilligen, verleumderischen Unsinn verbreitet hatte und nach einem Kongress in Trient, auf dem er seine Sekretärin als Tochter des Teufels (auf einem Foto) vorgestellt hatte, gab er 1897 in Paris bekannt, dass alle seine „Enthüllungen“ Schwindel gewesen waren. Jene Männer in der Kirche, die an das verkörperte Böse, den Satan in den Logen geglaubt hatten, waren von Taxil zum Narren gehalten worden. Und die Freimaurer trugen den Schaden davon, denn Taxil starb 1907; seine Lügen jedoch werden immer wieder lebendig. Italiens

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Großlogen hatten sich masonisch entwickelt. Der Grande Oriente war aber von Englands Großloge nicht anerkannt. Ein Grund mag wohl darin bestanden haben, dass er – für englische Beobachter – zu nahe dem Grand Orient Frankreichs gestanden haben mag. Zu politisch war. Die national-patriotische Haltung vieler italienischer Freimaurer bewährte sich noch im Ersten Weltkrieg. Ihr Patriotismus wurde ihnen jedoch in den Zwanzigerjahren übel belohnt. Mussolinis faschistische Regierung ging im Jänner 1925 mit einem Ausnahmegesetz gegen die Freimaurer vor, die er auch durch Plünderungen, Terror und Morde einzuschüchtern versuchte. Torrigiani, der Großmeister des Grande Oriente, sah sich gezwungen, seine Logen aufzulösen. Sein zugeordneter Großmeister Capello war, durch Lockspitzel beschuldigt, infolge falscher Zeugenaussage zu 30 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Torrigiani wurde verbannt. Mussolini hatte noch vor Hitler die Freimaurerverfolgung aufgenommen. Die lange anstehende Anerkennung des nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentstandenen Grande Oriente durch die englische Großloge erfolgte 1970. Dazu war es notwendig gewesen, dass sich die italienische Freimaurerei enger an die Alten Pflichten anschloss als bisher, sie jede Diskussion über Religion und Politik aus den Logen heraushielt und ihr fallweise politisches Engagement aufgab. In den mehr als 500 Logen vollzog sich dieser reformatorische Schritt unter den Großmeistern Gamberini und Salvini; jedoch erst dem Großmeister Armando Corona gelang es, für den 20.000 Mitglieder umfassenden Grande Oriente eine den universalen Traditionen voll entsprechende Konstitution beschließen zu lassen. Ein Schwerpunkt der maurerischen Arbeit liegt nun auf der Esoterik, der Tradition. Waren doch nicht nur Patrioten und Politiker Italiens berühmte

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Freimaurer, sondern auch Dichter wie Alfieri, Carducci, Manzoni, Pascoli, Komponisten wie Boîto und Puccini. Italiens geistige kulturelle Tradition, ihr Beitrag zur Weltkultur, der gar nicht überschätzt werden kann, hat viele Wurzeln in der Masoneria. Diese ständige Kulturarbeit, so umfassend und von unschätzbarer Bedeutung, ist freilich weniger spektakulär als etwa Aktivitäten eines Lucio Gelli, der Namen und Form einer 1877 gegründeten, 1974 aufgelösten Loge, „Propaganda 2“, auch nach ihrer Auflösung missbrauchte. Gellis Affären gehören jedoch in die Kriminalgeschichte, nicht in die Geschichte der Maurerei. Er selbst hat sich als einen Cagliostro bezeichnet – „halb Cagliostro, halb Garibaldi“ (!). Von den Medien wurde er beschuldigt, quasi „quer durch die Nation“ einen Gangsterring errichtet zu haben. Seine Machenschaften gaben der Öffentlichkeit und den Medien den Anlass, gegen alle Freimaurer eine Hexenjagd zu beginnen. Das war jenen willkommen, die die Freimaurerei als Ganzes diffamieren wollten, vor allem den Kommunisten. Manchen mochte auch eine sich leise anbahnende Verständigung zwischen Kirche und Freimaurerei nicht genehm sein. Seit der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils zeigten einige Gruppen in der römischen Kirche Verständnis für die Katholiken unter den Freimaurern, sahen sie wie der Franzose Alec Melor, als „getrennte Brüder“. Es gab Aussprachen und Begegnungen, einige waren sogar öffentlich. Aber auch außerhalb Italiens bahnten sich Dialoge an. Im 18. Jahrhundert war für Italiens Freimaurer die Verdammung durch die Päpste lebensgefährlich. Im 19. Jahrhundert, während des Risorgimento, wurden die ehemaligen Aufklärer national und patriotisch. Im „Kulturkampf“ sahen sie sich erneut als Gegner der Kurie, die sie wiederum als „den“ Feind

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betrachtete. Im 20. Jahrhundert trat als tödlicher Gegner Benito Mussolini auf. Die Faschisten setzten die Auflösung der Großlogen durch. Seit 1970 gehört der „Grande Oriente“ der Weltkette regulärer und anerkannter Großlogen an. Die rund 20.000 Maurer in weit mehr als 500 Logen entfalten ein intellektuell und emotionell reiches, maurerisch aktives Logenleben. Neben dem „Grande Oriente“ bestehen andere Obödienzen und Lehrarten, wie die Masoneria der Piazza Jesu, Symbolische Orden und die Vervollkommnungsgrade des Schottischen Ritus sowie des York-Ritus.

Freimaurer in Österreich: Reformer, Jakobiner, Liberale

Franz Stephan von Lothringen, der 1731 von einer englischen Deputation in Den Haag in eine Loge aufgenommen wurde, erhielt 1732 in London den Grad eines Meisters. In Frankfurt wurde er 1745 zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt, wo es seit 1741/42 die Loge „l’Union“ gab – in Wien hatte es 1742/43 ein halbes Jahr lang eine Loge namens „Aux Trois Canons“ gegeben. Sie hatte rund 50 Männer aufgenommen. Ob der Kaiser diese Loge besucht hatte, ist unbekannt. Seine Gattin Maria Theresia hatte sie polizeilich ausheben lassen. Im Wien Maria Theresias wurden die Freimaurer nicht gefoltert, die kurzzeitig Verhafteten nur verhört, von Verwarnungen ist die Rede, von Hausarrest. Der Logengründer war ein Graf Hoditz, Freund und Günstling Friedrichs II. von Preußen. Man weiß von einer anderen Loge, die sich um 1754 unter dem Namen „Aux Trois Cœurs“ in Wien versammelte. Maria Theresia und ihr Sohn Joseph sahen sich vor der Notwendigkeit, aus ihren Erblanden einen modernen Staat zu schaffen. Beamte und Offiziere, Bürgerliche und Adelige wurden zum Rückgrat aller notwendigen Reformen, die, von oben diktiert, von aufklärerischen Maximen veranlasst und begleitet wurden. Bürger und Adelige fanden einander in den Logen, die jetzt an Zahl stark zunahmen. „Die Freigebigen“ (1763) arbeiteten nach dem Clermont-System (3 Grade plus einige Hochgrade); in einem „Andreasrittergrad“

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konnte man Metalltransmutationen behandeln, kannte ein „Lebenselixier“ (!). Die „Strikte Observanz“ – auch sie – trat auf und bot ein siebenstufiges System an, knüpfte an den Tempelritterorden Hoffnungen; ihr pseudoaristokratisches Gefüge hatte Zuspruch, bald war diese Lehrart allen Logen gemein: Österreich bildete deren VII. Provinz. Einer Loge „Zu den drei Adlern“ wurde ein Patent von Prag aus erteilt, die Offiziere und Beamten, die ihre Mitglieder waren, konnten sich als Nachfahren der Tempelritter betrachten. Das war um 1770. Sechs Jahre später wurde in Wien ein Hochgrad-Kapitel errichtet, mit Namen „Großkompturei St. Pölten“; es entstand eine Bauhütte „Zum Palmbaum“, die sich mit den „Drei Adlern“ vereinigte und fortan „Zu den drei Adlern und zum Palmbaum“ hieß. Überall im Kaiserstaat bildeten sich Logen: 1770 auch in den Österreichischen Niederlanden; in Lemberg, wo 1774 eine, 1780 zwei Logen der „Strikten Observanz“ zu finden sind. In Ungarn existierten Logen in Pressburg und in Temesvar. Eine eigene Lehrart, die den bezeichnenden Namen „Freimaurerei der Freiheit“ trägt, entwickelt ein Graf Ivan Dráskovich gemeinsam mit Stephan Nicky. Im siebenbürgischen Hermannstadt gehörte eine Loge zur „Strikten Obsenanz“, die zweite war eine Militärloge. Linz, Graz, Klagenfurt, Innsbruck, Freiburg im Breisgau besitzen nun Logen. In Wien gibt es auch andere logenähnliche Vereinigungen, etwa die „Asiatischen Brüder“. Da waren Logen, die sich, der Mode und dem Zeitgeist entsprechend, recht bieder der Geisterseherei und ähnlichen Mystifikationen widmeten. Den unbestrittenen Höhepunkt erreichte die Freimaurerei in jenen Logen, die sich der Aufklärung verpflichtet fühlten und zugleich dem Reformwerk des Kaiserhauses. Die Loge „Zur Wahren Eintracht“ (später: „Zur Wahrheit“)

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wurde im josephinischen Jahrzehnt (1780–1790) für Wien und Österreich zu einem kulturellen und geistigen Zentrum. Am 12. März 1781 gegründet, ging aus ihr die Loge „Zur Gekrönten Hoffnung“ hervor. Ignaz von Born war es, der die „Wahre Eintracht“ zu einer echten freimaurerischen Akademie machte. Der Siebenbürger Sachse war von Hermannstadt nach Wien ans Jesuitengymnasium gekommen. In Prag hatte er die Rechte studiert, widmete sich jedoch ganz den Naturwissenschaften. Sein Vater war Bergwerksdirektor gewesen; Ignaz wurde Metallurg, Mineralog, Chemiker. Nach Wien berufen, ordnete er die kaiserliche Naturaliensammlung. Er schrieb satirische Polemiken gegen kontemplative Mönchsorden, wodurch er den Klerus vergrämte; er fand ein metallurgisches Verfahren, das im Silberbergbau ärarischer Betriebe angewendet wurde. Er war in Wien und in Prag Mitglied gelehrter Gesellschaften und wusste sehr gut um die Dringlichkeit einer Akademie der Wissenschaften; weder Maria Theresia noch Joseph konnten sich jedoch eine vom gelenkten Universitätsbetrieb abgekoppelte Gemeinschaft von Gelehrten vorstellen (und gestatten). Ignaz von Born trat der Loge „Zur Wahren Eintracht“ als Geselle bei und wurde später ihr Meister vom Stuhl. Seine Absicht, aus den gebildeten und gelehrten Brüdern eine Akademie der Wissenschaften zu machen, wurde von ihnen in einer Abstimmung abgelehnt. Umso ernsthafter beschäftigte sich die Loge mit dem Thema Freimaurerei. Born führte „Übungslogen“ ein, d. h. innerhalb des Rituals gab es ausführliche Vorträge, gut recherchierte und fundierte Aufsätze. Diese Arbeiten wurden in einem „Journal für Freimäurer“ gedruckt. In dieser Loge wurde vornehmlich über die Geschichte der Mysterienbünde, über moralische, ethische und symbolische Themen verhandelt. Born gab auch von 1783 bis 1788 eine Zeitschrift heraus, Physikalische Arbeiten der einträchtigen

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Freunde in Wien“. Er wurde von seinen Brüdern wie ein Vater verehrt, was Briefe, Lieder, Gedichte, Feste und Reden bezeugen. Der Mann war so sehr das Zentrum der Wiener Freimaurerei, dass der Gedanke, er könnte das Vorbild für die Figur des Sarastro in Mozarts „Zauberflöte“ sein, nicht von der Hand zu weisen ist. Die Wiener Maurer-Szene hatte jedoch viele sehr bedeutende, noch heute bemerkenswerte Persönlichkeiten aufzuweisen. Einige sollen hier erwähnt werden: Joseph von Sonnenfels, Jurist, Politikwissenschafter und Universitätsprofessor. Er bekämpfte wuchernden Aberglauben, Selbstsucht, jede Art von Vorurteilen, er bekämpfte den Tiefstand der Bildung wie auch die Niveaulosigkeit des Theaters. 1776 hatte er Maria Theresia veranlasst, die Folter im Gerichtsprozess abzuschaffen. Alois Blumauer, als Schriftsteller durch seine Travestie von Vergils „Äneis“ bekannt geworden, gab in der Loge „Zur Wahren Eintracht“ das logeneigene Journal heraus und fungierte als Hausdichter. Andere Autoren waren Ratschky, Alxinger, Leon sowie Martin Prandstetter. In den aufklärerischen Elitelogen versammelte sich, was in Wien Rang und Namen hatte, Bürger und Aristokraten. Wie einst in London erregte nun, im vorletzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, die Freimaurerei in Wien nicht geringes Aufsehen. Joseph II. wollte nicht, wie Friedrich II. oder der Prinz von Wales, den Meisterhammer führen. Er lehnte den Vorschlag, Maurer zu werden, ab, gab den Logen jedoch einen festen Entwicklungsrahmen, indem er sie zahlenmäßig begrenzte. Was war vorgefallen?

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Das Freimaurerpatent Österreichs Freimaurer hatten ihre Gründungspatente von preußischen Logen und zahlten ihre Beiträge ins Ausland. Joseph verbot allen, Laienorden wie religiösen, den Transfer von Valuta. Die österreichischen Freimaurer gründeten eine nationale, eigene Große Landesloge, die sieben provinziale Distrikte umfasste: Österreich, Böhmen, Galizien, Lombardei, Siebenbürgen, Ungarn. (Die 17 Logen der Österreichischen Niederlande errichteten ihre besondere Großloge.) So war die bisherige Organisationsform mit ihrer Abhängigkeit vom Ausland aufgehoben. Die Große Landesloge dürfte aber dem Monarchen zu umfangreich geworden sein. Die zentrale Lenkung mochte ebenfalls Besorgnis erregen, wie schon der erste Punkt der Konstitution dieser Landesloge, der besagte, dass die Großloge demokratisch verwaltet wird, nach demokratischen Prinzipien geführt wird und ihr Großmeister und alle Dignitäre (Funktionäre) gewählt werden. Hat Ignaz von Born auf die Abfassung des Patents Einfluss genommen, um Logen, die in seinen Augen Unnützes betrieben, auszuschalten? Wohl kaum. Waren es Brüder einiger Logen, die gegen die Autorität der neuen Landesloge Einwände hatten und Wege fanden, Joseph zu veranlassen, nur mehr einer sehr begrenzten Zahl von Logen Arbeit zu erlauben? Jedenfalls durften nach dem Patent Logen nur mehr in den Landeshauptstädten bestehen. Das Freimaurer-Patent von 1785 sicherte Arbeitsfreiheit zu, schränkte diese aber ein. In einem Ausleseverfahren verkleinerte man die existierenden Logen. Man weiß, dass Joseph II. die Absicht hatte, die unbequemen Österreichischen Niederlande gegen Bayern einzutauschen. Kaiser und Könige handeln hier wie Bauern, eben als

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Grundbesitzer. Bei diesem Tauschhandel soll Joseph die Absicht gehabt haben, sich des ob seiner Diplomatie bekannten Illuminaten-Ordens zu bedienen. Unter den Wiener Aufklärern und Freimaurern gab es eine Anzahl von Illuminaten, Männer, die Querverbindungen in Europa hatten, die sie für bloß gelehrte Konnexionen ausgaben, wohl aber auch politisch benützen wollten. Der Historiker Helmut Reinalter hat sich in seinen sehr fundierten und genauen Schriften zur Geschichte der Maurerei (so etwa im Buch „Geheimbünde in Tirol“) eingehend mit dieser Frage beschäftigt. Reinalter sagt wörtlich: „Da dieses Tauschprojekt letztlich gescheitert war und sich die Konspiration der Illuminaten im Vergleich zum Spitzeldienst Friedrichs II. von Preußen als unzureichend herausgestellt hatte, war für Joseph kein Grund mehr vorhanden, die Aktivitäten der Freimaurerlogen weiterhin ohne staatliche Kontrolle zu erlauben.“ Das Freimaurerpatent war also keines der Freiheit, sondern eines der Kontrolle. Reinalter und Hans Wagner nehmen auch an, dass maurerische Auseinandersetzungen in der Lombardei und in Böhmen den Grund geliefert hätten, „von oben her“ zu kontrollieren. Man hatte wohl den Eindruck, dass auch in Ungarn Freimaurer kaiserlichen Einrichtungen entgegengearbeitet hatten. Der Versuch, die alten Hochgrade zu beschränken, mag ebenfalls zum Widerstand gegen die neue Landesloge geführt haben. Das Resultat: Je drei Logen durften in Wien, Prag und Budapest, je eine in den Landeshauptstädten weiterhin bestehen bleiben. Josephs Patent stellt die erste gesetzliche, offizielle Maßnahme dar, die in Europa „für“ den Bund erlassen wurde. Bisher gab es ja nur Verdammungsurteile gegen ihn. Das Patent wurde 1785 erlassen. Seit 1784 war ein Mann

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Mitglied der Loge „Zur Wohltätigkeit“, der wohl der berühmteste Freimaurer der Welt ist: Wolfgang Amadeus Mozart. Seine Aufnahme in diese Loge erfolgte am 5. Dezember 1784, gemeinsam mit einem Kaplan aus Erdberg, Wenzel Summer. Auf dem Deputationsweg wird er am 7. Jänner 1785 nicht von den Brüdern seiner eigenen Loge, sondern von der Loge „Zur Wahren Eintracht“ zum Gesellen befördert. Das Protokoll über seine bald darauf erfolgte Meistererhebung ist nicht erhalten. 1786 ist Mozart dann Mitglied der Sammelloge „Zur Neugekrönten Hoffnung“, die später wieder „Zur Gekrönten Hoffnung“ heißt. Seine Logenkompositionen beginnen mit der „Gesellenreise“, die er zur Beförderung seines Vaters am 22. April 1785 geschrieben hatte. Darauf folgte „Die Maurerfreude“. Die „Maurerische Trauermusik“ entstand aus Anlass der LogenTrauerarbeit für die Brüder Franz Graf Esterházy und Herzog Georg August von Mecklenburg-Strelitz am 17. November 1785. Das letzte von Mozart vollendete Werk ist die „Kleine Freimaurerkantate“, die noch von ihm selbst bei der Einweihung des neuen Tempels seiner Loge zur Aufführung gebracht wurde. Joseph Haydn wurde am 11. Februar 1785 in der Bauhütte „Zur Wahren Eintracht“ rezipiert, Mozart war am 28. Jänner in der Loge anwesend, da man für diesen Tag Haydn eingeladen hatte. Diese Einladung hatte jedoch Haydn in Esterháza nicht erreicht; am 11. Februar aber war Mozart verhindert: Sein Vater war an diesem Tag aus Salzburg angekommen, und er selbst hatte am Abend das erste seiner sechs Konzerte in der „Mehlgrube“ am Neuen Markt zu geben. Der Ausbruch der Französischen Revolution hatte größten Einfluss: Nun setzte der Niedergang der Maurerei im Österreich des 18. Jahrhunderts ein.

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Leopold II. wünschte allerdings Freimaurer für seine politischen Ziele zu gewinnen, eine Art konservative Geheimgesellschaft sollte die überall gefürchteten, überall vermuteten Jakobiner bekämpfen. Der Kaiser ließ dazu Entwürfe anfertigen. Solche „patriotischen“ Logen kamen jedoch nicht zustande. In Ungarn wollte man ebenfalls die Freimaurerbünde kontrollieren, auch dazu gab es einen Plan eines Hauptmanns Xaver von Aigner. Auch dieser blieb erfolglos. Unter Kaiser Franz II. stand die Politik ganz im Zeichen der Abwehr nach innen wie nach außen. In Frankreich bekämpften die Armee, im Inland die Polizei die Revolution. Träger der inneren Revolutionsbestrebungen sollen angeblich die Freimaurer gewesen sein; aber nur ganz wenige, die konspiratives Verhalten, und zwar provoziert durch einen Lockspitzel, an den Tag legten, konnten als Jakobiner für eine Reihe von Schauprozessen herhalten, für die man die abgeschaffte Todesstrafe wieder einführte. Angeklagt wurden: Hebenstreit, Gilowsky, weiters ein Hauslehrer des Kaisers, Franz Andreas Riedel, Gotthardi und ein Wiener Magistratsbeamter namens Prandstetter. Hebenstreit, ein Oberleutnant des Militärs, wurde gehenkt; er hatte eine Kriegsmaschine primitiver Natur entworfen und dem Konvent in Paris überreichen lassen. Er war tatsächlich ein radikaler Sozialrevolutionär. Kajetan Gilowsky erhängte sich während der Verhöre. Gotthardi, Riedel und Prandstetter wurden zu Festungshaft verurteilt. Sie hatten kaum mehr verbrochen als in Gesellschaft anderer die Revolution gutgeheißen. Ein Buchhändler, Vincenz Degen, hatte die Männer provoziert und denunziert. In Ungarn wurden sieben Maurer als Jakobiner hingerichtet. Das geschah, als Europa unter dem Eindruck der Schreckensherrschaft von Paris stand und Franz II. jeden Anlass nützte, um rigoros durchzugreifen.

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1809 zogen mit den französischen Truppen Militärlogen in Wien ein. Auch in Klagenfurt lud ein Divisionsgeneral Rusca österreichische Freimaurer zu einer Tafelloge ein. Nach den Napoleonischen Kriegen gab es sofort wieder Abwehrmaßnahmen, die Österreichs Polizei nun gegen Italiens Carbonari (1821) traf, die in der päpstlichen Bulle „Ecclesiam“ mit den Freimaurern (fälschlich) in Verbindung gebracht worden waren. Den Österreichern erschienen Gesellschaften wie Das junge Deutschland oder Giovine Italia als höchst staatsgefährlich, sie waren Anlass genug, die oft strapazierte Verschwörungsidee wiederaufleben zu lassen. Moritz Hartmann und Hermann Rollett bildeten ein wenig bekanntes JungÖsterreich. Das alles waren keine Freimaurervereinigungen, aber „verdächtig“ wie sie. Man weiß, dass Erzherzog Johann Mitglied einer „Wildensteiner Ritterschaft auf blauer Erde“ war, die im Schloss Seebenstein ihren Sitz hatte. Sie wird als Deckorganisation von Freimaurern angesehen. Franz II. verordnete einen Amtseid, demzufolge kein Staatsbeamter einer „geheimen“ Verbindung beitreten durfte. Ein ausgedehntes Spitzelwesen kontrollierte den Staat und verhinderte somit auch die Neubildung von Logen. Erst 1848 kam es zu einer kurzen Wiederbelebung: Ein Sprachlehrer, Lewis, entzündete das Licht der königlichen Kunst in Wien: „Zum Heiligen Joseph.“ Die Reaktion siegte, die kaiserliche Armee eroberte die Haupt- und Residenzstadt Wien aus den Händen der Bürger, Studenten und Arbeiter zurück; ein allgemeines Versammlungsverbot wurde erlassen, das natürlich auch für die Loge von 1848 galt.

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Grenzlogen Der Ausgleich von 1867 und die Errichtung der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn hatte zur Folge, dass jenseits der Leitha eine freiheitliche Gesetzgebung (die von 1848) wiedereingeführt wurde, die es den ungarischen Maurern erlaubte, Logen zu gründen. In der cisleithanischen Reichshälfte gab es zwar eine liberale Regierung, jedoch aufgrund der Intervention konservativer Kräfte ein restriktives Vereinsgesetz. Es sah vor, Vereine durch staatliche Kommissare zu kontrollieren. Die Freimaurer hatten nicht die Absicht, ihre rituellen Arbeiten von Polizeibeamten überwachen zu lassen. Da das Vereinsgesetz nicht liberalisiert wurde, fanden sie den Ausweg, in Wien humanitäre Vereine zu gründen, die vereinsgesetzlich der amtlichen Kontrolle unterstanden. Mitglieder dieser Vereine waren nur Freimaurer, die dann ihre rituelle Logenarbeit auf ungarischem Gebiet abhielten. Das war die Epoche der Grenzlogen, in Ödenburg, Neudörfl und Pressburg. Die erste dieser Grenzlogen war die Loge „Humanitas“. Sie hatte bald 300 Mitglieder und arbeitete unter dem Schutz der Großloge von Ungarn seit 1872 in Neudörfl. Franz Schneeberger war ihr Gründer. 1874/75 scheiterte ein Versuch, eine Loge in Wien zu gründen; so entstand eine zweite Grenzloge: die „Zukunft“. Diese gerierte sich radikalliberal, verwirklichte einen Reformkurs, stellte z. B. Gläubige und Atheisten in der Loge gleich. Der Fortschritt der Wissenschaften war ihr ein besonderes Anliegen. Das Ritual war vereinfacht worden. Die Mitglieder wandten sich gegen eine, wie sie meinten, vordergründige „GefühlsMaurerei“ und gegen falschverstandene Traditionen – und gerieten in Gegensatz zu ihrer Mutterloge „Humanitas“. In Wien versammelte sich die „Zukunft“ als literarischer Verein, maurerisch arbeitete sie in Pressburg. Ihr gehörten eine

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große Zahl von Kulturschaffenden an, das Niveau der Loge war beachtenswert. Der Historiker Rainer Huber sieht in der Auseinandersetzung dieser beiden Logen ein Ringen um den freimaurerischen Standort. Die einzelnen Grenzlogen erwarben sich ihr eigenes Profil. „Sokrates“ (gegründet 1874) stand im Spannungsfeld Idealismus – Materialismus, Religiosität – Atheismus. Die „Eintracht“ (gegründet 1875) nannte ihren Wiener Basisverein „Pestalozzi“ und kennzeichnete dadurch ihre pädagogische Tendenz. Die Loge „Schiller“ (gegründet 1876), die auch Hochgrade bearbeitete, widmete sich der Verbreitung humanistischer Bildung (Bildung war der Name ihres eingetragenen Vereins). Die „Freundschaft“ (gegründet 1877), die „Columbus“ (gegründet 1877); sie alle suchten nach einem der Zeit angepassten maurerischen Selbstverständnis. Die soziale Frage wurde immer dringender. Der maurerische Auftrag, Wohlfahrt zu schaffen, wohltätig zu sein, wie der altertümliche Ausdruck lautete, führte zu umfassenden karitativen Tätigkeiten. Für blinde, für misshandelte, für schulpflichtige arme Kinder wurden Asyle geschaffen, Ferienkolonien gebaut. Das Wöchnerinnenheim „Lucina“ wurde gestiftet, ein Rekonvaleszentenheim für arme Frauen, ein Asyl für schutzlose Frauen und Mädchen errichtet. Hilfsaktionen bei Unglücksfällen und Katastrophen gehörten zum selbstverständlichen maurerischen Repertoire. Der masonische Aktivismus erwies sich um die Jahrhundertwende als besonders intensiv auf dem Gebiet der Erziehung, vor allem der Volksbildung, deren Häuser nun ins Leben gerufen wurden. Von 1888 bis 1898 entstanden die Logen „Treue“, „Goethe“, „Lessing zu den drei Ringen“, „Pionier“. Erich August Zenker, Stuhlmeister der „Pionier“, versuchte 1904 wieder einmal eine Großloge, „Austria“ genannt, beim Reichsgericht legalisieren zu lassen – vergebens.

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Sozialreform und Erziehung Kennzeichnend für die Freimaurerarbeit sind nun zwei Gebiete: Sozialreform und Erziehungsfragen. Das Großbürgertum in den Logen erkannte, dass die sozialen Gegensätze in der Gesellschaft zum Ausgleich gebracht werden müssen. Die Zusammensetzung der Mitglieder gibt Aufschluss: In der „Sokrates“ trafen einander der liberale Großbürger Phillip Ritter von Schoeller und der Arbeiterführer Franz Schuhmeier. Eine umstrittene Initiative der Loge „Pionier“ war die Gründung der „Freien Schule“, die eine Verbindung von Volksschule zu Volkshochschule herzustellen versuchte. Ihr Ziel war es, moderne Wissenschaften zu vermitteln außerhalb des bestehenden Schulwesens, zu dem vielen der Zugang versperrt gewesen war. Dadurch entstanden Spannungen zur klerikalen Schule; 1897 gab es in Wien einen Antifreimaurer-Kongress. Erwähnt soll werden, dass die Logen die Frauenbewegung einer Rosa Mayreder und einer Marianne Hainisch unterstützten. Seit den 1890er-Jahren gab es einen weiteren Schwerpunkt, die Friedensbewegung. Diese Arbeit wurde sichtbar ausgezeichnet durch die Verleihung des Friedensnobelpreises an einen österreichischen Freimaurer: an Hermann A. Fried (1911). Gegen Ende des Ersten Weltkriegs verstärkten die Maurer ihre Bemühung um Legalisierung der Logen. Am 20. November 1918, sofort nach Ausrufung der Republik, fand eine gemeinsame Arbeit aller Grenzlogen statt. Am 8. Dezember wurde die „Großloge von Wien“ unter der Hammerführung von Dr. Adolf Kapralik errichtet. Sie bestand bis zum Jahr 1938. Ihre erste Tat war es, einen Aufruf an die Freimaurer der ganzen Welt zu richten, eine Bitte, Österreich zu helfen. Solche Hilfsmaßnahmen erfolgten

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unverzüglich, wie etwa Transporte österreichischer Kinder nach Holland, wo die durch die Kriegszeit Geschädigten bei Pflegeeltern unterkamen. Die „Symbolische Großloge von Ungarn“ hatte mit ihrem Großmeister Pfeifer den Rechtsschutz über die neue Großloge übernommen, die 1930 von der „United Grand Lodge of England“ anerkannt wurde. Die Aktivitäten der Großloge erstreckten sich im sozialen Bereich auf Probleme des Pflegschaftswesens, des Kinderschutzes, auf Alkoholgegnerschaft. Das Großbürgertum des 19. Jahrhunderts hatte noch größere finanzielle Mittel für soziale Zwecke aufwenden können, diese fehlten nun. So arbeitete man auf dem Gebiet der Sozialgesetzgebung an konkreten Überlegungen, die dann im weiteren Verlauf zur Sozialpartnerschaft führen sollten. Diese hat eine erste Wurzel in der Loge „Lessing zu den drei Ringen“, zur Zeit, als der Präsident des Industriellenbundes Josef Trebitsch ihr Meister vom Stuhl, der Arbeiterführer Ferdinand Hanusch ihr zugeteilter Meister war. Neben Hanusch und Trebitsch gehörte der „Lessing“ auch Julius Tandler an, der sicher nicht unbeeindruckt von den karitativen Modellen der Freimaurer daranging, Wiens Fürsorge- und Wohlfahrtswesen aufzubauen, das Weltgeltung erlangen sollte. Wiens Großloge trat 1932 auf dem Weltfriedenskongress hervor: In einer Denkschrift wies sie auf die Wirtschaftsnot in Mitteleuropa und auf die damit verbundene Kriegsgefahr hin. Die pazifistische Idee stand im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Richard Coudenhove-Kalergi, auf Hermann Frieds Gedanken aufbauend, entwickelte noch als Freimaurer sein Pan-Europa-Programm. 1926 waren die Freimaurer Wiens an der Gründung der Liga für Menschenrechte wesentlich beteiligt. Durch ihren pazifistischen Kurs traten sie in Gegensatz zu national ge-

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sinnten Brüdern altpreußischer Logen, von denen einige so weit gingen, „ihre völkische, christliche, antipazifistische Einstellung“ zu betonen. Das führte zum Abbruch der Beziehungen 1931. Wiens Logen waren jedoch keineswegs antideutsch eingestellt: Hatten sie doch 1923 gegen die Ruhrbesetzung durch die Franzosen heftig protestiert. Nun gab es wieder Logen in den Bundesländern: in Graz, Wiener Neustadt, Klagenfurt. Neue und erneuerte Bauhütten, wie in Wien. Seit den Zwanzigerjahren hatte sich der Alte und angenommene Schottische Ritus etabliert. Viele Maurer waren auch Mitglied der allgemeinen FreimaurerLiga, die über Grenzen, Großlogen und Lehrarten hinweg alle Brüder miteinander verbinden wollte. Der Redakteur der Wiener Freimaurer-Zeitung und Mitverfasser des auch heute noch umfassendsten „Freimaurer-Lexikons“, Eugen Lennhoff, setzte sich für diese Liga ganz besonders ein. Von 1933/34 an wurden staatliche Kommissare in die Logen entsandt, die Zahl und Namen der Anwesenden registrierten. 1936 wurde die Loge „Pythagoras“ in Wiener Neustadt „amtlich“ eingestellt. Trotz ihrer feindlichen Haltung ersuchte die Schuschnigg-Regierung, unmittelbar vor dem Hitler-Einmarsch in Österreich, die Großloge um finanzielle Unterstützung gegen den Nationalsozialismus. Am 12. März 1938 wird das Logenhaus in der Wiener Innenstadt gestürmt und geplündert. Stuhlmeister werden verhaftet, das Logenvermögen wird beschlagnahmt, viele Freimaurer zur Emigration veranlasst. Viele, vor allem jüdische Brüder, sterben in Konzentrationslagern. Der Großmeister Dr. Richard Schlesinger, der den Großlogen von 1919 bis 1938 vorstand, starb als Opfer des Terrors. Von 2000 Mitgliedern der Großloge von Wien fanden sich 1945 wieder 70 ein, um die Freimaurerei in Wien und Österreich fortzusetzen.

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Neubeginn 1945 Nach Kriegsende entstand in Kärnten und in Wien aufs Neue die Freimaurerei: als Großloge von Österreich. Dr. Doppler, ein bekannter Arzt, wurde ihr Großmeister. Ihm und seinen Nachfolgern Bernhard Scheichelbauer, Carl Helmke sowie den folgenden Großmeistern gelang es, die Rahmenbedingungen für das maurerische Leben der Logen zu sichern. Aus der Sammelloge „Humanitas renata“ entwickelte sich in der nun längsten Epoche maurerischen Lebens in Österreich ein verzweigtes Logensystem. Die Zahl der Logen erreicht ein halbes Hundert allein an Blauen Logen. In Österreich wird aufgrund von Konkordaten auch der Schottische und der York-Ritus bearbeitet. Alle drei Lehrarten stehen in enger Verbindung, sind nur organisatorisch getrennt. 1954 wurde die Großloge von der englischen Mutterloge wiederum anerkannt. In den Sechzigerjahren war eine starke Tendenz zu einer modernen Liberalität, zu einer Aufklärung nach der Aufklärung, wirksam, die zu einer langen Kette von Neugründungen von Bauhütten führte. Dem esoterischen Aspekt der Freimaurerei wie ihrer exoterischen Tendenz bot sich die Fülle zukunftszugewandter Wissenschaften und Lebenshaltungen zur Bearbeitung an. In den Logen gab es vor allem aufgrund der Zusammensetzung der Mitglieder ein reiches geistiges und kulturelles Leben, mit dem Ziel, die vita activa mit einer vita contemplativa zu vereinen. Klassen- und Rassenschranken bestehen noch immer, neue Vorurteile, Fremdenhass, soziale Egozentrik und trotz steigender Informationsflut zunehmende Isolierung, Entfremdung des Einzelnen, das bietet ausreichend Arbeit. Die Hauptgebiete Erziehung, soziale Hilfe und freie Persönlichkeitsbildung stehen nach wie vor im Zentrum maurerischer

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Arbeit, die Geselligkeit und brüderliche Freundschaft voraussetzt. Die Großloge von Österreich betreibt, in der ihr gemäßen Form, Öffentlichkeitsarbeit: Seit 1974/75 gestaltet sie die Ausstellungen im Freimaurermuseum Schloss Rosenau im Waldviertel.

Kirche und Freimaurerei Eine beachtenswerte Aktivität soll hier hervorgehoben werden. Es betrifft das Verhältnis katholische Kirche und Freimaurerei. Wie in anderen Ländern hatte in der Vergangenheit die Kirche Roms die Freimaurer auch in Österreich abgelehnt und bekämpft. Die Enzykliken der Päpste waren zwar nicht von den Kanzeln verlesen worden, aber es gab einen Antifreimaurer-Kongress und über Jahrzehnte hinweg eine von klerikaler Seite heftige Gegnerschaft. Hatten doch seit jener ersten Bulle In Eminenti aus dem Jahr 1738 die Päpste, einige von ihnen zu wiederholten Malen, den Bund verdammt, verfolgt, in ihm die Katholiken unter ihnen exkommuniziert. Diese Haltung stützte sich auf die Verdammungsurteile der Bullen, auf Glaubensgrundsätze und auf bestimmte, seit Papst Benedikt XIV. im Kirchenrecht festgelegte Paragrafen. Im Zuge der Erneuerungsbewegung in der katholischen Kirche, die zum Zweiten Vatikanischen Konzil führte, kam es innerkirchlich zu einer Rundfrage. Der Vatikan forderte die Bischöfe der Welt auf, ihm ihre Erfahrungen mit der Freimaurerei mitzuteilen. Der Vorsitzende der Kongregation für Glaubensdoktrin, Franjo Kardinal Sepers, richtete am 28. Februar 1968 an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen zwölf detaillierte Fragen, um sich über die „Doktrin verschiedener Vereinigungen, die unter den Namen Freimaurer fallen“, Material zu verschaffen.

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Der Brief Kardinal Sepers’ veranlasste den Leiter des Sekretariats für Kontakte zu den Nichtglaubenden, den Wiener Kardinal Franz König, sich an den Deputierten Großmeister der Großloge von Österreich, Dr. Kurt Baresch, zu wenden, von dem er, in einem privaten Gespräch, persönliche Informationen erbat, um seine Antwort an Sepers abfassen zu können. In der Folge bestellte der Wiener Kardinal eine kleine theologische Kommission (Wodka, Schwarzbauer, Vorgrimmler und de Thot)

Die Lichtenauer Erklärung Deutsche, österreichische und Schweizer Freimaurer (unter ihnen Dr. Baresch, Dr. Vogel, Prof. Cap) trafen mit diesen katholischen Experten zu mehreren Dialogen zusammen; man betrachtete diese Kontakte mehr als offiziös, denn als offiziell. Die Hierarchie der Kirche sah sich ja keiner Hierarchie der Freimaurer gegenüber, die eine solche zentrale Führung nicht kennen. Die katholischen Experten konnten auch nicht mit einer Vielzahl von Obödienzen „verhandeln“; sie wollten sich informieren. Es ist das Verdienst jener Expertenkommission, ihren Dialog in Innsbruck, Augsburg und Einsiedeln so umsichtig geführt zu haben, dass sie in der Lage waren, 1970 in einer Erklärung in Lichtenau in Oberösterreich Konfliktlösungen anzubieten. In diesem Papier, das man eines „für den Papst“ genannt hat, regte die Kommission an, „den päpstlichen Bullen, die sich mit der Freimaurerei befasst hatten, nur noch eine geschichtliche Bedeutung beizumessen“. Die Verurteilungen durch das Kirchenrecht – im Codex Iuris Canonici – ließen sich nicht rechtfertigen, so meinte man, „nicht von einer Kirche, die das Gebot Gottes lehrt, den Bruder zu lieben“.

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Dr. Kurt Baresch hat in einem mit höchster Akribie verfassten Buch, „Katholische Kirche und Freimaurerei“, diesen Dialog und sein Ergebnis ausführlich dargestellt. Im Gegensatz zu früheren (und auch späteren) Bemühungen ist offenkundig, dass die Lichtenauer Erklärung den entscheidenden Anstoß gegeben hat, dass bei der zuletzt erfolgten Redaktion des Kirchenrechts jene Passagen entfielen, die Freimaurer und die Freimaurerei wörtlich inkriminierten. War es vor dieser Neufassung des kirchlichen Codex so, dass katholische Freimaurer gleichsam automatisch exkommuniziert waren, sich Kirchenstrafen zuzogen, bedarf es nun einer Feststellung von kirchlicher Seite, ob es sich um eine Vereinigung handelt, die kirchenfeindlich ist. So ist die Lichtenauer Erklärung ein geschichtlich bedeutender Akt. Der Beitrag österreichischer Maurer zum maurerischen Brauchtum überhaupt besteht vor allem in der konsequenten Einführung von Übungslogen, in denen eine kritische Auseinandersetzung mit allen Lebensfragen ermöglicht wurde; diese selbstkritische und gesellschaftskritische Haltung führte dazu, dass Freimaurer zu jenen Reformern zählen, die im 18., 19. und 20. Jahrhundert auf den Gebieten Erziehung und soziale Wohlfahrt aktiv wurden. Die betont humanitäre Haltung österreichischer Freimaurer trug und trägt zur freien Persönlichkeitsentwicklung bei, aber auch zum inneren sozialen Frieden in den 250 Jahren ihrer Arbeit in Österreich (während dieses Zeitraums waren sie 132 Jahre verboten) bemühten sie sich, ein Zentrum humaner und toleranter Gesinnung zu sein.

Nachwort

Es ist immer misslich, Prognosen zu erstellen. Die einfachste Methode, ein wenig von der Zukunft zu erraten, ist es, die Hauptlinien und Tendenzen quasi hochzurechnen. Jedem von uns ist der gegenwärtige Weltzustand durch die intensive Tätigkeit der Medien präsent. Um es in einer einfachen Kurzformel zu kennzeichnen, ist dieser durch außerordentlich starke Spannungen, Antagonismen, d. h. Gegensätze, bestimmt, die zu wiederholen wir uns hier ersparen. Welche Chance hat in dieser, sich neu formierenden Welt die Freimaurerei? Zunächst soll festgestellt werden, dass die Maurerei keine politische, keine ökonomische, keine konfessionelle, keine religiöse Macht besitzt. Der Leser dieses Buches weiß, dass die Freimaurerei keine Partei, keine Religion, keine Ersatzreligion, keine Sekte, keine Philosophie, auch kein Club of Rome ist. Er wird begriffen haben, dass es sich um eine Geistes- und Lebenshaltung handelt, die zunächst im engsten Umkreis, und im günstigsten Falle in der Gesellschaft, einen hohen Grad von Harmonie anstrebt. Es kann nicht das Ziel der Menschheitsentwicklung sein, dass unser Geschlecht sich in „ewigen“ Kämpfen aufreibt, es kann nicht der Zweck der Schöpfung sein, dass die Menschheit und mit ihr ihr Lebensraum, die Erde, einer selbstgemachten Vernichtung entgegengeht. Das Produkt der freimaurerischen Lebenshaltung ist die Humanität und die Toleranz.

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Nachwort

Diese beiden nicht leicht zu erringenden Einstellungen zum Leben und zu den Mitmenschen sind sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft, so wie ich das sehe, die einzigen Garanten für ein Überleben. Es ist uns allen seit Langem klar, dass es ohne Frieden zwischen den großen Religionen, den vielfältigen Ethnien keine gedeihliche Entwicklung geben kann. Es ist viel die Rede davon, dass uns in Zukunft ein Kampf der einzelnen Weltkulturen bevorstünde. Oscar Wirth, ein freimaurerischer Vordenker, ist mit Recht der Meinung, dass das Lehr- und Kulturgebäude der Freimaurerei die Welt verändern kann, sofern sie ihren Prinzipen treu bleibt. Dies gilt natürlich auch für die im großen Weltmaßstab agierenden religiösen Konfessionen. Tatsächlich aber hat sich zwar unsere Zivilisation in den letzten vier Jahrhunderten enorm entwickelt, der moralische Zustand sowohl des Einzelnen als auch der Gesamtgesellschaft scheint das Tempo dieser Entwicklung nicht mitgemacht zu haben. Warum also so viel Vertrauen, warum so viel Hoffnung auf eine verhältnismäßig kleine, nur wenige Millionen umfassende Bruderschaft, die zudem nur in den demokratischen Staaten der Welt agieren und überleben kann? Die Antwort ist überraschend einfach: Die Freimaurerei strebt in keinen ihrer Aktionen Macht über andere Menschen an und hat als einziges Ziel die Selbsterziehung, wozu ihr Verstand, Vernunft und eine kontrollierte Emotion in immer steigendem Maße zur Verfügung stehen. Jedem Einsichtigen muss es klar sein, dass eine Veränderung des Weltzustandes nur dann erfolgen kann, wenn sich der Einzelne, jedes Individuum, d. h. jeder Mensch ändert. Die Freimaurerei hat als Ziel, die Menschheit als eine Familie zu sehen, und wem diese Vorstellung utopisch erscheinen mag, der möge erwägen, dass auch unsere Hoch-

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kulturen erst wenige Jahrtausende umfassen und die Erziehung des Menschengeschlechtes (ein großes Wort, aber eine bedeutende Sache) nicht nach Jahrzehnten, ja nicht einmal nach Jahrhunderten gemessen werden darf. Es mag dem Leser vielleicht fantastisch erscheinen, über die Dauer einer oder zweier Generationen hinaus Ziele anzustreben. Der Freimaurer sieht sich jedoch als Baustein eines Menschheitstempels an, dessen Existenz auch in ferner Zukunft Bestand haben soll. Kurz: Die Entwicklung eines freien Mannes von gutem Ruf zu einer harmonischen Persönlichkeit, die nicht von Fremdbestimmung abhängig ist, gewährleistet auch eine harmonischere Gestaltung der Gesellschaft, in der wir leben. Es soll nicht verschwiegen sein, dass der Entschluss, als Suchender dem Bund der Freimaurer beizutreten, ernstlich überlegt werden muss. Es soll nicht verschwiegen sein, dass der Freimaurer durch die Angehörigkeit zum Bund keine wie immer gearteten materiellen Vorteile gewinnt. Es darf aber gesagt sein, dass er eine, sofern er die Freimaurerei ernst nimmt, schier ungeheure Bereicherung seines geistigen, emotionellen, ästhetischen Lebens erfahren wird. Er wird allerdings in Kauf nehmen müssen, dass er, sobald er initiiert worden ist, nach selbst gewählten Prinzipien sein Leben fortan neu gestalten muss.

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Vier Londoner Logen vereinigen sich zur ersten Großloge der Welt. Drucklegung der von Reverend James Anderson geschaffenen Konstitution („Die alten Pflichten“). Gründung der Großloge in Irland. Gründung der ersten Loge in Paris durch englische Emigranten. 1728 Gründung der ersten Loge auf dem europäischen Kontinent durch einen Engländer in Madrid. Gründung der ersten Loge durch englische Einwanderer in Nordamerika; Gründung der ersten englischen Kolonialloge auf dem indischen Subkontinent. Franz Stephan Herzog von Lothringen (ab 1737 Gemahl Maria Theresias und ab 1745 römisch-deutscher Kaiser Franz I.) wird in Den Haag in einer englischen Deputationsloge in den Bund aufgenommen. Gründung der ersten Loge durch Engländer in Russland (St. Petersburg); der englischen Großloge gehören zurzeit 104 Logen an. Gründung der ersten Loge in Florenz. Gründung der ersten Loge in Prag. Gründung der Großloge in Schottland. Gründung der ersten Loge in Hamburg (ab 1740 unter dem Namen Loge Absalom); Ver-

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bot der Freimaurerei in Frankreich und in der Toskana. Kronprinz Friedrich (ab 1740 König Friedrich II., der Große) wird in seiner Residenz Rheinsberg in den Bund aufgenommen; Papst Clemens XII. erlässt erstmals eine Bulle gegen die Freimaurerei, die Bulle „In eminenti“, der im Laufe der Jahrzehnte noch viele weitere von anderen Päpsten folgen sollten; Verbot der Freimaurerei in Hamburg, Venedig, Spanien, Portugal und Polen. Die Inquisition verfolgt die Freimaurerei in Norditalien, Spanien und Portugal. König Friedrich II. – der Große – gründet in Berlin die Loge (und spätere Großloge) „Aux frois Globes“ (zu den drei Weltkugeln) und bekennt sich öffentlich zum Bund der Freimaurer. Gründung der ersten Loge in Wien, der Loge „Aux Trois Canons“, die bereits nach nur sechs Monaten auf Befehl Maria Theresias aufgehoben wird, aber vermutlich weiter besteht. Gründung der ersten Loge in Lemberg. Verbot der Freimaurerei in der Türkei. Gründung einer zweiten Großloge in London, später „Ancients“ genannt, im Gegensatz zu den 1717 gegründeten „Moderns“. Gründung der „Strikten Observanz“ in Deutschland. Gründung der Großloge von Frankreich. Gründung der Großen Nationalloge der Vereinigten Niederlande.

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Gründung der ersten Loge auf kroatischem Boden (Glina). Maria Theresia untersagt allen kaiserlichköniglichen Beamten die Mitgliedschaft bei Freimaurer- und Rosenkreuzer-Bruderschaften; Aufnahme Johann Gottfried Herders in die Loge „Zum Schwert“ in Riga. Gründung der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland in Berlin durch Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf mit einem Ritual auf Basis einer von ihm modifizierten schwedisch-christlichen Lehrart. Aufnahme Gotthold Ephraim Lessings in die Loge „Zu den drei Rosen“ in Hamburg. Gründung des Grand Orient de France. Gründung der Draskovic-Observanz in Ungarn. Kaiser Joseph II. lehnt ab, Freimaurer zu werden; Amerikanische Unabhängigkeitserklärung; Gründung des Illuminatenordens. Gründung der österreichischen ProvinzialGroßloge unter dem Schutz der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland; Gründung der ersten Loge in Innsbruck. Der Philosoph Voltaire wird in Paris in den Bund aufgenommen. Johann Wolfgang von Goethe wird in Weimar in den Bund aufgenommen. Gründung der Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“ (ab 1782 führt Ignaz Born die sogenannten „Übungslogen“ ein). Erste Loge auf steirischem Boden (Gründung in Marburg, übersiedelt 1783 nach Graz).

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Logengründung in Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Wien und den habsburgischen Erblanden. Gründung der Großen Landesloge von Österreich mit sieben Provinzialgroßlogen für Österreich und die habsburgischen Erblande; Wolfgang Amadeus Mozart wird in Wien in den Bund aufgenommen; Kurfürst Karl Theodor von Bayern verbietet alle geheimen Verbrüderungen; Gründung des Großorients von Polen und Litauen; in Wien erscheint erstmals das „Journal für Freimaurer“; in Boston wird die erste Loge für Farbige gegründet (Prince Hall Logen). Joseph Haydn und Leopold Mozart werden in Wien in den Bund aufgenommen; Kaiser Joseph II. erlässt das Handbillet Nr. 1043 „Freimaurer Patent“, mit dem die Zahl der Freimaurerlogen eingeschränkt wird. Uraufführung der Oper „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart in Wien. Einschläferung der letzten noch arbeitenden Logen in Österreich. Verbot der freimaurerischen Zusammenkünfte in den habsburgischen Erblanden und Ungarn. Gründung der dritten preußischen Großloge Royal York, genannt zur Freundschaft in Berlin; Edikt König Friedrich Wilhelms III. gegen alle geheimen Gesellschaften mit Ausnahme der bestehenden drei altpreußischen Großlogen und deren Tochterlogen. Franz II. verbietet neuerlich seinen Beamten,

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einer geheimen Verbindung anzugehören; in Charleston (USA) Gründung des ersten Obersten Rates des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus, danach auch „Mother Council of the world“ bezeichnet. Zar Alexander I. hebt das Verbot von Logen in Russland auf. Gründung der Großlogen von Hamburg, Bayreuth und Sachsen. Die beiden in England bestehenden Großlogen („Moderns“ und „Ancients“ verbinden sich zur Vereinigten Großloge von England). Verbot von Logen in Italien und Spanien. In Deutschland konstituiert sich der Eklektische Bund als Großloge; Gründung der ersten südamerikanischen Großloge in Brasilien. Gründung der ersten zentralamerikanischen Großloge auf Haiti. Gründung der Großloge „Zur Sonne“ in Bayreuth. Franz Liszt wird in Frankfurt/Main in den Bund aufgenommen. Gründung der schweizerischen Großloge „Alpina“. Gründung der Großloge „Zur Eintracht“ in Darmstadt. Gründung der Großen Landesloge von Dänemark. Gründung des Großorients von Portugal. Gründung des Großorients in Italien. Gründung des Großorients von Griechenland und des Großorients von Spanien.

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Gründung der Großloge von Ungarn für die drei Joannisgrade. Gründung der ersten österreichischen „Grenzloge“ wegen der unterschiedlichen Vereinsgesetze in Österreich und Ungarn: Profaner Verein in Wien, rituelle Arbeit auf ungarischem Boden, bis 1918 werden insgesamt 16 solcher Logen gegründet; Gründung des Großorients von Ungarn. Der Grand Orient von Frankreich trennt sich von der regulären Freimaurerei. Gründung der ersten Großloge in Australien. Zusammenführung der beiden ungarischen Großbehörden zur Symbolischen Großloge von Ungarn. Gründung der Großen Landesloge von Norwegen. Antifreimaurer-Kongress in Trient, in dessen Mittelpunkt Leo Taxl steht, der bereits 1885 antifreimaurerische Bücher veröffentlicht, sich jedoch 1897 selbst als Schwindler entlarvt. Antifreimaurer-Tag in Wien unter Vorsitz von Anton Kardinal Gruscha. Eröffnung einer „Freimaurerischen Weltgeschäftsstelle“ in der Schweiz. Gründung der Universala Framasona Ligo, einer Vereinigung Esperanto sprechender Freimaurer, aus der 1913 die Universelle Freimaurer Liga (UFL) hervorgeht, eine internationale Vereinigung von Freimaurern; in Wien lässt das Reichsgericht die Gründung von Freimaurerlogen nicht zu.

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Gründung des Freimaurerbundes „Zur aufgehenden Sonne“ in Nürnberg. Gründung der National-Großloge von Frankreich. Gründung der Großloge von Wien durch vierzehn „Grenzlogen“. Behördliche Auflösung der Symbolischen Großloge von Ungarn; Gründung der Großloge von Jugoslawien in Zagreb. Gründung der (deutschsprachigen) Großloge „Lessing zu den drei Ringen“ in der Tschechoslowakei; Gründung der norwegischen Großloge „Polarstjernen“. Gründung der Association Maconnique International (AMI), einer internationalen Vereinigung von Großlogen; Gründung der National-Großloge von Polen. Gründung der National-Großloge der Tschechoslowakei; Gründung der National-Großloge von Rumänien. Verbot der Freimaurerei in Italien; Gründung der Großloge von Finnland; Gründung des Großorients von Rumänien. Die Vereinigte Großloge von England veröffentlicht die acht Grundprinzipien („Basic Principles“) als Grundlage für die Anerkennung einer Großloge (1989 in einer aktualisierten Neufassung veröffentlicht). Gründung der Symbolischen Großloge von Deutschland. Die deutschen Großlogen lösen sich entweder selbst auf oder versuchen, sich durch Umbenennung als national-christliche Orden zu

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erhalten; 1934–46 werden auch diese Vereinigungen von den Machthabern verboten. In der Schweiz wird mit einer Volksabstimmung ein Verbot der Freimaurerei abgelehnt. Verbot der Freimaurerei in Österreich. Beginn der Wiedererrichtung von Freimaurerlogen und Großlogen in Deutschland und Österreich. Beschluss der Vereinten Nationen über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Gründung der Vereinigten Großloge der Freimaurer (später A.F.A.M.) von Deutschland durch 174 Logen aus insgesamt neun Großlogen, 1955 wird eine „Magna Charta der deutschen Freimaurer“ veröffentlicht. Das Buch „Die Johannisfreimaurer“ des österreichischen Großmeisters Bernhard Scheichelbauer wird vom Vatikan auf den Index verbotener Bücher gesetzt. Gründung der „Vereinigten Großlogen von Deutschland“, einem Verbund, dem fast alle in Deutschland arbeitenden Großlogen angehören und dem sich bis 1970 alle anderen Großlogen anschließen. „Lichtenauer Erklärung“ zum Dialog zwischen Kirche und Freimaurerei. Gründung des österreichischen FreimaurerMuseums auf Schloss Rosenau. Die deutsche Bischofskonferenz erklärt die Unvereinbarkeit von Kirche und Freimaurerei. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre, der Eintritt in die Freimaurerei

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habe die Exkommunikation zur Folge, diese Erklärung wird am Vorabend des Inkrafttretens des neuen Codex Iuris Canonici wiederholt. Das neue Kirchenrecht, der Codex luris Canonici, tritt in Kraft, eine ausdrückliche Erwähnung der Freimaurerei erfolgt nicht mehr, nach wie vor unterliegen kirchenfeindliche Organisationen der Exkommunikation. Wiedererrichtung der Symbolischen Großloge von Ungarn. Wiedererrichtung einer Großloge der Tschechoslowakei und einer Großloge von Jugoslawien (Belgrad). Wiedererrichtung einer Großloge in Russland. Wiedererrichtung einer Nationalen Großloge von Rumänien. 60. Weltkongress der Universellen Freimaurer-Liga (UFL) in Wien. Gründung der Großloge von Kroatien. Gründung der Großloge von Slowenien. Der Primas der anglikanischen Kirche bezeichnet die Freimaurerei als unvereinbar mit dem Christentum. Gründung der Großloge von Lettland.

Weiterführende Literatur

Aus einer Fülle von einschlägiger Literatur verweist der Autor auf folgende Bücher, die zum Teil als Quelle benutzt wurden. Die Liste wurde von Univ.-Prof. Helmut Reinalter im Zuge der Neuauflage aktualisiert. Abafi (Aigner), L.: Geschichte der Freimaurerei in Österreich-Ungarn, 5 Bände (Budapest 1890–1899) Adler, M.: Die Söhne der Finsternis (Jestetten 1975) Appel, R./Möller, D.: Was ist Freimaurerei? (Hamburg 1975) Baresch, K.: Katholische Kirche und Freimaurerei (Wien 1983) Bauer, W. (Hrsg.): Lexikon der Symbole (Wiesbaden 1985) Baurnjöpel, J.: Freimaurerhandschrift aus dem 18. Jahrhundert (Faksimile-Ausgabe Graz 1986) Biedermann, H.: Das verlorene Meisterwort (Graz/Wien/Köln 1986) Binder, D.: Die diskrete Gesellschaft (Graz/Wien/Köln 1988) Bokor, Ch. v.: Winkelmaß und Zirkel (Wien/München 1980) Dierickx, M.: Freimaurerei – Die große Unbekannte (Hamburg 1975) Frick, K. R. H.: Die Erleuchteten (Graz 1973) Frick, K. R. H.: Licht und Finsternis, 2 Bände (Graz 1975/78) Hendrikson, K. H.: Freimaurerische Lebenskunst (Stuttgart 1991) Holtorf, J.: Die verschwiegene Bruderschaft (München 1983) Kataloge der Freimaurer-Museen Rosenau und Bayreuth Kloss, G.: Geschichte der Freimaurerei in England, Irland und Schottland (Leipzig 1848, Nachdruck Graz 1971) Kloss, G.: Geschichte der Freimaurerei in Frankreich, 2 Bände (Darmstadt 1852–53, Nachdruck Graz 1971)

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Weiterführende Literatur

Kosellek, R.: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt Kues, G./Scheichelbauer, B.: 200 Jahre Freimaurerei in Österreich (Wien 1959) Lachmann, H./Schiffmann, G. A.: Hochgrade der Freimaurerei (Braunschweig 1866 und Leipzig 1878 und Leipzig 1882, Nachdruck von drei Werken in einem Band Graz 1974) Lennhoff, E.: Die Freimaurer (Wien/München 1981, Nachdruck der Ausgabe von 1929) Lennhoff, E./Posner, O.: Internationales Freimaurer-Lexikon (Graz 1965, Nachdruck der Ausgabe von 1932) Lessing, G. E.: Ernst und Falk – Gespräche für Freimaurer (Hamburg 1981) Lindner, D.: Ignaz von Born – Meister der Wahren Eintracht (Wien 1986) Lindner, E. J.: Die königliche Kunst im Bild (Graz 1976) Mellor, A.: Logen – Rituale – Hochgrade (Graz 1976) Mellor, A.: Unsere getrennten Brüder – Die Freimaurer (Graz 1964) Miers, H. E.: Lexikon des Geheimwissens (Augsburg 1986) Neuberger, H.: Freimaurerei und Nationalsozialismus, 2 Bände (Hamburg 1980) Oberheide, J.: Logengläser (Graz 1983) Reinalter, H.: Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa (Frankfurt 1983) Rogalla von Bieberstein, J.: Die These von der jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung (Bern 1976) Rosenstrauch, E.: Freimaurerei im Josephinischen Wien (Wien 1975) Scheichelbauer, B.: Die Johannisfreimaurerei (Wien 1953) Valmy, M.: Die Freimaurer (München 1988) Vogel, Th.: Die ungeschriebenen Gesetze der Freimaurerei (Frankfurt/ Main 1950) Zirkel und Winkelmaß, Katalog zur Ausstel-

Weiterführende Literatur

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lung „200 Jahre Große Landesloge der Freimaurerei“ (Wien 1984) Zörrer/Klein/Gallob: Bruder Wolfgang Amadeus Mozart, Katalog des österreichischen Freimaurermuseums, Schloß Rosenau, Sonderausstellung 1990/91 Ergänzungen von Helmut Reinalter Bernardo, G. d.: Die Freimaurer und ihr Menschenbild (Wien 1989) Bokor, C. v.: Die Geschichte der Freimaurer (Wien 1980) Patka, M. G.: Österreichische Freimaurerei im Nationalsozialismus (Wien 2010) Patka, M. G.: Freimaurerei und Sozialreform (Wien 2011) Reinalter, H. (Hg.): Die Aufklärung in Österreich. Ignaz von Born und seine Zeit (Frankfurt /M. 1991) Reinalter, H. (Hg.): Freimaurerei und europäischer Faschismus (Innsbruck 2009) Reinalter, H.: Aufklärung, Humanität und Toleranz. Die Geschichte der österreichischen Freimaurerei im 18. Jahrhundert (Innsbruck 2017) Reinalter, H. (Hg.): Freimaurerei. Geheimnisse – Rituale – Symbole. Ein Handbuch (Leipzig 2017) Reinalter, H. (Hg.): Handbuch der Verschwörungstheorien (Leipzig 2018) Reinalter, H.: Freimaurerei, Politik und Gesellschaft. Die Wirkungsgeschichte des diskreten Bundes (Leipzig 2018) Reinalter, H.: Verbot, Verfolgung und Neubeginn. Die Geschichte der österreichischen Freimaurerei im 19. und 20. Jahrhundert (Innsbruck 2021) Snoek, J. A. M.: Einführung in die westliche Esoterik, für Freimaurer (Zürich 2011)

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Abb. 4

Abb. 5

Unbekannt, Innenansicht einer Wiener Freimaurerloge, um 1785, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: 47927, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/5/) Thomas Rowlandson, Freimaurerloge, Great Queen Street, London, 1. Oktober 1808, The Metropolitan Museum of Art, New York, The Elisha Whittelsey Collection, The Elisha Whittelsey Fund, 1959, Inventarnummer: 59.533.1671(23) (https://www.metmuseum.org/art/collection/ search/744455) Nach Thomas Rowlandson (?), Versammlung in der Freimaurerloge, Great Queen Street, London, 1800–1820, The Metropolitan Museum of Art, New York, The Elisha Whittelsey Collection, The Elisha Whittelsey Fund, 1959, Inventarnummer: 59.533.1159 (https://www.metmuseum.org/art/collection/search/823854) Unbekannt, Karte mit Freimaurersymbolen, ca. 1876, herausgegeben von Currier & Ives New York, Library of Congress, Washington, Prints & Photographs Division, Reproduktionsnummer: LC-DIG-pga-09434 (https://www.loc.gov/ item/2002710037/.) Unbekannt, Freimaurerschurz mit Freundschaftstempel, 1701–1800, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: 169926, Foto: Birgit und Peter

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Abb.6

Abb. 7

Abb. 8

Abb. 9

Abb. 10

Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/343749/) Unbekannt, Freimaurerschurz der Prince Hall Grand Lodge of Massachusetts, spätes 18. Jahrhundert, Sammlung des Smithsonian National Museum of African American History and Culture, Schenkung der Worshipful Prince Hall Grand Lodge of Massachusetts, Inventarnummer: 2013.71.1abc (https://www.si.edu/ object/masonic-apron-prince-hall-grand-lodge -massachusetts:nmaahc_2013.71.1abc?edan_q=freemason&oa=1&edan_fq%5B0%5D=media_usage:CC0&destination=/search/collection-images&searchResults=1&id=nmaahc_2013.71.1abc) Franz Anton Zauner, Genius Bornii, 1785, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: 29920, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https:// sammlung.wienmuseum.at/en/object/85644/) Unbekannt, Freimaurerabzeichen (Beamtenabzeichen), Schlüssel für den Schatzmeister oder den Schaffer, 1701–1800, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: 42110/1, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/en/object/110605/) Unbekannt, Freimaurerabzeichen (Beamtenabzeichen), Schlüssel für den Schatzmeister oder den Schaffer, 1701–1800, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: 42110/2, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/en/object/110606/) Unbekannt, Freimaurerabzeichen (Beamtenabzeichen), Feder für den Sekretär, 1701–1800, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: 42111/1, Fo-

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to: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https:// sammlung.wienmuseum.at/en/object/110607/) Abb. 11 Unbekannt, Freimaurerabzeichen (Bijou), Hexagramm „Royal Arch“, 1784, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: 42114/1, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung. wienmuseum.at/en/object/112198/) Abb. 12 Unbekannt, Pendant mit freimaurerischen Symbolen, 1758, aus South Staffordshire, Großbritannien (?), The Metropolitan Museum of Art, New York, Nachlass von R. Thornton Wilson 1977, Inventarnummer: 1977.216.49 (https://www.metmuseum. org/art/collection/search/206664) Abb. 13 Freimaurerabzeichen, 1826, graviert von C. Foote (?), Bridgeport, Connecticut, USA, The Metropolitan Museum of Art, New York, Susan and Jon Rotenstreich Gift 2000, Inventarnummer: 2000.544 (https://www.metmuseum.org/art/collection/search/16794) Abb. 14 Gabriel Decker (Lithograf ), L. T. Neumann k.k. Hof-Kunsthandlung (Verlag), W. A. Mozart, vor 1855, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: W 459 (https://sammlung.wienmuseum.at/ objekt/449345/) Abb. 15 Rudolf Hoffmann (Lithograf ), F. Paterno (Verlag), Joseph Stoufs (Drucker), „GÖTHE“, um 1850– 1860, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: W 2222 (https://sammlung.wienmuseum.at/ objekt/365031/) Abb. 16 Unbekannt, „G. E. Lessing.“, um 1801–1833, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: W 3881 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/417666/)

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Abb. 17

Unbekannt, „Franz Stephan Herzog von Lothringen“, vor 1765, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: W 2574 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/379116/) Abb. 18 Johann Jakob Kleinschmidt (Kupferstecher), „FRIEDRICH II. König in Preußen, Marggraf zu Brandenburg, des Heil. Röm. Reichs Erz-Kämmerer und Churfürst“, vor 1772, Sammlung Wien Museum, Inventarnummer: W 1901 (https:// sammlung.wienmuseum.at/objekt/350053/) Abb. 19 Gilbert Stuart, George Washington, 1795 begonnen, The Metropolitan Museum of Art, New York, Rogers Fund 1907, Inventarnummer: 07.160 (https://www.metmuseum.org/art/collection/ search/16584) Abb. 20 Unbekannt, Henry Dunant, CC BY 4.0, Wellcome Library no. 12658i; https://creativecommons. org/licenses/by/4.0/ (https://wellcomecollection. org/works/a9prugum/images?id=gczxugf5) Abb. 21 Unbekannt, Giacomo Puccini, ca. 1908, A. Dupont, New York, Library of Congress, Washington, Prints & Photographs Division, Reproduktionsnummer: LC-USZ62-40289 (https://www. loc.gov/pictures/item/2005685154/) Abb. 22 Unbekannt, Sir Alexander Fleming, CC BY 4.0, Wellcome Collection; https://creativecommons. org/licenses/by/4.0/ (https://wellcomecollection. org/works/k4ezny6h) Abb. 23 Unbekannt, Annie Besant (1849-1933), CC BY 4.0, Wellcome Collection; https://creativecommons. org/licenses/by/4.0/ (https://wellcomecollection. org/works/u7kcygnt)



WIE FREIMAURER DIE GLOBALE POLITIK UND GESELLSCHAFT BEEINFLUSST HABEN

Helmut Reinalter Freimaurerei, Politik und Gesellschaft Die Wirkungsgeschichte des diskreten Bundes 2018. 255 Seiten, gebunden € 25,00 D | € 26,00 A ISBN 978-3-205-20038-3 E-Book | E-Pub € 15,99 D | € 16,50 A

Über die Wirkungsgeschichte der Freimaurerei im gesellschaftlichen und politischen Entwicklungsprozess seit der Frühen Neuzeit gibt es wenige fundierte wissenschaftliche Untersuchungen. Verschwörungstheorien, in denen die Freimaurer zu Sündenböcken für alles Mögliche gemacht wurden jedoch unzählige. Welchen Einfluss die Freimaurer auf Politik, Gesellschaft und Kultur im Laufe der Jahrhunderte nahmen, das steht im Zentrum dieser gut lesbaren und spannend aufbereiteten geschichtlichen Darstellung. Von besonderem Interesse sind für den Autor die Wechselbeziehungen des Freimaurerdenkens mit den geistigen Strömungen der jeweiligen Zeit. So versteht sich das Buch auch als eine aufschlussreiche Ideen- und Sozialgeschichte der Bruderkette.