Die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns 3402105659, 9783402105658

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Die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns
 3402105659, 9783402105658

Table of contents :
Title
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
Hans-Werner Thönnes: Eröffnungsansprache
Christian Starck: Einführung in die Tagung
Ferdinand Kirchhof: Grundlagen und Legitimation der deutschen Kirchenfinanzierung
Michael Germann: Die kirchliche Vermögensverantwortung nach evangelischem Kirchenrecht
Rüdiger Althaus: Strukturen kirchlicher Vermögen und kirchliche Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche
Claudia Leimkühler: Die Bedeutung von Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung
VERABSCHIEDUNG VON PROFESSOR DR. IUR. UTR. CHRISTIAN STARCK ALS TAGUNGSLEITER DER ESSENER GESPRÄCHE
WEITERE VERÖFFENTLICHUNGEN DER REFERENTEN DES 47. „ESSENER GESPRÄCHS“ ZUM STAATSKIRCHENRECHTUND ZUM THEMENBEREICH DES 47. „ESSENER GESPRÄCHS“
SACHWORTREGISTER
PERSONENREGISTER
VERZEICHNIS DER DISKUSSIONSREDNER

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Vor diesem Hintergrund befasste sich das 47. Gespräch unter der Überschrift „Die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns“ zum vierten Mal in der Geschichte der „Essener Gespräche“ mit den Kirchenfinanzen. Eröffnet wurde die Tagung mit einem staatsrechtlichen Vortrag des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Professor Dr. iur. Ferdinand Kirchhof, zu Grundlagen und Legitimation der deutschen Kirchenfinanzierung. Es folgten zwei kirchenrechtliche Vorträge zum Vermögensrecht der evangelischen und der katholischen Kirche. Abgerundet wurde die Tagung durch einen Vortrag, der sich mit der Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung befasste. Wesentliche Themen in den Vorträgen sowie den sich jeweils anschließenden Aussprachen waren die rechtliche Einordnung der Kirchensteuer, die Ablösung von Staatsleistungen, die Transparenz kirchlicher Haushalte, die Bindung kirchlicher Vermögen an den kirchlichen Auftrag, die Effektivität kirchlicher Finanzaufsicht sowie die Modernisierung der kirchlichen Finanzverwaltung.

Essener Gespräche 47

Hinzu kommen Fragen, die sich die Kirchen selbst stellen müssen: – Wie kann der Haushalt transparenter gestaltet werden? – Wie kann einem Missmanagement vorgebeugt werden? – Wie kann der Umgang mit anvertrauten Fremdgeldern nachhaltig gesichert werden? – Wie kann das öffentliche Vertrauen in eine zuverlässige kirchliche Finanzverwaltung gestärkt werden?

Die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns

Zu den am lebhaftesten diskutierten Themen im Verhältnis von Staat und Kirche gehört seit jeher die Finanzierung der Kirchen. Dabei stehen traditionell vor allem die Kirchensteuer und die Frage ihrer Legitimation im Fokus. In der aktuellen Debatte befinden sich aber zunehmend auch wieder die Staatsleistungen und Dotationen sowie mögliche Kriterien für ihre Ablösung.

Die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns

Ferdinand Kirchhof Grundlagen und Legitimation der deutschen Kirchenfinanzierung

Michael Germann Die kirchliche Vermögensverantwortung nach evangelischem Kirchenrecht

Rüdiger Althaus Strukturen kirchlicher Vermögen und kirchlicher Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche

Claudia Leimkühler Die Bedeutung von Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung

ISBN 978-3-402-10565-8

47

Essen47.book Seite I Mittwoch, 3. Juli 2013 11:25 11

ESSENER GESPRÄCHE ZUM THEMA STAAT UND KIRCHE BAND 47

Essen47.book Seite II Mittwoch, 3. Juli 2013 11:25 11

Essen47.book Seite III Mittwoch, 3. Juli 2013 11:25 11

ESSENER GESPRÄCHE zum Thema STAAT UND KIRCHE (47) Begründet von Joseph Krautscheidt und Heiner Marré Herausgegeben von Burkhard Kämper und Hans-Werner Thönnes

Essen47.book Seite IV Mittwoch, 3. Juli 2013 11:25 11

Für die Zitierung der „Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche“ wird folgende Zitierweise empfohlen: Autor, Titel, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (EssGespr.) mit entsprechender Bandzahl (Erscheinungsjahr), hrsg. von Burkhard Kämper und Hans-Werner Thönnes, Anfangsseitenzahl (konkrete Seitenzahl) bzw. Diskussionsteilnehmer, Diskussionsbeitrag, in: ... (s.o.)

© 2013 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG, werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Druckhaus Aschendorff, Münster, 2013 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ISSN 0720-891X ISBN 978-3-402-10565-8



Essen47.book Seite V Mittwoch, 3. Juli 2013 11:25 11

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Generalvikar Dr. theol. Hans-Werner Thönnes, Essen Eröffnungsansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Einführung in die Tagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. iur. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/Karlsruhe Grundlagen und Legitimation der deutschen Kirchenfinanzierung . . . . . Leitsätze zum Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 34 36

Professor Dr. iur. Michael Germann, Halle-Wittenberg Die kirchliche Vermögensverantwortung nach evangelischem Kirchenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsätze zum Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. theol. Rüdiger Althaus, Paderborn Strukturen kirchlicher Vermögen und kirchliche Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsätze zum Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dipl.-Kffr. Dr. rer. pol. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg Die Bedeutung von Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsätze zum Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Generalvikar Dr. theol. Hans-Werner Thönnes, Essen Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Leitung der Tagung: Professor Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Anhang A. Verabschiedung von Professor Dr. iur. utr. Christian Starck als Tagungsleiter der Essener Gespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Ansprache von Bischof Dr. theol. Franz-Josef Overbeck, Essen . . . . . . . . . . . . .

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II. Dankesworte von Rechtsanwalt Dr. iur. Burkhard Kämper, Düsseldorf/Essen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Dankesworte von Professor Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Dankesworte von Professor Dr. iur. Dr. h.c. Paul Kirchhof, Heidelberg . . . . .

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B. Weitere Veröffentlichungen der Referenten des 47. „Essener Gesprächs“ zum Staatskirchenrecht und zum Themenbereich des 47. „Essener Gesprächs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Verzeichnis der Diskussionsredner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

VII

VORWORT Zu den am lebhaftesten diskutierten Themen im Verhältnis von Staat und Kirche gehört seit jeher die Finanzierung der Kirchen. Dabei stehen traditionell vor allem die Kirchensteuer und die Frage ihrer Legitimation im Fokus. In der aktuellen Debatte befinden sich aber zunehmend auch wieder die Staatsleistungen und Dotationen sowie mögliche Kriterien für ihre Ablösung. Nicht selten wird dabei der historische Kontext ausgespart, auf den diese Finanzierungsformen zurückzuführen sind. Und oft wird ergänzend auf zahlreiche Subventionen insbesondere im Sozial- und Bildungsbereich hingewiesen, die zwar allen Anbietern von Dienstleistungen in diesem Bereich zufließen, im Gesamtzusammenhang aber ein Bild vermitteln können, als seien die Kirchen und Religionsgemeinschaften weitgehend fremd finanziert. Hinzu kommen Fragen, die sich die Kirchen selbst stellen müssen: Wie kann der Haushalt transparenter gestaltet werden? Wie kann einem Missmanagement vorgebeugt werden? Wie kann der Umgang mit anvertrauten Fremdgeldern nachhaltig gesichert werden? Wie kann das öffentliche Vertrauen in eine zuverlässige kirchliche Finanzverwaltung gestärkt werden? Nach der Behandlung der Kirchensteuer beim 4. „Essener Gespräch“ 1969, der staatlichen Religionsförderung beim 6. „Essener Gespräch“ 1971 und der staatlichen Förderung von Gesellschaft und Kirche beim 28. „Essener Gespräch“ 1993 haben sich die „Essener Gespräche“ bei ihrer 47. Tagung am 12./ 13. März 2012 unter der Überschrift „Die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns“ zum vierten Mal mit den Kirchenfinanzen befasst. Den Einführungsvortrag hielt der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, der Tübinger Verfassungs- und Steuerrechtler Professor Dr. iur. Ferdinand Kirchhof, zum Thema „Grundlagen und Legitimation der deutschen Kirchenfinanzierung“. Er begrüßte im Interesse einer besseren Steuerungsmöglichkeit die zunehmende Umstellung kirchlicher Haushaltsführung von der Kameralistik zur Doppik und sprach sich für Gesamtbilanzen von Landeskirchen bzw. Diözesen und Kirchengemeinden aus. Für den Bereich des Sozialund Bildungswesens sah Kirchhof die Kirchen vor allem als Wettbewerber in einem umkämpften Markt und sprach insoweit von „säkularisierter Nächstenliebe“. Kritisch bewertete er die „Hängepartie“ bei den Staatsleistungen, die allerdings infolge der Höhe der zu leistenden Zahlungen im Fall der von der Verfassung gebotenen Ablösung von allen Beteiligten toleriert werde. Bei den sonstigen Subventionen warnte er vor der damit verbundenen freiwilligen Preisgabe an kirchlicher Selbstbestimmung. Die Kirchengutsgarantie sah er als weitgehend ungefährdet an. Recht überraschend stellte Kirchhof sich schließlich bei der Einordnung der Kirchensteuer gegen die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, indem er ihre Qualifizierung als Steuer verneinte und die Kirchensteuer als Verbandslast in Form eines öffentlichrechtlichen Mitgliedsbeitrages klassifizierte, die auch nicht durch staatliche Beleihung, sondern kraft eigener Kompetenz erhoben werde. Am Schluss seines Vortrages entwarf er ein Szenario mit einer Entwicklung vom Kirchensteuer- zum Kirchenabgabenrecht. Insgesamt stellte er der ungefährdeten verfassungsrechtlichen Absicherung der deutschen Kirchenfinanzierung ihre schwindende gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber.

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VIII

Vorwort

In der folgenden Diskussion ging es erwartungsgemäß um die rechtliche Einordnung der Kirchensteuer, daneben aber u.a. auch um die Fragen, ob die Kirchen evtl. gleichheitswidrig benachteiligt werden, wenn sie im Sozial- und Bildungsbereich unter Verweis auf ihre Steuereinnahmen geringere Subventionen erhalten als die so genannten „Armen Träger“ und ob in diesen Bereichen evtl. sogar die Kirchen den Staat fördern und nicht umgekehrt. Die These eines Diskussionsteilnehmers, dass der verfassungsrechtliche Auftrag zur Ablösung der Staatsleistungen infolge von konkordatären Vereinbarungen bereits weitgehend erfüllt sei, wurde vom Referenten mit dem Argument zurückgewiesen, dass dadurch neue Verbindlichkeiten begründet worden seien. Schließlich befassten sich einige Wortbeiträge mit der Frage, wie eine möglichst umfassende Transparenz kirchlicher Haushalte erreicht werden kann, wobei ein Redner darauf hinwies, dass schon die vorhandenen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden. Im zweiten Teil der Tagung ging es um das kirchliche Vermögensrecht, konkret um die Verantwortung und Verwaltung kirchlicher Vermögen. Zunächst sprach Professor Dr. iur. Michael Germann, Staatskirchen- und Kirchenrechtler aus Halle-Wittenberg, über „Die kirchliche Vermögensverantwortung nach evangelischem Kirchenrecht“. Er ging aus von einer Bindung des Vermögens an den kirchlichen Auftrag und einer Beschränkung der Vermögensfähigkeit auf juristische Personen des Kirchenrechts, was allein kirchlicher Selbstbestimmung unterliege. Das staatskirchenrechtliche Interesse an einer geordneten kirchlichen Vermögensverwaltung folge daraus, dass sie die Voraussetzung sei für eine Wirksamkeit kirchlichen Handelns nach den Maßstäben des weltlichen Rechts. Hinsichtlich der grundsätzlichen (Verbands-)Zuständigkeit betonte Germann, dass im Gefüge der kirchlichen Organisationsebenen die – zentrale oder dezentrale – Vermögensverantwortung ein Ausfluss der jeweiligen Leitungsverantwortung sei. Dabei liege nach dem Grundverständnis des evangelischen Kirchenverfassungsrechts die Organzuständigkeit grundsätzlich bei den aus Wahlen hervorgegangenen Organen, den Presbyterien und Synoden, wobei Letztere auf der Ebene der Landeskirchen für die laufende Vermögensverwaltung sowie für grundsätzliche Entscheidungen durch die Zuständigkeiten der konsistorialen Organe (Landeskirchenamt o. ä.) und durch besondere Leitungsorgane (Landeskirchenrat o. ä.) ergänzt werden. Das Instrument der kirchlichen Aufsicht sichert nach Germann eine Einbindung der kirchengemeindlichen Selbstständigkeit in die gemeinschaftliche Vermögensverantwortung. Alleiniger Maßstab aller materiellen Kriterien kirchlicher Vermögensverantwortung sei es schließlich, dass sie dem kirchlichen Auftrag dienen. Im unmittelbaren Anschluss gewährte der Paderborner Kirchenrechtler Professor Dr. theol. Rüdiger Althaus einen Einblick in die „Strukturen kirchlicher Vermögen und kirchliche Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche“. Er gab zunächst einen Überblick über die Vielzahl von kirchlichen Vermögensträgern, die sich über Diözesen und Pfarreien hinaus zur Verfolgung spezifischer Zwecke entwickelt haben (z. B. Fabrikfonds, Stellenvermögen, Pfarrbenefizium, selbständige Stiftungen). Sie seien sowohl nach kirchen- wie auch nach weltlich-rechtlichen Maßstäben eigenständige Rechtspersönlichkeiten, deren bloße Verwaltung nach geltendem Recht dem für das kirchengemeindliche Vermögen zuständigen Organ zukomme. Ähnlich wie bereits in

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Vorwort

IX

dem Vortrag zuvor wurde die Vermögensfähigkeit rein funktional interpretiert und an die Verwirklichung kirchlicher Zwecke geknüpft. Bei der Darstellung der Vertretungs- und Aufsichtsorgane ging Althaus auf die besondere Rechtslage in Deutschland ein: Während nämlich nach allgemeinem Kirchenrecht allein der Pfarrer die Pfarrei im Rechtsverkehr vertritt, fällt diese Aufgabe in Deutschland einem gewählten Gremium zu. Kritisch setzte er sich mit der in Deutschland verbreiteten Praxis der Besetzung des Diözesanvermögensverwaltungsrates mit hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeitenden und der Wahrnehmung der Aufgabe des Konsultorenkollegiums durch das Domkapitel auseinander. Bei den Aspekten der Verwaltung wurde – wiederum vergleichbar mit dem Vortrag zuvor – vor allem auf den kirchlichen Sendungsauftrag und vor diesem Hintergrund auf ihre Zweckdienlichkeit abgestellt. Themen der folgenden Aussprache waren u. a. die von den Referenten unterschiedlich eingeschätzten Zugriffsmöglichkeiten der übergeordneten Ebenen auf das Ortskirchenvermögen (Althaus für die Diözesen: nein – Germann für die Landeskirchen: ja), eine Präzisierung des Unveräußerlichkeitsgrundsatzes bzw. des Veräußerungsverbotes, das Ringen um eine Antwort auf die Frage nach ethisch verantwortbaren Anlageformen, die Frage nach möglichen Grenzen bei der Aufnahme von Fremdkapital sowie die Anfälligkeiten kirchlicher Aufsicht. In Ergänzung dazu erfolgte je ein Schlaglicht auf die aktuelle Situation der Kirchenfinanzierung in Tschechien und die Praxis der Kirchenaufsicht in Spanien. Abgerundet wurde die Tagung durch einen Vortrag von Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. Claudia Leimkühler aus Köln/Hamburg über „Die Bedeutung von Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung“. Sie hob in ihrer – auf die Situation in der katholischen Kirche bezogenen – Darstellung die Informationsfunktion der Kontrolle hervor, die das Erkennen von Abweichungen zwischen Plangrößen und Vergeleichszahlen sowie die Analyse der Ursachen und deren Beseitigung bezweckt. Dabei machte sie deutlich, dass die Funktionsfähigkeit der Kontrollmechanismen in den deutschen Diözesen durch die Berufungspraxis der Mitglieder in die entsprechenden Gremien zum Teil erheblich eingeschränkt ist. Gerade vor diesem Hintergrund maß sie der – inzwischen üblichen – Beauftragung externer unabhängiger Prüfer eine besondere Bedeutung zu, wobei auch für Leimkühler die aus dem Sendungsauftrag und der Zweckbindung des Vermögens abgeleiteten Ziele des jeweiligen kirchlichen Rechtsträgers Maßstäbe der Aufsicht und Kontrolle sind. Dabei sei infolge rückläufiger Kirchensteuereinnahmen und angesichts von Geldwertänderungen über die reine Kapitalerhaltung hinaus als abgeleitetes Ziel eine Kapitalstärkung durch thesaurierte Gewinne anzustreben. Grundvoraussetzung einer effektiven Überwachung kirchlicher Vermögensverwaltung sei ein funktionierendes System der Berichterstattung. Dem entsprächen etwa die Verpflichtung zur Rechnungslegung, die Haushaltspläne, Bilanz und Ergebnisrechnung sowie zum Zwecke der finanzwirtschaftlichen Prognose die Kapitalstruktur- und die Liquiditätsanalyse. Gleichwohl stellte Leimkühler abschließend fest, dass infolge der Freiwilligkeit der Grad an Transparenz und Offenlegung im kirchlichen Bereich sehr heterogen sei und (noch) nicht dem Standard entsprechen, den man vom Kapitalmarkt gewohnt ist.

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X

Vorwort

In der abschließenden Aussprache ging es zunächst um die Fragen der Bekanntmachung kirchlicher Vertretungsregelungen, um die Forderung nach der Einführung eines Risikomanagements sowie um die Reichweite von Aufsicht, die nach Ansicht eines Diskussionsteilnehmers über die reine Kontrolle hinaus auch eine Beratungsfunktion habe. In diesem Zusammenhang wurde auch das Instrument der Visitation angesprochen. Im Kontext einer Erörterung der Praxis kirchlicher Bilanzierung wurde noch einmal die Forderung nach einer konsolidierten Gesamtbilanz aufgegriffen und diese mit einem Konzernabschluss verglichen. Mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit kirchlichen Handelns wurde schließlich die Notwendigkeit einer partiellen Aufgabe kirchlicher Präsenz wie auch der Bildung von Pensionsrückstellungen betont. Besonders hingewiesen sei auf die Ansprachen, die aus Anlass der Verabschiedung von Professor Dr. iur. utr. Christian Starck und der Einführung von Professor Dr. iur. Dr. h.c. Paul Kirchhof als Tagungsleiter der Essener Gespräche gehalten und im Anhang abgedruckt worden sind. Für die umsichtige Schriftleitung gebührt unser Dank einmal mehr Justitiar Rainer Kaschel, Sprockhövel, und bei diesem Band erstmals von Beginn an Rechtsreferendar Daniel Buchholz, Bochum. Essen, im April 2013

Burkhard Kämper

Hans-Werner Thönnes

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Generalvikar Dr. theol. Hans-Werner Thönnes, Essen

Eröffnungsansprache Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr herzlich begrüße ich Sie heute Morgen hier bei uns, wie wir sagen, „auf der Wolfsburg“. Ich freue mich über Ihr Kommen. Mein besonderer Gruß gilt unserem bewährten Tagungsleiter. Sie, verehrter Herr Professor Starck, haben vor wenigen Wochen Ihren 75. Geburtstag feiern dürfen. Dazu gratuliere ich Ihnen von Herzen – und ich denke, ich tue das im Namen des gesamten Auditoriums. Wir wünschen Ihnen Gesundheit und Gottes Segen. Ich freue mich, dass Sie in diesem Jahr zusammen mit Ihrer Gattin, die ich ebenfalls herzlich begrüße, bei uns sind: Herzlich willkommen! Dann begrüße ich unsere Referenten. Wir freuen uns und wissen es zu schätzen, dass mit Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Ferdinand Kirchhof, erstmals ein amtierender Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts zu uns sprechen wird. Als Finanz- und Staatsrechtler stehen Sie genau für die Fragen, die uns bei dieser Tagung bewegen werden. Der Kontakt zu Ihnen, das wird niemanden hier im Saal wundern, wurde hergestellt über unseren langjährigen Berater und mehrfachen Referenten, Ihren Bruder Professor Paul Kirchhof, den ich bei dieser Gelegenheit ebenfalls sehr herzlich begrüßen darf. Ihnen beiden ein herzliches Willkommen! Mit Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Althaus, begrüße ich gewissermaßen einen Nachbarn aus dem Erzbistum Paderborn, der allerdings weit über die Grenzen unserer Region hinaus bekannt ist als Fachmann des katholischen Vermögensrechtes. Herzlich willkommen. Sie, sehr geehrter Herr Professor Germann, sind heute Morgen bei uns und schon seit vielen Jahren regelmäßig unser Mitdiskutant und Teilnehmer, ein ausgewiesener Kenner des Staatskirchenrechtes und des evangelischen Kirchenrechtes. Einen herzlichen Gruß und ein herzliches Willkommen an Sie. Verehrte Frau Dr. Leimkühler, wir haben manche Sitzungen des Verwaltungsrates des Verbandes der Diözesen miteinander erleben und gelegentlich auch für Belebung sorgen können. Sie haben sich schon damals wissenschaftlich und praktisch mit den Fragen der kirchlichen Haushaltsführung beschäftigt. Ich freue mich, dass wir Sie morgen hören dürfen. Herzlich willkommen bei uns. Sehr herzlich begrüße ich neben den Vertreterinnen und Vertretern aus den Hochschulen, den Angehörigen der freien Berufe und der Justiz, der staatlichen und der kirchlichen Verwaltung auch die anwesenden Finanzverantwortlichen aus den Landeskirchen beziehungsweise den Bistümern und Erzbistümern. Sie sind die Garanten dafür, dass das, was wir hier diskutieren, tatsächlich in einen Dialog kommt zwischen Wissenschaft und Praxis. Danke, dass Sie Ihr Interesse bekunden und dass Sie mit uns diskutieren. Wenn sich Politik und Medien in der jüngeren Vergangenheit wieder verstärkt mit den Kirchen beschäftigen, dann geht es neben dem im letzten Jahr hier behandelten kirchlichen Arbeitsrecht meistens um die Fragen der Finan-

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Generalvikar Hans-Werner Thönnes

zen der Kirchen. Ganz aktuell zu erwähnen sind zwei parlamentarische Vorgänge aus der letzten Woche, die auf die Partei „DIE LINKE“ zurückgehen. Einmal gibt es den Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften, der am 29. Februar in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde1, und dann gibt es die Große Anfrage zur finanziellen Ausstattung der Kirchen, die einen Tag zuvor im nordrhein-westfälischen Landtag gestellt wurde.2 In diesen Diskussionen und Debatten wird meistens auf jede Differenzierung verzichtet. Alle kirchlichen Einnahmen werden ohne Rücksicht auf ihre unterschiedliche Herkunft und auf die Rechtsgrundlage zusammengefasst. So soll wohl der Eindruck entstehen, als seien die Kirchen weitgehend staatlich finanziert und verschleierten überdies ihre Finanzausstattung durch intransparente Haushalte. Wir wollen nicht leugnen, dass wir mit unseren Einrichtungen der kulturellen und sozialen Daseinsvorsorge wie Schulen, Kindertagesstätten oder auch Altenpflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, wie alle anderen Träger auch, an den jeweils gesetzlich geregelten Finanzierungssystemen teilhaben; bei den Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen übrigens in einem geringeren Umfang als die sogenannten „armen Träger“. Aber: Dies ist nach unserem Verständnis eben keine Frage der Kirchenfinanzierung. Diese Finanzierungsregelungen gelten für alle Träger. Soweit uns daneben immer wieder die staatlichen Dotationen bzw. Staatsleistungen vorgehalten werden, darf und muss an deren Entstehungsgeschichte erinnert werden. Bei den 38. Essener Gesprächen vor neun Jahren war das hier in diesem Raum Thema.3 Dazu sage ich klar: Sobald der Staat seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachkommt und mit den Kirchen in Verhandlungen über eine Ablösung eintreten will, werden wir uns den dann notwendigen Gesprächen sicherlich nicht verschließen. Und wenn schließlich die Kirchensteuer als ein Privileg der Kirchen bezeichnet wird, so ist auch in soweit auf ihre staatliche Einführung zu verweisen. Den Kirchen ist nicht mehr und nicht weniger ermöglicht worden, als ihre eigenen Mitglieder in Abhängigkeit von deren jeweiliger Leistungsfähigkeit zu einer Abgabe heranzuziehen, von deren Verbindlichkeit letztlich auch der Staat und die Gesellschaft profitieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nächsten eineinhalb Tage gehören diesen und anderen Fragen zu ein und demselben Themenkomplex. Wir wollen uns ohne Tabus mit den Finanzen der Kirchen beschäftigen. Dazu werden wir uns zunächst ihrer Grundlagen und Legitimation vergewissern, be-

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3

Entwurf eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz – StAblG) vom 29.02.2012, Bundestags-Drucksache 17/8791. Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 28.02.2012, Finanzielle Ausstattungen der Kirchen und zugrunde liegende Abkommen mit den Kirchen in NordrheinWestfalen, NRW-Landtags-Drucksache 15/4167. Heiner Marré, Dieter Schümmelfeder und Burkhard Kämper (Hrsg.), Säkularisation und Säkularisierung 1803–2003, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (EssGespr.), Band 38 (2004).

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Eröffnungsansprache

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vor wir uns detailliert mit den Strukturen und Verantwortlichkeiten in den beiden großen Kirchen befassen und uns abschließend der Frage der Effektivität von Aufsichts- und Kontrollmechanismen zuwenden. So darf ich jetzt die 47. Essener Gespräche eröffnen und Sie, Herr Professor Starck, bitten, in bewährter Weise die Tagungsleitung zu übernehmen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Essen47.book Seite 4 Mittwoch, 3. Juli 2013 11:25 11

Professor Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen

Einführung in die Tagung Meine Damen und Herren, ich bedanke mich herzlich für den Geburtstagsapplaus. Die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns sind unser Thema. In so umfassender Weise haben wir das Finanzwesen der Kirchen bisher noch nicht im Rahmen der Essener Gespräche diskutiert. Schaut man zurück, so findet man die Thematik nicht als Ganze, aber in einzelnen Fragen anklingen. Im 4. Essener Gespräch 1969 ging es um Kirchenrecht und Kirchensteuer, um die Frage, wie die Kirchensteuer kirchenrechtlich zu beurteilen ist, unter anderem mit einem Vortrag von Wilhelm Steinmüller, Regensburg.1 Das Thema ist im Augenblick wieder aktuell geworden, weil es von höchster kirchlicher Stelle aufgeworfen worden ist. Im 6. Essener Gespräch 1971 ging es um staatliche Förderung der Religionsgesellschaften mit einem Vortrag von Wilhelm Kewenig.2 Das Thema des 28. Essener Gesprächs 1993 war „Staatliche Förderung von Gesellschaft und Kirche“. Referenten waren damals: Hans Heinrich Rupp, Wolfgang Clement und Dietrich Pirson.3 Diese Aufzählung ist unvollständig, weil es bei vielen Themen der Essener Gespräche am Rande auch um kirchliche Finanzen ging. Besonders erwähnenswert scheint mir aber immerhin noch das 38. Essener Gespräch im Jahre 2003 über 200 Jahre Säkularisation.4 Vortragende waren unter anderem die Herren Hans Maier und Heinrich de Wall, der heute anwesend ist.

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Wilhelm Steinmüller, Kirchenrecht und Kirchensteuer, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (EssGespr.), Band 4 (1970), hrsg. von Joseph Krautscheidt und Heiner Marré, S. 199–232. Wilhelm Kewenig, Das Grundgesetz und die staatliche Förderung der Religionsgesellschaften, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (EssGespr.), Band 6 (1972), hrsg. von Joseph Krautscheidt und Heiner Marré, S. 9–35. Heiner Marré und Dieter Schümmelfeder (Hrsg.), Die staatliche Förderung von Gesellschaft und Kirche, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (EssGespr.), Band 28 (1994), mit den Beiträgen von Hans Heinrich Rupp, Förderung gesellschaftlicher Aktivitäten durch den Staat, S. 5–14, Wolfgang Clement, Politische Dimension und Praxis der staatlichen Förderung der Kirche, S. 41–57, Dietrich Pirson, Die Förderung der Kirchen als Aufgabe des säkularen Staates, S. 83–100. Heiner Marré, Dieter Schümmelfeder und Burkhard Kämper (Hrsg.), Säkularisation und Säkularisierung 1803 – 2003, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (EssGespr.), Band 38 (2004), mit den Beiträgen von Hans Maier, Was war Säkularisation und wie lief sie ab? Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und seine Folgen, S. 7–26, Heinrich de Wall, Die Fortwirkung der Säkularisation im heutigen Staatskirchenrecht, S. 53–79, Franz-Xaver Kaufmann, Gegenwärtige Herausforderungen der Kirchen durch die Säkularisierung, S. 103–125.

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Einführung in die Tagung

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Die Säkularisation und die Wegnahme kirchlichen Vermögens führte zu zwei Erscheinungen, um die es heute gehen wird: nämlich einmal um die regelmäßigen Staatsleistungen als Kompensation, die im Artikel 138 Abs. 1 Weimarer Verfassung, der fortgilt, verfassungsrechtlich gesichert sind, und zweitens etwas später die Kirchensteuer, durch die den Kirchen eine von der Hoheitsgewalt des Staates abgesicherte Finanzierungsquelle erschlossen wurde, die gespeist wird von den Angehörigen der Kirchen. Über die Kirchensteuer, das ist die solide Finanzgrundlage der Kirchen, wird noch zu sprechen sein, zumal von höchster Stelle da Zweifel geäußert worden sind. Das zweite Thema, das heute Nachmittag und morgen Vormittag behandelt wird, ist die kirchliche Vermögensverantwortung und Vermögensverwaltung. Zunächst einmal staatskirchenrechtlich gesehen, haben wir im Artikel 138 Absatz 2 WRV – auch fortgeltend – eine spezielle Vermögensgarantie in Analogie zum Artikel 14 GG für das weltliche Vermögen, also eine Art besonderen Eigentumsschutzes für die Kirchen, und im Artikel 137 Absatz 3 WRV ist das Recht der Selbstverwaltung – unter anderem auch des kirchlichen Vermögens – innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze garantiert. Danach ist erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Kirchen erlaubt, also staatskirchenrechtlich kein Problem, freilich dürften kirchenrechtlich engere Grenzen zu ziehen sein, was wir sicher heute Nachmittag erfahren werden. Das kirchliche Verwaltungsvermögen besteht in Gestalt von Sakralbauten, Pfarrhäusern, Schulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Bibliotheken usw. Das kirchliche Finanzvermögen ist offener und allgemeiner zu behandeln. Es dient nicht nur der Bezahlung der Priester und den sonstigen Gehaltszahlungen, dennoch scheint es nicht gleichgültig zu sein, wie man das kirchliche Finanzvermögen einsetzt, wie man es vermehrt, was im Augenblick die Diskussion um den Verlag Weltbild zeigt. Ich nehme an, dass darauf heute Nachmittag eingegangen wird. Mit der Vermögens- und Finanzverwaltung entsteht das Problem der Aufsicht und der Kontrolle, nicht in dem Sinne, dass der Staat Aufsicht hätte über die kirchlichen Ausgaben; es geht um kircheninterne Kontrolle. Und das scheint mir ein wirklich interessantes Thema zu sein, über das die meisten, die hier versammelt sind, wenig Bescheid wissen. Und wenn man im CIC nachsieht, findet man kaum ergiebige Normen, aus denen man Schlüsse ziehen kann. Nun möchte ich den ersten Redner kurz vorstellen. Herr Ferdinand Kirchhof ist 1950 in Osnabrück geboren. 1969 hat er das Abitur gemacht am Bismarck-Gymnasium in Karlsruhe, weil sein Vater inzwischen Bundesrichter in Karlsruhe geworden war. Normalerweise geht man gleich ins Studium, wenn man studieren will. Herr Kirchhof war aber von 1969 bis 1971 Soldat auf Zeit, hat dann Jura studiert in Freiburg und Heidelberg. Die beiden juristischen Examen hat er 1975 und 1978 jeweils mit „gut“ absolviert. Im Assessor-Examen hat er sogar Platzziffer 1 von ganz Baden-Württemberg erreicht. Er war Assistent bei Professor Hans Schneider, wurde 1981 promoviert mit einer Dissertation über „Die Höhe der Gebühr“5. Er war dann Forschungsreferent am Institut für öffentliche Verwaltung der Verwaltungshochschule in Speyer und hat es in die-

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Ferdinand Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, Berlin 1981.

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ser Position immerhin zum Oberregierungsrat gebracht. 1986 erfolgte die Habilitation für Öffentliches Recht mit einer Arbeit über „Private Rechtssetzung“.6 1986 hat er dann einen Lehrstuhl für Finanz- und Steuerrecht und für Öffentliches Recht in Tübingen errungen. Von ihm liegt, das will ich jetzt nicht im Einzelnen vorführen, eine große Zahl von sehr wichtigen Arbeiten vor: zum Steuerrecht, zum Sozialversicherungsrecht, zum allgemeinen Verwaltungsrecht und auch zum Kirchensteuerrecht. Herr Kirchhof hielt ein Referat auf dem 61. Deutschen Juristentag in Karlsruhe 1996 über den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen.7 Neuerdings kommentiert er die Artikel 83 und 84 im Maunz/Dürig, dem Kommentar zum Grundgesetz, und im Staudinger hat er die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des EGBGB kommentiert. Seit 2007 ist Herr Kirchhof Richter des Bundesverfassungsgerichts und seit 2010 Vizepräsident und Vorsitzender des Ersten Senates. Deswegen sind wir besonders dankbar, dass Sie sich Zeit genommen haben – obwohl morgen schon wieder eine Senatssitzung ansteht, wie Sie mir gestern erzählt haben –, bei uns heute den Vortrag zu halten über das Thema: „Grundlagen und Legitimation der deutschen Kirchenfinanzierung“. Herr Kirchhof, Sie haben das Wort.

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Ferdinand Kirchhof, Private Rechtssetzung, Berlin 1987. Ferdinand Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden zu stärken, Gutachten D zum 61. DJT, München 1996.

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Grundlagen und Legitimation der deutschen Kirchenfinanzierung 1. Kirchen und Geld: Ambivalente Bewertung in den Kirchen 2. Die Bedeutung der Kirchenfinanzen in Deutschland 3. Die Haushaltsstruktur der Kirchen a) Von der Kameralistik zur Doppik b) Einzel- oder Gesamtbilanz? 4. Verfassungsrecht und Akzeptanz der Kirchenfinanzierung a) Klares Verfassungsrecht im Grundgesetz b) Gefahr wegen sinkender Akzeptanz 5. Der Wandel christlicher Tätigkeit in Caritas, Diakonie und Bildung zur säkularisierten Nächstenliebe 6. Staatsleistungen an Religionsgesellschaften nach Art. 138 Abs. 1 WRV a) Inhalt der Garantie b) Ablösungspflicht gegen Erwartung „ewiger Rente“ c) Ratenweise Ablösung durch Befreiung von Landessteuern d) Neue Subventionsverträge 7. Sonstige Staatszuschüsse an Kirchen außerhalb der Staatsleistungen nach Art. 138 Abs. 1 WRV 8. Die Kirchengutsgarantie des Art. 138 Abs. 2 WRV a) Schutzumfang b) Absolute Enteignungsfestigkeit des Kirchenguts? c) Widmungszwecke d) Eigentumsschutz nach Art. 14 GG und Vermögensschutz nach Art. 138 Abs. 2 GG 9. Steuerbefreiung von Zuwendungen Dritter an Kirchen 10. Kirchensteuer a) Kirchensteuer als Verbandslast b) Fehlende Bindung an das Prinzip der Leistungsfähigkeit c) Kirchensteuer durch duae conformes statt durch Beleihung d) Rechtsprechung zur Beleihungsfrage e) Rechtsfolgen

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11. Vom Kirchensteuerrecht zum Kirchenabgabenrecht a) Privatrechtlich und öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaften b) Erosion der Kirchensteuer c) Staatliche Sonderlasten statt Steuern d) Verwerfungen zwischen Einkommen- und Kirchensteuerrecht 12. Resumée

1. Kirchen und Geld: Ambivalente Bewertung in den Kirchen Das Thema „Kirchen und Geld“ kann man aus der Perspektive der Moral betrachten. Dann wird es als „schnöder Mammon“ angesehen, der Kirchen von ihrer Aufgabe wegführt, verweltlicht oder sogar korrumpiert. In der Bibel finden sich Anklänge an diese Bewertung, wenn Jesus Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertreibt1 oder im Bild des Tanzes um das Goldene Kalb.2 Betrachtet man das Thema jedoch als Frage der Nächstenliebe, sieht man in Geld die Spende, die Gutes tut und anderen Menschen hilft. Diese Nächstenliebe durch finanziellen Altruismus finden wir ebenfalls in der Bibel, als Gabe der armen Witwe3 oder des reichen Zöllners Zachäus4 aufgezeigt, die aus ihrem Geldbeutel anderen finanziell helfen. Es gibt aber noch eine dritte Sichtweise, die nüchtern und finanztechnisch ausfällt, nämlich die des Finanzrechts. Sie fußt auf der Notwendigkeit, dass große Organisationen Geld zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen, denn sie müssen Personal entlohnen, Einrichtungen aufbauen und unterhalten sowie soziale Hilfen an Bedürftige auszahlen. Aus dieser Perspektive ist es selbstverständlich, dass die Kirchen Finanzmittel benötigen, wollen sie ihre Glaubensaufgabe in der Realität erfüllen.

2. Die Bedeutung der Kirchenfinanzen in Deutschland Konzentriert man die normative Betrachtung auf die zwei großen – die protestantische und die katholische – Kirchen, so findet man konstitutionelle Sonderregelungen für die Kirchenfinanzierung in Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. WRV, stößt auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und auf einfachgesetzliche Vorschriften des öffentlichen Rechts. Die kleineren Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften sind in Deutschland hingegen privatrechtlich organisiert, so dass auch ihre Finanzierung nicht öffentlichem Recht folgt. Sie werden im Folgenden deswegen ausgeklammert. Die zwei großen Kirchen sind in ihrer Binnenorganisation tief gestaffelt. Es existieren Diözesen oder Landeskirchen, darunter eine Fülle von Gemeinden,

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Matthäus 21, 12. 2. Mose, 32, 2 ff. und Apostelgeschichte 7, 41. Lukas 21, 2 und Markus 12, 42. Lukas 19, 8.

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von Stiftungen und Verwaltungstrabanten in Caritas, Diakonie und Bildung sowie von Wirtschaftsunternehmen und Fonds. Die organisatorische Vielfalt verlangt ein geordnetes Haushaltswesen für die Gesamtaufgabe. Die Kirchen brauchen planbare, stetige Einnahmen, die Ausgaben müssen mit Blick auf das gesamte Finanzvolumen gesteuert werden, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Finanzwesens sind zu sichern. Das Finanzrecht hat also in Deutschland große Bedeutung für die Kirchen. Das Volumen der Haushalte beider großer Kirchen bestätigt dieses erhebliche Gewicht. Zwar sind verlässliche oder vollständige Haushaltsdaten für die Gesamtkirchen schwer zu erhalten. Entweder werden sie in antiklerikaler Absicht tendenziös dargestellt oder sie werden als offizielle Daten partiell unter Verschluss gehalten. Oft geben sie auch nur über eine einzige Diözese oder Landeskirche Auskunft und das Finanzgebaren ihrer Gemeinden, Trabanten, Unternehmen und Fonds fehlt. Aus dem Gesamtbild vorliegender Einzeldaten lässt sich aber die vorsichtige Feststellung wagen, dass der evangelischen und der katholischen Kirche in Deutschland einschließlich ihrer Untergliederungen, aber ohne die Einrichtungen der Diakonie, der Caritas und der Bildung im Jahre 2010 jeweils knapp 10 Milliarden Euro zugeflossen sind. Die Kirchensteuer trägt dazu am meisten bei, nämlich je nach Körperschaft zwischen 40 und 90 Prozent. Hinzu kommen nach grober Schätzung vier Prozent Vermögenseinnahmen, 10 Prozent Gebühren und Entgelte, 15 Prozent Zuschüsse und zwei bis vier Prozent Spenden5, soweit sie überhaupt im Haushalt erfasst werden.6 Die Kirchensteuer bildet überall die Hauptfinanzierungsquelle.7 Die katholische8 und die evangelische Kirche haben daraus im Jahre 2010 jeweils knapp fünf Milliarden Euro erzielt. Wegen der Anbindung an die Einkommens- und Lohnsteuer schwankt das Kirchensteueraufkommen allerdings stark. Bis 1990 war es regelmäßig erheblich angestiegen. Es waren Steigerungsraten bis zu 23 Prozent zu verzeichnen.9 Danach fielen die Einnahmen mit ähnlichen Ausschlägen in einer Sinkrate von bis zu fast acht Prozent pro Jahr.10 Seit 2000 pendeln sie zwischen Steigerung und Verringerung. Die Kirchensteuer ist also eine Haupteinnahmequelle, die eine stetig planbare Finanzierung durchaus erlaubt, aber sich im Aufkommen pro Jahr um bis zu 500 Millionen Euro verschieben kann.

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Zu den Einnahmearten und -volumina vgl. EKD-Statistik 2005; Dietrich Bauer, Finanzwissenschaftliche Rechtfertigungen der Kirchenfinanzen, in: Wolfgang Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche. Studien zu Struktur, Geschichte und Legitimation kirchlicher Ökonomie, München 1989, S. 355 (365 ff.); Hans Diefenbacher, Die Finanzen der Kirchen in längerfristiger Perspektive, in: Lienemann (Hrsg.), ebd., S. 859 (862). Diefenbacher, Die Finanzen der Kirchen (Anm. 5), S. 865 f. Stefan Muckel, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. von Karl Heinrich Friauf und Wolfram Höfling, Band 4, Berlin 2011, Rn. 103 zu Art. 137 WRV. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.07.2011, S. 11. Im Jahr 1971, Verband der Diözesen Deutschlands/Steuerkommission, Entwicklung des Kirchensteueraufkommens, Stand 20.03.2006. Im Jahr 2004, Verband der Diözesen Deutschlands/Steuerkommission, Entwicklung des Kirchensteueraufkommens, Stand 20.03.2006.

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3. Die Haushaltsstruktur der Kirchen Das Haushaltswesen der Kirche steht zurzeit vor zwei Strukturentscheidungen: dem Übergang von der kameralistischen Haushaltsführung zur kaufmännischen, doppischen Buchführung und dem Übergang von der isolierten Einzelbilanz für jede kirchliche Körperschaft zur konsolidierten Gesamtbilanz der Diözesen und Landeskirchen unter Einschluss aller ihr zugeordneten Einheiten. a) Von der Kameralistik zur Doppik Ein kameralistischer Haushalt nach staatlichem Vorbild verzeichnet nur Einnahmen und Ausgaben.11 Er bietet lediglich eine Geldflussrechnung und zeigt allein die aktuelle Liquidität des Haushalts auf. Ihm fehlt die Aussage über das Vermögen einer Körperschaft einschließlich ihrer künftigen Verbindlichkeiten und Lasten, zum Beispiel durch Pensionsverpflichtungen; er zeigt weder den Vermögensverbrauch durch Wertverzehr in Form von Abschreibungen noch Desinvestitionen durch Verkauf von Wirtschaftsgütern auf und er weist auch keine außerordentlichen Erträge aus. Wird ein Haushalt in kaufmännischer Doppik geführt, gibt er hingegen den gesamten Ressourcenverbrauch preis, erteilt Auskunft darüber, wie viel an Wert die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe verzehrt und zeigt den finanziellen Gesamtstatus der jeweiligen Körperschaft, klärt also über die gesamte wirtschaftliche Potenz einer kirchlichen Organisation auf.12 Er spürt Fehlallokationen von Ressourcen auf und ermöglicht eine Steuerung des Finanzwesens nicht nach den Einnahmen (input) sondern nach den zu erfüllenden Aufgaben (output). Die kaufmännische Buchführung erlaubt eine bessere Haushaltssteuerung, weil die Finanzmittel aufgabenorientiert eingesetzt werden können. Deshalb lautet für Staat wie Kirchen die allgemeine Empfehlung der Finanzwissenschaft, ihre Haushalte auf die kaufmännische Buchführung umzustellen. Diesen Weg beschreiten die meisten Kirchen zur Zeit auch; manchen ist der Übergang bereits gelungen.13 b) Einzel- oder Gesamtbilanz? Die zweite Frage, ob man bei Einzelbilanzen für jede kirchliche Körperschaft bleibt oder auf der Ebene der Diözesen und Landeskirchen eine konsolidierte Gesamtbilanz aus den Einzelbilanzen aller Gemeinden und den jeweiligen übergeordneten Einheiten bildet, ist hingegen von den Kirchen noch nicht entschieden worden. Weil Landeskirchen oder Diözesen und ihre Gemeinden grundsätzlich gleiche Aufgaben besitzen und im Verbund erfüllen, ist die Einführung von Gesamtbilanzen zu empfehlen. Schwieriger wird allerdings die Entscheidung, ob

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Vgl. hierzu Rut von Giesen, Ökonomie der Kirche?, Stuttgart 2009, S. 53 f.; Helmut Brede, Grundzüge der öffentlichen Betriebswirtschaftslehre, 2. Auflage, München 2005, S. 190 ff. Vgl. dazu Björn Raupach, Katrin Stangenberg, Doppik in der öffentlichen Verwaltung, 2. Auflage, Wiesbaden 2009. Vgl. zum Beispiel den Haushaltsplan der Erzdiözese Freiburg 2012/2013 und den Wirtschaftsplan des Erzbistums Köln 2012.

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man die Trabanten in Diakonie, Caritas14 und Bildung und die Wirtschaftsunternehmen in eine Gesamtbilanz einbezieht, weil jene jeweils spezifische Aufgaben mit speziellen Anforderungen an das Haushaltswesen erfüllen. Eine Gesamtbilanz, die sie einschließt, würde zwar Aufschluss über die gesamte Vermögenslage der Kirchen geben, aber nur das Bild eines „Mischkonzerns“ aus Einheiten mit unterschiedlichen Aufgaben bieten.

4. Verfassungsrecht und Akzeptanz der Kirchenfinanzierung a) Klares Verfassungsrecht im Grundgesetz Die deutsche Kirchenfinanzierung ist verfassungsrechtlich gut und klar geregelt. Sie funktioniert auch in der Praxis zufriedenstellend. Normative Vorgaben dazu finden sich im Grundgesetz. Die Europäische Union hält sich von Regelungen über die Kirchenfinanzierung zurück. Denn Art. 17 AEUV ordnet in einer seiner seltenen negativen Befugnisbestimmungen an, dass die Union den Status, den die Kirchen in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und nicht beeinträchtigt. Das Grundgesetz regelt die Kirchenfinanzen in der Religionsfreiheit des Art. 4 GG in einem mittelbaren, grundrechtlich-individuellen Ansatz und verstärkt ihn kollektiv-organisationsrechtlich in den Sicherungen des Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. WRV für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften der Kirchen. Finanzrechtliche Bedeutung entfalten vor allem Art. 137 Abs. 6 WRV mit der Kirchensteuerbefugnis und Art. 138 WRV im Schutz der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften und des zweckgebundenen Kirchenvermögens. Vor allem zur Kirchensteuer existiert eine detaillierte, ständige Rechtsprechung, sodass man sie verfassungsrechtlich als weitgehend gesichert betrachten kann. Lediglich Einzelfragen, zurzeit beispielweise das Verhältnis von Kirchenzugehörigkeit und Kirchensteuerpflicht, sind nicht vollständig geklärt. Grundsätzlich kann man aber mit Recht davon ausgehen, dass die Kirchenfinanzierung normativ auf sicherer Basis steht. b) Gefahr wegen sinkender Akzeptanz Gefahr droht den Kirchen und ihrer Finanzierung trotz klarer Verfassungs- und Gesetzesregeln indessen von der sinkenden Akzeptanz in der Bevölkerung.15 Ihre Mitgliederzahlen gehen zurück. Trotz des Zugangs von ca. 6 Millionen

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Für Caritas und Diakonie müssten auch 50.000 Einrichtungen mit 800.000 Arbeitnehmern einbezogen werden; Heiner Marré, Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart, 4. Aufl., Essen 2006, S. 56. Zum Beispiel Wolfgang Clement, Politische Dimension und Praxis der staatlichen Förderung der Kirche, in: Heiner Marré und Dieter Schümmelfeder (Hrsg.), Essener Gespräche zum Thema Kirche und Staat, Band 28, Münster 1994, S. 41–57; Hans Hofmann, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Hans Hofmann/Axel Hopfauf (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz,12. Aufl., Köln 2011, Rn. 35 zu Art. 140 GG m.w.N.; aus der Perspektive der Kirchensteuer zum Beispiel Reinald Meier, Rechtsfragen der Kirchensteuer im Wandel der Gesellschaft seit der Wiedervereinigung Deutschlands, Regensburg 2005, S. 147 ff.; Marré, Kirchenfinanzierung (Anm. 14), S. 79 ff.; Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 103 zu Art. 137 WRV.

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Gläubigen aus den neuen Bundesländern konnten die Kirchen bis zur Jahrtausendwende ihren Bestand von knapp 27 Millionen Gläubigen in Deutschland gerade halten;16 seitdem sinkt er. Die Zugehörigkeit zur Kirche ist also heute keine kollektive Selbstverständlichkeit mehr. Zudem kann Christlichkeit heute nicht mehr mit Kirchlichkeit gleichgesetzt werden17, wie die zahlreichen Freikirchen belegen. Hinzu kommt der Rückzug der Kirchen aus etlichen öffentlichen Bereichen, die ihre Nützlichkeit für die Gesellschaft schwinden lässt. Sie werden deswegen im Alltag der Gesellschaft kaum noch wahrgenommen. So „boomt“ das private Schulwesen ohne Beteiligung der Kirchen. Es werden Waldorfschulen oder musische und sportliche Schulen errichtet, die Kirchen stehen dabei abseits. Im tertiären Bildungsbereich gibt es noch Fortbildungsakademien, denen heutzutage jedoch sogar Volkshochschulen Konkurrenz machen. Im Gesundheitswesen blühen die Privatkliniken auf, während sich die kirchlichen Krankenhäuser organisatorisch und personell zurückziehen. Die Versorgungsund Pflegeprobleme einer alternden Gesellschaft werden hauptsächlich von staatlichen, kommunalen und privaten Trägern gelöst. Trotz Auflösung der Familienverbände und eines entsprechenden Erziehungsbedarfs für die Jugend in Deutschland entstehen kommunale Kindertagesstätten, Betriebskindergärten von Unternehmen, staatliche Ganztagshorte und -schulen, während die Kirchen sich bei dieser Aufgabe zurückhalten. Mit dem Rückgang der Mitgliederzahlen und wegen des Rückzugs der Kirchen aus der Öffentlichkeit mit der Folge geringerer Wahrnehmung als für das Gemeinwesen nützliche Einrichtungen wächst die Gefahr, dass das herkömmliche Verfassungsrecht der Kirchenfinanzierung von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert wird. Es ist nach historischer Erfahrung immer eine schwindende Akzeptanz im Inneren, die rechtlich gesicherte Institutionen zu Fall bringt. Deshalb steht die Finanzierung der deutschen Kirchen normativ zwar auf der gefestigten Basis des Art. 140 GG i.V.m. den Staatskirchenartikeln der Weimarer Reichsverfassung, gesellschaftlich aber auf ganz unsicherem Boden. Hierauf sollte man künftig mehr Bedacht nehmen. Wenn sich das deutsche Volk in Zukunft tatsächlich nach Art. 146 GG eine völlig neue Verfassung geben würde, bin ich mir ziemlich sicher, dass das komfortable Kirchenfinanzierungssystem der Art. 137 und 138 WRV nicht mehr übernommen würde.

5. Der Wandel christlicher Tätigkeit in Caritas, Diakonie und Bildung zur säkularisierten Nächstenliebe Eine zweite Entwicklung in der Gesellschaft führt das deutsche Kirchenfinanzierungssystem zum Teil aus seiner verfassungsrechtlichen Sicherung heraus und in einfachgesetzlich geregelte Entgeltsysteme hinein. Früher erfüllten Kirchen mit eigenem Ordenspersonal, in eigener kirchlicher Organisation und

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Carsten Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, Aschaffenburg 2002, S. 37. Zum Beispiel Magdalene Bußmann, in: Karl Martin (Hrsg.), Abschied von der Kirchensteuer, Oberursel 2002, S. 66 f.

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Finanzierung gemeinnützige Aufgaben in spezifisch christlicher Prägung. Heute wandeln sich diese Tätigkeiten in Caritas, Diakonie und Bildung zunehmend zur säkularisierten Nächstenliebe, die von ökonomischen Zielen überlagert wird, in staatliche Bildungs-, Therapie- und Pflegesysteme eingebettet ist und im Wettbewerb mit privaten Konkurrenten in einem staatlichen Entgeltsystem stattfindet. Das Personal solcher kirchlicher Einrichtungen besteht zum größten Teil aus Arbeitnehmern ohne besonderen Bezug zur Kirche. Sie werden in privatrechtliche Einheiten ausgegliedert und widmen sich einer technisch ausgerichteten Aufgabenerfüllung. So werden kirchliche Krankenhäuser18 und Pflegeeinrichtungen zu Leistungsträgern nach den Sozialgesetzbüchern V und XI und kirchliche Privatschulen zum Alternativangebot für das staatliche Bildungswesen gleich den Waldorfschulen oder privaten, sportlichen oder musischen Gymnasien. Das Auswandern kirchlicher Caritas, Diakonie und Bildung in den weltlichen Bereich zeigt sich zum Beispiel deutlich in der medizinischen Versorgung, die sich auch bei kirchlichen Krankenhäusern primär um Fragen der Technisierung oder ihrer Finanzierung dreht. Die Fachkräfte dafür werden vom Arbeitsmarkt wie bei jedem anderen Krankenhaus angeworben, die Krankenhäuser stehen in einem Gesundheits- und Pflegemarkt mit privaten, gewinnorientierten Wettbewerbern. Im Pflegebereich spricht man bereits kritisch von einer „Pflegesatzdiakonie“19. Noch deutlicher wird das bei Kirchenunternehmen, die sich zwar im öffentlichen Auftreten weiterhin diesen kirchlichsozialen Tätigkeiten zu widmen scheinen, aber in ihrem Verhalten längst zu echten Wirtschaftsunternehmen geworden sind. Ein zurzeit viel diskutiertes Beispiel ist der Weltbildverlag der katholischen Kirche, der sich als Marktführer mit 449 Buchhandlungen, einem Versandbuchhandel und Verlagen mit einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2010/201120 in nichts mehr von einem gewerblichen Buchvertrieb unterscheidet. Es liegt auf der Hand, dass diese säkularisierte Nächstenliebe den politischen Anspruch auf eine herausgehobene Finanzierung vom Staat verliert. Sie verschiebt auch das Recht der Kirchenfinanzierung von Art. 140 GG i.V.m. den Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung in lediglich einfachgesetzliche Regelwerke, die sich an die Kirchen als einen von mehreren Wettbewerbern richten; hier herrschen SGB V und XI sowie Krankenhausfinanzierungs- und Privatschulfinanzierungsgesetze. Sie verbietet Privilegien, weil die Kirchen vom gemeinnützigen Wohltäter zum Marktsubjekt mutieren, welche gleiche Entgelte unter Konkurrenten erhalten. Die vorrangige, normprägende Kraft des konstitutionellen Staatskirchenrechts weicht der einfachgesetzlichen Normierung des staatlichen Sozialleistungssystems.21

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Die Krankenhäuser werden zu fast 90 % aus öffentlichen Mitteln finanziert; vgl. dazu Volker Neumann, Rechtsgrundlagen der finanziellen Beziehungen zwischen Sozialstaat und Diakonie, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirchen (Anm. 5), S. 273 (282). Neumann, ebd., S. 279. Financial Times Deutschland vom 06.10.2011, S. 25. So auch Neumann, Rechtsgrundlagen (Anm. 18), S. 300.

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6. Staatsleistungen an Religionsgesellschaften nach Art. 138 Abs. 1 WRV a) Inhalt der Garantie Etwa zwei bis drei Prozent der Kircheneinnahmen stammen aus den Staatsleistungen an Religionsgesellschaften nach Art. 138 Abs. 1 WRV. Die Auslegung dieser Finanzregelung verharrt weitgehend im wissenschaftlichen Diskurs, denn die Praxis hat sich längst auf die Erwartung einer „ewigen Rente“ nach Art. 138 Abs. 1 WRV eingestellt22, weil ein Bundesgesetz über die Grundsätze der Ablösung der staatlichen Leistungen fehlt und diese Lücke nach herrschender Auffassung eine Ablösung durch die Länder sperrt.23 Man ist sich einig darüber, dass die geschützten Staatsleistungen aus historischer Verflechtung herrühren müssen24, die aus der Trennung von Kirche und Staat in der Säkularisation nach § 63 des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 stammen.25 Damit sind auf der einen Seite nur Leistungen umfasst, die 1919, also zur Zeit des Inkrafttretens der Weimarer Reichsverfassung, aus diesem Grund an die Kirchen geleistet wurden26, nicht aber neue Subventionen oder Zahlungen aus anderen Gründen. Auf der anderen Seite werden von Art. 138 Abs. 1 WRV wiederkehrende Leistungen aller Art erfasst, also auch Deputate, Überlassungen zur Nutzung und Aufwendungsersatz für Gebäudeerhaltung oder für Arbeitsleistungen.27 Der anfängliche Streit, ob zu den Leistungen des Staates auch diejenigen der Kommunen zählen, dürfte heute beigelegt sein.28 Da Kom-

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Vgl. Thomas Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, Tübingen 1995, S. 193 f. Stefan Korioth, in: Theodor Maunz/Günter Dürig/Roman Herzog/Rupert Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Stand Feb. 2003, Rn. 9 zu Art. 138 WRV; Michael Germann, in: Volker Epping/Christian Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar GG, Stand 01.04.2012, Rn. 124 zu Art. 140 GG. Zum Beispiel Peter Axer, Die Steuervergünstigungen für die Kirchen im Staat des Grundgesetzes. Bestandsaufnahme und Legitimation, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 156, Paderborn 1987, S. 460 ff. (469); Josef Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1. Band, 2. Aufl., Berlin 1994, S. 1009 ff. (1020 f). Dazu zum Beispiel Wolfgang Huber, Die Kirchensteuer als „wirtschaftliches Grundrecht“ – Zur Entwicklung des kirchlichen Finanzsystems in Deutschland zwischen 1803 und 1933, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 5), S. 130 (132); Stefan Mückl, Kirchliche Organisation, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VII, 3. Aufl., Heidelberg 2009, § 160 Rn. 48 ff.; Peter Unruh, Religionsverfassungsrecht, Baden-Baden 2009, S. 284. Zum Beispiel Gerhard Czermak, Die Ablösung der historischen Staatsleistungen an die Kirchen – Hinweise zu einem vergessenen Verfassungspostulat und zur religiös-weltanschaulichen Gleichberechtigung, DÖV 2004, S. 110 ff. (111); Gerhard Robbers, Förderung der Kirchen durch den Staat, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts (Anm. 24), S. 867 ff. (868 f). Ernst Rudolf Huber, Die Garantie der kirchlichen Vermögensrechte in der Weimarer Verfassung, Tübingen 1927, S. 62. Czermak, Die Ablösung der historischen Staatsleistungen an die Kirchen (Anm. 26), S. 112; Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften (Anm. 24), S. 1032; Unruh, Religionsverfassungsrecht (Anm. 25), S. 290; vgl. aber noch Thomas Wehdeking, Die Kirchengutsgarantie, München 1971, S. 122.

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munen nicht vorstaatlich vorgefundene und vom Staat nur anerkannte Körperschaften sind, sondern durch ihn organisiert werden, sind sie im Begriff des Staates enthalten. Sie sind Bestandteile des Staates, die zwar Selbstverwaltungshoheit genießen, aber gleichwohl dem öffentlichen Recht unterliegen, vor allem von der Trennung von Staat und Kirchen profitiert haben und somit leistungspflichtig sind. Art. 106 Abs. 9 GG stellt überdies finanzrechtlich allgemein klar, dass Gemeinden und Kreise zum Staat gehören. Zu den Leistungen des Staates i.S.d. Art. 138 Abs. 1 WRV gehören auch indirekte Subventionen, das heißt Befreiungen von Steuern, Gebühren und Beiträgen, soweit sie wegen Verlusts der Staatskirchenstellung bereits 1919 gewährt wurden.29 Denn es macht keinen Unterschied, ob einer Kirche direkt Finanzmittel zugewendet oder ob ihr durch Abgabenerleichterung Zahlungen erspart werden. Es werden aber nicht alle staatlichen Abgabenbefreiungen erfasst, die insgesamt den Kirchen etwa 2,5 Milliarden Euro im Jahr erlassen. Die Rechtsprechung geht zu Recht davon aus, dass nur aus dem Säkularisationsgrund gewährte, herkömmliche Abgabenbefreiungen unter die Garantie fallen, nicht aber diejenigen, die jedermann aus allgemeinen Erwägungen, zum Beispiel die Befreiung von Gerichtsgebühren zur Erleichterung des Zugangs zum staatlichen Gericht, gewährt werden.30 Leistungspflichtig ist der Staat auch nur für seine Leistungen an Kirchen, nicht an ihre Trabanten der Caritas, der Diakonie und der Bildung, es sei denn, die Leistungen an sie seien bereits 1919 unmittelbar den Kirchen gewährt worden. Art. 138 Abs. 1 WRV reicht über die großen Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts hinaus und bezieht sich auf alle „Religionsgesellschaften“. Erfasst werden alle Leistungen, die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhen. Mit dieser umfassenden Definition werden unter anderem staatliche Gewährungen einbezogen, die auf objektivem Recht beruhen. Es muss sich also nicht stets um subjektive Ansprüche handeln. Die Pflicht zur Ablösung bindet den Staat zum vollen Ausgleich der bisherigen Leistungen.31 Obwohl unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung erst Art. 173 WRV erklärte, dass die bisherigen Staatsleistungen bestehen bleiben sollten, war man sich bereits in der Weimarer Republik darüber einig, dass diese Vorschrift lediglich von deklaratorischer Wirkung sei und schon Art. 138 Abs. 1 WRV den Fortbestand der Staatsleistungen anordnete.32

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BVerfGE 191, 13 f.; Gerhard Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches, 14. Aufl., Berlin 1933, Erl. 2 zu Art. 138; Wehdeking, Die Kirchengutsgarantie (Anm. 28), S. 113; Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften (Anm. 24), S. 1026; Robbers, Förderung der Kirchen durch den Staat (Anm. 26), S. 868 f.; Unruh, Religionsverfassungsrecht (Anm. 25), S. 288; anderer Meinung Hans-Jochen Brauns, Staatsleistungen an die Kirchen und ihre Ablösung, Berlin 1970, S. 58 f. BVerfGE 19, 1, 13 ff. Huber, Die Garantie der kirchlichen Vermögensrechte (Anm. 27), S. 93; Axer, Die Steuervergünstigungen für die Kirchen im Staat des Grundgesetzes (Anm. 24), S. 467; anderer Meinung zum Beispiel Axel von Campenhausen/Peter Unruh, in: Hermann v. Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl., München 2010, Rn. 12 zu Art. 138 WRV; zu den Berechnungsproblemen siehe zum Beispiel Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 4), Rn. 103 zu Art. 137 WRV. Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches (Anm. 29), Erl. 1 und 3 zu Art. 173; anderer Meinung Brauns, Staatsleistungen an die Kirchen und ihre Ablösung (Anm. 29), S. 127 ff.

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b) Ablösungspflicht gegen Erwartung „ewiger Rente“ Die Verfassungsnorm enthält einen Verfassungsbefehl33 in Form eines Gesetzgebungsauftrags, der zwar wie so manch anderer im Grundgesetz nicht eingelöst worden ist, aber gleichwohl mit konstitutioneller Kraft bis heute besteht.34 Art. 138 Abs. 1 WRV zielt in erster Linie auf die Entflechtung von Kirche und Staat35 im Finanziellen durch eine einmalige Zahlung. Der Festbetrag kann zwar auch ratenweise36 statt durch eine einzige Überweisung geleistet werden.37 Das fehlende Grundsätzegesetz des Bundes errichtet eine rechtliche Sperre in der für die Ablösung vorgesehenen zweistufigen Rechtsetzung.38 Das Volumen der erforderlichen Ablösungsleistung richtet eine zweite, faktische Barriere gegen die Ablösung trotz des bindenden Verfassungsauftrags auf. Sobald aber der Bund seiner in Art. 138 Abs. 1 WRV unbestreitbar vorgesehenen Pflicht nachkommt und ein Grundsätzegesetz erlässt, wird eine korrespondierende Landesgesetzgebung zur Ablösung unausweichlich. Josef Isensee hat diese aktuelle Wirkung des Art. 138 Abs. 1 WRV treffend als „Bestandsgarantie auf Widerruf“ etikettiert.39 Wegen der laufenden Zahlungen und des großen Volumens an Finanzmitteln, das eine Ablösung erfordern würde, sind alle Beteiligten zurzeit ganz zufrieden mit dieser „Hängepartie“. Sie ist jedoch am stärksten von mangelnder Akzeptanz in der Bevölkerung gefährdet. c) Ratenweise Ablösung durch Befreiung von Landessteuern Man sollte auch Vorsicht im Vertrauen auf den status quo walten lassen. Wenn indirekte Steuersubventionen nach herrschender Auffassung zu den staatlichen Leistungen zählen, die unter dem Schutz des Art. 138 Abs. 1 WRV stehen, gelten solche indirekten Staatsleistungen auch als passende Münze für eine Ablösung. Es käme also durchaus in Frage, dass der Staat diejenigen Steuersubventionen an die Kirchen, die nicht von Art. 138 Abs. 1 WRV geboten sind, zur Ablösung seiner Pflicht aus Art. 138 Abs. 1 WRV umwidmete und sie somit sukzessive durch Ratenzahlung erfüllte. Der Staat könnte solche Steuererspar-

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Brauns, Staatsleistungen an die Kirchen und ihre Ablösung (Anm. 29), S. 64; Heinrich Wolff, Ablösung der Staatsleistungen an die Kirche, ZRP 2003, S. 12 f. (13); Dirk Ehlers, in: Michael Sachs, GG, 6. Aufl., München 2011, Rn. 5 zu Art. 140 GG; von Campenhausen/Unruh, Kommentar zum Grundgesetz (Anm. 31), Rn. 3 zu Art. 138 WRV. von Campenhausen/Unruh, ebd. Wolff, Ablösung der Staatsleistungen an die Kirche (Anm. 33), S. 12 f. Aber nicht durch dauernde Verrentung mit offenem Gesamtbetrag und ohne Auslauffrist; vgl. von Campenhausen/Unruh, Kommentar zum Grundgesetz (Anm. 31), Rn. 13 zu Art. 138 WRV; Korioth, Grundgesetz (Anm. 23), Rn. 13 zu Art. 138 WRV. Zum Beispiel Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften (Anm. 24), S. 1036 f.; Robbers, Förderung der Kirchen durch den Staat (Anm. 26), S. 874; Unruh, Religionsverfassungsrecht (Anm. 25), S. 292. Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches (Anm. 29), Erl. 4 zu Art. 138; anderer Meinung Brauns, Staatsleistungen an die Kirche und ihre Ablösung (Anm. 29), S. 122 f. Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften (Anm. 24), S. 1009, 1017 und 1048.

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nisse der Kirchen also künftig der ratenweisen Ablösung widmen. Ein derartiges Vorgehen setzt allerdings die Verwendung von freiwilligen, zusätzlichen Steuersubventionen voraus, die selbst nicht Staatsleistungen nach Art. 138 Abs. 1 WRV sind; es könnten dafür Befreiungen von Landessteuern eingesetzt werden, weil grundsätzlich40 die Länder leistungspflichtig sind41, und es dürften keine lenkenden, sondern müssten finanzierende Steuersubventionen sein, weil steuerliche Lenkungsbefreiungen niemals eine Entschädigung für einen Rechtsverlust sondern einen Anreiz zu einem bestimmten Verhalten bieten. Ihre Zweckbindung schließt die Umwidmung zu einem zusätzlichen Ablösungsziel aus. Die monetäre Sperre des Art. 138 Abs. 1 WRV ist also bei Einsatz steuerlicher Subventionen leichter zu überwinden als bisher angenommen; Vorsicht beim Vertrauen auf die „ewige Rente“ ist angebracht. d) Neue Subventionsverträge Soweit Verträge zwischen Staat und Kirche die Fortführung von bisher konstitutionell garantierten Subventionen vorsehen, könnten sie gegen das Entflechtungsgebot des Art. 138 Abs. 1 WRV verstoßen. Da Staatsverträge nur die Vertragspartner binden und nicht ohne Weiteres zum geltenden Binnenrecht werden, stoßen sie sich zwar nicht unmittelbar an Art. 138 Abs. 1 WRV. Eine echte Normkollision liegt nicht vor. Es bleiben aber die Bedenken, dass mit dem Abschluss eines solchen Vertrages Bund oder Länder ihre Ablösungspflicht nach Art. 138 Abs. 1 WRV überspielen.42 Auf jeden Fall ist es aber auch nach der Ablösung alter Leistungen verboten, Zuwendungen unverändert auf dem jeweiligen Rechtstitel weiter zu leisten und dabei die Kirchen gegenüber anderen Subventionsempfängern zu privilegieren. Wenn der Gesetzgeber indessen aus Gemeinnützigkeitserwägungen einen neuen Haushaltstitel schafft oder Ansprüche auf Zuschüsse nach allgemeinem Subventionsrecht einräumt, ist dagegen nichts einzuwenden.43 Solche Leistungen müssen dann allerdings nach allgemeinen Regeln allen Antragstellern – auch außerhalb der Kirchen – offenstehen, einen Sachgrund für die staatliche Finanzierung privat erfüllter Aufgaben vorweisen und für alle Gemeinschaften gleich ausfallen, die sich im Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bewegen.44

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Zu den Ausnahmen später in Bundeskompetenz übernommener Leistungen siehe Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 12 zu Art. 138 WRV. Zu den Gründen Muckel, ebd., Rn. 11. Korioth, Grundgesetz (Anm. 23), Rn. 12 zu Art. 138 WRV. Zum Beispiel Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften (Anm. 24), S. 1020 f. und 1058 f.; Mückl, Der verfassungsrechtliche Schutz kirchlicher Organisationen (Anm. 25), S. 819. Vgl. Heinrich de Wall, Die Fortwirkung der Säkularisation im heutigen Staatkirchenrecht, in: Essener Gespräche zum Thema Kirche und Staat (EssGespr.), Band 38 (2004), hrsg. von Heiner Marré, Dieter Schümmelfeder und Burkhard Kämper, S. 53 (71 ff.).

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7. Sonstige Staatszuschüsse an Kirchen außerhalb der Staatsleistungen nach Art. 138 Abs. 1 WRV Art. 138 Abs. 1 WRV dient dem Privilegienabbau, verbietet aber keine Begründung neuer Staatsleistungen an die Kirchen.45 Neu begründete Subventionen46 kann die Kirche aber nicht unter Hinweis auf Art. 138 Abs. 1 WRV fordern; sie stehen vielmehr im Ermessen des Staates. Vor allem ist Art. 4 Abs. 1 GG kein Leistungsrecht zur Finanzierung gemeinnütziger Leistungen der Kirche.47 Das Fehlen eines konstitutionell vorgegebenen Anspruchs auf Finanzmittel vom Staat, wenn Kirchen caritative oder edukative, also gemeinnützige Tätigkeiten erfüllen48, muss besonders betont werden, weil in manchen Kirchenkreisen die Vorstellung besteht, es gäbe einen derartigen Leistungsanspruch allein wegen der „guten Tat“. Die Nützlichkeit kirchlicher Tätigkeiten für das Gemeinwesen ist für den Staat allein Sachgrund für die Gewährung von Subventionen49 nach seinem Ermessen, aber keine Pflicht zur finanziellen Unterstützung. Die Kirchen haben allenfalls ein Recht zur Teilhabe an einem Subventionsprogramm in Gleichheit50 unter den Voraussetzungen, dass zum einen der Gesetzgeber überhaupt Leistungen gewährt und zum anderen, dass die Kirche jeweils die Subventionsbedingungen erfüllt. Dann gilt das allgemeine Subventionsrecht, das in erster Linie von Art. 3 GG beherrscht wird51: Es fordert einen sachlichen Zweck für Staatsleistungen. Jeder, der die Subventionsvoraussetzungen erfüllt, erhält nach dem Grundsatz der Selbstbindung des Staates einen Anspruch.52 Er steht immer unter der Voraussetzung verfügbarer Mittel und führt zur Haushaltskontrolle der Rechnungshöfe über deren Verwendung. In der Praxis leiden diese freiwilligen Subventionen außerhalb des Art. 138 Abs. 1 WRV freilich immer an dem Nachteil, dass die staatliche Subvention die Kirche an die Erfüllung fremdgesetzter Zwecke bindet, also letztlich zu einem freiwilligen Verlust

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Mückl, Der verfassungsrechtliche Schutz kirchlicher Organisationen (Anm. 25), S. 819; Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften (Anm. 24), S. 1020 f. und 1058 f.; Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 29 zu Art. 138 WRV; Korioth, Grundgesetz (Anm. 23), Rn. 6 zu Art. 138 WRV. Korioth, Grundgesetz (Anm. 23), Rn. 6 zu Art. 138 WRV; Mückl, Der verfassungsrechtliche Schutz kirchlicher Organisationen (Anm. 25), Rn. 55. BVerfGE 123, 148, 178. So auch Neumann, Rechtsgrundlagen (Anm. 18), S. 277; sehr weit Robbers, Förderung der Kirchen durch den Staat (Anm. 26), S. 876 f. Clement, Politische Dimension und Praxis der staatlichen Förderung der Kirche (Anm. 15), S. 52; Dietrich Pirson, Die Förderung der Kirchen als Aufgabe des säkularen Staates, in: Marré/Schümmelfelder (Hrsg.), Essener Gespräche 28 (Anm. 15), S. 83 (101). BVerfGE 123, 148, 178. Jörn Axel Kämmerer, Abschnitt „Subventionen“, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 3. Auflage, Heidelberg 2007, Band V, § 124, Rn. 43. Vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung BVerwG, NVwZ 2003, S. 1384 f.

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an kirchlicher Selbstbestimmung führt, nur um staatliche Finanzmittel zu erhalten. In begrenztem Ausmaße ergeben sich aus einzelnen Rechtsgrundlagen Finanzierungspflichten des Staates.53 Nach Art. 7 Abs. 4 GG54 besteht eine objektive Pflicht zur finanziellen Förderung von Privatschulen, aus Kirchenverträgen und aus Art. 7 Abs. 3 GG zur Finanzierung staatlichen Religionsunterrichts und theologischer Fakultäten. Auch das einfache Gesetz kann Geldleistungspflichten begründen, wie zum Beispiel im Gesundheitswesen auf Entgelte nach dem SGB V oder in Kirchenverträgen, die im eigenen Tatbestand oder über Paritätsklauseln55 Zahlungspflichten vorsehen.

8. Die Kirchengutsgarantie des Art. 138 Abs. 2 WRV a) Schutzumfang Die Kirchengutsgarantie des Art. 138 Abs. 2 WRV befindet sich rechtlich und praktisch in ruhigem Fahrwasser. Der Schutz des Kirchenguts kommt sowohl den großen Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts als auch allen anderen Religionsgesellschaften und religiösen Vereinen zugute. Art. 137 Abs. 7 WRV56 erweitert den Schutz auf nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften. Im Ergebnis werden alle religiösen und weltanschaulichen Vereinigungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform im materiellen Substrat geschützt. Diese Entscheidung der Verfassung ist konsequent, weil alle Organisationen dieser Art gleichermaßen einen materiellen Unterbau benötigen. Wegen seiner offensichtlichen Parallele zur Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dürfte Art. 138 Abs. 2 WRV künftig kaum Akzeptanzprobleme aufwerfen. Auch ist der Bevölkerung einsichtig, dass Religionsfreiheit den Schutz der dieser Tätigkeit gewidmeten Einrichtungen und Gegenstände verlangt. Art. 138 Abs. 2 WRV zielt auf den Funktionsschutz der Kirchen im materiellen Substrat.57 So wie Art. 14 GG mit dem Schutz des Eigentums eigentlich den Schutz der Freiheit des Eigentümers bezweckt, will Art. 138 Abs. 2 WRV die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG und das Selbstbestimmungsrecht für Religionsgesellschaften nach Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisten.58 Der Schutzgegenstand des „Eigentums und anderer Rechte“ ist breit gefasst und umfasst alle Rechte an Vermögensgegenständen, das heißt Voll- und Teilrechte, Rechte aus dem Zivilrecht und aus dem Öffentlichen Recht sowie Gewährleistungen aufgrund subjektiven und objektiven Rechts.59 Letztlich wird das gesamte Vermö-

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Robbers, Förderung der Kirchen durch den Staat (Anm. 26) S. 875. Peter Badura, in: Theodor Maunz/Günter Dürig/Roman Herzog/Rupert Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, München, Stand Juni 2007, Rn. 98, 130 zu Art. 7. Dazu Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland (Anm. 16), S. 91. Korioth, Grundgesetz (Anm. 23), Rn. 14 zu Art. 138 WRV. Karl-Hermann Kästner, Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Vermögens, in: Listl/ Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts (Anm. 24), S. 891 (892). BVerfGE 99, 100, 120. Vgl. BVerfGE 9, 100, 121.

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gen der Kirchen im Bestand geschützt. Diese weite Gewährleistung erweist sich heute im Hinblick auf die Rechtsprechung zu Art. 14 GG bei öffentlich-rechtlichem Eigentum als notwendig60, weil die zahlreichen Rechte der Kirchen auf Gebrauchsüberlassung oder Nutzung von Bauten und Liegenschaften auf Öffentlichem Recht fußen, aber nicht durch Eigenleistungen der Kirchen verdient sind, wohingegen Art. 14 GG für den Schutz öffentlicher Eigentumsrechte eine nicht unerhebliche Eigenleistung verlangt.61 Hier erfüllt Art. 138 Abs. 2 WRV heute eine wichtige, über den Schutz des Art. 14 GG hinausreichende Gewährleistungsfunktion. Geschützt wird nur der Bestand; eine Begründung von Ansprüchen durch Art. 138 Abs. 2 WRV ist ausgeschlossen.62 b) Absolute Enteignungsfestigkeit des Kirchenguts? Da dem Art. 138 Abs. 2 WRV eine ausdrückliche Enteignungsbefugnis gegen Entschädigung fehlt, wie sie in seinem Pendant Art. 14 Abs. 3 GG verankert ist, taucht die Frage auf, ob kirchliche Objekte enteignungsfest sind oder gegen Entschädigung enteignet werden dürfen.63 Eine völlige Enteignungsfestigkeit wird man aus praktischen Gründen kaum hinnehmen können, wenn zum Beispiel eine Marienstatue auf dem freien Feld dem Bau eines Stausees weichen soll oder ein kirchliches Krankenhaus in eine Sanierungsmaßnahme einbezogen werden muss. Falls der enteignende Staat einen anderen Rechtstitel auf Normhöhe der Verfassung für die Enteignung vorweisen kann, mündet die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Enteignung in die zwischen Grundgesetznormen übliche Konkordanzabwägung.64 Aber nicht alle Enteignungen können eine solche konstitutionelle Befugnis vorweisen. Meist werden sie lediglich unter verfassungsrechtlichen Belangen dem Allgemeinwohl dienen, für die Art. 14 GG allgemein die Enteignung vorsieht, Art. 138 Abs. 2 WRV hingegen nicht. Eine befriedigende dogmatische Konstruktion für die Zulassung von Enteignungen im Schutzbereich des Art. 138 Abs. 2 WRV ist noch nicht gefunden.65 Angeboten wird eine Übernahme der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG, die aber wohl am Fehlen einer entsprechenden Klausel im Normtext des Art. 138 Abs. 2 WRV scheitern dürfte. Eher pragmatisch-konsensual fällt die Konstruktion aus, nur bei unabweisbarem Bedarf des Staates, also nicht zu jedem Gemeinwohlzweck eine Entschädigung zuzulassen, das heißt die dogmatische Lücke – methodisch hilflos und verfehlt – durch eine praktische Dringlichkeit zu ersetzen. In der Praxis dürfte ferner eine Rolle spielen, ob es sich beim Enteignungsobjekt um eine echte res sacra oder eine nur mittelbar Kirchenzwecken dienende Einrichtung handelt; ohnedies flüchten sich bei historischen Gebäuden Religionsgesellschaften schnell in den Denkmalschutz und wehren damit staatliche Zugriffe auf der einfachgesetzlichen Ebene ab.

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Eva-Maria Kremer, Enteignung von Kirchengebäuden, Frankfurt a.M. 2010, S. 39. Zum Beispiel BVerfGE 116, 96, 121; 97, 271, 284; 92, 365, 405. BVerfGE 99, 100, 121. Dafür zum Beispiel Kremer, Enteignung von Kirchengebäuden (Anm. 60), S. 55 ff. Für Letzteres zum Beispiel Kremer, Enteignung von Kirchengebäuden (Anm. 60), S. 74. Offen zum Beispiel Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 44 zu Art. 138 WRV.

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c) Widmungszwecke Noch nicht ganz geklärt ist ferner die Frage, welche Widmungszwecke zum Schutz des Kirchenguts führen. Art. 138 Abs. 2 WRV nennt nur das „für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmte“ Vermögen. Die Kirchenfreiheit soll im materiellen Substrat demnach nur gewährleistet werden, wo es ihren selbstbestimmten, religiösen Zwecken gewidmet ist. Es wird also nicht jegliches Eigentum der Kirchen geschützt.66 Reine Finanzanlagen und Fonds dürften zum Beispiel nur der Garantie des Art. 14 GG unterfallen.67 Lediglich für gewidmetes Stiftungskapital müsste man eine Ausnahme machen, denn hier dient der Kapitalstock mit seinen Erträgen unmittelbar einem bestimmten Zweck der Kirche. Ungeklärt ist ferner, ob das Verwaltungsvermögen der Kirche in die Gewährleistung des Art. 138 Abs. 2 WRV einbezogen ist. Das wird bestritten, weil es dem allgemeinen Verwaltungszweck, nicht einem spezifischen Kirchenzweck gewidmet sei.68 Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kirchen aus Art. 137 Abs. 3 WRV als ratio legis des Art. 138 Abs. 2 WRV führt aber hier zum Einbezug des Verwaltungsvermögens, denn eine Kirche kann ihre religiösen und wohltätigen Zwecke ohne eine materiell ausgestattete Organisation nicht erfüllen.69 Von größerer Bedeutung ist das bis heute noch nicht gelöste Problem, ob der Kirchenschutz nur für die drei Widmungszwecke „Kultus, Unterricht und Wohltätigkeit“ gilt oder ob weitergehend jeglicher Religionsbezug der Widmung genügt. Mit den drei in Art. 138 Abs. 2 WRV genannten Zwecken werden zwar Religionsausübung, Caritas, Diakonie sowie Bildung als wichtigste Aufgaben der Kirchen erfasst. Diese Aufzählung der Zwecke ist jedoch nicht abschließend.70 Entscheidend ist für Art. 4 GG und 137 Abs. 3 WRV letztlich, ob die Zweckbestimmung eine religiöse Motivation durchsetzen und damit der Religionsfreiheit und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen dienen soll; dann muss auch ein korrespondierender, materieller Schutz des Kirchenguts bestehen. Es besteht heute auch Bedarf für eine derartige weite Auslegung; zum Beispiel dürften religiöse Fernsehsender oder Bibelverlage in den Schutz einzubeziehen sein. d) Eigentumsschutz nach Art. 14 GG und Vermögensschutz nach Art. 138 Abs. 2 GG Als letzter ungeklärter Punkt ist noch das Problem zu erörtern, in welchem Verhältnis die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zur Kirchengutsgewährleistung

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Zum Meinungsstand ausführlich von Campenhausen/Unruh, Kommentar zum Grundgesetz (Anm. 31), Rn. 27 ff. zu Art. 138 WRV. Kremer, Enteignung von Kirchengebäuden (Anm. 60), S. 43; Ehlers, GG (Anm. 33), Rn. 8 zu Art. 140 GG. Sehr weit Kästner, Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Vermögens (Anm. 57), S. 901 f. Kremer, Enteignung von Kirchengebäuden (Anm. 60), S. 43; anderer Meinung Korioth, Grundgesetz (Anm. 23), Rn. 16 zu Art. 138 WRV. Ebenso Kästner, Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Vermögens (Anm. 57), S. 901 f.; Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 38 zu Art. 138 WRV; anderer Meinung Ehlers, GG (Anm. 33), Rn. 8 zu Art. 140 GG. Anderer Meinung Kremer, Enteignung von Kirchengebäuden (Anm. 60), S. 43; Ehlers, GG (Anm. 33), Rn. 8 zu Art. 140 GG.

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des Art. 138 Abs. 2 WRV steht. Auf der einen Seite ist der Artikel der Weimarer Reichsverfassung weiter gefasst, weil er Rechte am gesamten Vermögen umgreift, während Art. 14 GG nur das Eigentum schützt. Das könnte beispielsweise unter den Stichworten des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, des goodwills oder der Funktionsstruktur in der Praxis Bedeutung erlangen. Auf der anderen Seite ist Art. 14 GG weiter, weil er jegliches Eigentumsrecht schützt, während Art. 138 Abs. 2 WRV nur Rechte an zu einem bestimmten Zweck gewidmetem Vermögen umfasst. Soweit ein nicht an religiöse Zwecke gebundenes Eigentum besteht, haben die Kirchen also mithin Bedarf an einem Schutz durch Art. 14 GG. Streitig ist ferner, welcher Schutznorm im Einzelfall der Vorrang zukommt. In der Weimarer Zeit diente Art. 138 Abs. 2 WRV stets als lex specialis, denn er musste die damals aufgrund eines speziellen Reichsgesetzes sonst zulässige entschädigungslose Enteignung nach Art. 153 Abs. 2 Satz 2 WRV für Kirchengut verhindern. Diese Rolle erfüllt jetzt Art. 14 GG, sodass beide Vorschriften parallelen Schutz bieten. Wo heute beide Schutzbereiche eingreifen, hat Art. 138 Abs. 2 WRV als lex specialis für gewidmetes Eigentum den Vorrang, weil er gerade Kirchen schützt. Wo sie sich nicht decken, sind sie jeweils für ihren rechtlichen Schutzbereich getrennt einzusetzen. Geht es also um Vermögen, das nicht als Eigentum zu klassifizieren ist, gilt nur Art. 138 Abs. 2 WRV. Wo Eigentum betroffen ist, dem der spezielle Widmungszweck fehlt, ist ausschließlich Art. 14 GG anwendbar.71

9. Steuerbefreiung von Zuwendungen Dritter an Kirchen Den Kirchen fließen häufig Spenden privater Dritter zu, denen der Staat nach § 10 b EStG Steuerfreiheit gewährt. Damit sind nicht die zwangsweise erhobenen Kirchensteuern gemeint, deren nach Art. 4 GG als religiöses Existenzminimum gebotene Steuerfreiheit den Fiskus zur Zeit jährlich etwa 2,8 Mrd. Euro kostet72 und die nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgaben abgezogen werden dürfen, sondern die freiwilligen Spenden eines privaten Dritten, die von der Steuer befreit werden. Eine derartige Befreiung kann nicht unter Hinweis auf Art. 138 Abs. 1 WRV verfassungsfest gemacht werden.73 Es handelt sich nicht um – auch mittelbare – Zahlungen des Staates. Das Spendenaufkommen hat nichts mit der Entflechtung von Staat und Kirche zu tun. Man kann diese Spenden deshalb nicht argumentativ in eine Staatsleistung ummünzen und so verfassungsrechtlich festigen. Steuerlicher Begünstigungszweck ist die Freigibigkeit Dritter; deren Steuerpflicht wird durch die Spende gemindert. Diese Spenden sind schon gar nicht dem Schutz des Art. 138 Abs. 2 WRV zuzuschla-

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Kästner, Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Vermögens (Anm. 57), S. 895; von Campenhausen/Unruh, Kommentar zum Grundgesetz(Anm. 31), Rn. 23 zu Art. 138 WRV. Anders zum Beispiel Wehdeking, Die Kirchengutsgarantie (Anm. 28), S. 110. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.07.2011, S. 11. Vgl. dazu eingehend Axer, Die Steuervergünstigungen für die Kirchen im Staat des Grundgesetzes (Anm. 24), S. 470 ff.

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gen74, weil sie monetäre Zuflüsse von dritter Seite an die Kirche bilden, die erst nach Vereinnahmung durch die Kirche zu deren Vermögen werden. Solche Steuerbefreiungen stehen also nicht unter verfassungsrechtlichem Schutz, sondern werden vom Staat nach Ermessen gewährt. Sachgründe, wie die allgemeine Förderung der Religion und gemeinnützige Zwecke, berechtigen ihn zur indirekten Steuersubvention, verpflichten ihn aber nicht dazu. Dasselbe gilt, soweit das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht nach § 10 b EStG i.V.m. § 51 ff. AO – vor allem wegen der Verfolgung kirchlicher Zwecke – Spenden an kirchliche Hilfsorganisationen von der Steuer befreit. Auch hier besteht ein Ermessen des Gesetzgebers, es sei denn, die herkömmliche Steuerbefreiung sei 1919 als Staatsleistung unmittelbar an die Kirchen gewährt und später erst ausgegliedert worden. Erst dann käme wieder eine Garantie nach Art. 138 Abs. 1 WRV in Frage.

10. Kirchensteuer Die Kirchensteuer bildet die Haupteinnahmequelle der Kirchen. Um sie ist in früheren Jahrzehnten viel gestritten worden. Mittlerweile kann man den Streit bis auf wenige Einzelfragen als beigelegt ansehen.75 Die Kirchensteuer befindet sich also auf gesichertem verfassungsrechtlichen Terrain. Dennoch oder vielleicht gerade wegen dieser weitgehenden Übereinstimmung in Literatur und Rechtsprechung sind zwei Grundfragen bisher noch nicht richtig beantwortet worden: die Frage nach der Klassifikation dieser Geldleistungspflicht im Abgabensystem und das Problem der Einordnung der kirchlichen Befugnisse bei der Steuererhebung. Beides sind Rechtsfragen, die sich nicht nur in einer wissenschaftlich korrekten Einordnung erschöpfen, sondern sogleich mit ihrer Klassifikation zu rechtlich bindenden Konsequenzen führen. Denn Rechtsbegriffe transportieren immer konkrete Inhalte und Rechtsfolgen. a) Kirchensteuer als Verbandslast Fügt man die Kirchensteuer in das System des staatlichen Abgabenrechts ein, so ist sie entgegen der herrschenden Meinung76 nicht als Steuer sondern als öffentlich-rechtlicher Mitgliedsbeitrag (ganz korrekt: als Verbandslast) zu klassifizieren. Zwar ist die Kirchensteuer heute einfachgesetzlich als Zuschlagsteuer auf die Einkommensteuer als ihrem Maßstab angegliedert worden. Das geschieht aber allein durch die Kirchensteuergesetze der Länder und über § 51 a EStG. Den verfassungsrechtlichen Begriff der Steuer nach Art. 105 ff. GG und § 3 AO erfüllt sie indessen nicht.77 Kirchensteuern werden nicht an Gebietskör-

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So aber Marré, Kirchenfinanzierung (Anm. 14), S. 52. Marré, ebd., S. 46. Zum Beispiel Marré, ebd., S. 45; Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 105 zu Art. 137 WRV. Anderer Meinung Felix Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, Tübingen 2002, S. 143 u. 146 f.; Mückl, Der verfassungsrechtliche Schutz kirchlicher Organisationen (Anm. 25), S. 821.

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perschaften mit umfassender Aufgabenstellung, sondern an Zweckvereinigungen geleistet. Insoweit ähnelt diese Geldleistung den Beiträgen an Rechtsanwalts- oder Industrie- und Handelskammern. Da sie nur von ihren Mitgliedern erhoben wird, handelt es sich auch um keine Gemeinlast, die von jedermann gezahlt wird. Zwar spricht Art. 137 Abs. 6 WRV vom Recht, „Steuern“ zu erheben, und deutet sprachlich damit diese Abgabeart an. Der schnelle historische Kompromiss von 1919 entstand aber in einer Situation, in der unser Abgabensystem noch nicht so stringent durchleuchtet und kategorisiert war wie heute. Vor allem konnte damals mit dem Steuerbegriff gar nicht die zwingende Rechtsfolge transportiert werden, dass die Art. 105 ff. des Grundgesetzes von 1949 gelten sollten. Diese Konsequenz wäre aber heute mit einer verfassungsrechtlichen Klassifikation als Steuer zwingend verbunden. Das Festhalten der herrschenden Meinung an der Klassifikation der Kirchensteuer als echte Steuer erscheint deswegen heute sogar etwas wunderlich: Für die ratio legis des Art. 137 Abs. 6 WRV, den Kirchen hoheitlich erhobene und durchgesetzte Abgaben als Einnahmequelle zur Verfügung zu stellen, ist nur die Qualifikation als Abgabe notwendig, nicht aber eine Klassifikation als Steuer. Ginge man von einem identischen Steuerbegriff in Art. 137 Abs. 6 WRV und den Art. 105 ff. GG aus, so käme man ferner zu offensichtlich systemwidrigen Ergebnissen. Art. 105 GG benötigt den Steuerbegriff, um Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern zu verteilen. Art. 137 Abs. 6 WRV legt selbst fest, dass die Länder für die Kirchensteuergesetzgebung zuständig sind.78 Art. 106 GG verwendet den Steuerbegriff zur Verteilung der Erträge auf Bund, Länder und Kommunen. Eine Kirchensteuer kann nur einer vierten Körperschaft, nämlich der Kirche, zugute kommen. Art. 108 GG regelt, dass eine als Steuer klassifizierte Abgabe von besonderen Finanzbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden zu verwalten ist. Art. 137 Abs. 6 WRV lässt die Verwaltung der Kirchensteuern offen, ermöglicht sie aber auch einer kircheneigenen Finanzverwaltung.79 Warum soll man für die Kirchensteuer am Steuerbegriff der Art. 105 ff. GG festhalten, wenn jene Vorschriften ersichtlich nicht auf die Kirchensteuer passen? Es ist besser, anzuerkennen, dass die durch Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung zwar in Geltung und Rang den Normen des Grundgesetzes gleichstehen, aber ihre Begriffe wegen einer unterschiedlichen Entstehungsgeschichte und Zielsetzung von denen des in den Jahren 1948/49 konzipierten Grundgesetzes abweichen können und folglich Kirchensteuern nach dem materiellen Gehalt als Abgaben zu klassifizieren sind. Legt man das heutige Klassifikationssystem zugrunde, so ist die Kirchensteuer eine Verbandslast, nämlich ein öffentlich-rechtlicher Mitgliedsbeitrag, der ausschließlich von den Mitgliedern einer Kirche erhoben wird. Dieses Mitgliedschaftsprinzip findet sich schon in § 110 II 11 des Preußischen Allgemeinen Landrechts, nach dem die Kirchenmitglieder „zur Unterhaltung der Kirchenanstalten nach den Verfassungen der Gesellschaft beytragen“ mussten, und in

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Als lex specialis zu Art. 105 GG; Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 104 zu Art. 137 WRV. Korioth, Grundgesetz (Anm. 23), Rn. 101 zu Art. 137 WRV.

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der tatsächlichen Ausgestaltung der Kirchensteuer seit 1827.80 Deshalb ist das Aufkommen aus diesen Mitgliedsbeiträgen zweckgebunden zur Finanzierung der jeweiligen Kirchen und liefert keine disponiblen Mittel für den Staatshaushalt. Die Klassifikation als Verbandslast und als hoheitliche Abgabe genügt völlig den Zielsetzungen des Art. 137 Abs. 6 WRV: Die Kirchen können sich durch eine hoheitliche Abgabe, die von ihnen selbst oder vom Staat erhoben und erforderlichenfalls zwangsweise durchgesetzt wird, finanzieren und sich dabei der bürgerlichen Steuerlisten, das heißt der dem Finanzamt vorliegenden Steuererklärungen oder der amtlichen Ermittlungsergebnisse staatlicher Finanzbehörden bedienen. Für diesen Zweck genügt die allgemeine Kategorie der Abgabe; die Einpassung in das Prokrustesbett der Steuer ist nicht erforderlich. Die in einer Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts81 getroffene Feststellung, die Kirchensteuer sei eine echte, von einer Gegenleistung unabhängige und notfalls im Wege des Verwaltungszwangs beizutreibende Steuer, trifft deshalb nicht den Kern dieser Abgabe. Sie ist zwar von einer Gegenleistung im Sinne des Gebühren- und Beitragsrechts unabhängig. Sie bleibt aber dennoch nichtsteuerliche Sonder- und Verbandslast außerhalb dieser beiden Vorzugslasten, weil sie ihren Rechtsgrund in der Mitgliedschaft zur Kirche und der Notwendigkeit findet, die jeweilige Vereinigung finanziell zu unterhalten. Die rechtlich zwingenden Folgen dieser Klassifikation als Verbandslast liegen dann wieder ganz auf der Linie der Verfassungsrechtsprechung: Zulässigkeit der Belastung ausschließlich von Mitgliedern, weil nur sie Verantwortung für ihre Religionsgesellschaft tragen82, und Berechnung der Steuer nach dem Finanzbedarf der Kirchen, weil ein Mitgliedsbeitrag zu ihrer Finanzierung dient. b) Fehlende Bindung an das Prinzip der Leistungsfähigkeit Ein Unterschied zwischen Steuer und Verbandslast ergibt sich allerdings, der aus der Sicht der Selbstverwaltungsfreiheit der Kirchen wichtig ist: Wenn man die Kirchensteuer nicht als Steuer im Sinne der Art. 105 ff. GG definiert, weil sie keine Gemeinlast gegenüber jedermann ist, unterliegt sie auch nicht einer Bemessung nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit.83 Das aus dem staatlichen Steuerrecht übernommene, dort zweifelsohne angebrachte Belastungsargument weicht bei der Kirchensteuer als Sonderlast der Kirchenmitglieder einer Bemessung nach den Finanzbedürfnissen der Kirchen. Das schließt – wie unten noch zu zeigen sein wird – nicht aus, Barrieren gegenüber einer übermäßigen Belastung von Verfassungs wegen zu errichten. Auch bei nichtsteuerlichen Abgaben ist der Staat nämlich an Grundrechte gebunden, zum Beispiel an die Exemtion des menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1

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Huber, Die Kirchensteuer als „wirtschaftliches Grundrecht“ (Anm. 25), S. 133 f.; Bauer, Finanzwissenschaftliche Rechtfertigungen der Kirchenfinanzen (Anm. 5), S. 386. Beschluss v. 19.08.2002 – 2 BvR 443/01 –, NVwZ 2002, S. 1496, 1497. BVerfGE 19, 206, 216. Anderer Meinung Dieter Kleinmann, Probleme und Möglichkeiten bei der Ausgestaltung eines Kirchensteuersystems aus theologischer und ökonomischer Sicht, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirchen (Anm. 5), S. 919 (926).

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GG i.V.m. Art. 20 GG. Er bleibt auch an Art. 3 GG gebunden, jedoch werden bei Sonderlasten andere Differenzierungskriterien zulässig. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, der bei der Gemeinlast der staatlichen Steuer als stets taugliches, sachliches Unterscheidungsmerkmal für unterschiedliche Steuertarife die Leistungsfähigkeit einsetzt, unterscheidet bei Sonderlasten nach anderen Leitlinien. Bei Gebühren und Beiträgen weicht die Leistungsfähigkeit dem Maßstab des angebotenen oder geleisteten individuellen Vorzugs, bei Sonderabgaben der Verantwortung für eine bestimmte Aufgabe, bei lenkenden Gebühren dem Lenkungsziel und bei Kirchensteuern eben dem Zweck, die freie Religionsausübung kollektiv zu finanzieren. Kirchensteuern werden also zutreffend als Verbandslasten in das deutsche Abgabensystem eingepasst. Gerade in der Einordnung als Mitgliedsbeitrag wird deutlich, dass den Kirchen in Art. 137 Abs. 7 WRV nur eine besondere Erhebungsart, nicht aber eine materielle Privilegierung gegenüber anderen Vereinigungen verliehen wurde. Die Vorteile der Kirchensteuer bestehen in ihrer leichteren Erhebung und Durchsetzung. Sie machen die Kirchen unabhängig von Spenden Privater, die mit der Erwartung eines bestimmten Verhaltens verbunden werden, und von auflagengebundenen Staatssubventionen; sie erlauben eine planbare, stetige Haushaltsfinanzierung. Das politische Beharren der Kirchen auf der Kirchensteuer ist aus diesen Gründen auch heute noch legitim. c) Kirchensteuer durch duae conformes statt durch Beleihung Eine zweite Grundfrage der Kirchensteuer ist von der herrschenden Meinung bis heute unzutreffend beantwortet worden, nämlich die These, die Kirchen würden Kirchensteuern immer aufgrund einer staatlichen Beleihung erheben.84 Geht man unbefangen an den Text des Art. 137 Abs. 6 WRV heran, so gibt er nur die Berechtigung, aufgrund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Nach dieser Formulierung und nach der bisherigen Staatspraxis sind drei Varianten der Kirchensteuererhebung zulässig: Zum einen könnte der Staat das gesamte Kirchensteuerrecht selbst regeln, die Steuern selbst erheben und den Ertrag dann an die Kirchen auskehren. Damit wäre dem Recht der Religionsgesellschaft nach Art. 137 Abs. 6 WRV Genüge getan. Diese Variante setzt die Praxis allerdings nicht ein. In einer zweiten Variante wäre der Staat berechtigt, das gesamte Kirchensteuerwesen den Kirchen zu übertragen und ihnen dafür die „bürgerlichen Steuerlisten“ zur Verfügung zu stellen. Diese Variante existiert zurzeit in Bayern85, in anderen Ländern zuweilen beim Kirchgeld. Die dritte Variante bildet den Regelfall in Deutschland: Der Staat erkennt von den Kirchen frei geschaffene Kirchensteuerordnungen im Rahmen seiner Kirchensteuergesetze durch eigenen Geltungsbefehl an und erhebt sie in staatseigener Verwaltung. In der zweiten, bayerischen, Variante kommt es zweifellos zu einer Beleihung der Kirchen, denn sie erheben aus eigener, staatlich übertragener Ho-

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So zum Beispiel Mückl, Kirchliche Organisation (Anm. 25), Rn. 60. Marré, Kirchenfinanzierung (Anm. 14), S. 74; Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 114 zu Art. 137 WRV.

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heitsgewalt die Steuern und setzen sie zwangsweise durch. Dabei sind sie wie jeder Beliehene vollständig und unmittelbar an die staatlichen Grundrechte und an sonstiges staatliches Recht gebunden.86 Diese Variante stellt aber nur den Ausnahmefall dar. Nimmt man sich den Regelfall vor – kirchliche Steuerordnung, staatliche Anerkennung und Erhebung –, so kommt es zu gar keiner Beleihung. Eine Aufgabenbeleihung87 kann man nicht annehmen, denn der Staat weist der Kirche nicht die Aufgabe zu, sich selbst zu finanzieren. Das ist die ureigene Aufgabe der Kirchen selbst und nicht eine zuvor staatliche, die erst auf die Kirchen übertragen werden müsste. Geht man mit der überwiegenden Lehre von einer Befugnisbeleihung aus, so müsste in diesem Modell Hoheitsgewalt auf die Kirchen übertragen werden. Die Realität zeigt aber, dass gar keine Beleihung erfolgt. In dieser Variante formulieren die Kirchen ihre Steuerordnungen in eigener Regie und ohne Aufsicht des Staates. Erst nach der Formulierung der Kirchensteuerordnung folgt gegebenenfalls der staatliche Anerkennungsakt88, das heißt der Staat erlässt den Geltungsbefehl89, dass eine von dritter Seite formulierte Regelung als staatliches Recht gelten solle. Es wird nicht die Kirche als Subjekt beliehen, sondern es werden von ihr formulierte Regeln später in einem getrenntem Verfahrensschritt mit normativer Geltungskraft ausgestattet. Bereits dieser Bezugspunkt des staatlichen Geltungsbefehls erweist das Fehlen einer Beleihung. Die Kirchen üben keine Hoheitsgewalt aus, sondern formulieren ihre Steuerordnung (zuerst noch ohne rechtliche Bindungswirkung). Es müssen wie beim Tarifvertragsrecht der Koalitionsparteien oder beim Satzungsrecht von Verbänden und Vereinen erst duae conformes vorliegen, damit verbindliches Kirchensteuerrecht entsteht: zum einen die kirchliche Steuerordnung als Emanation des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 137 Abs. 3 und Abs. 6 WRV und zum anderen der inhaltlich deckungsgleiche, staatliche Geltungsbefehl, der die kirchliche Regelung als staatliche Norm akzeptiert (und im Folgenden durch seine eigene Finanzverwaltung exekutiert). Die Rechtskonstruktion enthält also keine Beleihung, sondern verhilft mit zwei getrennten Willenserklärungen unterschiedlicher Subjekte einer Kirchensteuerordnung zur Geltung als staatliches Recht. Zuweilen wird dieser Tatbestand negiert und versucht, mit einer anderen Argumentation die Beleihungskonstruktion aufrecht zu erhalten. Da kirchensteuerberechtigte Religionsgesellschaften nach Art. 137 Abs. 6 WRV die Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts aufweisen, sieht man den Beleihungsakt in der Verleihung des Körperschaftsstatus’.90 Diese Auffassung greift argu-

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Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 117 zu Art. 137 WRV. Zu den Formen der Beleihung Ferdinand Kirchhof, Die Rechtsinstitute von Verwaltungshilfe und Beleihung im Sog zunehmender funktionaler Privatisierung, in: Jörn Ipsen/Bernhard Stüer (Hrsg.), Europa im Wandel, Festschrift für Hans-Werner Rengeling, Köln 2008, S. 127 (129). Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 104 zu Art. 137 WRV m.w.N. Ausführlich zur Rechtstechnik, Regeln Dritter durch staatlichen Geltungsbefehl als Bestandteil der Rechtsordnung anzuerkennen, Ferdinand Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, S. 138 ff. m.w.N. BVerfGE 19, 206, 217; 73, 388, 399.

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mentativ zu kurz. Zum einen ist nach der Wesentlichkeitslehre niemals allein ein Körperschaftsstatus Befugnisgrundlage zum zwangsweisen Abgabenzugriff. Im Gegenteil müssen auch andere Körperschaften vom Bund über die Länder bis hin zu Gemeinden und Kammern dafür eine formell-gesetzliche, besondere Zugriffsbefugnis nach außen vorweisen. Zum zweiten wäre die Annahme einer konkludenten Beleihung mit steuerlichen Befugnissen durch Verleihung des Körperschaftsstatus’ gerade bei Kirchen höchst fragwürdig, denn sie haben die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nur wegen der unvollständigen Entflechtung von Kirche und Staat erhalten.91 Sie dient dem Zweck ihrer Selbstverwaltung und ungestörten Religionsausübung, aber nicht dem Ziel, ihnen Staatsqualität oder einzelne Staatsbefugnisse zu geben. Die Konstruktion einer eigenständigen Formulierung von Kirchensteuerordnungen und einer anschließenden staatlichen Anerkennung durch Geltungsbefehl und der nachfolgenden Erhebung durch staatliche Finanzämter genügt vollständig den Zielen des Art. 137 Abs. 6 WRV. Die Kirchen selbst brauchen keine übertragene, staatliche Hoheitsgewalt, um planbar, in hoheitlicher Erhebung und in Verwendung der Steuerakten des Finanzamts zu ihrem Geld zu kommen. Die Vorschriften der Verfassung tragen das Zustandekommen des Kirchensteuerrechts durch duae conformes. d) Rechtsprechung zur Beleihungsfrage Man wird meiner Auffassung eine entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorhalten. Das Bundesverfassungsgericht, soweit es sich überhaupt mit dieser Frage eigenständig befasst hat, hat jedoch wohl eher die herrschende Ansicht von der Beleihung als gegeben vorausgesetzt und dann daraus (leider) Konsequenzen gezogen, aber diese Frage nicht abschließend und als eigenständigen Punkt geprüft. In seinen Grundentscheidungen92 spricht es nur von der Kirchensteuer als vom Staat abgeleitetes und in den weltlichen Bereich hineinwirkendes Hoheitsrecht und erklärt, es sei dem Staat versagt, durch Übertragung hoheitlicher Befugnisse mitzuwirken, soweit eine solche Einflussnahme durch das Grundgesetz verboten ist. Damit wird die bayerische Konstruktion einer Beleihung ermöglicht, aber nicht die Aussage getroffen, dass ausschließlich eine Beleihung erfolgen müsse. Ferner erwähnt das Gericht sogar ausdrücklich, dass die Kirchen in eigener Verantwortung und nach eigenen Kriterien Kirchensteuerordnungen erlassen würden und dann der Genehmigungsvorbehalt den Staatseinfluss (und damit die Grundrechte) sichern würde. Erst die Entscheidung einer Religionsgemeinschaft, die Kirchensteuer als Annex zur staatlichen Einkommensteuer auszugestalten, führe dazu, dass das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch für die kirchliche Entscheidung Bedeutung gewönne. Neben Bemerkungen zur Beleihung ist auch davon die Rede, die Religionsgemeinschaften

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Stefan Mückl, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VII, 3. Aufl. 2009, § 159, Rn. 93 ff. BVerfGE 30, 415; 73, 388, und Beschluss v. 19.08.2002 – 2 BvR 443/01 – NVwZ 2002, S. 1496.

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könnten nicht erwarten, dass der Staat sie bei der Durchsetzung von Maßnahmen unterstütze, wenn hierauf gerichtete staatliche Akte zu einer Grundrechtsverletzung führen müssten. Der Staat müsse deswegen seine Mitwirkung an der Kirchenbesteuerung versagen, wenn dadurch Grundrechte missachtet würden. Das Gericht sieht also durchaus die Möglichkeit einer eigenständigen Kirchensteuerregelung und der anschließenden Anerkennung durch staatlichen Geltungsbefehl und verweist darauf, dass der Staat bei der Anerkennung die Geltung der Grundrechte durchsetzen müsse. Lediglich die Kammerentscheidung vom 19.08.200293, spricht nach einem ausdrücklichen Hinweis, dass der Kirchensteuerbeschluss autonomes Satzungsrecht außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 100 Abs. 1 GG sei, davon, dass das Besteuerungsrecht eine mit der Verleihung des Körperschaftsstatus’ verbundene Befugnis bilde. Dass diese Annahme aber keine rechtliche Basis besitzt, wurde bereits oben dargelegt. e) Rechtsfolgen Diese Rechtskonstruktion des Zustandekommens der Kirchensteuer durch duae conformes als Regelvariante führt zu konkreten Rechtsfolgen. Die Kirchen sind bei der Formulierung ihrer Steuerordnung nicht an die Grundrechte gebunden, weil sie jene noch im Vorfeld normativer Geltung und als grundrechtsberechtigte Körperschaften formulieren. Sie werden zwar zur Erlangung des staatlichen Geltungsbefehls alle Verfassungsvorschriften, die den Staat verpflichten, vorsorglich in ihre Wertungen einbeziehen; einer unmittelbaren Bindung nach Art. 1 Abs. 3 oder 20 Abs. 3 GG unterliegen sie selbst indessen nicht. Wenn der Staat nachfolgend seinen Geltungsbefehl erteilt, muss er dann allerdings sowohl das Selbstbestimmungsrecht und die Religionsfreiheit der Kirchen als auch die Grundrechte der Kirchenmitglieder bedenken. Er übernimmt eine von den Kirchen formulierte Steuerordnung in gleicher Weise wie er Tarifverträgen oder Verbandssatzungen normative Geltung verschafft. Die Grundrechtsbindung kann hier, weil die beteiligten Kirchen sich auf Art. 4 GG und 137 Abs. 3 WRV berufen können, nur in Abwägung mit den Grundrechten der betroffenen Kirchensteuerpflichtigen durchgesetzt werden. Das führt zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte.94 Sie wirken als objektive Wertordnung und als Schutzpflichten, die sich erst bei intensiver Belastung realisieren. Der Grundrechtsschutz der Kirchensteuerpflichtigen wird also bei Erlass des staatlichen Geltungsbefehls berücksichtigt, aber in Konkordanz zur Grundrechtsausübung der Kirchen gesetzt. So wird der Staat zum Beispiel das Existenzminimum wegen seiner zentralen Bedeutung bei der Anerkennung kirchlicher Steuerordnungen strikt wahren95, die Wertungen der Art. 12 oder 14 GG aber nur als objektive Wertordnung oder Schutzpflicht berücksichtigen und bei der Prüfung des Art. 3 GG von dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit absehen. Diese Konstruktion der duae conformes gibt den Kirchen mehr Freiheit,

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2 BvR 443/01 – NVwZ 2002 S. 1496 (1497). Vgl. hierzu Hans-Jürgen Papier, Drittwirkung, in: Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band 2, Heidelberg 2007, § 55. Im Ergebnis ebenso Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer (Anm. 77), S. 360 u. 386.

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belässt dem Staat seine Verantwortung für die Einhaltung der Verfassung und berücksichtigt die Grundrechtsinhaberschaft der steuerberechtigten Kirchen und ihrer steuerpflichtigen Mitglieder in ausgleichender Konkordanz. Es wurde zu Anfang festgestellt, dass die Kirchensteuer in der Praxis bestens funktioniert und für eine planbare und sichere Kirchenfinanzierung sorgt. Wahrscheinlich sind wegen des reibungslosen Funktionierens in den letzten Jahrzehnten in Literatur und Rechtsprechung ihre rechtsdogmatischen Grundlagen etwas vernachlässigt worden. Es wäre deshalb meine Anregung, diese rechtliche Basis neu zu vermessen, auf die Staatspraxis statt auf vorgefasste Rechtskonstruktionen abzustellen und gerade wegen der schwindenden gesellschaftlichen Akzeptanz zumindest eine sichere und verfassungsfeste Basis für die Kirchensteuer vorzuweisen. 11. Vom Kirchensteuerrecht zum Kirchenabgabenrecht a) Privatrechtlich und öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaften Betrachtet man die gesamte Entwicklung der Religionsgemeinschaften in Deutschland und die Bewegungsgesetze des Abgabenrechts, so dürfte das Verfassungsrecht der Kirchenfinanzierung künftig vom Kirchensteuerrecht zum Kirchenabgabenrecht werden. Ich halte das für unproblematisch, weil die Kirchensteuer als öffentlich-rechtlicher Mitgliedsbeitrag ohnedies nicht zum Steuer-, sondern zum Abgabenrecht gehört. Es gibt aber noch weitere Gründe für diese Prognose. Art. 137 Abs. 6 WRV knüpft für die Kirchensteuer an die Organisationsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts an. Andere religiöse Vereinigungen müssen sich durch privatrechtliche Mitgliedsbeiträge oder Spenden finanzieren. Die Zahl der Religionsgesellschaften und ihrer Mitglieder, die keinen Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts aufweisen, wächst zunehmend. Vor allem die islamische Religion mit 3 bis 4 Millionen Mitgliedern in Deutschland kennt keine Oberkirche in der Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern nur Moscheengemeinschaften und einige islamische Verbände, die auf privatrechtlicher Basis deren Zusammenfassung anstreben. Das Kirchensteuerrecht wird mithin immer mehr zum Exklusivrecht einiger weniger Kirchen. Will man die gesamte Kirchenfinanzierung erfassen, muss man ein Gesamtabgabenrecht unter Einschluss privatrechtlicher Beiträge bilden. b) Erosion der Kirchensteuer Außerdem ist die Kirchensteuer einer Erosion ausgesetzt. Als Annex zur Einkommen- und Lohnsteuer96 verliert sie meist die Fähigkeit, ihre Mitglieder zu erfassen, wo das Einkommensteuerrecht auf Quellensteuern übergeht. Bei der Kapitalertragsteuer ist diese Schwierigkeit bereits aufgetaucht. Man hat sie dort noch durch Anbindung der jeweiligen Finanzquelle an ihren Inhaber und des-

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Hans-Jochen Luhmann, Die Entwicklung der Einkommensteuer als Maßstabsteuer der Kirchensteuer in Deutschland, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirchen (Anm. 5), S. 155; Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland (Anm. 16), S. 49.

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sen Religionszugehörigkeit beseitigt. Bei anderen Quellensteuern wie zum Beispiel der Bauabzugsteuer nach §§ 48 ff. EStG ist das kaum noch möglich, denn sie belastet den Unternehmer mit einer Steuer, die an sich sein Subunternehmer, dessen Religion unbekannt ist, zu tragen hätte. Ein weiterer Grund für das Zurückfallen der Kirchensteuer liegt im Übergang des Steuersystems von den Personen- zu den Verbrauchsteuern.97 Die Personen- und Ertragsteuern, also vor allem die Einkommen- und Lohnsteuer, sind mittlerweile in ihren Belastungsvolumina ausgereizt. Verbrauchsteuern werden aber im zivilrechtlichen Preis von Waren und Dienstleistungen unbemerkt auf den Steuerträger überwälzt und bieten dem Fiskus noch Expansionsgelegenheit. Weil die Verbrauchsteuerquellen noch nicht erschöpft sind, gehen die Europäische Union und der deutsche Mitgliedstaat zunehmend auf sie über, um weiteres Steueraufkommen zu erzielen. Vor allem die Europäische Kommission schlägt für die von ihr gewünschte eigene, europäische Steuer ausschließlich Verbrauchsteuern vor, wie die Erwägungen zu den Energie-, CO2-, Emission- oder Finanztransaktionsteuern belegen. Mit einer Verbrauchsteuer, deren Tatbestand sich ausschließlich im Konsum- oder Verkaufsakt und dessen Preis abspielt, ist die Religionszugehörigkeit eines Verbrauchers überhaupt nicht mehr zu erfassen. Verbrauchsteuern eignen sich somit grundsätzlich nicht als Maßstabsteuern für mitgliedschaftsbezogene Kirchensteuern. Je mehr das Steuersystem auf sie übergeht, desto mehr Steuersubstrat geht für die Kirchen verloren. Die Bedeutung der Kirchensteuern in der Form der Annexsteuer zu den Ertragsteuern wird so sinken. c) Staatliche Sonderlasten statt Steuern Ferner weicht der Staat wegen seines zunehmenden Fiskalinteresses auf andere Abgabenarten als Steuern aus.98 Er vermeidet damit die Verfassungsbindungen der Art. 105 und 106 GG. So wurden Anfang des Jahrtausends durch Verleihungsgebühren in Form einer Versteigerung von UMTS-Lizenzen 50 Mrd. Euro für den Bund erlöst, damals etwa ein Fünftel des gesamten Bundeshaushalts. Die Einordnung als Sonderlast statt als Steuer sicherte das gesamte Aufkommen dem Bund. Die LKW-Maut als Benutzungsgebühr geht ebenfalls am System der staatlichen Steuern vorbei und füllt die Kassen des Bundes. Emissionszertifikate werden versteigert, obwohl eine CO2-Steuer durchaus möglich wäre. Die Länder erheben Wasserpfennige, um den lästigen Verfassungsbindungen für Steuern zu entgehen. Im Ergebnis weicht der Staat auf andere Abgabearten aus. Eine Kirchensteuer nach „Maßgabe der bürgerlichen Steuerlisten“ kann da nur an Bedeutung verlieren.

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Siehe zum Beispiel Ferdinand Kirchhof, Aktuelle Reformen im Steuerrecht, in: Burkhard Heß (Hrsg.), Wandel der Rechtsordnung, Tübingen 2003, S. 209 (221 ff.). Dazu Ferdinand Kirchhof, Die Föderalismuskommission II, in: Wolfgang Durner/ Franz-Joseph Peine (Hrsg.), Reform an Haupt und Gliedern. Verfassungsreform in Deutschland und Europa, München 2009, S. 43 (46 f.).

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d) Verwerfungen zwischen Einkommen- und Kirchensteuerrecht Ein eigenständiges Kirchenabgabenrecht und eine Abkehr von der Kirchensteuer als Annex zur Einkommensteuer wird ferner wegen der Verwerfungen99 zwischen den Bemessungsregeln der Einkommensteuer und der Kirchensteuer unerlässlich. Die Einkommensteuer belastet nach persönlicher Leistungsfähigkeit im progressiven Tarif. Das ist für eine Kirchensteuer auch zulässig, aber wie gezeigt wegen ihrer Einordnung als Verbandslast nicht verfassungsnotwendig. Probleme bereiten aber die zahlreichen Steuerbefreiungen nach dem EStG oder der AO. Wo das Einkommensteuergesetz erhöhte Absetzungen oder Sonderabschreibungen zur Wirtschaftsförderung oder im Umweltschutz zulässt, vermindert sich die Einkommensteuerschuld und damit zugleich die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer. Aus der Perspektive der Finanzierung der Kirchen durch Mitgliedsbeiträge sind diese Schwankungen völlig sinnlos. Wenn Spenden eines Lohnsteuerpflichtigen an Vereinigungen zur Förderung des Schachspiels100, des Karnevals oder des Modellflugs101 oder gar an atheistische Organisationen102 die Einkommensteuerschuld senken, vermindert sich auch die Kirchensteuer. Wer eine atheistische Organisation finanziell fördert, wird von der Kirche dafür steuerlich belohnt. Das ist sinnwidrig. Das System von Maßstab- und Annexsteuer sorgt allgemein dafür, dass die Kirchensteuer alle subventions- und steuerpolitischen Bewegungen der Einkommensteuer nachvollzieht. Mittlerweile hat sich in § 51 a EStG schon gesetzlich ein kompliziertes System der Distanzierung der Kirchensteuer von der Einkommensteuerschuld entwickelt. Während § 51 a Abs. 2 S. 1 und Abs. 2 a EStG noch kirchengerecht den Kinderbedarf berücksichtigt, muss § 51 a Abs. 2 S. 2 und 3 EStG Sonderregelungen wegen des Teileinkünfteverfahrens bei der Körperschaftsteuer und der Anrechnung der Gewerbesteuer vorsehen, § 51 a Abs. 2 b bis e EStG das Problem beseitigen, dass eine Kapitalertragsteuer keine Religionszugehörigkeit des Kapitalbesitzers erfasst, und beseitigt § 51 a Abs. 3 EStG dieses Problem grundsätzlich bei allen Quellensteuern. Die Verbindung zwischen Einkommensteuerschuld und Kirchensteuer wird zunehmend fragwürdiger. § 137 Abs. 6 WRV gibt den Kirchen das Recht, aufgrund der bürgerlichen Steuerlisten Steuern zu erheben, zwingt aber nicht dazu, die Kirchensteuer als Annex am Maßstab der Einkommensteuer zu bemessen. Art. 137 Abs. 6 WRV gewährleistet nur die helfende Hand des Staates bei der Veranlagung und der Erhebung von Kirchensteuern; sie könnte aber auch bei einer eigenständigen Kirchenabgabe unterstützen. Hier sollte man grundsätzlich in Richtung auf ein Kirchenabgabenrecht weiterdenken, weil das her-

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Ausführlich zu den Verwerfungen Ferdinand Kirchhof, Verwerfungen der Kirchenzuschlagsteuern wegen des Maßstabs der Einkommensteuer, in: Karl-Hermann Kästner/ Knut Wolfgang Nörr/Klaus Schlaich (Hrsg.), Festschrift für Martin Heckel zum siebzigsten Geburtstag, 1999, S. 373 ff.; Muckel, Berliner Kommentar (Anm. 7), Rn. 108 zu Art. 137 WRV. § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO. § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 23 AO. § 52 Abs. 1 und 2 S. 1 Nrn. 1, 5, 7 und 13 AO.

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kömmliche Kirchensteuerrecht längst nicht mehr die gesamte Finanzierung aller Kirchen erfasst und die Kirchensteuer sowohl im tatsächlichen Aufkommen als auch in ihrer rechtlichen Ausgestaltung nicht mehr die Erträge verspricht, die sie bisher erbrachte.103

12. Resumée Die Kirchenfinanzierung steht verfassungsdogmatisch durchaus auf sicherem Boden. Die Verfassungsregeln sind aber von schwindender Akzeptanz der Bevölkerung in ihrer Geltung bedroht. Die Garantien des Art. 138 Abs. 2 WRV greifen und gewährleisten den Kirchen ihre Selbstverwaltungshoheit zufriedenstellend. Die Ansprüche des Art. 138 Abs. 1 WRV geraten aber zurzeit ins Kreuzfeuer der politischen Kritik; auch könnte die Erwartung „ewiger Rente“ wegen des befürchteten hohen Ablösungsvolumens sich als unsicher erweisen, falls man freiwillige, indirekte Steuersubventionen der Länder zu Ablösungsleistungen ummünzte. Die Hinwendung zur säkularisierten Nächstenliebe in den Bereichen von Diakonie, Caritas und Bildung wird zu einem Wettbewerb mit dritten Konkurrenten um staatliche Förderung führen und die Kirchenfinanzierung in ein einfachgesetzliches Entgeltsystem jenseits der Artikel 140 GG i.V.m. den Artikeln der Weimarer Reichsverfassung führen. Die Kirchensteuer sollte in ihrer abgabenrechtlichen Kategorisierung und hinsichtlich der Beleihungskonstruktion rechtlich neu ausgemessen werden; ihre Anbindung an die Einkommensteuer wird zunehmend fragwürdig.

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Anderer Meinung Kleinmann, Probleme und Möglichkeiten bei der Ausgestaltung eines Kirchensteuersystems (Anm. 83), S. 932.

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Leitsätze zum Vortrag von Prof. Dr. iur. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/Karlsruhe: „Grundlagen und Legitimation der deutschen Kirchenfinanzierung“ A. Generelle Entwicklungen 1. Die Kirchen gehen zu Recht von der herkömmlichen, kameralistischen Geldflussrechnung auf die kaufmännische Buchführung über, weil sie den Ressourcenverbrauch, künftige (Pensions-)Lasten sowie den aktuellen Vermögensbestand zeigt. Eine konsolidierte Gesamtbilanz zwischen Landeskirchen oder Diözesen und ihren Gemeinden wäre anzuraten, mit ihren Trabanten in Caritas, Diakonie und Bildung zumindest zu erwägen. 2. Das deutsche Verfassungsrecht stellt die Finanzierung der Kirchen auf eine normativ sichere und klare Basis. Gefahr droht jedoch von einer sinkenden Akzeptanz in der Bevölkerung. 3. Je mehr sich die Kirchen an marktwirtschaftlich organisierten, kulturellen oder sozialen Tätigkeiten in säkularisierter Nächstenliebe beteiligen, desto weniger sind ihre finanziellen Privilegien vom Staat zu legitimieren; sie mutieren dann vom Wohltäter für das Gemeinwesen zum Marktsubjekt. Vor allem im Pflege- und Gesundheitswesen sind sie längst zum normalen Wettbewerber geworden, der sich wie andere Konkurrenten der Leistungsentgelte der Sozialversicherung bedient. Diese veränderten Tätigkeitsbedingungen führen die Kirchen von Art. 140 GG i.V.m. den Art. 136 ff. WRV weg und in eine einfachgesetzlich geregelte Entgeltfinanzierung als einer unter mehreren Wettbewerbern. Das Verfassungsrecht der Kirchenfinanzen verliert hier an Bedeutung.

B. Einzelne Finanzpositionen 4. Art.138 Abs. 1 WRV enthält einen bisher unerfüllten Gesetzgebungsauftrag zur Ablösung der herkömmlichen Staatsleistungen, der trotz jahrzehntelanger Untätigkeit des Gesetzgebers nichts von seiner Verbindlichkeit eingebüßt hat. Bis zu seiner Einlösung müssen die Staatsleistungen weiter erbracht werden. 5. Sonstige Staatszuschüsse an Kirchen sind sachlich wegen der Nützlichkeit ihrer Aktivitäten für das Gemeinwesen legitimiert, können aber mit diesem Argument verfassungsrechtlich nicht von ihnen eingefordert werden. Wegen des Teilrückzugs der Kirchen aus dem Bildungs-, Pflege- und Gesundheitswesen werden sie künftig ohnehin sinken. 6. Steuerbegünstigungen für Kirchen stehen ebenfalls im Ermessen der Legislative, soweit nicht Art.138 Abs. 1 WRV indirekte steuerliche Subventionen als herkömmliche Staatsleistungen schützt. 7. Art. 138 Abs. 2 WRV begründet keine Ansprüche auf Staatsleistungen sondern sichert in Erweiterung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG die bestehende, zweckgebundene Vermögenssubstanz der Kirchen.

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8. Die Religionsfreiheit der Spender nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG rechtfertigt staatliche Steuerbefreiungen von Zuwendungen Dritter an Kirchen, gebietet sie aber nicht. Auch das Gemeinnützigkeitsrecht der §§ 51 ff. AO für ihre Hilfsorganisationen als Grundlage für Steuerbefreiungen von Spenden Dritter steht im Ermessen des Gesetzgebers. 9. Die Kirchensteuer ist nach der Kategorisierung des staatlichen Abgabenrechts keine Steuer, sondern ein öffentlich-rechtlicher Mitgliedsbeitrag (Verbandslast). Der Mitgliedsstatus des Abgabepflichtigen bildet ihren Grund und ihre Grenze. Das Prinzip der Leistungsfähigkeit gilt im Kirchensteuerrecht nicht schon von Verfassungs wegen. 10. Die Kirchensteuer bedarf einer staatlichen Anerkennung der Steuerordnungen der Kirchen, aber nicht deren Beleihung mit Hoheitsbefugnissen; das Kirchensteuerrecht entsteht im Regelfall der Praxis aus den „duae conformes“ einer kirchlich frei formulierten Steuerordnung und einem nachfolgenden staatlichen Geltungsbefehl, der ihr erst Verbindlichkeit verschafft. Bei der materiellen Ausgestaltung der Steuer sind die Kirchen selbst nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden, sondern genießen die Selbstverwaltungsfreiheit des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Die Verwaltungshilfe des Staates zur Erhebung der Kirchensteuer und seine Anerkennungserklärungen von kirchlichen Steuerordnungen sind aber an die Verfassung gebunden. Erst hier wirken sich Grundrechte in mittelbarer Drittwirkung und als Schutzpflichten zugunsten der Kirchensteuerpflichtigen aus. Wenn Kirchen allerdings im Ausnahmefall durch ihre eigene Verwaltung hoheitlich Kirchenabgaben erheben, bedürfen sie einer Beleihung und sind dann selbst unmittelbar an Grundrechte gebunden. 11. Die Wanderung des Steuersystems von personenorientierten Ertragsteuern zu auf Konsumakte ausgerichteten Verbrauchsteuern, eine vermehrte Einführung von Quellensteuern, das Ausweichen des staatlichen Fiskus auf nichtsteuerliche Abgaben und die Mängel der Anbindung der Kirchensteuer an – vor allem lenkende und subventionierende – Regeln des Einkommensteuerrechts werden zu einem eigenständigen Kirchenabgabenrecht führen.

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Diskussion über den Vortrag von Prof. Dr. iur. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/ Karlsruhe Diskussionsleiter: Prof. Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Kirchhof, für Ihren sowohl im Gesamtansatz als auch in den Einzelfragen sehr interessanten und aufrüttelnden Beitrag. Sie haben am Anfang die normative Stabilität und faktische Labilität des Kirchensteuersystems gegenüber gestellt und haben das später dann noch weitergeführt, woraus man entnehmen kann, dass auch normativ eine Labilität durch die Entwicklung des Einkommensteuerrechts entsteht, an das die Kirchensteuer anknüpft. Die Verbindung von Anfang und Ende Ihres Vortrags scheint mir einen wichtigen Punkt für die Diskussion zu ergeben. Sie haben dann auch innovative Vorstellungen entwickelt zu der Frage der Ablösung der Staatsleistungen. Auch das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein. Weiter haben Sie über die Steuerbefreiung und die Gemeinnützigkeit gesprochen und haben auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Staates hingewiesen. Das leuchtet ein. Nur, wenn man überlegt, wie viele gemeinnützige Einrichtungen es gibt und wie viele Steuerbefreiungen wir haben, dann kommt der Gleichheitssatz ins Spiel. Man kann dem Sportverein nicht etwas geben, was man den Kirchen verwehrt. Auch hier liegen wichtige Diskussionspunkte. Der Hauptpunkt war die Frage: Ist die Kirchensteuer eine Steuer oder ein Beitrag? Der Beitrag ist in der Art ganz ähnlich wie die Steuer, weil er nicht gebunden ist an ganz bestimmte Aufgaben wie etwa die Gebühr. Bisher war immer klar, dass die Kirchensteuer für die Mitglieder eine Steuer ist. Es ist die Frage, ob wir zu einer neuen Auffassung kommen. Meine Damen und Herren, wir möchten jetzt mit der Diskussion beginnen und ich habe hier einige Wortmeldungen. Der erste Redner ist Herr Thiele. Dr. Christoph Thiele, Hannover: Wenn ich der erste Redner bin, habe ich die Möglichkeit, Ihnen als erster zu danken, Herr Kirchhof, für diesen sehr interessanten, sehr differenzierten Vortrag mit vielen neuen Gedanken für die Diskussion und korrespondierend dazu dann gleichzeitig auch den Dank an die Veranstalter, dass sie dieses Thema heute auf diese Tagesordnung gesetzt haben. Denn man sieht nicht zuletzt angesichts der Eingaben an den Bundestag, an den nordrhein-westfälischen Landtag, dass das auch diesmal wieder ganz in der Aktualität der Diskussion ist. Jetzt habe ich aber trotzdem eine kleine kritische Nachfrage. Ich habe mich auch so früh gemeldet, weil sie wahrscheinlich eher am Rand der Diskussion dieses Themas sein wird, dann haben wir das schon einmal abgeschichtet. Es geht um den Punkt, der in Ihrem Thesenpapier die Ziffer 3 betrifft. Da äußern Sie sich zu dem Thema der marktwirtschaftlich organisierten sozialen Tätigkeiten. Sie prägen den Begriff der säkularisierten Nächstenliebe und ziehen dann am Ende die Konsequenz daraus, dass diese veränderten Tätigkeitsbedingungen die Kirche von Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit den Weimarer Reichsverfassungsartikeln wegführen in eine einfach-gesetzlich geregelte Entgeltfinanzierung als eine unter mehreren Wettbewerbern.

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Ich stoße mich an diesem Begriff der säkularisierten Nächstenliebe, auch wenn er natürlich sehr plastisch ist, aber es entspricht ja nicht dem Selbstverständnis der Kirchen, mit dem sie diakonisch-caritativ tätig sind, sondern das ist ein Selbstverständnis, was selbstverständlich den Artikel 140 WRV im Blick hat. Die Kirchen agieren da ja auch nicht nur in einem Wettbewerbsbereich, sondern im Rahmen der Nächstenliebe bemühen sie sich um Bereiche, wo es nicht vor allem um Pflege und Gesundheitswesen geht, sondern auch um Fragen der Migrantenbetreuung, der Schuldnerberatung oder wie auch immer, wo nicht so viel Geld zu verdienen ist und wo dann das Selbstverständnis, das eben nicht auf Wettbewerb gerichtet ist, besonders deutlich wird. Also, ich stoße mich an diesem Begriff der säkularisierten Nächstenliebe und den Konsequenzen, die Sie daraus ziehen und sehe in der Konsequenz, die Sie ziehen, auch noch eine zusätzliche Gefahr für einen anderen großen Fragebereich, den wir jetzt in der Diskussion haben, das wäre der des kirchlichen Arbeitsrechts. Denn wenn man die Konsequenz so zieht, wie Sie sie ziehen, dann sind wir an dieser Stelle gleich an den Grenzen des Dritten Weges angekommen. Deswegen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie hierzu noch einmal etwas sagen könnten. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Thiele, für die Anknüpfung an das letzte Essener Gespräch über das Arbeitsrecht. Der Nächste ist Herr Ehlers. Prof. Dr. Dirk Ehlers, Münster: Herr Kirchhof, Sie haben in sehr beeindruckender Weise das System der Kirchenfinanzierung ausgeleuchtet. Der Hauptpunkt war ja die Kirchensteuer, aber es ist ebenfalls deutlich geworden, dass die Kirchensteuer nicht die alleinige Finanzquelle der Kirchen darstellt. So haben Sie darauf hingewiesen, dass der Staat die Religionsgemeinschaften zwar nicht fördern muss, aber darf. Er tut dies auch in einem erheblichen Ausmaße im caritativen, sozialen und kulturellen Bereich. Dabei muss freilich der Gleichheitssatz beachtet werden. Mir will es ohnehin so scheinen, dass die Gleichheitsprobleme in Zukunft noch eine viel größere Rolle im Staatskirchenrecht spielen werden als in der Vergangenheit. Meine Frage an Sie ist nun, inwieweit die Möglichkeit der Erhebung von Kirchensteuern eine Rechtfertigung für Differenzierungen bei der staatlichen Förderung sein kann. Eine solche Differenzierung könnte sich zu Lasten oder zu Gunsten der Religionsgemeinschaften auswirken. So hat Herr Generalvikar Thönnes in seiner Eröffnungsansprache bereits darauf hingewiesen, dass es in Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren auf gesetzlicher Grundlage eine Prozedur gibt, wonach die korporierten Religionsgemeinschaften für den Betrieb von Kindertagesstätten weniger Zuschüsse bekommen als alle anderen Träger der freien Wohlfahrtspflege und auch als die privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften. Ähnliches gibt es auch schon seit langer Zeit in Nordrhein-Westfalen im schulischen Bereich. Mich würde interessieren, ob Sie eine solche Differenzierung für verfassungsrechtlich gerechtfertigt halten. Die Begründung für eine derartige Differenzierung ist, dass arme Träger einen höheren staatlichen Zuschuss als die korporierten Religionsgemeinschaften be-

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nötigen, weil letztere nicht als arm gelten, eben wegen der Möglichkeit, Kirchensteuer zu erheben. Ich will nicht verschweigen, dass ich eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für diese Art der Unterscheidung nicht zu finden vermag. Es geht nicht um die Höhe des Zuschusses. Der Staat fördert in beachtlichem Ausmaße auch die kirchlichen Einrichtungen. Es geht auch nicht um den Grundgedanken, dass arme Träger in besonderer Weise zu fördern sind, sondern darum, dass derjenige, der Kirchensteuern erhebt, automatisch jedenfalls nicht als arm im Sinne der gesetzlich fundierten Förderungspraxis gilt. Eine umgekehrte Differenzierung, wonach die Erhebung von Kirchensteuern den Staat veranlassen dürfte, die kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaften stärker zu fördern, kann ich mir nicht vorstellen. Allerdings ist der Körperschaftsstatus ja Anknüpfungspunkt für Vergünstigungen und je nach Sachbereich ist es denkbar, dass dies finanzielle Konsequenzen hat. Mit alledem ist nur das Problem angesprochen. Es will mir scheinen, dass es sich lohnen würde, über die Art und Weise von Differenzierungen im Staatskirchenrecht weiter nachzudenken, aber vermutlich gibt es ja auch noch weitere Essener Gespräche. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Ehlers, für diese weitere, ganz konkrete Frage an den Referenten. Herr Winter, bitte. Prof. Dr. Jörg Winter, Karlsruhe/Heidelberg: Herr Kirchhof, Sie haben im Wesentlichen die Finanzströme vom Staat zur Kirche dargestellt. Es gibt aber auch die umgekehrte Richtung, das heißt: Die Kirchen finanzieren zu einem nicht unbeträchtlichen Umfang auch Staatsaufgaben mit. Der frühere Finanzreferent des Deutschen Caritasverbandes, Herr Spiegelhalter, hat vor vielen Jahren eine kleine Broschüre vorgelegt, in der er ausgerechnet hat, wie stark die Subventionierung des Staates durch die Kirchen ist. Ich habe die genauen Zahlen nicht mehr im Kopf, aber das sind nicht unerhebliche Beträge und man kann das ganz gut deutlich machen an der Finanzierung der Kindergärten. Da entsteht immer die Optik, als ob die Kommunen die kirchlichen Kindergärten subventionieren, bei genauerer Betrachtung ist es aber umgekehrt, denn der Rechtsanspruch der Eltern auf einen Kindergartenplatz richtet sich an die Kommune; und die Kommune erfüllt diesen Anspruch zu einem großen Teil durch die kirchlichen Kindergartenplätze. Die werden aber nicht unerheblich aus Kirchensteuermitteln finanziert. Ich weiß von vielen Kirchengemeinden in Baden, dass ein erheblicher Betrag ihres Haushaltes in die Kindergärten fließt und letztlich ist das eine Subventionierung der Kommunen durch die Kirchen. Deswegen meine ich, dass man nicht den Eindruck erwecken darf, als ob die Finanzströme nur von der einen Seite fließen, sondern sie fließen auch von der Kirche zum Staat zurück. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Winter. Man könnte dieses Beispiel, das Sie zu den Kindergärten entwickelt haben, auch auf die Schulen beziehen. Zwar erstattet der Staat die Gehälter für die Lehrer, aber nicht zu einhundert Prozent. Außerdem muss die Kirche das Schulgebäude stellen. Also auch hier ist, wie vielleicht auch

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in anderen Gebieten, die ich nicht überblicke, eine Subventionierung zu beobachten. So, jetzt – nach dem dritten Diskussionsredner – wird Herr Kirchhof ein Zwischenwort geben. Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/Karlsruhe: Die Kirchen erfüllen Aufgaben, für die der Sozialstaat sich ebenfalls verantwortlich fühlt und für welche er ohne die Tätigkeit der Kirchen selbst einstehen müsste. Die Kirchen finanzieren damit aber noch nicht den Staat, sondern andere Aufgaben. Es werden Aufgaben wahrgenommen, nicht Finanzmittel geleistet. Ein sozialstaatliches Gemeinwesen ist in der Weise aufgebaut, dass der Staat anerkennt, wünscht und auch fördert, dass andere Organisationen aus eigenen Motiven heraus Aufgaben des Gemeinwesens erfüllen. Erst wenn sie davon Abstand nehmen oder versagen, würde der Sozialstaat sie zu seiner eigenen Aufgabe erklären. Deshalb würde ich den Ansatz, dass die Kirchen dort den Staat finanzieren, nicht unterstützen. Sie werden lediglich in Bereichen tätig, für die sich der Sozialstaat ebenfalls verantwortlich fühlt. Es ist überdies auch wohl in Deutschland eher umgekehrt: Die Kirchen setzen mit erheblichen staatlichen Zuwendungen ihre eigenen Aufgaben mit oft staatlich bezahltem Personal durch. Insgesamt werden zwar aus dem kirchlichen Haushalt auch öffentliche Aufgaben finanziert. Der Sozialstaat drängt den Bürgern wegen des Subsidiaritätsprinzips aber keine Leistungen auf, sondern lässt dem Gemeinwesen und dessen Organisationen den Vortritt, bevor er etwas zur staatlichen Aufgabe erklärt und selbst erfüllt. Wenn Kirchen eigene Aufgaben erfüllen, finanzieren sie weder direkt den Staat noch staatliche Aufgaben. Es könnte nur sein, dass der Sozialstaat sich beim Ausfall anderer Organisationen dieser Aufgaben annimmt und sie zu seinen eigenen macht. Zur Frage nach der gleichheitsrechtlichen Zulässigkeit einer Differenzierung von Subventionen zwischen kirchensteuerberechtigten und anderen religiösen Organisationen: Wenn der Staat seine Zuwendungen nach Fürsorgekategorien am Maßstab der Bedürftigkeit ausrichten würde, wären natürlich die Kirchensteuereinnahmen ein zuschussmindernder Tatbestand. Die Fürsorgevoraussetzung der Bedürftigkeit ist aber ein Maßstab für Zuwendungen an individuelle Personen. Subventionen an Kirchen sind jedoch vom Ziel der Förderung im Gemeinwesen nützlicher Aufgaben getragen. Dort spielt in erster Linie die Förderfähigkeit der Aufgaben, also deren Nützlichkeit für das Gemeinwesen, aber nicht die Haushaltskraft einer Kirche die entscheidende Rolle. Eine direkte Anrechnung von Kirchensteueraufkommen auf Subventionsbeträge dürfte deshalb gleichheitsrechtlich problematisch werden, denn der Zuwender würde die Sachgründe seines eigenen Subventionsprogramms verlassen. Es ist allerdings dem Staat vor Artikel 3 GG zuzugestehen, dass er aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach Artikel 114 GG nur subventioniert, wo dem Zuwendungsempfänger tatsächlich finanzielle Mittel fehlen. Dann kann er auf den Gesamtzustand eines Kirchenhaushalts verweisen, also nicht nur auf das Aufkommen an Kirchensteuern, sondern auch auf andere Eigenmittel oder auf Vermögen, und ihn hinsichtlich der Notwendigkeit einer Zuwendung be-

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rücksichtigen. Hier kann das Kirchensteueraufkommen mittelbar durchaus die Höhe einer Zuwendung beeinflussen. Das gilt insbesondere, wenn Subventionen an private Träger öffentlicher Aufgaben nur deren Haushaltsdefizite decken sollen. Subventionen dieser Zielrichtung berücksichtigen zwar das Gesamtergebnis des Haushalts; dieser wird aber erheblich von den Einnahmen aus Kirchensteuern bestimmt. Mittelbar werden so aber nur der Einrichtung zugeflossene Kirchensteuern relevant; eine Subventionskürzung unter Hinweis auf künftig erwartetes oder sogar erzielbares Steueraufkommen käme wohl nicht in Betracht. Ferner dürfte der Staat in seinen Zuwendungsvoraussetzungen nicht über den Haushalt der bezuschussten Einrichtung in der Weise hinausgehen, dass er sie trotz ihres Defizits auf ihre mit Kirchensteuermitteln gut ausgestattete Trägerkirche verweist, die selbst etwas zuschießen solle. Die subventionsmindernde Berücksichtigung von Kirchensteuereinnahmen würde überdies die Autonomie der Kirchen und die Zweckbestimmung des Kirchensteueraufkommens gefährden. Sie sollen selbst bestimmen, welche ihrer eigenen Aufgaben sie damit finanzieren; dieses Aufkommen ist für den Staat nicht disponibel. Auch darf man nicht vergessen, dass Kirchensteuern von Dritten, nämlich den Mitgliedern, stammen, und der Staat deswegen nicht im Subventionsrecht eine bestimmte Verwendung – sei es auch im Wege der Zuwendungsminderung – verlangen kann. Der Begriff der säkularisierten Nächstenliebe ist von mir in dieser Zuspitzung bewusst gewählt worden, vor allem weil das Adjektiv gewisse Inhalte, Hintergründe und Emotionen im kirchlichen Bereich mit sich bringt. Der Begriff soll pointieren, dass Aufgaben, deren Erfüllung bisher altruistisch und spezifisch christlich geprägt war, im Lauf der Zeit unbemerkt von den Kirchen zur Versorgung von Menschen im Wettbewerb mit anderen Organisationen geraten sind, der nicht nach weltanschaulich-religiösen Grundsätzen, sondern nach ökonomischen und wettbewerblichen Regeln funktioniert. Die Konsequenzen dieser Entwicklung kann man kaum leugnen. Im Gesundheits- und Pflegerecht begeben sich die Kirchen in ein einfachgesetzliches Entgeltsystem nach den Sozialgesetzbüchern V und XI. Den Staat interessiert das Motiv der Kirchen und anderer Organisationen für ihre Tätigkeiten hier überhaupt nicht mehr, es wird allein nach Fallgruppen oder Einzelleistungen bezahlt. Die Kirchen rekrutieren ihr Personal weitgehend auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, selten aus den Angehörigen religiöser Orden oder Gruppen. Den Krankenseelsorger finden wir auch in den Hospitälern der weltlichen Konkurrenz. Die Aufgaben der Therapie und Pflege werden vom Staat aus Gesundheits- und Versorgungsgründen gefördert, nicht wegen ihrer Erfüllung aus christlicher Nächstenliebe. Damit wird dieser Bereich von säkularen Leistungs-, Finanzierungs-, Wettbewerbs- und Arbeitsregeln geprägt. Mit dem Begriff der säkularisierten Nächstenliebe will ich ferner ausdrücken, dass die Kirchen mittlerweile hier wohl weder mit besonderer christlicher Motivation noch altruistisch arbeiten, sondern ihr historisch einstmals davon geprägtes Arbeitsgebiet zum Bestandteil eines Gesundheits- und Geriatriemarktes geworden ist, dessen Teilnehmer nur noch Marktregeln folgen. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Herr Kirchhof, ich wollte noch einmal eine Bemerkung zu Ihrer ersten Antwort machen, zur Frage „Wer subventioniert wen?“ Hat Ihre Antwort nicht Konse-

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quenzen für die von Ihnen doch etwas „herunter geschraubte“ Gemeinnützigkeit? Sie haben gesagt: Der Staat kann die Kirche für gemeinnützig erklären, aber muss es nicht tun. Ich hatte dagegen ja schon gleich am Ende Ihres Vortrages gewisse Einwendungen erhoben und habe den Gleichheitssatz herangezogen. Darüber hinausgehend könnte man doch sagen: Die Kirche tut etwas, was dem Staat nützt, sie trägt die sozialstaatlichen Aufgaben des Staates mit. Deswegen meine ich: Wenn andere Einrichtungen gemeinnützig sind, müssen die Kirchen es auch sein. Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/Karlsruhe: Wo der Staat gemeinnützige Tätigkeit subventioniert, haben nach dem Gleichheitssatz alle dort Tätigen einen Anspruch auf diese Zuwendungen, solange die Haushaltmittel dafür ausreichen. Dann sind auch Kirchen gleich den anderen Subventionsbewerbern anspruchsberechtigt. Das beruht aber auf dem üblichen Anspruch aus der Selbstbindung der Verwaltung nach Artikel 3 Abs. 1 GG. Die weitergehende These: Immer wenn die Kirche etwas für den Staat Nützliches tut, hat sie einen Anspruch auf – eventuell sogar vollständige – Subventionierung, lässt sich hingegen rechtlich nicht halten. Ich betone das, weil sie in kirchlichen Kreisen zuweilen vorgetragen und manchmal sogar als selbstverständlich gegeben betrachtet wird. Ein derartiger Anspruch besteht – auch gegenüber anderen Verbänden – niemals. Zum Beispiel muss ebenso wenig der Breitensport, den die Sportverbände und -vereine betreiben, vom Staat mit Zuwendungen finanziert werden. Ein Anspruch auf Subvention kann nur vom einfachen Gesetz oder vom Gleichbehandlungsanspruch des Artikels 3 GG als Teilhaberecht begründet werden. Sonst würden wir aus Grundrechten einen individuellen Leistungsanspruch herstellen und das Budgetrecht des Parlaments überrennen. Kurz: Nicht aus jeder gemeinnützigen Tätigkeit entspringt ein Leistungsanspruch gegenüber dem Staat. Er wäre im allgemeinen Subventionsrecht eine Neuschöpfung, die dem Parlament sein Budgetrecht aus der Hand reißen und den jährlichen Haushaltsplan allein nach grundrechtlichen Finanzierungsansprüchen gestalten würde. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Jetzt kommt Herr Isensee, bitte schön. Prof. Dr. Dr. Josef Isensee, Bonn: Herr Kirchhof, ich muss Ihnen ein Kompliment machen. Das war eine tour d’ horizon der Kirchenfinanzierung, die heilsame Anstöße gegeben hat, Denkgewohnheiten zu überprüfen. Ich möchte nur ein paar Marginalien anfügen. Sie haben deutlich gemacht, wie ernst dieses Thema ist; denn die Kirchenfinanzierung ist eine politisch brisante Materie, an der sich auch künftig manche Skandale entzünden können. Deswegen sollte die Materie mit großer Sorgfalt betrachtet werden. Man könnte geradezu sagen: die Kirchenfinanzierung ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie den Ökonomen und den kirchlichen Finanzdirektoren überlassen dürfte. Zu Ihrem Leitsatz 1, in dem Sie doch einmal eine Gesamtübersicht einfordern, Stichwort „Konsolidierte Gesamtbilanz“. Die Gesamtbilanz, so meine ich,

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enthält eine große Lücke. Es fehlt der Haushaltsplan der Bistümer und Landeskirchen, der die Gesamtheit der Einnahmen und der Ausgaben veranschlagt, der die Kirchensteuer, die Leistungen aus dem Staatshaushalt, die kirchlichen Verwaltungs- und Fiskaleinkünfte sowie die Spenden ausweist. Es ist keine moralische oder rechtliche Leistung der Kirchen, wenn sie die Kirchensteuereinnahmen oder die Staatsleistungen auch von sich aus noch einmal publizieren. Doch fehlt die Transparenz der Gesamteinnahmen. Die Akzeptanz, auf die kirchliche Lasten nun einmal angewiesen sind – Akzeptanz auch in der nichtkirchlichen Öffentlichkeit – lebt auch von Transparenz. Wenn im katholischen Raum der Absolutismus der Bischöfe letztlich über die Finanzen verfügt, ist Transparenz doppelt nötig. Dennoch: in einem künftigen Haushaltsplan würde ich durchaus einen großen Reptilienfonds für die Bischöfe vorsehen, damit sie diskrete Förderungen im eigenen Bistum und im nationalen wie vielleicht auch im weltkirchlichen Rahmen leisten könnten. Eine Marginalie zu Leitsatz 4: In der öffentlichen Diskussion taucht immer wieder der Gedanke auf, dass die Staatsleistungen, die den etablierten Kirchen zufließen, aus Gründen der Gleichheit auch dem Islam und sonstigen Religionsgemeinschaften zukommen müssten. Das beruht auf einem Missverständnis. Der Staat, das haben Sie eindrucksvoll gesagt, ist zwar nicht gehindert, andere Religionsgemeinschaften zu fördern. Doch die Staatsleistungen sind keine Förderung, sondern Entschädigungszahlungen: Ausgleichsleistungen für Säkularisationsverluste. Als solche können sie nur den Gemeinschaften nach dem Gleichheitssatz zugesprochen werden, die entsprechende Verluste erlitten haben. Diese Voraussetzung ist gegeben bei den jüdischen Gemeinden. Hier erfolgt eine legitime, auf Gleichheit gegründete Ausweitung des alten Systems. Aber es gilt nicht für Religionsgemeinschaften, die Verluste solcher Art nicht erlitten haben. Eine letzte Marginalie: Der Auftrag zur Ablösung der Staatsleistungen ist heute in einem hohen Grade bereits erfüllt. Das Referat geht davon aus, dass die Ablösung erst stattfinden könne, wenn ein Grundsätzegesetz des Bundes (früher des Reiches) vorliege, und da dieses fehle, stehe die Ablösung noch aus. Doch der Vorbehalt des Grundsätzegesetzes bezieht sich nur auf eine einseitig hoheitliche Ablösung, nicht auf eine vertragliche. Die vertragliche Ablösung aber ist weithin schon über Kirchenverträge und Konkordate vollzogen, welche die bisherigen Leistungen auf neue Rechtsgrundlagen gestellt haben. Ablösung bedeutet nicht notwendig Abschaffung der alten Leistungen, sondern Aufhebung der alten (Vorweimarer) Leistungstitel. Den Kirchen kann man Kurzsichtigkeit vorwerfen, dass sie die vertragliche Ablösung nicht gründlich genug betrieben haben. Denn es ist geradezu eine Provokation der kirchenskeptischen, kirchenfernen Gesellschaft, wenn heute aus der Staatskasse Bischöfe besoldet werden. Klüger ist man in den Ländern vorgegangen, in denen Pauschalabfindungen vereinbart wurden, so dass überhaupt keine einzelnen, benannten Titel mehr vorliegen. Grosso modo ist schon viel getan in Sachen Ablösung. Die einvernehmliche Ablösung hängt eben nicht an einem Bundesgesetz. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Isensee, für Ihre vielfältigen Fragen, die ja gleich noch zu weiteren Diskussionen führen werden. Ich habe jetzt nur noch eine Wortmel-

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dung und möchte insbesondere bitten, dass die Finanzdirektoren der Bistümer und der Landeskirchen, die von der Sache viel verstehen, sich auch melden. Jetzt habe ich wieder drei neue Wortmeldungen. Nun kommt Herr Petersen dran, bitte schön. Dr. Jens Petersen, Hannover: Sehr geehrter Herr Professor Kirchhof, lassen Sie mich zum Kirchenbeitrag in der Form der Kirchensteuer einige Aspekte, die Sie vorgetragen haben, vielleicht in einem anderen Licht beleuchten. Die Kirchensteuer ist natürlich durch die Anbindung der Einkommensteuer abhängig, erstens von der Konjunktur und zweitens von dem, was der Gesetzgeber mit der Maßstabsteuer anstellt. Es gab in der Vergangenheit schon vielfältige Diskussionen: Muss die Kirchensteuer wirklich jede Subvention mittragen? Muss die Tonnagebesteuerung mitgetragen werden? Muss das Sondersteuerprogramm für den Aufbau Ost Anfang der 1990er Jahre oder ähnliches mitgetragen werden? Die Kirchen haben sich damals, ich glaube erstmals im Preußischen Kirchensteuergesetz von 1906, sehr bewusst dafür entschieden, die Kirchensteuer an die Einkommensteuer mit einem Hebesatz anzubinden, denn die Einkommensteuer nach der Miquelschen Steuerreform von 1891 war damals anerkanntermaßen ein Ausdruck der persönlichen Leistungsfähigkeit. Das hat sich bis heute durchaus erhalten. Wenn man diese persönliche Leistungsfähigkeit nimmt, sie aus der Einkommensteuer auf die Kirchensteuer durch die Anbindung überleitet, denke ich, dass dieses System zwar mit Schwächen belastet ist, aber nach wie vor als gerechtes System und als gerechte Belastung empfunden und bezeichnet werden kann. Jetzt hat das Einkommensteuergesetz in der jüngsten Vergangenheit eine ganze Reihe von Reformen durchleben müssen. Sie haben zwei davon genannt, nämlich das Halb- oder Teileinkünfteverfahren und die Besteuerung der Kapitaleinkünfte. Um eine horizontale Belastungsgerechtigkeit oder Belastungsgleichheit zu erreichen, ist der § 51a EStG, den Sie ja benannt haben, zwangsnotwendiges Instrument, um hier wieder eine gleichmäßige Ebene der Besteuerung aller Kirchenmitglieder unabhängig von der Art ihrer Einkünfte herstellen zu können. Ansonsten hätten wir Besteuerungslücken, die dieses System insgesamt gefährden würden. Zur Kirchensteuer und zur Zukunft der Ertragsteuer generell: Es ist natürlich richtig, dass gewisse Verlagerungen erkennbar sind hin zu Verkehrssteuern. Das aber, meine ich, ist nicht die Hauptgefahr für die Kirchensteuer. Die Kirchensteuer ist, wenn man das auf das Mitglied mal umlegt, also den Durchschnitt bildet, in der Vergangenheit eigentlich immer relativ kontinuierlich gestiegen, mit Schwankungen von plus oder minus. Die größte Gefahr ist aber die sozio-demographische Entwicklung. Wenn Sie sich die Kirchenmitgliederstruktur einmal anschauen und die Kirchenmitglieder nehmen, die im Moment noch im Bereich der Besteuerung liegen, also zwischen 20 und 60 Jahren, und dann den Fokus darauf legen, wie das im Bereich der östlichen Bundesländer aussieht, dann haben wir nicht mehr die klassische Bevölkerungs- und Einkommenspyramide, den Tannenbaum, dann haben wir auch keine Hecke mehr, sondern langsam einen umgekehrten Tannenbaum. Das, was dort an Kirchenmitgliedern nachkommt beziehungsweise was aus der Einkommensteuer und Kirchensteuer dann heraus-

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wächst, das zeichnet ein Bild auf, wo man sich sagen muss: Kann sich die Kirche mit diesem Aufkommen noch den Aufgaben widmen, die sie im Moment wahrnimmt? Ein weiterer Aspekt: Natürlich können die Kirchen eine andere Finanzierungsform nehmen als den Kirchenbeitrag in der Form der Kirchensteuer. Die Kirchensteuergesetze bieten heute schon Möglichkeiten, kircheneigene Tarife zu definieren. Nur: Wenn ich einen Blick auf die Synoden werfe und mir dort eine Diskussion vorstelle, wie ein Kirchenbeitragstarif aussehen soll, der gerecht ist – wobei gerecht jetzt mal ein globaler Begriff ist –, gibt das eine Diskussion, die nie aufhört, die fangen sie nur schwerlich wieder ein. Es ist theoretisch denkbar und ich habe da auch schon in der Vergangenheit Überlegungen angestellt: Es gibt Formeln, wie man einen kircheneigenen Tarif als proportionalen oder progressiven Tarif formulieren kann. Das ist alles kein Problem. Wenn sie den dann auch haben, stellt sich die weitere Frage: Kann diese Form der Kirchenfinanzierung dann noch so eingebunden werden in ein System zwischen Abzugsverpflichteten, also zwischen Arbeitgebern und jetzt neuerdings auch Banken und Versicherungen oder muss die Kirche ein neues, völlig eigenständiges Kirchensteuerverwaltungs- und Erhebungssystem aufbauen? Gibt es dann eine kircheneigene Einkommensteuererklärung? Das müssten die Kirchen dann kommunizieren. Und ich befürchte, die Resonanz bei den Steuerpflichtigen wird dann eher „gebremst“ sein. Dieses System, auf das wir derzeit bauen, hat sich meines Erachtens eigentlich ganz gut bewährt in seiner Eingebundenheit mit allen Beteiligten. Zum Schluss möchte ich mit Churchill antworten: Die Kirchensteuer ist eines der schlechtesten Finanzierungssysteme, aber ich für meinen Teil kenne kein besseres. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Petersen. Ich glaube, dass die beiden letzten Diskussionsbeiträge doch so viel Stoff bieten, dass wir jetzt erst einmal eine Antwort zwischenschieben. Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/Karlsruhe: Mit der Feststellung, dass die Kirchensteuer keine Steuer im Sinne des Artikels 105 GG, sondern finanzrechtlich gesehen ein Mitgliedsbeitrag ist, will ich nicht materielle Änderungen im Erhebungs- und Tarifierungssystem rechtlich erzwingen. In erster Linie geht es mir um die KlarsteIlung der rechtlichen Klassifikation von Kirchensteuern als Verbandslast. Sie weist den zusätzlichen Vorteil auf, dass man der Öffentlichkeit belegen kann, dass Kirchen mit ihnen keinen unredlichen oder versteckten Anteil an staatlichen Steuern erhalten, sondern dass diese Abgaben ihre Legitimation aus der Zugehörigkeit der Mitglieder zu ihrer Kirche und ihren entsprechenden Partizipationsmöglichkeiten schöpfen, das heißt zu den Vorzugslasten zählen. Erkennt man den fehlenden Steuercharakter und die deshalb nicht notwendige Ausrichtung der Kirchensteuer an der Leistungsfähigkeit, führt das allerdings zur politischen Erwägung, ob und wie man ihre Bemessungsgrundlagen ändert. Mein Beispiel sollte nur zeigen, dass das weiterhin unbesehene Anknüpfen an die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer irgendwann so widersprüchlich wird, dass sie nicht mehr vernünftig zu vertreten ist. Als Grundlage ei-

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ner kirchlichen Abgabe wird die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage widersprüchlich, weil sie allein in § 3 EStG mit seinen 70 Ausnahmenummern, die ihrerseits wieder zahlreiche Unterfälle kennen, für viele Tatbestände Ausnahmen zulässt, die in keiner Weise mehr mit der Religion zusammenhängen, oft ihr sogar zuwiderlaufen. Dieselbe Überlegung drängt sich auf, wenn man die steuerbefreienden Gemeinnützigkeitstatbestände der §§ 51 ff. AO nach kirchenrelevanten Steuerminderungen durchforstet. Ich habe in meinem Vortrag dargelegt, dass hier manchmal geradezu groteske Widersprüche auftreten. Das darf man nicht einfach mit einem bedauernden Achselzucken hinnehmen. Deshalb wäre meine Empfehlung, sich endlich ernsthaft dieses Themas anzunehmen, die einkommensteuerrechtlichen Tatbestände auf ihre Religionsrelevanz hin zu überprüfen, zu kategorisieren und dann zu Änderungen der Bemessungsgrundlage zu kommen. Das wird letztlich zu einem eigenen Kirchenabgabensystem führen. Für Ihren Hinweis zum Rückgang der Kirchensteuer wegen der demographischen Entwicklung vor allem in den östlichen Bundesländern bin ich Ihnen dankbar. Ich hatte ihn nur nicht erwähnt, weil mir dazu die Zeit fehlte und es sich um einen empirischen Befund statt um eine rechtliche Bewertung handelt. Ich stimme zu, dass das Kirchensteuersystem historisch an die Einkommensteuer von 1906 anknüpft. Es ist richtig, dass jene damals die Leistungsfähigkeit ziemlich genau wiedergegeben hat. Wenn Sie aber meinen, dass das heute auch noch der Fall ist, würde ich vorschlagen, dass wir gemeinsam den Text des Einkommensteuergesetzes von 1906 und den von heute lesen und uns dabei alle heutigen Sondertatbestände vor Augen führen; das Ergebnis wäre niederschmetternd. Zudem will ich mit der Ablehnung des Steuercharakters ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Kirchensteuer entgegen der herrschenden Ansicht von Rechtsprechung und Literatur mangels Steuercharakter im Sinne der Artikel 105 f. GG nicht am Maßstab der Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden muss. Herrn Isensee danke ich für seinen bestärkenden Hinweis auf die politische Brisanz der Kirchensteuer, die Transparenz verlangt, um Akzeptanz zu erhalten, und für seine nachdrückliche Forderung nach konsolidierten Gesamtbilanzen unter Einschluss aller Einnahmen und Ausgaben der Kirchen. Ich glaube, dass solche Gesamtbilanzen nicht den falschen Eindruck von einem Reichtum der Kirchen in der Bevölkerung aufkommen lassen werden. Ein Nachweis, für welche Aufgaben die Finanzmittel ausgegeben werden, würde die soziale Tätigkeit der Kirche erst in ihrem ganzen Umfang zeigen. Eine kaufmännisch bilanzierende Vermögensaufstellung würde vor allem in der Position der res sacrae keine großen Beträge ausweisen, weil sie während ihrer Zweckbindung oder wegen Denkmalschutzes oft unverkäuflich sind. Artikel 138 Abs. 1 WRV statuiert historisch begründete Leistungsansprüche wegen des verfassungsrechtlichen Entflechtungsgebots. Sie sind mit dem Hinweis auf das Gleichheitsrecht nicht auf andere Religionsgemeinschaften über die früheren Staatsreligionen hinaus auszuweiten. Meine vorgetragenen Gleichheitserwägungen bezogen sich allein auf zusätzliche und freiwillige Subventionen des Staates an Kirchen. Hier sind die früheren Staatskirchen mit anderen Religionsund Weltanschauungsgemeinschaften im Subventionsrecht gleichgestellt. Gegen die These von Herrn Isensee, dass im Rahmen des Artikel 138 Abs. 1 WRV kein Ablösungsgesetz mehr notwendig sei, weil sie durch die Verträge des Staates mit den Kirchen schon erfolgt sei, erhebe ich Bedenken. Diese Konkor-

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datsverträge regeln etwas anderes. Sie begründen neue Verbindlichkeiten, die Artikel 138 Abs. 1 WRV grundsätzlich nicht verbietet. Die Verträge werfen aber die Frage auf, ob gerade sie nicht das Ablösungsgebot des Artikel 138 Abs. 1 WRV unterlaufen. Darf ein Kirchenstaatsvertrag etwas vereinbaren, was Artikel 138 Abs. 1 WRV entflochten haben will? Wenn er eine Neubegründung einer Verpflichtung enthält, darf man sie vor der Entflechtung eingehen? Die These von einer bereits erfolgten vertraglichen Ablösung mit vertraglicher Verpflichtung trennt nicht zwischen Entflechtung und Neubegründung. Ich hege Zweifel, ob man beide Dinge miteinander vermengen und letztlich durch solche Verträge das Ablösungsgebot als erfüllt ansehen darf. Ich räume aber gerne ein, dass ich kein Kirchenrechtler bin und meine Kenntnis vom Inhalt dieser Verträge nicht so umfassend ist, dass ich mir in dieser Frage ein abschließendes Urteil erlauben kann. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Kirchhof, ich habe noch einmal eine Frage zur Kirchensteuer und zum Beitrag. Also, die Kirchensteuer ist ein Beitrag der Mitglieder. Das ist auch durch die Rechtsprechung deutlich geworden, da zum Beispiel die Kirchenbausteuer abgeschafft worden ist, weil sie keinen unmittelbaren Mitgliederbezug hatte. Aber, dass man das jetzt in der Verfassung ändert, halte ich für nicht sinnvoll. Wenn wir jetzt anfangen und sagen: Wir ändern Artikel 137 WRV und schreiben dann nicht mehr Kirchensteuer hinein, sondern Kirchenbeitrag, dann fängt natürlich sofort die Diskussion an: Was müssen wir noch bei Artikel 137 WRV ändern? Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/Karlsruhe: Genau das ist auch mein Vorschlag. Ich will nichts am Wortlaut des Artikels 137 WRV ändern, weil man dann nur die Büchse der Pandora öffnen würde. Ich will bei der Interpretation des Artikels 137 Abs. 6 WRV aber die historische Entwicklung des Verfassungsrechts einbeziehen. Die Autoren der Weimarer Reichsverfassung kannten selbstverständlich im Jahr 1919 unser heutiges, fein durchstrukturiertes System der Abgaben mit seinen Kategorisierungen zwischen der Gemeinlast der Steuer und den Sonderlasten der Gebühren, Beiträge, Verbandslasten, Sonderabgaben usw. noch nicht. Es existierten zwar etliche Begriffe für finanzielle Leistungspflichten; sie hatten jedoch nicht den Charakter rechtlicher Definitionen oder Typen; letztlich waren es für die damalige Zeit unterschiedslos alles Abgaben. Die Differenzierung ist erst in den letzten 30 bis 40 Jahren finanzrechtlicher und verfassungswissenschaftlicher Bemühungen entstanden. Deshalb können wir heute die Steuer des Artikels 137 Abs. 6 WRV ohne Verdrehung des Norminhalts als Mitgliedsbeitrag definieren. Im Gegenteil geben wir ihr damit ihren ursprünglich bezweckten Inhalt zurück; erst die unbedachte Gleichsetzung mit der Definition der Artikel 105 f. GG aus der Sicht einer mittlerweile über 60 Jahre währenden Interpretationsarbeit würde das Ziel des Artikels 137 Abs. 6 WRV verfälschen. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Kirchhof. Jetzt folgen Herr Oebbecke und Herr Himmelsbach.

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Prof. Dr. Janbernd Oebbecke, Münster: Herr Kirchhof, ich komme noch einmal zurück auf Ihren Leitsatz 1. Sie plädieren zum einen für die kaufmännische Buchführung und zum anderen für eine konsolidierte Gesamtbilanz. Was die kaufmännische Buchführung anlangt, bin ich aus den Gründen, die sich aus dem Satz 1 Ihres Leitsatzes ergeben, ganz bei Ihnen. Man kann, glaube ich, heute ein ernstzunehmendes Rechnungswesen nicht haben, wenn man nicht weiß, welche Zukunftslasten man sich auflädt, oder was man beispielsweise an Vermögensverbrauch hat. Sie haben das aber in Ihrem Vortrag mit zusätzlichen Hoffnungen, was Verbesserungen von Steuerungsmöglichkeiten anbetrifft, verbunden, etwa durch Aufdeckung von Verschwendungen. Nach den Erfahrungen, die wir in den letzten fünfzehn Jahren im kommunalen Bereich, bei den Universitäten usw. gemacht haben, warne ich davor, das Rechnungswesen mit diesen Hoffnungen zu überfrachten. Die Erfahrungen zeigen, dass in diesen Punkten mit der Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens noch nichts gewonnen ist. Sie brauchen zusätzlich eine Kostenrechnung, die davon völlig zu unterscheiden ist und Sie brauchen Vergleiche, sonst sind die Zahlen ja nicht aussagekräftig. Das kaufmännische Rechnungswesen alleine gibt da nichts her. Was die konsolidierte Gesamtbilanz anlangt, so kann es aus Gründen, die etwa Herr Isensee genannt hat, zweckmäßig sein, das zu tun, was Sie als erstes genannt haben, nämlich eine gemeinsame Bilanz von Landeskirchen/Diözesen und Gemeinden, damit man sieht: Was steht überhaupt insgesamt an Geld zur Verfügung? Was wird ausgegeben? Den Nutzen einer darüber hinausgehenden Gesamtbilanz, die auch noch die Trabanten einbezieht, den würde ich nachhaltig bezweifeln, weil es wenig aussagekräftig ist, Einrichtungen zusammenzubringen, bei denen man von vornherein weiß, dass sie zuschussträchtig sind, Einrichtungen, von denen man wirtschaftliche Tätigkeit erwarten darf und erwarten muss, dass sie Geld hereinbringen, und Einrichtungen, bei denen man hofft, dass sie im Großen und Ganzen kostendeckend arbeiten. Welche Aussagekraft hat eine solche Bilanz? Was wüssten wir mehr über die katholische Kirche, wenn wir eine konsolidierte Gesamtrechnung hätten, aus der sich dann ergibt, dass oder wie hoch die Weltbildeinnahmen einfließen? Das bringt nicht weiter. Eine ähnliche Diskussion haben wir bei den Kommunen. Das mag als Vermögensrechnung noch gerade gehen. Aber wenn Sie noch Ertrag und Aufwendung einbeziehen, ist das ganz sicher nicht aussagekräftig. Michael Himmelsbach, Freiburg: Herr Starck, Sie hatten ja die Kirchenfinanzer aufgefordert, sich zu melden, und da ich in der Abteilung Finanzen in Freiburg dafür zuständig bin und gerade bei uns die Frage der Transparenz immer wieder angefragt wird, habe ich mich vielleicht jetzt zu Recht provozieren lassen, etwas zu sagen. Ich würde nämlich darum bitten, gerade bei der Frage der Transparenz zu differenzieren: Es ist durchaus unterschiedlich in den Ländern und in den Diözesen, wie mit der Frage der Transparenz umgegangen wird. Herr Paul Kirchhof, Sie haben vor gut zehn Jahren bei uns den Festvortrag gehalten: 100 Jahre demokratische Kirchensteuerordnung in Baden. Wir haben zum Beispiel in Baden auch rechtlich die Situation, dass nicht der Bischof irgend-

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etwas in Kraft setzt, wozu ihm einer rät oder nicht, sondern wir haben von unserer Kirchensteuervertretung nicht nur einen verbindlich beschlossenen Kirchensteuerhebesatz, sondern sie beschließt auch im Detail den Haushaltsplan für das Erzbistum. Dieser Haushaltsplan wurde vor den Internet- oder PC-Zeiten schon als dickes Buch an jeden verschickt, der ihn lesen wollte. Es gab nicht allzu viele, die ihn lesen wollten. Es gibt leider auch zu wenige, die sich mal eine Jahresrechnung anschauen, denn auch die Jahresrechnung wird veröffentlicht. Auch da ist mehr Transparenz, als abgerufen wird. Also, ich bitte einfach, dass wir das etwas differenzierter betrachten. Das Zweite: Die Illusion der Schattenhaushalte, die da hinten dransteht. Ich kann das logisch nicht flächendeckend beantworten, aber für unser Bistum. Wenn ich mir zum Beispiel bei den „Schattenhaushalten“ die Stiftungen angucke: Wir haben drei große Stiftungen. Die eine ist die aus den Pfarrpfründen gebildete, die anderen beiden sind Versorgungsstiftungen für Priester und Beamte; deren Einnahmen finden Sie in unserem Bistumshaushalt wieder. Die sind nicht intransparent. Die wirken nicht irgendwo hinten rum. Da haben wir nicht irgendwo Schattenhaushalte, von denen im Prinzip das halbe Bistum leben könnte, wenn es die Kirchensteuer nicht gäbe. Das ist eine Illusion, die – deswegen gebe ich Ihrem Ansatz recht –, wenn man das transparenter darstellte, vielleicht zerstört würde. Und das würde uns gut tun. Zum Stichwort Transparenz durch die Konsolidierung: Ich gebe Ihnen Recht. Ich gebe Ihnen vor allem Recht, wenn es darum geht, in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, was wir als Kirchen alles tun, und da ist die Kosten-/ Leistungsrechnung wichtig. Sie haben es angesprochen. Ich glaube, dass das auf Sicht ein wichtiger Punkt ist. Denn wenn wir mit einer Kostenrechnung einmal einen Ehrenamtlichen als Leistungsträger in der Kirchengemeinde darstellen könnten und nicht nur als Kostenfaktor, etwa beim Telefonkostenersatz, dann ist das etwas, was uns gut tun wird. Ob es zwingend juristisch erforderlich ist, die Diözese und die Kirchengemeinden im externen Rechnungswesen zu konsolidieren, da habe ich Zweifel. Die Kirchengemeinden sind auch kirchenrechtlich vom Verständnis her weit mehr als die Filiale der Postbank für die Postbank. Sie haben eine eigene Kompetenz, eine eigene kirchenrechtliche Größe, so dass es jetzt für mich, für die Bistumsfinanzen interessant wäre, eine Konsolidierung zu machen und sie regelmäßig zu machen, um etwa wirtschaftliche Risiken abzuschätzen. Aber ich glaube nicht, dass es richtig wäre zu sagen, es sei juristisch erforderlich, weil Bistum und Kirchengemeinden einen Konzern darstellen, der dann zu konsolidieren wäre. Noch deutlicher ist es bei den caritativen Einrichtungen, die rechtlich selbstständig verfasst sind, die nur teilweise durch Aufsichtsrechte „geführt“ werden können, dass diese nicht konsolidiert werden könnten. Das sind eigene unabhängige Risiken, die auch nicht so steuerbar sind, und wo wir von daher auch durch eine Konsolidierung, glaube ich, nicht wirklich gewinnen würden. Ein kleines Schmankerl am Schluss: Wir haben für unsere Kirchenbeitragsdiskussion ja auch kirchenintern schon einiges von den Regelungen her getan. Das allgemeine und das besondere Kirchgeld sind doch eindeutig nur Beiträge und nicht steuerrechtlich begründbar. In manchen Kirchen und Diözesen werden sie ja auch erhoben, nicht flächendeckend, aber dort, wo sie erhoben werden, wird eigentlich schon vom Beitragsgedanken her gedacht. Danke sehr.

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Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Himmelsbach. Ihr Diskussionsbeitrag zeigt mir, wie wichtig die Stimme der Kirchenbeamten ist. Jetzt kommt gleich noch ein weiterer. Herr Kupke von der evangelischen Seite, bitte schön. Dr. Arne Kupke, Bielefeld: Zuerst einmal will ich dem allgemeinen Dank für den Vortrag einen besonderen persönlichen hinzufügen, nämlich für Ihren allerersten Satz. Ich bin für die Umstellung des kameralen Rechnungswesens auf das kaufmännische in der Evangelischen Kirche von Westfalen zuständig und ich darf Ihnen einmal sagen, wie schwer es ist, in der Kirchengemeinde vor Ort, sprich Theologen wie auch Ehrenamtlichen, klar zu machen, dass eine Bilanz etwas Positives ist. Sie haben ja diese Trias genannt, wo der Vorteil liegt. Die Umstellung macht uns große Mühe, wir sind aber trotzdem mit Überzeugung dabei. Nun zu den zwei Punkten, zu denen ich mich gemeldet hatte. Der eine ist folgender: Ich bin ganz vorsichtig mit dem Begriff des Mitgliedsbeitrages. Sie haben den ja im Zusammenhang mit der Außendarstellung verwendet. Ich will bezüglich der Innendarstellung sagen, dass ich den für höchst schädlich halte. Der Mitgliedsbeitrag: Wie hoch ist der? 50 oder 100 Euro, und wenn man großzügig ist, gibt man noch einmal 100 dazu. Wir haben Menschen, die einen derartig hohen Betrag zahlen an Kirchensteuer. Da wage ich nicht, den Begriff Mitgliedsbeitrag in den Mund zu nehmen. Das ist eine echte Steuer, angelehnt an die Leistungsfähigkeit. Die besonders leistungsfähig sind sagen, sie zahlen so viel, und ein großer Teil unserer Mitglieder in Westfalen zahlt keinen Euro Kirchensteuer. Weil sie gar nicht über die Grenze kommen: Kinder, Rentner, Einkommenslose usw. Soll ich denen sagen: Ihr zahlt keinen Mitgliedsbeitrag. Ich finde, der Steuerbegriff ist ein hervorragender, der erleichtert es mir auch immer sehr, wenn zum Beispiel jemand, der die letzten Jahre immer besser verdient hat, anruft und sagt: „Können wir uns nicht auf die Hälfte einigen?“ Diese Anrufe gibt es ja nun in der Tat, auch von Menschen, die es schon berufsbedingt besser wissen müssten. Da komme ich mit dem Steuerbegriff und der Idee der Steuer sehr, sehr weit und verweise auf den ein oder anderen namhaften Protestanten, dessen Kirchensteuer auch nach Leistungsfähigkeit berechnet wird. Im katholischen Bereich wird es genau so sein. Der Steuerbegriff kann nach innen dazu führen, dass eine Akzeptanz hergestellt wird. Nach außen kann ich die Argumentation verstehen. Aber da sehe ich gar nicht so sehr die Anfragen. Mein zweiter Punkt war der: Sie haben in Leitsatz 11 geschildert, was so alles passieren kann und weggeht von der Einkommensteuer. Ich würde einen anderen Punkt dagegen setzen: Ich glaube, die Kirchensteuer ist und bleibt die Pflichtveranstaltung in der Kirche. Die Kür wird das sogenannte Fundraising. Bitte nicht wegen des Begriffes Widerspruch erheben, sondern es geht um all das, was freiwillige Leistungen sind. Wer nämlich fragt: „In meiner Kirchengemeinde gibt es den und den Bedarf, und meine Steuer geht aber zentral nach Bielefeld. Wie finde ich denn das?“, dann muss ich sagen – und das sage ich heute schon manchem Hochbesteuerten –: Unser System setzt die Kirchensteuer als solidarisches Grundgerüst voraus. Alles, was mehr als das Grundgerüst ist und was vor Ort ankommen soll, muss gespendet werden. Es wird also eine Zweiteilung geben zwischen Pflicht und Kür, zumindest bei denen, die das wünschen. Daher würde ich das Recht gar

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nicht verändern. Das Recht, das haben wir mehrmals gehört, ist ziemlich gediegen ausdifferenziert. Wir sollten bei dem Bereich der Kür den Menschen relativ bald sagen: Wer mehr Konkretes will, der muss auch in die Kür gehen, nämlich ganz konkrete Dinge extra fördern. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Kupke. Herr Vogelbusch, bitte. Prof. Dr. Friedrich Vogelbusch, Dresden: Ich bin EKD-Synodaler und sozusagen Laie in dieser Bewegung, aber auch als Wirtschaftsprüfer im Bereich der Kirche tätig. Ich wollte auf etwas hinweisen zum Leitsatz 1, dem der Transparenz. Es hat sich in der Welt in den letzten Jahren eine erhebliche Veränderung ergeben hinsichtlich des Transparenzverhaltens und auch hinsichtlich der Transparenzerwartung. Ich will jetzt gar nicht abstellen auf die Diskussion um den vormaligen Bundespräsidenten, sondern will nur sagen, dass es im Handelsrecht früher so war, das man gute Arbeit tat und dann dementsprechend hohe Einnahmen und die Gewinne hatte, auf die Veröffentlichung verzichtete man jedoch. In Amerika und in angelsächsischen Ländern hat man immer auch sofort über seine Bilanzen und ähnliches berichtet. In Deutschland war das eine Kultur, dass man gesagt hat: „Darüber berichten wir nicht.“ In den vergangenen Jahren hat sich das Transparenzverhalten in der Wirtschaft deutlich hin zu einer größeren Offenheit gewandelt. Insbesondere durch das Gesetz über das elektronische Handelsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), das zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist, wurden die Offenlegungsvorschriften im Handelsrecht verschärft. Durch diese Gesetzesnovelle hat sich eine andere Kultur ergeben. Alle Kaufleute, alle Kapitalgesellschaften müssten ihre Jahresabschlüsse innerhalb kurzer Zeit ins Internet stellen. Wenn man etwas erfahren will über eine Gesellschaft, dann guckt man heute in das E-Handelsregister, im E-Bundesanzeiger nach, und hat sofort die Zahlen da. Die Diakonie und die Caritas haben im letzten Jahr gemeinsam Transparenzrichtlinien erlassen und raten jetzt allen Stiftungen und Vereinen, ihre Jahresabschlüsse zu publizieren, damit dort ein transparentes, neues Verhalten zutage tritt. Ich denke, das knüpft an das, was in der Welt passiert ist, an. Mein Appell ist, dass wir in der Kirche uns da auch anschließen. Ich gebe meinen Vorrednern recht, die gesagt haben: In der evangelischen und in der katholischen Kirche ist vieles auch historisch gewachsen. Da gibt es die Stiftungen, da gibt es die Caritas, die Diakonie, da gibt es dann noch den Bischöflichen Stuhl – das ist sicherlich eine Besonderheit auf katholischer Seite –, aber ich denke, dass die Transparenzerwartung in der Welt von den Gemeindegliedern, auch von unseren Kritikern, nichts anderes übrig lassen wird, dass wir auch einen Schritt nach vorne gehen. Damit das jetzt nicht ungeordnet geschieht und der eine das macht, der andere wiederum das, ist mein Appell: Wir müssen Ähnliches vorsehen, was die Caritas und die Diakonie geschaffen haben, nämlich dass wir in der verfassten Kirche auch zumindest Standards in der Transparenz erlassen und dann gucken, was man an Jahresabschluss- und an Haushaltsplaninformationen in einem geordneten Verfahren frei zugänglich im Internet zur Verfügung stellen kann. Das ist mein Appell.

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Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Vogelbusch, für das Plädoyer für die Transparenz. Jetzt kommt noch Herr Paul Kirchhof zu Wort. Prof. Dr. Dr. Paul Kirchhof, Heidelberg: Ich möchte etwas zur Alternative von Kirchensteuer und Kirchenbeitrag sagen. Die Gebühr ist das Leistungsentgelt, der Beitrag das Entgelt für ein bevorzugendes Leistungsangebot und die Steuer ist die voraussetzungslose Abgabe, mit der die Aufgaben der Allgemeinheit der Steuerpflichtigen finanziert werden. Die Übergänge zwischen Beitrag und Steuern sind fließend. Doch die Unterschiede in der Rechtsfolge bleiben beachtlich. Die Kirchensteuer muss bei der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden, weil jeder Euro, der schon für die Zahlung einer direkten Steuer ausgegeben worden ist – die Kirchensteuer –, nicht noch einmal verwendet werden kann, um eine andere direkte Steuer zu zahlen. Dieser Gedanke ist inzwischen für das Verhältnis von Einkommensteuer zur Gewerbesteuer anerkannt, beginnt langsam auch beim Verhältnis von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer zu wirken. Die Qualifikation der Kirchenabgabe als Steuer oder Beitrag kann also in der sich gegenwärtig entwickelnden Steuerkonkurrenzlehre praktische Bedeutung gewinnen. Mein zweiter Punkt betrifft die Kirchensteuer von Kapitalgesellschaften. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat vielversprechende Ansätze entwickelt, auch die Kapitalgesellschaften zur Finanzierung der Kirchen heranzuziehen, soweit diese Allgemeinaufgaben für die Bürger und Menschen erfüllen. Kapitalgesellschaften haben bekanntlich keine Religion. Dennoch hat der Gerichtshof am Beispiel Skandinavien, auch am Beispiel einiger Schweizer Kantone eine Kirchensteuerpflicht von Gewerbebetrieben und Kapitalgesellschaften für rechtmäßig gehalten, solange das Aufkommen aus dieser Steuer im Verhältnis zum Gesamtaufkommen der Kirche nicht den Finanzierungsanteil übersteigt, den die Kirchen für allgemeine und nicht für mitgliederbezogene Aufgaben verwenden. Auch einer Körperschaft ist es ein Anliegen, dass Kirchen etwa Kindergärten und Krankenhäuser betreiben, die allen – auch Nichtkirchenmitgliedern – zugute kommen. Gerade in der Gegenwart, in der die Einkommensteuer durch Quellenabzug und Pauschalierungen eher anonymer wird, könnte diese Frage für die Kirchenfinanzierung Bedeutung erlangen. Ein weiterer Aspekt betrifft eine langgehegte Hoffnung. Die Kirchen sind zusammen mit dem Staat Gläubiger eines materiellen Einkommensteuerrechts. Auch die Kirchensteuer wird nach dem staatlichen Einkommensteuerrecht bemessen. Wenn wir nun beobachten, dass das Einkommensteuergesetz von Ausnahmen, Widersprüchen, Gegensätzlichkeiten und Privilegien geprägt ist, muss diese Bemessungsgrundlage auch die Kirchen beunruhigen, weil sie sich auf der Grundlage dieses unzulänglichen Rechts finanzieren. Deswegen hoffen wir auf eine Gläubigergemeinschaft von Staat und Kirche, die diese rechtlichen Defizite energisch aus der Welt schafft. Sollte die Kirche sich durch diese Aufgabe aber überfordert fühlen – ich vermute nicht, dass dieses so ist –, so könnte der § 51a EStG neu formuliert werden: Die Kirchensteuer bemisst sich nach den Markteinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen, abzüglich der existenzsichernden Aufwendungen und abzüglich der Spenden. Dann wird in dem Gegensatz

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von staatlichem und kirchlichem Einkommensteuerrecht den Menschen jährlich bewusst, dass es eine deutsche Einkommensteuer für die Kirche gibt, die den Prinzipien der Steuergerechtigkeit entsprechen, und eine andere deutsche Einkommensteuer für den Staat, die diesen Anforderungen nicht genügt. Die Kirchen hätten Großes geleistet. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Paul Kirchhof. Wenn jetzt keine weitere Wortmeldung mehr kommt, dann haben Sie, Herr Ferdinand Kirchhof, das Schlusswort, in dem Sie auch auf die Einzelfragen einfach eingehen. Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/Karlsruhe: Die Notwendigkeit einer Anrechnung gezahlter Kirchensteuer auf die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer sehe ich weniger als Folge einer sonst eintretenden abgabenrechtlichen Doppelbelastung mit zwei Steuern, sondern als genuin einkommensteuerrechtliche Konsequenz aus der Gewährleistung der Religionsfreiheit nach Artikel 4 GG und des religiösen Existenzminimums nach Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 20 GG. Die Mitgliedschaft in einer Kirche beruht auf der Überzeugung, dass Religionsausübung wesentlich mit der Zugehörigkeit zu ihr zusammenhängt. Gibt es die Mitgliedschaft nur unter der Bedingung einer Kirchensteuer, ist eine kollektiv ausgeübte Religion ebenfalls nur um diesen Preis möglich. Der Staat muss die geleistete Abgabe als grundrechtlich notwendig akzeptieren und sie deswegen von der Bemessungsgrundlage abziehen. Bei anderen nicht weltanschaulich motivierten, aber zwingenden Abgaben, wie zum Beispiel den Sozialversicherungsbeiträgen, erkennt das Bundesverfassungsgericht diese einkommensteuerrechtliche Notwendigkeit des Abzugs von der Bemessungsgrundlage mittlerweile an. Ich habe Zweifel, ob eine Empfehlung an die Kirchen angezeigt ist, angesichts der unsystematischen „Durchlöcherung“ der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage mit Steuerbefreiungen gleichsam als leuchtendes und beispielhaftes Gegenstück eine klare und in sich konsistente Kirchensteuerbemessungsgrundlage ohne systemwidrige Ausnahmen entgegenzuhalten und dabei den Staat zu verpflichten, sein eigenes Einkommensteuerrecht entsprechend auszurichten. Letztlich würde eine bestimmte Gruppe von Interessenten am Steueraufkommen, nämlich die Kirchen, für ihre besonderen Zwecke die Bemessungsgrundlage einer staatlichen Gemeinlast ändern wollen und das noch mit dem Bestreben begründen, das staatliche Einkommensteuergesetz wieder in die rechte Bahn zu lenken. Dazu ist ausschließlich der demokratische Gesetzgeber befugt und verpflichtet; es kann nicht Aufgabe der Kirchen sein, das staatliche Steuerrecht neu zu ordnen. Zudem würde ein solcher Versuch wohl die Kräfte der Kirchen in der Steuerpolitik überschätzen; um es etwas despektierlich zu formulieren: Da würde der Schwanz wohl mit dem Dackel wackeln. Nochmals zur Frage: Kirchensteuer oder Mitgliedsbeitrag? Juristische Redlichkeit erfordert es, die Kirchensteuer nach heutigen Abgabenbegriffen so zu kategorisieren, wie diese Abgabe nach ihrem Zweck und ihrem Inhalt beschaffen ist, nämlich als Mitgliedsbeitrag. Es ist das alte Problem: Geht man offensiv in eine Diskussion und sagt, „was Sache ist“, oder bedient man sich weiter einer eingefahrenen Praxis in der Hoffnung, dass niemandem die verfehlte Einordnung

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als Steuer auffällt und er nur deswegen keinen Sand ins Getriebe wirft? Ich halte es für wenig erfolgversprechend, unter Hinweis auf die Bezeichnung im Normtext des Artikels 137 Abs. 6 WRV und auf bisherige Auffassungen die herrschende Meinung einfach weiterzuführen, denn sie hat ihre Rechtfertigung verloren. Wir begeben uns dann in die gleiche Gefahr bröckelnder Akzeptanz wie bei einem Stillhalten bei der „ewigen Rente“ nach Artikel 138 Abs. 1 WRV. Historisch Gewachsenes steht auf Sand, wenn es seine innere Legitimation verliert, vor allem in einer Zeit, in der die Kirchensteuerpflicht in den Parlamenten in eine ernsthafte Diskussion gerät. Finanzrechtlich exakt betrachtet wäre die Kirchensteuer als Verbandslast zu bezeichnen; der Begriff des öffentlich-rechtlichen Mitgliedsbeitrags ist nur eine populäre Erläuterung, was in diesem Fall unter einer Verbandslast zu verstehen ist. Ich verwende die Bezeichnung Verbandslast für Kirchensteuern allerdings ungern, weil das Wort nach einem schlimmen Joch auf dem Rücken der Kirchenmitglieder klingt. Materiell wichtig ist an der neuen Kategorisierung aber, dass sie vom Regime der Leistungsfähigkeit befreit und den Kirchen dadurch mehr Beweglichkeit in der Tarifierung der Kirchensteuer einräumt. In der Tat ist eine konsolidierte Gesamtbilanz einer Kirche unter Einschluss ihrer Trabanten von Caritas, Diakonie und ähnlichen Hilfsorganisationen nicht ohne Probleme. Derartige Einrichtungen erfüllen teilweise völlig andere Aufgaben als die Kirchen und Gemeinden; zum Teil operieren sie als gewinnorientierte Unternehmen, zum Beispiel Verlage und Fernsehsender, zum größeren Teil sind es Versorgungseinrichtungen, die im Haushalt nur rote Zahlen aufweisen. Es ist aber zu überlegen, ob man trotz dieser unterschiedlichen Aufgabenstellung eine Zusammenführung befürwortet, weil auf diese Weise die jeweilige Gesamtkirche durch ihren Haushalt Kenntnis davon erhält, für welche Aufgaben welcher Wertverzehr stattfindet, und nicht nur davon, welche Geldströme zwischen ihren Einrichtungen fließen. Aus einer Gesamtbilanz wäre zum Beispiel abzulesen, dass eine caritative Aufgabe im nördlichen Teil einer Diözese 20 % mehr an Finanzmitteln als im südlichen Teil benötigt. Das gäbe Anlass zur Prüfung, warum die Aufwendungen unterschiedlich sind. Beruht es zum Beispiel auf geographischen oder kulturellen Gegebenheiten, sind Differenzen im Aufwand gerechtfertigt. Andernfalls müsste man einschreiten. Eine konsolidierte Gesamtbilanz ist vornehmlich ein Erkenntnisinstrument für die Haushaltsorgane. Zum zweiten dient sie als Steuerungsinstrument, mit dem Aufgaben und Aufwendungen verglichen werden können. Das gelingt mit den Einzelbilanzen der Einrichtungen einer tief strukturierten Kirche nicht, weil der Überblick in gemeinsamer Rasterung der Haushaltspositionen fehlt. Ich stimme aber gerne zu, dass man die Einführung konsolidierter Gesamtbilanzen im Einzelfall genau prüfen muss, damit man nicht „Äpfel mit Birnen“ vergleicht. Ich würde allerdings eine konsolidierte Gesamtbilanz nicht rechtlich für zwingend erforderlich halten. Ich wollte nur finanzpolitisch anregen, zumindest die Landeskirchen oder Diözesen mit ihren Gemeinden zusammenzuführen, weil sie im Wesentlichen denselben Auftrag erfüllen. Warum man hier noch ausschließlich mit Einzelbilanzen arbeiten sollte, erschließt sich dem Finanzrechtler nicht. Es soll auch nicht die Selbständigkeit der einzelnen Gemeinden durch finanzielle Transparenz vernichtet werden. Eine Gesamtbilanz wäre vielmehr das Koordinierungsinstrument, welches zwei Ebenen besser aufeinander abstimmt.

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Zuletzt darf ich mich bei Ihnen allen bedanken. Für den Vortragenden liefert eine Diskussion immer einen Ertrag zu den Thesen seines Referats. Ich habe in der Diskussion etliche neue Aspekte und Fragen gefunden, die mir nachzudenken geben. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Herr Kirchhof, vielen Dank, auch im Namen des Auditoriums. Sie haben ja gesehen: hier bei den Essener Gesprächen darf man eine Stunde sprechen und dann wird eineinhalb Stunden diskutiert. Sie haben sehr schwerwiegende Fragen aufgeworfen, was ich so gar nicht erwartet hatte, als ich an das Thema dachte, und sie sind eigentlich alle in der Diskussion behandelt worden, natürlich immer in streitiger Weise, und dafür danke ich Ihnen und den Diskussionsteilnehmern.

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Professor Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Meine Damen und Herren, nachdem wir uns heute Vormittag hauptsächlich mit staatskirchenrechtlichen Fragen beschäftigt haben, ist der heutige Nachmittag dem kirchlichen Vermögensrecht gewidmet. Wir haben zwei Redner, die ich jetzt in der Reihenfolge, in der sie sprechen werden, kurz vorstellen möchte. Der erste Redner ist Herr Professor Michael Germann, 1967 geboren, im Jahr 1986 hat er am Karls-Gymnasium in Stuttgart das Abitur abgelegt und dann unmittelbar danach Rechtswissenschaft in Tübingen, Genf und Erlangen studiert. 1992 und 1994 hat Herr Germann die beiden juristischen Staatsexamina abgelegt; er war seit 1992 Wissenschaftlicher Assistent bei Herrn Professor Link, der uns wohl bekannt ist, weil er oft hier an unseren Tagungen teilgenommen hat. 1999 wurde Herr Germann promoviert mit dem Thema „Gefahrenabwehr und Strafverfolgungen im Internet“1. Sie, Herr Germann, haben sich mit diesem Thema schon 1999 als ein besonders fortschrittlicher und in die Zukunft denkender junger Jurist erwiesen. Zwei Jahre später folgte die Habilitation für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht. Das Thema war „Gerichtsbarkeit der Evangelischen Kirche“2, also ein kirchenrechtliches Thema. Seit 2006 ist Herr Germann Mitherausgeber der Zeitschrift für Evangelisches Kirchenrecht, die in unserem Kreis wohl bekannt ist. Sie haben seit 2002 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatskirchenrecht und Kirchenrecht in Halle inne; der Versuch, Sie nach Göttingen zu holen, ist nicht gelungen. Es liegen zahlreiche Arbeiten im Öffentlichen Recht, im Staatskirchenrecht und im Kirchenrecht vor. Zwischen 1999 und 2003 haben Sie fünf Preise erhalten, unter anderem den Promotionspreis in Erlangen und dann den hoch angesehenen Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Sie sind Mitglied zahlreicher evangelischer Kommissionen und Beiräte. Der zweite Redner, Herr Professor Rüdiger Althaus, wurde 1961 in Dortmund geboren. Nach dem Abitur folgte das Studium der Katholischen Theologie von 1980 bis 1985; 1987 wurde er zum Priester geweiht. Danach war er Gemeindeseelsorger und ist seit 1994 Diözesanrichter am Erzbischöflichen Offizialat in Paderborn. Herr Althaus ist auch Lizenziat im Kanonischen Recht. 1995 erfolgte die Promotion zum Doktor der Theologie im Kirchenrecht in Münster, es folgten ein Lehrauftrag für Kirchliches Vermögensrecht in Münster und 1999 die Habilitation in Bochum mit einer Arbeit über das Thema „Rezeption des Codex Iuris Canonici von 1983 in Deutschland“3. Im Jahre 2000 wurde er zum Professor für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät in Paderborn ernannt und ist seit 2004 Mitglied des Metropoli-

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Michael Germann, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Internet, Berlin 2000. Michael Germann, Die Gerichtsbarkeit der evangelischen Kirche, Manuskript 2001, Druck in Vorbereitung. Rüdiger Althaus, Die Rezeption des Codex Iuris Canonici von 1983 in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Voten der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Paderborner Theologische Studien 28, Paderborn 2000.

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tankapitels in Paderborn als residierender Domkapitular. Eine Vielzahl von Aufsätzen zum Kanonischen Recht, insbesondere zum Vermögensrecht, liegen vor, die uns gezeigt haben, dass er ein großer Sachverständiger des kanonischen Vermögensrechts ist, und die dazu geführt haben, dass er zu unserer Tagung eingeladen worden ist. Herr Professor Althaus wird zu uns sprechen über Strukturen kirchlicher Vermögen und kirchliche Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche. Ich darf zunächst Sie bitten, Herr Germann, mit Ihrem Vortrag den Anfang zu machen.

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Die kirchliche Vermögensverantwortung nach evangelischem Kirchenrecht* I. Das Interesse an kirchlicher Vermögensverantwortung II. Kirchenvermögen in der evangelischen Kirche in Deutschland III. Rechtsdogmatische Elemente kirchlicher Vermögensverantwortung 1. Vermögenssubjekte im evangelischen Kirchenrecht 2. Vermögen als Gegenstand von Kirchenrechtsverhältnissen 3. Die bürgerliche Wirksamkeit des kirchlichen Vermögensrechts IV. Rechtsgrundlagen der Vermögensverantwortung im geltenden evangelischen Kirchenrecht V. Formell-rechtliche Kriterien der Vermögensverantwortung 1. Verbandszuständigkeiten: zentrale und dezentrale Verantwortung 2. Organzuständigkeiten: synodal-presbyteriale und konsistoriale Verantwortung 3. Handlungsformen der Vermögensverantwortung VI. Materiell-rechtliche Kriterien der Vermögensverantwortung 1. Zweckbindung für den Auftrag der Kirche 2. „Solidarität“ und „Verantwortliche Haushalterschaft“ als Funktionen der Auftragsbindung 3. „Ethik und Nachhaltigkeit“ als Funktion der Auftragsbindung VII.Vermögensverantwortung und Kirchenleitung in evangelischem Verständnis

I. Das Interesse an kirchlicher Vermögensverantwortung Die Einladung zu diesem Essener Gespräch über Staat und Kirche fragt vorsichtig, „ob es nicht trotz aller Fragen berechtigt ist, den Kirchen insgesamt ein seriöses Finanzgebaren zuzugestehen“. Im weiten Spektrum möglicher Antworten, das die so ergebnisoffene Fassung dieser Frage aufspannt, kann ich nur einen begrenzten, vorbereitenden Beitrag leisten: nämlich darstellen, was speziell mit Blick auf die evangelische Kirche speziell das Kirchenrecht an Bedingungen vorhält, um die Frage am Ende doch bejahen zu können. Das Interesse an dieser Frage ist in erster Linie ein politisches. Seriosität im Umgang mit Geld ist eine Voraussetzung für das öffentliche Vertrauen, auf das die Einladung ebenfalls abhebt. Das öffentliche Vertrauen in die kirchliche Fi* Der Autor hält sich an die Regeln der „alten“ Rechtschreibung.

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nanzverwaltung ist eine entscheidende Bindekraft für die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns. Hier geht es um die von Freiheitsprinzipien ja oft wenig gehaltene politische Akzeptanz des kirchlichen Umgangs mit Geld und, weiterreichend, seines staatskirchenrechtlichen Schutzes. Sie zu erhalten ist ein guter Grund für die Kirche, die in der Einladung angesprochenen Aspekte finanzieller Seriosität im Auge zu behalten: den Haushalt transparent zu gestalten, Mißmanagement vorzubeugen, den Umgang mit anvertrautem Geld nachhaltig zu sichern. Das Kirchenrecht interessiert insofern als ein Mittel, um den kirchlichen Umgang mit Geld auf diese Kennzeichen finanzieller Seriosität hinzusteuern. Die übliche Bezeichnung für den entsprechenden Gegenstand des Kirchenrechts ist „Vermögensverwaltung“.1 Besser kommen sowohl die spezifische Leistung des Rechts als auch sein Telos zum Ausdruck, wenn wir von „Vermögensverantwortung“ sprechen: Verantwortung im Umgang mit kirchlichem Vermögen. Das Interesse an kirchenrechtlich geordneter Vermögensverantwortung ist in erster Linie ein innerkirchliches. Vordergründig sind es die Kirchenglieder,

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Zur Ordnung des kirchlichen Vermögens und Finanzwesens im evangelischen Kirchenrecht siehe überblickshalber Burkhard Guntau, Finanzwesen, kirchliches, in: Werner Heun/Martin Honecker/Martin Morlok/Joachim Wieland (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Neuausgabe, Stuttgart 2006, Sp. 583–587; Felix Hammer, Kirchenvermögen, ebd., Sp. 1245–1248 (1245, 1247 f.); Werner Hofmann, Kirchenvermögen, I.–III., in: Hermann Kunst/Siegfried Grundmann (Begr.)/Roman Herzog/ Klaus Schlaich/Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl., Stuttgart 1987, Band 1, Sp. 1771–1774 (1772 f.); Hans-Peter Hübner, Kirchenvermögen I. Ev., in: Axel Frhr. v. Campenhausen/Ilona Riedel-Spangenberger/P. Reinhold Sebott SJ (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Band 2, Paderborn/München/Wien/Zürich 2002, S. 537 f.; Heinrich de Wall, in: ders./Stefan Muckel, Kirchenrecht. Ein Studienbuch. 3. Aufl., München 2012, § 35, Rn. 1–4 (S. 324 f.); Rudolf Weeber, Finanzwesen, kirchliches II. In der evangelischen Kirche, in: Kurt Galling/Hans Frhr. v. Campenhausen/Erich Dinkler/Gerhard Gloege/ Knud E. Løgstrup (Hrsg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 3. Aufl. (RGG), Band 2, Tübingen 1958, Sp. 950–954; ferner Hans Liermann, Deutsches evangelisches Kirchenrecht, Stuttgart 1933, S. 363–389 mit umfassenden Nachweisen zur älteren Literatur; Erik Wolf, Ordnung der Kirche. Lehr- und Handbuch des Kirchenrechts auf ökumenischer Basis, Frankfurt a. M. 1961, S. 670–680; Klaus Blaschke, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht, Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht (ZevKR) 27 (1982), S. 45–83; Otto Friedrich, Einführung in das Kirchenrecht, 2. Aufl., Göttingen 1978, S. 501–522, 534–537; Christian Meyer, Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche (§ 33), in: Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. (HSKR), Band 1, Berlin 1994, S. 907–946; aus praktisch-theologischer Sicht Jan Hermelink, Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens. Eine praktisch-theologische Theorie der evangelischen Kirche, Gütersloh 2011, S. 206–218. Zahlreiche Facetten des Themas behandelt der Sammelband von Wolfgang Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche. Studien zu Struktur, Geschichte und Legitimation kirchlicher Ökonomie, München 1989. Das dreibändige Sammelwerk von Gerhard Rau/Hans-Richard Reuter/Klaus Schlaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche, Gütersloh 1994–1997, enthält keinen Beitrag zum Thema.

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denen die Kirche Rechenschaft über ihr Finanzgebaren schuldet. Das kann man zunächst als kirchenpolitisches Motiv so gelten lassen. Der tiefere Bezugspunkt kirchlicher Vermögensverantwortung ist allerdings der Auftrag der Kirche als der Maßstab, an dem das kirchliche Handeln in der Gemeinschaft der Getauften zu verantworten ist.2 Dabei erschließen sich sowohl der Auftrag der Kirche als auch die Hoffnung, daß letztlich sogar das kirchenrechtlich geordnete Finanzgebaren ihm diene, nicht in einem kirchlichen Vollkommenheitsstreben, sondern in der Zuwendung Gottes selbst. In einem Gespräch zum Thema „Staat und Kirche“ ist das Interesse an kirchlicher Vermögensverantwortung aber ein staatskirchenrechtliches. Das staatskirchenrechtliche Interesse an der kirchlichen Vermögensverantwortung scheint deutlich geringer zu sein als das an der kirchlichen Vermögensbeschaffung. Denn auf der Einnahmenseite der Kirchenfinanzen ist der Staat in mehrfacher Weise beteiligt, indem er Kirchensteuern einzieht, Staatsleistungen schuldet und die dem Wohlfahrtsstaat nützliche kirchliche Arbeit refinanziert. Hingegen ist das in der Hand der Kirche befindliche, gegebenenfalls endlich in ihre Hand gelangte Vermögen, das nur noch verwaltet und verwendet werden will, für das staatliche Recht jenseits des Schutzes3 kein besonders regelungsbedürftiger, verantwortungsträchtiger Gegenstand mehr. Die Bindung des kirchlichen Vermögens für den kirchlichen Auftrag, die früher erhebliche sozial- und wirtschaftspoliti-

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So läßt sich beispielsweise die „Problemanzeige zum Verhältnis von Geld und Herrschaft in der Kirche“ im „Votum des Theologischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union zu Barmen IV“ lesen: Der Dienst der ganzen Gemeinde Jesu Christi und das Problem der Herrschaft, Band 2: Votum des Theologischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union zu Barmen IV, Gütersloh 1999, S. 110, 146–151. Unter den „Konkretionen“ jener vierten These der 1934 von der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zu Barmen gefaßten Theologischen Erklärung „angesichts heutiger Herausforderungen“ (S. 110) zählt sie Kriterien für den kirchlichen Umgang mit Geld auf: „Auftragsgemäßheit“, „Transparenz“, „Geschwisterlichkeit“ und „Glaubwürdigkeit“ (S. 149 f.). Siehe außerdem Erwin Kleinstück, Finanzwesen, kirchliches III. Theologisch, in: Galling u.a. (Hrsg.), RGG, Band 2 (Anm. 1), Sp. 954–956; Falko Tappen, Kirchliche Vermögensverwaltung am Beispiel des ethischen Investments, Frankfurt am Main/Berlin/Bern/Bruxelles/ New York/Oxford/Wien 2005, S. 48 f. Repräsentativ für eine verbreitete Gegenauffassung in der evangelischen Kirchenrechtswissenschaft, welche die Legitimitätskriterien für verschiedene Bereiche des Kirchenrechts nach deren „Nähe zum Auftrag“ abstufen will und dabei das Recht der „Vermögensverwaltung“ gerne als Beispiel für nur „sehr mittelbar“ auftragsgebundenes Kirchenrecht nennt: Hermann Weber, Kirchenleitung und Gemeindeleitung zwischen Geist und Paragraphen, ZevKR 35 (1990), S. 155–175 (172 f., 174). Allgemein in seinem Bestand und Wert durch Art. 14 GG, speziell in seiner Funktion durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 I und II WRV. Siehe dazu hier nur Karl-Hermann Kästner, Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Vermögens (§ 32), in: Listl/Pirson (Hrsg.), HSKR, Band 1 (Anm. 1), S. 891–906; zur historischen Entwicklung der Kirchengutsgarantie Johannes Heckel, Kirchengut und Staatsgewalt, in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche. Festgabe für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag, Göttingen 1952, S. 103–143; auch in: ders., Das blinde, undeutliche Wort „Kirche“. Gesammelte Aufsätze, hrsg. von Siegfried Grundmann, Köln/Graz 1964, S. 328–370.

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sche Wirkungen haben konnte und jahrhundertelang durch Amortisationsgesetze4 und andere Eingriffe in kirchliche Vermögensangelegenheiten unter staatlicher Kontrolle stand, ist heute weder im positiven noch im negativen Sinn die Sorge des staatlichen Rechts. Im Gegenteil überläßt das staatliche Verfassungsrecht gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 III 1 WRV die kirchliche Vermögensverantwortung der kirchlichen Selbstbestimmung innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.5 Danach trägt die Kirche grundsätzlich keine Vermögensverantwortung gegenüber dem Staat. Die Reste der besonderen staatlichen Vermögensaufsicht über die Kirche sind nach dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung – wenn auch zum Teil etwas verzögert – beseitigt worden.6 Staatlichen Anforderungen begegnet der Umgang der Kirche mit ihrem Vermögen nur insoweit, als das „für alle geltende Gesetz“ sie auferlegt. Sie erstrecken sich nur in bestimmten Zusammenhängen auf eine zweckgemäße Verwaltung und Verwendung des Vermögens, wenn etwa das staatliche Stiftungsrecht die Bindung an den Stiftungszweck allgemein zur Bedingung für diese Form rechtlich verselbständigter Vermögensorganisation macht7, oder indem das staatliche Verwaltungsrecht bei der Refinanzierung wohlfahrtsstaatlicher Aufgaben die Zweckbindung der staatlichen Mittel sichert. Bei Staatsleistungen

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Überblick und Literatur bei Michael Germann, Amortisationsgesetzgebung, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl. (HRG), hrsg. von Albrecht Cordes/Heiner Lück/Dieter Werkmüller unter philologischer Mitarbeit von Ruth Schmidt-Wiegand, Berlin, Band 1, 2008, Sp. 204–207. Axel Frhr. v. Campenhausen/Peter Unruh, in: Hermann von Mangoldt (Begr.)/ Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl., München 2010, Band 3, Art. 140/Art. 137 WRV, Rn. 38; Stefan Mückl, Kirchliche Organisation (§ 160), in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. (HStR), Band VII: Freiheitsrechte, Heidelberg 2009, Rn. 67. Christoph Link, Kirchliche Rechtsgeschichte. Kirche, Staat und Recht in der europäischen Geschichte von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert, 2. Aufl., München 2010, § 26, Rn. 15, 17, § 28, Rn. 11; Wolfgang Busch, Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der katholischen Kirche (§ 34), in: Listl/Pirson (Hrsg.), HSKR, Band 1 (Anm. 1), S. 947–1008 (970–985, 1002, 1003 f., 1005). Keine bloße Verzögerung, sondern eine Verkehrung des Weimarer Staatskirchenrechts brachte der Kirchenkampf 1933–1945 auch im Hinblick auf die kirchliche Vermögensverantwortung, deren Usurpation durch den nationalsozialistischen Staat und die ihm dienenden deutschchristlichen Kirchenleitungen zu den Herausforderungen der Bekennenden Kirche gehörte; nachgezeichnet bei Heinz Brunotte, Die Entwicklung der staatlichen Finanzaufsicht über die Deutsche Evangelische Kirche von 1935–1945, ZevKR 3 (1953/54), S. 29–55; Werner Danielsmeyer, Die Bekennende Kirche der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union und ihr Geld, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 1), S. 712–757. Hiergegen, wohl nach den Prämissen der Bereichslehre, Siegfried Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht, in: Staatsverfassung und Kirchenordnung. Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag am 15. Januar 1962, hrsg. von Konrad Hesse/Siegfried Reicke/Ulrich Scheuner, Tübingen 1962, S. 309–330 (320, Fn. 40); auch in: ders., Abhandlungen zum Kirchenrecht, hrsg. von Reinhold Zippelius/Knut Wolfgang Nörr/Wilhelm Steinmüller/Christoph Link/ Gerhard Tröger, Köln/Wien 1969, S. 177–198.

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können sich Bindungen aus ihrem Rechtstitel ergeben, wie es etwa bei staatlichen Baulasten als Bedarfsleistungspflichten der Fall ist – anders als bei den vertragsstaatskirchenrechtlich pauschalierten Dotationen, für die die vertragliche Angabe eines Zwecks (wie die „Bestreitung des Personalaufwandes des Landeskirchenrates“ in Art. 21 I EvKV Bayern) lediglich den Berechnungsmodus und gegebenenfalls die historische Wurzel, nicht aber eine Zweckbindung der Dotation benennt. Im übrigen geht es dem für alle geltenden Gesetz um allgemeine Voraussetzungen für die Sicherheit und Verläßlichkeit des Rechtsverkehrs. Aus ihnen ergibt sich keine umfassende „Verpflichtung zu geordneter Verwaltung und Aufsicht“8. Eine über die für jeden Teilnehmer am bürgerlichen Rechtsverkehr geltenden Regeln hinausgehende „Seriosität“ oder „Transparenz“ ihres Finanzgebarens schuldet die Kirche dem Staat staatskirchenrechtlich nicht. Doch damit ist das staatskirchenrechtliche Interesse an kirchlicher Vermögensverantwortung keineswegs erschöpft. Das staatliche Recht birgt für die kirchliche Selbstbestimmung gerade in Vermögensangelegenheiten nicht nur Schranken, sondern bietet auch elementare Voraussetzungen für ihre Entfaltung. Erwerb und Einsatz des kirchlichen Vermögens für den kirchlichen Auftrag sind notwendig über die Teilnahme am bürgerlichen Wirtschaftsleben und Rechtsverkehr vermittelt.9 Eine über die allgemeine Gewährleistung des Rechts- und Wirtschaftslebens10 hinausgehende, spezifisch staatskirchenrecht-

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Sie wird unterstellt bei Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 919, 921 (Zitat). Insofern ist der Zugang zu einem funktionierenden Wirtschaftsleben und Rechtsverkehr „Ausübungs“- und „Wirksamkeitsvoraussetzung“ kirchlicher Selbstbestimmung; allgemein Josef Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung (§ 190), in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR (Anm. 5), Band IX: Allgemeine Grundrechtslehren, Heidelberg 2011, Rn. 70–73, 171 f., 175, 178–183. Die von der DDR bis 1989 gesetzten Rahmenbedingungen ließen die Kirche naturgemäß an der Vernichtung volkswirtschaftlichen Vermögens teilhaben. Zu den Beschränkungen des allgemeinen Rechtsverkehrs in der DDR und ihren Folgen für die Erhaltung des Kirchenvermögens siehe die knappen Bemerkungen bei Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 922 f.; näher Hans-Martin Harder, Zum Zusammenwirken wirtschaftsrechtlicher und zivilrechtlicher Vorschriften bei der Regelung der wirtschaftlichen Tätigkeit kirchlicher Organe und Einrichtungen (1975), in: ders., Kirche – Recht – Wirtschaft. Aufsätze und Beiträge aus vier Jahrzehnten, zum 65. Geburtstag hrsg. von Susanne Harder-Sdzuj/Reimund B. Sdzuj/Susan Harder/Hans-Christian Harder, Frankfurt am Main [etc.] 2007, S. 40– 66, mit der Einleitung, ebd., 13–28 (15–18); ders., Zur Finanzierung der kirchlichen Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Kirche im Übergang. Festschrift für Nikolaus Becker zum sechzigsten Geburtstag, hrsg. von Erhard Krause/ Dietrich Dehnen, Neuwied/Frankfurt a. M. 1989, S. 153–161; abgedruckt in: Kirche – Recht – Wirtschaft (a. a. O.), S. 70–80. Die Auszehrung des Kirchenvermögens wurde durch erhebliche Güter- und Finanztransfers seitens der EKD und ihrer Gliedkirchen in der Bundesrepublik sicherlich gebremst, aber nicht kompensiert; zu diesen Transfers bis 1990 siehe Dietrich Bauer, Kirchlicher Finanzausgleich, KuR 1997, S. 171–184 (Teil 1), S. 233–245 (Teil 2) = Lz. 410, S. 47–74, der sie auf rund 5 Milliarden DM schätzt. Die Wirkungen der DDR-Wirtschaft waren wie allgemein, so auch

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liche Bedingung für die kirchliche Vermögensverantwortung ist, daß das staatliche Recht in der Teilnahme der Kirche am bürgerlichen Rechtsverkehr das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zur Wirkung kommen läßt. Die „bürgerliche Wirksamkeit“ des kirchlichen Vermögenshandelns ist von der Garantie des Selbstbestimmungsrechts in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 III 1 WRV umfaßt.11 Eine selbstbestimmungsgerechte Auslegung und Anwendung des staatlichen Rechts, in der das kirchliche Handeln bürgerlich wirksam werden soll, muß das Selbstverständnis der Kirche von ihrem Handeln wahrnehmen und berücksichtigen. Indem die kirchenrechtliche Ordnung der Vermögensverantwortung das Selbstverständnis der Kirche von ihrem Umgang mit ihrem Vermögen konsistent zu artikulieren vermag, dient sie also dessen bürgerlicher Wirksamkeit. Dieser Zusammenhang macht die kirchenrechtlich geordnete Vermögensverantwortung zu einem Gegenstand des staatskirchenrechtlichen Interesses.

II. Kirchenvermögen in der evangelischen Kirche in Deutschland Vor der kirchenrechtlichen Betrachtung sind vielleicht einige Angaben über den Gegenstand der Vermögensverantwortung in der evangelischen Kirche von Interesse. Eine zusammenfassende Darstellung stößt auf die Schwierigkeit, daß die Finanzen der evangelischen Kirche in Deutschland nicht in einer Hand liegen, sondern auf weit über 15.000 selbständige Haushalte verteilt sind. Dabei sind die unzähligen Haushalte der diakonischen Einrichtungen noch nicht einmal mitgerechnet. Das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland hat verschiedene statistische Daten zu zusammenfassenden Zahlen addiert, die

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für das Kirchenvermögen am Zustand der Bausubstanz besonders deutlich ablesbar. Der Umfang des Erhaltungsrückstands am Ende der DDR läßt sich nur grob schätzen (hierfür beziehe ich mich dankbar auf die Auskunft des Leiters der Finanzabteilung im Kirchenamt der EKD, OKR Thomas Begrich): In den evangelischen Landeskirchen im Gebiet der früheren DDR waren 1990 ca. 85% der Kirchengebäude in erheblichem Maß sanierungsbedürftig. Das jährliche Volumen der Baumaßnahmen betrug 2005 ca. 200 Millionen Euro, davon entfielen ca. 160 Millionen auf die Sanierung von Kirchengebäuden. Die seit 1990 in dieser jährlichen Größenordnung verwirklichten Bemühungen haben inzwischen den Anteil der sanierungsbedürftigen Kirchengebäude auf ca. 15% zu senken vermocht. Eine rückblickende Hochrechnung des jährlichen Aufwands auf 15 Jahre ergibt ein Volumen von insgesamt mindestens 3 Milliarden Euro an Erhaltungsrückstand bei den Gebäuden der evangelischen Landeskirchen am Ende der DDR. Allgemein zur bürgerlichen Wirksamkeit des Selbstbestimmungsrechts Michael Germann, in: Volker Epping/Christian Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, München 2009, auch als: Beck’scher Online-Kommentar, Edition 15 (Stand 1.7.2012), Art. 140, Rn. 38, 53.

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eine Einschätzung der Dimensionen erlauben.12 Im Anhang zu den Leitsätzen13 sind sie ausschnittweise zur Angabe grober Größenordnungen zusammengefaßt und um einige exemplarische, ebenfalls grob zusammenfassende Zahlen aus dem eigenen Haushaltsplan der EKD ergänzt. Die Zahlen sprechen für sich, deshalb sollen sie hier nur mit drei Bemerkungen kommentiert werden: Erstens ist die evangelische Kirche in Deutschland offenbar reich. Das gilt nicht nur im übertragenen Sinn, etwa im Sinne des Reichtums an Charismen oder im Sinne des fröhlichen Wortspiels des früheren Bischofs der Kirchenprovinz Sachsen, Axel Noack: Die mitteldeutsche Kirche sei „steinreich“ – in keiner anderen Landeskirche stehen, gemessen sowohl an absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zu ihrer Mitgliederzahl, so viele alte, teilweise baufällige steinerne Kirchengebäude. Durchaus auch im pekuniären Sinn kann man die evangelische Kirche „reich“ nennen: 10 Milliarden Euro Jahresumsatz sind nicht wenig Geld. Zweitens ist Reichtum ein relativer Begriff.14 Die Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland verweist zur Veranschaulichung auf die Baukosten für die Wiedererrichtung der Dresdener Frauenkirche: 132 Millionen Euro sind viel Geld – etwa das doppelte des Kirchensteueraufkommens der

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Evangelische Kirche in Deutschland. Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben 2011, hrsg. vom Kirchenamt der EKD, abrufbar unter ; weitere Zahlen sind abrufbar unter , zur Diakonie unter . – Zur näheren Betrachtung eines Ausschnitts siehe Uwe-Peter Heidingsfeld (Hrsg.), Entwicklungen im kirchlichen Finanzwesen, dargestellt an acht evangelischen Landeskirchen, Gütersloh 2002; zugleich: Kirchliches Jahrbuch für die Evangelische Kirche in Deutschland, Jg. 127 (2000), Lfg. 2 (S. 299–460); sowie HansMartin Harder, Zur wirtschaftlichen Neuorientierung der östlichen evangelischen Kirchen nach der ‚Wende‘, Praktische Theologie 34 (1999), S. 267–284; abgedruckt in: ders., Kirche – Recht – Wirtschaft (Anm. 10), S. 101–120. Eine finanzwissenschaftliche Analyse exemplarischer Natur (nämlich bezogen auf die Evangelische Kirche im Rheinland im Vergleich zum Erzbistum Köln) und älteren Datums (Stand 1982) bringen Heinz Dieter Hessler/Wolfgang Strauß, Kirchliche Finanzwirtschaft, Band I [einziger erschienener Band]: Finanzbeziehungen und Haushaltsstrukturen in der evangelischen und katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1990. Siehe unten S. 96 f. Man vergleiche im Rückblick Liermann, Kirchenrecht (Anm. 1), S. 366 – die evangelische Kirche habe ihr Vermögensrecht „von jeher mit einer souveränen Gleichgültigkeit und Sorglosigkeit behandelt [...], so daß sie bis zum heutigen Tage eine arme Kirche geblieben ist, die von der Hand in den Mund lebt“ – mit Friedrich, Kirchenrecht (Anm. 1), S. 513 f. – er nennt Zahlen über das Kapitalvermögen der badischen Landeskirche von 1880 (4,1 Millionen Mark), dessen Vernichtung durch den Geldverfall angesichts des seither fast ungeschmälert erhaltenen Liegenschaftsvermögens (gut 2000 ha) „eine warnende Belehrung“ sei – und Gerhard Thümmel, Finanzausgleich und Kirchenverfassung, ZevKR 5 (1956), S. 341–361 (343–347), der ein ähnliches Bild davon zeichnet, daß vormals wohlhabende, zudem mit eigenen Ausgaben kaum belastete Kirchengemeinden erst unter den Umbrüchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zuschußbedürftig wurden.

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gesamten sächsischen Landeskirche in einem Jahr. Andererseits entspricht derselbe Betrag den Baukosten für nicht mehr als etwa 30 Kilometer Autobahn. So gesehen, geht es doch nicht um viel Geld. Drittens schließt Reichtum nicht aus, daß das Geld knapp ist. Es liegt wohl in der Natur und Funktion des Geldes, daß es knapp ist. Wenn das Geld gar nicht knapp wäre, wäre es wahrscheinlich gar nichts wert. Daraus folgt: Die evangelische Kirche in Deutschland mag reich sein, aber sie kann mehr Geld immer gut gebrauchen.

III. Rechtsdogmatische Elemente kirchlicher Vermögensverantwortung 1. Vermögenssubjekte im evangelischen Kirchenrecht Die Zuschreibung von Verantwortung für den Umgang mit kirchlichem Vermögen findet ihren rechtlichen Ausdruck primär in der Vermögensträgerschaft. Träger kirchlichen Vermögens sind in der evangelischen Kirche alle Körperschaften im kirchlichen Verfassungsaufbau – von den einzelnen Kirchengemeinden über die Kirchenkreise und Landeskirchen bis zu den kirchlichen Zusammenschlüssen und zur Evangelischen Kirche in Deutschland. Träger kirchlichen Vermögens sind daneben die kirchlichen Einrichtungen, die als Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen rechtlich selbständig verfaßt sind.15 Rechtsdogmatisch ist die Fähigkeit, Träger von Vermögen zu sein, ein Aspekt der Rechtspersönlichkeit. Als Strukturelement des kirchlichen Verfassungsaufbaus hat sie sich erst nach und nach herausgebildet.16 Entsprechend jung ist die Vermögensträgerschaft von Kirchengemeinden und Landeskirchen. Die ältere Rechtsform der Vermögensträgerschaft ist die Stiftung, die das evangelische Kirchenrecht aus dem kanonischen Recht übernommen hat. Die Reformation überführte das örtliche Kirchenvermögen noch nicht in ein Eigentum der Kirchengemeinde, sondern unterstellte es nur einer kirchengemeindlichen Verwaltung,17 vorbild-

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Hendrik Munsonius, Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts, Tübingen 2009, S. 55 f. m. w. N. Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 923; Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 330; ders., Sacerdotium – Ministerium – Ecclesia particularis, in: Für Kirche und Recht. Festschrift für Johannes Heckel zum 70. Geburtstag, hrsg. von Siegfried Grundmann, Köln/Graz 1959, S. 144–163; auch in: ders., Abhandlungen zum Kirchenrecht (Anm. 7), S. 156– 176 (144 f.); Gerhard Grethlein/Hartmut Böttcher/Werner Hofmann/Hans-Peter Hübner, Evangelisches Kirchenrecht in Bayern, München 1994, S. 490 f. m. w. N. Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 311; Peter Landau, Kirchengut, in: Theologische Realenzyklopädie, hrsg. von Gerhard Müller, Berlin/New York, Band 18, 1989, S. 560–575 (570 f.); Martin Stupperich, Die Neuordnung der Kirchenfinanzen im Zeitalter der Reformation und ihre Voraussetzungen, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 1), S. 602–681 (622–642, 667–669).

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haft, wenn auch nicht dauerhaft in der Leisniger Kastenordnung von 1523.18 An eine Weiterentwicklung zu einer Vermögensträgerschaft der Kirchengemeinde oder Landeskirche war solange nicht zu denken, wie das landesherrliche Kirchenregiment des entstehenden frühmodernen Staates von absolutistischen Vorstellungen geprägt war. Es bedurfte der kollegialistischen Denkformen, wie sie im Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten 1794 gesetzlichen Ausdruck fanden, um die Kirchengemeinde als rechtsfähige Trägerin von Kirchenvermögen grundsätzlich anzuerkennen.19 Diese rechtsfähige „Kirchengesellschaft“ war ein Geschöpf des staatlichen Rechts unter enger staatlicher Aufsicht, insbesondere in Vermögensangelegenheiten.20 Als solche nahm sie an den rechtsdogmatischen Entwicklungen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts und der juristischen Person des öffentlichen Rechts teil.21 Das Ende des Staatskirchentums 1919 machte den epochalen Schnitt zwischen Staat und Kirche, ohne die Rechtskontinuität der kirchlichen Körperschaften zu verletzen. Die „Religionsgesellschaften“, wie sie in Art. 137 WRV ja noch heißen, blieben dieselben Körperschaften des öffentlichen Rechts, als die sie das staatliche Recht geschaffen hatte, wenn auch jetzt im Zeichen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Auch künftig blieb und bleibt es in der Hand des staatlichen Rechts, einer „Religionsgesellschaft“ die Rechtsfähigkeit zu verleihen: entweder „nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts“ (Art. 137 IV WRV) oder durch Gewährung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 137 V WRV). Die Rechtsfähigkeit einer kirchlichen Körperschaft bleibt insoweit ein Geschöpf des staatlichen Rechts. Aber die Trennung von Staat und Kirche bedingt, daß sich diese Rechtsfähigkeit streng auf die Fähigkeit beschränkt, am bürgerlichen Rechtsverkehr teilzu-

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Ordnung eines gemeinen kastens. Radschlag wie die geistlichen guter zu handeln sind (1523), abgedruckt in: Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, hrsg. von Emil Sehling, fortgeführt vom Institut für evangelisches Kirchenrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland, Band 1: Sachsen und Thüringen nebst angrenzenden Gebieten, Halbband 1: Die Ordnungen Luthers. Die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete, Leipzig 1902, Neudruck: Tübingen 1979, S. 598–604 (Nr. 109); siehe Karl Dummler, Die Leisniger Kastenordnung von 1523, ZevKR 29 (1984), S. 337–353. Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 311 f., mit näherer Darlegung der unterschiedlichen Auffassungen über die Reichweite der Vermögensträgerschaft. Grundmann, ebd., S. 312 f. Grundmann, ebd., S. 313, 316 f. Für die entsprechende Herausbildung der evangelischen Landeskirchen als juristische Personen des öffentlichen Rechts siehe Dietrich Pirson, Universalität und Partikularität der Kirche. Die Rechtsproblematik zwischenkirchlicher Beziehungen, München 1965, S. 53–60; ders., Die Rechtspersönlichkeit der protestantischen Kirchen als Problem der kirchlichen Verfassungsgeschichte, ÖAKR 16 (1965), S. 30–36; auch in: ders., Gesammelte Beiträge zum Kirchenrecht und Staatskirchenrecht, Tübingen 2008, Halbbd. 1, S. 170–192; außerdem Stefan Korioth, Die Entwicklung der Rechtsformen von Religionsgemeinschaften in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, in: Die verrechtlichte Religion. Der Öffentlichkeitsstatus von Religionsgemeinschaften, hrsg. von Hans G. Kippenberg/ Gunnar Folke Schuppert, Tübingen 2005, S. 109–139 (113–122).

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nehmen: Es geht nur um die bürgerliche Rechtsfähigkeit, sei es in den Organisationsformen des privaten bürgerlichen Rechts, sei es vermöge des Art. 137 V WRV unabhängig von diesen in den Organisationsformen des öffentlichen Rechts.22 Das Selbstbestimmungsrecht der vom Staat getrennten Kirche bedingt weiter, daß die Kirche ihre Angelegenheiten durch eigenes kirchliches Recht ordnet. Kirchliches Recht ordnet kirchliches Handeln, indem es Subjekten Rechte und Pflichten zuschreibt. Die Fähigkeit eines Subjekts, Träger kirchlicher Rechte und Pflichten zu sein, ist von der bürgerlichen Rechtsfähigkeit zu unterscheiden. Daß sich aus der Eigenständigkeit des Kirchenrechts notwendig eine eigenständige kirchliche Rechtsfähigkeit23 ergibt, ist nach 1919 erst allmählich bewußt geworden.24 Neuere evangelische Kirchenverfassungen und Kirchengesetze sprechen es zunehmend deutlich aus: Kirchengemeinden, Kirchenkreise, Landeskirchen et cetera sind juristische Personen des evangelischen Kirchenrechts und zugleich Körperschaften des staatlichen öffentlichen Rechts; Werke und Einrichtungen können als juristische Personen des evangelischen Kirchenrechts anerkannt werden unbeschadet ihrer bürgerlichen Rechtsfähigkeit nach dem staatlichen Recht.25

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Terminologisch überschneiden sich im Attribut „bürgerlich“ zwei Bedeutungen: Zum einen bildet das „bürgerliche Recht“ den Gegenbegriff zum öffentlichen Recht, also das Privatrecht; in diesem Sinne wird im folgenden jeweils von „privatem“ bürgerlichen Recht die Rede sein. Zum anderen bezeichnet der „bürgerliche Rechtsstatus“ den Rechtsstatus aller nichtstaatlichen Subjekte, einschließlich der kirchlichen Rechtssubjekte, in ihrem Verhältnis zum Staat und zu anderen bürgerlichen Subjekten; der bürgerliche Rechtsstatus der kirchlichen Rechtssubjekte ist unabhängig davon, ob ihre Rechtsform und ihre Rechtsverhältnisse zum Staat dem öffentlichen oder dem privaten bürgerlichen Recht zuzuordnen sind. Umfassend Munsonius, Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts (Anm. 15); hierzu Michael Germann, Bemerkungen zur juristischen Person des evangelischen Kirchenrechts, ZevKR 56 (2011), S. 352–363; Sebastian Hering, ThLZ 135 (2010), S. 1180 f.; grundlegend Dietrich Pirson, Juristische Personen des kirchlichen Rechts, ZevKR 16 (1971), S. 1–23; auch in: ders., Gesammelte Beiträge (Anm. 21), Halbbd. 1, S. 1–23. Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 318–324. Siehe zum Beispiel Art. 7 Verf. EKM: „(1) Die Landeskirche sowie ihre Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbände und Kirchenkreise sind Körperschaften des Kirchenrechts. [...] (2) Kirchliche Körperschaften sind zugleich Körperschaften des öffentlichen Rechts nach staatlichem Recht. Kirchliche Stiftungen sind zugleich Stiftungen des öffentlichen oder des privaten Rechts.“; Art. 4 Verf. Nordkirche: „(1) Die Kirchengemeinden und deren Verbände, die Kirchenkreise und deren Verbände sowie die Landeskirche sind Körperschaften des Kirchenrechtes und zugleich Körperschaften des öffentlichen Rechtes. (2) Weitere kirchliche Körperschaften können errichtet oder anerkannt werden.“; § 1 Kirchengesetz der VELKD über die Stellung lutherischer kirchlicher Werke zur Vereinigten Kirche (Werkegesetz) in der Fassung vom 6.11.1997 (ABl. Band VII S. 52): „Kirchliche Werke [...] können auf ihren Antrag zum »Werk der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands« erklärt werden. Die anerkannten Werke sind als kirchliche Lebensäußerungen der Vereinigten Kirche zugeordnet. Mit ihrer Anerkennung erhalten diese Werke unbescha-

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Wo immer das kirchliche Recht einem Subjekt Rechte und Pflichten zuweist, knüpft es an die kirchliche Rechtsfähigkeit an. Da die Trägerschaft kirchlichen Vermögens nicht ohne die kirchenrechtliche Zuweisung von Rechten und Pflichten denkbar ist, können Träger kirchlichen Vermögens per definitionem (abgesehen von den natürlichen Personen des Kirchenrechts, den einzelnen Getauften, denen das Kirchenrecht aus anderen Gründen kein kirchliches Vermögen zuweist) nur juristische Personen des Kirchenrechts sein. Für die staatskirchenrechtliche Behandlung kirchlicher Vermögensverantwortung ist es von Belang, wie sich bürgerliche und kirchliche Rechtsfähigkeit zueinander verhalten. Beschreibt man dieses Verhältnis in einer „doppelten Rechtspersönlichkeit“ nach staatlichem Recht einerseits, nach kirchlichem Recht andererseits,26 darf man sich das nicht als eine „Verdoppelung“ in dem Sinn vorstellen, daß das staatliche und das kirchliche Recht zwei Rechtspersönlichkeiten erzeugten, die je für sich in ihren autonomen Rechtswelten ihr Eigenleben führten. Die für das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 III 1 WRV erforderliche Wechselbezüglichkeit zwischen kirchlicher und bürgerlicher Rechtsfähigkeit27 kommt vielleicht besser zum Ausdruck, wenn man von einer identischen Rechtsperson spricht, die in kirchlichen und bürgerlichen Rechtsbeziehungen steht.28 Es sind die juristischen Personen des Kirchenrechts als die Subjekte des kirchlichen Ordnens und Verwaltens, für welche die Kirche aus ihrem Selbstbestimmungsrecht bürgerliche Rechtsfähigkeit beanspruchen kann, um ihre Freiheit im bürgerlichen Rechtsverkehr zu verwirklichen. Hierfür stellt das staatliche Recht gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 IV WRV die Rechtsformen des privaten bürgerlichen Rechts und gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 V WRV die Rechtsformen des öffentlichen Rechts29 zur Verfügung. Ihr Gebrauch steht lediglich unter den Bedingungen, die das Interesse des bürgerlichen Rechtsverkehrs erfordert und die gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 III 1 WRV als Schranken des für alle geltenden Gesetzes wirken.30 Innerhalb dieser

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det ihrer Rechtsstellung nach weltlichem Recht auch die kirchliche Rechtspersönlichkeit verliehen.“ Für weitere Nachweise und zur Systematisierung siehe Munsonius, Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts (Anm. 15), S. 36–41, 43–47. Munsonius, ebd., S. 41, 81, 91, 117. Germann, Bemerkungen zur juristischen Person des evangelischen Kirchenrechts (Anm. 23), S. 361 f. Entsprechend für Dienstrechtsverhältnisse Christoph Link, Neuere Entwicklungen und Probleme des Staatskirchenrechts in Deutschland, in: Inge Gampl/Christoph Link, Deutsches und österreichisches Staatskirchenrecht in der Diskussion, Paderborn 1973, S. 25–56 (36). Zur öffentlich-rechtlichen Organisationsgewalt Germann, in: Epping/Hillgruber (Anm. 11), Art. 140, Rn. 88 m. w. N. Insoweit doppelt zu präzisieren ist die Bestimmung bei Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 319: Erstens ist die Verleihung der bürgerlichen Rechtsfähigkeit selbst nicht Schranke, sondern Funktion des Selbstbestimmungsrechts, dem gegenüber nur die Bedingungen der Verleihung als Schranken wirken. Zweitens ist diese Verhältnisbestimmung nicht auf die öffentlichrechtlichen Formen der bürgerlichen Rechtsfähigkeit beschränkt, sondern gilt auch für die Rechtsfähigkeit in den Formen des privaten bürgerlichen Rechts.

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Schranken wird in der bürgerlichen Rechtsfähigkeit die kirchliche Rechtsfähigkeit bürgerlich wirksam. 2. Vermögen als Gegenstand von Kirchenrechtsverhältnissen Zum „Kirchenvermögen“ läßt sich jeder Vermögensgegenstand rechnen, der einem kirchlichen Zweck zu dienen bestimmt ist.31 Der Erwerb und die Verwendung von Vermögensgegenständen für kirchliche Zwecke setzen notwendig voraus, daß sie Gegenstände des bürgerlichen Rechtsverkehrs sind. Im bürgerlichen Rechtsverkehr treten die kirchlichen Vermögensträger als Inhaber bürgerlicher Vermögensrechte auf, etwa als Eigentümer einer Sache. Sie machen zur Verwirklichung kirchlicher Zwecke von ihrer bürgerlichen Rechtszuständigkeit Gebrauch, so von ihrem bürgerlichen Eigentum und den damit verbundenen Eigentümerbefugnissen nach § 903 S. 1 BGB, „mit der Sache nach Belieben [zu] verfahren und andere von jeder Einwirkung aus[zu]schließen“. Für das Kirchenrecht ist der Gebrauch dieser bürgerlichen Rechtszuständigkeit aber nur ein Mittel zur Verwirklichung kirchlicher Zwecke.32 Für das Kirchenrecht geht das Recht an einem Gegenstand des Kirchenvermögens daher völlig in der Zuständigkeit für das kirchliche Handeln auf, das den betreffenden kirchlichen Zweck verwirklichen soll. Man muß dies ja nicht unbedingt in die Worte fassen, daß im Kirchenrecht an die Stelle der Eigentümerbefugnisse die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Prozessen trete.33 Doch es wäre jedenfalls sinnlos, etwa das bürgerliche Eigentum in einem besonderen kirchenrechtlichen Eigentum abzubilden oder zu rezipieren.34 Das Eigentum ist für das Kirchenrecht nur eine Form, in der die kirchenrechtliche Zuständigkeit zur Verwendung der Sache für kirchliche Zwecke bürgerlich wirksam wird. Das gleiche gilt für die Rechte aus der Widmung einer kirchlichen Sache. Die der Kirche in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 V WRV eröffneten Formen des öffentlichen Sachenrechts gewährleisten, daß die Kirche die Zweckbindung einer Sache auch unabhängig vom bürgerlichen Eigentum im bürgerlichen Rechtsverkehr sichern kann.35 Die bürgerliche, hier „privatrechtsmodifizierende“ Wirkung der kirchlichen Widmung steht wiederum unter dem Vorbehalt der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie reicht daher nur so weit, wie

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Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 908. Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 325 f. Das wäre ja ein deplazierter Anklang an Friedrich Engels, Herrn Eugen Dühring’s Umwälzung der Wissenschaft [„Anti-Dühring“], 3. Aufl., Stuttgart 1894 (Erstveröffentlichung in: „Vorwärts“, 3.1.1877–7.7.1878), abgedruckt in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin, Band 20, Berlin 1962, S. 1–303 (262). So zu recht Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 324–326. Rainer Mainusch, Die öffentlichen Sachen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Begründungen und Konsequenzen ihres verfassungsrechtlichen Status, Tübingen 1995 S. 67–69, 122 f., 125–132, 215–219. Zum Zusammenhang des Begriffs „Kirchenvermögen“ mit dem öffentlichen Sachenrecht siehe Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 909–912.

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sie mit dem Recht des Eigentümers und den Publizitätserfordernissen des bürgerlichen Rechtsverkehrs vereinbar ist. Daneben wäre ein besonderes, in Abgrenzung zum staatlichen Recht konstruiertes „kirchliches Sachenrecht“ gegenstandslos. Für das Kirchenrecht sind die Rechte aus der Widmung nur eine Form, in der die kirchenrechtliche Zuständigkeit für die Nutzung der Sache zum widmungsgemäßen kirchlichen Zweck bürgerlich wirksam wird. Die kirchenrechtlichen Zuständigkeiten können nicht ohne eine Entsprechung in der bürgerlichen Rechtszuständigkeit bürgerlich wirksam werden. Insoweit gehört der Schutz der entgegenstehenden privaten bürgerlichen Rechte an einem Vermögensgegenstand zu den Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Umgekehrt ist aber für die kirchlichen Rechte und Pflichten die bürgerliche Rechtszuständigkeit unerheblich. So kann sich ein kirchlicher Vermögensträger gegen eine kirchenrechtliche Verfügung über einen Vermögensgegenstand nicht auf sein bürgerliches Eigentum berufen, sondern allenfalls auf eine als wehrfähige Position – etwa in einem Selbstverwaltungsrecht – subjektiv-rechtlich ausgestaltete kirchliche Zuständigkeit oder ein materielles subjektives kirchliches Recht. 3. Die bürgerliche Wirksamkeit des kirchlichen Vermögensrechts Die kirchenrechtliche Ordnung der kirchlichen Vermögensverantwortung wird also sowohl im Hinblick auf die Rechtsfähigkeit kirchlicher Vermögenssubjekte als auch im Hinblick auf die Zuordnung der Verantwortlichkeit für kirchliche Vermögensgegenstände in den Formen des privaten bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts bürgerlich wirksam. So ist es schließlich auch im Hinblick auf kirchenrechtliche Verfügungen über kirchliches Vermögen. Halten sie sich innerhalb der Formen des privaten bürgerlichen Rechts, ist ihre bürgerliche Wirksamkeit schlicht eine Funktion dieser Rechtswahl, die jedem bürgerlich rechtsfähigen Subjekt offensteht. Wählen sie stattdessen vermöge der Rechte aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 V WRV die Formen des öffentlichen Rechts, sind sie von den Formen des privaten bürgerlichen Rechts unabhängig. Zu denken ist hier an Vermögensverfügungen durch Kirchengesetz, durch kirchlichen Verwaltungsakt oder durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag.36 Sofern die Rechtsfolgen solcher Regelungen auf die Änderung der bürgerlichen Rechtszuständigkeit zielen, haben sie unmittelbare dingliche Wirkung. So bedarf der Wechsel eines Grundstücks aus dem Eigentum einer Kirchengemeinde in das Eigentum einer anderen Kirchengemeinde, der im Wege der Universalsukzession oder im Zuge der Vermögensauseinandersetzung nach einer Gebietsänderung oder Teilung einer Kirchengemeinde durch Kirchenge-

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Die Handlungsformen des kirchlichen Verwaltungsakts und des öffentlichen Vertrags sind jetzt in §§ 22–41 und §§ 48–54 Verwaltungsverfahrens- und -zustellungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (VVZG EKD) vom 28.10.2009 (ABl. EKD S. 334, berichtigt am 15.10.2010, ABl. EKD 2010 S. 296) ausdrücklich geregelt, standen aber auch vor Erlaß dieses Gesetzes und stehen auch außerhalb seines Geltungsbereichs der kirchlichen Verwaltung zur Verfügung. Näher Burkhard Guntau, Das Verwaltungsverfahrens- und -zustellungsgesetz der EKD vom 28. Oktober 2009, ZevKR 56 (2011), S. 371–404 (381, 397–403); Rainer Mainusch, Rechtsprobleme des kirchlichen Verwaltungsverfahrens. Bestandsaufnahme und Perspektiven, ZevKR 50 (2005), S. 16–45 (25–27, 30).

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setz, kirchliche Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag verfügt wird, keiner Auflassung. Im Grundbuch ist er unmittelbar aufgrund der kirchenrechtlichen Verfügung durch Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO zu vollziehen.37 Ebenso haben kirchenrechtliche Verfügungsbeschränkungen unmittelbare bürgerliche Wirkung. Ein kirchenaufsichtlicher Genehmigungsvorbehalt macht ein ohne die erforderliche Genehmigung geschlossenes Rechtsgeschäft unwirksam.38 Eine kirchengesetzliche Vertretungsregelung ist maßgeblich für die Verfügungsbefugnis über kirchliches Vermögen.39

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Rainer Mainusch, Übertragung von Grundstücken bei Veränderungen im Bestand kirchlicher Körperschaften, NJW 1999, S. 2148–2150. Unter Beschränkung auf die Fälle einer Gesamtrechtsnachfolge aufgrund Vereinigung der beiden Vermögensträger und einer kirchengesetzlich angeordneten Einzelrechtsnachfolge Busch, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 6), S. 962; Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 921 f. Im Ergebnis ebenso, aber unsicher hinsichtlich der Zurechnung dieser Wirkung zu Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 V WRV OLG Hamburg, B. vom 21.6.1982 – 2 W 6/81 –, NJW 1983, S. 2572–2574; LG Fulda, B. vom 28.10.1982 – 2 T 145/82 –, ZevKR 28 (1983), S. 296–298; Stephan Beckmann, Grundstücksrechtliche Folgen einer Fusion von Kirchengemeinden, KuR 2007, S. 91–103; Beate Grün, in: Heinz Georg Bamberger/Herbert Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BGB, Edition 23 (Stand 1.5.2012), § 925, Rn. 8; Axel Pfeifer, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Buch 3: Sachenrecht, Neubearbeitung 2011, Berlin 2011, § 925, Rn. 30. Die Gegenmeinung klebt an den Formeln der koordinationstheoretischen Bereichslehre und vernachlässigt die durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 V WRV dem Kirchenrecht eröffnete Alternative zu den bürgerlich-rechtlichen Handlungsformen: OLG Düsseldorf, B. vom 13.3.1954 – 3 W 14/54 –, NJW 1954, S. 1767 f. mit zustimmender Anmerkung von Werner Weber, S. 1768; OLG Oldenburg, B. vom 19.7.1971 – 5 Wx 31/71 –, DNotZ 1972, S. 492 f.; OLG Hamm, B. vom 20.12.1979 – 15 W 238/78 –, ZevKR 27 (1982), S. 179–188; bestätigt durch BVerfG, B. (Vorprüfungsausschuß) vom 1.9.1980 – 2 BvR 197/80 –, NJW 1983, S. 2571 f.; Rainer Kanzleiter, in: Münchener Kommentar zum BGB, hrsg. von Franz-Jürgen Säcker/Roland Rixecker, München, 5. Auflage, Band 6, 2009, § 925, Rn. 13. Der Genehmigungsvorbehalt wirkt als ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB, das die Vertretungsmacht des kirchlichen Organs beschränkt: OLG Braunschweig, B. vom 25.6.1991 – 2 W 19/91 –, NJW-RR 1992, S. 440 f. = ZevKR 37 (1992), S. 205–209 = KirchE 29, S. 199–203; Werner Knüllig, Kirchliche Genehmigungsvorbehalte und Veräußerungsverbote, ZevKR 12 (1966/67), S. 116–136 (124–129); Busch, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 6), S. 967; Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 926–928; Jens Peglau, Wirkung kirchlicher Genehmigungsvorbehalte im allgemeinen Rechtsverkehr, NVwZ 1996, S. 767– 770; im Ergebnis ebenso Jochen Dittrich, Die kirchenaufsichtliche Genehmigung in Vermögens- und Personalangelegenheiten, ZevKR 12 (1966/67), S. 100–116 (103– 106). Die Unwirksamkeit „schwebt“, wenn und solange die Genehmigung noch nachgeholt werden kann. Zu dieser und weiteren Einzelheiten anhand von Beispielen Dittrich (a. a. O.), S. 107–111; Knüllig (a. a. O.), S. 129–132. Busch, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 6), S. 964–967; Hans Zilles/ Burkhard Kämper, Kirchengemeinden als Körperschaften im Rechtsverkehr. Voraussetzungen und Funktionsstörungen rechtswirksamer Betätigung, NVwZ 1994, S. 109–

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Die selbstverständlich auch hier anzulegenden Schranken des für alle geltenden Gesetzes schützen die Erfordernisse des bürgerlichen Rechtsverkehrs im Hinblick auf Publizität, Rechtsförmlichkeit und Verläßlichkeit des öffentlich-rechtlichen Handelns der kirchlichen Vermögensträger, ferner gegebenenfalls die entgegenstehenden Rechte Dritter.40 Zu diesem Zweck sehen die Staatskirchenverträge eine Anzeige und Publikation der kirchenrechtlichen Vertretungsregelungen vor41; der Vorbehalt behördlicher Überprüfung und Anerkennung42 muß wegen des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 III WRV auf den ausschließlichen Maßstab der Schranken des für alle geltenden Gesetzes beschränkt bleiben, hier eben in Gestalt der genannten Erfordernisse des bürgerlichen Rechtsverkehrs.43

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115 (114 f.); im Ergebnis ebenso Dietrich Pirson, Kirchliches Recht in der weltlichen Rechtsordnung, in: Festschrift für Erich Ruppel zum 65. Geburtstag am 25. Januar 1968, hrsg. von Heinz Brunotte/Konrad Müller/Rudolf Smend, Hannover [etc.] 1968, S. 277–311; auch in: ders., Gesammelte Beiträge (Anm. 21), Halbbd. 2, S. 773– 807 (784–790), der die bürgerliche Wirkung kirchenrechtlicher Vertretungsregelungen einer Rezeption durch die staatliche Rechtsordnung zuschreibt. Daß es hier keine grundsätzlichen Schwierigkeiten gibt, zeigen die zahlreichen Tatbestände des öffentlichen und des privaten bürgerlichen Rechts, die den Wechsel des Grundstückseigentums ohne Auflassung bewirken; siehe nur Kanzleiter (Anm. 37), § 925, Rn. 8–13. Typisch: Art. 10 I 1 Vertrag des Landes Niedersachsen mit den Evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen [EvKV Niedersachsen – „Loccumer Vertrag“] vom 19.3.1955 (GVBl. Niedersachsen S. 159); Art. 6 I (mit abschließendem Protokoll hierzu) Ergänzungsvertrag zum EvKV Niedersachsen vom 4.3.1965 (GVBl. Niedersachsen 1966 S. 3; MBl. Niedersachsen 1966 S. 1100); Art. 8 IV 1 (mit Schlußprotokoll hierzu) Vertrag des Landes Sachsen-Anhalt mit den Evangelischen Landeskirchen in Sachsen-Anhalt [EvKV LSA – „Wittenberger Vertrag“] vom 15.9.1993 (GVBl. Sachsen-Anhalt 1994 S. 173). In der ersten Generation der Staatskirchenverträge von 1924 bis 1932 finden sich solche Kautelen weniger regelmäßig: eine Anzeigepflicht in Art. 2 I Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen [EvKV Preußen] vom 11.5.1931 (Preußische Gesetzsammlung S. 107); aber keine solche Bestimmung im Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins vom 15.11.1924, zuletzt geändert am 20.11.1984 (GVBl. Bayern 1985 S. 292). Das dürfte sich daraus erklären, daß seinerzeit die weitergehende staatliche Vermögensaufsicht weniger Raum für eine vertragliche Abstimmung ließ. Zu den staatskirchenvertraglichen Regelungen über die vermögensrechtliche Vertretung noch unter den Prämissen der Koordinationslehre Knüllig, Kirchliche Genehmigungsvorbehalte und Veräußerungsverbote (Anm. 38), S. 132–136; unter den jüngeren Prämissen eines grundrechtlich motivierten Staatskirchenrechts vor allem Hans Ulrich Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge. Zu den Möglichkeiten und Grenzen des staatskirchenrechtlichen Gestaltungsinstruments, Tübingen 2000, S. 387, 390 f. Nach dem Vorbild des Art. 2 II 1 EvKV Preußen und Art. 10 I 2 EvKV Niedersachsen etwa Art. 8 IV 2 EvKV LSA: „Die Landesregierung kann innerhalb eines Monats Einspruch erheben, wenn eine ordnungsgemäße vermögensrechtliche Vertretung nicht gewährleistet ist.“ Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenverträge (Anm. 41), S. 390 m. w. N.

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IV. Rechtsgrundlagen der Vermögensverantwortung im geltenden evangelischen Kirchenrecht44 Die Regelungen des evangelischen Kirchenrechts, in denen die Kirche die Vermögensverantwortung ordnet und damit zugleich in den bürgerlichen Rechtsverkehr hinein ihr Selbstbestimmungsrecht ausübt, sind dank der landeskirchlichen Partikularität der evangelischen Kirche in Deutschland auf (ab Pfingsten 2012) noch 20 Kirchenverfassungen, eine entsprechende Menge einfachen Gesetzesrechts und untergesetzlicher Normen sowie die Ordnungen der kirchlichen Zusammenschlüsse verteilt. Aber auch ohne eine Kodifikation „de bonis ecclesiae temporalibus“, wie sie die römisch-katholische Weltkirche im fünften Buch des Codex Iuris Canonici von 1983 hat, folgen die geltenden Regelungen im großen und ganzen gemeinsamen Grundlinien. Landeskirchenübergreifende Programmsätze ohne förmlichen Rechtscharakter finden sich außerdem in den „Leitlinien kirchlichen Lebens“ der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands von 2002 sowie in der „Ordnung kirchlichen Lebens“ der Evangelischen Kirche der Union von 1999.45 Die grundsätzlichen Maßgaben für die kirchliche Vermögensverantwortung haben in allen evangelischen Landeskirchen Verfassungsrang46; in den jüngeren Kirchenverfassungen ist ihnen ein eigener Abschnitt gewidmet.47 Die verfassungsrechtliche Regelungsdichte reicht von bloßen Kompetenzvorschriften hin zu eingehenden Bestimmungen über das Haushaltsrecht und Programm-

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Diese Überschrift wurde in die Druckfassung eingefügt; im Vergleich zur Gliederung des Vortrags, die sich im Thesenblatt widerspiegelt (siehe unten S. 94 ff.), verschiebt sich die Zählung ab hier entsprechend. Leitlinien kirchlichen Lebens der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen Deutschlands. Handreichung für eine kirchliche Lebensordnung vom 22.10.2002 (siehe und ), Abschnitt C III; Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union vom 5.6.1999 (ABl. EKD S. 403), Abschnitt 12. Die Abschnitte der „Leitlinien“ wie der „Ordnung des kirchlichen Lebens“ sind überschrieben mit „Geld, Vermögen und wirtschaftliches Handeln“ und gegliedert in „Wahrnehmung der Situation“, „Biblische Grundlagen und theologische Orientierung“ und – auch im Vergleich zu den Abschnitten über andere Bereiche des kirchlichen Lebens sehr knapp und allgemein gehaltene – „Richtlinien und Regelungen“. „Seit alters her“ werden sie „für verfassungswürdig befunden“: Blaschke, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht (Anm. 1), S. 45 f. Verfassung der Evangelischen Landeskirche Anhalts vom 14.8.1920 (GVBl. 1920, S. 41), zuletzt geändert am 3.5.2011; Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden in der Neufassung vom 28.4.2007 (ABl. EKD S. 316), bes. Art. 101–104 („Vermögen und Haushaltswirtschaft der Kirche“); Verfassung der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern in der Fassung vom 6.12.1999 (KABl. 2000 S. 10),

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sätzen für den Umgang mit kirchlichem Vermögen. An die verfassungsrechtlichen Grundsätze schließen sich überall ein ausdifferenziertes einfaches Gesetzesrecht sowie untergesetzliche Bestimmungen über das kirchliche Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen und zur Vermögensverwaltung an. Die Regelungsinhalte lassen sich sortieren in formelle und materielle Vorgaben für den Umgang mit kirchlichem Vermögen.

zuletzt geändert am 29.3.2010 (ABl. EKD S. 155), bes. Art. 81–84 („Die Vermögensund Finanzverwaltung“), Art. 85–86 („Rechnungslegung und Rechnungsprüfung“); Grundordnung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 21./24.11.2003 (ABl. EKD 2004, S. 61), zuletzt geändert am 13.11.2009 (ABl. EKD 2010 S. 94), bes. Art. 99–101 („Die Finanzordnung“); Verfassung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig in der Neufassung vom 7.5.1984 (ABl. EKD S. 377), zuletzt geändert am 13.11.2009 (ABl. EKD 2010 S. 94), bes. Art. 109–118 („Finanzwesen“); Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche in der Fassung der Neubekanntmachung vom 17.5.1973 (ABl. EKD S. 957), zuletzt geändert am 29.11.2006 (ABl. EKD 2007 S. 63); Verfassung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers in der Fassung vom 1.7.1971 (ABl. EKD S. 546), zuletzt geändert am 8.12.2010 (ABl. EKD 2011 S. 89); Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 17.3.1949 in der Fassung vom 20.2.2010 (ABl. 2010 S. 118), bes. Art. 64–67 („Finanzwesen“); Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck in der Fassung vom 22.5.1967 (KABl. S. 19), zuletzt geändert am 23.11.2010 (ABl. EKD 2011 S. 50); Verfassung der Lippischen Landeskirche vom 17.2.1931 in der Fassung vom 23.11.1998 (ABl. EKD 1999 S. 107), zuletzt geändert am 24.11.2009 (ABl. EKD 2010 S. 286); Verfassung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland vom 5.7.2008 (ABl. EKM S. 183), bes. Art. 85–88 („Finanzwesen und Vermögensverwaltung“); Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) vom 7.1.2012 (KABl. S. 2), bes. Art. 122–126 („Finanzverfassung“); Kirchenordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg vom 20.2.1950 (GVBl. Band XIII S. 135), zuletzt geändert am 14.5.2011 (GVBl. Band XXVII S. 51), bes. Art. 120–128 („Das Vermögen und die Opfer der Kirche“); Verfassung der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) in der Fassung vom 25.1.1983 (ABl. EKD S. 151), zuletzt geändert am 12.5.2007 (ABl. EKD 2007 S. 209); Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche vom 9.6.1988 (ABl. EKD 1989 S. 78), zuletzt geändert am 7.12.2009 (ABl. EKD 2010 S. 95); Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 10.1.2003 (KABl. 2004 S. 86), zuletzt geändert am 13.1.2012 (KABl. S. 54); Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 13.12.1950 (ABl. EKD S. 2), zuletzt geändert am 20.11.2006 (ABl. EKD 2007 S. 80), bes. §§ 43–47 („Finanzwesen“); Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe vom 18.9.1993 (ABl. EKD 1995 S. 198), geändert am 13.11.2010 (ABl. EKD 2011 S. 68), bes. Art. 60–64 („Finanzwesen“); Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.1.1999 (ABl. EKD S. 197), zuletzt geändert am 18.11.2011 (KABl. S. 283); Kirchliches Gesetz, betr. die Verfassung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (Kirchenverfassungsgesetz) vom 24.6.1920 (ABl. Württemberg Band 19 S. 199), zuletzt geändert am 30.11.2006 (ABl. EKD 2007 S. 121).

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V. Formell-rechtliche Kriterien der Vermögensverantwortung 1. Verbandszuständigkeiten: zentrale und dezentrale Verantwortung Die Verteilung der Verbandszuständigkeiten auf die Organisationsebenen des kirchlichen Verfassungsaufbaus entscheidet darüber, welche Aspekte der Vermögensverantwortung zentral und welche dezentral wahrgenommen werden sollen. Darüber hinaus ist die Verteilung der Verbandszuständigkeiten mit Entscheidungen darüber verbunden, ob das kirchliche Vermögen konzentriert oder dekonzentriert, also in rechtlich selbständigen besonderen Vermögensträgern neben den Körperschaften des kirchlichen Verfassungsaufbaus organisiert wird. Die Verteilung der Verbandszuständigkeiten folgt nicht einem einheitlichen Verteilungsprinzip, und es gibt auch nicht „die“ Vermögensverantwortung als einheitlichen Gegenstand einer Zuständigkeit. Vielmehr differenziert sich die Vermögensverantwortung nach ihren vielgestaltigen Aspekten in verschiedene Zuständigkeiten, die hier nur ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Systematik aufgezählt werden können: beginnend erstens bei der Rechtssetzungskompetenz für abstrakt-generelle Entscheidungen über den Erwerb, den Erhalt und die Verwendung kirchlichen Vermögens; zweitens das Budgetrecht; drittens die Verwaltungshoheit für kirchliche Einnahmen, allen voran natürlich für die Kirchensteuer; viertens die Ertragshoheit für diese Einnahmen; fünftens das Eigentum an Sachen im kirchlichen Vermögen – oder genauer: die Zuständigkeit für das kirchliche Handeln, mit dem im bürgerlichen Rechtsverkehr die Eigentümerbefugnisse ausgeübt werden –; sechstens die Zuständigkeit für die Erhaltung, Pflege und Nutzung des Verwaltungsvermögens; siebtens die Zuständigkeit für die Bewirtschaftung einzelner Vermögensmassen im Finanzvermögen, einschließlich Entscheidungen über die Geldanlage; achtens die Zuständigkeiten für Kassenführung und Rechnungsprüfung – sicher ließe sich noch einiges anfügen. Der historische Ausgangspunkt ist wieder die dezentrale und dekonzentrierte Organisation des Kirchenvermögens in der Rechtsform der selbständigen Stiftung.48 Die beschriebene Herausbildung der Rechtspersönlichkeit von Kirchengemeinden war die konstruktive Voraussetzung für eine Konzentration der örtlichen Kirchenvermögensmassen in der Trägerschaft der Kirchengemeinde, zog aber eine solche Konzentration nicht sofort und bis heute nicht vollständig nach sich.49

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Zu den historischen Ursprüngen im Überblick Michael Germann, Kirchenfabrik, in: Cordes u.a. (Hrsg.), HRG (Anm. 4), Band 2, Berlin 2012, Sp. 1786 f.; Landau, Kirchengut (Anm. 17), S. 560–569; Siegfried Reicke, Kirchengut, in: Galling u.a. (Hrsg.), RGG (Anm. 1), Band 3, Tübingen 1959, Sp. 1435–1439; klassisch Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte – Die katholische Kirche, 5. Aufl., Köln/Wien 1972, S. 131–133, 164 f., 191–195, 205–211. Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 313–315, 328 Fn. 72; Liermann, Kirchenrecht (Anm. 1), S. 378–387; Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 923–925.

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Die dem Unterhalt des Pfarrers gewidmeten örtlichen Pfründevermögen sind überwiegend in landeskirchlichen Fonds zentralisiert oder werden zumindest zentral verwaltet; ihre Unterhaltsfunktion ist längst durch die einheitliche Pfarrerbesoldung ersetzt worden, zu der ihre Erträge etwa in der bayerischen Landeskirche nur noch 2% des Aufwands beisteuern.50 Die örtlichen Kirchenvermögen sind dezentral geblieben, allerdings mehr oder weniger in der Hand der Kirchengemeinde konzentriert, indem sie entweder im allgemeinen Kirchengemeindevermögen aufgegangen oder als unselbständiges Zweckvermögen ins Kirchengemeindevermögen übergegangen sind oder als noch selbständiges Stiftungsvermögen zumindest von der Kirchengemeinde verwaltet werden.51 Vom Umfang her bedeutender ist heute die Ertragshoheit für die Kirchensteuer. Gläubiger der Kirchensteuer sind ganz überwiegend die Landeskirchen,52 in den Evangelischen Kirchen im Rheinland und von Westfalen die

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Grethlein/Böttcher/Hofmann/Hübner, Evangelisches Kirchenrecht in Bayern (Anm. 16), S. 494. In der bayerischen Landeskirche sind die örtlichen Pfründestiftungen rechtlich selbständig geblieben, aber 1935 im Pfründestiftungsverband, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zusammengeschlossen worden; siehe Böttcher, ebd., S. 442, 494 f.; Friedrich Witzmann, Gliederung und Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, ZevKR 21 (1976), S. 197–204 (197). In der Evangelischlutherischen Landeskirche Hannovers betrug der Anteil der Dotationserträge am Pfarrbesoldungsaufwand 1950 ca. 30%, 1965 knapp 17% und 1976 noch 8%; Eberhard Sperling, Die Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens in der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, ZevKR 21 (1976), S. 182–196 (184). Zu sozialgeschichtlichen Aspekten Oliver Janz, Von der Pfründe zum Pfarrgehalt: Zur Entwicklung der Pfarrerbesoldung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 1), S. 682–711. Zur differenzierten Entwicklung hinsichtlich Pfründestiftungen und Kirchenstiftungen Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 314 f., 328 f. Zum örtlichen Pfarrvermögen (Pfründestiftung, Pfarre, Pfarrei, Pfarrpfründe, Pfarrwittum) und Kirchenvermögen (Kirche, Kirchärar, Kirchlehen, Kirchenfonds, Kirchenpflege, Opferei, Küsterei) Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 923. Zu den Verhältnissen in einzelnen Landeskirchen Erich Dalhoff, Kirchliche Vermögensaufsicht und Selbstverwaltung in der Evangelischen Kirche im Rheinland, ZevKR 6 (1957/58), S. 365–377 (370 f.); Friedrich, Kirchenrecht (Anm. 1), S. 513–521, 535 f.; Grethlein/Böttcher/Hofmann/ Hübner, Evangelisches Kirchenrecht in Bayern (Anm. 16), S. 492–494; Wilhelm Müller, Zur Rechtsstellung der selbständigen örtlichen Kirchen- und Pfarrvermögen unter besonderer Berücksichtigung der Kirchen- und Pfründestiftungen der Evang.Luth. Kirche in Bayern, ZevKR 8 (1961/62), S. 360–373; Witzmann, Gliederung und Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens (Anm. 50), S. 197–204. In der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen die Mitgliedskirchen gemeinschaftlich, § 21 des Vertrag über die Bildung einer Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen vom 7./16./30.12.1970, 7./11.1.1971, zuletzt geändert durch Vertrag vom 6.12.2006 (KABl. Hannover S. 200).

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Kirchengemeinden,53 in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland werden es wie bisher in der Nordelbischen Evangelischen Kirche die Kirchenkreise sein.54 Der Ertrag der Kirchensteuer steht allen kirchlichen Körperschaften gemeinsam zu.55 Auf sie wird er durch Zuweisung oder Umlage verteilt. In einigen Landeskirchen kommt eine geringe Ortskirchensteuer hinzu, deren Ertrag unmittelbar den Kirchengemeinden zufließt. Sie ist für die einzelnen Kirchengemeinden nicht zu verachten, bleibt aber naturgemäß weit hinter der Landeskirchensteuer als Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer zurück. Die Evangelische Kirche in Deutschland und die kirchlichen Zusammenschlüsse erheben keine Kirchensteuern, sondern eine Umlage auf die Einnahmen ihrer Gliedkirchen.56 Mit den beiden Beispielen der Vermögensträgerschaft und der Kirchensteuerertragshoheit wird ausschnittweise erkennbar, daß die Vermögensverantwortung keinem Prinzip vertikaler Gewaltenteilung unterliegt. Auch kommt keiner Stufe des kirchlichen Verfassungsaufbaus ein Vorrang in der Vermögensverantwortung zu.57 Ein hierarchisches Prinzip ist dem evangelischen Kirchenrecht

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§ 1 I Notverordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland/gesetzesvertretende Verordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen/Kirchengesetz der Lippischen Landeskirche über die Erhebung von Kirchensteuern (Kirchensteuerordnung – KiStO) vom 22.9./14.9./28.11.2000 (KABl. Westfalen S. 281), zuletzt geändert am 17.10./25.9./16.9.2008 (KABl. Westfalen S. 335, 336). Ältere kirchenrechtspolitische Überlegungen hierzu finden sich bei Dalhoff, Kirchliche Vermögensaufsicht und Selbstverwaltung (Anm. 51), S. 371 f.; Thümmel, Finanzausgleich (Anm. 14), S. 355 f. Eine finanzwissenschaftliche Darstellung der Geldströme innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland auf dem Stand von ca. 1985 findet sich bei Hessler/Strauß, Kirchliche Finanzwirtschaft (Anm. 12), S. 119–200, 229–246. Nach Art. 100 I GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz erheben ebenfalls die Kirchengemeinden die Kirchensteuer, ihr „Einzug und die Verwaltung“ können aber der Landeskirche übertragen werden. Das ist so geschehen, daß nach außen die Landeskirche als Kirchensteuergläubiger auftritt; Kirchengesetz über die Erhebung von Kirchensteuern (Kirchensteuerordnung – KiStO ev. –) in der Fassung vom 1.1.2009 (KABl. S. 212). Art. 122 II–III Verf. Nordkirche; ebenso zuvor Art. 111 Verfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 12.6.1976 (GVOBl. S. 159), neu bekanntgemacht am 8.2.1994 (GVOBl. S. 81), zuletzt geändert am 21.11.2009 (GVOBl. S. 374); dazu Blaschke, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht (Anm. 1), S. 54: seinerzeit „kirchensteuerpolitisches Neuland“. So ausdrücklich Art. 65 II KO Hessen und Nassau; Art. 122 III Verf. Nordkirche. Art. 33 I 2 Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13.7.1948 (ABl. EKD S. 233) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.11.2003 (ABl. EKD 2004 S. 1), zuletzt geändert am 10.11.2005 (ABl. EKD S. 549); Art. 26 II Verfassung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.3.2007 (ABl. EKD 2008 S. 112), geändert am 14.10.2008 (ABl. EKD S. 121); Art. 5 II Nr. 5 Grundordnung der Union Evangelischer Kirchen in der EKD in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.12.2008 (ABl. EKD 2009 S. 45). Grundsätzliche Erwägungen unter diesem Gesichtspunkt zur Verteilung der Finanzen auf Kirchengemeinden, Kirchenkreise und Landeskirche entwickelt Thomas Begrich, Kirchliche Finanzen – ein Herrschaftsinstrument? Die Kirche und ihr Geld unter dem Aspekt von Herrschaft und Dienst am Beispiel einer Gliedkirche der EKU, in: Der Dienst der ganzen Gemeinde Jesu Christi und das Problem der Herrschaft, Band 1: Vorträge aus dem Theologischen Ausschuß der Evangelischen Kirche der Union zu Barmen IV, hrsg. von Joachim Ochel, Gütersloh 1999, S. 116–131.

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bekanntlich fremd. Ebensowenig gibt es ein „Gemeindeprinzip“ in dem Sinn, daß alle übergemeindlichen Zuständigkeiten aus einer originären Vermögensverantwortung der Kirchengemeinde nur abgeleitet wären. Alle kirchlichen Körperschaften haben prinzipiell die gleiche Nähe zum kirchlichen Auftrag. Vermögensverantwortung wie andere kirchenleitende Zuständigkeiten folgen nicht aus einer Sonderbeziehung zum kirchlichen Auftrag, sondern aus einer ihrerseits kirchenleitenden Entscheidung, deren Ort die Kirchenverfassung und das Kirchengesetz sind. Die Vermögensträgerschaft der Kirchengemeinden und der Landeskirchen kann zwar als Ausdruck und Bestandteil ihrer Verantwortung für den kirchlichen Auftrag eingeordnet werden, aber nicht als ein notwendiges Wesensmerkmal ihres „Kirchseins“.58 So hat auch das in manchen Kirchenverfassungen hervorgehobene Selbstverwaltungsrecht der Kirchengemeinden in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nicht den Status eines vorbehaltlosen Prinzips. Es ist eine Funktion ihrer Verantwortung für den Auftrag der Kirche,59 steht aber um desselben Auftrags willen unter dem – gegebenenfalls vom Subsidiaritätsgedanken moderierten – Vorbehalt kirchengesetzlicher Einschränkungen.60 Deshalb kann ein Kirchengesetz die Erlöse aus der Veräu-

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Zu präzisieren ist insoweit Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 920: In den Bestimmungen über die Ordnung und Verwaltung vermögensrechtlicher Angelegenheiten „schlägt sich nieder, daß sowohl die Landeskirche als auch die Kirchengemeinden ‚Kirche‘ sind, deren Aufgaben sich voneinander nicht trennen lassen“. Unter demselben Vorbehalt ist die Aussage zu lesen, die Kirchengemeinden seien „wichtigste Träger des Kirchenvermögens“, S. 921. So begründet sich denn auch der bei Begrich, Kirchliche Finanzen – ein Herrschaftsinstrument? (Anm. 57), S. 125, vorgestellte „Vorrang“ der „im Kirchenkreis verbundenen Ortsgemeinden“, der das Finanzgesetz der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen von 1991 geprägt hatte, nicht aus einer ekklesiologischen Rangordnung, sondern aus dem Bemühen, einer „Entfremdung“ zwischen dem Gemeindeleben und seiner Finanzierung entgegenzuwirken (S. 125–131). Unter den Bedingungen der DDR (siehe oben Anm. 10) konnte die Dezentralisierung der Vermögensverantwortung eine Strategie sein, um das Kirchenvermögen etwas aus dem zentralen Gegenwind staatlicher Gängelung zu nehmen. Die evangelischen Kirchengemeinden und Kirchenkreise in der DDR waren dadurch in Vermögensangelegenheiten tendentiell wohl stärker auf sich gestellt. Die dabei eingeübte Eigenverantwortung dürfte nach 1990 den Bemühungen um die Sanierung von Kirchengebäuden vielfach zugute gekommen sein. Die Formulierungen der Kirchenverfassungen sind variantenreich: „In der Landeskirche regeln und verwalten die kirchlichen Körperschaften ihre Angelegenheiten selbständig im Rahmen des geltenden Rechtes“ (Art. 16 I Verf. Hannover; im wesentlichen ebenso Art. 7 I Verf. EKM). „Die kirchlichen Rechtsträger ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten im Rahmen des geltenden Rechts in eigener Verantwortung“ (Art. 23 I Verf. Braunschweig; ähnlich Art. 21 II 1 Verf. EKM; Art. 14 I 1 Verf. Schaumburg-Lippe; Art. 7 I KO Westfalen). „Die Kirchgemeinden verwalten sich selbst im Rahmen der kirchlichen Ordnung“ (§ 10 II Verf. Sachsen). „Die Kirchengemeinde ordnet und verwaltet unter Wahrung der Einheit der Landeskirche ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der geltenden Gesetze und Verordnungen“ (Art. 8 Verf. Lippe). „Die Kirchengemeinde nimmt den Auftrag der Kirche [...] in ihrem Bereich im Rahmen der kirchlichen Ordnung in eigener Verantwortung wahr“ (Art. 6 KO Rheinland). „Die Gemeinden nehmen ihren Auftrag

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ßerung eines kirchengemeindlichen Grundstücks für den landeskirchlichen Pfarrbesoldungsfonds in Anspruch nehmen.61 Erst recht mit dem Selbstverwaltungsrecht vereinbar ist eine Zentralisierung der Kassenführung und Buchung, welche die Befugnisse der Kirchengemeinden zur Verwendung ihres Vermögens nicht berührt.62 Sie verletzt zwar den verständlichen Stolz der Kirchengemeinden über die Leistungen ihrer ehrenamtlichen Rechnungsführer und über die kommunikativen Potentiale des Kassen- und Buchungswesens im Gemeindeleben, aber nicht den Kernbereich des kirchengemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Zu den notae ecclesiae gehören Kontonummer und Quittungsblock nicht.

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in der Bindung an Schrift und Bekenntnis und im Rahmen der Rechtsordnung der Landeskirche selbstständig und in eigener Verantwortung wahr“ (Art. 5 II 1 GO Baden; ähnlich Art. 9 I 1 GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz). „Die Kirchengemeinde [...] verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig nach Maßgabe dieser Verfassung“ (§ 6 I 1–2 Verf. Anhalt). „Die Kirchengemeinde ordnet und verwaltet durch das Presbyterium sowohl auf dem innerkirchlichen wie auf dem vermögensrechtlichen Gebiet ihre Angelegenheiten selbständig im Rahmen der kirchlichen Ordnung“ (§ 6 III 1 Verf. Pfalz). „(1) Die Kirchengemeinde ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten im Rahmen der kirchlichen Ordnung und Aufsicht in eigener Verantwortung. [...] (3) Die Kirchengemeinde hat das Recht, im Rahmen der kirchlichen Ordnung und Aufsicht über ihre Mittel in eigener Verantwortung zu verfügen. Dabei hat sie die Pflicht, ihren Anteil zur Erfüllung der gesamtkirchlichen Aufgaben und zur Behebung der Nöte anderer Gemeinden beizutragen.“ (Art. 11 I, III KO Hessen und Nassau). „Selbstbestimmungsrecht. (1) Die Kirchengemeinden, die Kirchenkreise und die Landeskirche ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten im Rahmen des geltenden Rechtes in eigener Verantwortung. (2) Für die Erfüllung des kirchlichen Auftrages gelten die Grundsätze der Subsidiarität und Solidarität.“ (Art. 5 Verf. Nordkirche; wiederholt in Art. 20 I, 42 Verf. Nordkirche). Zur Selbstverwaltung im evangelischen Kirchenrecht: Axel Frhr. von Campenhausen, Selbstverwaltung – Autonomie – Eigenständigkeit im Kirchenrecht und im Staatskirchenrecht, in: Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft. Festgabe zum 70. Geburtstag von Georg Christoph von Unruh, hrsg. von Albert von Mutius, Heidelberg 1983, S. 977–990 (977–982); auch in: Axel v. Campenhausen, Gesammelte Schriften, hrsg. von Joachim E. Christoph/Christoph Link/Jörg Müller-Volbehr/Michael Stolleis, Tübingen 1995, S. 56–70; Dalhoff, Kirchliche Vermögensaufsicht und Selbstverwaltung (Anm. 51), S. 365–369, 375 f.; Liermann, Kirchenrecht (Anm. 1), S. 259–261; Susanne Rosenstock, Die Selbstverwaltung evangelischer Kirchengemeinden, Frankfurt am Main/Freiburg (Breisgau) 2000; Karl Wagenmann, Zur Selbstverwaltung in der Kirche, in: Brunotte u.a. (Hrsg.), Festschrift für Ruppel (Anm. 39), S. 210–225. Zu den Folgen für die Maßstäbe der kirchlichen Aufsicht Dittrich, Die kirchenaufsichtliche Genehmigung in Vermögens- und Personalangelegenheiten (Anm. 38), S. 112; Knüllig, Kirchliche Genehmigungsvorbehalte und Veräußerungsverbote (Anm. 38), S. 119–124; Hendrik Munsonius, Kriterien kirchenaufsichtlicher Genehmigungen, ZevKR 52 (2007), S. 666–672. Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD, Beschluß vom 22.12.2010 – RVG 4/2010, RVG 5/2010, ABl. EKD 2011, Rechtsprechungsbeilage, S. 25–27. Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche der Pfalz, Rechtsgutachten vom 27.6.2011 – XIII 102/09-157 –, ZevKR 57 (2012), S. 92–106 (98–101).

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2. Organzuständigkeiten: synodal-presbyteriale und konsistoriale Verantwortung Im Gefüge der kirchen- und gemeindeleitenden Organe liegen die wesentlichen Entscheidungen in der Wahrnehmung kirchlicher Vermögensverantwortung nach dem evangelischen Kirchenverfassungsrecht bei den Synoden und den Presbyterien (Kirchenvorständen, Gemeindekirchenräten, Kirchengemeinderäten et cetera). Die Wahlen zu diesen Vertretungsorganen vermitteln die Beteiligung der Kirchenmitglieder an der kirchlichen Vermögensverantwortung.63 In den Kirchengemeinden haben die Presbyterien die umfassende Aufgabe, für die zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags nötigen Mittel zu sorgen.64 Sie beschließen über den Haushaltsplan der Kirchengemeinde und stellen den Jahresabschluß fest,65 verwalten Vermögen und Finanzen, Gebäude und Grundstücke,66 erhalten die Gebäude,67 bestimmen über die Nutzung gemeindlicher

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Hierin kann das „Recht des Kirchenglieds auf Beteiligung am Auftrag der Kirche“ als aufgehoben gelten, das Dietrich Pirson andeutungsweise wohl an ein weitergehendes Teilhaberecht von „spontanen Aktivitäten aus der Mitte der Kirche“ an kirchlichen Finanzen denken läßt: Dietrich Pirson, Kirchliches Verfassungsrecht. Eigenart und notwendiger Inhalt, ZevKR 45 (2000), S. 89–108; auch in: ders., Gesammelte Beiträge (Anm. 21), Halbbd. 1, S. 402–420 (416); in eine ähnliche Richtung weist seine frühere Bemerkung, daß die „Verfügungsmacht über die Finanzmittel bei den entsprechenden kirchlichen Stellen“ ein Bedürfnis nach rechtlichen Garantien hervorrufe: Dietrich Pirson, Innerkirchliche Grundrechte aus der Sicht der evangelischen Kirchenrechtslehre, ZRG 98 Kan. Abt. 67 (1981), S. 339– 375; auch in: ders., Gesammelte Beiträge (Anm. 21), Halbbd. 1, S. 326–355 (346). Einen gewissen Kontrast hierzu bildet die Sicht eines Oberkirchenrats auf die schwierige Durchsetzung von Bewilligungsauflagen gegenüber rechtlich selbständigen kirchlichen Zuschußempfängern; Hans-Georg Nordmann, Kirchliches Finanzund Haushaltsrecht, ZevKR 27 (1982), S. 155–163 (162 f.): Die Konzentration der zuschußbedürftigen kirchlichen Aufgabenerfüllung bei den kirchlichen Zuschußgebern selbst sparte „[e]ine Menge Zeit, Ärger und Kosten“. § 15 I 1 Verf. Anhalt; Art. 27 I GO Baden; Art. 15 III Nr. 14 GO Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz. Art. 27 II Nr. 1 GO Baden; Art. 15 III Nr. 15 GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; Art. 37 I Nr. 5 GO Kurhessen-Waldeck. Haushaltsplan: § 39 II Nr. 8 Verf. Reformierte Kirche (Gemeindevertretung zusammen mit Presbyterium); Art. 45 I Verf. Hannover; Art. 25 I Nr. 7 KO Oldenburg; Art. 24 III Nr. 9 Verf. EKM; Art. 17 IV 1 Buchst. b Verf. Schaumburg-Lippe; Art. 62 S. 3 Verf. SchaumburgLippe. § 15 II Verf. Anhalt; Art. 16 III Nr. 8, Art. 27 II Nr. 2 GO Baden; Art. 15 III Nr. 15 GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; Art. 45 I Verf. Hannover; Art. 37 I Nr. 2 GO Kurhessen-Waldeck; Art. 41 Buchst. k Verf. Lippe; Art. 24 III Nr. 9 Verf. EKM; Art. 25 I Nr. 6 KO Oldenburg; § 13 II Nr. 6 Verf. Pfalz; §§ 25 I 1, 39 II Verf. Reformierte Kirche; Art. 17 IV 1 Buchst. d Verf. Schaumburg-Lippe; Art. 57 Buchst. q KO Westfalen. Einzelne Aufgaben der laufenden Vermögensverwaltung können meist einem ehrenamtlichen Kirchmeister oder einem ähnlichen Organ übertragen werden. Besonders erwähnt in Art. 27 II Nr. 4 GO Baden; Art. 15 III Nr. 14 GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; Art. 37 I Nr. 3 GO Kurhessen-Waldeck; § 13 II Nr. 7 Verf. Pfalz; § 25 II Verf. Reformierte Kirche.

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Räume, insbesondere die Überlassung an Dritte,68 beschließen über die Ortskirchensteuer und andere Abgaben69 sowie über Kollekten und Spenden.70 Die Landessynoden beschließen über den Haushalt der Landeskirche,71 nehmen den Jahresabschluß ab72 und legen die Kirchensteuer73 beziehungsweise die landeskirchlichen Umlagen fest.74 Neben den Landessynoden haben auch die anderen landeskirchlichen Organe an der Vermögensverantwortung teil. Die konsistorialen Organe („Landeskirchenamt“ et cetera) nehmen die laufende Vermögensverwaltung nach den Vorgaben der Synode wahr. Die in den meisten Landeskirchen dazwischentretenden besonderen Organe der Kirchenleitung („Landeskirchenrat“, „Kirchenleitung“, „Kirchenregierung“ et cetera), in denen sich das Zusammenwirken der synodalen, konsistorialen und episkopalen Leitungsverantwortung verkörpert, sind typischerweise für grundsätzliche Entscheidungen der Vermögensverwaltung zuständig. Auch die Festlegung landeskirchlicher Kollekten obliegt in manchen Landeskirchen diesem besonderen Organ der Kirchenleitung,75 während sie in anderen zu den Aufgaben der Landessynode gehört.76

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Besonders erwähnt in Art. 27 II Nr. 5 GO Baden; Art. 15 III Nr. 14 GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; Art. 24 III Nr. 4 Verf. EKM. Art. 27 II Nr. 1 GO Baden (Ortskirchensteuer und Kirchgeld); Art. 45 I Verf. Hannover (Kirchensteuern und sonstige kirchliche Abgaben); Art. 37 I Nr. 4 GO Kurhessen-Waldeck (Abgaben); Art. 24 III Nr. 10 Verf. EKM (Abgaben); Art. 17 IV 2 Verf. Schaumburg-Lippe (Gebühren). Art. 15 III Nr. 15 GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; Art. 24 III Nr. 10 Verf. EKM; § 13 II Nr. 4 Verf. Pfalz; Art. 57 Buchst. h KO Westfalen. Geregelt jeweils in der Enumeration der Zuständigkeiten (siehe nur beispielsweise Art. 78 III Nr. 5 Verf. Nordkirche), im Zusammenhang mit der Gesetzgebung (beispielsweise Art. 76 I 1 Verf. Hannover) oder mit dem Finanzverfassungsrecht (beispielsweise Art. 102 I, II i. V. m. Art. 58 I, 59 I, 65 II Nr. 2 GO Baden). Die Kirchenverfassungen setzen für diese Aufgabe der Landessynode überwiegend einen Akzent bei der Entlastung (zum Beispiel Art. 102 III GO Baden), sonst bei der Prüfung (zum Beispiel § 21 II KVerfG Württemberg). Art. 116 II–IV Verf. Braunschweig betont die unabhängige Prüfung der Rechnung, aufgrund derer die Landessynode über die Entlastung entscheidet. Nach Art. 91 III Buchst. g Verf. Hannover obliegt die Prüfung und Entlastung des Landeskirchenamts dem Landessynodalausschuß (einem intermediären Kirchenleitungsorgan); nur bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet die Landessynode. Gemäß Art. 43 II Nr. 6, 55 II Nr. 7 Verf. Bayern ist die Landessynode für die Feststellung des Jahresabschlusses und die Entlastung zuständig, kann die Feststellung aber dem Landessynodalausschuß übertragen. Siehe beispielsweise Art. 102 II GO Baden; Art. 69 II Nr. 5 GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; Art. 76 I 1 Verf. Hannover; Art. 86 Nr. 13 Verf. Lippe; Art. 90 Nr. 10 KO Oldenburg; § 69 I Nr. 12 Verf. Reformierte Kirche; § 18 III Nr. 4 Verf. Sachsen. Art. 129 I Buchst. e KO Rheinland; Art. 119 V KO Westfalen. Zum Beispiel Art. 78 II Nr. 11 GO Baden (Evangelischer Oberkirchenrat); Art. 76 Buchst. f Verf. Braunschweig (Kirchenregierung); Art. 86 II Nr. 10 Verf. Nordkirche; Art. 96 II 2 Nr. 9, Art. 124 KO Oldenburg (Gemeinsamer Kirchenausschuß); § 98 II Nr. 13 Verf. Pfalz (Landeskirchenrat); § 36 VI Nr. 8 Verf. Sachsen (Kirchenleitung). Zum Beispiel § 51 Buchst. l Verf. Anhalt; Art. 69 II Nr. 6 GO Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz; Art. 86 Nr. 16 Verf. Lippe; Art. 55 II 2 Nr. 3 Verf. EKM; § 69 I Nr. 5 Verf. Reformierte Kirche.

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Der Verteilung der Vermögensverantwortung unter den kirchenleitenden Organen auf der landeskirchlichen Ebene entspricht ungefähr die auf der kirchlichen Mittelstufe (Kirchenkreise et cetera.). Das Budgetrecht der Synoden und Presbyterien erinnert an das Budgetrecht der staatlichen Parlamente. Es ist in historischer Perspektive sicherlich berechtigt, hier eine Parallele zu sehen. Auch verkörpert das Budgetrecht der Synoden wie das der Parlamente ein Legitimationsprinzip. Dabei trägt es für den demokratiebeflissenen Zeitgenossen oder den eiligen Journalisten sicherlich zur Überzeugung von der Seriosität und Legitimität des kirchlichen Finanzgebarens bei, wenn er das Budgetrecht der Synoden wie das der Parlamente als „demokratisch“ vorgestellt bekommt und wiedererkennt. Allerdings verhält es sich auch bei diesem Aspekt kirchlicher Vermögensverantwortung wie bei jeder Erscheinungsform der Kirchenleitung: Das Legitimationsprinzip evangelischer Kirchenleitung ist mit dem Bezug auf das Demokratieprinzip nicht richtig verstanden. Es geht stattdessen, wie bereits eingangs angedeutet, um eine gemeinschaftliche Verantwortung kirchlichen Handelns unter dem Auftrag und der Verheißung der Kirche. Sie findet in den Formen der synodalen und presbyterialen Willensbildung ihren funktionsgerechten Ausdruck. Daß die äußeren Formen dieser Willensbildung dem demokratisch-parlamentarischen Muster gleichen und gleichen dürfen, soll den unterschiedlichen Bezugspunkt der damit befolgten Legitimationsprinzipien nicht verdecken. 3. Handlungsformen der Vermögensverantwortung Die Handlungsformen kirchlicher Vermögensverantwortung nach evangelischem Kirchenrecht sind dem, was aus dem staatlichen Finanzrecht vertraut ist, noch näher.77 Das eben angedeutete Legitimationsprinzip der gemeinschaftlichen Verantwortung kirchlichen Handelns fordert, daß nicht nur die Haushaltspläne der Landeskirchen, sondern auch alle anderen wesentlichen Entscheidungen über den Umgang mit kirchlichem Vermögen einem Vorbehalt des synodalen Kirchengesetzes unterliegen. Damit wird das kirchliche Vermögenshandeln zugleich nach außen rational einsichtig, konsistent und verläßlich – soweit die Steuerung durch ein Gesetz dies eben leisten kann. Die Regelungen über die Verteilung kirchlicher Finanzen sehen regelmäßig Schlüssel- und Bedarfszuweisungen von der Landeskirche an die Kirchengemeinden und Kirchenkreise oder – bei anderer Verteilung der Ertragshoheit – in umgekehrter Richtung Umlagen vor.78 Die Evangelische Kirche in Deutschland

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Blaschke, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht (Anm. 1), S. 58: die Kirche sei „gut beraten“, von dem im öffentlichen Haushaltsrecht geborgenen Erfahrungswissen Gebrauch zu machen; siehe aber auch S. 83 zur „noch nicht abschließend beantwortbar[en]“ „Frage nach der Eigenart kirchlichen Finanz- und Haushaltsrechts“. Zur Systematisierung siehe Dietrich Bauer, Kirchlicher Finanzausgleich, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 1), S. 109–129 (114–116); ders., Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 10), S. 174 f. Als ein jüngeres Beispiel für die Finanzverteilung innerhalb einer Landeskirche siehe das Kirchengesetz über die Finanzierung der kirchlichen Arbeit in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Finanzgesetz EKM – FG) vom 19.3.2011 (ABl. EKM S. 109) mit Regelungen

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finanziert ihren Haushalt, wie erwähnt, gemäß Art. 33 I 2 GO EKD mangels nennenswerter eigener Einnahmen im wesentlichen durch Umlagen.79 Die Verpflichtung der Gliedkirchen zur Leistung der Umlage wird durch das Haushaltsgesetz verbindlich konkretisiert.80 Für die Verbindlichkeit und Durchsetzung der Umlageverpflichtung finden sich in der Literatur zudem noch Hinweise auf den „Grundsatz der Geschwisterlichkeit“ in Art. 5 GO EKD.81 Es ist gut, daß die Verläßlichkeit der EKD-Finanzen nicht von der Belastbarkeit dieses normativen Pfeilers abhängt. Sowohl innerhalb der Landeskirchen als auch zwischen den Landeskirchen werden Unterschiede in der Finanzkraft durch einen kirchlichen Finanzausgleich abgemildert.82 Zwischen den Landeskirchen kommt somit zu dem durch den Schlüs-

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über die Bildung einer jährlichen Plansumme aus den zentralen Einnahmen (§ 2) und ihre Aufteilung auf Kirchengemeinden, Kirchenkreise, die Landeskirche (§ 6) sowie die Partnerkirchen- und Entwicklungsarbeit (§ 7), über die dezentralen Einnahmen und ihre Verwendung und über die Finanzierung und Verwendung verschiedener Fonds wie Strukturfonds der Kirchengemeinden (§ 16), Baulastfonds (§ 17) und Grundvermögensfonds (§ 23). Herbert Claessen, Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Kommentar und Geschichte, hrsg. von Burkhard Guntau, Stuttgart 2007, S. 531 f., 533 f. Zur Entwicklung der Umlageverteilungsschlüssel siehe Bauer, Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 78), S. 119–121, 127; nachgeführt: ders., Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 10), S. 177–179, 182 f. Dort findet sich auch die kritische Ansicht, daß zwischen dem „Kostgängerprinzip“ der Umlage und der Kompetenzverteilung zwischen EKD und Gliedkirchen eine Diskrepanz klaffe; siehe Bauer, Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 78), S. 116–118; ders., Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 10), S. 176 f. Kirchenrechtliches Institut der EKD, Zur Umlageverpflichtung der Gliedkirchen gegenüber der EKD. Gutachten vom 7. Dezember 1987, in: Axel Frhr. von Campenhausen/ Joachim E. Christoph (Hrsg.), Göttinger Gutachten. Kirchenrechtliche Gutachten in den Jahren 1980–1990 erstattet vom Kirchenrechtlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland, Tübingen 1994, S. 109–114 (111); Claessen, Grundordnung (Anm. 79), S. 535 f. Claessen, ebd., S. 536; Nordmann, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht (Anm. 63), S. 159 f.; beiläufig auch das Kirchenrechtliche Institut der EKD, Zur Umlageverpflichtung der Gliedkirchen gegenüber der EKD (Anm. 80), S. 113. Siehe ; Frank Lohse, Zwischenkirchlicher Finanzausgleich in der EKD im Vergleich mit dem Länderfinanzausgleich, ZevKR 48 (2003), S. 58–69; Kirchenrechtliches Institut der EKD, Finanzausgleich zwischen den Gliedkirchen der EKD. Gutachten vom 13. Juli 2005, in: Göttinger Gutachten III. Kirchenrechtliche Gutachten in den Jahren 2000–2008 erstattet vom Kirchenrechtlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland, hrsg. von Axel Frhr. von Campenhausen/Hendrik Munsonius, Tübingen 2009, S. 122–127. Zu den Grundsätzen und zur Lage bis 1989 Bauer, Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 78), S. 121–129; fortgeschrieben bis 1997: ders., Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 10), S. 179–181, 184, 235–245. Vergleichend zuvor auch Blaschke, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht (Anm. 1), S. 65–75, mit einer finanz- und verwaltungswissenschaftlichen „Würdigung der Finanzausgleichsprobleme“, S. 75 – 82. Zur Vorgeschichte bis zur Neuordnung nach 1945, bezogen auf den Bereich der

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sel für die Umlage an die EKD bewirkten „vertikalen Finanzausgleich“83 ein „horizontaler Finanzausgleich“ hinzu. Dieser horizontale Finanzausgleich zwischen den Gliedkirchen der EKD hat einen vergleichsweise informellen Charakter. Nach Art. 6 I GO EKD fördert die EKD zwischen ihren Gliedkirchen „den Austausch ihrer Kräfte und Mittel“. Die Grundordnung bietet aber keine ausdrückliche Grundlage für einen Finanzausgleich über den Haushalt der EKD.84 Deshalb wird er unmittelbar zwischen den Gliedkirchen durchgeführt. Grundlage ist eine Vereinbarung, welche die Vertreter der Gliedkirchen in der Kirchenkonferenz einstimmig beschlossen haben.85 Nach den darin aufgestellten Maßstäben setzt die Kirchenkonferenz den Finanzausgleich haushaltsjährlich fest.86 Der Schlüssel für den Finanzausgleich wurde in der Vergangenheit von Zeit zu Zeit den Erfordernissen angepaßt.87 Um die Rechtsverbindlichkeit der daraus folgenden Pflichten

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früheren preußischen Landeskirche, Thümmel, Finanzausgleich (Anm. 14), S. 341–361. Als Beispiel für den Finanzausgleich innerhalb einer Landeskirche siehe Grethlein/ Böttcher/Hofmann/Hübner, Evangelisches Kirchenrecht in Bayern (Anm. 16), S. 576– 578. Claessen, Grundordnung (Anm. 79), S. 535. Nur anfangs war eine „Finanzausgleichs-Umlage“ als Teil der EKD-Umlage noch auf Art. 33 I GO EKD gestützt worden; § 2 I Buchst. c, II und § 5 der Verordnung über den Haushaltsplan und die Umlagen der EKD für das Rechnungsjahr 1970 vom 23.10.1969 (ABl. EKD S. 462 mit S. 476, 480). Daraufhin wurde bestritten, daß Art. 6 GO EKD eine ausreichende Grundlage für einen umlagefinanzierten Finanzausgleich biete; siehe – selbst a. A. – Nordmann, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht (Anm. 63), S. 160 f. Beginnend mit einem Beschluß der Kirchenkonferenz vom 15.10.1970, der auf die Einwände gegen die „Finanzausgleichs-Umlage“ (siehe eben Anm. 84) reagierte; Kirchenrechtliches Institut der EKD, Finanzausgleich zwischen den Gliedkirchen der EKD (Anm. 82), S. 123. Die Darstellung des Verfahrens folgt dem Kirchenrechtlichen Institut der EKD, Finanzausgleich zwischen den Gliedkirchen der EKD (Anm. 82), S. 122 f.; Claessen, Grundordnung (Anm. 79), S. 532. Der Beschluß der Kirchenkonferenz über den Finanzausgleich für 2012 datiert vom 31.8.2011. Zuletzt durch Beschluß der Kirchenkonferenz vom 2./3.9.2009. Die Umlage bestimmt sich in erster Linie nach der Finanzkraft der Landeskirchen. Hinzu tritt ein „aufgabenorientierter Strukturdifferenzfaktor“, der anhand der Zahl der Nichtchristen im Gebiet einer Landeskirche den besonderen Herausforderungen in einer entkirchlichten Umgebung Rechnung trägt. Um außerdem die Vereinigung von Landeskirchen von ungewollten nachteiligen Effekten auf den Finanzausgleich zu entlasten, wurde ein „Fusionsfaktor“ aufgenommen; das geschah schon in Voraussicht auf die Vereinigung dreier Landeskirchen zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland zu Pfingsten 2012. Damit sich die Finanzausgleichsbeträge nicht so sprunghaft verhalten wie die jährliche Finanzkraft, werden sie aus der Entwicklung des gleitenden Mittelwerts der Kirchensteuereinnahmen in einem Sechsjahreszeitraum abgeleitet. Die Anpassung an den neuen Schlüssel ist zudem auf fünf Jahre verteilt worden. Zur vorausgehenden Entwicklung des Finanzausgleichs Bauer, Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 78), S. 122–124; ders., Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 10), S. 235–238, 242–245; Nordmann, Kirchliches Finanz- und Haushaltsrecht (Anm. 63), S. 161 f.; zusammenfassend Klaus Blaschke, Die Kirchenfinanzierung in Deutschland, ZevKR 47 (2002), S. 395–416 (413 f.); Claessen, Grundordnung (Anm. 79), S. 532. Lohse, Zwischenkirchlicher Finanzausgleich (Anm. 82), S. 68, bewertet den Finanzausgleich innerhalb der EKD als zu wenig ambitioniert.

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zu begründen, wurde einmal aus gegebenem Anlaß wiederum zum „Gebot der Brüderlichkeit“ in Art. 5 GO EKD gegriffen.88 Eine besser tragfähige und mit dem Budgetrecht der Synoden vereinbare Grundlage wäre demgegenüber ein Vertrag, dem die gliedkirchlichen Synoden durch Kirchengesetz zuzustimmen hätten.89 Das zentrale Steuerungsinstrument auch für das kirchliche Vermögenshandeln sind die Haushaltspläne.90 An die Stelle der herkömmlichen Kameralistik tritt jüngst auch in der evangelischen Kirche zunehmend die „doppelte Buchführung in Körperschaften“, kurz: „kirchliche Doppik“.91 Der Haushalt der EKD wird erstmals 2013 nach der kirchlichen Doppik gestaltet. Ein kirchliches Spezifikum ist das Kollektenrecht. Es ermöglicht es, die Gaben der Gottesdienstbesucher durch Ausschreibung vorab einem bestimmten kirchlichen Zweck zu widmen. Das ist zum einen ein Mittel, um auf die betreffende kirchliche Aufgabe allgemein aufmerksam zu machen, zum anderen aber auch ein haushaltsrechtliches Steuerungsinstrument – finanziell bescheiden, symbolisch hochwertig. Das Kollektenrecht ist mehr oder weniger auf alle Ebenen des kirchlichen Verfassungsaufbaus verteilt.92 Die Finanzwirtschaft im Bereich der evangelischen Kirche wird durch vier kirchliche Genossenschaftsbanken unterstützt.93 Von erheblicher Bedeutung für die Verläßlichkeit des kirchlichen Vermögenshandelns sind die Instrumente zu seiner Kontrolle. Das System der kirchlichen Aufsicht dient ihr mit Genehmigungsvorbehalten,94 mit Visitation und

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Kirchenrechtliches Institut der EKD, Finanzausgleich zwischen den Gliedkirchen der EKD (Anm. 82), S. 123–127. Auch der innerlandeskirchliche Finanzausgleich bedarf einer kirchengesetzlichen Grundlage. Das Haushaltsgesetz allein kann den Vorbehalt des Kirchengesetzes nicht erfüllen; insoweit a. A. für Bayern Grethlein/Böttcher/Hofmann/Hübner, Evangelisches Kirchenrecht in Bayern (Anm. 16), S. 577. Zum Haushalt der EKD nach Art. 33 GO EKD Claessen, Grundordnung (Anm. 79), S. 531–538. Zur Wechselwirkung der budgetären Steuerung mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen Gerhard Rau, Ekklesiologie kirchlicher Haushaltspläne in Baden, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 1), S. 335–352, mit der Beobachtung: Es „lehrt ein Blick auf die begriffliche und systematische Gestaltung kirchlicher Haushaltspläne, wie sehr das Selbstverständnis der Kirche in den letzten 150 Jahren [...] abhängig war von den materiellen Gegebenheiten der Institution“ (S. 335). Für beide Systeme hat die Evangelische Kirche in Deutschland aufgrund Art. 9 Buchst. d GO EKD Richtlinien erlassen: Ordnung für das kirchliche Finanzwesen auf der Basis der erweiterten Kameralistik (mit Ausführungsbestimmungen) vom 5.9.2008 (ABl. EKD S. 289); Ordnung für das kirchliche Finanzwesen auf der Basis der kirchlichen Doppik (mit Ausführungsbestimmungen) vom 5.9.2008 (ABl. EKD S. 310), geändert am 3.12.2010 (ABl. EKD 2011 S. 11). Siehe etwa für das Kollektenrecht der EKD Art. 20 II GO EKD; dazu Claessen, Grundordnung (Anm. 79), S. 384 f. Siehe . Zu den Maßstäben Dittrich, Die kirchenaufsichtliche Genehmigung in Vermögensund Personalangelegenheiten (Anm. 38), S. 111–116; Knüllig, Kirchliche Genehmigungsvorbehalte und Veräußerungsverbote (Anm. 38), S. 122–124. Zur bürgerlichen Wirksamkeit siehe oben bei Anm. 38.

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Beratung, mit der Überprüfung und Beanstandung von Beschlüssen und Handlungen, mit der Möglichkeit, die Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche anzuordnen, mit der Zwangsetatisierung bis hin zur Auflösung ehrenamtlicher Gremien.95 Über die kirchliche Aufsicht findet inbesondere die Selbständigkeit der Kirchengemeinden in Vermögensangelegenheiten eine Erdung in der gemeinschaftlichen Vermögensverantwortung.96 Das evangelische Kirchenrecht sorgt außerdem für eine kirchliche Rechnungsprüfung, die der staatlichen Rechnungsprüfung im wesentlichen gleichgestaltet ist.97 Ebenfalls ein Instrument zur Kontrolle, nämlich zur öffentlichen Kontrolle98 des kirchlichen Finanzgebarens ist die vielgefragte Transparenz. Hierzu tragen die Öffentlichkeit der

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Zusammenfassend Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 928. Aus der älteren Literatur hierzu: Dalhoff, Kirchliche Vermögensaufsicht und Selbstverwaltung (Anm. 51), S. 365–377; Fritz Bürgy, Kirchliche Vermögensaufsicht und Selbstverwaltung in der Evangelischen Landeskirche Badens, ZevKR 6 (1957/ 58), S. 377–388. Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 920: „Zusammenwirken und Balance der gemeinsamen Verantwortung“. Claessen, Grundordnung (Anm. 79), S. 536–538; Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 928 f. Die Leitungen der kirchlichen Rechnungsprüfungseinrichtungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland haben sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen; siehe . Zum Oberrechnungsamt der EKD siehe das Kirchengesetz über das Oberrechnungsamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (Oberrechnungsamtgesetz – ORAG) vom 12.11.1993 (ABl. EKD S. 513). Zur Entlastung durch die Synode Claessen, Grundordnung (Anm. 79), S. 538; Kirchenrechtliches Institut der EKD, Zu den Rechtsfolgen der Versagung einer Entlastung oder der nur teilweisen Entlastung von Jahresrechnungen in der Ev. Kirche im Rheinland. Gutachten vom 27. Oktober 1989, in: von Campenhausen/Christoph (Hrsg.), Göttinger Gutachten (Anm. 80), S. 114–123. Zum Verhältnis zwischen der kirchlichen Rechnungsprüfung und der Prüfung durch staatliche Stellen: Axel Frhr. v. Campenhausen/Heinrich de Wall, Staatskirchenrecht. Eine systematische Darstellung des Religionsverfassungsrechts in Deutschland und Europa. Ein Studienbuch, 4. Aufl., München 2006, S. 308; Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 929 f.; Rainer Mainusch, Staatliche Rechnungsprüfung gegenüber kirchlichen Einrichtungen, NVwZ 1994, S. 736–741 (739 f.); Tobias Brenner, Staatliche Rechnungsprüfung gegenüber kirchlichen Einrichtungen, NVwZ 1995, S. 454 f.; Philipp Laurenz Rogge, Staatliche Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege, Berlin 2001, S. 136–139; Martin Schulte, Staat und Stiftung. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Stiftungsrechts und der Stiftungsaufsicht, Heidelberg 1989, S. 85–101; eximierend Walter Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen unter besonderer Berücksichtigung der karitativen Tätigkeit, Berlin 1991, S. 87–89. Hinzu mag auch eine Entsprechung zum „inszenatorischen Charakter der Kirche“ kommen; so Hermelink, Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens (Anm. 1), S. 213–216, 217.

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synodalen Haushaltsdebatten, der Haushaltspläne99 und der Jahresrechnungen wesentliches bei. Ein Hemmnis ist die Tatsache, daß Daten aus den über 15.000 kirchlichen Haushalten bislang nur mühsam statistisch ausgewertet werden können.100 Aufschlußreich kann der Vergleich mit den Transparenzvorschriften des staatlichen Handelsrechts sein, die sich in den letzten Jahren weiterentwickelt haben. Es scheint einiges dafür zu sprechen, diese neuen Transparenzstandards im kirchlichen Haushaltsrecht nachzuvollziehen.101 Bei allen Verbesserungsmöglichkeiten im einzelnen wird man aber dem evangelischen Kirchenrecht insgesamt die Leistungsfähigkeit seines Instrumentariums für ein rechtsförmliches, verläßliches und transparentes Vermögenshandeln nicht absprechen können.

VI. Materiell-rechtliche Kriterien der Vermögensverantwortung Inhaltliche Vorgaben für den Umgang mit kirchlichen Vermögen, die man materiell-rechtliche Kriterien der Vermögensverantwortung nennen kann, sind in den evangelischen Kirchenverfassungen naturgemäß dünn gesät und auf abstrakte Programmsätze beschränkt. 1. Zweckbindung für den Auftrag der Kirche Ersten Ranges ist die Bindung des kirchlichen Vermögens für den Auftrag der Kirche.102 Sie erstreckt sich allgemein auf die Vermögensverwendung, während

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Für den Haushaltsplan der Kirchengemeinden zum Beispiel: § 23 I 2 der Ordnung für das kirchliche Finanzwesen auf der Basis der kirchlichen Doppik (siehe Anm. 91). Allgemein zur Übertragung der haushaltsrechtlichen Grundsätze der Vollständigkeit, Einheit, Klarheit, Genauigkeit, Vorherigkeit, Spezialität und Öffentlichkeit auf die Haushaltspläne in der evangelischen Kirche Dietrich Bauer, Finanzwissenschaftliche Rechtfertigungen der Kirchenfinanzen, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 1), S. 355–412 (373–381). Die Fortschritte im Vergleich zu früheren Graden der Unübersichtlichkeit betont freilich Bauer, Finanzwissenschaftliche Rechtfertigungen der Kirchenfinanzen (Anm. 99), S. 359 f. Friedrich Vogelbusch, Transparenz in Welt und Kirche, in: KVI im DIALOG (siehe ), 2012/1, S. 12–20. Ausdrückliche Bindung für den Auftrag der Kirche: Art. 64 KO Hessen und Nassau; Art. 120, 121 S. 1 KO Oldenburg; Art. 60 I 1 Verf. Schaumburg-Lippe; Art. 159 I KO Westfalen. Ergänzt um einen Bezug auf Wortverkündigung und Diakonie und besonders ausgesprochen für die Annahme zweckgebundener Zuwendungen: Art. 101 I, II GO Baden. Vermittelt über eine Bindung für die kirchlichen „Aufgaben“: Art. 81 I 1 Verf. Bayern; Art. 85 I 1 Verf. EKM; Art. 122 I Verf. Nordkirche; Art. 109 S. 1 Verf. Braunschweig; Art. 16 II Verf. Hannover. Bindung für „kirchliche Zwecke“: Art. 13 IV 3 GO Kurhessen-Waldeck; Art. 13 III Verf. Lippe; Art. 22 I 4 Verf. EKM; Art. 3 III 2 KO Rheinland. Um einen methodischen Ansatz zur Auslegung solcher Vorschriften geht es Tappen, Kirchliche Vermögensverwaltung (Anm. 2), S. 26–44. Zur Bewehrung der kirchlichen Vermögensverantwortung gegenüber Pflichtverletzungen der Amtswalter durch das kirchliche Disziplinarrecht

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der Grundsatz der Unveräußerlichkeit kirchlichen Vermögens speziell die Funktion bestimmter Gegenstände schützt.103 Die Unterscheidung zwischen einer Verwendung, die dem Auftrag der Kirche dienlich ist, und einer Verwendung, die ihm nicht dienlich ist, bedarf der Konkretisierung. Einen gewissen Anhaltspunkt geben die Kirchenverfassungen, soweit sie den Auftrag der Kirche in Aufgabenkatalogen auffächern.104 Solche Aufgabenkataloge sind freilich nicht abschließend und außerdem ihrerseits abstrakt. Für bestimmte typische Abgrenzungsfragen gibt es besondere Regelungen, etwa für die Überlassung kirchlicher Räume an Dritte.105 Alle diese Grenzen können aber nur als äußere Grenzen eines Spielraums Wirkung entfalten, in dem das Urteil über die Dienlichkeit einer Vermögensverwendung für den Auftrag der Kirche nicht rechtlich determiniert ist, sondern dem einzelnen Entscheidungsor-

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siehe Wolfgang Strietzel, Das Disziplinarrecht der deutschen evangelischen Landeskirchen und ihrer Zusammenschlüsse unter besonderer Berücksichtigung der kirchengerichtlichen Rechtsprechung, Tübingen 1988, S. 119 f., 205; zu ihrem Schutz durch das staatliche Strafrecht siehe Henning Radtke, Strafrechtliche Aspekte der Haftung von Kirchenvorständen, ZevKR 44 (1999), S. 71–89 (81–85, 86–89); Überblick über die zivil-, straf- und disziplinarrechtlichen Instrumente: Kirchenrechtliches Institut der EKD, Zu den Rechtsfolgen der Versagung einer Entlastung (Anm. 97), S. 119–121. Zu Geschichte, Rechtsgrundlagen, Begriff, Maßstäben und Wirkungen siehe Burghard Winkel, Zum Grundsatz der Unveräußerlichkeit kirchlichen Vermögens, ZevKR 46 (2001), S. 418–439 m. w. N.; zusammenfassend Meyer, Vermögensverwaltung und Stiftungsrecht (Anm. 1), S. 925; unter besonderem Aspekt auch Tappen, Kirchliche Vermögensverwaltung (Anm. 2), S. 55–58. Zur Möglichkeit, den Grundsatz der Unveräußerlichkeit von Grundvermögen bei staatlichem Zugriff durch eine Ersatzlandbeschaffung zu schonen, einerseits Sperling, Die Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens (Anm. 50), S. 188–190, andererseits beispielsweise Art. 7 II Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen-Anhalt vom 15.9.1993 (GVBl. Sachsen-Anhalt 1994 S. 173) mit Schlußprotokoll hierzu: Bei Enteignungen werden Land und Kommunen „auf kirchliche Belange Rücksicht nehmen und gegebenenfalls den Kirchen bei der Beschaffung gleichwertiger Ersatzgrundstücke Hilfe leisten“. Deutlich strikter als der Grundsatz der Unveräußerlichkeit ist das Gebot, besondere Zweckbindungen zu wahren; siehe etwa § 25 III Verf. Reformierte Kirche; Art. 85 II Verf. EKM; ähnlich Art. 81 II Verf. Bayern (Vermögenserträge kirchlicher Anstalten und Stiftungen); Art. 100 III GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Kollekten, Spenden und Zuwendungen). Beispielhaft Art. 2 Verf. EKM: Gottesdienst, Bekenntnis, Lehre, Verkündigung, Mission, Seelsorge, Diakonie, Bildung; Ökumene; christlich-jüdisches Gespräch; Erinnerung an die Mitschuld der Kirche an der Ausgrenzung und Vernichtung jüdischen Lebens, Eintreten für die Versöhnung mit dem jüdischen Volk und gegen Antisemitismus und Antijudaismus; Dialog mit anderen Religionen; Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, für Menschenwürde, Menschenrechte und Gleichberechtigung; Stärkung der Kirchenglieder für ein christliches Leben. Dietrich Dehnen, Nichtgottesdienstliche Nutzung kirchlicher Räume, ZevKR 40 (1995), S. 1–21. Siehe als einen fallgruppenbezogenen Ansatz für die Näherbestimmung auch Art. 121 S. 2 KO Oldenburg: „Insbesondere soll kirchlicher Grundbesitz nur an würdige Glieder der Kirche verpachtet werden.“

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gan106 überlassen bleiben muß. Nehmen wir zum Beispiel den Fall, daß ein Presbyterium auf die Idee käme, einem „Hartz-IV-Empfänger“ mit einem verlorenen Zuschuß aus dem allgemeinen Haushalt der Kirchengemeinde den Lebensunterhalt etwas aufzubessern oder – um das Beispiel etwas tiefer in die alltäglichen Entscheidungssituationen der kirchengemeindlichen Praxis einzubetten – den Mietzins für die von der Kirchengemeinde vermietete Wohnung unter die Wirtschaftlichkeitsgrenze zu senken. Hier gäbe es (unabhängig von allen anderen Fragen) gute Gründe für Zweifel daran, daß die zumal selektive Korrektur von Sozialleistungssätzen in einem ausgebauten Wohlfahrtsstaat die Aufgabe einer Kirchengemeinde ist. Ein Kirchengesetz könnte das abzugrenzen versuchen. Ohne eine solche gesetzliche Vorgabe verbietet das Kirchenrecht aber nicht, daß das Presbyterium diesen mildtätigen Zweck der Kirchengemeinde zur Aufgabe macht. Rechtlich drückt sich das in einem Beurteilungsspielraum107 oder Ermessensspielraum aus. Entsprechend kann die Frage beantwortet werden, inwiefern der Programmsatz der „Solidarität“ oder der „verantwortlichen Haushalterschaft“ das kirchliche Vermögenshandeln bindet: 2. „Solidarität“ und „Verantwortliche Haushalterschaft“ als Funktionen der Auftragsbindung108 Die „Solidarität“ konkretisiert sich in Befugnissen der kirchenleitenden Organe, das Vermögen von Kirchengemeinden für die Aufgaben an anderer Stelle in Anspruch zu nehmen. Der Maßstab hierfür ist ihr Urteil darüber, wie und wo das betroffene kirchliche Vermögen dem kirchlichen Auftrag am besten dient. Die „verantwortliche Haushalterschaft“109 wird der kirchlichen Vermögensverantwortung in neueren Kirchenverfassungen als Leitbild mitgegeben und

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Gegebenenfalls eingeschlossen die für die kirchliche Aufsicht zuständigen Organe, soweit sich nach Maßgabe ihrer kirchengesetzlichen Befugnisse ihr Zugriff auf die Ausübung der Sachkompetenz über die Rechtmäßigkeit hinaus auch auf die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung erstreckt. Siehe dazu die differenzierenden Überlegungen bei Dittrich, Die kirchenaufsichtliche Genehmigung in Vermögens- und Personalangelegenheiten (Anm. 38), S. 112–115; Munsonius, Kriterien kirchenaufsichtlicher Genehmigungen (Anm. 60), S. 666–672. Ein Beispiel für eine verfassungsrechtliche Abgrenzung der Entscheidungsspielräume im Maßstab der kirchlichen Aufsicht bietet § 60 II Verf. Reformierte Kirche: Danach darf die kirchenaufsichtliche Genehmigung einer Maßnahme nur versagt werden, wenn die Maßnahme rechtswidrig (Nr. 1) oder finanziell nicht gedeckt ist (Nr. 2) oder „die Erfüllung des kirchlichen Auftrages [...] in nicht vertretbarer Weise belastet“ (Nr. 3). So Tappen, Kirchliche Vermögensverwaltung (Anm. 2), S. 19–21, 137–152. Im Vergleich zur Gliederung des Vortrags, die sich im Thesenblatt widerspiegelt (siehe S. 94 ff.), wurden hier zwei Überschriften zusammengefaßt. Eine knappe biblische Anbindung unternimmt Bauer, Finanzwissenschaftliche Rechtfertigungen der Kirchenfinanzen (Anm. 99), S. 358 f., 410; siehe dazu aus praktisch-theologischer Sicht Hermelink, Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens (Anm. 1), S. 216–218; aus kirchenleitender Sicht Hans Ulrich Anke, Die Struktur kirchlicher Finanzen – Vom Haushalten über Gottes mancherlei Gaben, in: epd-Dokumentation Nr. 45/2011, S. 26–31; erweiterte Fassung in: Karlies Abmeier/Michael Borchard/Matthias Riemenschneider (Hrsg.), Religion im öffentlichen Raum, Paderborn 2012 (i. E.).

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mit einem „solidarischen, sparsamen und wirtschaftlichen Einsatz aller Mittel“ und mit der „Ausschöpfung der Einnahmemöglichkeiten“ expliziert: Kirchliche Vermögensverantwortung soll das kirchliche Vermögen „erhalten“ und „mehren“.110 Erhaltung und Mehrung des kirchlichen Vermögens sind keine Selbstzwecke, sondern Mittel zum Zweck des kirchlichen Auftrags. Das Kirchenrecht kann nur die Formen bereitstellen, in denen die Kirche ihre Entscheidungen zum bestmöglichen Nutzen für den Auftrag trifft und die unvermeidlichen Zielkonflikte löst. Das ist etwa die Funktion von Gesetzen über die Grundstücksverwaltung.111 Zwischen dem Kirchenrecht und dem Einzelfallermessen können Ermessensleitlinien dabei helfen, die Vermögensverantwortung an allgemeinen Präferenzkriterien zu orientieren.112 Ein typischer Zielkonflikt, in dem die kirchliche Vermögensverantwortung ihre Entscheidungen fällen muß, ist der zwischen dem Nutzen für die Gegenwart und der Vorsorge für die Zukunft. Die öffentliche Hand fühlt sich, freundlich gesprochen, traditionell dem Ziel verpflichtet, alle staatlichen Mittel jederzeit für den demokratisch verfügbaren Zweck flüssig zu halten: Was eingenommen wird, muß möglichst im selben Haushaltsjahr auch ausgegeben werden, eine Thesaurierung – etwa im Stammvermögen einer Stiftung – unterliegt dem Verdacht, das Geld der Bürger dem gleichsam souveränen Zugriff der Volksvertretung zu entziehen. Im kirchlichen Finanzgebaren hat die Vorsorge anscheinend einen höheren Stellenwert;113 dafür spricht die im Vergleich mit den Staatshaus-

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Art. 99 I, III GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; Art. 125 III, IV Verf. Nordkirche; ähnlich Art. 85 I 2 Verf. EKM. Mit anderem Akzent, aber im wesentlichen gleichsinnig heißt es, das kirchliche Vermögen sei „gewissenhaft, pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten“; so Art. 81 I 2 Verf. Bayern; ähnlich § 13 II Nr. 6 Verf. Pfalz („gewissenhaft zu verwalten“); Art. 13 IV 1 GO Kurhessen-Waldeck (die Kirchengemeinde hat das Vermögen „gewissenhaft zu verwalten und bestehende Vermögensrechte zu wahren“); Art. 109 S. 2 Verf. Braunschweig (das Vermögen „soll nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwaltet und möglichst in seinem Bestand erhalten werden“); Art. 60 I 2 Verf. Schaumburg-Lippe („Wirtschaftliche Grundsätze sind zu beachten.“). Siehe dazu die Richtlinien der Evangelischen Kirche in Deutschland über die Verwaltung des kirchlichen Grundbesitzes vom 11.10.1985 (ABl. EKD 1984 S. 430) sowie beispielsweise das Kirchengesetz über Grundstücke in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Grundstücksgesetz – GrdstG) vom 20.11.2010 (ABl. EKM S. 316). Ein Beispiel hierfür sind die vom Rat der EKD am 2.–3.7.2004 beschlossenen „Sechs Grundsätze einer mittelfristigen Finanzpolitik des Rates“, die unter anderem eine grundsätzliche Aufgabenkritik ankündigen: „Bei jeder finanziellen Unterstützung durch die EKD muss die Frage überzeugend beantwortet werden können, ob es für die Zukunft des Protestantismus in Deutschland von herausragender Bedeutung sei, diese Aufgabe fortzusetzen.“ „Zukünftig haben alle diejenigen Bereiche finanzielle Priorität, die [...] die EKD als Dienstleister und Beförderer der missionarisch einladenden Gliedkirchen ausweisen.“ Um künftiger Handlungsspielräume willen sei „es erforderlich, mehr als das aktuell Unausweichliche zu kürzen“. Zum „konservative[n] Grundzug kirchlicher Vermögensverwaltung“ treffend de Wall, in: ders./Muckel, Kirchenrecht (Anm. 1), § 35, Rn. 3. Ausdrückliche Verpflichtung auf die Vorsorge: „Bei Finanz- und Vermögensentscheidungen ist auch die zukünftige finanzielle Handlungsfähigkeit der Kirche durch eine angemessene Vorsorge im Haushaltsplan abzusichern.“ (Art. 99 II GO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz; ähnlich Art. 125 V Verf. Nordkirche).

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halten nicht laut genug zu lobende Schuldenfreiheit der kirchlichen Haushalte114, ganz zu schweigen von den Rücklagen. Andererseits hat der Vorsorgegedanke nicht verhindert, daß in früheren Jahren der kirchliche Personalbestand kräftig ausgebaut worden ist,115 was der Zukunft entsprechende Pensionsverpflichtungen auferlegt. Aber es ist nicht abstrakt zu entscheiden, was für die Zukunft der Kirche besser ist: ein Pfarrergehalt für später zu sparen oder jetzt einen Pfarrer mehr davon zu bezahlen. Daß die steigenden Pfarrerzahlen mit sinkenden Kirchgängerzahlen korrelierten, sagt man ja nur aus Galgenhumor. Die kirchenrechtliche Bindung der Vermögensverantwortung an den Auftrag der Kirche präjudiziert schließlich nicht, ob ihr eher „Reichtum“ oder eher „Armut“ besser zu Gesicht steht. Weil „Reichtum“ gerne mit egoistischen Zwekken identifiziert wird, hat „Armut“ die bessere Presse.116 Aber der Bezug auf

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Zumal angesichts der Tatsache, daß auch die Kirchen in der Vergangenheit immer wieder außergewöhnliche finanzielle Belastungen zu verkraften hatten. So ließen etwa in der frühen Nachkriegszeit „wegen der Zerstörungen des Krieges und der Bevölkerungsbewegung außergewöhnliche und kostspielige Bauaufgaben“ durchaus noch erwarten, daß die kirchlichen Finanzen „durch Schulden noch lange nachhaltig belastet sein“ würden; siehe Weeber, Finanzwesen (Anm. 1), Sp. 952; dort auch der Hinweis auf die Lasten aus der Ostpfarrerversorgung und aus den Finanzhilfen für die der Kirchensteuereinnahmen weitgehend entkleideten EKD-Gliedkirchen im Bereich der DDR; hierzu und zum Ost-West-Finanzausgleich nach 1990 näher Bauer, Kirchlicher Finanzausgleich (Anm. 10), S. 233–238. Gerhard Rau, Demokratisierung und Bürokratisierung. Zwei Programmbegriffe der Kirchenreform nach 1960, in: Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche (Anm. 1), Band II: Zur Geschichte des Kirchenrechts, Gütersloh 1995, S. 377–407 (399–405), bewertet die Expansion der Kirchen mit Blick auf den „ungeheuren Ausbau ihrer Organisation“ (400) nach 1960 ambivalent: Einerseits konnten die Kirchen dank der „unverhältnismäßig großen Kirchensteuereingänge“ (400) ab 1960 „ihren strukturellen Nachholbedarf im Blick auf die Organisation einer Bürgertums-Kirche befriedigen“ (403). Andererseits sei „der Großteil dieser Modernisierung der Kirchen finanziell gesehen auf einem recht schwachen Fundament aufgebaut worden“ (401): „Die kirchliche Finanzordnung in Form von Haushaltsplänen ließ eine langfristige Thesaurierung dieser Gelder [...] nicht zu, was vernünftig gewesen wäre.“ (400). So wenn ein Widerspruch zwischen der Finanzkraft der Kirche und ihrer „Solidarität mit den Armen“ postuliert wird; über dieses Motiv berichtet etwa Christine Lienemann-Perrin, Legitimation des kirchlichen Finanzsystems durch Begriff und Tradition der Volkskirche im Lichte publizistischer Meinungsbildung, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 1), S. 413–462 (449, 455–459). Zu den theologischen Traditionen der Kritik an einer reichen Kirche siehe Wolfgang Lienemann, Die Bedeutung des spätmittelalterlichen Armutsstreites für theologische Kriterien der kirchlichen Ökonomie, ebd., S. 574–601. Als eine ihrer prominentesten Zuspitzungen jüngeren Datums kann die (unter zugespitzten Umständen ausgesprochene) Sentenz Bonhoeffers gelten: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. Um einen Anfang zu machen, muß sie alles Eigentum den Notleidenden schenken.“ Dietrich Bonhoeffer, Entwurf für eine Arbeit [3.8.1944], in: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hrsg. von Christian Gremmels/Eberhard Bethge/Renate Bethge, Gütersloh 1998 (Dietrich Bonhoeffer, Werke, Band 8), S. 556–561 (560).

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den Auftrag der Kirche erweist die Erhaltung und Mehrung des kirchlichen Vermögens als altruistisch. Eine reiche Kirche mag der Mißgunst konkurrierender Egoismen ein Dorn im Auge sein, oder (was nur eine Variante davon ist) einem für den Staat postulierten Totalitätsanspruch. Für die Kirche kommt es allein darauf an, ihr Vermögen für ihren Auftrag fruchtbar zu machen. Die Mehrung des kirchlichen Vermögens verfehlt den Auftrag, wenn sie anderen Zwecken dienstbar gemacht wird oder zum Selbstzweck wird – wenn man so will: eine Form auftragswidriger „Verweltlichung“ der Kirche.117 Auch kann sich die gedankenlose Demonstration ihres Reichtums vor ihre Botschaft stellen. Aber ebenso verfehlte die Kirche ihren Auftrag, wenn sie sich ihre Armut zum Selbstzweck machte. Kirchliche Vermögensverantwortung sucht kein absolutes Maß des für die Kirche „angemessenen“ Vermögens, sondern sie wuchert mit den Mitteln, die ihr jeweils gegeben sind, um für ihren Auftrag in der Welt jeweils das beste daraus zu machen. 3. „Ethik und Nachhaltigkeit“ als Funktion der Auftragsbindung Speziell für die kirchliche Geldanlage ist zu den herkömmlichen Zielen der Sicherheit, der Rendite und der Liquidität in jüngerer Zeit das Ziel der „ethisch nachhaltigen“ Geldanlage hinzugekommen.118 Die EKD hat jüngst einen Leitfaden hierzu herausgebracht,119 und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland ist diesem Leitfaden bereits in einer Anlagerichtlinie gefolgt.120 Die Kriterien für „ethisch nachhaltige“ Geldanlagen werden konsequent mit dem Auftrag der Kirche begründet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es erhebliche Auffassungsunterschiede über die verschiedenen Kriterien gibt. Das Kirchenrecht bietet keinen Maßstab dafür an, sondern nur die Formen, in denen durch solche Auffassungsunterschiede hindurch eine gemeinschaftlich verantwortete Entscheidung über diesen Aspekt des Umgangs mit kirchlichem Vermögen getroffen wird.

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Vielleicht ist das das Anliegen der von manchem Freund und manchem Feind als spektakuläre Infragestellung der Kirchenfinanzierung in Deutschland gehörten Bemerkungen Benedikts XVI. in seiner „Ansprache bei der Begegnung mit engagierten Katholiken“ in Freiburg im Breisgau am 25.9.2011, abrufbar unter : „Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben. Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößt und wieder ganz ihre weltliche Armut annimmt.“ Dazu umfassend Tappen, Kirchliche Vermögensverwaltung (Anm. 2), S. 123–127, 159–261. Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche, hrsg. vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD-Texte Nr. 113, Hannover 2011, abrufbar unter . Richtlinie über die Anlage des Geld- und Wertpapiervermögens der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Anlagerichtlinie – AnlR) vom 11.10.2011, (ABl. EKM S. 317), auch separat abrufbar unter .

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VII. Vermögensverantwortung und Kirchenleitung in evangelischem Verständnis Die formell- und materiell-rechtlichen Kriterien kirchlicher Vermögensverantwortung lassen die Funktion des Kirchenrechts für die Legitimation kirchlichen Handelns am Beispiel des Umgangs mit kirchlichem Vermögen hervortreten. Das Kirchenrecht, seine bestmögliche Gestaltung und seine Befolgung sind nicht in der Lage, die Dienlichkeit des kirchlichen Vermögens für den Auftrag der Kirche positiv zu gewährleisten. Diese ist letztlich eine Frage der Erkenntnis dessen, was Gott durch seine Kirche an der Welt geschehen lassen will.121 Das Kirchenrecht leistet nicht mehr und nicht weniger als die Form, in der das kirchliche Vermögenshandeln auf die begründete Hoffnung hin gemeinschaftlich verantwortet wird, daß Gott seine Kirche in seinem Geist zu solchem Handeln hin leitet. Es mag sein, daß kirchenrechtswidriges Handeln dem Auftrag der Kirche nicht schlechter dient. Zum Beispiel: Ein Kirchengesetz verpflichtet die Kirchengemeinden zur Erhebung einer Ortskirchensteuer; aber aus der Sorge, daß eine verbindliche Inanspruchnahme die Kirchenmitglieder verschreckt, sprechen Kirchengemeinden und Aufsichtsbehörden bis hin zum Landeskirchenamt landauf, landab von einer „freiwilligen Spende“. Ein zweites Beispiel: Treusorgende kirchliche Haushälter bunkern einen Überschuß in einer Schwarzen Kasse. So können sie hin und wieder ohne lästige haushaltsrechtliche Ketten einem schönen kirchlichen Zweck unter die Arme greifen, und dank solider Anlage und sparsamer Verwendung haben die guten Erträge nach viereinhalb Jahrzehnten aus 1,5 Millionen Mark rund 50 Millionen Euro gemacht: den Herforder Kirchenschatz.122 Die plötzlich und unerwartet vorhandenen 50 Millionen Euro werden dem kirchlichen Auftrag im Kirchenkreis Herford vermutlich nicht schaden. In beiden Beispielen gibt es keinen sicheren Maßstab dafür, ob das illegale Handeln dem kirchlichen Auftrag nicht besser gedient hat als das legale Handeln. Sicher ist aber, daß es sich der gemeinschaftlichen Verantwortung entzogen hat. Das ist auch dann, wenn statt Eigennutz der Eifer für die Sache der Kirche es antreibt, nicht bloß eine läßliche Abweichung von sterilem Ordnungssinn, sondern eine Verletzung des Gleichrangs aller Getauften in der von der Leitung durch Gottes Geist zu erhoffenden Erkenntnis, wie das Vermögen der Kirche ihrem Auftrag am besten diene, insofern eine Selbstüberhebung: charismatische Hybris. Dies zu markieren, ist die Leistung des Kirchenrechts.

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Im Sinne des bei Hans Dombois, Die apostolische Sukzession als rechtsgeschichtliches Problem (1956), in: ders., Ordnung und Unordnung der Kirche. Kirchenrechtliche Abhandlungen und Vorträge, Kassel 1957, S. 45–75 (52), so formulierten „Formalprinzip alles Kirchenrechts“: „daß das geschehe, was Gott durch den Auftrag der Kirche am Menschen geschehen lassen will“. Siehe dazu nur die Notiz „Kirchen-Geheimfonds in Herford: Prüfbericht schließt persönliche Bereicherung aus“, in: epd-Wochenspiegel 2011, Nr. 12 (21.3.2011), S. 22 (Ausgabe Ost), und zuletzt die Notiz „Verfahren wegen Geheimfonds eingestellt. Staatsanwaltschaft beendet Ermittlungen im Kirchenkreis Herford“, in: epdWochenspiegel 2011, Nr. 39 (26.9.2011), S. 26 f. (Ausgabe Ost).

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Die rechtliche Legitimation der kirchlichen Vermögensverantwortung verweist auf die jedem Getauften in der Taufe verheißene Teilhabe an der geistlichen Wirklichkeit der Kirche. Im Modus der Verheißung (und nur im Modus der Verheißung) kann man davon sprechen, daß die kirchenrechtlich geordnete Vermögensverantwortung dem Umgang mit Vermögen eine geistliche Legitimation, nämlich die Dienlichkeit für den Auftrag der Kirche vermittelt.123 Für die kirchenrechtlich geordnete Vermögensverantwortung gilt insoweit das, was für jedes Entscheiden über kirchliches Handeln, also für die äußere Kirchenleitung gilt: Sie steht in der „unaufgebbaren Einheit“ geistlicher und rechtlicher Kirchenleitung, wie sie in einigen evangelischen Kirchenverfassungen formuliert ist.124 Von hier her könnte auf die „Frage nach der Eigenart kirchlichen Finanz- und Haushaltsrechts“125 – eine Frage, die in der evangelischen Kirchenrechtswissenschaft meist in rhetorischer Absicht gestellt wird, um das Postulat der „Eigengeartetheit“ kirchlichen Rechts ad absurdum zu führen – eine Antwort versucht werden. Das waren Bemerkungen aus dem kirchenrechtlichen Interesse an der Vermögensverantwortung. Im Hinblick auf das staatskirchenrechtliche und staatskirchenrechtspolitische Interesse an der kirchenrechtlich geordneten Vermögensverantwortung läßt sich abschließend sagen: Nebenher vermittelt sie nach außen die Konsistenz, Transparenz und Verläßlichkeit des kirchlichen Umgangs mit kirchlichem Vermögen. So hält das evangelische Kirchenrecht auf die darauf gerichteten Fragen einige Antworten bereit, mit denen es „berechtigt ist, den Kirchen insgesamt ein seriöses Finanzgebaren zuzugestehen“.

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Siehe allgemein Michael Germann, Wem dient das kirchliche Recht? Überlegungen zur Funktion des Kirchenrechts für das Handeln in der evangelischen Kirche, Praktische Theologie 43 (2008), S. 215–229. Art. 7 S. 1 GO Baden; Art. 5 S. 1 KO Hessen und Nassau; Art. 89 II GO KurhessenWaldeck; Art. 5 I 2 Verf. EKM. Hierzu passen die Bemerkungen über das Verhältnis zwischen ecclesia particularis und ecclesia spiritualis in der Organisation des kirchlichen Vermögenshandelns bei Grundmann, Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht (Anm. 7), S. 320 f.; ähnlich der Brückenschlag zum Problem des Verhältnisses von sichtbarer und unsichtbarer Kirche bei Wolfgang Lienemann, Einführung, in: ders. (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche (Anm. 1), S. 14–29 (19). Siehe oben Anm. 77 sowie eingangs Anm. 2 am Ende.

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Leitsätze zum Vortrag von Prof. Dr. iur. Michael Germann, HalleWittenberg: „Die kirchliche Vermögensverantwortung nach evangelischem Kirchenrecht“ I. Das Interesse an kirchlicher Vermögensverantwortung (1) Der Bezugspunkt kirchlicher Vermögensverantwortung ist der Auftrag der Kirche als der Maßstab, an dem das kirchliche Handeln in der Gemeinschaft der Getauften zu verantworten ist. (2) In Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 III WRV überläßt das staatliche Verfassungsrecht die kirchliche Vermögensverantwortung der kirchlichen Selbstbestimmung innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Eine über die für jeden Teilnehmer am bürgerlichen Rechtsverkehr geltenden Regeln hinausgehende Seriosität oder Transparenz ihres Finanzgebarens schuldet die Kirche dem Staat staatskirchenrechtlich nicht – so erstrebenswert sie im Interesse der politischen Akzeptanz des kirchlichen Umgangs mit Geld durchaus ist. (3) Das staatskirchenrechtliche Interesse an der kirchenrechtlich geordneten Vermögensverantwortung folgt daraus, daß sie für die bürgerliche Wirksamkeit des kirchlichen Handelns im Sinne des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts maßgeblich ist.

II. Kirchenvermögen in der evangelischen Kirche in Deutschland (siehe Anhang) III. Rechtsdogmatische Elemente kirchlicher Vermögensverantwortung 1. Vermögenssubjekte im evangelischen Kirchenrecht (4) Träger kirchlichen Vermögens können nur juristische Personen des Kirchenrechts sein. Ihre bürgerliche Rechtsfähigkeit ist nur die Form, in der die kirchliche Rechtsfähigkeit bürgerlich wirksam wird. 2. Vermögen als Gegenstand von Kirchenrechtsverhältnissen (5) Die kirchenrechtliche Zuordnung von Vermögensgegenständen zu kirchlichen Rechtspersonen ist ausschließlich eine Funktion der Zuständigkeit für kirchliches Handeln. Eigentum und andere Vermögensrechte des bürgerlichen Rechts sowie die durch die Widmung kirchlicher Sachen vorbehaltenen Rechte sind nur die Formen, in denen jene kirchenrechtliche Zuständigkeit bürgerlich wirksam wird. 3. Die bürgerliche Wirksamkeit des kirchlichen Vermögensrechts (6) Die bürgerliche Wirksamkeit kirchlicher Vermögensverfügungen, welche von den nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 V WRV eröffneten Formen des öffentlichen Rechts Gebrauch machen, ist von den Formen des bürgerlichen Rechts unabhängig.

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Leitsätze

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IV. Formell-rechtliche Kriterien der Vermögensverantwortung 1. Verbandszuständigkeiten: zentrale und dezentrale Verantwortung (7) Im Gefüge der kirchlichen Organisationsebenen folgt die Vermögensverantwortung der kirchenleitenden Verantwortung. Sie unterliegt keinem Prinzip vertikaler Gewaltenteilung. Ein Vorrang der ortsgemeindlichen Verantwortung sowie ihr Schutz durch ein Selbstverwaltungsrecht haben keine prinzipielle Geltung, sondern lassen sich nur als Ausdruck des Subsidiaritätsgedankens nach Maßgabe der Kirchenverfassung und des Kirchengesetzes formulieren. 2. Organzuständigkeiten: synodal-presbyteriale und konsistoriale Verantwortung (8) Im Gefüge der kirchen- und gemeindeleitenden Organe bedingt die gemeinschaftliche Verantwortung kirchlichen Handelns eine synodal-presbyteriale Legitimation des kirchlichen Vermögenshandelns. 3. Handlungsformen der Vermögensverantwortung (9) Das Kirchenrecht faßt die Ausübung von Vermögensverantwortung in ein differenziertes, rechtsförmliches, verläßliches und transparentes Instrumentarium: – zur Verteilung kirchlichen Vermögens durch Zuweisungen, Umlagen und Finanzausgleich, – zur Verwendung kirchlichen Vermögens durch Haushalts-, Stellen- und Kollektenpläne, – zur Kontrolle durch Aufsicht, Prüfungs- und Rechnungswesen sowie Transparenzpflichten.

V. Materiell-rechtliche Kriterien der Vermögensverantwortung (10) Alle materiell-rechtlichen Vorgaben für die kirchliche Vermögensverantwortung sind Funktion der Bindung an den Auftrag der Kirche. Sie sind rechtlich nur über abstrakte Grenzen determinierbar, im wesentlichen aber in Ermessensspielräume zu fassen. 1. Zweckbindung für den Auftrag der Kirche 2. „Solidarität“ als Funktion der Auftragsbindung 3. „Verantwortliche Haushalterschaft“ als Funktion der Auftragsbindung 4. „Ethik und Nachhaltigkeit“ als Funktion der Auftragsbindung

VI. Vermögensverantwortung und Kirchenleitung in evangelischem Verständnis (11) Kirchliche Vermögensverantwortung ist eine Funktion der äußeren Kirchenleitung. Für sie gelten dieselben Grundsätze. Sie vermittelt zugleich nach innen die geistliche und rechtliche Legitimation und nach außen die Konsistenz, Transparenz und Verläßlichkeit des kirchlichen Umgangs mit kirchlichem Vermögen.

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Anhang: Zahlen zum Kirchenvermögen in der evangelischen Kirche in Deutschland Ungefähre Größenordnungen, in Auswahl zusammengestellt aus Angaben der EKD a) unter ; b) in: Evangelische Kirche in Deutschland. Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben 2011, hg. vom Kirchenamt der EKD, abrufbar unter ; c) im Haushaltsplan 2012 der Evangelischen Kirche in Deutschland (abrufbar unter ), Teil I: Zentraler EKD-Haushalt. 24 Millionen Kirchenmitglieder 15.000 Kirchengemeinden 21.000 Pfarrer im aktiven Dienst 222.000 Mitarbeiter in der verfaßten Kirche 444.000 Mitarbeiter in der Diakonie 1,1 Millionen ehrenamtliche Mitarbeiter Haushaltsvolumina (verfaßte Kirche): zusammen knapp 10 Milliarden Euro p. a. in Einnahmen

in Ausgaben u.a.

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Milliarden Euro aus Kirchensteuern

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Milliarden Euro für Pfarrdienst und Religionsunterricht

0,3

Milliarden Euro aus Spenden

1,6

Milliarden Euro für Kindertagesstätten

2

Milliarden Euro aus Entgelten und Erträgen

1,2

Milliarden Euro für Gemeinde-, Kinder- und Jugendarbeit

0,232

Milliarden Euro aus Staatsleistungen

1,3

Milliarden Euro für Gebäudeunterhaltung

1,7

Milliarden Euro aus Bauförderung und Erlösen

1,8

Milliarden Euro aus zweckgebundenen staatlichen Mitteln

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Leitsätze

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Immobilien (verfaßte Kirche): 325.000 ha.

75.000

Grundbesitz der Kirchengemeinden im Finanzvermögen (überwiegend Land- und Forstwirtschaft), daraus Erträge von ca. 110 Millionen Euro p. a. Gebäude, davon 21.000

Kirchen und Kapellen,

13.000

Gemeindezentren und Gemeindehäuser,

14.000

Betriebsgebäude,

17.000

Pfarrhäuser,

6.650

sonstige Wohnhäuser

Vermögensbestand im Zentralen Haushalt der EKD 2012 (bei einem Haushaltsvolumen von 186 Millionen Euro): 293,3 4,3 16,3

Millionen Euro Rücklagen Millionen Euro Beteiligungen mit kirchlicher Zweckorientierung Millionen Euro Treuhand- und Sondervermögen, davon 2,3 Millionen Euro Beteiligungen

Verwaltungsgebäude

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Rüdiger Althaus

Strukturen kirchlicher Vermögen und kirchliche Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche I. Die Vielzahl von Rechtsträgern kirchlichen Vermögens II. Organe kirchlicher Vermögensverwaltung III. Aspekte der Verwaltung IV. Zusammenfassung

Hört man auf die bisweilen veröffentlichte Meinung, so kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, als erfreue sich die Kirche – sowohl die evangelische als auch die katholische – eines geradezu märchenhaften Reichtums, auch weil ihre angeblich geheimnisumwobene Finanzpolitik an Gewinnmaximierung orientiert sei. Dieser Eindruck mag sich aus vereinzelten Pressemitteilungen ergeben, entspricht aber nicht der Realität, zumindest nicht dem, was das kirchliche Recht vorschreibt. Um dieses zu illustrieren, möchte ich in einem ersten Abschnitt auf die Verschiedenheit der Rechtsträger kirchlichen Vermögens eingehen, nachfolgend die Organe kirchlicher Vermögensverwaltung vorstellen, um abschließend – drittens – ausgewählte Aspekte der Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche anzureißen. Dies kann stets nur ein Überblick sein; auf Vertiefungen muss ich leider verzichten.1

I. Die Vielzahl von Rechtsträgern kirchlichen Vermögens Aus der Sicht des kanonischen Vermögensrechts ist zunächst nüchtern festzustellen, dass es die Kirche gar nicht gibt. Denn can. 1258 CIC besagt,2 dass der Begriff Kirche – was aber ausdrücklich nur für den vermögensrechtlichen Bereich gilt – jedwede juristische Person mit öffentlicher Rechtspersönlichkeit in der Kirche bezeichnet, also den einzelnen Rechtsträger. In diesem Sinne bedeutet Kirchenvermögen auch die einem solchen gehörenden zeitlichen Güter (Temporalia). In der katholischen Kirche haben wir es mit einer Vielzahl von Rechtsträgern zu tun. Der Grund liegt nicht allein in der theologischen Sichtweise der Kirche begründet, sondern ist auch historisch bedingt. So unterscheiden wir theolo-

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Zudem muss das Augenmerk auf die Rechtsträger auf pfarrlicher und diözesaner Ebene konzentriert bleiben. Vgl. hierzu Winfried Schulz, Kommentar zu can. 1258, in: Klaus Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici (Loseblattwerk), Essen seit 1984.

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gisch Diözese und Pfarrei,3 die auch im weltlichen Bereich der Bundesrepublik Deutschland Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und zweifelsohne Vermögensfähigkeit besitzen.4 Allerdings haben Diözese und Pfarrei erst in Umsetzung der Lehre des II. Vatikanischen Konzils mit dem kirchlichen Gesetzbuch von 1983 gesamtkirchlich Rechtspersönlichkeit erhalten.5 Historisch bedingt bestehen in älteren Diözesen und Pfarreien (als Faustregel mag hier das Jahr 1800 gelten)6 auf jeder Ebene mehrere Vermögensträger. Im Mittelalter entwickelten sich aus einer ursprünglich einheitlichen Vermögensmasse des Ortskirchenund des Diözesanvermögens jeweils mehrere nach kirchlichem und weltlichem Recht eigenständige Vermögensträger, Sachgesamtheiten bestehend aus Immobilien, Mobilien und geldwerten Rechten, die durch unmittelbare Nutzung oder aufgrund der Erträgnisse einem ganz bestimmten Zweck dienten. So hatte das Gotteshausvermögen (fabrica ecclesiae) den Betrieb des Kirchengebäudes zu gewährleisten, also dessen Unterhalt7 sowie die Ermöglichung der gottesdienstlichen Feiern in diesem.8 In die Verwaltung dieses Vermögens waren nicht selten Laien eingebunden. Daneben entstanden Stellenvermögen, insbesondere das Pfarrbenefizium (Pastorat oder ähnlich genannt), das dem jeweiligen Amtsträger das Pfarrhaus als Unterkunft zur Verfügung zu stellen und seinen Lebensunterhalt zu sichern hatte. Gemeinden, die es sich leisten konnten, stifteten weitere Stellenvermögen zum Beispiel für einen Kaplan oder Frühmessner, später auch für Küster und Organist. Die Verwaltung oblag bei den geistlichen Benefizien in der Regel den Stelleninhabern.9 Hinzu kamen mitunter – gerade auch

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Das kanonische Recht definiert die Diözese als einen Teil des Gottesvolkes (can. 369 CIC), die Pfarrei als eine in einer Teilkirche auf Dauer errichtete bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen (can. 515 § 1 CIC). Die Pfarrei ist somit aus theologischer Sicht ein Baustein der Diözese. Auf die Vermögensträger auf der Ebene der Gesamtkirche, der Bischofskonferenz und im ordensrechtlichen Bereich sei hier nicht weiter eingegangen. Für die Pfarrei verwendet das Staatskircherecht den Begriff Kirchengemeinde. In Deutschland besaßen Kirchengemeinde und Diözese jedoch aufgrund staatlicher Gesetze zur Verwaltung des kirchengemeindlichen Vermögens und des Systems der Kirchensteuer bereits zuvor Rechtspersönlichkeit. Das weite Teile des nördlichen Deutschlands bestimmende Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 trat – je nach Beginn der Preußischen Herrschaft in den hinzugewonnenen Gebieten – um die Wende des 18. zum 19. Jh. in Kraft. Auf die sachlich hierher gehörende, aber äußerst komplexe Materie der Baulast kann nicht eingegangen werden. Vgl. Hartmut Böttcher/Thomas Lindner/Helmuth Pree, Art. Baulast I.–III., in: Axel Frhr. von Campenhausen/Ilona Riedel-Spangenberger/ P. Reinold Sebott SJ (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Band 1 (A–F), Paderborn, München, Wien, Zürich 2000, S. 196–201. Vgl. Rüdiger Althaus, Art. Kirchenfabrik, in: Axel Frhr. von Campenhausen/Ilona Riedel-Spangenberger/P. Reinold Sebott SJ (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Band 2 (G–M), Paderborn, München, Wien, Zürich 2002, S. 469 m.w.N. Vgl. zu den Benefizien Maximilian Hommens, Art. Benefizium, in: von Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott, Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht (Anm. 1), S. 236–237 m.w.N.; grundlegend: Ulrich Stutz, Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens von seinen Anfängen bis auf die Zeit Alexanders III., Berlin 1895.

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in größeren Gemeinden – selbstständige Stiftungen mit insbesondere caritativer Zielsetzung (zum Beispiel Krankenhäuser, Siechenheime), bei denen wiederum oftmals Laien maßgeblich in die Verwaltung eingebunden waren. Bei all diesen Vermögensmassen mit jeweils spezifischer Zweckbestimmung handelt es sich um eigenständige Rechtspersonen nach kirchlichem und auch nach staatlichem Recht, die in der Regel die Zeiten überdauert haben, auch wenn die Verwaltung heute dem Organ für die Vermögensverwaltung in der Kirchengemeinde zukommt. So hat zum Beispiel das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 mit der Kirchengemeinde nur einen neuen Rechtsträger auf kirchengemeindlicher Ebene eingeführt, nicht aber die alten Rechtspersonen aufgehoben.10 Für die Ebene der Diözese sei nur kurz angemerkt, dass auch hier eine Vielzahl von Rechtspersonen existiert – so vor allem der (Erz-)Bischöfliche Stuhl, die Hohe Domkirche, das Domkapitel, das Priesterseminar – jeweils mit einer klar definierten, originären und zu beachtenden Zweckbindung. Das Vorhandensein vieler Rechtspersonen gibt aber noch keine Auskunft über deren finanzielle Ausstattung. Bei all diesen Rechtspersonen handelt es sich um sorgfältig voneinander zu unterscheidende Vermögensträger. Can. 1256 CIC legt fest, das Eigentum am Vermögen stehe unter der obersten Autorität des Papstes jener juristischen Person zu, die das Vermögen rechtmäßig erworben hat. Daher kann beispielsweise ein Bischof nicht finanzielle Defizite der Diözese zu Lasten der Pfarreien ausgleichen.11 Selbst eine Kirchengemeinde muss zum Beispiel für den Bau eines Pfarrheimes, wenn das passende Grundstück im Eigentum der Kirchenfabrik steht, mit dieser einen Pachtvertrag zu den üblichen Konditionen abschließen. Aus kirchenrechtlicher Sicht ist so auch die Frage einer Durchgriffshaftung negativ zu beantworten, so dass Diözesanvermögen nicht zum Ausgleich des Defizits einer Pfarrei bzw. zur Erfüllung von Ansprüchen Dritter herangezogen werden kann.12 Manche dieser alten pfarrlichen und diözesanen Vermögensträger verfügen freilich aufgrund von Geldentwertungen heute kaum noch über Substanzvermögen und bringen nur noch sehr geringe Erträge auf, weshalb sich die Frage einer Zusammenlegung stellt. Dabei ist stets die ursprüngliche Zweckbestimmung möglichst genau zu wahren.13 Indes sollte eine generelle Auflösung die-

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Dies haben in den 1960er und 1970er Jahren mehrere Gerichte festgestellt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19. Dezember 1967 – 15 W 462/65 –; LG Paderborn, Beschluss vom 15. Mai 1968 – 3 T 20/68 –). Daher ist der im Preußischen Rechtsbereich (aufgrund der diesbezüglich angezweifelten Rechtslage) etablierte Begriff „Fonds“ nicht sachgerecht. Die Möglichkeit der Erhebung einer Diözesansteuer oder einer außerordentlichen Abgabe gemäß can. 1263 CIC bleibt hiervon unberührt. Dies betrifft jedoch nicht den Fall, dass vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln der kirchlichen Aufsichtsbehörde Schaden verursacht hat (vgl. can. 128 CIC). Diesbezüglich sei auf die Reform des Benefizialsystems gemäß can. 1272 CIC hingewiesen, die aber im deutschen Sprachraum nur ansatzweise rezipiert worden ist. Vgl. hierzu Rüdiger Althaus, Kommentar zu can. 1272, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar (Anm. 2); Heribert Schnitz, Die Bestimmungen des c. 1272 CIC zum Benefizialrecht, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 155 (1986), S. 443–460; Hugo Schwendenwein, Die Durchführung des neuen CIC durch die Österreichische Bischofskonferenz, in: Österreichisches Archiv für Kirchenrecht 35 (1985), S. 178– 198.

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ser alten Vermögensträger sehr zurückhaltend erwogen werden, denn deren klare Zweckbestimmung dient auch der Transparenz, wofür die Kirche irdischen Besitz hat. Im Übrigen sei an Heribert Schmitz und Hugo Schwendenwein erinnert: Diese alten Vermögensträger haben die Säkularisationen weitgehend überstanden, während eine große Vermögensmasse die Begehrlichkeit weltlicher Stellen weckt.14 Mit anderen Worten: „Der Kirche einen großen Fonds zu entziehen, ist bei Enteignungsmaßnahmen in der Öffentlichkeit unter Umständen noch eher zu verkraften, als dem Pfarrer sein Haus zu nehmen.“15 Diese in der Geschichte aufscheinende differenzierte, so doch klare Zweckbestimmung kirchlichen Vermögens findet sich auch im geltenden Kirchenrecht, ja hat Eingang gefunden in die Definition des Begriffs Kirchenvermögen. So normiert can. 1254 CIC die Vermögensfähigkeit der Kirche als angeborenes Recht zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke, die vor allem sind die Feier des Gottesdienstes, der angemessene Unterhalt von Klerus und anderen Kirchenbediensteten sowie die Werke des Apostolats und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen. Kirchlicher Besitz ist also kein Selbstzweck, den es anzusammeln und zu horten gilt, sondern hat rein funktionalen Charakter, um die irdischen Gegebenheiten finanzieren zu können, derer die Kirche zur Erfüllung ihrer letztlich überzeitlichen Zielsetzung bedarf (erlangt dadurch im Grunde seine Legitimation). So spricht man heute an sich nicht mehr von Kirchenvermögen, sondern von bona temporalia – zeitlichen Gütern – der Kirche, obgleich sich der alte Terminus im deutschen Sprachraum hält. Schließlich sei noch auf eine Distinktion verwiesen, die der Codex Iuris Canonici von 1983 hinsichtlich der kirchlichen Rechtspersonen eingeführt hat. So unterscheidet das kanonische Recht heute öffentliche juristische Personen von privaten. Somit kann es neben dem Vermögen der Kirche (dem Kirchenvermögen) quasi Privatvermögen in der Kirche geben, das auch einen Zweck im Horizont der kirchlichen Sendung verfolgt, vor allem in Verwirklichung des durch das II. Vatikanische Konzil hervorgehobenen Apostolats der Laien. Weil dieses aber nicht Kirchenvermögen ist (can. 1257 § 1 CIC), kommt die Regelung dessen Verwaltung – sieht man von sehr allgemein gehaltenen Aufsichtsrechten und -pflichten des Ordinarius ab – den Organen der privaten Rechtsperson zu. An sich gehört das Vermögen unserer kirchlichen Vereine und Verbände hierher, jedoch ist mitunter deren kirchlicher Rechtsstatus aus unterschiedlichen Gründen immer noch nicht geklärt.

II. Organe kirchlicher Vermögensverwaltung Eine juristische Person bedarf, um ihr Vermögen verwalten zu können, der vom Recht hierfür vorgesehenen Organe. Dabei handelt es sich bei der kirchlichen Vermögensverwaltung um ein geordnetes Zueinander von Vertretungs- und Aufsichtsorganen mit je eigener Zuständigkeit und Kompetenz. Den Vertretungsorganen kommt die Verantwortung für die Verwaltung des ihnen anvertrauten

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Vgl. Schmitz, Benefizialrecht (Anm. 13), S. 458. Schwendenwein, Die Durchführung des neuen CIC (Anm. 13), S. 191 Anm. 65.

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Vermögens zu, in erster Linie die sogenannte ordentliche Vermögensverwaltung, die das Aufstellen eines Haushaltsplanes, dessen Bewirtschaftung sowie die Erstellung der Jahresrechnung umfasst, darüber hinaus auch Akte der außerordentlichen Vermögensverwaltung wie Baumaßnahmen, Vermögensumschichtungen oder auch Kreditaufnahmen sowie Veräußerungen. Was jedoch nach Art und Umfang die Grenzen der ordentlichen Vermögensverwaltung übersteigt, fällt nicht allein in die Verantwortung des Vertretungsorgans. Vielmehr greift hier die Aufsicht (can. 1281 § 1 CIC). Das bedeutet, dass die vorgängige Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Autorität zur Gültigkeit eines solchen Rechtsgeschäftes nach kirchlichem – und in der Bundesrepublik Deutschland zumeist auch nach staatlichem Recht – einzuholen ist. Zudem obliegt dieser im Sinne der nachgängigen Aufsicht die Prüfung der Jahresrechnung (can. 1287 § 1 CIC). Unbeschadet der Zuständigkeit kirchlicher Gesetzgebungs- und Verwaltungsorgane, die Vermögensverwaltung insgesamt zu normieren, kommt es dem kirchlichen Aufsichtsorgan aber nicht zu, sich in die Verwaltertätigkeit einzumischen; ein Eingriffsrecht besteht nur im Falle der Nachlässigkeit des Verwalters (can. 1279 § 1 CIC), obgleich Hinweise mitunter hilfreich und wertvoll sein können; die eigentliche Zuständigkeit verbleibt beim Vertretungsorgan. Wer sind nun konkret diese Organe? Das kirchliche Gesetzbuch bestimmt kurz und bündig, der Pfarrer vertritt seine Pfarrei in allen Rechtsgeschäften und sorgt für die ordnungsgemäße Verwaltung des Vermögens (can. 532 CIC); die rechtsgeschäftliche Vertretung seiner Teilkirche obliegt dem Diözesanbischof (can. 393 CIC). Dies darf aber nicht zu dem Schluss führen, dass Pfarrer oder Bischof autark seien. In Deutschland kommt auf der Ebene der Kirchengemeinden aufgrund päpstlichen Indults vom 9. September 198316 zunächst weiterhin einem von den Gläubigen gewählten Gremium von Laien die Vermögensverwaltung zu. Das ist mit Ausnahme von Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen der Kirchenvorstand gemäß dem Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens in Preußen vom 24. Juli 192417 oder ein gemäß Diözesanrecht in der Tradition dieses Gesetzes stehendes Gremium.18 Dessen Zuständigkeit erstreckt sich nicht nur auf das Vermögen der Kirchengemeinde, sondern – sofern vorhanden – auch auf das der alten Rechtspersonen.19 Der Pfarrer als geborener Vorsitzender ist im Grunde primus inter pares, dem neben den Präsidialrechten nur ein dirimierendes Stimmrecht bei Sachent-

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Jr. N. V 9448/83. Vgl. Schreiben des Apostolischen Nuntius in Deutschland vom 13. Januar 1984 an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, abgedruckt in: Rüdiger Althaus, Sammlung des Rechts im Erzbistum Paderborn, Paderborn 2010, D. 3.41. Ursprüngliche Fassung abgedruckt in: Preußische Gesetzessammlung 1924 S. 585, für Nordrhein-Westfalen zuletzt geändert am 17. Juni 2003, in: GV. NW. S. 313; hier geltende Fassung abgedruckt in: Althaus, Sammlung des Rechts (Anm. 16) D.3.11. Lediglich in der Diözese Dresden-Meißen kommt diesem Gremium nur die Beratung des Pfarrers zu; vgl. Ordnung für den Kirchenrat vom 7. Februar 2002, in: Kirchliches Amtsblatt 12 (2002), S. 78–82. Zur besonderen Rechtslage in Bayern: Ordnung für die kirchlichen Stiftungen in den bayerischen (Erz-)Diözesen in der Fassung vom 1.7.2006; vgl. Kirchliches Amtsblatt Augsburg 116 (2006) S. 267– 298; Kirchliches Amtsblatt Bamberg 111 (1988),

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scheidungen zukommt. Sieht man von der Frage ab, ob in Anbetracht der heutigen pastoralen Strukturen der Pfarrer die Aufgaben des Vorsitzenden tatsächlich noch zu leisten vermag, so ist die Frage der Qualifikation des Vorsitzenden und der einzelnen Mitglieder von großer Bedeutung. Denn der Kirchenvorstand sollte die Beschlüsse des Pfarrers oder einer anderen kirchlichen Autorität nicht nur abnicken, sondern möglichst ein Gremium von Experten sein, sich also aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammensetzen (Jurist, Architekt, Handwerker, Landwirt usw.), was sich aufgrund einer Wahl schwierig gestalten kann, aber oft gelingt. Allerdings dürfte sich künftig öfter das Problem ergeben, in hinreichender Zahl Kandidaten zu finden. Darüber hinaus müssen die Mitglieder und insbesondere der Vorsitzende hinreichende Kenntnis über die Eigentümlichkeiten kirchlicher Vermögensverwaltung besitzen – schon damit beginnend, dass nicht Gewinnmaximierung anzustreben ist und dass auch die Grundsätze der christlichen Soziallehre zu beachten sind (can. 1286 CIC) –, was nach geeigneten Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten fragen lässt. Zwar vermögen in vielen Diözesen Zentralrendanturen oder einzelne Beauftragte der Diözese vor Ort wertvolle Hilfe zu leisten, doch liegt die eigentliche Kompetenz und Verantwortung beim Kirchenvorstand. Als kirchliche Aufsichtbehörde für Vermögen auf der Ebene der Kirchengemeinde fungiert das Ordinariat, dem Haushaltsplan und Jahresrechnung zur Genehmigung vorzulegen sind, alle Grundstücksgeschäfte sowie alle anderen Rechtsgeschäfte mit einem Wert von mehr als 15.000 € bzw. Verträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr.20 Blicken wir auf die Ebene der Diözese. Kandidaten für das Bischofsamt sollen fundierte Kenntnisse in Theologie und Kirchenrecht mitbringen (can. 378 § 1, 5° CIC), besondere Qualifikation in wirtschaftlichen oder zivilrechtlichen Fragen werden nicht verlangt. Daher sieht das Recht das Amt des Diözesanökonomen vor. Dieser muss in wirtschaftlichen Fragen erfahren sein und sich durch Rechtschaffenheit auszeichnen (can. 494 § 1 CIC). Er hat den Haushaltsplan der Diözese unter der Autorität des Bischofs zu verwalten (§ 3), ist also quasi eine Art Generalbevollmächtigter für die Verwaltung des diözesanen Vermögens. Darüber hinaus kann ihn der Ortsordinarius mit der Aufsicht über die Vermögensverwaltung der ihm unterstellten Rechtspersonen beauftragen (can. 1278 CIC), so dass er Aufsicht gerade auch über die Kirchengemeinden führt. Dem Diözesanökonom oder auch dem Bischof selber stehen zudem mit Diözesanvermögensverwaltungsrat und Konsultorenkollegium zwei Gremien zur Seite, die seine Vermögensverwaltung beaufsichtigen und ihn auch bei seiner

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S. 117–148, 120 (1997), S. 121–130, 129 (2006), S. 242–248; Kirchliches Amtsblatt Eichstätt 80 (2006), S. 153 (Hinweis auf Sonderdruck); Kirchliches Amtsblatt München und Freising 2006, S. 166–195; Kirchliches Amtsblatt Passau 136 (2006), S. 82– 94; KA Regensburg 2006, S. 81–100; KA Würzburg 152 (2006), S. 194–220). Vgl. die Empfehlung Nr. 19 der Deutschen Bischofskonferenz von 1995, die die jeweiligen Diözesanbischöfe für ihre Teilkirche in Kraft gesetzt haben (abgedruckt in: Heribert Schmitz/Franz Kalde, Partikularnormen der Deutschen Bischofskonferenz. Text und Kommentar [Subsidia ad ius canonicum vigens applicandum 5], Metten 1996, S. 90–93).

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Aufsicht über die Kirchengemeinden entlasten. Worum handelt es sich bei diesen beiden Gremien? Der Diözesanvermögensverwaltungsrat (aufgrund historischen Herkommens mitunter Verwaltungs- oder Wirtschaftsrat genannt) besteht aus wenigstens drei vom Bischof ernannten Gläubigen, die in wirtschaftlichen Fragen sowie im weltlichen Recht wirklich erfahren sind und sich durch Integrität auszeichnen (can. 492 § 1 CIC). Es handelt sich um ein Sachverständigengremium, das ausschließlich aus Laien bestehen kann.21 Das Konsultorenkollegium ist indes an sich gleichsam ein Ausschuss des Priesterrates (6 bis 12 Priester auf 5 Jahre vom Diözesanbischof ernannt), der flexibler als das gesamte Gremium operieren kann; für dieses Kollegium stehen primär pastorale Erwägungen im Blick. Beiden Gremien kommen sogenannte Beispruchsrechte zu, das heißt bestimmte Rechtsgeschäfte (in der Regel ab einem Wert von 100.000 €) bedürfen der Zustimmung jedes dieser Gremien und damit der Absicherung durch diese, gleich ob der Bischof oder sein Ökonom als Verwalter oder als Aufsichtsorgan fungiert.22 Damit soll die Verantwortung dieser Personen nicht nivelliert, sondern durch „flankierende Maßnahmen“ in sachlicher Kompetenz gestützt werden. An dieser Stelle seien zwei Anmerkungen zur Situation in Deutschland erlaubt: Der Diözesanvermögensverwaltungsrat besteht in vielen Diözesen zumindest zum größeren Teil aus leitenden Mitarbeitern der Diözesanverwaltung, so dass sich rechtlich aber auch sachlich die Frage stellt, inwiefern man sich selber beaufsichtigt und ob alle Mitglieder tatsächlich die vom Recht geforderte Qualifikation mitbringen. Zudem nimmt die Aufgaben des Konsultorenkollegiums das jeweilige Domkapitel wahr (can. 502 § 3 CIC),23 dessen Kanonikate nicht nur auf fünf Jahre übertragen werden. Dieses aber rekrutiert sich oft zum größeren Teil wiederum aus leitenden Mitarbeitern der Diözesanverwaltung. Eine solche (zumindest teilweise) zu Tage tretende Personalidentität ist vom allgemeinen Recht her nicht intendiert.24

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In Bayern nimmt die Aufgaben des Diözesanvermögensverwaltungsrates der (gewählte) Kirchensteuerrat wahr. Vgl. hierzu auch: Rüdiger Althaus, Diözesanvermögensverwaltungsrat und Diözesankirchensteuerrat – Chancen und Hindernisse für eine intensive Zusammenarbeit, in: Andreas Weiß u.a. (Hrsg.), Flexibilitas iuris canonici, Festschrift für Richard Puza, Adnotationes in ius Canonicum (AIC) 28, Frankfurt 2003, S. 397–420. Auf die Partikularnorm zu can. 1277 CIC, die Akte der außerordentlichen Vermögensverwaltung mit diözesanem Vermögen festlegend, sei nur hingewiesen, die in gewisser Spannung zu can. 1292 § 1 CIC steht, insofern die Partikularnorm für Veräußerungen auch für diözesanes Vermögen gelten soll, die Deutsche Bischofskonferenz dies aber auf das Vermögen der dem Diözesanbischof unterstellten Rechtsträger beschränkt. Auch auf das Erfordernis einer Erlaubnis des Hl. Stuhles gemäß can. 1292 § 2 CIC sei nur hingewiesen, weil diese in der Praxis nur selten erforderlich ist. Vgl. Partikularnorm Nr. 6, in: Schmitz/Kalde, Partikularnormen (Anm. 20), S. 40. Vgl. hierzu: Rüdiger Althaus, Einführung vor can. 1273 Rn. 10, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar (Anm. 2), unter Bezugnahme auf Heribert Schmitz, Organe diözesaner Finanzverwaltung. Anmerkungen zu offenen-strittigen Fragen, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 163 (1994), S. 121–145.

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III. Aspekte der Verwaltung Das kanonische Vermögensrecht enthält zum Teil jahrhundertealte Traditionen und Strukturen. Dabei mag die eine oder andere Ausdrucksweise oder Regelung antiquiert erscheinen, doch verbirgt sich dahinter oft eine Weisheit, die in Anbetracht heutiger rechtlicher und gerade wirtschaftlicher Turbulenzen der letzten Jahre Impulse zu geben vermag. So kennt das kanonische Recht noch den aus dem Benefizialwesen stammenden Begriff Stammvermögen (patrimonium stabile).25 Dabei handelt es sich um die bleibende ökonomische Grundausstattung einer Rechtsperson und nicht um die jederzeit verfügbaren Mittel im Sinne des Verbrauchsvermögens sowie etwaige Etat-Rücklagen. Zum Stammvermögen gehören alle Sachen, die widmungsgemäß diese bleibende Ausstattung ausmachen, historisch vor allem Immobilien, mitunter auch Mobilien und geldwerte Rechte. Dieses Stammvermögen dient mittels seines Gebrauchs- (zum Beispiel Kirchengebäude) oder Ertragswertes (zum Beispiel Mieten, Pachten, Zinsen) der Rechtsperson dazu, ihre Zwecke dauerhaft zu erfüllen, weshalb es hinsichtlich der Verwaltung dieses Stammvermögens besonderer Umsicht und Weitsicht bedarf. Zu beachten ist, dass es sich dabei um einen rechtlichen, nicht um einen ökonomischen Begriff handelt. So geht es heute nicht mehr darum, die Identität der einzelnen Vermögensstücke über die Zeiten zu erhalten (das spielte früher eine große Rolle), sondern um den Wert der Grundausstattung, unabhängig von der Anlageform. Dabei mögen aufgrund der aktuellen Entwicklungen am Kapitalmarkt Immobilien nicht (mehr) als überkommene Variante gelten, doch wäre insgesamt an eine vielschichtige Anlageform zu denken, die aber jeweils mündelsicher sein muss, wozu – gerade bei Umstrukturierungen – eine gediegene Kenntnis von Nöten ist. Dem kirchlichen Gesetzgeber geht es also darum, dass seine juristischen Personen nicht „von der Hand in den Mund“ leben, sondern über ein solides „Tafelsilber“ verfügen, damit sie ihren Auftrag mit einer gewissen Zuverlässigkeit erfüllen können. Das kirchliche Vermögensrecht unterscheidet nicht nur die ordentliche von der außerordentlichen Vermögensverwaltung, sondern enthält in Bezug auf sogenannte Veräußerungen, die – entgegen früher anzutreffender anderer Auffassungen – nie gänzlich verboten waren, noch einmal besondere, der Absicherung dienende Vorschriften. Interessant ist der Begriffsinhalt der Veräußerung. Diese bezeichnet nicht nur in einem engeren Sinne die vollständige Aufgabe des Eigentumsrechts an einer Sache, sondern umfasst in einem weiteren Sinne auch die sogenannten veräußerungsähnlichen Rechtsgeschäfte, das sind solche, die die Möglichkeit in sich bergen, sich nachteilig auf die Vermögenssituation einer Rechtsperson auszuwirken.26 Es geht dabei nicht um ein konkretes Rechtsge-

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Zum Begriff vgl. Rüdiger Althaus, Einführung vor can. 1290 Rn. 9, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar (Anm. 2). Zum Begriff vgl. Althaus, ebd., Rn. 5–8.

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schäft, sondern dass die Art des Rechtsgeschäftes – und hier ist auch die weltliche Rechtsordnung zu beachten – an sich risikobeladen ist, also eine potentielle Gefahr beinhaltet. Diese ist schon dann gegeben, wenn einem Dritten Rechte an einer Sache eingeräumt werden, was sich vertragstypisch für den Rechtsträger nachteilig auswirken kann, insofern dessen Verfügungsgewalt über die Sache beeinträchtigt sein kann (zum Beispiell eine Vermietung aufgrund des deutschen Mietrechts). Solche Rechtsgeschäfte sind nicht grundsätzlich verboten, aber zur Minimierung des Risikos bedarf es hierzu der vorgängigen kirchenaufsichtlichen Genehmigung, deren Erteilung auch davon abhängig sein wird, wie gravierend die zu erwartenden Risiken bzw. Beschränkungen sein können. Auf diese Weise soll darüber hinaus von vornherein vermieden werden – beispielsweise durch spekulative Geschäfte, die einen großen Gewinn verheißen –, die wirtschaftliche Situation eines kirchlichen Rechtsträgers in eine Schieflage zu bringen. Im Grunde kann man sagen: Die Kirche favorisiert nach wie vor eine konservative Wirtschaftspolitik und eine auf Schutz vor Unwägbarkeiten bedachte Vermögensverwaltung.27 Das kanonische Recht kennt weiterhin den Begriff des bonus paterfamilias (can. 1284 §1 CIC), der letztlich bis auf das Römische Recht zurückreicht. Gemeint ist damit, dass der Verwalter kirchlichen Vermögens in der Erfüllung seiner Aufgaben nicht nur die gewöhnliche diligentia quam in suis (die Sorgfalt, die er bei seinen eigenen Angelegenheiten anwendet) walten lassen muss, sondern an die erhöhte Sorgfalt eines Verwalters fremden, anvertrauten und einem bestimmten Zweck gewidmeten Vermögens gebunden ist. Der Codex Iuris Canonici füllt diesen Begriff in einem ausführlichen Katalog.28 Demnach hat der Verwalter sämtliche Rechtsvorschriften (gemäß can. 1286 CIC einschließlich des Sozialrechts) zu beachten und bestrebt zu sein, geldwerte Nachteile von vornherein fernzuhalten, aber auch weitblickend zu wirtschaften, angefangen bei einer sorgfältigen Buch- und Haushaltsführung bis hin zur Absicherung von Risiken durch Abschluss von Versicherungen. Das frühere Benefizialrecht beinhaltete auch konkret – und das halte ich für aufschlussreich –, dass der Benefiziat als guter Hausvater die Vermögensgrundlage seines Benefiziums zu erhalten hatte; so durfte er nur die gewöhnlichen Erträge für seinen Lebensunterhalt verwenden, außerordentliche Einkünfte (zum Beispiel Holz nach Sturmschaden, Abbau von Salz) hatte er dem Benefizialvermögen zuzuführen und – soweit möglich – eingetretene Schäden zu beheben (zum Beispiel die Anpflanzung neuer Obstbäume für abgängige). Durch umsichtiges Wirtschaften soll also die ökonomische Prosperität der Rechtsperson erhalten und möglichst verbessert werden, damit diese weiterhin oder gar besser ihre Zwecke erfüllen kann. Dabei steht – um eine aktuelle Terminologie aufzugreifen – auch die Nachhaltigkeit unmittelbar im Blick.

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Dies steht nicht im Widerspruch zu der auch caritativen und sozialen Zweckbestimmung kirchlichen Vermögens; vielmehr ist eine leichtfertige Verwaltung zu vermeiden. Zum Begriff vgl. Rüdiger Althaus, Kommentar zu can. 1284 Rn. 2, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar (Anm. 2), zum Pflichtenkatalog Rn. 3–13.

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Vorhin habe ich kurz die Buchführung genannt. Lange Zeit war – auch bei kirchlichen Rechtsträgern – die Kameralistik gebräuchlich, in den letzten Jahren zeichnet sich ein starker Trend zur Doppik ab.29 In diesem Kontext möchte ich lediglich den markanten und zugleich neuralgischen Punkt Immobilienwert ansprechen. Jedweder Verwalter kirchlichen Vermögens ist verpflichtet, den Unterhalt der Immobilien und Mobilien aus ökonomischer Sicht langfristig auch hinsichtlich Unterhalt, Zeitwert und Wiederbeschaffung zu berücksichtigen, was bisher oft vernachlässigt wurde. So gibt es heute manche kirchliche Gebäude (auch Kirchengebäude), die langfristig angesichts notwendiger Investitionsmaßnahmen nur mit enorm großer finanzieller Kraftanstrengung ihrem originären Zweck dienen können. Will man jedoch den Wert kirchlicher Immobilien ermitteln, stößt man spätestens bei Kirchengebäuden an eine Grenze: Zu deren materiellem Wert, der sich oft nur sehr aufwendig ermitteln lässt, tritt ein hoher ideeller Wert. Das gilt vergleichbar – obgleich nicht in dieser erhabenen Form – beispielsweise von einem Kindergarten. Somit kann es nicht allein um den materiellen Wert eines Objektes gehen, sondern immer auch um die Frage, was dieses uns bei der Realisierung des kirchlichen, letztlich überzeitlichen Sendungsauftrages wert ist. Gerade hier zeigt sich, dass sich kirchliche Finanzverwaltung wesentlich von einer rein ökonomisch orientierten Gewinn- und Verlustrechnung unterscheiden muss. Im Horizont des kirchlichen Sendungsauftrages stehen zweifelsohne auch die vielen sozialen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft, die ihren Ursprung oft in kirchengemeindlichem Engagement haben, vor allem Kindertageseinrichtungen, Altenheime und (besonders im nordrhein-westfälischen Bereich) Krankenhäuser. Gerade diese erfordern einen enormen Verwaltungsaufwand sowie eine sehr spezifische Kenntnis des weltlichen Rechts (zum Beispiel Gesundheitswesen, Kinder- und Jugendhilfe), was eine Kirchengemeinde, das heißt der Kirchenvorstand mit dem Pfarrer als Vorsitzendem, kaum noch zu leisten vermag. Gerade auch wegen des mit diesen Einrichtungen im Gesundheitsbereich verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Risikos, das sonst auf der Kirchengemeinde lastet, erfolgte oftmals eine rechtliche Ausgliederung vor allem in Form einer gGmbH – allerdings zumeist nur nach weltlichem Recht, so dass diese nach kirchlichem Recht nach wie vor im Besitz der ursprünglichen Institutionen stehen, die auch haftbar bleiben. Eine solche Ausgliederung bewirkt aber zweifelsohne eine erhebliche Entlastung der früher zuständigen Verwaltungsorgane und ermöglicht, dass professionelle Kräfte ihr Fachwissen einbringen können. Jedoch möchte ich ganz kurz drei Fragen aufwerfen: 1. Können wir das, was wir uns finanziell noch leisten können, tatsächlich noch vom Glaubensprofil her tragen? Umgangsprachlich ausgedrückt: Ist noch überall dort, wo katholisch drauf steht, katholisch drin – was selbstredend analog auch für evangelische Einrichtungen gilt?

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Hier sei besonders aufmerksam gemacht auf die Studie von Claudia Leimkühler, Unternehmensrechnung und ihre Überwachung in kirchlichen Verwaltungen. Eine Analyse aus Sicht der Katholischen Kirche in Deutschland, Frankfurt 2004.

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2. Kann durch die gewählte Rechtsform und die Bestellung der Verantwortlichen das spezifisch kirchliche Proprium dieser Einrichtung erhalten bleiben? 3. Geht mit dieser ökonomischen Ausgliederung nicht auch eine schleichende pastorale „Exemtion“ aus der Verantwortung der Kirchengemeinde einher? Wie kann man dieser Gefahr begegnen?

IV. Zusammenfassung Dieser kurze Überblick mag vor Augen führen, dass Trägerschaft und Verwaltung der zeitlichen Güter in der Kirche sehr differenzierte Strukturen aufweisen, die von der Unterschiedenheit der einzelnen Vermögensträger selbst auf derselben Ebene, dem Zueinander von Aufsicht und Vertretung, einer konservativen Anlagepolitik und einer besonderen Sorgfalt im Sinne einer Risikominimierung und Nachhaltigkeit geprägt sind. Kirchliche Verwaltung und damit auch Finanzverwaltung muss sich zwar einerseits an Grundprinzipien des modernen Managements orientieren, um effizient zu sein, andererseits aber stets vor Augen haben, dass nicht Gewinnmaximierung für das Handeln ausschlaggebend sein darf. Denn ihre zeitlichen Güter sind der Kirche – jedem einzelnen Vermögensträger – nicht Selbstzweck, sondern dienen ausschließlich der Erfüllung der ihr eigenen Sendung.

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Leitsätze zum Vortrag von Prof. Dr. theol. Rüdiger Althaus, Paderborn: „Strukturen kirchlicher Vermögen und kirchliche Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche“ I. Die Vielzahl von Rechtsträgern kirchlichen Vermögens 1. Der Begriff Kirche bezeichnet im kanonischen Vermögensrecht jedwede juristische Person mit kirchlicher öffentlicher Rechtspersönlichkeit (can. 1258 CIC). 2. Es gibt eine Vielzahl von Rechtspersonen, auch Diözese und Pfarrei. In älteren Gemeinden existieren oft noch Gotteshausvermögen (fabrica ecclesiae), Stellenvermögen (Pfarrbenefizium, Kaplaneien usw.) und selbstständige Stiftungen mit caritativer Zielsetzung, in älteren Diözesen die Rechtspersonen Bischöflicher Stuhl, Hohe Domkirche, Domkapitel, Priesterseminar. Alle Rechtsträger besitzen eine klar definierte Zweckbestimmung. 3. Jeder Rechtsperson steht das Eigentumsrecht an ihrem Vermögen zu; „Abschöpfungen“ durch eine Autorität oder „Querfinanzierungen“ sind nicht zulässig. 4. Eine generelle Auflösung alter Vermögensträger sollte nur sehr zurückhaltend erwogen werden, denn diese lassen transparent aufscheinen, wofür die Kirche irdischen Besitz benötigt. Die ursprüngliche Zweckbestimmung (Stiftungen!) ist stets möglichst genau zu wahren. 5. Die Definition des Begriffes Kirchenvermögen (can. 1254 CIC) greift die historisch bedingte Ausdifferenzierung der Zwecke auf: Die Kirche besitzt Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke: Feier des Gottesdienstes, Unterhalt der Kleriker und anderen Kirchenbediensteten, Werke des Apostolates und der Caritas. Die zeitlichen Güter sollen der Kirche helfen, ihren überzeitlichen Sendungsauftrag zu erfüllen. 6. Neben dem Vermögen der Kirche gibt es auch privates Vermögen in der Kirche, das der Verwirklichung des durch das II. Vatikanische Konzil hervorgehobenen Apostolates der Laien dienen soll (vor allem kirchliche Vereine und Verbände).

II. Organe kirchlicher Vermögensverwaltung 1. Die kirchliche Vermögensverwaltung kennzeichnet ein Zueinander von Vertretungs- und Aufsichtsorganen. Letzteren kommt ein Eingriffsrecht nur bei Nachlässigkeit des Verwalters zu. 2. Vertretungsorgane sind der Diözesanbischof für seine Diözese und der Pfarrer für seine Pfarrei. 3. Für die Pfarrei: In Deutschland steht – aufgrund Indults – der Pfarrer einem von den Gläubigen gewähltem Gremium als primus inter pares vor. Da alle Mitglieder Verantwortung tragen, bedürfen sie der Schulung über die Proprien kirchlicher Vermögensverwaltung (keine Gewinnmaximierung; Beachtung der christlichen Soziallehre). Dem Ordinariat als Aufsichtbehörde obliegt die

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Prüfung und Genehmigung von Haushaltsplan und Jahresrechnung sowie der Akte der außerordentlichen Vermögensverwaltung (Grundstücksgeschäfte, sonst ab einem Wert von 15.000 € bzw. ab einer Laufzeit von einem Jahr). 4. Für die Diözese: Dem Diözesanökonomen obliegt als „Generalbevollmächtigtem“ die Verwaltung des diözesanen Vermögens. Der Ortsordinarius kann ihm auch die Aufsicht über die Vermögensverwaltung ihm unterstellter Rechtspersonen übertragen. 5. Zwei Gremien beaufsichtigen die diözesane Vermögensverwaltung und die Erlaubniserteilung gegenüber den Kirchengemeinden: Der Diözesanvermögensverwaltungsrat mit wenigstens drei vom Bischof ernannten in wirtschaftlichen und rechtlichen Dingen Sachkundigen, das Konsultorenkollegium als „Ausschuss“ des Priesterrates. Beide Gremien haben Rechtsgeschäften ab 100.000 € zuzustimmen. In Deutschland besteht der Diözesanvermögensverwaltungsrat oft aus leitenden Mitarbeitern der Diözesanverwaltung, die Aufgaben des Konsultorenkollegiums nimmt das Domkapitel wahr (vgl. can. 502 § 3 CIC). Dabei muss der Gefahr begegnet werden, sich selber zu beaufsichtigen.

III. Aspekte der Verwaltung 1. Das kanonische Recht unterscheidet Stammvermögen (patrimonium stabile) als bleibende ökonomische Grundausstattung einer Rechtsperson und Verbrauchsvermögen. Da das „Tafelsilber“ langfristig deren Zweck sicherstellt, sollten die Anlageformen gestreut, müssen aber jeweils mündelsicher sein. 2. Bereits für Rechtsgeschäfte, die sich möglicherweise nachteilig auf die Vermögenssituation einer Rechtsperson auswirken können (veräußerungsähnliche Rechtsgeschäfte), wird eine vorgängige Genehmigung verlangt, auch um spekulative Geschäfte zu vermeiden. Favorisiert wird eine „konservative“ Anlagepolitik und eine auf Schutz vor Unwägbarkeiten bedachte Vermögensverwaltung. 3. Der Verwalter hat als guter Hausvater (bonus paterfamilias) das ihm anvertraute Vermögen mit besonderer Sorgfalt, Umsicht und Weitsicht zu verwalten, um die ökonomische Prosperität der Rechtsperson (einschließlich der Nachhaltigkeit) zu erhalten und ggf. zu verbessern. 4. Hinsichtlich der Immobilien sind auch langfristig anstehende größere Investitionsmaßnahmen zu berücksichtigen. Dabei kann nicht allein der materielle Wert ausschlaggebend sein, sondern auch der ideelle: Was ist diese uns wert für die Realisierung des kirchlichen Sendungsauftrages? Kirchliche Finanzverwaltung darf nicht ausschließlich auf Gewinn- und Verlustrechnung abzielen. 5. Die rechtliche Ausgliederung vieler sozialer Einrichtungen war wegen des enormen Verwaltungsaufwandes und wirtschaftlichen Risikos unumgänglich, doch stellen sich folgende Fragen: 1. Kann die Kirche das, was sie finanzieren kann, auch noch vom Glaubensprofil her tragen? 2. Ermöglicht die Art der Bestellung der Führungskräfte die Beibehaltung des spezifisch kirchlichen Propriums? 3. Wie lässt sich der Gefahr begegnen, dass mit der rechtlichen Ausgliederung schleichend eine pastorale „Exemtion“ einhergeht?

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Diskussion über die Vorträge von Prof. Dr. iur. Michael Germann, Halle-Wittenberg, und Prof. Dr. theol. Rüdiger Althaus, Paderborn Diskussionsleiter: Prof. Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Althaus und Herr Germann. Diese beiden Vorträge waren insoweit interessant, als sie uns die jeweiligen kirchenrechtlichen Vorschriften, aber auch die Gegebenheiten vorgeführt haben. Da scheinen einige ganz interessante Diskussionspunkte zu liegen. Wir wollen nun mit der Diskussion beginnen. Ich habe bisher nur wenige Wortmeldungen und darf diesmal wieder bitten, dass die kirchlichen Finanzräte sowohl aus den Bistümern wie aus den Landeskirchen sich zu Worte melden, denn es gibt für die Professoren, die hier sind, nichts Interessanteres, als die Praxis zu hören, aus der man viel lernt. Es ist der Lohn für den Referenten, dass eine schöne Diskussion stattfindet. Herr Isensee fängt an. Prof. Dr. Dr. Josef Isensee, Bonn: Während des Zweiten Vaticanums machte ein Seminarist des Collegium Germanicum in Rom eine eigentümliche Beobachtung auf dem Petersplatz. Die Bischöfe der Dritten Welt fuhren in Bussen an, um zur Konzilsaula zu gelangen. Dagegen fuhren die Konzilsväter aus dem diaspora-geprägten, armen Deutschland in Karossen vor, die im Großraum Stuttgart gebaut waren, mit dem guten Stern auf dem Kühler. Als einer der deutschen Bischöfe nach langer Debatte zu seinem Wagen zurückkehrte, sah er, dass auf der Kühlerhaube – die von einer Schicht römischen Straßenstaubs bedeckt war – irgendjemand mit dem Zeigefinger geschrieben hatte: „Mercedem iam suam habent“ „Sie haben schon ihren Mercedes“. Das zum Reichtum der Kirche in Deutschland – eine Fußnote zu beiden Referaten. Ich darf aber doch noch eine andere, nicht ganz so heitere Geschichte aus einem niedersächsischen Bistum aus den 1950er Jahren anfügen. Der Bischof verwaltet eine Waisenhaus-Stiftung, der einige Landgüter gehören. Als bei einem Gut die Pachtverlängerung ansteht, fordert der Bischof einen exzessiv hohen Pachtzins mit der Begründung, dass er für die notwendigen Kirchenbauten in der Diaspora Geld brauche. Der Pachtvertrag wird jedoch wegen seiner wucherähnlichen Bedingungen von den staatlichen Behörden nicht genehmigt. Nach einem für alle geltenden Gesetz sind Landpachtverträge, auch solche kirchlicher Verpächter, genehmigungspflichtig. Der eigentliche Stein des Anstoßes besteht aber darin, dass der Bischof die Einkünfte der Stiftung nicht, wie es deren Zweck entsprechen würde, für den Unterhalt eines Waisenhauses, sondern für den Kirchenbau verwenden, also zweckentfremden will. Die strafrechtliche Frage: Ist das Untreue oder nicht? Immerhin dürfen die Erträge kirchlicher Einrichtungen nicht für beliebige kirchliche Ausgaben, und seien sie noch so gewichtig, verwendet werden. Wie gefährlich hier Unkorrektheit sein kann, zeigt der Fall Mixa. Als er im Visier der Enthüllungsjournalisten war, deckten diese die Fehlleistungen auf, die ihm vormals als Stadtpfarrer von Schrobenhausen bei der Verwaltung einer Waisenhausstiftung unterlaufen waren. Der Stifterwille wird selten die Beliebigkeit der Mittelverwendung decken. Das Kirchenrecht dürfte kaum eine Rechtfertigung leisten, wenn der Verantwortliche genötigt wird, die Zweckentfremdung der säkularen Öffentlichkeit zu erklären.

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Der ganze Bereich des kirchlichen Fiskalvermögens unterliegt keiner externen Kontrolle. Wenn sich die Kirche einer staatlichen Rechtsform bedient, etwa der einer Kapitalgesellschaft, wie im Fall Weltbild, so ist sie gezwungen, die Vorgaben des staatlichen Rechts einzuhalten. Sie darf nicht etwa aus moralischen Gründen die Kapitalgesellschaft in den Ruin treiben. Vielmehr muss sie dem Wohl der Kapitalgesellschaft dienen – das verlangt das Gesellschaftsrecht –, und sie kann ihren Einfluss nur innerhalb der Organe der Gesellschaft wahrnehmen. Die kirchlichen Eigner von Weltbild können nur im Rahmen und nach den Maßgaben des Gesellschaftsrechts Einfluss nehmen. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ein kircheneigenes Unternehmen auf dem Markt reüssiert. Weltbild hat das Wunder vollbracht. Wenn aber der Erfolg nun zum moralischen Problem gerät, dann kann eine Diözese als Gesellschafterin sich ihrer Verantwortung nicht dadurch entziehen, dass sie ihre Anteile dem Verband der Diözesen vor die Haustür wirft. Vielleicht war es zu Anfang ein Fehler, dass sich die Kirche auf ein wirtschaftliches Unternehmen eingelassen hat. Doch wenn sie das später als Fehler sieht, dann kann sie sich nicht ohne weiteres davonstehlen. Sie haftet aus vorangegangenem Tun, und sie trägt Verantwortung für die 6.000 Mitarbeiter. Im Übrigen vertut sie die Chance zu zeigen, dass kirchliche Unternehmensmoral und katholische Soziallehre praktikabel sind und zusammenfinden können. Wenn sie den Bettel hinwirft, stellt sie sich selbst ein Armutszeugnis aus. Auch befindet sich die Kirche nicht notwendig auf der moralisch besseren Seite, wenn sie aus Furcht, Fehler zu machen, ein Handeln unterlässt, als wenn sie eine sich bietende Chance nutzt und dafür ein Risiko eingeht. Der Vortrag enthält einen Satz, der jeden Juristen hier im Raum entzückt: dass nämlich die Aufsicht über eine Stiftung oder über ein kirchliches Fiskalat nicht mit dem Beaufsichtigten zusammenfallen darf. Damit verträgt es sich nicht, dass der Ortspfarrer und der Bischof dem Aufsichtsgremium angehören, auch nicht, dass kirchliche Angestellte im bischöflichen Dienst einem solchen Gremium angehören. Wie kann das Gremium in dieser Besetzung unabhängig und effizient Aufsicht üben? Im Übrigen hat auch der Staat in seiner Aufsicht über die Landesbanken versagt. Minister, die dem Aufsichtsgremium angehörten, mit halbem Ohr den Bericht der Vorsitzenden lauschten, gelangweilt in den Akten, die sie noch nie gelesen hatten, herumblätterten, die ganze Zeit an das Büfett nachher dachten, wunderten sich später, wieso es eigentlich zur Katastrophe hat kommen können. Für die Kirche sind unternehmerische Tätigkeiten noch gefährlicher als für den Staat, weil sie ihre moralische Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt. Eben deshalb sollte sie sich wenigstens um interne Transparenz und Kontrolle bemühen. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Isensee, für diesen Strauß von Fragen, die Sie aufgeworfen haben. Herr Winter, Sie sind nun an der Reihe. Prof. Dr. Jörg Winter, Karlsruhe/Heidelberg: Herr Germann, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann halten Sie einen Durchgriff der Landeskirche auf das Vermögen der selbstständigen Kirchengemeinden für möglich. Und Herr Althaus, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ist das im katholischen Bereich nicht möglich. Das hätte ich gerne noch etwas mehr erläutert. Ich habe gewisse Bedenken, ob das wirklich geht. Zwei-

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tens hätte ich gerne noch einmal an einem Beispiel erläutert, was eigentlich der Grundsatz des ethischen Investments bedeutet. Wo würden Sie sagen, gibt es in der Vermögensanlage ethische Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, und wo könnten die liegen? Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Winter. Wir haben jetzt eine Frage, die auf die Kontrolle zielt, und bevor ich jetzt den Referenten, die dazu sprechen wollen, das Wort erteile, möchte ich daran noch eine eigene Frage anschließen, die damit unmittelbar zusammenhängt, und zwar an Herrn Germann. Herr Germann, Sie haben in der These 2, wo es um Kontrolle geht, gesagt, eine staatliche Kontrolle sei im Interesse der politischen Akzeptanz des kirchlichen Umgangs mit Geld durchaus erstrebenswert. Ich habe mich daran, als ich die Thesen gestern schon gelesen habe, gestoßen und habe gedacht, ob das vielleicht irgendwie eine Rückkehr zum Staatskirchentum wäre und habe dann aber mit einer gewissen Befriedigung These 9 gelesen. Da geht es um die Handlungsform der Vermögensverwaltung und dort steht etwas zur Kontrolle durch Aufsicht, Prüfung und Rechnungswesen sowie Transparenzpflichten. Das habe ich so verstanden, dass es hier nur um die innerkirchliche Aufsichtprüfung usw. geht. Darauf würde ich ganz gerne, wenn Sie gleich antworten, auch noch eine Antwort haben. Jetzt haben zunächst die Referenten das Wort. Sie zuerst, Herr Althaus, und dann Herr Germann. Prof. Dr. Rüdiger Althaus, Paderborn: Ich darf bei Ihnen beginnen, Herr Winter. Sie haben mich völlig richtig verstanden. Eigentümer ist die entsprechende Rechtsperson; eine Enteignung ist nach Kanonischem Recht nicht möglich. Es wäre zwar denkbar, dass aufgrund des Jurisdiktionsprimates letztlich der Papst in Rom diesbezüglich tätig werden könnte, aber das halte ich eher für eine rechtstheoretische Überlegung. Der Bischof hätte höchstens die Möglichkeit, aufgrund der Kirchensteuerzuweisung an die einzelnen Gemeinden korrigierend tätig zu werden. Aber er hat nicht die Möglichkeit, unmittelbar auf deren Vermögen zuzugreifen. Herr Kollege Isensee, vielleicht eine kleine Korrektur: Der Pfarrer, der dem Kirchenvorstand angehört, ist nicht Aufsichtsorgan, sondern er ist Mitglied in diesem Verwaltungsorgan. Er ist einer unter ihnen, und als Vorsitzendem kommen ihm darüber hinaus lediglich die Präsidialrechte zu und gegebenenfalls ein dirimierendes Stimmrecht bei Sachentscheidungen. Die Aufsicht liegt beim Ordinariat, sprich auf der diözesanen Ebene. Ansonsten haben Sie die Finger in eine ganze Reihe von Wunden gelegt. Zunächst einmal stimme ich Ihnen voll und ganz zu, dass die Grundprinzipien der katholischen Soziallehre – auch beispielsweise für „Weltbild“, aber nicht nur – zu beachten sind. Can. 1286 CIC schreibt ausdrücklich vor, dass diese Prinzipien auf jeden Fall gelten, auch wenn es sich nicht um Rechtsvorschriften handelt. In einer früheren Redaktionsstufe des CIC war sogar davon die Rede, dass der kirchliche Vermögensverwalter bestrebt sein sollte, die Sozialstandards zum Besseren für den Arbeitnehmer hin anzuwenden. Warum das nun im konkreten Fall mit „Weltbild“ so anders gelaufen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Der äußere Eindruck – mehr nicht – ist, dass

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den Bischöfen die Sache ganz kurzfristig zu heiß geworden ist und sie dann – wie Sie so schön anschaulich gesagt haben – dem VDD die Sachen vor die Füße geworfen haben. Das allerdings entspricht nicht der Sorgfalt eines kirchlichen Vermögensverwalters. Wer sich in eine bestimmte Sache hineinmanövriert, muss auch versuchen, verantwortlich wieder aus dieser herauszukommen, auch wenn er sich dabei der Hilfe beispielsweise des Verbandes der Diözesen Deutschlands bedient, aber nur im Sinne von flankierenden Maßnahmen. Die Verantwortung liegt zunächst einmal bei denen, die die Sache „eingebrockt“ haben. Zustimmen kann ich Ihnen – Sie haben diese Sache mit der Stiftung angesprochen –, dass da einiges schief gelaufen ist. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ging es praktisch um eine Art Waisenhausstiftung. Die Stiftungserträgnisse, auch aus entsprechenden Pachten, sind für diese Stiftung zu verwenden. Der Bischof scheint jedoch die Erträge zweckentfremdet zu haben, indem er mit diesen neue Kirchen baute; aber dafür ist das Stiftungsvermögen nicht da. Der Stifterwille hat im Kanonischen Recht eine eminent hohe Bedeutung. Davon kann auch ein Bischof nicht dispensieren. Ob das strafrechtlich als Veruntreuung zu bewerten ist, ist eine andere Sache, aber es handelt sich ganz klar um eine zweckwidrige Verwendung der Stiftungserträgnisse. Zum nächsten Punkt: Ich setze nach wie vor auf eine gediegene Aufsicht, die geeignet ist, vieles tatsächlich auch zu verhindern. Allerdings muss ich auch sagen: Die heutige Struktur, so wie sie sich faktisch darstellt, ist mitunter unzureichend, weil man sich in manchen Bereichen im Grunde selber beaufsichtigt. Wenn es ein Gremium von wirtschaftlichen und zivilrechtlichen Experten gibt, das nicht unmittelbar dem Bischof weisungsgebunden ist, dann besitzt dieses eine wesentlich größere Unabhängigkeit, um eine Maßnahme des Bischofs zu beurteilen, als wenn es sich um Personen handelt, die ansonsten während ihrer Arbeitszeit dem Bischof weisungsgebunden sind. Hier ist sicher notwendig, dass in Zukunft Entzerrungen vorgenommen werden. Ich danke dem Kollegen Hierold, der mich in der Pause darauf angesprochen hat: „Sie haben aber Bayern nicht erwähnt.“ Das hängt nicht mit „preußischer Ignoranz“ zusammen, sondern mit der Schwierigkeit eines auf vierzig Minuten begrenzten Vortrages. Die bayerischen Diözesen haben eine Symbiose von Kirchensteuerrat und diözesanem Vermögensverwaltungsrat vorgenommen. Anders ausgedrückt: Der Kirchensteuerrat als gewähltes Gremium übernimmt die Aufgaben des diözesanen Vermögensverwaltungsrates. Das wurde nach Inkrafttreten des Codex 1983 zunächst ad experimentum umgesetzt, hat inzwischen aber – wenn ich es richtig überblicke – insgesamt eine solide und bewährte Struktur, wobei man natürlich darauf achten muss, dass die vom CIC vorgegebenen Bestellungsmodalitäten beachtet werden. Aber insgesamt handelt es sich dabei eher um eine Marginalie. Prof. Dr. Michael Germann, Halle-Wittenberg: Ja, Herr Starck, erstrebenswert sind Seriosität und Transparenz von kirchlichem Finanzgebaren. Keineswegs erstrebenswert ist es, dass der Staat das einfordert. Das wäre ein Missverständnis. Subjekt des Hauptsatzes sind Seriosität und Transparenz des Finanzgebarens; diese sind wünschenswert um der Akzeptanz willen. Das heißt, wenn ich sage, die Seriosität und Transparenz kann nicht vom Staat eingefordert werden, will ich nicht gesagt haben, dass es nicht sehr sinnvoll für

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die Kirche ist, über das Geforderte hinauszugehen und Erwartungen entgegenzukommen, die über die staatlich auferlegten Pflichten hinausgehen – und zwar um der öffentlichen Akzeptanz willen. Das ist gemeint. Dass da kein Missverständnis ist, ist mir wichtig. Herr Winter fragt nach dem Durchgriff der Landeskirche auf kirchengemeindliches Vermögen. In der Tat meine ich, dass es im evangelischen Kirchenrecht nach dem geltenden Kirchenverfassungsrecht anders ist, als Herr Althaus es eben für die katholische Seite dargestellt hat. Ich meine, dass es keinen absoluten Schutz des kirchengemeindlichen Vermögens gegen landeskirchliche Zugriffe gibt. Es kommt auf die Form an. Ich stelle mir natürlich nicht einen beliebigen Zugriff im Wege der Vermögensverwaltung vor, so dass man hier und da mal etwas wegnimmt, sondern ich stelle mir etwa ein Kirchengesetz vor, das den Gemeinden bestimmte Zugriffe auf ihr Vermögen auferlegt. Es gibt unter den Kirchengemeinden ja die Erwartung: Was der Kirchengemeinde gehört, gehöre der Kirchengemeinde und niemand könne da heran; das Selbstverwaltungsrecht der Kirchengemeinde schütze absolut vor der Landeskirche. Gerade die juristischen Laien sind dann enttäuscht, wenn es einen Gesetzesvorbehalt gibt. Ich beziehe mich eigentlich auf diesen Gesetzesvorbehalt, gerade so auch im Sinne der Entscheidung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der VELKD1, wonach das Selbstverwaltungsrecht der Kirchengemeinde eben nicht absolut davor schützt, dass die Landeskirche die Erträge des Pfründevermögens zentralisiert. Dass dann dieser gesetzliche Zugriff auf das Vermögen wiederum Begrenzungen unterliegt, ist damit unbestritten. Das ist die Wirkung des Selbstverwaltungsrechts der Kirchengemeinden, das ja in vielen Kirchenverfassungen inzwischen auch ausdrücklich garantiert ist. Wie dann dieser Schutz moderiert ist, darüber wäre zu diskutieren. Es liegt vielleicht nahe, es so wie im staatlichen Bereich zu machen und in den Formeln des Verhältnismäßigkeitsprinzips Grenzen darzustellen. Man kann auch an das Subsidiaritätsprinzip denken. Das ist in gewisser Weise leistungsfähig, aber kein absoluter Schutz. Das möchte ich hier bestätigen. Sie fragen nach Kriterien für die ethische Nachhaltigkeit. Ich kann mich da nur beziehen auf das, was im Leitfaden der EKD ausgeführt ist. Dort wird versucht, in weicher Form – das wird auch betont: es sind keine harten Kriterien, sondern „Leitlinien“ – Ausschlusskriterien und Positivkriterien für Investments zu formulieren. Ein Beispiel für einen Ausschluss von Unternehmen wären diejenigen Unternehmen, die kontroverse Formen des Glückspiels betreiben oder gentechnisch verändertes Saatgut herstellen, oder welche die Herstellung von Rüstungsgütern übernehmen. Dann sind Investments in Staaten, die die Todesstrafe praktizieren, ausgeschlossen. Als Beispiel für Positivkriterien sind „sozialverträgliche“, „ökologische“ und „generationengerechte“ Unternehmen zu nennen. Es wird deutlich, dass das Kriterien sind, über die man jeweils streiten muss. Warum soll gentechnisch verändertes Saatgut absolut schlecht sein? Ich meine, dass darüber auch gestritten werden kann und gestritten werden muss und dass das Kirchenrecht Entscheidungen darüber nur mit solchen Kriterien bereitstellen kann, die von einer Synode in Rechtsform gegossen werden – zum Beispiel

1

Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD, Beschluss vom 22.10.2010 – RVG 4/2010, RVG 5/2010, ABl. EKD 2011, Rechtsprechungsbeilage, S. 25–27.

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in gesetzliche Richtlinien über die Anlage des Vermögens mit der Wirkung, dass die Betreuer des Vermögens daran rechtlich gebunden werden und sich davor dann zu rechtfertigen haben. Eine von solchen gesetzlichen Konkretisierungen unabhängige Rechtsbindung kann mit dem Grundsatz der „ethischen Nachhaltigkeit“ nicht gemeint sein. Dann, Herr Isensee, vielen Dank für die Frage nach dem strafrechtlichen Zugriff, dem Hineinwirken durch das Strafrecht auch in die internen Verantwortlichkeiten der Kirche. Ich möchte die Frage so beantworten, dass das Strafrecht tendenziell ja die Kirche und das kirchliche Vermögen vor Veruntreuung und Pflichtverletzungen schützt. Die Kirche ist hier als Opfer einer Straftat im Blick, wenn man es so scharf ausdrücken möchte, und der Staat verschafft hier gerade den kirchenrechtlichen Pflichten dadurch Wirkung, dass er sie strafrechtlich sanktioniert. In einem Fall, in dem das Verhalten des Verantwortlichen den kirchlichen Entscheidungen entspricht, in dem er also treu nach kirchlichen Kriterien gehandelt hat, würde ich es für problematisch halten, wenn der Staat dann seine strafrechtlichen Tatbestände anders auslegt. Das wird man von Tatbestand zu Tatbestand verschieden darstellen müssen. Beim Tatbestand der Untreue haben wir es immer mit bestimmten Pflichten zu tun, in die das Selbstbestimmungsrecht der Kirche einfließt, und gegen den expliziten Willen der Kirche wird der Staat hier nicht strafrechtlich sanktionieren, was ja von der Kirche gewollt ist. So möchte ich die Frage beantworten. Dann möchte ich auch noch eine Mercedes-Geschichte erzählen. Während meines Praktikums in meiner Studienzeit, beim Oberkirchenrat in Stuttgart, hat mich der für mich zuständige Kirchenjurist zu einem Konfliktgespräch auf die Schwäbische Alb mitgenommen in eine Gemeinde, wo der Kirchengemeinderat und der Pfarrer einen Konflikt hatten. So sind wir im Dienstwagen auf der A 81 in die Schwäbische Alb gebraust, und da habe ich gefragt: Wie kommt denn das an bei so einer Kirchengemeinde auf der Schwäbischen Alb, wenn da jetzt der evangelische Oberkirchenrat mit der Mercedes-Karosse auftaucht (anders als der Oberkirchenrat, der mich vorher betreut hatte, der mit seinem klapprigen Golf zur Vikarsunterrichtung gefahren ist)? Da hat er gesagt: Zweierlei. Erstens: Die haben alle selber einen Mercedes. Das ist das eine. Zweitens: Die wären beleidigt und fühlten sich missachtet, wenn der aus Stuttgart kommende Oberkirchenrat nicht mit entsprechendem Aplomb aufträte. Das ist eine andere Variante des Themas „Kirche und Mercedes“. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Althaus wollte noch eine Ergänzung machen. Prof. Dr. Rüdiger Althaus, Paderborn: Eine Ergänzung, Herr Winter, zur Anfrage bezüglich der Eigentumsgarantie, wie ich es jetzt einmal nennen möchte: Unbeschadet dieser Eigentumsgarantie durch das Kanonische Recht hat der Bischof allerdings die Möglichkeit, dass er eine Steuer erheben kann, auch eine Notabgabe für den Fall eines außerordentlichen Notstandes. Das ist aber gerade keine Enteignungsmaßnahme, sondern eine allgemeine Steuer, die auch nur maßvoll und unter ganz bestimmten Umständen erhoben werden darf. Dies aber ist von einer Enteignung zu unterscheiden.

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Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, ich habe jetzt sechs Wortmeldungen, es ist hier lebendig geworden. Ich fange an mit Herrn Haering und Herrn Thiele. Prof. Dr. Dr. Stephan Haering, München: Es trifft sich gut, dass ich erst nach Herrn Winter zu Wort komme, denn jetzt kann ich auch noch etwas beitragen zu der Frage der Möglichkeit einer Enteignung. Es erinnern sich sicherlich noch viele hier im Raum an das Desaster, das der Deutsche Orden vor gut zehn Jahren angerichtet hat. Bei dieser Gelegenheit wurde zur Wiedergutmachung dann doch so etwas wie eine päpstliche Enteignung durchgeführt, nämlich bei den „armen Verwandten“, bei den Ordensschwestern des Deutschen Ordens. Diese mussten dann zum Teil mit ihrem Vermögen für die Schäden, die durch den Kollaps dieses Gesundheitskonzerns des Deutschen Ordens entstanden sind, haften. Aber meine eigentliche Frage bezieht sich auf etwas anderes, auf den Beitrag des Kollegen Althaus. Zu Beginn des dritten Abschnitts war die Rede vom Patrimonium stabile, einer Institution des Kanonischen Rechts, die sicherstellen soll, dass juristische Personen langfristig ihre Existenzfähigkeit und Handlungsfähigkeit behalten. Ist denn das Patrimonium stabile bzw. das frei verfügbare Vermögen korrespondierend dazu, das Patrimonium liberum, wirklich in den juristischen Personen in der Kirche eingerichtet? Oder ist das nur eine Institution des Kanonischen Rechts, das in der Praxis dann doch keine Rolle spielt? Meine Frage richtet sich eigentlich weniger an den Kollegen Althaus, der die Dinge ja auch in erster Linie akademisch betrachtet, sondern eher an die Praktiker des kirchlichen Finanzwesens in den Diözesen. Gibt es Zuschreibungen von Vermögenswerten zum Patrimonium stabile, zum Stammvermögen, während das übliche Vermögen dann eben das frei verfügbare Vermögen ist? Das würde mich interessieren, ob diese Vorschrift des Kanonischen Rechts tatsächlich greift. Seit vielen Jahren benutze ich jede Gelegenheit danach zu fragen. Hier ist ein relativ großes Auditorium von Fachleuten da und ich hoffe, dass ich heute eine Antwort bekomme. Vielen Dank. Dr. Christoph Thiele, Hannover: Mir scheint, dass meine Frage da sehr gut anknüpfen kann. Ich wollte mich nämlich nach einem anderen Grundsatz erkundigen, der offensichtlich in die gleiche Richtung geht und wo ich seit langer Zeit gerne klare Definitionen haben möchte. Insofern richtet sich die Frage an beide Referenten. Es geht mir um den Unveräußerlichkeitsgrundsatz. Der ist nur kurz in einem Nebensatz bei Herrn Germann angesprochen worden, aber es war von Kirchendienlichkeit oder Nichtdienlichkeit, von Nachhaltigkeit viel die Rede, von Erhaltung und Mehrung des Vermögens. Was besagt der Unveräußerlichkeitsgrundsatz in diesem Zusammenhang wirklich? Wo sind Differenzierungen zu treffen? Wo sind Grenzen? Geht es um Mobilien oder Immobilien? Müssen die unterschiedlich behandelt werden? Ich wäre dankbar, wenn wir eine fußnotenkräftige Äußerung für den Tagungsband erhalten könnten. Danke.

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Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank. Herr Kirchhof, bitte. Professor Dr. Dr. Paul Kirchhof, Heidelberg: Das Ziel, Vermögen zu erhalten und zu mehren, ist allgemein einsichtig. Doch was bedeutet das für die kirchliche Vermögensverwaltung? Das Stammvermögen müssen wir mündelsicher anlegen. Wenn der Staat nun bestimmt, mündelsicher sei das AAA der Ratingagenturen, wissen wir nicht selten, dass schlechte Papiere so geratet werden, weil die Ratingagenturen von den Emittenten abhängig sind. Was tut die Kirche? Hält sie dagegen, löst sie sich in ihrer eigenen Anlagepolitik von den Bewertungen der Ratingagenturen, klärt sie Staat und Öffentlichkeit auf, dass diese Maßstäbe oft die Mündelsicherheit nicht mehr gewährleisten? Herr Germann, ich finde Ihre Grundsätze überzeugend. Doch wie verhält sich die Kirche, wenn sie in einem Fonds anlegt? Beim Fonds gilt die Bedingung, dass der Anleger nicht weiß, womit er sein Geld verdient. Er kann überhaupt nicht abschätzen, ob er seine schöne Rendite erwirtschaftet, weil mit seinem Kapital Weizen oder Waffen produziert werden. Fragt er den Fondsmanager, verweist dieser schlicht darauf, das sei Geschäftsgeheimnis. So organisieren wir rechtlich eine Nichtverantwortlichkeit, eine Gefährdung des Privateigentums. Der Anleger kann den Einsatz seines Kapitals nicht verantworten, weil er nicht weiß, was mit seinem Geld geschieht. Darf die Kirche ihr Geld so anlegen? Eine weitere Frage: Darf eine Kirchenbank ihren Kunden eine solche Anlage vermitteln, obwohl sie nicht weiß, ob durch ihre Tätigkeit Krankenhäuser oder Kriege finanziert werden? Der Anlageberater verweist auf die hohe Rendite, die „man sonst nirgendwo erreiche“. Doch der Ertrag rechtfertigt nicht jede Form der Ertragserzielung. Darf die Kirche von Zweckgesellschaften Pakete kaufen, in denen 10.000 Forderungen gebündelt sind, von denen 5.000 unsolide sind? Im Finanzmarkt wählen wir Finanzanlagen, die das Nichtwissen als Geschäftsprinzip voraussetzen. In diesen Fragen müssen wir unsere Maßstäbe wohl klar verdeutlichen. Darf der kirchliche Anleger auf den Untergang eines Unternehmens oder eines Staates spekulieren, wenn er weiß, dass höhere Erträge nur gezahlt werden, wenn ein Unglück eintritt? Darf der kirchliche Anleger sich gegen den Untergang eines Unternehmens oder eines Staates versichern, wenn er selbst dabei kein Risiko trägt, wenn er weiß, dass andere Anleger darauf hinwirken, dass dieser Untergang sich tatsächlich ereignet? Es wäre hilfreich, wenn wir unsere elementaren Maßstäblichkeiten noch ein wenig in die Realität unseres heutigen Finanzmarktes hineinführen und dort verfeinern würden. Dann könnte der Finanzmarkt wohl viel lernen, die Kirchen in ihren Maßstäben gescheiter werden. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank. Das sind jetzt drei Wortmeldungen. Jetzt haben die Referenten wieder das Wort. Diesmal fangen wir mit Herrn Germann an. Prof. Dr. Michael Germann, Halle-Wittenberg: Ich beginne mit der Frage nach der Unveräußerlichkeit des Vermögens – ohne dass ich versprechen kann, dass es jetzt wirklich etwas für die Fußnoten gibt.

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Denn ich habe auch keine allgemeine Antwort oder Definition der Grenzen, die das Prinzip der Unveräußerlichkeit zieht. Zunächst meine ich, dass Unveräußerlichkeit etwas mit Funktionsschutz zu tun hat. Das bedeutet: Bei einem Vermögensgegenstand, dessen Funktion darin besteht, Erträge abzuwerfen, heißt Unveräußerlichkeit, dass nicht alles als Kapital „flüssig gemacht“ wird. Das kann aber bedeuten, dass es zulässig und vielleicht sogar geboten ist, dieses Vermögen so umzuschichten, dass die gegenwärtig erzielten Erträge auch künftig erzielt werden können, was gefährdet wäre, wenn man an einem Stück festhält. Das wäre ein konkreter Funktionsschutz, nicht irgendeine Art gegenständliche Sicherung, nicht ein Siegel auf eine bestimmte Sache. Im Übrigen, meine ich, wäre hier wieder das Kirchengesetz gefragt, um das weiter zu konkretisieren. Ohne eine solche Konkretisierung bleibt die Unveräußerlichkeit ein Programmsatz, der im Falle von Ermessensspielräumen so oder so ausgefüllt werden kann. Dort, wo es kein Ermessen gibt, zum Beispiel bei der bloßen Rechtsaufsicht, kann dann mit dem Prinzip der Unveräußerlichkeit insoweit nicht gearbeitet werden. Zur Frage nach der ethischen Nachhaltigkeit und nach den Leitsätzen der EKD: Ich bin sicher nicht der beste Verteidiger dieser Leitsätze, aber einige Antworten auf Ihre Fragen sind in dieser Leitlinie enthalten. Sie fragen nach ethischen Kriterien unter Bedingungen der Unübersichtlichkeit und des Nichtwissens bei Paketen, wie zum Beispiel Fonds. Hierzu wird im Leitfaden darauf hingewiesen, dass es zunehmend Fonds auf dem Markt gibt, die eine Anlage nach ethischen Grundsätzen versprechen, und dass solche Fonds auch eine gute Wahl für das ethische Investment sind. Man kann es auch in ein Negativkriterium umsetzen und sagen: Die Investition in einen Fonds, bei dem man nicht weiß, was passiert, ist auf der Negativliste. Und das gleiche könnte – so meine ich – auch für die anderen Paketformen, die Sie zitiert haben, gelten. Man sagt also: Das ethische Investment in ein Produkt, dem die Transparenz über die Verwendung des Kapitals fehlt, ist unzulässig. Das Nächste ist dann die Kirchenbank. Ich bin nicht einmal so sicher, inwieweit Kirchenbanken im Privatkundengeschäft tätig sind. Aber das wäre nach ähnlichen Kriterien zu beurteilen. Die nächste Frage, die sich stellt, ist die Frage nach dem Umgang mit Zielkonflikten. Zu einem Problem wird diese Frage ja nur, wenn ich mich entscheiden muss zwischen einem ethisch nachhaltigen Investment und Rendite. Die Leitlinien legen natürlich großen Wert darauf zu sagen: Die Erfahrungen sprechen gar nicht dafür, dass es immer diesen Zielkonflikt gibt, sondern das ethische Investment ist genauso rentabel wie das andere. Aber wir können uns leicht vorstellen, dass es Konflikte gibt, und da wird dann abzuwägen sein. Letztlich hat nach diesen Kriterien das ethische Investment den Vorzug vor einem rentableren, aber zweifelhaften Investment zu erhalten. Prof. Dr. Rüdiger Althaus, Paderborn: Herr Kollege Kirchhof, mit der Mündelsicherheit haben Sie einen neuralgischen Punkt angesprochen. Im Vorfeld dieses Vortrages habe ich mich noch einmal kundig gemacht, ob das tatsächlich heute noch in Bankerkreisen ein Begriff ist. Interessanterweise hält man an dieser Begrifflichkeit fest, obwohl – rein ökonomisch betrachtet – langfristig dadurch das Kapital zumindest ab-

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nimmt oder ganz verschwindet. Es ist heutzutage eine große Schwierigkeit, Anlageformen zu finden, die geeignet sind, zwei Dinge zu gewährleisten: Zum einen den Erhalt der ökonomischen Grundausstattung unter Berücksichtigung des Inflationsausgleiches samt des Erbringens angemessener Erträge, zum anderen die Beachtung der ethischen Verantwortung aufgrund des Typs der Anlageform. Meines Erachtens wird es in den nächsten Jahren notwendig sein, mit Finanzfachleuten – vielleicht nicht unbedingt alle unmittelbar aus dem Bankgewerbe, weil diese möglicherweise eigene Interessen verfolgen könnten – in aller Ruhe abzuwägen, welche Anlageformen heute unter dem alten Begriff der Mündelsicherheit – der dann analog zu interpretieren wäre – gefasst werden können. Wir haben in den letzten zehn, fünfzehn Jahren ein ziemliches Auf und Ab der Anlageformen erlebt, so im Aktienbereich die verschiedenen Börsencrashs; vor rund zehn Jahren war die Anlage in Immobilien völlig out, heute feiert diese wieder fröhliche Urständ. Daher wird man in aller Ruhe die verschiedenen Formen prüfen müssen mit dem Fokus: Was gewährleistet tatsächlich, dass einer juristischen Person finanzielle Ressourcen kurz-, mittel und langfristig zur Verfügung stehen? Zum Patrimonium stabile: Sicher besteht heutzutage mitunter eine große Schwierigkeit darin, dass – nach meiner Kenntnis – die bischöflichen Behörden kaum ein Vermögensstück ausdrücklich als dem Stammvermögen zugehörig kennzeichnen. Bis zum Codex von 1983 sah das Recht eine solche ausdrückliche Zuweisung auch gar nicht vor, sondern ein Gegenstand, der aufgrund seiner Struktur geeignet war, langfristig die wirtschaftliche Basis einer juristischen Person zu sichern, galt automatisch als dem Stammvermögen zugehörig. Heutzutage wäre es sicher hilfreich und notwendig, bei Vermögenszuwächsen in jedem Einzelfall zu kennzeichnen, ob es sich um Stammvermögen handelt oder nicht. Eine kleine Hilfestellung für die Zuordnung eines bereits vorhandenen Vermögensstückes kann dennoch das Vermögensverzeichnis geben: Einige Diözesen unterscheiden zwischen einem normalen Inventarverzeichnis und einem sogenannten Lagerbuch. Letzteres führt solche Sachen – sprich Immobilien, Mobilen, geldwerte Rechte – auf, die quasi „für Ewigkeiten“ dem Rechtsträger dienen sollen. „Für Ewigkeiten“ – da hatten wir eben das Stichwort Veräußerung. Das alte kanonische Veräußerungsverbot, das immer wieder durch die Fachliteratur geistert, hat es in dieser Weise zumindest in den letzten Jahrhunderten nicht gegeben, sondern eine Veräußerung war immer möglich, nur an besondere Genehmigungen gebunden, sodass sie nicht leichtfertig vorgenommen werden konnte. Im Mittelalter kam noch eine andere Dimension hinzu: Nehmen wir als Beispiel einen Wald, welcher der Mutter Gottes gewidmet, oder einen Acker, der dem heiligen Petrus zugeeignet war. Da dachte man: Man kann der Mutter Gottes oder dem heiligen Petrus diesen nicht einfach wieder wegnehmen. Das Veräußerungsverbot hatte also auch eine geistliche Basis. Solches steht im Kanonischen Recht heutzutage nicht mehr zur Debatte. Es geht nur darum, dass der Vermögenswert erhalten bleibt; allerdings besteht bei der Veräußerung von Immobilien mitunter die Schwierigkeit, dass diese nur unter Preis, unter dem normalen Wertgutachten veräußert werden können, weil in der aktuellen Situation der Markt, der Zuschnitt oder die Lage des Grundstückes nicht mehr hergeben.

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Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Jetzt habe ich noch vier Wortmeldungen und ich würde damit die Liste schließen. Zunächst werden zwei Ausländer sprechen und vermutlich aus ihren Ländern berichten. Das ist einmal Herr Horak, dann ist Frau Roca an der Reihe. Herr Horak kommt aus Prag, Frau Roca kommt aus Madrid. Danach kommen noch zwei Praktiker zu Wort. Herr Horak, bitte. Dr. Záboj Horák, Prag: Ich möchte jetzt kurz über die neueste Entwicklung der Kirchenfinanzierung in Tschechien berichten. Die Tätigkeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Tschechien ist teilweise von Spenden und Beiträgen der Mitglieder finanziert, teilweise von Gemeinden, die zum Beispiel Reparaturen von Kirchengebäuden mitfinanzieren, zuletzt aber auch vom Staat. Der Staat finanziert die theologischen Fakultäten an öffentlichen Universitäten oder Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, daneben auch Militär- und Gefängnisseelsorge. Die Spezialität des tschechischen Staatskirchenrechts ist – wie auch etwa in Belgien –, dass die Löhne von Priestern, Pastoren und Pastoralassistenten und auch ein Teil des Sachaufwands direkt vom Staatsbudget finanziert werden. Es wird als Ersatz für verstaatlichtes Kirchenvermögen aus der kommunistischen Zeit angesehen. Jetzt befindet sich im Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik ein Gesetzesentwurf der Regierung. Dieser Entwurf wurde aufgrund eines Abkommens mit siebzehn Kirchen, also unter anderem auch mit der Katholischen Kirche, der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder und der Föderation der Jüdischen Gemeinden gefertigt. Nach diesem Gesetzesentwurf soll ein Teil der Immobilien vor allem an die katholischen Orden, Diözesen und weitere juristische Personen der Katholischen Kirche zurückgegeben werden. Ein Ersatz für dieses Eigentum soll ausgezahlt werden an die siebzehn Kirchen und zwar im Horizont von dreißig Jahren. Die ersten drei Jahre bleiben die Staatsleistungen, also die Leistungen für die Priester und Pastoren, auf dem jetzigen Niveau, danach werden sie jedes Jahr um fünf Prozent gesenkt. Diese Übergangsperiode dauert siebzehn Jahre. Vielen Dank. Prof. Dr. Dr. María J. Roca, Madrid: Herzlichen Dank an die beiden Referenten. Ich möchte mich jetzt an Herrn Althaus wenden. Ich interessiere mich für die Kontrolle der Verwaltung des kirchlichen Vermögens, weil ich heute von Ihnen gelernt habe, dass es in Deutschland eine Ausnahme von dem gibt, was im CIC steht. Bei uns in Spanien ist es vielleicht anders. Die Spanische Bischofskonferenz hat von can. 1277 CIC Gebrauch gemacht und ein Generaldekret2 erlassen, welches die Grenze der außerordentlichen Verwaltung zieht. Diese Grenze ist relativ niedrig.3 Das

2

3

Art. 16 § 1 Zweites Generaldekret, in Boletín Oficial de la Conferencia Episcopal Española, Num. 6, 1985, S. 4 in Verbindung mit Art. 14 Erstes Generaldekret, in Boletín Oficial de la Conferencia Episcopal Española, Num. 3, 1984, S. 103. Minimum 150.000 Euros und Maximum 1.500.000 Euros gemäß der letzten Aktualisierung in Boletín Oficial de la Conferencia Episcopal Española, Num. 78, 2007, S. 3.

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heißt: Man muss im Bereich des Vermögens sehr oft eine Genehmigung bekommen und einen Verwaltungsakt erlassen. Dazu kommt: Die spanischen Bischöfe halten sich an das, was im CIC über res pretiosae (can. 1292 § 2 und can. 638 § 3) und res sacrae (can. 1270) steht. Das heißt: Man braucht ab und zu eine Genehmigung des Heiligen Stuhls. Insofern kann man festhalten: Über den Bischöfen steht der Heilige Stuhl und die Bischofskonferenz und unterhalb der Bischöfe steht das Konsultorenkollegium und auch der Diözesanvermögensrat, selbst wenn diese beide Diözesankollegien vom Bischof ernannt sind. Ich weiß nicht, ob es in Deutschland auch so ist. Vielen Dank. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Frau Roca. Jetzt haben wir noch zwei Praktiker, zuerst Herr Himmelsbach. Michael Himmelsbach, Freiburg: Mich hat vorhin der Begriff der Mündelsicherheit umgetrieben. Sie haben es eben ja auch schon gesagt. Wenn Ihnen jemand das heute verkaufen möchte, müssen Sie sehr aufpassen, weil derjenige Ihnen eine Illusion verkauft. Es gibt keine Sicherheit mehr, das haben wir gelernt. Nur was heißt das nun? Wir müssen ja trotzdem etwas tun, wenn wir für die Verwaltung eines Vermögens verantwortlich sind. Das kann ja nicht heißen, dass wir jetzt aus den Gründen von Vermögenserhaltung, Vermögensmehrung machen dürften, was immer geht; denn es geht sehr viel. Wir müssen neue Kriterien finden. Was ist ausreichend sicher und hat trotzdem noch Ertrag? So etwas kann ich nur finden, indem ich sehr viele Segmente nebeneinander stelle. Dann muss ich mir ein Instrumentarium selbst erarbeiten. Wenn ich jetzt auf mich als Person schaue, kann ich das nicht alleine tun, dann brauche ich die entsprechenden Gremien und die Personen in diesen Gremien, welche die Verantwortung für solche Entscheidungen übernehmen, weil das nirgends mehr vorgegeben ist. Man muss sich das selbst überlegen – und da schließt sich dann wiederum der nächste Kreis: Was ist eine nachhaltige, was ist eine ethisch vertretbare Geldanlage? Das kann ich auch nicht von der Stange kaufen. Da gibt es vieles von der Stange, aber was da drin ist, ist durchaus unterschiedlich. Ob ich mit diesem im Detail einverstanden bin, ist eine andere Frage, ist sorgfältig zu prüfen. Ich nehme jetzt auch als Beispiel wieder das vorhin schon mehrfach zitierte Sternchen auf dem Kühler. Darf ich in Daimler investieren? Daimler hat einen gewissen Rüstungsanteil, das ist nicht wegzudiskutieren. Auf manchen Unimog, den Daimler nicht als Rüstungsgut baute, baut irgendjemand irgendwann später einmal eine Geschützlafette darauf. Durfte ich in Daimler investieren, als sie noch höhere Anteile an MTU und ähnlichen Beteiligungen hatten? Auf der anderen Seite fährt man die Autos in Baden-Württemberg und auch darüber hinaus ja überall, man kauft ja auch deren Produkte. Darf ich deswegen die Aktien nicht kaufen? Man muss weiter berücksichtigen: Die vielen Katholiken, die bei Daimler arbeiten, die vielen Kirchensteuern, die da erwirtschaftet werden. Es ist nicht nur schwarz und ganz weiß. Schwarz oder weiß wird es in dem Bereich vermutlich sehr selten geben.

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Noch einmal: Wenn ich die Kriterien ernst nehme und sage: Ein geringer Anteil Rüstung verbietet mir eine Investition in einen Titel, dann darf ich auch keine Staatsanleihe mehr kaufen, weil die Staaten – und zwar auch die Bundesrepublik – einen nicht unerheblichen Anteil dessen, was wir als Kredit an die Staaten geben, indem wir deren Staatstitel kaufen, für Rüstungsausgaben verwenden. Es ist nicht leicht, aber wir müssen dann, wenn nichts vorgegeben ist, vieles selbst überlegen und müssen dann dafür einstehen können. Zuletzt müssen wir auch von den Gremien die Rückendeckung bekommen für das, was wir tun. Wir hatten heute früh allerdings noch die Frage: Sind wir eine reiche Kirche? Herr Germann, Sie haben eine Addition aufgemacht: Ich glaube nicht, dass wir diese Frage nach dieser Addition beurteilen können. So lange wir als Kirche in der Breite, in der wir heute tätig sind, von Verkündigung bis zum diakonischen und caritativen Bereich präsent sein können, indem wir das theoretisch begleiten, indem wir Fachberatung anbieten, indem wir Konzepte weiterentwickeln, indem wir innovativ für die Versorgung der Menschen vordenken und vorarbeiten können, indem wir kulturell so präsent sein können, indem wir einen historisch und künstlerisch wertvollen Gebäudebestand so erhalten können, wie wir es jetzt tun, und wenn wir über Buchführung und Rechnungswesen noch dafür sorgen, dass wir keine Lasten in die Zukunft verschieben, dann führt unter dem Strich an der Erkenntnis, dass wir jedenfalls noch eine reiche Kirche sind, eigentlich kein Weg vorbei. Danke schön. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Himmelsbach. Wir haben jetzt nur noch wenig Zeit. Ich bitte Herrn Post, sich kurz zu fassen, denn wir müssen den Referenten noch Gelegenheit geben, darauf zu antworten. Dr. Albert Post, Fulda: Ich möchte nur ganz kurz drei Punkte ansprechen: Eine Ergänzung, eine Frage und eine Anregung für die nächste Tagung. Die Ergänzung ist – zu dem, was Sie, Herr Althaus, dargestellt haben –, dass es im Bereich des Allgemeinen Kirchenrechts, auch partikular-rechtlich, noch eine ganze Menge Gremien und Entscheidungsinstanzen gibt. Ein ganz wichtiges Gremium, das erst in den letzten dreißig bis vierzig Jahren dazu gekommen ist, ist das, was bei uns im Bistum den Namen Diözesankirchensteuerrat hat (der in anderen Bistümern andere Namen hat), der von seiner Aufgabenstellung her wichtige Funktion hat, nämlich Beispruchsrechte für den Haushalt und die Verabschiedung der Jahresrechnungen. Es ist ein Gremium von Laien, mit Fachleuten, die dann auch bestimmte Punkte zur grundsätzlichen Ausrichtung der Diözese einbringen können. Die Frage ist: Wie weit dürfen kirchliche Einrichtungen, sprich kirchliche Rechtsträger, Fremdkapital aufnehmen? Es gehört ja auch zur finanziellen Verwaltung, zum finanziellen ordnungsgemäßen Handeln, dass auch Einrichtungen Fremdkapital aufnehmen dürfen, aber es ist zu fragen, welche Größenordnung an Fremdkapital noch zu einem ordnungsgemäßen Wirtschaften gehört? Die Anregung, die ich habe, ist: Man müsste eigentlich auch eine Tagung zur Frage veranstalten: Was bedeutet finanzielles, korrektes Handeln in der Kirche

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bei der Rückabwicklung von Aktivitäten? Das Beispiel: Weltbild wird verkauft, die Bischöfe wollen es verkaufen. Aber wie macht man so etwas? Welche Kriterien sind da unter unseren Ansprüchen zu berücksichtigen? Wie gehe ich mit den Mitarbeitern um? Wie darf ich ein Unternehmen wohin verkaufen, um immer noch den Ansprüchen unserer Kirchen und unserer Soziallehre zu genügen? Welche Kriterien sind zu beachten, wenn wir Krankenhaus-Ketten beauftragen, unsere Krankenhäuser zu übernehmen? Diese Frage hängt ja eng mit dem zusammen, was heute Morgen Thema war. Wenn wir die Einnahmeseite ins Schwanken kommen sehen, muss man natürlich auch über diese Dinge reden. Danke schön. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Post. Jetzt sprechen unsere Referenten in der umgekehrten Reihenfolge. Prof. Dr. Rüdiger Althaus, Paderborn: In aller Kürze, Frau Roca: Dass das Domkapitel die Aufgaben des Konsultorenkollegiums wahrnimmt, ist partikulares Sonderrecht, wofür der CIC aufgrund deutscher und österreichischer Initiative – die Kardinäle Höffner und König werden in dem Zusammenhang immer wieder genannt – die Möglichkeit eröffnet. Zum Diözesanvermögensverwaltungsrat muss man einfach sagen: Wenn in Deutschland andere Strukturen bestehen, handelt es sich um eine Nichtrezeption des CIC und geht an diesem vorbei. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Nichtrezeption bedeutet Nichtanwendung, das hört sich ja viel schlimmer an. Prof. Dr. Rüdiger Althaus, Paderborn: Sie könnten es auch als Ungehorsam der Bischöfe gegenüber dem Heiligen Vater kennzeichnen. Nur: Bald sind dreißig Jahre seit Inkrafttreten des CIC vergangen. Dann stellt sich die Frage, inwieweit dieser rechtliche Anspruch nicht eventuell durch widerrechtliche Gewohnheit erloschen ist. Es gibt auch in Deutschland zu can. 1277 CIC ein Generaldekret. Das wäre eigene Ausführungen wert, insofern es scheint, man versuche mittels diesem andere Aufsichtsvorschriften zu relativieren. Zur Aufsicht des Heiligen Stuhles: Es gibt die sogenannte Romgrenze auch für Deutschland; sie liegt bei fünf Millionen Euro. Ob tatsächlich Rechtsgeschäfte mit einem höheren Wert gestückelt werden, damit deren Wert jeweils nur bei 4,9 Millionen liegt, um die Genehmigung des Heiligen Stuhles zu umgehen, da müssten Sie Insider fragen. Normalerweise gilt: Stückelung geht nicht. Herr Himmelsbach, ganz kurz noch einmal zur Mündelsicherheit: Sicher ist heute eine Vielschichtigkeit der Anlageformen angemessen. Man kann nicht nur auf ein einziges Pferd setzten. Aber welche Formen das sind, müsste man mit Finanzexperten in aller Ruhe reflektieren. Zuletzt zu Herrn Post. Zum Diözesankirchensteuerrat habe ich in meinem Vortrag nichts gesagt; ich habe ihn vorhin nur auf Nachfrage hin angesprochen.

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Allerdings sollte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass die Statuten der einzelnen diözesanen Kirchensteuerräte doch einige Feinheiten aufweisen, die eine Spannbreite erkennen lassen von einem kompetenten Beschlussgremium bis hin zu einem vielleicht eher paränetisch agierenden Organ, um das mal so pointiert auszudrücken. Eine Kapitalaufnahme ist grundsätzlich möglich, bedarf aber der kirchenaufsichtlichen Genehmigung. Und das heißt: Die bischöfliche Behörde muss dann abschätzen, ob sie tatsächlich die Genehmigung erteilt, das heißt, ob diese Rechtsperson in der Lage ist, Zins und Tilgung innerhalb der vorgesehenen Fristen auch zu leisten, oder ob man dieser juristischen Person anderes nahe legen muss, weil die aufzunehmenden Kapitalien einfach ihre ökonomischen Kräfte übersteigen. Prof. Dr. Michael Germann, Halle-Wittenberg: Jetzt, am Ende der Diskussion, kann ich gestehen, dass ich mir nach Übernahme dieses Vortrags zunächst einmal eine Zeit lang Sorgen gemacht habe, denn im Evangelischen Kirchenrecht ist das Vermögensrecht bzw. das Recht der Vermögensverwaltung kein so etabliertes Teilgebiet. Uns fehlt da schon so etwas wie der CIC. Wir haben in den Kirchenverfassungen sehr abstrakte Programmsätze. Was will man dazu aus juristischer Sicht groß sagen? Wir haben dann zwei Etagen tiefer ein sehr technisch zersplittertes Einzelrecht, sehr nahe an den staatlichen Vorbildern. Die Gefahr, das Publikum hier zu langweilen mit Evangelischem Kirchenrecht, erschien mir eine Zeit lang sehr groß. Hinzu kommt, dass das protestantische Vermögensrecht auch in der Literatur nicht so etabliert ist, es gibt vielleicht schon mal zwei Seiten. Auch in den Sachregistern findet man zwischen „Geist“ und „Gemeinde“ nicht das Stichwort „Geld“. Aber bei der näheren Beschäftigung mit dem Thema habe ich dann gemerkt, dass, wenn man die Einzelstücke zusammensucht, doch so etwas herauskommen kann wie ein Anschluss des Evangelischen Kirchenrechts an die allgemeine Rechtskultur. Das ist eine schöne Entdeckung. Dafür bedanke ich mich bei den Veranstaltern, die mir dieses Thema gegeben haben, und ich bedanke mich auch für die Anregungen aus der Diskussion. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Danke, Herr Germann und Herr Althaus, Ihnen beiden herzlichen Dank. Zu Ihnen, Herr Germann, will ich nur sagen, dass Ihr Vortrag nun wahrscheinlich in dem Kreis der Evangelischen Kirchenrechtler eine große Bedeutung bekommt, weil Sie das Thema erstmalig zusammenfassend behandelt haben. Ich wollte noch einmal sagen, dass wir heute eine lebhaftere Diskussion erlebt haben und sogar die Zeit überschritten haben. Ich sah keine Möglichkeit, die Diskussion einfach abzubrechen. Morgen geht es um Aufsicht und Kontrolle. Da können dann Fragen, die heute unterdrückt worden sind oder die uns heute Nacht einfallen, noch gestellt werden. Damit beende ich die Sitzung und lade ein zur Vesper in der benachbarten Kapelle.

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Professor Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Meine Damen und Herren, wir wollen uns jetzt schnell auf den Weg machen zum letzten Vortrag. Gestern ist über das kirchliche Vermögensrecht referiert und diskutiert worden und wenn ich es richtig sehe, waren die Fragen der Aufsicht und der Kontrolle zwar angesprochen worden, aber irgendwie doch unvollständig. In den Antworten genügte das alles nicht. Und deswegen freue ich mich sehr, dass Frau Dr. Claudia Leimkühler heute zu uns sprechen wird über das Thema „Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung“. Frau Dr. Leimkühler hat Betriebswirtschaftslehre studiert. Sie trat mit Errichtung des Erzbistums Hamburg in den kirchlichen Verwaltungsdienst ein und baute eine Abteilung, wie man das heute nennt, Controlling und Revision im Erzbischöflichen Generalvikariat auf. Seit 2002 war sie Finanzdirektorin des Erzbistums Hamburg und Leiterin der Abteilung Finanz- und Personalverwaltung. Sie wurde 2003 promoviert mit einer Dissertation zum Thema „Unternehmensrechnung und ihre Überwachung in kirchlichen Verwaltungen. Eine Analyse aus der Sicht der Katholischen Kirche in Deutschland“1. Sie ist dann nicht in Hamburg geblieben, sondern ist seit 2009 Vorstand der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse in Köln, zuständig für das Ressort „Controlling, Rechnungswesen“ der bundesweit zuständigen Kasse. Ich glaube, dass dieser Hinweis zeigt, dass sie eine große Kennerin des Aufsichtswesens ist und deswegen möchte ich Sie, verehrte Frau Leimkühler, bitten, jetzt mit Ihrem Vortrag zu beginnen.

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Claudia Leimkühler, Unternehmensrechnung und ihre Überwachung in kirchlichen Verwaltungen. Eine Analyse aus Sicht der Katholischen Kirche in Deutschland. Frankfurt a. M. 2004.

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Die Bedeutung von Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung I. Problemstellung II. Kontrollmechanismen in kirchlichen Verwaltungen 1. Die an der Vermögensverwaltung und -aufsicht beteiligten Personen und Gremien 2. Institutionelle Regelung der Aufsicht und Kontrolle a) Partizipationskonzept b) Auditkonzept c) Disziplinierungskonzept 3. Zwischenergebnis III. Ziele kirchlicher (Vermögens-)Verwaltung als Maßstab der Aufsicht und Kontrolle IV. Konzeption des Informationsflusses 1. Zwecke der Rechnungslegung 2. Analyse der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage 3. Transparenz V. Zusammenfassung

I. Problemstellung Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) im Jahr 1998 sind zahlreiche aktien-, handels- und kapitalmarktrechtliche Regelungen und Standards für moderne und professionelle Unternehmensführung eingeführt worden. Die gesetzlichen Maßnahmen haben die Arbeitsweise und die Überwachungsbeziehungen im Spannungsfeld „Geschäftsführung – Aufsichtsgremium – Abschlussprüfer“ umgestaltet und die in die Zukunft gerichtete Rechnungs- und Rechenschaftslegung durch Einbeziehung der Unternehmensplanung aufgewertet. Ziel ist die Stärkung der Integrität und Effizienz der internen Prozesse sowie die Sicherstellung der Wahrhaftigkeit und Transparenz nach innen und außen.1 Darauf aufbauend wurden mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) zusätzliche Empfehlungen für eine verantwortliche Führung durch die Vorstände und Aufsichtsräte und für deren Zusammenarbeit mit der Hauptversammlung bzw. den Gesellschaftern (Aktionären) erarbeitet. Generelles Merkmal des DCGK ist

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Vgl. Henrik-Michael Ringleb/Thomas Kremer/Marcus Lutter/Axel von Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 4. Aufl., München 2010, S. 40 f.

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die Forderung nach mehr Transparenz der unternehmerischen Tätigkeit sowie nach Offenlegung von potentiellen Interessenkollisionen und -konflikten.2 Fragen nach der Sicherung der Überwachungsqualität und dem Anforderungsrahmen einer effizienten Aufsichtsratstätigkeit, die durch eine angemessene Fachexpertise und den Grundsatz der Unabhängigkeit bestimmt ist, markieren nach wie vor einen wesentlichen Schwerpunkt der Fachdiskussion wie auch der öffentlichen Auseinandersetzung.3 Die gesetzlichen Änderungen sind nicht für alle Rechtsformen und damit nur für einen Teil der Geschäftsführungen und Aufsichtsgremien kirchlicher Verwaltungen verpflichtend. Dennoch beruhen die Forderungen nach einer nachhaltig gelebten Kultur der Unternehmensintegrität und einer wirtschaftlich effizienten Unternehmenssteuerung auf einem breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens und entfalten entsprechende Ausstrahlungswirkung auf alle Gesellschaftsformen und dienen als Maßstab zur Ausfüllung von Sorgfaltspflichten und Haftungstatbeständen. Auch das kanonische Recht enthält klassische Schutzelemente und Grundregeln für die kirchliche Vermögensverwaltung wie Aufsichtsfunktionen, Rechenschaftspflichtigkeit, Alienationsbeschränkungen und die Unterscheidung von Akten ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung mit den entsprechenden Rechtsfolgen und beschreibt die zur Um- und Durchsetzung von Corporate Governance entscheidenden Instrumente Führung, Aufsicht, Risikomanagement und Transparenz. Dennoch gilt die kirchliche (Unternehmens-) Verfassung meist als intransparent. Dies beruht zum einen darauf, dass die Katholische Kirche als solche und ganze nicht als Vermögensträger in Erscheinung tritt. Vielmehr verteilt sich das Kirchenvermögen auf eine Vielzahl kirchlicher Rechtsträger, die überdies unterschiedliche rechtliche Strukturen aufweisen, von Einrichtungen der hierarchischen Kirchenverfassung, wie Diözese und Pfarrei, über Orden und ordensähnliche Institute bis hin zu privaten Vereinen und privaten Stiftungen.4 Zum anderen besteht, weil der Umgang mit Vermögen stets in das soziokulturelle, ökonomische und rechtliche Umfeld eingebunden ist, eine ausgeprägte partikulare Vielfalt im kirchlichen Vermögensrecht.5 Das gesamtkirchliche Vermögensrecht ist aus diesem Grunde als Rahmenrecht

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3

4 5

Vgl. Axel von Werder, Der Deutsche Corporate Governance Kodex – Grundlagen und Einzelbestimmungen, in: Der Betrieb, 55. Jg. 2002, Heft 16, S. 802; Bernhard Pellens/ Franca Hillebrandt/Björn Ulmer, Umsetzung von Corporate-Governance-Richtlinien in der Praxis. Eine empirische Analyse der DAX 100-Unternehmen, in: BetriebsBerater, 56. Jg. 2001, Heft 24, S. 1243. Die EU-Kommission hat in 2010 und 2011 drei Grünbücher zur Corporate Governance veröffentlicht („Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“, „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung“ sowie „Corporate Governance-Rahmen für europäische Unternehmen“). Vgl. Helmuth Pree/Bruno Primetshofer, Das kirchliche Vermögen, seine Verwaltung und Vertretung. Handreichung für die Praxis, 2. Aufl., Wien 2010, S. 2. Vgl. Michael Werneke, Das kirchliche Vermögensrecht – ein klassisches Beispiel für die partikulare Ausgestaltung universalkirchlicher Normen, in: Peter Krämer/Sabine Demel/Libero Gerosa/Ludger Müller (Hrsg.), Universales und partikulares Recht in der Kirche. Konkurrierende oder integrierende Faktoren?, Paderborn 1999, S. 165.

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konzipiert, welches für die nationale Ausgestaltung der Vermögensverwaltung einen breiten Spielraum lässt, um den unterschiedlichen staats- und zivilrechtlichen Umfeldbedingungen in den Teilkirchen gerecht werden zu können. Das gesamtkirchliche Vermögensrecht gewährleistet dabei durch die Festlegung von Grundnormen einen den kirchlichen Zwecken entsprechenden Umgang mit diesem Vermögen.6 Die teilkirchenrechtlichen Bestimmungen in der Bundesrepublik Deutschland haben in Bezug auf die Vermögensverwaltung und im Verhältnis zum Staat ihre Legitimation in der grundgesetzlich verbürgten staatskirchenrechtlichen Position der Katholischen Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die vermögensrechtliche Gesetzgebung innerhalb der Teilkirchen geschieht im Spannungsfeld von staatlicher und kirchlicher Rechtsetzung. Wegen des Einflusses der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Bundesländer auf die Vermögensverwaltung in den Teilkirchen besteht in der Bundesrepublik Deutschland kein einheitliches Vermögensverwaltungsgesetz. Darin liegen auch die Gründe dafür, dass Planung, Durchführung und Beaufsichtigung der kirchlichen Vermögensverwaltung in den deutschen Teilkirchen in sehr unterschiedlicher Weise wahrgenommen werden. In der Diskussion um die Professionalisierung der Unternehmensführung und -überwachung stehen Fragen nach der Rollenverteilung zwischen der Geschäftsführung und den Aufsichtsgremien sowie nach der Qualifikation und Unabhängigkeit der Gremien im Mittelpunkt. Das kanonische Recht schreibt zur Gewährleistung einer angemessenen Vermögensverwaltung Beteiligungsgremien und die Mitwirkung sachverständiger Laien fest. Nachfolgend soll geprüft werden, inwieweit die Arbeitsweise der kirchlichen Vermögensverwaltungsorgane der Forderung nach einer nachhaltig gelebten Kultur der Unternehmensintegrität und einer wirtschaftlich effizienten Unternehmenssteuerung standhält. Darüber hinaus wird gezeigt, auf welche organisationstheoretische Fundierung die Überwachungskonzeption zurückgeführt werden kann. Unter Verzicht auf eine geschlossene und umfassende Darstellung existierender Ansätze werden das Partizipations-, Audit- und Disziplinierungsmodell, denen unterschiedliche theoretische Konzepte zugrunde liegen, betrachtet. Danach erfolgen eine vorsichtige Abschätzung der Effektivität sowie eine Bewertung der Leistungsfähigkeit des kirchlichen Überwachungskonzeptes.

II. Kontrollmechanismen in kirchlichen Verwaltungen 1. Die an der Vermögensverwaltung und -aufsicht beteiligten Personen und Gremien Trotz der Vereinigung der ausführenden Gewalt und Aufsichtsfunktion in der Person des Diözesanbischofs schafft das kanonische Recht die erforderlichen

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Vgl. Michael Werneke, Ius universale – Ius partikulare: Zum Verhältnis von Universalund Partikularrecht in der Rechtsordnung der lateinischen Kirche unter besonderer Berücksichtigung des Vermögensrechts, Paderborn 1998, zugl. Diss. theol, Paderborn 1997, S. 251.

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Voraussetzungen zur personellen und sachlichen Trennung der Wahrnehmung von Leitungs- und Kontrollorgan.7 Die Unterschiedlichkeit von Leitungs- und Überwachungsaufgaben wird durch die getrennte Zuweisung der Aufgaben an unterschiedliche Personen und Organe zum Ausdruck gebracht. Nach kanonischem Recht sind der Ökonom, der Vermögensverwaltungsrat und das Konsultorenkollegium obligatorische Organe bzw. Gremien der diözesanen Vermögensverwaltung. Die Aufgaben der Überwachungsträger sind dabei unterschiedlich weit gefasst; einzelne Rechtsgeschäfte der Vermögensverwaltung bedürfen der Zustimmung mehrerer Organe. Es besteht Inkompatibilität zwischen dem Amt des Diözesanbischofs bzw. bei Sedisvakanz des Diözesanadministrators und des Ökonomen.8 Der Diözesanadministrator darf nicht zugleich Ökonom sein.9 Wenn der Diözesanökonom zum Administrator gewählt wird, hat der Vermögensverwaltungsrat für diese Zeit einen anderen zum Ökonom zu wählen. Die Überwachungsfunktion des Vermögensverwaltungsrates und des Konsultorenkollegiums wird durch die Bewilligung der Wirtschaftspläne, die Wahrnehmung der beschriebenen Anhörungs- und Zustimmungsrechte bei der Genehmigung der außerordentlichen Verwaltungsakte und die Erteilung der Erlaubnis zur Veräußerung von Vermögensgegenständen im Vorhinein wahrgenommen; die Kontrollfunktion bzw. nachgängige Aufsicht umfasst die Rechnungslegungspflicht des Vermögensverwalters und die Prüfung der Jahresrechnung. Die Ausübung der Kontrollfunktion schließt auch das Recht ein, Einsicht in laufende Geschäftsvorgänge zu nehmen und deren Projektierung und Abrechnung zu überprüfen sowie die Vorlage von Zwischenberichten einzufordern.10 Die nachstehende Abbildung „Organe der Vermögensverwaltung“ fasst die Zuständigkeiten der verschiedenen Personen und Gremien bezogen auf die Verwaltung des Diözesanvermögens zusammen. Die mit Verwaltungs-/Vertretungsbefugnis ausgestatteten Personen sind nach abnehmender Zuständigkeit angeordnet; die Organe mit Zustimmungs- und Anhörungsrechten nach zunehmendem Aufgabenumfang. Die mit Beispruchs- und Aufsichtsrechten ausgestatteten Gremien stehen in keinem Über- bzw. Unterordnungsverhältnis, sondern sind nebeneinander stehende, selbständige und obligatorische Konsultationsorgane des Diözesanbischofs.

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Vgl. Joseph Listl, Die Bedeutung von Aufsicht und Kontrolle bei der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung auf der Ebene der Diözesen nach den Bestimmungen des Codex Iuris Canonici von 1983, in: Detlef Merten/Reiner Schmidt/Rupert Steiner (Hrsg.), Der Verwaltungsstaat im Wandel – Festschrift für Franz Knöpfle zum 70. Geburtstag, München 1996, S. 185; Heribert Schmitz, Organe diözesaner Finanzverwaltung, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 163, Jg. 1994, S. 121. Vgl. hierzu ausführlich: Jürgen Cleve, Inkompatibilität und Kumulationsverbot: eine Untersuchung zu c. 152 CIC/1983, Frankfurt 1999, (Adnotationes in Ius Canonicum Bd. 11), zugl. Diss., Bochum 1998, S. 196–208. Can. 423 § 2 CIC. Vgl. Günter Etzel, Der Diözesanvermögensverwaltungsrat, Echter 1994, (Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft, Bd. 19), zugl. Diss., Paderborn 1992/93, S. 109.

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Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung

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Verwaltungs-/Vertretungsbefugnis

Aufsicht

Bischof *

Generalvikar

Priesterrat

Anhörungspflicht bei Erhebung einer Diözesansteuer

Konsultorenkollegium Beispruchs- und Zusmmungsrechte 6 - 12 Mitglieder Ernennung für 5 Jahre

ausführende Gewalt in allen Angelegenheiten

Vermögensverwaltungsrat Beispruchs- und Zusmmungsrechte, Aufstellung der Planungsrechnung / Prüfung der Jahresrechnung min. 3 Mitglieder Ernennung für 5 Jahre

Bischofsvikar Amtsinhaber / Mitglieder = Priester

Kirchensteuerrat ***

eingeschränkte ausführende Gewalt ** Beschluss über die Kirchensteuerordnung und Kirchensteuerhebesätze

Ökonom

Amtsinhaber / Mitglieder = Kleriker oder Laien

ausführende Gewalt in vermögensrechtlichen Angelegenheiten Amtszeit: 5 Jahre *

Überwachung der Verwaltung aller Güter (der ihm unterstellten jP) und Rechtsetzungsbefugnis für das gesamte Geschä der Verwaltung der kirchlichen Güter.

** Die Beschränkung erstreckt sich entweder auf einen besmmten Geschäsbereich oder einen festgelegten Gebietsteil der Diözese. *** Der Kirchensteuerrat ist kein kirchenrechtlich vorgeschriebenes Gremium. Faksch übernehmen in der Bundesrepublik Deutschland die Kirchensteuerräte die Aufstellung der Planungsrechnungen.

Abbildung: Organe der Vermögensverwaltung Die Organstruktur der Katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland wird durch das staatliche Kirchensteuerrecht beeinflusst. Neben dem Vermögensverwaltungsrat besteht der Kirchensteuerrat als ursprünglich staatlich gefordertes Vertretungsorgan, das eine innerkirchliche Zweckmäßigkeitskontrolle bei der Verwaltung der Kirchensteuer ausüben soll.11 Die Normen zu seiner Errichtung, Zusammensetzung und Aufgabenstellung finden ihre Grund-

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Der preußische Staat führte durch Gesetz vom 20. Juni 1875 über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden die Institution der Kirchengemeinde als Trägerin des örtlichen Kirchenvermögens und des Steuerrechts ein. Als Organ der kirchengemeindlichen Vermögensverwaltung und des kirchengemeindlichen Steuerwesens wurden die Kirchenvorstände geschaffen, nach staatlichen Vorschriften gewählte Vertretungen der Gemeindemitglieder. Die Kirchenvorstände blieben bis zur Einführung des Diözesankirchensteuersystems für die Beschlussfassung über die Kirchensteuer zuständig. Die heutigen Kirchensteuergesetze der Bundesländer verzichten mehrheitlich darauf, die kirchlichen Organe zu bestimmen, die für die Beschlussfassung über die Kirchensteuerordnungen und die Festlegung der Kirchensteuerhebesätze zuständig sind. Die Kirchensteuer-Rahmengesetze respektieren das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV und die sich daraus ergebende eigenständige Organisationsgewalt der Kirchen. Vgl. Heiner Marré unter Mitarbeit von Josef Jurina, Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart – Die Kirchensteuer im internationalen Umfeld kirchlicher Abgabensysteme um im heutigen Sozial- und Kulturstaat Bundesrepublik Deutschland, in: Klaus Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Beiheft, 4. Aufl., Essen 2006, S. 73.

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legung in den staatskirchenrechtlichen Regelungen des jeweiligen Landes und den partikulargesetzlichen Bestimmungen der Diözesen. Die originäre Aufgabe der Kirchensteuerräte liegt in der Beschlussfassung über die Kirchensteuerordnung und den Kirchensteuerhebesatz in sachverständiger Beurteilung des notwendigen Finanzbedarfs der Diözese. In Anlehnung an diese Aufgabenstellung wurde den Kirchensteuerräten die Beratung und Beschlussfassung über die jährliche Planungsrechnung übertragen. Auch die Genehmigung und Prüfung der Jahresrechnung wird faktisch von den Kirchensteuerräten wahrgenommen. Diese Funktion der Kirchensteuerräte geht weder aus staatlichem Recht noch aus dem Codex Iuris Canonici von 1983 hervor. 2. Institutionelle Regelung der Aufsicht und Kontrolle Kirchliche Rechtspersonen bedürfen der Vertretung durch eigenständige Organe. Dies begründet eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Rechtspersonen von der Treue und Sorgfalt, mit welcher die Vermögensverwalter ihre Tätigkeit ausüben. Die vom kodikarischen Gesetzgeber vorgesehenen Korrektive zur Begrenzung der Handlungsspielräume der Verwalter und Gewährleistung eines den kirchlichen Zwecken entsprechenden Umgangs mit dem anvertrauten Vermögen werden nachfolgend aus organisationstheoretischer Perspektive betrachtet. Dabei werden folgende Überwachungskonzepte, die nachfolgend kurz dargestellt werden, untersucht: Das Partizipationskonzept beteiligt unabhängige, kompetente Treuhänder an der Kontrolle des Verwalters. Voraussetzung dafür sind eine konsequente planbasierte Steuerung sowie die Formulierung umfangreicher Informationsund Kooperationspflichten. Dem Aufsichtsgremium steht durch die Einflussnahme auf die Unternehmensplanung ein leistungsfähiges Unterstützungssystem zur Verfügung, das eine fundierte Beurteilung des Verwalters erlaubt.12 Das Auditkonzept sichert durch Regelvorgabe ein „ordentliches und gewissenhaftes“ Verwalterhandeln und überträgt die Prüfung ihrer Einhaltung neben dem Aufsichtsgremium vor allem dem Abschlussprüfer.13 Schließlich das Disziplinierungskonzept, das durch Etablierung von monetären Anreizen eine zielgerichtete Steuerung des Handelns der Verwalter anstrebt.14 a) Partizipationskonzept Im Partizipationskonzept werden nicht nur die Entscheidungen des Verwalters durch die Aufsichtsgremien begleitet, kritisch nachvollzogen und beurteilt, sondern die Aufsichtsgremien müssen teilweise selbst Entscheidungen treffen. Eine aussagefähige und nachvollziehbare Unternehmensrechnung dient dabei

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Vgl. Erich Frese/Matthias Graumann/Ludwig Theuvsen, Grundlagen der Organisation. Entscheidungsorientiertes Konzept der Organisationsgestaltung, 10. Aufl., Wiesbaden 2012, S. 536. Vgl. Erich Frese/Matthias Graumann, Die Überwachung des Vorstands börsennotierter Aktiengesellschaften, in: Zeitschrift für Corporate Governance, 6. Jg. 2011, Heft 4, S. 157. Vgl. Frese/Graumann/Theuvsen, Grundlagen der Organisation (Anm. 12), S. 537.

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den Aufsichtsgremien als Basis für eine Reflexion über getroffene Entscheidungen und damit zugleich als notwendige Voraussetzung für deren Beratungsgegenstand einer Ziel- und Verhaltenssteuerung.15 Die Kontrolle ist dabei ein wesentlicher Bestandteil der Informationskonzeption. Zweck der Kontrolle ist das Erkennen bzw. Aufdecken von Abweichungen zwischen Plangrößen und Vergleichszahlen, die Analyse der Abweichungen und die Beurteilung der Ursachen sowie die Beseitigung von Störungen bzw. Schwachstellen. Die Kontrolle hat somit eine Informationsfunktion, um Fehlentwicklungen und Störungen zu begegnen. Darüber hinaus wird der Kontrolle auch eine Sicherungsfunktion zuerkannt, um die ausführenden Organe zu einem den kirchenrechtlichen, gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen entsprechenden Handeln oder Verhalten anzuhalten. Die Planungsrechnung ist vor diesem Hintergrund verbindlich für die diözesane Vermögensverwaltung festgeschrieben und integriertes Element des finanziellen Rechnungswesens.16 Ziel der Planung ist die systematische Erfassung zukünftigen Handelns, welches sowohl von externen Daten wie auch von der internen Zielsetzung beeinflusst wird. Die Planung zwingt die Organe der Vermögensverwaltung zu einem Nachdenken über das künftige Handeln und die künftig erzielbaren Ergebnisse. Die Zielformulierung ist dabei nicht an eine Dimension gebunden, sondern umfasst die sachzielorientierte Planung (Aktionsplanung) und die formalzielbezogene Planung (Budgetierung). Die Aktionsplanung zielt dabei auf die Inhalte und das Ausmaß der Leistungserstellung; das Budget stellt im Gegensatz dazu ein in wertmäßigen Größen formuliertes Ergebnis der Planung dar, welches den ausführenden Organen für die festgelegte Zeitperiode mit einer entsprechenden Verbindlichkeit vorgegeben wird. Die kurzfristige und detaillierte Planung ist durch ein hohes Maß an Verbindlichkeit geprägt. Der Vermögensverwalter ist sachlich und zeitlich an die Vorgaben der jährlich zu erstellenden Planungsrechnung gebunden; sie umschreibt die Grenzen der ordentlichen Verwaltung und stellt eine einzuhaltende Soll-Größe dar. Die detaillierten Budgetvorgaben geben dem Vermögensverwalter und nachgeordneten Einheiten (den sogenannten Zuweisungsempfängern) klare Anhaltspunkte dafür, welche Erfolgsbeiträge von ihnen erwartet werden. Die Gegenüberstellung von Ist- und Planwerten sowie eine Erläuterung der Abweichungen gegenüber den Budgets ist wegen der normativen Funktion der Planungsrechnung fester Bestandteil der Rechenschaftspflicht des Vermögensverwalters. Die Überwachungsfunktion der Aufsichtsgremien wird in kirchlichen Verwaltungen in Ergänzung des Zusammenspiels von Planung und Kontrolle durch die Wahrnehmung von Anhörungs- und Zustimmungsrechten bei der Genehmigung der außerordentlichen Verwaltungsakte17 und die Erteilung der

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Vgl. Claudia Leimkühler, Unternehmensrechnung und ihre Überwachung in kirchlichen Verwaltungen. Eine Analyse aus Sicht der Katholischen Kirche, Frankfurt 2004, zugl. Diss., Hamburg 2003, S. 244. Can. 493 CIC. Als Akte der außerordentlichen Verwaltung sind alle Rechtsgeschäfte, die einer vorgängigen Beratung oder Genehmigung bedürfen, definiert.

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Erlaubnis zur Veräußerung von Vermögensgegenständen wahrgenommen. Die vom kanonischen Recht vorgegebenen zustimmungspflichtigen Geschäfte umfassen auch Rechtsgeschäfte mit strategischem Bezug wie beispielsweise die Auflegung einer innerkirchlichen Diözesansteuer oder Genehmigung eines Kirchbaus. Er stellt darüber hinaus die jährliche Unternehmensplanung unter Zustimmungsvorbehalt und gibt eine zugehörige funktionsfähige Kontrolle und Koordination der untergeordneten Führungsebenen vor.18 Damit sind grundsätzlich die Voraussetzungen geschaffen, dass die Aufsichtsgremien das bestehende, vom Vermögensverwalter zu verantwortende System der (Unternehmens-)Planung nutzen können. Interessenkonflikte oder Einschränkungen der Überwachungsfunktion könnten sich jedoch daraus ergeben, dass die Aufsichtsgremien bei der Informationsversorgung auf die Kooperation des Vermögensverwalters angewiesen sind und diese im Stande sein müssen, ihren Informationsbedarf gegenüber dem Vermögensverwalter hinreichend präzise zu artikulieren. Die partikularrechtliche Situation und Praxis der Berufung der Mitglieder in den Vermögensverwaltungsrat in den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland macht jedoch deutlich, dass die vom kanonischen Gesetzgeber geforderte Unabhängigkeit und fachliche Qualifikation nicht durchgängig gewährleistet ist. Die Vermögensverwaltungsräte sind in einzelnen Bistümern teilweise mit Bediensteten der Bistumsverwaltungen besetzt; in anderen Fällen verfügen die Mitglieder zum Teil nicht über die vom kanonischen Gesetzgeber geforderte ökonomische und juristische Kompetenz.19 Die Ausübung der Überwachungsfunktion wird dadurch (teilweise) erheblich eingeschränkt. Die Bestellung der Mitglieder der Aufsichtsorgane sollte zur Gewährleistung der Unabhängigkeit anhand nachvollziehbarer Kriterien erfolgen. Hierzu ist ergänzend zu den vom kanonischen Gesetzgeber gestellten fachlichen Anforderungen und Erfahrung ein klares Anforderungsprofil bezüglich der persönlichen Eigenschaften und Voraussetzungen sowie der benötigten Sach- und Fachkenntnisse zu erarbeiten und festzulegen. Die Auswahl und Berufung von Mitgliedern aus unterschiedlichen Branchen der außerkirchlichen Verwaltung und Wirtschaft, die neben dem notwendigen Fachwissen über eigene unternehmerische Erfahrungen verfügen und deren Aufgaben denen der zu überwachenden Geschäftsbereiche qualitativ entsprechen, bringt darüber hinaus zusätzliche Erfahrungen und Kenntnisse ein. Die praktische Bewältigung dieser Herausforderungen entscheidet somit darüber, ob der – prinzipiell leistungsfähige – Mechanismus aus Kontrolle und Planung effektiv wird. Die Frage, ob die den Aufsichtsgremien zur Verfügung stehenden Informationen ausreichend sind, um die Überwachungsaufgabe wahrzunehmen und auch selbst eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, wird nachfolgend noch gesondert beleuchtet.

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Cc. 1278, 1284 § 3 CIC. Vgl. Etzel, Der Diözesanvermögensverwaltungsrat (Anm. 10), S. 244–245.

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b) Auditkonzept Während das Partizipationskonzept die informationelle Fundierung der Entscheidungen der Vermögensverwalter durch Einbringung des Sachverstands von unabhängigen Aufsichtsgremien sichern und verbessern will, strebt das Auditkonzept die Erreichung dieses Ziels vorrangig durch die Einhaltung vorgegebener Richtlinien und die Qualität der delegierten Entscheidungen an.20 Der Überwachung wird somit auch eine Sicherungsfunktion zuerkannt, um die ausführenden Organe zu einem den kirchenrechtlichen, gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen entsprechenden Handeln oder Verhalten anzuhalten.21 Mit der Kodifizierung besonderer Vorsichtsregeln und einzelner Handlungspflichten stellt der kanonische Gesetzgeber einzelne organisatorische Pflichten des Vermögensverwalters heraus: das frühzeitige Erkennen und Abwenden von jeder nur denkbaren Beeinträchtigung der Vermögenswerte und die Pflicht zur Erstellung eines jährlichen Rechnungsabschlusses und Prüfung der Rechnungslegung.22 Bei der inhaltlichen Konkretisierung dieser Regeln hält sich der kirchliche Gesetzgeber jedoch zurück. Er versucht das fundamentale Ziel der Bindung der Vermögensfähigkeit der Rechtssubjekte an den Sendungsauftrag der Kirche, der den Einsatz materieller Güter nur als Mittel zur Erreichung ihres Auftrags festlegt, vielmehr auf indirekte Weise dadurch zu gewährleisten, dass er vom Vermögensverwalter Umsicht, Vorsicht und Weitsicht, also eine ordentliche und gewissenhafte Wahrnehmung seiner Pflichten fordert.23 Der Vermögensverwalter erkennt diese Verpflichtung durch Leistung des Amtseides an.24 Die Verpflichtung zu einer langfristigen, auf Wertemanagement basierende, transparente und nachvollziehbare Unternehmensführung ist Ziel der Vermögensverwaltung; diese setzt eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Information der Organe der Vermögensverwaltung über die wirtschaftliche Lage der kirchlichen Rechtsperson voraus. Zweck der Prüfung ist die Feststellung, ob die durch die Rechnungslegung vermittelte wirtschaftliche Lage den tatsächlichen Verhältnissen entspricht; sie dient außerdem dem Aufdecken von Risiken. Auf nachteilige Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie wesentliche Verluste hat der Prüfer hinzuweisen, wie auch auf Tatsachen, die den Bestand der kirchlichen Rechtsperson gefährden oder ihre Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können. Aus diesen Zielsetzungen heraus ist die Prüfung auf die Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung ausgerichtet; sie erstreckt sich dabei auch auf die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die sparsame Wirtschaftsführung, und auf die Prüfung der ordnungsgemäßen Verwendung der Mittel.

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Vgl. Frese/Graumann, Die Überwachung des Vorstands börsennotierter Aktiengesellschaften (Anm. 13), S. 159. Vgl. Ulrich Leffson, Wirtschaftsprüfung, 4. Aufl., Wiesbaden 1988, S. 2. Cc. 494 § 4, 1284 § 2 Nr. 1–3, 1287 § 1 Nr. 8 CIC. Vgl. Rüdiger Althaus, in: Klaus Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Juris Canonici (Loseblattwerk), Essen seit 1984, can. 1284, Rn. 2b. Can. 1283 Nr. 1 CIC.

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Voraussetzung für die Durchführung der Prüfung ist ein nicht unbeträchtliches Fachwissen und ein hohes Maß an Objektivität.25 Die fachliche Qualifikation für die Prüfung der Buchführung, der Vermögenswerte und Schulden, der vollständigen Beachtung der Gliederungs-, Ansatz-, Bewertungs- und Angabepflichten sowie der kirchenrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen kann aufgrund der Eignungsvoraussetzungen, die für die Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates bestehen, als gegeben unterstellt werden.26 Dieser Personenkreis verfügt jedoch wegen der Größe und Komplexität der diözesanen Körperschaft bzw. der Vielzahl der anstehenden Prüfungen nicht über ausreichend Zeit, persönlich wirksam zu überwachen. In einzelnen Diözesen werden daher Abteilungen gebildet, die ausschließlich Überwachungsaufgaben zu erfüllen haben. Probleme ergeben sich dann, wenn die Mitarbeiter nicht ausschließlich Überwachungsfunktionen, sondern auch Dispositionsfunktionen ausüben, da sie in diesen Fällen in die Lage kommen könnten, eigene Entscheidungen überprüfen zu müssen. Eine Einschränkung der Urteilsfreiheit der Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates könnte sich ferner daraus ergeben, dass diese bei Rechtsgeschäften über das Kirchenvermögen sowie Rechtsgeschäften der außerordentlichen Verwaltung an dispositiven Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ausübung der Beispruchs- und Zustimmungsrechte beteiligt sind. Der Vermögensverwaltungsrat ist gegenüber dem Untersuchungsobjekt voreingenommen, wenn er im Rahmen der Abschlussprüfung eigene Entscheidungen hinsichtlich der Risiken und Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beurteilen muss. Aus diesen Gründen sollte die Aufgabe der Prüfung einem neutralen Revisor übertragen werden. Seiner eigenen Prüfungspflicht kommt der Vermögensverwaltungsrat in diesen Fällen durch kritische Durchsicht der ihm vorgelegten Unterlagen sowie Kenntnisnahme und Erörterung der Ausführungen im Prüfungsbericht nach. Angesichts der partikularrechtlichen Situation und der Praxis der Berufung der Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates in den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich sogar eine zwingende Notwendigkeit für ein derartiges Vorgehen.27 Den Mitgliedern des Vermögensverwaltungsrates fehlt überwiegend die vom kanonischen Gesetzgeber geforderte ökonomische und juristische Kompetenz. Darüber hinaus gehören dem Vermögensverwaltungsrat zumeist leitende Mitarbeiter der Ordinariate/Generalvikariate an. Diese Fakten widersprechen dem Grundgedanken des kanonischen Rechts: der Trennung der Entscheidungs- und Kontrollfunktion. Die Beauftragung eines unabhängigen und sachverständigen Prüfers trägt dazu bei, trotz fehlender Funktionsunterscheidung und mangelnder Sachkenntnis der Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates die kirchliche Aufsicht über die Vermögensverwaltung wirksam zu gestalten. Die Beauftragung eines unabhängigen Prüfers mit

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Vgl. Leffson, Wirtschaftsprüfung (Anm. 21), S. 1. Can. 492 § 1 CIC. Eine ausführliche Beschreibung der partikularrechtlichen Situation in den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage einer empirischen Erhebung findet sich bei Etzel, Der Diözesanvermögensverwaltungsrat (Anm. 10), S. 175– 252. An der beschriebenen Situation hat sich bis heute nur wenig verändert.

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der Prüfung der Jahresrechnung der kirchensteuerverwaltenden diözesanen Körperschaften entspricht inzwischen den üblichen Gepflogenheiten.28 c) Disziplinierungskonzept Das Disziplinierungskonzept unterstellt den Vermögensverwaltern eine Verfolgung eigennütziger Ziele. Aus diesem Grunde setzt das Disziplinierungskonzept auf die Erzeugung von (Kapital-)Marktdruck und auf Veränderung der Entgeltsysteme durch Ausrichtung auf monetäre Anreizwirkung, um einen Gleichklang von Managerverhalten und Aktionärszielen herauszustellen.29 Die Kirchen befriedigen ihren Finanzmittelbedarf nicht über den (Eigen-)Kapitalmarkt und unterliegen nicht dem Anpassungsdruck der Kapitalmärkte. Stattdessen prägt die auf Kontinuität gerichtete Beziehung zu den Kirchenmitgliedern die Finanzierungssituation der Kirchen in Deutschland. Zudem beruht das Erhaltungsziel auf der Idee eines von Kapitaleignern und Verwaltern unabhängigen Unternehmensinteresses. Zur Vermeidung der Gefahren eines kurzfristigen und manipulativen Einsatzes der Kapitalressourcen durch den Vermögensverwalter zum Zwecke der Ergebnissteuerung verzichten die Kirchen grundsätzlich auf ein am wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtetes Vergütungssystem. 3. Zwischenergebnis Das System der Überwachung in kirchlichen Verwaltungen organisiert Aufsicht und Kontrolle als einen arbeitsteiligen Prozess, an dem interne und externe Überwachungsträger in unterschiedlichem Maße beteiligt sind. Das gesamtkirchliche Recht enthält in Ergänzung des Zusammenspiels von Kontrolle und Planung mit dem Institut der Alienationsbeschränkungen und der Unterscheidung von Akten ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung mit den entsprechenden Rechtsfolgen weitere Instrumente der Überwachung. Die Überwachungstätigkeit wird nicht auf eine ex-post Kontrolle beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf eine prozessuale Beteiligung am Entscheidungsprozess. Hieraus wird deutlich, dass das gesamtkirchliche Recht sowohl die prozessbegleitende als auch die institutionelle Überwachung ermöglicht und damit den gesamten Bereich der unternehmerischen Entscheidungstätigkeit und ihrer Folgen umfasst. Die Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe durch die verschiedenen an der Vermögensverwaltung beteiligten Organe setzt einen konkreten Bezugs-

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Umfang und Gegenstand der Prüfung weichen dabei in Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Rechnungswesens erheblich voneinander ab. Der Geltungsbereich der Prüfungspflicht ist darüber hinaus überwiegend auf die mit Kirchensteuerhoheit ausgestatteten Körperschaften bzw. auf die Prüfung der Haushaltsrechnung begrenzt. Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands hat am 22. Juni 2009 eine überarbeitete Prüfungsrichtlinie für die Jahresabschlussprüfung von kirchlichen Einrichtungen und Zuwendungsempfängern, die Kirchensteuer-, Spenden- oder öffentliche Mittel verwalten und verwenden, und für Wirtschaftsbetriebe, an denen die Kirche mehrheitlich beteiligt ist, beschlossen. Im Rahmen der Richtlinie werden der Anwendungsbereich, Gegenstand und Umfang der Prüfung sowie Gliederung und Aufbau des Prüfungsberichtes festgelegt. Der Verband der Diözesen Deutschlands empfiehlt den Diözesen und Caritasverbänden, nach den gleichen Richtlinien zu verfahren. Bisher haben die Diözesen davon keinen Gebrauch gemacht. Vgl. Frese/Graumann/Theuvsen, Grundlagen der Organisation (Anm. 12), S. 561.

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rahmen zur Beurteilung der jeweiligen Entscheidung voraus, aus dem Kriterien zur Überwachung abgeleitet werden können. Maßstab der Aufsicht und Kontrolle sind die aus dem Sendungsauftrag und der Zweckbindung des Vermögens abgeleiteten Ziele der kirchlichen Rechtspersonen. Die Ziele werden daher nachfolgend beschrieben, systematisiert und in ihrer Wechselbeziehung zueinander dargestellt.

III. Ziele kirchlicher (Vermögens-)Verwaltung als Maßstab der Aufsicht und Kontrolle Die aus dem Sendungsauftrag und der Zweckbindung des Vermögens abgeleiteten Ziele der kirchlichen Rechtspersonen lassen sich in Sach- und Formalziele unterteilen.30 Während die Sachziele, die sich auf Art, Ort, Umfang und Zeitpunkt der Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben beziehen, den quantitativen, qualitativen und zeitlichen Erfüllungsgrad der geforderten Leistungen präzisieren, beschreiben die Formalziele als Ausdruck der Rationalität des Handelns die Disposition über knappe Mittel zur Erreichung der rangverschiedenen Ziele und messen das Ergebnis der Leistungserstellung in seinen monetären Konsequenzen.31 Die Zusammenfassung sämtlicher Zielsetzungen, die den geforderten kirchlichen Aufgaben und deren Bestimmungsmerkmalen innewohnen, wird in diesem Zusammenhang als Leistungskonzeption (Sachziele) bezeichnet. Die Finanzierungskonzeption (Formalziele) präzisiert dagegen die Vermögensstruktur und die Ermittlung des Periodenerfolgs des kirchlichen Rechtsträgers. Die Ausrichtung des Vermögens auf die der Kirche eigenen Zwecke ist wesenskonstitutiv für die Vermögensfähigkeit.32 Diese umfassen die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter sowie die Ausübung der Werke des Apostolates und der Caritas.33 Innerhalb dieser Kategorien nimmt die Kirche weitere Aufgaben im Sozial-, Bildungs-, Erziehungs- und Kulturbereich wahr. Der konkrete pastorale Auftrag leitet sich über diese globale Festlegung hinaus aus der Errichtungsurkunde, dem Statut oder der Beauftragung der jeweiligen Rechtsperson her. Das Zielausmaß und die vorzugebenden Leistungsmerkmale (Leistungsprogramm, -menge und -qualität) werden vornehmlich auf eine satis-

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Vgl. Erich Kosiol, Einführung in die Betriebswirtschaftlehre, Wiesbaden 1968, S. 261, 262; ders., Erkenntnisgegenstand und methodolischer Standort der Betriebswirtschaft, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 1961, S. 130. Vgl. Erich Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, Reinbek 1972, S. 54. Vgl. Pree/Primetshofer, Das kirchliche Vermögen (Anm. 4), S. 3. Die durch den kanonischen Gesetzgeber auferlegte Selbstbindung bildet den Rahmen für den Besitz und die Verwaltung von Vermögen; sie stellt keine abschließende Aufzählung der der Kirche eigenen Zwecke dar, sondern spricht in erster Linie solche Ziele an, die ausschließlich von der Kirche realisiert werden können. Dazu gehören vor allem die Feier des Gottesdienstes, die Spendung der Sakramente, die Verkündigung des Wortes Gottes, alle missionarischen und caritativen Aktivitäten und die pastorale Leitung der Kirche. Vgl. hierzu: Rüdiger Althaus, in: Lüdicke (Hrsg.), Münsterischer Kommentar (Anm. 23), can. 1254, Rn. 7.

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fizierende Zielformulierung beschränkt. Dabei steht eine qualitativ geprägte Zielformulierung (Leistungswirkungsziele), welche den angestrebten Zustand beschreibt, im Vordergrund.34 Die Ziele werden dem Grunde nach beschrieben, da es sich bei der überwiegenden Zahl der konkreten kirchlichen Angebote um Vorhalte- oder Bereitschaftsleistungen handelt, die unabhängig von der quantitativen Inanspruchnahme und auch unabhängig davon, ob mit der Leistung Zahlungsmittel generiert werden können, bereitgehalten werden.35 Zum Schutz des Vermögens sieht das gesamtkirchliche Vermögensrecht detaillierte Schutzbestimmungen vor.36 Die Sicherung der ökonomischen Stabilität und der Existenz der kirchlichen Rechtsperson durch Gewährleistung des Erhalts, sofern möglich auch Verbesserung der Vermögenssubstanz durch Aufstockung des Stammvermögens37 der kirchlichen Rechtspersonen ist somit das handlungsleitende Prinzip und der Gradmesser für die Beurteilung der Vermögensverwaltung. Für die Bestimmung und Abgrenzung der einzelnen Formalziele ist hinsichtlich des zeitlichen Wirkungshorizontes zu unterscheiden. Kurzfristig betrachtet geben die Formalziele Auskunft darüber, in welchem Ausmaß zeitraumbezogen das Vermögen gemehrt bzw. gemindert (Erfolg) wurde und ob zeitpunktbezogen die Zahlungsfähigkeit (Liquidität) und Schuldendeckungsfähigkeit gesichert sind.38 Langfristig betrachtet muss eine reale Kapitalerhaltung angesichts von Geldwertänderungen gewährleistet werden, welche nur durch eine Kapitalstärkung in Form von thesaurierten Gewinnen erreicht werden kann. Eine über die Erhaltung des Eigenkapitals39 hinausgehende Kapitalstärkung ist insbesondere bei einem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen aufgrund der demographischen Entwicklung und wirtschaftspolitischer Maß-

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Vgl. Christian Horak/Christian Matul/Franz Scheuch, Ziele und Strategien von NPOs, in: Handbuch der Nonprofit Organisationen, hrsg. von Christoph Badel/Michael Meyer/Ruth Simsa, 4. Aufl., Stuttgart 2007, S. 179. Zu den Merkmalsausprägungen der Leistungsarten und -kategorien vgl. Leimkühler, Unternehmensrechnung (Anm. 15), S. 283 ff. Es handelt sich hierbei im Einzelnen um die Versicherungspflicht (can. 1284 § 2 Nr. 1 CIC), Genehmigungsvorbehalte bei der Ausführung von Akten der außerordentlichen Verwaltung (can. 1277 CIC) und bei Rechtsgeschäften zur Veräußerung von Vermögensgegenständen (cc. 1291–1298 CIC) u.a. Als Stammvermögen ist das zur wirtschaftlichen Grundausstattung der juristischen Person gehörende bzw. das langfristig angelegte Vermögen zu definieren, welches den Bestand der Rechtsperson gewährleistet und die Verfolgung der ihr eigenen Zwecksetzung kraft eigener Vermögensleistung sicherstellt. Vgl. hierzu und m.w.N. Leimkühler, Unternehmensrechnung (Anm. 15), S. 50. Vgl. Heinz-Georg Baum/Jochen Cantner/Jürgen M. Wagner, Soll die kaufmännische Buchführung die Kameralistik ablösen? – Eine Untersuchung am Beispiel der öffentlichen Abfallentsorgung, in: Hans Peter Möller/Franz Schmidt (Hrsg.), Rechnungswesen als Instrument für Führungsentscheidungen, Festschrift für Professor Dr. Dr. h.c. Adolf G. Coenenberg zum 60. Geburtstag, Stuttgart 1998, S. 341 f. Der Begriff des Eigenkapitals wird hier als Residualgröße, welche sich im Rahmen der bilanziellen Betrachtungsweise rechnerisch aus der Differenz zwischen dem Gesamtvermögen und dem nominell fixierten Fremdkapital ergibt, verstanden.

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nahmen Voraussetzung für eine angemessene Wachstumsfinanzierung und langfristige Sicherung der Existenz der kirchlichen Rechtsperson. Die Gewinnerzielung ist damit kein primäres, sondern ein abgeleitetes Ziel kirchlicher Verwaltung. Die erzielten Gewinne unterliegen allerdings einer Einschränkung in deren Verwendung. Die Gewinne dürfen ausschließlich für Zwecke der juristischen Person verwendet werden und stehen weder zur Disposition des Verwalters noch anderen Rechtspersonen im Sinne einer Gewinnausschüttung zu.40 Der Gewinn kommt der kirchlichen Rechtsperson zur Erfüllung der ihr eigenen Zwecke zu. In der Umkehrung ergibt sich für die kirchliche Rechtsperson die Verpflichtung zum Ausgleich eines gegebenenfalls auftretenden Defizits. Die Gewinnverwendungsbeschränkung ist ein zentrales Abgrenzungskriterium wirtschaftlicher Aktivitäten in kirchlichen Verwaltungen von erwerbswirtschaftlich orientierten Unternehmen.41 Die Erträge kirchlicher Gebietskörperschaften beruhen überwiegend auf Transaktionen, die in keiner unmittelbaren Relation zu den erbrachten Leistungen stehen. Nur in geringem Ausmaß werden für erbrachte Leistungen spezielle Entgelte (Gebühren oder Beiträge) erhoben und auch der Anteil der selbsterwirtschafteten Mittel fällt niedrig aus.42 Die wichtigsten Einnahmequellen sind die sogenannten kirchenhoheitlichen Erträge, das heißt Kirchensteuern, Finanzzuweisungen und Staatsleistungen. Die Sicherung der Eigenwirtschaftlichkeit gewinnt vor dem Hintergrund der rückläufigen kirchenhoheitlichen Erträge angesichts der demographischen Entwicklung wie auch der deutlichen Strukturverschiebungen im Budgetbereich der sozialen Dienste zunehmend an Bedeutung. Die Stärkung der Eigenfinanzierungskraft sowie eine Effizienzerhöhung durch Leistungssteigerung und Kostenreduktion sind feste Bestandteile der Finanzierungskonzeption. Weitere Formalziele stellen die Absicherung bestehender Verbindlichkeiten aufgrund von Refinanzierungen über Kapitalmärkte sowie die Gewährleistung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter durch Bildung eines Sondervermögens oder entsprechender Rückstellungen dar.43 Diese Ziele gehören – in enger Anlehnung an die Fristigkeit der bestehenden Auszahlungsverpflichtung – entweder den kurz-, mittel- oder langfristigen Zielen innerhalb der Finanzierungskonzeption an. Die Einhaltung der Fristenkongruenz stellt bei der Beurteilung des Schuldendeckungspotentials ein eigenständiges Formalziel dar. Die Zweckgebundenheit kirchlichen Vermögens, welche sowohl Sach- als auch Formalziele umschreibt, ist in gleicher Weise Berechtigung und Begrenzung der Vermögensfähigkeit. Innerhalb der Zielkonzeption wird das Verhältnis der Sach- gegenüber den Formalzielen nicht von der Dominanz eines dieser Ziele geprägt. Im Gegensatz dazu wird in der Literatur zur Definition und Beschreibung des Zielausmaßes von Non-Profit-Organisationen überwiegend die

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Can. 1284 § 2 Nr. 6 CIC. Vgl. Christian Horak, Besonderheiten des Controlling in Nonprofit-Organisationen (NPO), in: Controlling, hrsg. von Rolf Eschenbach, Stuttgart 1995, S. 600. Vgl. Eugen Kleindienst/Josef Binder, Das Finanzwesen der katholischen Kirche in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: BayVBl. 1999, Nr. 7, S. 201. Cc. 1254, 1284 § 2 Nr. 5 CIC.

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Hypothese der Sachzieldominanz vertreten.44 Mit der Hypothese der Sachzieldominanz wird versucht, das fehlende Oberziel der Gewinnmaximierung bzw. ein partiell konfliktäres Zielsystem sowie eine mangelnde Operationalisierbarkeit der wichtigsten Ziele zu kompensieren.45 Die Formalziele in kirchlichen Verwaltungen sind primär stabilitätsfördernd und risikoavers ausgerichtet und begrenzen den Ressourcenverbrauch zum Zwecke der Kapitalerhaltung. Im Gegensatz dazu können die Sachziele nur durch Inanspruchnahme der personellen, sächlichen und finanziellen Ressourcen realisiert werden. Infolge begrenzt oder gar zurückgehend zur Verfügung stehender Ressourcen erweist sich in der praktischen Umsetzung die Erfüllung der Formalziele für die kirchliche Verwaltung als handlungsdeterminierend. Bei der Relation von Sach- und Formalzielen geht es insofern um deren Zweck-Mittel-Beziehung und Variabilität. Die Abbildung „Ziele kirchlicher Verwaltung“ veranschaulicht diesen Zusammenhang der kirchlichen Zielkonzeption. Leistungskonzepon (Sachziele) Erfüllung des kirchlichen Grundaurages

Finanzierungskonzepon (Formalziele) Erhalt / Verbesserung der Vermögenssubstanz

Goesdienst

Kapitalstärkung

Verkündigung

Sicherung der Zahlungsfähigkeit

Caritas

Sicherung der Eigenwirtschalichkeit Schuldendeckungsfähigkeit

Ressourcenverbrauch

Ressourcenallokaon

Zweck-Miel-Beziehung; Variabilität

Abbildung: Ziele kirchlicher Verwaltung

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Vertreter dieser Richtung sind: Peter Schwarz, Management in Nonprofit-Organisationen: eine Führungs-, Organisations- und Planungslehre für Verbände, Sozialwerke, Vereine, Kirchen, Parteien usw., 2. Aufl., Bern-Stuttgart-Wien 1996, S. 25; Christian Horak, Controlling in Nonprofit-Organisationen, Erfolgsfaktoren und Instrumente, 2. Aufl., Wiesbaden 1995, S. 21 f.; Martina Schaad, Nonprofit-Organisationen in der ökonomischen Theorie. Eine Analyse der Entwicklung und der Handlungsmotivation der Freien Wohlfahrtspflege, Wiesbaden 1995, S. 1; Jürgen Schmidberger, Controlling für öffentliche Verwaltungen: Funktionen – Aufgabenfelder – Instrumente, 2. Aufl., Wiesbaden 1994, zugl. Diss., Erlangen/Nürnberg 1992, S. 179; Stephan Burla, Rationales Management in Nonprofit-Organisaitonen, Bern-Stuttgart 1989, S. 72 f.; Werner Hasitschka/Harald Hrutschka, Nonprofit-Marketing, München 1982, S. 8. Vgl. Wolfgang Behrens/Martin Karlowitsch/Martin Mertes, Die Balanced Scorecard als Contollinginstrument in Non-Profit-Organisationen, in: Controlling, 12. Jg. 2000, Heft 1, S. 24; Marion Schulze, Profit in der Nonprofit-Organisation. Ein betriebswirtschaftlicher Ansatz zur Klärung der Definitionsdiskussion, Wiesbaden 1997, zugl. Diss., Lüneburg, S. 50.

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IV. Konzeption des Informationsflusses Ohne eine eigenständige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und ohne Kenntnis der Komplexität der sozialen Wirklichkeit der Kirche kann kein Aufsichtsgremium dem Auftrag, die Geschäftsführung kirchlicher Vermögensverwalter zu überwachen, gerecht werden. Dies setzt ein System der Berichterstattung voraus, das die Mehrdimensionalität der Ziele und verschiedenen Einflussfaktoren auf die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der kirchlichen Rechtsperson und ihrer spezifischen Tätigkeitsfelder kommuniziert. 1. Zwecke der Rechnungslegung Bei kirchlichen Rechtspersonen tritt die Selbstinformation im Verhältnis zu der Rechenschaft gegenüber Außenstehenden in den Vordergrund. Mit der Verpflichtung zur Rechnungslegung unter Verwerfung jeder entgegenstehenden Gewohnheit gewichtet der kirchliche Gesetzgeber die Informationsfunktion in besonderer Weise.46 Der Zwang zur Selbstinformation soll verhindern, dass die Rechtsperson aus mangelnder Übersicht über den Vermögensstand und wegen unzureichender Informationen über ihre Schuldendeckungsmöglichkeiten in finanzielle Schwierigkeiten gerät.47 Im Zusammenhang mit der Veräußerung von Vermögensgegenständen des Stammvermögens verlangt das kanonische Recht eine genaue Information über die Wirtschaftslage der Rechtspersonen sowie eine umfassende Information über die finanziellen Konsequenzen realisierter und geplanter Dispositionen.48 Entscheidungen über Kapitaldispositionen können dabei nur auf der Grundlage zukunftsorientierter Informationen gefällt werden. Die Informationspflicht umfasst damit retro- und prospektive Elemente, zumal der Vermögensverwalter nicht nur für die gegenwärtige, sondern auch für die künftige Lage eines Unternehmens mitverantwortlich ist, da ihm eine weitgehend strategische Flexibilität hinsichtlich Einsatz und Allokation von vorhandenen Ressourcen zusteht. Für die Beurteilung der Auswirkungen bereits eingeleiteter Strategieentscheidungen muss zwingend auch die erwartete künftige Lage berücksichtigt werden sowie die bestehenden Belastungen und deren langfristigen Auswirkungen sorgfältig analysiert und beobachtet werden. Es kommt darauf an, die möglichen Veränderungen von Einflussfaktoren im zukünftigen Verlauf darzustellen, zu analysieren und ihre Wirkung zu verfolgen, um die Einflussnahme auf veränderbare Faktoren zu ermöglichen und den erforderlichen Handlungsspielraum für eine aktive Anpassung der systeminternen Strukturen und Ressourcen an veränderte Anforderungen zu gewährleisten.

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Can. 1287 § 1 CIC. Vgl. Karlheinz Küting/Claus-Peter Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss. Kommentar zur Bilanzierung und Prüfung, Loseblattwerk, 5. Aufl., Stuttgart, Stand: 11/2006, Kapitel 2, Rn. 4; Uwe Leffson, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl., Düsseldorf 1987, S. 55–56; Adolf Moxter, Bilanzlehre, Wiesbaden 1974, S. 27. Cc. 1292–1294 CIC.

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Haushaltspläne bilden die maßgebliche Informationsbasis für eine Analyse der wirtschaftlichen Situation der kirchlichen Rechtsperson. Im Vorbericht zu den Haushaltsplänen fasst der Vermögensverwalter die Finanzinformationen zu einer seine persönliche Einschätzung vermittelnden Beurteilung zusammen und beschreibt die für das Jahresergebnis ursächlichen Entwicklungen und Ereignisse. Die Finanzinformationen werden um einen zukunftsgerichteten Ausblick ergänzt. Berichtselemente wie Erfolgsrechnung, Bilanz und Kapitalflussrechnungen, welche standardisierte Detailinformation zur gegenwärtigen Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage enthalten, fehlen. Damit geben Haushaltspläne die wirtschaftliche Lage nur unvollständig wieder, weil die Ausführungen zur künftigen Entwicklung meist zu allgemein gehalten und die Beschränkung des Prognosezeitraums auf das nächste Geschäftsjahr zu kurzfristig ausgerichtet sind. Das Lesen eines Haushaltsplanes reicht deshalb für eine umfassende Beurteilung der wirtschaftlichen Lage nicht aus. Es müssen auch weitere Informationsquellen ausgewertet werden. Es stellt sich daher die Frage, wie bei der Analyse der wirtschaftlichen Lage kirchlicher Rechtspersonen vorzugehen ist. 2. Analyse der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage Die der Jahresabschlussanalyse in kirchlichen Verwaltungen zugrunde liegenden Informationsziele liegen vorrangig in der Beurteilung der Vermögens- und Kapitalstruktur sowie der Beurteilung der finanziellen Stabilität und des Schuldendeckungspotentials der jeweiligen Rechtsperson bzw. Wirtschaftseinheit. Die Vermögens- und Finanzlage der kirchlichen Rechtsperson wird einerseits von den wirtschaftlichen Ressourcen, über welche die kirchliche Rechtsperson die Verfügungsmacht besitzt, von ihrer Vermögens- und Finanzstruktur, ihrer Liquidität und Solvenz sowie andererseits von ihrer Anpassungsfähigkeit an Veränderungen in ihrem Tätigkeitsumfeld bestimmt. Die Herkunft, Höhe und Zusammensetzung der Finanzierungsquellen (Mittelherkunft) und des Vermögens (Mittelverwendung) ist folglich durch die Vermögensaufstellung (Bilanz) zu dokumentieren. Die möglichst objektive Darstellung der Vermögens- und Finanzlage durch eine Gegenüberstellung von Beständen an Vermögen und Schulden an einem bestimmten Stichtag (Zeitpunktrechnung) steht damit im Vordergrund der Bilanzauffassung. Die Bilanz ist somit als zweiseitige, betragsmäßig ausgeglichene nach den Kriterien der Darstellung der Finanzierungsquellen und des Liquiditätsgliederungsprinzips als Gegenüberstellung von Vermögens- und Kapitalpositionen aufzustellen. Die Bilanz zeigt die Ergebnisse des Handelns des Vermögensverwalters und dessen Verantwortlichkeit für das ihm anvertraute Vermögen, da strukturelle Veränderungen von Vermögen und Kapital durch einen Zeit- bzw. Bestandsvergleich kenntlich gemacht werden können. Der Bestandsvergleich ermöglicht darüber hinaus die Ermittlung und Dokumentation des Periodenerfolgs. Dies setzt formal und materiell die korrekte Abgrenzung der aufeinanderfolgenden Perioden durch Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten voraus. Diese Informationen der Veränderungen in der Vermögens- und Finanzlage der kirchlichen Rechtsperson helfen bei der Beurteilung ihrer Investitions-, Finanzierungs- und ihrer operativen Tätigkeiten während der Berichtsperiode.

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Die Ergebnisrechnung als Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen ist eine Zeitraumrechnung, welche primär der periodengerechten Erfassung und Verrechnung von Einnahmen und Ausgaben sowie der Ermittlung des Periodenergebnisses dient. Die der Ergebnisanalyse zugrunde liegenden Informationsziele liegen in der Beurteilung der Ertragskraft der kirchlichen Rechtsperson für die Ermittlung potenzieller Veränderungen der wirtschaftlichen Ressourcen, über welche die kirchliche Rechtsperson in Zukunft die Verfügungsmacht besitzen wird. Aufgabe der Ergebnisrechnung ist es daher, die Ertrags- und Aufwandsstruktur deutlich zu machen und das Zustandekommen des Jahresergebnisses aufzuzeigen. Die Aufspaltung des Erfolges nach einzelnen Funktionsbereichen ist nur in Ausnahmefällen möglich, da den angebotenen Dienstleistungen überwiegend keine Erlöse zugerechnet werden können. Darüber hinaus werden in die Gesamtleistung des Geschäftsjahres auch erhaltene Erträge ohne besondere Gegenleistung einbezogen, periodisiert und den Gesamtaufwendungen gegenübergestellt. Die Ergebnisrechnung ist daher nach dem Gesamtkostenverfahren aufzustellen, wobei sämtliche Erträge und Aufwendungen der Periode untereinander mit Zwischensummen angeordnet werden. Die Bildung von Zwischensummen, welche die Aussagefähigkeit der Ergebnisrechnung erhöht und eine bessere Interpretation der als Kennzahlen dienenden Positionen ermöglicht, setzt voraus, dass die Ergebnisrechnung als Staffelrechnung aufgestellt wird. Für die finanzwirtschaftliche Beurteilung sind primär die Bereiche Kapitalstrukturanalyse und Liquiditätsanalyse von Bedeutung. Die Kapitalstruktur kann anhand von abschlussbasierten Verhältniskennzahlen unter Berücksichtigung von Art, Fälligkeit- und Zinsstruktur der Kapitalausstattung analysiert werden. Bei der Liquiditätsanalyse ist die Fähigkeit der kirchlichen Rechtsperson, ihre künftigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können, in den Vordergrund zu stellen. Die Kapitalflussrechnung ist eine liquiditätsbezogene Zeitraumrechnung, bei der Bestandsveränderungen bzw. die den Bestandsveränderungen zugrunde liegenden finanziellen Bewegungen unabhängig davon ausgewiesen werden, wann ein bestimmter Investitionsgegenstand angeschafft oder ein bestimmter Erlös erzielt wurde. Sie vermittelt durch eine detaillierte Darstellung der Zahlungsströme ein objektiviertes Bild der Finanzlage, das keinen Bewertungsmaßnahmen oder Periodisierungsüberlegungen unterworfen ist. Dadurch werden nicht nur Aussagen über Investitions- und Finanzierungsvorgänge ermöglicht, sondern es wird auch der Finanzbedarf, der durch Investitionen, Tilgung von Verbindlichkeiten und die Stärkung des Eigenkapitals entsteht, ermittelt und seine Deckung durch Innen- und Außenfinanzierung dargestellt sowie die Liquiditätsveränderungen der Berichtsperiode ausgewiesen. Im Rahmen einer dynamischen Liquiditätsanalyse ist zusätzlich die künftige Liquiditätssituation abzuschätzen, in dem die künftigen Zahlungsmittelzuflüsse abgeschätzt und mit dem voraussichtlichen Liquiditätsbedarf (fällige Verbindlichkeiten, geplante Investitionen) abgeglichen werden, um Über- und Unterdeckung zu identifizieren. Der kirchliche Gesetzgeber fordert ausdrücklich eine zukunftsbezogene Berichterstattung in Form stichtagsbezogener Entwicklungserwartungen. Die Rechnungslegung muss folglich, um ihren Schutzzweck zu genügen, prognose-

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orientiert sein.49 Entsprechend erweitert der kirchliche Gesetzgeber die Informationspflichten um die Erstellung einer jahresbezogenen Planungsrechnung, die alle internen und externen Plangrößen zusammenfasst sowie den erwarteten Vermögenszuwachs und die Verwendung des Vermögens verbindlich vorgibt.50 In diesem Kontext kommt es darauf an, die möglichen Veränderungen der Einflussfaktoren im zukünftigen Verlauf darzustellen, zu analysieren und ihre Wirkung zu verfolgen, um die Einflussnahme auf veränderbare Faktoren zu ermöglichen und den erforderlichen Handlungsspielraum für eine aktive Anpassung der systeminternen Strukturen und Ressourcen an veränderte Anforderungen zu gewährleisten. Bezugsjahresbezogene Planungssysteme haben gegenüber den im Rahmen der Rechnungslegung verwendeten Informationsinstrumenten den Vorteil, dass sie die Zahlungsstromerwartung in ihrer Unsicherheit unmittelbar berücksichtigen und normativ die künftige Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beschreiben.51 Notwendig dafür sind eine systembezogene Integration von Planungs- und Rechnungswesen und ein anwendungsspezifischer Detaillierungsgrad der Teilpläne, die in Form, Ansatz, Bewertung und Ausweis den Elementen des Rechnungswesens entsprechen.52 Eine derart umfassende Berichterstattung über die künftige Entwicklung bietet nicht nur den Vorteil, dass die Plausibilität der Zukunftsgrößen geprüft werden kann, sondern führt darüber hinaus zu einer Annäherung von internem und externem Berichtswesen, die in anderen Rechnungslegungskonzeptionen bislang fehlt.53 3. Transparenz Die Rechenschaftspflicht greift der kirchliche Gesetzgeber unter zwei Gesichtspunkten auf. Zum einen wird der Vermögensverwalter verpflichtet, gegenüber dem Ordinarius Rechenschaft abzulegen (interne Rechenschaft).54 Der Vermögensverwalter wird darüber hinaus verpflichtet, den Gläubigen gemäß den vom Partikularrecht festzulegenden Bestimmungen Rechenschaft zu geben über die Vermögenswerte, die der Kirche von Gläubigen gespendet wurden (externe Rechenschaft).55 Akzeptiert man den Gedanken der Notwendigkeit

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Vgl. Adolf Moxter, Rechnungslegungsmythen, in: Betriebs-Berater, 55. Jg. 2000, Heft 42, S. 2148. Can. 1284 § 3 CIC. Als lex specialis zu can. 1284 § 3 CIC enthält can. 493 CIC für die Diözese eine verbindliche Vorschrift. Vgl. Adolf Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, Düsseldorf 2003, S. 251. Vgl. Dietrich Budäus, Zum aktuellen Reformstand des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens – Integrierte Verbundrechung (IVR) und Grundsätze ordnungsmäßiger öffentlicher Buchführung (GoöB), in: Heinz Bolsenkötter (Hrsg.), Die Zukunft des öffentlichen Rechnungswesens. Reformtendenzen und internationale Entwicklung, Baden-Baden 2007, S. 54. Vgl. Claudia Leimkühler, Bedingungen und Optionen für die Gestaltung eines doppischen Rechnungswesen bei kirchlichen (Gebiets-)Körperschaften – Eine Analyse aus Sicht der katholischen Kirche in Deutschland, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, 32. Jg. 2009, Heft 2, S. 158 f. Can. 1287 § 1 CIC. C.an 1287 § 2 CIC.

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einer Rechenschaftslegung gegenüber den Kirchenmitgliedern, so bleibt im Prinzip nur die öffentliche Rechnungslegung, weil die Kirchenmitglieder sonst nicht erreicht werden. Zweck der Rechenschaftslegung ist einerseits die Offenlegung der Verwendung anvertrauten Kapitals in dem Sinne, dass den Informationsberechtigten ein vollständiger, klarer und zutreffender Einblick in die ausgeübte Tätigkeit gegeben wird, damit diese sich ein eigenes Urteil über das verwaltete Vermögen und die damit erzielten Ergebnisse bilden können. Auf der anderen Seite dient die Rechenschaftslegung der Schaffung von Transparenz in der kirchlichen Vermögensverwaltung und der Information der Öffentlichkeit, die an der finanziellen Verantwortung für die Kirche mitträgt; sie dient damit dem Sendungsauftrag der Kirche, der den Einsatz von materiellen Gütern nur als Mittel zur Erreichung ihres Auftrages und nicht primär als Mittel zur Vermögensvermehrung festlegen und darlegen will. Transparenz durch Information dient damit der Klarheit und Glaubwürdigkeit des kirchlichen Auftrages und Wirkens. Rechenschaft geht somit über die Rechnungslegung hinaus und zielt umfassend auf eine Darlegung und Verdeutlichung der Ziele, um derentwillen die Kirche Vermögen besitzen darf, und der Zielerreichung in der Berichtsperiode.56 Transparenz ist in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung ein gleichermaßen wichtiges wie auch sensibles und problematisches Thema. Das wirtschaftliche Leistungspotential und die Aktivitäten kirchlicher Rechtspersonen unterliegen häufig Fehleinschätzungen wegen fehlender Informationsund Kommunikationspolitik. Hinzu kommt, dass sich die Wahrnehmung der Kirche in der Öffentlichkeit wandelt. Dies bedingt eine intensivere Kommunikation der Verwaltung mit den Mitgliedern der Kirche und einer interessierten, kritischen Öffentlichkeit über Zielsetzung und Entwicklung der kirchlichen Rechtsperson sowie mehr Transparenz und Publizität in allen Bereichen, wobei die Kommunikationsweise über die Glaubwürdigkeit und über den Aufbau langfristiger Beziehungen zwischen der kirchlichen Rechtsperson und deren (Teil-)Öffentlichkeit entscheidet.57 Die Offenlegung der Rechnungslegung dient in der Folge der positiven Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Sie soll Akzeptanz schaffen und bietet somit eine Grundlage für die Erweiterung der kirchlichen Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft. Gegenüber der kirchlichen Öffentlichkeit, das heißt gegenüber den Kirchenmitgliedern, bedeutet Offenlegung verantwortete Rechenschaft insbesondere gegenüber dem Kirchensteuerzahler oder Spender und dessen Motivation. Die Kirchenmitglieder haben damit Anteil an den sichtbaren finanziellen Entscheidungen und materialisierten Initiativen ihrer Kirche. Die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses lässt sich ferner mit der erheblichen Außenwirkung der kirchlichen Rechtspersonen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht begründen. Das wirtschaftliche Handeln der Kirchen ist ein wesentliches Moment ihrer institutionellen Dimension in der

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Vgl. Leimkühler, Unternehmensrechnung (Anm. 15), S. 244. Vgl. Boris Piwinger, Investor Relations aus Sicht des Internet-Investors, in: Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger (Hrsg.), Die Praxis der Investor Relations, 2. Aufl., Neuwied 2001, S. 3.

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Gesellschaft und wird zu einem Prüfstein der Glaubwürdigkeit, mit der die Kirchen ihren Sendungsauftrag erfüllen.58 Die Kirchen sind als Arbeitgeber, Eigentümer von Geld- und Grundvermögen, Betreiber von Einrichtungen und Häusern wirtschaftlich Handelnde und damit Gegenstand des öffentlichen Interesses. Die Offenlegung des Jahresabschlusses erhöht das Vertrauen in die Katholische Kirche sowie ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie selbst die Maßstäbe des wirtschaftlichen Handelns nicht nur thematisiert, sondern anhand der Offenlegung der Rechnungslegung ihr eigenes wirtschaftliches Handeln in ökonomischer und sozialer Hinsicht dokumentiert.59 Die Berichte und Rechnungslegungsinformationen kirchlicher Rechtspersonen erreichen häufig jedoch nicht das Niveau, das institutionelle Anleger auf dem Kapitalmarkt gewohnt sind. Rechnungslegungsinformationen werden – wenn überhaupt – nur auszugsweise in Form von Pressemitteilungen und Veröffentlichungen der Planungs- und Jahresrechnungen in den kirchlichen Amtsblättern publiziert, die teilweise durch eigene Broschüren und Faltblätter ergänzt werden. Dabei ist zu beobachten, dass sich ein sehr heterogenes Bild der freiwilligen Berichterstattung herausgebildet hat, welches auch auf die uneinheitliche Rechnungslegungspraxis kirchlicher Rechtspersonen zurückzuführen ist. Von der Informationsgesellschaft geht ein starker Anreiz zu einer umfangreichen Berichterstattung aus. Die wachsenden Ansprüche der Kirchenmitglieder auf Vermittlung finanzieller Informationen über die gesetzliche und kirchenrechtliche Offenlegung hinaus bewirken einen Wandel der freiwilligen Publizität. Die kirchenrechtlich vorgeschriebenen Informationsmaßnahmen zur Darstellung der Planungsrechnungen und Jahresabschlüsse erreichen die Kirchenmitglieder nicht, weshalb jene in besonderer Weise auf die darüber hinaus gehende Gestaltung der Informationsversorgung angewiesen sind, um über die wirtschaftliche Situation der kirchlichen Rechtsperson informiert zu werden. Die derzeit für kirchliche Verwaltungen übliche Publizierung in kirchlichen Anzeigern ist im Hinblick auf den Entwicklungsstand und Verbreitungsgrad elektronischer Medien zu hinterfragen. Die modernen Informations- und Multimediatechnologien eröffnen neue Dimensionen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikationspolitik. Insbesondere das Internet ist als Kommunikationsbasis in ein professionelles Informationskonzept einzubeziehen, da es die Charakteristiken zahlreicher traditioneller Medien vereint und erwei-

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Vgl. Marianne Heimbach-Steins/Andreas Lienkamp (Hrsg.), Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland – eingeleitet und kommentiert von Marianne Heimbach-Steins und Andreas Lienkamp, unter Mitarbeit von Gerhard Kruip und Stefan Lunte, München 1997, Kommentar S. 241. Vgl. Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland, Bonn 1997, Gemeinsame Texte, Band 9, S. 96, Tz. 244.

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terte, interaktive Möglichkeiten schafft; es ermöglicht durch seine Funktionalität die aktive Gestaltung des Wandels der finanziellen Kommunikation von der gesetzlichen Rechenschaftspflicht zur aktiven Information und führt aufgrund des direkten, kostengünstigen und deutlich zeitnäheren Zugangs zu den gewünschten Informationen zu einer Disintermediation des Kommunikationsprozesses. Voraussetzung dafür ist, dass die kirchliche Rechtsperson auf eine restriktive Vorbestimmung der Informationsinhalte und Verbreitung dieser Inhalte verzichtet und stattdessen das Informationsbedürfnis der genannten Zielgruppen in den Vordergrund stellt.

V. Zusammenfassung Das System der Überwachung in kirchlichen Verwaltungen ist ausgewogen und leistungsfähig; es nutzt durch die Kombination unterschiedlicher Konzepte deren spezifischen Stärken. Die benannten Schwächen in der praktischen Ausgestaltung stellen nicht das System in Frage, machen aber eine gezielte Überprüfung und partielle Korrektur des Überwachungssystems erforderlich. Zudem gestaltet sich das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld der kirchlichen Verwaltungen zunehmend komplexer und schnelllebiger; es stellt die kirchlichen Verwaltungen vor neue, erhebliche Anforderungen, wenn sie einerseits die Finanzierung ihrer Aufgaben und damit die Existenz der kirchlichen Rechtsperson sichern sowie andererseits den Umfang des kirchlichen Wirkens erhalten oder gar ausbauen wollen. Das gewandelte Umfeld stellt damit höhere Anforderungen an die Überwachungstätigkeit der Aufsichtsorgane. Als institutionelle Kontrollorgane haben die Aufsichtsgremien die Aufgabe, durch effiziente Beratung der ausführenden Organe der Vermögensverwaltung Fehlentwicklungen und -entscheidungen abzuwenden. Dies setzt voraus, dass die Aufsichtsgremien effektiv und kompetent arbeiten können, über die notwendige Fachkompetenz und Informationen verfügen und imstande sind, aus diesen Informationen Bewertungen abzuleiten, die unabhängig, aus Kenntnis der kirchlichen Verwaltung heraus angemessen und gleichzeitig hinreichend distanziert sind. Der Einsatz moderner betriebswirtschaftlicher Steuerungs- und Kommunikationsinstrumente kann zu einer verbesserten Überwachung beitragen und darüber hinaus eine rationale Kommunikation zwischen Kirche und säkularisierter Gesellschaft ermöglichen. Die Bereitschaft zur Nutzung der verschiedenen Instrumente und Verhaltensmaßstäbe wird maßgeblich von der Informationsqualität abhängen sowie der Bereitschaft aller Beteiligte, über die Vermögens-, Finanzund Ertragslage sowie über das Leistungsausmaß, die Leistungsinanspruchnahme und die Qualität kirchlicher Dienste Rechenschaft zu geben.

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Leitsätze zum Vortrag von Dipl.-Kffr. Dr. rer. pol. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: „Die Bedeutung von Aufsicht und Kontrolle in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung“ Die kirchlichen Körperschaften unterliegen aufgrund des verfassungsrechtlich gewährten Selbstbestimmungsrechts keiner gesetzlichen Rechnungslegungspflicht und externen Aufsicht. Diese Gestaltungsfreiheit setzt sich auch auf Ebene des Kirchenrechts durch die ausgeprägte partikularrechtliche Dimension des gesamtkirchlichen Vermögensrechts fort. Wegen der Einbindung der kirchlichen Rechtspersonen in das soziokulturelle und ökonomische Umfeld entfalten die in der Fachdiskussion und öffentlichen Auseinandersetzung erhobenen Forderungen nach einer nachhaltig gelebten Kultur der Unternehmensintegrität sowie nach einer wirtschaftlich effizienten Unternehmenssteuerung entsprechende Ausstrahlungswirkung und dienen als Maßstab zur Ausfüllung von Sorgfaltspflichten und Haftungstatbeständen. 1. Das System der Überwachung in kirchlichen Verwaltungen organisiert Aufsicht und Kontrolle als einen arbeitsteiligen Prozess, an dem interne und externe Überwachungsträger in unterschiedlichem Maße beteiligt sind. Das gesamtkirchliche Recht enthält in Ergänzung des Zusammenspiels von Kontrolle und Planung mit dem Institut der Alienationsbeschränkungen und der Unterscheidung von Akten ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung mit den entsprechenden Rechtsfolgen weitere Instrumente der Überwachung. Die Überwachungstätigkeit wird nicht auf eine ex-post Kontrolle beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf eine prozessuale Beteiligung am Entscheidungsprozess. Hieraus wird deutlich, dass das gesamtkirchliche Recht sowohl die prozessbegleitende als auch die institutionelle Überwachung ermöglicht und damit den gesamten Bereich der unternehmerischen Entscheidungstätigkeit und ihrer Folgen umfasst. 2. Zum Schutz des Vermögens sieht das gesamtkirchliche Vermögensrecht detaillierte Schutzbestimmungen vor. Diese stellen die Bindung der Vermögensfähigkeit der Rechtssubjekte an den Sendungsauftrag der Kirche, der den Einsatz materieller Güter nur als Mittel zur Erreichung ihres Auftrags festlegt, sowie die gewissenhafte, sorgfältige und vorsichtige Verwaltungsführung zur Sicherung des kirchlichen Vermögens in den Vordergrund. Die Sorgfaltspflicht umfasst folglich die Verpflichtung zu einer langfristigen, auf Wertemanagement basierende, transparente und nachvollziehbare Unternehmensführung. Die Sorgfaltspflicht trifft aber nicht nur den unmittelbaren Vermögensverwalter, sondern insbesondere auch all diejenigen, die entsprechend ihrer Aufgaben und Kompetenzen an der kirchlichen Vermögensverwaltung und an deren Ausführung und Überwachung beteiligt sind. Diese setzt eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Information der Organe der Vermögensverwaltung über die wirtschaftliche Lage der kirchlichen Rechtsperson voraus. 3. Die kodifizierten Sorgfaltspflichten sehen neben der Erstellung von Rechnungsabschlüssen auch die Berichterstattung über die zukünftige Entwick-

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lung der kirchlichen Rechtsperson auf der Grundlage von jährlichen Planungsrechnungen sowie eine zugehörige funktionsfähige Kontrolle und Koordination der untergeordneten Führungsebenen vor. Die Unternehmensplanung erfährt damit eine umfassende Verankerung. Der Vermögensverwalter ist neben der aktuellen wirtschaftlichen Lage auch für die künftige Entwicklung der kirchlichen Rechtsperson mitverantwortlich, da ihm eine weitgehend strategische Flexibilität hinsichtlich Einsatz und Allokation von vorhandenen Ressourcen zusteht. Für die Beurteilung der Auswirkungen bereits eingeleiteter Strategieentscheidungen müssen folglich auch die erwartete künftige Lage berücksichtigt sowie die bestehenden Belastungen und deren langfristigen Auswirkungen sorgfältig analysiert und beobachtet werden. Es kommt dabei darauf an, die möglichen Veränderungen von Einflussfaktoren im zukünftigen Verlauf darzustellen, zu analysieren und ihre Wirkung zu verfolgen, um die Einflussnahme auf veränderbare Faktoren zu ermöglichen und den erforderlichen Handlungsspielraum für eine aktive Anpassung der systeminternen Strukturen und Ressourcen an veränderte Anforderungen zu gewährleisten. Dies setzt neben der Kontrolle der Planerreichung auch eine Kontrolle der Qualität der Planerstellung durch die Aufsichtsgremien voraus. Nur so kann wirksam überwacht werden, ob die operativen und strategischen Pläne auf realistischen Annahmen und modernen Planungstechniken beruhen. 4. Ohne eine eigenständige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und ohne Kenntnis der Komplexität der sozialen Wirklichkeit der Kirche kann kein Aufsichtsgremium dem Auftrag, die Geschäftsführung kirchlicher Vermögensverwalter zu überwachen, gerecht werden. Dies setzt ein System der Berichterstattung voraus, das die Mehrdimensionalität der Ziele und verschiedenen Einflussfaktoren auf die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der kirchlichen Rechtsperson und ihrer spezifischen Tätigkeitsfelder kommuniziert. 5. Die Vermögensverwalter und Aufsichtsgremien stehen betriebswirtschaftlich gesehen vor ähnlichen Herausforderungen an die Informationsbeschaffung und -verarbeitung. Der Entwicklungsstand der Rechnungslegung kirchlicher Rechtspersonen deckt jedoch nur vereinzelt den erforderlichen Informationsbedarf zur Durchführung einer effizienten Überwachung. Eine Erweiterung des Aussagewertes des Rechnungswesens erfordert zusätzliche Instrumente. Dieses Instrumentarium muss einerseits die Selbstwahrnehmung sowie einen effizienten Ressourceneinsatz eröffnen und andererseits dem Umstand Rechnung tragen, dass die Prüfung der Rechnungslegung wesentlicher Bestandteil und Instrument der Informations- und Kontrollkonzeption der kirchlichen Verwaltung ist. Es kommt somit darauf an, die Besonderheiten kirchlicher Rechtspersonen zu berücksichtigen und der Gefahr zu begegnen, unreflektiert betriebswirtschaftliche Instrumentarien aus der Erwerbswirtschaft auf kirchliche Rechtspersonen zu übertragen. 6. Die Mitglieder der Aufsichtsorgane müssen imstande sein, ihren Informationsbedarf gegenüber den Vermögensverwaltern zu artikulieren und sich mit den zu erörternden Sachfragen fundiert auseinandersetzen. Dafür sind eine hohe fachliche Qualifikation, Erfahrung und Unabhängigkeit unabdingbare Voraussetzung. Die Situation und Praxis der Berufung der Mitglie-

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der in den Vermögensverwaltungsrat macht jedoch deutlich, dass die vom kanonischen Gesetzgeber geforderte Unabhängigkeit und fachliche Qualifikation nicht durchgängig gewährleistet ist. Die Vermögensverwaltungsräte sind teilweise mit Bediensteten der bischöflichen Verwaltungsbehörden besetzt; in anderen Fällen verfügen die Mitglieder zum Teil nicht über die geforderte ökonomische und juristische Kompetenz. Die Überwachungseffizienz wird dadurch erheblich eingeschränkt. Die Bestellung der Mitglieder der Aufsichtsorgane sollte zur Gewährleistung der Unabhängigkeit anhand nachvollziehbarer Kriterien erfolgen. Hierzu ist ergänzend zu den vom kanonischen Gesetzgeber gestellten fachlichen Anforderungen und Erfahrungen ein klares Anforderungsprofil bezüglich der persönlichen Eigenschaften und Voraussetzungen sowie der benötigten Sach- und Fachkenntnisse zu erarbeiten und festzulegen. Die Auswahl und Berufung von Mitgliedern aus unterschiedlichen Branchen der außerkirchlichen Verwaltung und Wirtschaft, die neben dem notwendigen Fachwissen über eigene unternehmerische Erfahrungen verfügen und deren Aufgaben denen der zu überwachenden Geschäftsbereiche qualitativ entsprechen, bringt darüber hinaus zusätzliche Erfahrungen und Kenntnisse ein. 7. Transparenz ist in der kirchlichen Vermögens- und Finanzverwaltung ein gleichermaßen wichtiges wie auch sensibles und problematisches Thema. Das wirtschaftliche Leistungspotential und die Aktivitäten kirchlicher Rechtspersonen unterliegen häufig Fehleinschätzungen wegen fehlender Informations- und Kommunikationspolitik. Hinzu kommt, dass sich die Wahrnehmung der Kirchen in der Öffentlichkeit wandelt. Von daher ist eine intensivere Kommunikation der Verwaltung mit den Aufsichtsgremien, den Mitgliedern der Kirche und einer interessierten, kritischen Öffentlichkeit über Zielsetzung, Struktur und Entwicklung der kirchlichen Rechtspersonen sowie mehr Transparenz und Publizität erforderlich.

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Diskussion über den Vortrag von Dipl.-Kffr. Dr. rer. pol. Claudia Leimkühler, Köln/ Hamburg Diskussionsleiter: Prof. Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Meine Damen und Herren, wir wollen jetzt mit der Diskussion beginnen und ich habe schon einige Wortmeldungen notiert. Es können sich jederzeit noch weitere Diskutanten melden. Der erste Redner ist Herr Vulpius. Dr. Axel Vulpius, Bonn: Wir haben gestern wie auch heute gehört, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gerade bei der Vermögensverwaltung und der Vermögenssicherung eine entscheidende Rolle spielt. Es gibt allerdings einen Bereich, in dem dieser Grundsatz durchbrochen wird, in dem der Staat tatsächlich noch einen Einfluss hat, und das ist die rechtliche Vertretung und ihre Bekanntmachung in der Öffentlichkeit, ein Bereich, der zwar des Öfteren unbekannt, aber doch sehr wichtig ist; denn auf der eine Seite ist es für die Geschäftswelt außerordentlich wichtig zu wissen, wer denn nun wirklich die rechtliche Vertretung hat, und auf der anderen Seite ist es für die Kirche wichtig, dass da nicht etwa Verträge plötzlich als nichtig oder unwirksam gelten. Ich zitiere aus Artikel 8 Absatz 4 des Evangelischen Kirchenvertrags SachsenAnhalt.1 Da heißt es: „Die Vorschriften der Kirchen über die vermögensrechtliche Vertretung der kirchlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen öffentlichen Rechts werden der Landesregierung vor ihrem Erlass vorgelegt. Die Landesregierung kann innerhalb eines Monats Einspruch erheben, wenn eine ordnungsgemäße vermögensrechtliche Vertretung nicht gewährleistet ist.“ Hier also tritt der Staat nun doch in Erscheinung. Doch entsteht auch eine Reihe von Fragen. Darf zum Beispiel das Land alles beanstanden, was nicht seinem Gusto entspricht, also beispielsweise eine etwas komplizierte Regelung, etwa wenn der Vertretungsberechtigte die Zustimmung von noch zwei Personen benötigt als Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Vertrages? Darf der Staat da eingreifen? Das darf er nicht. Darüber kann die Kirche im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts selber entscheiden. Anders liegt es, wenn die Sache wie im folgenden Beispiel unklar ist: Der Vertrtungsberechtigte wird benannt, und zusätzlich heißt es: „sofern der Bischof oder die Synode ihr Einverständnis erklären“. Dass Letzteres aber nicht im Voraus geschehen soll, steht nicht drin. Das kann der Staat beanstanden, weil der Geschäftspartner im rechtlichen Verkehr nicht gesichert ist. Eine andere Frage ist natürlich auch: Kann sich die Kirche wehren? Ja, das kann sie. Es ist auch im Staatskirchenvertrag hierzu ein Rechtsmittel vorgesehen. Eine dritte Frage ist zum Bespiel die: Muss die Vertretungsregelung veröffentlicht werden? Oder kann die Kirche darauf verweisen, dass sie vor fünf Jahren irgendeinen Beschluss gefasst hat, der und der sei jetzt mit der Mitzeichnung beauftragt? Wahrscheinlich würde das nicht ausreichen. Jedenfalls würde es der Staat beanstanden können, weil der Geschäftspartner schwerlich sämtliche kirchlichen Beschlüsse nachprüfen kann. Also eine Reihe von Fragen, aber wichtig sowohl für den Geschäftspartner in erster Linie, aber auch für die Kirchen, die ih-

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ren Ruf verlieren, wenn sie Regelungen haben, die nicht bekannt gemacht worden sind, und dann Verträge plötzlich ungültig oder schwebend unwirksam werden. Vielen Dank. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Vulpius, für diese Fragen. Nächster Redner ist Herr Sydow. Es folgt dann Herr Schon. Prof. Dr. Gernot Sydow, Limburg/Freiburg: Frau Leimkühler, Sie haben uns in einem brillanten organisationstheoretischen Ansatz verschiedene Aufsichtsinstrumente und Überwachungskonzepte vorgestellt. Jetzt wäre für mich die Frage: Bedarf es nicht ergänzend dazu – und letztlich vorausliegend – einer Vergewisserung darüber, was jeweils die Funktionen der Aufsicht sein sollen? Man kann das im Bereich der kirchlichen Stiftungsaufsicht verdeutlichen: Sie bezieht sich sicherlich zunächst in juristischer Perspektive auf Aufgaben der Genehmigungsbehörde für Änderungen der Stiftungsverfassung. Das ist eine stiftungsverfassungsrechtliche Funktion der Stiftungsaufsicht. Darüber hinaus wird die Stiftungsaufsicht sicherlich die Funktion haben, die Erträgnisverwendung im Sinne des bindenden Stiftungszweckes zu überwachen. Schließlich könnte die Stiftungsaufsicht eine dritte Funktion haben, die sich aus der zweiten ableiten lässt: Stiftungserträge kann man nur verwenden, wenn das Stiftungskapital Stiftungserträge abwirft. Ist es vor diesem Hintergrund Aufgabe der Stiftungsaufsicht, darüber zu wachen, dass nicht nur die vorhandenen Erträgnisse satzungskonform verwandt werden, sondern dass das Stiftungskapital erhalten bleibt, dass es gewinnbringend, sicher und risikoarm, ggf. ethisch investiert und angelegt wird? Wenn diese Fragen als allererstes und vor einer Diskussion über Aufsichtsinstrumente beantwortet sein müssen, dann stellt sich für mich die Frage: Woher weiß ich das? Woher weiß ich, was jeweils Aufsichtsfunktionen sind? Diese Frage kann man mit Sicherheit nicht begrifflich aus den Termini Aufsicht oder Kontrolle beantworten, sondern man muss sie normativ beantworten. Dann stellt sich die Frage: Was sind Möglichkeiten, sich hier zu vergewissern? Wenn man in die staatlichen Stiftungsgesetze schaut – das Hessische ist mir vertraut –, dann steht zu dieser Frage nichts darin. Die Frage wäre also: Ist dies eine eigene Entscheidung der jeweiligen Aufsichtsbehörde oder etwa des Bischofs, hier festzulegen, in welcher Intensität und mit welchen Funktionen eine Aufsicht tätig wird? Was geschieht, wenn es hier unterschiedliche Maßstäbe gibt? Wie kann man zu einer Vergewisserung über die Funktionen von Aufsicht kommen, die sich meines Erachtens nicht einfach aus den Begriffen der Aufsicht oder der Kontrolle als solchen ergeben? Hermann J. Schon, Köln: Zunächst danke ich der lieben Kollegin Leimkühler für ihren hochinteressanten Vortrag, der die komplexe Prozess- und Entscheidungssituation vortrefflich beschreibt. Sie hat in gewohnt präziser Weise das Thema, so möchte ich sagen, „filetiert“.

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Aussprache

Auf eine ihrer Bemerkungen möchte ich eingehen, in der sie fragt, ob ein Kirchengebäude der Aktiv- oder der Passivseite der Bilanz einer kirchlichen Körperschaft zuzuordnen ist. Die Frage erscheint auf den ersten Blick provokant, lenkt jedoch den Blick in die richtige Richtung. Selbstverständlich stehen auch die Kirchengebäude im Anlagevermögen auf der Aktivseite. Entscheidend sein dürfte ihre Bewertung. Nach meinem Kenntnisstand buchen die Erz-/ Bistümer die Kirchengebäude mit einem Erinnerungswert von einem Euro ein, da es wenig sinnvoll erscheint, die Bilanz durch hypothetische oder an den Widerherstellungskosten orientierte Werte aufzublähen und damit einen (hohen) Vermögenswert auszuweisen, der letztlich wenig mit dem Immobilienwert unter Marktgesichtspunkten zu tun hat. Bei dieser Bilanzierungspraxis stellt sich betriebswirtschaftlich gesehen die Frage nach der Abschreibung. Klassischerweise dient diese dazu, den auf die Immobilie entfallenden Substanzverzehr deutlich zu machen. Ohne Bewertung entfällt dieser kalkulatorische Aufwand, sodass im erwirtschafteten Cash Flow hieraus auch keine Liquidität zugeordnet werden kann. Dies ist ein gewisses Dilemma, das aber nicht dazu führen darf, dass für die betreffenden Immobilien keine (Gewinn)-Rücklagen gebildet werden. Eine Kompensation der notwendigerweise erforderlichen und aus der Abschreibung gebildeten Bauerneuerungsrücklagen kann letztlich nur aus dem Eigenkapital bzw. den Gewinnrücklagen erfolgen. Insoweit möchte ich den eben dargestellten Begriff der Aufsicht inhaltlich weiter fassen und die Notwendigkeit der Einführung eines Risikomanagements hervorheben. Die kirchlichen Körperschaften haben sich in den zurückliegenden Jahren intensiv mit der Einführung der kaufmännischen Rechnungslegung befasst. Bei aller Unterschiedlichkeit im Detail sind alle entwickelten Systeme getragen von dem Ziel einer konservativen Bilanzierung, in der es insbesondere darum geht, die relevanten Zukunftslasten angemessen abzubilden und auszufinanzieren. Hierbei werden sinnvolle Gestaltungsspielräume genutzt, etwa in der Frage der Kalkulation der Pensionsrückstellungen, wo sich kirchliche Rechtsträger meines Erachtens zwingend von den gesetzlichen Kalkulationsgrundlagen lösen müssen. Ein Industrieunternehmen, welches mit dem Vermögen seiner Pensionslasten unternehmerisch arbeitet, wird eher eine dem Referenzzins der Bundesbank angelehnte Rendite erwirtschaften. Für kirchliche Körperschaften trifft dies nicht ganz zu und deshalb muss dies auch zu anderen Kalkulationsannahmen führen. Einschränkungen in den Testaten sind unbequem, aber hinzunehmen, wenn sie einer konservativen und damit realistischen Bilanzierungspolitik geschuldet sind. Neben diesen Bilanzierungsgrundsätzen sollte für alle kirchlichen Körperschaften die Frage im Vordergrund stehen, welche Risiken mit den einzelnen Positionen der Bilanz aber auch in operationeller und strategischer Hinsicht gegeben sind. Notwendig ist eine Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Schadensereignissen, ebenso wie das Risiko von Planabweichungen verbunden mit der Frage, wie rasch hierauf reagiert werden kann und wie viel Eigenkapital für diese Ereignisse gebunden und damit nicht mehr frei disponibel ist! Aufsichtsstrukturen bilden weiterhin eine notwendige Basis. Wir sollten sie inhaltlich weiterentwickeln.

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Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Frau Leimkühler, jetzt haben Sie Gelegenheit zu antworten und Sie müssen sich nicht beschränken. Dr. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: Starten möchte ich mit Ihrer Frage, Herr Sydow, zur „Mehrdimensionalität von Aufsicht“. Auf diesen Aspekt bin ich gar nicht so konkret eingegangen, weil Aufsicht und Kontrolle sich auf eine Vielzahl verschiedenartiger Rechte und Pflichten erstrecken kann. Wesen und Umfang der Überwachungsaufgabe der verschiedenen an der Vermögensverwaltung beteiligten Organe setzt einen konkreten Bezugsrahmen zur Beurteilung der jeweiligen Entscheidung voraus, aus dem Kriterien zur Überwachung abgeleitet werden können. Den Rahmen für die Aufsicht über die kirchliche Vermögensverwaltung bilden die kanonischen Bestimmungen, die partikularrechtlichen Regelungen und die Statuten der dem Bischof unterstellten Rechtspersonen. Bezogen auf die einzelne Rechtsperson sind diese zumeist in den Satzungen geregelt, welche grundsätzlich eine klare sachliche Trennung der Wahrnehmung von Leitungs- und Kontrollorgan vorsehen. Über die horizontale Kontrollfunktion hinaus besteht noch eine vertikale Aufsicht. Die Wahrnehmung dieser Aufsichtsfunktion obliegt bezüglich der dem Bischof unterstellten Rechtspersonen den Dienststellen der bischöflichen Ordinariate. Entsprechendes gilt auch für den Bischof selbst, der bezogen auf die Vermögensverwaltung an verschiedene Organe mit Zustimmungs- und Anhörungsrechten gebunden und darüber hinaus gehalten ist, alle fünf Jahre dem Papst über den Stand der ihm anvertrauten Diözese Bericht zu erstatten. Angesichts der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Regelungen ist die Klarheit nicht in jedem Fall gegeben, und das ist vielleicht eine Schwäche. Zudem besteht ein Spannungsverhältnis zwischen vertikaler und horizontaler Aufsicht, das nur durch normative Klarheit und Präzisierung der Rollenverteilung aufgelöst werden kann. Diese Aufsichtsstruktur, und damit komme ich zu Ihrer Frage, Herr Schon, ist eingebettet in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld; es umfasst auch die Verpflichtung zu einem angemessenen Risikomanagement. Unter finanziellen Gesichtspunkten besteht das größte Risiko in einem Rückgang der Zuwachsraten bzw. einem absoluten Rückgang der Kirchensteuer, welche die haupttragende Säule der Finanzierung der kirchlichen Struktur ist. Es stellt sich somit die Frage, welche Alternativen es gibt, um die heute vorhandene Infrastruktur und Aufgabenvielfalt aufrecht zu erhalten. Langfristig betrachtet ist der Aufbau eines Kapitalstocks, aus dessen Erträgen die kirchlichen Aufgaben finanziert werden, Voraussetzung für eine langfristige Sicherung der Existenz der kirchlichen Rechtspersonen. Das ist ein Grundgedanke, der sowohl im Kirchenrecht wie auch im Stiftungsrecht verankert ist. Wenn man jedoch versucht, anhand von Kapitalwertberechnungen die Höhe des erforderlichen marktgängigen Kapitals zu bestimmen, um die heutige Präsenz der Kirche finanziell abzusichern, nimmt dies Größenordnungen an, die realistischer Weise nicht aufzubringen sind. Dennoch gibt es meines Erachtens zu der gezielten Schaffung von Ressourcen keine Alternative. Dies verlangt ein Umdenken, eine längerfristige Orientierung sowie eine Flexibilisierung und Strukturierung des Ausgabeverhaltens, die sehr sorgfältig kommuniziert und eingeübt werden muss.

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Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Frau Leimkühler. Sie haben jetzt noch nichts zur Frage von Herrn Vulpius gesagt. Wollen Sie dazu noch etwas anmerken? Dr. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: Ich kann dazu gerne noch etwas sagen. Meine Erfahrung ist, dass die Vertreter der verschiedenen Rechtspersonen in den Kirchlichen Amtsblättern veröffentlicht werden und damit die notwendige Rechtssicherheit gewährleistet ist. Somit kann nachvollzogen werden, wer bezogen auf die einzelne Rechtsperson – sei es eine Diözese, Landeskirche, Pfarrei oder kirchliche Stiftung – der bestellte Verwalter ist und die entsprechenden Befugnisse hat. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Herr Germann ist jetzt leider nicht mehr da, so dass er hierzu nicht mehr Stellung nehmen kann. Die Frage ist, ob Herr Althaus dazu noch etwas sagen möchte, damit die Frage von Herrn Vulpius vollständig beantwortet werden kann. Prof. Dr. Rüdiger Althaus, Paderborn: Herzlich gerne. Ich sehe darin eigentlich kein Problem für die Praxis. Ich sehe da auch kein Eingriffsrecht des Staates. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gilt ja im Rahmen der für alle geltenden Gesetze, und das bedeutet, der Staat muss für seinen Rechtsbereich ganz einfach Klarheit haben, wer eine juristische Person vertritt, und sei sie eine kirchliche. Das Beanstandungsrecht seitens des Staates halte ich nur für sehr eingeschränkt. Sie haben schon darauf hingewiesen: Es müsste eine Rechtsperson überhaupt nicht in der Lage sein, einen Vertreter klar und deutlich zu benennen. Auch dann hätte der Staat in meinen Augen zunächst nur den Anspruch auf Nachbesserung und erst, wenn die kirchliche Rechtsperson nicht in der Lage wäre zu regeln, wem im weltlichen Rechtsbereich die rechtsgeschäftliche Vertretung zukommt, ein Eingriffsrecht. Ansonsten kann ich nur noch einmal unterschreiben, was Frau Leimkühler gesagt hat: Auf katholischer Seite geht so etwas zumeist aus den Amtsblättern hervor. Bei Vereinen und Verbänden – da muss man auch darauf verweisen, dass deren kirchenrechtlicher Status zum Teil ungeklärt ist – muss man das Vereinsregister beim jeweiligen Amtsgericht konsultieren. Michael Himmelsbach, Freiburg: Sie gestatten, Herr Professor Starck, zu der Frage der Vertretungsbefugnis kann ich aus meiner früheren Erfahrung in der Aufsicht über die Kirchengemeinden erzählen, dass dort viel mehr die Frage eine Rolle gespielt hat, ob bei Rechtsgeschäften die vorgeschriebene Form beachtet wurde. Die Frage „Wer durfte unterschreiben?“ ist eigentlich in den Stiftungsregistern, die wir über die in unserem Erzbistum so genannten Stiftungsräte führen, wo die für die örtlichen Kirchenvermögen vertretungsbefugten Personen verzeichnet sind, dokumentiert. Die klassische Frage war häufiger: Irgendjemand, zum Beispiel der Mesner, hat die Bestellung von 10.000 Kerzen unterschrieben und der Stiftungsrat sagt nachher: „Bist du wahnsinnig?“ Dann muss man dem Kerzenfabrikanten sagen: „Sie wissen genau, dass nicht ein Mesner, sondern der Stiftungsrat und

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auch der nur mit dem Siegel wirklich verbindliche Verträge abschließt.“ Bei diesen Fragen haben wir früher schon heftigere Auseinandersetzungen erlebt. Frau Dr. Leimkühler, ich bin dankbar, dass Sie in der Einführung Ihres Vortrags die Erkenntnis aus dem gestrigen Tag aufgenommen haben, dass wir eine sehr große Vielzahl an einzelnen kirchlichen Rechtsträgern haben. Es war ein interessanter Ansatz, dass wir nicht unbedingt zu trennen brauchen zwischen der qualifizierten Führung einer Einrichtung und deren Aufsicht, sondern dass das Ganze Teil eines Begriffs ist. Sie haben von einer Kultur der Unternehmensintegrität gesprochen, dass dies ein gemeinsamer Ansatzpunkt sei, der die vor Ort Handelnden und die auch in einer diözesanen Zentrale Handelnden gemeinsam verpflichtet. Wenn wir nun aber die einzelnen Rechtspersonen anschauen und Sie sagen: Wir brauchen bei diesen Rechtspersonen auf deren „Geschäftsmodell“ basierend die entsprechenden verpflichtenden Informationen, dann heißt das, wir müssen auch das jeweilige Rechnungswesen auf diese unterschiedlichen Situationen hin anpassen. Zu einer dieser Anpassungen haben Sie sehr gut die Frage gestellt: Wohin mit den Kirchengebäuden, insbesondere eben den ideellen Gebäuden? Wenn es aber so ist, dass wir ganz unterschiedliche und sehr viele „Geschäftsmodelle“ haben, dann frage ich mich, noch einmal mit Blick auf die Diskussion gestern: Ist es nicht eine Illusion, dass wir jemals einmal konsolidierend Daten verschiedener Rechtspersonen einfach nur zusammentragen könnten? Denn wenn wir ganz unterschiedliche „Geschäftsmodelle“ mit dann auch unterschiedlich ausgeprägten Rechnungswesen haben, wenn wir, bezogen auf das individuelle Organ, auf das konkrete Handeln bezogene Berichte haben, dann können wir diese nie einfach nur mal zahlenmäßig zusammentragen und addieren in der Hoffnung, etwas Vernünftiges damit aussagen zu können. Meine Frage: Sehen Sie die Möglichkeit, sagen wir einmal zumindest bezogen auf bestimmte Cluster, zum Beispiel für die eher steuerfinanzierte verfasste Kirche oder für die im Bereich Caritas, Diakonie überwiegend aus Leistungsentgelten lebenden Einrichtungen, allgemein gültige oder innerhalb der Cluster allgemeingültige Grundsätze aufzustellen, die man dann irgendwann jedenfalls von diesen dann jeweils gemeinsamen Grundlagen her zusammentragen könnte? Oder gibt es doch irgendetwas, das für alle in gleicher Weise gilt und bei allen in gleicher Weise vorausgesetzt werden könnte? Ich befürchte, wir haben es verpasst bei der Umstellung auf die Doppik eine gemeinsame Linie hineinzubringen. Sehen Sie irgendeinen Ansatzpunkt, da nachträglich noch über Optimierung des Ganzen etwas zu retten, um das ein wenig zu standardisieren? Dr. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: Wenn ich direkt dazu antworten darf: Ja, die Möglichkeit sehe ich. Ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, tatsächlich zu einem Konzept zu kommen, das für diese Cluster – wie Sie es genannt haben – die Erstellung konsolidierter Abschlüsse vorsieht. Konsolidierung ist auch im privatwirtschaftlichen Bereich nicht trivial. Auch dort ist zunächst festzulegen, welche Unternehmen in den Konsolidierungskreis einzubeziehen sind und welche Konsolidierungsmethode anzuwenden ist. Die einzelnen Methoden sind an die unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten bei den Beteiligungsunternehmen geknüpft. Diese Differenzierung nach Einflussmöglichkeiten ist vom Prinzip her auch auf kirchliche Rechtspersonen übertragbar. Bei der Erstellung des Konzernabschlus-

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ses werden zunächst die Einzelabschlüsse vereinheitlicht und zu einem Summenabschluss zusammengerechnet. Anschließend wird dieser um die Verflechtungen und wirtschaftlichen Beziehungen bereinigt. Werden die konsolidierte Bilanz und Ergebnisrechnung gerade vor dem Hintergrund komplexer Strukturen in den Bistümern um Segmentberichte ergänzt, dient dies der Erhöhung der Transparenz und der Beurteilung des tätigkeitsspezifischen Profils. Die Aufgliederung der Jahresabschlussdaten kann dabei anhand sachlicher und regionaler Kriterien erfolgen. Dabei sollte insbesondere eine Aufgliederung des in der Bilanz ausgewiesenen Eigenkapitals in das gebundene (unrentable) Substanzvermögen und das verfügbare, marktgängige (rentable) Vermögen vorgenommen werden, da für die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der kirchlichen Rechtsperson nicht die üblichen Bewertungsmaßstäbe und Interpretationsmuster herangezogen werden können. Angesichts der ohnehin notwendigen Vereinheitlichung der Einzelabschlüsse kann somit auch nachträglich noch ein Konzernabschluss für interne Zwecke aufgestellt werden. Der Kreis der in den konsolidierten Abschluss einzubeziehenden Unternehmen ist dabei mit Blick auf die Steuerungs- und Entscheidungsprozesse innerhalb der Teilkirche sorgfältig abzuwägen, da eine Ausdehnung des Konsolidierungskreises, insbesondere über die Teilkirche hinaus, nicht die mit der Aufstellung des konsolidierten Abschlusses verfolgten Zwecke fördert. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Der nächste Redner ist Herr Haering, es folgt danach Herr Kirchhof. Prof. Dr. Dr. Stephan Haering, München: Meine Wortmeldung knüpft eigentlich an das an, was eben gesagt wurde. Frau Leimkühler, Sie haben am Ende Ihres Vortrages das Stichwort Transparenz hervorgehoben und darauf abgestellt, dass Transparenz notwendig sei. Das betrachte ich eigentlich eher als eine politische Forderung. Aus kanonisch-rechtlicher Sicht kann man mit ein bisschen Argumentation schon eine Verpflichtung der Verwaltungsorgane gegenüber den Gläubigen, Transparenz herzustellen, konstruieren, wenn man sagt, dass die Diözese eben aus dem Gottesvolk besteht oder die Pfarrei aus den Gläubigen der Pfarrei. Die müssen ja dann wissen, was mit ihrem Geld geschieht. Ich habe eine Bemerkung zu machen, die den Ordensbereich betrifft. Mir hat ein Ökonom einmal gesagt, es sei nicht einfach, die Rechenschaftsablage, zu der er verpflichtet ist gegenüber dem Oberen und gegenüber dem Ratsgremium des Oberen, auszuweiten auf die ganze Gemeinschaft, weil die Dinge einfach so komplex seien und Missverständnisse bei sämtlichen Mitgliedern vorprogrammiert wären. Es braucht also eine gewisse Schulung und eine gewisse Vorbildung, um das richtig einschätzen zu können, was ein Vermögensverwalter bei seiner Rechenschaftsablage präsentiert. Das, glaube ich, lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen. Wenn man Transparenz herstellen will, muss das, was man öffentlich sagt, einerseits die Verhältnisse richtig abbilden, andererseits aber auch so gestaltet sein, dass keine Missverständnisse vorprogrammiert sind. Die Summen, die da unter Umständen ins Spiel kommen, scheinen manchen enorm, aber tatsächlich stehen diesen Summen keine gleich großen Handlungsmöglichkeiten des entsprechenden Rechtsträgers gegenüber. Was ich sagen will ist, dass

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man für das Herstellen von Transparenz auch gewisse Faustregeln benötigen dürfte, die wahrscheinlich alle kirchlichen Rechtsträger in unserem Land einigermaßen einheitlich handhaben müssten, damit kein schiefes Bild entsteht. Prof. Dr. Dr. Paul Kirchhof, Heidelberg: Frau Leimkühler, ich fand es verdienstvoll, dass Sie betriebswirtschaftliche Aufsichtsmethoden und Kontrollmaßstäbe ins Kirchliche übertragen, dabei auch die Eigenständigkeit des Kirchlichen sehr betonen. Ich möchte fragen, ob der Idealauftrag der Kirche ihren Finanzauftrag völlig dominiert, das Betriebswirtschaftliche noch mehr zurückdrängt. Wenn wir auf einen Dom oder ein Münster blicken, stellt sich nicht die Frage, ob die Kirche dieses Wirtschaftsgut einmal abstoßen oder behalten wird. Es stellt sich auch weniger die Frage, ob sie Dom und Münster denkmalrechtlich pflegen muss. Vielmehr gilt der Auftrag, dieses Haus als Gotteshaus für die Gegenwart neu zu entfalten. Da gehören drei Priester dazu, die sonntags drei Gottesdienste halten. Dazu gehören eine Orgel und ein Organist, dazu gehört ein Küster. Die Gesetzmäßigkeit des Geldes ist eine ganz andere. Das Geld hat keine Herkunft und hat keine Zukunft. Wenn wir dem Kaufmann einen 10-Euro-Schein auf den Tisch legen, wissen wir nicht, ob dieser Schein erarbeitet, an der Börse leichter Hand mitgenommen, vom Bettler empfangen oder beim Raubüberfall erbeutet worden ist. Das Geld verleugnet seine Herkunft, handelt ganz unkirchlich. Es verbirgt auch seine Zukunft. Mit dem Geld können wir einen Apfel kaufen, um ihn zu verzehren, eine Violine, um sie zu spielen, ein Tagesjournal, um es zu lesen und wegzuwerfen. Das Geld hat keine Funktionsbindung. Meine Frage lautet, gilt bei kirchlichem Geld etwas anderes? Sie erwähnen die Rückstellungen für die Pensionsansprüche der ausgeschiedenen Kirchenbediensteten. Das ist gut, für die Bediensteten sogar sehr gut. Aber wenn es uns nicht gelingt, die Kirche im Dorf zu lassen, weil wir keinen Pfarrer mehr haben, dann haben wir zunächst weniger Kosten. Wir sparen die Pfarrstelle, dann die Sekretärin, dann den Küster und nachher auch noch die Aufwendungen für den Kirchenchor. Aber der Kernauftrag der Kirchlichkeit bleibt in diesem Dorf unerfüllt. Wir müssen zunächst Rückstellungen bilden, um die Zukunft der Kirche zu ermöglichen, nicht die Vergangenheit abzuwickeln. Mir ist bewusst, dass die kaufmännische Betrachtungsweise unverzichtbar ist, um die Finanzen zu planen und zu verantworten, auch rechtswidrigen Zugriff zu vermeiden. Doch müssen wir die Widmung des Geldes nicht grundsätzlich anders sehen, sie vom kirchlichen Verkündigungs- und Gestaltungsauftrag her definieren? Bei dieser hochaktuellen Frage würden sie ihre gewaltigen Finanzmittel wohl für gänzlich andere Ziele einsetzen. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Herr Kirchhof. Frau Leimkühler hat nun Gelegenheit zur Stellungnahme, bitte schön. Dr. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: Mit Ihrer Anmerkung, Herr Kirchhof, stellen sie die Dominanz der finanziellen Ziele, die mit der Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente einen größeren Einfluss auf die Ressourcensteuerung nehmen, in Frage. Der richtige

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Einsatz dieser Instrumente legt jedoch nur dar, wofür das Geld ausgegeben wird und wo Ressourcen gebunden sind. Infolge begrenzt zur Verfügung stehender Ressourcen und der rückläufigen Entwicklung der Mitgliederzahl sowie zunehmender gesellschaftlicher Differenzierung ergeben sich bei unveränderter Fortführung der bisherigen Aufgaben erhebliche Finanzierungslücken. Die Kirchen stehen damit nicht mehr vor der Frage, ob sie Kosten senken müssen, sondern vor der Frage, welche Orte kirchlicher Präsenz sie aufgeben müssen. Aber nicht nur aus der finanziellen Perspektive heraus kann die Zahl der im pastoralen Bereich Beschäftigten nicht erhöht werden. Im Gegenteil: Allein aufgrund des Nachwuchsmangels ist zu erwarten, dass sich Personalstellen im pastoralen Bereich weiter rückläufig entwickeln. Daraus ergeben sich gravierende Veränderungen der bisherigen Seelsorgestruktur, welche in zunehmendem Maße die Existenz von Gottesdienstorten in Frage stellt. Hinzu kommt, dass in vielen Arbeitsfeldern, sei es in Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern, die Träger und Leitungen kirchlicher Einrichtungen schon heute auf Mitarbeiter angewiesen sind, die nicht mehr aus einem kirchlich geprägten Milieu kommen und für die eine religiöse Sozialisierung keineswegs selbstverständlich ist. Die Kenntnis und Bejahung der Eigenart des kirchlichen Dienstes ist jedoch Voraussetzung für die Wahrung des Charakters der kirchlichen Einrichtungen und der Glaubwürdigkeit der Kirche. Damit stellen sich für die kirchlichen Entscheidungsträger vermehrt strukturelle Fragen. Dies gilt vor allem für die Bestimmung der Art und des Umfangs des Leistungsangebotes. Eng damit verbunden ist die Frage, wie die für eine bestimmte Aufgabe notwendigen Ressourcen zu dimensionieren sind. Um diese Fragen sachgerecht beantworten zu können, muss es daher selbstverständlich werden, sich auf breiter Ebene zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu bekennen und moderne Steuerungs- und Kommunikationsinstrumente einzusetzen. Dies erfordert zudem eine inhaltliche Auseinandersetzung über Zielsetzung und Entwicklung der Kirche sowie die Bereitschaft aller Beteiligten, sich mit dem Leistungsausmaß, der Leistungsinanspruchnahme und der Qualität kirchlicher Dienste auseinander zu setzen. Herr Haering sie hatten zudem die Frage nach Mindeststandards für die Gewährleistung von Transparenz gestellt. Ich selber bin überzeugt, dass die Offenlegung der Rechnungslegung nicht nur der Rechenschaft über den Einsatz der materiellen Güter, sondern auch der Verständlichkeit des kirchlichen Handelns dient und dadurch Vertrauen schafft. Das wirtschaftliche Leistungspotential und die Aktivitäten kirchlicher Rechtspersonen unterliegen häufig Fehleinschätzungen wegen Unkenntnis oder Komplexität der Sachverhalte. Aufgabe des Vermögensverwalters ist es, die Informationen in Bilder und in eine Sprache zu fassen, die vom Fragenden bzw. Informationsempfänger verstanden wird. Das ist auch eine Frage des respektvollen Umgangs miteinander. Die Art und Weise der Kommunikation ist für die Schaffung von Akzeptanz nach meiner persönlichen Erfahrung viel bedeutsamer als die Vorgabe von Berichtsstandards. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Der nächste Redner ist Herr Winter.

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Prof. Dr. Jörg Winter, Karlsruhe/Heidelberg: Frau Leimkühler, in Ihrem Vortrag hat mir ein Stichwort gefehlt, das zumindest im evangelischen Bereich eine gewisse Rolle spielt. Das ist das Stichwort der Visitation. In den meisten Landeskirchen gibt es dieses Instrument des sogenannten geschwisterlichen Besuchsdienstes. Das heißt, die Gemeinden werden von einer Kommission des Kirchenbezirks oder Kirchenkreises besucht und die Kirchenkreise ihrerseits werden besucht von einer Kommission der Landeskirche. In vielen Landeskirchen steht in der Ordnung über die Visitation ausdrücklich, dass es die Aufgabe der Visitationskommission ist, die Finanzen und die Verwaltung zu überprüfen. Diese Kontrolle ist also eine ausgesprochene Aufgabe der Visitation. Ein wichtiges Instrument nach heutigem Verständnis bei der Visitation ist die Zielvereinbarung. Früher gab es den Visitationsbescheid, in dem die Visitationskommission von oben herab Empfehlungen für die Gemeindearbeit gab. Das macht man heute nicht mehr, sondern man versucht, gemeinsam eine Strategie zu erarbeiten, wohin sich die Gemeinde in Zukunft entwickeln soll. In diesem Zusammenhang spielen auch Fragen wie zum Beispiel die Nutzung kirchlicher Gebäude und ähnliche Dinge eine Rolle. Ich will gerne zugestehen, dass das im Blick auf unser Thema der Kontrolle der kirchlichen Finanzen kein sehr effektives Instrument ist, weil die Visitationen nur alle fünf bis sechs Jahre stattfinden und diese Kontrollfunktion auch nur ein Teil des gesamten Geschehens ist. Ich meine aber, dass sie doch ein Instrument der kirchenleitenden Kontrolle und Steuerung ist, das nicht ganz unter den Tisch fallen sollte. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Darf ich eine Zwischenfrage stellen? Wer visitiert die Landeskirchen? Etwa eine andere Landeskirche oder gibt es das auf dieser Ebene überhaupt nicht? Prof. Dr. Jörg Winter, Karlsruhe/Heidelberg: Soweit mir bekannt ist, gibt es eine Visitation der Landeskirchen. Die müsste dann durch die EKD erfolgen. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Der nächste Redner ist Herr Häberle, bevor Frau Leimkühler Gelegenheit zur Stellungnahme hat. Dr. Lothar Häberle, Köln: Ich möchte anknüpfen an die Frage, die Herr Haering vorhin gestellt hat, nämlich die der Transparenz, die uns ja auch gestern und heute beschäftigt hat. Ihr schönes Beispiel von der Bilanzierung eines Kirchengebäudes, entweder aktiv oder passiv, je nach Blickwinkel, macht ja schon deutlich, dass Transparenz enorme Kenntnisse voraussetzt auf Seiten derjenigen, welche die Transparenz abrufen. Das mag in einem Gremium, in dem etwa Kirchensteuerräte sitzen, noch funktionieren, wo diese doch über entsprechende Fachkenntnisse verfügen, aber für die Öffentlichkeit stellt sich das doch als sehr problematisch und sehr aufwändig dar. Wie kann man denn zum Beispiel einen Jahresbericht einer Diözese der Bistums- oder sogar der Bundespresse deutlich machen? Da wäre ich doch dankbar, noch einmal etwas mehr zu erfahren, wie da Transparenz soweit griffig gemacht werden kann, dass dies Leute dann auch auf breiterer Basis mitbekommen könnten.

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Dr. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: Sie sprechen da ein Thema an, das mich selber umtreibt und vielleicht auch Ausdruck fehlender Offenheit und mangelnder Kommunikation ist. Die Bereiche Management von Öffentlichen, Privaten & Nonprofit-Organisationen sind in Forschung und Lehre an vielen Hochschulen vertreten. Dagegen findet sich kein einziger Lehrstuhl in Deutschland, der sich mit den Besonderheiten der Finanzierung, Steuerung und Rechnungslegung kirchlicher Rechtspersonen befasst. Es findet sich darüber hinaus kaum Schrifttum zu diesen Themen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den spezifischen Fragestellungen und entsprechende Publikationen könnte insofern sicherlich eine Kommunikations- und Unterstützungsfunktion übernehmen und ein breiteres Verständnis für kirchliche Strukturen schaffen. Das setzt jedoch eine Zusammenarbeit mit den kirchlichen Rechtspersonen voraus, die über die Beauftragung gutachterlicher Stellungnahmen hinausgeht. Die andere Möglichkeit besteht darin, unmittelbar die Kommunikation zu suchen. Meine Erfahrung ist, dass sehr wohl in Pressekonferenzen und in den kirchlichen Gremien vermittelt werden kann, wie die Finanzierungs- und Entscheidungsstrukturen kirchlicher Rechtspersonen sind. Dies setzt jedoch wechselseitig eine Aufgeschlossenheit und Bereitschaft voraus, auch bei bestehenden Vorurteilen eine sachliche Diskussion zu führen. In der öffentlichen Diskussion besteht das größte Problem darin, die vorgefassten und zumeist falschen Bilder hinsichtlich des kirchlichen Finanzgebarens zu zerstören. Von daher bin ich dankbar, dass die Diskussion hier im Kreise der Essener Gespräche aufgenommen wurde. Zu Ihrer Frage, Herr Winter, nach der Visitation, kann ich bestätigen, dass auch das katholische Kirchenrecht dieses Instrument kennt. Neben der Visitation der Diözese durch den Bischof finden sich darüber hinaus Vorschriften für die Visitation durch den Dechanten. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Die Visitation ist, glaube ich, ein Begriff aus dem CIC, also ein ganz altes kirchenrechtliches Instrument, das wahrscheinlich schon in der alten Kirche verwendet wurde. Der nächste Redner ist Herr Schulte. Prof. Dr. Martin Schulte, Dresden: Ich würde gern zwei Anmerkungen zu dem Thema Aufsicht machen, und zwar angeregt durch die Wortmeldung von Herrn Sydow mit speziellem Blick auf die Problematik der kirchlichen Stiftungsaufsicht. Zum einen möchte ich ergänzen, was immer ein wenig unter den Tisch fällt, dass Aufsicht neben der klassischen Funktion der Kontrolle auch eine Beratungsfunktion hat. Diese halte ich für ganz wichtig. Sie kann zum Beispiel eine große Rolle spielen, wenn es darum geht: Wie soll sich eine Stiftung im Hinblick auf die Verwendung ihrer Mittel auf der einen Seite und den wichtigen Gedanken des Vermögenserhalts auf der anderen Seite gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten entscheiden? Ein zweiter Gesichtspunkt ist mir noch wichtiger. Ich beobachte immer wieder, dass sich vor allem als problematisch erweist, wie und mit welcher Reichweite

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Aufsicht ausgeübt wird. Auch in der Praxis stellen sich insoweit sehr interessante Fragen, zum Beispiel: Welche Ingerenzrechte hat eigentlich ein Bischof gegenüber einer kirchlichen Stiftung? Welche Instrumente stehen ihm im Hinblick auf die Durchsetzung seiner Interessen zur Verfügung? Ich habe diese und andere Fragen zum Anlass genommen, eine Dissertation zu vergeben, die sich mit der Problematik der Liberalisierung von Stiftungsaufsicht befasst. Ein Thema, das vor allem im staatlichen Bereich diskutiert wird. Aber auch mit Blick auf die kirchliche Stiftungsaufsicht wird seit einiger Zeit die Frage gestellt: Ist das ein Gedanke, der auch für die kirchliche Stiftungsaufsicht brauchbar ist, der weiter führt oder sollte man ihm eher skeptisch gegenüberstehen? Insoweit ist jedenfalls zu bedenken, dass kirchliche Stiftungsaufsicht auch die Möglichkeit eröffnet, etwas von der Identität dessen, was Kirche ausmacht und was sie als Auftrag in der Welt wahrnehmen will, zu vermitteln und weiterzugeben. Das heißt, es geht auch darum, das Selbstverständnis von Kirche über Aufsicht zu transportieren. Das sollte man in diesem Zusammenhang nicht zu gering schätzen. Und schließlich ein Letztes: in zahlreichen Gesprächs- und Arbeitskontakten mit einer evangelischen Landeskirche im Rahmen der Überarbeitung ihrer kirchlichen Stiftungsordnung hat diese ganz dezidiert zum Ausdruck gebracht: Wir wollen Aufsicht wahrnehmen, und zwar, weil man weiß, Aufsicht ist ein Markenzeichen unserer Landeskirche. Auch das ist ein Gesichtspunkt, der einen differenzierten Blick auf die Funktion kirchlicher Stiftungsaufsicht eröffnet. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Danke für diesen Beitrag zum Stiftungsrecht. Jetzt spricht Herr Winzeler. PD Dr. Christoph Winzeler, Basel: Herzlichen Dank, Frau Leimkühler, für den sehr eindrücklichen und für mich lehrreichen Vortrag, der gezeigt hat, wie viel Gewinn interdisziplinäre Arbeit bringen kann. Ich möchte mich gern dem Ausblick, dem Schluss Ihres Vortrags, noch einmal ganz kurz zuwenden, mit dem Sie ja quasi den Bogen zum Vortrag von Herrn Kirchhof am gestrigen Tage zu Ende geführt haben. Sie haben erwähnt, es wäre sicher denkbar und machbar, wenn die Kirchensteuer weiter erodiert, Ersatz zu schaffen, indem man Kapital quasi stiftungsartig anlegt und von den Erträgen allenfalls versuchen würde, die bestehenden Aufgaben zu lösen. Im kleinen Stil hat man das immer wieder gemacht – ein kleiner Gruß aus der Schweiz an dieser Stelle. Wir haben vor rund zehn Jahren am Baseler Münster eine zusätzliche Pfarrstelle mit einer kirchlichen Stiftung finanziert, für die man in der Gemeinde gesammelt hat. Wenn man dies aber im großen Stil, wie Sie sagen, machen würde, sehe ich jetzt vor allem auf der mehr politischen, vielleicht auch juristischen Ebene drei Probleme. Erstens: Der Umgang mit großen Sponsoren, auf den man sich dann einlassen muss und für den man auch nicht unbedingt vorbereitet ist, quasi das Klumpenrisiko auf der Aktivseite, ganz salopp gesagt. Zweitens: Die Frage der Legitimierung einer Kirchensteuer, die dann, so lange es sie noch gibt, vor allem dazu dient, Rückstellungen zu bilden – und das in einem Zeitalter, wo Steuersenkungen die große Philosophie sind. Auch das wird schwierig sein. Drittens: Sie haben gesagt, es sei ein Kommunikationsproblem. Wenn natürlich allgemein in der Öffentlichkeit bekannt ist, es gibt einen Plan B, der denkbar und machbar ist, dann

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geht es vielleicht mit der Kirchensteuer noch schneller rückwärts. Ich sage das aus einem Land, wo verschiedene Kantone – nicht mein eigener – noch die Kirchensteuer juristischer Personen kennen und zwar gegen den Widerstand fast aller Staatsrechtslehrer und vom Bundesgericht seit bald hundertzwanzig Jahren dennoch aufrecht erhalten – den Exkurs muss ich aber hier abschließen. Kommunikation ist vielleicht auch zukünftig eine Disziplin, mit der man sich diesen Fragen zuwenden kann. Herzlichen Dank. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Frau Leimkühler, sie haben nun die Gelegenheit zu antworten. Bitte schön. Dr. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: Die Aussage, dass Aufsicht ein Qualitätsmerkmal im Interesse der Einrichtung ist, würde ich ohne Einschränkungen unterschreiben. Dies stellt auch die Handreichung „Soziale Einrichtungen in katholischer Trägerschaft und wirtschaftliche Aufsicht“ des Verbandes der Diözesen Deutschlands und der Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz2 deutlich heraus. Ziel von Aufsicht und Kontrolle ist die Stärkung der Integrität und Effizienz der internen Prozesse; sie ist Ausdruck moderner und professioneller Unternehmensführung. Dieses Bild ist so leider noch nicht etabliert. Daher ist es erforderlich, für die Sicherung der Überwachungsqualität den Anforderungsrahmen sowie Qualitätsstandards für wirksame Aufsicht- und Kontrollstrukturen zu formulieren. Der andere Aspekt „Kirchenfinanzierung, kapitalgedeckt und nicht über Steuern“ ist sehr sensibel. Die Gefahr einer nicht sachgerecht geführten Diskussion halte ich für immens, wenn diese als Modell zur Ablösung der Kirchensteuerfinanzierung ausgestaltet würde. Ein solches Szenario ist aus meiner Sicht unrealistisch, weil die erforderlichen Vermögensmassen gar nicht zu allokieren sind, um die heutige kirchliche Struktur und Präsenz in Deutschland kapitalgedeckt zu finanzieren. Die kirchliche Präsenz würde sich in einem solchen Szenario massiv verändern. Dennoch sollte versucht werden, sukzessive für ausgewählte Aufgaben und Zwecke durch Bildung von Kapitalstöcken eine Kofinanzierung zu erreichen, um die Finanzierung dieser Aufgaben zukunftssicher zu gestalten. Damit wird die kapitalgedeckte Finanzierung kein Alternativmodell, sondern übernimmt lediglich eine Sicherungsfunktion. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Frau Leimkühler. Nun kommen Herr Honecker, Herr Korta und Herr Himmelsbach. Prof. Dr. Martin Honecker, Bonn: Ich will das Stichwort „Visitation“ aufgreifen, nachdem Herr Winter das Thema angesprochen hat. Ich habe mich selbst mehrfach zur Visitation geäußert, und es trifft zu: In der Reformationszeit wurden die Visitationen durchgeführt mit

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Arbeitshilfe Nr. 182, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2. überarb. Aufl., Bonn 2007.

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einer Doppelaufgabe: Einmal sollte die Lehre und Verkündigung geprüft werden, zum anderen ging es darum, die Zinsen, die Einkünfte aus dem Kirchengut sicherzustellen. Aber ich kann nicht erkennen, dass diese Funktion und Aufgabe der Visitation das leisten kann, was eine kirchliche Vermögensüberwachung heute erfordert. Damit ist nichts über die pastorale Bedeutung der Visitation gesagt. Man sollte nur die Praxis der Visitation evangelischer Gemeinden kennen, und Herr Winter hat sogleich ein zweites Stichwort hinzugefügt: geschwisterliche Beratung. Bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hieß dies „brüderliche Leitung“. Dahinter stehen Überlegungen und Erfahrungen aus der Kirchenkampfzeit. Die kirchliche Verwaltung hat sich damals mithilfe von Verordnungen die Gemeinden und Pfarrer unterworfen. Die Verwaltung war weithin nationalsozialistisch bestimmt. Sie benutzte Regularien, die weitgehend kirchenfremd waren. Es gelang im Dritten Reich der Partei, über die Verwaltung in die Kirchen einzubrechen: daraus zog man in der Bekennenden Kirche die Folgerung, dass eine zentrale Verwaltung mit einer Verordnungsvollmacht gemeindefremd sei. Man hielt die bürokratische Kirche, insbesondere die konsistoriale Kirchenordnung, für eine Fehlentwicklung. Diese sollte durch die brüderliche Leitung ersetzt werden. Und das Mittel dieser Leitung sollte die Visitation der Gemeinden sein. Im Ergebnis hat sich dieses Reformprogramm nicht durchgesetzt. Denn eine Kirchenverwaltung ist unverzichtbar. Sowohl bei Herrn Althaus gestern wie auch bei Frau Leimkühler habe ich dankenswerterweise eine Reihe Anregungen mitgenommen. Bei Ihnen, Frau Leimkühler, überzeugt mich zum Beispiel, dass man ein gängiges Marktmodell nicht unbedingt auf die Kirche übertragen kann. Das ist eine wichtige Einsicht. Allerdings habe ich in beiden Referaten auch Schwachstellen wahrgenommen, welche die derzeitige Praxis betreffen. Ich will sie jetzt nicht nennen. Nur noch ergänzend: Beide Kirchen, so meine ich, werden bei der Vermögensverwaltung nicht an kompetenter externer Beratung vorbeikommen. Das ist eine neue Aufgabe. Denn weder Bischöfe in der katholischen Kirche noch Presbyterien und Synoden im evangelischen Bereich können dies leisten. Selbstverständlich ist auch externen Beratern gegenüber eine Kontrolle angebracht. Aber eine kompetente, betriebswirtschaftlich-ökonomisch kompetente Expertise und Beratung ist unerlässlich. Das ist ein Fazit, das ich aus den Vorträgen gestern Nachmittag und heute Vormittag ziehe, und daher denke ich, dass in den Kirchen noch Zukunftsaufgaben hinsichtlich der Umstrukturierung bestehen. Das Instrumentarium der Visitation kann dies nicht auch noch mitleisten. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Herr Honecker, wenn Sie Schwachstellen entdeckt haben, sollten Sie diese nennen. Das verlangt der Referent geradezu, dass man ihm Schwachstellen nennt. Er will hier auch etwas lernen. Prof. Dr. Martin Honecker, Bonn: Nun ja, Herr Althaus hat gestern gesagt: Die Abhängigkeit der Gremien vom Bischof und ihre kircheninterne Orientierung sei problematisch. Von der evangelischen Seite haben wir nicht eigens und ausdrücklich gesprochen, aber da ist es genauso. Wir haben gerade vernommen: Dazu braucht man kompetente Leute. Man kann dafür nicht jeden Gutwilligen nehmen, und man kann eben

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nicht einen Kreis von Leuten, ein Gremium einsetzen, die verschiedene kirchliche Positionen und Interessen repräsentieren und die Synodale sind. Hinterher stellt sich die Frage: Wo war da der betriebswirtschaftliche Sachverstand. Das brauche ich nicht zu entfalten. Es gibt Beispiele von Fehlentscheidungen aus jüngster Zeit. Die Schwachstellen kann also jeder erkennen, der aufmerksam zugehört hat. Dr. Stefan Korta, München: Ich möchte auf das Stichwort Transparenz noch einmal kurz zu sprechen kommen und einen Gedanken vortragen, der vielleicht einen gewissen Perspektivenwechsel anzeigen kann. Wenn wir von dem Stichwort Transparenz reden, dann ist in erster Linie der Blickwinkel derjenige, dass uns etwas abverlangt wird, dass wir etwas leisten müssen, nämlich dass wir den Haushalt, die Jahresrechnung usw. präsentieren müssen. Mein Anliegen wäre, die Perspektive umzukehren und das Stichwort Transparenz als Chance für uns selber zu betrachten und damit bin ich bei den Ausführungen, die Sie, Frau Leimkühler, vorhin unter dem Stichwort Kommunikation angeführt haben. Meines Erachtens ist das Stichwort Transparenz auch geeignet, es unter dem Auftrag der Öffentlichkeitsarbeit zu sehen und hier anzusetzen und ganz bewusst die Jahresrechnung oder den Haushalt im Rahmen einer Haushaltspressekonferenz, aber auch im Rahmen einer eigenen Publikation als Möglichkeit zu sehen, die Aktivität der Diözese oder eines anderen Rechtsträgers positiv in der Öffentlichkeit darzustellen. Ich kann kurz aus der Praxis der Erzdiözese München und Freising berichten: Da wird seit einigen Jahren der Weg gegangen, dass es jährlich eine Haushaltspressekonferenz gibt, zu welcher der Finanzdirektor einlädt und in deren Rahmen der Haushalt erläutert wird. Es gibt aber auch eine eigene in Zusammenarbeit mit dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit erarbeitete Publikationen, die dann noch einmal in ansprechender Weise und für den Leser in geeigneter Art und Weise die Aktivität der Erzdiözese darstellt. Michael Himmelsbach, Freiburg: Auch mich treibt das Stichwort Transparenz um und ich wollte hier interdisziplinär an Folgendes erinnern: Worüber haben wir denn geschimpft in der Finanz- und Wirtschaftskrise? Wir haben gesagt: „Da haben unfähige Vermögensverwalter Produkte eingekauft, die sie nicht verstanden haben. Die Produkte waren intransparent und böse Banker haben intransparente Produkte verkauft, die sie nicht verstanden haben. Wir fordern Transparenz.“ Das gilt doch aber auch für uns selbst, wenn wir unsere eigenen „Produkte“, wenn wir das, was wir in unseren Haushalten finanzieren, nicht transparent erklären können, dann haben wir selbst ein Problem zu lösen. Ich meine, gestatten Sie mir den Hinweis aus der Finanzwelt: die Transparenz ist jedenfalls im Stande zu verhindern, dass Entwicklungen eintreten, die von vornherein keiner für möglich gehalten hätte. Das ist ein wichtiger Punkt für unsere eigenen Steuerungsentscheidungen. Wenn wir die nicht mehr transparent darlegen können, dann müssen wir unsere Entscheidungen hinterfragen. Ich habe mich gestern an einer Stelle zu der Frage geäußert: Sind wir als Kirche reich oder nicht? Frau Leimkühler, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, haben Sie auf die Frage von Herrn Kirchhof etwa gesagt: Wenn wir als Kir-

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che auf unseren Konten so viel haben, dass wir unsere laufenden Ausgaben und das, was wir für die Zukunft quasi schon ausgegeben haben, decken können, ist das in Ordnung. Das würde bezogen auf die bilanzmäßige Darstellung bedeuten: Das freie Eigenkapital darf gegen null tendieren. Das heißt, da dürften wir gleichsam eine recht arme Kirche sein und wir wären trotzdem noch gut aufgestellt. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank. Und jetzt haben Sie, Frau Leimkühler, die Möglichkeit zu antworten und das Schlusswort zu sprechen. Dr. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: Antworten möchte ich zunächst auf die Frage: Wie sähe die Bilanz einer kirchlichen Rechtsperson aus? Wenn dabei sämtliche Lasten und Vermögensgegenstände einander mit objektiven Werten gegenübergestellt würden, bezweifle ich, dass das Eigenkapital rechnerisch immer auf der richtigen Seite stünde. Unter dieser Maßgabe ist die kirchliche Rechtsperson nicht nur nicht vermögend, sondern sie hat zu wenig für die Risikovorsorge getan. Ohne Eigenkapital ist keine Rechtsperson in der Lage, auf Verluste oder unvorhergesehene Schadensereignisse ohne Anpassung der Strukturen zu reagieren. Das bedeutet, kirchliche Rechtspersonen brauchen angesichts der Unsicherheit in der Ertragssituation und ihrer Kostensituation freies, marktgängiges Kapital, um ihre Existenz abzusichern und sich im Zeitverlauf entsprechend der an sie gestellten Anforderungen weiterzuentwickeln. Mit diesem Selbstbewusstsein wird das jedoch nicht immer vertreten. Damit sind wir beim Thema Offenlegung und Öffentlichkeitsarbeit. Neben der externen Rechenschaft schafft die Rechnungslegung Transparenz durch Information und dient der Klarheit und Glaubwürdigkeit des kirchlichen Wirkens. Erforderlich ist dafür neben der reinen Rechnungslegung eine intensivere Kommunikation über Zielsetzung und Entwicklung der kirchlichen Rechtsperson. Diese sollte, und das ist mir wirklich ein Anliegen, sich nicht auf finanzielle Zahlen beschränken, sondern auch die verschiedenen Bereiche und Formen kirchlicher Präsenz mit umfassen und in das Bewusstsein heben, wo überall das „Etikett Kirche“ drauf ist, auch wenn es nicht offensichtlich erkennbar ist. Dieses Zusammenspiel zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Rechenschaftslegung – sowohl nach innen wie auch nach außen – ist ein Bereich, der zukünftig stärker in den Vordergrund gestellt werden sollte, um die Lücke zwischen der Realität der Rechnungslegung und der positiven Wahrnehmung des Auftrages der Kirche in der Gesellschaft nachvollziehbar zu machen und zu erhalten. Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen: Vielen Dank, Frau Leimkühler, für das Schlusswort und für Ihren Vortrag. Wenn man die gesamte Tagung noch einmal in den Blick nimmt, die den Titel „Die finanziellen Rahmenbedingungen kirchlichen Handelns“ getragen hat, so muss ich erst einmal feststellen, dass dieses 47. Essener Gespräch eine Besonderheit war, weil wir uns noch nie so ausführlich und ausschließlich mit kirchlichen Vermögensproblemen beschäftigt haben, wobei der Schwerpunkt meines Erachtens doch bei dem Vermögensrecht gelegen hat. Die staatskirchenrechtlichen Fragen der Staatsleistungen und des Kirchensteuerrechts sind auch in Be-

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wegung, aber das sind Fragestellungen, die uns bekannt sind, während die Fragen der Vermögensverwaltung, der Aufsicht und der Kontrolle wirklich neu waren hier in unserem Rahmen. Für einen Staatsrechtler ist die Frage nach Aufsicht und Kontrolle eine Selbstverständlichkeit und wir regeln das meistens auch im Zusammenhang mit den Gemeinden, dass der Kontrolleur nicht derselbe sein darf wie der, der verwaltet. Mich hat gewundert, dass diese Fragen im kirchlichen Bereich doch noch in vieler Hinsicht offen sind. Deswegen glaube ich, dass dieser Band, der jetzt erscheinen wird, einen großen Einfluss auf das Kanonische Vermögensrecht und auch auf das evangelisch-kirchliche Vermögensrecht in Deutschland haben wird. Das hat Herr Germann gestern ja selbst angedeutet, dass er gesucht und nichts dazu gefunden hat, und dann war er gleichsam der Erste, der einen zusammenhängenden Beitrag dazu geliefert hat, wobei ich mir vorstellen kann, dass Sie dann auch noch aus dem zum Teil weiter entwickelten Kanonischem Recht etwas lernen können. Damit bin ich am Ende und möchte jetzt den Herrn Generalvikar bitten, die Tagung zu schließen.

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Generalvikar Dr. theol. Hans-Werner Thönnes, Essen Schlusswort Sehr geehrter Herr Professor Starck, unter Ihrer kundigen Führung haben wir einen ganz weiten Bogen gespannt, den Sie gerade selbst noch einmal skizziert haben. Ich freue mich darüber, dass wir wirklich den Anfang nehmen konnten bei den Grundlagen der Kirchenfinanzierung, dass wir uns vergewissern konnten, was eigentlich die Regelungsmechanismen sind, die das jeweilige Kirchenrecht parat hält, und dass wir noch einmal so präzise schauen konnten, wie wir damit umgehen, dass wir eine Aufsichts- und Kontrollverpflichtung haben, Rechenschaft abzulegen über die Mittel, die uns anvertraut sind und die wir ja nicht einfach zu unserem Nutzen beliebig verwenden können, sondern die der Sendung der Kirche zu dienen haben. Sie haben eine von mir bewunderte Art, Herr Professor Starck, einerseits zu animieren, sich zu Wort zu melden, in den Pausen schon dafür zu sorgen, dass das Gespräch in Gang kommt und die ersten Wortmeldungen vorbereitet sind, aber dann auch zwischen Akzentsetzung und freilassenden Beiträgen der Redner dafür zu sorgen, dass wir in der Spur bleiben. Ich nutze die Gelegenheit noch einmal, Ihnen ganz herzlich dafür zu danken, weil wir das immer wieder so erleben konnten, dass unsere gesamte Tagung bei Ihnen gut aufgehoben war. Herzlichen Dank noch einmal. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Generalvikar wie ich hat gelegentlich das Problem, zwischen „Verwaltungshandwerker“ und „Finanztechniker“ zu verkommen. Diejenigen, die dazu beigetragen haben, dass wir heute den weiten Bogen wirklich zu Ende beschreiben konnten, waren die Referenten dieser Tagung. Und Ihnen, Frau Dr. Leimkühler, Herr Professor Kirchhof, Herr Professor Germann und Herr Professor Althaus, bin ich dankbar, dass wir alle diese Aspekte noch einmal sehen konnten. Ich entdecke dabei immer, dass es für mich ein Gewinn ist, den Horizont zu weiten und in den beschriebenen beiden Gefahren nicht unterzugehen. Mir helfen Sie damit. Dem Beobachter von außen wird ein bisschen aufgefallen sein, dass wir mit den Essener Gesprächen fast eine begleitende Geschichte des Bistums Essen beschreiben, weil wir ganz oft an den Fragen sind, die uns in unserer Region umtreiben. Wer darüber hinausschaut kann auch entdecken, dass wir am Fall des Bistums Essen oft schon erleben, was auf die anderen noch zukommt. Von daher haben die Essener Gespräche nicht nur den Charakter, uns zu begleiten, sondern eben auch die Funktion, nach vorne zu schauen. Ich glaube, dass wir hier im Plenum erleben können, dass die Fragestellungen immer davor bewahrt bleiben, irgendwie am Ende zu klein gedacht zu werden: In dem Moment, wo dieses Risiko auftaucht, gibt es bei Ihnen im Plenum stets das Potenzial, auch da noch einmal den Horizont zu weiten. Sie haben auf die Frage der externen Kompetenz, die man einholen muss, hingewiesen. Allerdings: Die, die uns dann extern beraten, müssen auch verstehen, worum es bei der Kirche ihrem Wesen entsprechend geht. Als wir in der Gefahr waren, nur noch zu fragen, wozu unser Vermögen noch reicht, haben Sie dankenswerterweise eingebracht, dass man auch etwas sehen muss, was sich in Heller und Pfennig oder in Euro und in der Bilanz nur schlecht ausdrücken lässt: dass wir die kirchlichen Ressourcen nicht nur in dem

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sehen dürfen, was sich betriebswirtschaftlich abbilden lässt und unsere Verpflichtungen nicht nur da festmachen können, wo wir betriebswirtschaftlich die nächsten Haushaltsjahre beschreiben und gestalten können. Beides ist wichtig. Sie haben vorhin gesagt, eigentlich müsste man Rückstellungen für die Missionsarbeit bilden. Ich glaube, dass sich die Kirche in beiden Feldern zu entwickeln hat: Einmal dort, wo es um die konkrete Haushaltsführung geht – und wir haben manche Sorge darüber ja sehr konkret schon geteilt – und zum anderen da, wo es darauf ankommt, nicht einfach in einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung unterzugehen. Dass wir ökumenisch beieinander sind, zeigt mir noch einmal, wie dringend der Bedarf ist, die Entwicklung der Kirche in unserer Gesellschaft auch in dem Gesamthorizont des Staatskirchenrechts immer neu gemeinsam zu betrachten. Denn ich habe den Eindruck, dass immer weniger Verständnis dafür da ist, was die Rolle der Kirche in unserer Gesellschaft eigentlich ausmacht und was es zu sichern gilt durch das in Deutschland gut geregelte Zueinander von Staat und Kirche. Wenn ich es richtig sehe, ist es nicht nur so, dass bei den Juristen, den Staatsrechtlern, am Ende möglicherweise das Verständnis dafür im Schwinden begriffen ist, dass in der Politik der Sinn dafür zurückgeht. Ich entdecke gelegentlich in meiner eigenen Kirche auch ein schwindendes Bewusstsein dafür, was unsere gesellschaftliche Rolle ist und wo unsere Präsenz gefordert ist, damit unser Staat und unser Gemeinwesen sich nicht einfach in innerweltlichen und vordergründigen Gedanken selbst zu Ende denkt und damit zu Ende geht. Ich danke noch einmal sehr für die Teilnahme, für jedes Engagement, das im Hintergrund liegt. Ich danke Ihnen, Herr Dr. Kämper, für Ihr Engagement, uns immer wieder zusammenzubringen, und ich wünsche uns nun eine gute Zeit bis zum 48. Essener Gespräch, das dann am 11. und 12. März 2013 stattfinden wird und zu dem ich Sie alle vorsichtshalber schon einmal einlade. Ich wünsche Ihnen einen guten Heimweg und sage „auf bald“. Danke schön.

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A. VERABSCHIEDUNG VON PROFESSOR DR. IUR. UTR. CHRISTIAN STARCK ALS TAGUNGSLEITER DER ESSENER GESPRÄCHE I. Ansprache von Bischof Dr. theol. Franz-Josef Overbeck, Essen Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie noch einmal sehr herzlich zu den diesjährigen Essener Gesprächen und freue mich, dass Sie an dieser sehr anregenden und fruchtbaren Tagung teilnehmen. Heute Morgen bin ich aus einem ganz besonderen Anlass hierher gekommen, nämlich um Sie, sehr geehrter Herr Professor Starck, zu verabschieden aus der Funktion, die Sie als Moderator der Essener Gespräche in den letzten 14 Jahren wahrgenommen haben. Gleichzeitig möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Professor Kirchhof, herzlich begrüßen, denn Sie werden diese Aufgabe zukünftig übernehmen. Zuerst, verehrter Herr Professor Starck, wende ich mich an Sie. Wie bereits im vergangenen Jahr schon sage ich Ihnen noch einmal herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit und verbinde das gleich auch mit meiner Gratulation zu Ihrem Geburtstag. Sie hatten ja bereits im vergangenen Jahr mitgeteilt, dass Sie diesen 75. Geburtstag zum Anlass nehmen, um sich aus der Moderatorenaufgabe zurückzuziehen. Vor fünf Jahren hat mein Vorgänger, Bischof Dr. Felix Genn, der jetzige Bischof von Münster, hier an gleicher Stelle anlässlich Ihres 70. Geburtstags aus Ihrem Antwortschreiben auf seinen Glückwunsch zitiert. Sie hatten seinerzeit dankenswerterweise Ihre Bereitschaft erklärt, auch weiterhin die Leitung und Moderation der Essener Gespräche wahrzunehmen, sprachen aber in diesem Zusammenhang vielsagend von „einer Weile“. Diese Weile hat sich nun auf fünf Jahre hin erstreckt, sicherlich auch mit der freundlichen Genehmigung Ihrer Frau. Und so freue ich mich, dass Sie und auch Ihre Frau heute hier sind und ich Ihnen in unser aller Namen „Danke“ sagen kann. Wenn nun mit den diesjährigen Essener Gesprächen Ihre Aufgabe zu Ende geht und der Wechsel der Tagungsleitung auf Herrn Professor Kirchhof ansteht, möchte ich Ihnen gegenüber auch noch einmal ein Wort der Anerkennung aussprechen. Sie, sehr geehrter Herr Professor Starck, haben stets sicher und mit unerlässlicher Sitzungsdisziplin unsere Gespräche geleitet und durch die Diskussionen unterschiedlichster Themen hindurch geführt. Sie haben gleichzeitig damit den Essener Gesprächen auch ein Gesicht gegeben und eine wichtige Ära dieser Gespräche mitgeprägt. Dafür gilt Ihnen unser herzlicher Dank, den ich auch im Namen von Generalvikar Dr. Thönnes, im Namen des ganzen Bistums und vor allem auch im Namen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der letzten Jahre aussprechen darf. Als Bischof von Essen habe ich selber nur zwei Ihrer Tagungen als Teilnehmer erlebt. Daher danke ich Ihnen auch genauso herzlich im Namen meiner beiden noch lebenden Vorgänger, Bischof Dr. Hubert Luthe und Bischof Dr. Felix Genn, die Ihnen aus diesem Anlass einen Brief geschrieben haben. Und ich danke im Namen von Herrn Prälat Schümmelfeder, der ja lange Jahre als Generalvikar an diesen Gesprächen teilgenommen hat.

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Lieber Herr Professor Starck, damit es nicht nur bei Worten bleibt, möchte ich Ihnen ein sinnfälliges Zeichen unseres Dankes überreichen und dabei auch Ihrer Frau „Danke“ sagen. Ich überreiche Ihnen in unser aller Namen neue Einspielungen von Klaviersonaten von Beethoven, von denen ich hoffe, dass sie Ihnen und Ihrem Musikverstand und Musikgeschmack zur Ehre gereichen und dass Sie beim Hören der Klänge immer wieder auch an die Essener Gespräche erinnert werden. Wir hoffen sehr, dass Sie auch weiterhin noch oft zu uns kommen werden, wenn auch ab dem nächsten Jahr in einer anderen Rolle und Funktion. Ich darf aber auch zugleich Ihnen, liebe Frau Starck, herzlich „Danke“ sagen, dass Sie das Engagement Ihres Mannes mitgetragen haben und dass Sie ihn sozusagen „frei gegeben“ haben für diesen Dienst. Sie haben das jedes Jahr mit großer Selbstverständlichkeit getan und wir freuen uns, dass Sie in diesem Jahr mit hierher mitgekommen sind. Mit diesem Wechsel darf ich nun Sie, sehr geehrter Herr Professor Kirchhof, als neuen Moderator der Essener Gespräche besonders herzlich begrüßen. Da wir uns eine Tagungsleitung ohne einen kompetenten und auch renommierten Tagungsleiter nicht vorstellen können, bin ich sehr froh, dass Sie meiner und unserer Bitte entsprochen haben, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie gehören ebenfalls seit vielen Jahren zu den Teilnehmern unserer Essener Gespräche und waren auch als Referent schon mehrfach eine tragende Säule der Veranstaltungen. Mit Ihrer Zusage, die Aufgabe des Moderators zu übernehmen, setzen Sie auch ein öffentliches Zeichen für die Bedeutung der Essener Gespräche und der zu verhandelnden Themen, von denen ich der Überzeugung bin, dass sie uns als Gesamtkirche, nicht nur in Deutschland, sehr beschäftigen werden. Zum Schluss möchte ich Sie, liebe Frau Kirchhof, noch einmal herzlich begrüßen und meinen Dank aussprechen, dass Sie Ihren Mann für diese Tätigkeit „frei geben“. Seien Sie gewiss, dass Sie hier immer herzlich willkommen sind, soweit es Ihnen der Weg von Heidelberg nach Mülheim und Essen möglich macht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihnen allen wünsche ich noch einen guten weiteren Verlauf der Essener Gespräche, die sich wieder mit einem hoch aktuellen und gleichsam sehr grundsätzlichen Thema beschäftigen. Die Seelsorgearbeit der Kirche unterliegt immer auch sehr den irdischen Bedingungen, unter denen sie in der Vielschichtigkeit und Komplexität kirchlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen und Verhältnisse verwirklicht werden muss. Von daher gesehen sind die vielen Fragen der Kirchenfinanzierung, um die es bei dieser Tagung geht, für uns bedeutsame und oftmals auch „leidvolle“ Fragen. Die Erfahrung, immer wieder auch durch Zeiten schwieriger Entscheidungen hindurch zu kommen, kann uns dabei zu einer wirklich offenen und kritischen Auseinandersetzung ermutigen. Das ist ein Segen und das zeigt, dass die Kirche sehr lebendig ist und es weiterhin auch unter neuen Bedingungen bleibt. In diesem Sinne danke ich Ihnen als Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Essener Gespräche auch im Namen meiner Mitbischöfe für viele Anregungen hinsichtlich wichtiger Entwicklungen und Entscheidungen, die zum Wohl der ganzen Kirche in Deutschland zu treffen sind.

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Verabschiedung von Professor Dr. iur. utr. Christian Starck

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II. Dankesworte von Rechtsanwalt Dr. iur. Burkhard Kämper, Düsseldorf/Essen Sehr geehrter Herr Bischof, sehr geehrter Herr Generalvikar, verehrte, liebe Frau Starck, lieber Herr Starck, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist weder der richtige Ort noch steht uns heute Morgen hier der Zeitrahmen zur Verfügung, um das wissenschaftliche Wirken von Christian Starck angemessen zu würdigen. Dies ist aus Anlass seines 70. Geburtstags vor fünf Jahren an zahlreichen Stellen geschehen, auf die hier gerne verwiesen werden kann.1 Lassen Sie mich an dieser Stelle stattdessen darauf hinweisen, dass wir mit Professor Dr. Christian Starck heute sicher keinen Staatskirchenrechtler im engeren Sinne, sondern eher einen Universalgelehrten traditioneller Prägung als Tagungsleiter verabschieden. Fest verankert, so haben wir es erlebt, in seiner christlichen Grundüberzeugung, hat er sich neben der gelegentlichen Befassung auch mit staatskirchenrechtlichen Fragestellungen2 vor allem immer wieder gerne zu grundlegenden Fragen im Zusammenhang mit dem Beginn und dem Ende des menschlichen Lebens und der Würde des Menschen geäußert. Ich möchte mich heute anstelle einer notwendigerweise unvollständig bleibenden Würdigung seines Werkes auf ein paar persönliche Bemerkungen beschränken und dabei mit dem 10. November 1997 beginnen. An diesem Tag habe ich Sie, lieber Herr Starck, gemeinsam mit meinem verehrten Vorgänger bei den Essener Gesprächen, Professor Dr. Heiner Marré, in Ihrem Haus in Göttingen besucht. Bei Kaffee und Kuchen – für beides war vermutlich Ihre Frau verantwortlich, die wir damals auch kurz begrüßen konnten – haben wir auf Anregung Ihres Vorgängers, Professor Dr. Alexander Hollerbach, der leider heute nicht hier sein kann, versucht, Sie für die Tagungsleitung bei den Essener Gesprächen zu gewinnen, und ich bin außerordentlich froh darüber, dass uns dies gelungen ist. Und so haben Sie seit dem 34. Essener Gespräch im März 1999 jetzt insgesamt vierzehn Mal unsere Tagung geleitet. In all den Jahren habe ich Sie als einen jederzeit ansprechbaren, fürsorglichen spiritus rector unserer Gespräche erlebt, der vor allem bei der Formulierung von Vortragsthemen sowie bei der Suche und Findung von Referenten behilflich war. Dabei hat mich immer wieder auf's Neue – ich habe schon vor fünf Jahren aus Anlass Ihres 70. Geburtstages darauf hingewiesen3 – Ihr schier unerschöpflich erscheinendes Netzwerk beeindruckt, das Sie immer wieder für uns nutzbar gemacht haben. Es reicht – ganz im Sinne des interdisziplinären Ansatzes unserer Tagung – weit über die Rechtswissen-

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2 3

Vgl. die Nachricht in der FAZ am 9. Januar 2007 sowie die Würdigungen von Peter Badura, Christian Starck zum 70. Geburtstag, JZ 2007, S. 34 f., Rolf Stürner, Dem scheidenden Mitherausgeber Christian Starck zum 70. Geburtstag, ebda. S. 35 f., der Herausgeber Rainer Grote, Ines Härtel, Karl-E. Hain, Thorsten Ingo Schmidt, Thomas Schmitz, Gunnar Folke Schuppert und Christian Winterhoff im Geleitwort des Werkes „Die Ordnung der Freiheit“, Festschrift für Christian Starck zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 2007, S. V ff., sowie von Burkhard Kämper, Die Ordnung der Freiheit – Christian Starck zum 70. Geburtstag, KuR 2007, S. 125 f. Vgl. etwa den grundlegenden Beitrag von Christian Starck, Staat und Religion, JZ 2000, S. 1 ff. Kämper, Christian Starck zum 70. Geburtstag (Anm. 1), S. 126.

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schaften hinaus in andere Fachbereiche und erstreckt sich vor allem auch auf zahlreiche andere Staaten. Ein zweites Mal führte mich mein Weg nach Göttingen zu Ihrer Abschiedsvorlesung am 3. Februar 2005, bevor ich dann schließlich die große Ehre hatte, auch an dem akademischen Festakt teilzunehmen, zu dem die Juristische Fakultät der Göttinger Universität aus Anlass Ihres 70. Geburtstages am 13. Januar 2007 mit dem damaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Professor Dr. Hans-Jürgen Papier, als Festredner eingeladen hatte. Lieber Herr Starck, durch die zahlreichen Abstimmungsgespräche, die wir in den gut dreizehn Jahren unserer Zusammenarbeit geführt haben, sind wir uns auch persönlich ein Stück näher gekommen. Dabei hat es Sie nicht gestört, dass die Kontaktaufnahme seit Ihrer Emeritierung nur noch über Ihren Privatanschluss möglich war und es dabei auch durchaus schon mal zu einer Beeinträchtigung Ihres familiären Tagesablaufs kommen konnte. Lassen Sie mich schließen mit einem Eingeständnis. Seit Jahren führen wir Sie in unseren Tagungsbänden mit dem unvollständigen Titel eines Doktors der Rechte. Tatsächlich aber wurden Sie im Jahr 1963 von der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg zum Doktor beider Rechte, dem Doktor iuris utriusque promoviert. Es passt zu Ihnen, dass Sie diese Ungenauigkeit nie moniert haben. Und nachdem wir dies auf unserer Internetseite bereits angepasst haben, sagen ich Ihnen heute zu, dass wir Sie mit sofortiger Wirkung auch in unseren Tagungsbänden korrekt führen werden. Lieber Herr Starck, ich habe in diesen Jahren sehr, sehr viel von Ihnen gelernt und profitiert und danke Ihnen heute ganz persönlich für Ihre immer wohlwollende Unterstützung unseres Dauerprojekts Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche. Ich würde mich freuen, wenn ich auch in Zukunft bei Bedarf auf Ihre Beratung zurückgreifen darf und wünsche uns allen noch viele Jahre Ihrer engagierten Teilnahme an unseren Essener Gesprächen. Herzlichen Dank, Herr Starck. Lieber Herr Kirchhof, ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit in den nächsten Jahren. Ich durfte am 23. Mai – ein für Verfassungsrechtler nicht unbedeutendes Datum – des vergangenen Jahres die Gastfreundschaft von Ihrer Frau und Ihnen in Heidelberg kennenlernen. Anlässlich meines Besuches bei Ihnen haben wir den Grundstein gelegt für Ihre Übernahme der Tagungsleitung ab dem kommenden Jahr. Es liegt eine Fülle von Themen vor uns, die geordnet und behandelt werden wollen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich nun noch stärker als bisher in den Dienst unseres Unternehmens nehmen lassen. Vielen Dank dafür und auf eine gute Zusammenarbeit.

III. Dankesworte von Professor Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Was soll ich dazu sagen? Ich bedanke mich sehr bei Ihnen, Herr Bischof, für Ihre Worte und auch bei Herrn Kämper, mit dem ich ja jetzt seit vierzehn Jahren intensiv zusammen gearbeitet habe. Wenn ich aber an die Essener Gespräche denke, denke ich an einen Mann, der heute noch nicht erwähnt worden ist, der mir im Jahre 1973 auf der GörresTagung in Würzburg gesagt hat, ich solle einen Vortrag halten über das Schul-

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Verabschiedung von Professor Dr. iur. utr. Christian Starck

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recht: das war Pater Listl. Ich hätte auch ablehnen können. Aber nein, er hat mir das so gesagt, dass ich nicht ablehnen konnte; und dadurch bin ich zu den Essener Gesprächen gekommen. Ich war vorher nie bei den Essener Gesprächen. Ich habe nie etwas über Schulrecht geschrieben und dennoch hat er gleich erkannt, dass „er ein guter Referent sein wird, weil er sich anstrengen wird und was Neues bringt“. Dann habe ich also zugesagt und habe im Jahr 1974 hier das erste Mal referiert und bin dann – das habe ich nachgeprüft – in den fünfundzwanzig Jahren bis 1999, zwanzig Mal hier gewesen. Das ist schon eine beachtliche Zahl. Sie können daran auch sehen, wie sehr mir die Essener Gespräche gefallen haben und wie nützlich ich sie auch für meine persönliche Fortbildung erlebt habe. Ich habe in dieser Zeit alle Essener Bischöfe erlebt und bis 1991 auch den verstorbenen Bischof und späteren Kardinal Hengsbach, den ich sehr bewundert habe. Ihm folgten Bischof Luthe und Bischof Genn, die mir anlässlich meines Ausscheidens als Tagungsleiter freundliche Briefe geschrieben haben; und dann schließlich Sie, Herr Bischof Overbeck. Es gab aber auch eine Zwischenzeit, eine Sedisvakanz, als Weihbischof Grave das Bistum verwaltete und an dem damaligen Essener Gespräch teilgenommen hat. Ich möchte auch die Generalvikare erwähnen. Es begann mit Herrn Krautscheidt. Ihm folgten die Herren Stüting, Heinemann, Schümmelfeder und Thönnes. Was mir jetzt noch bleibt, ist, dass ich den Essener Gesprächen weiter alles Gute wünsche, wobei ich bei meinem Nachfolger überhaupt keinen Zweifel habe, dass alles bestens gelingen wird und es wohl noch eine Steigerung geben wird. Die Themen werden nicht ausgehen. Wir reden immer bei den Essener Gesprächen über die nächsten Tagungsthemen. Zuletzt bedanke ich mich auch bei der Zuhörerschaft. Alle Zuhörer in den letzten vierzehn Jahren habe ich sehr geschätzt. Sie haben eigentlich immer rechtzeitig aufgehört, sich zu melden, wenn die Zeit zu Ende ging. Und wenn manchmal doch noch Zeit zur Diskussion war, gab es dann immer noch weitere Meldungen aus dem Auditorium. Das habe ich immer sehr geschätzt. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich vielmals bei Ihnen und werde auch mit Freuden in Zukunft weiter an den Essener Gesprächen teilnehmen.

IV. Dankesworte von Professor Dr. iur. Dr. h.c. Paul Kirchhof, Heidelberg Verehrter Herr Bischof, meine Damen und Herren, mich drängt es doch sehr, einiges zu Herrn Starck zu sagen. Wenn immer ich mich auf Essen eingestimmt habe, habe ich mich vor allem gefreut, Christian Starck zu begegnen, einem Staatsrechtslehrer, der das Staatsrecht und die Staatslehre völlig durchdacht hat, der sie in dem großen Kommentar von Mangoldt/ Klein/Starck4 beschrieben hat, der bei der inneren Wiedervereinigung Deutschlands den neuen Ländern in der Verfassunggebung Verfassungsprinzipien und

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Hermann von Mangoldt, Friedrich Klein, Christian Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, München, 6. Aufl., 2010.

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Formulierungshilfen vermittelt hat, der in wissenschaftlichen Symposien weltweit unsere Ideen und Ideale präsentiert und repräsentiert, der 18 Jahre in Niedersachsen Verfassungsrichter gewesen ist, der forensisch vor den Schranken des Bundesverfassungsgerichts – jüngst zur seelischen Erbauung am Sonntag – erfolgreich war. Christian Starck hat aus dieser Erfahrung eine Gelassenheit entwickelt, aus der Liebenswürdigkeit und Weitsicht erwächst. Ihn überrascht im Umfeld von Staat, Kirche, Recht und Menschlichkeit kaum noch etwas. Und er ist ein neugieriger Wissenschaftler. Deswegen interessiert er sich für alles, was ein anderer sagt. Das bemerken wir in jeder unserer Diskussionen. Herr Starck weiß, dass im Staat, in der Kirche, in der Wissenschaft die Menschen am Werk sind, die nie vollkommen sein können, stets aber nach dem Besseren streben. Deswegen pflegt Christian Starck diese großzügige, aber bestimmte, gelegentlich heitere, dann auch abschließende Diskussionsleitung. Und schließlich möchte ich daran erinnern: Christian Starck ist ein sehr sensibler, mithin wissenschaftssensibler Mensch, entwickelt deshalb einen Sinn für Aktualität, bleibt aber auch in der Anspannung des Gegenwärtigen unaufgeregt. Unsere Themen waren immer gegenwartsnah, oft wurden sie in der Zeit zwischen der Themenfestlegung und der Essener Diskussion noch aktueller. Herr Starck ist eine Mitte dieser Essener Gespräche und wird eine Mitte dieser Essener Gespräche bleiben. Machen wir uns also keine Sorgen: Herr Starck ist da. Wir können uns auf ihn stützen, er wird uns seinen Rat geben, er wird in seiner Person eine Kontinuität der Essener Gespräche gewährleisten. Was mich angeht, haben Sie heute Morgen alles, was zu sagen ist, im Gottesdienst gehört. Das Kirchenjahr war so klug, den heutigen Tag der Vergebung zu widmen. Ich werde Fehler machen und darauf hoffen, dass Sie mir vergeben. Ich habe nur eine Bitte: Beraten Sie mich vorher, intervenieren Sie rechtzeitig, damit der Bedarf an Vergebung nicht zu groß wird. Schließlich, lieber Herr Starck, darf ich Ihnen zuversichtlich sagen, dass uns die großen Themen nicht ausgehen werden. Wir haben vor zwei Wochen die Gedenkfeier im Deutschen Bundestag für die Opfer der Neonazis erlebt. Ein Vater – sein Sohn war verstorben – hatte sich kurzfristig entschlossen, in türkischer Sprache eine Rede zu halten. Und er begann mit den Worten „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, des Allbarmherzigen, einen guten Tag für alle“. Dieser Satz wurde übersetzt: „Meine Damen und Herren, Exzellenzen, ich grüße Sie herzlich.“ In der Übersetzung ist Gott verlorengegangen. Natürlich ist die Situation schwierig, wenn ein Staat, der ein demokratisches Staatsvolk repräsentiert, das überwiegend von Christen bestimmt wird, der Opfer gedenkt, die überwiegend Muslime sind. Aber wir brauchen nicht sprachlos zu werden in dem, was uns verbinden kann, in dem, was das notwendige Gespräch über Gott ausmacht. Unsere Studenten in Heidelberg sind in dieser Frage schon weiter fortgeschritten. Wir haben an der Jüdischen Hochschule ein Seminar mit jungen Studenten – Christen, Juden, Muslime –, die der Frage nachgehen, ob die gemeinsamen Wurzeln ihrer Religionen eine Friedensbotschaft sein könnte. Als diese jungen Menschen beieinander saßen, fragte einer „Glauben wir an denselben Gott?“ Die Antwort war: „Wenn es einen Gott gibt, glauben wir an denselben Gott. Wenn es keinen Gott gibt, glauben wir an drei Gottheiten.“ Das sagt nicht, dass wir das gleiche Gottesbild hätten. Das sagt nicht, dass wir den gleichen Weg zu Gott beschreiten, die gleiche kirchliche Tradition pflegen. Das bestreitet

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Verabschiedung von Professor Dr. iur. utr. Christian Starck

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nicht, dass jede Kirche ihre Identität hat und haben soll. Aber wichtig bleibt die Aussage, dass, wenn es einen Gott gibt, diese Menschen in ihrer Verschiedenheit und ihren Irrtümern diesen einen Gott suchen. Hier wird der Auftrag des Religiösen als fundamentaler Friedensauftrag deutlich, den es immer wieder zu bedenken gilt. Ich will hier nur andeuten, welch große Anfragen an Staat und Kirche in der Hoffnung auf die Religion an uns gerichtet werden. Und ich bin zuversichtlich, lieber Herr Starck, dass Sie dann inmitten unseres Gespräches sind.

V. Abschließende Worte von Professor Dr. iur. utr. Christian Starck, Göttingen Ich habe zu früh gesprochen. Ich hätte eigentlich nach Herrn Kirchhof sprechen müssen, weil ich auch Herrn Kirchhof natürlich für diese überaus freundlichen, allerdings gewiss übertriebenen Worte danken will.

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B. WEITERE VERÖFFENTLICHUNGEN DER REFERENTEN DES 47. „ESSENER GESPRÄCHS“ ZUM STAATSKIRCHENRECHT UND ZUM THEMENBEREICH DES 47. „ESSENER GESPRÄCHS“ I. Prof. Dr. iur. Ferdinand Kirchhof, Tübingen/Karlsruhe: 1. Private Rechtsetzung, Berlin 1987 (Habilitation). 2. Verwerfungen der Kirchenzuschlagsteuern wegen des Maßstabs der Einkommensteuer in: Karl-Hermann Kästner/Knut Wolfgang Nörr/Klaus Schlaich (Hrsg.), Festschrift für Martin Heckel zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 1999, S. 373–384. 3. Aktuelle Reformen im Steuerrecht, in: Burkhard Hess (Hrsg.), Wandel der Rechtsordnung, Tübingen 2003, S. 209–232. 4. Die Rechtsinstitute von Verwaltungshilfe und Beleihung im Sog zunehmender funktionaler Privatisierung in: Jörn Ipsen/Bernhard Stüer (Hrsg.), Europa im Wandel, Festschrift für Hans-Werner Rengeling, Köln 2008, S. 127– 138.

II. Prof. Dr. iur. Michael Germann, Halle-Wittenberg: Aufsätze und Buchbeiträge 1. Die Anwendung von Art. 60 BayVwVfG auf vertragliche Kirchenbaulasten, in: Bayerische Verwaltungsblätter 1998, S. 422–428. 2. Beweist die Entstehungsgeschichte der „Bremer Klausel“ die Exemtion des Landes Brandenburg von der Garantie des Religionsunterrichts?, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Bd. 45 (2000), S. 631–646. 3. Das kirchliche Datenschutzrecht als Ausdruck kirchlicher Selbstbestimmung, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Bd. 48 (2003), S. 446–491. 4. Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Art. 32 Verf. LSA), in: Michael Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt. Baden-Baden 2004. S. 542–575 (§ 17), (gemeinsam mit Heinrich de Wall). 5. Kirchliche Dienstgemeinschaft und Europarecht, in: Recht der Wirtschaft und der Arbeit in Europa. Gedächtnisschrift für Wolfgang Blomeyer, hrsg. von Rüdiger Krause, Winfried Veelken und Klaus Vieweg. Berlin 2004. S. 549–577, (gemeinsam mit Heinrich de Wall). 6. Staatliche und kirchliche Gerichtsbarkeit, in: Recht in Kirche und Staat. Joseph Listl zum 75. Geburtstag, hrsg. von Wilhelm Rees, Berlin 2004 (Kanonistische Studien und Texte, Bd. 48), S. 627–656. 7. Staatliche Verwaltungsgerichte vor der Aufgabe der Justizgewährung in religionsgemeinschaftlichen Angelegenheiten, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Bd. 51 (2006), S. 589–595. 8. Die Staatskirchenverträge der Neuen Bundesländer: eine dritte Generation im Vertragsstaatskirchenrecht, in: Stefan Mückl (Hrsg.), Das Recht der Staatskirchenverträge. Colloquium aus Anlaß des 75. Geburtstags von Alexander Hollerbach, Berlin 2007, S. 91–113.

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Weitere Veröffentlichungen der Referenten

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9. Die Kontinuität der Staatskirchenverträge nach einer Vereinigung evangelischer Landeskirchen, in: Deutsches Verwaltungsblatt 2007, S. 1532–1539. (Gemeinsam mit Mario Hunger). 10. Kirchliche Institutionen im modernen Verfassungsstaat, in: Christentum – Staat – Kultur. Akten des Kongresses der Internationalen Schleiermacher-Gesellschaft in Berlin, März 2006, hrsg. von Andreas Arndt/Ulrich Barth/Wilhelm Gräb. Berlin/New York 2008, S. 411–432. 11. Die Erlaubnis zum Verlassen des Aufenthaltsbereichs nach §§ 57 I, 58 I 2 AsylVfG zum Zweck der Religionsausübung, in: ZAR – Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik 2008, S. 177–181. 12. Wem dient das kirchliche Recht? Überlegungen zur Funktion des Kirchenrechts für das Handeln in der evangelischen Kirche, in: Praktische Theologie 43 (2008), S. 215–229. 13. Der Status der Grundlagendiskussion in der evangelischen Kirchenrechtswissenschaft, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Bd. 53 (2008), S. 375–407. 14. Die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde gegen die Kirche: kein Grund zum Nachdenken über die Justizgewährung in kirchlichen Angelegenheiten, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Bd. 54 (2009), S. 214–220. 15. Der menschliche Körper als Gegenstand der Religionsfreiheit, in: Jurisprudenz zwischen Medizin und Kultur. Festschrift zum 70. Geburtstag von Gerfried Fischer, hrsg. von Bernd-Rüdiger Kern und Hans Lilie, Frankfurt am Main 2010, S. 35–58. 16. Die Strafverfolgung kirchlicher Mitarbeiter in Missbrauchsfällen und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, in: Recht der Jugend und des Bildungswesens (RdJB), 2011, S. 172–189, (gemeinsam mit Franziska Kelle). 17. Bemerkungen zur juristischen Person des evangelischen Kirchenrechts, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Bd. 56 (2011), S. 352–363. Rezensionen: 1. Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche. Begr. von Joseph Krautscheidt und Heiner Marré; hrsg. von Heiner Marré, Dieter Schümmelfeder und Burkhard Kämper. Band 32: Der Beitrag der Kirchen zur Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags, Münster 1998, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Bd. 44 (1999), S. 592–596. 2. Axel Freiherr von Campenhausen/Heinrich de Wall: Staatskirchenrecht. Eine systematische Darstellung des Religionsverfassungsrechts in Deutschland und Europa. Ein Studienbuch, 4. Auflage, München 2006. Claus Dieter Classen: Religionsrecht, Tübingen 2006, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 260 (2008), S. 265–283. Kommentierung: 1. Artikel 4 [Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit], Artikel 7 Absatz 3 [Religionsunterricht], Artikel 140 [Staatskirchenrecht], Artikel 141 [Bremer Klausel] und Artikel 142 [Grundrechte in Landesverfassungen] Grundgesetz, in: Volker Epping/Christian Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz. Beck’scher Online-Kommentar, 2008 ff. Gedruckte Ausgabe: Volker Epping/

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Christian Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar. München 2009, S. 116–153, 266–275, 1671–1711. Stichwortbearbeitungen: 1. In: Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, hrsg. von Hans Dieter Betz/Don S. Browning/Bernd Janowski/Eberhard Jüngel. Tübingen 1998–2004. Insbesondere: Juristische Person; Kapitel; Kirchenverträge; Koordinationslehre; Körperschaft des öffentlichen Rechts; Kulturstaat (Rechtlich); Laizismus (Europa); Rechtsfähigkeit der Kirche; Rechtsfähigkeit, kirchliche; Stift; Toleranz/Intoleranz (Rechtlich); Verwaltung (Rechtlich, Kirchlich-Geschichtlich, Kirchenrechtlich); Verwaltungsakt, kirchlicher; Verwaltungsgerichtsbarkeit, kirchliche. 2. In: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht. Hrsg. von Axel Frhr. v. Campenhausen/Ilona Riedel-Spangenberger/Reinhold Sebott unter Mitarbeit von Michael Ganster und Heribert Hallermann. Paderborn/ München/Wien/Zürich. Bd. 2: 2002; Bd. 3: 2004. Insbesondere: Kirchenrechtswissenschaft (Evangelisches Kirchenrecht); Pfründe (Evangelisches Kirchenrecht); Religionsfreiheit (Staatliches Recht); Säkularisation. 3. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, hrsg. von Albrecht Cordes/Heiner Lück/ Dieter Werkmüller unter philologischer Mitarbeit von Ruth Schmidt-Wiegand, ab der 9. Lieferung unter philologischer Beratung von Christa Bertelsmeier-Kierst. Berlin 2004 ff.: Amortisationsgesetzgebung; Gewissensfreiheit; Kanzel; Kirchenbaulast; Kirchenfabrik. 4. In: Evangelisches Staatslexikon. Neuausgabe, hrsg. von Werner Heun/ Martin Honecker/Martin Morlok/Joachim Wieland. Stuttgart 2006. Insbesondere: Parität; Selbstbestimmung, Selbstbestimmungsrecht (Juristisch). 5. In: Hans Michael Heinig/Hendrik Munsonius (Hrsg.), 100 Begriffe aus dem Staatskirchenrecht. Tübingen 2012: Kirchenmitgliedschaft; Kircheneintritt/-austritt/-übertritt; Taufe/Kindertaufe; Trennung von Staat und Kirche; Verträge zwischen Staat und Kirche. Mitherausgabe der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht ab Bd. 50 (2005).

III. Prof. Dr. theol. Rüdiger Althaus, Paderborn: 1. Kommentar des Vermögensrecht des Codex Iuris Canonici (außer cc. 1254–1271 CIC), in: Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici (Losebalttwerk), hrsg. von Klaus Lüdicke, Essen seit 1985, 25. und 27.-29. Erg.-Lfg., Essen 1996–1998. 2. Wi(e)der den Partikularismus – Zur Problematik der Partikularnorm Nr. 19 der Deutschen Bischofskonferenz zu c. 1292 § 1 CIC, in: Theologie und Glaube 87 (1997), S. 409–422. 3. Die Rezeption des Codex Iuris Canonici von 1983 in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Voten der Gemeinsa-

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Weitere Veröffentlichungen der Referenten

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men Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (Paderborner Theologische Studien 28), Paderborn 2000, S. 1010–1056. 75 Jahre Preußisches Kirchenvorstandsgesetz – Bewährung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken, in: Theologie und Glaube 90 (2000), S. 274– 298. Die Stiftung nach kanonischem Recht, in: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Auf dem Weg zur Bürgergesellschaft. Die Rolle der Stiftungen. Bericht über die 57. Jahrestagung vom 30. Mai bis 1. Juni 2001 in Köln, Berlin 2002, S. 219–230. Aktuelle Probleme der Kirchenfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Christoph Grabenwarter, Norbert Lüdecke, Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht. Ergebnisse eines interdisziplinären Seminars (Forschungen zur Kirchenrechtwissenschaft 33), Würzburg 2002, S. 9–29. Die Vermögensverwaltung in der Pfarrei, in: Reinhild Ahlers (Hrsg.), Handbuch der Pfarrverwaltung, Essen 2002, Kapitel 13. Diözesanvermögensverwaltungsrat und Diözesankirchensteuerrat – Chancen und Hindernisse für eine intensive Zusammenarbeit, in: Andreas Weiß u.a. (Hrsg.), Flexibilitas iuris canonici, FS Richard Puza (Adnotationes in Ius Canonicum 28), Frankfurt 2003, S. 397–420. Zur rechtlichen Qualifikation der Korporationsrechte von Ordensniederlassungen im ehemaligen Preußen, in: Ordenskorrespondenz 45 (2004), S. 142–152. Kirche im Umbruch: Reformen auf der Ebene der Pfarrei. Vermögensrechtliche Aspekte, in: Rüdiger Althaus, Klaus Lüdicke, Matthias Pulte (Hrsg.), Kirchenrecht und Theologie im Leben der Kirche, FS Heinrich J.F. Reinhardt (MKCIC Beiheft 50), Essen 2007, S. 31–50.

IV. Dipl.-Kffr. Dr. rer. pol. Claudia Leimkühler, Köln/Hamburg: 1. Ist die öffentliche Kritik am deutschen Aufsichtsratssystem gerechtfertigt? – Empirische Untersuchung über die personellen Verflechtungen zwischen den Vorständen und Aufsichtsräten der in Deutschland börsennotierten Aktiengesellschaften, in: Die Wirtschaftsprüfung, Jahrgang 49, Heft 8, 1996, S. 305–313. 2. Unternehmensrechnung und ihre Überwachung in kirchlichen Verwaltungen – Eine Analyse aus Sicht der Katholischen Kirche in Deutschland, Frankfurt am Main 2004; zugl. Hamburg, Univ., Diss. 2003. 3. Kirchliche Verwaltungen, in: Vahlens Großes Auditing Lexikon, hrsg. von Freidank, C.-Chr./Lachnit, L./Tesch, J., München 2007. 4. Der Referentenentwurf für ein Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz. Erste Bestandsaufnahme wesentlicher handelsrechtlicher Novellierungen, in: Steuern und Bilanzen, 9. Jg. (2007), S. 837–844 (zusammen mit P. Velte). 5. Der Risikomanagementbericht nach dem BilMoG – Erhöhte Anforderungen an den Aufsichtsrat?, in: Der Aufsichtsrat, 5. Jg. (2008), S. 125–127, (zusammen mit P. Velte).

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6. Bedingungen und Optionen für die Gestaltung eines doppischen Rechnungswesen bei kirchlichen (Gebiets-) Körperschaften – Eine Analyse aus Sicht der katholischen Kirche in Deutschland“, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, 32. Jg. (2009), S. 151–170. 7. Cooling Off beim Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat, in: BOARD, 1. Jg. (2011), S.145–147, (zusammen mit P. Velte).

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Sachwortregister

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C. SACHWORTREGISTER Abgabe 2, 24 f., 45 f., 51 ff., 80 – Abgabenbefreiung 15 – Abgabenrecht 23, 30, 32, 35 – Abgabensystem 23 f., 26, 45 – Abgabenzugriff 28 Ablösung 2 – von Staatsleistungen 2, 14 ff., 33 f., 36, 42 – Ablösungsgesetz 45 – Ablösungsgebot 46 – Modell zur Ablösung der Kirchensteuerfinanzierung 166 Akzeptanz 30, 42, 45, 49, 53, 114 ff., 148, 162 – schwindend 12, 33 – mangelnde in der Bevölkerung 16 – politische 58, 94 – Probleme 19 – sinkende 11 Auditmodell 131, 134, 137 Aufsicht und Kontrolle 5, 60, 84 f., 95, 114 f., 126 f., 134 ff., 139 f., 151 f., 155, 157, 162 ff. – Effektivität von Mechanismen 3, 131 – als prozessuale Beteiligung am Entscheidungsprozess 139, 151 Auftragsbindung 88, 91, 95 Außenwirkung kirchlicher Rechtspersonen 148 Benefizialrecht 107 Benefizialvermögen 107 Berichtselemente 145 Berichtsperiode 146, 148 Berichtstandards 162 Berichtswesen 147 Bevölkerungs- und Einkommenspyramide 43 Bilanz 47, 49, 145, 156, 163 – Einzelbilanz 10 – konsolidierte Gesamtbilanz 10 f. 34, 41, 45, 47, 53, 160 bonus paterfamilias 107, 111 Budgetrecht 41, 74, 81, 84

Bundesverfassungsgericht 1, 6, 25, 28, 52, 176, 178 „brüderliche Leitung“ 167 Caritas 9, 11 ff., 15, 21, 33 f., 38, 50, 53, 102, 110, 139 f., 143, 159 Christlichkeit 12 Codex Iuris Canonici 55, 72, 99 ff., 102, 107, 115, 121, 134 Daseinsvorsorge 2 Deutscher Caritasverband (s. Caritas) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) 129 f. Deutscher Orden 118 Diakonie 9, 11 f., 13, 15, 21, 33 f., 50, 53, 96, 159 – „Pflegesatzdiakonie“ 13 Die Linke 2 diligentia quam in suis 107 Diözese 1, 8 ff., 34, 47 f., 53, 100 f., 104 f., 110 ff., 118, 121 ff., 130, 133 f., 138, 157 ff., 163 ff. – Diözesankirchensteuerrat 124 f. – Diözesanökonom 104, 111, 132 – Diözesanvermögen 100 f., 132 – Diözesanvermögensverwaltungsrat 105, 125, 136 Disziplinierungsmodell 131, 134, 139 Deutscher Bundestag 2, 36, 178 Domkapitel 101, 105, 110 f., 125 Doppik 10, 84, 108, 159 Durchgriffshaftung 101, 113, 116 Eigentumsgarantie 19, 21, 34, 117 Eigentumsschutz 21 Eingriffsrecht 103, 110, 158 Einkommensteuer 23, 28, 30, 32, 35, 43 f., 49, 51 f., 76 Enteignung 22, 102, 114, 117 – Enteignungsfestigkeit? 20 Entflechtung 16, 22, 28, 45 f. Ertragshoheit 74 ff., 81 (Erz-)Bischöflicher Stuhl 50, 55, 101, 110

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Erzbistum Paderborn 1 ethisch nachhaltige Geldanlagen 91, 114, 116, 120 Evangelisch-Lutherische Kirche in Deutschland 72, 76 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 50, 63, 82 ff., 91, 96, 116, 120, 163 – Leitfaden zum „ethischen Investment“ 91, 116, 120 „ewige Rente“ 14, 16 f., 33, 53 Exemtion 25, 109, 111 Existenzminimum 25, 29, 52 fabrica ecclesiae 100, 110 Fehlallokationen 10 Finanzauftrag 161 Finanzausgleich 6, 82 – horizontaler 83 – vertikaler 83 Finanzgebaren 9, 57, 59, 61, 89, 93 f., 115, 163, Geld 28, 37, 47, 58, 63 f., 89, 112, 119, 126, 149, 160 – Anlage 74, 91, 119, 123 – Geldflussrechnung 10, 34 – Geldstrom 53 – Geldwertänderung 101, 141 – geldwerte Rechte 121 – Leistungspflichten 19, 23 – Kirchgeld 26, 48 – „schnöder Mammon“ 8 – Umgang mit 57, 94, 114 Generalvikariat 127, 138 Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften 2 Gesundheitswesen 12, 19, 34, 37, 108 Glaubensprofil 108, 111 Glaubwürdigkeit 113, 148 f., 169 Große Anfrage zur finanziellen Ausstattung der Kirchen 2 Grundsatz der Geschwisterlichkeit 82 Grundsatz der Unveräußerlichkeit 87, 118 ff. Grundsätzegesetz 16, 42

Haushalt(s) 2, 9 ff., 31, 38 ff., 53, 58, 62 f., 80, 82 ff., 88 – Defizite 40 – intransparente Haushalte 2, 168 – Jahr 89 – Führung 1, 10, 107, 172 – Kontrolle 18 – Plan 41, 50, 63, 79, 81, 84, 96, 103 f., 111, 145 – Schattenhaushalt 48 – Titel 17 – verantwortliche Haushalterschaft 88, 95 Hebesatz 43, 48, 134 Informationspflicht 144 innerkirchliche Zweckmäßigkeitskontrolle 133 Jahresabschluss 50, 79 f., 145, 148 f., 160 Kapitalgesellschaft 50 f., 113 katholische Soziallehre 113 f. Kirche, evangelische 9, 49 f., 55, 63 f., 72, 84, 96, 99 Kirche, katholische 13, 47, 56, 72, 99, 116, 122, 127, 130 f., 133, 158, 167 Kirchenabgabenrecht 8, 30, 32 Kirchenfinanzierung 2, 6, 8, 11 ff., 30, 33, 41, 51, 122, 166, 171, 174 Kirchenmitgliederstruktur 43 Kirchenstaatsvertrag 46 Kirchensteuer 2, 4 f., 9, 11, 22 ff., 36 ff., 40, 42 ff., 51 ff., 59, 63, 74 ff., 80, 92, 96, 114, 123 f., 133, 142, 157, 165 f. – als Annexsteuer 28, 30, 31 f. – als Hauptfinanzierungsquelle 9 – als Privileg der Kirchen 2 – als Verbandlast 23 ff., 32, 53 – Akzeptanz 11, 30, 42, 45, 53 – Erhebung durch staatliche Beleihung? 26 ff., 35 – erlaubt planbare Finanzierung 9, 26, 30 – Erosion 30 – Kirchenzugehörigkeit 11

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Sachwortregister

– öffentlich-rechtlicher Mitgliedsbeitrag 23, 25 f., 44, 46, 49, 52 f. – Pflicht 11, 29, 51, 53 – Räte 125 f., 133 f., 163 – von der Hoheitsgewalt des Staates abgesicherte Finanzierungsquelle 5 Kirchensteuerrecht 6, 27 ff., 33, 35, 133 Kirchlichkeit 12 – Kernauftrag 161 kirchlich spezifisches Proprium 109, 111 kirchliche Unternehmensmoral 113 kirchlicher Verkündigungs- und Gestaltungsauftrag 161 Kollektenrecht 84 Konkordanzabwägung 20 Konsultorenkollegium 104 f., 111, 123, 132 Kostenrechnung 47 f. Körperschaftsstatus 28 f. Laien 100 ff., 110, 116, 124, 131 – Apostolat der Laien 102, 110 – Mitwirkung sachverständiger Laien 131 Landeskirche 1, 8, 10, 42, 47, 53, 63 ff., 72, 75 ff., 80 ff., 112 f., 116, 158, 163, 165 Leistungsfähigkeit 2, 7, 25 f., 29, 35, 43 ff., 49, 53, 86 Liegenschaften 20 Liquidität 10, 91, 141, 145, 156 – Analyse 146 Lizenziat 55 Mischkonzern 11 Mündelsicherheit 119 ff., 123, 125 Nächstenliebe 8 – säkularisierte 12 f., 33 f., 36 f., 40 Nordelbische Evangelische Kirche 76 Non-Profit-Organisation 142 Ordinarius 104, 111, 147 – Aufsichtsrechte und -pflichten 102 Öffentlichkeit 44, 48, 63, 85, 102, 112, 119, 148, 153, 168 f.

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Papst 101, 103, 114, 118, 157 partikulares Sonderrecht 125 Partizipationsmodell 129, 131, 134, 137 patrimonium liberum 118 patrimonium stabile (siehe Stammvermögen) Planung 129, 131, 134, 136, 139, 155 – Aktionsplanung 135 – formalziel-bezogene Planung 135 – Planungs- und Rechnungswesen 147 – Rechnung 134 f., 147, 149 – Systeme 147 Pfarrei 100 f., 103, 110, 130, 158, 160 Pfarrer 75, 90, 96, 102, 104, 108, 110, 112 f., 117, 161, 167 – als primus inter pares 103, 110 – als Vertreter seiner Pfarrei in allen Rechtsgeschäften 103 – dirimierendes Stimmrecht 103, 114 – Präsidialrechte 103, 114 Pfarrpfründe 48 Preußisches Allgemeines Landrecht 24, 65, 101 Pfründevermögen 75, 116 Priesterseminar 101, 110 Leistungsfähigkeit 2, 7, 25 f., 35 Quellensteuern 30 ff., 35 Rechenschaft 59, 129, 144, 147, 160, 162, 169 – externe 147, 169 – interne 147 – Legung 148 Rechnungslegung 129, 137, 144, 146 ff., 151 f., 156, 162, 164, 169 – Offenlegung 148 f., 169 Rechnungsführer 78 Rechtsfähigkeit – bürgerliche 66 ff., 94 – kirchliche 66 f., 69, 94 Reichsdeputationshauptschluss 14 res pretiosae 123 res sacrae 45, 123 Ressourcen 10, 24, 121, 139, 143 ff., 152, 157, 161 f., 172

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Anhang

Sendungsauftrag der Kirchen 102, 108 f, 110 f., 137, 140, 149 f., 151, 171 Schuldnerberatung 37 Selbstbestimmungsrecht 16, 21, 27, 62, 65 ff., 71 f., 94, 151, 154, 158 Selbstverwaltungsrecht 5, 21, 65, 69 – der Kirchengemeinden 77, 116 Spende 8 f., 22 f., 26, 30, 32, 42, 51, 80, 121 – freiwillige Spende 92 Spender 35, 148 Stammvermögen 89, 106, 111, 118, 121, 141, 149 staatliche Sonderlasten 8, 26, 31 Staatskirchenrecht 1, 5, 13, 37 f., 55, 58 f., 61 f., 67, 93 f., 122, 131, 134, 169 Staatsleistungen 5, 11, 14 ff., 34, 42, 59, 61, 96, 122, 142, 169 Steuerbefreiung 22 f., 32, 35 f., 52 Steuerungs- und Kommunikationsinstrumente 162 Stiftung 9, 48, 50, 64, 74, 89, 101, 110, 112 f., 115, 130, 154 – Aufsicht 155 – Kapital 21, 155, 165 – Recht 60 – Vermögen 21, 75, 115, – Zweck 60 – Zweckentfremdung des Stiftungsvermögens 112, 115 Subvention 14 f., 17 f., 26, 32, 38 ff., 43, 45 – Steuersubvention 16 f., 23, 32 Synode 44, 79 ff., 84, 154, 176 Teileinkünfteverfahren 32, 43 Temporalia (zeitliche Güter) 99, 109 f. – bona temporalia 102 Transparenzpflichten 114 Träger, Trägerschaft 2, 12, 37, 40, 64 ff., 74, 76, 94, 99 ff., 107 ff., 121, 124, 130, 132, 139 f., 151, 156, 159 – arme Träger 2, 37 ff.,

Umlagen 76, 80 ff., 95 Umwidmung 17 Unternehmen 9, 12 f., 50, 53, 113, 116, 119, 125, 142, 144, 156, 160, 176 – Führung 129 ff., 137, 166 – Integrität 130 f., 151, 166 – Planung 129, 134, 136 – sozialverträglich, ökologisch und generationengerecht 116 – Steuerung 130 Untreue 112, 117 Überwachung 127, 129, 135, 137, 139 f., 150 ff. – Aufgaben 132 – Effizienz 153 – Konzept 131, 135, 155 – Qualität 130, 166 – von Unternehmen 131, 137, 151, 166 Vaticanum II (II. Vatikanisches Konzil), 100, 102, 110, 112 Veräußerung 103, 106, 121, 132, 136, 144 – veräußerungsähnliche Rechtsgeschäfte 106, 111 – Veräußerungsverbot 121 Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) 115, 166 Verbandslast (s. öffentlich-rechtlicher Mitgliedsbeitrag) Verbandszuständigkeiten 74, 95 Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) 116 Vermögen 5, 10, 21 ff., 39, 59, 62, 86 ff., 91, 93, 96, 100 f., 103 f., 107 f., 110 f., 113 f., 116 ff., 122 f., 131, 138, 140 f., 151, 156 – Beschaffung 59 – Gegenstand 19, 68 f., 94, 120, 132, 136, 144, 169 – Rechte 68, 94 – Sondervermögen 142 – Trägerschaft 64 ff., 68 f., 73 f., 76 f., 109

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Sachwortregister

– Verantwortung 5, 58 f., 62, 69, 72, 74, 77, 79 ff., 85 f., 89 ff. – Verwaltung 5, 56, 58, 73, 99, 101 ff. – Verzeichnis 121 – Zuwachs (Mehrung) 89, 91, 118, 123, 147 f. – zweckgebundenes 11, 34, 86, 96 Vermögensrecht 1, 99, 110, 126, 155 – kirchliches 55 f., 68 f., 106, 127, 130 f., 141, 151, 170 Vermögensverwalter 114, 132, 134 ff., 144 f., 147, 151 f.

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Vermögensverwaltungsrat 104 f., 125, 138, 153 – Überwachungsfunktion 132, 136 „Verweltlichung der Kirche“ 91 Visitation 84, 163 f., 166 f. Weltbildverlag 5, 13, 47, 113 f., 125 Wettbewerbs- und Arbeitsregeln 40 Ziele kirchlicher Verwaltung 143 Zielvereinbarung 163

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Anhang

D. PERSONENREGISTER Beethoven, Ludwig van 174 Churchill, Winston, britischer Premierminister 44 Clement, Wolfgang 4

Maier, Hans 4 Mixa, Walter Johannes, Bischof von Augsburg 112 Noack, Axel 63

Genn, Felix, Bischof von Münster 173, 177 Grave, Franz 177

Papier, Hans-Jürgen, Präsident des Bundesverfassungsgerichts 176 Pirson, Dietrich 4

Heinemann, Heribert 177 Hengsbach, Franz Kardinal, Bischof von Essen 177 Höffner, Joseph Kardinal, Erzbischof von Köln 125 Hollerbach, Alexander 175

Rupp, Hans Heinrich 4

Jesus Christus 8 Kewenig, Wilhelm 4 König, Franz Kardinal, Erzbischof von Wien 125 Krautscheidt, Joseph 177 Listl, Joseph 176 f. Luthe, Hubert, Bischof von Essen 173, 177

Schmitz, Heribert 102 Schneider, Hans 5 Schümmelfeder, Dieter 173, 177 Schwendenwein, Hugo 102 Spiegelhalter, Franz 38 Steinmüller, Wilhelm 4 Stüting, Johannes 177 Thönnes, Hans-Werner 177 Zachäus, Zöllner (bibl.) 8

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Verzeichnis der Diskussionsredner191

E. VERZEICHNIS DER DISKUSSIONSREDNER Althaus, Rüdiger, Prof. Dr. theol., Paderborn: 99–111, 114 f., 117, 120 f., 125 f., 158 Ehlers, Dirk, Prof. Dr. iur., Münster: 37 f. Germann, Michael, Prof. Dr. iur., Halle-Wittenberg: 57–97, 115 ff., 119 f., 126 Haering, Stephan, Prof. Dr. theol., München: 118, 160 f. Häberle, Lothar, Dr. iur., Köln: 163 Himmelsbach, Michael: 47 f., 123 f., 158 f., 168 f. Honecker, Martin, Prof. Dr. theol., Bonn: 166 ff. Horák, Záboj, JUDr., Ph. D., LL.M., Prag: 122 Isensee, Josef, Prof. Dr. iur. Dr. iur. h.c., Bonn: 41 f., 112 f. Kirchhof, Ferdinand, Prof. Dr. iur., Tübingen/Karlsruhe: 7–35, 39 ff., 44 ff., 52 ff. Kirchhof, Paul, Prof. Dr. iur. Dr. iur. h.c., Heidelberg: 51 f., 119, 161 Korta, Stefan, Dr. theol., München: 168 Kupke, Arne, Dr. iur., Bielefeld: 49 f. Leimkühler, Claudia, Dipl.-Kffr. Dr. rer. pol., Köln/Hamburg: 129-153, 157 f., 159, 161 f., 164, 166, 169, Oebbecke, Janbernd, Prof. Dr. iur., Münster: 47 Petersen, Jens, Dr. iur., Hannover: 43 f. Post, Albert, Dr. iur., Fulda: 124 f. Roca, María J., Prof. Dr. iur. Dr. iur. can., Madrid: 122 f. Schon, Hermann J., Köln: 155 f. Schulte, Martin, Prof. Dr. iur., Dresden: 164 f. Starck, Christian, Prof. Dr. iur. utr., Göttingen: 4 ff., 36, 37, 38 f., 40 f., 41, 42 f., 44, 46, 49, 50, 51, 52, 54, 55 f., 112, 113, 114, 117, 118, 119, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 154, 155, 156, 157, 158, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 169 f. Sydow, Gernot. Prof. Dr. iur., M.A., Limburg: 155 Thiele, Christoph, Dr. iur., Hannover: 36 f., 118 Thönnes, Hans-Werner, Dr. theol., Generalvikar, Essen: 1 ff., 171 f. Vogelbusch, Friedrich, Prof. Dr. rer. pol., Dresden: 50 Vulpius, Axel, Dr. iur., Bonn: 154 f. Winter, Jörg, Prof. Dr. iur., Karlsruhe: 38, 113 f., 163 Winzeler, Christoph, PD Dr. iur., Basel: 165 f.