Die (finanz-)verfassungsrechtliche Problematik des BSHG-Vollzugs durch kommunale Gebietskörperschaften,: dargestellt am Beispiel der Rechtslage im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen [1 ed.] 9783428473960, 9783428073962

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Die (finanz-)verfassungsrechtliche Problematik des BSHG-Vollzugs durch kommunale Gebietskörperschaften,: dargestellt am Beispiel der Rechtslage im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen [1 ed.]
 9783428473960, 9783428073962

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 617

Die (finanz-)verfassungsrechtliche Problematik des BSHG-Vollzugs durch kommunale Gebietskörperschaften dargestellt am Beispiel der Rechtslage im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen Von

Jochen Hofmann-Hoeppel

Duncker & Humblot · Berlin

JOCHEN HOFMANN-HOEPPEL

Die (finanz-)verfassungsrechtliche Problematik des BSHG-Vollzugs durch kommunale Gebietskörperschaften

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 617

Die (fînanz-)verfassungsrechtliche Problematik des BSHG-Vollzugs durch kommunale Gebietskörperschaften dargestellt am Beispiel der Rechtslage im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen

Von

Jochen Hofmann-Hoeppel

Duncker & Humblot - Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Hofmann-Hoeppel, Jochen: Die (finanz-)verfassungsrechtliche Problematik des BSHGVollzugs durch kommunale Gebietskörperschaften : dargestellt am Beispiel der Rechtslage im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen / von Jochen Hofmann-Hoeppel. Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 617) Zugl.: Würzburg, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07396-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07396-7

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1990 / 91 von der Juristischen Fakultät der Bayer. Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Die durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. 7. 1990 (BGBl. I S . 1354), die Neufassung des Bundessozialhilfegesetzes i. d. F. d. Bekm. vom 10. 1. 1991 (BGBl. I S. 94, ber. 808) sowie durch das Gesetz zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften vom 21. 6. 1991 (BGBl. I S. 1306) eingetretenen Änderungen wurden berücksichtigt. An dieser Stelle sei Erst- und Zweitgutachter, Professoren Dres. Franz- Ludwig Knemeyer und Michael Wollschläger ebenso gedankt wie Erst- und Zweitgutachter der Quellenexegese, Professoren Dres. Willoweit und Trusen. Nicht minder herzlicher Dank gilt Frau Barbara Menzler, die mit gewohnter Umsicht und Sachkunde das umfangreiche Manuskript in ansehnliche Form gebracht hat. Schließlich möchte ich meiner Familie, insbesondere meiner Frau, Dr. Rotraut Hoeppel, sowie Professor Norbert Simon vom Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme in die Schriftenreihe danken. Würzburg, im Juli 1991

Dr. Jochen Hofmann-Hoeppel

Inhalt Einleitung

17

Gang der Untersuchung

33 Teil A

Die (finanz-)verfassungsrechtliche Beurteilung des BSHG-Vollzugs durch kreisfreie Gemeinden als örtliche Träger der Sozialhilfe Kapitel 1 Die Leistungsentwicklung nach dem BSHG in der Bundesrepublik Deutschland, im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen

39

I. Die Entwicklung der Gewährung von Sozialhilfe in der Bundesrepublik Deutschland 1963 - 1986

41

1. Hilfeempfänger nach Gesamtzahlen, Leistungsarten und Geschlecht ....

41

2. Die Entwicklung der Bruttoausgaben insgesamt und nach Leistungsarten

43

II. Die Entwicklung der Sozialhilfeleistungen im Freistaat Bayern

48

1. Hilfeempfänger nach Gesamtzahlen, Leistungsarten, Staatsangehörigkeit und Geschlecht

48

2. Die Entwicklung der Brutto-Ausgaben insgesamt, nach Leistungsarten, Leistungsformen und Trägern

51

a) Die Leistungsbilanzen für HLU und HbL

51

b) Die Leistungsbilanzen nach Trägergruppen

55

ΙΠ. Die Entwicklung der Sozialhilfeleistungen in Nordrhein-Westfalen

59

1. Hilfeempfänger nach Gesamtzahlen, Leistungsarten und Geschlecht ....

59

2. Die Entwicklung der Brutto- und Nettoausgaben insgesamt, nach Leistungsarten, Leistungsformen und Trägern

63

8

Inhalt

Kapitel 2 Der statistische und normative Zusammenhang von Sozialhilfeaufwendungen, Finanzausstattung, „freier Spitze" und Investitionsquoten I. Die verfassungsrechtliche Relevanz des statistischen Materials II. Die Bedeutung der statistischen Entwicklung von Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung, „freier Spitze" und Investitionsquoten in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht 1. Die Entwicklung auf Bundesebene

69 69

70 70

a) Finanzielle Leistungen an Gemeinden und Gemeindeverbände

70

b) Allgemeiner Steuerverbund und Schlüsselzuweisungen in Bayern 1975-1983 und Nordrhein-Westfalen 1975-1986

73

2. Die Entwicklung der Kommunalausgaben in Bayern

77

3. Die Entwicklung der Kommunalausgaben in Nordrhein-Westfalen

83

Kapitel 3 Die Klassifizierung des BSHG-Vollzugs als Pflichtige

Selbstverwaltungsaufgabe der kreisfreien Städte im Lichte von Regelungstradition, Dogmatik und Systematik von Sozialhilfe- und Kommunalrecht

86

I. Die kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe nach § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayAGBSHG, § 1 Abs. 1 NWAGBSHG II. Zur Sachgerechtigkeit der Klassifzierung des BSHG-Vollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit

87

1. Zur Relevanz der sozialhilferechtlichen Regelungstradition von der „Lokalarmenpflege" des 19. Jahrhunderts zum Leistungsnetz des BSHG

89

a) "Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht" und „Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge"

90

b) Die Regelungssystematik von Reichsfürsorgeverordnung und BSHG

94

2. Dogmatische Voraussetzungen für die Klassifizierung einer Aufgabe als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit

96

a) Dogmatischer Ausgangspunkt und Untersuchungsmethode

96

b) Die konstitutiven Elemente des BSHG-Vollzugs

97

3. Rechtliche Konturen ausgewählter Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben

100

a) Die Bauleitplanung nach §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB

100

b) Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben nach bayerischem Landesrecht

106

aa) Charakterisierung der Pflichtaufgaben nach Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO 106

86

Inhalt

bb) Pflicht zur Abwasserbeseitigung nach Art. 41b BayWG cc) Gewässerunterhaltungslast nach Art. 43 Abs. 1 Nr. 3, Gewässerausbaupflicht nach Art. 54 Abs. 1 Bay WG dd) Die Straßen- und wegerechtlichen Pflichtaufgaben nach Art. 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 51 Abs. 1 BayStrWG ee) Gemeinsame Kriterien für Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben nach bayerischem Landesrecht c) Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben nach nordrhein-westfälischem Landesrecht aa) Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben im System der nordrheinwestfälischen Kommunalverfassung bb) Die schulrechtlichen Pflichtaufgaben nach § 10 SchVGNW cc) Die wasserrechtlichen Pflichtaufgaben nach §§48 Abs. 1, 53 Abs. 1LWGNW dd) Die straßenrechtlichen Pflichtaufgaben nach §§ 47 Abs. 1 StrWGNW, 1 Abs. 2 StrReinGNW ee) Gemeinsame Kriterien für die Pflichtaufgaben nach nordrheinwestfälischem Landesrecht

108 109 110 111 112 112 114 115 116 117

Kapitel 4 Aufgaben Vollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung I. Kommunale Finanzhoheit als Teilelement der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie 1. Die verfassungsrechtliche Ableitung kommunaler Finanzhoheit

118 118 118

2. Funktion und Bedeutung von Art. 28 Abs. 2 GG, 83 Abs. 3 BV, 78 Abs. 3 LVNW für die Garantie der kommunalen Finanzhoheit 119 a) Finanzausstattung als notwendiges Korrelat kommunaler Selbstverwaltung 119 b) Inhalt und Umfang des staatlichen Mittelerschließungsgebots 121 II. Der Zusammenhang von rechtlicher Qualifizierung einer Aufgabe und Kostenregelung 125 1. Die Mittelaufbringungsregelung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO

125

2. Art. 78 Abs. 3 LVNW und BSHG-Vollzug

128

III. Verfassungsbestimmter Inhalt kommunaler Finanzhoheit unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

130

1. Gewährleistung von Einnahmen- und Ausgabenhoheit — gemeindliches Steuerfindungsrecht

130

2. Gewährleistung einer „finanziellen Mindestausstattung", „angemessenen" bzw. „aufgabenadäquaten" Finanzausstattung

133

3. Garantie vollzugsdeckender finanzieller Ausstattung für bestimmte Ausgabearten?

136

4. Die Differenzierung von Zweck- und Verwaltungskosten

137

10

Inhalt

IV. Aufgabenvollzug und Mittelaufbringung im Verhältnis Land — Gemeinden einerseits, Bund — Gemeinden andererseits 139 1. Föderaler Aufbau hinsichtlich Aufgabenstruktur und Finanzverfassung 139 2. Die Bedeutung der „Großen Finanzreform" des Jahres 1969 für die finanzrechtliche Stellung der Gemeinden nach dem Grundgesetz

141

3. Der Grundsatz der finanzverfassungsrechtlichen Differenzierung der Ebenen Bund—Land und Land—Gemeinden und seine Durchbrechungen 142 a) Die Verfassungspflicht der Länder, für eine Finanzausstattung der Gemeinden (und Gemeinde verbände) zu sorgen 142 b) Durchbrechung des Grundsatzes der nicht bestehenden finanzverfassungsrechtlichen Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden nach Art. 104a Abs. 4 GG und Art. 106 Abs. 8 GG 143 4. Finanzverantwortung des Bundes kraft „Veranlassungsprinzips" 145 Kapitel 5 Die Bedeutung des finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips nach Art. 104 a Abs. 1 GG für einen Anspruch auf aufgabenadäquate Finanzausstattung I. Der Grundsatz der Konnexität nach Art. 104 a Abs. 1 GG II. Inhalt und Wirkungsweise des Konnexitätsprinzips

148 148 150

III. Die Vereinbarkeit der Praxis des Finanzausgleichs im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen .... 152 1. Der Soziallastenansatz nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 Nr. 3 BayFAG i. V. m. § 3 a BayFAGDV unter Berücksichtigung des Urteils des Bay VGH vom 29.5.1987 152 a) Funktion und Ermittlung der Schlüsselzuweisungen 152 b) Die Berücksichtigung der Sozialhilfebelastung nach § 3 a BayFAGDV 1970 153 c) Das Urteil des BayVGH vom 29.5.1987 155 aa) Die Fragestellung 155 bb) Die Zulässigkeit der Anordnung der „objektivierten" Berechnungsmethode durch § 3a BayFAGDV 1970 157 cc) „Objektivierte" Berechnungsmethode und Typengerechtigkeit ... 159 dd) Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 a, 5 Abs. 2 Nr. 3 a BayFAG a. F. und Art. 15 BayFAG unter dem Aspekt der Systemgerechtigkeit 163 2. Diefinanzverfassungsrechtliche Tauglichkeit des Arbeitslosenansatzes im nordrhein-westfälischen Gemeindefinanzierungsgesetz 164 a) Die Systematik des nordrhein-westfälischen Gemeindefinanzierungsgesetzes 164 b) Arbeitslosigkeit als Faktor steigender Sozialhilfebelastung 167 c) Die Heranziehung der Arbeitslosigkeit als Bedarfselement im Gemeindefinanzierungsgesetz 169 Kapitel 6 Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

172

Inhalt

Teil Β Die (finanz-)verfassungsrechtliche Beurteilung des BSHG-Vollzugs durch die Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe

Kapitel 7 Die Leistungsentwicklung nach dem BSHG im Freistaat Bayern und bei den Bezirken als überörtliche Träger der Sozialhilfe I. Die Entwicklung der Sozialhilfegewährung im Freistaat Bayern II. Sozialhilfeausgaben franken

und Haushaltslage im Regierungsbezirk

182 182

Mittel-

III. Zentrale und dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern in Bayern

184 187

Kapitel 8 Die Unterbringung und Verteilung von Asylbewerbern I. Unterbringung und Verteilung bis zum Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes (1.8.1982) II. Unterbringung und Verteilung nach § 22 AsylVfG III. Die landesinterne Unterbringung und Verteilung von Asylbewerbern

189 189 190 191

1. Die Rechtslage in den Bundesländern mit Ausnahme Bayerns bis 31.12.1989

191

2. Die Unterbringung von Asylbewerbern in Bayern

192

a) Die Unterbringungsrichtlinien vom 23.2.1983

192

b) Die Heranziehung der örtlichen Träger durch die überörtlichen Träger der Sozialhilfe

194

IV. Die sozialhilferechtliche Stellung asylsuchender Ausländer

196

1. Die Regelungstradition von § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG

196

2. Die Neufassung von § 120 BSHG durch Zweites Haushaltsstrukturgesetz 1981 und Haushaltsbegleitgesetz 1984

198

a) Zweites Haushaltsstrukturgesetz 1981 und Haushaltsbegleitgesetz 1984

198

b) Der Anwendungsbereich von § 120 Abs. 2 BSHG

199

3. Arbeitsverbot nach § 19 Abs. l a bis le AFG a. F. und Sozialhilfegewährung

202

4. Verbot der Zahlung von Kinder- und Erziehungsgeld

204

Inhalt

12

Kapitel 9 Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern als genuin staatliche Aufgabe

207

I. Unterbringung und Versorgung in der Verwaltungskompetenz des Bundes? 207 1. Die Rechtslage nach den §§ 39, 40 AuslG a. F

207

a) Bestimmungsrecht, nicht aber Errichtungskompetenz des Bundes für Sammellager

207

b) Keine Verwaltungskompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs

210

2. Die Rechtslage nach den §§ 22, 23 AsylVfG

211

II. Der asylrechtliche „Funktions- und Verantwortungszusammenhang" der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern 213 1. Die leistungsrechtliche Komponente von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG

213

2. Die asylrechtlichen Zweckvorgaben

214

3. Versorgung und Unterbringung von Asylbewerbern als „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft" 215 4. Die Gewährung von Sozialhilfe an Asylbewerber 217 a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe

218

b) Nachrang der Sozialhilfe und Neufassung von § 120 BSHG

221

c) Nachrangprinzip nach § 2 Abs. 1 BSHG und Arbeitsverbot nach § 19 Abs. 1 a bis 1 c AFG a. F aa) Die Aufhebung des Nachrangprinzips durch § 19 Abs. l a - le AFG a. F

222 223

bb) Genese und Regelungsgehalt von § 19 Abs. l a - le AFG a. F. 224 cc) Zulässigkeit der Durchbrechung des Nachrangprinzips

225

III. Die „Reichweite" der ausländerrechtlichen Verpflichtung zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern

226

1. Allgemeine Überlegungen

226

2. Unterbringung und Versorgung als „Hilfe zum Lebensunterhalt" im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BSHG 228 3. Die „Kann"-Leistungen nach § 120 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG 233 a) Die relevanten Hilfearten nach § 27 Abs. 1 Ziff. 1-12 BSHG 233 b) Leistung vorbeugender Gesundheitshilfe nach §§27 Abs. 1 Ziff. 3, 36 BSHG 234 c) Krankenhilfe nach §§ 27 Abs. 1 Ziff. 4, 37, 37a BSHG

235

d) Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen nach § 27 Abs. 1 Ziff. 5, 38 BSHG e) Hilfe zur Pflege nach §§ 27 Abs. 1 Ziff. 9, 68 f. BSHG

236 238

IV. Ergebnisse zu Kapitel 9

238

Inhalt

Kapitel 10 Die Gewährung von Sozialhilfe an zur Ausreise verpflichtete, jedoch geduldete Ausländer

242

I. Die Rechtslage nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2, 3 BSHG a.F., § 17 AuslG a.F., §5 AEVO a.F 242 1. Der Regelungsgehalt von § 17 AuslG a. F

242

2. De-facto-Flüchtlinge und aufenthaltsrechtlicher Status a) Der Kreis der de-jure-Fliichtlinge b) Der Kreis der de-facto-Flüchtlinge 3. Differenzierung nach Abwehrrechten (gegenüber aufenthaltsbeendenden Maßnahmen) und Leistungsrechten a) Aufenthaltsbeendende Maßnahmen und aufenthaltsrechtlicher Status b) Verschiedene Arten der Aufenthaltsermöglichung nach AsylVfG bzw. AuslG a. F. bis zum 1.1.1991 c) Aufenthaltserlaubnis oder Duldung? d) Das Verhältnis von § 120 Abs. 2 Satz 1, Ziff. 2 und 3 und § 2 Abs. 1 BSHG e) Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach § 5 AEVO a. F f) Das Verhältnis von § 5 Abs. 2 AEVO a. F. zu § 120 Abs. 2 Satz 1, Ziff. 2, 3 BSHG a. F

243 243 245

II. Die Rechtslage nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG n.F., § 19 AFG n.F., § 5 AEVO n. F 1. Die Änderung von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG infolge Inkrafttretens des Ausländergesetzes neuer Fassung a) § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG und Erweiterung gesetzlicher Aufenthaltstitel b) Die „Teilüberführung" von de-facto-Flüchtlingen in de-jure-Flüchtlinge c) Der § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG n. F. unterfallende Personenkreis

245 245 249 250 252 252 255 256 256 256 257 261

2. Die Änderungen von § 19 AFG, § 5 AEVO und ihre Bedeutung für den Vollzug von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG n. F 263 a) Das Gesetz zur Änderung des AFG vom 22. 3. 1991 263 b) Die Voraussetzungen der Arbeitserlaubniserteilung 264 III. Ergebnis zu Kapitel 10

264 Kapitel 11

Die Leistungsverpflichtung der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung I. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Bestimmung der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe 1. Die Regelung nach dem BayAGBSHG a) Sozialhilfe als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises b) Ausgabenlast und kommunale Finanzhoheit

266 266 266 266 267

14

Inhalt

2. Die Bezirke als Adressaten der Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 10 Abs. 1 BV, 28 Abs. 2 GG a) Die Bezirke als Selbstverwaltungskörperschaften b) Finanzhoheit als Teilelement kommunaler Selbstverwaltung c) Funktion und Bedeutung von Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV, 6 Abs. 4 BezO für die Garantie der kommunalen Finanzhoheit der Bezirke d) Verfassungsbestimmter Inhalt der kommunalen Finanzhoheit unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips ....

268 268 270 270 272

II. Die (verfassungs-)rechtliche Beurteilung der Hilfegewährung an Asylbewerber nach § 120 Abs. 2 Satz 1, Ziff. 1 BSHG iVm Art. 7 Abs. 2, lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG 273 1. Unterhalt und Versorgung von Asylbewerbern als genuin staatliche Aufgabe

273

2. Mangel der gesetzlichen Übertragung nach Art. 6 Abs. 1 BezO

275

3. Verstoß gegen Art. 83 Abs. 3, Abs. 6 BV, 6 Abs. 4 BezO

275

III. Die (verfassungs-)rechtliche Beurteilung der Hilfegewährung an geduldete Ausländer nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG, Art. 7 Abs. 1, lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG 276 1. Verletzung des Nachrangprinzips (§ 2 Abs. 1 BSHG)

276

2. Unterbringung und Versorgung geduldeter Ausländer — keine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises nach Art. 5 Abs. 1 BezO — 277 3. Mangel der gesetzlichen Übertragung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO 277 4. Verstoß gegen Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV, 6 Abs. 4 BezO

278

IV. Beurteilung der gegenwärtigen Rechtslage unter Berücksichtigung von Funktion und Bedeutung der Bezirksumlage 278 1. Funktion und Erhebung der Bezirksumlage

278

2. »Angemessene Finanzausstattung" und Ausgabenveranschlagung im Verwaltungs- und Vermögenshaushalt des Regierungsbezirks Mittelfranken für 1988

280

Kapitel 12 Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil Β

282

Anhang Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder

288

Tabellen 1-25

290

Schaubilder 1-5

316

Literaturverzeichnis

321

Stichwortverzeichnis

334

Abkürzungsverzeichnis Die gängigen Abkürzungen können Kirchner, Hildebert / Kastner, Fritz (Bearb.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. erneuerte und erweiterte Auflage, Berlin/New York 1983, entnommen werden. BRS EzKommR FEVS HbL HLU InfAusIR KOF NDV SGB VVDStRL WZB ZAR ZfF ZfW ZfSG/SGB

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=

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Baurechtssammlung Entscheidungssammlung zum Kommunalrecht, hrsg, v. Franz-Ludwig Knemeyer und Jochen Hofmann-Hoeppel Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte Hilfe in besonderen Lebenslagen Hilfe zum Lebensunterhalt Informationsbrief Ausländerrecht Kriegsopferfürsorge Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge Sozialgesetzbuch Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wissenschaftszentrum Berlin Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Zeitschrift für das Fürsorgewesen Zeitschrift für Wassserrecht Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch

Einleitung Die 1986 von Thürer 1 und 1989 von Meis 2 vorgelegten Arbeiten über die (verfassungs-)rechtlichen wie faktischen Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden belegen die unverminderte Aktualität eines Themas, das seit der „Renaissance" kommunalwissenschaftlicher Forschung 3 in den 60-er Jahren in zunehmendem Maße auch unter (finanz-)verfassungs- wie staatsrechtlichen Aspekten diskutiert wird. Betrachtet man die einzelnen „Stationen" der wissenschaftlichen Befassung mit Begriff und Gehalt des mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsinstituts4 der kommunalen Selbstverwaltung einerseits, ihren realen Handlungs- und Entfaltungsspielräumen5 andererseits, so überrascht ein Mehrfaches: So verständlich die Behandlung der Thematik „Die neueste Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts in Deutschland" anläßlich der 2. Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtlehrer im Jahre 19256 angesichts der seit 1918/ 19 in Gang gesetzten gesellschaftlichen, verfassungs- und staatsrechtlichen wie kommunalverfassungsrechtlichen Umgestaltungen7 war, so erstaunlich mutet gleichzeitig die Tatsache an, daß mehr als 50 Jahre vergingen, ehe sich die deutsche Staatsrechtslehre dieses Problemkreises 19778 in umfassender und er1

Thürer, Bund und Gemeinden, 1986. Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989. 3 Für die Forschungsentwicklung nach dem 2. Weltkrieg vgl. Knemeyer, Kommunalrechtliche Forschung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Hesse (Hrsg.), Kommunalwissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 71 ff. 4 Nach Stern (Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1977, § 12 II 3, S. 306) verstanden als institutionelle Rechtssubjektsgarantie der Gemeinden und Gemeindeverbände einerseits, als objektive Rechtsinstitutionsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung andererseits, als subjektive Rechtstellungsgarantie der Gemeinden und Gemeindeverbände bei Angriffen auf Rechtssubjekts- und Rechtsinstitutionsgarantie zum dritten. 5 Vgl. hierzu paradigmatisch von Mutius, Handlungs- und Entfaltungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung, Gutachten E zum 53. Deutschen Juristentag, 1980, S. 9 ff. 6 Stier-Somlo, Fritz, Die neueste Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts in Deutschland; von Köhler, Ludwig, Die Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts seit der Revolution in Württemberg, Baden und Hessen; Helfritz, Hans, Die Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts seit der Revolution, sämtl. in: VVDStRL 2 (1925), Berlin und Leipzig 1925, S. 122 ff. 7 Siehe hierzu statt aller: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. V, 1978, Kap. XI ff., §§ 56 ff., S. 953 ff. 8 Bliimel, Willi, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart (Erster Bericht); Grawert, Rolf, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart (Zweiter Mitbericht), VVDStRL 36 (1977), S. 171 ff. bzw. 277 ff. 2

2 Hofmann-Hoeppel

18

Einleitung

schöpfender Weise wieder annahm. Die gewiß nicht minder bedeutsame Zäsur des Jahres 1945, die abgesehen von militärischer Niederlage und staatlicher Neukonstituierung gerade in kommunalrechtlicher Hinsicht durch das Bemühen gekennzeichnet war, mit der Ablösung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30.1.1935 9 durch den sogenannten Weinheimer Entwurf 10 einen Neubeginn hinsichtlich der kommunalen Aufgabenerfüllung zu dokumentieren, war offensichtlich kein hinreichender Anlaß für eine solche grundlegende Bestandsaufnahme, die auch deshalb nahegelegen hätte, weil der Wechsel von der „inhaltslosen" 11 und „praktisch ziemlich wertlosen" 12 Verfassungsbestimmung des Art. 127 WRV zur Garantienorm des Art. 28 Abs. 2 GG einen grundlegenden Bedeutungswandel anzeigte. Im Zeitraum zwischen 1945 bis 1977 bzw. 1980 — die auf einer grundlegenden Bestandsaufnahme beruhende Bewertung vorhandener bzw. zu entwickelnder Ansätze zur Stärkung von Institution wie politisch-demokratischer Funktion kommunaler Selbstverwaltung durch Albert von Mutius anläßlich des 53. Deutschen Juristentages 1980 13 — fand die Diskussion über Problem- und Gefährdungspotentiale kommunaler Selbstverwaltung zum großen Teil außerhalb des wissenschaftlich-institutionalisierten Bereichs in den Gremien der kommunalen Spitzenverbände wie der politischen Parteien 14 statt.

9 RGBl. 1935 I, S. 49 ff. 10 Der Weinheimer Entwurf einer Gemeindeordnung, Ergebnis einer am 2./3.7.1948 abgehaltenen Tagung der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und der Innenminister der Länder der Westzonen, ersetzte den tradierten Aufgabendualismus nach Selbstverwaltungsangelegenheiten einerseits, Auftragsangelegenheiten andererseits durch ein monistisches Modell, wonach die Gemeinden in ihrem Gebiet ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der gesamten öffentlichen Verwaltung sein sollten (§ 2 Satz 1 dieses Entwurfs); vgl. hierzu: Engeli / Hauss, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975, S. 743 ff. sowie Schmidt-Eichstaedt, Die Rechtsqualität der Kommunalaufgaben, in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 3, 1982, § 48 B, S. 9 ff., S. 16. 11 Anschütz, Gerhard, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, Kommentar, 14. Aufl., Berlin 1933, S. 334. 12 Giese, Friedrich, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Kommentar, 8. Aufl., Berlin 1931, S. 334. 13 Vgl. FN 5. 14 Zeugnis hierfür sind die in den 70-er Jahren verabschiedeten kommunalpolitischen Grundsatz- bzw. Aktionsprogramme von CDU/CSU, SPD, FDP und der Partei „Die Grünen"; vgl. hierzu: Kommunalpolitisches Grundsatzprogramm der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU Deutschlands, beschlossen auf der Bundesvertreterversammlg. vom 21./22.11.1975 in Stuttgart; Kommunalpolitisches Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, beschlossen vom Bundesparteitag am 15.11.1975 in Mannheim; Thesen liberaler Kommunalpolitik, beschlossen auf dem 26. Ordenti. Bundesparteitag der FDP in Mainz 1975, ergänzt durch die Sitzung des Bundeshauptausschusses der FDP v. 29.4.1978 in Berlin, abgedr. in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Kommunalpolitische Grundsatzprogramme der Parteien, Textsammlung und Synopse, bearb. von Michael Brettschneider und Barbara Göbel, Berlin 1976; zum Vergleich der unterschiedlichen Positionen vgl. Holler, Wolfgang, Ziele und Rah-

Einleitung

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Eine Sichtung des dort Erarbeiteten — etwa der Erträge der Professorengespräche des Deutschen Städtetages15 und des Deutschen Landkreistages 16 — zeigt menbedingungen kommunaler Politik. Eine vergleichende Analyse der kommunalpolitischen Grundsatzprogramme von SPD, CDU/CSU und FDP, in: Nassmacher, Karl-Heinz (Hrsg.), Kommunalpolitik und Sozialdemokratie. Der Beitrag des demokratischen Sozialismus zur kommunalen Selbstverwaltung, Bonn-Bad Godesberg 1977, S. 126 ff. Zu den Initiativen der Parteien auf Bundesebene vgl. die bei Blümel, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1977), S. 182 f., in den FN 45-50 wiedergegebenen Nachw. unter Berücksichtigung des Schlußberichts der Enquête-Kommission Verfassungsreform (BT-Drs. 7/5924 = Zur Sache 3/76) sowie der Kommunaldebatte im Deutschen Bundestag in der 128. Sitzung v. 7.11.1974 (Stenogr. Berichte, S. 8568 ff.). Zur Antwort der Bundesregierung mit dem Titel „Lage der Städte, Gemeinden und Kreise" auf die Große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion vgl.: Demokratische Gemeinde 1988, 28 ff., KStZ 1988, 204 ff. sowie Kommunalpolitische Blätter 1989, 105 ff. is Vgl. hierzu die bei Blümel, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1977), S. 176 mit FN 20, gegebenen Nachweise. Deutscher Städtetag und Deutscher Städte- und Gemeindebund behandeln im übrigen aktuelle Gegenwartsfragen kommunaler Selbstverwaltung regelmäßig auf den Hauptausschußsitzungen bzw. Hauptversammlungen sowie auf einer Vielzahl von Podiumsgesprächen und Fachkonferenzen; vgl. hierzu beispielhaft: 3. Hauptausschußsitzung des DStGB vom 28.5.1975 (Bad Kissingen) mit den Themen „Lebendige gemeindliche Selbstverwaltung — Säule der Demokratie" und „Finanzwirtschaftliche Ordnung im kreisangehörigen Raum"; Podiumsgespräch anläßlich der 3. Hauptausschußsitzung vom 27.5.1975 (Bad Kissingen) mit dem Thema „Die Funktionalreform als Fortsetzung der Gebietsreform"; 4. Mitgliederversammlung des DStGB vom 26.10.1979 mit den Themen „Finanzen", „Gestaltung der bebauten und unbebauten Umwelt" und „Sozialpolitik in den Gemeinden"; 9. Hauptausschußsitzung vom 3.4.1981 (Bergisch-Gladbach) mit dem Thema „Möglichkeiten und Grenzen gemeindlicher Wirtschaftsförderung"; Deutscher Gemeindekongreß vom 27.11.1981 (Bonn) mit den Themen „Sparen — Die notwendige Reform", „Energiepolitik in den Gemeinden" und „Verkehrsbedienung und -erschließung im kreisangehörigen Raum"; Deutscher Gemeindekongreß vom 28.10.1983 (Bonn) mit den Themen „Finanzen", „Neue Medientechnologien und Gemeinden" und „Vereinfachung und Fortentwicklung des Städtebaurechts"; Deutscher Gemeindekongreß vom 18./19.5.1988 (Bonn) mit dem Generalthema „Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung" (Aktionsprogramm Ländlicher Raum / Finanzsituation der Städte und Gemeinden/Umweltschutz). Die Themenkataloge der Hauptversammlungen des Deutschen Städtetages werden durch die vom DST unterhaltenen „Neue Schriften des Deutschen Städtetages" dokumentiert: „Starke Städte-Lebendige Demokratie. Standort und Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung" (20. Hauptversammlung vom 9. -11.5.1979 in Kiel, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 38); „Neue Wohnungsnot in unseren Städten" (Fachkonferenz vom 4./5.3.1980 in München, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 41); „Ausländische Mitbürger in unseren Städten" (Fachkonferenz vom 21./22.10.1980 in Bochum, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 42); „Städte und Staat" (Festsitzung vom 27.11.1980 in Bonn, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 43); „Bessere Chancen für die Städte und ihre Bürger" (21. Hauptversammlung vom 25.-27.5.1981 in Hamburg, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 45); „Unser Land braucht starke Städte" (22. Hauptversammlung vom 13.-15.6.1983 in Frankfurt, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 48); „Die Stadt — Heimat ihrer Bürger" (23. Hauptversammlung vom 11.-13.6.1985 in Berlin, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 53); „Städte für eine bessere Umwelt" (24. Hauptversammlung vom 2.-4.6.1987 in Köln, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 56). 16 Zu den Professorengesprächen des Deutschen Landkreistages vgl. von der Heide, in: DÖV 1973, 522 („Standort und Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung 2*

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im wesentlichen eine Beschränkung auf aktuelle kommunalrechtliche Fragestellungen, etwa über die Gemeindefinanzreform 1969 17 , über die Vereinheitlichung und Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts18, des Gemeindewirtschaftsrechts 19 oder anderer Bereiche, insbesondere des Kommunalverfassungsrechts 20. — Gefährdungen und Chancen in unserer Zeit"), ders., DÖV 1975, 198 („Gleichwertige Lebensverhältnisse" — Verfassungsgrundlagen und Konsequenzen für die Planung, Strukturpolitik und Finanzverteilung"), ders., DÖV 1979,94 („Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung für den Landkreisbereich"), ders., DÖV 1980,247 („Aktuelle Staatsund Reformprobleme im Verhältnis von Kreisen und Gemeinden"), Seele, DÖV 1981, 134 („Die sozialen Dienste im Kreisbereich im Spannungsfeld von fachlicher Qualifikation und Ortsnähe"), von der Heide, DÖV 1982, 149 („Bündelung regionaler Aktivitäten auf dem Gebiet der Strukturpolitik"), Seele, DÖV 1983, 194 („Das Kreismodell in europäischer Perspektive"), Meichsner, DÖV 1985, 185 („Das kommunale Steuersystem — Anspruch, Realität und Reformvorstellungen") und von der Heide, DÖV 1986, 195 („Regionale Wirtschaftspolitik 1985"). Vgl. hierzu Kinkel, Die Lehre von Popitz, 1964, S. 56 ff.; Pikullik, Das System des kommunalen Finanzausgleichs, 1966, S. 99 ff.; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 53 ff.; Voigt, Auswirkungen des Finanzausgleichs, 1975, S. 155 ff., 159 ff., 183 f.; ders., System des kommunalen Finanzausgleichs, 1980; Weber, Schlüsselzuweisungen, 1981, S. 20 ff.; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, 1976, S. 64 ff.; ders., Gemeindefinanzsystem, 1985, S. 27 ff., 129 ff.; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 32 ff.; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 156 ff.; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 54 ff.; Zimmermann, Das System der kommunalen Einnahmen, 1988, S. 37 ff. is Vgl. hierzu Deperieux, Das neue Haushaltsrecht der Gemeinden, 1975; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2,1976, S. 202 ff.; Borchmann / Vesper, Reformprobleme im Kommunalverfassungsrecht, 1977, S. 133 ff. 19 Vgl. hierzu Scholz, Neue Entwicklungen im Gemeinde wirtschaftsrecht — Strukturfragen und Verfassungskritik, DÖV 1976,441 ff.; Vesper, Vereinheitlichung im Kommunalrecht der Bundesländer, 1975, S. 96 ff.; Pagenkopf Kommunalrecht, Bd. 2, 1976, S. 145 ff. Zu Zulässigkeit und Grenzen der Wirtschaftsförderung durch kommunale Gebietskörperschaften vgl. die umf. Zusammenstellung bei Wolff I Bachofl Stober, Verwaltungsrecht II, 1987, § 86, Rn. 73 (S. 64). 20 Vgl. hierzu die bei Bliimel, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1977), S. 177, FN 27, gegebenen Hinweise; zur gegenwärtigen Diskussion um die Urwahl des Bürgermeisters sowie über die Beseitigung der dualen Kommunalverfassung in Nordrhein-Westfalen vgl. Banner, Gerhard, Verantwortung aufbauen — Konfrontation abbauen; Rossa, Kurt, Stadtverwaltung zwischen Leistungskraft und Vasallentreue; Richter, Bodo, Das Steuerungsproblem: Reform der Gemeindeordnungen?; Rehn, Erich, Verwaltungschef oder Ratsdiener?, sämtl. in: Städteund Gemeinderat 1987, 229 ff.; Schnoor, Herbert, Reform der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, Städte- und Gemeinderat 1987, 307 ff.; Neumann, Manfred, Plan zielt in falsche Richtung, Demokratische Gemeinde 1988, 17 ff.; Winkler-Haupt, Uwe, Kommunalverfassung und Politikfolgen. Eine vergleichende Untersuchung in vier Mittelstädten, VOP 1988, 125 ff.; ders., Gemeindeordnung und Politikfolgen. Eine vergleichende Untersuchung in vier Mittelstädten (Innenpolitik in Theorie und Praxis, Bd. 12), München 1988; Knemeyer, Franz-Ludwig, Eine unpolitische Beamtenspitze ist irreal, Der Gemeinderat 11/1988, 14 f.; Hoffmann, Gerd, Die sogenannte Zweigleisigkeit der niedersächsischen Kommunalverfassung, DVB1 1988, 1081; ders., die sogenannte Zweigleisigkeit der niedersächsischen Kommunalverfassung — ein Beitrag zur aktuellen Reformdiskussion, Städte- und Gemeinderat 1989, 2; Schlehberger, Erwin, Zur Reformbedürftigkeit des Kommunalverfassungsrechts in Nordrhein-Westfalen, NWVB1 1988, 161 ff.

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Die im Gefolge der Rastede-Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts 21 wie des Bundesverfassungsgerichts 22 anhebende Diskussion über die interkommunale Aufgabenabgrenzung vereinte wissenschaftliche und interessenverbandliche Diskussionsforen 23; sie führte gleichzeitig vor Augen, wie sich bundesgesetzliche Vorgaben — hier des § 3 Abs. 2 iVm § 2 AbfG — im konkreten Landesvollzug auf kommunale Aufgabenerfüllung auswirkten. Die „Inanspruchnahme der Kommunen durch die Ausführung von Bundesgesetzen" 24 rückte trotz ständig wiederkehrender Gravamina kommunaler Praktiker verhältnismäßig spät ins Zentrum wissenschaftlichen Interesses. „Pilotfunktion" kam in diesem Zusammenhang der u. a. rechtstatsächlich orientierten Studie Schmidt-Eichstaedts aus dem Jahre 1981 zu, die den Problemen der Handlungsbindung der Kommunen durch den Bundesgesetzgeber als auch der dadurch eintretenden finanziellen Belastungen auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung zur Entwicklung der Stellenpläne ausgewählter Gemeinden seit 1970 nachging. Die Arbeit beschränkte sich auf „eine Trendaussage zu den Sachausgaben der Untersuchungsgemeinden für den Bereich 'Soziale Angelegenheiten 4 " 25 und bestätigte u. a. die Hypothese, daß den Kommunen hinsichtlich der Aufgabenbewältigung zwar Eigenverantwortlichkeit durch Grundgesetz und Landesverfassungen garantiert ist, Art und Ausmaß der Bundesgesetzgebung jedoch befürchten ließen, „daß von der Selbstverwaltungsfreiheit immer weniger übrig bleibt" 26 . Damit war das anläßlich der Aussprache im Anschluß an die Referate von Stier-Somlo, von Köhler und Helfritz 27 1925 von Otmar Bühler geprägte Diktum, „der Kampf um die Selbstverwaltung (werde) jetzt auf dem Gebiete des Finanzausgleichs ausgetragen. Da sei nur soviel zu sagen, daß vielleicht auch die 21 DVB1 1983, 1152 ff.; Knemeyer / Bretzinger / Hofmann, EzKommR, 1988, 2130.31; zur Entscheidung der Vorinstanz, des OVG Lüneburg, vgl. DÖV 1980, 417 ff. m. Anm. Richter; Knemey er I Bretzinger I Hofmann, EzKommR, 1988, 2130.18. 22 BVerfG, NVwZ 1989, 240 = DVB1 1989, 300 = DÖV 1989, 349 = BayVBl 1989, 269 = BWGZ 1989, 262; Knemey er I Hofmann, EzKommR, 2. Erg. Lieferg. 1989, 2130.58. 23 Zum Expertengespräch vom 4.6.1984 über die verfassungsrechtliche Aufgabenbestimmung und -abgrenzung durch das Rastede-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4.8.1984 vgl. den Tagungsbericht von HOFMANN, Jochen, Gemeinden und Kreise, DVB1 1984, 826 f., die in Knemeyer / Hofmann (Hrsg.), Gemeinden und Kreise, 1984, thesenartig wiedergegebenen Aufsätze von Hassel, von Mutius, Papier, Schmidt-Jortzig, Seele, Wagener und Weides sowie Hofmann, Abfallbeseitigung und kommunale Selbstverwaltung, BayVBl 1984, 289 ff.; Knemeyer, Das verfassungsrechtliche Verhältnis der Kommunen zueinander und zum Staat, DVB1 1984, 23 ff.; Hinkel, Anmerkungen zum „Rastede-Urteil", Hessische Städte- und Gemeindezeitung 1985, 182 ff.; Blümel, Willi, Das verfassungsrechtliche Verhältnis der kreisangehörigen Gemeinen zu den Kreisen, Verwaltungsarchiv 75 (1984), 197 ff. 24 So der Untertitel der Untersuchung von Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981. 25 Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, S. 11. 26 Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, S. 11. 27 Vgl. FN 6.

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Kommunen dem Wohl des Staatsganzen würden noch mehr Opfer bringen müssen" 28 , auf eindrucksvolle Weise bestätigt. Zugleich wurde bewußt, daß die traditionell getrennte Behandlung von Aufgabenentwicklung und -struktur im Rahmen einer „staatswissenschaftlichen" Aufgaben- und Organisationslehre einerseits, von finanz(verfassungs-)rechtlichen Rahmenbedingungen durch Finanzwissenschaft und Kommunalwissenschaften andererseits der rechtstatsächlichen Entwicklung immer weniger gerecht wurde. Dieser Umstand wurde im übrigen durch die Identität der Argumentationstopoi zur Kennzeichnung einer — offensichtlich permanenten — „Krise der kommunalen Selbstverwaltung" 29 trotz grundlegend gewandelter verfassungsrechtlicher Verhältnisse aufgezeigt. 28 VVDStRL 2 (1925), S. 248. 29 Seit den programmatischen Beiträgen von Köttgen (Die Krise der kommunalen Selbstverwaltung, Tübingen 1931; Neudruck in: ders., Kommunale Selbstverwaltung zwischen Krise und Reform, Stuttgart 1968) und Forsthoff (Oie Krise der Gemeindeverwaltung im heutigen Staat, Berlin 1932) ist „die Krise kommunaler Selbstverwaltung" zu einem gängigen Topos auch der wissenschaftlichen Diskussion geworden (vgl. hierzu Rebentisch, Dieter, Die Selbstverwaltung in der Weimarer Zeit, in: Püttner, Günter (Hrsg.), HkWP, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin / Heidelberg / New York 1981, §7, S. 86 ff., S. 98 f.; Hendler, Reinhard, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip. Zur politischen Willensbildung und Entscheidung im demokratischen Verfassungsstaat der Industriegesellschaft, Köln / Berlin / Bonn / München 1984, S. 139). Es ist hier nicht der Ort, auf die in den 20-er Jahren und nach 1945 unterschiedlichen Motivations- und Argumentationsstränge einzugehen, die gleichwohl übereinstimmend zu dem Befund einer „Krise kommunaler Selbstverwaltung" führen. Es ist zwar zutreffend, daß aus der parteipolitischen Durchdringung der kommunalen Ebene von der staatstheoretischen wie kommunalwissenschaftlichen Literatur die Gefahr abgeleitet wurde, daß sich die Gemeinden zu „einem pluralistischen Sprengkörper im Gefüge des Staates" entwickelten; „Pluralismus" und „Polykratie" waren aber nur zentrale Kriterien des einen Argumentationsstrangs (vgl. hierzu Hofmann, Wolfgang, Plebiszitäre Demokratie und kommunale Selbstverwaltung in der Weimarer Republik, AfK 4 (1965), 264 ff.). Der zweite Argumentationsstrang bezog sich bereits in den 20-er Jahren auf die Auswirkungen der Reichssteuergesetzgebung auf die gemeindlichen Finanzen im Gefolge der Erzberger'sehen Finanzreform sowie auf die zunehmenden kommunalen Lasten, die sich aus der rechtlichen Ausgestaltung der sogenannten Erwerbslosenfürsorge ergaben (vgl. hierzu Berthold, Willy, Aufstieg oder Niedergang des deutschen Gemeindewesens?, ZStW 76 (1921), 93 ff., 97 ff.; Adenauer, Konrad, Zur Lage, Der Städtetag 1930,473 ff.; Mulert, Oskar, Grundsätzliche Fragen der Kommunalpolitik, Der Städtetag 1929, Sp. 1105 ff.; ders., Die Sorgen der Städte, Der Städtetag 1930, Sp. 268 ff.; ders., Reichsnot — Gemeindenot, Der Städtetag 1930, Sp. 376 ff.; ders., Unsere Forderungen, Der Städtetag 1932, Sp. 112 ff.; ders., Läßt das Reich die Gemeinden im Stich?, Der Städtetag 1932, Sp. 220 ff.; ders., Geordnete Gemeindefinanzen — eine Grundlage des Wirtschaftsaufbaus, Der Städtetag 1932, Sp. 520 ff.; Bonn, M. J., Der Weg der Krise, Der Städtetag 1931, 355 ff.). Die auch von der Rechtswissenschaft beklagten, auf die Auswirkungen des „Parteienstaats" zurückgeführten „Zersetzungserscheinungen" nahm die nationalsozialistische Rechtspraxis zum Anlaß, das sogenannte „Führerprinzip" (vgl. hierzu Höhn, Reinhard, Der Führerbegriff im Staatsrecht, Deutsches Recht 1935, 296 ff.; ders., Die Gemeinde als Gebietskörperschaft, in: Jahrbuch für Kommunal Wissenschaft, 1935, Bd. 2, S. 15; Markuli, Führung und Verwaltung, Reichsverwaltungsblatt 1936, 777) auch auf die kommunale Ebene zu übertragen (vgl. hierzu Jeserich, Kurt, Entwicklungstendenzen der gemeindlichen Selbstverwaltung, ZStW 98, 280 ff.).

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Eine lediglich verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme, verbunden mit dem Aufweis mehr oder minder globaler Problemlösungsstrategien — etwa der „behutsamen Neubestimmung der Selbstverwaltungsgarantie durch auch verfassungsrechtlich abzusichernde verstärkte Mitwirkung (der Gemeinden) bei einem Teil staatlicher Planung" oder der „Änderung der Finanzverfassung mit dem Ziel der Verbesserung der Finanzausstattung"30 — war zwar notwendig, aber längst nicht mehr hinreichend. Indes blieb der 1981 von Schmidt-Eichstaedt gewählte Untersuchungsmodus — Verknüpfung aufgabenorientierter Betrachtung auf empirischer Grundlage mit einer Analyse der finanzverfassungsrechtlichen Relevanz mannigfacher Aufgabenüberwälzung auf die kommunale Ebene — eher die Ausnahme als daß er zur Regel wurde. Dies gilt auch für die neuesten, von Thürer und Meis vorgelegten Arbeiten. Thürers Habilitationsschrift — eine rechtsvergleichende Untersuchung zu den unmittelbaren Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika und der Schweiz — nimmt die Tatsache zweier gegenläufiger Strukturverschiebungen hinsichtlich der Aufgabenbewältigung — Verlagerung von Aufgaben, die ursprünglich allein im örtlichen Bereich wahrgenommen wurden, auf die nationale Ebene einerseits, „Tendenz lokaler Gebietskörperschaften und Verwaltungseinheiten (andererseits), auf nationale Entscheidungen unmittelbar Einfluß zu nehmen, um so der Gefahr einer Instrumentalisierung durch die Zentralbehörden zu entgehen"31 — zum Anlaß, die in den 30-er Jahren in den USA, in den 60-er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufkommende Diskussion über den kooperativen Föderalismus 32 um die Analyse der „Vertikaldimension der bundesstaatlichen Ordnung" 33 zu ergänzen. Im Vordergrund stehen aber auch hier Verfassungsgrundlagen und -schranken des Bundesdurchgriffs auf die Gemeinden34 sowie praktische Handhabung wie verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Schutzes kommunaler Selbstverwaltung gegen Bundeseingriffe 35. Der finanzverfassungsrechtliche Aspekt findet nur insoweit Berücksichtigung, als die beiden Formen unmittelbarer Bundesfinanzierung von Gemeindeaufgaben — Finanzhilfekompetenz nach Art. 104 a Abs. 4 GG, Sonderlastenausgleich nach Art. 106 Abs. 8 GG — untersucht werden. Sieht man von dem bei Thürer bestimmenden rechtsvergleichenden Aspekt ab, so gilt auch die 1989 gefertigte Dissertation von Meis 3 6 dem Zusammenspiel 30 So Blümel, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1977), S. 171 ff., Leits. 14a, b, S. 273. 31 Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 2. 32 Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 7. 33 Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 7. 34 Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, Kap. 2, S. 27 ff. 35 Vgl. FN 2.

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von Aufgabenträgerschaft und Finanzverantwortung, ausgehend von der zentralen Lastenverteilungsregel, dem in Art. 104 a Abs. 1 GG niedergelegten Konnexitätsprinzip. Obgleich als Anliegen der Arbeit formuliert wird, „zum einen Verpflichtungen und zum anderen kompetentielle Grenzen des Bundes gegenüber den Gemeinden aufzuzeigen" 37, und obwohl auch die faktische Stellung der Gemeinden in der Finanzverfassung in den Blick genommen wird, „um das Verhältnis von Selbstverwaltungsgarantie und Finanzverfassung sowie die Verantwortlichkeit des Bundes für die gemeindlichen Finanzen" herauszuarbeiten, fällt doch eine eigentümliche Beschränkung der Problemstellung auf: So konzentriert sich die Untersuchung vornehmlich auf die Fragen der kompetentiellen Schranken des Bundes für Ingerenzen in den organisationsrechtlichen Zuständigkeitsbereich der Länder 38 bzw. nach den „hinnehmbaren Eingriffen" in die Organisationsgewalt der Länder 39 sowie nach der Reichweite der „sekundären Verantwortlichkeit" des Bundes für die Schaffung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Sicherung der finanziellen Selbstbestimmung der Gemeinden.40 Das zentrale Problem hingegen — ob und inwieweit der Bund die unbestreitbar vorhandenen verfassungsrechtlichen Schutzmechanismen einfachgesetzlich unterläuft bzw. konterkariert — wird kaum thematisiert bzw. einer befriedigenden Lösung zugeführt. Eine adäquate Erfassung und Bearbeitung dieses Problems würde freilich neben der unumgänglichen Darstellung und Bewertung des bundes- wie landesverfassungsrechtlichen Fundus eine umfassende rechtstatsächliche Bestandsanalyse voraussetzen, die den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Indes erscheint eine Beschränkung der Themafrage auf den Bereich der Gewährung sozialer Hilfen nach dem BSHG allgemein und im Zusammenhang mit den Empfängergruppen der Asylbewerber und geduldeten Ausländer aus mehreren Gründen vertretbar: — Nicht von ungefähr konzentrierte sich Schmidt-Eichstaedt 1981 auf den Bereich „Soziale Angelegenheiten". Dieser Sektor verzeichnet seit langem die augenfälligsten Steigerungsraten und ist unvermindert bevorzugter Gegenstand kommunaler Beschwerden bis in die jüngste Gegenwart.

36 Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 10. 37 Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 38 ff. 3 8 Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 42. 3 9 Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 90 ff. 40 So etwa Pagenkopf, Gemeindefinanzsystem, 1978, §§ 16 ff., S. 129 ff.; vgl. auch LoscheIder, Grundfragen der Finanzverfassung, AfK 5 (1966), 185 ff.

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— Abgesehen von dieser tages- bzw. rechtspolitischen Relevanz scheint das Problem der rechtlich zulässigen Inanspruchnahme der Gemeinden für Zwekke des Vollzugs von Bundesgesetzen in dem Maße in den Hintergrund zu treten, als global nach Problemen des Gemeindefinanzsystems schlechthin40 oder nach landes- wie bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben der „Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung" 41 gefragt wird. — Damit gerät die Frage völlig aus dem Blickfeld, ob die seitens des Bundesgesetzgebers vorgenommene „Zuschreibung" bestimmter Verwaltungsaufgaben als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 GG — eingedenk des grundlegenden Wandels der Globalaufgabe „Daseinsvorsorge" 42 — mit dem verfassungs- wie einfachgesetzlich normierten Gebot der trennscharfen Abgrenzung der Aufgabenträgerschaft (noch) vereinbar ist (Aufgabenanalyse bzw. -kritik) und ob die so heftig beklagte defizitäre kommunale Haushalts- und Finanzlage — jenseits aller Aufgabenkritik — nicht vielmehr auf den Umstand zurückzuführen ist, daß die kommunalen Gebietskörperschaften infolge einer „tradierten", gleichwohl in Teilen überholten Aufgabensystematik gehalten sind, gemäß der Konnexitätsregel Ausgaben für Aufgaben zu erbringen, die sich bei recht verstandener Kompetenzabschichtung als staatliche Angelegenheiten herausstellen. Daß im übrigen die in den Ländern bestehende Praxis des kommunalen Finanzausgleichs — ungeachtet der Frage einer verfassungsadäquaten Aufgabenkritik — häufig die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine aufgabengerechte kommunale Finanzausstattung nicht beachtet, darf spätestens seit der Arbeit von von Mutius und Henneke über „Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht" 43 als ausgemacht gelten. Der im folgenden unternommene Versuch, verfassungsrechtliche Aufgabenkritik und finanzverfassungsrechtliche Anforderungen unter Beachtung gesicherter Aussagen zu den Essentialia der normativen Garantien kommunaler Selbstverwaltung in Grundgesetz und Landesverfassungen „zusammenzubringen", erscheint angesichts der bereits erwähnten grundsätzlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des BSHG-Vollzugs angebracht. Bereits 1983 hatte Kemmer 44 — be41

Vgl. hierzu Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984; SchmidtJortzig / Makswit, Verfassungsrechtliche Vorgaben, JuS 1980, 641 ff.; zur Problematik des Begriffs der „kommunalen Fremdverwaltung" vgl. Knemeyer, Aufgabenkategorien im kommunalen Bereich, DÖV 1988, 397 ff. 42 Hierzu immer noch grundlegend Gröttrup, Hendrik, Die kommunale LeistungsVerwaltung (Schriftenreihe des Vereins für Kommunal Wissenschaften e. V., Berlin, Bd. 37), Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz, 2. Aufl. 1976; paradigmatisch für die Städte Dortmund und Münster KRABBE, Wolfgang R., Kommunalpolitik und Industrialisierung. Die Entfaltung der städtischen Leistungsverwaltung im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Fallstudien zu Dortmund und Münster (Schriften des Deutschen Instituts für Urbanistik, Bd. 74), Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1985. 4 3 von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985. 44 Kemmer, Die Leistungsnormen des BSHG, 1982.

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schränkt auf den Freistaat Bayern — die Frage untersucht, ob und inwieweit durch den Leistungskatalog des BSHG eine Einschränkung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts erfolgt. Kemmer kam zwar zu dem Schluß, die Sozialhilfegewährung sei als gemeindliche Selbstverwaltungsangelegenheit zu qualifizieren 45 . Die Ausgestaltung der Hilfen nach den §§ 36 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 2. Halbs., Abs. 2 iVm § 37 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 (vorbeugende Gesundheitshilfe), 37 (Krankenhilfe), 37 a iVm 37 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 (Hilfe zur Familienplanung), 38 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 iVm 37 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1, 38 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbs. (Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen), 68 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 2. Halbs., 69 Abs. 2 Satz 2, Satz 3, Abs. 4 Satz 1, 2, Abs. 6 BSHG (Hilfe zur häuslichen Pflege infolge Krankheit) stelle aufgrund Fehlens der staatlichen Betroffenheit einen Verstoß gegen die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Gemeinden dar. Soweit der Gesetzgeber bei den Pflichtigen Hilfearten des dritten Abschnitts des BSHG auf der Rechtsfolgeseite Muß- oder bindende Soll-Leistungen normiert habe, sei auch in diesen Fällen 46 wegen nicht gegebener Proportionalität des Eingriffs ein Verstoß gegen die Eigenverantwortlichkeitsgarantie der Gemeinden und damit Verfassungswidrigkeit zu bejahen. Ausgangspunkt und Ergebnis der Kemmer'sehen Untersuchung stehen freilich in eigenartigem Verhältnis zueinander: Der angesichts der Deklaration des BSHG-Vollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayAGBSHG überraschende Befund, daß der Bundesgesetzgeber bei den Hilfearten nach dem zweiten und dritten Abschnitt des BSHG die Leistung vielfach sowohl dem Grunde nach als auch nach Art und Umfang als Muß-Leistung normiert und insoweit jeweils auf Tatbestands- wie Rechtsfolgeseite die Anwendung von Ermessen durch die örtlichen Träger ausgeschlossen hat, veranlaßt Kemmer zwar zu der Feststellung, der sich daraus ergebende Widerspruch könne nur dahin aufgelöst werden, daß der BSHG-Vollzug entweder entgegen Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayAGBSHG keine Selbstverwaltungsangelegenheit, sondern übertragene Aufgabe darstelle, oder aber die Deklaration in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayAGBSHG zwar zutreffend ist, sich aber aufgrund umfassender Normierung

45 Kemmer, Leistungsnormen des BSHG, S. 3, 72 ff., 283, unter Bezugnahme auf Lerche, Peter, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt. Rechtsgutachten (Studien und Gutachten aus dem Institut für Staatslehre, Staats- und Verwaltungsrecht der Freien Universität Berlin, Heft 3), Berlin 1963, S. 110 ff. 46 Im einzelnen: §§ 36 Art. 1 Satz 2, 2. HS, Art. 2 iVm 37 Art. 4, Art. 3 Satz 1 (vorbeugende Gesundheitshilfe), 37 Art. 2, Art. 3 Satz 1 (Krankenhilfe), 37 a Satz 2 iVm 37 Art. 4, Art. 3 Satz 1 (Hilfe bei Schwangerschaft oder Sterilisation); 37 b Art. 2 Satz 1 iVm 37 Art. 4, Art. 3 Satz 1, 38 Art. 2 Satz 1, 1. HS (Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen); 68 Art. 2, 69 Art. 2 Satz 2, 1. HS iVm 69 Art. 2 Satz 1, Art. 2 Satz 2, Satz 3, Art. 4 Satz 1, Satz 2, Art. 6 (häusliche Pflege, Pflegegeld); 72 Art. 2 iVm §§ 7 Art. 1-3, 8 Art. 1, 9 Satz 1, 2, 10, 11 der Verordnung zu § 72 (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten), 75 Art. 2 (Altenhilfe).

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der Aufgabenwahrnehmung hinsichtlich „Ob" und „Wie" eine verfassungswidrige Einschränkung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts ergebe 47. Nicht thematisiert wird die weitaus interessantere Frage, ob sich bei Qualifizierung des BSHG-Vollzugs als übertragene Aufgabe ein verfassungsrelevanter Verstoß gegen das — direkt oder mittelbar anwendbare 48 — Konnexitätsprinzip unter Beachtung der von Verfassungs wegen gebotenen aufgabenadäquaten Finanzausstattung daraus ergibt, daß die Gemeinden als örtliche Sozialhilfeträger gezwungen sind, (zunächst) eigene Mittel — und dies in steigendem Maße 49 — für die Wahrnehmung von Aufgaben einzusetzen, hinsichtlich deren die Aufgabenlast bei den Ländern bzw. gegebenenfalls beim Bund liegt (Zweckkosten). Diese Situation wird dadurch verschärft, daß die über den jeweiligen Länderfinanzausgleich bewirkte „Rückerstattungsquote" regelmäßig nur bei ca. 20% liegt 50 und den Gemeinden die Aufbringung der persönlichen wie sächlichen Mittel für den Verwaltungsvollzug (Verwaltungskosten) gänzlich verbleibt. Dies zeigt im übrigen die Notwendigkeit, die rechtliche Qualität des BSHGVollzugs nicht nur in aufgabenmäßiger Hinsicht zu untersuchen, sondern gleichzeitig auf die finanzverfassungsrechtlichen Konsequenzen dieser aufgabensystematischen Kritik einzugehen. Im Rahmen dieser Analyse wird der statistischen Entwicklung der Hilfegewährung nach dem BSHG 5 1 besondere Bedeutung zukommen; mit der Feststellung, wegen der individuellen Finanz- und Steuerkraft, aber auch der örtlichen Finanzbedarfsunterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden, sei es unmöglich, aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein in Prozenten faßbares Finanzstrukturschema abzuleiten52, ist es dann in diesem Zusammenhang nicht mehr getan. Wegen der notwendigen Verknüpfung von Aufgabenkritik und finanzverfassungsrechtlicher Betrachtung kann Kemmer auch nicht darin zugestimmt werden, die Frage einer Einschränkung des Selbstverwaltungsrechts durch die vom Gesetzgeber normierten Leistungsbestimmungen des BSHG könne sich für die anderen kommunalen Träger der Sozialhilfe, insbesondere hinsichtlich der Bezirke, nicht in gleicher Weise stellen, da ihnen im Gegensatz zu den Gemeinden nicht ein Bündel hergebrachter Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung garantiert, ihr Aufgabenbereich vielmehr der Disposition durch den Gesetzgeber unterworfen sei 53 . Denn: Ungeachtet der hinsichtlich Gemeinden und Ge47

Kemmer, Leistungsnormen des BSHG, S. 72 f. « Vgl. hierzu Teil A, Kap. 5.1. 4 * Vgl. hierzu Teil A, Kap. 2.II. 50 Vgl. hierzu Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Sozialbericht für das Jahr 1980, S. 122, Nr. 166. 51 Vgl. hierzu Teil A, Kap. 1. 52 So Kemmer, Leistungsnormen des BSHG, S. 180 f., unter Berufung auf Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 18, 128, 201. 53 So Kemmer, Leistungsnormen des BSHG, S. 4. 4

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meindeverbänden unterschiedlich ausgestalteten verfassungsrechtlichen Garantie des Aufgabenbestandes 54 kommt auch den bayerischen Bezirken „als Selbstverwaltungskörperschaften" (Art. 10 Abs. 1 BV) das Recht zu, die eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV); damit können auch sie sich nicht nur auf die kommunale Finanzhoheit als Teilelement der Selbstverwaltungsgarantie, sondern vor allem auf das Mittelerschließungsgebot des Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV berufen, dessen Anwendung — und hier wird wiederum der enge Konnex von Aufgabenwahrnehmung und Finanzierungsverantwortung deutlich — voraussetzt, daß der Vollzug des BSHG durch die Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe keine Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit, sondern übertragene Aufgabe ist. Die in dieser Arbeit entwickelten Gedankengänge, insbesondere zur rechtlichen Qualität des BSHG-Vollzugs und deren Konsequenzen im Rahmen einer kommunal- wie finanzverfassungsrechtlichen Betrachtung widerstreiten den vermeintlich gesicherten Ergebnissen der h. M. im Grundsatze. Diese Tatsache ist vor allem darauf zurückzuführen, daß eine mit dem Topos der Tradition operierende Argumentation nicht selten in der Gefahr steht, neueren rechtstatsächlichen wie normativen Entwicklungen nicht gerecht zu werden. Im übrigen bieten die in der politischen Praxis der jüngsten Zeit erfolgten Vorstöße 55 hinreichende Veranlassung, das (finanz-)verfassungsrechtliche Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden anhand der speziellen Problematik des BSHG-Vollzugs neu zu durchdenken. Es kommt im übrigen nicht von ungefähr, daß politisches wie wissenschaftliches Interesse dann, wenn es konkret gilt, der eingangs erwähnten „Krise kommunaler Selbstverwaltung" näherzutreten, sich auf den BSHG-Vollzug konzentrie54 Vgl. hierzu Hofmann, Abfallbeseitigung und kommunale Selbstverwaltung, BayVBl 1984, 289 ff., 292 ff.; hierzu auch Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 23.11.1988, 2 BvR 1619 und 1628/83, in FN 22. 55 Hier ist insbesondere der auf der sogenannten „Albrecht-Initiative" beruhende Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drs. 11/2685, 11. Wahlperiode des Deutschen Bundestages) zu nennen, der vorsieht, nach § 126 b des BSHG i. d. F. d. Bek. v. 20.1.1987 (BGBl I, S. 401,494) einen Abschnitt 13 einzufügen, nach dessen § 127 n. F. der Bund die Hälfte der Aufwendungen trägt, die den Trägern der Sozialhilfe entstehen. Diese Mitfinanzierung des Bundes wird nicht auf bestimmte Einzelleistungen des BSHG beschränkt, da die Leistungen im Einzelfall in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Die vorgesehene Mitfinanzierungsregelung überträgt dem Bund nach Art. 104 a Art. 3 GG die Hälfte aller Sozialhilfeaufwendungen der überörtlichen und örtlichen Träger der Sozialhilfe; die Einnahmen sind gegengerechnet. Unterschiedliche Ausgabenlast-Regelungen in den einzelnen Ländern zwischen den Trägern bleiben unberührt; ihre Gestaltung bleibt weiterhin Sache der Landesgesetzgeber (vgl. hierzu KStZ 1988, 178, sowie zur Gesamtproblematik Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 14 ff., und BVerfGE 72,330 f., und Junkernheinrich, Neuverteilung der Sozialhilfelasten, Bochum 1990).

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ren: Wer global von der „Krise kommunaler Selbstverwaltung" spricht, meint damit in zunehmendem Maße eigentlich die „Krise der Kommunalfinanzen" und damit hauptsächlich die Funktion der Kommunen als „Sozialstaat in der Reserve" 5 6 . Dieser von Leibfried geprägte Terminus kennzeichnet eine Situation, in der insbesondere die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in zunehmendem Maße ihre transitorische und punktuelle Qualität verloren und sich für einen in stetigem Wachstum begriffenen Personenkreis zu einem System permanenter und flächendeckender Hilfeleistung entwickelt hat 57 . Die immer häufiger gestellte Frage nach den „Perspektiven des Sozialstaats"58 versteht sich demnach vor dem Hintergrund, daß die wesentlichen Grundannahmen des Bundesgesetzgebers im Jahre 1961 — Erwartung der Marginalisierung des Leistungsaufwands; — Vorstellung, daß Massennot als soziales Phänomen der Vergangenheit angehöre; — Absicht, persönliche Hilfen als Mittel der Krisenintervention optimalisieren zu können 59 — angesichts des Hineinwachsens von (Dauer-)Arbeitslosen in die Sozialhilfe, der Zunahme des Anteils junger Jahrgänge an der Zahl der Gesamtempfänger und des Ansteigens der Aufwendungen für Empfänger einer bestimmten Altersgruppe, nämlich bei der Hilfe zur Pflege, trotz sinkenden Anteils älterer Sozialhilfeempfänger samt und sonders obsolet geworden sind. Die hierauf erfolgten Reaktionen des Gesetzgebers insbesondere der 80er Jahre setzten indes nur bei Einzelpunkten an und initiierten im übrigen durchaus gegenläufige Entwicklungen: „Reduktionsgesetzgebung"60 56 Vgl. Leibfried / Hansen / H eisig, Vom Ende einer bedarfsfundierten Armenpolitik?, in: Leibfried/Tennstedt (Hrsg.), Politik der Armut, 1985, S. 125 ff.; Huster, ErnstUlrich, Struktur und Krise kommunaler Sozialfmanzen, in: Leibfried / Tennstedt (Hrsg.), a. a. O., S. 190 ff., 195; Leibfried, Perspektiven der Sozialhilfepolitik, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, 1988, S. 91 ff.; Kühl, Sozialhilfe und Arbeitsmarkt, in: Kitterer (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 77 ff., S. 86. 57 Schulte, Perspektiven der Sozialhilfe, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 73 ff., 75. 58 Vgl. etwa die bei Schulte, Perspektiven der Sozialpolitik, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 73, in FN 1 wiedergegebene Literaturübersicht mit Angaben über die Reformvorschläge der sozialen Vereinigungen Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel. 59 Giese, Die Entwicklung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) seit 1962, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 9 ff., 10 f.; Hauser, Sozioökonomische Aspekte der Sozialhilfe, in: Kitterer (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 23 ff., S. 23. 60 Ausdruck von Giese, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 9 ff., 14.

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— charakterisiert durch Leistungsbegrenzungen und systematische Eingriffe in das BSHG infolge sogenannter „Deckelung" der Regelsätze61, Individualisierung bisher generalisierter Bedarfstatbestände 62, Erweiterung der Darlehensund Kostenbeitragsmöglichkeiten 63 und verschärfter Bedarfsprüfung 64 — steht die Phase der sogenannten ,Aufstockungsgesetzgebung" 65 gegenüber, die ihren Schwen3unkt nicht mehr in den Regelungen des BSHG fand und durch ein Vordringen der sogenannten „Freilassungsformel" in die neuen Sozialleistungsgesetze — Bundeserziehungsgeldgesetz66, Kindeserziehungsleistungsgesetz 67 — gekennzeichnet ist. Durch die in diesen Regelungswerken angeordnete Nichtberücksichtigung der Leistungen nach Bundeserziehungsgeldgesetz und Kindererziehungsleistungsgesetz als Einkommen mit der Folge, daß auf Rechts61 „Deckelung" der Regelsätze bedeutet die Aufgabe der gesetzlichen Koppelung der Regelsätze an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten und deren Veränderung gem. § 22 Art. 3 Satz 1 BSHG, die über die Beachtung der Preisentwicklung in einem Bedarfsmengenschema durch die Güter des laufenden notwendigen Lebensbedarfs, den sogenannten „Warenkorb" erfolgte. Nunmehr werden für den Regelsatz unter dem Preisanstieg liegende Erhöhungsquoten festgesetzt, dieser wird also „gedeckelt"; vgl. Leibfried / Hansen / Heisig, Vom Ende einer bedarfsorientierten Armenpolitik?, in: Leibfried / Tennstedt (Hrsg.), Politik der Armut, S. 125 ff., 131 m. anschl. Diskussion alternativer Modelle der Warenkorb-Standardisierung, S. 132 ff. sowie Huster, in: Leibfried / Tennstedt (Hrsg.), a. a. O., S. 190 ff., 202. Die „Emanzipierung" der Sozialhilfegewährung von der Lohnentwicklung wurde im übrigen auch durch die Einführung des Sachleistungsprinzips herbeigeführt; vgl. Leibfried I Hansen I Heisig, in: Leibfried / Tennstedt (Hrsg.), a. a. O., S. 125 ff., 136; zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der sog. „Regelsatzdekkelung" vgl. Dieback / Stahlmann, Existenzsicherung und Grundgesetz -verfassungsrechtliche Anforderungen an die Festlegung der Regelsätze in der Sozialhilfe, Sozialer Fortschritt 1987, S. 1 ff. Die Rspr. hat die Regelsatzdeckelung im wesentlichen wegen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Leistungsgewährungen ohne Vorleistungen für zulässig erachtet; vgl. OVG Bremen, FEVS 35, 287; Nichtzulassungsbeschwerde beim BVerwG (Beschl. v. 17.3.1986 (5 Β 125.85) und Verfassungsbeschwerde beim BVerfG bleiben erfolglos bzw. wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 3.6.1986, 1 BvR 1124/85); zu den Dimensionen eines grundrechtlichen Bestandsschutzes für Teilhabepositionen am System sozialer Sicherheit in Renten- und Unfallversicherung, Hinterbliebenen- und Krankenversorgung sowie Arbeitslosenversicherung vgl. Schlenker, Rolf-Ulrich, Soziales Rückschrittsverbot und Grundgesetz. Aspekte verfassungsrechtlicher Einwirkung auf die Stabilität sozialer Rechtslagen (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht, Bd. 79), Berlin 1986, S. 103 ff.; zur Änderung im RegelsatzSystem vgl. Fuchs, Ludwig, Neues Bemessungssystem für die Regelsätze in der Sozialhilfe, Der Städtetag 1989, 197 ff. 62 ζ. B. Begrenzung der im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen anzuerkennenden Unterkunftskosten auf den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang mit der Folge, daß der Sozialhilfeträger jeweils den Einzelfall zu prüfen hat. 63 Vgl. §§ 15b und 21 Art. 2 Satz 2 BSHG. 64 § 3 Art. 2 Satz 2 BSHG n. F., nach dem Wünschen nach Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung nur entsprochen werden soll, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil andere Hilfen nicht möglich oder nicht ausreichend sind. 65 Ausdruck von GIESE, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 9 ff., 15. 66 vom 6.12.1985, BGBl I, S. 2154. 67 vom 12.7.1987, BGBl I, S. 1585.

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Vorschriften beruhende Leistungen, auf die ein Anspruch nicht besteht, nicht deshalb versagt werden darf, weil die neue Sozialleistung bezogen wird, kommt eine sozialpolitisch veränderte Qualität der Sozialhilfe zum Ausdruck: „Nicht mehr die Beseitigung der Sozialhilfebedürftigkeit ist sozialpolitisches Ziel, ihre Aufstockung ist es geworden." 68 Global läßt sich der — auch unter aufgabensystematischen wie verfassungsrechtlichen Rücksichten69 relevante — Wandel der Sozialhilfegewährung kennzeichnen als Übergang zur Gewährleistung einer dauerhaften Grundversorgung für weite Bevölkerungskreise am Rande des sogenannten Existenzminimums. Die ζ. T. heftig geführten Diskussionen70 um ein — wie immer geartetes — Konzept sozialer Grundsicherung etwa via einkommensabhängiger Grundrente 71 zeigen, daß Aussagen darüber, für eine grundlegende Strukturreform der Sozialhilfe bestehe kein Anlaß, da sich die tragenden Grundsätze des Sozialhilferechts (Nachrang, Bedarfsdeckungs- und Individualisierungsprinzip) bewährt hätten 72 , den evidenten Systembrüchen im Bereich der Sozialhilfegewährung — nicht bestehende Harmonisierung von Arbeitsförderungs- und Ausländerrecht einerseits, Sozialhilferecht andererseits, Abdeckung von Leistungen sozialversicherungs- bzw. versorgungsrechtlichen Charakters durch die Sozialhilfe (Pflegebedürftigkeit, Hilfe für Behinderte 73) — kaum gerecht werden. Daß eine mittelfristige finanzverfassungsrechtliche Lösung — Entlastung der örtlichen wie der überörtlichen Träger der Sozialhilfe entweder durch Umgestaltung der Finanzausgleichssysteme der Länder 74 oder aber durch Übernahme der

68 Giese, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 9 ff., 16. 69 Vgl. Kapitel 3, II.; im übrigen hat Huster (in: Leibfried / Tennstedt (Hrsg.), S. 190 ff., 193) dasfinanzverfassungsrechtliche Dilemma mit der Formulierung: „Dort, wo die Kosten anfallen, verbleiben sie im Regelfalle auch." auf den Punkt gebracht. 70 Vgl. hierzu die Literaturzusammenstellung bei Schulte, Perspektiven der Sozialhilfe, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 73 ff., 76, FN 9. 71 Vgl. etwa das dem Entwurf der SPD für ein neues Grundsatzprogramm (sog. Irrseer Entwurf), Bonn 1986, S. 29, zugrunde liegende sozialpolitische Konzept: „Im Alter, bei Invalidität oder Arbeitslosigkeit wollen wir eine Grundsicherung, die den Lebensbedarf deckt, ohne daß Sozialhilfe in Anspruch genommen werden muß. Sie soll einkommensabhängig sein; ihre Zusatzkosten sollen aus Steuermitteln finanziert werden. Die Sozialhilfe wollen wir auf ihre eigentliche Aufgabe zurückführen: auf Hilfe im Einzelfall bei besonderen Notlagen."; zur Diskussion der verschiedenen Modelle vgl. Schulte, Perspektiven der Sozialhilfe, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 73 ff., 76 ff. 72 So die Antwort der Bundesregierung (BT-Drs. 10/6623, S. 23) auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD (Drs. 10/5948). 7 3 Vgl. hierzu Schulte, Perspektiven der Sozialhilfe, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, S. 73 ff., 78 f. m. w. N.; Klanberg / Prinz, Die Sozialhilfe als soziales Sicherungssystem: Aufgaben und mögliche Gestaltungsformen, in: Kitterer (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 18; Kühl, Sozialhilfe und Arbeitsmarkt, in: Kitterer (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 77 ff., S. 86 ff. 74 Paradigmatisch hierfür die Vorschläge von Budde / Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 16 ff.

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Finanzierung durch den Bund als eigentlichem „Verursacher" des Aufgabenvollzugs 75 — in der Vergangenheit nicht erfolgte und wohl auch in näherer Zukunft nicht gefunden werden wird, wiegt angesichts der vorliegenden Prognosen über eine Verschärfung der Leistungssituation, vor allem aufgrund einer konjunkturellen, strukturellen wie demographischen Ursachen zuzuschreibenden Massenarbeitslosigkeit als langdauerndem sozialen Phänomen, um so schwerer. In diesem Zusammenhang kann es dann freilich bisweilen erforderlich sein, auf Heimanns 1929 getroffenes Diktum von der „revolutionär-konservativen Doppelseitigkeit" als Merkmal der Sozialpolitik aufmerksam zu machen: „Sie (die Sozialpolitik) verwirklicht Stück um Stück die soziale Idee innerhalb des Kapitalismus und sichert dadurch seinen geordneten Fortgang. Oder umgekehrt: Sie erfüllt innerhalb des kapitalistischen Systems eine produktionspolitische Notwendigkeit, die aber immer in einem Teilabbau des Systems, in einem Einbau fremder Ideen besteht." 76

75 Vgl. insb. die bei Budde / Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, S. 17, FN 29 und 30, wiedergegebene Literatur. 76 Heimann, Eduard, Soziale Theorie des Kapitalismus. Theorie der Sozialpolitik, Tübingen 1929 (Nachdr. Frankfurt 1980), S. 190.

Gang der Untersuchung Entsprechend der Themenstellung — die die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in ihrer Funktion als Träger der Sozialhilfe in den Blick nimmt — wird es in Teil A um die (finanz-)verfassungsrechtliche Beurteilung des BSHG-Vollzugs durch die kreisfreien Gemeinden gehen. Rechtstatsächlicher Ausgangspunkt ist dabei die Leistungsentwicklung nach dem BSHG in der Bundesrepublik Deutschland, im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen, differenziert für den Zeitraum 1963 bis 1986 nach Sozialhilfeempfängern, Sozialhilfeaufwand (Brutto- / Netto-Ausgaben) und den Leistungsarten „Hilfe zum Lebensunterhalt" und „Hilfe in besonderen Lebenslagen", innerhalb der „Hilfe in besonderen Lebenslagen" gegliedert nach den im dritten Abschnitt des BSHG aufgeführten Hilfearten (Teil A, Kap. 1). Die Beschäftigung mit dem vorhandenen, ζ. T. noch aufzubereitenden statistischen Material ist dabei nicht Selbstzweck, sondern verdankt sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das im Zusammenhang mit zur Entscheidung anstehenden Verfassungsbeschwerden wegen der Verletzung des verfassungskräftigen Anspruchs auf finanzielle Mindestausstattung der Beschwerdeführer mangelnde „Spruchreife" angesichts unzureichender statistischer Aufbereitung des Tatsachenstoffes konstatierte (Teil A, Kap. 2, I.). Bedeutung kommt der Entwicklung der Sozialhilfeausgaben und ihrem Anteil am Verwaltungshaushalt jedoch auch deshalb zu, weil bei einer Differenzierung nach freiwilligen und Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben einerseits, übertragenen Aufgaben bzw. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung andererseits die für den einzelnen Aufgabentypus zu veranschlagenden Finanzmassen sowie deren Verhältnis zueinander Rückschlüsse darauf zulassen, inwieweit von selbstverantwortlicher Aufgabenerfüllung im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten angesichts des hierfür zur Verfügung stehenden finanziellen Rahmens („freie Spitze") noch die Rede sein kann (Teil A, Kap. 2, II.). Ausgehend von der herkömmlichen, durch die Gesetzeslage vorgezeichneten Einordnung des BSHG-Vollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der kreisfreien Gemeinden als örtliche Träger der Sozialhilfe wird die rechtliche Klassifizierung im Lichte von Regelungstradition, Dogmatik und Systematik der kommunalrechtlichen Aufgabendifferenzierung in Kap. 3 untersucht werden. Hier interessiert angesichts des „grundlegenden Wandels der Verhältnisse" von der „Lokalarmenpolizei" des 19. Jahrhunderts zum umfassenden Leistungsnetz des BSHG und der bereits von Kemmer herausgearbeiteten Regelungsintensität 3 Hofmann-Hoeppel

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die Sachgerechtigkeit der von Gesetzgeber, Rechtsprechung und Lehre eingenommenen Positionen (Teil A, Kap. 3, II.). Die in Kap. 4 erfolgende Darstellung des Verhältnisses von Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung setzt an bei Funktion und Bedeutung von Art. 28 Abs. 2 GG, 78 Abs. 3 NW-LV und 83 Abs. 3 BV für die Garantie kommunaler Finanzhoheit (Teil A, Kap. 4, 1.2.) als Teilelement der umfassend verstandenen kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Teil A, Kap. 4,1.I.), um den Zusammenhang von rechtlicher Qualifizierung einer Aufgabe und Art und Umfang der Kostenregelung zu verdeutlichen (Teil A, Kap. 4, II.). Damit ist gleichzeitig die Grundlage dafür geschaffen, um zureichende Aussagen über den verfassungsbestimmten Inhalt kommunaler Finanzhoheit unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwendeten unterschiedlichen Termini — „finanzielle Mindestausstattung", „angemessene Finanzausstattung", „aufgabenadäquate Finanzausstattung" (Teil A, Kap. 4, III.3) — und hinsichtlich der Frage treffen zu können, wem — Bund und / oder Land — die gesetzliche Verantwortung für die Mittelaufbringung im Vollzug übertragener Aufgaben bzw. der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung zukommt (Teil A, Kap. 4, IV.). Unter Verwendung der Ergebnisse aus Kap. 3 — Vollzug des BSHG als übertragene Aufgabe bzw. Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung — und Kap. 4 — Mittelerschließungspflicht und Gebot, die Gemeinden finanziell in den Stand zu setzen, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in nennenswertem Umfange eigenverantwortlich wahrnehmen zu können — wird in Kap. 5 die Bedeutung des finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips nach Art. 104 a Abs. 1 GG in seiner — direkten oder mittelbaren (Teil A, Kap. 5,1.) — Anwendung auf das Verhältnis Länder — Gemeinden für die Durchsetzung des verfassungskräftigen Anspruchs auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung herausgearbeitet (Teil A, Kap. 5, II.), ehe die in Bayern und Nordrhein-Westfalen geübte Praxis des Finanzausgleichs auf ihre Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen überprüft wird (Teil A, Kap. 5, III.). Kap. 6 faßt die in Teil A gewonnenen Ergebnisse zusammen. Teil Β widmet sich — insoweit vom Allgemeinen zum Speziellen fortschreitend — den besonderen Problemen, die sich aus der Funktion der bayerischen Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe, insbesondere deren ausschließlicher Zuständigkeit für die Hilfegewährung an Ausländer im Sinne des Ausländergesetzes (AuslG) ergeben (Art. 7 Abs. 1, lit. b, Ziff. 1 BayAGBSHG). Ausgehend von der in Teil A, Kap. 1, dargestellten Leistungsentwicklung nach dem BSHG in der Bundesrepublik Deutschland und im Freistaat Bayern wird sich erweisen, daß sich die Situation bei den Bezirken in die auf Bundes- wie Landesebene feststellbare Gesamtentwicklung einfügt (Teil B, Kap. 7, I.); dies wird exemplarisch an den für den Bezirk Mittelfranken verfügbaren Daten darge-

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stellt werden (Teil B, Kap. 7, II.). Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang nicht nur ein überproportionales Ansteigen der Zahl der Sozialhilfeempfänger, sondern — damit gleichlaufend — ein ebenso hoher Anstieg hinsichtlich des Sozialaufwands (Brutto-Ausgaben). Angesichts der Änderungen der sachlichen Zuständigkeit für die Träger der Sozialhilfe aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des BSHG vom 20.9.1982 ist für das Verhältnis der Leistungsentwicklung bei örtlichen und überörtlichen Trägern die Tatsache von besonderem Gewicht, daß die Ausgaben der überörtlichen Träger für Leistungen außerhalb von Einrichtungen bis 1984 drastisch zurückgingen, um seit 1984 überproportionale Zuwächse zu verzeichnen. Diese Leistungszuwächse bei den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe, die für alle Hilfen an Ausländer, Aussiedler und Zuwanderer auch außerhalb von stationären Einrichtungen zuständig sind, schlagen sich in der Haushaltslage des Bezirks Mittelfranken deutlich nieder. Rund 3/4 der Gesamtaufwendungen im Haushaltsjahr 1987 entfielen auf Leistungen für Asylbewerber, rund 20 % des Gesamtaufwands wurden für sonstige Ausländer aufgewendet, deren Aufenthalt im Geltungsbereich des Ausländergesetzes nach § 17 AuslG a. F. geduldet war (Teil B, Kap. 7, II.). Dieser Tatsache wird vor allem bei der in Teil B, Kap. 11, zu behandelnden Frage besonderes Gewicht zukommen, ob bereits unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Rechtslage von einer angemessenen Finanzausstattung der Selbstverwaltungskörperschaft „Bezirk" noch gesprochen werden kann. Ehe zu klären ist, ob die Einstellung der Hilfegewährung an Asylbewerber, geduldete und sonstige Ausländer in das Hilfesystem des BSHG mit der geltenden Rechtslage übereinstimmt, ist in Teil B, Kap. 8, auf Funktion und Bedeutung des länderübergreifenden Verteilungsverfahrens nach dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in Verbindung mit der Verteilungsvereinbarung vom 2.7.1982 sowie der landesinternen Zuweisung von Asylbewerbern einzugehen (Teil B, Kap. 8, I. bis III.), um sodann die sozialhilferechtliche Stellung asylsuchender Ausländer nach den verschiedenen Fassungen des § 120 BSHG unter Würdigung der Regelungstradition dieser Vorschrift (§ 34 der „Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge" vom 4.12.1924 sowie § 13 der „Verordnung über die Fürsorgepflicht" vom 13.2.1924) darzustellen (Teil B, Kap. 8, IV. 1., 2.). Die leistungsrechtliche Stellung von Asylbewerbern wird ferner in arbeitserlaubnisrechtlicher Hinsicht (§19 Abs. l a bis l c AFG) und hinsichtlich des Bezugs von Kinder- und Erziehungsgeld untersucht (Teil B, Kap. 8, IV. 3., 4.). In Kap. 9 wird es darum gehen, darzulegen, daß Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern genuin staatliche Aufgaben sind. Sowohl nach den §§ 39, 40 AuslG a. F. als auch nach den §§22 und 23 AsylVfG kam und kommt dem 3*

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Bund lediglich ein Bestimmungsrecht, nicht aber eine Errichtungskompetenz für Sammel- bzw. Gemeinschaftsunterkünfte zu (Teil B, Kap. 9, I. 1., 2.). Die Regelungen in §§ 39, 40 AuslG a. F. bzw. §§ 22, 23 AsylVfG sind vor allem im Hinblick darauf zu untersuchen, ob der Bund bezüglich der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit erschöpfenden Gebrauch gemacht hat oder aber Raum ließ für eine Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Im Falle der nur fragmentarischen Ausgestaltung der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit durch den Bund stellt sich unter Beachtung der leistungsrechtlichen Komponente von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG die Frage, ob ein Bedürfnis für die Ausgestaltung des Bereichs „Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern" durch die Bundesländer besteht. Zu prüfen ist weiterhin, ob die staatliche Aufgabe „Asylgewährung" sich lediglich im bloßen Vorhalten eines adäquaten Verwaltungsverfahrens erschöpft, das der Prüfung der Frage dient, ob Asylberechtigung im materiellen Sinne vorliegt, oder darüber hinaus auch alle Maßnahmen umfaßt, die zur Behebung der situationstypischen Bedürftigkeit von Asylbewerbern erforderlich sind (Teil B, Kap. 9, II. 1., 2.). Angesichts der insbesondere im Freistaat Bayern weit verbreiteten sogenannten dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern (vgl. Teil B, Kap. 7, III.) wird schließlich zu fragen sein, ob Versorgung und Unterbringung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft oder als Erfüllung der sicherheitsrechtlich verankerten Pflicht zur Obdachlosenunterbringung zu klassifizieren ist (Teil B, Kap. 9, II. 3.). Nach der seit dem 1.1.1984 geltenden Fassung von § 120 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 1 BSHG stellt sich schließlich die Frage, ob eine unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG fließende Aufgabe der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern auf das Sozialhilferecht schlechthin verlagert wurde und ob — bejahendenfalls — diese „Verlagerung" unter Würdigung des in § 19 Abs. l a bis l e AFG statuierten Arbeitsverbots mit dem in § 2 Abs. 1 BSHG normierten Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe vereinbar ist (Teil B, Kap. 9, II. 4.). Zu prüfen ist weiterhin die „Reichweite" der ausländer- bzw. asylrechtlich radizierten staatlichen Verpflichtung zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern unter besonderer Berücksichtigung der in § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG genannten „Kann"-Leistungen (Teil B, Kap. 9, III.). In ähnlicher Weise wird in Teil B, Kap. 10, die Frage untersucht werden, ob die Sicherstellung der Daseinsvorsorge für zur Ausreise verpflichtete, jedoch geduldete Ausländer im Sinne von § 17 AuslG a. F. Aufgabe der Sozialhilfe ist, wie dies in § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG zum Ausdruck kommt. Nach Darstellung des relevanten Personenkreises im Sinne von § 17 AuslG a. F. — in der Regel der Kreis der de-facto-Flüchtlinge (Teil B, Kap. 10,1.I., 2.) — wird es unter Beachtung einer Differenzierung nach Abwehrrechten von zur Ausreise verpflichteten, jedoch geduldeten Ausländern gegenüber aufenthalts-

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beendenden Maßnahmen und Leistungsrechten (Teil B, Kap. 10, II. 1.) um die Klärung der Frage gehen, ob die Verwaltungspraxis einer Duldung von de-factoFlüchtlingen mit der ausländerrechtlichen Systematik von Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung und Duldung nach § 17 AuslG a. F. zu vereinbaren war (Teil B, Kap. 10, Π.2.). Wegen des auch für Leistungen nach § 120 Abs. 2 Satz 1, Ziff. 1 und 2 BSHG geltenden Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG) ist zu klären, wie der Ausschluß der Arbeitserlaubniserteilung für geduldete Ausländer nach § 5 Abs. 2 AEVO durch die ausländerrechtliche Auflage, einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nicht nachzugehen, zu würdigen ist (Teil B, Kap. 10, III.2., 3.). Unter Beachtung der in Teil B, Kap. 8 bis 10, gefundenen Ergebnisse wird in Kap. 11 die in § 120 Abs. 2 Satz 1, Ziff. 1 bis 3 BSHG, Art. 7 Abs. 1, lit. b, Ziff. 1 BayAGBSHG normierte Leistungsverpflichtung der überörtlichen Träger der Sozialhilfe für Asylbewerber und geduldete, aber zur Ausreise verpflichtete Ausländer im Lichte der auch den Bezirken als Gemeindeverbänden gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gewürdigt (Teil B, Kap. 11,1.2. a). Dabei kommt der Tatsache besondere Bedeutung zu, daß der Sozialhilfevollzug gemäß der in der Bezirksordnung durchgeführten Differenzierung nach eigenem und übertragenem Wirkungskreis (Art. 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 BezO) nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BayAGBSHG dem eigenen Wirkungskreis zuzurechnen ist (Teil B, Kap. 11, I.I.). Da den Bezirken als Selbstverwaltungskörperschaften (Art. 10 Abs. 1 BV, 28 Abs. 2 GG) ungeachtet der Tatsache, daß der Aufgabenbestand der Bezirke ausschließlich durch die Gesetzgebung bestimmt wird (Art. 10 Abs. 2 BV), Finanzhoheit als Teilelement kommunaler Selbstverwaltung zukommt (Teil B, Kap. 11, I. 2. a, b), sind Funktion und Bedeutung von Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 10 Abs. 1 BV, 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV und Art. 6 Abs. 4 BezO für die Garantie der kommunalen Finanzhoheit der Bezirke unter Rückgriff auf die Darlegungen in Teil A, Kap. 4, I., zu klären (Teil B, Kap. 11, I. 2. c). Dabei ist wiederum besonderer Bedacht auf den verfassungsbestimmten Inhalt der kommunalen Finanzhoheit unter Berücksichtigung des finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips (Art. 104 a Abs. 1 GG) zu nehmen (Teil B, Kap. 11, I. 2. d). Aus der Bestimmung des Sozialhilfevollzugs als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Bezirke (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BayAGBSHG) ergeben sich unter (finanz-)verfassungsrechtlichen Rücksichten somit folgende Fragestellungen: — Stimmt die Deklarierung des Sozialhilfevollzugs als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises mit der Legaldefinition in Art. 5 Abs. 1 iVm Art. 1 BezO überein, wonach Aufgaben des eigenen Wirkungskreises die Angelegenheiten der durch das Gebiet des Bezirks begrenzten überörtlichen Gemeinschaft

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Gang der Untersuchung

umfassen, überörtliche Angelegenheiten nach Art. 1 BezO aber nur jene sind, deren Bedeutung über das Gebiet des Bezirks nicht hinausreicht? — Verneinendenfalls ist zu fragen, ob eine Aufgabenwahrnehmung im übertragenen Wirkungskreis der Bezirke gem. Art. 6 Abs. 1 BezO in Betracht kommt und ob dem Mittelerschließungsgebot aus Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV iVm Art. 6 Abs. 4 BezO Genüge getan ist. — Die gegenwärtige Rechtslage ist schließlich daraufhin zu überprüfen, ob die mit einer überproportionalen Aufgabenbelastung einhergehende überproportionale Ausgabenbelastung im Vollzug der Aufgaben nach Art. 7 Abs. 1, lit. b, Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG dem sich aus Art. 10 Abs. 1 BV, Art. 28 Abs. 2 GG ergebenden Gebot, die finanzielle Lebensfähigkeit der Bezirke als Gemeindeverbände zu erhalten, gerecht wird. Die oben genannten Fragestellungen werden für die Personenkreise der Asylbewerber (Teil B, Kap. 11, II.) sowie der geduldeten, aber zur Ausreise verpflichteten Ausländer (Teil B, Kap. 11, III.) jeweils getrennt untersucht und beantwortet. Die gegenwärtige Rechtslage wird abschließend unter Beachtung des verfassungsbestimmten Inhalts der kommunalen Finanzhoheit — Anspruch auf „angemessene Finanzausstattung" (vgl. Teil B, Kap. 11,1.2. d) — daraufhin überprüft, ob die Notwendigkeit einer immer weiteren Anspannung der Bezirksumlage (Art. 54 Abs. 2, Ziff. 2 BezO iVm § 21 FAG) sowie die aufgrund der absoluten Dominanz der Ausgaben für den BSHG-Vollzug feststellbare Unmöglichkeit, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in nennenswertem Umfange wahrzunehmen, mit Verfassungsrecht vereinbar ist (Teil B, Kap. 11, IV.). In Kap. 12 werden schließlich die in Teil Β erarbeiteten Ergebnisse vorgestellt.

Teil A

Die (finanz-)verfassungsrechtliche Beurteilung des BSHG-Vollzugs durch kreisfreie Gemeinden als örtliche Träger der Sozialhilfe Kapitel 1

Die Leistungsentwicklung nach dem BSHG in der Bundesrepublik Deutschland, im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen Ausgangspunkt der nachstehenden Überlegungen sind die rechtstatsächlichen Entwicklungen in den Bereichen: — Überproportionale Entwicklung der Leistungsgewährung nach Empfängern (Köpfen), bei den Hilfearten „Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt" (HLU) und „Hilfe in besonderen Lebenslagen" (HbL), hinsichtlich des Bruttoaufwands sowie des Aufwands in D M je Einwohner; — Ansteigen der Zahl der Leistungsempfänger insgesamt, des Anteils von Ausländern, (Langzeit-)Arbeitslosen und Personen mit unzureichenden Versicherungs- bzw. Versorgungsansprüchen an der Gesamtzahl der Leistungsempfänger; — Entwicklung des Anteils der Leistungsarten HLU und HbL am Gesamtumfang der Leistungsgewährung nach dem BSHG. Angesichts der häufig beklagten, auf vielfältige Gründe zurückgeführten kommunalen Finanznot1 — u. a. — fehlende aufgabengerechte Finanzausstattung2 1 Vgl. von Mutius, Handlungs- und Entfaltungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung, Gutachten E zum 53. Deutschen Juristentag, 1980, S. 115 f.; Blümel, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1978), S. 171 ff., 201. 2 Vgl. hierzu Schmidt-Jortzig, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, DVB1 1977, 801 ff., 802 f.; zur Entwicklung der Kommunalfinanzen insg. vgl. die instruktiven „Monatsberichte der Deutschen Bundesbank", insbes. 33. Jahrg. 1981 (Juli), S. 22 ff.; 35. Jahrg. 1983 (November), S.26ff.; 38. Jahrg. 1986 (November), S. 30 ff.; 40. Jahrg. 1988 (April), S. 13 ff.; 41. Jahrg. 1989 (November),

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1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

— steigende Verschuldungsrate und damit einhergehende sinkende Investitionsquote3 — permanent wachsende Personal- und Verwaltungsausgaben infolge leistungsintensiver Gesetze des Bundes wie der Länder 4 — unzureichender kommunaler Finanzausgleich5 — Einbeziehung der Gemeinden und Gemeindeverbände in die staatliche Steuerund Konjunkturpolitik 6 gewinnen die Fragestellungen nach der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des BSHG über kreisfreie Städte (und Landkreise) als örtliche Träger der Sozialhilfe sowie nach der Vereinbarkeit der Mittelaufbringungsregelungen mit den Garantienormen in Grundgesetz (Art. 28 Abs. 2 Satz 2, 104 a Abs. 1, 106 Abs. 1) und Landesverfassungen (Art. 11 Abs. 2 Satz 2, 83 Abs. 3 BV; Art. 78 Abs. 3 NWLV) sowie nach verfassungsrechtlichen bzw. einfachgesetzlichen Rechtsansprüchen kreisfreier Städte gegen Bund und / oder Land auf aufgabengerechte (Mindest-)Finanzausstattung vor dem Hintergrund der beobachtbaren antizyklischen Eigenschaft der Sozialhilfe, d. h. der Abhängigkeit der Entwicklung der Sozialhilfekosten von der gesamtwirtschaftlichen Lage, besondere Relevanz. Die ,Aufstockungsfunktion" des Sozialhilfebezugs zeigt sich aber nicht nur hinsichtlich der Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG), insbesondere in Zeiten hoher Dauerarbeitslosigkeit, sondern auch bei Beziehern von Leistungen aus der gesetzlichen Renten-, Unfall- und Handwerkerversicherung sowie der Altershilfe für Landwirte. S. 39 ff.; 42. Jahrg. 1990 (September), S. 22 ff.; sowie Recker, Kreis- und Gemeindefinanzen 1990, Der Landkreis 1990, S. 72 ff. Zur Relevanz der Sozialhilfeaufwendungen für die Gestaltung der Kreishaushalte in Niedersachsen vgl. NLT 1990, S. 13 ff., in Rheinland-Pfalz LKT RhPf., Sammelrundschreiben Nr. 11 v. 28.2.1990, Nr. 1, sowie Geschäftsbericht 1989 (44. Hauptversammlung 1989), Ziff. 6.2 (S. 60), 6.5 (S. 62), 6.9 (S. 65), 9.13 (S. 170 f.). 3 Heinrichs, Friedrich-Wilhelm, Zur Investitionspolitik der Gemeinden, StGB 1976, 212 ff.; Koschik, Der Gemeindehaushalt 1983, 125 ff. sowie Zielinksi, Diskrepanz zwischen Aufgabenentwicklung und Finanzierung, 1975, S. 27 ff. 4 Andreae, Clemens August / Wilflingseder, Cornelia, Die Entwicklung der öffentlichen Personalausgaben in Deutschland, in: Bohley, Peter / Teukemitt, Georg (Hrsg.), Wirtschaftswissenschaft als Grundlage staatlichen Handelns. Heinz Haller zum 65. Geburtstag, Tübingen 1979, S. 481 ff.; Bor eil, Rolf, Die Personalausgaben der Gebietskörperschaften (Schriftenreihe des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler, Heft 24), Wiesbaden 1974; Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 43 ff.; Zielinski, Diskrepanz zwischen Aufgabenentwicklung und Finanzierung, 1975, S. 58 m. Tab. 3/9 bis 3/15. 5 Vgl. hierzu insb. von Mutius, Albert, Handlungs- und Entfaltungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung, Gutachten E zum 53. Deutschen Juristentag, 1980, S. 116 m. w. N. 6 Vgl. hierzu Gröttrup, Hendrik, Die kommunale Leistungsverwaltung, 2. Aufl., Stuttgart 1976, S. 206 ff., 211 f.; Petri, Die staatlichen Zweckzuweisungen im kommunalen Finanzsystem, Berlin 1977, S. 50 ff. und 122 ff.; Gr awert, Rolf, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1978), S. 277 ff., 307 ff.

I. Sozialhilfegewährung BRD 1963 - 1986

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I. Die Entwicklung der Gewährung von Sozialhilfe in der Bundesrepublik Deutschland 1963-1986 1. Hilfeempfänger nach Gesamtzahlen, Leistungsarten und Geschlecht Betrachtet man die Entwicklung der Zahlen 7 der Leistungsempfänger (vgl. Tabelle 1), so ergeben sich signifikante Steigerungsraten ab 1971; die nach dem bemerkenswerten Rückgang der Leistungsempfänger 1963/64 (minus 22,3%) für 1965/66 und 1966/67 beobachtbaren Zuwächse erfolgten von einem denkbar niedrigen Ausgangsniveau aus (1.404.000) und sollen im folgenden vernachlässigt werden. Erster Höhepunkt des für die erste Hälfte der 70er Jahre feststellbaren Leistungsschubs war die 1973/74 eingetretene Steigerung von 10,7%, die mit kontinuierlich sinkenden Zuwachsraten bis 1977 andauerte, und der Minuszuwächse für die Jahre 1978 und 1979 folgten. Ab 1982 sind wiederum zum Teil zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen, die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt fortdauern. Eines Skalierung nach 7- bzw. 5-Jahres-Schritten ergibt folgendes: 1963-1970 1970-1975 1975-1980 1980-1985

19,4% + 27,3% + 4,4% + 23,8%

Für die Zeitabschnitte 1970-1975 und 1980-1985 lassen sich somit eindeutige Zuwächse konstatieren, denen — wie sogleich zu zeigen sein wird — „Kostenschübe" hinsichtlich der Entwicklung der Bruttoausgaben korrelieren. Noch aussagekräftiger ist ein Vergleich des Tiefststandes der Leistungsempfänger im Jahre 1965 (1.404.000) mit dem statistisch verfügbaren Höchststand des Jahres 1986 (3.020.000): Die hier feststellbare Zuwachsrate von 115,1% findet ihre Entsprechung auch in der Steigerung der sogenannten Sozialhilfedichte, das ist die Zahl der Leistungsempfänger pro tausend Einwohner. Für den Zeitraum 7 Rechtsgrundlage der zur Verfügg. stehenden Statistiken sind das „Gesetz über die Durchführung von Statistiken auf dem Gebiet der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe" v. 15.1.1963 (BGBl I, S. 49) sowie das „Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke" (Bundesstatistikgesetz) vom 22.1.1987 (BGBl I, S. 462 ff.). In der seitens des statistischen Bundesamtes gem. § 3 Abs. 1 Ziff. 2 a BStatistikG zu erhebenden und aufzubereitenden Jahresstatistik der Sozialhilfe werden gem. § 2 des Gesetzes über die Durchführung von Statistiken auf dem Gebiet der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe erfragt die Zahl der Empfänger der Hilfe und die Aufwendungen im Berichtsjahr, aufgegliedert nach Empfängergruppen und Hilfearten (Hilfe außerhalb von Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen) sowie die Zahl der Empfänger der Hilfe, die Zahl der Verpflegungstage und die Aufwendungen im Berichtsjahr, aufgegliedert nach Empfängergruppen, Hilfearten und Anstaltsarten (bei der Hilfe in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen) sowie bezüglich der gesamten Sozialhilfe die Einnahmen im Berichtsjahr.

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1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

1965 -1986 ergibt sich hier ein Zuwachs von 104,2 %, wobei die Steigerungsraten für männliche und weibliche Hilfeempfänger unterschiedlich hoch sind (Männer: + 136,8%, Frauen: + 89,3%), freilich auch von unterschiedlich hohem Niveau ausgehen. Die geringere relative Zunahme der weiblichen Hilfeempfänger darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Anteil weiblicher Hilfeempfänger seit Beginn des Leistungsbezugs nach dem BSHG durchgehend höher lag als der männlicher Hilfeempfänger:

1963 1970 1975 1980 1985

Männer

Frauen

Verhältnis Männer/Frauen

710.000 557.000 781.000 864.000 1.228.000

1.139.000 934.000 1.268.000 1.280.000 1.586.000

62,3% 60,0% 61,6% 67,5% 77,3%

Der um ca. ein Drittel höhere Anteil von Frauen an den Gesamthilfeempfängern ist einmal auf die gesellschaftliche Entwicklung des Anteils alleinstehender Frauen ohne durchsetzbare Unterhaltsansprüche gegenüber Dritten, zum anderen darauf zurückzuführen, daß der Anteil der pflegebedürftigen Hilfeempfänger insgesamt, insbesondere aber bei Frauen infolge der höheren Lebenserwartung überproportional im Steigen begriffen ist 8 . Der mit den Phänomenen Haushaltskonsolidierung, Entstehung und Stabilisierung der Dauerarbeitslosigkeit verbundene, Ende der 70-er Jahre einsetzende Leistungsschub ist namentlich durch eine tiefgreifende Veränderung der Altersstruktur der Hilfeempfänger gekennzeichnet. Vergleicht man diese Entwicklung anhand der für die Bezugsjahre 1970 und 1986 vorhandenen Daten, so ergeben sich bei einem nahezu konstanten Anteil der Hilfeempfänger unter 18 Jahre (29,5% 1970; 27,5% 1986; vgl. Tabelle 2) in der Altersgruppe der 18-25Jährigen wie der 25 - 50-Jährigen deutliche Veränderungen: Der Anteil der 1825-Jährigen nimmt von 3,7% auf 12,9% und damit um 348,6%, der Anteil der 25-50-Jährigen von 17,4% auf 32% und damit um 183,9% zu. In beiden Fällen handelt es sich um arbeitsmarktbedingte Erscheinungen. Die Zahl der Berufsanfänger nimmt absolut und relativ — bezogen auf die Gesamtzahl der Erwerbspersonen — ab, die Zahl der aus dem Arbeitsprozeß ausscheidenden und für längere Zeiträume nicht mehr vermittelbaren Erwerbspersonen verzeichnet hohe Zuwachsraten.

8

Zu dieser „Feminisierung" der Armut vgl. Hauser, Sozioökonomische Aspekte der Sozialhilfe, in: Kitterer (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 23 ff., 32 f. sowie Kühl, Sozialhilfe und Arbeitsmarkt, in: Kitterer (Hrsg.), a. a. O., S. 77 ff., 79 und 85; Heinelt (Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug als Indikatoren für Armut, in: Armut im Reichtum, 1989, S. 47 ff.; 50) konstatiert im Vergleich 1975-1986 eine gegenläufige Tendenz.

I. Sozialhilfegewährung BRD 1963 - 1986

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Der prozentuale Anteil der Altersgruppen „50-65" und „65 und älter" erreicht zwar 1986 nurmehr 10,1 % bzw. 17,6% gegenüber 17,0% bzw. 32,4% im Jahre 1970, geht also um 83,2% bzw. 81,6% zurück; bezogen auf die Sozialhilfedichte bleiben aber die Anteile beider Altersgruppen nahezu konstant. Für die Hilfeempfänger mit einem höheren Lebensalter als 65 Jahre ist dies vor allem darauf zurückzuführen, daß die Zahl der hilfebedürftigen Männer je tausend Einwohner im Vergleichszeitraum von 39 auf 34 gesunken, der Anteil der hilfsbedürftigen Frauen aber nahezu gleichgeblieben ist (74 für 1970; 70 für 1986). Hier kommt der soeben erwähnte Faktor „Pflegefallbedürftigkeit", verbunden mit der höheren Lebenserwartung von Frauen, voll zum Tragen. Von ähnlicher Brisanz für die Entwicklung der Gesamtzahl der Leistungsempfänger ist der Anteil der hilfebedürftigen Ausländer: 19.900 bzw. 1,3 % im Jahre 1970, 397.000 bzw. 13,1 % im Jahre 1986; dies entspricht einer Steigerung von 1007%. 7 je tausend Einwohner waren 1970, 85 je tausend Einwohner 1986 als Hilfeempfänger Ausländer. Eine Betrachtung der Entwicklung der Hilfeempfänger nach Jahren, Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit ist schließlich zu ergänzen um einen Blick auf die höchst eigenwilligen Gesetzen gehorchende Entwicklung der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt einerseits, von Hilfe in besonderen Lebenslagen andererseits. Bis zum Jahre 1975 war die Zahl von Empfängern von Hilfe in besonderen Lebenslagen stets höher als die Zahl der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt, wenngleich sich die „Schere" zwischen den Beziehern der beiden Hilfearten zunehmend Schloß. Erstmals 1976 übersteig die Zahl der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt jene der Zahl der Empfänger von Hilfe in besonderen Lebenslagen (1.276.000 zu 1.123.000). Der Anstieg der durch Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt Unterstützten — seit 1971 in stetigem Wachstum begriffen — verläuft — sieht man von den „Einbrüchen" 1979 und 1981 ab — bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt kontinuierlich (vgl. Schaubild 1), während der Bezug von Hilfe in besonderen Lebenslagen tendenziell durch Minuszuwächse gekennzeichnet ist und erst für die Jahre 1985 und 1986 wieder deutlich zunimmt. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß insbesondere der für die Zeit ab 1982 beobachtbare deutliche Anstieg der Sozialhilfeempfänger insgesamt vor allem auf die erheblichen Zuwachsraten der Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt zurückzuführen ist — eine Beobachtung, die auch für die Entwicklung der Bruttoausgaben getroffen werden kann. 2. Die Entwicklung der Bruttoausgaben insgesamt und nach Leistungsarten Eine Einbeziehung der Entwicklung der Bruttoausgaben erweist sich nicht nur deshalb als erforderlich, weil nur auf der Grundlage dieses Zahlenwerks Aussagen über die finanz- und kommunalverfassungsrechtliche Relevanz des BSHG-Voll-

4 4 1 .

Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

zugs — Anteil am Verwaltungshaushalt, Zusammenhang zwischen Ausgaben für Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben einerseits und freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben andererseits, zwischen Ausgaben und Deckungsquoten durch den kommunalen Finanzausgleich, zwischen Ausgabensteigerung und kommunalen Investitionsquoten — getroffen werden können, sondern weil eine Korrelation zwischen der Entwicklung der Zahl der Leistungsempfänger und der Bruttoausgaben nur bedingt festzustellen ist. So stehen etwa einem Rückgang der Leistungsempfänger in den Jahren 1964 und 1965 (minus 22,3% bzw. minus 1,0%) ein effektiver Anstieg auf der Ausgabenseite von 4,4 % bzw. 8,4 % gegenüber. Ähnliches gilt für die Jahre 1968 und 1969, 1978 und 1979. Ein Rückgang der Empfängerzahlen bei gleichzeitigem unveränderten Anstieg des Bruttoaufwands erklärt sich weniger aus der Anhebung der Regelsätze (§22 Abs. 1 BSHG iVm 1. DVO BSHG-RegelsatzVO9 als vielmehr aus der Tatsache, daß der Leistungsbezug pro Empfänger kontinuierlich zugenommen hat. Dies wird deutlich an einem Vergleich der Zuwachsraten bei Leistungsempfängern einerseits, hinsichtlich des Bruttoaufwands andererseits: Bei einer Steigerung der Zahlen von Leistungsempfängern in den Jahren 1970-1973 (0,8% 1970; 3,8% 1971; 6,3% 1972; 5,2% 1973) ergeben sich zweistellige Zuwachsraten des Bruttoaufwands (16,6% 1970; 20,4% 1971; 19,9% 1972; 17,4% 1973). Diese Mehraufwendungen sind insoweit „fallzahlenneutral", als sie auf gesetzliche Leistungsverbesserungen zurückzuführen sind 10 . Andererseits stehen überproportionalen Steigerungsraten der Empfängerzahlen auch überproportionale Ausgabenzuwächse gegenüber: So etwa für 1974 (10,7 %; 26,2%), 1982 (11,3%; 10,5%), 1985 (9,5%; 11,0%) und 1986 (7,3%; 11,3%). Wie aber ein Blick auf die Verhältnisse der Jahre 1978 und 1981 zeigt, kann daraus keine empirisch abzusichernde „Gesetzmäßigkeit" abgeleitet werden: In beiden Jahren ergaben sich Ausgabenzuwächse von 8,6% bzw. 11,4% bei einer Abnahme der Gesamtzahl der Leistungsempfänger von 2,1 % bzw. 2,8%.

9 Vom 20.7.1962, BGBl I, S. 515, i. d. F. d. Verordnung v. 10.5.1971, BGBl I, S. 451, abgedr. bei Schellhorn / Jirasek / Seipp, Bundessozialhilfegesetz, 13. Aufl., Neuwied 1988, S. 651 ff.; zur Orientierung des Bemessungssystems am Verbraucherverhalten in Vollzug des Beschlusses der Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder v. 19.3.1987 vgl. Fuchs, Ludwig, Neues Bemessungssystem für die Regelsätze in der Sozialhilfe, Der Städtetag 1987, 197. 10 Hier sind an Leistungsverbesserungen insbesondere zu nennen: Übernahme von Krankenkassenbeiträgen und Mietschulden, mehrfache Erhöhung der verschiedenen Mehrbedarfszuschläge und Einkommensgrenzen, Einbeziehung aller Körperbehinderten, der seelisch Behinderten und der von Behinderung Bedrohten in den Empfängerkreis, Ausdehnung des Vermögensschutzes und mehrfache Einschränkungen der Heranziehung von Unterhaltspflichtigen, Einführung der Hilfe für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, Nichtanrechnung der Grundrente in der Kriegsopferfürsorge, Dynamisierung verschiedener Geldleistungen; vgl. hierzu insb. Happe, Anstieg der Sozialhilfe?, 1984, S. 5.

I. Sozialhilfegewährung BRD 1963 - 1986

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Ungeachtet dieser Differenzierungen ist für die Entwicklung des Bruttoaufwands seit 1964 eine kontinuierliche Steigerung mit ζ. T. zweistelligen Zuwachsraten insbesondere für den Zeitraum 1970-1976 festzustellen. Besonders signifikant ist dabei der Zuwachs der Aufwendungen in D M je Einwohner: Bis einschließlich 1972 blieben sie unter 100 DM, um 1980 die 200 DM-Grenze zu übersteigen; 1984 sind es bereits 307 D M je Einwohner; gegenwärtig betragen die Ausgaben 380 D M je Einwohner und werden für 1987 voraussichtlich 400 D M erreichen bzw. übersteigen. Skaliert man in 7- bzw. 5-Jahres-Schritten, so ergeben sich seit 1963 folgende Steigerungsraten: 1963-1970: 1970-1975: 1975-1980: 1980-1985:

58,2% 140,4% 63,3% 62,9%

Eine Betrachtung der Zuwächse der Bruttoausgaben für Sozialhilfe insgesamt sowie für die beiden Hilfearten „Hilfe zum Lebensunterhalt" und „Hilfe in besonderen Lebenslagen" nach 5-Jahres-Schritten, beginnend mit dem Jahre 1970, Sozialhilfeausgaben insgesamt: 1970-1975: 152,0% (5.069.957) 1975-1980: 57,8% (4.860.864) 1980-1986: 74,9% (9.930.872) Bruttoausgaben HLU: 1970-1975: 1975-1980: 1980-1986:

156,2% (1.844.118) 43,4% (1.313.915) 116,5% (5.056.785)

Bruttoausgaben HbL: 1970-1975: 149,7% (3.325.839) 1975 -1980: 65,9 % (3.546.949) 1980-1986: 54,6% (4.874.093) ergibt überpropoitionale Zuwächse bei den Sozialhilfeausgaben insgesamt wie bei den Ausgaben für die Hilfearten „Hilfe zum Lebensunterhalt" und „Hilfe in besonderen Lebenslagen". Der durchschnittliche jährliche Zuwachs — der für die Periode 1970-1975 bei rd. 30% liegt — geht für den Zeitraum 1975-1980 zwar auf rd. 12% pro Jahr zurück, wobei der Zuwachs der Ausgaben für H L U deutlich hinter dem Zuwachs der Ausgaben für HbL zurückbleibt. Gegenüber dem Zeitraum 1975-1980 ist für die Dekade 1980-1986 ein weiteres deutliches Anwachsen mit der Besonderheit zu konstatieren, daß der Zuwachs der Ausgaben für die Hilfeart HLU mehr als doppelt so hoch ist wie der Zuwachs für die Hilfeart HbL (vgl. Tabelle 3).

46

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

Nimmt man anhand des in Tabelle 4 aufbereiteten Datenmaterials einen Vergleich der Entwicklung der Zahl der Leistungsempfänger sowie des Bruttoaufwands für H L U und HbL einerseits, für die Leistungsformen „Krankenhilfe", „Eingliederungshilfe für Behinderte", „Hilfe zur Pflege" und „Sonstige Hilfe in besonderen Lebenslagen" im Rahmen der HbL vor, so ergibt sich folgendes:

HLU: HbL: Krankenhilfe: Eingliederungshilfe Hilfe zur Pflege: Sonstige Hilfe

Leistungsempfänger

Bruttoaufwand

+ 55,7% - 1,9% - 9,0% + 17,3% + 0,9% -17,5%

+ 85,0% + 43,6% + 32,3% + 55,6% +42,8% + 4,1%

Für den 5-Jahres-Zeitraum 1980-1985 steht also für den Bereich der H L U einer überproportionalen Steigerung der Empfängerzahlen eine überproportionale Steigerung des Bruttoaufwands gegenüber. Ein völlig anderes Bild ergibt sich für die Leistungsart „Hilfe in besonderen Lebenslagen": Hier ist das tendenzielle Fallen der Zahl der Leistungsempfänger vor allem zurückzuführen auf das Absinken der Empfänger von Krankenhilfe (minus 9,0%) und der Hilfe in sonstigen Lebenslagen (minus 17,5%); dem Rückgang der Empfängerzahlen für den Bereich „Hilfe in besonderen Lebenslagen" insgesamt und für die Unterarten „Krankenhilfe" und „Hilfe in sonstigen Lebenslagen" korrespondiert aber keineswegs ein entsprechender Rückgang der Bruttoaufwendungen. Diese nehmen hinsichtlich aller Leistungsformen der „Hilfe in besonderen Lebenslagen" mit Ausnahme der „Hilfe in sonstigen Lebenslagen" ebenfalls überproportional zu, am stärksten ausgeprägt bei der Leistungsart „Eingliederungshilfe für Behinderte" (+ 55,6%), gefolgt von den Aufwendungen für die „Hilfe zur Pflege" (+ 42,8%). Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß die seit den 80-er Jahren in den Haushaltsstruktur- und Begleitgesetzen des Bundes vollzogenen Leistungskürzungen in Anspruchsnormen außerhalb des BSHG — Kürzung oder verminderte Steigerung von Leistungen bei der Arbeitslosenunterstützung, der Ausbildungsförderung, dem Wohngeld, dem Kindergeld, den Renten — sich als Ausgabensteigerungen in den Haushalten der Sozialhilfeträger niederschlugen. Dieser — vorhersehbaren — Tendenz wurde durch die sogenannte Deckelung der Regelsätze, d. h. die Orientierung der jährlichen Erhöhung der Regelsätze nicht wie üblich am Preisanstieg, sondern ihre Festschreibung durch Bundesgesetz auf 3 % 1 1 — nur unzureichend Rechnung getragen. Die in den Haushaltsbegleitgesetzen 1983 und 1984 vorgesehenen Überwälzungen von Bundeslasten auf die Sozialhilfe — Verschiebung von Renten- und Wohngeldanpassungen, Einführung eines Krankenversicherungsbeitrags der Rentner sowie der Eigenbeteiligung bei Krankenhausaufent11

Happe, Anstieg der Sozialhilfe?, S. 6; vgl. Einleitung, FN 61.

I. Sozialhilfegewährung BRD 1963 - 1986

47

halten und Kuren, Wegfall der Ausbildungsförderung für Schüler — waren so gravierend, daß die durch die Deckelung der Regelsätze bewirkte effektive Kürzung des Leistungsbezugs nach dem BSHG — global gesehen — nicht griff. Als nach wie vor „regelungsresistent" erweisen sich vor allem die Auswirkungen der arbeitsmarktpolitischen Lage sowie der in den Bereichen „Arbeitslosenversicherung" und „Rentenversicherung" eingetretenen Leistungsänderungen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist zunächst die Verschiebung der Relation zwischen den Beziehern von Arbeitslosengeld und der von einer Bedürfnisprüfung abhängigen Arbeitslosenhilfe: Im Jahre 1974 standen 77 % Arbeitslosengeldbeziehern nur 10% Arbeitslosenhilfebezieher gegenüber; 1983 hatte sich das Verhältnis zu 47% Beziehern von Arbeitslosengeld und bereits 23 % Beziehern von Arbeitslosenhilfe verschoben. Da der Arbeitslosenhilfe die sogenannte Familienkomponente fremd ist und im übrigen eine Anpassung an die Preisentwicklung der letzten Jahre unterblieben ist, liegen die Leistungen der Arbeitslosenhilfe relativ häufig unter jenen der Sozialhilfe. Arbeitslosenhilfeempfänger haben daher in steigendem Maße Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Berücksichtigt man, daß in den zurückliegenden Jahren im langjährigen Mittel Arbeitslosigkeit bei etwa 10% der Sozialhilfeempfänger der Grund für die Hilfebedürftigkeit war, so ergibt sich aus Schaubild 2, daß die Arbeitslosigkeit inzwischen (1986) zu rd. einem Drittel Hauptursache des Sozialhilfebezugs geworden ist (31,2%) 12 . 12 Happe, Anstieg der Sozialhilfe?, 1984, S. 8; vgl. auch BT-Drs. 10/6055, S. 17 f.; die „Monatsberichte der Deutschen Bundesbank" konstatierten erstmals 1983 (35. Jahrg. 1983 — November —, S. 26 ff., 29) gestiegene Arbeitslosigkeit als „wichtigen Grund" für die Kostensteigerungen im Sozialhilfebereich (vgl. 38. Jahrg. 1986 — November —, S. 30 ff., 33; 40. Jahrg. 1988 — April —, S. 13 ff., 14). Erste Ergebnisse der im Mai 1986 vorgelegten „Sonderuntersuchung der Bundes Vereinigung der kommunalen Spitzenverbände in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit zum Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug im September 1985" bestätigen diesen Befund; vgl. hierzu: Budde / Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 19; Reis, Arbeitsmarktprozesse, Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe — ein Problemaufriß, in: Reis (Bearb.), „Hilfe zur Arbeit", 1988, S. 91 ff. Nach den Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes (Wirtschaft und Statistik 1988, S. 268 ff., 272 f.) war 1986 Arbeitslosigkeit erstmals die häufigste Ursache für den Bezug von Sozialhilfe. Jeder dritte Empfängerhaushalt (31,2% oder 417.000) nahm Leistungen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt in Anspruch, da ein oder mehrere Familienmitglieder arbeitslos waren. Der seit mehreren Jahren zu beobachtende Anstieg der von Arbeitslosigkeit betroffenen Sozialhilfeempfängerhaushalte hat sich damit gegenüber 1985 um 35% erhöht. Die Zahl der Haushalte, die neben laufender Hilfe zum Lebensunterhalt auch Arbeitslosengeld bzw. -hilfe bezogen, stieg demgegenüber nur um 10,4% auf 194.000. In diesem Zusammenhang führt das Statistische Bundesamt aus: „Dies läßt den Schluß zu, daß immer mehr Personen (ζ. B. Dauerarbeitslose, Berufsanfänger, die keinen Arbeitsplatz finden) durch die Sozialversicherung nicht mehr hinreichend gesichert und damit auf die Sozialhilfe angewiesen sind."; zur Relevanz unzureichenden Erwerbseinkommens und unzureichenden Bezuges von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe vgl. Hauser, Sozioökonomische Aspekte der Sozialhilfe, in: Kitterer (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 23 ff., S. 35 (m. Schaubild 4, S. 36); Kühl, Sozialhilfe und Arbeitsmarkt, in: Kitterer (Hrsg.), a. a. O., S. 77 ff., 83 ff.; Heinelt, Ar-

48

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

An zweiter Stelle rangieren bereits unzureichende Versicherungs- oder Versorgungsansprüche als Hauptursache der Hilfegewährung (15,7%); daraus wird deutlich, daß die Sozialhilfegewährung inzwischen nicht nur „Aufstockungsfunktion" für Bezieher von Leistungen nach dem AFG, sondern auch bei Beziehern von Leistungen aus der gesetzlichen Renten-, Unfall- und Handwerkerversicherung sowie der Altershilfe für Landwirte hat. Von diesem Personenkreis erhielten Hilfe zum Lebensunterhalt 1980 1981 1982 1983 1984

237.000 230.000 246.000 237.000 229.000.13

Angesichts der soeben skizzierten Tendenzen ergibt sich daher die statistisch verifizierbare Vermutung, daß die Gewährung von Sozialhilfe seit einiger Zeit eine andere Funktion erfüllt, als es der historischen Entwicklung und den Absichten des historischen Gesetzgebers des BSHG entsprach: „Während Sozialhilfe früher vorübergehend in individuellen Notlagen bei atypischen Lebenslagen helfen wollte, ohne andere soziale Sicherungen zu ersetzen, ist sie heute zur 'Standardsicherung' geworden, neben der sozialen Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Sie deckt heute Normalrisiken u. a. aus Arbeitslosigkeit und Alterspflege, für die sie ebenso wenig angelegt ist wie zur Finanzierung der Aufenthaltskosten von Asylbewerbern und illegalen Einwanderern." 14

I I . Die Entwicklung der Sozialhilfeleistungen im Freistaat Bayern 1. Hilfeempfänger nach Gesamtzahlen, Leistungsarten, Staatsangehörigkeit und Geschlecht Nimmt man die statistische Entwicklung der Leistungsgewährung nach dem BSHG, differenzierend nach Sozialhilfeempfängern einerseits, Sozialhilfeausgaben (brutto) andererseits, bezogen auf die örtlichen und überörtlichen Träger des beitslosigkeit und Sozialhilfebezug als Indikatoren für Armut, in: Armut im Reichtum, 1989, S. 47 ff., 50 ff.; zur regional wie lokal unterschiedlichen Verteilung vgl. Hurler, Regionale Arbeitslosigkeit, 1984; zum Nord-Süd-Gefälle vgl. Krug, Gefälle der Sozialhilfedichte, NDV 1985, S. 211 ff., 211; zur Bedeutung von Arbeitslosigkeit allg. vgl. die Zusammenfassung des Sozialberichts 1990, Teil A, der Bundesregierung (BT-Drs. 11/ 527), in: ED LKT-NW, Nr. 19/1990, S. 314 ff., insb. Kap. VI, S. 316. 13 BT-Drs. 10/6055, S. 24. 14 Vgl. in diesem Sinne auch Antrag Κ 1 des Parteivorstandes der SPD, Demokratische Gemeinde 1988, 23.

I . Sozialhilfegewährung B

49

Freistaats Bayern, in den Blick, so zeigt sich, daß sich die hier vorfindbare Situation in die auf Bundesebene beobachtbare Gesamtentwicklung einfügt. Eine Skalierung nach 7- bzw. 5-Jahres-Schritten 1963-1970: 1970-1975: 1975-1980: 1980-1986:

+ + + +

2,5% 34,1% 3,6% 39,1%

ergibt für Bayern nicht nur — im Gegensatz zur Entwicklung auf Bundesebene — für den Zeitraum 1963-1970 eine Steigerung der Empfängerzahlen, sondern für die Zeiträume 1970-1975 und 1980-1986 deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegende Zuwachsraten, die insbesondere auf überproportionale Zuwächse bei der Hilfeart „Hilfe zum Lebensunterhalt" zurückzuführen sind, die für die oben genannten Zeitabschnitte 57,7% bzw. 70,3% betragen. Die Empfängerzahlen für die Hilfeart „Hilfe in besonderen Lebenslagen" belaufen sich im 5Jahresmittel dagegen nur auf 11,4% bei einer Schwankungsbreite von maximal 9,3% (vgl. Tabelle 5). Dessen ungeachtet fallen die Steigerungsraten bei den einzelnen Hilfeformen der Hilfeart „Hilfe in besonderen Lebenslagen" höchst unterschiedlich aus: Hilfeformen mit extremen Minuszuwächsen — etwa die Tuberkulosenhilfe mit 60.031 Empfängern 1963,697 Empfängern 1986 ( - 2300%) 15 oder auch die vorbeugende Gesundheitshilfe mit 12.009 Empfängern 1975, 2900 Empfängern 1986 ( 74,2%) 16 — stehen Hilfeformen mit ζ. T. überproportionalen Steigerungsraten gegenüber: So die „Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten" mit 233 Empfängern 1963, 3093 Empfängern 1986 (+ 1327,5 %) 1 7 , die „Hilfe zur Pflege" mit 26.997 Empfängern 1963, 60.685 Empfängern 1986 (+ 124,8 %) 1 8 , die „Eingliederungshilfe für Behinderte" mit 15.328 Empfängern 1963, 51.500 Empfängern 1986 (+236%) 1 9 oder die „Altenhilfe" mit 2756 Empfängern 1963, 4175 Empfängern 1986 (+51,5%) 2 0 . Kontinuierlich gesunken seit 1963 — allerdings in den letzten Jahren wiederum mit steigender Tendenz — sind die Empfängerzahlen lediglich bei den Hilfefor15 1963-1970:-82,8%; 1970-1975:-67,7%; 1975-1980: - 32,4%; 1980-1986:322,8%. 16 1963-1970: + 19,3%; 1970-1975: + 49,8%; 1975-1980: -46,5%; 1980-1986: -

68,0%.

π 1963-1970: + 12,4%; 1970-1975: + 1031%; 1975-1980: +27,1%; 1980-1986:

-11,0%.

is 1963-1970: +31,5%; 1970-1975: +45,2%; 1975-1980: + 10,2%; 1980-1986:

+ 6,8%.

19 1963-1970: +78,7%; 1970-1975: - 19,5%; 1975-1980: + 104,1%; 1980-1986: + 10,5%. 20 1963-1970: - 10,7%; 1970-1975: +63,2%; 1975-1980: -8,9%; 1980-1986:

+ 12,0%.

4 Hofmann-Hoeppel

5 0 1 .

Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

men „Hilfe zur Weitelführung des Haushalts" 21 , „Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen" 22 und „Blindenhilfe" 23 , die aber hinsichtlich der Zahl der Empfänger von „Hilfe in besonderen Lebenslagen" wie hinsichtlich der Gesamtzahl der Sozialhilfeempfänger kaum ins Gewicht fallen. Gegenläufig zur Entwicklung auf Bundesebene ist die Entwicklung der Hilfeempfänger in Bayern hinsichtlich der Verteilung nach Geschlechtern. Differenziert man innerhalb der Gruppen „Einzelne Haushaltsvorstände" und „Sonstige einzelne Hilfeempfänger", so ergibt sich für 1980 ein um 72,5% höherer Frauenanteil (36.568 zu 21.200, siehe Tabelle 6), der 1982 auf 23,6% (39.795 zu 32.204) abfällt; 1984 beträgt er nur noch 5,4% (41.909 zu 39.771). Die sich aus Tabelle 7 ergebenden Hauptursachen der Hilfegewährung sprechen sowohl hinsichtlich ihrer prozentualen Entwicklung als auch hinsichtlich der geschlechtsbezogenen Verteilung eine deutliche Sprache: Bei den Kategorien „Einzelne Haushaltsvorstände männlich", „Sonstige einzelne Hilfeempfänger männlich" sowie „Ehepaare ohne Kinder", „Ehepaare mit einem Kind bzw. 2 bzw. 3 Kindern und mehr" dominiert der Verlust des Arbeitsplatzes als Hauptursache der Hilfegewährung (Tabelle 6, Spalte 11); von Interesse sind insbesondere die hier zu verzeichnenden Zuwachsraten seit 1980: Von 15,3% 1980 auf 30,7% 1984 bei den „einzelnen Haushaltsvorständen männlich", von 17,6% 1980 auf 37,7% 1984 bei Ehepaaren mit einem Kind, von 19,6% 1980 auf 38,3% 1984 bei Ehepaaren mit zwei Kindern — alles in allem Zuwachsraten von ca. 100% in vier Jahren. Bei weiblichen Hilfeempfängern hingegen stehen unzureichende Leistungen aus der gesetzlichen Unfall-, Renten- und Handwerkerversicherung sowie der Altershilfe für Landwirte im Vordergrund: Besonders ausgeprägt bei den „Einzelnen Hilfeempfängern weiblich" mit 1980 45,1 %, 1984 39,9% (Tabelle 6, Spalte 12), zahlenmäßig geringer bei den „Sonstigen Hilfeempfängern weiblich" mit 1980 19,9%, 1984 14,3%. Ungenügende Versorgungsbezüge wirken sich in extremer Weise auch bei Ehepaaren ohne Kinder aus: Bei 45,8% 1980 und 31,6% 1984 aller Leistungsempfänger dieser Gruppe waren unzureichende Versorgungsleistungen hauptursächlich für die Hilfegewährung. Auch hinsichtlich des Anteils von Ausländern verlief die Entwicklung in Bayern „dramatischer" als auf Bundesebene:

21 1963-1986: -31,5%; 1963-1970: + 48,7%; 1970-1975: -61,5%; 1975-1980: 21,0%; 1980-1986: +61,9%. 22 1963-1986:-9,5%; 1963-1970: -24,4%; 1970-1975: - 11,4%; 1975-1980:3,5%; 1980-1986: +31,0%. 23 1963-1986: -70,0%; 1963-1970: -0,9%; 1970-1975: -32,5%; 1975-1980: 59,4%; 1980-1986: + 15,6%.

51

II. Sozialhilfegewährung Bayern

3724, d.h. 4,6% von 81.202 Beziehern von „Hilfe zum Lebensunterhalt" waren 1970 Ausländer. Der Ausländeranteil steigt 1980 auf 15.588, d. h. 12,1 %; 1982 wie 1984 beträgt er 15,0% (vgl. Tabelle 7). Bezogen auf die Sozialhilfedichte ergibt sich ein deutlich höherer Anteil von ausländischen Leistungsbeziehem, gemessen an der Gesamtzahl der Ausländer insgesamt, als von deutschen Hilfeempfängern, gemessen an der deutschen Wohnbevölkerung. Herrschte 1970 noch ein vergleichsweise ausgewogenes Verhältnis von 7,7 zu 9,6 (deutsche / ausländische Hilfeempfänger je 1000 Deutsche / Ausländer), so begann sich diese Relation 1980 bereits auf 11,8 zu 22,6 zu verschieben. 1984 war das Verhältnis 17,3 zu 40,4 (Tabelle 7) 2 4 . Damit liegt der Zuwachs des Anteils ausländischer Leistungsbezieher in Bayern zwar deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (326% gegenüber 1007%); prozentual ist dieser Anteil (15,0) jedoch höher als auf Bundesebene (13,1).

2. Die Entwicklung der Brutto-Ausgaben insgesamt, nach Leistungsarten, Leistungsformen und Trägern a) Die Leistungsbilanzen für HLU und HbL Wie für die Entwicklung auf Bundesebene lassen sich für Bayern hinsichtlich des Sozialhilfeaufwands insgesamt, der Leistungsbilanzen für „Hilfe zum Lebensunterhalt" und „Hilfe in besonderen Lebenslagen" seit 1963 Steigerungsraten feststellen, die jene der Empfängerzahlen bei weitem übertreffen. Skaliert man in 7- bzw. 5-Jahres-Schritten

1963-1970 1970-1975 1975-1980 1980-1986

Sozialhilfeausgaben insg.25

Leistungsempfänger insg.26

+ 81,2%

+ 2,5% + 34,1% + 3,6% + 39,1%

+ 159,3% + 49,4% + 69,9%

24 Es versteht sich von selbst — soll aber bei dieser Gelegenheit betont werden —, daß dieses Zahlenwerk keinerlei Rückschlüsse auf unterschiedliche „Fertigkeiten" hinsichtlich des Zugangs zu Arbeitsplätzen bzw. „Arbeitswillen" zwischen Deutschen und Ausländern zuläßt. Die ca. 1980 sich drastisch verschärfende Sozialhilfedichte von Ausländern ist auf ausländer- wie arbeitsmarktrechtliche Vorgaben zurückzuführen (vgl. hierzu Teil B, Kap. 8.IV.3.). 25 Vgl. Tabelle 8, Spalte 1. 26 Vgl. Tabelle 5, Spalte 1. 4*

5 2 1 .

1963-1970 1970-1975 1975-1980 1980-1986

1963-1970 1970-1975 1975-1980 1980-1986

Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

Brutto-Ausgaben HLU 2 7

Leistungsempfänger HLU 2 8

+ 44,0% + 152,7%

+ 12,3% + 57,7%

+ 28,0% + 100,4%

- 2,0%

+ 70,3%

Brutto-Ausgaben HbL 2 9

Leistungsempfänger HbL 3 0

+ 108,8%

+ 10,3% + 14,0% + 5,9% + 15,2%,

+ 162,7%

+ 60,0% +

57,9%

so korrespondieren zweistelligen Zuwachsraten auf der Empfängerseite in der Regel dreistellige Steigerungsraten auf der Ausgabenseite; einem Rückgang der Empfängerzahlen — so beobachtbar für HLU im Zeitraum 1975-1980 — steht gleichwohl eine Steigerung der Brutto-Ausgaben gegenüber. Wählt man die Jahre 1963 und 1986 als Bezugspunkte, so ergeben sich Steigerungsraten für die Sozialhilfegewährung insgesamt von 1092,7%, für H L U von 833,9%, für HbL von 1285,5%. Daraus wird deutlich, daß insbesondere die Ausgabenzuwächse bei der Leistungsart „Hilfe in besonderen Lebenslagen" für die extreme Ausgabensteigerung bei der Sozialhilfegewährung insgesamt verantwortlich ist; unterstrichen wird diese Beobachtung durch die Tatsache, daß die Zuwachsraten der Leistungsempfänger bei HbL deutlich hinter jenen bei H L U zurückbleiben, während die Zuwächse auf der Ausgabenseite, bezogen auf die Steigerung der Empfängerzahlen, bei HbL überproportional sind. Innerhalb der Leistungsart „Hilfe in besonderen Lebenslagen" differieren die Zuwachsraten bei den einzelnen Leistungsformen erheblich: Bezogen auf die Jahre 1963 und 1986 verzeichnet die Leistungsform „Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten" eine exorbitante Steigerungsrate von 21.072% (Tabelle 8, Spalte 25); es folgen die Leistungsformen

27 Vgl. Tabelle 8, Spalte 4. 28 Vgl. Tabelle 5, Spalte 5 (mit Ausnahme der Empfänger von HLU in Einrichtungen). 29 Vgl. Tabelle 8, Spalte 7. 30 Vgl. Tabelle 5, Spalte 7.

I . Sozialhilfegewährung B

Zuwachs Brutto-Ausgaben Eingliederungshilfe für Behinderte31:

53

Zuwachs Leistungsempfänger

+ 6183,7%

+ 236,0%

Lebenslagen32:

+ 2175,7%

-

56,2%

Altenhilfe 33:

+ 1356,1%

+

51,5%,

Hilfe in anderen besonderen

bei denen die Zuwächse auf der Empfängerseite hinsichtlich der Größenordnung nicht vergleichbar sind, zumal die Leistungsform „Hilfe in anderen besonderen Lebenslagen" für den Zeitraum 1963-1986 durch einen Minus-Zuwachs von 56,2% auf der Empfängerseite gekennzeichnet ist. Bei den Leistungsformen Zuwachs Brutto-Ausgaben

Zuwachs Leistungsempfänger

Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen34:

+ 975,1%

Hilfe zur Pflege 35: Krankenhilfe 36:

+ 953,1% + 909,3%

9,5% + 124,8%

Hilfe zur Weiterführung des Haushalts37:

+ 804,5%

+

19,6%

- 31,5%

wird das Mißverhältnis zwischen Zuwächsen auf der Ausgaben- und Empfängerseite noch eklatanter: Minus-Zuwächsen auf der Empfängerseite stehen enorme Steigerungsraten auf der Ausgabenseite gegenüber.

31 Vgl. 32 Vgl. 33 Vgl. 34 Vgl. 35 Vgl. 36 Vgl. 37 Vgl.

Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle

8 bzw. 8 bzw. 8 bzw. 8 bzw. 8 bzw. 8 bzw. 8 bzw.

Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle

5, jeweils 5, jeweils 5, jeweils 5, jeweils 5, jeweils 5, jeweils 5, jeweils

Spalte 13. Spalte 43. Spalte 22. Spalte 37. Spalte 10. Spalte 16. Spalte 34.

54

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

Die Zuwachsraten für Ausgaben der Leistungsformen Zuwachs Brutto-Ausgaben

Zuwachs Leistungsempfänger

Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage38:

+ 74,5%

+16,1%

Ausbildungshilfe 39 :

+ 40,0%

- 30,9%

Vorbeugende Gesundheitshilfe 40:

+ 38,0%

- 56,8%

bestätigen die bereits mehrfach angetroffene Disproportionalität der Entwicklung auf der Ausgabenseite einerseits, der Empfängerseite andererseits. Minus-Zuwächse auf der Ausgaben- wie auf der Empfängerseite im Rahmen der Hilfeart „Hilfe in besonderen Lebenslagen" sind nur festzustellen bei den Leistungsformen: Zuwachs Brutto-Ausgaben Blindenhilfe 41: 42

Tuberkulosenhilfe :

Zuwachs Leistungsempfänger

- 99,5%

- 70,0%

- 64,1%

-95,7%

Hier stimmen Ausgabenentwicklung und Entwicklung der Empfängerzahlen in der Tendenz überein. Eher als der — zahlreichen statistischen Unwägbarkeiten unterworfene — Blick auf die Entwicklung im Zeitraum 1963-1986 vermittelt eine Betrachtung von Ausgaben und Empfängerzahlen von 1980-1986 die im Leistungsbezug nach dem BSHG vorherrschenden Entwicklungslinien:

38 Vgl. Tabelle 8 bzw. Tabelle 5, jeweils Spalte 40. 39 Vgl. Tabelle 8 bzw. Tabelle 5, jeweils Spalte 31; Angaben nur für 1963-1979 verfügbar. 40 Vgl. Tabelle 8 bzw. Tabelle 5, jeweils Spalte 19. 41 Vgl. Tabelle 8 bzw. Tabelle 5, jeweils Spalte 42. 42 Vgl. Tabelle 8 bzw. Tabelle 5.

55

I . Sozialhilfegewährung B

Leistungsempfänger 1980-1986

Bruttoausgaben 1980-1986

Bund 43

Bayern 44

Bund45

Bayern 46

HLU

+ 55,7

+ 70,3

+ 85,0

+ 100,4

HbL Krankenhilfe

-

1,9 9.0

+ 15,2

+ 43,6

+

57,9

+ 34,7

+ 32,3

+

49.2

Eingliederungshilfe Behinderte

+ 17,3

+ 10,5

+ 55,6

+

67,6

+ 0,9 - 17,5

+

+ 42,8

+

56,6

+

+ 204,3

Hilfe zur Pflege Sonstige Hilfe

6,8

+ 30,5

4,1

Mit Ausnahme der Empfängerzahlen für die Leistungsform „Eingliederungshilfe für Behinderte" liegen die Angaben für die Leistungsempfänger, noch mehr aber für die Brutto-Ausgaben im Zeitraum 1980-1986 für Bayern deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Von besonderem Gewicht sind die für Bayern feststellbaren Zuwächse der Ausgaben für „Hilfe zum Lebensunterhalt" sowie für die Leistungsform „Hilfe in anderen besonderen Lebenslagen" (sonstige Hilfe). Differenziert man im Bereich der Gewährung von „Hilfe zum Lebensunterhalt" für den Zeitraum 1970-1986 nach Hilfen außerhalb von und in Einrichtungen, so zeigt sich zunächst, daß die Leistungsentwicklung für Aufwendungen von Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen und in Einrichtungen tendenziell durchaus vergleichbar ist — einer Steigerung auf 675 %-Punkte (= 672.034 TDM) für Leistungen außerhalb von Einrichtungen steht eine Steigerung auf 563 %-Punkte (= 176.103 TDM) in Einrichtungen gegenüber —; der Anteil von Leistungen in Einrichtungen entspricht jedoch nur 26,2% der Aufwendungen für HLU außerhalb von Einrichtungen, bezogen auf 1986 47 . b) Die Leistungsbilanzen nach Trägergruppen Betrachtet man schließlich die Entwicklung der Brutto-Ausgaben für Sozialhilfe in Bayern nach Trägergruppen für den Zeitraum 1984-1986, so ergeben sich Steigerungen für die Sozialhilfeträger insgesamt von 1983 auf 1984 um 7,3%, von 1984 auf 1985 von 8,4% und von 1985 auf 1986 von 9,7% 4 8 .

43 Vgl. Tabelle 4. 44 Tabelle 5, Spalten 4, 7, 16, 13, 10, 43. 45 Vgl. Tabelle 3. 46 Tabelle 8, Spalten 4, 7, 16, 13, 10, 43. 47 Vgl. Tabelle 9, Spalten 13, 15. 48 Vgl. Tabelle 10, II, Spalte 9.

56

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

Die Steigerungsraten, differenziert nach örtlichen und überörtlichen Trägern, differieren hingegen: Sie betragen für die örtlichen Träger im Zeitraum 19841986 4,8 %, 14,4 % und 10,4 % gegenüber 8,2 %, 6,3 % und 9,4 % für die überörtlichen Träger 49 . Von größerem Interesse hingegen ist die Entwicklung bei örtlichen und überörtlichen Trägern hinsichtlich der Leistungen außerhalb von und in Einrichtungen: Die Brutto-Ausgaben der örtlichen Träger für Leistungen in Einrichtungen gingen von 1983 auf 1984 um 90,3% zurück, stiegen dann freilich von 1984 auf 1985 um 52% bzw. von 1985 auf 1986 um 45 % 5 0 . Die Brutto-Ausgaben der überörtlichen Träger in Einrichtungen stiegen gegenüber im Zeitraum 1983/84 bis 1986 um 9 % bzw. 4,9 % bzw. 7,9 % 5 1 , während die Ausgaben der überörtlichen Träger für Leistungen außerhalb von Einrichtungen von 1983 auf 1984 um 1,9% sanken, um von 1984 auf 1985 um 27,4%, von 1985 auf 1986 um 28,6% zu steigen52. Dies hängt damit zusammen, daß die sachliche Zuständigkeit für die Träger der Sozialhilfe aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes vom 20. 9. 1982 53 geändert wurde. Seit 1. 1. 1983 sind für alle teilstationären und stationären Hilfen die überörtlichen Träger und für alle sonstigen Hilfen grundsätzlich die örtlichen Träger zuständig54; die überörtlichen Träger erhielten darüber hinaus durch die Neufassung von Art. 7 Abs., 1 lit. b Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG die Zuständigkeit für die Hilfeleistung für Ausländer im Sinne des Ausländergesetzes sowie für Aussiedler im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes und für Zuwanderer aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Ersten Durchführungsverordnung zum Ersten Überleitungsgesetz genannten Gebieten in staatlichen Lagern oder lagerähnlichen Wohnheimen; diese Zuständigkeit konnte gemäß der Neufassung von Art. 10 Abs. 2 Ziff. 12 durch § 1 Ziff. 2 a des Änderungsgesetzes auf örtliche Träger im Verordnungswege übertragen werden 55 . Infolge dieser geänderten Zuständigkeitsverteilung verringerten sich die Ausgaben der örtlichen Träger für Leistungen in Einrichtungen 1983 und 1984 in erheblichem Maße; die Tatsache, daß die Brutto-Ausgaben für Leistungen der örtlichen Träger in Einrichtungen in den Jahren 1985 und 1986 wiederum kräftig anstiegen (52 % bzw. 45 %), beruht darauf, daß die örtlichen Träger gemäß Art. 8 BayAGBSHG eine vorläufige Eintrittspflicht trifft. Darauf ist zurückzuführen, daß die örtlichen Träger hinsichtlich des Sozialhilfeaufwands auch im Jahre 1986 49 Vgl. Tabelle 10, II, Spalten 3 und 6. 50 Vgl. Tabelle 10, II, Spalte 2. 51 Vgl. Tabelle 10, II, Spalte 5. 52 Vgl. Tabelle 10, II, Spalte 4. 53 GVB1 1982, 817, in Kraft getreten 1.1.1983 (§ 2 Abs. 1). 54 Neufassung von Art. 7 Abs. 1 lit. a BayAGBSHG durch § 1 Ziff. 1 BayAGBSHGÄndG. 55 Vgl. Teil B, Kap. 7, I., dieser Arbeit.

. Sozialhilfegewährung B

57

eine deutliche Anhebung der Brutto-Ausgaben um 10,4% 56 verzeichneten, wofür die Zunahme der Ausgaben für Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen (+ 10,1%) 57 ausschlaggebend war. Trotz der geänderten Zuständigkeiten nahm der Aufwand der überörtlichen Träger, die nach wie vor die Kosten der Sozialhilfe u. a. an Ausländer auch außerhalb von Einrichtungen zu tragen haben (Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG), für die Hilfe außerhalb von Einrichtungen auch 1986 gegenüber dem Vorjahr merklich zu (um 28,6 %) 5 8 . Die ohnedies viel höheren Kosten für die Hilfe in Einrichtungen stiegen im Jahre 1986 um 7,9%, so daß die Gesamtausgaben der überörtlichen Träger um 9,4% höher lagen als 1985 59 . Nimmt man bei den örtlichen Trägern — den 25 kreisfreien Städten Bayerns (vgl. Tabelle 11) — eine Aufschlüsselung der Zuwachsraten für die Kriterien Brutto-Ausgaben, HLU (außerhalb von und in Einrichtungen), HbL (außerhalb von und in Einrichtungen), einzelne Hilfeformen der HbL, Netto-Aufwand und — darauf basierend — eine Rangskalierung hinsichtlich der Ausgaben brutto / netto insgesamt bzw. je Einwohner, der Ausgaben für HLU insgesamt und für laufende Leistungen, für HbL insgesamt und für Leistungen außerhalb von Einrichtungen sowie für die Leistungsformen Krankenhilfe und Hilfe zur Pflege für den Zeitraum 1982-1985 vor 6 0 , ergeben sich Steigerungsraten beim BruttoAufwand von maximal 394,8% (Schwabach61) bis minimal 2,4% (Rosenheim62, denen Minus-Zuwächse von maximal 21,7% (Landshut 63 bis minimal 1,4% (Weiden 64 gegenüberstehen65. Aus der Definition des Netto-Aufwands als BruttoAufwand minus Ersatzleistungen unterhaltsverpflichteter Dritter ergibt sich zwangsläufig, daß die Entwicklung der Brutto-Ausgaben mit der Entwicklung des Netto-Aufwands nicht vergleichbar sein kann. Besonders deutlich wird dies am oberen und am unteren Ende der hinsichtlich der Gesamt-Brutto-Aufwendungen vorgenommenen Rangklassenskalierung: So steht Würzburg bei einer Steigerung von 23 % bezüglich der Brutto-Ausgaben an der Spitze der Rangskala der Netto-Ausgaben (+ 154,9 %). Die hinsichtlich der Rangskalen auf gleichen „Plätzen" bei Zuwächsen der Brutto- wie der Netto-Ausgaben liegenden Städte Mem56 Vgl. Tabelle 10, II, Spalte 3. 57 Vgl. Tabelle 10, II, Spalte 1. 5 « Vgl. Tabelle 10, II, Spalte 4. 59 Vgl. Tabelle 10, II, Spalte 6. 60 Grundlage sind die Angaben des Statistischen Jahrbuchs deutscher Gemeinden, 71. Jahrgang 1984, S. 320 ff., und 73. Jahrgang 1986, S. 260 ff. Die in anderen statistischen Jahrbüchern des Deutschen Städtetages enthaltenen Statistiken sind wegen unterschiedlicher Kriterienwahl nicht kompatibel. 6 1 Vgl. Tabelle 12, Zeile 25. ω Vgl. Tabelle 12, Zeile 15. « Vgl. Tabelle 12, Zeile 13. 64 Vgl. Tabelle 12, Zeile 20. 65 Die vollständige Rangskalierung ergibt sich aus den Tabellen 18 A, Spalten 1,3, 5 und Tabelle 18 B, Spalten 1-3.

58

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

mingen, Augsburg, Bayreuth, Nürnberg und Ingolstadt weisen ζ. T. erheblich über den Brutto-Zuwächsen liegende Steigerungen der Netto-Ausgaben aus 66 . Dies gilt auch für Konstellationen, die sich durch geringfügige Verschiebungen innerhalb der Rangskalierungen nach Brutto- und Netto-Aufwand auszeichnen67. Daß im übrigen die Entwicklung der Brutto-Ausgaben nicht notwendigerweise mit der Entwicklung der Netto-Ausgaben übereinstimmen muß, ergibt sich aus der Tatsache, daß bei vier örtlichen Trägern — Kempten, Kaufbeuren, Coburg und Weiden — hinsichtlich der Brutto-Ausgaben Minus-Zuwächse zu verzeichnen sind 68 , während der Netto-Aufwand im Zeitraum 1982-1985 angestiegen ist 69 . Nur in drei Fällen — Landshut, Bamberg und Ansbach — entspricht einem Minus-Zuwachs bei den Brutto-Ausgaben 70 auch ein solcher bei den NettoAusgaben71. Charakteristisch für die Gestaltung des Brutto-Aufwands sind die bei laufenden Hilfen zum Lebensunterhalt wie bei Hilfegewährung in besonderen Lebenslagen außerhalb von Einrichtungen durchgängig beobachtbaren beachtlichen Zuwächse 72 ; die bei der Gewährung von HbL in einigen Fällen anzutreffenden MinusZuwächse bei den Aufwendungen für HbL insgesamt73 sind auf gleichzeitige Minus-Zuwächse bei den Leistungsformen „Krankenhilfe" und „Hilfe zur Pflege" zurückzuführen 74. 66 Memmingen (+ 144,8%); Augsburg (+67,8%); Bayreuth (+64,8%); Nürnberg (+ 50,5 %); Ingolstadt (+ 46,9 %) jeweils netto gegenüber 62,0 %, 43,3 %, 39,1 %, 37,9 % und 34,4% jeweils brutto; vgl. Tabelle 12, Zeilen 24, 3, 9, 2, 8, jew. Sp. 1 und 3. 67 Straubing (brutto: +27,9% netto: +35,4%); Amberg (brutto: + 19,5% netto: +32,7%); Schweinfurt (brutto: + 16,7% netto: +28,5%); München (brutto: + 12,7% netto: + 15,4%); Hof (brutto: + 8,5% netto: +23,2%); Aschaffenburg (brutto: + 7,7 % netto: +20,8%); Fürth (brutto: + 7,1% netto: +31,0%); Passau (brutto: + 3,7% netto: + 18,7%); Rosenheim (brutto: + 2,4% netto: + 18,5%); vgl. Tab. 12, Zeilen 21, 19, 17, 1, 14, 11, 7, 16, 15, jew. Sp. 1 und 3. 68 Kempten (-9,5%); Kaufbeuren (-8,8%); Coburg (-4,5%); Weiden (-1,4%); vgl. Tab. 12, Zeilen 12, 22, 18, 20, jew. Sp. 1. 69 Kempten (+ 17,8%); Kaufbeuren (+ 15,6%); Coburg (+ 8,5%); Weiden (+ 3,3%); vgl. Tab. 12, Zeilen 12, 22, 18, 20, jew. Sp. 3. ™ Landshut ( - 21,7 %); Bamberg ( - 13,4%); Ansbach ( - 12,3 %); vgl. Tab. 12, Zeilen 13, 10, 23, jeweils Sp. 1. 71 Landshut ( - 1,3%); Bamberg (-3,6%); Ansbach (-7,9%); vgl. Tab. 12, Zeilen 13, 10, 23, jew. Sp. 3. 7 2 Mit Ausnahme für HbL bei den örtlichen Trägern Landshut ( - 8,2%, Tab. 12, Zeile 13, Sp. 8) und Ansbach ( - 2,1 %, Tab. 12, Zeile 23, Sp. 8). 73 Vgl. Tab. 12, Sp. 7, Zeilen 1, 2, 7, 10-15, 23, sowie Tab. 18 A, Sp. 5, Zeilen 1625. ™ Vgl. Tab. 12, Sp. 9, Zeilen 1, 2, 6-15, 17, 19-21, 23-25; Sp. 10, Zeilen 1, 6, 7, 11-14, 23.

III. Sozialhilfegewährung Nordrhein-Westfalen

59

Am auffälligsten gestaltete sich die Leistungsentwicklung bei der Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt: Hier dominieren — insoweit übereinstimmend mit den Ergebnissen auf Bundes- wie auf bayerischer Ebene — zweistellige Zuwachsraten 75. Dieser Befund gilt schließlich auch für die Entwicklung der Netto-Ausgaben in D M je Einwohner 76 : Selbst bei jenen örtlichen Trägern, die bei den Brutto-Ausgaben Minus-Zuwächse77 verzeichnen, halten die MinusZuwächse bei den Netto-Ausgaben in D M je Einwohner nicht Schritt oder aber es ergeben sich sogar Zuwächse bei den Netto-Ausgaben78.

I I I . Die Entwicklung der Sozialhilfeleistungen in Nordrhein-Westfalen 1. Hilfeempfänger nach Gesamtzahlen, Leistungsarten und Geschlecht Auch die für Nordrhein-Westfalen beobachtbare Entwicklung hinsichtlich der Empfängerzahlen insgesamt ergibt eine mit der Entwicklung in Bayern vergleichbare Tendenz: Im Zeitraum 1965-1986 stellt man für die gebildeten Zeitabschnitte NW 7 9 7,2 %

Bayern 80

1965-1970:

+

2,5%

- 19,4%

1970-1975: 1975-1980:

+ 32,1 %

+ 34,1%

+

+

3,6%

+ 27,3% + 4,4%

1980-1986:

+ 47,3 %

+ 39,1%

+ 23,8%

0,02%

+

Bund81

75 Abgesehen von Erlangen (+ 6,5%) und Weiden (+ 3,1 %), vgl. Tab. 12, Zeilen 6, 20, jew. Sp. 6. 76 Ausnahmen sind Regensburg (-20,3%), Bamberg (-2,0%), Landshut (-2,0%), Ansbach (-6,3%) und Schwabach ( - 10,0%); vgl. Tab. 12, Zeilen 4, 10, 13, 23, 25, jew. Sp. 3. 77 Erlangen (brutto je Einw.: - 10,0%; netto je Einw.: + 9,4%); Kempten (brutto je Einw.: - 8,5%; netto je Einw.: +19,1%); Coburg (brutto je Einw. : - 1,4 %; netto je Einw. : + 11,4 %); Kaufbeuren (brutto je Einw.: - 9,2%; netto je Einw.: +16,7%); vgl. Tab. 12, Zeilen 6, 12, 18, 22, jew. Sp. 2. 78 Bamberg (brutto je Einw.: -11,7%; netto je Einw.: - 2,0%); Landshut (brutto je Einw.: -21,0%; netto je Einw.: - 2,0%); Ansbach (brutto je Einw.: -11,2%; netto je Einw.: - 6,3%); vgl. Tab. 12, Zeilen 10, 13 und 23, jew. Sp. 4. 79 Vgl. Tabelle 13, Spalten 1, 6, 11, 16, 21. so Vgl. Tabelle 5, Spalte 1. si Vgl. Tabelle 1, Spalte 1.

60

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

nicht nur durchgängige Steigerungsraten, sondern erheblich über dem Bundesdurchschnitt liegende Zuwachsraten für die Zeiträume 1970-1975 und insbesondere 1980-1986 fest. Hauptursächlich hierfür ist die Zunahme der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt im vorgenannten Zeitraum um 79,3 % (vgl. nachstehende Gegenüberstellung), während die Zuwächse bei den Empfängern von Hilfe in besonderen Lebenslagen knapp zweistellig ausfallen: HLU

HbL

1965-1970

+

2,6%

+ 10,5%

1970-1975

+ 57,7%

+ 13,3%

1975-1980

+

-

1980-1986

+ 79,3%

7,1%

6,4%

+10,1%

Noch deutlicher wird diese Tendenz, wenn man die Jahre 1965 und 1986 als Bezugspunkte wählt: Hier ergibt sich eine Steigerung der Empfängerzahlen für Sozialhilfe insgesamt von 108,5%, von 210,4% für HLU, von 28,9% für HbL. Ein Vergleich mit den für denselben Bezugszeitraum feststellbaren Angaben für den Bund einerseits, für Bayern andererseits 1965-1986 NW 8 2

Bayern 83

Bund 84

Sozialhilfe insg.

+ 108,5%

+ 100,4%

+ 115,1%

HLU

+ 210,4%

+ 151,1%

+ 194,6%

HbL

+ 28,9%

+ 47,0%

+

38,7%

ergibt für Nordrhein-Westfalen einen unter dem Bundesdurchschnitt, jedoch über dem Wert für den Freistaat Bayern liegenden Zuwachs für die Sozialhilfeempfänger insgesamt, ein deutlich über den beiden anderen Vergleichsdaten liegenden Zuwachs von Empfängern von HLU, allerdings auch eine für HbL wesentlich niedrigere Steigerungsrate. Vergleichbar den Tendenzen auf Bundesebene wie in Bayern gestalteten sich die Entwicklungen für die einzelnen Leistungsformen der HbL: Auch für Nordrhein-Westfalen stehen Leistungsformen mit extremen Minus-Zuwächsen — etwa die Tuberkulosenhilfe mit 32.275 Empfängern 1965,1.016 Empfängern 1986 (-96,9%), die sonstige Hilfe mit 7.769 Empfängern 1965, 1.215 Empfängern 52 Vgl. Tabelle 13, Spalten 1 und 21. 53 Vgl. Tabelle 5, Spalten 1, 4, 7. 84 Vgl. Tabelle 1, Spalten 1, 8, 10.

61

III. Sozialhilfegewährung Nordrhein-Westfalen

1986 ( - 84,4%) und die vorbeugende Gesundheitshilfe mit AO.911 Empfängern 1965 und 10.346 Empfängern 1986 ( - 74,7%) — Hilfeformen mit ζ. T. überproportionalen Steigerungsraten gegenüber: so die „Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten" mit 397 Empfängern 1965,4.240 Empfängern 1986 (+ 968,0 %), die „Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen" mit 951 Empfängern 1965,2.418 Empfängern 1986(+ 154,3%), die „Hilfe zur Pflege" mit 65.018 Empfängern 1965, 160.777 Empfängern 1986 (+ 147,3%) und die „Eingliederungshilfe für Behinderte" mit 26.696 Empfängern 1965, 62.504 Empfängern 1986 (+ 134,1%). Kontinuierlich gesunken seit 1965 sind die Empfängerzahlen lediglich bei den Hilfeformen „Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage" (19,9%), ,Ausbildungshilfe" (-65,3%) und der „Hilfe zur Weiterführung des Haushalts" (-35,8%). Die Verteilung nach Geschlechtern weist in Nordrhein-Westfalen ähnliche Tendenzen wie auf Bundesebene auf: Skaliert man nach 5- bzw. 6-Jahres-Schritten, Empfänger insg. 65 absolut Zuwachs 1970:

501.921

1975:

663.071

1980: 1986:

663.249

+ 32,1 % + 0,02%

976.595

+ 47,3 %

absolut

weibliche Empfänger 86 Zuwachs in % an Empf.

315.778 426.022

+ 34,9%

58,9% 55,6%

518.253 564.874

+ 21,6%

70,0%

+

72.9%

9,0%

so ergibt sich, daß der Frauenanteil an der Zahl der Gesamthilfeempfänger seit 1975 kontinuierlich wächst, wenngleich die Steigerungsrate der weiblichen Empfänger im Zeitraum 1980-1986 mit 9% deutlich unter der Zunahme der Sozialhilfeempfänger insgesamt (+ 47,3 %) liegt. Aufschlußreich ist auch ein Vergleich der Steigerungsraten des Anteils weiblicher Hilfeempfänger mit den Zuwächsen der Sozialhilfeempfänger insgesamt, differenziert nach den Hilfearten „Hilfe zum Lebensunterhalt" und „Hilfe in besonderen Lebenslagen" sowie nach einzelnen ausgewählten Hilfeformen der HbL (errechnet anhand der Angaben in Tabelle 14):

8

5 Vgl. Tabelle 13, Spalten 6, 11, 16, 21. Aus Tabelle 14 errechnet (siehe die dortigen Angaben).

86

62

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

HLU insg. 1970- 1975

+

57,7

1975- 1980 1980- 1986

+ +

7,1 79,3

1970- 1986

+ 202,7

insg.

HbL weibl.

Krankenhilfe insg. weibl.

+ 13,3

+ 19,3 - 10,2

+ 25,9 - 15,3

+ +

+ 10,4

- 15,2

+ 17,7

- 15,4

weibl. + +

50,1 3,3

+

66,1

- 6,4 + 10,1

+ 157,4

+ 16,7

1,2 8,4

Hilfe zur Pflege insg. weibl.

Eingliederungshilfe insg. weibl.

+ 55,8

+

62,8

+ 25,5

- 8,4 + 57,4

+ 15,9

+

18,9

1980- 1986

+ 31,6

+ 31,8

+ 9,3

+

1970- 1986

+ 73,5

+ 90,1

+ 97,3

1970- 1975

+

1975- 1980

5,0

+ 29,7 - 33,1

Altenhilfe insg. weibl. + 81,2 - 30,3

11,9

+ 73,1 - 35,6 - 36,1

+ 116,7

- 71,3

- 14,8

- 32,5

Bei HLU und HbL waren die Zuwachsraten 1970-1986 bei weiblichen Hilfeempfängern also deutlich niedriger als bei den Gesamthilfeempfängern; bei den Hilfeformen „Eingliederungshilfe für Behinderte", „Hilfe zur Pflege" und „Altenhilfe" sind die Zuwachsraten demgegenüber deutlich höher bzw. die MinusZuwächse (bei der Hilfeform „Altenhilfe") weniger ausgeprägt. Die insgesamt gesehen schwächere Position von Frauen in versorgungsrechtlicher und damit ökonomischer Hinsicht ergibt sich auch bei einer Untersuchung der Zuwachsraten der Hilfeempfänger nach Altersklassen, bezogen auf die Zeiträume 1970-1975, 1975-1980, 1980-1986 und 1970-1986: Wie sich aus nachstehender Übersicht ergibt, liegen die Zuwachsraten in der Altersklasse der 1421-jährigen und der über 65-jährigen bei weiblichen Hilfeempfängern höher als bei den Sozialhilfeempfängern insgesamt: Zuwächse in % 14-21 Jahre 87 SH insg. ges. weibl. 1970- 1975: 1975- 1980: 1980- 1986: 1970- 1986:

+ -

62,0 6,3

+

74,2

+ 164,3

HLU

HbL

ges.

weibl.

ges.

weibl.

71,8

+ 143,9

+ 148,2

+ 24,1

+ 32,6

7,4 + 80,8 + 187,6

+ 25,6 + 118,3

+ 23,3 + 124,0

- 31,8 - 2,8

+ 568,9

+ 585,5

- 29,0 - 0,7 - 12,5

+

87 Tabelle 14, Spalten 5-8, jeweils „b".

- 12,2

III. Sozialhilfegewährung Nordrhein-Westfalen

63

älter als 65 Jahre 88 SH insg. ges. weibl. 1970- 1975:

+ 34,1

1975- 1980: 1980- 1986:

- 26.4 - 2,8

1970- 1986:

-

4,0

+ 38,8 - 23,5 +

1,1 4,9

ges.

HLU weibl.

HbL ges.

weibl.

+ 36,8

+ 43,4

- 35,0

+ 32,1 - 32,2

- 26,0

- 5,3 - 18,8

- 3,3 - 13,4

-

- 23,5 - 5.2

+ 32,0

6,1 4,9

+

4,4

Am ausgeprägtesten ist die gegenläufige Tendenz bei den Hilfeempfängen „älter als 65 Jahre". In dieser Altersgruppe überstiegen die Zuwachsraten bei den weiblichen Hilfeempfängern generell jene für die Sozialhilfeempfänger insgesamt.

2. Die Entwicklung der Brutto- und Netto-Ausgaben insgesamt, nach Leistungsarten, Leistungsformen und Trägern Die bereits für die Entwicklung der Brutto-Ausgaben für die Bundesebene wie für Bayern getroffene Feststellung einer überproportionalen Steigerung der Brutto-Ausgaben insgesamt, insbesondere der Ausgaben für die Leistungsart „Hilfe zum Lebensunterhalt" sowie überproportionalen Steigerungsraten der Brutto-Ausgaben im Verhältnis zu den Zuwächsen auf der Empfängerseite läßt sich auch für die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen treffen, wie sich aus nachstehender Übersicht ergibt: SH brutto 89 Empf. 90

HLU brutto 91 Empf. 92

HbL brutto 93

Empf. 94

1971- 1975: 1975- 1980:

+ 104,8 + 56,3

+ 30,3 + 0,02

+ 108,9 + 47,8

+

46,8

+ 102,4

+

45,6

-

+

+ 46,8

+

+

67,6

+ 10,1

1971- 1987*:

+ 522,1

+ 143,2 + 650,8

7,1 79,3

+

1980- 1987*:

+ 447,6

+ 18,3

94,3

+ 91,9

+ 181,9

* Die Empfängerzahlen, bezogen jeweils auf 1986. s» Tabelle S9 Tabelle 90 Tabelle 91 Tabelle 92 Tabelle 93 Tabelle 94 Tabelle

14, Spalten 17-20, jeweils „b". 14, Spalten 1, 5, 10, 17. 13, Spalten 7, 11, 16, 21. 14, Spalten 1, 5, 10, 17. 13, Spalten 7, 11, 16, 21. 14, Spalten 1, 5, 10, 17. 13, Spalten 7, 11, 16, 21.

+ 14,8

6,4

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

Die disproportionale Entwicklung der Steigerungsraten von Empfängern einerseits, Brutto-Ausgaben andererseits wird besonders deutlich an der Leistungsart „Hilfe in besonderen Lebenslagen": Hier stehen vergleichsweise niedrigen Zuwächsen auf der Empfängerseite zweistellige Zuwachsraten hinsichtlich der Brutto-Ausgaben gegenüber. Im Gegensatz zu der für den Freistaat Bayern feststellbaren Tendenz ergibt sich für Nordrhein-Westfalen, daß für den Anstieg der Sozialhilfeausgaben insgesamt von 522,1% im Zeitraum 1971-1987 vornehmlich das Anwachsen der Brutto-Ausgaben für die Leistungsart „Hilfe zum Lebensunterhalt" (mit 650,8 %) verantwortlich ist. Wie nicht anders zu erwarten, weisen die einzelnen Leistungsformen höchst unterschiedliche Tendenzen auf. Differenziert man nach drei verschiedenen Gruppen — — Zuwächse bei Ausgaben und Empfängern (Gruppe 1), — Zuwächse bei Ausgaben und gleichzeitigem Rückgang der Empfängerzahlen (Gruppe 2), — Minus-Zuwächse bei Ausgaben und Empfängern (Gruppe 3) — so zeigt sich folgendes Bild: Gruppe 1 Zuwächse in % 1971 -1987

Leistungsform

Hilfe z. Überwindg. besonderer sozialer Schwierigkeiten Eingliederungshilfe für Behinderte Hilfe zur Pflege

Ausgaben

Empfänger

+ 1540,3

+ 640,0

Anteil 1987 an HBL Ausgaben

Empfanger

1,6

1,1

+

630,3 522,7

+ +

62,9 80,2

31,3 58,4

16,3 41,8

Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen

+

521,7

+

96,1

0,2

0,6

Krankenhilfe

+

224,9

+

12,7

7,5

37,5

99,0

97,3

insgesamt

+

III. Sozialhilfegewährung Nordrhein-Westfalen

65

Gruppe 2:

Leistungsform

Hilfe zur Weiterführg. des Haushalts Hilfe in anderen besond. Lebenslagen Altenhilfe

Zuwächse in % 1971-•1987

Anteil 1987 an HbL

Ausgaben

Empfänger

Ausgaben

Empfänger

+ 59,6

- 61,1

0,2

0,6

+ 46,6

- 29,5

0,0

0,3

+ 35,5

- 38,8

0,2

1,5

0,4

2,4

insgesamt Gruppe 3:

Leistungsform

Zuwächse in% 1971-•1987

Anteil 1987 an HbL

Ausgaben

Empfänger

Ausgaben

Empfänger

- 94,5

Ausbildungshilfe

- 83,0 - 81,7

- 74,3

0,1 0,0

0,3 0,0

vorbeugende Gesundheitshilfe

- 35,5

- 75,9

0,5

2,7

0,6

3,0

Tuberkulosenhilfe

insgesamt

Nur bei der Leistungsform „Aufbau zur Sicherung einer Lebensgrundlage" ergibt sich ein Fallen der Brutto-Ausgaben trotz steigender Empfängerzahlen 95. Errechnet man den Anteil der in Gruppe 1 zusammengestellten Leistungsformen an den Brutto-Ausgaben wie an den Empfängerzahlen für die Leistungsart „Hilfe in besonderen Lebenslagen", so wird die besondere Relevanz der hier feststellbaren Tendenzen deutlich: Die Leistungsformen dieser Gruppe repräsentieren ca. 99,0% der Brutto-Ausgaben und 97,3% der Empfänger für die Leistungsart „Hilfe in besonderen Lebenslagen". Absolut dominant unter diesen Leistungsformen ist die „Hilfe zur Pflege" mit 58,4% der Brutto-Ausgaben und 41,8% der Empfänger der Hilfen in besonderen Lebenslagen. 95 1971-1987: Rückgang von 43,3% bei den Brutto-Ausgaben trotz Ansteigens der Fallzahlen um 108,5%. 5 Hofmann-Hoeppel

66

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

Insgesamt gesehen liegen die Ausgabenzuwächse brutto wie netto gleichauf, wenngleich die Netto-Ausgaben, bezogen auf den Zeitraum 1971 -1987, in etwas geringerem Maße anstiegen als die Brutto-Ausgaben. Die Deckungsquote, d. h. der Anteil der Einnahmen an den Brutto-Ausgaben, nimmt dabei zwar von 32,2 % im Jahre 1971 auf 41,5% im Jahre 1987 zu; dem entspricht hinsichtlich der Steigerungsrate der reinen Ausgaben ein Prozentsatz von 500,6% gegenüber einer Zuwachsrate von 447,6% bei den Brutto-Ausgaben. Die Zuwachsrate bei den Einnahmen insgesamt betrug 606,2%, jeweils bezogen auf den Zeitraum 1971-1987: Ausgaben in % Brutto Netto 1971-1975

+ 104,8

1975-1980

+ 56,3

+ 102,0 + 50,8

1980-1987

+ 94,3

+ 97,2

1971-1987

+ 447,6

+ 500,6

Differenziert man hinsichtlich der Brutto-Ausgaben-Zuwächse nach überörtlichen und örtlichen Trägern, bei diesen wiederum nach kreisfreien Städten und Landkreisen, so weisen die überörtlichen Träger für die Beobachtungszeiträume 1971 -1975,1975 -1980 und 1971 -1987 die höchsten Zuwachsraten auf, während für 1980-1987 die Steigerungsraten bei den kreisfreien Städten am höchsten liegen. Für 1971 -1987 ergibt sich für diese eine Steigerungsrate von 530%; die der Landkreise liegt bei 450,7 % und ist damit „wesentlich" niedriger 96 : ins ges.

orti. Träger Städte Landkreise

1971- 1975

+

97,6

+ 103,3

1975- 1980

+ 40,5

1980- 1987

+ 113,7

+ 39,9 + 121,5

1971- 1987

+ 493,5

+ 530,0

überörtl. Träger

+ 90,9 + 41,3

+ 113,6 +

74,5

+ 104,1

+

76,4

+ 450,7

+ 557,5

Die hinsichtlich kreisfreier Städte und Landkreise ungleich verlaufende Entwicklung wird besonders deutlich an einer Gegenüberstellung der Brutto-Aufwendungen je Einwohner im Jahre 1987 97 : Die Durchschnittsaufwendungen der kreisfreien Städte — 335 D M je Einwohner — liegen um 76,3 % höher als die Durchschnittsaufwendungen der Landkreise mit 190 DM, wobei keine der kreisfreien Städte so niedrige Brutto-Ausgaben verzeichnet wie der Durchschnittswert 96 Vgl. hierzu Tabelle 15, jew. Spalten 1, 5, 10, 17. 97 Vgl. Schaubild 4.

III. Sozialhilfegewährung Nordrhein-Westfalen

67

der Landkreise beträgt, umgekehrt jeder Landkreis niedrigere Brutto-Ausgaben aufzubringen hat als den für kreisfreie Städte geltenden Durchschnittswert. Skaliert man innerhalb der 23 kreisfreien Städte Nordrhein-Westfalens hinsichtlich der Brutto-Ausgaben für Sozialhilfe insgesamt, der Aufwendungen für HLU und HbL sowie hinsichtlich der Aufwendungen für die Leistungsformen „Hilfe zur Pflege", „Krankenhilfe" und „Vorbeugende Gesundheitshilfe" nach „Rängen", so zeigt sich eine unmittelbare Korrelation zwischen Brutto-Ausgaben für Sozialhilfe insgesamt und den Aufwendungen für H L U 9 8 . Mit anderen Worten: Städte mit hohen Zuwachsraten für Sozialhilfeaufwand insgesamt zeichnen sich auch durch eine hohe Zuwachsrate bei den Aufwendungen für HLU aus. Diese liegen regelmäßig nicht unerheblich über jenen. Dies gilt insbesondere für den Zeitraum 1981 -1987. Die Zuwachsraten für HbL sind demgegenüber bedeutend niedriger. Berechnet man die jeweiligen Durchschnittszuwachsraten, so ergeben sich für Sozialhilfeaufwand insgesamt: Aufwendungen HLU: Aufwendungen HbL:

98,1% 122,9 % 25,7%

Wie auf Landesebene ist somit die steigende finanzielle Belastung der nordrhein-westfälischen kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe auf die exorbitanten Zuwachsraten bei den Ausgaben für die Gewährung von H L U zurückzuführen. Vergleicht man schließlich die errechneten Ergebnisse für die kreisfreien Städte Nordrhein-Westfalens mit den Angaben für die kreisfreien Städte Bayerns, so stellt man für letztere ebenfalls eine hohe Korrelation zwischen den Zuwachsraten für die Gesamtausgaben der Sozialhilfe und den Aufwendungen für HLU fest 99 . Auch hier ist der Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für die Sozialhilfe insgesamt und HLU einerseits, Aufwendungen für HbL andererseits geringer ausgeprägt. Unterschiede ergeben sich freilich in den Dimensionen: Abgesehen von den Zuwachsraten für Schwabach100 sind die Zuwachsraten der bayerischen kreisfreien Städte deutlich niedriger; für 8 kreisfreie Städte ergeben sich bei den Sozialhilfeausgaben insgesamt und bei den Aufwendungen für H L U 1 0 1 , für 10 kreisfreie Städte bei den Aufwendungen für H b L 1 0 2 Minus-Zuwächse. Dies schlägt sich auch in den errechneten Durchschnittszuwächsen bei den Kriterien

98 Vgl. Tab. 17, jew. Sp. 2, 4, 6, basierend auf den Angaben in Tab. 16. 99 Vgl. Tabelle 17, Spalten 1, 3, 5. ito Vgl. Tabelle 17, Zeile 1, jew. Spalten 1, 3, 5. ιοί Vgl. Tabelle 17, Zeilen 18-25, jew. Spalten 1, 3, 5. 102 Vgl. Tabelle 17, Zeilen 16-25, Spalte 5. 5*

68

1. Kap.: Leistungsentwicklung BRD, Bayern, Nordrhein-Westfalen

Sozialhilfeaufwendungen insgesamt: Aufwendungen HLU: Aufwendungen HbL:

27,1% 31,9 % 14,4%

nieder. Statistisch von hoher Signifikanz ist schließlich die Korrelation zwischen den bei örtlichen Trägern feststellbaren Steigerungraten bei H L U und regional konzentrierter Arbeitslosigkeit 103 . Hier schließt sich der Kreis: Regionen mit hoher arbeitsmarktpolitischer Inzidenz des Sozialhilfebezugs sind regelmäßig durch örtliche Träger der Sozialhilfe mit chronisch defizitären Verwaltungshaushalten gekennzeichnet; daß diese Regionen darüber hinaus unterproportional an den Leistungen der Arbeitsmarktpolitik profitieren, scheint demgegenüber ein eher marginaler Faktor zu sein 104 .

W3 Vgl. Kühl, Sozialhilfe und Arbeitsmarkt, in: Kitterer (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990, S. 77 ff., 80 f. m. Tab. 2. 104 Vgl. Reissert, Regionale Inzidenz der Arbeitsmarktpolitik, WZB discussion papers, FS I 88-18, S. 2.

Kapitel 2

Der statistische und normative Zusammenhang von Sozialhilfeaufwendungen, Finanzausstattung, „freier Spitze44 und Investitionsquoten I. Die verfassungsrechtliche Relevanz des statistischen Materials Die Notwendigkeit, in sich stimmiges, für die Ableitung aussagekräftiger Tendenzen aufbereitetes statistisches Material nicht nur auf der Globalebene, sondern für die betroffenen kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe darzustellen, ergibt sich aus der Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen über einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung der Kommunen deshalb keine Stellung bezog, weil es eine mangelhafte Darlegung von Fakten durch die Beschwerdeführer konstatierte: So geschehen in der sogenannten „Gewerbesteuer-Entscheidung" vom 10.6.1969 — Prüfung eines verfassungskräftigen Anspruchs auf einen bestimmten Mindestanteil eigener Einnahmen gegenüber dem Bund —, in der es diesbezüglich heißt: „Auch die Beschwerdeführerinnen verkennen nicht, daß der Bundesgesetzgeber berechtigt ist, die Höhe der Realsteuer zu ändern. Sie meinen aber, der Bund dürfe bei der Schmälerung des Realsteueraufkommens eine bestimmte Grenze nicht unterschreiten, und sie behaupten, er habe diese Grenze mit dem Steueränderungsgesetz 1961 unterschritten. Diese Behauptung haben die Beschwerdeführerinnen indessen nicht näher belegt. Es sind auch keine Indizien ersichtlich, die sie stützen könnten. Aus der Auskunft des Statistischen Bundesamts ergibt sich vielmehr, daß die kassenmäßigen Gewerbesteuereinnahmen aller Gemeinden der Bundesrepublik trotz des Steueränderungsgesetzes 1961 seit 1960 stetig zugenommen haben."1 In der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde der Landeshauptstädte München, Stuttgart sowie der Stadt Heidelberg hinsichtlich der für die Jahre 1982-1984 geltenden Regelungen über die Aufteilungen des Gemeindeanteils an der Einkommenssteuer heißt es im Zusammenhang mit der Prüfung, ob den Gemeinden über eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft hinaus auch ein Anspruch auf angemessene Finanzausstattung oder jedenfalls auf finanzielle Mindestausstattung zukomme: „Diese Frage kann auch für die vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben; denn selbst wenn die durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Finanzhoheit auch die ι BVerfGE 26, 172 ff., 184.

70

2. Kap.: Statistischer und normativer Zusammenhang

angemessene Finanzausstattung der Gemeinden mit umfassen sollte, könnten die Verfassungsbeschwerden keinen Erfolg haben. Die Beschwerdeführerinnen haben nämlich nicht hinreichend substantiiert dargelegt, daß ihre Finanzausstattung infolge der von ihnen angegriffenen Regelungen die Grenzen der Angemessenheit unterschreite. Ihrem Vortrag sind keine näheren Angaben darüber zu entnehmen, welchen Gesamtumfang ihre Finanzausstattung hat und inwieweit dieser durch die beanstandeten Vorschriften gemindert wird; vor allem haben sie nicht geltend gemacht, daß sie durch diese Minderung die ihnen obliegenden Aufgaben nicht mehr angemessen erfüllen könnten."2 Um den in der Literatur ζ. T. anzutreffenden Topos einer verfassungs- und haushaltsrechtlich wie finanzpolitisch nicht mehr hinnehmbaren Einschränkung der kommunalen Manövriermasse durch Eingriffe in die Struktur des kommunalen Finanzausgleichs3 nachvollziehbar zu machen, bedarf es daher einer auch statistisch verifizierbaren Darstellung der Gesamtsituation der kommunalen Haushalte wie des tatsächlichen Zusammenhangs zwischen der kommunalen Finanzausstattung insgesamt zur kommunalen Aufgabenerfüllung im allgemeinen, zur Erfüllung der haushaltsrechtlich im Einzelplan 4 zusammengefaßten Aufgaben der sozialen Sicherung im besonderen.

I I . Die Bedeutung der statistischen Entwicklung von Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung, „freier Spitze64 und Investitionsquoten in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht 1. Die Entwicklung auf Bundesebene a) Finanzielle Leistungen an Gemeinden und Gemeindeverbände Untersucht man die Entwicklung der finanziellen Leistungen an Gemeinden und Gemeindeverbände bundesweit, so muß man zunächst zu dem Schluß kommen, daß die Leistungsfähigkeit kommunaler Aufgabenerfüllung aufgrund der seit 1983 beobachtbaren positiven Tendenz des Finanzausgleichs in den Ländern gesteigert worden ist. Die meisten Bundesländer sind von ihrer in den frühen 2 BVerfGE 71, 25 ff., 37. 3 Zimmermann (Das System der kommunalen Einnahmen, 1988, S. 41) kommt etwa hinsichtlich Nordrhein-Westfalen zu dem Schluß, daß der Finanzausgleich durch die Umschichtung der Finanzzuweisungen von den steuerstärkeren zu den steuerschwächeren Gemeinden für die Kommunen „zu einer unkalkulierbaren Größe geworden (sei), was auf Dauer weder mit der notwendigen Stetigkeit der kommunalen Aufgabenerfüllung noch mit den steigenden Sozialhilfeausgaben vereinbar ist"; vgl. hierzu auch NWVerfGH v. 16.2.1988, DVB1 1989,151 = DÖV 1989,310 = ZkF 1989,60 = EzKommR 1700.75; zur Verfassungsmäßigkeit des Sozialhilfeansatzes nach §3a BayFAGDV 1970 vgl. BayVGH, Urt. v. 29.5.1987, EzKommR 1700.73 sowie zum Ganzen Kap. 5 ΙΠ.

71

. Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung und freie Spitze

80-er Jahren betriebenen restriktiven Finanzausgleichspolitik mit der einhergehenden Folge einer eindeutigen Priorität der Sicherung der eigenen Ausgaben vor den Finanzbedarfen der kommunalen Gebietskörperschaften inzwischen nicht zuletzt aufgrund der günstigen Entwicklung der Verbundsteuern abgerückt 4. Die Ausgabensteigerungen der Flächenländer betrugen im Durchschnitt seit 1981 2,8 % 5 ; der durchschnittliche Zuwachs der Leistungen an Gemeinden und Gemeindeverbände belief sich seit 1981 demgegenüber nur auf 1,5% 6 . Dieser niedrigere Wert ist darauf zurückzuführen, daß in den Jahren 1981/82 und 1982/ 83 Minus-Zuwächse zu verzeichnen waren (im Durchschnitt der Flächenländer - 1 , 1 % bzw. - 5 , 3 % ) . Ein Blick auf die finanziellen Leistungen der einzelnen Flächenländer zeigt freilich eine seit 1980 höchst unterschiedliche Entwicklung; für die hier besonders interessierenden Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen gilt es, festzuhalten, daß die jährlichen Durchschnittszuwächse 1980 -1987 für Bayern 1,7 %, für Nordrhein-Westfalen - 1 , 1 % betrugen. Nordrhein-Westfalen ist damit das einzige Flächenland mit einem effektiven Rückgang staatlicher Zuwendungen an Gemeinden und Gemeindeverbände in Höhe von 1,209 Mrd. D M (= 8,4%), bezogen auf die Jahre 1980-1987. Zuwächse in % 7

1980 1987 + / - in %

BW

BY

Hess.

Nds.

RhPf.

Saar

SchlH

NW

6535

3562

5234

1804

14314

4350

6701

2359 2520

622

8420

7249 8125

715

2110

13105

+ 28,9

+ 12,1

+ 22,1

+ 28,0

+ 6,8

+ 15,0

+ 17,0

-8,4

4 Vgl. hierzu eingehend Karrenberg, Hans / Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1988, Der Städtetag 1988, 63 ff., 84; Münstermann, Finanzausgleichspolitik in den Bundesländern, ZKF 1990, S. 74 ff., 76; zur Entwicklung der Kommunalfinanzen 1988 und zu den Prognosen für 1989 bzw. 1990 vgl. Robers, Kommunale Finanzen, Demokratische Gemeinde 1989, 35 ff., bzw. ZKF 1990, S. 68; zu den Reformvorschlägen des „Kronberger Kreises" vom März 1988 vgl. Frankfurter Institut (Hrsg.),Argumente zur Wirtschaftspolitik, Nr. 17,1988 sowie Noll, Eine Reform des Gemeindesteuersystems, Der Städtetag 1988, 746 ff.; zu den Grundfragen des kommunalen Finanzausgleichs vgl. Münstermann, Zum Stand der aktuellen Finanzausgleichsdiskussion, ZKF 1990, S. 7 ff., 32 ff. 5 1980/81: +2,3%; 1981/82: +3,2%; 1982/83: + 1,3%; 1983/84: +2,5%; 1984/ 85: + 3,6%; 1985/86: + 3,6%; 1986/87: + 3,1 %; vgl. KarrenbergIMünstermann, Gemeindefinanzbericht 1988, S. 85, Übersicht 12, Teil 1, Sp. 2. 6 1980/81: +0,5%; 1981/82: - 1,1 %; 1982/83: -5,3%; 1983/84: +3,8%; 1984/ 85: +3,6%; 1985/86: +4,4%; 1986/87: -4,6%; vgl. Karrenberg I Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1988, S. 85, Übersicht 12, Teil 2, Sp. 2. 7 Angaben aus Karrenberg / Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1988, S. 85, Übersicht 12, Teil 2.

72

2. Kap.: Statistischer und normativer Zusammenhang

Der sich für Bayern ergebende Zuwachs, bezogen auf die Zeitpunkte 1987 und 1980, von 12,1 % liegt knapp unter dem für alle Flächenstaaten sich ergebenden Mittelwert von 15,2%. Die „Reservekassen-Funktion" 8 des kommunalen Finanzausgleichs für die Konsolidierung der Länderhaushalte wird daran deutlich, daß die Ausgaben des Landes Nordrhein-Westfalen ohne Zahlungen an Gemeinden und Gemeindeverbände im gleichen Zeitraum um mehr als 24 % anstiegen: Zuwächse in %9 BW

BY

Hess.

Nds.

RhPf.

Saar

SchlH

1980

23928

24692

13256

1987

28374

31115

17011

+ / - in %

+ 18,6

+ 26,0

+ 28,3

+ 21,8

NW

17541

8697

2898

6172

37478

21358

11484

3839

8101

+ 32,0

+ 32,5

+ 31,3

46566 + 24,2

Die an Gemeinden und Gemeindeverbände im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs erbrachten Zuwendungen sind aber nur bedingt geeignet, Aufschluß darüber zu geben, ob und inwieweit die finanzielle Leistungsfähigkeit insgesamt gestärkt oder geschwächt wurde. Dies hängt damit zusammen, daß hinsichtlich der staatlichen Zuweisungen differenziert werden muß zwischen Zuweisungen mit Zweckbindungscharakter — besondere Finanzzuweisungen10 — und allgemeinen Finanzzuweisungen, die nicht in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang mit bestimmten Aufgaben stehen, also „frei verfügbar" sind und deshalb als eine Art Steuerersatz gelten 11 . Diese Funktion trifft allerdings nur auf die sogenannten Schlüsselzuweisungen in vollem Umfang zu, die nach der Dogmatik des kommunalen Finanzausgleichs eine doppelte Aufgabe erfüllen sollen: Verstärkung der kommunalen Finanzmasse (sogenannte fiskalische Funktion 1 2 ) und Ausgleich von Finanzkraftunterschieden zwischen einzelnen Gemeinden unter Berücksichtigung des Finanzbedarfs (sogenannte redistributive Funktion 13 ). 8 In diesem Sinne auch Karrenberg ! Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1988, S. 84; vgl. hierzu auch Karrenberg, Umverteilung des gemeindlichen Einkommenssteueranteils, ZKF 1989, 26 ff.; Münstermann, Kommunaler Finanzausgleich in den Bundesländern, Teil I: ZKF 1989, 47 f., Teil II: ZKF 1989, 102 ff., Teil III: ZKF 1989, 127 ff. 9 Angaben aus Karrenberg / Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1988, S. 85, Übersicht 12, Teil 3. 10 Vgl. hierzu Voigt, System des kommunalen Finanzausgleichs, 1980, S. 67; zur Entwicklung in den Jahren 1962-1975 vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 154 ff. Die zweckgebundenen Finanzzuweisungen werden nach neuerer Systematik unterschieden in besondere Zuweisungen und Ausgaben zur Finanzierung von Investitionen; vgl. hierzu Patzig, Strukturprobleme, DVB1 1979, 477 ff., 482. 11 Voigt, System des kommunalen Finanzausgleichs, 1980, S. 65. 12 Münstermann ! Bäcker, Finanzausgleichsleistungen an Kommunen, 1978, S. 140.

II. Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung und freie Spitze

73

Schlüsselzuweisungen stellen sich also als traditionelles Instrument des vertikalen Finanzausgleichs mit horizontaler Ausgleichswirkung dar 14 . Ihre besondere Bedeutung für die kommunale Finanzausstattung resultiert aus der Tatsache, daß wesentlicher Bestandteil der Berechnung der Bedarf, grundlegendes Kriterium der Bedarfsermittlung in der Mehrzahl der Bundesländer die sogenannte „veredelte" 1 5 Einwohnerzahl ist. Ausgangspunkt hierfür ist wiederum der Popitz'sche Erfahrungssatz 16, daß Bedarf und Einwohnerzahl direkt proportional sind 17 ; eine damit zusammenhängende Korrelation von Gemeindegröße und pro-Kopf-Ausgaben ist statistisch nachweisbar 18. b) Allgemeiner Steuerverbund und Schlüsselzuweisungen in Bayern 1975-1983 und Nordrhein-Westfalen 1975-1986 Aufgrund der Funktion der Schlüsselzuweisungen als „Steuerersatz" und ihrer freien Verfügbarkeit ist daher zu fragen, ob die Entwicklung der Rechengrößen in den einzelnen Bundesländern sowie eine für spezielle Aufgabenarten feststellbare „Unterdeckung" durch für diesen Aufgabenvollzug bestimmte besondere Finanzzuweisungen Rückschlüsse darauf zulassen, ob und inwieweit die Gemeinden gezwungen sind, Schlüsselzuweisungen für bestimmte Aufgabenfelder einzu13

Münstermann ! Bäcker, Finanzausgleichsleistungen an Kommunen, 1978, S. 140; Weber, Schlüsselzuweisungen, 1980, S. 56. 14 Denk, Der kommunale Finanzausgleich, 1978, S. 51; von Münstermann, Zum Stand der aktuellen Finanzausgleichsfunktion, ZKF 1990, S. 7 ff., 11, zu Recht als „Herzstück" eines jeden kommunalen Finanzausgleichs bezeichnet. 15 „Veredelung" bedeutet, daß bei der Feststellung der Einwohnerzahl einer Gemeinde nicht von einem einheitlichen pro-Kopf-Wert ausgegangen, sondern mit steigender Einwohnerzahl der Gemeinde der „pro-Kopf-Zählwert" jedes Einwohners um einen bestimmten Prozentsatz erhöht wird. Vgl. hierzu Patzig, Der kommunale Finanzausgleich, in: Ule, (Hrsg.), Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. Π, 1966, Teil Β IV, S. 12, sowie Denk, Der kommunale Finanzausgleich, 1978, S. 51. ι 6 Vgl. hierzu Popitz, Johannes, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, Gutachten erstellt der Studiengesellschaft für den Finanzausgleich, Berlin 1932, S. 266 ff.; zu Popitz' Bedeutung für Reichs- und Finanzreform als Staatssekretär im Reichsfinanzministerium vgl. Bentin, Lutz-Arwed, Johannes Popitz und Carl Schmitt. Zur wirtschaftlichen Theorie des totalen Staates in Deutschland (Münchner Studien zur Politik, Bd. 19), München 1972, S. 21 ff. 17 Die These vom zunehmenden Finanzbedarf je Einwohner mit wachsender Gemeindegrößenklasse wird bestritten von Stüve, Heinz, Der kommunale Finanzausgleich 1977 in Nordrhein-Westfalen, in: Mitteilungen des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes 1976,349 ff., 352, der das Ausgabenkriterium als objektives Bedarfsmerkmal schlechthin ablehnt, von Münstermann, Engelbert, Die Berücksichtigung zentral örtlicher Funktionen im kommunalen Finanzausgleich, Diss. jur. Köln 1975, S. 195 f., sowie von Denk, Der kommunale Finanzausgleich, 1978,S. 53; vgl. demgegenüber Albers, Willi, Möglichkeiten und Grenzen eines interkommunalen Finanzausgleichs, in: Kommunale Finanzreform (Schriftenreihe der Forschungsstelle der Friedrich-Ebert-Stiftung), Hannover 1962, S. 63 ff.; zur gegenwärtigen Diskussion vgl. Münstermann, Zum Stand der aktuellen Finanzausgleichsdiskussion, ZKF 1990, S. 7 ff., 11 f. 18 Denk, Der kommunale Finanzausgleich, 1978, S. 54.77.

74

2. Kap.: Statistischer und normativer Zusammenhang

setzen und damit gleichzeitig die für den Vollzug freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehende „freie Spitze" zurückzuführen. Die Schlüsselzuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände Bayerns bzw. Nordrhein-Westfalens ergeben sich für die Jahre 1975-1983 bzw. 19751986 aus nachstehenden Übersichten: Allgemeiner Steuerverbund und Schlüsselzuweisungen in Bayern 1975 -1983 19 Haushaltsjahr

Allg. Steuerverbund

darunter Schlüssel-

Anteil Sp. 3 an Sp. 2

Mio. D M

Zuweisungen

%

Mio. DM 1 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1982

2

3

4

1470,0 1554,5 1721,9 2383,7 2727,6 2958,4 3124,3 3084,7 3260,5

1042,4 1077,9 1187,3 1665,0 1962,5 2033,0 2161,5 2133,5 2110,3

70,9 69,3 69,0 69,8 71,9 68,7 69,2 69,2 64,7

Allgemeiner Steuerverbund und Schlüsselzuweisungen in Nordrhein-Westfalen 1975-1986 2 0 Haushaltsjahr

1 1975 1976 1977 1978

Allg. Steuerverbund Mio. DM

darunter Schlüsselzuweisungen Mio. DM

Anteil Sp. 3 an Sp. 2

2

3

4

6511,4 5723,5 6447,4 7903,7

4055,4 3706,1 4216,6 5176,7

62,3 64,8 65,4 65,5

%

19 Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (Hrsg.), Statistische Berichte, Staats- und Kommunalfinanzen Bayerns, Rechnungsergebnisse 1979, München, ohne Jahr, S. 3, bzw. Rechnungsergebnisse 1983, München, ohne Jahr, S. 6; für die Jahre nach 1983 liegen noch keine amtlichen Angaben vor; die Kommunalausgaben nach Ausgabearten und Körperschaftsgruppen für das Haushaltsjahr 1985 können entnommen werden Steinberger, Kommunalfinanzen Bayerns 1985, in: Bayern in Zahlen, 41. Jg. 1987, S. 127 ff.; vgl. für 1982 und 1983 Steinberger, in: Bayern in Zahlen, 38. Jg. 1984, S. 243 ff. bzw. 39. Jg. 1985, . 106 ff.

II. Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung und freie Spitze

1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986

8228,7 8881.3 9293.4 8569,0 8416,7 8510,7 9128.3 8740.4

5428,2 5990.5 6350,0 6250,0 6517,0 7005,8 7209.6 7209,6

75

66,6 67,5 68.3 72,9 77.4 82,3 79,0 82.5

Die für Bayern und Nordrhein-Westfalen feststellbaren — durchaus gegenläufigen — Tendenzen rückläufiger Anteile der Schlüsselzuweisungen am allgemeinen Steuerverbund für Bayern im Zeitraum 1975-1982, steigender Anteile der Schlüsselzuweisungen am allgemeinen Steuerverbund für Nordrhein-Westfalen im Zeitraum 1975-1986, lassen vordergründig den Schluß zu, daß kommunale Finanzkraft insgesamt und die Manövriermasse für die Besorgung freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten im besonderen im Falle Bayerns geschwächt, im Falle Nordrhein-Westfalens gestärkt worden seien. Wie ist aber dann — so bleibt zu fragen—erklärbar, daß etwa die Etatreden der Kämmerer 21 insbesondere nordrhein-westfälischer Städte eine gänzlich andere Sprache sprechen? Erklärlich wird dies nur dann, wenn die kommunale Finanzkraft „vor Ort" ungeachtet steigender Schlüsselzuweisungen dadurch beeinträchtigt wird, daß die für die Besorgung spezifischer kommunaler Aufgabenbereiche seitens des Staates zur Verfügung gestellten Finanzzuweisungen zur Abdeckung der Aufgabenerfüllung in diesen Bereichen nicht mehr ausreichen und die dadurch entstehenden , Ausfälle" auch durch die im stetigen Wachstum befindlichen gemeindlichen Steuereinnahmen 22 sowie durch die gemeindlichen Anteile an der 20 Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten 1987, S. 11. 21 Die Etatreden der städtischen Kämmerer konzentrieren sich neben den Auswirkungen der günstigen Steuerentwicklungen sowie der Steuerreform auf die kommunalen Haushalte, vor allem auf die ungebrochene Dynamik der Sozialhilfelasten in den städtischen Verwaltungshaushalten; vgl. hierzu die Zusammenstellung von Auszügen aus städtischen Haushaltsreden für 1989, in: Der Städtetag 1989, 139 ff.; für 1990 in: Der Städtetag 1990, S. 136 ff. 22 Grundsteuer A, Grundsteuer B, Gewerbesteuer (bis 1981 einschließlich Lohnsummensteuer); zur Entwicklung vgl. Karrenberg ! Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1989, Der Städtetag 1989, 86 ff., Tab. 4 a, S. 131; dies., Gemeindefinanzbericht 1990, Der Städtetag 1990, Übersichten 6 und 7, S. 91 ff. Dem Gemeindefinanzbericht 1989 lassen sich folgende Eckdaten entnehmen: Die Einnahmen aus der Grundsteuer A stagnieren im wesentlichen (1978: 0,41 Mrd. DM; 1987: 0,45 Mrd. DM); die Einnahmen aus der Grundsteuer Β weisen im Zeitraum 1978 (5,07 Mrd. DM) bis 1987 (7,46 Mrd. DM) eine Steigerung von 47% auf. Die Zunahme der Einnahmen aus der Gewerbesteuer (netto) beträgt 45,3% (1978: 18,54 Mrd. DM; 1987: 26,93 Mrd. DM); zu den Einnahmeausfällen aufgrund der Steuerermäßigungen 1986 und 1988 vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, April 1990, S. 21 ff.; zu den Defiziten infolge der Steuerreform 1990 vgl. Krähmer, KStZ 1990, S. 4 ff., mit Übersicht 2, S. 8, für die kreisfreien Städte.

2. Kap.: Statistischer und normativer Zusammenhang

76

Einkommens- und Grunderwerbssteuer 23 nicht kompensiert werden können oder aber ein immer höherer Anteil an Schlüsselzuweisungen für die Besorgung Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben eingesetzt werden muß. Dies weist auf die Notwendigkeit hin, die Entwicklung der staatlichen Zuwendungen an Gemeinden und Gemeindeverbände insgesamt, der Schlüsselzuweisungen insonderheit in Beziehung zu setzen zur Entwicklung der kommunalen Aufgabenerfüllung, insbesondere hinsichtlich des Bereiches „Soziale Sicherung". Die innere Logik dieses Vorgehens erweist sich nicht zuletzt aus der Dynamik, die den einzelnen Aufgaben- und damit Ausgabearten innewohnt. Aus nachstehender Übersicht Struktur der kommunalen Ausgabearten 1978-1987 in % 2 4 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 Personalausg. laufender Sachaufwand

31,1

30,3

29,5

30,0

30,7

31,8

31,8

31,5

31,6

32,3

17,8

18,3

18,1

18,5

18,8

19,3

20,2

20,5

20,1

19,5

11,2 Zinsausgaben 4,5 Sachinvestitionen 26,4 Baumaßnahmen 20,7

10,7

10,6

11,2 5,0

12,1 5,8

12,8

13,6

14,1 4,5

14,4

5,5

13,1 5,2

26,1 20,6

22,9 18,2

20,8 16,3

19,7 15,2

19,8 20,3 15,0 15,3

19,8

soziale Leistungen

4,3

4,5

27,6 21,4

28,3 22,3

4,9

4.2 15,1

23 Vgl. Karrenberg / Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1989, Der Städtetag 1989, 86 ff., Tab. 4 a, S. 131; dies., Der Städtetag 1990, S. 82 ff. Rückläufig sind die Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer (1978: 1,06 Mrd. DM; 1987: 0,33 Mrd. DM); dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß in NordrheinWestfalen die kommunale Grunderwerbssteuerbeteiligung ab 1987 gänzlich entfallen ist, darüber hinaus in einigen Bundesländern der Gemeindeanteil am Grunderwerbssteueraufkommen nicht mehr als unmittelbare gemeindliche Steuereinnahme, sondern als staatliche Finanzzuweisung behandelt wird. Der gemeindliche Einkommenssteueranteil weist eine Steigerungsrate von 60,4% auf (1978: 18,11 Mrd. DM; 1987: 29,05 Mrd. DM). Die Einnahmen aus sonstigen Gemeindesteuern (einschl. steuerähnlicher Einnahmen sowie ab 1982 einschl. der Lohnsummensteuerreste) stagnieren (1978: 0,48 Mrd. DM; 1987: 0,63 Mrd. DM). Die Steigerungsrate der gemeindlichen Steuereinnahmen (netto) insgesamt beträgt 48,5 % (1978: 43,67 Mrd. DM; 1987: 64,85 Mrd. DM). Eine Strukturanalyse der kommunalen Steuereinnahmen zeigt, daß Gewerbesteuer und gemeindlicher Anteil an der Einkommenssteuer nach wie vor die wichtigsten kommunalen Finanzquellen sind (für die Gewerbesteuer: 1978: 42,5%; 1987: 41,5%; 1990: 44,3%; für den Einkommenssteueranteil: 1978:41,5%; 1987:44,8%; 1990:42,5%); vgl. hierzu Karrenberg ! Münster mann, Gemeindefinanzbericht 1989, Der Städtetag 1989, 86 ff., Tab. 4 b, S. 132; dies., Gemeindefinanzbericht 1990, Der Städtetag 1990, S. 82 ff., sowie Karrenberg, Bedeutung der Gewerbesteuer, 1985. 24 Nach Karrenberg ! Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1989, Der Städtetag 1989, 86 ff., Tab. 3, 131.

II. Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung und freie Spitze

77

ergeben sich deutliche Umschichtungen innerhalb der kommunalen Haushalte: Bei relativer Konstanz der Anteile der Ausgabearten „Personalaufwand" (+ 3,5%), „laufender Sachaufwand" (+ 9,6%) und „ Z i n s a u s g a b e n " (_ 6,7%) dominieren der Rückgang der Sachinvestitionen ( - 25 %) sowie der Anstieg des Anteils der Ausgabeart „soziale Leistungen" (+ 28,6%). Nimmt man eine ähnliche Untersuchung nach Körperschaftsgruppen auf Bundesebene — hier für die kreisfreien Städte — vor, so ergibt sich: Ausgaben der Verwaltungshaushalte der kreisfreien Städte 1983-1988 in Mrd. D M 2 5 1983a) absolut Ausg. Verwaltungshaushalt Personalausgaben lfd. Sachaufwand soziale Leistungen Zinsausgaben

37,74 15,51 8,11 5,29 3,12

1984a)

1985a)

1986a)

1987a)

1988 a)b)

absol. + / - absol. + / - absol. + / - absol. + / - absol. + / -

38,94 15,67 8,58 5,66 3,12

3,2 41,17 5,7 43,19 4,9 45,09 4,4 1,0 16,25 3,7 17,14 5,4 17,91 4,5 5,8 9,20 7,2 9,56 3,9 9,70 1,5 7,1 6,56 15,9 7,32 11,5 7,72 8,1 0,2 3,14 0,6 3,08 -2,1 2,98 - 3 , 0

33,23 3,5 12,97 1,8 6,86 1,0 6,26 8,1 2,08 -1,1

a ) Ergebnisse der Vierteljahresstatistik; Gesamtrechnung ohne kaufmännisch geführte Krankenhäuser; Zahlungen der Gebietskörperschaften untereinander abgesetzt. b ) Ι.-ΠΙ. Quartal 1988.

Die für „soziale Leistungen" beobachtbaren Steigerungsraten übertreffen die bei den kreisfreien Städten für alle übrigen Ausgabenposten feststellbaren Zuwächse; sie sind mindestens doppelt so hoch wie die Zuwächse des gesamten Ausgabenvolumens des Verwaltungshaushalts.

2. Die Entwicklung der Kommunalausgaben in Bayern Eine für den Freistaat Bayern im Vergleich der Körperschaftsgruppen kreisfreie Städte, Landkreise und Bezirke vorgenommene Untersuchung zeigt, daß die kreisfreien Städte hinsichtlich der Steigerung der Kommunalausgaben insgesamt noch verhältnismäßig günstig liegen: Während der—um den Zahlungsverkehr unter den Gemeinden und Gemeindeverbänden bereinigte — Zuwachs der Kommunalausgaben für den Zeitraum 1975-1985 47,5% für alle kommunalen Gebietskörperschaften beträgt 26 , domi25

Nach Karrenber g ! Münster mann, Gemeindefinanzbericht 1989, Der Städtetag 1989, 86 ff., Tab. 5, 133. 26 Vgl. Tabelle. 18, Sp. 3; Angaben nach Steinberger, Kommunalfinanzen Bayerns, 1983, Bayern in Zahlen, 39. Jg. 1985, 106 ff.; ders., Kommunalfinanzen Bayerns 1985, Bayern in Zahlen, 41. Jg. 1987, 127 ff.

78

2. Kap.: Statistischer und normativer Zusammenhang

nieren die Bezirke mit 60,5 % 2 7 ; den geringsten Zuwachs verzeichnen die Landkreise mit 32,7 % 2 8 . Eine Mittelposition nehmen die kreisfreien Städte mit 49,6% ein 29 . Der von 1977 auf 1978 beobachtbare „Einbruch" — Minuszuwächse von insgesamt 4,7%, von 2,2% bei den kreisfreien Städten, von 14,5% bei den Landkreisen, von 17,2% bei den Bezirken — ist darauf zurückzuführen, daß die kaufmännisch geführten Krankenhäuser in der kommunalen Ausgabenstatistik nicht mehr geführt werden. Der Zeitraum 1979-1982 zeichnet sich — durchgängig für alle Körperschaftsgruppen — durch die höchsten Zuwachsraten aus. Differenziert man innerhalb des Finanzvolumens des Verwaltungshaushalts auf der Ausgabenseite nach verschiedenen Ausgabenposten, so bietet sich für Bayern ein ähnliches Bild wie auf Bundesebene: Der Ausgabeposten „Renten / Unterstützungen" — bei dem 95 % auf Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG entfallen 30 — weist im Zeitraum 1982-1985 die höchsten Steigerungsraten hinsichtlich aller Ausgabenposten des Verwaltungshaushalts auf; die Zuwachsrate liegt deutlich über der Steigerung der Ausgaben insgesamt. Bezüglich der Steigerungsraten nach Trägern gilt: Der bei den Bezirken für 1981/82 feststellbare Zuwachs von 14,0% 31 ist deutlich abgeflacht 32. Bei den kreisfreien Städten hält die Tendenz der Zuwachsraten unvermindert an und erreicht 1984/85 mit 10,5% einen Höchstwert. Für die Landkreise ergeben sich nahezu gleichbleibende Zuwachsraten auf deutlich niedrigerem Niveau als bei den kreisfreien Städten. Allerdings stellen die Ausgaben für „Renten / Unterstützungen" bei den Landkreisen einen annähernd doppelt so hohen Anteil an den Ausgaben des Verwaltungshaushalts dar als bei den kreisfreien Städten33. Eine „Spitzenposition" nehmen diesbezüglich die Bezirke ein: Hier dominieren die für „Renten / Unterstützungen" verausgabten Beträge mit Anteilen von nahezu 60% des Verwaltungshaushalts. Das hinsichtlich der Zuwachsraten für den Ausgabeposten „Renten / Unterstützungen" feststellbare Rangverhältnis von Bezirken, kreisfreien Städten und Landkreisen untereinander gilt auch für die Entwicklung der Kommunalausgaben für Leistungen nach dem BSHG nach Trägern: Im Zeitraum 1975-1984 beläuft sich der Gesamtanstieg bei den Gemeinden und Gemeinde verbänden auf 114,8 %;

27 Vgl. Tabelle 18, Sp. 9. 28 Vgl. Tabelle 18, Sp. 7. 29 Vgl. Tabelle 18, Sp. 5. 30 Steinberger, Kommunalfinanzen Bayerns 1985, Bayern in Zahlen, 41. Jg. 1987, S. 127 ff., 131. 31 Vgl. Tabelle 19, Sp. 12; Angaben nach Steinberger, Kommunalfinanzen Bayerns 1982, Bayern in Zahlen, 38. Jg. 1984, S. 243 ff., 246; ders., Kommunalfinanzen Bayerns 1983, Bayern in Zahlen, 39. Jg. 1985, S. 106 ff., 108; ders., Kommunalfinanzen Bayerns 1985, Bayern in Zahlen, 41. Jg. 1987, S. 127 ff., 130. 32 1982/83: 6,5%; 1984/85: 3,4%. 33 Vgl. Tabelle 19, Sp. 5 und 8.

II. Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung und freie Spitze

79

bemerkenswert ist die bereits bei der Betrachtung der Fallzahlenentwicklung wie der Entwicklung der Ausgaben für H L U einerseits, HbL andererseits 34 getroffene Feststellung, daß die Ausgaben für die in Einrichtungen geleisteten Hilfen Zuwachsraten von 132,6% gegenüber „nur" 83,4% verzeichnen, obwohl die Steigerungsraten hinsichtlich der Empfängerzahlen sich umgekehrt zueinander verhalten: Daß Ausgabenentwicklung und Anstieg der Leistungsbezieher nicht proportional verlaufen, hängt mit den ungleich höheren Kosten pro Leistungsempfänger im Bereich HbL als im Bereich HLU zusammen. Dokumentiert wird dies durch die Entwicklung der Anteile von Ausgaben für HbL und H L U im beobachteten Zeitraum: Der auf die Ausgaben in Einrichtungen 35 entfallende Prozentsatz erhöht sich von 63,8% im Jahre 1975 auf 69,1 % im Jahre 1984; die Aufwendungen für Leistungen außerhalb von Einrichtungen 36 sinken demgegenüber von 1975-1984 von 36,2% auf 30,9% (bezogen auf Gemeinden und Gemeindeverbände) 37. Bei den kreisfreien Städten ist die Zuwachsrate von 107,9% der Größenordnung der Steigerungsrate bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt durchaus vergleichbar. Die Zuwächse hinsichtlich der Leistungen in Einrichtungen und außerhalb von Einrichtungen unterscheiden sich aber grundlegend: Um 115,2% wachsen die Ausgaben für Leistungen außerhalb von Einrichtungen, um 89,8 % 3 8 jene von Ausgaben in Einrichtungen. Daß der Anteil der in Einrichtungen erbrachten Aufwendungen trotz der seit 1.1. 1983 in Kraft getretenen Zuständigkeitsänderung 39 nicht zu einem Rückgang des wesentlichen Anteils der hierfür aufgewendeten Beträge geführt hat, wird mit der vorläufigen Einstandspflicht der örtlichen Träger nach Art. 8 BayAGBSHG sowie mit den seitens der überörtlichen Träger erlassenen Delegationsverordnungen zusammenhängen. 34 Vgl. Kap. 1, Π.2. 35 Die Gleichsetzung von »Ausgaben für HbL" und „Ausgaben für Leistungen in Einrichtungen" ist zwar nicht korrekt und entspricht nicht der Gesetzeslage, da auch HLU in Einrichtungen gewährt werden kann. Die prozentualen Differenzen sind aber gering und können in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden. 36 Auch bei Leistungen außerhalb von Einrichtungen handelt es sich nicht notwendigerweise um HLU, da auch Leistungsformen der HbL — insbesondere die Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage (§§ 27 Abs. 1 Nr. 3, 30 BSHG), vorbeugende Gesundheitshilfe (§§ 27 Abs. 1 Nr. 3,36 BSHG), Hilfe zur Familienplanung (§§ 27 Abs. 1 Nr. 4 a, 37a BSHG), Blindenhilfe (§§ 27 Abs. 1 Nr. 8, 67 f. BSHG), Hilfe zur Weiterführung des Haushalts (§§ 27 Abs. 1 Nr. 10, 70 f. BSHG) und Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 27 Abs. 1 Nr. 11, 72 BSHG) — außerhalb von Einrichtungen erbracht werden können. Auch hier gilt jedoch — insbesondere angesichts der in den letzten Jahren beobachtbaren geringen statistischen Relevanz —, daß Überschneidungen zwischen beiden Leistungsdefinitionen außer acht gelassen werden können. 37 Vgl. Tabelle 20, Sp. 4; Angaben nach Steinberger, Kommunale Ausgaben für die soziale Sicherung, Bayern in Zahlen, 40. Jg. 1986, S. 344 ff., 345, Tabelle 2. 38 Vgl. Tabelle 20, Sp. 9 bzw. Sp. 7. 39 Vgl. Kapitel 1, FN 53.

80

2. Kap.: Statistischer und normativer Zusammenhang

Der für die Landkreise errechnete vergleichsweise geringe Gesamtanstieg der Sozialhilfeausgaben von 71,6% ist wesentlich auf die ebenfalls „geringe" Steigerung der Ausgaben für Leistungen außerhalb von Einrichtungen (50,7 %) zurückzuführen; die Entwicklung der in Einrichtungen erbrachten Ausgaben ist mit 113,8% 40 deutlich höher als die vergleichbaren Daten für die kreisfreien Städte. Am dramatischsten stellt sich die Situation bei den Bezirken dar: Der Gesamtanstieg von 139,5% „verteilt" sich mit 139,3% auf die Leistungsgewährung in Einrichtungen, während sich die überproportionale Steigerungsrate von 163,1 % 4 1 für Leistungen außerhalb von Einrichtungen aus der seit 1. 1. 1983 in Kraft befindlichen Zuständigkeitsverteilung ergibt, wonach die Bezirke für alle Leistungen an Asylbewerber, geduldete Ausländer, Aussiedler und Zuwanderer ohne Rücksicht darauf aufzukommen haben, ob die Leistungsgewährung in oder außerhalb von Einrichtungen erfolgt. Stellt man den in Tabelle 20 aufbereiteten Kommunalausgaben für die Sozialhilfegewährung die seitens der kommunalen Gebietskörperschaften für das Sachgebiet „Soziale Sicherung" 42 insgesamt erbrachten Aufwendungen gegenüber und errechnet die sich für die Gruppierungen „Verwaltung", „Kriegsopferfürsorge", „Einrichtungen der Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge", „Jugendhilfe", „Kindergärten", „Wohngeld" und „Kindergeld" ergebenden Steigerungsraten im Zeitraum 1975-1984, so weisen die in den BSHG-Vollzug fließenden Mittel zwar — nach der Gewährung von Kindergeld mit einem Zuwachs von 215,5 % 4 3 40 Vgl. Tabelle 20, Sp. 14 und 12. 41 Vgl. Tabelle 20, Sp. 20, 17, 14. 42 Nach der kommunalen Haushaltsverordnung sind Einnahmen und Ausgaben nach Aufgabenbereichen (Gliederungen) und Einnahme- bzw. Ausgabearten (Gruppierungen) zu veranschlagen. Gliederungs- und Gruppierungsplan stellen einen Einheitskontenplan nach der Ordnungstechnik des Dezimalsystems dar. Ausgaben und Einnahme der Sozialhilfe sind in Einzelplan 4 dargestellt. Die sechs wichtigsten Ausgabearten finden sich im Gruppierungsplan unter den Ziff. 73-78; nachstehend zunächst die Gliederung des Einzelplans 4: 4: Soziale Sicherung; 400: Allgemeine Sozialverwaltung (ohne Verwaltg. der Jugendhilfe, des Versicherungsamts und des Lastenausgleichsamts); 407: Verwaltung der Jugendhilfe; 408: Versicherungsamt; 409: Lastenausgleichsverwaltung; 41: Sozialhilfe nach dem BSHG; 43: Einrichtungen der Sozialhilfe und der Kriegsopferfürsorge; 44: Kriegsopferfürsorge und ähnliche Maßnahmen; 45: Jugendhilfe nach dem JWG; 460: Kindergärten; 463: Sonstige Einrichtungen der Jugendhilfe; 470: Förderung der Wohlfahrtspflege; 475: Förderung der Jugendhilfe; 487: Hilfe für Heimkehrer und politische Häftlinge; 488: Wohngeld; 489: Sonderschulgesetz; 49: Sonstige soziale Angelegenheiten (einschließlich Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz). Der Gruppierungsplan differenziert nach folgenden relevanten Hauptgruppen: 73: Leistungen der Sozialhilfe an natürliche Personen außerhalb von Einrichtungen; 74: Leistungen der Sozialhilfe an natürliche Personen in Einrichtungen; 75: Leistungen an Kriegsopfer und ähnliche Berechtigte; 76: Leistungen der Jugendhilfe außerhalb v. Einrichtungen; 77: Leistungen der Jugendhilfe in Einrichtungen; 78: Sonstige soziale Leistungen (einschließlich Kindergeld). 43 Vgl. Tabelle 21, Sp. 16; Angaben nach Steinberger, Kommunale Ausgaben für die soziale Sicherung, Bayern in Zahlen, 40. Jg. 1986, S. 344 ff., 345, Tabelle 1.

II. Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung und freie Spitze

81

— mit 130,4 9k 44 „nur" die zweithöchste Steigerungsrate auf, gefolgt von den Ausgabeposten „Einrichtungen der Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge" (96,3%), „Jugendhilfe" (82,5%), „Verwaltung" (62,9%), „Kindergärten" (50,6 %), „Kriegsopferfürsorge" (36,3 %) und „Wohngeld" (23,6 %) 4 5 . Diese statistische Rangfolge wird aber der tatsächlichen Bedeutung des Befundes nicht gerecht, da die Gewährung von Kindergeld letztendlich aus Bundesmitteln erfolgt, der Anteil der für diesen Haushaltsposten getätigten Ausgaben überdies mit 2,3 % 1975 bzw. 3,8% 1984 gering zu veranschlagen ist. Ähnliches gilt für den Bereich „Einrichtungen der Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge": Auf ihn entfallen 1975 6,2 %, 1984 6,4 % der im Einzelplan 4 getätigten Ausgaben; 3/5 der Ausgaben werden im übrigen durch Benutzungsentgelte finanziert 46 ; auch die Ausgaben für Kindergärten werden zu 43 % über Benutzungsgebühren gedeckt. Der hinsichtlich der Zuwachsraten wie hinsichtlich des Anteils am Ausgabevolumens des Einzelplans 4 bedeutsamste Haushaltsposten bleiben damit die im Vollzug des BSHG aufgewendeten Zweckkosten 47 : Sie stellen mehr als die Hälfte der für den Einzelplan 4 einzusetzenden Gesamtausgaben dar. Deren Zuwachsrate von 90,8 % ist damit im wesentlichen auf die Leistungssteigerungen im BSHGVollzug zurückzuführen. Zwar weisen auch die im Vollzug des Einzelplans 4 erzielten Gesamteinnahmen eine Zuwachsrate von 97,3% auf; diese Einnahmen decken aber — für 1984 — nur 42,0% der Ausgaben, wobei der Deckungsgrad in der Zeitreihe 1975-1984 im wesentlichen gleichblieb. Berücksichtigt man schließlich, daß der Anstieg der Gesamtausgaben für den Einzelplan 4 von 90,8 % nahezu das Doppelte der für die kommunalen Ausgaben insgesamt errechneten Zuwachsrate von 47,5 % ausmacht48, die Steigerungsrate der Leistungsgewährung nach dem BSHG mit 130,4% ihrerseits nahezu dreimal so hoch liegt, so wird die These verständlich, daß die kommunale Finanzkraft mit der Bewältigung der kritischen Situation im Bereich sozialer Sicherung steht und fällt 49 . Mit diesem Befund stimmt die Tatsache überein, daß die für den 44 Vgl. Tabelle 21, Sp. 4. 45 Vgl. Tabelle 21, Sp. 8, 10, 2, 12, 6, 14. 46 Vgl. Steinberger, Kommunale Ausgaben für die soziale Sicherung, Bayern in Zahlen, 40. Jahrg. 1986, S. 344 ff. 47 Zur Differenzierung nach Verwaltungs- und Zweckkosten und deren finanzverfassungsrechtlichen Relevanz vgl. Kapitel 4 III 5. 48 Vgl. Tabelle 18, Sp. 3. 49 Lokale und regionale Aktivitäten zur Gegensteuerung konjunktureller und sektoraler Arbeitslosigkeit sind ab etwa 1982 in steigendem Maße zu verzeichnen; Anknüpfungspunkte hierfür sind vor allem die Beschäftigungsverhältnisse nach § 19, 20 BSHG. Vgl. hierzu insb. Blanke / Heinelt l Macke, Arbeitslosigkeit und kommunale Sozialpolitik, in: Bonss / Heinze, Arbeitslosigkeit in der Arbeitsgesellschaft, Frankfurt 1984; Dies., Sozialstaat, soziale Sicherheit und Arbeitsmarkt (Diskussionspapiere und Materialien aus dem 6 Hofmann-Hoeppel

82

2. Kap.: Statistischer und normativer Zusammenhang

Leistungsbezug nach dem BSHG aufgewendeten Mittel unter den defizitären Positionen „Volksschulen", „Krankenhäuser", „Gemeindestraßen" und „Berufsschulen" sowohl dem absoluten Betrag nach wie auch hinsichtlich der Zuwachsraten dominieren, wie sich aus nachstehender Übersicht ergibt 50 : 1982

1983

1985

Sozialhilfe

1982-1985 +/-

+/-

1587 901

10,3

1809

Volksschulen

1439 952

-5,4

Krankenhäuser

835

93

-5,0

Gemeindestraßen

776

761

-1,9

955

25,5

Berufsschulen

547

505

-7,7





+/-

370 7

25,7

959

14,0 6,4

683

-13,9

-152

-22.3

179 —

0,7 23,1 —

Die soeben für die Gemeinden und Gemeindeverbände Bayerns global festgestellten Ausgabendefizite schlagen sich in den für die Verwaltungshaushalte der kreisfreien Städte Bayerns feststellbaren Brutto-bzw. Nettoanteilen der Sozialhilfeaufwendungen unmittelbar nieder 51 . Zwar sind die Dimensionen — wie etwa Forschungsschwerpunkt 19 des Instituts f. politische Wissenschaft d. Universität Hannover), Hannover 1986; Hartmann, Helmut, Die Praxis der Hilfe zur Arbeit nach dem Bundessozialhilfegesetz — Eine empirische Untersuchung über den Arbeitseinsatz von Sozialhilfeempfängern gemäß §§ 18 ff. Bundessozialhilfegesetz, Köln 1984; Trenk! Hinterherger, Peter, Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte der Hilfe zur Arbeit nach §§ 19, 20 BSHG, in: Gemeinnützige und zusätzliche Arbeit in der Sozialhilfe. Bericht über eine Fachtagung des Deutschen Vereins vom 13.-15. Dezember 1983 in Frankfurt a. M., Frankfurt 1984, S. 145 ff.; ders., Die Hilfe zur Arbeit nach §§ 19, 20 BSHG im Gefüge des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts, NDV 1984,405 ff.; Münder / Dieckmann / Popp, „Hilfe zur Arbeit" zwischen individuellen Hilfen, kommunaler Beschäftigungspolitik und sozialpolitischer Umverteilung — Ergebnisse einer Untersuchung in Hessen, in: Soziale Arbeit 35, S. 178 ff.; Reissert, Bernd, Finanzielle Spielräume für kommunale Beschäftigungspolitik?, in: Maier / Wollmann (Hrsg.), Lokale Beschäftigungspolitik, Basel / Boston / Stuttgart 1986, S. 35 ff.; Dieckmann / Münder / Popp, Dauerarbeitslosigkeit und Arbeitshilfen. Aspekte des gesellschaftlichen Umgangs mit der Dauerarbeitslosigkeit am Beispiel der „Hilfe zur Arbeit" nach dem BSHG — Ergebnis eines Forschungsvorhabens, NDV 1986, 468 ff.; Reis, Claus (Hrsg.), Die „Hilfe zur Arbeit" im Spannungsfeld von Sozialhilfe und lokalen Beschäftigungsinitiativen (Schriften allgemeinen Inhalts, Nr. 22, des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge), Frankfurt 1988; zu lokalen Initiativen vgl. Krummacher, Armut und kommunale Sozialpolitik im Ruhrgebiet — Das Beispiel Bochum, in: Armut und Reichtum, 1989, S. 231 ff., 261 ff. 50 Angaben nach Steinberger, Rolf, Kommunalfinanzen Bayerns 1982, Bayern in Zahlen, 38. Jahrg. 1984, S. 243 ff., 249; ders., Kommunalfinanzen Bayerns 1983, Bayern in Zahlen, 39. Jahrg. 1985, S. 106 ff., 109; ders., Kommunalfinanzen Bayerns 1985, Bayern in Zahlen, 41. Jahrg. 1987, S. 127 ff., 133. si Ein zunächst beabsichtigter Vergleich der Kriterien „Verwaltungshaushalt", „Bruttoanteil Sozialhilfeaufwendungen", „Nettoanteil Sozialhilfeaufwendungen", „Schlüsselzuweisungen" sowie „freie Spitze" scheitert daran, daß die seitens des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung vorgestellten jährlichen Rechnungser-

Π. Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung und freie Spitze

83

ein Vergleich zu den Rechnungsergebnissen für nordrhein-westfälische Städte zeigt — noch verhältnismäßig „bescheiden"52. Die Angaben für die Bruttoanteile der Sozialhilfeaufwendungen weisen im übrigen eine starke Schwankungsbreite auf, die von minimal 1,8% (Erlangen 1984) mit maximal 4,74% (Straubing 1984) reicht. Die durchschnittliche Bruttobelastung betrug 1983 2,8%, 1984 3,27%; der durchschnittliche Nettoanteil belief sich 1983 auf 2,05%, 1984 auf

2,22%.

Die sich für die Bruttoanteile in der Zeitreihe 1977-1984 ergebenden Steigerungsraten lassen indes deutlich werden, daß Städte mit vergleichsweise hohem Bruttoanteil der Sozialhilfeaufwendungen am Verwaltungshaushalt höhere Zuwachsraten verzeichneten als kreisfreie Städte mit einem niedrigen Sozialhilfeanteil. Dies waren entweder Ballungszentren oder Städte in wirtschaftlichen Problemregionen (Regensburg, Weiden, Straubing) 53.

3. Die Entwicklung der Kommunalausgaben in Nordrhein-Westfalen Ungleich dramatischer gestaltete sich die Situation bei den Gemeinden und Gemeinde verbänden Nordrhein-Westfalens : Während Personalausgaben und Ausgaben für laufenden Sachaufwand in der Zeitreihe 1975-1988 stagnierten bzw leicht zurückgingen 54, die Zinsausgaben — abgesehen von 1981-1985 — konstant blieben und die Investitionen für Baumaßnahmen nahezu auf die Hälfte sanken, verzeichneten die Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen einen Anstieg von 46,5%. Besonders ungünstige Angäben errechnen sich dabei für die kreisfreien Städte im Verhältnis zu den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt sowie im Verhältnis zu den Landkreisen:

gebnisse der „Staats- und Kommunalfinanzen Bayerns" (jeweils Statistische Berichte L I der betreffenden Jahrgänge) die Rubrik „Schlüsselzuweisungen" (in Tab. 4.12) erst ab dem Rechnungsjahr 1983 enthalten. Überdies liegen bis jetzt erst die Rechnungsergebnisse 1984 vor (!). 52 Vgl. Tab. 23; die Angaben für die Jahre 1977 -1980 wurden von Kemmer, Leistungsnormen des BSHG, 1982, S. 172, übernommen. Die Angaben zum Verwaltungshaushalt der Jahre 1981-1984 wurden dem Statistischen Jahrbuch deutscher Gemeinden (69. Jahrg. 1982, S. ff.; 70. Jahrg. 1983, S. 394 ff.; 71. Jahrg. 1984, S. 440; 72. Jahrg. 1985, S. 364 ff.) bzw. den Statistischen Berichten des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung entnommen (jeweils Tab. 3.10 des betreffenden Jahrgangs). Die für die Errechnung des Bruttoanteils für Sozialhilfeaufwendungen erforderlichen Daten entstammen ebenfalls den Statistischen Jahrbüchern deutscher Gemeinden (69. Jahrg. 1982, S. ff.; 70. Jahrg. 1983, S. 310 ff.; 71. Jahrg. 1984, S. 320 ff.). 53 Vgl. die Angaben in Tabelle 22. 54 Vgl. Tab. 23 A; die Angaben entstammen dem Statistischen Jahrbuch von Nordrhein-Westfalen, Jahrg. 1975-1988, jeweils Abt. XVIII (Öffentliche Finanzen), Tab. 1 (für 1975 und 1976, S. 458 ff. bzw. 446 ff.) bzw. Tab. 6 (für alle weiteren Jahrgänge). 6*

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2. Kap.: Statistischer und normativer Zusammenhang

Die kreisfreien Städte hatten nicht nur deutlich höhere Ausgaben für Personal, laufenden Sachaufwand und Zinsen zu bestreiten 55, sondern gleichzeitig eine Steigerungsrate von 75,7 % hinsichtlich der Ausgaben für Leistungen der Sozialhilfe zu verkraften. Damit liegt zwar für 1988 der Anteil des Verwaltungshaushalts, der für den BSHG-Vollzug aufgewendet werden mußte, mit 12,3% unter dem für Gemeinden und Gemeindeverbände insgesamt errechneten Wert von 14,5 % und ist drastisch niedriger als der für die Landkreise sich ergebende Wert von 24,6%; gleichwohl ist die Zuwachsrate bei den Landkreisen — freilich von einem ungleich höheren Ausgangsniveau aus — mit 22,4% deutlich geringer. Diese für die Entwicklung einzelner Ausgabepositionen des Verwaltungshaushalts der kommunalen Gebietskörperschaften festgestellten Tendenzen — überproportionale Belastung der kreisfreien Städte durch über dem Durchschnitt liegende Personalausgaben und Aufwendungen für den BSHG-Vollzug, geringere Zuwachsrate der Ausgaben für Leistungen nach dem BSHG durch die Landkreise bei deutlich höherem Ausgangsniveau — werden durch eine Betrachtung der für Sozialhilfe verausgabten Sachmittel durch die einzelnen Gebietskörperschaften Nordrhein-Westfalens in der Zeitreihe 1975-1988 bestätigt56. Hinsichtlich der Zuwachsraten dominieren die kreisfreien Städte mit 162,4% (=2.152.209.000 DM), gefolgt von den Bezirksverbänden mit 134,2% (= 1.918.362.000 DM). Die geringste Zuwachsrate von 120,0 % (= 1.120.781.000 DM) sind bei den Landkreisen zu verzeichnen, die damit unter den für Gemeinden und Gemeindeverbände errechneten Wert von 133,7% (=5.755.117.000 DM) liegen. Einzig bei den kreisfreien Städten ist eine kontinuierliche Steigerung festzustellen, die nicht von Minus-Zuwächsen unterbrochen ist 57 . Die beiden „Hoch-Zuwachsphasen" liegen für die Gemeinden und Gemeindeverbände 1979/1980 bis 1981/82 und 1984/ 85 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wobei die Werte ab 1984/85 bei den kreisfreien Städten wie bei den Landkreisen alle bisherigen Ausgabensteigerungen für den BSHG-Vollzug weit übertreffen 58. Die insbesondere ab 1984/85 errechneten exorbitanten Zuwachsraten schlagen bei den Verwaltungshaushalten ausgewählter kreisfreier Städte voll durch 59 . Der Anteil der Sozialausgaben — brutto wie netto — wies zwar durchgängige Steigerungsraten auf; er lag bei den Städten Bielefeld, Bochum, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Köln und Wuppertal 1988 mehr als doppelt so hoch wie 55 Vgl. Tab. 23 B. 56 Vgl. Tab. 24. 57 Minuszuwächse lassen sich für 1977/78 für alle drei Körperschaftsgruppen feststellen (Gemeinden und Gemeindeverbände: - 2,6%; Landkreise: - 0,5 %; Bezirksverbände: -5,0%); für die Bezirksverbände ergibt sich für 1984/85 ein weiterer Minuszuwachs von 0,9%. 58 17,5% (1984/85) bzw. 13,8% (1985/86) bei den kreisfreien Städten; 29,7% (1984/85) bzw. 15,2% (1985/86) bei den Landkreisen. 59 Vgl. Tab. 25; die Angaben wurden durch die Oberstadtdirektoren zur Verfügung gestellt, wofür an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

II. Sozialhilfeleistungen, Finanzausstattung und freie Spitze

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1975 und erreicht bei einigen Städten — Essen, Gelsenkirchen — 15% bzw. 19% (brutto), wobei auch hier das Verhältnis von Brutto- und Nettobelastung differiert. Besonders ungünstige Verhältnisse ergeben sich hier für Essen, das bei einem Bruttoanteil von 15,5% (für 1987) eine Nettobelastung von 12,9% hat; der Nettoanteil für Gelsenkirchen ist mit 8,7% (1987) unverhältnismäßig geringer 60. Die damit einhergehende Belastung der städtischen Haushalte schlägt sich insbesondere in der Entwicklung der sogenannten „freien Spitze" 61 nieder: Ungeachtet des möglichen Zusammenhangs mit anderen Variablen ist eine Korrelation zwischen dem (Brutto-)Sozialhilfeanteil und der verfügbaren „freien Spitze" nicht von der Hand zu weisen: Betrachtet man etwa die sich für Essen und Bielefeld ergebenden Kurvenverläufe, so beginnen sich für Essen ab 1985, für Bielefeld ab 1984 die Verläufe für den Sozialhilfeanteil einerseits, für die freie Spitze andererseits eindeutig auseinander zu entwickeln: Je höher der Sozialhilfeanteil am Verwaltungshaushalt, desto mehr nimmt die freie Spitze ab. Umgekehrt scheint eine Konsolidierung der freien Spitze um so eher zu gelingen, je flacher die Zuwachsrate des Sozialhilfeanteils verläuft, wie sich am Beispiel der Stadt Duisburg ergibt. Auch die für Gelsenkirchen festgestellten Verläufe zeigen, daß den Steigerungsraten des Sozialhilfeanteils „Einbrüche" hinsichtlich der freien Spitze korrespondieren 62.

60

Verhältnis Brutto- / Nettoanteil für Essen: 1,2; für Gelsenkirchen: 2,2; d. h. in Essen können nur ca. 1/5 der Bruttoaufwendungen durch „Ersatzleistungen" Drittverpflichteter kompensiert werden, in Gelsenkirchen mehr als 70%. Diese wird wie folgt definiert: Zuführungen an den Vermögenshaushalt abzüglich 1. Pflichtzuführungen (ordentliche Tilgung von Krediten sowie Kreditbeschaffungskosten gem. § 22 Abs. 1 GemHVNW); 2. Entnahmen aus der allgemeinen Rücklage zur Verminderung des Fehlbetrages. 62 Vgl. Schaubild 5.

Kapitel 3

Die Klassifizierung des BSHG-Vollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der kreisfreien Städte im Lichte von Regelungstradition, Dogmatik und Systematik von Sozialhilfe- und Kommunalrecht I. Die kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe nach § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayAGBSHG, § 1 Abs. 1 NWAGBSHG § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG bestimmt die kreisfreien Städte und Landkreise zu örtlichen Träger der Sozialhilfe; die Bestimmung der überörtlichen Träger der Sozialhilfe ist hingegen gem. § 96 Abs. 2 Satz 1 BSHG den Ländern überlassen. § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG erweist sich daher als Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit und trägt insoweit Ausnahmecharakter, als es dem Bund regelmäßig verwehrt ist, in die den Ländern gem. Art. 30,83 GG gewährleistete Verwaltungshoheit durch Bundesgesetz einzugreifen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.7.19671 eine solche Regelungskompetenz des Bundes in bezug auf die Einrichtung und das Verfahren kommunaler Behörden für verfassungsrechtlich zulässig gehalten, sofern dies für die Gewährleistung eines wirksamen Gesetzesvollzuges notwendig ist. In diesem Zusammenhang war die alte Fassung von § 96 Abs. 1 Satz 2 BSHG, der den Vollzug des BSHG durch die Gemeinden und Gemeindeverbände als Selbstverwaltungsangelegenheit regelte, für verfassungswidrig erklärt worden, da es sich bei der „Einschaltung der Gemeinden in den Vollzug der Bundesgesetze durch den Bundesgesetzgeber immer nur um punktuelle Annexregelungen zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handeln (könne). Wenn die Annexregelung für den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des Gesetzes nicht notwendig ist, so liegt darin ein unzulässiger Eingriff in die Verwaltungskompetenz der Länder. Im vorliegenden Fall kann die Bestimmung der Aufgabe zur Selbstverwaltungsangelegenheit zum wirksamen Vollzug der materiellen Regelung nicht beitragen." 2

ι BVerfGE 22, 180 ff. 2 BVerfGE 22, 180 ff., 210.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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In wörtlicher Wiederholung bestimmen daher Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayAGBSHG vom 1.6.1962 3 und § 1 Abs. 1 NWAGBSHG vom 25.6.1962 4 die kreisfreien Städte und Kreise zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe. Vom Regelungsgehalt kommt daher Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayAGBSHG wie § 1 Abs. 1 NWAGBSHG im Verhältnis zu § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG nur deklaratorische Funktion 5 zu. Die Kostentragungspflicht der örtlichen Träger der Sozialhilfe ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 BayAGBSHG bzw. § 5 Abs. 1 NWAGBSHG. Beide Normen sind zunächst nur Ausprägungen des Grundsatzes von der der Aufgabenlast folgenden Ausgabenlast. Über die Frage der Mittelaufbringung durch kreisfreie Gemeinden und Landkreise als örtliche Träger der Sozialhilfe sowie über die Frage der Kostendeckung gegenüber Land oder Bund treffen BSHG, BayAGBSHG und NWAGBSHG keine Aussage. Eine solche Regelung kann folglich nur in den Gemeindeordnungen, den Finanzausgleichsgesetzen (bzw. NWGFG) oder aber in den Landesverfassungen gefunden werden.

I I . Zur Sachgerechtigkeit der Klassifizierung des BSHG-Vollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit Die Frage, ob die Sozialhilfegewährung als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit zum gemeindlichen Wirkungskreis zu zählen ist, ist nicht nur für die dogmatische Stellung innerhalb der Aufgabensystematik, sondern auch für die Frage einer möglichen Verletzung der kommunalen Finanzhoheit relevant. Dies ergibt sich daraus, daß das Bundesverfassungsgericht u. a. in der sogenannten 3 i. d. F. d. Bek. v. 21.9.1982 (BayRS 2170-A), geänd. durch § 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes v. 20.12.1983 (GVB1 1983, S. 1107). 4 GVNW 1962, S. 344. 5 Dies ergibt sich im übrigen auch aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 6.2.1962 (Landtag Nordrhein-Westfalen, 4. Wahlperiode, Bd. 5, Drs. Nr. 691, Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, A 0303/82 C, 4. Wahlperiode), in dessen Begründung es u. a. heißt: „Da die örtlichen Träger der Sozialhilfe durch § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG bundesrechtlich bestimmt sind, ist für eine — wenn auch gleichlautende — konstitutive Vorschrift in den Ländergesetzen aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Raum mehr. Im Interesse einer geschlossenen Systematik und besserer Verständlichkeit und Lesbarkeit des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (AGBSHG) erscheint es gleichwohl zweckmäßig, ausdrücklich anzuführen, wer die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind. Um verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen auszuräumen, ist es angebracht, durch den Hinweis auf § 96 Abs. 1 Satz 1 und 2 BSHG deutlich zu machen, daß es sich nicht um eine konstitutive, sondern um eine lediglich deklaratorische Vorschrift handelt." (Eingangswortlaut der Ziff. II der Begründung zum o. g. Gesetzentwurf) Ähnliches ergibt sich auch aus dem Protokoll über die — nicht öffentliche — gemeinsame Sitzung des Sozialausschusses und des kommunalpolitischen Ausschusses des Landtages Nordrhein-Westfalen v. 5.4.1962 (Diskussionsbeitrag Ministerialrat Steffen, Protokoll Nr. 1927, 1928/62, S. 9).

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

„Schulträger-Entscheidung" 6 einen rechtlichen Konnex zwischen Aufgabenübertragung — in der angesprochenen Entscheidung in der Form des Aufgabenentzugs durch zwangsweise Übertragung auf einen Zweckverband — und Finanzhoheit dergestalt sieht, daß eine Art. 28 Abs. 2 GG entsprechende Aufgabengestaltung gleichzeitig bedeutet, daß die daraus folgende Auferlegung von Kosten nicht gegen die gemeindliche Finanzhoheit verstoßen kann 7 . Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß die kommunale Finanzhoheit dem Grundsatze nach ein Teilelement der umfassenden, andere Teilelemente — die Planungs-8, Personal- 9, Rechtsetzungshoheit10 — enthaltenden kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist und demzufolge jede Verletzung eines der Teilelemente kommunaler Selbstverwaltungsgarantie prinzipiell geeignet ist, gleichzeitig andere Teilelemente in rechtswidriger Weise zu berühren bzw. zu verletzen. Aus dem Zusammenhang von Aufgabensystematik, d. h. der Frage nach einer verfassungskonformen Zuordnung des Aufgabenvollzugs zu den gemeindlichen 6 BVerfGE 26, 228 ff. 7 BVerfGE 26, 228, 244. 8 Einigkeit herrscht in Rechtsprechung und Lehre darüber, daß die gemeindliche Planungshoheit ein Element des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts darstellt (vgl. hierzu Stern, Bonner Kommentar, Art. 28, Rn. 100; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, S. 77 ff.; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 70; umf. hierzu: Widera, Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, Berlin 1985). Das Bundesverfassungsgericht läßt nach wie vor offen, „ob und in welchem Umfang die Planungshoheit der Gemeinden zu dem unantastbaren Kernbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gehört" (BVerfGE 52,95 ff., 117; 56,298 ff., 312; vgl. zu diesem sogenannten,,Ruglärm-Beschluß"Z?/w/we/, Festsetzung von Lärmschutzbereichen, VerwArch 73 (1982), 329 ff.; Weyreuther, Abwägung der gemeindlichen Belange, DÖV 1982,173 ff.). Aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgericht v. 9.12.1987 (BVerfGE 77, 288 ff. = NJW 1988, 2032 ff. = NVwZ 1988, 619 ff. = DVB1 1988, 482 ff. = Knemeyer / Hofmann, Entscheidungssammlung zum Kommunalrecht, 2. Erg.Lfg. 1989, Nr. 1500.102 bzw. 2700.12 m. Anm. Hofmann) ergibt sich, daß der Bund durch die §§2 Abs. 1,4, 157 BBauG von seiner punktuellen Annexkompetenz zur Regelung der Trägerschaft der Bauleitplanung umfassend Gebrauch gemacht hat; a. Α.: Bay VGH, BayVBl 1986, 432 ff. = Knemey er / Hofmann, Entscheidungssammlung zum Kommunalrecht, Nr. 2700.11; vgl. hierzu Zöllner, Bauleitplanung im gemeindefreien Gebiet?, BayVBl 1987, 549 ff. und Hofmann, Anmerkung zum o. g. Beschluß des BayVerfG, EzKommR, 2700.11). 9 Vgl. hierzu Hintzen, Johannes, Die Personalhoheit der Gemeinden, in: Püttner, Günter (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl. 1983, Bd. 3, S. 218 ff.; Lecheler, Helmuth, Die Personalhoheit der Gemeinden, in: von Mutius, Albert (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft (Festschrift für GeorgChristoph von Unruh), Heidelberg 1983, S. 541 ff. 10 Vgl. hierzu Schmidt-Assmann, Eberhard, Die kommunale Rechtsetzung im Gefüge der administrativen Handlungsformen und Rechtsquellen (Studien zum öffentlichen Recht und zur Verwaltungslehre, Bd. 26), München 1981; ders., Die kommunale Rechtsetzungsbefugnis, in: Püttner, Günter (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl. 1983, Bd. 3, S. 182 ff.; Scholler, Heinrich, Die Gemeinde als Gesetzgeber, in: Püttner, Günter (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl. 1982, Bd. 2, S. 165 ff.; Spanner, Hans, Grenzen des Rechts zum Erlaß von Verordnungen und Satzungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, BayVBl 1986, 225 ff.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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Selbstverwaltungsangelegenheiten und der Frage einer verfassungswidrigen Beschränkung kommunaler Finanzhoheit ergibt sich die Notwendigkeit, die durch die herrschende Meinung vorgenommene Deklarierung der Sozialhilfegewährung als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Ergibt diese Prüfung, daß es sich nicht um eine Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit, sondern um eine vom Staat übertragene Aufgabe handelt, so ist damit gleichzeitig die grundsätzliche Geeignetheit des Übertragungsakts dargetan, in verfassungswidriger Weise in die kommunale Finanzhoheit einzugreifen, wenn eine entsprechende Finanzierungsregelung unterblieben ist 1 1 . Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Nordrhein-Westfälische Kommunalverfassung dem sogenannten Weinheimer Entwurf vom Juli 1948 12 gefolgt ist und demzufolge nur noch „eigene Angelegenheiten" der Gemeinden kennt.

1. Zur Relevanz der sozîalhilferechtlichen Regelungstradition von der „Lokalarmenpflege" des 19. Jahrhunderts zum Leistungsnetz des BSHG Die von der herrschenden Meinung nach wie vor vorgenommene Klassifizierung der Sozialhilfegewährung als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit steht in engem Zusammenhang mit dem „historisch hergebrachten Bild" des Aufgabenfeldes sozialer Vor- und Fürsorge, wie sie sich seit der „Lokalarmenpflege" des 19. Jahrhunderts entwickelt hat 13 . Der „geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen" eines Aufgabenfeldes 14 kommt in der Rechtsprechung des Bundesn Vgl. hierzu Kapitel 4, II. ι 2 Abgedr. bei: Markuli, Fritz, Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein v. 24.1.1950, Göttingen 1950, S. 163 ff.; vgl. hierzu auch Körte, Heinz-Walter, Die Aufgabenverteilung zwischen Gemeinde und Staat unter besonderer Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips, Diss. jur. Würzburg 1968, S. 5 ff.; Dehmel, Hans-Hermann, Ubertragener Wirkungskreis. Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben nach Weisung. Die Durchführung staatlicher Aufgaben durch die Gemeinden — Grundlagen und Wandlungen (Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 113), Berlin 1970, S. 83 f. sowie Erichsen, Kommunalrecht, 1988, S. 26. ι 3 Vgl. hierzu Gröttrup, Hendrik, Die kommunale Leistungsverwaltung, Stuttgart/ Berlin/Köln/Mainz 1973, S. 95; Pagenkopf, Hans, Kommunalrecht, Bd. 1, Köln/ Berlin / Bonn / München 1976, S. 171 f.; Klüber, Hans, Das Gemeinderecht in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, Berlin / Heidelberg / New York 1972, S. 38; Gönnenwein, Otto, Gemeinderecht, Tübingen 1963, S. 92; Kemmer, Die Leistungsnormen des BSHG, 1982, S. 84 ff.; Sachsse I Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge, 1980, S. 179 ff.; Flierl, Freie und öffentliche Wohlfahrtspflege, 1982, S. 160 ff. 14 Für die Fürsorgeerziehung vgl. BVerfGE 22, 180 ff., 206 f.; für den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung vgl. BVerfGE 22, 180 ff., 205; 26, 228 ff., 238 u. Verw. auf BVerfGE 17, 172, 182; 23, 353, 366.

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

Verfassungsgerichts eine — wenn auch nur mittelbare — Relevanz zu 1 5 . Von daher ist es erforderlich, in aller gebotenen Kürze auf die historische wie rechtshistorische Entwicklung des „Wohlfahrtswesens" einzugehen. a) „Reichsverordnung über die Für Sorgepflicht" und „Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge" Unmittelbare Vorläufer des am 1.6.1962 in Kraft getretenen Bundessozialhilfegesetzes vom 30.6.1961 (§ 153 BSHG) waren die „Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht" vom 13.2.1924 16 sowie die „Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge" vom 4.12.1924 17 . Die „Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht" stellte sich als Vollzug von Art. III, § 42 Abs. 1 der Dritten Steuernotverordnung vom 14.2.1924 18 dar, die die Aufgaben der Wohlfahrtspflege, des Schul- und Bildungswesens und der Polizei den Ländern nach Maßgabe näherer reichsrechtlicher Vorschriften zur selbständigen Regelung und Erfüllung überließ. Gemäß Art. III, § 42 Abs. 1 Satz 2 der Dritten Steuernotverordnung bestimmten die Länder, inwieweit die Gemeinden (Gemeindeverbände) an der Erfüllung der einzelnen Aufgaben zu beteiligen waren. § 1 Satz 1 der „Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht" bestimmte die Landes- und Bezirksfürsorgeverbände zu Trägern der in § 1 aufgeführten öffentlich-rechtlichen Fürsorgeaufgaben, da ihnen gem. § 1 Satz 2 auch die Armenfürsorge oblag; gem. § 2 Abs. 1 Reichsverordnung bestimmte das Land, wer Landesbzw. Bezirksfürsorgeverband war. Die „Reichsgrundsätze über Voraussetzungen, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge" waren ihrerseits Konkretisierung von § 6 Abs. 1 Reichsfürsorgeverordnung, nach dem die Bestimmung von Voraussetzung, Art und Maß der zu gewährenden Fürsorge den Ländern „im Rahmen der reichsrechtlichen Vorschriften" 15

Vgl. hierzu die Formulierung in BVerfGE 26, 228 ff., 238: „In erster Linie kommt es auf die Auslegung des Grundgesetzes an, sofern es zu dem in Frage stehenden Sachgebiet kommunaler Betätigung Regelungen enthält. Im übrigen ist bei der Bestimmung des Kernbereichs der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung zu tragen." 16 GBl 1924 I, S. 100. π RGBl 1924 I, S. 765, geänd. durch Verordnung v. 29.3.1928; vgl. hierzu Syrupi Neuloh, Hundert Jahre staatliche Sozialpolitik, 1957, S. 387; Bechtel, Godelinde, Selbstverwaltung und Auftragsverwaltung im Wohlfahrtswesen, 1962, S. 28; Nees I Neubig I Zuodar, Sozialhilfe, 1986, Rz. 1.5.3 und 1.5.4, S. 28 ff. Zu den Anfängen der bayerischen ,,Lokalarmenpflege'' durch Verordnung vom 17.11.1816 vgl. Staatsministerium des Innern (des Königreichs Bayern), Instruktion über die Behandlung des Armenwesens nebst der desfallsigen Allerhöchsten Verordnung vom 17. November 1816 und Inhaltsübersicht der Instruktion, Würzburg (ohne Jahr), S. 1 ff. is RGBl 1924 I, S. 74 ff.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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zukam. Gem. § 6 Abs. 2 Reichsfürsorgeverordnung waren die Reichsgrundsätze mit Zustimmung des Reichsrats ergangen. Gem. § 2 Abs. 3 Reichsfürsorgeverordnung waren die Länder ermächtigt, Gemeinden oder Gemeindeverbände zu Bezirksfürsorgeverbänden zu erklären. Das Land bestimmte gem. § 2 Abs. 4 Reichsfürsorgeverordnung, wie der Aufwand der Fürsorgeverbände zu decken war. Anknüpfungspunkt für die Hilfegewährung war gem. § 7 Abs. 2 Reichsfürsorgeverordnung der gewöhnliche Aufenthalt. Diese Regelung ersetzte die Bestimmung des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz in der Fassung vom 30.5.1908 19 , nach dem Anknüpfungspunkt der Wohnsitz des Hilfesuchenden war. Das Unterstützungswohnsitzgesetz wurde demgemäß durch § 29 Satz 1 Reichsfürsorgeverordnung aufgehoben. Die Anspruchsvoraussetzungen über die Gewährung öffentlicher Fürsorge ergaben sich aus den oben genannten „Reichsgrundsätzen über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge"; gem. § 2 Abs. 1 Satz 1,1. Halbs. Reichsgrundsätze mußte die Fürsorge rechtzeitig einsetzen; sie war nicht von einem Antrag abhängig (§ 2 Abs. 1 Satz 1,2. Halbs. Reichsgrundsätze). Der notwendige Lebensbedarf im Sinne von § 6 Reichsgrundsätze hatte sich gem. § 10 Abs. 1 Reichsgrundsätze nach der Besonderheit des Falles zu richten, namentlich nach Art und Dauer der Not, nach der Person des Hilfebedürftigen und den örtlichen Verhältnissen. Die Hilfe konnte gem. § 11 Satz 1 Reichsgrundsätze in Geld, Sachleistung oder persönlicher Hilfe bestehen und in offener oder geschlossener (Anstalts-)Pflege gewährt werden. Ausländern war im Falle der Hilfsbedürftigkeit Lebensunterhalt, insbesondere Unterkunft, Nahrung, Kleidung und Pflege sowie Krankenhilfe zu gewähren (§ 34 Satz 1 Reichsgrundsätze). Die übrigen Bestimmungen der Reichsgrundsätze galten für Ausländer nur, soweit es die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats oder ein Staatsvertrag bestimmten.

RGBl 1908 I, S. 381; nach § 9a UnterstützungswohnsitzG wurde der sogenannte Unterstützungswohnsitz durch ununterbrochenen einjährigen Aufenthalt innerhalb eines Ortsarmenverbandes (§10 Abs. 1 UnterstützungswohnsitzG) erworben. Diese — auf das preußische Gesetz v. 21.5.1855 zur Ergänzung der Gesetze v. 31.12.1842 über die Verpflichtung zur Armenpflege und die Aufnahme neu anziehender Personen (PrGS 1855, S. 311; abgedr. auch bei Sachsse / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge, 1980, S. 280 f.) — zurückgehende Regelung stand im Gegensatz zu § 11 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes über die öffentliche Armen- und Krankenpflege v. 29.4.1869 i. d. F. d. Bek. v. 30.7.1899, nachdem Anknüpfungspunkt für die Unterstützungspflicht der Gemeinden nicht der Aufenthaltsort, sondern das sogenannte Heimatrecht der hilfsbedürftigen Person war. Das am 30.6.1913 verkündete Reichsgesetz zur Einführung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz im Königreiche Bayern führte zum Erlaß des Bayerischen Armengesetzes v. 21.8.1914 (GVB1 1914, S. 541 ff.), das das öffentliche Fürsorgewesen in Bayern an die reichsrechtliche Regelung anglich; vgl. hierzu Poll, Wolfgang, Das Unterstützungswohnsitzgesetz und das Bayerische Armengesetz, 2. Aufl., München, Berlin und Leipzig 1921, § 2, Anm. 1, S. 18 f. sowie Hofmann, Vom „Verband der Landgemeinden Bayerns e. V." zum „Bayerischen Gemeindetag", in: Knemeyer, (Hrsg.), Bayerische Gemeinden — Bayerischer Gemeindetag, 1987, S. 1 ff., 17 f.

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

Nach der Fürsorgepflichtverordnung in der Fassung des Gesetzes vom 8.6.1926 20 sollten die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen den örtlichen Verhältnissen angepaßte Richtsätze für die Bemessung des notwendigen Lebensbedarfs des Hilfebedürftigen im Sinne von § 6 Reichsfürsorgeverordnung aufstellen. Eine erste gravierende Änderung trat durch die Notverordnung vom 5.6.1931 21 ein; sie trug der Tatsache Rechnung, daß die Reichsgrundsätze bereits eine umfassende und ins einzelne gehende Regelung des materiellen Fürsorgerechts getroffen hatten, obwohl sich die Grundsätze der Reichsregierung gem. § 6 Abs. 2 der Reichsfürsorgeverordnung auf Richtlinien für die Bestimmungen der Länder hätten beschränken können. Angesichts des umfassenden Regelungscharakters der Reichsgrundsätze waren die Länder im wesentlichen zu der Bestimmung übergegangen, daß die Fürsorge nach den Reichsgrundsätzen zu gewähren sei. Die Notverordnung vom 5.6.1931 trug dieser tatsächlichen Entwicklung insoweit Rechnung, als die Vorschriften über Voraussetzung, Art und Maß der Fürsorge mit Zustimmung des Reichsrats von der Reichsregierung zu erlassen waren, die Länder folglich nur im Rahmen dieser Vorschriften weitere Bestimmungen treffen konnten. 20 RGBl 1926, I, 255; dieses Gesetz trat gem. Art. 2 S. 2 „an die Stelle des vom Reichstag am 14. Juli 1925 beschlossenen Gesetzes zur Abänderung der Fürsorgepflichtverordnung", das wegen verfassungsrechtlicher Bedenken (vgl. Deutscher Reichstag, III. Wahlperiode, Drs. Nr. 1464, 1483, 1696, 1774, 2127) nicht verkündet worden war. 21 Zweite Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen, RGBl 1931, I, S. 279 ff., 5. Teil, Kap. VIII, Art. 1 Ziff. 3 a (S. 306). Die durch die Notverordnung v. 5.6.1931 auf dem Gebiet des Fürsorgewesens eintretenden Änderungen waren erheblicher Natur und betrafen sowohl die finanzwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Reich und Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden als Bezirksfürsorgeverbände (4. Teil, Kap. II, Art. 1-3, S. 302 ff.) als auch die Voraussetzungen des Hilfebezugs (Änderung von § 12 Abs. 2 RFVO durch 5. Teil, Kap. VIII, Art. 1 Ziff. 6, S. 306 sowie von § 38 RFVO durch Art. 1 Ziff. 19, S. 308) wie die Grundlagen von Erstattungsansprüchen des Fürsorgeverbandes gegenüber dem nach anderen Rechtsgründen Unterhaltsverpflichteten (§§ 210, 22, 23, 25, 25 a-c n. F. gem. 5. Teil, Kap. VIII, Art. 1 Ziff. 10-14, S. 306 ff.). Zur Erleichterung der Gemeinden und Gemeindeverbänden obliegenden Wohlfahrtslasten stellte das Reich einen aus dem nach § 22 FAG vorab auszuscheidenden Betrag von 60 Mio. RM zur Verfügung (4. Teil, Kap. II, Art. 1 Abs. 1 Ziff. 2, S. 302); an der Verteilung (vgl. 4. Teil, Kap. II, Art. 2, §§ 4,5: Teilungsmasse A für städtische, Teilungsmasse Β für ländliche Bezirksfürsorgeverbände) waren beteiligt städtische und ländliche Bezirksfürsorgeverbände, in denen die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen am 31.3.1931 höher war als 75 % des Reichsdurchschnitts der jeweiligen Größengruppe (4. Teil, Kap. II, Art. 2, § 2 Abs. 1 Ziff. 1, 2); die Beteiligung war u. a. daran geknüpft, daß „die Richtsätze für die laufende Unterstützung in der allgemeinen Fürsorge bezüglich der außerdem gewährten Leistungen, auf die einzelne Partei gerechnet, das Maß des Erforderlichen und Angemessenen nicht überschreiten" (4. Teil, Kap. II, Art. 2 § 2 Abs. 1 Ziff. 3 c). Gem. Art. 2, § 7 II 1 hatte das Reich den Ländern die auf die einzelnen Bezirksfürsorgeverbände entfallenden Beträge zum 15. jeden Monats zu überweisen. Die Länder waren ihrerseits gehalten, diese Beträge den Bezirksfürsorgeverbänden am 25. jeden Monats zukommen zu lassen (Art. 2 § 7 Abs. 2 S. 2).

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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Syrup / Neuloh treffen in diesem Zusammenhang folgende Feststellung: „Diese Vorschrift bedeutete eine Vereinheitlichung des Fürsorgerechts für das Reichsgebiet. Es war nicht zu verkennen, daß gewichtige Gründe für diese Konzentration der Fürsorgeregelung sprachen. Fürsorge wurde damit im Grunde genommen zu einer Staatsaufgabe und die Gemeinden wurden, wenn auch nicht äußerlich, so doch dem Wesen nach zu staatlichen Vollzugsorganen. Es hätte nahegelegen, in folgerichtiger Durchführung dieses Gedankens eine Reichsfürsorgeverwaltung aufzubauen, in der Träger und Organe der öffentlichen Fürsorge in einer zentral geleiteten und dezentralisiert durchgeführten Reichsverwaltung verschmolzen worden wären. Pläne dieser Art hatten mehrfach bestanden und auch Ansätze dazu waren vorhanden, wie es das Beispiel der Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene zeigte. Man hatte doch mit Recht von solchen Plänen und dem Aufbau einer neuen Reichssonderverwaltung abgesehen. Fürsorge blieb Gemeindeaufgabe." 22 Die auf die Notverordnung vom 5.6.1931 gestützte Novellierung der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 1.8.1931 änderte an dem Grundsatze nichts, daß Voraussetzungen, Art und Maß der Fürsorgegewährung von Reichs wegen geregelt wurden. Die Notverordnung vom 14.6.1932 23 schließlich, die unter dem Abschnitt „Erleichterung der Wohlfahrtslasten der Gemeinden" den Gemeinden einen Betrag in Höhe von 672 Mio. Reichsmark für das Rechnungsjahr 1932 zur Verfügung stellte, der schlüsselmäßig umzulegen war, normierte Grundsätze für das gemeindliche Haushaltswesen, die das Etatrecht der Gemeindeverwaltungen beschränkten und Ländern wie Reich ein eingehendes Kontrollrecht über die Haushaltsführung der Gemeinden einräumte 24. Die Verordnung der Regierung von Papen zur Ergänzung von sozialen Leistungen vom 19.10.1932 25 bestimmte, daß für die Bemessung des notwendigen Lebensunterhalts der Hilfebedürftigen Richtsätze festzusetzen seien, die den örtlichen Verhältnissen angepaßt werden mußten. Für den Fall der Delegation der Festsetzung der Richtsätze durch die obersten Landesbehörden an die Verwaltungsorgane des Bezirksfürsorgeverbandes (Kreisausschuß bzw. Stadtverordnetenversammlung) wurde das Festsetzungsrecht des Vorsitzenden des betreffenden Verwaltungsorgans normiert.

22 Vgl. Syrup I Neuloh, Hundert Jahre staatliche Sozialpolitik, 1957, S. 393. 23 Verordnung des Reichspräsidenten über Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialversicherung sowie zur Erleichterung der Wohlfahrtslasten der Gemeinden, RGBl 1932, I, S. 273. 24 RGBl 1932,1, S. 273 ff., 2. Teil, Art. 2 §§ 4, 12, 13, S. 279 f.; vgl. Syrup / Neuloh, Hundert Jahre staatliche Sozialpolitik, 1957, S. 396. 25 RGBl 1932 I, S. 499, Art. 6 Abs. 1 ff., 2. Teil, Art. 1 Abs. 1 S. 1.

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

b) Die Regelungssystematik

von Reichsfürsorgeverordnung

und BSHG

Dieser kursorische Überblick über die Entwicklung der öffentlichen Fürsorge zur Zeit der Weimarer Republik mag genügen, um darzutun, daß sich die Regelungssystematik der Reichsfürsorgeverordnung grundsätzlich von der des BSHG unterschied: Die Bestimmung der Aufgabenträgerschaft oblag gem. § 2 Abs. 1 den Ländern, welche gem. § 2 Abs. 4 Reichsfürsorgeverordnung bestimmten, wie der Aufwand der Fürsorgeverbände zu decken sei. Eine nicht unerhebliche „Verreichlichung" trat allerdings durch die Reichsgrundsätze ein, mit denen das Reich von der in § 6 Abs. 2 Reichsfürsorgeverordnung eingeräumten Kompetenz der Aufstellung von Grundsätzen erschöpfend Gebrauch gemacht hatte. Die durch die Änderung der Reichsfürsorgepflichtverordnung durch die Notverordnung vom 5.6.1931 eingetretene Konzentration der Fürsorgeregelung sprach dogmatisch dafür, daß es sich bei der Gewährung öffentlicher Fürsorge um eine reichseinheitlich geregelte Staatsaufgabe handelte, die Bestimmung der Fürsorgeaufgabe als gemeindliche Angelegenheit daher lediglich deklaratorisch war. Freilich stand der von Reichs wegen auferlegten gemeindlichen Aufgabe „Fürsorgewesen" die Tatsache gegenüber, daß es das Reich selbst war, das den Gemeinden finanzielle Mittel zur Bestreitung der Wohlfahrtslasten zur Verfügung stellte. Im übrigen datieren die Zweifel, ob es sich beim öffentlichen Fürsorgewesen nicht um eine staatliche Aufgabe handelte, nicht erst seit den Novellierungen der Reichsfürsorgeverordnung. Bereits bei den Beratungen des Reichstages über das Unterstützungswohnsitzgesetz vom 6.6.1870 — seit der Novellierung vom 12.3.1894 26 in Geltung bis 1918 — war die grundsätzliche Frage aufgeworfen worden, ob die Pflicht zur Unterstützung hilfsbedürftiger Personen eine Aufgabe des Staates oder der Gemeinden sein sollte. Seit dem sogenannten Freizügigkeitsgesetz des Norddeutschen Bundes aus dem Jahre 1867 27 , das die persönliche Freizügigkeit der Staatsbürger auf alle Bundesstaaten erstreckte, und seit der Ausdehnung des preußischen Armengesetzes 28 auf das Bundesgebiet — wonach jeder Deutsche in jedem Bundesstaat in bezug auf Art und und Maß der öffentlichen Unterstützung sowie auf Erwerb des Unterstützungswohnsitzes als Inländer zu behandeln war — befand sich die Anschauung im Vordringen, es sei Verpflichtung des Staates, für die Unterstützung der Staatsbürger aufzukommen. In einer Sitzungsniederschrift der Reichstagskommission aus dem Jahre 1870 heißt es hierzu:

26 RGBl 1894 I, S. 259. 27 BGBl 1987, S. 55. 28 Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege v. 31.12.1842, PrGS 1843, S. 8, auch abgedr. bei Sachsse ! Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge, 1980, S. 277 ff.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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„Hiernach sei es konsequent, die Unterstützung der Hilfsbedürftigen als eine Staatslast zu charakterisieren und scheinbar würde sich hieran die weitere Folgerung knüpfen, daß der Staat unmittelbar die Unterstützungslast zu tragen habe. Die Folgerichtigkeit des letzten Satzes ist aber nur scheinbar vorhanden. Wie der Staat eine Reihe von Lasten auf seine Organe überträgt, wie er Exekutivfunktionen, die seinem Wesen entspringen, dennoch an seine Glieder abtritt, je nach der verschiedenen Beschaffenheit jener Funktionen, je nachdem, ob deren Inhalt und Zweck die zentralen oder die dezentralisierte, selbstverwaltende Tätigkeit erfordert, so würde er auch die staatliche Last und Funktion der Armenpflicht denjenigen Organen zuweisen können, welche nach der inneren Natur, nach dem Endzweck jener Funktion als die richtigen sich erweisen."29 Eine Betrachtung des „historisch hergebrachten Bildes" der öffentlichen Fürsorge ergibt daher, daß zwar von jeher an der Klassifizierung als gemeindliche Angelegenheit festgehalten wurde, diese Klassifizierung aber seit ihrer Entstehung mit Zweifeln verknüpft war, ob es sich nicht in Wirklichkeit um eine staatliche Aufgabe handele, die letztlich auf Gemeinden und Gemeindeverbände überwälzt worden ist. Gleichzeitig ergibt sich, daß die „Lokalarmenpflege" bzw. die „Armenfürsorge" des 19. Jahrhunderts, die sich insbesondere durch freies Ermessen hinsichtlich des „Ob" wie des „Wie" der Gewährung auszeichnete, spätestens seit dem Inkrafttreten der geänderten Reichsgrundsätze am 1.8.1931 nichts mehr mit dem Aufgabenbereich „Öffentliche Fürsorge" des 20. Jahrhunderts gemein hat. Als Zwischenergebnis läßt sich daher festhalten, daß sich infolge grundsätzlichen Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse wie der im „Fürsorgewesen" anzutreffenden Dogmatik ein Anknüpfen an das „historisch hergebrachte Bild" verbietet, um darzutun, daß die Sozialhilfegewährung nach dem BSHG nach wie vor dem Bereich gemeindlicher Selbstverwaltungsangelegenheiten zuzurechnen ist 30 . 29 Zit. nach Syrup I Neuloh, Hundert Jahre staatliche Sozialpolitik, 1957, S. 208 f. 30 Die verfassungsrechtliche Relevanz des Rechtsinstituts der „clausula rebus sie stantibus" (Bedeutungswandel einer Norm kraft Wandels der tatsächlichen Verhältnisse) ist in der Rspr. des ΒVerfG grds. anerkannt. Nach der „Haftungsentschädigung-Entscheidung" (BVerfGE 2, 380) kann ein Bedeutungswandel einer Verfassungsbestimmung dann eintreten, „wenn in ihrem Bereich neue, nicht vorausgesehene Tatbestände auftauchen oder bekannte Tatbestände durch ihre Einordnung in den Gesamtablauf einer Entwicklung in neuer Beziehung oder Bedeutung erscheinen,..." (BVerfGE 2,380,401). Von unmittelbarer Bedeutung für die Klassifizierung des BSHG-Vollzugs ist die Stellungnahme des BVerfG zur Frage, ob das Arbeitsrecht als „Privatrecht" im Sinne des Art. 55 EGBGB anzusehen sei; das BVerfG erkannte dahin, daß sich das Arbeitsrecht infolge der sozialrechtlichen Entwicklung seit Erlaß des BGB aus dem Privatrecht gelöst habe und demzufolge nicht mehr von Art. 55 EGBGB umfaßt werde (BVerfGE 7, 342, 350). Abzustellen ist hinsichtlich dieses Vorgangs — wie sich aus BVerfGE 45, 1, 32 f. ergibt — nicht auf eine contra oder praeter legem erfolgende „Übung" oder Verwaltungspraxis. Obwohl dogmatischer Ansatzpunkt für die Regel von der „clausula rebus sie stantibus" die (mögliche) Einschränkung des staatsvertraglichen Grundsatzes „pacta sunt servanda" war (BVerfGE 34,216,230 ff.) und insbesondere aus dem Grundsatz des bundesfreundli-

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

2. Dogmatische Voraussetzungen für die Klassifizierung einer Aufgabe als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit a) Dogmatischer Ausgangspunkt und Untersuchungsmethode Ungeachtet dieses kraft rechtshistorischer Betrachtung gewonnenen Arguments muß sich die Beantwortung der Frage, ob die Klassifizierung des BSHGVollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit zutreffend ist, an den dogmatischen Voraussetzungen orientieren, die nach Rechtsprechung und Lehre hierfür gelten. Rechtsprechung und Lehre stimmen dahin überein, daß Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten — bisweilen auch als „weisungsfreie Pflichtaufgaben" bezeichnet31 — sich durch Bindung im „Ob" der Aufgabenerfüllung bei Freiheit im „Wie" im Sinne eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung auszeichnen: „Nur die Tatsache der Erledigung . . . wird vorgeschrieben, die Art und Weise der Erfüllung . . . bleibt hingegen in eigener Verantwortung der Gemeinde. Es können ebenso wenig von einer dritten Stelle Weisungen für den Einzelfall ergehen, wie die Durchführung der Aufgaben einer fachaufsichtlichen Kontrolle unterliegt. Der Erledigungszwang beruht auf einer Rechtspflicht gegenüber dem Staate, deren Einhaltung von der Kommunalaufsicht / Rechtsaufsicht . . . überwacht wird." 3 2 Eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung hinsichtlich des „Wie" der Aufgabenerfüllung bedeutet daher zum einen Auswahlermessen (bei Bindung im gemeindlichen Entschließungsermessen), zum anderen freie Entscheidung über den Einsatz kommunaler Finanzmittel 33 . Die Frage, ob und inwieweit die Klassifizierung des Vollzugs der Aufgaben nach dem BSHG als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit zutreffend ist oder nicht, wird im folgenden auf zwei Ebenen untersucht werden: einmal hinsichtlich des dogmatischen Zusammenspiels der die Systematik des BSHG konstichen Verhaltens abgeleitet wurde (BVerfGE 34, 216, 232), ist seit der Entscheidung vom 22.9.1976 (BVerfGE 42, 345, 358) davon auszugehen, daß die o. g. Regel „ungeschriebener Bestandteil des Bundesverfassungsrechts" ist. Den Entscheidungen vom 16.5.1961 (BVerfGE 12, 341) und vom 30.1.1973 (BVerfGE 34, 216) können im wesentlichen drei Kriterien entnommen werden, die Voraussetzungen für die Anwendung der o. g. Regel sind: (1) grundlegender Wandel der Verhältnisse, auf die sich die Regelung bezieht; (2) „offensichtliche Sachwidrigkeit" der ursprünglich gerechtfertigten Regelung infolge dieses Wandels; (3) nicht nur vorübergehende Natur des Wandels (BVerfGE 12, 341, 353 f.). Während die Funktion dieses Kapitels darin besteht, die o. g. Voraussetzungen (1) und (3) unter Anknüpfung an die sozialhilferechtliche Regelungstradition aufzuzeigen, um sodann aufgabensystematisch zur Frage der „offensichtlichen Sachwidrigkeit" übergehen zu können, wird dieses Kriterium anschließend in den Kap. 4 und 5 unter finanzverfassungsrechtlichen Aspekten untersucht. 31 So Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1981, Rn. 529, S. 180. 32 So Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1981, Rn. 530, S. 180. 33 Vgl. BVerfGE 22, 180 ff., 208.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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tuierenden Prinzipien des Anspruchs auf Hilfegewährung gem. § 4 Abs. 1 BSHG, des Individualisierungsgrundsatzes nach § 3 Abs. 1 BSHG, des Grundsatzes der Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen nach § 4 Abs. 2 BSHG in Verbindung mit § 39 Abs. 1 SGB I sowie der Gewährung der Sozialhilfe nach Regelsätzen (§§ 22,23 BSHG), zum anderen durch einen Vergleich des Aufgabenvollzugs nach dem BSHG mit dem Vollzug anderer Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben — etwa der Bauleitplanung nach §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 BauGB, der Abwasserbeseitigung nach Art. 41b Abs. 1 Bay WG, der Unterhaltungs- bzw. Ausbaupflicht bezüglich Gewässern dritter Ordnung gem. Art. 43 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Art. 54 Abs. 1 BayWG, der Straßen- und wegerechtlichen Pflichtaufgaben nach Art. 47 Abs. 1, 48 Abs. 1,51 Abs. 1 BayStrWG, der Errichtung und Unterhaltung bestimmter Schultypen oder Bildungseinrichtungen nach § 10 NWSchulVwG bzw. § 11 NWWeiterbildungsG, der wasserrechtlichen Pflichtaufgaben nach § 48 Abs. 1, 53 Abs. 1 LWGNW sowie der Pflichtaufgaben nach § 47 Abs. 1 StrWG bzw. § 1 Abs. 1 StrReinGNW 34 . b) Die konstitutiven

Elemente des BSHG-Vollzugs

§ 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG normiert einen Anspruch auf Sozialhilfegewährung, soweit das BSHG dies bestimmt. Daraus ergibt sich eine Bindung der Sozialhilfeträger hinsichtlich des „Ob" der Hilfeleistung. Dem Anspruch des Hilfebedürftigen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG korreliert die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Hilfegewährung, soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen 35 . Über Form und Maß der Sozialhilfe ist gem. § 4 Abs. 2 BSHG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, sofern — und dies ist in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben — das BSHG ein Ermessen nicht ausschließt. Von dieser Ausschlußwirkung des § 4 Abs. 2, 2. Halbs. BSHG ist demzufolge der bei der Hilfegewährung das pflichtgemäße Ermessen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG konkretisierende Individualisierungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 BSHG betroffen, wie anhand einiger typischer Leistungsarten sogleich zu zeigen 34 Im folgenden interessieren die genannten Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben nur hinsichtlich ihrer dogmatischen Konturen; Rspr. und Lehre werden daher auch nur in diesem Kontext Berücksichtigung finden. 35 Rechthistorischer Vorläufer von § 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist § 3 Satz 1 des pr. Gesetzes über die Verpflichtung zur Armenpflege v. 31.12.1842 (PrGS 1843, S. 8 ff), der bestimmte: „Die Verpflichtung zur Fürsorge für den Verarmten beginnt in dem Falle des § 1 Nr. 1 mit dem Tage der Aufnahme, und in dem Falle des § 1 Nr. 2 mit dem Zeitpunkte der Erwerbung des Wohnsitzes." Das Gesetz v. 21.5.1855 zur Ergänzung der Gesetze v. 31.12.1842 über die Verpflichtung zur Armenpflege und die Aufnahme neu anziehender Personen verschärfte die Anspruchsvoraussetzungen insoweit, als die „Verpflichtung des Ortsarmen-Verbandes zur Fürsorge für einen Armen" erst entstehen sollte, „wenn der neu Anziehende den erworbenen Wohnsitz ein Jahr lang fortgesetzt hat" (Art. 1 des o. g. Gesetzes, PrGS 1855, S. 311, abgedr. auch bei Sachsse / Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge, 1980, S. 280 f.). 7 Hofmann-Hoeppel

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

sein wird. Pflichtgemäßes Ermessen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG und der dieses Ermessen konkretisierende Individualisierungsgrundsatz nach § 3 Abs. 1 BSHG haben also bereits im Gesetz prinzipiell und im Rahmen einzelner Leistungsformen in concreto eine wesentliche Einschränkung erfahren. Mag ein erster Blick in den Katalog der Anspruchs- und Leistungsnormen des BSHG zu dem Schluß verleiten, den Sozialhilfeträgern stünde — wie in § 4 Abs. 2,1. Halbs. BSHG grundsätzlich normiert — ein Auswahlermessen hinsichtlich des „Wie" der Leistungsgewährung bei der Entscheidung über Art und Höhe bzw. Umfang der Sozialleistungen zu, so zeigt sich bei einer Durchsicht der einzelnen Leistungsnormen ein derart hoher Grad an Regelungsintensität auf der Rechtsfolgeseite, so daß der in § 4 Abs. 2, 1. Halbs. BSHG normierte Grundsatz des pflichtgemäßen Ermessens die Ausnahme, die in § 4 Abs. 2, 2. Halbs. BSHG erwähnte Ausschlußwirkung demgegenüber die Regel darstellt 36 . Nach eingehender Untersuchung des Leistungskatalogs des BSHG gelangt Kemmer zu dem Resultat, im BSHG seien „die einzelnen Hilfen häufig sowohl dem Grunde nach als auch der Höhe nach als Muß-Bestimmungen ausgestaltet"37. Mit Kemmer können folgende Feststellungen im einzelnen getroffen werden: — Im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt (§11 Abs. 1 Satz 1 BSHG) finden sich auf der Rechtsfolgeseite bindende Bestimmungen namentlich in § 13 Abs. 1 Satz 1 (Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen), § 15 (Bestattungskosten), § 21 Abs. 3 (Taschengeld für Heimbewohner), § 22 (Regelbedarf) und § 23 (Mehrbedarf). Für die §§ 21 Abs. 3, 22 und 23 BSHG gilt diese Bindung allerdings nur für den Regelfall. Besondere Bedeutung kommt der durch das Gesetz vorgeschriebenen Aufstellung von Regelsätzen zur Leistung des Regelbedarfs im Sinne von § 22 Abs. 1 BSHG zu: Inhalt und Aufbau der Regelsätze werden durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und dem Bundesminister der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates festgesetzt (§ 22 Abs. 2 BSHG). Auch hinsichtlich der Gewährung des dem Individualisierungsgrundsatz nach § 3 Abs. 1 BSHG Rechnung tragenden Mehrbedarfs nach § 23 BSHG nimmt das Gesetz selbst eine Bindung des Sozialhilfeträgers dergestalt vor, daß nach § 23 Abs. 1 für einen bestimmten Personenkreis nur ein Mehrbedarf von 20% des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen ist.

36 Bereits aus diesem Grunde begegnet die Ablehnung der Einführung eines Soziallastenausgleichs als Bestandteil des Gesamtindikators bei der Bestimmung des Hauptansatzes im Rahmen der Errechnung der Schlüsselzuweisungen mit der Begründung, die Sozialhilfeträger hätten bei der Gewährung der unterschiedlichen Hilfearten einen gewissen Ermessensspielraum, durch den nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber grundsätzlichen Bedenken; a. Α.: Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten, 1987, Ziff. 5.3.1., S. 39; vgl. im übrigen Kap. 5, III.2. 37 Kemmer, Die Leistungsnormen des BSHG, 1982, S. 27 ff., 64 ff.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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— Bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen hat der Gesetzgeber sich ebenfalls zu einer intensiven Durchnormierung entschlossen: „So sind fast alle Hilfearten, insbesondere auch die einen Schwerpunkt der Hilfen nach Abschnitt 3 bildende Hilfe zur Pflege (§§ 68,69 BSHG) als Pflichtleistungen nach Grund, Art und Umfang, also auf Tatbestands- und Rechtsfolgeseite, ausgestaltet"38. — Hohe Regelungsintensität auf der Rechtsfolgeseite ist auch bei der Leistungsform „Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten" gem. § 72 BSHG in Verbindung mit der hierzu erlassenen Verordnung festzustellen. Die Bedeutung der Hilfeleistung nach § 72 BSHG ergibt sich daraus, daß im Falle der Erforderlichkeit persönlicher Hilfe die Hilfe ohne Ansatz einer Einkommensgrenze zu gewähren ist 39 . — Die das Einrichtungs- und Veranstaltungswesen betreffenden Leistungsbestimmungen40 sind auf der Rechtsfolgeseite sämtlich als Muß-Bestimmungen ausgestaltet. — Die Gemeinden als Sozialhilfeträger kaum oder nicht bindenden Kann-Vorschriften sind im 3. Abschnitt des BSHG über die Gewährung von „Hilfe in besonderen Lebenslagen" nur die §§ 27 Abs. 2, 29 und 30 BSHG. Daraus kann nur der Schluß gezogen werden, daß die Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen die Ausnahme darstellt, die Bindung auf der Rechtsfolgeseite hingegen den Regelfall. Durch die Bindung auch hinsichtlich des „Wie" der Aufgabenerfüllung kann im übrigen von einer freien Entscheidung über den Einsatz kommunaler Finanzmittel keine Rede sein. Mangels zulänglicher „Rückerstattung" ihrer Aufwendungen infolge des Vollzugs des BSHG durch den kommunalen Finanzausgleich zwischen Ländern und Kommunen sind die örtlichen Sozialhilfeträger in zunehmendem Maße gezwungen, immer größere Teile ihres Verwaltungshaushalts im Bereich der Sozialhilfegewährung einzusetzen41. Relevanz kommt dem u. a. auch deshalb zu, weil von kommunaler Finanzhoheit als Teilelement kommunaler Selbstverwaltung nur dann gesprochen werden kann, wenn den Kommunen eine rechnerisch nachweisbare „freie Spitze" für die Besorgung freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten verbleibt 42 . 38 Kemmer, Die Leistungsnormen des BSHG, 1982, S. 95 f.; diesem Umstand kommt insoweit besondere Bedeutung zu, als der Aufwand für die Hilfe zur Pflege sich 1985 auf 7,143 Mrd. DM (= 34,3% der gesamten Sozialhilfeausgaben) belief; vgl. hierzu BÄCKER, Soziale Sicherheit, 1987, S. 179 ff., 184). 39 Vgl. Kemmer, Die Leistungsnormen des BSHG, 1982, S. 96, FN 2. 40 Im wesentlichen die Schaffung der für die persönliche Hilfegewährung erforderlichen Einrichtungen (ζ. B. Heimplätze, Altenheime gem. § 75 Abs. 2 Ziff. 2 BSHG) sowie die „Hilfe zum Besuch von Veranstaltungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung, der Bildung oder den kulturellen Bedürfnissen alter Menschen dienen" (§ 75 Abs. 2 Ziff. 4 BSHG); vgl. hierzu Kemmer, Die Leistungsnormen des BSHG, 1982, S. 33 f., 58 ff. 41 Vgl. hierzu Kapitel 2, II. 7*

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

Als weiteres Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, daß eine Zuordnung der Sozialhilfeaufgaben zu den Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben nicht aufrechtzuerhalten ist. Angesichts der nicht gegebenen Kriterien „Ermessen hinsichtlich des 'Wie' der Aufgabenerfüllung" und „Entscheidung über den Einsatz von Haushaltsmitteln" ist die Gewährung von Sozialhilfe daher nicht Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe, sondern Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 8 Abs. 1, 58 Abs. 1 BayGO bzw. Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 NWGO. Dieses Ergebnis wird gestützt durch eine Analyse der für den Vollzug Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben geltenden Prinzipien. Anhand exemplarischer Pflichtaufgaben wird es im folgenden darum gehen, den Nachweis zu führen, daß der BSHG-Vollzug auch dogmatisch den Anforderungen nicht gerecht wird, die sich für ausgewählte Aufgabengebiete ergeben, die nach ganz h. M. als Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben bezeichnet werden.

3. Rechtliche Konturen ausgewählter Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben a) Die Bauleitplanung nach §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB Gem. § 1 Abs. 3 BauGB — wie nach § 1 Abs. 3 BBauG a. F. — haben die Gemeinden die Bauleitpläne — also Flächennutzungsplan als vorbereitenden und Bebauungspläne als verbindliche Bauleitpläne (§ 1 Abs. 2 BauGB) — aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die Bauleitpläne sind gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Nach ganz h. M. wird insbesondere durch diese Formulierung, die an Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG anknüpft, zum Ausdruck gebracht, daß die Bauleitplanung in den (weisungsfreien) Aufgabenbereich der Gemeinden fällt, also nicht zu den seitens des Staates übertragenen Auftragsangelegenheiten (nach dualistischer Betrachtung) bzw. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung 43 (nach monistischer Betrachtung) zu zählen ist 44 . Einigkeit herrscht in Schrifttum 45 und Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 46 darüber, daß die durch die §§ 1 Abs. 3,2 Abs. 1 Satz 1 BauGB normier42 Vgl. Kapitel 2, II; Kap. 4, III. 43 Zur dogmatischen Kontur dieser dem Weinheimer Entwurf einer Gemeindeordnung vom Juli 1948 (abgedr. bei Markuli, Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 24. Januar 1950. Mit Durchführungsverordnung, Ausführungsanweisungen, Weinheimer Entwurf, Rechtsübersicht. 1950, S. 163 ff.) folgenden Aufgabenkategorie (§ 2 Abs. 1 Satz 1: Gemeinden als „ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung") vgl. Kapitel 3, II.3. 44 Vgl. Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Art. 28 Abs. 2, Rn. 66; ZUCK, Das Recht des Bebauungsplans, 1980, S. 64; Koch/Hosch, Baurecht, 1988, S. 106 ff.

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te gemeindliche Planungshoheit zum gegenwärtigen Zeitpunkt neben anderen, den Gemeinden zustehenden Hoheitsrechten wie der Gebiets-, Personal-, Finanz-, Organisations-, Steuer- oder Rechtsetzungshoheit ein Element des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts darstellt und damit unter die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltene Selbstverwaltungsgarantie fällt. Dagegen hat es das Bundesverfassungsgericht lange Zeit offen gelassen, „ob und in welchem Umfang die Planungshoheit der Gemeinden zu dem unantastbaren Kernbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gehört" 47 . Diese im sogenannten „Fluglärm-Beschluß" des Bundesverfassungsgerichts getroffene Feststellung liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, die bereits im Urteil vom 24.7.1979 48 zwar die Gebiets-, Organisations-, Satzungs-, Personal- und Finanzhoheit zu den wesentlichen Hoheitsrechten der Gemeinde gezählt, die Planungshoheit jedoch bei dieser Auffächerung eigenverantwortlicher Tätigkeitsfelder ausgeklammert hatte. BLÜMEL zog aus dieser Judikatur den Schluß, es fehle nach wie vor eine verfassungsrechtliche Klärung der Frage, ob den Gemeinden die Befugnis zur Bauleitplanung entzogen und ganz oder teilweise auf andere Aufgabenträger übertragen werden dürfe 49 . Durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 9.12.1987 50 hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Zuweisung der Aufstellung der Flächennutzungspläne an den Stadtverband Saarbrücken gem. § 195 Abs. 3 KSVG ist eine gewisse Annäherung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts durch die Feststellung erfolgt, der Bund habe durch die §§ 2 Abs. 1,4,157 BBauG a. F. von seiner (punktuellen Annex-)Kompetenz zur Regelung der Trägerschaft der Bauleitplanung umfassend Gebrauch gemacht, so daß die Zuständigkeit für die Bauleitplanung in diesen Vorschriften als erschöpfend geregelt anzusehen sei 51 . 45

Vgl. Stern, Bonner Kommentar, Art. 28, Rn. 100; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, 1975, S. 77 ff.; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 70; Ernst/Hoppe, Bau- und Bodenrecht, 1981, Rn. 167. 46 BVerwGE 22, 342, 346; 31, 263, 264; DVB1 1969, 362, 363; BVerwGE 40, 323, 329; 51, 6, 15. 47 BVerfGE 56, 298, 312; vgl. hierzu Bliimel, Festsetzung von Lärmschutzbereichen, VerwArch 73 (1982), 329 ff., Weyreuther, Abwägung der gemeindlichen Belange, DÖV 1982, 173 ff.; Koch/Hosch, Baurecht, 1988, S. 109 f. 4 » BVerfGE 52, 95, 117. 49 Blümel, Festsetzung von Lärmschutzbereichen, VerwArch 73 (1982), 329 ff., 332; so auch Koch/Hosch, Baurecht, 1988, S. 111. so DVB1 1988, 482 ff. = NVwZ 1988, 619 ff. = NJW 1988, 2032 ff. = BVerfGE 77, 288 ff. = Knemeyer / Hofmann, EzKommR, 2. Erg.Lfg. 1989, Nr. 2700.12 mit Anm. Hofmann. si Damit ist die im Beschluß des BayVGH v. 15.12.1985 (BayVBl 1986, 422 ff.; Knemeyer i Hofmann, EzKommR, 1987, Nr. 2700.11) vertretene Ansicht, im „ausmärkischen", also gemeindefreien Gebiet könne die Bauleitplanung durch das staatliche Landratsamt in analoger Anwendung der Vorschriften des Bundesbaugesetzes gemäß Art. 10 a Abs. 5 BayGO erfolgen, da das BBauG den Ländern diesbezüglich eine partielle bodenrechtliche Gesetzgebungskompetenz überlasse und ihnen die Möglichkeit eröffne, staatliche Träger der Bauleitplanung nach Landesrecht zu kreieren, nicht haltbar; vgl. hierzu

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

Mit der h. M. ist daher davon auszugehen, daß die „städtebauliche Planung in ihrer Gesamtheit, also sowohl hinsichtlich der vorbereitenden Flächennutzungspläne, wie auch in Betreff der verbindlichen Bebauungspläne, als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft einzustufen (ist), deren eigenverantwortliche Wahrnehmung den Gemeinden im Grundsatz verfassungskräftig durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet wird" 5 2 . Der h. M. ist auch darin zu folgen, daß die Bauleitplanung weisungsfreie Pflichtaufgabe der Gemeinden ist; dies ergibt sich unschwer aus der in § 1 Abs. 3 BauGB statuierten Rechtspflicht 53. Diese konkretisiert gleichzeitig den auch für die kommunale Planungshoheit54 und das aus ihr folgende Planungsermessen55 geltenden verfassungsrechtlichen Vorbehalt aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach kommunale Selbstverwaltung „im Rahmen der Gesetze" stattfindet. Von daher ist es vertretbar, die in §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB zum Ausdruck kommende Planungspflicht — die gem. § 2 Abs. 3 BauGB auch die Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen umfaßt 56 — als Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit zu bezeichnen, da sie die Entscheidungsfreiheit der Gemeinden sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht einengt 57 . Aus dem Wesen der Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe ergibt sich zunächst eine Bindung im „Ob" der Aufgabenerfüllung; dieser Ausschluß gemeindlichen Entschließungsermessens kommt im Wortlaut von § 1 Abs. 3 BauGB durch das Partikel „sobald" zum Ausdruck, das Bezug nimmt auf die Erforderlichkeit in zeitlicher Hinsicht. Problematisch ist die durch das Partikel „soweit" statuierte Bindungswirkung; diese soll sich nach weit verbreiteter Meinung auf das „Wie" der Planung beziehen und damit auch auf den sachlich gebotenen, d. h. „erforderlichen" Inhalt des aufzustellenden Bauleitplans58. Zutreffend ist sicherlich, daß die gebotene materiell-rechtliche Ausgestaltung insbesondere der Bebauungspläne von den in § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB normierten allgemeinen Grundsätzen bereits Zöllner, Dieter, Bauleitplanung im gemeindefreien Gebiet?, BayVBl 1987,549 ff., sowie Hofmann, Anmerkung zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 9.12.1987, in: Knemeyer I Hofmann, EzKommR, 2. Erg.Lfg. 1989, Nr. 2700.,12. 52 So Widera, Verfassungsrechtliche Gewährleistung gemeindlicher Planungshoheit, 1985, S. 87 und 134; eine Wiedergabe der älteren, kontroversen Ansichten darüber, ob lediglich die Aufstellung von Bebauungsplänen durch die konstitutive Wirkung der §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 Satz 1 BBauG a. F. (vgl. BT-Drs. III/1794, S. 3 zu § 2), nicht aber die Flächennutzungsplanung wegen ihrer Verflochtenheit mit Raumordnung und Landesplanung gemeindliche Selbstverwaltungsaufgabe sei, findet sich bei Reissig, Gemeindliche Bauleitplanung, 1976, S. 28 ff. 53 Vgl. Ernst!Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, 1981, Rn. 168. 54 Zu Inhalt und Bedeutung vgl. Ernst / Hoppe, Bau- und Bodenrecht, 1981, Rn. 174. 55 So bereits BVerwG, DVB1 1969, 414. 56 § 2 Abs. 7 BBauG a. F.; zum Meinungsstand unter Geltung des § 2 Abs. 7 BBauG vgl. die Ausführungen bei Reissig, Gemeindliche Bauleitplanung, 1976, S. 197 m. FN 1. 57 So Reissig, Gemeindliche Bauleitplanung, 1976, S. 197. 58 So Reissig, Gemeindliche Bauleitplanung, 1976, S. 199.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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— Gewährleistung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und einer dem Wohle der Allgemeinheit entsprechenden sozialgerechten Bodennutzung, Beitrag zur Sicherung einer menschenwürdigen Umwelt, Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen — sowie von den in § 1 Abs. 5 Satz 2 Ziff. 1-9 BauGB aufgezählten Belangen abhängig ist 59 . Aus dieser, die inhaltliche Handhabung des Planungsaktes determinierenden Funktion kann aber ebenso wenig auf eine gänzliche Beseitigung des Auswahlermessens geschlossen werden, wie aus der Tatsache, daß gemeindliche Planung weiteren zahlreichen materiell-rechtlichen Begrenzungen unterliegt 60 . Nach wie vor gelten vielmehr die durch das Bundesverwaltungsgericht leitsatzartig aufgestellten Grundsätze, die das sogenannte Planungsermessen kennzeichnen und folgendes besagen: 1. „daß die Befugnis zur Planung einen mehr oder weniger ausgedehnten Spielraum an Gestaltungsfreiheit einschließt und einschließen muß"; 2. „daß diese planerische Gestaltungsfreiheit... verschiedene Elemente — insbesondere des Erkennens, des Wertens und Bewertens sowie des Wollens — umfaßt"; 3. „daß sich . . . aus der Verbindung von Planung und Gestaltungsfreiheit unabweisbar die Beschränkung darauf ergibt, ob im Einzelfall die gesetzlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit überschritten sind"; 4. „daß die Planungsbeteiligung anderer Behörden . . . als echte Beteiligung an der jeweils bestehenden Gestaltungsfreiheit vorgesehen sein kann" 61 . Im Grundsatze ist damit das „Wie" der Planung den nach der inneren Kommunalverfassung zuständigen Gemeindeorganen überlassen, wenngleich das „Auswahlermessen" seinerseits nicht unwesentlichen Beschränkungen unterliegt. Mit dem BW-VGH kann daher festgehalten werden, daß „die Entscheidung darüber, wie die Gemeinde ihre Planungshoheit ausübt, und welche Grundentscheidungen sie ihr zugrunde legt, . . . vornehmlich eine Angelegenheit der Gemeindepolitik und schöpferischer Entwurfstätigkeit (ist), nicht nur der Rechtsanwendung"62. 59 Zum Kriterium der „Erforderlichkeit" vgl. Reissig, Gemeindliche Bauleitplanung, 1976, S. 199 f. sowie ZUCK, Das Recht des Bebauungsplans, 1980, S. 66 ff. 60 Insbesondere die Anpassungspflicht an Ziele der Raumordnung und Landesplanung gem. § 1 Abs. 4 BauGB, Abstimmungspflicht hinsichtlich der Bauleitpläne benachbarter Gemeinden gem. § 2 Abs. 2 BauGB, Freistellung der in § 38 BauGB genannten Fachplanungen von der Bindung an Bebauungspläne und die §§ 34, 35 BauGB, erleichterte Abweichung von Bebauungsplänen von den Vorschriften der §§ 34, 35 BauGB für bauliche Maßnahmen des Bundes und der Länder gem. § 37 BauGB. 61 BVerwGE 34, 301, 304. 62 BRS 18, 2; die von Zuck (Das Recht des Bebauungsplans, 1980) in diesem Zusammenhang zitierte weitere Entscheidung des BW-VGH (ESVGHE 19, 227: „ Z w a r ist die Planungshoheit der Gemeinde ein Zweig der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung. Ob und auf welche Weise von dem Planungsrecht Gebrauch gemacht werden

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

Diese Ausführungen mögen genügen, um darzutun, daß die Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe „Bauleitplanung" den Gemeinden grundsätzlich das Auswahlermessen hinsichtlich des „Wie" der Planung überläßt. Auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich das Recht der Überplanung des Gemeindegebiets zur Planungspflicht „verdichtet", hängt von den objektiven Gegebenheiten in zeitlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht ab. Von entscheidender Bedeutung für letztere ist die Planungskonzeption, die ihrerseits den unbestimmten Rechtsbegriff „Erforderlichkeit" im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB bestimmt: verlangt wird folglich nicht Erforderlichkeit „schlechthin", sondern im Hinblick auf die planerische Konzeption der Gemeinde63. Ob diese dem Erforderlichkeitskriterium genügt, ergibt sich aus der Prüfung der in § 1 Abs. 6 BauGB genannten, in den Abwägungsvorgang einzustellenden öffentlichen und privaten Belange. Daraus folgt gleichzeitig, daß die dem Abwägungsvorgang im Sinne von § 1 Abs. 6 BauGB notwendigerweise vorausgehende Zusammenstellung des Abwägungsmaterials nicht in vollem Umfange rechtlicher Bindung unterliegen kann. „Die Frage, welche Gesichtspunkte überhaupt erst einmal zu sammeln sind, bemißt sich allein nach dem dieser Sammlung vorausliegenden Planungskonzept, das seinerseits Ausfluß der Gestaltungsfreiheit ist" 6 4 . Daraus wird ersichtlich, daß auch die Bindung im „Ob" eine nur relative ist, die dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit hinreichend gerecht wird. Ein weiteres, den Verwaltungsvollzug in gewichtigem Maße bestimmendes, dem Vergleich mit dem BSHG-Vollzug dienliches Moment kommt hinzu: Wie § 2 Abs. 7 BBauG a. F. statuiert § 2 Abs. 3 BauGB, daß auf die Aufstellung von Bauleitplänen kein (subjektiv öffentlich-rechtlicher) Anspruch besteht. § 2 Abs. 3 BauGB ist zwar — dogmatisch betrachtet — lediglich logische Folge der den Gemeinden zukommenden Planungs- und Gestaltungshoheit, soll aber insoweit klarstellen, daß ein klageweise durchsetzbarer Individualanspruch auf Aufstellung, Ergänzung, Abänderung oder Aufhebung von Bauleitplänen auch dann nicht besteht, wenn sich bei objektiver Betrachtung ergibt, daß die das Entschließungsermessen determinierenden Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 3 BauGB vorliegen. Es ist hier nicht der Ort, das von der h. M. hierfür ins Feld geführte Argument, auf das Tätigwerden des Gesetzgebers könne grundsätzlich nicht geklagt werden 65 , hinsichtlich seiner Anwendung auf den Erlaß untergesetzlichen Landessoll, ist aber nicht nur eine kommunalpolitische Entscheidung, sondern auch eine Frage der Rechtsanwendung") steht hierzu nicht in Widerspruch, wie Zuck unzutreffend meint (S. 66). 63 Vgl. BW-VGH, BRS 25, 10; ESVGHE 24, 125, 127 sowie weitere Nachw. bei Zuck, Das Recht des Bebauungsplans, 1980, S. 67, FN 2. 64 Zuck, Das Recht des Bebauungsplans, 1980, S. 67. 65 Zuck, Das Recht des Bebauungsplans, 1980, S. 240 m. umf. Nachw. in FN 1; vgl. bereits S. 83 ff. Nach der § 2 Abs. 3 BauGB für das Erschließungsbeitragsrecht korrespondierenden

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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rechts auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen 66; jedenfalls ist der in § 2 Abs. 3 BauGB zum Ausdruck gebrachte Ausschluß eines Individualanspruchs auf die Aufstellung von Bauleitplänen67 u. a. der Grund dafür, daß eine solche Rechtsposition regelmäßig auch nicht durch den Abschluß sogenannter Folgekostenverträge 68 bzw. durch eine verwaltungsrechtliche Zusage69 begründet werden kann.

Norm des § 123 Abs. 3 BauGB (§ 123 Abs. 4 BBauG a. F.) ist ebenfalls ein Anspruch auf Erschließung ausgeschlossen. § 123 Abs. 1 BauGB spricht folgerichtig nur von einer Erschließunglast der Gemeinde. Ist § 2 Abs. 3 BauGB wie § 123 Abs. 1 BauGB somit der dogmatische Ausgangspunkt gemein, so ist doch für § 123 Abs. 1 BauGB anerkannt, daß sich die Erschließungslast bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu einer aktuellen, vom Bauwerber einklagbaren Rechtspflicht zur Durchführung von Erschließungsmaßnahmen „verdichten" kann. Dieser zunächst für die straßen-und wegemäßige Erschließung durch die Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Grundsatz (NJW 1975, 402 = DÖV 1975, 37; NJW 1975, 2221; DVB1 1977, 41; DVB1 1985, 623) gilt für alle Erschließungsanlagen iSd § 127 Abs. 2 BauGB. Tragender Grund der Rechtsfigur der „Verdichtung" der Erschließungslast zur Erschließungspflicht ist ein bestimmtes Verhalten der Gemeinde selbst, dem aus der Sicht des Β au werbers besonderes Gewicht zukommt, so ζ. B. bei Erlaß eines qualifizierten Bebauungsplans aber nur dann, wenn der gegenwärtige Erschließungszustand so beschaffen ist, daß er nicht einmal eine sachgerechte Nutzung des Grundstücks und der baulichen Anlagen des Β au werbers ermöglicht (BVerwG, DVB1. 1975, 37; Buchholz, 406.11, § 133 BBauG, Nr. 52, Nr. 59; BVerwGE 64, 186, 188 ff. = DVB1. 1982, 540; NJW 1985, 564), vgl. BVerwG,DVB1 1988, 245 ff. sowie Driehaus, Hans-Joachim, Erschließungs- und Ausbaubeiträge (= NJW-Schriftenreihe, Bd. 42), 2. Aufl., München 1988, § 5 IV, S. 45 ff., Rn. 77 ff.; BWVGH, Die Fundstelle 1989, Nr. 46, S. 144; VG Würzburg, U. v. 20. 12. 1989, W 2 Κ 87. 1692, W 2 Κ 88.834 und Gloria Der Anspruch auf Erschließung, NVWZ 1991, 720. 66 Zweifelnd insoweit Zuck, Das Recht des Bebauungsplans, 1980, S. 240, unter Hinw. darauf, die Erwägung, bei Rechtsetzungsakten sei i. d. R. eine Inzidentkontrolle möglich, treffe für eine noch nicht erlassene Satzung nicht zu. 67 Nach h. M. ist auch die sogenannte Normverhütungsklage — gerichtet gegen den „drohenden" Erlaß eines Bebauungsplans — unzulässig (vgl. Zuck, Das Recht des Bebauungsplans, 1980, S. 240 m. FN 4). Zulässig ist es hingegen, die vorbeugende Unterlassungsklage auf die Folgen des künftigen Satzungserlasses zu beziehen (vgl. BVerwGE 26, 23, 25 f.; BauR 71, 100, 101; BVerwGE 40, 323, 326 f.; BRS 32, Nr. 17). 68 Die Folgekosten- oder Folgelastenverträge werden von der h. M. regelmäßig als einseitig öffentlich-rechtliche Verträge qualifiziert, die unter der aufschiebenden bzw. auflösenden Bedingung des Zustandekommens des Bebauungsplans keine für den Bauwerber einklagbare Pflicht der Gemeinde zur Aufstellung des Bebauungsplans, sondern lediglich eine rechtlich durchsetzbare Zahlungsverpflichtung des Β au werbers regeln; vgl. hierzu, zu den Problemen unzulässiger Selbstbindung, zum unzulässigen „Ausverkauf der Planungshoheit" und zu rechtlich zulässigen Modifikationen Asam, Kommunale Folgelasten und ihre Abwälzung durch Vertrag, BayVBl 1967, 186 ff.; von Mutius, Albert, Zulässigkeit und Grenzen verwaltungsrechtlicher Verträge über kommunale Folgelasten, VerwArch 65 (1974), 201 ff.; Stettner, Rupert, Die Bindung der Gemeinde durch den Folgekostenvertrag, AöR 102 (1977), 544 ff.; Lang / Ziemer, Folgekosten. Kostenbemessung und Gestaltung von Folgekostenverträgen (= Kommunalforschung für die Praxis, Bd. 4), Würzburg 1979; Lenk! Lang, Herstellungskosten und Folgelasten öffentlicher Investitionen, 2 Bände, München 1981; Hofmann, Jochen, Stich wort: Folgekosten, in: Voigt, Rüdiger (Hrsg.), Handwörterbuch zur Kommunalpolitik (= Studienbücher zur Sozial Wissenschaft, Bd. 50), Opladen 1984, S. 166 ff.; Ernst / Zinkahn / Bielenberg, Baugesetzbuch, § 127, Rn. 26 ff.

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

Diese Skizzierung der rechtlichen Konturen der Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe „Bauleitplanung" mag genügen, um die prinzipiellen Unterschiede zum BSHG-Vollzug darzutun: Grundsätzliche Bindung im „Ob" der Planung bei Vorrang der gemeindlichen Planungskonzeption, rechtsatzförmig bestimmte Gestaltungsfreiheit im „Wie" der Aufgabenerfüllung, Nichtexistenz eines einklagbaren Individualanspruchs hinsichtlich Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen kennzeichnen die gemeindliche Bauleitplanung, unbedingte Handlungspflicht bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen infolge klageweisen durchsetzbaren Leistungsanspruchs gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG, weitgehender Ausschluß des Auwahlermessens (§ 4 Abs. 2,1. HS BSHG) bzw. des in § 3 Abs. 1 BSHG normierten Individualisierungsgrundsatzes durch regelmäßige Bindung im „Wie" der Aufgabenerfüllung sind charakteristisch für den Vollzug des BSHG. Beide Vollzugsformen können daher dem Grunde nach nur als wesensverschieden gekennzeichnet werden. b) Pflichtige

Selbstverwaltungsaufgaben

nach bayerischem Landesrecht

Im folgenden soll anhand ausgewählter Beispiele Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben nach bayerischem Landesrecht verdeutlicht werden, daß die für den BSHG-Vollzug festgestellten Kriterien auch für die Abwasserbeseitigung nach Art. 41b Abs. 1 BayWG, für die Unterhaltungs- und Ausbaupflicht bezüglich Gewässern 3. Ordnung gem. Art. 43 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Art. 54 Abs. 1 BayWG, für die Straßen- und wegerechtlichen Pflichtaufgaben nach Art. 47 Abs. 1,48 Abs. 1,51 Abs. 1 BayStrWG wie für den Vollzug Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben ganz allgemein nicht gelten. aa) Charakterisierung der Pflichtaufgaben nach Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO Nach Art. 57 Abs. 1 Satz 1, 1. HS BayGO sollen die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen und erhalten, die nach den örtlichen Verhältnissen für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner erforderlich sind; die nachfolgende Aufzählung ist weitgehend mit dem in Art. 83 Abs. 1 BV enthaltenen Katalog identisch. Art. 57 Abs. 1 Satz 1, 1. HS BayGO ist Soll-Vorschrift, die durch den Passus „in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit" zusätzlich abgeschwächt ist 70 . Die Erfüllung von Soll-Aufgaben kann erst dann — rechtsaufsicht69 HessVGH, ESVGHE 22,224,226; auf die Zuständigkeit nach der inneren Kommunalverfassung für eine solche Zusage bzw. Zusicherung iSv § 38 VwVfG kommt es nicht an; vgl. hierzu Zuck, Das Recht des Bebauungsplans, 1980, S. 84 m. w. N. in FN 3. 70 Massoni Samper, Bayerische Kommunalgesetze, 1989, Art. 57 GO, Rn. 2; Widtmann / Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, 1988, Art. 57 GO, Rn. 2.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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lieh — durchgesetzt werden, wenn „besondere gesetzliche Vorschriften" im Sinne von Art. 57 Abs. 1 Satz 2 BayGO vorliegen, die die Soll-Aufgaben des Art. 57 Abs. 1 Satz 1 BayGO zu Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises „verdichten" 71 . Eine solche Vorschrift ist insbesondere Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO, in dem die Herstellung und Unterhaltung von Einrichtungen zur Versorgung mit Trinkwasser als Pflichtaufgabe bezeichnet wird. Aus Art. 57 Abs. 2 Satz 2 BayGO ergibt sich, daß der Katalog der Pflichtaufgaben umfassender ist als die in Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO erfolgte Nennung der Trinkwasserversorgung 72. Wie die Wahrnehmung der Soll-Aufgaben im Sinne von Art. 57 Abs. 1 Satz 1 BayGO ist auch die Erfüllung der Pflichtaufgaben nach Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO oder nach „besonderen gesetzlichen Vorschriften" 73 keine unbedingte, sondern in den Grenzen der Leistungsfähigkeit bestehende Rechtspflicht, die im übrigen aus Gründen des öffentlichen Wohls besteht. Daraus folgt zweierlei: 1. Regelmäßig fehlt es an einem klageweise durchsetzbaren subjektiv öffentlichen Rechtsanspruch Dritter 74 ; 2. das Tatbestandsmerkmal „in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit" berücksichtigt die verwaltungsmäßige, vor allem aber die finanzielle Leistungskraft und damit letztendlich die kommunale Finanzhoheit als Teilelement der kommunalen Selbstverwaltung 75. Dies bedeutet nun freilich nicht, daß sich eine Gemeinde von der Erfüllung einer Pflichtaufgabe durch Hinweis auf ihre nicht bestehende finanzielle Leistungskraft gewissermaßen „freizeichnen" könnte 76 . In diesen Fällen will Art. 57 Abs. 3 BayGO — der die rechtsaufsichtlich durchsetzbare Pflicht zu einer geeigneten Form kommunaler Zusammenarbeit nach dem KommZG normiert — die Erfüllung der Pflichtaufgabe trotz mangelnder kommunaler Finanzkraft sicherstellen. Die Berücksichtigung der kommunalen Leistungsfähigkeit in Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO gebietet jedoch den Schluß, daß der Gesetzgeber auch beim Vollzug von Pflichtaufga71

Masson / Samper, Bayerische Kommunalgesetze, 1989, Art. 57 GO, Rn. 2, 21; Widtmann / Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, 1988, Art. 57 GO, Rn. 12. 72 Neben den sogleich zu behandelnden Pflichtaufgaben aus Art. 41b Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 Nr. 3 und 54 Abs. 1 BayWG, Art. 47 Abs. 1, 48 Abs. 1,51 Abs. 1 BayStrWG sind hier Art. 66 BayWG, § 37 Abs. 5 BSeuchG und § 89 II. WoBauG zu nennen; vgl. hierzu im einzelnen Masson / Samper, Bayerische Kommunalgesetze, 1989, Art. 57 GO, Rn. 27; Widtmann ! Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, 1988, Art. 57 GO, Rn. 15. 73 Formell ist die gemeindliche Abwasserbeseitigungspflicht nach Art. 41b Abs. 1 Satz 1 BayWG nicht von den Grenzen der Leistungsfähigkeit abhängig, wie dies noch für die alte Regelung in Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO zutraf; die in Art. 41b Abs. 2 Nr. 3 BayWG normierte Möglichkeit, die Übernahme von Abwasser satzungsmäßig zu verweigern, gestattet jedoch eine Berücksichtigung derfinanziellen Leistungskraft; siehe hierzu Sieder I Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 41 b, Rn. 28-30. 74 Masson l Samper, Bayerische Kommunalgesetze, 1989, Art. 57 GO, Rn. 24; Widtmann/ Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, 1988, Art. 57 GO, Rn. 14. 75 Zu deren Inhalt und Bedeutung vgl. Kapitel 4, 1.1. 7 6 Vgl. Masson / Samper, Bayerische Kommunalgesetze, 1989, Art. 57 GO, Rn. 28.

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

ben den Grundsatz des eigenverantwortlichen Einsatzes kommunaler Finanzmittel gewahrt wissen will. bb) Pflicht zur Abwasserbeseitigung nach Art. 41b Bay WG In Vollzug von § 18a Abs. 2 Satz 1 WHG bestimmt Art. 41b Abs. 1 Satz 1 Bay WG die Verpflichtung der Gemeinden zur Abwasserbeseitigung, soweit nicht nach dem Abwasserbeseitigungsplan oder nach Art. 41b Abs. 3, 5 BayWG ein anderer verpflichtet ist; es handelt sich hier eindeutig um eine Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit77. Die Erfüllung dieser Rechtspflicht ist nach dem Wortlaut von Art. 41b Abs. 1 BayWG formell nicht mehr von der Leistungsfähigkeit abhängig78; nach Art. 41b Abs. 2 Nr. 3 BayWG besteht jedoch die Möglichkeit, die Übernahme des Abwassers durch entsprechende Satzungsbestimmung abzulehnen, solange diese technisch oder wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwands nicht möglich ist. Dadurch kommt dem Grundsatze nach ebenfalls eine Anbindung der Abwasserbeseitigungspflicht an die finanzielle Leistungskraft der Gemeinden zum Ausdruck, wenn diese auch durch das Partikel „solange" unter zeitlichen Vorbehalt gestellt ist 79 . Die gemeindliche Rechtspflicht besteht nur der Allgemeinheit, nicht also einzelnen Dritten gegenüber; diese können daher aufgrund der Vorschrift des Art. 41b Abs. 1 Satz 1 BayWG keinen Rechtsanspruch auf Übernahme ihres Abwassers geltend machen80. Der in Art. 41b Abs. 2 Nr. 3 BayWG zum Ausdruck kommende Verweis auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG — Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Erweiterung oder Verbesserung der öffentlichen Einrichtung „Abwasserbeseitigungsanlage" — bedeutet in ähnlicher Weise wie das Kriterium „in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit" eine Gewährleistung kommunaler Finanzhoheit durch den Landesgesetzgeber, die Gemeinden vor einem unverhältnismäßig hohen Einsatz von Finanzmitteln bewahren soll. Da die Einrichtung „Abwasserbeseitigungsanlage" neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugute kommt, sind Gemeinden gem. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG gehalten, in der Abgabesatzung eine Eigenbeteiligung vorzusehen. Die in Art. 41b Abs. 2 Nr. 3 BayWG enthaltene, zeitlich beschränkte Freizeichnungsmöglichkeit will also dem Umstand Rechnung tragen, daß in bestimmten Konstellationen entweder der „Aufwand" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 K A G die üblicherweise zu erwartenden, für die einzelnen Beitragspflichtigen unterschiedlichen Kosten erheblich übersteigt und unter Berücksichtigung des gesamten Aufwands für die gemeindliche Abwasseranlage sowie des durch den 77 Sieder I Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 41 b, Rn. 7. 78 So wie dies nach dem Wortlaut der außer Kraft getretenen Fassung von Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO der Fall war. 79 Sieder I Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 41 b, Rn. 9, 28, 30. so Sieder ! Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 41 b, Rn. 8.

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Anschluß zu erwartenden Erfolgs für die Reinhaltung der Gewässer nicht mehr tragbar ist 8 1 oder aber die nach Art. 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KAG gebotene Eigenbeteiligung den finanziellen Spielraum der Gemeinde übersteigt. Der für Pflichtaufgaben ganz allgemein geltende Grundsatz, daß deren Erfüllung regelmäßig der Allgemeinheit gegenüber erfolgt, ist auch hier in Anwendung zu bringen: Die Verpflichtung aus Art. 41b Abs. 1 Satz 1 BayWG besteht nicht gegenüber einzelnen Dritten; diese haben daher keinen im Klagewege durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Übernahme des Abwassers 82. cc) Gewässerunterhaltungslast nach Art. 43 Abs. 1 Nr. 3, Gewässerausbaupflicht nach Art. 54 Abs. 1 BayWG In Ausführung der rahmenrechtlichen Bestimmung des § 29 Abs. 1 W H G 8 3 normiert Art. 43 Abs. 1 Nr. 3 BayWG die gemeindliche Unterhaltungslast hinsichtlich Gewässern 3. Ordnung (Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 BayWG) als eigene Aufgabe, soweit nicht Wasser- und Bodenverbände dafür bestehen. Aus Art. 43 i Vm Art. 42 BayWG ergibt sich, daß es sich um eine Pflichtaufgabe der Gemeinden im Sinne vonArt. 57 Abs. 2 GO handelt 83 . D e r — i n Art. 43 Abs. 1 BayWG nicht geregelte, sondern vorausgesetzte — Inhalt der Unterhaltungslast ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen in § 28 Abs. 1 Satz 1 WHG und Art. 42 Satz 2 Nr. 1-6 BayWG 84 . Auch hier steht privaten Dritten kein im Klagewege durchsetzbarer, subjektiv öffentlich-rechtlicher Anspruch gegenüber den Gemeinden als Unterhaltungspflichtigen zu 85 . Die in Art. 42 Satz 2 Nr. 1 - 6 BayWG „insbesondere" aufgeführten Verpflichtungen lassen der Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Art und Weise, wie die Gemeinden diese Pflichtaufgabe erfüllen, breiten Raum. Die Erfüllung der Verpflichtung ist grundsätzlich nicht von der finanziellen Leistungskraft der Gemeinde abhängig; der kommunalen Finanzhoheit und damit der Steuerung des Einsatzes gemeindlicher Finanzmittel wird aber in zweierlei Hinsicht Rechnung getragen: Die im Vollzug der Unterhaltungslast mit dem Umfange nach Art. 42 Satz 2 Nr. 1-6 BayWG aufzubringenden Mittel können gem. Art. 47 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 2 Nr. 3, 1. HS BayWG den Beteiligten als

81

So auch Sieder I Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 41 b, Rn. 29. 2 Sieder ! Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 41 b, Rn. 8. S3 Sieder I Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 43, Rn. 24. 84 Sieder I Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 42, Rn. 34; zu den unterschiedlichen Ausgestaltungen des sachlichen Umfangs der Unterhaltungslast nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WHG einerseits, Art. 42 BayWGH andererseits vgl. Sieder / Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 42, Rn. 39 ff. 85 Vgl. Sieder / Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 42, Rn. 23 ff.; zu möglichen Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Unterhaltungspflicht vgl. Sieder / Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 42, Rn. 30 ff. 8

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

Beiträge in Höhe der vollen Kosten auferlegt werden 86 ; dies schließt die Berechtigung zur Erhebung angemessener Vorschüsse ein (Art. 47 Abs. 3 Satz 2 BayWG) 87 . Darüber hinaus wird die in Art. 42 Satz 2 Nr. 6 BayWG bezeichnete Unterhaltungslast an die rechtliche Bedingung geknüpft, daß der Aufwand für den Uferschutz in angemessenem Verhältnis zum Nutzen steht. Auch die die Gemeinden als Träger der Unterhaltungslast im Sinne von Art. 43 Abs. 1 Nr. 3 BayWG gem. Art. 54 Abs. 1 ByWG treffende Gewässerausbaupflicht besteht nur im Allgemeininteresse und ist im übrigen daran geknüpft, daß die Finanzierung des Ausbaus gesichert ist. Dies bedeutet zwar nicht, daß der Ausbaulastträger völlig frei wäre in der Entscheidung, ob die Finanzierung des Ausbaus sicherstellt oder nicht 88 . Um dem Ausbaulastträger die Erfüllung seiner Verpflichtungdem Grundsatze nach zu ermöglichen, steht ihm jedoch als Kostenträger (Art. 57 Abs. 1 BayWG) die Möglichkeit offen, Beiträge und Vorschüsse gem. Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayWG von denjenigen zu verlangen, die Vorteile vom Gewässerausbau haben. Damit besteht für den Ausbaulastträger dieselbe rechtliche Konstellation wie für den Unterhaltungsbaulastpflichtigen. Da die Ausbaulast ausweislich Art. 54 Abs. 1 BayWG dem Wohl der Allgemeinheit dient, mithin eine öffentlich-rechtliche Aufgabe darstellt 89 , haben private Dritte selbst dann keinen im Klagewege verfolgbaren Rechtsanspruch auf Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 54 Abs. 1 BayWG gegenüber der Gemeinde, wenn sie rein tatsächlich durch die Erfüllung der Ausbaupflicht begünstigt würden 90 . dd) Die Straßen- und wegerechtlichen Pflichtaufgaben nach Art. 47 Abs. 1, 48 Abs. 1,51 Abs. 1 BayStrWG Gem. Art. 47 Abs. 1 BayStrWG sind die Gemeinden Träger der Straßenbaulast für die erforderlichen Gemeindestraßen innerhalb des Gemeindegebiets; durch das Partikel „erforderlich" wird die Straßenbaulast auf die notwendigen Herstellungs- und Unterhaltungskosten begrenzt 91; allgemein gelten auch hier die in Art. 9 BayStrWG niedergelegten Grundsätze über die Straßenbaulast, wonach der Baulastträger die Straßen in einem dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis und den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügenden Zustand nach seiner Leistungsfähigkeit zu bauen und ru unterhalten hat (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG). Soweit die gemeindliche Leistungskraft hierzu nicht 86 Vgl. Sieder I Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 43, Rn. 24 sowie Art. 47, Rn. 16 f. 87 Vgl. Sieder ! Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 47, Rn. 24 f. 88 Sieder ! Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 54, Rn. 8. 89 Sieder ! Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 54, Rn. 13. 90 BW-VGH, ZFW 1975, 73, zit. nach Sieder I Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 1988, Art. 54, Rn. 13. 91 Vgl. Zimniok, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 1982, Art. 47, Erl. 2.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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ausreicht, ist auf den nicht verkehrssicheren Zustand vorbehaltlich anderweitiger Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden durch Verkehrszeichen hinzuweisen (Art. 9 Abs. 1 Satz 3 BayStrWG). Daraus ergibt sich, daß die Bindung im „Ob" keine unbedingte ist und insbesondere der kommunalen Finanzkraft Rechnung trägt; hierzu ist auch die in den §§ 127-135 BauGB normierte Möglichkeit zu rechnen, zur Deckung des anderweitigen nicht gedeckten Aufwands einen Erschließungsbeitrag zu erheben, da Ortsstraßen regelmäßig Erschließungsanlagen darstellen 92. Im übrigen steht es im grundsätzlich nicht nachprüfbaren Planungsermessen, wann und wie die Gemeinde Maßnahmen der Straßenbaulast durchführt 93 . Auf die Erfüllung der Straßenbaulast haben private Dritte (und andere Straßenbaulastträger) keinen Rechtsanspruch 94. Entsprechendes gilt für die nach Art. 48 Abs. 1 BayStrWG bestehende Straßenbaulast für Geh- und Radwege sowie für Parkplätze, die nicht nach Art. 42 Abs. 3 in der Straßenbaulast des Freistaates Bayern oder eines Landkreises stehen. Die sich aus Art. 51 Abs. 1 BayStrWG ergebende gemeindliche Beleuchtungs, Reinigungs-, Räum- und Streupflicht innerhalb der geschlossenen Ortslage steht unter dem dreifachen „Vorbehalt" der dringenden Erforderlichkeit, der Nichtexistenz anderer Verpflichteter sowie der (technischen und finanziellen) Leistungsfähigkeit. Der Schonung der finanziellen Ressourcen dienen insbesondere die in Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG normierten Möglichkeiten, die Eigentümer von Grundstücken, die innerhalb der geschlossenen Ortslage an öffentliche Straßen angrenzen oder über sie erschlossen werden, durch Verordnung zur Reinhaltung und Reinigung bzw. zur Erhaltung in verkehrssicherem Zustand bei Schnee oder Glatteis auf eigene Kosten zu verpflichten. ee) Gemeinsame Kriterien für Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben nach bayerischem Landesrecht Den Vollzug Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben nach den Art. 57 Abs. 2 Satz 2 BayGO, 41 b, 43 Abs. 1 Nr. 3, 54 Abs. 1 BayWG, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 51 Abs. 1 BayStrWG 95 kennzeichnet somit ein Zweifaches: 92

Zimniok, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 1982, Art. 47, Erl. 8 a. 93 Bay VGH, BayVBl 1973, 18. 94 BayVGHE 3, 38; 17, 331; 19, 188, 190; 32, 153; Bay VGH, BayVBl 1965, 207 und 243; BGH, VerwRspr. Bd. 19, Nr. 8, S. 32 = NJW 1967, 1328 = DÖV 1967, 387; vgl. im übrigen Zimniok, Bayerisches Straßen-und Wegegesetz, 1982, Art. 9, Erl. 2 a; Art. 47, Erl. 3 b. 95 Hinsichtlich der Schulträgerschaft — für die weder eine bundesgesetzliche noch eine bundeseinheitliche Regelung gilt (vgl. Thode, Frank-Ulrich, Das kommunal-staatliche Kondominium in der Schulträgerschaft, Diss. jur. Hamburg 1982, S. 7) — besteht in Bayern eine im Vergleich zu den Bestimmungen anderer Bundesländer grundsätzlich unterschiedliche Terminologie. Schulträger ist nach Art. 3 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Bay EUG,

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

(1) Die Bindung im „Ob" hinsichtlich der Erfüllung der Aufgabe findet — ausdrücklich oder implizite — ihre Grenze in der finanziellen Leistungskraft der Gemeinde; soweit es um die Schaffung oder Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen geht, besteht die rechtliche Möglichkeit einer partiellen oder gänzlichen Überwälzung der in Erfüllung der Pflichtaufgabe verausgabten Mittel auf die von der Maßnahme Begünstigten bzw. der Aufgabe selbst im Wege des Verordnungserlasses. (2) Auf die Erfüllung der Pflichtaufgabe besteht seitens privater Dritter kein klageweise durchsetzbarer Rechtsanspruch auch dann, wenn diese durch die Wahrnehmung der Aufgabe faktisch begünstigt würden. c) Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben nach nordrhein-westfälischem Landesrecht aa) Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben im System der nordrhein-westfälischen Kommunalverfassung Die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung 96 folgt — wie bereits erwähnt 97 — dem sogenannten Weinheimer Entwurf einer Gemeindeordnung vom Juli

wer Dienstherr des Personals ist (vgl. zur alten Regelung Thode, a. a. O., S. 9). Von der Schulträgerschaft ist die Trägerschaft hinsichtlich des Personalaufwands einerseits, des Schulaufwands andererseits zu unterscheiden. Erstere obliegt bei staatlichen Schulen dem Staat (Art. 6 BaySchFG); Träger des Schulaufwands (Sachaufwand iSv Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Ziff. 1-8 BaySchFG, Aufwand für Hauspersonal gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BaySchFG) sind gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BaySchFG die zuständigen kommunalen Körperschaften, also hinsichtlich Volksschulen, Sondervolksschulen und Sonderberufsschulen die Körperschaften, für deren Gebiet oder Teile davon die Schule errichtet ist (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BaySchFG), hinsichtlich Berufsschulen die kreisfreien Gemeinden oder Landkreise, die den Schulsprengel bilden (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BaySchFG), hinsichtlich der übrigen Schulen die kreisfreien Gemeinden oder Landkreise, in deren Gebiet die Schulen ihren Sitz haben (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BaySchFG). Aus der Definition des Sachaufwands nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 1-8 BaySchFG ergibt sich, daß die bayerische Aufwandsträgerschaft im wesentlichen der Schulträgerschaft, wie sie in anderen Bundesländern geregelt ist, entspricht. Gleichwohl erstreckt sich die Pflicht der Gemeinden im Bereich des öffentlichen Unterrichtswesens (Art. 83 Abs. 1 BV) „lediglich" auf die Finanzierung des Schulaufwands, hinsichtlich der der Freistaat Finanzhilfen nach Maßgabe des FAG bezüglich Baumaßnahmen (Art. 5 Abs. 1 BaySchFG) sowie hinsichtlich der Schülerbeförderungskosten (Art. 5 Abs. 2 BaySchFG iVm Art. 10 a FAG, 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs i. d. F. d. Bek. v. 17.1.1984, GVB1 1984, S. 13) gewährt. In dogmatischer Hinsicht kann daher die „Schulträgerschaft" in Bayern — anders als in Nordrhein-Westfalen — nicht als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit klassifiziert werden; dies ergibt sich auch aus der in Art. 4 BaySchFG gewählten Formulierung, nach der Staat und kommunale Körperschaften bei Betrieb und Unterhaltung öffentlicher Schulen „zusammenwirken". 96 Vom 10.11.1952 (§ 120 NWGO) i. d. F. d. Bek. v. 13.8.1984 (GVNW 1984, 475 = SGVNW 2023). 97 Vgl. Kap. 3, II.3. a).

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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98

1948 und kennt demzufolge nur noch „eigene Angelegenheiten" der Gemeinde. Zu diesen „eigenen Angelegenheiten" der Gemeinde sind gemäß der monistischen Ausrichtung des Weinheimer Entwurfs nicht nur die freiwilligen und Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, sondern auch die zur Erfüllung nach Weisung übertragenen Aufgaben zu zählen. Mit der Einführung der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung im Sinne von § 3 Abs. 2 NWGO hat sich der Landesgesetzgeber ebenso wie die Gemeindeordnungen Schleswig-Holsteins (§ 3 Abs. 1 SchlHGO), Hessens (§ 4 HessGO: „Weisungsaufgaben") und Baden-Württembergs (§ 2 Abs. 3 BWGO: „Weisungsaufgaben") bewußt von der im 19. Jahrhundert entwickelten Doppelstellung der Gemeindeverwaltung entfernt, nach der zwischen einem „eigenen Wirkungskreis" und einem durch staatlichen Übertragungsakt zustandekommenden „übertragenen Wirkungskreis" zu unterscheiden ist 99 . Der Begriff der „eigenen Angelegenheiten" der Gemeinde im Sinne der monistischen Aufgabenstruktur ist damit nicht gleichbedeutend mit dem „eigenen Wirkungskreis" im Sinne des bayerischen bzw. des niedersächsischen kommunalen Verfassungsrechts (Art. 83 Abs. 1 BV, 7, 8 Abs. 1 BayGO; § 5 Abs. 1 NdsGO), dem ein „übertragener Wirkungskreis" gegenübergestellt wird 1 0 0 . Ungeachtet dieser Differenzierung kennt auch das nordrhein-westfälische Kommunalverfassungsrecht Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben, die hier als „Pflichtaufgaben" bezeichnet werden; die NWGO setzt sie als — außerhalb der GO bestehend — voraus, wenn sie in § 3 Abs. 1 Satz 1 davon spricht, daß neue Pflichten, insbesondere Pflichtaufgaben, den Gemeinden nur durch Gesetz auferlegt werden können 101 . Weitere Direktiven als die in § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO enthaltene Verpflichtung, bei Auferlegung durch Gesetz gleichzeitig die Aufbrin98 Abgedr. bei Markuli, Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein, 1950, S. 163 ff.; vgl. hierzu auch Körte, Heinz-Walter, Die Aufgabenverteilung zwischen Gemeinde und Staat unter besonderer Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips, Diss. jur. Würzburg 1968, S. 5 ff.; Dehmel, Hans-Hermann, Übertragener Wirkungskreis. Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben nach Weisung. Die Durchführung staatlicher Aufgaben durch die Gemeinden — Grundlagen und Wandlungen (= Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 113), Berlin 1970, S. 83 f. sowie Erichsen, Kommunalrecht, 1988, S. 26. 99 Kottenberg / Rehn / Cronauge, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 1988, § 3 GO, Anm. I 1. 100 Vgl. Galette I Laux, Kommentar, 1987, § 1 GO, Anm. 2 b. ιοί § 3 Abs. 1 Satz 1 NWGO hat damit das Gesetz im formellen Sinne im Auge (vgl. Oerter, in: von Loebell, Gemeindeordnung, 1980, § 3, Erl. 3; Rauball / Rauball, Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen, 1974, § 3, Erl. 1); da Art. 78 Abs. 3 LVNW in diesem Zusammenhang nur von „gesetzlichen Vorschriften" spricht, diese Gesetze im materiellen Sinn, also insbesondere Verordnungen, einschließen, kann sich der Gesetzgeber nach h. M. über die in § 3 Abs. 1 NWGO getroffene Regelung hinwegsetzen. So lassen etwa § 55 Abs. 2, 17 LOGNW die Übertragung von Aufgaben im Wege der Zuständigkeitsbestimmung durch Rechts Verordnung zu (vgl. Kottenberg / Rehn / Cronauge, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, § 3, Erl. II 1; Oerter, in: von Loebell, Gemeindeordnung, 1980, § 3, Erl. 3; a. Α.: Kirchhof, Kreisordnung, 1984, § 2, Erl. 24). 8 Hofmann-Hoeppel

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

gung der Mittel zu regeln 102 , kennt die NWGO — im Unterschied zur bayerischen Rechtslage — nicht. Die rechtlichen Konturen der jeweiligen Pflichtaufgabe sind daher der spezifischen spezialgesetzlichen Regelung zu entnehmen. bb) Die schulrechtlichen Pflichtaufgaben nach § 10 SchVGNW Gem. § 10 Abs. 1 SchVGNW 1 0 3 sind die Gemeinden verpflichtet, Grundschulen, gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 SchVGNW Hauptschulen und gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 SchVGNW Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen zu errichten und fortzuführen, letztere freilich nur dann, wenn ein Bedürfnis hierfür besteht. Darüber hinaus ergibt sich nach § 10 Abs. 5 Satz 1 SchVGNW die Verpflichtung, Schulen für Erziehungshilfe, für geistig Behinderte, Lern- und Sprachbehinderte zu errichten und fortzuführen; kreisfreie Städte haben überdies Berufsschulen zu errichten und fortzuführen. Diese in § 10 SchVGNW normierten Pflichtaufgaben sind indes nicht unbedingter Natur; dies folgt aus dem in § 10 Abs. 11 Satz 1 SchVGNW normierten Subsidiaritätsprinzip, nach dem die Verpflichtung, Schulen zu errichten, nicht besteht, soweit und solange andere öffentliche oder private Schulträger das Schulbedürfnis durch einen geordneten Schulbetrieb erfüllen. Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 SchVGNW vorgesehene Möglichkeit des Zusammenschlusses von Gemeinden und Gemeindeverbänden zu Schulverbänden als Zweckverbände ist Ausfluß der Tatsache, daß das „Bedürfnis" (§ 10 Abs. 2 Satz 2 SchVGNW für Realschulen, Gymnasien und Hauptschulen) für Errichtung und Fortführung maßgeblich durch Schüleraufkommen und Willen der Erziehungsberechtigten bestimmt wird, die bei der Feststellung des Bedürfnisses gem. § 10 Abs. 4 SchVGNW zu berücksichtigen sind (vgl. auch § 10 Abs. 5 Satz 2 SchVGNW für die in § 10 Abs. 5 Satz 1 genannten Schularten). § 11 Abs. 1 SchVGNW bedeutet aber nicht nur eine Restriktion im „Ob" der Erfüllung der sich aus § 10 SchVGNW ergebenden Pflichtaufgaben, sondern ist auch — die kommunale Finanzhoheit und den Einsatz kommunaler Mittel schützende — Direktive hinsichtlich des „Wie" der Aufgabenerfüllung: Die durch die fakultative Bildung eines Schulzweckverbandes eintretende finanzielle Belastung wird regelmäßig geringer sein als jene, die mit der Errichtung und Fortführung einer Schulart durch eine einzelne Gemeinde einhergeht. Auf Errichtung und Fortführung der in § 10 SchVGNW genannten Schularten besteht trotz Erwähnung des Willens der Erziehungsberechtigten in § 10 Abs. 4 SchVGNW kein Rechtsanspruch 104. 102 Vgl. hierzu sogleich unter Kapitel 4, II.l. 103 Vom 1.10.1959 (§38 SchVGNW) i. d. F. d. Bek. v. 18.1.1985 (GVNW 1985, 155, ber. S. 447 = SGVNW 223); vgl. zum Charakter als Pflichtaufgaben allgemein Erichsen, Kommunalrecht, 1988, S. 58, und Rauball ! Rauball, Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen, 1974, § 2, Erl. 5.1. 104 Für die Errichtung einer Gesamtschule vgl. OVG Münster, Beschl. v. 4.9.1968, in: Knudsen, Holger (Hrsg.), Ergänzbare Sammlung schul- und prüfungsrechtlicher Ent-

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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cc) Die wasserrechtlichen Pflichtaufgaben nach §§48 Abs. 1, 53 Abs. 1 LWGNW Entgegen der in Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayGO ausdrücklich getroffenen Regelung normiert § 48 Abs. 1 Satz 1 LWGNW lediglich, daß Anlagen für die Versorgung mit Trink- oder Brauchwasser, die dem allgemeinen Gebrauch dient, nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten und zu betreiben sind. Eine Bestimmung der Pflichtigen Selbstverwaltungskörperschaften ist nicht erfolgt. Gleichwohl ist nach h. M. anerkannt, daß es sich um eine Pflichtaufgabe der Gemeinden handelt 105 . In § 53 Abs. 1 Satz 1 LWGNW werden die Gemeinden hingegen ausdrücklich als Aufgabenträger verpflichtet, das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen und die dazu notwendigen Anlagen zu betreiben bzw. zu erweitern (§ 53 Abs. 1 Satz 2 LWGNW), soweit nicht nach den §§53 Abs. 2, 53 a, 54 LWGNW andere zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind oder ein für verbindlich erklärter Abwasserbeseitigungsplan andere zur Abwasserbeseitigung verpflichtete Träger ausweist. Ähnlich wie nach Art. 41b Abs. 2 Nr. 3 BayWG kann die Gemeinde die Genehmigung der unteren Wasserbehörde beantragen, hinsichtlich Grundstücken außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile ganz oder teilweise von der Abwasserbeseitigungspflicht freigestellt zu werden, wenn eine Übernahme des Abwassers wegen technischer Schwierigkeiten oder wegen eines unverhältnismäßig hohen Aufwands nicht angezeigt ist und das Wohl der Allgemeinheit der gesonderten Abwasserbeseitigung nicht entgegensteht. Darüber hinaus sieht § 53 a LWGNW als Übergangsregelung die Möglichkeit vor, den Abwasserproduzenten zum Beseitigungspflichtigen zu erklären, ihm die hierfür erforderlichen Genehmigungen zu erteilen und die Abwassereinleitung zu erlauben, bis die Übernahme des Abwassers durch die Gemeinde erfolgt. Reicht die finanzielle Leistungskraft von Gemeinden zur Errichtung einer Abwasserbeseitigungsanlage oder aber für eine Erweiterung nicht aus, so kommt der Zusammenschluß zu einem Zweckverband in Betracht (§ 53 Abs. 6 Satz 2 LWGNW). Das Gesetz hat dies „insbesondere" für den Fall vorgesehen, daß die Abwasserbeseitigung hierdurch insgesamt wirtschaftlicher gestaltet werden kann (§ 53 Abs. 6 Satz 2 Scheidungen (SPE), Neue Folge, 14. Erg.Lieferg., Neuwied und Darmstadt 1988, Bd. 1, 228 Nr. 4; OVG Münster, Beschl. v. 26.4.1984, SPE 132, Nr. 22; OVG Münster, Beschl. v. 14.7.1986, SPE 228, Nr. 5. Hinsichtlich eines Gymnasiums vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.1980, SPE 132, Nr. 18; OVG Münster, Beschl. v. 2.4.1984, SPE 132, Nr. 21 sowie allgemein Seyderheim, Bernhard, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Maßnahmen im Schulverhältnis, Diss. jur. Göttingen 1984, S. 175 ff., und Kopp, VwGO, 1989, § 42, Anh. 68 m. w. N. 105 Vgl. Kottenberg / Rehn / Cronauge, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 1988, § 2, Erl. 14; Rauball / Rauball, Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen, 1974, § 2, Erl. 5.9. 8*

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3. Kap.: Rechtliche Klassifizierungdes BSHG-Vollzugs

lit. b LWGNW). Daraus wird ersichtlich, daß die Abwasserbeseitigung — ähnlich wie nach bayerischer Rechtslage — keiner unbedingten Bindung im „Ob" unterliegt und im übrigen der finanziellen Leistungskraft der Gemeinden durch zeitweilige Freistellungsmöglichkeit und Formen des kommunalen Zusammenschlusses Rechnung getragen wird. Die weiteren wasserrechtlichen Pflichtaufgaben der Gemeinden — Wasserführungsausgleichspflicht nach § 87 Abs. 1 Satz 1 LWGNW, Gewässerausbaupflicht nach § 89 Abs. 1 Satz 1 LWGNW und Gewässerunterhaltungspflicht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LWGNW mit dem Inhalt nach § 90 Abs. 2 LWGNW — zeichnen sich insbesondere durch den Umstand der „schonenden" Behandlung der kommunalen Finanzkraft aus: Dies wird dokumentiert durch die nach §§ 88 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 2 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 LWGNW bestehenden Umlagemöglichkeiten sowie durch die zur Erfüllung der Gewässerunterhaltungslast nach § 93 LWG vorgesehenen Finanzierungshilfen des Landes. dd) Die straßenrechtlichen Pflichtaufgaben nach §§47 Abs. 1 StrWGNW, 1 Abs. 2 StrReinGNW Als Träger der Straßenbaulast (§ 47 Abs. 1 StrWGNW) sind die Gemeinden zum Bau oder zur Änderung von Gemeindestraßen nur im Rahmen der bestehenden bau- und gemeinderechtlichen Bestimmungen verpflichtet 106 . Die Straßenbaulast besteht nur im Interesse der Allgemeinheit, nicht als Rechtsanspruch privater Dritter 107 . Demgegenüber ist die Straßenreinigungspflicht 108 nach § 1 Abs. 1 StrReinGNW eine Dritten, insbesondere Anliegern gegenüber bestehende Amtspflicht, die gem. § 1 Abs. 2 StrReinGNW auch die sogenannte Winterwartung umfaßt. Sie kann gem. § 4 Abs. 1 StrReinGNW auf die Grundstückseigentümer im Wege der Satzung übertragen werden, die Art und Umfang der Reinigungspflicht bestimmt (§ 4 Abs. 2 StrReinGNW). Wird die Straßenreinigung durch die Gemeinde selbst vorgenommen, so kann diese von den Eigentümern der durch die Straße erschlossenen Grundstücke Benutzungsgebühren nach KAG erheben (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StrReinGNW), deren Aufkommen maximal 75 % der Gesamtkosten betragen darf (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinGNW).

106 Vgl. Rauball I Rauball, Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen, 1974, §2, Erl. 5.2. io? OVG Münster, DVB1 1967, 203. los Vgl. zur alten Rechtslage Rauball I Rauball, Gemeindeordnung von NodrheinWestfalen, 1974, § 2, Erl. 5.3.

II. BSHG-Vollzug als Selbstverwaltungsangelegenheit

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ee) Gemeinsame Kriterien für die Pflichtaufgaben nach nordrhein-westfälischem Landesrecht Auch für die Pflichtaufgaben im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 NWGO gilt im Grundsatze die für den Vollzug Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben nach bayerischem Landesrecht getroffene Feststellung einer Begrenzung hinsichtlich des „Ob" der Aufgabenerfüllung durch die finanzielle Leistungskraft der Gemeinde sowie durch die Tatsache, daß auf die Erfüllung der Pflichtaufgabe seitens privater Dritter kein im Klagewege durchsetzbarer subjektiv öffentlich-rechtlicher Anspruch besteht. Somit kann ein Vergleich der den Vollzug des BSHG bestimmenden Kriterien mit den rechtlichen Konturen der Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben bzw. Pflichtaufgaben nach bayerischem bzw. nordrhein-westfälischem Landesrecht nur zu dem Ergebnis führen, daß beide Vollzugsformen dem Grunde nach wesensverschieden sind. Der Vollzug des BSHG durch die Gemeinden als örtliche Träger der Sozialhilfe wird daher auch dogmatisch den Anforderungen nicht gerecht, die sich für Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben bzw. Pflichtaufgaben nach Bundesrecht, bayerischem und nordrhein-westfälischem Landesrecht ergeben.

Kapitel 4

Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung I. Kommunale Finanzhoheit als Teilelement der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie 1. Die verfassungsrechtliche Ableitung kommunaler Finanzhoheit Die kommunale Finanzhoheit — obwohl in den Verfassungsbestimmungen des Bundes wie der Länder über die kommunale Selbstverwaltung nicht ausdrücklich genannt — ist wesentlicher Bestandteil des Selbstverwaltungsrechts. Zu den konstitutiven Elementen gemeindlicher Selbstverwaltung gehören daher nach deutscher Verfassungstradition die Zuweisung des Aufkommens bestimmter Steuern und die Ermächtigung, den Anspannungsgrad der Realsteuern sowie der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern eigenverantwortlich zu bestimmen, da finanzielle Selbstverwaltung auch die Verpflichtung in sich schließt, in bestimmtem Rahmen selbständig für die Beschaffung der benötigten Einnahmen zu sorgen und damit finanzielle Konsequenzen der Ausgabengebarung politisch zu vertreten 1. Üblicherweise wird die Garantie kommunaler Finanzhoheit als Teilelement der umfassend verstandenen kommunalen Selbstverwaltungshoheit betrachtet und daher unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitet. Allein bezüglich der durch die kommunale Finanzhoheit garantierten kommunalen Steuerbeteiligung knüpft das Bundesverfassungsgericht dann, wenn das gemeindliche Beteiligungsrecht am Aufkommen der Einkommenssteuer in Rede steht, an Art. 106 Abs. 5 Satz 1 GG unmittelbar an; dies ist aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.10.19852 zu schließen, da dort die Rede davon ist, die Ausgestaltung der kommunalen Steuerbeteiligung nach Art. 106 Abs. 5 GG dürfe 1 Vgl. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 1987, Rn. 112; ders., Finanzhoheit und Finanzmisere der deutschen Kommunen, EzÖR 1989, 41 ff.; Fischer-Menshausen, in: von Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 3,1983, Art. 106, Rn. 33; Kirchhof, Die kommunale Finanzhoheit, in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der komnmunalen Wissenschaft und Praxis, 1985, Bd. 6, § 112, S. 3 ff.; Geske, Gemeinden und Kreise im Finanzsystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1985, Bd. 6, § 113, S. 29 ff.; von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 19 f. 2 BVerfGE 71, 25 ff.

I. Kommunale Finanzhoheit

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nicht „zu einer Unterschreitung des durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Gesamtumfangs der gemeindlichen Finanzausstattung führen" 3 .

2. Funktion und Bedeutung von Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 83 Abs. 3 Β V, Art. 78 Abs. 3 L V N W für die Garantie der kommunalen Finanzhoheit a) Finanzausstattung als notwendiges Korrelat kommunaler Selbstverwaltung Rechtsprechung und Lehre zu Art. 28 Abs. 2 GG wie zu Art. 83 Abs. 3 Β V und 78 Abs. 3 LVNW stimmen dahingehend überein, daß die Gewährleistung einer ausreichenden Finanzausstattung notwendiges Korrelat kommunaler Selbstverwaltung sei 4 . Aus dieser verfassungsrechtlichen Gewährleistung folgt nach h. M. indessen nicht, daß Gemeinden und Gemeindeverbänden ein bestimmter und gleichbleibender Bestand an Finanzmitteln zur Erfüllung ihrer Aufgaben garantiert ist. Die Frage der Angemessenheit der kommunalen Finanzausstattung kann wegen des zur Anwendung gelangenden Konnexitätsprinzips und der Gleichrangigkeit der Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden nur unter gleichzeitiger Berücksichtigung der übrigen im Finanzverbund zusammengeschlossenen Körperschaften und unter Berücksichtigung ihrer Aufgaben und Belange beantwortet werden 5. Art. 28 Abs. 2 GG läßt freilich — und dies gilt im Grundsatze auch für Art. 83 Abs. 3 BV, 78 Abs. 3 LVNW—offen, in welcher Art und Weise dem Anspruch auf angemessene Finanzausstattung Rechnung zu tragen sei. Vorsorge für eine angemessene Finanzausstattung kann grundsätzlich durch landesrechtliche Ermächtigungen zur Selbstfinanzierung—vor allem durch Erhebung selbstbestimmter Abgaben und sonstiger Veranlagungen — erfüllt werden wie durch Zuordnung staatlicher Steuereinnahmen und Gewährung von Finanzhilfen 6. 3 BVerfGE 71, 25 ff, 38; vgl. hierzu Gr awert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 32 f. 4 Vgl. Pagenkopf \ Kommunalrecht, Bd. 2,1976, S. 11; ders., Gemeindefinanzsystem, 1978, S. 6; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 30; Erichsen, Kommunalrecht, 1988, S. 139 f.; Knemeyer, Finanzausstattung der Städte, Der Städtetag 1988, 330 ff. 5 Vgl. Pagenkopf, Gemeindefinanzsystem, S. 7; OVG Münster, DVB1 1980, 763 ff., 764; VerfGH-Rhpf., DÖV 1978, 763 ff., 764; im Urteil v. 24.6.1986 — BVerfGE 72, 330 ff. — hat das BVerfG gleichzeitig klargestellt, daß der Finanzausgleich dem freien Aushandeln der an der Gesetzgebung Beteiligten entzogen ist; vgl. hierzu Zabel, Zur Stellung der Gemeinden im Länderfinanzausgleich, Der Städtetag 1990, 274 ff., 275; ders., Die Gemeindesteuern im Länderfinanzausgleich, ZKF 1989, Hefte 7-9; ders., Die Entwicklung des Länderfinanzausgleichs in der Bundesrepublik Deutschland (= Berichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Bd. 59), 1985. 6 Vgl. Grawert, Gemeinden und Kreise, VVDStRL 36 (1978), S. 277 ff., 299; ders., Kommunale Finanzhoheit und Steuerhoheit, in: von Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, 1983, S. 587 ff., 589; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 34.

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

Art. 83 Abs. 2 Satz 2 B V 7 — in dem das Recht der Bedarfsdeckung durch Erhebung öffentlicher Abgaben normiert ist — wie Art. 83 Abs. 3 BV — wonach bei Übertragung staatlicher Aufgaben gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen sind — dienen nach allgemeiner Meinung der verfassungsmäßigen Sicherung kommunaler Selbstverwaltung ebenso wie Art. 78 Abs. 3 LVNW, der die konkrete Verpflichtung statuiert, bei der Übertragung neuer öffentlicher Aufgaben auf die Kommunen gleichzeitig Regelungen über die Deckung der Kosten vorzunehmen. Hinsichtlich Modalität wie Umfang umstritten ist vor allem die in Art. 83 Abs. 3 BV, 78 Abs. 3 LVNW normierte Verpflichtung des Staates, bei Übertragung von Aufgaben gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen. So wird etwa in der Kommentierung vonNaviasky zu Art 83 Abs. 3 Β V 8 die Auffassung vertreten, es sei zur Erfüllung der sich aus Art. 83 Abs. 3 Β V ergebenden Erschließungsverpflichtung zulässig, Gemeinden und Gemeindeverbände auf den staatlichen Finanzausgleich zu verweisen. Weiter heißt es dort: „Der Finanzausgleich muß die Selbstverantwortung der Kommunen ermöglichen und festigen, aber den Gebietskörperschaften auch im Wege des Lastenausgleichs eine notwendige finanzielle Hilfe zuteil werden lassen. Wie der Staat seiner Verpflichtung zur Erhaltung derfinanziellen Lebensfähigkeit der Gemeinden gerecht wird, ist weitgehend in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt. Dieser ist nicht gehalten, die Gemeinden nach Maßgabe des regionalen Steueraufkommens an diesem zu beteiligen, ihnen bestimmte Steuern zuzuweisen oder ihnen sonstige bestimmte Einnahmequellen zu eröffnen; die Gemeinden können auch nicht beanspruchen, daß ihnen eine einmal zugewiesene Steuermöglichkeit belassen wird oder daß die Merkmale, nach denen die Zuweisungen gewährt werden, unverändert bleiben (VerfGHE 12,48)." 7 Die Entscheidung des BayVerfGH v. 15.12.1988 (DÖV 1989,306 ff. = DVB1 1989, 308 ff. = BayVBl 1989, 237 ff. = KStZ 1989, 34 ff. = BayGT 1989, 14 ff. = KommPr 1989, 48 ff. = Knemeyer / Hofmann, EzKommR, 1. Erg.Lieferg. 1989, 1700.74 m. Anm. Knemeyer) hat klargestellt, daß das Recht der Gemeinden, Abgabesatzungen zu erlassen, grundsätzlich zum Kernbereich der Selbstverwaltung gehört. Es ist somit davon auszugehen, daß der Verfassungsgeber den Gemeinden mit der Gewährleistung in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 ΒV — wenn auch im Rahmen der Gesetze (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 ΒV) und damit unter dem Vorbehalt staatlicher Mitwirkung — bewußt ein „ursprüngliches Besteuerungsrecht" verleihen wollte und damit der gemeindlichen Finanzhoheit ein besonderes Gewicht verliehen hat. Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV verpflichtet daher den Landesgesetzgeber, im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz den Gemeinden einen Bereich zur eigenverantwortlichen Abgabenerhebung einzuräumen. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß die Auffassung, neben den gesetzlichen Versagungstatbeständen des Art. 2 Abs. 4 BayKAG bestehe noch ein Ermessensspielraum für die Genehmigungsbehörde, Inhalt und Tragweite des Selbstverwaltungsrechts gem. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 und Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV nicht ausreichend berücksichtigt; zur Problematik der Zweitwohnungssteuer vgl. allg. Birtel, Thomas, Das Überlinger Modell der Zweitwohnungssteuer, KStZ 1979, 221 ff.; von Arnim, Herbert, Zweitwohnungssteuer und Grundgesetz, Wiesbaden 1981; Bayer, Hermann-Wilfried (Hrsg.), Die Zweitwohnungssteuer. Eine Dokumentation. Stuttgart 1981; Berg, Wilfried, Rechtsfragen zur Einführung einer Zweitwohnungssteuer, BayVBl 1986, 131 ff.; Merk, Beate, Zur Zweitwohnungssteuer in Bayern, BayVBl 1986, 133 ff.; Knemeyer, Franz-Ludwig, Grenzen staatlicher Kontrolle bei der Genehmigung kommunaler Abgabensatzungen, BayVBl 1989, 232 ff. 8 Naviasky, in: Naviaksy / Leusser / Schweiger / Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1976, Art. 83, Rn. 9.

I. Kommunale Finanzhoheit

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Zur Ermittlung von Modalität und Umfang der in Art. 83 Abs. 3BVniedergelegten Erschließungsverpflichtung des Staates bei Übertragung von Aufgaben an Gemeinden — und an Gemeindeverbände gem. Art. 83 Abs. 6 Β V—kann im Grundsatze auf die Ergebnisse zu der Art. 83 Abs. 3 Β V entsprechenden Verfassungsnorm des Art. 78 Abs. 3 L V N W 9 zurückgegriffen werden. Beide Vorschriften sind vom S inngehalt her vergleichbar; in ihnen kommt—zumindest sprachlich—ein Junktim zwischen Aufgabenübertragung und Kostendeckungsregelung zum Ausdruck. b) Inhalt und Umfang des staatlichen Mittelerschließungsgebots Die zu Art. 78 Abs. 3 L V N W bestehende überwiegende Meinung sieht in dem Partikel „gleichzeitig" trotz einer entsprechenden textlichen Ausgestaltung kein Junktim, also keine Verpflichtung, die Kostenregelung im aufgabenübertragenden Gesetz vorzusehen. Der Gesetzgeber müsse lediglich, um dem Verfassungsauftrag aus Art. 78 Abs. 3 L V N W Genüge zu tun, deutlich machen, daß er tatsächlich Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen hat 10 . In diesem Zusammenhang wird es für grundsätzlich zulässig erachtet, die Gemeinden auf den jährlichen Finanzausgleich zu verweisen 1 Darüber hinaus ist aber auch der Umfang der Kostendeckungspflicht nach Art. 7 8 Abs. 3 LVNW umstritten; nach überwiegender Meinung ist Art. 78 Abs. 3 LVNW nicht als zwingende Deckungsgarantie, sondern lediglich als finanzpolitische Richtlinie für den Gesetzgeber anzusehen12. Nach dieser Ansicht gewährt also Art. 78 Abs. 3 L V N W kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne eines Anspruchs auf (vollständige) Kostenerstattung der Gemeinden gegenüber dem Staat; aus Art. 78 Abs. 3 LVNW soll nur die Verpflichtung resultieren, die entstehenden Mehrkosten zu berücksichtigen, nicht aber, diese in vollem Umfange auszugleichen. Eine Dekkung der mit dem Aufgabenvollzug entstehenden Mehrkosten soll im freien Ermessen des Landesgesetzgebers stehen; nur bei ins Gewicht fallenden Mehrbelastungen entstehe eine Ausgleichspflicht 13 . 9 Nach Art. 78 Abs. 3 LVNW kann das Land die Gemeinden und Gemeinde verbände durch gesetzliche Vorschriften zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten, wenn gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden; nach Art. 83 Abs. 3 BV sind bei Übertragung staatlicher Aufgaben an die Gemeinden gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen. 10 VG Düsseldorf, Eildienst LKT NW 1984, 175; bestätigt durch Urteil des OVG Münster, OVGE 39, 76 ff. h Vgl. für die Gesetzeslage nach Art. 78 Abs. 3 LVNW Geller ! Kleinrahm I Fleck, Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 1963, Art. 78, Anm. 9; Rauball / Rauball, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 1974, § 3, Anm. 2; Kirchhof Kreisordnung, 1984, § 2, Anm. 25; OVG Münster, DVB1 1980, 763. 12 Vgl. Kottenberg / Rehn / Cronauge, Gemeindeordnung, 1985, § 3, Anm. 5; Oerter, in: von Loebell, Gemeindeordnung, 1980, § 3, Anm. 4; Rauball / Pappermann / Roters, Gemeindeordnung, 1981, § 3, Rn. 2; Geller / Kleinrahm / Fleck, Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 1963, Art. 78, Anm. 9; VG Düsseldorf, RKVRNW, § 3 Abs. 1 Nr. 11. 13 Vgl. Kirchhof Kreisordnung, 1984, § 2, Anm. 25; Kottenberg / Rehn / Cronauge, Gemeindeordnung, 1985, § 3, Anm. 5; Oerter, in: von Loebell, Gemeindeordnung, 1980,

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

Begründet wird diese Ansicht vor allem damit, daß Art. 78 Abs. 3 L V N W wie im übrigen auch die anderen landes verfassungsrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Erschließungspflicht bei staatlicher Aufgabenübertragung — auf § 54 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden vom 23.6.1923 14 zurückgehe, dessen Funktion nach allgemeiner Ansicht darin gesehen wurde, der Staatsverwaltung die Pflicht aufzuerlegen, in jedem Falle eine finanzielle Mehrbelastung im Hinblick darauf zu überprüfen, ob die Selbstverwaltungskörperschaft die neue Aufgabe mittels ihrer bisherigen Einnahmequellen würde finanzieren können oder ob ihr aus dem Anlaß der Aufgabenübertragung neue Deckungsmittel zuzuführen seien15. Die Ansicht, Art. 78 Abs. 3 LVNW werde bei genügend leistungsfähigen Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden auch dadurch Genüge getan, daß diese selbst die erforderlichen Mittel aufzubringen haben, führt konsequenterweise zu dem Schluß, eine Art. 78 Abs. 3 L V N W entsprechende Regelung könne auch darauf hinauslaufen, daß kein Ausgleich erfolgt, wenn die Finanzausstattung im Rahmen des gesamten Finanzgefüges als ausreichend anzusehen ist 16 . Diese Auffassung, wonach sich der Regelungsgehalt von Art. 78 Abs. 3 LVNW und damit auch Art. 83 Abs. 3 Β V im wesentlichen darin erschöpfe, dem staatlichen Gesetzgeber eine Prüfungspflicht hinsichtlich der durch die Aufgabenübertragung entstehenden finanziellen Mehrbelastung aufzuerlegen, ist jedoch als unzutreffend zurückzuweisen 17. Insbesondere von Mutius/ Henneke x% ist darin zuzustimmen, § 3, Anm. 4; Geller ! Kleinrahm I Fleck, Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 1963, Art. 78, Anm. 9. 14 RGBl I, S. 494 i. d. F. d. 3. ÄndG v. 31.7.1938, RGBl I, S. 966; vgl. hierzu vor allem Pikullik, Das System des kommunalen Finanzausgleichs, 1966, S. 73; Millinger, Bundesstaatliche Finanzverfassung, 1968, S. 48 ff. Durch das Gesetz v. 23.6.1923 — Neufassung des „Gesetzes zur Änderung des Landessteuergesetzes v. 23.6.1923", RGBl I, 483 ff. — wurde der Begriff des Finanzausgleichs erstmals in die Gesetzessprache übernommen. Das Finanzausgleichsgesetz verbesserte die Einnahmen der Länder durch eine Erhöhung der Steueranteile und übernahm 75 % der den Ländern und Gebietskörperschaften seit dem 1.1.1921 durch die fortlaufenden Erhöhungen der Personalausgaben erwachsenen Mehrausgaben, die finanzielle Unterstützung der Religionsgesellschaften sowie der Anstalten und Einrichtungen auf den Gebieten der Wohlfahrtspflege, des Schul- und Bildungswesens. Der Regelung des horizontalen Finanzausgleichs diente § 35 FAG, nach dem die Länder seitens des Reiches Ergänzungsanteile bis zu 80% des Reichsdurchschnitts erhielten, wenn in einzelnen Ländern der Überweisungsanteil um mehr als 20% hinter dem durchschnittlichen Länderanteil je Einwohner zurückblieb. Die Länder ihrerseits waren verpflichtet, die Gemeinden an dem Länderanteil der Einkommen- und Körperschaftssteuer nach Maßgabe des Reichsverteilungsschlüssels zu beteiligen. 15 Vgl hierzu Fischer-Menshausen, Herbert, Die Länder im künftigen Finanzausgleich, DÖV 1948,10 ff., 14; Augustin, Karl, Keine neuen Aufgaben ohne finanzielle Deckung, DÖV 1949, 94 (vgl. bereits DÖV 1949, 38); Wixforth, Gemeindliche Finanzhoheit, 1962, S. 49 f.; OVG Münster, DVB1 1980, 763 ff.; VerfGH-Rhpf., DÖV 1978, 763 ff., 764. 16 Oerter, in: von Loebell, Gemeindeordnung, 1980, § 3, Anm. 4; Kirchhof, Kreisordnung, 1984, § 2, Anm. 25. 17 Vgl. hierzu Pagenkopf, Finanzausgleich im Bundesstaat, 1981, S. 53; Makswit, Anmerkung zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom

I. Kommunale Finanzhoheit

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daß Art. 78 Abs. 3 L V N W nicht bedeuten könne, dem Gesetzgeber lediglich eine Prüfungspflicht hinsichtlich der mit der Aufgabenübertragung verbundenen finanziellen Mehrbelastung zu übertragen: „Aus Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang dieser Regelung zu Art. 78 Abs. 1 und 2 sowie Art. 79 Verfassung N W . . . folgt unter Einbeziehung der übrigen Verfassungsbestimmungen auf Bundes- und Landesverfassungsebene zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung und ihrer finanziellen Grundlagen, daß Art. 78 Abs. 3 Verfassung NW ein subjektiv öffentliches Recht im Sinne eines Anspruchs der Kommunen auf Kostenerstattung gegenüber dem Land bei einer Übertragung von Aufgaben gewährt, da es anderenfalls zu einer schleichenden, aber doch stetigen Austrocknung der finanziellen Grundlagen des Selbstverwaltungsrechts kommen könnte."19 Überträgt man diese zu Art. 78 Abs. 3 LVNW entwickelten Grundsätze auf die Auslegung von Art. 83 Abs. 3 BV, soergibt sich auch aus dieser Vorschrift bei Übertragungstaatlicher AufgabenaufGemeinden(bzw.Gemeindeverbändeüber Art. 83 Abs. 6 BV) eine unbedingte staatliche Deckungspflicht, die zwar zugegebenermaßen im Rahmen des allgemeinen Finanzausgleichs erfolgen kann 20 , dabei aber sicherstellen muß, daß es zu einer Erstattung der zum Vollzug der übertragenen Aufgabe erforderlichen Mittel in vollem Umfange kommt. Nicht unwesentlich für diese soeben getroffene Auslegung von Art. 78 Abs. 3 LVNW, Art. 83 Abs. 3 Β V ist im Hinblick auf die bayerische Rechtslage die Tatsache, daß die Art. 83 Abs. 3 Β V konkretisierenden Bestimmungen des einfachen Gesetzesrechts — Art. 8 Abs. 4 BayGO, Art. 6 Abs. 4 BayLKrO, Art. 6 Abs. 4 BayBezO — nach wohl h. M. über das Verfassungsgebot in Art. 83 Abs. 3 BV insoweit hinausgehen, als der Staat den Gemeinden und Gemeindeverbänden nach diesen Bestimmungen bei der Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Die Kommentatoren des Bayerischen Verfassungsrechts stimmen darin überein, daß den Staat aus Art. 8 Abs. 4 BayGO, 6 Abs. 4 BayLKrO, 6 Abs. 4 BayBezO damit — über die Verpflichtung nach Art. 83 Abs. 3 Β V hinausgehend — die Verpflichtung treffe, die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Mittel selbst aufzubringen und den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden zuzuweisen21. 26.10.1979, DVB11980,763; DVB11981,225; ders., Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 148 f. 18 Kommunale Finanzausstattung, 1985. 19 von Mutius I Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 101. 20 Das „Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern (Asylbewerberaufnahmegesetz — AsylAufnG)" der Bayerischen Staatsregierung sieht — als Reaktion auf das Urteil des Bay VGH v. 22.3.1989 (4 Β 88.2483 = EzKommR 2120.65) — zur Deckung für die in Erfüllung der „subsidiären" Verpflichtung der Landkreise und kreisfreien Städte, die nach der aufgrund von § 22 Abs. 9 Satz 2 AsylVfG erlassenen Verordnung zugewiesenen Personen aufzunehmen und unterzubringen haben, verausgabten Mittel die Zuwendung pauschaler Zuweisungen nach Maßgabe des Finanzausgleichsgesetzes vor (Art. 4).

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

Schweiger geht in der Kommentierung zu Art. 83 Abs. 3 BV in diesem Zusammenhange sogar soweit, die Verfassungsmäßigkeit der Ausweitung von Art. 83 Abs. 3 Β V durch die oben bezeichneten Vorschriften als „sehr zweifelhaft" zu bezeichnen, da Art. 83 Abs. 3 und 4 BV gerade der gegenseitigen Abgrenzung der Rechte und Pflichten von Gemeinden (Gemeindeverbänden) einerseits und des Staates andererseits dienen. Indes kann der Vorwurf der zweifelhaften Verfassungsmäßigkeit der oben genannten Bestimmungen allein schon deshalb nicht aufrecht erhalten werden, weil Verfassungssätze anerkanntermaßen den von Verfassungs wegen zu fordernden „Mindeststandard" normieren, den der einfache Gesetzgeber zwar nicht ohne Verfassungsverstoß unterschreiten, wohl aber ohne Verfassungsverstoß überschreiten darf 22 . Demnach bleibt für die bayerische Rechtslage daran festzuhalten, daß Art. 8 Abs. 4 BayGO, 6 Abs. 4BayLKrOund6Abs. 4 ΒayBezO im Falle der Übertragung staatlicher Angelegenheiten auf Gemeinden bzw. Gemeindeverbände dem Staat die Verpflichtung auferlegen, Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Mittel als sofort greifbar zuzuteilen, die Gemeinden und Gemeinde verbände also nicht auf die bessere Aus schöpfung ihnen bereits zustehender Finanzquellen verweisen darf. Auch eine Zuweisung weiterer Finanzquellen zur eigenen Ausschöpfung würde dem Gebot aus den oben genannten Vorschriften nicht genügen23. Wie sogleich 24 zu zeigen sein wird, hat die nach h. M. bestehende Diskrepanz zwischen dem Mittelerschließungsgebot nach Art. 83 Abs. 3 Β V und dem Gebot nach Art. 8 Abs. 4 BayGO, 6 Abs. 4 BayLKrO, 6 Abs. 4 BayBezO, bei der Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, Auswirkungen auf die verfassungsbestimmte Auslegung des Inhalts kommunaler Finanzhoheit.

21 Vgl. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1985, Art. 83, Rn. 12; Naviasky, in: Naviasky I Leusser I Schweiger I Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1985, Art. 83, Rn. 8. 22 Dies ergibt sich bereits bei analoger Anwendung des für das Verhältnis von Landeszu Bundesverfassungsrecht geltenden Grundsatzes nach Art. 142 GG; vgl. hierzu und zur Lehre vom Mindeststandard Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 142, Rn. 14 ff. 23 So auch Helmreich / Widtmann, Kommentar, 1980, Art. 8 GO, Anm. 3; Widtmann / Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, 1988, Art. 8, Rn. 6. 24 Siehe hierzu unter Kapitel 4.III.3.

II. Qualifizierung einer Aufgabe und Kostenregelung

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I I . Der Zusammenhang von rechtlicher Qualifizierung einer Aufgabe und Kostenregelung 1. Die Mittelaufbringungsregelung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO Es wurde bereits daraufhingewiesen 25, daß § 5 Abs. 1NWAGBSHG wie Art. 12 Abs. 1 BayAGBSHG als Regelungen der Kostentragungspflicht der örtlichen Träger der Sozialhilfe zunächst nur Ausprägungen des Grundsatzes von der der Aufgabenlast folgenden Ausgabenlast sind. Über die Frage der Mittelaufbringung durch kreisfreie Gemeinden (und Landkreise) als örtliche Träger der Sozialhilfe sowie über die Frage der Kostendeckung gegenüber Land (oder Bund) treffen BSHG, BayAGBSHG und NWAGBSHG hinsichtlich der örtlichen Träger keine Aussagen. Im folgenden wird es darum gehen, darzutun, daß die Verortung des finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips als notwendigem Zusammenhang von Aufgabenwahrnehmung, Finanzierungs Verantwortlichkeit und aufgabenadäquater Gewährleistung der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Einnahmen26 von der Klassifizierung der Aufgabenwahrnehmung nach dem BSHG als Pflichtiger Selbstverwaltungsangelegenheit oder aber als Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises bzw. als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung abhängt. Behält man die von der h. M. vorgenommene—in Kapitel 3.11.3. als unzutreffend erkannte—Einordnung als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit bei, so ist Anknüpfungspunkt für das kommunalverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip nach bayerischer Rechtslage die allgemeine Gewährleistung kommunaler Finanzhoheit als Teilelement der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 11 Abs. 2 Β V, nach nordrhein-westfälischer Rechtslage § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO iVm Art. 78 Abs. 3 NWLV. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO ist bei der Auferlegung neuer Pflichten, insbesondere von Pflichtaufgaben, gleichzeitig die Aufbringung der Mittel zu regeln. Die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO setzt also voraus, daß der Vollzug des BSHG einen Fall der Auferlegung neuer Pflichten, insbesondere von Pflichtaufgaben, darstellt. Nach der § 3 NWGO immanenten Systematik kann es sich bei den dort genannten Pflichtaufgaben nur um weisungsfreie Pflichtaufgaben, d. h. um Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben handeln, da in § 3 Abs. 2 NWGO von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung die Rede ist 27 . 25 Vgl. Kapitel 3.1. 26 Vgl. Kirchhof, Der Finanzausgleich, DVB1 1980,711 ff., 713; Grawert, Kommunale Finanzhoheit und Steuerhoheit, in: von Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft. 1983, S. 587 ff., 598; Von Mutius I Henneke, Kommunale Finanzausstattung, 1985, S. 30; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 82 ff. 27 Vgl. Kottenberg / Rehn / Cronauge, Gemeindeordnung, 1985, § 3, Anm. 1.1. Ungeachtet der Deklarierung der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung als Bestandteil

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

Eine Anwendung von § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO auf den Aufgabenvollzug nach dem BSHG steht indes vor der zweifachen Schwierigkeit, ob es sich beim BSHGVollzug um neue Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben handelt und ob die Auferlegung durch „Gesetz" im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 NWGO erfolgt ist. Unter „neuen Pflichten, insbesondere Pflichtaufgaben" im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO können infolge Inkrafttretens der NWGO am 10.11.1952 (§ 120 NWGO) nur solche Pflichtaufgaben verstanden werden, die den Gemeinden nach diesem Zeitpunkt auferlegt wurden. Bei formaler Betrachtungsweise stünde einer Subsumtion des Vollzugs der Aufgaben nach dem BSHG unter das Tatbestandsmerkmal „neue Pflichten" nichts entgegen, da das BSHG am 1.6.1962 (§ 153 BSHG), mithin also nach Inkrafttreten der NWGO Rechts Wirksamkeit erlangte. Anspruch auf, Art und Maß der Gewährung von Sozialhilfe wurden aber nicht erst durch das Inkrafttreten des BSHG konstitutiv begründet, sondern bestanden bereits nach den unmittelbaren Vorläufern des BSHG, der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht vom 13.2.1924 und den Reichsgrundsätzen über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4.12.1924 28 . Zwar unterschied sich der Regelungsgehalt der Reichsfürsorgeverordnung von dem des BSHG insbesondere dadurch, daß die Bestimmung der örtlichen Träger („Bezirksfürsorge verbände") gem. der „eigenen Angelegenheiten" der Gemeinden besteht in Schrifttum und Rechtsprechung über den rechtlichen Charakter dieser Aufgaben keine Einigkeit. Umstritten ist insbesondere, ob es sich dabei lediglich um eine terminologische Änderung mit der Folge handelt, daß Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung weiterhin Auftragsangelegenheiten darstellen; vertreten wird auch die Auffassung, die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung seien keiner der beiden Aufgabengruppen — Selbstverwaltungsangelegenheiten bzw. Auftragsangelegenheiten — zuzuordnen, sondern als Aliud zwischen beiden Aufgabentypen anzusiedeln (vgl. OVG Münster, Urteil v. 15.7.1958, zit. bei Kottenberg ! Rehnl Cronauge, Gemeindeordnung, 1985, S. 59 f., sowie Dehmel, Übertragener Wirkungskreis, S. 90 ff. m. umf. w. Nachw.). Zu Recht hat sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 6, 104; vgl. hierzu Berkenhoff, DVB1 1955, 347; Scheer, DVB1 1955, 703) gegen den rechtlichen Charakter der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung als Selbstverwaltungsangelegenheiten und damit für ihre rechtliche Bestimmung als Auftragsangelegenheiten ausgesprochen. Demgegenüber neigen die Kommentatoren zu Nordrhein-Westfälischer Landesverfassung und Gemeindeordnung zu der Auffassung, es handele sich um Selbstverwaltungsangelegenheiten im eigentlichen Sinne (vgl. hierzu die Nachweise bei Kottenberg / Rehn / Cronauge, Gemeindeordnung, 1985, § 3, Anm. IV. 1., sowie Galette I Laux, Kommentar, § 1, Anm. 2 b, sowie umfassend Kirchhof, Paul, Abschied von den Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung?, Verwaltungsrundschau 1977, 369 ff., sowie von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, S. 94 ff.). Legt man die bei Schmidt-Jortzig (Kommunalrecht, 1982, Rn. 541, S. 184) gegebene Definition der dort so bezeichneten, »kommunalen Fremdverwaltungsaufgaben" zugrunde — die kraft organisatorischen Rechtssatzes erfolgende weisungsabhängige Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch eine Kommunalkörperschaft im eigenen Namen —, kommt man nicht umhin, festzustellen, daß auch die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung trotz ihrer deklaratorischen Zuordnung zu den Selbstverwaltungsaufgaben nichts anderes darstellen als zur Erfüllung in eigenem Namen und mit eigenen Dienstkräften vom Staat übertragene Auftragsangelegenheiten. Zureichender Grund hierfür ist die weitgehende Weisungsabhängigkeit kommunaler Aufgabenerfüllung. 28 Vgl. Kapitel 3.II.1.

II. Qualifizierung einer Aufgabe und Kostenregelung

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§ 2 Abs. 2 Reichsfürsorgeverordnung durch die Länder bestimmt wurden, eine Bestimmung der örtlichen Träger also nicht — im Gegensatz zu § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG—von Reichs wegen erfolgte. Die die kreisfreien Gemeinden (und Landkreise) zu „Bezirksfürsorgeverbänden" im Sinne der Reichsfürsorgeverordnung, d. h. zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe bestimmenden landesrechtlichen Ausführungsvorschriften 29 wurden somit durch Inkrafttreten des BSHG obsolet. An ihre Stelle trat die Bestimmung des § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG, der von den Ausführungsgesetzen der Länder regelmäßig wortgleich übernommen wurde. 30 § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG und die hierzu ergangenen, dem Wortlaut von § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG entsprechenden Normen des Landesrechts haben damit aber materiell-inhaltlich keine „neue Pflichtaufgabe" geschaffen, da der Vollzug der Reichsfürsorgeverordnung in Verbindung mit den Reichsgrundsätzen bis zum Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes nach h. M. ebenfalls zu den Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben zu rechnen war. Damit können weder § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG noch § 1 Abs. 1 NWAGBSHG dem Tatbestandsmerkmal „neue Pflichten, insbesondere Pflichtaufgaben" in § 3 Abs. 1 Satz 1 NWGO subsumiert werden; es liegt auch nicht der Fall vor, daß eine bisher freiwillig wahrgenommene Selbstverwaltungsaufgabe zur Pflichtaufgabe erklärt wurde 31 . Die zweite Schwierigkeit einer Anwendungvon§ 3 Abs. 1S atz 2 NWGO bei Anerkennung des BSHG-Vollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit ergibt sich aus der Tatsache, daß das Tatbestandsmerkmal „Gesetz" im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 NWGO aus systematischen Gründen nur Landesgesetz sein kann. Nun bestimmt zwar § lAbs. 1 NWAGBSHG die kreisfreien Städte und Kreise zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe, wiederholt damit aber lediglich den Regelungsgehalt von § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG. Für eine eigenständige Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers hinsichtlich der Bestimmung der örtlichen Träger der Sozialhilfe war daher aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Raum. Der nordrheinwestfälische Landesgesetzgeber hat dies anläßlich der Beratungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes vom Februar 1962 ausdrücklich erkannt und festgestellt.

29 Preußische Ausführungsverordnung zur Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13.2.1924 (RGBl I, S. 100) vom 17.4.1924 (Preußische Gesetzessammlung, S. 57); Lippische Ausführungsverordnung zur Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht mit Ergänzungsbestimmungen vom 18.2.1932 (LV, Bd. 31, S. 461), zuletzt geänd. durch das Fürsorgezuständigkeitsgesetz vom 28.5.1958 (GVNW, S. 207). 30 Vgl. § 1, 1. HS BW-AGBSHG vom 23.4.1963 (GBl S. 33, ber. S. 54) i. d. F. d. Bek. v. 4.7.1983 (GBl S. 265); § 1, 1. HS HessAGBSHG v. 16.9.1970 (GVB1 1970 I, S. 573) i. d. F. d. Bek. v. 10.7.1979 (GVB11, S. 179); § 1 NdsAGBSHG i. d. F. d. Bek. v. 19.1.1976 (NdsGVBl S. 5), geänd. durch Gesetz v. 3.2.1986 (NdsGVBl S. 17). 31 Vgl. insoweit Kirchhof Kreisordnung, 1985, § 2, Anm. 17 für den § 3 Abs. 1 Satz 1 NWGO vergleichbaren § 2 Abs. 2 Satz 2 NWLKrO.

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

In der Begründung zum Entwurf eines AGBSHG heißt es hierzu: „Da die örtlichen Träger der Sozialhilfe durch § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG bundesrechtlich bestimmt sind, ist für eine - wenn auch gleichlautende konstitutive Vorschrift in den Ländergesetzen aus verfassungsrechtlichen Gründen kaum Raum mehr. Im Interesse einer geschlossenen Systematik und besserer Verständlichkeit und Lesbarkeit des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (AGBSHG) erscheint es gleichwohl zweckmäßig, ausdrücklich anzuführen, wer die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind. Um verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen auszuräumen, ist es angebracht, durch den Hinweis auf § 96 Abs. 1 Satz 1 und 2 BSHG deutlich zu machen, daß es sich nicht um eine konstitutive, sondern um eine lediglich deklaratorische Vorschrift handelt."32 Die Auferlegung des BSHG-Vollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit erfolgte also mit konstitutiver Wirkung bereits durch § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG, mithin durch Bundesgesetz; § lAbs. 1 NWAGBSHG kommt wegen dieses besonderen Umstands nur deklaratorische Bedeutung zu. § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist aber nicht „Gesetz" im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO. Eine Erstreckung des Tatbestandsmerkmals „Gesetz" auch auf Bundesgesetze würde einen von der Verfassungsordnung nicht gedeckten Eingriff der Länder in den Bundesverfassungsraum bedeuten33. Eine Verortung des finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips in § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO bei Klassifizierung des BSHG-Vollzugs als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit scheidet damit aus.

2. Art. 78 Abs. 3 L V N W und BSHG-Vollzug Vertritt man demgegenüber die Auffassung, der Vollzug der Aufgaben nach dem BSHG sei zutreffenderweise Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung, so fehlt es hinsichtlich des Konnexitätsprinzips an einer § 3 Abs. 1 Satz2NWGOentsprechen32 Vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen, 4. Wahlperiode, Bd. 5, Drs. Nr. 691, Begründung II, S. 10, Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, A 0303/82, 4. Wahlperiode; vgl. im übrigen die Ausführungen des nordrhein-westfälischen Arbeits- und Sozialministers Grundmann in der 78. Sitzung des Nordrhein-Westfälischen Landtags vom 13.3.1962, Sitzungsberichte des Landtags Nordrhein-Westfalen, 4. Wahlperiode, Bd. 5, S. 2898 ff., der darauf hinwies, daß sich der Entwurf des NW-AGBSHG eng an den Musterentwurf für ein Landesausführungsgesetz anlehnte, der von den Fürsorgereferenten der Bundesländer entwickelt wurde. 33 In diesem Sinne ist wohl auch die Bemerkung von OERTER (in: VON LOEBELL, Gemeindeordnung, 1980, § 3, Anm. 5) zu verstehen, wenn davon die Rede ist, der Bundesgesetzgeber sei nicht gehalten, eine wie auch immer geartete Kostenregelungzutreffen, wenn er den Gemeinden neue Selbstverwaltungsaufgaben als Pflichtaufgaben zuweist. Diese Bemerkung wird nur vor dem Hintergrund verständlich, daß § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 NWGO nur Landesgesetze, nicht jedoch Bundesgesetze betrifft; vgl. für die bayerische Auffassung Widtmann / Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, 1988, Art. 8, Rn. 6.

II. Qualifizierung einer Aufgabe und Kostenregelung

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den einfachgesetzlichen Regelung, so daß das Konnexitätsprinzip direkt Art. 78 Abs. 3 L V zu entnehmen ist. Dies ergibt sich zum einen aus der systematischen Stellung von Art. 78 Abs. 3 LVNW, zum anderen aus der Überlegung (argumentum a fortiori), daß eine Regelung der Mittelaufbringung bei Auferlegung von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung erfolgen muß, wenn eine solche Verpflichtung bereits für die Auferlegung Pflichtiger Selbstverwaltungsangelegenheiten besteht. Im Rahmen der Auslegung der Reichweite von Art. 78Abs. 3 L V N W besteht Dissens darüber, ob die Vorschrift nur die nach Weisung zu erfüllenden Pflichtaufgaben (Art. 78 Abs. 4 Satz 2 LVNW) betreffe oder ob sich Art. 78 Abs. 3 L V N W sowohl beziehe auf neu anfallende oder bislang von staatlichen Behörden wahrgenommene Aufgaben als auch auf die Umwandlung bisher freiwillig zu erfüllender Selbstverwaltungsaufgaben in Pflichtaufgaben 34. Wegen der Übernahme des im Weinheimer Entwurf einer Gemeindeordnung vom Juli 1948 zum Ausdruck kommenden monistischen Prinzips durch die Nordrhein-Westfälische Landesverfassung und — dieser folgend — Nordrhein-Westfälische Gemeindeordnung können „Aufgaben" im Sinne von Art. 78 Abs. 3 LVNW sowohl Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben als auch Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung sein. Der Anwendbarkeit von Art. 78 Abs. 3 LVNW auf den Vollzug der Aufgaben nach dem BSHG kann nicht entgegengehalten werden, es handele sich in diesem Zusammenhang nicht um die Auferlegung öffentlicher Aufgaben durch das Land Nordrhein-Westfalen, da die örtlichen Träger der Sozialhilfe bereits durch § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG — mithin durch Bundesgesetz — bestimmt wurden und § 1 Abs. 1 NWAGBSHG insoweit nur deklaratorische Bedeutung zukomme. Ungeachtet dieser nur deklaratorischen Funktion von § 1 Abs. 1 NWAGBSHG bestimmt diese Norm — auch — den Aufgabenvollzug durch kreisfreie Gemeinden und Landkreise als örtliche Träger der Sozialhilfe; im übrigen folgt aus dem Systemzusammenhang des Grundgesetzes, daß Art. 78 Abs. 3 L V N W durch den Landesgesetzgeber auch dann anzuwenden ist, wenn und soweit kreisfreie Gemeinden und Landkreise Aufgaben aufgrund Bundesrechts wahrnehmen. Art. 78 Abs. 3 LVNW gilt also nicht nur bei Auferlegung von Aufgaben durch Landesgesetz, sondern im Zusammenhang mit der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 GG, deren Übernahme das Land den Gemeinden oder Gemeindeverbänden zur Pflicht macht 35 , auch in den Fällen, in denen das Bundesgesetz selbst nach Art. 84 Abs. 1 GG die Zuständigkeit normiert. Kirchhof 36 leitet die An34 Für die erste Auffassung vgl. Berkenhoff\ Kommunalverfassungsrecht, 1965, S. 15 f.; für die letzte Auffassung vgl. Geller I Kleinrahm I Fleck, Landesverfassung Nordrhein-Westfalen (FN 11), Art. 78, Anm. 8. 35 Vgl. hierzu Geller ! Kleinrahm I Fleck, Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 1963, Art. 78, Anm. 9. 36 Vgl. hierzu Kirchhof, Kreisordnung, 1984, § 2, Anm. 26; die seitens des NWVerfGH für die Nichtanwendbarkeit des Konnexitätsprinzips (nach Art. 104 a Abs. 1 GG) in seiner Entscheidung v. 15.2.1985 (DVB1 1985, 685 ff. m. Anm. von Mutius I Henneke) gegebene Begründung vermag nicht zu überzeugen (vgl. die partiell identische Begrün9 Hofmann-Hoeppel

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

wendbarkeitvonArt. 78 Abs. 3 L V N W in diesem Falle zutreffend daraus ab, daß es sich bei Gesetzen nach Art. 84 Abs. 1GG um zustimmungsbedürftige Bundesgesetze handelt und die Länder nach Art. 104 a Abs. 1 GG die Kosten des Aufgabenvollzugs tragen, soweit der Bundesrat als „Organ der Länder beim Bund" der bundesrechtlichen Zuständigkeitsregelung zustimmt. Gegenüber den Kommunen muß sich das Land diese Zustimmung des Bundesrates für eine landesgesetzliche Regelung zurechnen lassen, weil anderenfalls Art. 78 Abs. 3 L V N W zu Lasten der Gemeinden und Gemeindeverbände umgangen werden könnte, indem die Zuständigkeit durch Bundesgesetz festgelegt wird.

I I I . Verfassungsbestimmter Inhalt kommunaler Finanzhoheit unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Kommunale Finanzhoheit läßt sich im allgemeinsten Sinne dahingehend bestimmen, daß Gemeinden und Gemeindeverbänden ein gewisses Volumen eigener Einkünfte steuerlicher oder sonstiger Art im Rahmen der gemeinde wirtschaftlichen Bestimmungen zur freien Verfügung gewährleistet sein muß 37 .

1. Gewährleistung von Einnahmen- und Ausgabenhoheit — gemeindliches Steuerfindungsrecht Unstreitig umfaßt die Finanzhoheit der Gemeinden die sogenannte Ausgabehoheit als freie Verfügungsmacht über die Finanzmittel im Rahmen eines eigenverantwortlich festgesetzten Haushaltsplans38. Einigkeit besteht auch darüber, daß aus dem Wesen der Selbstverwaltungsgarantie ein Anspruch auf eigenverantwortlich auszuschöpfende Finanzquellen folgt. Denn echte selbstverantwortliche Finanzwirtschaft kann sich nur dort entfalten, wo auch die Gestaltung der Einnahmen zu einem gewissen Teil eigener Verantwortung überlassen ist (Einnahmehoheit)39. Der häufig anzutreffende Begriff der Steuerhodung durch den RhPfVerfGH, DÖV 1978, 763 ff. = DVB1 1978, 802 ff.). Insbesondere setzt die Anwendung des Konnexitätsprinzips nicht notwendigerweise voraus, daß den Adressaten Staatsqualität eignet (vgl. von Mutius / Dreher, Die Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 89 ff., 93 ff.). Im übrigen begegnet die Klassifizierung der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung als „kommunale Angelegenheiten" grundsätzlichen Bedenken. 37 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 11; Roters, in: von Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 2, 1983, Art. 28, Rn. 49. Herkömmlicherweise wird der Terminus „Finanzhoheit" differenziert nach Einnahmen-, Ausgaben- und Haushaltshoheit. 38 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 11 m. w. N.

ΠΙ. Verfassungsbestimmter Inhalt kommunaler Finanzhoheit

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heit ist indes enger als der der Einnahmehoheit und damit erst recht enger als der in umfassendem Sinne zu verstehende Begriff der Finanzhoheit40. Dies ergibt sich vor allem daraus, daß der Staat dem Anspruch auf kommunale Einnahmehoheit auch dadurch Rechnung tragen könnte, daß er den Gemeinden und Gemeindeverbänden hinreichende Überweisungen aus seinen eigenen Finanz- und Steuerquellen zur Verfügung stellt 41 . Indes entspricht ein Recht auf eigenverantwortlich ausschöpfbare Steuerquellen dem historisch gewachsenen Bild der Selbstverwaltung wie seiner Konkretisierung im geltenden Verfassungsrecht, wenngleich ein Steuererfindungsrecht im allgemeinsten Sinne, verstanden als die Kompetenz, neben den gesetzlich überlassenen Steuern neue Aufgabearten einzuführen und zu erheben, nach h. M. nicht zu den durch das Selbstverwaltungsrecht gewährleisteten Rechten der Kommunen zu zählen ist 42 . Gleichwohl verbürgen die Landesverfassungen—Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Β V wie Art. 79 Abs. 1 LVNW, wonach den Gemeinden zur Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben eigene Abgaben bzw. Steuerquellen zur Verfügung stehen müssen — ein „ursprüngliches Besteuerungsrecht" 43 insoweit, als das Recht der Gemeinden, Abgabesatzungen zu erlassen, zum Kernbereich der Selbstverwaltung zu zählen ist. Dieses verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der eigenverantwortlichen Abgabenerhebung steht freilich unter dem in Art. 28 Abs. 2 Satz 2,11 Abs. 2 Satz 2 Β V normierten Vorbehalt „im Rahmen der Gesetze", der es dem (Landes)Gesetzgeber gestattet, auch in diesem Bereich den Aufgabenkreis der Gemeinden näher zu umschreiben und im einzelnen festzulegen 44. Der dadurch zum Ausdruck 39 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 11 f. m. Hinw. auf die Mindermeinung, die eine kommunale Einnahmehoheit verneint (S. 12, FN 69). 40 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 12 m. w. N. in FN 70 und 71. 41 Vgl. Pagenkopf, Gemeindefinanzsystem, 1978, S. 7. 42 Zum Steuer(er)findungsrecht der Kommunen vgl. Jakob, Wolfgang, Die Steuerhoheit der Gemeinden unter staatlicher Gesetzgebung, BayVBl 1972, 141 ff., 144 f.; Wienands, Günter, Das Steuererfindungsrecht der Gemeinden, JuS 1986, 942 ff.; Lecheler, Helmut, Die Einflußnahmen der Legislative, Exekutive und Judikative auf die kommunale Selbstverwaltung, in: Knemeyer, Franz-Ludwig (Hrsg.), Gemeindeselbstverwaltung. Festschrift „75 Jahre Bayerischer Gemeindetag", München 1987, S. 159 ff.; Wolff! Bachofl Stober, Verwaltungsrecht II, 1988, § 86 VIId3, Starck, Christian, Autonomie und Grundrechte. Zur Regelungsbefugnis öffentlich-rechtlicher Autonomieträger im Grundrechtsbereich, AöR 92 (1967), 449 ff., 477, These 6b, sowie von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 28. 4 3 In seiner Entscheidung vom 15.12.1988 (BayVGHE 41, II, 140 ff. = EzKommR, 1700.74 m. Anm. Knemeyer) hat der BayVerfGH unter Rekurs auf BVerfGE 23, 353 ff., 371; 26, 228 ff., 244; 52, 95 ff., 117; 71, 25 ff., 36 f. dahin erkannt, daß die kommunale Finanzhoheit den Gemeinden die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmenund Ausgabenwirtschaft gebe, d. h. zu einer eigenverantwortlichen Regelung ihrer Finanzen im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens gehöre und das Recht der Gemeinden, Abgabesatzungen zu erlassen, dem Kernbereich der Selbstverwaltung zuzuordnen sei (unter Rekurs auf VerfGHE 6, 21 ff., 27; 12, 38 ff., 55; 23, 47 ff., 50). 44 Bay VerfGH, EzKommR, 1700.74, LS 3. 9*

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

kommende Gesetzesvorbehalt wird in den Bundesländern regelmäßig durch entsprechende Bestimmungen der Kommunalabgabengesetze konkretisiert, denen insoweit konstitutive Wirkung zukommt: „Das bedeutet somit nicht, daß die Kommunen aus eigenem Recht Steuern erfinden und erheben können, sondern nur, daß es ihnen frei steht, ob und in welchem Ausmaß sie von den ihnen durch Landesgesetz eingeräumten Steuerquellen Gebrauch machen." 45 Das den Gemeinden und Gemeindeverbänden solcherart gewährleistete Steuerfindungsrecht ist überdies auf die Erhebung örtlicher Verbrauchs- und Aufwandssteuern begrenzt, die in analoger Übernahme des restriktiven Tatbestandsmerkmals nach Art. 105 Abs. 2a GG anderen Steuern nicht gleichartig sein dürfen 46 . Das in den Kommunalabgabengesetzen der Länder zum Ausdruck kommende Örtlichkeitserfordernis bedeutet, daß eine Abgabeerhebung durch Gemeinden und Gemeindeverbände nur für Zustände oder Vorgänge in Betracht kommt, die auf das Gebiet der Gemeinden bzw. Gemeindeverbände beschränkt sind und deshalb nur innerhalb dieses Erhebungsgebietes unmittelbare, vor allem wirtschaftliche Auswirkungen haben47. Das gemeindliche Steuerfindungsrecht bezieht sich darüber hinaus nur auf jene örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern, deren Ermächtigungsgrundlage in den Kommunalabgabegesetzen der Länder zu finden ist 48 . 45 Wolff! Bachof! Stober, Verwaltungsrecht II, 1988, § 86 VII 4c (Rn. 112, S. 71), rechnen darüber hinaus die Festsetzung des Steuerhebesatzes zu den elementaren Bestandteilen der finanzwirtschaftlichen Eigenverantwortung, weshalb das Hebesatzrecht ebenfalls zum Kerngehalt der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie zu zählen sei (unter Berufung auf Art. 106 Abs. 6 GG); in diesem Sinne auch Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 70; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, S. 256. 46 Zur restriktiven Handhabung des Verbots der Gleichartigkeit örtlicher Verbrauchsund Aufwandssteuern mit bundesrechtlich geregelten Steuern iSv Art. 105 Abs. 2 a GG vgl. Böckelmann, Dieter, Die örtlichen Steuern und das Gleichartigkeitsverbot in Art. 105 IIa GG, 1974; Selmer, DÖV 1974, 374 ff., 377; Heichele, Kommunalabgabenrecht, S. 41 ff. 47 Die Problematik des in Art. 105 Abs. 2 a GG normierten Gleichartigkeitsverbots örtlicher Verbrauchs- und Aufwandssteuern mit bundesrechtlich geregelten Steuern wirkte sich vor allem bei den Vorschlägen für die Erhebung einer kommunalen Getränkeverpackungssteuer durch die Kommunen aus; vgl. hierzu und zur Interpretation der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern als „Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis" BVerfGE 16, 306, 327 f.; 40,56, 61; BayStMdl, IMS I Β 4-3024-43/1 (88) ν. 4.5.1988 sowie Gern, Alfons, Nachruf auf die kommunale Getränkeverpackungssteuer, KStZ 1989, 61 ff. und Benkmann / Gaulke, Kommunale Getränkeverpackungssteuer genehmigungsfähig, ZKF 1990, 98 ff. 48 Relevante örtliche Verbrauchs- und Aufwandssteuern sind insbesondere: die Vergnügungssteuer, bezogen auf Vergnügungen, die im Gemeindegebiet veranstaltet werden, ζ. B. Tanzveranstaltungen gewerblicher Art, sportliche Veranstaltungen, an denen Berufssportler mitwirken, Spielclubs, die Vorführung nicht als „wertvoll" anerkannter Filme, das Halten von Musik- und Geschicklichkeitsautomaten (vgl. hierzu Wolff I Bachof I Stober, Verwaltungsrecht II, Rn. 120); die Hundesteuer (vgl. hierzu Wolff I Bachof I Stober, Verwaltungsrecht II, Rn. 121; BayVGH, BayVBl 1984, 625; BVerfG, BB 1984, 391; HambFG, KStZ 1985, 197); die Getränke-(Schankverzehr-)steuer, bezogen auf die entgeltliche Abgabe bestimmter Getränke, die in Gast- und Schankwirtschaften zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden (vgl. hierzu Wolff! Bachof! Stober, Verwal-

III. Verfassungsbestimmter Inhalt kommunaler Finanzhoheit

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2. Gewährleistung einer „finanziellen Mindestausstattung44, „angemessenen44 bzw. „aufgabenadäquaten 44 Finanzausstattung Nervus rerum der Finanzgarantie ist die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen der Einnahmestruktur. Eine Inhaltsbestimmung kommunaler Finanzhoheit steht nämlich vor der insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründeten Schwierigkeit, daß das Bundesverfassungsgericht terminologisch zwischen einem „Gesamtumfang der gemeindlichen Finanzausstattung", einer „angemessenen Finanzausstattung" und einer „finanziellen Mindestausstattung" differenziert und darüber hinaus bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen gelassen hat, ob zum Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung auch eine finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden — sei es durch eigene Einnahmen, sei es durch Finanzzuweisungen — gehört 49 . Schließlich läßt sich das verfassungsrechtlich gebotene Verhältnis zwischen eigenen Einnahmen zu staatlichen Finanzzuweisungen sowie das in steter Zunahme begriffene Maß staatlicher Einflußnahme auf die Kommunalpolitik über Dotationen, d. h. mittels zweckgebundener Zuschüsse und Darlehen, nur schwer bestimmen50. Das dogmatische Verhältnis der beiden Begriffe „angemessene Finanzausstattung" und „finanzielle Mindestausstattung" ist zudem weitgehend ungeklärt. In der Literatur wird regelmäßig der Begriff „finanzielle Mindestausstattung" im Sinne der finanziellen Mittel interpretiert, die für das Vorhalten einer organisatorischen Grundausstattung unabdingbar sind 51 . Anknüpfungspunkt hierfür ist die in Art. 115 c Abs. 3 GG erwähnte „finanzielle Lebensfähigkeit" der Kommunen; nach dieser Vorschrift ist bei bundesgesetzlichen Maßnahmen im Verteidigungsfall die Lebensfähigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände insbeson-

tungsrecht II, Rn. 121; BVerwGE 41, 264 = DVB1 1975, 104 ff.; BVerfGE 40, 52 ff., 55; 44, 216 ff.; BW-VGH, GewArch 1973, 24 ff.); nur in einigen Bundesländern können kreisfreie Gemeinden und Landkreise zusätzlich erheben die Schankerlaubnissteuer, bezogen auf die Erlangung der Erlaubnis zum Betrieb von Schankwirtschaften und ähnlichen Betrieben, z. B. gem. § 8 Abs. 2 HessKAG (vgl. hierzu BVerwGE 6, 50 ff.; BVerfGE 13, 181; OVG Münster, VerwRspr 25, 359; Wolff / Bachof ! Stober, Verwaltungsrecht II, Rn. 122), die Jagdsteuer hinsichtlich der Ausübung des Jagd- und Fischereirechts nach § 8 Abs. 1 HessKAG, 3 Abs. 2 NdsKAG, 3 Abs. 1 Satz 2 NW-KAG (vgl. hierzu OVG Koblenz, OVGE 15, 90; HessVGH, VerwRspr 30, 815; OVG Münster, ZKF 1985,181), die Wohneinheitensteuer (vgl. hierzu BVerfG, DÖV 1979,99; BVerwG, NVwZ 1983,349) sowie die Reitpferdesteuer, bezogen auf die Haltung eines Reitpferdes (vgl. hierzu BayVGH, NVwZ 1983, 758; VG Arnsberg, Eildienst LKT-NW 1985, 372, sowie Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, Rn. 122). 49 Vgl. BVerfGE 26, 172 ff., 181; 71, 25 ff., 37. 50 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 18 m. w. N. 51 Vgl. Meyer, Finanzverfassung der Gemeinden, 1969, S. 46 f.; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 23.

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

dere auch in finanzieller Hinsicht zu wahren 52 . Der jenseits dieser finanziellen Grundausstattung liegende Bereich kommunaler Finanzausstattung ist hinsichtlich seines Umfangs in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Regelmäßig werden untere „Grenzwerte" zur Beschreibung herangezogen. In der „OffenbachEntscheidung" hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, „daß der Staat die finanzielle Basis der Gemeinden nicht in einem Umfange schmälern darf, daß dadurch die Gemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgaben außerstande gesetzt werden" 53 . In der Fachliteratur wird zum Teil aus der der Selbstverwaltungsgarantie immanenten staatlichen Pflicht zu gemeindefreundlichem Verhalten ein Schutz der Kommunen gegen finanzielle Überbelastung bei der Wahrnehmung staatlich übertragener Aufgaben gefolgert 54 . Im Zusammenhang mit dem Terminus „angemessene Finanzausstattung" wird hervorgehoben, daß bei der Bemessung der Finanzausstattung insbesondere die Entscheidungskompetenz der Kommunen und ihrer Organe zu berücksichtigen ist. »Angemessene Finanzausstattung" geht damit über die Sicherung des „finanziellen Existenzminimums" hinaus 55 . Dies bedeutet insbesondere, daß die Kommunen finanziell insgesamt so ausgestattet werden müssen, daß sie neben den Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und den Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. den Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung auch noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen imstande sind 56 . Von einer „angemessenen Finanzausstattung" kann also nur dann gesprochen werden, wenn nach Deckung der Ausgaben für alle anderen Aufgaben den Kommunen noch ein Spielraum zur Übernahme und Ausgestaltung freier Selbstverwaltungsaufgaben verbleibt, die Kommunen also über das für die örtliche Gemeinschaft Notwendige selbst bestimmen können, da das Wesen der

52 Der Begriff „finanzielle Lebensfähigkeit" geht offensichtlich zurück auf Röttgen, Arnold, Kommunale Auftragsverwaltung und Grundgesetz, Die Selbstverwaltung 1951, 346 ff.; ausführlich hierzu Wixforth, Gemeindliche Finanzhoheit, 1962, S. 28 ff. Der BayVerfGH stellt ebenfalls auf diesen Begriff ab: DÖV 1952, 279; DÖV 1959, 702. Bei der Kreisumlageberechnung wird dieser Bereich als ,»Notbedarf' angesetzt, welcher auf die zur Erhaltung der Existenzfähigkeit notwendigen Summe gerichtet ist; vgl. hierzu OVG Lüneburg, OVGE 12, 378 ff., 380; 13, 453 ff., 458, sowie von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 22, 55 ff. 53 BVerfGE 1, 167 ff., 175; 22, 180 ff., 205. 54 Vgl. Heckt, Alfons, Die gemeindliche Selbstverwaltung und die Finanzreform, DÖV 1955, 265 ff., 266; Klein, in: von Mangoldt / Klein, Grundgesetz, Bd. 1, 1957, Art. 28, Anm. IV 1 f.; von Mutius, Handlungs- und Entfaltungsspielraum, 1980, S. 177. 55 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 28 f.; Voigt, Auswirkungen des Finanzausgleichs, 1975, S. 50. 56 Vgl. BVerwG, NJW 1981,619 ff., 620; Voigt, Auswirkungen des Finanzausgleichs, 1975, S. 50; Grawert, Kommunale Finanzhoheit und Steuerhoheit, S. 587 ff., 589; Wixforth, Gemeindliche Finanzhoheit, 1962, S. 28 ff.; von Mutius ! Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 23.

III. Verfassungsbestimmter Inhalt kommunaler Finanzhoheit

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Selbstverwaltung nicht lediglich im bloßen administrativen Vollzug staatlicher Vorgaben besteht57. Püttner 58 hält es daher zu Recht für unzulässig, „den Gemeinden lediglich eine auf bestimmte Aufgaben hin kalkulierte Finanzausstattung zu gewähren". Mit Zimmermann 59 ist zudem davon auszugehen, daß die seitens des Bundesverfassungsgerichts in seinen Urteilen vom 24.6.1986 zum Länderfinanzausgleich60 getroffene Feststellung, „die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern" könne nur dann real werden, „Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung" könnten sich nur dann entfalten, wenn Bund und Länder finanziell in die Lage versetzt würden, „die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen", auch auf die kommunale Aufgabenwahrnehmung anzuwenden ist. Das dogmatische Verhältnis der Begriffe „angemessene Finanzausstattung" und „finanzielle Mindestausstattung" wird sich daher wie folgt bestimmen lassen: Unter „finanzieller Mindestausstattung" sind diejenigen finanziellen Mittel zu verstehen, die für das Vorhalten einer organisatorischen Grundausstattung zum Zwecke des aufgabenadäquaten Verwaltungsvollzugs unabdingbar sind. Bei der Ermittlung der jenseits dieser finanziellen Grundausstattung liegenden „angemessenen Finanzausstattung" sind die Kriterien „gemeindlicher Aufgabenvollzug" einerseits, „ E n t s c h e i d u n g s k o m p e t e n z über den Mitteleinsatz" andererseits zu beachten. Eine „angemessene Finanzausstattung" ist nur dann gegeben, wenn den Kommunen neben den Pflichtigen Selbstverwaltungaufgaben und den Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. den Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung ein finanzieller Besatz („freie Spitze" 61 ) verbleibt, der sie in den Stand setzt, nach eigenem Ermessen freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Unzulässig ist es insbesondere, den Gemeinden lediglich eine auf bestimmte Aufgaben—regelmäßig Pflichtige Selbtverwaltungsaufgaben und Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung — hin kalkulierte Finanzausstattung zu gewähren. Legt man diese Differen57

Vgl: Gr awert, Die Gemeinden vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1978), S. 277 ff., 300; Pagenkopf, Gemeindefinanzsystem, 1978, S. 7; von Mutius, Handlungs- und Entfaltungsspielraum, 1980, S. 14, 54 ff.; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 32; in diesem Sinne auch Gr awert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 31, 43 f. 58 Das System der kommunalen Aufgaben, in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1985, Bd. 6, S. 3 ff., 6. 59 System der kommunalen Einnahmen, 1988, S. 38. 60 NJW 1986,2625 ff.; vgl. hierzu umf. Gr awert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 12 ff. 61 Die sog. „freie Spitze" wird wie folgt definiert: Zuführungen an den Vermögenshaushalt abzüglich: 1. Pflichtzuführung (ordentliche Tilgung von Krediten sowie Kreditbeschaffungskosten gem. § 20 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayKommHV, § 22 Abs. 1 NWGemHV); 2. Entnahmen aus der Allgemeinen Rücklage zur Verminderung des Fehlbetrages. Zur „autonomiestützenden Funktion" der kommunalen Finanzausstattung vgl. auch von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 98.

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

zierung nach „finanzieller Mindestausstattung" und „angemessener Finanzausstattung" der weiteren Untersuchung zugrunde, so ergibt sich die Notwendigkeit, im weiteren nach Zweck- und Verwaltungskosten 62 zu differenzieren.

3. Garantie vollzugsdeckender finanzieller Ausstattung für bestimmte Aufgabearten? Die Verknüpfung der im Bereich der Aufgabenerfüllung geläufigen Differenzierung nach freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten, Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung mit der im Rahmen der Erörterung des Begriffs „angemessene Finanzausstattung" getroffenen Aussage, den Kommunen müßten hinreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um auch noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in hinreichendem Umfang in Angriff nehmen zu können, führt zwangsläufig zu der Frage, ob bestimmten Aufgabearten bestimmte Ausgabearten zugeordnet werden können. Mit anderen Worten: Sind freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben grundsätzlich aus eigenen Mitteln (Steuern, Gebühren, Beiträge), andere Aufgaben — ausschließlich oder überwiegend — aus allgemeinen Finanzzuweisungen zu decken ? Diese Fragestellung ist im wesentlichen identisch mit den verfassungsrechtlichen Grenzen der kommunalen Einnahmehoheit und wird wie folgt zu beantworten sein: — Bei Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung — bei denen nicht nur hinsichtlich des „Ob", sondern auch hinsichtlich des „Wie", also bis in den Bereich des Auswahlermessens hinein, Weisungsgebundenheit gegenüber dem Staat besteht, wird den Gemeinden finanzielle Eigenverantwortlichkeit nicht zuzusprechen sein. Eine eigenverantwortliche Einnahmehoheit zur Deckung der Zweckausgaben wird in diesem Zusammenhang daher nicht gefordert werden können. Regelung der Lastentragung und Mittelzuteilung sind der Bestimmung durch den Landesgesetzgeber vorbehalten63. — Bei Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, bei denen Bindung hinsichtlich des „Ob", prinzipiell aber nicht bezüglich des „Wie" der Aufgabenerfüllung besteht, ist eigenverantwortliche Einnahmegestaltung im Grundsatze ebenfalls nicht gegeben. Auch hier muß die Erschließung der notwendigen Mittel aus Verbundsteuern, aber auch durch allgemeine Finanzzuweisungen der Länder aus den in Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG bezeichneten Steueraufkommen statthaft sein64. — Aus der Gleichrangigkeit freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben mit dem staatlichen Aufgabenvollzug 65 ist ein hinreichender finanzieller Spielraum zur Übernah62 Vgl. hierzu Kapitel 4.III.4. 63 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 19 f. 64 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 18; Wirforth, Gemeindliche Finanzhoheit, 1962, S. 43.

III. Verfassungsbestimmter Inhalt kommunaler Finanzhoheit

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me und Durchführung freiwilliger Aufgaben zu fordern. Bei einer mangelhaften Ausstattung der eigenverantwortlich zu bewirtschaftenden Finanzquellen würden freiwillige Aufgaben zu subsidiären, zweitrangigen öffentlichen Angelegenheiten degradiert. Dies stünde nicht in Einklang mit der institutionellen Garantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Zwar sind in diesem Zusammenhang staatliche Finanzzuweisungen wegen der bestehenden Finanzkraft- und Bedarfsunterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden infolge regionaler und örtlicher Verschiedenheit der Wirtschaftsstrukturen unter dem Aspekt der Ergänzungsfunktion zur Finanzierung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben verfassungskonform. Die Gemeinden dürfen jedoch nicht hinsichtlich der Bewältigung freiwilliger Aufgaben auf eine Finanzierung durch staatliche Finanzzuweisungen zurückgedrängt oder aber auf die Notwendigkeit verwiesen werden, eine „Umschichtung" eigenverantwortlich zu bewirtschaftender Finanzquellen zur Erfüllung von Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben oder aber von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung vorzunehmen. Dieser zuletzt genannte Fall tritt aber dann ein, wenn die für die Finanzierung von Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung zulässigerweise zugewiesenen staatlichen Finanzzuweisungen tendenziell fallen oder aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzureichend werden. Diesem Umstand wird besondere Bedeutung bei der Prüfung der Verfassungskonformität des bayerischen wie des nordrhein-westfälischen Landesfinanzausgleichs zukommen 66 .

4. Die Differenzierung von Zweck- und Verwaltungskosten Im Zusammenhang mit der Frage nach einer aufgabenadäquaten Ausstattung mit staatlichen Finanzzuweisungen zur Erfüllung von Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung spielt die seit einiger Zeit anerkannte Differenzierung von Zweck- und Verwaltungskosten eine besondere Rolle. Als Bezugsgröße des Art. 104 a Abs. 2 GG werden „Zweckausgaben" definiert als „allgemeine Haushaltsausgaben"67, „Sachausgaben bzw. -kosten" 68 bzw. als „Aufwendungen oder Kosten zur unmittelbaren Sachaufgabenerledigung" 69. Eine 65 Vgl. hierzu ausdrücklich § 24 Abs. 1 des Stabilitätsgesetzes vom 8.6.1967, BGBl I, S. 582. 66 Vgl. hierzu Kapitel 5.III. 67 Vgl. Sturm, Finanzverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden, DÖV 1968, 466 ff., 468. 68 Vgl. Köttgen, Einfluß des Bundes auf die deutsche Verwaltung, JÖR 11 (1962), 173 ff., 246; Schmidt-Jortzig, Praktische und theoretische Probleme der kommunalen Selbstverwaltung, in: Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), 1980, S. 9 ff., 48. 69 Vgl. Vogel / Kirchhof, in: Bonner Kommentar, 1972, Art. 104a GG, Rn. 154.

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

Legaldefinition findet sich demgegenüber nur an einer Stelle, nämlich in § 37 Nr. 5 des Schleswig-Holsteinischen Finanzausgleichsgesetzes, wo Zweckausgaben als Ausgaben definiert werden, „die dem Sachzweck des Einzelplanes oder der Erfüllung des Verwaltungszwecks unmittelbar dienen" 70 . Zweckausgaben lassen sich daher definieren als „materielle, aus der Erfüllung staatlich gesetzter Zwecke wachsende Ausgaben, die in ihrer Höhe nicht durch den behördeninternen Verwaltungsablauf bedingt sind" 71 . Aufgabenadäquate Finanzausstattung in diesem Zusammenhang bedeutet daher deckungsadäquater Ersatz der durch den Aufgabenvollzug veranlaßten Zweckausgaben im Rahmen staatlicher Finanzzuweisungen. Den Zweckausgaben gegenüberzustellen sind die Verwaltungskosten. Dieser Begriff wird ebenfalls in Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG verwendet, der Gesetzgeber nimmt jedoch auch in diesem Falle keine Konkretisierung vor, sondern hat die nähere Ausgestaltung in § 104 a Abs. 5 Satz 2 GG einem Ausführungsgesetz vorbehalten, dem am 30.8.1971 in Form des Finanzanpassungsgesetzes72 verkündeten Ausführungsgesetz, das jedoch auf eine Begriffsbestimmung ebenfalls verzichtet. § 37 Nr. 4 des Schleswig-Holsteinischen Finanzausgleichsgesetzes definiert Verwaltungsausgaben als „persönliche und sächliche Ausgaben, die die Tätigkeit des Verwaltungsapparats ermöglichen" 73 . Verwaltungsausgaben werden regelmäßig aufgeschlüsselt in Personalausgaben, Ausgaben für Dienstgebäude, Dienstfahrzeuge, Büromaterial, Informationsmittel u. ä. 7 4 Die sich aus dem Konnexitätsprinzip 75 ergebende Verpflichtung der Kommunalkörperschaften, die Ausgaben für den Verwaltungsapparat beim Vollzug von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung selbst zu tragen, ist ein historisch gewachsener allgemeiner Grundsatz des Kommunalrechts 76 , der aus der den kommunalen Gebietskörperschaften beim Vollzug dieser Aufgaben verbleibenden Organisationsverantwortung resultiert. Auch in diesem Bereich kommt die Verantwortung dafür, mit welchen Verwaltungskräften diese Aufgaben von den Kommunen erledigt werden, welche Sachmittel notwendig sind, wie die zusätzliche Verwaltungsarbeit in die Aufbau- und Ablauforganisa-

70 Finanzausgleichsgesetz Schleswig-Holstein i. d. F. v. 3.3.1980, GVB11980, S. 101. 71 So Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 120; vgl. von Mutius ! Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 101 f. 72 BGBl 1971 I, S. 1426 ff. 73 Vgl. Finanzausgleichsgesetz Schleswig-Holstein i. d. F. v. 3.3.1980, GVB1 1980, S. 101. 74 Vgl. Morell, Paul, Was kostet die Verwaltung — was darf sie kosten?, 1973, S. 26 f.; Laubinger, Gesetzesvollzug und Personalaufwand (= Speyerer Arbeitshefte, Nr. 2), Speyer 1976. 75 Vgl. hierzu Kapitel 5, I., II. 76 Vgl. Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 125.

IV. Aufgabenvollzug und Mittelaufbringung

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tion der Verwaltung eingeplant wird, den Gemeinden und Gemeindeverbänden zu 77 . Festzuhalten bleibt daher: Grundsätzlich sind Verwaltungskosten im Rahmen des Anspruchs auf aufgabenadäquate Finanzausstattung im Wege staatlicher Finanzzuweisungen nicht zu berücksichtigen; in zunehmendem Maße wird freilich eine staatliche Pflicht zur Mitfinanzierung der Verwaltungsausgaben bei anwachsendem Umfang von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung diskutiert, da eine angemessene Finanzausstattung um so fraglicher erscheint, je mehr die kommunalen Gebietskörperschaften zur Finanzierung der durch diese Aufgabenkategorien entstehenden Verwaltungsausgaben erhebliche Mittel aus dem Selbstverwaltungssektor abziehen und damit ihren finanziellen Dispositionsrahmen immer weiter einschränken müssen78.

IV. Aufgabenvollzug und Mittelaufbringung im Verhältnis Land — Gemeinden einerseits, Bund — Gemeinden andererseits 1. Föderaler Aufbau hinsichtlich Aufgabenstruktur und Finanzverfassung Die in den Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG niedergelegte Bundesstaatlichkeit als Fundamentalentscheidung des deutschen Verfassungsrechts gehört nach Art. 79 Abs. 3 GG („Gliederung des Bundes in Länder") zum verfassungsänderungsfesten Kernbereich des Grundgesetzes. Der zweistufige Aufbau des deutschen Bundesstaats äußert sich in zwei mit eigener Staatlichkeit ausgestattenen Ebenen. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß die Gemeinden (und Gemeindeverbände) keine sogenannte dritte föderale Ebene darstellen, sondern staatsorganisatorisch den Ländern zuzurechnen sind 79 . Diese Zweistufigkeit des föderalen Staatsaufbaus mit der Folge der verfassungsrechtlichen Integration der Gemeinden und Gemeindeverbände in die Gliedstaaten hat Auswirkungen nicht nur auf 77 Vgl. Petri , Wilhelm, Staatliche Zweckzuweisungen an die Kommunen, StGB 1978, 314 ff., 315; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 121 ff. 78 Vgl. Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 176 f. m. w. N. in FN 53; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 104 f. m. w. N. in FN 426; von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 103; zu den Bedenken gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 des NdsAGBSHG i. d. F. v. 3.2.1986 (NdsGVBl 1986, S. 17) im Hinblick auf Art. 44 Abs. 4 VVN vgl. OVG Lüneburg, ZfF 1991, 12, sowie Niehof, Die Heranziehung der örtlichen Träger der Sozialhilfe zur Durchführung der dem überörtlichen Träger obliegenden Aufgaben in Niedersachsen, ZfF 1991, 34 ff. 7 9 Vgl. hierzu statt aller Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 10 f. unter Würdigung der zahlreichen Versuche, das Kommunalrecht dem „Hausgut" der Landesgesetzgeber zu entziehen.

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

die Aufgabenstruktur, sondern auch hinsichtlich der Finanzverfassung. Nach dem Grundsatz der finanzwirtschaftlichen Zweistufigkeit des Gesamtstaats behandelt Art. 104 a Abs. 1 GG die Gemeinden und Gemeindeverbände daher jeweils als Glieder des betreffenden Landes 80 . Anders als auf der Einnahmeseite, auf der das Grundgesetz den Gemeinden in Art. 106 bestimmte Einnahmen zuweist, ist die Ausgabenverantwortung in Art. 104 a Abs. 1 GG nur zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Daraus ergeben sich bedeutsame Konsequenzen: — Der Bund hat gegenüber den Gemeinden die Pflicht, seine Aufgaben selbst zu finanzieren; — andererseits darf der Bund auch keine Aufgaben direkt finanzieren, die landesintern nicht den Ländern, sondern den Gemeinden obliegen; — selbst im Rahmen von Art. 104 a Abs. 4 und Art. 91a GG ist die Zweistufigkeit insofern gewahrt, als Mittel, die den Gemeinden zugute kommen sollen, doch vom Bund zunächst den territorial zuständigen Ländern — zur Weiterleitung an die Gemeinden — zuzuweisen sind 81 . — Trotz der Mitverantwortung des Bundes für die Finanzsituation der Gemeinden richten die sich aus der Mitertragshoheit der Gemeinden an der Einkommenssteuer ergebenden kommunalen Ansprüche unmittelbar gegen die Länder und daher nur mittelbar über die Länder auch gegen den Bund. Die Ertragshoheit der Gemeinden an bestimmten Steuern oder Steueranteilen ändert also nichts an der Grundposition des Grundgesetzes, daß die Gemeinden Teile der Länder sind. Die Verantwortung des Bundes für die Gemeindefinanzen kann folglich nach h. M. nur eine Teilverantwortung sein, die im Range hinter der Verantwortung der Länder steht 82 .

so Vgl. hierzu Vogel / Kirchhof, in: Bonner Kommentar, 1972, Art. 104a GG, Rn. 68; Kirchhof Kommunale Finanzhoheit, in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1985, Bd. 6, S. 5; Frey / Greimel / Schieder, Der kommunale Finanzausgleich in Bayern, 1981, S. 3; Meiss, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 86; Schneiderbanger, Einflüsse und Auswirkungen, 1988, S. 16; Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 28 F.; a. Α.: Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Art. 106, Rn. 77; von Mutius ! Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 58 f., die unter Hinweis auf Art. 106 Abs. 6 GG den Standpunkt vertreten, daß den Gemeinden insofern zumindest im Bereich der Ertragshoheit die Eigenschaft einer eigenen Ebene neben Bund und Ländern zukomme. 81 Vgl. Vogel/ Kirchhof, in: Bonner Kommentar, 1972, Art. 104a GG, Rn. 168; Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 36. 82 Vgl. Maunz, in: Maunz ! Dürig ! Herzog ! Scholz, Art. 106, Rn. 81 f.

IV. Aufgabenvollzug und Mittelufbringung

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2. Die Bedeutung der „Großen Finanzreform" des Jahres 1969 für die finanzrechtliche Stellung der Gemeinden nach dem Grundgesetz Das Grundgesetz enthielt in der 1949 verabschiedeten Fassung keine ausdrückliche Regelung über die Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände. Eine Einbeziehung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in die gesamtstaatliche Finanzverfassung erfolgte erst durch die Verfassungsänderungen vom 24.12.1956 83 , vom 8.6.1967 84 und insbesondere im Zuge der sogenannten „Großen Finanzreform" des Jahres 1969 85 . In diesem Zusammenhang ist Thür er* 6 zuzustimmen, daß das Grundgesetz in den geänderten Bestimmungen den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine selbständige Rechtsstellung sichert, dementsprechend die Hoheitsrechte der Länder einschränkt, zu deren im wesentlichen freien Disposition die Gemeindefinanzen ursprünglich gestanden hatten. Zudem wird eine Konkretisierung des Art. 28 GG zu entnehmenden Grundsatzes vorgenommen, wonach Garantie und Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung durch den Bund auch dessen Rechtspflichten begründet, eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände sicherzustellen. Das 8. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 24.12.1956 betraf die durch Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG erfolgte Verankerung der Realsteuergarantie (Gewerbe-, Grundsteuer), deren Wert für die kommunale Finanzausstattung allerdings durch die Möglichkeit der Festsetzung von Höchsthebesätzen durch die Länder (§§ 16 Abs. 6 GewStG, § 26 GrStG) gemindert wird 8 7 . Im Rahmen der 1969 durchgeführten „Großen Finanzreform" kamen mit dem 21. Änderungsgesetz weitere Garantien hinzu, nämlich das ebenfalls in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG gesicherte Aufkommen der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern (also die sogenannten Bagatellsteuern, im wesentlichen Vergnügungs-, Getränke-, Hunde-, Zweitwohnungssteuer und Feuerschutzabgabe88) sowie die Beteiligung am Einkommenssteueraufkommen (Art. 106 Abs. 3 Satz 1, 2. HS, Abs. 5 Satz 1 GG iVm § 1 GemFRefG 89). 83 8. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, BGBl 1956 I, S. 1077. 84 15. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, BGBl 1967 I, S. 581. 85 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, BGBl 1969 I, S. 359. 86 Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 25. 87 Vgl. Voigt, System des kommunalen Finanzausgleichs, 1980, S. 37; dadurch wird die Qualifizierung des Hebesatzrechts als eines der Essentialia kommunaler Selbstverwaltung nicht tangiert (vgl. FN 45 in diesem Kapitel). 88 Vgl. hierzu Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, 1988, § 86 VII 4c (2), bb, Rn. 119 ff. sowie FN 48. 89 Vom 8.9.1969, BGBl 1969 I, S. 1587; die Vorschrift lautet: „Die Gemeinden erhalten 14 vom Hundert des Aufkommens an Lohnsteuer und an veranlagter Einkommenssteuer (Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer)". Durch Art. 13 des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30.11.1978 (BGBl 1978 I, S. 1859) wurde der Gemeindeanteil

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

Gemeinden und Gemeindeverbände sind darüber hinaus gem. Art. 106 Abs. 7 GG im Wege des Verbundsystems pauschal am Aufkommen der sogenannten Gemeinschaftssteuern (Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer gem. Art. 103 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 7 Satz 1 GG) beteiligt. Damit hat sich durch die „Große Finanzreform" des Jahres 1969 gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes ein bedeutsamer Wandel dadurch ergeben, daß das Grundgesetz den Selbstverwaltungskörperschaften in dreifacher Hinsicht eine „Sonderstellung" einräumt: — Zuerkennung eigener Steuerquellen (Realsteuergarantie nach Art. 106 Abs. 6 GG; Garantie der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG); — Einbeziehung der kommunalen Gebietskörperschaften in den Steuerverbund zwischen Bund und Ländern (Gemeinschaftssteuerbeteiligung im Verbundsystem gem. Art. 103 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 7 Satz 1 GG); — Direktion des horizontalen Finanzausgleichs durch die Bestimmung, daß „hierbei... die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen ist" (Art. 107 Abs. 2 GG) 9 0 .

3. Der Grundsatz der finanzverfassungsrechtlichen Differenzierung der Ebenen Bund — Land und Land — Gemeinden und seine Durchbrechungen a) Die Verfassungspflicht der Länder, für die Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände zu sorgen „Hauptverantwortlicher" für die Finanzen der Gemeinden und Gemeindeverbände sind die Länder. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der kommunale Finanzausgleich nach Art. 106 Abs. 7 GG der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegt. Diese sind gem. Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG verpflichtet, die Gemeinden prozentual am Länderanteil an den Gemeinschaftssteuern zu beteiligen; im übrigen wird das den Ländern in der Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs zukommende „Ermessen" durch die soeben abgehandelten Grundsätze regiert 91 . zum 1.1.1980 auf 15 % erhöht; vgl. in diesem Zusammenhang die Bekanntmachung der Neufassung des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 28.1.1985, BGBl 1985 I, S. 201 ff. 90 Vgl. Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 25 f. sowie Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Zur Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, Hannover 1964, S. 38 ff.; Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1966, S. 64 ff. (Rn. 252 ff.); Jürgens / Pi duc h / Cohrs, Finanzverfassung, Steuern und öffentlicher Haushalt, Regensburg 1981, S. 29 ff. (Rn. 56 ff.). 91 Vgl. hierzu Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 106, Rn. 83, der davon spricht, die Länder seien in der Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs im übrigen

IV. Aufgabenvollzug und Mittelaufbringung

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Ansprüche auf „angemessene Finanzausstattung" bzw. „finanzielle Mindestausstattung" der Kommunen richten sich also zunächst unmittelbar gegen das Land; nur ausnahmsweise kann ein direkt gegenüber dem Bund geltend zu machender Anspruch auf Finanzausstattung durch die Gemeinden erhoben werden 92 . Aus den in IV.2. genannten Grundgesetzänderungen folgt nach zutreffender Ansicht freilich unmittelbar, daß der Bund eine gegenüber der Ursprungsfassung des Grundgesetzes verstärkte Mitverantwortung für die kommunale Finanzausstattung übernommen hat. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Quantität (kommunale Finanzmasse), sondern auch hinsichtlich der Qualität, d. h. bezüglich der Stetigkeit und Ausgewogenheit der Finanzzuweisungen. Die h. M. geht daher von einer Gesamtverantwortung von Bund und Ländern für eine quantitativ ausreichende und qualitativ ausgewogene, d. h. den speziellen Bedürfnissen und Gegebenheiten der Kommunen gerecht werdende kommunale Finanzausstattung aus 93 . b) Durchbrechung des Grundsatzes der nicht bestehenden finanzverfassungsrechtlichen Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden nach Art. 104 a Abs. 4 GG und Art. 106 Abs. 8 GG Das Grundgesetz selbst sieht jedoch zwei Konstellationen vor, in denen der Grundsatz der nicht bestehenden finanzverfassungsrechtlichen Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden durchbrochen ist. Es handelt sich um die Finanzhilfekompetenz des Bundes gem. Art. 104 a Abs. 4 GG sowie um den Ausgleich von Sonderbelastungen gem. Art. 106 Abs. 8 GG. Nach Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG kann der Bund den Ländern Finanzhilfe für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme zu dem in Art. 104 a Abs. 1 GG niedergelegten Grundsatz, wonach Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben 94. frei; vgl. in diesem Zusammenhang auch Zimmermann, System der kommunalen Einnahmen, 1988, S. 39 f. und 106 f.; Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 30, 34 f. 92 Siehe hierzu unter Kap. 4, IV.4. 93 Vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 106, Rn. 80 und 82; Geske, Gemeinden und Kreise im Finanzsystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Püttner, (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1985, Bd. 6, S. 29 ff., S. 39. 94 Vgl. hierzu ausführlich Maunz, in: Maunz / Dürig l Herzog / Scholz, Art. 104 a, Rn. 42 ff.; Meiss, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 96 ff.; Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 36; Schnei-

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4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

In Vollzug der in Art. 104a Abs. 4 Satz 2 GG verankerten Gesetzgebungskompetenz erging insbesondere das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 95, das Städtebauförderungsgesetz 96 sowie das Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze 97. Unmittelbar Begünstigte nach Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG sind die Länder, mittelbar Begünstigte die Gemeinden (und Gemeindeverbände). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Finanzhilfe-Urteil vom 4.3.1975 98 hervorgehoben, daß der Bund auf eine bloße finanzielle Beteiligung beschränkt sei; das zuständige Bundesministerium habe bei der Bewilligung von Finanzhilfen grundsätzlich von den Förderungsprogrammen der Länder und deren Prioritäten auszugehen, „in die die Investitionsplanungen und Entscheidungen der Länder und Gemeinden einfließen" 99 . Dem Bund ist es daher verwehrt, ein vom betreffenden Land nicht angemeldetes Investitionsvorhaben einer Gemeinde aus eigener Initiative zu unterstützen. Das Bundesverfassungsgericht hob ausdrücklich hervor, daß föderalistische Partner der Finanzhilfen des Bundes für Investitionen der Gemeinden stets Bund und Länder, nicht jedoch Bund und Gemeinden seien, auch wenn die geförderten Investitionsprojekte von den Gemeinden durchgeführt würden 100 . Diese Rechtsprechung wurde durch das Urteil vom 10.2.1976 101 zur Verfassungsmäßigkeit des von der Bundesregierung 1974 beschlossenen „einmaligen Sonderprogramms für Gebiete mit speziellen Strukturproblemen" fortgeführt, in dem Gemeinden und Gemeindeverbände als die hauptsächlichen Träger bestimmter Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur genannt wurden. Dieses Programm stand nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts insofern in Widerspruch zu Art. 104 Abs. 4 Satz 1 GG, als der Bund das Recht für sich in Anspruch nahm, unmittelbar über einzelne gemeindliche Förderungsanträge anstelle der Länder zu entscheiden. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG nur eine scheinbare Durchbrechung des oben genannten Grundsatzes darstellt, nach dem Träger und Akteure der bundesstaatlichen Finanzverfassung ausschließlich Bund und Länder sind. derbanger, Einflüsse und Auswirkungen, 1988, S. 175 f. sowie 180 ff. hinsichtlich der Schranken für Kürzungen von Finanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 4 GG, insbesondere unter Berücksichtigung des Verfassungsgebots einer Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Staatsgebiet. 95 Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden vom 18.3.1971, BGBl 1971 I, S. 239. 96 Vom 27.7.1971, BGBl 1971 I, S. 1125, zuletzt i. d. F. d. Bek. vom 18.8.1976, BGBl 1976 I, S. 2318. 97 Vom 29.6.1972, BGBl 1972 I, S. 1009. 98 BVerfGE 39, 96; vgl. hierzu Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 57 ff. 99 BVerfGE 39, 96 ff., 108. 100 BVerfGE 39, 96 ff., 122. ιοί BVerfGE 41, 291 ff.

IV. Aufgabenvollzug und Mittelaufbringung

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Eine echte Durchbrechung des oben genannten Grundsatzes stellt hingegen die Finanzierungsmöglichkeit nach Art. 106 Abs. 8 GG dar, nach der der Bund den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden einen finanziellen Ausgleich für durch die Errichtung besonderer Einrichtungen veranlaßte unmittelbare Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) gewährt. Es handelt sich hier um eine Spezialregelung, die in der Praxis ohne grundlegende Bedeutung ist. Art. 106 Abs. 8 GG bezieht sich auf den Fall, daß der Bund — etwa durch den Betrieb von militärischen Anlagen oder aber durch die Einrichtung von Bundesoberbehörden — den einzelnen Gemeinden oder Gemeindeverbänden unmittelbare Mehrausgaben oder Mindereinnahmen verursacht 102. Wegen des durchgängig betonten Ausnahmecharakters von Art. 106 Abs. 8 GG 1 0 3 ist daran festzuhalten, daß diese einzige echte Durchgriffsbestimmung im Rahmen der Finanzverfassung als Ausnahme die Regel bestätigt, wonach das Grundgesetz einem direkten Finanzierungsverhältnis von Bund und Gemeinden entgegensteht104.

4. Finanzverantwortung des Bundes kraft „Veranlassungsprinzips" In eigenartigem Kontrast zur staatsorganisatorisch wie finanzverfassungsrechtlich strikt durchgeführten Trennung von Bund und Ländern steht freilich die Tatsache, daß der Bundesgesetzgeber Urheber der meisten und bedeutsamsten bundesunmittelbaren Einwirkungen auf die Gemeinden (und Gemeindeverbände) 102 Vgl. hierzu ausführlich Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 106, Rn. 100 ff.; Meiss, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 106 ff.; Schneiderhanger, Einflüsse und Auswirkungen, 1988, S. 176 ff.; Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 33, 35. Art. 106 Abs. 8 GG geht zurück auf § 62 des Reichsfinanzausgleichsgesetzes vom 23.6.1923 (RGBl I, S. 494). Die etwa für 1987 greifbaren Haushaltsansätze — Leistungen an die Stadt Bonn im Hinblick auf ihre Aufgaben als Bundeshauptstadt: 104 Mio. DM; Ausgleichsleistungen an Gemeinden im Bonner Umland als Folge hauptstadtbedingter Sonderbelastungen: 6,7 Mio. DM; Darlehen und Zuweisungen an Gemeinden und Gemeinde verbände im Zusammenhang mit militärischen Bauvorhaben und Wohnsiedlungen für Aufschließungsmaßnahmen und Folgeeinrichtungen besonderen Umfangs: 5,3 Mio. DM; Darlehen und Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände für Überprüfung, Bau, Ausbau und Verlegung von Straßen im Zusammenhang mit militärischen Anlagen: 26 Mio. DM — zeigt, daß diefiskalische Bedeutung dieser Vorschrift gering ist, obwohl nach h. M. Art. 106 Abs. 8 GG bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einen entsprechenden justitiablen Rechtsanspruch der unzumutbar belasteten Körperschaften gewährt; vgl hierzu Bleckmann, Rechtsanspruch auf Ausgleich, DVB1 1970, 913 ff.; Friauf, Gemeindliche Ausgleichsansprüche beim Hochschulbau, 1972, S. 17 ff.; ders., Gemeinschaftsaufgaben und Sonderbelastungsausgleich, VerwArch 66 (1975), 99 ff. sowie neuerdings VG Hannover, Urt. v. 9.3.1989, 6 VG A 190/85, NST-N 1989, 212 ff. = Knemeyer / Hofmann, EzKommR, 5. Erg.Lieferg. 1990, 1700.83 m. Anm. Hofmann. 103 Vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 106, Rn. 99. 104 Vgl. hierzu auch Thür er, Bund und Gemeinden, 1986, S. 60. 10 Hofmann-Hoeppel

146

4. Kap.: Aufgabenvollzug, Mittelaufbringung und Kostendeckung

ist. Verschiedene rechtstatsächliche Analysen lassen den Schluß zu, daß insbesondere die Gemeinden „zum Fundament der gesamten öffentlichen Verwaltung ausgebaut" wurden 105 . Es ist davon auszugehen, daß 7 5 % 1 0 6 bis 90% 1 0 7 alle Verwaltungsgesetze des Bundes (und der Länder) von den Gemeinden vollzogen werden. Neben dem Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt es sich vor allem um die Leistungsverwaltung, speziell der Sozialleistungen im engeren (Sozialhilfe) und weiteren Sinne (Wohngeld) sowie um das Lastenausgleichsrecht 1 0 8 . Angesichts dieser Tatsache sowie des dem finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzip nach Art. 104 a Abs. 1 GG 1 0 9 innewohnenden Veranlassungs- und Verantwortungsgrundsatzes stellt sich die Frage, ob dem Bund nicht eine Ausgabenverantwortung für Aufgabenbereiche zukommt, deren Vollzug er durch Bundesgesetz unmittelbar veranlaßt hat. In Anknüpfung an die von Thürer entwickelte Systematik der Formen bundesgesetzlicher Einwirkungen auf die Gemeinden 110 sind von den dort entwickelten „vier Durchgriffstypen" vor allem diejenigen von Interesse, in denen der Bundesgesetzgeber unmittelbar gemeindliche Zuständigkeiten bestimmt bzw. den Gemeinden Aufgaben überträgt 111 , die Zuständigkeiten bzw. Aufgaben unmittelbar kommunalen Organen oder Dienststellen zuweist 112 bzw. den Rechtscharakter der den Gemeinden übertragenen Aufgaben festlegt, indem er sie als weisungsfrei oder weisungsgebunden qualifiziert 113 . Ein solcher verfassungsdogmatischer Anknüpfungspunkt für eine Erweiterung der in Art. 104a Abs. 2-4 GG niedergelegten Zweckverantwortung des Bundes — Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 1 GG; — Vollzug von Geldleistungsgesetzen gem. Art. 104 a Abs. 3 Satz 1 GG; los Vgl. Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 34. 106 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 1984, S. 311 f. 107 Vgl. Blümel, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1978), S. 171 ff., 207 f.; die Enquête-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages kommt in ihrem Bericht vom 9.12.1976 (BT-Drs. VII/ 5924, Kap. 13) zu einem Ergebnis von 70%. los Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 26 f. 109 Vgl. hierzu Kapitel 5, I. no Vgl. Thürer, Bund und Gemeinden, 1986, S. 36 ff. Der seitens Baden-Württembergs am 23.5.90 vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes über Leistungen an Asylbewerber und ehemalige Asylbewerber ohne Aufenthaltserlaubnis" (BR-Drs. 364/90) geht ebenfalls von einer Kostentragungspflicht des Bundes aus; in diesem Sinne grundsätzlich auch von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, S. 88. m Vgl. etwa § 2 Abs. 1 BBauG /BauGB, § 89 II. WoBauG, § 96 Abs. 1 BSHG, § 5 Abs. 2 BFStrG, § 17 Abs. 1 BWahlG, § 2 Abs. 2 ZivSchG, § 1 Abs. 2 Satz 2 StBFöG. 112 Vgl. § 51 PersonenstandsG, § 2 Abs. 1 ZivSchG, §§ 4, 15 Abs. 3 WPflG, § 12 Abs. 2 JWG. 113 §§ 2 Abs. 1,6 Abs. 2,10 BBauG / BauGB, §§ 5,7 und 51 StBFöG, § 51 PersonenstandsG, § 3 FlüchtNotG.

IV. Aufgabenvollzug und Mittelaufbringung

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— Gewährung von Finanzhilfen an Länder und Gemeinden gem. Art. 104 Abs. 4 GG; steht nur scheinbar im Widerspruch zur Tatsache, daß infolge einer strikten Trennung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz den Ländern nach Art. 30, 83 Abs. 1 GG regelmäßig der Vollzug der Bundesgesetze zukommt und diese im Rahmen der ihnen obliegenden „Hauptverantwortung" für die Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände im Wege des vertikalen Finanzausgleichs für eine deckungsadäquate Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen haben. Eine unmittelbare Zweckverantwortung des Bundes kann ihre Berechtigung darin finden, daß dem Bund die Ausgabenverantwortung dann zukommt, wenn er hinsichtlich des Vollzugs von Bundesgesetzen eine Annexkompetenz für die Bestimmung sachlich zuständiger „Behörden" in Anspruch nimmt, die außerhalb des staatlichen Instanzenzuges stehen und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind, wie dies für Gemeinden (und Gemeindeverbände 114) zutrifft. 114 Anerkanntermaßen gehören zum Kernbereich der in Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Institution der kommunalen Selbstverwaltung nicht nur die Existenz der gemeindeverbandlichen Ebene überhaupt, sondern die der Kreisorganisation (Landkreise); Ämter bzw. Samtgemeinden und höhere Gemeindeverbände, insbesondere Landschaftsverbände, werden jedenfalls vom Grundgesetz nicht als notwendige Einheiten gefordert (vgl. hierzu Wiese, Rolf, Garantie der Gemeindeverbandsebene? (= Schriften zum dt. KommR, Bd. 2), Frankfurt 1972, S. 48). Die sich nach Landesrecht ergebende Rechtslage ist daher in den einzelnen Bundesländern höchst unterschiedlich. Eindeutig ist die Rechtslage in Bayern: Gem. Art. 9 Abs. 1,1. HS BV gliedert sich das bayerische Staatsgebiet in Kreise (Regierungsbezirke), die gem. Art. 9 Abs. 2 Satz 1, 1. HS BV in Bezirke (Landkreise) eingeteilt sind. Gem. Art. 10 Abs. 1 BV besteht für das Gebiet jedes Kreises und jedes Bezirks ein Gemeindeverband als Selbstverwaltungskörper, dem ein eigener Wirkungskreis durch Gesetz zuzuweisen ist (Art. 10 Abs. 2 BV). Daraus ergibt sich, daß insbesondere die Bezirke als Gemeindeverbände von der Bayerischen Verfassung als notwendige Einheiten gewährleistet sind (vgl. hierzu Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 1988, S. 56 ff. (Rn. 45 ff.); Reichert, Eberhard, Regierung und Bezirke in Bayern. Entwicklung, Erscheinung und Reform, Diss. jur. Würzburg 1971; Witti, Joseph, die Bayerischen Bezirke, in: Püttner, Günter (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, 2. Aufl. 1982, S. 434 ff.; Borchmann, Michael, 150 Jahre Bezirke in Bayern, BayVBl 1978, 763 ff.; Simnacher, Georg, 150 Jahre Bayerische Bezirke, BayBgm 1978, 26 ff.). Hinsichtlich der Rechtslage in Nordrhein-Westfalen besteht Dissens darüber, ob die Landschaftsverbände durch Art. 78 Abs. 1 LVNW verfassungsmäßig garantiert seien (vgl. einerseits Geller ! Kleinrahm ! Fleck, Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 1963, Art. 78, Anm. 4; Rothe, 12 Regionalkreise für das Land Nordrhein-Westfalen?, Der Städtebund 1969, 28; Berkenhoff, Das Kommunalverfassungsrecht in NordrheinWestfalen, S. 27; a. Α.: Leier s, Rolf, Die Verfassungs- und Aufgabenstruktur der preußischen Provinzialverbände im Verhältnis zu den Landschaftsverbänden von NordrheinWestfalen, Diss. jur. Münster 1967, S. 152; Naunin, Helmut, in: Die staatliche und regionale Neugliederung des Landes Nordrhein-Westfalen, Köln 1968, Teil C, S. 79; Mattenklodt, Herbert-Fritz, Ist die Bildung von Regionalkreisen verfassungsrechtlich zulässig?, KpBl 1969, 11). Die Entscheidung dieser kontroversen Frage wird davon abhängen, ob es sich bei den Landschaftsverbänden um Gemeindeverbände mit gebietskörperschaftlicher Qualität oder aber lediglich um Zweckverbände handelt; vgl. hierzu ausführlich Wiese, Garantie der Gemeindeverbandsebene?, S. 75 ff.; zur Relevanz des Begriffs „Gemeindeverband" für den horizontalen Finanzausgleich vgl. Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 49 ff. 10*

Kapitel 5

Die Bedeutung des finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips nach Art. 104 a Abs. 1 GG für einen Anspruch auf aufgabenadäquate Finanzausstattung I. Der Grundsatz der Konnexität nach Art. 104 a Abs. 1 GG Das in Art. 104 a Abs. 1 GG niedergelegte bundesverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip ist neben Art. 30, 70 und 83 GG zentrale Regel, welche das BundLänder-Verhältnis entscheidend prägt; Art. 104 a Abs. 1 GG als Lastenverteilungsgrundsatz ist tragender Pfeiler bei der Erfüllung aller staatlichen Aufgaben. Art. 104 a GG ist als Norm über die bundesstaatliche Finanzverfassung gleichzeitig materielle Ausformung von Art. 28 Abs. 2 GG; dieser kann im Verhältnis zu Art. 104 a GG als Grundnorm bezeichnet werden 1. Daraus folgt gleichzeitig, daß Art. 104 a GG wie die übrigen Normen des Finanzverfassungsrechts am Maßstab von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auszulegen sind 2 . Aus dem Sachzusammenhang der Art. 104a GG ff. mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgt weiter, daß Gemeinden (und Gemeindeverbänden) eine Klagemöglichkeit gegenüber Eingriffen des Bundes wie der Länder in die verfassungsrechtlichen Finanzgarantien zur Seite steht. Wie Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, so verleihen auch die Vorschriften der Finanzverfassung, soweit sie auf eine quantitativ wie qualitativ angemessene Finanzausstattung der Gemeinden abzielen, den Selbstverwaltungskörperschaften subjektiv verfassungsmäßige Rechte3. 1 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 33; Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 GG, Rn. 76; Maunz, in: Maunz I Dürig ! Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Art. 106, Rn. 41; Meiss, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 57 ff., 68 ff., wo zutreffend auf die Bedenken gegen die Argumentation der herrschenden Lehre hingewiesen wird, als diese den gemeindlichen Finanzausstattungsanspruch pauschal auf Art. 28 Abs. 2 GG stützt und weder zwischen den Aufgabenbegriffen noch zwischen den einzelnen Aufgabentypen differenziert; Gr awert (Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 44) spricht zutreffend davon, daß die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen des GG die in Art. 28 Abs. 2 GG grundgelegte Stellung der Kommunen näher „ausformen". 2 Vgl. Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 GG, Rn. 76; Bleckmann, Rechtsanspruch auf Ausgleich, DVB1 1970, 913 ff., 916. 3 Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 34.

I. Grundsatz der Konnexität

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Art. 104 a Abs. 1 GG weist Bund und Ländern entsprechend ihren Aufgaben die Ausgabenlast zu; Art. 104 a Abs. 1 GG ist damit Ausdruck der finanzverfassungsrechtlichen Lastenverteilungsregel, nach der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung zusammengehören4. Der ursprünglich in Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG a. F. als Richtlinie für die Verteilung der gemeinsamen Steuern des Art. 106 Abs. 3 GG A. F. (Körperschafts- und Einkommenssteuer) formulierte Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG 5 wird nach ganz herrschender Terminologie als Konnexitätsprinzip bezeichnet, das sich durch eine Priorität der Aufgaben auszeichnet, d. h. der Aufgabenbestand bestimmt das Ausmaß der Finanzverantwortung, nicht umgekehrt das Finanzvolumen das Maß der Aufgabenerfüllung. Art. 104 a Abs. 1 GG setzt daher eine Aufgabenverteilung voraus und beinhaltet als Rechtsfolge eine entsprechende Finanzverantwortung 6. Art. 104 a Abs. 1 GG gilt wegen der finanzverfassungsrechtlichen Zweistufigkeit des Staatsaufbaus zunächst im Verhältnis Bund — Länder. Die Länder sind wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Folgerichtigkeit (Systemgerechtigkeit) verpflichtet, den vom Bund mit zu berücksichtigenden Kommunalfinanzbedarf in der gleichen Haushaltsperiode auch tatsächlich den Gemeinden weiterzugeben, da der Bedarf der Gemeinden und deren Finanzkraft beim Bund-LänderFinanzausgleich sowie beim Finanzausgleich der Länder untereinander mit eingebracht und folglich im Bund-Länder-Verhältnis auch qualifiziert wird 7 . Hinsichtlich der unmittelbaren Geltung von Art. 104 a Abs. 1 GG im Verhältnis Land — Gemeinden (Gemeindeverbände) besteht Dissens insoweit, ob eine unmittelbare Geltung von Art. 104 a Abs. 1 GG gegenüber Art. 106 Abs. 9 GG daraus hergeleitet werden kann, daß wegen der Zweistufigkeit des Staatsaufbaus die Gemeinden als Teil der Länder gelten und folglich die Einbeziehung der Länder auch unmittelbar hinsichtlich der Kommunen wirksam ist 8 oder ob sich lediglich eine mittelbare Anwendbarkeit auf die kommunale Ebene ergibt 9 . So4 Vgl. Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 83; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 37; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 73 jew. m. w. N.; von Mutius I Dreher, Reform der Kreisfinanzen, S. 86. 5 Vgl. hierzu Makswit, Finanzierung kommunaler Fremd Verwaltung, 1984, S. 85. 6 Vgl. Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 84; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 73. 7 Vgl. Kirchhof, Eildienst LKT-NW 1983, 294 ff., 295; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 73. 8 Vgl. hierzu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 1146; Meiss, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 57; Vogel / Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 104 a, Rn. 68; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Art. 104a GG, Rn. 27; BVerwGE 44,351 ff., 364. 9 In diesem Sinne Kirchhof, Der Finanzausgleich als Grundlage kommunaler Selbstverwaltung, DVB1 1980, 711 ff., 713; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbst-

150

5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

weit ersichtlich, vertreten nur Patzig 10 und Zimmermann 11 die Auffassung, Art. 104 a Abs. 1 GG sei auf das „andersgeartete Verhältnis zwischen den Ländern und ihren Gemeinden nicht, auch nicht analog, übertragbar". Zutreffenderweise wird jedoch davon auszugehen sein, daß das Konnextitätsprinzip des Art. 104 a Abs. 1 GG im Verhältnis Länder — Gemeinden zumindest mittelbar zur Anwendung kommt.

I I . Inhalt und Wirkungsweise des Konnexitätsprinzips „Aufgabe" im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG ist nach ganz h. M. durch die Verwaltungszuständigkeit, nicht durch die Gesetzgebungskompetenz bestimmt 12 . Das Abstellen auf die Verwaltungszuständigkeit wird im wesentlichen damit begründet, daß Ausgaben im gesetzesakzessorischen Raum regelmäßig erst durch die Ausführung von Gesetzen entstehen. Im Grundsatze ist daher davon auszugehen, daß die die Verwaltungsaufgabe vollziehende Körperschaft neben der Verwaltungsverantwortung, die ihr stets obliegt (vgl. Art. 104 a Abs. 5 GG), auch die Sach- und Zweckverantwortung trägt. Für die Richtigkeit dieses Grundsatzes sprechen nicht zuletzt die in Art. 104a Abs. 2-4 GG normierten „Ausnahmen" von diesem Grundsatz, bei denen Verwaltungs- und Zweckverantwortung auseinanderfallen: Aus Art. 104 a Abs. 2-4 GG ergibt sich, daß der Bund die Zweckverantwortung trägt für — die Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 1 GG; — den Vollzug von Geldleistungsgesetzen gem. Art. 104 a Abs. 3 Satz 1 GG; Verwaltungsgarantie, 1980, S. 38 und 210; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 110 f.; ders., Anmerkung zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26.10.1979, DVB11981,225 ff., 226; Schmidt-Jortzig / Makswit, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, JuS 1980, 641 ff., 642; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 74. io Patzig, Die Lastenverteilung im Bereich der kommunalen „Fremdverwaltung", DÖV 1985, 645 ff. u Zimmermann, Das System der kommunalen Einnahmen, 1988, S. 46; wie dieser auch NWVerfGH, DVB1 1985, 685 f. m. Anm. von Mutius ! H enneke; vgl. hierzu von Mutius I Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 89 ff. 12 Sturm, Die Finanzverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden, DÖV 1968, 466 ff., 467 f.; Erichsen, Die Konnexität von Aufgabe und Finanzierungskompetenz, 1968, S. 37 ff.; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 75; Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 87 m. umf. N. in FN 13 sowie unter Hinw. auf die abweichende Meinung von Henle, der auf die Gesetzgebungskompetenz abstellt (vgl. Henle, Finanzreform zwischen Föderalismus und Fiskalpolitik, DOV 1966, 608 ff., 613 f.; ders., Die Finanzreform und die Beschaffenheit des Staates, DÖV 1968,396 ff., 402; Meiss, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 58; BVerfGE 26, 338 ff., 389 f.; 44, 351 ff., 364 f.

II. Inhalt und Wirkungsweise des Konnexitätsprinzips

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— bei Gewährung von Finanzhilfen an Länder und Gemeinden, die diesen über die Länder zuzuleiten sind (Art. 104a Abs. 4 GG) 1 3 . Aus dem den Regelungen in Art. 104a Abs. 2-4 GG zugrunde liegenden Gedanken — Differenzierung zwischen Verwaltungs- und Zweckverantwortung — läßt sich im übrigen ableiten, daß hinsichtlich der Lastenverteilung nach Art. 104a Abs. 1 GG die Anknüpfung an die Verwaltungszuständigkeit nur dort gerechtfertigt ist, wo von einer Deckungsgleichheit zwischen Verwaltungszuständigkeit und Verwaltungsverantwortung ausgegangen werden kann. Dies ist regelmäßig bei der Eigenverwaltung von Bund und Ländern der Fall 1 4 . Im Bereich der Erfüllung von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ist diese Dekkungsgleichheit nicht mehr gewährleistet: Die Verwaltungsverantwortung liegt hier nicht mehr wie bei der Eigenverantwortung in einer Hand, sondern ist zwischen Staat als Aufgabenübertragendem und Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden als Ausgabenausführenden aufgeteilt 15 . Folgt man der in Kapitel 3.II.3. 16 getroffenen Klassifizierung des BSHGVollzugs als Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises bzw. als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung, so wird dadurch die verfassungsrechtliche Deckungspflicht des Bundes im Sinne von Art. 104 a Abs. 2 GG auf die Zweckausgaben begrenzt. Damit obliegt dem Bund die Zweckverantwortung für den BSHG-Vollzug. Treten die Gemeinden (und Gemeindeverbände) insoweit in Vorleistung, erwächst ihnen einen diesbezüglicher Erstattungsanspruch gegenüber dem Bund, der die Zweckkosten den Gemeinden über die Länder zuzuleiten hat 17 . Diese Verpflichtung ist im Hinblick auf die „Hauptverantwortlichkeit" der Länder für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen eine subsidiäre.

13 Vgl. hierzu Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 38 ff.; von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 79. 14 Vgl. Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung, 1984, S. 101. 15 Im Ergebnis ebenso von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 94 f., sowie Meiss, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 73 f.; unzutreffend ist freilich die in diesem Zusammenhang getroffene Bemerkung, das bei Auftragsangelegenheiten (nach dualistischem Aufgabenverständnis) und Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (nach monistischem Aufgabenverständnis) bestehende Weisungs- und Fachaufsichtsrecht sei unterschiedlich intensiv, „das heißt, ist beim dualistischen Aufgabenbegriff unbeschränkt, beim monistischen dagegen in dem Sinne beschränkt, daß der Umfang des Weisungs- und Fachaufsichtsrechts gesetzlich bestimmt sein muß, . . . " (S. 73). Für die bayerische Rechtslage ist diese Auffassung, wie sich unzweifelhaft aus Art. 109 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 1 und 2 BayGO ergibt, unzutreffend (vgl. hierzu Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 1987, Rn. 319, S. 223; BayVGH, BayVBl 1955, 25). 16 Vgl. hierzu vorne Kapitel 3.II.3. 17 Vgl. von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 80.

152

5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

I I I . Die Vereinbarkeit der Praxis des Finanzausgleichs im Freistaat Bayern und in Nordrhein-Westfalen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen 1. Der Soziallastenansatz nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 Nr. 3 BayFAG in Verbindung mit § 3a BayFAGDV unter Berücksichtigung des Urteils des BayVGH vom 29.5.1987 a) Funktion und Ermittlung

der Schlüsselzuweisungen

Die allgemein der Deckung des gemeindlichen Finanzbedarfs dienenden, nicht nach der Rechtsnatur des Aufgabenvollzugs differenzierenden Schlüsselzuweisungen18 orientieren sich an dem aufgabenbezogenen finanziellen Bedarf der Gemeinden, d. h. an den normierten durchschnittlichen Ausgaben und Belastungen einerseits und der Steuerkraft der betreffenden Kommunen andererseits, wobei diese beiden Kriterien zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die normierte durchschnittliche Ausgabenbelastung wird durch die sogenannte Bedarfsmeßzahl, die eigene Steuerkraft durch die Steuerkraftmeßzahl ausgedrückt. Die Ausgangs- bzw. Bedarfsmeßzahl errechnet sich regelmäßig als Produkt aus dem Gesamtansatz (Summe des Hauptansatzes sowie der Nebenansätze) und einem einheitlichen Grundbetrag, der so gewählt und seitens der Innen- bzw. der Finanzminister so festgesetzt wird, daß unter Berücksichtigung aller für den Bedarf und die Steuerkraft der Gemeinden in einem Bundesland vorhandenen Daten die für Schlüsselzuweisungen an Gemeinden verfügbare Finanzmasse gerade aufgebraucht wird 1 9 . Da die Schlüsselzuweisungen in ihrer Funktion als finanzielle Deckung für den gesamten gemeindliche Aufgabenvollzug nach der Rechtsnatur der von den Gemeinden (und Gemeindeverbänden) zu besorgenden Aufgaben nicht differenzieren, kommt der Bildung von Hauptansatz und Nebenansätzen im Rahmen der Ermittlung der Ausgangsmeßzahl zur Festsetzung der Schlüsselzuweisungen für die Verwirklichung der verfassungsrechtlich gebotenen aufgabenadäquaten Finanzausstattung der Gemeinden (und Gemeindeverbände) eine entscheidende Bedeutung zu. Angesichts des überproportionalen Anstiegs der im Gefolge des BSHG-Vollzugs entstandenen Aufwendungen 20 ist daher die Frage von besonderer Relevanz, ob die jeweiligen Landesfinanzausgleichsgesetze einen eigenen 18

Erfaßt wird der sog. „normale Ausgabenbedarf 4; vgl. hierzu Heckt, Aktuelle Probleme des kommunalen Finanzausgleichs, in: Finanzarchiv 12 (1950/51), S. 730 ff.; Weber, Die Schlüsselzuweisungen, 1980, S. 59 f.; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 115. 19 Vgl. Weber, Die Schlüsselzuweisungen, 1980, S. 105, 123 ff.; von Mutius IH enneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 123. 20 Vgl. hierzu vorne Kapitel l.IL, III.

III. Finanzausgleich in Bayern und Nordrhein-Westfalen

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Soziallastenansatz (als Nebenansatz) oder aber vergleichbare Nebenansätze aufweisen 21 . b) Die Berücksichtigung der Sozialhilfebelastung nach § 3a BayFAGDV 1970 Die Bayerische Änderungsverordnung zur Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichs zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden vom 30.12.1983 22 regelt in § 3 a BayFAGDV 1970 die Ermittlung der Sozialhilfebelastung kreisfreier Gemeinden und Landkreise im Rahmen der Schlüsselzuweisungen. Die Sozialhilfebelastung ist nach bayerischem Kommunalfinanzrecht einer von mehreren Ansätzen, mit deren Hilfe die Ausgabenbelastung der kreisfreien Gemeinden und Landkreise im Sinne des Finanzausgleichsgesetzes berechnet wird. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Nr. 3 BayFAG wird der überdurchschnittlichen Sozialhilfebelastung in der Weise Rechnung getragen, daß bei kreisfreien Gemeinden und Landkreisen, die eine im Verhältnis zu ihren Umlagegrundlagen (Art. 21 Abs. 3 BayFAG) überdurchschnittliche Belastung aufweisen, dem Hauptansatz jeweils das 1 1/2-fache der Prozentpunkte hinzugezählt wird, die den Satz der landesdurchschnittlichen Sozialhilfebelastung der kreisfreien Gemeinden und Landkreise übersteigen. Gemäß § 3 a BayFAGDV 1970 wird die Sozialhilfebelastung einer kreisfreien Gemeinde oder eines Landkreises dadurch ermittelt, daß die jeweils tatsächliche Zahl der Empfänger der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Empfänger der Hilfe in besonderen Lebenslagen mit den jeweils landesdurchschnittlichen Ausgaben der kreisfreien Gemeinden und der Landkreise insgesamt für diese Personen vervielfacht und die Summe dieser beiden Produkte gebildet wird. Die landesdurchschnittliche Sozialhilfebelastung ergibt sich aus dem Verhältnis der gesamten Sozialhilfebelastung aller Landkreise und kreisfreien Gemeinden zur Summe der Umlagegrundlagen nach Art. 21 Abs. 3 BayFAG. Ungeachtet der sogleich abzuhandelnden Frage, ob die in § 3a BayFAGDV 1970 iVm Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 5 Abs. 2 Nr. 3 BayFAG vorgesehene Objektivierung der Sozialhilfebelastung der einzelnen Kommunen durch Zugrundelegung der landesdurchschnittlichen Kosten eines Sozialhilfefalles der verfassungsrechtlich zu fordernden aufgabenadäquaten Finanzausstattung gerecht wird oder nicht 23 , zeigt der für den bayerischen Finanzausgleich für die Berechnung der 21 Die Neben- bzw. Ergänzungsansätze bieten ein buntes Bild: Einen Sozialhilfeansatz kannte neben Bayern nur das rheinland-pfälzische FAG (§ 10 Nr. 4); systematisch können Grenzland-, Gruben-, Bäder-, Kinder- und Raumordnungsansatz unterschieden werden (vgl. Weber, Schlüsselzuweisungen, 1980, S. 110 ff., und Zimmermann, System der kommunalen Einnahmen, 1988, S. 117). Die „Palette" reicht von „ergänzungsansatzarmen" Ländern wie Baden-Württemberg, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein bis zu Bundesländern mit 6 Ergänzungsansätzen wie Hessen oder Rheinland-Pfalz. 22 GVB1 1984, S. 7; nunmehr § 2 FAGDV 1987 v. 2.9.1988 (GVB1 S. 307). 23 Bay VGH, Urteil v. 29.5.1987,4 Ν 84 A 1788, in: Knemeyer / Hofmann, EzKommR, 1989, 1700.73.

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5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

Ausgangsmeßzahl gewählte Sozialhilfeansatz, daß der (überdurchschnittlichen) Sozialhilfebelastung von Gemeinden und Landkreisen gesetzestechnisch durchaus Rechnung getragen werden kann 24 . Wie sich aus § 3a FAGDV 1970 ergibt, wird die Sozialhilfebelastung von kreisfreien Gemeinden und Landkreisen auf der Grundlage landesdurchschnittlicher Kosten eines Sozialhilfefalles, d. h. nach einer sogenannten „objektivierten" Berechnungsmethode wie folgt ermittelt: Getrennt nach den Leistungsarten Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen wird die Belastung eines „fiktiven" örtlichen Sozialhilfeträgers durch einen (fiktiven) Sozialhilfeempfänger im Landesdurchschnitt berechnet. Diese Durchschnittsbeträge werden ihrerseits mit der Zahl der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt einerseits, von Hilfe in besonderen Lebenslagen andererseits pro örtlichem Sozialhilfeträger multipliziert; das Produkt ergibt die Sozialhilfebelastung jeder Gebietskörperschaft. Die solcherart auf der Grundlage der landesdurchschnittlichen Kosten eines Sozialhilfefalles fiktiv errechnete Sozialhilfebelastung weicht regelmäßig von den tatsächlichen Leistungen ab, welche die örtlichen Träger zur Deckung des Sozialhilfeaufwands erbringen. Die fiktiv errechnete Sozialhilfebelastung wird sodann der Umlagekraft -gem. Art. 21 Abs. 3 Bay FAG die für die Gemeinden geltenden Steuerkraftzahlen (Art. 4 BayFAG) sowie 80 % der Gemeindeschlüsselzuweisungen des vorangegangenen Haushaltsjahres — der jeweiligen kreisfreien Gemeinde bzw. des jeweiligen Landkreises gegenübergestellt. In ähnlicher Weise erfolgt eine Gegenüberstellung der Sozialhilfebelastung aller örtlichen Sozialhilfeträger Bayerns — ermittelt nach Teil 1 der Amtlichen Sozialhilfestatistik (Ausgaben und Einnahmen) -mit den Umlagegrundlagen aller kreisfreien Städte und Landkreise. Die sich so ergebende landesdurchschnittliche Verhältniszahl 25 wird der sich aus fiktiv errechneter Sozialhilfebelastung und Umlagekraft der jeweiligen Gebietskörperschaft ergebenden Verhältniszahl gegenübergesetzt. Nur wenn diese Verhältniszahl einer Gebietskörperschaft die landesdurchschnittliche Verhältniszahl übersteigt, wird ein Ansatz für Sozialhilfebelastung in die Berechnung der Schlüsselzuweisungen dieser Gebietskörperschaft eingestellt. Dies erfolgt in der Weise, daß dem jeweiligen Hauptansatz26 das eineinhalbfache

24 25 2

Vgl. Pagenkopf, Hans, Das Gemeindefinanzsystem und seine Problematik, S. 103. Diese betrug 1982 — dem der Entscheidung des BayVGH relevanten Jahr - 5,5.

6 Der Hauptansatz beträgt gem. Art. 3 Abs. 1 Ziff. 1 BayFAG für Gemeinden ab 5.000 Einw. 108 v. H. der Einwohnerzahl »» 115 10.000 " 25.000 " 125 50.000 " 135 100.000 " 140 » 250.000 " 145 500.000 " 150 bei Gemeinden mit mehr als 500.000 Einw. beträgt der Hauptansatz 150 v. H. zuzüglich 1 v. H. für je weitere 100.000 Einw.

III. Finanzausgleich in Bayern und Nordrhein-Westfalen

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des Betrages hinzugezählt wird, der sich aus der Differenz der Verhältniszahl der Gebietskörperschaft und der landesdurchschnittlichen Verhältniszahl ergibt 27 . Zur Berechnung der Sozialhilfebelastung schreibt § 3a Satz 3 BayFAGDV 1970 den Rückgriff auf die Zahlen der Sozialhilfestatistik sowie der Umlagegrundlagen für das vorvorhergehende Jahr vor; wird eine Totalerhebung für das entsprechende Jahr nicht durchgeführt, sind insoweit die Zahlen der letzten Sozialhilfestatistik maßgebend (§ 3 a Satz 4 BayFAGDV 1970). Der Verordnungsgeber hat sich durch diese Regelung für eine Gegenüberstellung der Sozialhilfebelastung und der Umlagegrundlagen des jeweils gleichen, das ist des vorvorhergehenden Jahres sowie dafür entschieden, die landesdurchschnittliche Sozialhilfebelastung der kreisfreien Gemeinden und der Landkreise einheitlich zu ermitteln. Dies bedeutet, daß die Sozialhilfebelastung nur bei den Landkreisen der jeweiligen Einnahmesituation „zeitgleich" gegenübergestellt wird, während bei den kreisfreien Gemeinden die Sozialhilfebelastung eines Jahres mit einer Einnahmesituation vergleichen wird, die — systembedingt — auf älteren Daten, nämlich den Steuereinnahmen des jeweils vorvorhergehenden Jahres und den Schlüsselzuweisungen des jeweils vorhergehenden Jahres beruht. c) Das Urteil des BayVGH vom 29.5.1987 aa) Die Fragestellung Der BayVGH hat in seinem Normenkontrollurteil vom 29.5.1987 28 dahin erkannt, daß die Anordnung der „objektivierten" Berechnung der Sozialhilfebelastung durch den Verordnungsgeber in § 3a BayFAGDV 1970 sowohl durch die Ermächtigungsgrundlagen in Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 a. F. (Nr. 3 n. F.), 5 Abs. 2 Nr. 3 a a. F. (Nr. 2 n. F.) BayFAG aufgrund des in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommenden Gesetzesziels sowie aufgrund des Sinnzusammenhangs mit anderen Vorschriften des BayFAG gedeckt sei, der Vergleich zu der in Art. 15 BayFAG vorgesehenen rechnerischen Ermittlung der Schlüsselzuweisungen für die Bezirke über die tatsächlichen Ausgaben ein ähnliches Vorgehen nach § 3 a BayFAGDV 1970 nicht gebiete und die Heranziehung der Sozialhilfestatistik für die Ermittlung der überdurchschnittlichen Sozialhilfebelastung nicht „schlechterdings ungeeignet" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei. Damit wurden die seitens der Antragstellerin vorgetragenen Argumente 27 Nach der Neufassung von Art. 3 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 2 Nr. 2 BayFAG ist vorgesehen, daß dem Hauptansatz statt 1,5 nunmehr 2,5 der Prozentpunkte hinzugezählt werden, die den Satz der landesdurchschnittlichen Sozialhilfebelastung übersteigen; vgl. Mitteilungen des Landkreisverbandes Bayern, Nr. 4/88, 1 f. 28 Vgl. FN 23; das Urteil wird auch erwähnt bei Schwenk!Frey, Haushalts- und Wirtschaftsrecht / kommunaler Finanzausgleich in Bayern, 1989, Ordn. Nr. 70.10, Erl. zu § 2 FAGDV.

5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

die durch § 3a BayFAGDV 1970 angeordnete „objektivierte" Berechnungsmethode der Sozialhilfebelastung aufgrund landesdurchschnittlicher Kosten eines Sozialfalles sei durch den Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 Nr. 3 BayFAG a. F. nicht gedeckt, da der Begriff „Belastung" ein feststehender Terminus (Art. 10 a, 11 BayFAG) sei, der ein Abstellen auf landesdurchschnittliche Zahlen nicht zulasse; die „Objektivierung" der Sozialhilfebelastung führe zu Ergebnissen, die von den tatsächlichen Aufwendungen der einzelnen Gebietskörperschaften teilweise extrem abwichen; der durch die „Objektivierung" zur Anwendung gelangende Wahrscheinlichkeitsmaßstab sei auch deshalb rechtswidrig, weil für den Verordnungsgeber die Möglichkeit bestanden habe, durch Abstellen auf die tatsächliche Sozialhilfebelastung einen Wirklichkeitsmaßstab zu wählen; ein Vergleich zu der in Art. 15 BayFAG für die Bezirke zum Ausdruck kommenden Fassung des Begriffs „Sozialhilfebelastung" — verstanden als Ausgaben, vermindert um Entlastungen in Form von Ersatzleistungen, Kostenbeiträgen u. ä. — zeige, daß der Terminus „Belastung" einheitlich auszulegen sei; im übrigen verbiete sich aus Gründen der Gleichbehandlung, bei einer Gruppe von Sozialhilfeträgern — kreisfreien Gemeinden und Landkreisen — von einer fiktiven, bei einer anderen Gruppe — den Bezirken — von der tatsächlichen Sozialhilfebelastung auszugehen; der Bezug auf die amtlichen Daten der Sozialhilfestatistik impliziere rechtlich nicht hinnehmbare Verzerrungen, die daraus resultieren, daß in der Sozialhilfestatistik Teil 2 „Empfänger" die Empfänger von einmaligen Hilfen zum Lebensunterhalt sowie die Fälle von Krankenhilfe durch Zahlung von Pauschalvergütungen, von vorbeugender Gesundheitshilfe durch Gruppenverschickung und von Hilfe an Nichtseßhafte nicht, Empfänger, die sowohl laufende Hilfe zum Lebensunterhalt als auch Hilfe in besonderen Lebenslagen erhielten, nur einmal erfaßt würden. Auch werde die unterschiedliche sozialhilferechtliche „Qualität" einzelner Empfängergruppen nicht erfaßt: Wer arbeitslos geworden und bis zum Beginn der Zahlungen der Bundesanstalt für Arbeit auf Sozialhilfe angewiesen sei, die der Sozialhilfeträger wieder zurückerstattet erhielte, werde genauso als „Empfänger" statistisch erfaßt wie derjenige, der auf Dauer Sozialhilfe beziehe, folglich den Sozialhilfeträger weitaus stärker kostenmäßig belaste. Im übrigen sei bereits der statistische Erhebungsvorgang aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Bewertung von Hilfen mit Fehlern behaftet: Sogenannte „Vorschüsse" an Arbeitslose wurden ζ. T. als einmalige Hilfen zum Lebensunterhalt qualifiziert und konnten damit keinen Eingang in die Sozialhilfestatistik finden. Die Ermittlung der Sozialhilfebelastung müsse zumindest von den in der Sozialhilfestatistik Teil 1 wiedergegebenen Ausgaben und Einnahmen der Sozialhilfe ausgehen, da nur diese

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präzise und auf dem jeweils neuesten Stand seien, weil sie jährlich aus den Haushaltsrechnungen der einzelnen kreisfreien Städte gewonnen würden; — die oben genannten Fehlerquellen der Sozialhilfestatistik schlügen sich u. a. in den feststellbaren außerordentlichen Schwankungsbreiten der Sozialhilfebelastung je Empfänger direkt wieder: In den kreisfreien Städten liege sie für 1982 zwischen 3.245 D M (München) bzw. 2.981 D M (Nürnberg) einerseits, 1.066 D M (Schwabach), 1.174 D M (Schweinfurt) und 1.254 D M (Fürth) andererseits. Bei den Landkreisen seien die Verhältnisse ähnlich gelagert: Die höchsten Belastungen seien in den Kreisen Garmisch-Partenkirchen (3.743 DM) und Neuburg-Schrobenhausen (3.416 DM), die niedrigsten in den Kreisen Schweinfurt (1.215 DM) und Fürth (1.376 DM) zu beobachten; — ein Vergleich der tatsächlichen Sozialhilfebelastung mit der „objektiviert" errechneten Sozialhilfebelastung zeige schließlich für 1982 für 5 kreisfreie Städte effektive Mehrausgaben, für 20 kreisfreie Städte effektive Minderausgaben gegenüber den fiktiv ermittelten Belastungen; samt und sonders als die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsgrundlagen nicht begründend verworfen 29 . Auffallend ist in diesem Zusammenhang, daß der BayVGH die letztlich interessierende Frage einer möglichen (finanz-)verfassungsrechtlichen Ingerenz der in § 3 a BayFAGDV 1970 normierten Ermittlungsmethode überhaupt keiner Prüfung unterzog, sondern sich mit der Feststellung begnügte, daß das einfachgesetzliche Erfordernis einer nach Wortlaut und Gesetzeszweck zutreffend ausgefüllten Ermächtigungsgrundlage in Gestalt der Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 a. F., 5 Abs. 2 Nr. 3 a. F. BayFAG vorgelegen habe. Indes ist dieser gewählte Ansatzpunkt bereits unzureichend; auch die seitens des BayVGH vertretene Auslegung des einfachen Gesetzesrechts ist unzutreffend. bb) Die Zulässigkeit der Anordnung der „objektivierten" Berechnungsmethode durch § 3a BayFAGDV 1970 Nach der vom BayVGH vertretenen Auffassung wird die „objektivierte" Berechnungsmethode nach § 3 a BayFAGDV 1970 durch die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen gedeckt; dies komme durch den Gesetzeswortlaut zwar nicht direkt zum Ausdruck, da der Begriff „Sozialhilfebelastung" offen im Sinne einer konkreten als auch einer „objektivierten" Betrachtungsweise sei. Geschlossen 29

Schmidt-Jortzig stimmt den Erwägungen des BayVGH in seiner Anmerkung zu diesem Urteil zu, da der BayVGH „über die politische Trefflichkeit des Regelungsansatzes" nicht zu befinden gehabt habe. Indes ist dies bereits ein unzutreffender Ansatzpunkt, wie sogleich zu zeigen sein wird; zur Relevanz der objektiven Bedarfsbemessung als Alternativmodell zur geltenden Hauptansatzstaffel im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs generell vgl. Münstermann, Zum Stand der aktuellen Finanzausgleichsdiskussion, Teil II, ZKF 1990, S. 25 ff.

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5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

wird die Zulässigkeit des Vorgehens des Verordnungsgebers aus dem Ziel der gesetzlichen Regelung, dem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des BayFAG sowie aus der Entstehungsgeschichte. Zentrales Moment der Argumentation ist die Überlegung, daß der Sozialhilfeansatz als ergänzender Ansatz im Rahmen der Ermittlung der staatlichen Schlüsselzuweisungen des kommunalen Finanzausgleichs deren Berechnungsmodus teile; auch hinsichtlich der Schlüsselzuweisungen werde von der durchschnittlichen Ausgabenbelastung aller Gemeinden und Landkreise (sowie der eigenen Steuerkraft der Gemeinden) ausgegangen und somit eine fiktive Ausgabenbelastung ermittelt. Insofern unterscheide sich der Finanzausgleich durch Schlüsselzuweisungen grundsätzlich von sonstigen Finanzzuweisungen des Staates an die Kommunen. Gehe das System der Schlüsselzuweisungen von rechnerischen Gesamtansätzen aus, sei also ein Globalsystem, in dem nur die Größenordnungen einen Bezug zur Wirklichkeit haben, nicht aber die konkreten Einzelposten, so müsse dies auch für die Ermittlung des Sozialhilfeansatzes als einem der im BayFAG vorgesehenen Nebenansätze gelten. Diese Argumentation ist als dem Gedanken der Systemgerechtigkeit verhaftet 30 zunächst nicht zu beanstanden. Dies zeigt auch der vom BayVGH vorgenommene Rekurs auf die Entstehungsgeschichte der Ermächtigungsnormen 31, aus der sich ausdrücklich der Hinweis 30 Vgl. hierzu Zippelius, Juristische Methodenlehre, 1985, § 10 III d, S. 49 f. Der Grundsatz der Systemgerechtigkeit, vom BVerfG (E 59, 49; 60, 40) zunächst für den Gesetzgeber gefordert, wurde insbesondere von der Rechtslehre darüber hinaus für die Lückenausfüllung (vgl. hierzu Zippelius, § 11 II d, S. 64) und die Rechtsfortbildung fruchtbar gemacht (vgl. Zippelius, § 13 II, S. 74 f.). Jenseits aller Ausdifferenzierungen des Systembegriffs (vgl. hierzu umf. Canaris, Claus-Wilhelm, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, entwickelt am Beispiel des deutschen Privatrechts, Schriften zur Rechtstheorie, Heft 14, Berlin 1969, S. 11 ff.) sind den mannigfachen Definitionsversuchen — beginnend mit Kant (Kritik der reinen Vernunft, 1781, S. 832) über Savigny (System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. XXXVI, 214, 262) bis hin zu Wolffs bekanntem Diktum „Rechtswissenschaft ist systmatisch oder sie ist nicht" (Einführung in die Rechtsphilosophie, 1955, S. 378) — die Merkmale der Ordnung und der Einheit gemein. Beide stehen in einem wechselbezüglichen Verhältnis zueinander, wie die Kreierung des Gedankens der Systemgerechtigkeit (Folgerichtigkeit, Konsistenz) durch das BVerfG im Zusammenhang mit dem Wahl- und Parlamentsrecht (E 14, 144; 32, 157; 40, 296) und seiner Ausdehnung auf das Sozialversicherungsrecht (BVerfGE 11, 254, 292 f.), Dienststrafrecht (BVerfGE 7, 129, 153), Bundesentschädigungsrecht (BVerfGE 13, 31, 38), Wirtschaftsrecht (BVerfGE 18, 315, 334), Arbeitsförderungsrecht (BVerfGE 9, 28 ff.) und vor allem auf das Steuerrecht (BVerfGE 6, 55, 77) zeigt; vgl. hierzu Moebus, Die verfassungsrechtliche Begründung der progressiven Einkommenssteuer und ihre systemgerechte Durchführung, 1974, S. 83 ff.; Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976; Battis, Systemgerechtigkeit, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), Hamburg, Deutschland, Europa. Beiträge zum deutschen und europäischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, Tübingen 1977, S. 11 ff., 13 ff. 31 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des FAG 1975 (LT-Drs. 8/514, S. 5): „Im Interesse einer möglichst gerechten Erfassung der Sozialhilfebelastung soll in Durchführungsbestimmungen . .. geregelt werden, daß der Ansatz nach für sämtliche kreisfreie

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auf die „objektivierte" Berechnungsmethode ergibt. Im übrigen spricht für die durch die objektivierte Berechnungsmethode zum Ausdruck kommende „Nivellierung" bzw. „Egalisierung" im Sinne eines Abstellens auf durchschnittliche Kosten pro Sozialhilfefall die in Kapitel 3 3 2 festgestellte Gleichförmigkeit der Bindung der Sozialhilfeträger hinsichtlich des Ermessens im Wie der Sozialhilfegewährung. Dies schließt — wie von der Antragstellerin auch vorgetragen — tatsächlich unterschiedliche Kosten pro Sozialhilfefall bei einzelnen örtlichen Sozialhilfeträgern aufgrund der Tatsache nicht aus, daß insbesondere im Bereich der Leistung von Hilfe in besonderen Lebenslagen33 oder einmaliger Hilfen zum Lebensunterhalt 3 4 wegen regional unterschiedlicher Anknüpfungspunkte — etwa des höchst differenzierten Mietniveaus — unterschiedlich hohe Leistungen zu erbringen sind 35 . Auch das seitens des BayVGH angezogene Argument eines Gestaltungsspielraums hinsichtlich der Auswahl zwischen einem Wirklichkeitsmaßstab einerseits, einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab andererseits trägt — freilich nur dann, wenn der Wahrscheinlichkeitsmaßstab einer „objektivierten" Berechnungsmethode den Grundsätzen der Typengerechtigkeit genügt. cc) „Objektivierte" Berechnungsmethode und Typengerechtigkeit Die Termini „Wirklichkeitsmaßstab" und „Wahrscheinlichkeitsmaßstab" entstammen dem kommunalen Abgabenrecht, präziser dem Recht der kommunalen Beitragserhebung (Art. 5 BayKAG). Beitragsmaßstäbe können nach einhelliger Meinung zwangsläufig nur Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe sein, weil der von einer Gemeinden und Landkreise gemeinsamen, objektivierten Werten ermittelt wird. Maßgebend soll hierbei eine Ausgabenbelastung sein, die sich aus den landesdurchschnittlichen Ausgaben und der tatsächlichen Zahl der Empfänger der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Hilfe in besonderen Lebenslagen der jeweiligen Kommune errechnet. Diese Ausgabenbelastung soll der Umlagekraft der jeweiligen kreisfreien Stadt oder eines Landkreises gegenübergestellt werden, um die individuellen finanziellen Verhältnisse der betreffenden Kommune zu berücksichtigen." 32 Kapitel 3, II.2. b. 33 Die früher feststellbaren regionalen Disparitäten hinsichtlich der Richtsätze für die Gewährung von HLU — Differenzen von mehr als 30% — sind inzwischen bis auf eine Schwankungsbreite von 5 % geschrumpft; vgl. Schulte / Trenk-Hinterberger, Sozialhilfe, 1986, S. 161 sowie Schulte, Perspektiven der Sozialhilfe, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, 1988, S. 73 ff., 87. 34 Insb. hinsichtlich Heizungs- und Mietbeihilfen. 35 Zu Recht hat die Antragstellerin im streitgegenständlichen Verfahren hierzu ausgeführt: „Schließlich würden solche regionalen Unterschiede bei den Sozialhilfeleistungen nicht etwa durch eine betont großzügige oder sparsame Handhabung des Sozialhilferechts durch die einzelne Kommune beeinflußt. Die Vorschriften des BSHG gäben hierfür keinen Raum. ... Soweit Unterschiede vorhanden seien, ζ. B. bei den Wohnungsmieten in verschiedenen Gegenden, seien sie unabweisbar."

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öffentlichen Einrichtung im Einzelfall beim Beitragspflichtigen eintretende Vorteil exakter Messung nicht zugänglich ist, so wie dies für die Abgeltung von kommunalen Leistungen im Wege der Gebührenerhebung durch Abrechnung nach rechnerisch ermittelten Einheiten der Fall ist (Art. 8 Bay KAG) 3 6 . So wie hinsichtlich der Auswahl unter mehreren möglichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben anerkannt ist, daß Rechtsaufsicht und Rechtsprechung die Gestaltungsfreiheit des — hier kommunalen — Normgebers zu achten haben, folglich der Beitragspflichtige nicht verlangen kann, der zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder angemessenste Maßstab müsse festgelegt und angewendet werden 37 , so muß dies auch für das Gestaltungsermessen hinsichtlich der Anwendung des Wirklichkeits- und des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs gelten. Die der Gestaltungsfreiheit des Normgebers gezogene Grenze ist nach h. M. dort zu ziehen, wo die sogenannte Typengerechtigkeit hergestellt und gewährleistet ist; eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist demnach auch dann zu verneinen, wenn Einzelfälle von der Typisierung abweichen38. Ist demzufolge der — im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde — Grundsatz der Typengerechtigkeit geeignet, die Gleichbehandlung ungleich gelagerter Sachverhalte prinzipiell zu rechtfertigen, so gilt dies nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts freilich nur bis zu jener Grenze, ab der die zahlenmäßig feststellbaren, dem kreierten Typus widersprechenden Lebenssachverhalte jenen gewissen Prozentsatz erreichen, ab dem Quantität in Qualität umzuschlagen beginnt. In seiner Rechtsprechung zum kommunalen Beitragsrecht vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, daß Typengerechtigkeit dann nicht mehr gewährleistet sei, wenn mehr als 10% der von einer Regelung betroffenen Fälle den vom Normgeber gesetzlich vorgegebenen Typus nicht entsprechen 39. Der BayVGH hat im streitgegenständlichen Verfahren — ohne ausdrücklich darauf zu verweisen — auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit rekurriert, wenn er unter II.l. der Entscheidungsgründe für die 96 örtlichen Träger der Sozialhilfe (25 kreisfreie Gemeinden und 71 Landkreise) einen Vergleich der Sozialhilfebelastung nach der „objektivierten" Berechnungsmethode einerseits, nach der Höhe der tatsächlichen Ausgaben andererseits anstellt. Für die Jahre 1980,1982 und 1984 ergibt sich hierbei, daß die Abweichungen bei 63 (= 65,6%) 36 Vgl. Bauer I Hub, Kommunale Abgaben in Bayern, S. 201. 37 Vgl. BayVGH, BayVBl 1958, 249; 1973, 129; BVerwGE 26, 317; BVerwG, DVB1 1979, 781; KStZ 1984, 9; BayVerfGH, BayVBl 1963, 183; 1968, 169; HessVGH, KStZ 1984, 211; vgl. hierzu im übrigen Kübler / Frohner / Faiss, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, 1989, Art. 10 KAG, Rn. 18-20; Bohley / Foohs, Handbuch des gemeindlichen Steuerrechts, Teil 1,1986, Art. 5 KAG, Erl. 11,12; Driehaus, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, 1989, § 8, Rn. 435 ff. 38 Bauer ! Hub, Kommunale Abgaben in Bayern, S. 200. 39 KStZ 1984, 9; vgl. auch BayVGH, Der Gemeindehaushalt 1981, 245 sowie REICHERT, KStZ 1980, 46.

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bzw. 65 (= 67,7 %) bzw. 60 (= 62,5 %) örtlichen Trägern mehr als 10 % ausmacht. Bei 9 (= 9,4%) bzw. 10 (= 10,4%) bzw. 9 (= 9,4%) der kreisfreien Gemeinden und Landkreise beträgt die Abweichung mehr als 50%. Diese für alle örtlichen Sozialhilfeträger getroffenen Feststellungen stimmen mit dem Vortrag der Antragstellerin überein, nach dem der Vergleich der tatsächlichen Sozialhilfebelastung mit der „objektiviert" errechneten Sozialhilfebelastung des Jahres 1982 für 5 kreisfreie Städte, d. h. bei 20%, effektive Mehrausgaben, bei 20 kreisfreien Städten (= 80 %) geringere tatsächliche Belastungen als „objektiv" errechnete ergeben habe. Vor diesem Hintergrund wird die Feststellung des BayVGH nicht recht verständlich, „bei der großen Mehrzahl der Kommunen (bestehe) auch bei Anwendung der objektivierten Berechnungsmethode eine noch ausreichende Korrelation zwischen der „objektiviert" errechneten Sozialhilfebelastung und den tatsächlichen Netto-Sozialhilfeausgaben". Der Eindruck, der Typus der „objektivierten" Berechnungsmethode verfehle bei einer nicht unerheblichen Zahl von Anwendungsfällen das mit dem Sozialhilfeansatz verfolgte Ziel, die „überdurchschnittliche Sozialhilfebelastung" der örtlichen Träger der Sozialhilfe über die Berechnung der Schlüsselzuweisungen zu kompensieren 40, wird noch verstärkt, wenn man nicht nur die Sozialhilfebelastung in ihren soeben erörterten Berechnungsformen als solche betrachtet, sondern die Auswirkungen dieser Berechnungsarten auf die Bildung des für die Frage der Gewährung des Sozialhilfeansatzes entscheidenden Quotienten zwischen individueller Sozialhilfebelastung und individuellen Umlagegrundlagen. Nach den vom BayVGH angestellten Berechnungen erhielten 1980 insgesamt 30 (= 31,3%) der örtlichen Träger einen (höheren) Sozialhilfeansatz als sie bei Zugrundelegung der tatsächlichen Ausgaben erhalten hätten; für die Jahre 1982 und 1984 liegen die Angaben bei 36 (= 37,5%) und 29 (= 30,2%). Keine Unterschiede sind feststellbar bei 52 bzw. 51 bzw. 60 örtlichen Trägern. „Aus diesen Zahlen ergibt sich (zwar), daß die Anwendung der einen oder anderen Berechnungsart der Sozialhilfebelastung bei über der Hälfte der Kommunen keinen Einfluß auf die Berücksichtigung oder die Höhe eines Ansatzes für Sozialhilfebelastung hat" 4 1 ; der hieraus vom BayVGH gezogene Schluß, die festgestellten Abweichungen bewegten sich in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle in einer Größenordnung, die es nicht ausschließe, festzustellen, „daß auch durch die ,objektivierte' Berechnungsart der überdurchschnittlichen Sozialhilfebelastung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise Rechnung getragen wird", ist indes nicht nachvollziehbar. Zwar ist die Zahl der Fälle, in der die Anwendung der „objektivierten" Berechnungsmethode dazu führte, daß örtliche Träger keinen oder einen niedrigeren Sozialhilfeansatz erhielten als jenen, der sich bei Zugrundelegung der tatsächli40 Frey / Greimel / Schieder, Der kommunale Finanzausgleich in Bayern, 1981, S. 16. 41 BayVGH, EzKommR, 1700.73 am Ende. 11 Hofmann-Hoeppel

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chen Ausgaben ergeben hätte, für die Bezugsjahre 1980, 1982 und 1984 mit 14 (= 4,6%) bzw. 9 (= 9,4%) bzw. 7 (= 7,3 %) vergleichsweise gering. Der gesetzliche Zweck, der überdurchschnittlichen Sozialhilfebelastung durch eine entsprechende Gestaltung der Schlüsselzuweisungen Rechnung zu tragen, wird jedoch nicht nur dann verfehlt, wenn örtliche Träger nach einer bestimmten Berechnungsart nicht in den Genuß eines ergänzenden Ansatzes kommen, sondern auch dann, wenn rd. 30% aller örtlichen Sozialhilfeträger einen Sozialhilfeansatz erhalten, der ihnen bei Anwendung eines tatsächlichen Maßstabs nicht zukommen würde. Dies bedeutet nicht nur, daß die „Treffgenauigkeit" bzw. Adäquanz eines Maßstabs bei rd. 30 % der Anwendungsfälle nicht gegeben ist; darüber hinaus verfehlt die „objektivierte" Berechnungsmethode den den Schlüsselzuweisungen, ja dem kommunalen Finanzausgleich insgesamt zukommenden gesetzlichen Zweck, fehlende eigene Einnahmemöglichkeiten zur Deckung einer fiktiv ermittelten Ausgabebelastung abzugleichen 42 . Führt die Gestaltung eines ergänzenden Ansatzes im Rahmen der Ermittlung der Schlüsselzuweisungen bei einer Zahl von ca. 30% der Fälle zur Feststellung einer in Wirklichkeit nicht oder nicht in dieser Höhe bestehenden Ausgabenbelastung, so ist eine zu diesem Ergebnis führende Berechnungsmethode nicht typengerecht und kann folglich auch nicht mehr mit dem oben genannten weiten Gestaltungsspielraum des Normgebers gerechtfertigt werden. In diesem Zusammenhang wird gleichzeitig deutlich, daß die Prüfung anhand der „Typengerechtigkeit" dogmatische Berührungspunkte mit dem Gedanken der Systemgerechtigkeit hat; eine Abgrenzung beider Prüfungsmaßstäbe dürfte danach zu erfolgen haben, daß hinsichtlich zulässiger Typisierung danach gefragt wird, ob der gewählte „Typus" auf der Normebene statistisch hohe Signifikanz für den zu regelnden Ausschnitt der Lebens Wirklichkeit besitzt 43 , während „Systemgerechtigkeit" nur dann gewahrt wird, wenn innere Folgerichtigkeit (Konsistenz) zwischen verschiedenen Regelungen eines normativen Gesamtzusammenhangs konstatiert werden kann 44 . 42

Frey / Greimel / Schieder, Der kommunale Finanzausgleich in Bayern, 1981, S. 12. Zur Methode der Typisierung in anderen Bereichen vgl. etwa die Rspr. des BVerfG zur Anwendung des Gleichberechtigungsgebots nach Art. 3 Abs. 2 GG im Renten- und Sozialversicherungsrecht: Hofmann, Jochen, Das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG in Rechtsprechung und Lehre (Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 508), Berlin 1986, S. 47 ff. m. w. N. 44 Dem Gedanken der Systemgerechtigkeit kommt entscheidende Bedeutung im Steuerrecht zu; charakteristisch ist in diesem Zusammenhang die von Battis stammende Formulierung: „Der Grundsatz der Systemgerechtigkeit, konsequenter als vom Bundesverfassungsgericht angewendet, führt dazu, daß vom analysierten Einkommenssteuerrecht fast nichts Bestand hat." (Battis, Systemgerechtigkeit, in: Festschrift Ipsen (FN 30), S. 11 ff., 20; zur Bedeutung der Systemgerechtigkeit in der Rspr. zur Gebietsreform in den Flächenländern vgl. statt aller Knemeyer, Franz-Ludwig, Kommunale Neugliederung vor den Landesverfassungsgerichten, in: Starck / Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit (Studien und Materialien zur Verfassungsgerichtsbarkeit, Bd. 25), Teilbd. III (Verfassungsauslegung), Baden-Baden 1983, S. 143 ff., 172 ff. sowie die Urteile des 43

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dd) Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 a, 5 Abs. 2 Nr. 3 a BayFAG a. F. und Art. 15 BayFAG unter dem Aspekt der Systemgerechtigkeit Die angegriffene Regelung in § 3 a BayFAGDV 1970 stößt aber noch in anderer Hinsicht auf Bedenken, die sich aus dem Vergleich mit der in Art. 15 BayFAG für den Sozialhilfeausgleich der Bezirke getroffenen Regelung ergeben. Nach Art. 15 Satz 1 BayFAG gewährt der Staat den Bezirken einen Ausgleich zu den Belastungen, die ihnen als überörtliche Träger der Sozialhilfe und der Kriegsopferfürsorge sowie nach dem Unterbringungsgesetz erwachsen. Gemäß Art. 15 Satz 2 BayFAG wird bei der Berechnung des Ausgleichs jedes Bezirks von dessen Ausgaben unter Abzug der damit zusammenhängenden Einnahmen im Verhältnis zu der Steuerkraft der im Bezirk gelegenen Gemeinden und gemeindefreien Grundstücke zuzüglich 45 % der Gemeindeschlüsselzuweisungen ausgegangen.45 Die Regelungen in § 3a BayFAGDV 1970 einerseits, in Art. 15 BayFAG andererseits sind also unterschiedlich ausgestaltet: Als „Ausgaben" im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayFAG gelten die tatsächlichen Aufwendungen u. a. der Sozialhilfe einschließlich der persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten der Bezirke 46 ; soweit die Belastungen eines Bezirks über dem Landesdurchschnitt liegen, erfolgt ein Ausgleich des übersteigenden Betrags in voller Höhe 47 . Der in Art. 15 BayFAG vom Gesetzgeber gewählte Wirklichkeitsmaßstab weicht damit von dem in § 3a BayFAGDV 1970 vom Verordnungsgeber normierten Wahrscheinlichkeitsmaßstab ab. Die Frage der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens kann nun sicherlich nicht — wie dies der BayVGH getan hat—mit dem Hinweis auf den dem Verordnungsgeber zur Ausfüllung des „offenen, auslegungsfähigen" Begriffs „Sozialhilfebelastung" zur Seite stehenden Gestaltungsspielraum bejaht werden. Beide Regelungen erfolgen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs; Anknüpfungspunkt der Prüfung kann also nur der Gedanke der Systemgerechtigkeit sein, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in zwei Stufen zur Anwendung gebracht wird: Ausgehend von der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, sich für ein bestimmtes System normativer Regelung48 zu entscheiden, ist BayVerfGH v. 12.2.1987 (BayVGHE 40, II. Teil, S. 14 ff. = EzKommR, 2610.97), v. 26.3.1987 (BayVGHE 40, II. Teil, 29 ff. = EzKommR 2610.98) und v. 18.12.1987 (BayVGHE 40, II. Teil, 154 = EzKommR, 2610.99). 45 Art. 15 FAG ersetzt die ursprünglich in dieser Vorschrift geregelte Erhebung der Sozialhilfeumlage; durch das Änderungsgesetz vom 20.12.1983 (GVB1, S. 1107) wurde die in Art. 13 BayAGBSHG a. F. enthaltene Bestimmung über die Verteilung der Leistungen an Bezirke zum Ausgleich höherer Sozialhilfebelastungen in die Bestimmung des Art. 15 FAG übernommen; vgl. Bohley / Krutsch / Foohs, Handbuch des gemeindlichen Steuerrechts, Teil IV, Art. 15 FAG, Vorbemerkung. 46 Bohley I Krutsch I Foohs, Erl. 2 zu Art. 15 FAG. 4 7 Bohley ! Krutsch ! Foohs, Erl. 3 zu Art. 15 FAG. 11*

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5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

es dem Gesetzgeber kraft des Gebots der „Folgerichtigkeit" 49 verwehrt, eine neuartige, aus dem System und Zweck des bisherigen Gesetzes herausfallende, abweichende Regelung zu treffen. 50 Diese grundsätzliche Aussage ist in zahlreichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts freilich dahingehend abgemildert worden, daß eine solche Vorschrift nicht schon deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße, weil sie von den einen Rechtsbereich bestimmenden Grundregeln abweicht. 51 Eine solche Abweichung könne nur dann „Indiz" für Willkür sein, wenn das System des Gesetzes ohne zureichende sachliche Gründe 52 verlassen werde. Wendet man diese Grundsätze auf den Vergleich der in § 3a BayFAGDV 1970 und Art. 15 BayFAG getroffenen Regelungen an, so ergibt sich, daß der Gesetzgeber die „objektivierte", der Verordnungsgeber eine wirklichkeitsgerechte Abrechnungsmethode gewählt hat, ohne daß zureichende sachliche Gründe ersichtlich wären. Damit sind die Grenzen der Systemgerechtigkeit in rechtlich unzulässiger Weise überschritten worden. Die in § 3a BayFAGDV 1970 getroffene Regelung verstößt somit nicht nur gegen die Grenzen zulässiger Typisierung; sie ist auch im Hinblick auf die in Art. 15 BayFAG getroffene „Systementscheidung", im Rahmen des Ausgleichs überdurchschnittlicher Belastungen den im Rahmen des Lastenausgleichs sonst geltenden Grundsatz der Ermittlung fiktiver Belastungen zu verlassen und von tatsächlichen Belastungen auszugehen, nicht systemkonform.

2. Die finanzverfassungsrechtliche Tauglichkeit des Arbeitslosenansatzes im nordrhein-westfälischen Gemeindefinanzierungsgesetz a) Die Systematik des nordrhein-westfälischen Gemeindefinanzierungsgesetzes Das „Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1988" 53 enthält im Gegensatz zur bayerischen Regelung keinen ausdrücklichen Soziallastenansatz. 48 Also etwa Mehrheits- oder aber Verhältniswahlsystem (BVerfGE 1, 208, 255), Bedürftigkeit als Kriterium des Bezugs von Arbeitslosenhilfe / -geld (BVerfGE 9,20,28). 49 Vgl. hierzu auch Forsthoff, in: Kaiser (Hrsg.), Planung III, 1968, S. 21 ff., 35; Denninger, JZ 1966, 767 f.; Püttner, NJW 1975, 813, 814 f.; Rüthers, DB 1972, 2471 ff., 2473. so BVerfGE 7, 129, 153; 4, 219, 243. 51 BVerfGE 9, 20, 28. 52 BVerfGE 18, 315, 334; „hinreichende, sachlich vertretbare Gründe" werden gefordert in BVerfGE 13, 31, 38; 9, 20, 28; „überzeugende sachliche Gründe" hingegen in BVerfGE 13, 331, 340. 53 vom 18.12.1987, GVB1 1987, S. 1517 ff.

III. Finanzausgleich in Bayern und Nordrhein-Westfalen

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Die für die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen heranzuziehende Ausgangszahl wird gem. § 8 Abs. 1 GFG 1988 aus dem Produkt von Gesamtansatz und einheitlichem Grundbetrag gebildet; der Gesamtansatz seinerseits setzt sich aus Hauptansatz und den beiden Nebenansätzen „Schüleransatz" und „Arbeitslosenansatz" zusammen (§ 8 Abs. 2 GFG 1988). Während der Schüleransatz nach § 8 Abs. 4 GFG 1988 eine umfängliche Differenzierung aufweist, stellt der Arbeitslosenansatz nach § 8 Abs. 5 GFG 1988 lediglich auf Arbeitslose mit einer Dauer der Arbeitslosigkeit von 6 Monaten und mehr ab. Darüber hinaus kommt der Arbeitslosenansatz bei der Ermittlung zweckgebundener Zuweisungen nach § 23 Abs. 2 GFG 1988 in Betracht („überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit"). Diese Systematik ist im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1989 — GFG 1989 — unverändert übernommen worden. Eine Änderung der Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen ist nicht eingetreten. Im Gegensatz zum GFG 1988 übernimmt das Land Nordrhein-Westfalen im GFG 1989 die Hälfte der Kosten, die den Kommunen aus dem Aufenthalt von Asylbewerbern entstehen, die aus humanitären Gründen nicht ausgewiesen werden können (Mehrleistung i. H. v. 90 Mio. D M ) 5 4 . Das nordrhein-westfälische Schlüsselzuweisungssystem kennt also als ergänzenden (Neben-)Ansatz nur den Schüleransatz, der von der Überlegung ausgeht, daß der Ausgabenbedarf für Schulleistungen von der Zahl der schulpflichtigen Kinder abhängt und somit die Bedarfsfälle für den Aufgabenbereich „Errichtung und Unterhaltung von Schuleinrichtungen" zutreffend erfaßt; multipliziert man diese quantitativen Bedarfsindikatoren mit den landesdurchschnittlichen Ausgaben des Bedarfsfalles, so ergibt sich der Normaufwand für diesen Aufgabenbereich. Führte man eine solche Ermittlung auch für andere Aufgabenbereiche durch — etwa Zahl der unterbringungsbedürftigen Senioren für den Bereich „Altenfürsorge" oder Zahl der Sozialhilfeempfänger für den Aufgabenvollzug nach dem BSHG -, so würde eine sogenannte monetäre Bewertung der mengenmäßigen Bedarfskomponenten und damit eine Gewichtung der einzelnen kommunalen Ausgabenbedarfe gewährleistet, die — über eine additive Verknüpfung der Einzelbedarfe — den kommunalen Ausgabenbedarf insgesamt exakter abbilden würde als ein global orientierter Hauptansatz55. 54 Vgl. Zuleitung des Referentenentwurfs des Gemeindefinanzierungsgesetzes 1989 durch den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen an die kommunalen Spitzenverbände mit Schreiben vom 25.5.1988, III Β 2-6/10-1103/88, S. 6; zum Stand der Diskussion über die Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen allg. vgl. Deubel i Münstermann, Reiche Städte — Arme Landkreise?, ZKF 1988, S. 242 ff., die einen Umverteilungsbedarf zugunsten kreisfreier Städte feststellen, der über die Empfehlungen des Gutachtens der Finanzausgleichs-Kommission (vgl. FN 56) noch hinausgeht. Die großstädtischen Sonderbedarfe werden insbes. von Schwarting (Arme Städte — reiche Landkreise?, ZKF 1989, S. 78 ff.), ζ. T. auch von Krähmer (Status Quo oder Umverteilung?, ZKF 1990, S. 147 ff. und S. 173 ff.) bestritten.

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5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

Demgegenüber findet die Sozialhilfebelastung bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen nur in indirekter Weise Eingang in die Ermittlung der kommunalen Ausgabenbelastung: zum einen über die Arbeitslosigkeit als zusätzlichem Bestandteil des Gesamtindikators, zum anderen über den sogenannten Zuschußbedarf IIa, in den auch der Zuschußbedarf des Einzelplans 41 (Sozialhilfe nach dem BSHG) einfließt. Das im Auftrage des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen 1987 erstellte Gutachten zur Berechnung der Schlüsselzuweisungen kommt im Rahmen der Diskussion über die Einführung eines spezifischen Soziallastenausgleichs zu dem Ergebnis, einen solchen Ausgleich nicht zu empfehlen, „weil die Träger der Sozialhilfe bei der Gewährung der unterschiedlichen Hilfearten einen gewissen Entscheidungsspielraum haben. Je nachdem, wie dieser Ermessensspielraum ausgeschöpft wird, beeinflußt er die Höhe der Sozialleistungen. Außerdem hat ein besonderer Soziallastenausgleich gegenüber einem integrierten Bedarfselement im Schlüsselzuweisungssystem den Nachteil, daß bei separierter Finanzmasse für einen Soziallastenausgleich die Verteilung ohne Rücksicht auf die Steuerkraft der Gemeinden erfolgen würde." 56 Unter Rückgriff auf die in Kapitel 3 5 7 gefundenen Ergebnisse stößt eine solche Argumentation bereits deshalb auf Bedenken, weil das dem Normgeber bei der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs zukommende Gestaltungs- und Auswahlermessen von unzutreffenden normativen Voraussetzungen ausgeht: Ein Auswahlermessen im klassischen Sinne steht den örtlichen Sozialhilfeträgern angesichts weitestgehender Bindung auch auf der Rechtsfolgeseite der Leistungsnormen des BSHG nicht zu. Feststellbare Unterschiede hinsichtlich der durchschnittlichen Sozialhilfebelastung pro Sozialhilfeempfänger resultieren aus unterschiedlichen faktischen Anknüpfungspunkten der Leistungsbemessung, die lokal und regional trotz landeseinheitlich festgesetzter Regelsätze für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt insbesondere im Rahmen der Hilfen in besonderen Lebenslagen, aber auch bei einmaligen Hilfen zum Lebensunterhalt erheblich differieren 58. Die Ablehnung der Einführung eines besonderen Soziallastenansatzes ist also nur dann ermessensfehlerfrei und unterfinanzverfassungsrechtlichen Rücksichten unbedenklich, wenn der vom nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber ge55

Vgl. Budde / Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 16 sowie Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten, 1987, S. 19 und 37 f.; Stork, Der Schüleransatz im Finanzausgleich des Landes Nordrhein-Westfalen, Städte- und Gemeinderat 1984, 13 ff.; Münstermann (Zum Stand der aktuellen Finanzausgleichsdiskussion, Teil II, ZKF 1990, S. 32 ff., 34) führt für Nordrhein-Westfalen unzutreffenderweise einen Sozialhilfeansatz als Sonderbedarfsansatz auf. 56 Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten, 1987, S. 39. 57 Kapitel 3, II.3. 58 Vgl. FN 34.

III. Finanzausgleich in Bayern und Nordrhein-Westfalen

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wählte Weg — Konstituierung des Faktors Arbeitslosigkeit als zusätzlicher Bestandteil des Gesamtindikators — als solcher und in der im Gemeindefinanzierungsgesetz verankerten Form in gleicher Weise geeignet ist, dem Anspruch auf aufgabenadäquate Finanzausstattung gerecht zu werden und der unstreitig anwachsenden Ausgabenbelastung im Bereich des Einzelplans 41 (Sozialhilfe nach dem BSHG) Rechnung zu tragen. b) Arbeitslosigkeit

als Faktor steigender Sozialhilfebelastung

Das 1987 im Auftrage des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen erstellte Gutachten sowie die Untersuchungen von Budde und Junkernheinrich stimmen darin überein, daß ein kausaler Zusammenhang zwischen der zu beobachtenden Dauerarbeitslosigkeit und den Aufwendungen im Sozialhilfebereich festzustellen ist 59 . Hinsichtlich der Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die kommunale Finanzsitation allgemein zeigen sich sowohl einnahmen- wie ausgabenseitige Effekte: „Durch Arbeitslosigkeit werden kumulativ geringere Wertschöpfungen, Einkommen, Umsätze und Gewinne erwirtschaftet, dadurch erhalten die Städte und Gemeinden geringere Steuereinnahmen." 60 Wie eine in Zusammenarbeit zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände durchgeführte Sondererhebung 61 zeigt, ist die ausgabenseitig festzustellende Dominanz der Steigerung der Sozialhilfeausgaben u. a. kausal auf das Ansteigen insbesondere von sogenannten „Dauerarbeitslosen" zurückzuführen. Die Effekte konzentrieren sich dabei keineswegs nur auf den — vergleichweise exakt meßbaren — Bereich der Leitungsgewährung nach dem BSHG: Einher geht damit einerseits ein zunehmender Personalbedarf in den mit dem Aufgabenvollzug betrauten Behörden 62, zum anderen Kosteniiiehrungen sächlicher und personeller Art in spezifischen Bereichen kommunaler Daseins Vorsorge 63. 59 Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten, 1987, S. 41; Budde I Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 19; zur Statistik in den Regierungsbezirken Düsseldorf, Köln, Münster, Detmold und Arnsberg, getrennt erfaßt nach Landkreisen und kreisfreien Städten, vgl. ED LKT-Nw Nr. 1 / 90, S. 13 (Stand: 30.9.1990), Nr. 16/90, S. 287 (Stand: 30.6.1990), Nr. 4/91, S. 86 (Stand: 30.9.1990). 60 Budde ! Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 18; Fromme, K. J., Folgen der überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit auf die Finanzlage der Kommunen, Der Gemeindehaushalt 1985, 273 f. Sonderuntersuchung der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit zum Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug im September 1985. Erste Ergebnisse (Masch.), o. O., 1986. 62 Vgl. hierzu bereits Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1980, sowie Budde I Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 21. 63 Arbeitslosenberatung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Koordinierungs- und Ausbildungsmaßnahmen insbesondere für arbeitslose Jugendliche.

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5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

Diese für eine Globalanalyse Geltung beanspruchenden Zusammenhänge zwischen Dauerarbeitslosigkeit als gesamtwirtschaftlicher Krisenerscheinung aufgrund konjunktureller, struktureller und demographischer Ursachen und kommunaler Finanzausstattung im allgemeinen, der Entwicklung der Sozialhilfeetats der örtlichen Träger im besonderen unterliegt freilich bei einer Feinanalyse einigen Einschränkungen: — Die Ergebnisse über den arbeitsmarktpolitisch induzierten Bezug von Sozialhilfe differieren in kommunaler wie regionaler Hinsicht erheblich 64 ; — die Intensität der kommunalen Ausgabenbelastung im Bereich der Sozialhilfegewährung wird wesentlich nicht nur von der Arbeitslosenzahl, sondern insbesondere von der Zahl der Dauerarbeitslosen, mithin also durch die Dauer der Arbeitslosigkeit bestimmt 65 ; — über die Dauerarbeitslosigkeit gibt es freilich keine regelmäßig erscheinende und fortgeschriebene amtliche Statistik 66 . Daraus ergibt sich, daß die Einbeziehung lediglich der Arbeitslosenquote 67 für den Zweck einer adäquaten Erfassung der bei Einzelplan 41 (Sozialhilfe nach dem BSHG) auftretenden kommunalen Belastungen nicht geeignet ist. Im übrigen trägt auch die Kreierung der Dauerarbeitslosigkeit als Bedarfselement des Gesamtindikators für die Bedarfsmessung und -bestimmung des Schlüsselzuweisungssystems nur der Tatsache Rechnung, daß Dauerarbeitslose in ihrer Funktion als Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt signifikante Hilfsgrößen für eine wirklichkeitsgerechte Abbildung des kommunalen Zuschußbedarfs sind 68 . Mit anderen Worten: Die bei einzelnen Hilfeformen der Hilfe in besonderen Lebenslagen feststellbaren überproportionalen Steigerungsraten 69 würden auch nach diesem Verfahren keinen annähernden Niederschlag in der kommunalen Zuschußbedarfsrechnung finden. Arbeitslosigkeit als Bedarfselement des Gesamtindikators zur Ermittlung des kommunalen Zuschußbedarfs ist demnach auch dann nur bedingt in der Lage, der Beanspruchung der Kommunen als örtliche Träger der Sozialhilfe Rechnung 64

Sonderuntersuchung, 1985, S. 5. 65 Budde I Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 24. 66 Die jährlich durchgeführte Sonderuntersuchung über die Struktur der Arbeitslosigkeit (als 50%ige Stichprobenerhebung) gibt die Zahl der Dauerarbeitslosen in zeitlicher Staffelung und geordnet nach Dienststellenbezirken der Arbeitsverwaltung wieder; diese sind regelmäßig mit den Grenzen der politischen Gemeinden nicht identisch (vgl. Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten, 1987, S. 40). 67 Vgl. etwa für die Verteilung der Investitionspauschale nach § 23 Abs. 2 GFG Arians, J., Kommunaler Finanz- und Lastenausgleich. Berücksichtigung überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit, Städte- und Gemeinderat 1980, 323 ff. 68 Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten, 1987, S. 34. 69 Vgl. Kapitel 2.

III. Finanzausgleich in Bayern und Nordrhein-Westfalen

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zu tragen, wenn der Indikator „Dauerarbeitslosigkeit" besondere rechnerische Beachtung findet. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß zwischen den Kriterien „Arbeitslosenhöhe" und „Dauer der Arbeitslosigkeit" kein signifikanter Zusammenhang besteht70. Darüber hinaus ist eine adäquate Erfassung bestimmter Hilfeformen der Hilfe in besonderen Lebenslagen auch dann nicht gewährleistet, wenn beide bedarfsverursachende Komponenten berücksichtigt werden. Die generelle Tauglichkeit der Bedarfselemente „Arbeitslosenhöhe" und „Dauer der Arbeitslosigkeit" muß also mit einem ähnlichen Vorbehalt versehen werden, wie ihn die beim Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen eingerichtete Gutachter-Kommission hinsichtlich der Berücksichtigung der Zahl der Sozialhilfeempfänger angebracht hat: So zutreffend es ist, daß die Sozialhilfestatistik Empfänger und Aufwendungen nach sozialpolitischen Gesichtspunkten differenziert, die Hilfeempfänger insbesondere in ihrer Stellung zum Haushaltsvorstand soziologisch aufgliedert 71, so wenig nachvollziehbar ist die in diesem Zusammenhang getroffene generelle Behauptung, „diese Abgrenzungen der Sozialhilfestatistik (seien) . . . für den Zweck, für den sie hier gebraucht werden, nicht geeignet". Grundsätzlich unterliegt die Tauglichkeit der Heranziehung der Sozialhilfedaten keinen geringeren Einschränkungen als die Statistiken der Arbeitsverwaltung; jene haben gegenüber diesen vielmehr den Vorzug, die Belastungen durch die einzelnen Hilfeformen der Hilfe in besonderen Lebenslagen weitaus adäquater zu berücksichtigen. c) Die Heranziehung der Arbeitslosigkeit als Bedarfselement im Gemeindefinanzierungsgesetz Der in § 8 Abs. 5 Satz 2 GFG 1988 bzw. Referentenentwurf eines GFG 1989 normierte, nach der Dauer der Arbeitslosigkeit differenzierende Ansatz 72 zeigt, daß der im Hinblick auf die Sozialhilfebelastung besonders relevanten Bedarfskomponente „Dauer der Arbeitslosigkeit" Rechnung getragen wurde. Wie sich aus der Fassung von § 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 GFG 1988 bzw. Referentenentwurf eines GFG 1989 allerdings ergibt, kommt der Arbeitslosenansatz als Bestimmungsgröße des Gesamtansatzes (§ 8 Abs. 2 GFG) allen, d. h. kreisfreien wie kreisangehörigen Gemeinden zugute. Die dadurch ohne Rücksicht auf die Funktion als örtliche Träger der Sozialhilfe eintretende Verteilungswirkung wird seitens der beim Innenminister eingesetzten Gutachter-Kommission 70 Budde ! Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 34 f. 71 Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten, 1987, S. 40. 72 Dauer der Arbeitslosigkeit Arbeitslosenzahl 6-12 Monate einfach 12-24 Monate zweifach mehr als 24 Monate dreifach

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5. Kap.: Konnexitätsprinzip und Finanzausstattung

damit gerechtfertigt, „daß sich die unterschiedlichen Belastungen der Kreise aus der Sozialhilfe in entsprechenden unterschiedlichen Belastungen durch die Kreisumlage bei allen kreisangehörigen Gemeinden wiederspiegeln. Insoweit ist es vertretbar, diese Mehrbelastungen im Schlüsselzuweisungssystem auch für die kreisangehörigen Gemeinden zu berücksichtigen". 73 Dadurch wird die qualifizierende Wirkung des Arbeitslosenansatzes prinzipiell in horizontaler Hinsicht nivelliert. Arbeitslosigkeit ist als soziales Massenphänomen zwar regelmäßig in der Großstadt, d. h. in kreisfreien Gemeinden vorfindbar; sie ist aber wegen ihrer konjunkturellen, strukturellen und demographischen Ursachen nicht auf bestimmte Ortsgrößenklassen beschränkt. Hohe Arbeitslosenquoten (größer 13%) finden sich nach Untersuchungen für 1984 sowohl in kreisangehörigen Gemeinden wie auch in Großstädten; ebenso sind niedrige Arbeitslosenquoten in ländlich geprägten kleineren Gemeinden wie in Großstädten feststellbar 74. Daraus ergibt sich, daß der im GFG 1988 wie im Referentenentwurf für das GFG 1989 gewählte Arbeitslosenansatz der erforderlichen Signifikanz für den Ausgleich der durch die Aufwendungen für den Vollzug des BSHG entstehenden Belastungen und damit zur Ermittlung des Zuschußbedarfs der örtlichen Träger der Sozialhilfe grundsätzlich entbehrt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß eine gewisse „Korrektur" dadurch herbeigeführt wird, daß nach statistischen Erhebungen die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit in den meisten ländlichen Gemeinden unter einem Jahr liegt, so daß die Arbeitslosenzahl gem. § 8 Abs. 5 Satz 2 GFG nur einfach zum Ansatz kommt, während strukturschwache Großstädte einen überproportionalen Anteil an Arbeitslosen mit einer Dauer der Arbeitslosigkeit von mehr als 24 Monaten mit der Folge aufweisen 75, daß die Arbeitslosenzahl dreifach berücksichtigt wird. Die Einbeziehung der kreisangehörigen Gemeinden kann schließlich nicht mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, daß kreisangehörige Gemeinden an der Sozialhilfebelastung der Kreise im Wege der Kreisumlage Anteil nähmen. Die (allgemeine) Kreisumlage nach § 45 Abs. 1 NWLKrO bezweckt von ihrer finanzpolitischen Zielsetzung her einen Vorteils- und Lastenausgleich zwischen den einzelnen kreisangehörigen Gemeinden; Anknüpfungspunkt ist daher deren unterschiedliche Leistungskraft mit der Folge, daß finanzstärkere Gemeinden in größerem Maße als finanzschwache Gemeinden zur Kreisfinanzierung beitragen. 76 73

Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Gutachten, 1987, S. 41. Vgl. Budde I Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 34. 75 Vgl. Budde ! Junkernheinrich, Kommunale Inzidenz eines Arbeitslosenansatzes, 1986, S. 34. 7 6 Kirchhof, Kreisordnung , 1984, § 45, Erl. 2; OVG Münster, OVGE 34, 87, 92; VerfGH NW, DÖV 1983,726; zur Mehrbelastung nach § 45 Abs. 3 NWLKrO vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 661 ff. 74

III. Finanzausgleich in Bayern und Nordrhein-Westfalen

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Die Verteilungswirkung der Einbeziehung kreisangehöriger Gemeinden in den Arbeitslosenansatz bezieht sich aber auf die von Kreis zu Kreis differierende Belastung durch den Sozialhilfebezug, nicht auf die unterschiedliche Leistungskraft kreisangehöriger Gemeinden. Damit wird dem „Gebäude" des interkommunalen Finanzausgleichs ein systemfremdes Moment eingefügt. Im übrigen darf die (allgemeine) Kreisumlage nach dem Grundsatz der nachrangigen Finanzierung nur erhoben werden, soweit die sonstigen Einnahmen des Kreises den Finanzbedarf nicht decken.77 Maßstab für den Finanzbedarf ist das Aufgabenprogramm des Kreises, differenziert einerseits nach den einzelnen Aufgabenkategorien, andererseits nach den für die jeweilige Aufgabenkategorie feststellbaren Ausgaben und Einnahmen. Es liegt auf der Hand, daß die Ausgaben/ Einnahmenrechnung für den Sozialhilfebezug verschiedene Ergebnisse zeitigt, je nachdem, ob eine Qualifizierung der Aufgabenerfüllung nach dem BSHG als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung ober aber als Auftragsangelegenheit mit der Folge der Anwendbarkeit von Art. 78 Abs. 3 LVNW erfolgt. 78 Mit anderen Worten: Der über die (allgemeine) Kreisumlage von allen kreisangehörigen Gemeinden aufzubringende Bedarf des Kreises, u. a. für den BSHG-Vollzug, hängt davon ab, ob dem Kreis gem. Art. 78 Abs. 3 LVNW staatliche Mittel kostendeckend zur Verfügung gestellt werden. Unabhängig von der Frage der zutreffenden rechtlichen Qualifizierung des BSHG-Vollzugs ist der im nordrheinwestfälischen GFG gewählte Arbeitslosenansatz nicht geeignet, wegen der Erstreckung dieses Ansatzes auch auf kreisangehörige Gemeinden der sozialhilfetypischen Belastung der kreisfreien Gemeinden durch den BSHG-Vollzug gerecht zu werden. Der Arbeitslosenansatz stellt damit kein geeignetes Instrument im Rahmen des allgemeinen Finanzausgleichs dar und ist abzulehnen, da er dem Anspruch auf aufgabenadäquate Finanzausstattung nicht in der erforderlichen Weise Rechnung trägt.

77 Kirchhof, Kreisordnung, 1984, § 45, Erl. 6; zu den verfassungsrechtlichen wie einfachgesetzlichen Grenzen der Umlagenerhebung vgl. von Mutius / Dreher, Reform der Kreisfinanzen, 1990, S. 72 ff. bzw. 59 ff. ™ Vgl. Kirchhof, Kreisordnung, 1984, § 2, Erl. 26.

Kapitel 6

Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A Das 1925 von Otmar Bühler geprägte Diktum, „ . . . der Kampf um die Selbstverwaltung (werde) jetzt auf dem Gebiete des Finanzausgleichs ausgetragen. Da sei nur soviel zu sagen, daß vielleicht auch die Kommunen dem Wohl des Staatsganzen würden noch mehr Opfer bringen müssen", wird seit den 80er Jahren insbesondere durch rechtstatsächlich orientierte Studien eindrucksvoll bestätigt. Deutlich wurde zugleich, daß die traditionell getrennte Behandlung von Aufgabenentwicklung und -struktur im Rahmen einer „staatswissenschaftlichen" Aufgaben- und Organisationslehre einerseits, von finanz(verfassungs-) rechtlichen Rahmenbedingungen durch Finanz- und Kommunalwissenschaft andererseits der rechtstatsächlichen Entwicklung immer weniger gerecht wurde. Angesichts der grundsätzlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des BSHGVollzugs erscheint der Versuch angebracht, verfassungsrechtliche Aufgabenkritik und finanzverfassungsrechtliche Anforderungen unter Beachtung gesicherter Aussagen zu den Essentialia der normativen Garantien kommunaler Selbstverwaltung in Grundgesetz und Landesverfassungen einer einheitlichen Betrachtung zu unterziehen. Ein solches Verfahren legitimiert sich angesichts der Überlegung, daß die vehement beklagte „Krise kommunaler Selbstverwaltung" unverändert vornehmlich eine Krise der kommunalen Finanzen ist, die ihrerseits wesentlich auf die Funktion kommunaler Gebietskörperschaften als „Sozialstaat in der Reserve" zurückzuführen ist. Die in diesem Zusammenhang sich ergebende Notwendigkeit, in sich stimmiges, für die Ableitung aussagekräftiger Tendenzen aufbereitetes statistisches Material nicht nur auf der Globalebene, sondern für die betroffenen kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe darzustellen, resultiert aus der Tatsache, daß die normative Würdigung eines solchen Anspruchs nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine sorgsame Abstützung durch Rechtstatsachen erfordert. 1. Betrachtet man die Entwicklung der Gewährung von Sozialhilfe in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum 1963-1986, so ergeben sich signifikante Steigerungsraten ab 1971; erster Höhepunkt des für die erste Hälfte der 70er Jahre feststellbaren Leistungsschubs war die 1973/74 eingetretene Steigerung, die bis 1977 andauerte. Seit 1982 sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wiederum zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen.

6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

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2. Die „Aufstockungsfunktion" des Sozialhilfebezugs zeigt sich vor allem bei den Beziehern von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz, insbesondere in Zeiten hoher Dauerarbeitslosigkeit, bei Beziehern von Leistungen aus der gesetzlichen Renten-, Unfall- und Handwerkerversicherung, der Altershilfe für Landwirte sowie in einem steigenden Anteil von Frauen an den Gesamthilfeempfängern. 3. Eine Korrelation zwischen der Entwicklung der Zahl der Leistungsempfänger und der Bruttoausgaben ist nur bedingt festzustellen; ein für die Jahre 1968, 1969,1978 und 1979 ausweisbarer Rückgang der Empfängerzahlen bei gleichzeitigem unveränderten Anstieg des Bruttoaufwands erklärt sich weniger aus der Anhebung der Regelsätze als vielmehr aus der Tatsache, daß der Leistungsbezug pro Empfänger kontinuierlich zugenommen hat. Andererseits stehen überproportionalen Steigerungsraten der Empfängerzahlen auch überproportionale Ausgabenzuwächse gegenüber. 4. Die für den Freistaat Bayern vorfindbare Situation fügt sich in die auf Bundesebene beobachtbare Gesamtentwicklung ein: Für die Zeiträume 1970-1975 und 1980-1986 ergeben sich sogar deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegende Zuwachsraten, wobei die Steigerungsraten bei einzelnen Hilfeformen der Hilfeart „Hilfe in besonderen Lebenslagen" höchst unterschiedlich ausfallen. Hilfeformen mit extremen Minuszuwächsen (Tuberkulosenhilfe, vorbeugende Gesundheitshilfe) stehen Hilfeformen mit ζ. T. überproportionalen Steigerungsraten gegenüber (Hilfe zur Pflege, Altenhilfe). Gegenläufig zur Entwicklung auf Bundesebene ist die Entwicklung der Hilfeempfänger in Bayern hinsichtlich der Verteilung nach Geschlechtern. Bezogen auf die Sozialhilfedichte ergibt sich für den Freistaat Bayern ein deutlich höherer Anteil von ausländischen Leistungsbeziehern — gemessen an der Gesamtzahl der Ausländer insgesamt — als von deutschen Hilfeempfängern, gemessen an der deutschen Wohnbevölkerung. 5. Bei einer Betrachtung der Leistungsbilanzen ergibt sich, daß insbesondere die Ausgabenzuwächse bei der Leistungsart „Hilfe in besonderen Lebenslagen" für die extreme Ausgabensteigerung bei der Sozialhilfegewährung insgesamt verantwortlich ist; unterstrichen wird diese Beobachtung durch die Tatsache, daß die Zuwachsraten der Leistungsempfänger der „Hilfe in besonderen Lebenslagen" deutlich hinter jenen der „Hilfe zum Lebensunterhalt" zurückbleiben, während die Zuwächse auf der Ausgabenseite, bezogen auf die Steigerung der Empfängerzahlen, bei der „Hilfe in besonderen Lebenslagen" überproportional sind. 6. Auch für Nordrhein-Westfalen ergeben sich für den Zeitraum 1965-1986 erheblich über dem Bundesdurchschnitt liegende Zuwachsraten bei den Hilfeempfängern insgesamt; hauptursächlich hierfür ist die Zunahme der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt in den Zeiträumen 1970-1975 und 1980-

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6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

1986. Vergleichbar den Tendenzen auf Bundesebene wie in Bayern gestalteten sich die Entwicklungen für die einzelnen Leistungsformen der „Hilfe in besonderen Lebenslagen": Auch in Nordrhein-Westfalen stehen Leistungsformen mit extremen Minuszuwächsen (Tuberkulosenhilfe, vorbeugende Gesundheitshilfe) Hilfeformen mit ζ. T. überproportionalen Steigerungsraten gegenüber (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe für Behinderte). Auch der Frauenanteil an der Zahl der Gesamthilfeempfänger wächst seit 1975 kontinuierlich. Im Gegensatz zu der für den Freistaat Bayern feststellbaren Tendenz ergibt sich für Nordrhein-Westfalen, daß der Anstieg der Sozialhilfeausgaben insgesamt vornehmlich auf das Anwachsen der Bruttoausgaben für die Leistungsart „Hilfe zum Lebensunterhalt" zurückzuführen ist. 7. Die hinsichtlich kreisfreier Städte und Landkreise ungleich verlaufende Entwicklung in Nordrhein-Westfalen wird an einer Gegenüberstellung der Bruttoaufwendungen je Einwohner besonders deutlich: Die Durchschnittsaufwendungen der kreisfreien Städte liegen um ca. 75 % höher als die Durchschnittsaufwendungen der Landkreise, wobei keine der kreisfreien Städte so niedrige Bruttoausgaben verzeichnet wie der Durchschnittswert der Landkreise beträgt, umgekehrt jeder Landkreis niedrigere Bruttoausgaben aufzubringen hat als den für kreisfreie Städte geltenden Durchschnittswert. 8. Die seit 1983 beobachtbare positive Tendenz des Finanzausgleichs in den Bundesländern ist vornehmlich darauf zurückzuführen, daß die meisten Bundesländer von ihrer in den frühen 80er Jahren betriebenen restriktiven Finanzausgleichspolitik mit der einhergehenden Folge einer eindeutigen Priorität der Sicherung der eigenen Ausgaben vor den Finanzbedarfen der kommunalen Gebietskörperschaften nicht zuletzt aufgrund der günstigen Entwicklung der Verbundsteuern abgerückt sind. Ein Blick auf die finanziellen Leistungen der einzelnen Flächenländer zeigt freilich eine seit 1980 höchst unterschiedliche Entwicklung; insbesondere Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland mit einem effektiven Rückgang staatlicher Zuwendungen an Gemeinden und Gemeindeverbände. Daran wird die „Reservekassen-Funktion" des kommunalen Finanzausgleichs für die Konsolidierung der Länderhaushalte besonders deutlich. 9. Aufgrund der Differenzierung staatlicher Zuweisungen nach solchen mit Zweckbindungscharakter (Finanzzuweisungen) und jenen Zuweisungen, die der freien Verfügbarkeit der kommunalen Gebietskörperschaften unterliegen (Schlüsselzuweisungen), sind die an Gemeinden und Gemeindeverbände im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs erbrachten Zuwendungen nur bedingt geeignet, Aufschluß darüber zu geben, ob und inwieweit die finanzielle Leistungsfähigkeit insgesamt gestärkt oder geschwächt wurde. Den Schlüsselzuweisungen und ihrer Entwicklung kommt als traditionelles Instrument des

6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

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vertikalen Finanzausgleichs mit horizontaler Ausgleichswirkung zentrale Bedeutung zu. 10. Die kommunale Finanzkraft „vor Ort" kann ungeachtet steigender Schlüsselzuweisungen auch dadurch beeinträchtigt werden, daß die für die Besorgung spezifischer kommunaler Aufgabenbereiche seitens des Staates zur Verfügung gestellten Finanzzuweisungen zur Abdeckung der Aufgabenerfüllung in diesen Bereichen nicht mehr ausreichen und die dadurch entstehenden „Ausfälle" auch durch die in stetigem Wachstum befindlichen gemeindlichen Steuereinnahmen sowie durch die gemeindlichen Anteile an der Einkommens- und Grunderwerbssteuer nicht kompensiert werden können oder aber ein immer höherer Anteil an Schlüsselzuweisungen für die Besorgung Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben eingesetzt werden muß. Dies weist auf die Notwendigkeit hin, die Entwicklung der staatlichen Zuwendungen an Gemeinden und Gemeindeverbände insgesamt, der Schlüsselzuweisungen insbesondere in Beziehung zu setzen zur Entwicklung der kommunalen Aufgabenerfüllung, vor allem im Bereich „Soziale Sicherung". Die innere Logik dieses Vorgehens erweist sich nicht zuletzt aus der Dynamik, die den einzelnen Aufgaben- und damit Ausgabenarten innewohnt. 11. Eine Betrachtung der Ausgaben der Verwaltungshaushalte kreisfreier Städte auf Bundesebene im Zeitraum 1983-1988 ergibt den Befund, daß die für „soziale Leistungen" anzutreffenden Steigerungsraten die bei den kreisfreien Städten für alle übrigen Ausgabenposten feststellbaren Zuwächse bei weitem übertreffen; sie sind mindestens doppelt so hoch wie die Zuwächse des gesamten Ausgabenvolumens des Verwaltungshaushalts. 12. Diese auf Bundesebene feststellbare Tendenz gilt cum granu salis auch für die bei den örtlichen und überörtlichen Trägern der Sozialhilfe in Bayern und Nordrhein-Westfalen beobachtbaren Steigerungsraten. Für Bayern bedeutet dies für die Steigerungsraten nach Trägern der Sozialhilfe: Während sich für die Landkreise nahezu gleichbleibende Zuwachsraten auf deutlich niedrigerem Niveau als bei kreisfreien Städten und Bezirken ergeben, zeichnen sich letztere durch besonders hohe Zuwachsraten aus. Am dramatischsten stellt sich die Situation bei den Bezirken dar; dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die Bezirke kraft der seit 1.1.1983 in Kraft befindlichen Zuständigkeitsverteilung für alle Leistungen an Asylbewerber, geduldete Ausländer, Aussiedler und Zuwanderer ohne Rücksicht darauf aufzukommen haben, ob die Leistungsgewährung in oder außerhalb von Einrichtungen erfolgt. 13. Ungleich dramatischer gestaltete sich die Situation bei den Gemeinden und Gemeinde verbänden Nordrhein-Westfalens: Hier hatten die kreisfreien Städte überproportionale Belastungen durch überdurchschnittlich hohe Aufwendungen für den BSHG-Vollzug zu verkraften, während die Situation bei den

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6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

Landkreisen durch geringere Zuwachsraten der Ausgaben für Leistungen nach dem BSHG bei deutlich höherem Ausgangsniveau gekennzeichnet waren. Die beiden „Hoch-Zuwachs-Phasen" liegen für Gemeinden und Gemeindeverbände 1979/80 bis 1981/82 und 1984/85 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wobei die Werte ab 1984/85 bei den kreisfreien Städten wie bei den Landkreisen alle bisherigen Ausgabensteigerungen für den BSHG-Vollzug weit übertreffen. Die insbesondere ab 1984/85 errechneten exorbitanten Zuwachsraten schlagen bei den Verwaltungshaushalten ausgewählter kreisfreier Städte voll durch. 14. Ungeachtet des möglichen Zusammenhangs mit anderen Variablen ist für die örtlichen Träger der Sozialhilfe Bayerns wie Nordrhein-Westfalens eine Korrelation zwischen dem (Brutto-)Sozialhilfeanteil und der verfügbaren „freien Spitze" nicht von der Hand zu weisen: je höher der Sozialhilfeanteil am Verwaltungshaushalt, desto mehr nimmt die freie Spitze ab. 15. Die Frage, ob die Sozialhilfegewährung als Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit zum gemeindlichen Wirkungskreis zu zählen ist, ist jedoch nicht nur für die rechtstatsächliche Entwicklung, sondern auch für die dogmatische Stellung innerhalb der Aufgabensystematik und für die kommunale Finanzhoheit relevant. Letzteres ergibt sich daraus, daß das Bundesverfassungsgericht einen rechtlichen Konnex zwischen Aufgabenübertragung und Finanzhoheit dergestalt sieht, daß eine Art. 28 Abs. 2 GG entsprechende Aufgabengestaltung gleichzeitig bedeutet, daß die daraus folgende Auferlegung von Kosten nicht gegen die gemeindliche Finanzhoheit verstoßen kann. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß die kommunale Finanzhoheit dem Grundsatze nach ein Teilelement der umfassenden, andere Teilelemente enthaltenden kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist und demzufolge jede Verletzung eines der Teilelemente kommunaler Selbstverwaltungsgarantie prinzipiell geeignet ist, gleichzeitig andere Teilelemente in rechtswidriger Weise zu verletzen. 16. Geht man mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, daß der „geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen" eines Aufgabenfeldes Relevanz für die Aufgabensystematik zukommt, so bleibt zu konstatieren, daß sich infolge grundsätzlichen Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse wie der im „Fürsorgewesen" anzutreffenden Dogmatik ein Anknüpfen an das „historisch hergebrachte Bild" der „Lokalarmenpflege" des 19. Jahrhunderts verbietet, um darzutun, daß die Sozialhilfegewährung nach dem BSHG nach wie vor dem Bereich gemeindlicher Selbstverwaltungsangelegenheiten zuzurechnen sei. 17. Eine Skizzierung der rechtlichen Konturen Pflichtiger Selbstverwaltungsangelegenheiten nach Bundes- wie nach Landesrecht eröffnet prinzipielle Unterschiede zum BSHG-Vollzug: Grundsätzliche Bindung im „Ob", rechts-

6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

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satzförmig bestimmte Gestaltungsfreiheit im „Wie" der Aufgabenerfüllung, Nichtexistenz eines einklagbaren Individualanspruchs bei Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, unbedingte Handlungspflicht bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen infolge klageweisen durchsetzbaren Leistungsanspruchs gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG, weitgehender Ausschluß des Auswahlermessens (§ 4 Abs. 2, 1. HS BSHG) bzw. des in § 3 Abs. 1 BSHG normierten Individualisierungsgrundsatzes durch regelmäßige Bindung im „Wie" der Aufgabenerfüllung sind charakteristisch für den Vollzug des BSHG. Beide Vollzugsformen können daher dem Grunde nach nur als wesensverschieden gekennzeichnet werden. Der Vollzug des BSHG durch kommunale Gebietskörperschaften als Träger der Sozialhilfe wird daher dogmatisch den Anforderungen nicht gerecht, die sich für Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben bzw. Pflichtaufgaben nach Bundesrecht, bayerischem und nordrhein-westfälischem Landesrecht ergeben. 18. Eine Bestimmung von Inhalt, Umfang und Grenzen kommunaler Finanzhoheit steht vor der Schwierigkeit, daß Art. 28 Abs. 2 GG wie Art. 83 Abs. 3 BV und Art. 78 Abs. 3 LVNW nach h. M. offen lassen, in welcher Art und Weise dem Anspruch auf angemessene Finanzausstattung Rechnung zu tragen sei. Hinsichtlich Modalität wie Umfang umstritten ist vor allem die in Art. 83 Abs. 3 BV, Art. 78 Abs. 3 LVNW normierte Verpflichtung des Staates, bei Übertragung von Aufgaben gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen. Die Auffassung, wonach sich der Regelungsgehalt von Art. 78 Abs. 3 LVNW und damit auch Art. 83 Abs. 3 BV im wesentlichen darin erschöpfe, dem staatlichen Gesetzgeber eine Prüfungspflicht hinsichtlich der durch die Aufgabenübertragung entstehenden finanziellen Mehrbelastung aufzuerlegen, ist als unzutreffend zurückzuweisen. Entgegen der in Rechtsprechung und Lehre vertretenen Position ergibt sich aus den oben genannten Normen eine unbedingte staatliche Deckungspflicht, der zwar im Rahmen des allgemeinen Finanzausgleichs genügt werden kann, dabei aber sicherstellen muß, daß es zu einer Erstattung der zum Vollzug der übertragenen Aufgabe erforderlichen Mittel in vollem Umfange kommt. Insbesondere für die bayerische Rechtslage — Art. 8 Abs. 4 BayGO, 6 Abs. 4 BayLKrO, 6 Abs. 4 BayBezO — ergibt sich eine über die Verpflichtung nach Art. 83 Abs. 3 BV hinausgehende Pflicht, die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Mittel staatlicherseits selbst aufzubringen und den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden zuzuweisen. 19. Nach der gegenwärtigen Qualifizierung des BSHG-Vollzugs als Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgabe scheidet § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung von Inhalt und Umfang kommunaler Finanzhoheit aus, da der BSHG-Vollzug keine „neue" Pflicht darstellt, das BSHG im übrigen kein „Gesetz" im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 NWGO ist. 12 Hofmann-Hoeppel

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6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

20. Eine Inhaltsbestimmung kommunaler Finanzhoheit steht vor der durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründeten Schwierigkeit, daß terminologisch zwischen einem „Gesamtumfang der gemeindlichen Finanzausstattung", einer „angemessenen Finanzausstattung" und einer „finanziellen Mindestausstattung" differenziert und darüber hinaus bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen gelassen wird, ob zum Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung auch eine finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden — sei es durch eigene Einnahmen, sei es durch Finanzzuweisungen — gehört. 21. „Angemessene Finanzausstattung" geht über die Sicherung des „finanziellen Existenzminimums" (Art. 115 c Abs. 3 GG) hinaus, da die Kommunen finanziell insgesamt so ausgestattet werden müssen, daß sie neben Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung auch noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in nennenswertem Umfange wahrzunehmen im Stande sind. In diesem Zusammenhang ist die seitens des Bundesverfassungsgerichts in den Urteilen zum Länderfinanzausgleich getroffene Feststellung auch auf die kommunale Aufgabenwahmehmung anzuwenden, wonach „die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern" nur dann real werden könne, „Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung" sich nur dann entfalten könnten, wenn Bund und Länder finanziell in die Lage versetzt würden, „die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen". 22. Eine aufgabensystematisierende Betrachtung des Anspruchs auf „angemessene Finanzausstattung" führt zu folgenden Ergebnissen: — Eigenverantwortliche Einnahmehoheit zur Deckung der Zweckausgaben besteht im Rahmen der Erfüllung von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nicht; — bei Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben ist eigenverantwortliche Einnahmegestaltung hinsichtlich der Zweckkosten im Grundsatze zwar ebenfalls nicht gegeben; die zulässige Erschließung der notwendigen Mittel aus Verbundsteuern und durch allgemeine Finanzzuweisungen der Länder hat aber den Grundsatz der Gleichrangigkeit freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben mit dem Vollzug anderer Aufgabenkategorien zu beachten. Dieser Grundsatz verbietet es, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zu subsidiären, zweitrangigen öffentlichen Angelegenheiten zu „degradieren". — Gemeinden dürfen daher hinsichtlich der Bewältigung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben nicht auf eine Finanzierung durch staatliche Finanzzuweisungen zurückgedrängt oder aber auf die Notwendigkeit verwiesen werden, eine „Umschichtung" eigenverantwortlich zu bewirtschaftender

6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

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Finanzquellen zur Erfüllung von Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben oder aber von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung vorzunehmen. 23. Angesichts der Differenzierung nach Zweck- und Verwaltungskosten einerseits, des Grundsatzes andererseits, wonach Verwaltungskosten im Rahmen des Anspruchs auf aufgabenadäquate Finanzausstattung im Wege staatlicher Finanzzuweisungen nicht berücksichtigungsfähig sind, erscheint eine angemessene Finanzausstattung um so fraglicher, je mehr die kommunalen Gebietskörperschaften zur Finanzierung der durch die Wahrnehmung übertragener Aufgaben entstehenden Verwaltungsausgaben erhebliche Mittel aus dem Selbstverwaltungssektor abziehen und damit ihren finanziellen Dispositionsrahmen immer weiter einschränken müssen. 24. Durch die „Große Finanzreform" des Jahres 1969 hat sich gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes ein bedeutsamer Wandel dadurch ergeben, daß das Grundgesetz den Selbstverwaltungskörperschaften in dreifacher Hinsicht eine „Sonderstellung" einräumt: — Zuerkennung eigener Steuerquellen; — Einbeziehung der kommunalen Gebietskörperschaften in den Steuerverbund zwischen Bund und Ländern; — Direktion des horizontalen Finanzausgleichs durch die Bestimmung, daß „hierbei . . . die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen ist" (Art. 107 Abs. 2 GG). 25. Ungeachtet der Einbeziehung der kommunalen Gebietskörperschaften in den Steuerverbund zwischen Bund und Ländern und der in Art. 104 a Abs. 4, 106 Abs. 8 GG normierten „Durchbrechungen" des Grundsatzes der nicht bestehenden finanzverfassungsrechtlichen Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden sind die Länder „Hauptverantwortliche" für die Finanzen der Gemeinden und Gemeindeverbände. Ansprüche auf „angemessene Finanzausstattung" bzw. „finanzielle Mindestausstattung" der Kommunen richten sich also zunächst unmittelbar gegen das Land; nur ausnahmsweise kann ein direkt gegenüber dem Bund geltend zu machender Anspruch auf Finanzausstattung durch die Gemeinden erhoben werden. 26. In eigenartigem Kontrast zur staatsorganisatorisch wie finanzverfassungsrechtlich strikt durchgeführten Trennung von Bund und Ländern steht freilich die Tatsache, daß der Bundesgesetzgeber Urheber der meisten und bedeutsamsten bundesunmittelbaren Einwirkungen auf Gemeinden und Gemeindeverbände ist. Eine unmittelbare Zweckverantwortung des Bundes kann ihre Berechtigung darin finden, daß dem Bund die Aufgabenverantwortung dann zukommt, wenn er hinsichtlich des Vollzugs von Bundesgesetzen eine Annexkompetenz für die Bestimmung sachlich zuständiger „Behörden" in An12*

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6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

spruch nimmt, die außerhalb des staatlichen Instanzenzuges stehen und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind, wie dies für Gemeinden und Gemeindeverbände zutrifft. 27. Das in Art. 104a Abs. 1 GG niedergelegte bundesverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip ist neben Art. 30, 70 und 83 GG zentrale Regel, welche das Bund-Länder-Verhältnis entscheidend prägt; Art. 104 a Abs. 1 GG als Lastenverteilungsgrundsatz ist tragender Pfeiler bei der Erfüllung aller staatlichen Aufgaben. 28. Wegen der finanzverfassungsrechtlichen Zweistufigkeit des Staatsaufbaues gilt Art. 104a Abs. 1 GG zunächst im Verhältnis Bund-Länder. Die Länder sind wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Folgerichtigkeit (Systemgerechtigkeit) verpflichtet, den vom Bund mit zu berücksichtigenden Kommunalfinanzbedarf in der gleichen Haushaltsperiode auch tatsächlich den Gemeinden weiterzugeben. Im Verhältnis Länder — Gemeinden / Gemeindeverbände kommt das Konnexitätsprinzip des Art. 104 a Abs. 1 GG zumindest mittelbar zur Anwendung. 29. Hinsichtlich der Lastenverteilung nach Art. 104a Abs. 1 GG ist ein Anknüpfen an die Verwaltungszuständigkeit nur dort gerechtfertigt, wo von einer Deckungsgleichheit zwischen Verwaltungszuständigkeit und Verwaltungsverantwortung ausgegangen werden kann. Im Bereich der Erfüllung von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ist diese Deckungsgleichheit nicht mehr gewährleistet; für den BSHG-Vollzug ergibt sich daher eine verfassungsrechtliche Deckungspflicht des Bundes nach Art. 104 Abs. 2 GG im Verhältnis zu den Gemeinden hinsichtlich der durch den BSHG-Vollzug erbrachten Zweckausgaben. 30. Für eine Bestimmung des Anspruchs auf „aufgabenadäquate Finanzausstattung" im Verhältnis Land — Gemeinden kommt der bestehenden Praxis des Finanzausgleichs in den Bundesländern zentrale Bedeutung zu. Der für den bayerischen Finanzausgleich für die Berechnung der Ausgangsmeßzahl im Rahmen der Ermittlung der Schlüsselzuweisungen gewählte Sozialhilfeansatz zeigt, daß der überdurchschnittlichen Sozialhilfebelastung von Gemeinden und Gemeindeverbänden gesetzestechnisch Rechnung getragen werden kann. 31. Entgegen der Auffassung des BayVGH wird die in § 3a BayFAGDV 1970 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 Nr. 3 BayFAG vorgesehene Objektivierung der Sozialhilfebelastung der einzelnen kommunalen Gebietskörperschaften durch Zugrundelegung der landesdurchschnittlichen Kosten eines Sozialhilfefalles der verfassungsrechtlich zu fordernden aufgabenadäquaten Finanzausstattung nicht gerecht; die sogenannte „objektivierte" Berechnungsmethode verfehlt bei einer normativ relevanten Zahl von Anwen-

6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil A

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dungsfällen das mit dem Sozialhilfeansatz verfolgte Ziel, die „überdurchschnittliche Sozialhilfebelastung" der örtlichen Träger der Sozialhilfe über die Berechnung der Schlüsselzuweisungen zu kompensieren. Im Hinblick auf die in Art. 15 BayFAG getroffene „Systementscheidung" verstößt die in § 3 a BayFAGDV 1970 getroffene Regelung gegen die Grenzen zulässiger Typisierung. 32. Der vom nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber im Gemeindefinanzierungsgesetz gewählte Weg einer Konstituierung des Faktors „Arbeitslosigkeit" als zusätzlicher Bestandteil des Gesamtindikators verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Anspruch auf „aufgabenadäquate Finanzausstattung"; Arbeitslosigkeit als Bedarfselement des Gesamtindikators zur Ermittlung der kommunalen Zuschußbedarfe ist nur bedingt in der Lage, der Beanspruchung der Kommunen als örtliche Träger der Sozialhilfe Rechnung zu tragen. Die qualifizierende Wirkung des Arbeitslosenansatzes (§ 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 GFG) wird in horizontaler Hinsicht darüber hinaus dadurch relativiert, daß der Arbeitslosenansatz als Bestimmungsgröße des Gesamtansatzes kreisfreien wie kreisangehörigen Gemeinden zugute kommt.

Teil Β

Die (fïnanz-)verfassungsrechtliche Beurteilung des BSHG-Vollzugs durch die Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe Kapitel 7

Die Leistungsentwicklung nach dem BSHG im Freistaat Bayern und bei den Bezirken als überörtliche Träger der Sozialhilfe I. Die Entwicklung der Sozialhilfegewährung im Freistaat Bayern Die Spezifika der statistischen Entwicklung der Leistungsgewährung nach dem BSHG für den Freistaat Bayern seien hier unter Rückgriff auf die in Kapitel 1 1 ausführlich dargestellten Ergebnisse nochmals kurz skizziert. Eine mit dem Jahre 1963 beginnende, nach 7- bzw. 5-Jahres-Schritten skalierende Untersuchung ergibt für Bayern nicht n u r — i m Gegensatz zur Entwicklung auf Bundesebene — für den Zeitraum 1963 -1970 eine Steigerung der Empfängerzahlen, sondern insbesondere für die Zeiträume 1970-1975 und 1980-1986 deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegende Zuwachsraten, die insbesondere auf überproportionale Zuwächse bei der Hilfeart „Hilfe zum Lebensunterhalt" zurückzuführen sind. Bezüglich des in diesem Zusammenhang besonders interessierenden statistischen Verlaufs des Anteils von Ausländern an der Gesamtzahl der Hilfeempfänger verlief die Entwicklung in Bayern ebenfalls „dramatischer" als auf Bundesebene: Bezogen auf die Sozialhilfedichte ergibt sich ein deutlich höherer Anteil von ausländischen Leistungsbeziehern, gemessen an der Gesamtzahl der Ausländer insgesamt, als von deutschen Hilfeempfängern, gemessen an der deutschen Wohnbevölkerung 2. Der Zuwachs des Anteils ausländischer Leistungsbezieher ι Vgl. Kapitel 1, II. Vgl. Kapitel 1 sowie Tabelle 6 im Anhang.

2

I. Sozialhilfegewährung in Bayern

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in Bayern liegt zwar deutlich unter dem Bundesdurchschnitt; prozentual ist dieser Anteil (15,0%) jedoch höher als auf Bundesebene (13,1 %). Ähnliche Tendenzen lassen sich für den Zeitraum 1980-1986 für die Entwicklung der Empfängerzahlen — mit Ausnahme der Leistungsform „Eingliederungshilfe für Behinderte" — sowie für die Brutto-Ausgaben feststellen: Auch hier liegen die Zuwachsraten für Bayern deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Von besonderem Gewicht sind die für Bayern feststellbaren Zuwächse der Ausgaben für „Hilfe zum Lebensunterhalt" sowie für die Leistungsform „Hilfe in anderen besonderen Lebenslagen" (Sonstige Hilfe). Bei den Brutto-Ausgaben für Sozialhilfe in Bayern sind für die Sozialhilfeträger insgesamt Zuwachsraten von 7,3% (1983/84), 8,4% (1984/85) bzw. 9,7% (1985/86) 3 zu verzeichnen. Die Tatsache, daß die Steigerungsraten, nach örtlichen und überörtlichen Trägern differenziert, nicht unbeträchtlich differieren — für die örtlichen Träger ergeben sich im Zeitraum 1984-1986 eine Zunahme von 4,8%, 14,4% und 10,4% gegenüber 8,2%, 6,3% und 9,4% bei den überörtlichen Trägern 4 — ist auf die unterschiedliche Entwicklung der Gewährung von Leistungen außerhalb von und in Einrichtungen zurückzuführen 5. Diese Tatsache hängt wiederum damit zusammen, daß die sachliche Zuständigkeit für die Träger der Sozialhilfe aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes vom 20.9.1982 6 mit der Folge geändert wurde, daß seit 1.1.1983 für alle teilstationären und stationären Hilfen die überörtlichen Träger, für alle sonstigen Hilfen grundsätzlich die örtlichen Träger zuständig sind. Die überörtlichen Träger erhielten darüber hinaus durch die Neufassung von Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG die Zuständigkeit für die Hilfeleistungen für Ausländer im Sinne des Ausländergesetzes sowie für Aussiedler im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes und für Zuwanderer aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 2 der 1. Durchführungsverordnung zum 1. Überleitungsgesetz genannten Gebieten in staatlichen Lagern oder lagerähnlichen Wohnheimen. Infolge dieser geänderten Zuständigkeitsverteilung verringerten sich die Ausgaben der örtlichen Träger für Leistungen in Einrichtungen 1983 und 1984 in erheblichem Maße. Gleichwohl blieb die Belastung der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe im Jahre 1986 mit rd. 72% der gesamten Sozialhilfekosten gegenüber dem Vorjahr gleich. 99,6% der gesamten Ausgaben in Einrichtungen entfielen auf die überörtlichen Träger (1986). Bezüglich der Hilfen außerhalb von Einrichtungen verblieb den Bezirken 1986 ein Anteil von 19%. Die Ausgaben für Hilfe zum Lebensunterhalt stiegen im Jahre 1986 wiederum weit stärker als die Ausga3 Vgl. Kapitel 1 sowie Tabelle 10, II., Sp. 9, im Anhang. Vgl. Kapitel 1 sowie Tabelle 10, II., Sp. 3 und 6, im Anhang, s Vgl. Kapitel 1 sowie Tabelle 10, II., Sp. 2, im Anhang. 6 GVB1 1982, 817, in Kraft getreten am 1.1.1983 (§ 2 Abs. 1)

4

184

7. Kap.: Leistungsentwicklung Bayern und Bezirke

ben für Hilfe in besonderen Lebenslagen (12,9% gegenüber 8,1%). Dennoch liegt für 1986 der Anteil von Ausgaben für Hilfe in besonderen Lebenslagen bei rd. 2/3 der Gesamtsozialhilfeleistungen. Ein differenzierteres Bild gewinnt man, wenn die Sozialhilfeausgaben für Leistungen innerhalb von Einrichtungen, getrennt nach örtlichen und überörtlichen Trägern, hinsichtlich letzterer wiederum differenziert nach Regierungsbezirken, betrachtet werden. Die überörtlichen Träger wandten im Jahre 1986 für Hilfe zum Lebensunterhalt innerhalb von Einrichtungen den Betrag von 175.068.083 D M auf, die örtlichen Träger 1.034.721 DM. Der Betrag von 175.068.083 D M verteilt sich auf die sieben Regierungsbezirke wie folgt: Oberbayern: Schwaben: Mittelfranken: Niederbayern: Oberfranken: Unterfranken: Oberpfalz:

66.515.325 24.021.532 23.691.723 20.203.016 14.353.162 13.919.653 13.498.393

DM DM DM DM DM DM DM

Eine ähnliche Skalierung ergibt sich bei Betrachtung der Aufwendungen für Hilfe in besonderen Lebenslagen: Oberbayern: Mittelfranken: Schwaben: Unterfranken: Oberfranken: Niederbayern: Oberpfalz:

532.607.351 224.513.946 215.941.882 153.740.729 131.903.273 126.180.199 114.358.931

DM DM DM DM DM DM DM

Außerhalb von Einrichtungen leisteten die überörtlichen Träger im Jahre 1986 1.669.249.645 DM, wobei auf den Regierungsbezirk Oberbayern nahezu 600 Mio. DM, auf den Regierungsbezirk Mittelfranken nahezu 250 Mio. DM, auf den Bezirk Schwaben nahezu 240 Mio. D M entfielen.

I I . Sozialhilfeausgaben und Haushaltslage im Regierungsbezirk Mittelfranken Untersucht man die Aufwendungen des Bezirks Mittelfranken im Jahre 1987 für Asylbewerber, anerkannte Asylanten, geduldete und sonstige Ausländer, so ergibt sich, daß rd. 3/4 der Gesamtaufwendungen i. H. v. 10.810.386. D M auf Leistungen für Asylbewerber entfielen (7.854.050 D M ) 7 ; rd. 20 % des Gesamtauf7 Vgl. Tabelle 1, Sp. 5, im Anhang.

II. Sozialhilfeausgaben Bezirk Mittelfranken

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wandes (2.256.638 DM) wurden für sonstige Ausländer aufgewendet, also einen Personenkreis, bei dem es sich weder um Asylbewerber, anerkannte Asylanten noch um solche Ausländer handelte, deren Anerkennungsverfahren bestandsoder rechtskräftig abgeschlossen, deren Aufenthalt im Geltungsbereich des Ausländergesetzes jedoch nach § 17 AuslG a.F. geduldet war 8 . Je ca. 3% des Gesamtaufwandes entfielen auf die Gruppe der anerkannten Asylanten sowie der geduldeten Ausländer (351.283 D M bzw. 348.414 DM) 9 . Aufgrund dieser sich im Jahre 1986 abzeichnenden überproportionalen Kostensteigerungen, insbesondere bei den Ausgaben im Sinne der Delegationsverordnung vom 13.12.1982 (Delegationsausgaben) und der Kosten für die Hilfe zur Pflege des Einzelplans 4 (Soziale Sicherung) war es für den Regierungsbezirk Mittelfranken erforderlich geworden, einen Nachtragshaushalt zu erlassen. Obwohl der Haushaltsansatz der Sozialhilfeausgaben insgesamt im Nachtrag um 7,04 Mio. D M erhöht wurde, lag das Rechnungsergebnis der Ausgaben des Einzelplans 4 mit 316,04 Mio. D M nochmals um rd. 1,45 Mio. D M höher. Hauptursache für diesen überproportionalen Ausgabenzuwachs war der 1986 verstärkt einsetzende Zugang von Asylbewerbern bzw. die steil ansteigenden Aufwendungen im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt für Ausländer (Steigerungsraten ζ. T. über 40 %). Die Einnahmen des Einzelplans 4 (Soziale Sicherung) erreichten 1986 mit 120,4 Mio. D M exakt die Planzahl, während der Zuschußbedarf des Sozialetats mit 195,65 Mio. D M den Ansatz des Nachtragshaushalts um knapp 1,5 Mio. D M überstieg 10. Auch für das Rechnungsergebnis 1987 ist charakteristisch, daß die Ausgaben des Sozialetats um etwa 5,1 Mio. D M über dem Planansatz 1987 liegen und rd. 352,5 Mio. D M erreichen. Die Einnahmen 1987 des Einzelplans 4 belaufen sich auf knapp 120 Mio. D M und überschreiten damit den Planansatz um ca. 3,1 Mio. DM. Der Zuschußbedarf des Einzelplans 4 wird bei 223,5 Mio D M und damit um ziemlich genau 2 Mio. D M höher liegen als der entsprechende Haushaltsansatz. Auch für das Rechnungsergebnis 1987 sind die enormen Ausgabenzuwächse bei den sogenannten Delegationsausgaben — insbesondere im Bereich der Sozialhilfe für Asylanten, Asylbewerber und langarbeitszeitlose Ausländer — zu verzeichnen. Es zeigt sich, daß der Planansatz 1987 für die delegierten Ausgaben, der mit Rücksicht auf die Umlagezahler durch Bezirkstagsbeschluß vom 17.2.1987 pauschal um 5,7 Mio. D M auf 77,52 Mio. D M gekürzt wurde, bei weitem nicht ausreichte. Das tatsächliche Rechnungsergebnis lag um nahezu 10 Mio. D M höher, nämlich bei 87 Mio. DM. Gegenüber dem Vorjahresergebnis der Delegationsausgaben (1986: 70,172 Mio. DM) bedeutete dies Mehraufwendungen i. Η. v. 17,17 Mio. D M (= + 24,46%) n . 8 Vgl. Tabelle 1, Sp. 4, im Anhang. 9 Vgl. Tabelle 1, Sp. 1 und 2, im Anhang. 10 Vgl. Vorbericht 1988, in: Bezirk Mittelfranken (Hrsg.), Haushalt 1988, S. 20. π Vgl. Vorbericht 1988, in: Bezirk Mittelfranken (Hrsg.), Haushalt 1988, S. 22.

186

7. Kap.: Leistungsentwicklung Bayern und Bezirke

Die im Verwaltungs- und Vermögenshaushalt 1988 veranschlagten Ausgaben verteilen sich auf die Einzelpläne 0 - 9 prozentual wie folgt: Verwaltungshaushalt: Einzelplan Einzelplan Einzelplan Einzelplan Einzelplan Einzelplan Einzelplan Einzelplan Einzelplan

0 1 2 3 4 5 6 7 8

(Allgemeine Verwaltung): (Öffentliche Sicherheit und Ordnung): (Schulen): (Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege): (Soziale Sicherung): (Gesundheit, Sport, Erholung): (Bau- und Wohnungswesen): (Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung): (Wirtschaftliche Unternehmen, Allgemeines Grund- und Sondervermögen): Einzelplan 9 (Allgemeine FinanzWirtschaft): Gesamt: Vermögenshaushalt: Einzelplan 0 Einzelplan 2 Einzelplan 3 Einzelplan 4 Einzelplan 5 Einzelplan 6 Einzelplan 7 Einzelplan 8 Einzelplan 9 Gesamt:

1,63% 0,00% 10,65% 1,44% 83,96% 0,28% 0,80% 0,14% 0,10% 1,01% 100,00%

9,76% 44,04% 8,01% 13,07% 4,87% 16,27% 0,03% 0,00% 3,95% 100,00%

Von den veranschlagten Mehrausgaben im Verwaltungshaushalt 1988, die sich gegenüber dem Vorjahr auf 46,54 Mio. D M belaufen, entfallen allein 43,62 Mio. D M (= 93,73 %) auf Kostenmehrungen im Einzelplan 4 (Soziale Sicherung). Die Sozialhilfeausgaben erhöhen sich also im Jahre 1988 um 12,56% auf 391,04 Mio. DM. Hauptursächlich hierfür sind die Steigerungsraten bei den delegierten Hilfen (Haushaltsstelle 4121.6723), die von 1985 auf 1986 14,68% (=9,352 Mio. DM), von 1986 auf 1987 19,77% (= 14,347 Mio. DM) betrugen. Der Haushaltsansatz für die Haushaltsstelle 4121.6723 — Erstattungen an Gemeinden und Gemeindeverbände für delegierte Aufgaben — beträgt 105,530 Mio. DM, nachdem das Ist-Ergebnis 1987 für diese Haushaltsstelle von 86,951 Mio. D M den für 1987 getätigten Haushaltsansatz von 77,525 Mio. D M bei weitem überschritten hatte; das hohe Ist-Ergebnis für das Jahr 1987 verdankt sich zum Teil auch einer einmaligen Mehrbelastung in Höhe von 630.000 D M

187

III. Zentrale und dezentrale Unterbringung

aufgrund des geänderten Abrechnungsmodus für die Körperbehindertenschule Nürnberg. Für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und von Krankenhilfe ist festzustellen, daß für diese Leistungsbereiche der stärkste Ausgabenzuwachs zu erwarten ist. Hier dominieren vor allem die Leistungsgewährungen an Asylbewerber, anerkannte Asylanten und geduldete Ausländer 12 . Die Einzelposten der für 1988 veranschlagten Haushaltsstelle 4121.6723 in Gesamthöhe von 105,035 Mio. D M stellen sich wie folgt dar: 1. Bereinigtes Ist-Ergebnis 1987:

87,581 Mio. DM

2. Mehrausgaben 1988 (Steigerungsrate: 18,86%):

16,519 Mio. DM

3. Einmalige Mehrausgaben durch Verschiebung im Abrechnungsmodus der Körperbehindertenschule Nürnberg: 0,630 Mio. DM 4. Mehrausgaben durch die Rücknahme der Kürzungen im Bereich der HLU für Asylbewerber und geduldete Ausländer von 20% auf 15% (ab 1.1.1988): 0,800 Mio. DM Angesichts einer für 1988 zugrunde gelegten Steigerungsrate von 18,86% haben die örtlichen Träger, insbesondere die Stadt Nürnberg, verschiedentlich darauf hingewiesen, daß 1988 im Bereich der delegierten Ausgaben mindestens mit der gleichen Steigerungsrate wie 1987 (+ 19,86%) gerechnet werden muß. Nachdem diese Entwicklung aber nicht mit letzter Sicherheit voraussehbar ist, hat die Sozialverwaltung des Bezirks Mittelfranken — auch im Hinblick auf die Finanzierbarkeit des Bezirkshaushalts — statt einer Steigerung von 20% nur eine Steigerungsrate von 18,86% unterstellt. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß dieser Haushaltsansatz um rd. 1 Mio. D M zu knapp kalkuliert ist 1 3 .

I I I . Zentrale und dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern in Bayern Die soeben skizzierte Entwicklung des Sozialhilfeaufwands korreliert mit der zahlenmäßigen Entwicklung der im Freistaat Bayern in den Jahren 1985-1987 aufgenommenen Asylbewerber. Einer Gesamtzahl von 10.986 Bewerbern zum 31.10.1985 stand im Jahre 1986 eine Zahl von 20.263 Bewerbern gegenüber, was einer Steigerung von nahezu 90 % entspricht. Trotz der erheblichen personellen Verstärkung des Personals beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf und der dadurch erfolgten schnelleren Bearbeitung von Asylanträgen konnte der hohe Stand an Asylbewerbern auch im Jahre 1987 nicht abgebaut werden; er lag zum 31.10.1987 bei 18.897. Erstmals 1989 konnte 12 Vgl. Vorbericht 1988, in: Bezirk Mittelfranken (Hrsg.), Haushalt 1988, S. 427. 13 Vorbericht 1988, in: Bezirk Mittelfranken (Hrsg.), Haushalt 1988, S. 429.

188

7. Kap.: Leistungsentwicklung Bayern und Bezirke

durch erhebliche personelle Verstärkung des Bundesamts (von 310 Stellen im Jahre 1985 auf 850 Stellen im Jahre 1989) erreicht werden, daß die Zahl der Entscheidungen (für 120.610 Personen) die der Zugänge (121.318 Personen) nahezu erreichte 14. Von den auf den Freistaat Bayern insgesamt „entfallenden" Asylbewerbern waren untergebracht 15: Jahr

Gesamtzahl

zentrale Unterbringung

dezentrale Unterbringung

1985

10.986

7.100

3.886

1986

20.263

11.159

9.104

1987

18.897

11.217

7.680

Aus Tabelle 2 ergibt sich des weiteren, daß von den 18.897 Asylbewerbern zum 31.10.1987 16.687 ihren Lebensunterhalt überwiegend von Sozialhilfe bestritten. Von diesen 16.687 Bewerbern waren 10.583 zentral in staatlichen Unterkünften untergebracht; die Unterbringung der verbleibenden 6.095 Asylbewerber erfolgte dezentral, d.h. in Wohnungen, Gaststätten und Pensionen zu Lasten der Bezirke. Bezogen auf den Regierungsbezirk

Mittelfranken,

ergibt sich folgendes Bild:

Jahr

Gesamtzahl

zentrale Unterbringung

dezentrale Unterbringung

1985

1.749

1.215

534

1986

2.493

1.365

1.128

1987

2.645

1.719

926

Von den 1987 im Regierungsbezirk Mittelfranken untergebrachten Asylbewerbern bezogen 2.208 Sozialhilfe, 122 gingen einer eigenen Erwerbstätigkeit nach. Da der Bezirk Oberbayern im Jahre 1987 einen Überhang von 1.671 aufgenommenen Asylbewerbern verzeichnete, der Regierungsbezirk Mittelfranken demgegenüber ein Minus von 455 Bewerbern, teilte der Freistaat Bayern aufgrund eines am 9.12.1987 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgeschlossenen Vergleichs die Zahl von 1.671 Asylbewerbern, die sich in Oberbayern und dort überwiegend in München aufhalten, quotenmäßig im Rahmen der innerbayerischen Verteilung auf andere Regierungsbezirke auf. Im Rahmen dieser Umverteilung wurden im Jahre 1988 weitere 445 Asylbewerber nach Mittelfranken verlegt. 14 Vgl. ZfSH/SGB 1990, S. 40; Mitt. DST v. 7.2.1990, Nr. 92/90, S. 30. Für 1990 ergab sich bei 193.063 Asylbewerbern gegenüber 1989 eine Steigerung von 59,1%; durch das Bundesamt wurde über die Anträge von 148.842 Bewerbern entschieden; die Anerkennungsquote lag bei 4,4% (6518 Personen); vgl. NVwZ 1991, S. 250. is Tabelle 2, Sp. 2 und 3, im Anhang.

Kapitel 8

Die Unterbringung und Verteilung von Asylbewerbern I. Unterbringung und Verteilung bis zum Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes (1.8.1982) Angesichts der ca. 1978 einsetzenden sprunghaften Steigerung der Asylbewerberzahlen, verbunden mit einer Abnahme der Anerkennungsquoten 1, wurde die gem. §§ 39, 40 Abs. 1 AuslG vorgesehene Unterbringung von Ausländern, die aus einem Land, in dem sie politische Verfolgung befürchten, in die Bundesrepublik einreisen und die Anerkennung als Asylberechtigte begehren, in dem von der Bundesregierung im Benehmen mit der zuständigen Landesregierung bestimmten Sammellager für Ausländer in Zirndorf unmöglich. Versuche, auch in anderen Bundesländern entsprechende Lager einzurichten, scheiterten zunächst2. Am 15.2.1974 hatte die zuständige Konferenz der Innenminister und -Senatoren des Bundes und der Länder auf Ersuchen des Bundes und des Landes Bayern bereits beschlossen, die asylsuchenden Ausländer nach einem vereinbarten Schlüssel auf die einzelnen Bundesländer zu verteilen 3. Ausländer, die nach dem 15.2.1974 um politisches Asyl nachsuchten, verblieben daher grundsätzlich in demjenigen Bundesland, in dem sie ihren Antrag 1

Vgl. hierzu das Zahlenmaterial bei Schnapp, in: von Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 1, 1985, Art. 16, Anhang, S. 729; Heine, in: Amnesty International (Hrsg.), Bewährungsprobe für ein Grundrecht, 1978, S. 408,416,419; von Pollern, ZAR 1981, 34 f.; 1982, 94 f.; 1983, 85 f.; 1984, 111 f.; 1985, 81 f.; 1986, 69 f.; 1987, 31 f.; 1988, 64 f.; 1989, 23 ff.; 1990, 19 ff.; 1991, 78 ff.; BT-Drs. 10/3345, S. 9 f. (für 19801984); Wollenschläger, in: Beitz / Wollenschläger (Hrsg.), Handbuch des Asylrechts, Bd. 1, 1980, S. 31 ff. (für 1966-1979); FranzIRenner, in: Otto-Bennecke-Stiftung (Hrsg.), Grenzfragen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, S. 217 ff. (für 1979-1981 und 1982-1986); Rittstieg, ZRP 1986, 92 ff. (für 1985); Theiss, Der Landkreis 1985, 208 ff. (für 1973-1984); Köfner / Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1986, S. 45 ff. (für 1979-1985); ZfSH / SGB 1990, S. 40 (für 1988 und 1989); NVwZ 1988, S. 229 f. (für 1987); NVwZ 1989, S. 343 (für 1988); LKT-RhPf., Rundschrb. Nr. 9 v. 13.2.1990, Nr. 4 (für 1989); NVwZ 1991, S. 250 (für 1990); zu den Fehlerquellen bei der Asylstatistik vgl. Renner, in: OttoBennecke-Stiftung (Hrsg.), Grenzfragen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, S. 220 f. 2 Vgl. Kaneini Renner, Ausländerrecht, 1987, § 22, Rn. 1. 3 Vgl. Theiss, in: Beitz I Wollenschläger, Handbuch des Asylrechts, Bd. 2, 1980, S. 471.

190

. Kap.: Unterbringung und V e r u n g

s l b e n

gestellt hatten, wurden aber nach den Quotenvorgaben des Beschlusses der Konferenz der Innenminister und -Senatoren des Bundes und der Länder zwischen den Ländern umverteilt. Das Sammellager Zirndorf wurde nach dem 1.8.1977 in seiner Funktion als Bundesdurchgangslager durch die Behörden des Freistaats Bayern unter Berufung auf seine völlige Überlastung geschlossen und nur noch als bayerisches Landeslager geführt.

II. Unterbringung und Verteilung nach § 22 AsylVfG Durch das Asylverfahrensgesetz vom 16.7.1982, in Kraft getreten am 1.8.1982 (§ 45 Abs. 1 AsylVfG), wurde das länderübergreifende Verteilungsverfahren auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, nachdem die Bundesländer bereits am 2.7.1982 eine Vereinbarung über die prozentuale Verteilung der Asylbewerber getroffen hatten4; die in § 1 dieser Vereinbarung genannten prozentualen Anteile am Gesamtzugang von Asylbewerbern im Bundesgebiet gehen den in § 22 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG genannten Anteilen vor. Die durch die deutsche Vereinigung erforderlich gewordene Neufassung des Asyl Verfahrensgesetzes i. d. F. d. Bekm. vom 9. 4. 1991 (BGBl. I S. 869) hat an dieser Systematik nichts geändert. Nach § 22 Abs. 2 S. 1 n. F. steht es den Ländern frei, durch Verwaltungsvereinbarung einen Verteilerschlüssel festzulegen; kommt eine solche nicht bis 31. 12. 1991 zustande, so wird der Verteilungsschlüssel durch Rechtsverordnung der Bundesregierung bestimmt, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Bis zum Inkrafttreten einer Regelung nach § 22 Abs. 2 S. 1 n. F. gelten die in § 22 Abs. 2 S. 3 Ziff. 1 und 2 normierten Prozentzahlen, die für die „alten" Bundesländer spezifiziert sind, für die Länder des Beitrittsgebiets auf pauschal 20 vom Hundert

4 Nach § 1 dieser Vereinbarung entfallen auf die Bundesländer folgende prozentuale Anteile am Gesamtzugang von Asylbewerbern im Bundesgebiet: Β aden-Württemberg 15,2% Niedersachsen 11,6% Bayern 17,4% Nordrhein-Westfalen 28,0% Berlin 2,7% Rheinland-Pfalz 5,9% Bremen 1,3% Saarland 1,8% Hamburg 3,3% Schleswig-Holstein 3,5% Hessen 9,3% Die Vereinbarung ist abgedruckt bei Marx, Asylrecht, Bd. 2 (Gesetzessammlung), 1984, S. 19; vgl. hierzu Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Bd. 1, 1986, § 22, Rn. 16; Marx / Straate, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1982, § 22, Rn. 4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Möglichkeit der Festlegung der Verwaltungsvereinbarung sind nicht ersichtlich (vgl. zu Verwaltungsvereinbarungen allg.: Beschl. d. BVerfG v. 10.2.1976, BVerfGE 41, 204). Der einzelne Asylsuchende selbst ist durch die Verwaltungsvereinbarung und die darin erfolgte Festlegung von Aufnahmeschlüsseln noch nicht in seinen Rechten tangiert; vgl. hierzu Hailbronner, Ausländerrecht, 1984, Rn. 1010; Thoma, Die Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern, 1990, geht der Rechtsnatur der Anordnung der Beauftragten der Bundesregierung nach § 22 Abs. 3 AsylVfG (S. 23 ff.), der Entscheidung nach § 22 Abs. 5 AsylVfG (S. 25) sowie den Problemen der Mischverwaltung nach § 22 AsylVfG (S. 41 ff.) vertieft nach.

III. Die landesinterne Unterbringung und Verteilung

191

der Asylbewerber festgesetzt wurden, wobei die Verteilung auf die 5 „neuen" Bundesländer entsprechend dem Verhältnis der Wohnbevölkerung erfolgt. Die einzelnen Bundesländer nehmen Asylantragsteller bis zur vereinbarten Belastungsquote auf und weisen neuankommende Bewerber, deren Aufnahme die Belastungsquote überschreiten würde, durch verbindliche Zuweisungsentscheidung5 einem anderen Bundesland zu (§ 22 Abs. 5, Abs. 9 Satz 1 AsylVfG). Die betroffenen Asylbewerber haben sich unverzüglich an die in der Zuweisungsentscheidung angegebene Stelle zu begeben (§ 22 Abs. 8 AsylVfG).

I I I . Die landesinterne Unterbringung und Verteilung von Asylbewerbern 1. Die Rechtslage in den Bundesländern mit Ausnahme Bayerns bis 31.12.1989 Nach der Schließung des Lagers Zirndorf als Bundessammellager gingen die Bundesländer mit Ausnahme Bayerns dazu über, die landesinterne Zuweisung von Asylbewerbern durch Zuweisungsgesetze6 bzw. in Schleswig-Holstein durch 5 Das zur Aufnahme gem. § 22 Abs. 9 Satz 1 verpflichtete Bundesland ist gehalten, eine Zuweisungsentscheidung der gem. § 22 Abs. 5 zuständigen Landesbehörde eines anderen Bundeslandes hinzunehmen; vgl. hierzu BVerwGE 69, 295, 300 = NVwZ 1984, 799 = DVB1 1984, 1009 = InfAuslR 1984, 239 = BayVBl 1984, 664 = Buchholz, § 20 AsylVfG Nr. 2, S. 6. 6 Vgl. hierzu Baden-Württembergisches Gesetz über die Zuweisung von Asylbewerbern an Gemeinden (Asylbewerberzuweisungsgesetz — AsylG) v. 3.4.1979, BWGB1 S. 134, iVmd Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums und des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung zur Durchführung des Asylbewerberzuweisungsgesetzes v. 18.9.1986, VIII 2722/24 (IM), 7124.5 (SM), GABI 1986, S. 928; ersetzt ab 1.1.1989 durch das Asylbewerberunterbringungsgesetz (GBl 1988, S. 400) i. V. m. der ab 1.9.1989 geltenden VV (GABI 1989, S. 866); Hessisches Gesetz über dieAufnahme ausländischer Flüchtlinge v. 15.10.1980, GVB1 I, S. 384 iVmd Verwaltungsvorschrift des Hess. Sozialministers zur Durchführung des Gesetzes über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge v. 15.10.1984, StAnz Nr. 45/1984, 2146; Niedersächsisches Gesetz zur Aufnahme von Asylbewerbem, Asylberechtigten und ausländischen Flüchtlingen v. 9.3.1982, NdsGVBl 1982, S. 63 iVmd Runderlaß des Ministers für Bundesangelegenheiten v. 9.6.1982 (11-0203), v. 18.8.1982 (21-12235-9/1), v. 2.2.1983 (21-12235-13/6), v. 20.4.1983 (21-12235-11), v. 9.9.1983 (21-12235-9/ 1,430-12235/5/1), v. 24.11.1983 (21 -12235-13/6-14/5) sowie vom 11.6.1986 (21 12235-3/1.2); Nordrhein-Westfälisches Gesetz über die Zuweisung und Aufnahme ausländischer Flüchtlinge (Flüchtlingsaufnahmegesetz — FlüAG) v. 27.3.1984 iVmd Runderlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 3.11.1980 (IV C 49136), MB1 Nr. 121 v. 4.12.1980, S. 238; Rheinland-Pfälzisches Landesgesetz über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge (Landesaufnahmegesetz) v. 21.12.1978 iVmd Runderlaß des Ministeriums für Soziales und Familie v. 22.7.1986 (647-78.603) und der Landesverordnung über die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber v. 2.7.1984, MB1 1985, 548; Saarländisches Gesetz über die Aufnahme von Asylbewerbern, Asylberechtigten und anderen ausländischen Flüchtlingen durch die Gemeinden des Saarlandes

192

. Kap.: Unterbringung und V e r u n g

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Rechts Verordnung 7 zu regeln. Diese bestimmen die kreisfreien Städte und Landkreise als Unterbringungspflichtige Körperschaften 8 und treffen eine Kostenregelung regelmäßig in der Weise, daß das aufgabenübertragende Land die Kosten der Unterbringung trägt 9 .

2. Die Unterbringung von Asylbewerbern in Bayern a) Die Unterbringungsrichtlinien

vom 23.2.1983

Allein in Bayern wurde — bis zum 31.12.1989 10 — die Unterbringung und Verteilung von Asylbewerbern auf Kreise und kreisfreie Städte nach verwaltungsinternen Richtlinien 11 , d. h. ohne spezifische gesetzliche Grundlage durchgeführt. Gemäß Ziff. 2.2 dieser Richtlinien umfaßte die Verteilung auf die Regierungsbezirke die Asylbewerber, die nach § 22 Abs. 3 AsylVfG nach Bayern verteilt wurden und hier eingetroffen waren (Nr. 2.3 der Richtlinien) sowie jene Bewerber, die in Bayern ihren Asylantrag gestellt haben (Nr. 2.4 der Richtlinien). Die Unterbringung der Asylbewerber wurde von den Regierungen und Kreisverwaltungsbehörden nach der Maßgabe des Beschlusses des Bayerischen Landtags

(Ausländeraufnahmegesetz — AAG) v. 12.7.1978, ABl 1978, S. 709 iVmd Erlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung über die Erstattung der Aufwendungen der Sozialhilfe für Asylbewerber an die örtlichen Träger der Sozialhilfe v. 22.8.1978 (C V/1 -7792/78), GMB1 1978, S. 749; Thoma (Die Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern, 1990, S. 56 ff.) berücksichtigt die Rechtsgrundlage der landesinternen Unterbringung nur zum Teil. 7 Landesverordnung über Zuständigkeiten im Asylverfahren und über die Verteilung von Asylbewerbern (AsylZustVertVO) v. 28.2.1984 (GVOB1 S. 67) iVmd Runderlaß des Sozialministers des Landes Schleswig-Holstein v. 20.6.1986 (IX 222 c483.5050.10). s Vgl. etwa § 1 Abs. 1 BWAsylZG (Gemeinden mit mehr als 10000 Einw.), § 1 Abs. 1 HessAAG (Kreise und Gemeinden), § 1 Abs. 1 NdsAAG (Gemeinden), § 1 Abs. 1 NWFlüAG (Gemeinden), § 1 Abs. 1 RhPfLAG (Landkreise und Gemeinden), § 1 Abs. 1 SaarlAAG (Gemeinden). 9 Vgl. § 2 BWAsylZG (Sozialhilfekosten und „notwendige Kosten" der Gemeinden); § 2 Abs. 1 HessAAG (notwendige Aufwendungen mit Ausnahme der Verwaltungskosten), § 2 Abs. 1 NdsAAG (die durch die Aufnahme entstehenden notwendigen Kosten), § 2 NWFlüAG, § 2 RhPfLAG (Aufwendungen aufgrund der Vorschriften des BSHG, des JWG und des Landespflegegeldgesetzes), § 3 SaarlAAG (alle Aufwendungen nach dem BSHG). 10 Das Urteil des VG München v. 20.7.1988 (M7K 88.1037 = EzKommR, 2120.64) wurde durch Urteil des BayVGH v. 22.3.1989 (4 Β 88.2483 = BayVBl 1989, 370 ff. = FSt 1989, Nr. 140, S. 401 ff. = EzKommR 2120.65) bestätigt, die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch das BVerwG zurückgewiesen; zur Rechtslage seit dem 1.1.1990 vgl. FN 43. 11 Richtlinien des Bay. Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung'über die Unterbringung von asylsuchenden Ausländern in Bayern (Unterbringungsrichtlinien) v. 23.2.1983 (V4-8063, 2898/83).

III. Die landesinterne Unterbringung und Verteilung

193

vom 24.3.1977 12 , der Beschlüsse der Staatsregierung vom 11.1. 1977,13.6.1978 und 9.1.1979 und des § 23 AsylVfG durchgeführt, d. h. Asylbewerber grundsätzlich in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften (zentrale Unterbringung nach Ziff. 3.3 der Richtlinien) und, soweit dies nicht möglich war, in Einzelunterkünften (dezentrale Unterbringung gem. Ziff. 3.4 der Richtlinien) untergebracht. Die Gemeinschaftsunterkünfte galten gem. Ziff. 3.3.1. der Richtlinien als Einrichtungen der staatlichen Flüchtlingsverwaltung zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern im Sinne des § 23 AsylVfG; sie wurden durch die Regierungen errichtet, eingerichtet und bewirtschaftet (Ziff. 3.3.2. der Richtlinien). Dezentrale Unterbringung fand gem. Ziff. 4.1 der Richtlinien dann statt, wenn Gemeinschaftsunterkünfte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung standen. Wurden obdachlose Asylbewerber durch die Gemeinden in kommunalen oder sonstigen Obdachlosen-Unterkünften untergebracht, konnten die Kosten der Unterkunft einschließlich der Nebenkosten bis zu D M 5 täglich pro Person gem. Ziff. 4.3 der Richtlinien auf den Staatshaushalt übernommen werden, sofern eine staatliche Unterbringung im Sinne von Ziff. 3.2.1. der Richtlinien nicht möglich war. Die dezentrale Unterbringung nach Ziff. 4 der Richtlinien einschließlich der Unterbringung obdachloser Asylbewerber gem. Ziff. 4.3 der Richtlinien dürfte in praxi freilich deshalb keine Rolle gespielt haben, weil eine gesonderte Bestimmung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Nr. 4 der Richtlinien (Ziff. 8.2 der Richtlinien) nicht erfolgt war. Die Asylbewerber trugen gem. Ziff. 6.1 der Richtlinien die Kosten ihrer Unterbringung und ihres Lebensunterhaltes selbst. Sie waren anzuhalten, Ansprüche auf Sozialleistungen, insbesondere Leistungen nach AFG und BSHG geltend zu machen. Soweit die Asylbewerber die Kosten der Unterbringung nach der Verordnung über Gebühren für die Unterbringung in Einrichtungen der staatlichen Flüchtlings Verwaltung13 nicht selbst zu tragen hatten, wurden diese einschließlich der Kosten für die Einrichtung und Bewirtschaftung, bei einer staatlichen Unterbringung im Rahmen der Ziff. 7 der Richtlinien, d. h. regelmäßig bis zur Beendigung des Asylanerkennungsverfahrens, auf den Staatshaushalt übernommen. Gem. Ziff. 6.5 der Richtlinien erhielten bedürftige Asylbewerber Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen nach Maßgabe des § 120 Abs. 2 BSHG, sofern sich nicht aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen anderes ergab. Soweit in den staatlichen Unterbringungseinrichtungen Leistungen, die von dem im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt angesetzten Regelsatz zu bestreiten sind, als Dienst- oder Sachleistungen erbracht wirden, entfiel oder ermäßigte sich die Leistung des Trägers der Sozialhilfe entsprechend. Nach dieser bis zum 31.12.1989 geltenden Praxis übernahm also der Freistaat Bayern für die Asylbewerber bei staatlicher — zentraler oder dezentraler — Unterbringung die Kosten einschließlich der Einrichtung und Bewirtschaftung 12 LT-Drs. 8/4904. 13 v. 27.3.1981, GVB1 1981, S. 89. 13 Hofmann-Hoeppel

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. Kap.: Unterbringung und V e r u n g

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der Unterkünfte sowie der Gemeinschaftsverpflegung. Die kreisfreien Städte gewährten als örtliche Sozialhilfeträger den staatlich untergebrachten Asylbewerbern ein sogenanntes „Taschengeld" und Hilfe in besonderen Lebenslagen — in der Praxis fast ausschließlich Krankenhilfe und einmalige Leistungen. b) Die Heranziehung der örtlichen Träger durch die überörtlichen Träger der Sozialhilfe Die Kosten für diejenigen Asylbewerber, die nicht über das Lager Zirndorf zugewiesen wurden, sondern auf anderen Wegen nach Bayern gelangten, trafen zunächst die örtlichen Sozialhilfeträger (Unterbringung, gekürzter Regelsatz, einmalige Leistungen, Krankenhilfe); gleiches galt für in Betrieben des Beherbergungsgewerbes untergebrachte Asylbewerber. Diese Kosten wurden — und werden hinsichtlich der Hilfen in besonderen Lebenslagen den kreisfreien Städten als örtliche Sozialhilfeträger von den Bezirken als überörtliche Sozialhilfeträger erstattet, da die überörtlichen Träger gem. Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG für alle Hilfen an Ausländer im Sinne des Ausländergesetzes (§ 1 Abs. 2 AuslG) zuständig sind und die Bezirke regelmäßig von der Möglichkeit der Heranziehung örtlicher Träger der Sozialhilfe gem. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 BayAGBSHG in Verbindung mit § 96 Abs. 2 Satz 2, 1. HS BSHG Gebrauch gemacht haben. So werden die kreisfreien Gemeinden und Landkreise des Regierungsbezirks Mittelfranken durch Verordnung des Bezirks Mittelfranken über die Heranziehung der örtlichen Träger und der Kriegsopferfürsorge (Delegationsverordnung 14) gem. § 1 Abs. 1 Ziff. 9 dieser Verordnung beauftragt, die Aufgaben nach Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 u. 2 BayAGBSHG durchzuführen. Es handelt sich hierbei um eine rechtsatzförmige Heranziehung der örtlichen Träger durch die überörtlichen Träger im Wege des sogenannten „gesetzlichen Auftrags" 15 . Durch diesen gesetzlichen Auftrag wird den örtlichen Trägern nur die Durchführung bestimmter Aufgaben übertragen, die Aufgaben bleiben an sich aber solche des heranziehenden überörtlichen Trägers. Die Rechtsform des gesetzlichen Auftrags bringt es mit sich, daß die überörtlichen Träger die Möglichkeit haben, für die Durchführung der übertragenen Aufgaben Richtlinien zu erlassen und bei dringendem Erfordernis aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit oder aufgrund berechtigter Individualansprüche Einzelweisungen zu erteilen. Im übrigen verfahren die örtlichen Träger nach den für sie selbst geltenden Grundsätzen (Art. 10 Abs. 3, Abs. 4 BayAGBSHG). Außer in der begrenzten Weisungsmöglichkeit drückt sich die fortbestehende Aufgabenverantwortung des überörtlichen Trägers in der Befugnis zum Erlaß des Widerspruchsbescheids im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren (§ 96 14 RAB1 1982, S. 138. 15 Vgl. § 93 SGB X iVm §§ 12, 28 Abs. 2, 37 SGB I iVm §§ 9, 96 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BSHG.

III. Die landesinterne Unterbringung und Verteilung

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Abs. 2 Satz 2, 2. HS BSHG) und in der Verpflichtung zum Ersatz der Kosten der geleisteten materiellen Sozialhilfeaufwendungen (Art. 12 Abs. 3 BayAGBSHG) sowie in der Kompetenz aus, jederzeit durch eine neue Verordnung die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe wieder an sich zu ziehen l6 . Im Hinblick auf die in Art. 12 Abs. 3 Satz 1 BayAGBSHG normierte Erstattungspflicht des überörtlichen Trägers bezüglich der durch den örtlichen Träger aufgewendeten Kosten ist zu beachten, daß eine Beschränkung der Erstattungspflicht auf die zu Recht aufgewendeten Kosten bei der Aufgabenwahrnehmung kraft rechtsatzförmiger Übertragung nicht vorgesehen ist. Zwar besteht nach § 91 Abs. 1 Satz 3 SGB X im Rahmen eines Auftragsverhältnisses zwischen Leistungsträgern eine Erstattungspflicht des Auftraggebers nicht, soweit Sozialleistungen zu Unrecht erbracht worden sind und den Beauftragten hierfür ein Verschulden trifft. Diese Bestimmung gilt jedoch unmittelbar nur im Rahmen der nach § 88 SGB X zulässigen freiwilligen ,Auftragsverhältnisse", somit nicht im Sozialhilferecht (§ 88 Abs. 1 Satz 2 SGB X). § 91 Abs. 1 SGB X wäre zwar nach § 93 SGB X bei gesetzlichen Auftragsverhältnissen entsprechend anwendbar; die Heranziehung des örtlichen Trägers durch den überörtlichen Träger nach Art. 10 Abs. 2 BayAGBSHG ist jedoch nach überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung kein gesetzliches Auftragsverhältnis im Sinne von § 93 SGB X. Vielmehr liegt eine Delegation, d. h. eine Aufgabenübertragung mit eigener Entscheidungsbefugnis und Zuständigkeit des örtlichen Trägers durch Rechtssatz vor; im übrigen ist die Heranziehung der örtlichen durch die überörtlichen Träger der Sozialhilfe nach § 96 Abs. 2 Satz 2 BSHG der Regelung durch die Länder überlassen. Da die Form der Heranziehung im BSHG nicht im einzelnen geregelt ist, läßt sich ihre Rechtsnatur letztlich nur aus den Regelungen der einzelnen Bundesländer entnehmen (Art. 10 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BayAGBSHG 17 ). Daraus ergibt sich, daß der überörtliche Träger dem örtlichen Träger alle beim Vollzug der übertragenen Aufgaben tatsächlich aufgewendeten Kosten abzüglich der tatsächlich erzielten Einnahmen zu erstatten hat. Schadensersatzansprüche, insbesondere aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, stehen dem überörtli16 Vgl. hierzu Hoffmann, Der gesetzliche Auftrag im Sozialrecht, VerwArch 1988, 314 ff., 324 ff.; zur Rechtswidrigkeit der Übertragung von Aufgaben des örtlichen Trägers auf kreisangehörige Gemeinden durch Satzung — hier bezüglich der Überleitung von Ansprüchen nach §§ 90 f. BSHG — vgl. OVG Münster, ZfSG/SGB 1989, 528; zur — komplizierten — Situation in Niedersachsen nach dem Beschluß des NdsStGH v. 10.4.1985 (ZfF 1985, S. 133), mit dem §5 der 4. Heranziehungsverordnung v. 15.12.1980 (NdsGVBl, S. 493) und § 4 NdsAGBSHG für nichtig erklärt wurden, und dem Urteil des OVG Lüneburg v. 27.11.1985 vgl. Niehof, Die Heranziehung der örtlichen Träger der Sozialhilfe zur Durchführung der dem überörtlichen Träger obliegenden Aufgaben in Niedersachsen ZfF 1991, S. 34 f. 17 Vgl. hierzu Mergler / Zink, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, § 96, Anm. 16 und 25; Schmidt-Jortzig / Wollfgang, VerwArch 1984, 107 ff., 119; Hoffmann, Der gesetzliche Auftrag im Sozialrecht, VerwArch 1988, 314 ff., 324 ff. 13*

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chen Träger nicht zu, weil er nicht Dritter im Sinne von § 839 BGB ist. Dieser Rechtsauffassung hat sich auch die Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten für das Land Bayern beim Bezirk Oberbayern in gefestigter Spruchpraxis wiederholt angeschlossen18.

IV. Die sozialhilferechtliche Stellung asylsuchender Ausländer 1. Die Regelungstradition von § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1, 1. HS BSHG — nunmehr i. d. F. d. Bekm. vom 10. 1. 1991 (BGBl. I, S. 94, ber. S. 808) — ist Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG und damit Ausländer (§ 1 Abs. 2 AuslG) sind und sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen und Hilfe zur Pflege nach dem BSHG zu gewähren. § 120 BSHG führt daher die Rechtstradition von § 34 der „Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge" vom 4.12.1924 19 fort, nach dem Ausländern im Falle der Hilfsbedürftigkeit Lebensunterhalt, insbesondere Unterkunft, Nahrung, Kleidung und Pflege sowie Krankenhilfe zu gewähren war. „Nötigenfalls" konnte gem. § 34 Satz 2 Reichsgrundsätze der Bestattungsaufwand übernommen werden. Die übrigen Bestimmungen der Reichsgrundsätze galten gem. § 34 Satz 3 Reichsgrundsätze für Ausländer nur, soweit es die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats oder ein Staatsvertrag bestimmte. Gem. § 13 der „Verordnung über die Fürsorgepflicht" vom 13.2.1924 20 mußte ein Ausländer vorläufig von dem Bezirksfürsorgeverband unterstützt werden, in dessen Bezirk er sich bei Eintritt der Hilfsbedürftigkeit befand. Das Land, dem der Bezirksfürsorgeverband angehörte, hatte diesem die Kosten zu ersetzen, es sei denn, daß ein Landesgesetz etwas anderes bestimmte. Dies erfolgte durch die bayerische vorläufige Ausführungsverordnung zur Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht vom 27.3.1924 21 , nach der abweichend von § 13 Reichsfürsorge Verordnung in Wahrnehmung der den Ländern

18 Vgl. FSt 1983, Rn. 159 sowie Zeitler, Zur Schadensersatzpflicht bei übertragenen Aufgaben der Sozialhilfe nach Art. 10 Abs. 2 BayAGBSHG. Auszug aus dem Geschäftsbericht über die Tätigkeit des Bayerischen kommunalen Prüfungsverbandes für das Jahr 1986, NDV 1987,411 f.; demgegenüber ist bei Erbringung von Leistungen an Asylbewerber, die sich entgegen der Aufenthaltszuweisung (§ 22 Abs. 3 AsylVfG) rechtswidrig in Bayern oder aber im örtlichen Zuständigkeitsbereich des örtlichen Trägers (§22 Abs. 9 S. 2 AsylVfG) aufhalten, die Erstattungsvorschrift des § 105 SGB X anwendbar; vgl. Spruchstelle für das Land Bayern, Die Fundstelle 1990, Nr. 11. 19 RGBl 1924 I, S. 765 ff. 20 RGBl 1924 I, S. 100 ff. 21 Nr. 41 lOd 61, GVB1 1924, S. 126 f.

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nach § 2 Abs. 5 Reichsfürsorgeverordnung zustehenden Befugnis, die Ersatzund Übernahmepflicht der Fürsorgeverbände im Verhältnis zueinander abweichend von der Reichsfürsorgeverordnung zu regeln, anstelle der Bezirksfürsorgeverbände — gem. Art. 3 Abs. 1 der vorläufigen Ausführungsverordnung die damaligen Bezirke (und nachmaligen Landkreise) die damaligen Kreise (und nachmaligen Bezirke) als zuständige Träger der Ausländern zu gewährenden Fürsorge bestimmt wurden (Art. 6 Abs. 1 Ziff. d der vorläufigen Ausführungsverordnung 1924). Abweichend von § 13 Satz 2 der Reichsfürsorgeverordnung übernahm der Staat gem. Art. 6 Abs. 4 der vorläufigen Ausführungsverordnung 1924 4/5 des Fürsorgeaufwands nach § 13 Reichsfürsorgeverordnung. Gem. Art. 5 Abs. 1 des Bayerischen Ausführungsgesetzes zur Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht vom 14.3.1930 22 waren die nach § 13 Reichsfürsorgeverordnung dem Land obliegenden Verbindlichkeiten von den Landesfürsorgeverbänden zu erfüllen; damit behielt das Bayerische Ausführungsgesetz zur Reichsfürsorgeverordnung von 1930 den durch die vorläufige Ausführungsverordnung zur Reichsfürsorgeverordnung bestimmten Rechtszustand bei, nach dessen Art. 2 Landesfürsorgeverbände für die ihnen zugewiesenen Aufgaben der Kreis, also der Regierungsbezirk war. Gem. Art. 5 Abs. 5 des Ausführungsgesetzes von 1930 oblag die Ersatzpflicht nach § 13 Reichsfürsorgeverordnung dem Landesfürsorgeverband, zu dem der vorläufig verpflichtete Bezirksfürsorgeverband gehörte. Die rechtliche Situation unter Geltung des Reichsgrundsätzegesetzes stellte sich also wie folgt dar: Vorläufig eintrittspflichtig hinsichtlich der Ausländern zu gewährenden Fürsorge nach § 13 Reichsfürsorgeverordnung war der Bezirksfürsorgeverband, also gem. Art. 3 Abs. 1 der vorläufigen Ausführungsverordnung 1924 der Bezirk, d. h. der Landkreis. Endgültig verpflichtet war sowohl nach der vorläufigen Ausführungsverordnung 1924 (Art. 6 Abs. 1 lit. d iVm Art. 2) als auch nach dem Ausführungsgesetz von 1930 (Art. 5 Abs. 1 iVm Art. 5 Abs. 5) der Landesfürsorgeverband, also der Kreis, nach heutiger Terminologie der Bezirk. Der Freistaat ersetzte den Landesfürsorgeverbänden gem. Art. 5 Abs. 4 Satz 1 des Ausführungsgesetzes 1930 2/3 ihres Aufwandes nach Art. 5 Abs. 1. Soweit das Reich dem Freistaat die vollen Kosten erstattete, ersetzte der Freistaat den Landesfürsorgeverbänden den vollen Aufwand (Art. 5 Abs. 4 Satz 2 des Bayerischen Ausführungsgesetzes 1930). Die durch § 34 Reichsgrundsätze iVm § 13 Reichsfürsorgeverordnung, Art. 6 Abs. 1 lit. d vorläufige Ausführungsverordnung 1924 und Art. 5 Abs. 1 Ausführungsgesetz 1930 angeordnete unterschiedliche fürsorgerechtliche Behandlung von Deutschen und Ausländern wurde durch Art. I I des Kontrollratsgesetzes

22 Nr. 4110 dd 36, GVB1 1930, S. 38 ff.

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Nr. 1 2 3 , nach dem kein deutscher Rechtssatz durch die Gerichte oder die Verwaltung angewendet werden durfte, der u. a. jemanden wegen seiner Staatsangehörigkeit benachteiligte, außer Wirksamkeit gesetzt. Nach Außerkrafttreten des Besatzungsstatuts am 5.5.1955 24 wurde durch § 2 (mit Anlage 2) des Ersten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 30.5.1956 25 auch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 mit Wirkung ab 1.6.1956 außer Kraft gesetzt26. Nach § 19 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25.4.1951 27 erhielten heimatlose Ausländer in der öffentlichen Fürsorge Leistungen in gleicher Höhe wie deutsche Staatsangehörige; § 120 Abs. 1 Satz 3 in der Fassung vor dem 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22.12.1981 behielt diese Regelung in § 19 bei.

2. Die Neufassung von § 120 BSHG durch Zweites Haushaltsstrukturgesetz 1981 und Haushaltsbegleitgesetz 1984 a) Zweites Haushaltsstrukturgesetz

1981 und Haushaltsbegleitgesetz

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Der durch § 21 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.1981 28 mit Wirkung zum 1.1.1982 eingeführte § 120 Abs. 2 BSHG n. F. verkürzte den sozialhilferechtlichen Anspruch von Asylbewerbern auf den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 11 BSHG). Alle weiteren in § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Sozialhilfeleistungen — Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Hilfe zur Pflege — wurden in das Ermessen der Leistungsträger gestellt (§ 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG n. F.). Für laufende Leistungen galt gem. § 147 BSHG n.F. eine Übergangsregelung dergestalt, daß bis 31.3.1982 die zuvor geltende Fassung von § 120 BSHG anzuwenden war, soweit laufende Leistungen vor Inkrafttreten von Art. 21 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes wegen der von da an geltenden Fassung des Gesetzes zu versagen oder zu kürzen gewesen wären. Diese Neuregelung bedeutete eine Schlechterstellung des Asylbewerbers gegenüber übrigen Ausländern, da für diese nach wie vor ungeachtet der asylbezoge23

Vgl. Hemken (Hrsg.), Sammlung der vom Alliierten Kontrollrat und der Amerikanischen Militärregierung erlassenen Proklamationen, Gesetze, Verordnungen, Befehle, Direktiven, 3 Bände, Stuttgart 1946/1950, Bd. 1, S. 13 ff. 24 Proklamation der Alliierten Hohen Kommission über die Beendigung des Besatzungsstatus v. 5.5.1955, in: Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (Hrsg.), Dokumente zur Deutschlandpolitik, III. Reihe, Bd. 1 (5. Mai bis 31. Dezember 1955), Frankfurt/Berlin 1961, S. 3 ff. 2 5 BGBl 1956 I, S. 437. 2 6 Vgl. hierzu Oestreicher I Schelter I Kunz, Bundessozialhilfegesetz mit Recht der Kriegsopferfürsorge, 1988, § 120, Rn. 1. 2i BGBl 1951 I, S. 269. 2 « BGBl 1981 I, S. 1523; vgl. hierzu Mülheims, Arbeitsverbot für Asylbewerber, 1991, S. 36.

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nen Regelung von § 120 Abs. 2 Nr. 1 BSHG Anspruch auf Hilfe in besonderen Lebenslagen wie Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Tuberkulosenhilfe und Hilfe zur Pflege, bestand. Art. 26 Nr. 12 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22.12.1983 29 brachte schließlich eine Differenzierung des in § 120 Abs. 2 BSHG genannten Personenkreises dergestalt, daß zwischen asylsuchenden Ausländern, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist und die keine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung besitzen (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BSHG), zur Ausreise verpflichteten Ausländern, deren Aufenthalt aus völkerrechtlichen, politischen, humanitären oder aus den in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG genannten Gründen geduldet wird (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG) und sonstigen Ausländern, die zur Ausreise verpflichtet sind (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BSHG), unterschieden wurde. Durch die Bekanntmachung der Neufassung des BSHG vom 10. 1. 1991 (BGBl. I, S. 94, ber. S. 808) erfolgte bezüglich § 120 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 - 3 lediglich eine Angleichung an Systematik und Terminologie des AuslG n. F. i. d. F. d. Bekm. vom 9. 7. 1990 29a . b) Der Anwendungsbereich von §120 Abs. 2 BSHG Die Neuregelung von § 120 Abs. 2 BSHG — wie des § 120 Abs. 1 S. 1, 2. HS BSHG — ist nicht auf Hilfebedürftige anwendbar, die dem Europäischen 29 BGBl 19831, S. 1532, ber. BGBl 19841, S. 107; vgl. hierzu Hofmann, Verfassungsund sozialhilferechtliche Probleme der Stellung asylsuchender und geduldeter Ausländer, ZAR 1990, 10 ff. sowie Mülheims, Arbeitsverbot für Asylbewerber, 1991, S. 37. 29a § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 BSHG wurde durch Art. 7 Ziff. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 (BGBl I, S. 1354 ff.) dahin geändert, daß in Nr. 1 die Worte „Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung" durch das Wort „Aufenthaltsgenehmigung", in Nr. 2 die Worte „§ 14 Abs. 1 Satz 1 des Ausländergesetzes" durch „§ 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes" ersetzt werden. Nach § 120 Abs. 4 i. d. F. v. Art. 7 Ziff. 2 AuslG 1990 darf der für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Sozialhilfeträger Ausländern in den Teilen des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, in denen sie sich einer ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe leisten. Das gleiche gilt gem. § 120 Abs. 4 Satz 2 BSHG n. F. für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltsbefugnis besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem die Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde. Nach der Amtlichen Begründung (BR-Drs. 11/90) soll damit der illegalen Binnenwanderung begegnet werden, die insbesondere die Ballungszentren unverhältnismäßig belastet. Zu der „nach den Umständen unabweisbar gebotenen Hilfe" i. S. d. § 120 Abs. 4 Satz 1 BSHG n. F. gehören z. B. die Rückreisebeihilfe an den zugewiesenen Aufenthaltsort, ohne daß ein Tatbestand nach § 107 Abs. 1 BSHG vorliegt, dringende Krankenbehandlung nach § 37 BSHG oder einmalige Sachoder Geldleistungen im Rahmen des § 11 BSHG. § 120 Abs. 4 Satz 1 BSHG n. F. entspricht damit der Tendenz der Rechtsprechung; vgl. etwa OVG NW, ZfSH/SGB 1989, 87 f., das bei Verstoß gegen die räumliche Beschränkung des Aufenthalts hinsichtlich des geltend gemachten Sozialhilfeanspruchs mit § 242 BGB operierte; weiterhin OVG Hamburg, ZfSH/SGB 1987,542; OVG Bremen, NVwZ 1987,920; zur Bekanntmachung der Neufassung des BSHG vom 10. 1. 1991 (BGBl. I, S. 94, ber. S. 808 Satz 1 BSHG n. F.

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Fürsorgeabkommen vom 11.121953 — ratifiziert durch Gesetz vom 15.5.1956 30 — unterliegen. Dies gilt zum einen für Kontingentflüchtlinge, also diejenigen Flüchtlinge, die nach der Genfer Konvention im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen der Bundesrepublik Deutschland ins Bundesgebiet aufgenommen worden sind, ohne ein Asyl verfahren durchlaufen zu müssen31, zum anderen für türkische Asylbewerber, da das Fürsorgeabkommen für die Türkei am 1.1.1977 in Kraft getreten ist. Gemäß Anhang I I dieses Abkommens verpflichtete sich die Bundesrepublik, den Angehörigen der Unterzeichnerstaaten, soweit sie zum Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigt sind, Sozialhilfe gleich Inländern zu gewähren; freilich besteht kein Anspruch auf Hilfe beim Aufbau, auf Hilfe zur Sicherung der Lebensgrundlage und auf Ausbildungshilfe 32 . § 120 Abs. 2 BSHG ist nach h. M. auch nicht auf Asylbewerber anwendbar, die das Asylverfahren inzwischen unanfechtbar ergebnislos durchlaufen haben und zur Ausreise verpflichtet sind, ohne jedoch abgeschoben worden zu sein 33 . Eine analoge Anwendung von § 120 Abs. 2 BSHG verbietet sich auch auf Ausländer, die einen Asylantrag nicht gestellt haben34. Die bei Asylbewerbern gem. § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BSHG auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt beschränkte Sozialhilfe kann gem. § 120 Abs. 2 Satz 4 BSHG auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche beschränkt, die Hilfe als Sachleistung gewährt werden (§ 120 Abs. 2 Satz 3, 1. HS BSHG). Anstelle der Gewährung von Sachleistungen ist auch die Aushändigung von Wertgutscheinen möglich (§ 120 Abs. 2 Satz 3, 2. HS BSHG). 30 BGBl 1953 II, S. 563 iVm Bek. v. 8.1.1958, BGBl II, S. 18, neu gef. durch Bek. v. 8.3.1972, BGBl II, S. 175, und Bek. v. 23.1.1979, BGBl II, S. 289. 31 Vgl. hierzu umfassend Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, Bd. 1, § 1, Rn. 16 f. 32 Vgl. hierzu Oestreicher ! Schelter ! Kunz, Bundessozialhilfegesetz, § 120, Rn. 4; Schulte / Trenk-Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 1988, §120, Anm. 7 sowie Orschler, Die Rechtsstellung des Asylbewerbers, 1983, S. 148; die Anwendbarkeit des Europäischen Fürsorgeabkommens auf Asylbewerber aus den Vertragsstaaten ist in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten; vgl. hierzu bejahend, BWVGH, NVwZ 1983, 193 = DVB1 1983, 1198 = ZAR 1983, 201 = ZfSH/SGB 1983, 506 = EzAR 461 Nr. 4; VG München, InfAuslR 1983, 146; VG Frankfurt, InfAuslR 1982, 234; OVG Hamburg, ZfSH/SGB 1989, 366, und 1990, 358; Zentrale Spruchstelle, Entsch. v. 28.9.1989, Β 71/83, EuG 44, S. 321, ZfF 1991, S. 19 f.; verneinend: RhPfOVG, ZfSH/SGB 1983, 90 = InfAuslR 1983, 16; OVG Berlin, EzAR 461 Nr. 8 = ZAR 1984, 118 = ZfSH 1984, 177; VG Würzburg, NDV 1990, 187; vgl. zur Problematik Columbus, Die Entwicklung des Sozialhilferechts für Ausländer, ZAR 1984, 128 ff., 130; Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge v. 3.9.1985, NDV 1985, 363 ff.; MerglerZink, BSHG, § 120, Rn. 28; Schellhorn / Jirasek / Seipp, BSHG, § 120, Rn. 7; Oestreicher / Schelter / Kunz, BSHG, § 120, Rn. 18. 33 OVG Berlin, FEVS 33, 199 = ZfSH/SGB 1983, 88; das Urteil bezog sich auf § 120 Abs. 2 BSHG i. d. F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes; die o. g. Personengruppe ist nach § 120 Abs. 2 BSHG n. F. in den Geltungsbereich einbezogen (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 BSHG). 34 OVG Berlin, ZfSH/SGB 1983, 87.

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Ungeachtet der geäußerten gewichtigen verfassungsrechtlichen Zweifel, insbesondere an § 120 Abs. 2 Satz 4 BSHG 3 5 , hat das Bundesverwaltungsgericht 36 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Einschränkung laufender Geldleistungen auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche im Wege der Ermessensausübung nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles anzugeordnet werden darf. Rechtswidrig ist es ζ. B., allein den Umstand zugrunde zu legen, daß der Hilfesuchende die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt hat, weil auf diesen Umstand § 120 Abs. 2 Satz 1, 1. HS BSHG ja gerade den Rechtsanspruch auf gekürzte Regelsatzhilfe gründet. Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, ob es zulässig ist, den Träger der Sozialhilfe durch Richtlinien anzuhalten, die Einschränkung der Geldleistung auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche als Regel und die Gewährung der Hilfe bis zum „normalen" Regelsatz als Ausnahme vorzusehen, weil dadurch das im Gesetz angelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis gerade umgekehrt wird 3 7 . Nach den Richtlinien der bayerischen Bezirke zum Vollzug des § 120 Abs. 2 BSHG vom 7.7.1982 wurde jedenfalls in Bayern bei dezentraler Unterbringung — von Ausnahmen in konkreten Einzelfällen abgesehen — der Regelsatz um 20 % mit der Begründung gekürzt, der aus einem fremden Land und Kulturkreis stammende Asylbewerber habe einen bestimmten, bei deutschen Hilfeempfän35 Vgl. hierzu insb. Orschler, Die Rechtsstellung des Asylbewerbers, 1983, S. 158 ff., der zu Recht darauf hinweist, daß rechtliche Gründe für eine einheitliche Ungleichbehandlung nicht ersichtlich sind, die tatsächlichen Gründe allein darin liegen, einen Abschrekkungseffekt zu erzielen, um potentiellen Asylbewerbern von vorneherein das Asylinteresse aus materiellen Gründen zu nehmen. Der Umstand allein, daß ein Empfänger Asylsuchender ist, kann jedoch eine Schlechterstellung gegenüber anderen Ausländern, die keinen Schutz vor politischer Verfolgung suchen, nicht begründen. Damit ergibt sich jedenfalls ein relevanter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG iVm Art. 3 Abs. 3 GG; eine Differenzierung zwischen asylsuchenden und nichtasylsuchenden Ausländern ist angesichts des gleichen Sachverhalts — Sozialhilfebedürftigkeit — verfassungsrechtlich unzulässig. Darüber hinaus ist § 120 Abs. 2 Satz 4 BSHG eine individuelle, auf eine bestimmte Personengruppe begrenzte Sonderregelung, also ein als gesetzliche Maßnahme „getarntes" Individualgesetz. Fraglich ist des weiteren, ob § 120 Abs. 2 Satz 4 BSHG nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestimmtheit des Rechtssatzes iSv Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, da es den Sozialhilfebehörden überlassen bleibt, Sozialleistungen gegenüber denjenigen Empfängern zu kürzen, die Asylsuchende sind. Ob oder daß eine individuelle Prüfung vorzunehmen ist, ist in der Gesetzesvorschrift selbst nicht geregelt. Schließlich bleibt ein Verstoß gegen Art. 23 der Genfer Konvention und den darin niedergelegten sozialhilferechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu konstatieren; a. Α.: OVG Koblenz, InfAuslR 1983, 16. 36 NDV 1985, 333; FEVS 34, 221; 37, 221; OVG Münster, ZfSG/SGB 1989, 193 f. 37 Vgl. in diesem Zusammenhang Schulte / Trenk-Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 120, Anm. 8; zur Bedeutung der fehlerfreien Handhabung des behördlichen Ermessens vgl. Ηofmann, Verfassungs- und sozialhilferechtliche Probleme der Stellung asylsuchender und geduldeter Ausländer, ZAR 1990,10 ff., 12 f., sowie Link, Sozialhilfe für Asylbewerber, ZfSG/SGB 1989, 521 ff., 523; Merk, Ermessensgründe zu § 120 Abs. 2 S. 4 BSHG, BayVBl 1989, 265 ff.; BW-VGH, B. v. 20.6.1989, LKT-RhPf., LKT, Sammelrundschreiben, Nr. 20 v. 2.4.1990, Nr. 10.2; BayVGH, EZAR 461, Nr. 16, m. Anm. Hofmann, ZAR 1991, S. 43 ff. m. w. N.

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gern ohne weiteres zu bejahenden Bedarf nicht; kraft der seit 1.1.1988 in Geltung befindlichen Regelung erfolgt eine Kürzung um 15%, wobei Minderjährige bis 15 Jahren von dieser Einschränkung ausgenommen sind. Sozialhilfegewährung nach — verminderten — Regelsätzen an Asylbewerber kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um Fälle der sogenannten dezentralen Unterbringung handelt. Zwar ist der einschränkende Vorbehalt für die Regelbedarf sge Währung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG, nach der laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nur dann gewährt werden, wenn es sich nicht um Insassen von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen handelt, auf Asylbewerber nicht anwendbar, die in Sammelunterkünften untergebracht sind, da diese keine Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG sind 38 . Die Unterbringung in einer Sammelunterkunft stellt jedoch eine Sachleistung im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 3 BSHG dar 38a , so daß eine Gewährung von Unterkunftskosten und — infolge der Gewährung von Sammelverpflegung — von Verpflegungsgeld nicht in Betracht kommt. Dies ist nur dann der Fall, wenn bei dezentraler Unterbringung eine Anmietung der Einzelunterkunft durch den Staat erfolgt und mit dem Hilfeempfänger ein Untermietvertrag abgeschlossen wird. Das zur Auszahlung kommende Verpflegungsgeld wird als Einkommen im Sinne von § 76 BSHG angerechnet.

3. Arbeitsverbot nach § 19 Abs. l a bis lc AFG a. F. und Sozialhilfegewährung Während etwa im Jahre 1979 in Bayern ca. 68% der Asylsuchenden ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit bestritten und nach einer überschlägigen Schätzung des Hessischen Rechnungshofs im Juni 1980 bundesweit ca. 70% der Asylbewerber in Arbeit standen oder Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe erhielten und nur ca. 30% den Sozialhaushalten zur Last fielen 39 , wurde erstmals durch Runderlaß der Bundesanstalt für Arbeit vom 19.6.1980 in Vollzug des sogenannten Sofortprogramms vom 18.6.1980 ein zunächst auf 12 Monate befristetes Arbeitsverbot für Asylsuchende angeordnet. 38 Vgl. Orschler, Die Rechtsstellung des Asylbewerbers, 1983, S. 156. 38a So nunmehr ausdrücklick Hess. VGH, B. v. 22. 8. 1990, 9 TG 1491/90, ZfSH/ SGB 1991, 421, nach dem die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft als Sachleistung i. S. v. § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG anzusehen ist. Die Abdeckung des Unterkunftsbedarfs asylsuchender Ausländer, die nach Verteilung auf Gemeinden und · Landkreise in Gemeinschaftsunterkünfte aufgenommen wurden, stellt damit eine Leistung von Hilfe zum Lebensunterhalt i. S. d. BSHG dar. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn der asylsuchende Ausländer in einer zentralen Einrichtung des Landes i. S. v. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG untergebracht ist. 39 Vgl. Gutachten des Hess. Rechnungshofs v. 19.6.1980 — III 7249-1/80, zit. bei Orschler, Die Rechtsstellung des Asylbewerbers, 1983, S. 164.

IV. Die sozialhilferechtliche Stellung asylsuchender Ausländer

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Mit dem 6. Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 3.8.1981 40 wurde die dem Bundesarbeitsminister erteilte Ermächtigung zum Erlaß arbeitsrechtlicher Verordnungen erweitert. Nach § 19 Abs. 5 AFG n. F. erstreckte sich die dem Bundesarbeitsminister eingeräumte Weisungsbefugnis gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit nun nicht mehr lediglich auf die Durchführung der in § 19 Abs. 3 AFG a. F. geregelte Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO), sondern allgemein auf die Durchführung der Regelung nach § 19 Abs. 1 AFG. Durch die 6. Verordnung zur Änderung der AEVO vom 24.9.1981 41 wurde das Arbeitsaufnahme verbot auf zwei Jahre erweitert ( § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 AEVO n. F.). Eine Ausnahme wurde für diejenigen Asylbewerber getroffen, die auch im Falle der Ablehnung des Asylantrags aus humanitären Gründen nicht ausgewiesen oder abgeschoben werden, also ζ. B. für Ostblock-Flüchtlinge; für diese verblieb es bei der einjährigen Verbotsdauer. Das auf der Grundlage des sogenannten Sofortprogramms vom 18.6.1980 angeordnete und im Jahre 1981 erweiterte Arbeitsverbot für Asylbewerber zeigte unmittelbare Folgen im Sozialhilfebereich, da Asylbewerber während der ersten beiden Aufenthaltsjahre der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung standen und demzufolge auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe hatten (§§ 100,103 Abs. 1,134 AFG). Mangels eigener Einkommensmöglichkeiten waren Asylbewerber daher auf Fremdhilfe, d. h. regelmäßig auf staatliche Hilfe in Form von Sozialhilfe angewiesen42. Eine Änderung trat durch das am 1.1.1991 (Art. 15 Abs. 2 Satz 1) in Kraft getretene AuslG n. F. 4 3 insoweit ein, als die Wartezeiten nach § 19 Abs. 1 a Sätze 1 und 2 AFG dann vorzeitig enden, wenn dem Asylbewerber nach Antragstellung eine Aufenthaltsgenehmigung oder nach unanfechtbarer Ablehnung des Antrags eine Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG erteilt wird (Art. 6 Ziff. 1 b, cc AuslG n. F.). Gemäß § 19 Abs. 4 Satz 2 AFG n. F. können die in § 19 Abs. la, l b AFG genannten Wartezeiten durch Rechtsverordnung verkürzt und gleichzeitig bestimmt werden, daß vor Ablauf der Wartezeiten Erlaubnisse für Beschäftigungen von jeweils längstens 3 Monaten jährlich erteilt werden (Art. 6 Ziff., 1 c AuslG n. F.). Durch Art. 1 Ziff. 1 a des Gesetzes zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften vom 21. 6. 1991 (BGBl. 40 BGBl 1981 I, S. 802; vgl. hierzu Mülheims, Arbeitsverbot für Asylbewerber, 1991, S. 33. 41 BGBl 1981 I, S. 1042. 42 Zur Relevanz der Neuregelung des Arbeits Verbots nach § 19 Abs. 1 a -1 c AFG für das Nachrangprinzip nach § 2 Abs. 1 BSHG vgl. Kap. 9, H.2.C., 2b 5-28010/4; zur Erteilung der esonderen Arbeitserlaubnis aus Härtegründen (§2 Abs. 6 AEVO) an abgelehnte, aber im Besitze einer Aufenthaltserlaubnis befindliche Asylbewerber vgl. BSG, NVwZ 1990,197; zu den Tendenzen einer Lockerung des Arbeitsverbots (Beschränkung auf 3 Monate) vgl. JBStT 1989, Nr. 6, S. 10 f. . 43 BGBl 1990 I, S. 1354 ff.; zu den Änderungen in § 120 BSHG vgl. FN 29 a.

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I S. 1306) wurden die Absätze l a - l e von § 19 AFG mit Wirkung zum 1.7. 1991 (Art. 10 S. 1) gänzlich aufgehoben.

4. Verbot der Zahlung von Kinder- und Erziehungsgeld Als weiterer Bestandteil des Sofortprogramms vom 18.6.1980 wurde für die Dauer des Asylverfahrens die Auszahlung von Kindergeld an Asylbewerber untersagt. Bis Mitte 1980 erhielten Asylbewerber gemäß § 1 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) Kindergeld, da nach Antragstellung der Aufenthalt im Bundesgebiet als „gewöhnlicher Aufenthalt" betrachtet wurde. Mit Erlaß vom 27.6.1980 ordnete der Bundesarbeitsminister unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG 4 4 an, daß bei Asylbewerbern vor der bindenden oder rechtskräftigen Feststellung des Asylrechts davon auszugehen sei, daß sie im Bundesgebiet einschließlich des Landes Berlin nur einen vorübergehenden, also keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 1 Nr. 1 BKGG iVm § 30 Abs. 3 SGB I haben. Während der Dauer des Asylverfahrens bestand (und besteht) daher regelmäßig kein Kindergeldanspruch. Im Falle der bindenden oder rechtskräftigen Feststellung, daß der Asylbewerber Asylrecht genießt, ist Kindergeld seit dem Tage der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland oder das Land Berlin rückwirkend zu zahlen. Mit weiterem Urteil vom 5.6.1982 45 stellte das BSG klar, daß auch bei Vorliegen einer Aufenthaltsgestattung kein — auf Dauer — rechtlich gesicherter Aufenthaltsstatus im Sinne des § 1 Nr. 1 BKGG begründet sei. Zudem sprächen Sinn und Zweck der Kindergeldgewährung gegen eine Anspruchsnormierung für Asylsuchende: „Wer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Kind aufzieht, und dadurch einen Beitrag zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Gesellschaft in diesem Staat leistet, erhält für die dem Interesse der Sicherung des Bestandes der staatlichen Gemeinschaft dienenden persönlichen und finanziellen Opfer den bereits erwähnten 'gewissen Ausgleich' von dieser staatlichen Gesell44 Zitiert bei Orschler, Die Rechtsstellung des Asylbewerbers, 1983, S. 163; BSGE 49, 287; BSG, NVwZ 1983, 246; zur Gegenansicht vgl. die bei Orschler, Die Rechtsstellung des Asylbewerbers, 1983, S. 177, FN 91, genannte Rspr.; zur Kritik dieser Rspr. vgl. umf. Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Bd. 1, § 3, Rn. 1207 ff., wo zutreffend darauf hingewiesen wird, daß zahlreiche Sozialgerichte im Hinblick auf das durch die §§ 19 ff. AsylVfG neugeschaffene Rechtsinstitut der Aufenthaltsgestattung die Auffassung vertreten haben, daß der Rspr. des BSG — die vor dem Inkrafttreten des AsylVfG erging — kraft Gesetzes der Boden entzogen sei, da Asylsuchende nunmehr ein Aufenthaltsrecht kraft Gesetzes hätten. Dem Grundrecht auf Asyl komme schließlich aufenthaltsrechtliche Bedeutung zu; wenn die Zahlung von Kindergeld aus politischen Gründen nicht gewollt sei, dann müsse dies im BKGG zum Ausdruck kommen, was bislang indessen nicht der Fall war; vgl. hierzu SG Heilbronn, InfAuslR 1981, 92; SG Kassel, InfAuslR 1981, 247; SG Hamburg, InfAuslR 1982, 33. 45 BSGE 53, 294 = InfAuslR 1982, 802; vgl. auch Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Bd. 1, §3, Rn. 1209 ff.; bestätigt durch Urteil v. 17.5.1989, NVwZ-RR 1989, 651.

IV. Die sozialhilferechtliche Stellung asylsuchender Ausländer

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schaft. Dem ist nicht so beim Asylbewerber, sondern mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erst beim anerkannten Asylberechtigten. Erst wenn feststeht, daß eine politische Verfolgung den Asylantrag rechtfertigt, erhält der Asylbewerber durch die ihm zu erteilende Aufenthaltserlaubnis das Recht, sich zeitlich unbegrenzt in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Erst dann kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt oder einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründen und erst dann kann erwartet werden, daß die hier von ihm aufgezogenen Kinder zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland beitragen."46 Judikatur und Verwaltungspraxis orientierten sich an den Grundsätzen des erwähnten Urteils des BSG vom 15.6.1982, obwohl sich auch in den Beschlußgründen mehrerer beim Bundesverfassungsgericht anhängiger Vorlagen Zweifel an der Richtigkeit der bundessozialgerichtlichen Auslegung der §§ 30 Abs. 3 SGB I, 1 Abs. 1 Nr. 1 BKGG erkennen ließen. Das Bundesverfassungsgericht hatte offensichtlich eine verfassungsrechtliche Beanstandung deshalb nicht in Betracht gezogen, weil es sich um eine Auslegung und Anwendung einfachen Rechts handelte, die sich noch im Rahmen des methodisch Vertretbaren hielt und daher der Überprüfungsbefugnis durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen war 47 . Aus den bezüglich der Ablehnung der Gewährung von Kindergeld entwickelten Grundsätzen kam auch eine Inanspruchnahme von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub nach dem „Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub" (Bundeserziehungsgeldgesetz — BErzGG) 48 nicht in Betracht. Mit der Begründung, der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I iVm § 1 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG setze voraus, daß ein Ende des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland aus der Sicht der in Frage kommenden Bezugszeit nicht zu erwarten ist, hatte das BSG im Urteil vom 25.6.1987 49 einen Anspruch von Asylbewerbern auf den Bezug von Erziehungsgeld verneint. Es war in diesem Zusammenhang der Argumentation des SG Kassel nicht gefolgt, das die Verfahrensdauer des Anerkennungsverfahrens für entscheidend erachtete. Ausschlaggebend

4 6 Zur Kritik an dieser Rspr., vor allem mit der Begründung, daß hierdurch unzulässigerweise rechtliche Erwägungen in die Begriffsbestimmung zu § 30 SGB I einfließen, die sich nicht mehr allein an wirtschaftlichen bzw. tatsächlichen Gegebenheiten orientieren, vgl. SG Aachen, Urt. v. 16.3.1983, S 10 Ar 223/82, in: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Bd. 1, § 3, Rn. 1212. 47 Vgl. BVerfG, Vorprüfungsausschuß, Beschlüsse v. 26.11.1982 (1 BvR 75, 1201 und 1256/82) sowie v. 7.12.1984 (1 BvR 558/83), unveröff.; vgl. jedoch die Mitt. in InfAuslR 1983, 96 sowie Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Bd. 1, § 3, Rn. 1220. 48 vom 6.12.1985, BGBl I, 2154. 49 BSGE 82, 67 ff.

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. Kap.: Unterbringung und V e r u n g

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„muß deshalb der Umstand sein, daß der Klägerin als Asylbewerberin der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nur zeitlich befristet und jedenfalls nicht für die Dauer des Asylverfahrens hinaus gestattet worden ist. Es bleibt damit ungewiß, ob die Klägerin sich auch noch nach dem Ende des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten darf. Daran ändert nichts, daß das SG den — inzwischen abgelehnten — Asylantrag nicht für offensichtlich unbegründet gehalten hat. Unerheblich ist femer, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Klägerin bei einem erfolgreichen Ausgang des Asylverfahrens mit einer Ausweisung rechnen müßte. Sie gehört jedenfalls nicht zu einer Personengruppe, deren Angehörige nach den Erkenntnissen zur Zeit der streitigen Bezugszeiten des Erziehungsgeldes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bei einem solchen Verfahrensausgang nicht aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen werden." Nach dem Urteil des BSG vom 16.12.1987 50 liegt — ausnahmsweise — auch vor der unanfechtbaren „positiven" Verbescheidung des Asylantrags ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I dann vor, wenn der Asylbewerber selbst im Falle eines negativen Ausgangs des Asylverfahrens nicht mit der Abschiebung in den Heimatstaat rechnen muß. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat diesem Judikat ausweislich der Besprechung vom 2./3.11.1988 51 durch eine entsprechende Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Rechnung getragen, wonach ein Anspruch nach dem BKGG frühestens begründet werden kann, wenn sich Personen, gegenüber denen trotz fehlender Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgesehen wird, ununterbrochen 12 Monate in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) geduldet aufgehalten haben52.

so ZFS 1988, 85; fortgeführt durch Urteil vom 23. 2. 1988, 10 RKg 20/86, 21/86, 16/87, 17/87; vgl Hönsch, in: Doetsch, Handbuch des Sozialrechts, Bd. 5, Gruppe 9, Erl. 321a. 51 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung an Deutschen Landkreistag, IIb 5-28010/4, 28093-1/1 v. 11.11.1988. 52 Vgl. hierzu das 12. Änderungsgesetz v. 30.6.1989, BGBl I, S. 1294, sowie die Würdigung durch Haberland, ZAR 1989, 146. Nach § 1 Abs. 3 BKGG i. d. F. vom 25. 7. 1989 (BGBl. I S. 1551) haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten, Ansprüche nur dann, wenn sie nach den §§51,53 oder 54 des Ausländergesetzes auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr. Die infolge Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990 i. V. m. Anlage I zum Gesetz vom 23. 9. 1990 (BGBl. II S. 885, 1093), Haushaltsbegleitgesetz 1991 vom 24. 6. 1991 (BGBl. I S. 1314) und SteuerÄndG 1991 vom 24. 6. 1991 (BGBl. I S. 1322) eingetretenen Änderungen ließen § 1 Abs. 3 BKGG unberührt. Der Bezug von Erziehungsgeld durch Ausländer setzt gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG i. d. F. vom 25. 7. 1989 (BGBl. I S. 1551) demgegenüber desn Besitz eine Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis voraus.

Kapitel 9

Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern als genuin staatliche Aufgaben I. Unterbringung und Versorgung in der Verwaltungskompetenz des Bundes? 1. Die Rechtslage nach den §§ 39, 40 AuslG a. F. a) Bestimmungsrecht, nicht aber Errichtungskompetenz des Bundes für Sammellager Die §§ 39, 40 AuslG statuierten nach h. M. sowohl ein Recht als auch die Pflicht des Asylbewerbers, im Sammellager Aufenthalt zu nehmen; Duldung nach § 17 AuslG a. F. (iVm AuslVwV, § 17 Nr. 1 a, § 40 Nr. 7-9) bzw. unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG fließende Aufenthaltsgestattung 1 konnten nach einhelliger Meinung auch unter Geltung der §§ 39, 40 AuslG a. F. auf den Lagerbezirk beschränkt werden (vgl. die jetzige Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) 2 . Ungeachtet der Tatsache, daß das als Bundessammeilager konzipierte Lager Zirndorf bei Nürnberg seit 1978 nur noch als bayerisches Landeslager geführt wurde, bestand die rechtliche Verpflichtung zur Errichtung von Sammellagern fort 3 . In diesem Zusammenhange war und ist zu klären, ob der Vollzug der in den §§39 und 40 AuslG a. F. statuierten Unterbringungspflicht dem Bund oder den Ländern oblag. Diese Frage ist anhand der Vorschriften des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes — „Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung" — zu beantworten. Bundesgesetze werden entweder in der Form der Landes- oder aber der Bundesverwaltung ausgeführt. Als Regelvollzug legt der VIII. Abschnitt des Grundgesetzes in Art. 83 die Ausführung als allgemeine Angelegenheit der Länder (soge1 BVerwGE 62, 206 = DVB1 1981, 1097 = EzAR 221, Nr. 7. 2 Vgl. hierzu BayVGH, DÖV 1979, 836; VG Hamburg, InfAuslR 1980, 126. 3 Vgl. hierzu Hofmann, Asylrecht und kommunale Selbstverwaltung, ZAR 1983, 138 ff., 139.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

nannte landeseigene Verwaltung) fest. Art. 83 GG ist eine materielle Zuständigkeitsverteilungsnorm in Form einer Generalklausel; dies ergibt sich bereits bei strenger grammatikalischer Auslegung aus Art. 83, 2. HS GG, der den „Gesetzesvorbehalt" für den Grundsatz der Länderexekutive formuliert. Danach ist landeseigene Verwaltung nur gegeben, wenn und soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt. Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG ermächtigt demgegenüber für Gebiete, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht, zur Errichtung selbständiger Bundesoberbehörden und neuer bundesunmittelbarer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetz. Art. 87 ist demnach wie Art. 86 GG eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 83 GG, der dem Bund eine zusätzliche Kompetenz eröffnet; insoweit ist Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur Organisations-, sondern auch Kompetenznorm 4. Die Besonderheit von Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG liegt darin, daß in Durchbrechung des sonst geltenden Prinzips der strikten Trennung von Gesetzgebungsund Verwaltungszuständigkeit der Bundesvollzug von Bundesgesetzen als (fakultative) bundeseigene Verwaltung an die Voraussetzungen der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes geknüpft wird 5 . Diese betrifft nach zutreffender h. M. auch den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, hier im Sinne vom Art. 74 Nr. 4 iVm Art. 72 Abs. 2 Nr. 1,2 GG. Nach Art. 74 Nr. 4 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer; dieser Zuständigkeitsbereich ist identisch mit der „Fremdenpolizei" iSv Art. 7 Nr. 4 Weimarer Reichsverfassung 6 und umfaßt die gesetzlichen Voraussetzungen für das Verweilen von Ausländern einschließlich des Wohnsitznehmens im Geltungsbereich des Ausländergesetzes („Aufenthalt") für die ortsfeste Begründung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit von natürlichen oder juristischen Personen 7 . Da der Antrag auf Gewährung von Asyl nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG die Anwesenheit des Bewerbers im Sinne eines Verweilens bzw. Wohnsitznehmens im Geltungsbereich des Grundgesetzes voraussetzt, dem Asylbewerber folglich aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ein subjektiv öffentliches Recht auf Aufenthalt 4 Vgl. von Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, 1973, Bd. 3, Anm. I, 3 a zu Art. 87 (S. 2253); Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetzkommentar, Anm. 1 zu Art. 87; BVerfGE 14, 197, 210. 5 Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG setzt dagegen nicht voraus, daß die Verwaltungszuständigkeit des Bundes im Grundgesetz schon anderweitig begründet oder zugelassen ist (BVerfGE 14, 197, 210). Auch kommt es bei der Errichtung nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG auf den Gebieten, auf denen der Bund die konkurrierende Gesetzgebung hat, nicht auf das Vorliegen eines Bedürfnisses iSv Art. 72 Abs. 2, 1. HS GG an; vgl. hierzu Hofmann, Asylrecht und kommunale Selbstverwaltung, ZAR 1983, 138 ff., 140 m. Anm. 24. 6 Vgl. Kimminich, in: Bonner Kommentar, Zweitbearb., 1968, Anm. I zu Art. 74. 7 Vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetzkommentar, Anm. 38 f. zu Art. 74; Kimminich, in: Bonner Kommentar, Anm. II 3 zu Art. 74.

I. Verwaltungskompetenz des Bundes?

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zusteht, Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG aber ein sogenanntes „verwaltetes Grundrecht" ist, d. h. jeder Asylsuchende ein behördliches bzw. verwaltungsgerichtliches Anerkennungsverfahren durchlaufen muß, umfaßt Art. 74 Nr. 4 GG auch die Regelungsbefugnis für das Asylverfahrensrecht. Von dieser Gesetzgebungskompetenz hatte der Bundesgesetzgeber durch Erlaß des Ausländergesetzes Gebrauch gemacht, das in den §§ 1 ff. das (allgemeine) Aufenthalts- und Niederlassungsrecht, in den §§28-40 das Asylverfahren regelte und insoweit die Ausländerpolizeiverordnung vom 22.8.1938, das Gesetz über das Paß-, Ausländerpolizei- und das Melde wesen sowie über das Aus weis wesen vom 11.5.1937 und die Asylverordnung vom 6.1.1953 aufgehoben hat. Zur Durchführung des Anerkennungsverfahrens hatte der Bundesgesetzgeber in § 29 Abs. 1 AuslG a. F. in Wahrnehmung der Kompetenzzuweisungsnorm des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in ausschließlicher Zuständigkeit bestimmt. Aus dem Zusammenspiel von § 31 Satz 1 AuslG a. F. — der das Erfordernis der Anwesenheit des Asylbewerbers für die Dauer des Asyl Verfahrens normierte — mit den §§39 und 40 AuslG a. F. ergab sich aber keine Verwaltungskompetenz des Bundes für die Unterbringung von Asylbewerbern. Deutlich wird dies daran, daß der Bundesregierung in § 39 AuslG a. F. lediglich — im Benehmen mit der zuständigen Landesregierung — ein Bestimmungsrecht hinsichtlich der Sammellager zustand. Diese Konstruktion ergibt sich daraus, daß die Zuweisung der „noch" nicht anerkannten Asylbewerber nach dem Beschluß der Konferenz der Innenminister und -Senatoren des Bundes und der Länder vom 15.2.1974 der Aufnahmekapazität der Bundesländer und damit letztlich deren Verwaltungs-und Steuerkraft Rechnung tragen sollte; § 39 AuslG a. F. war damit Ausfluß der Verpflichtung des Bundes zum länderfreundlichen Verhalten 8. Aus dem der Bundesregierung eingeräumten Bestimmungsrecht folgt argumento e contrario, daß die in den §§ 39, 40 AuslG a. F. niedergelegte Pflicht der Sorge zur Unterbringung und Versorgung der Landeseigenverwaltung zukommt (Art. 83, 2. HS GG) 9 . Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die im Gutachten Zacher 10 enthaltene Bemerkung, nach Schließung des Zirndorfer Lagers als bundeseinheitliches 8 Vgl. hierzu allg. BVerfGE 1, 117, 131; 1, 299, 315 f.; 3, 52, 57; 12, 205, 255 f. Vgl. hierzu Hofmann, Asylrecht und kommunale Selbstverwaltung, ZAR 1983, 138 ff., 141; VG München, EzKommR 2120.63; BayVGH, BayVBl 1989, 370 = FSt 1989, Nr. 140, S. 401 = EzKommR 2120.65; zu der sich aus der nach § 22 AsylVfG angeordneten Mischverwaltung ergebenden Problematik vgl. Thoma, die Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern, 1990, S. 41 ff., der die in BVerwGE 63, 1 f., 30 ff. genannten Voraussetzungen als nicht gegeben ansieht. 10 Rechtsgutachten über die Frage, ob und inwieweit die Landeshauptstadt München durch die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern rechtswidrig belastet ist und welche Erstattungsansprüche gegenüber dem Freistaat Bayern sich daraus ergeben, 1988 (Masch.), S. 29. 9

14 Hofmann-Hoeppel

2 1 0 9 .

Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

Sammellager sei die Unterbringungslast auf die Länder übergegangen. Zwar stellt auch Zacher fest, es sei nach Schließung des Zirndorfer Lagers beim ausländerrechtlichen Charakter der Pflicht zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern geblieben; gleichwohl ist daran festzuhalten, daß sich aus den §§ 39, 40 AuslG a. F. eine Verwaltungskompetenz des Bundes hinsichtlich der Errichtung und Unterhaltung von Sammellagern nicht ergab. b) Keine Verwaltungskompetenz

des Bundes kraft Sachzusammenhangs

Eine Verwaltungskompetenz des Bundes ergab sich auch nicht aus der Überlegung, der nach § 31 Satz 1 AuslG a. F. für die Dauer des Anerkennungsverfahrens erforderliche Aufenthalt im Sammellager (§ 40 AuslG a. F.) stehe in untrennbarem Regelungszusammenhang mit der Durchführung des Asylverfahrens (Verwaltungskompetenz kraft Sachzusammenhangs)11. Wiewohl § 31 Satz 1 AuslG a. F. die Erforderlichkeit des Aufenthalts des Ausländers während der Dauer des Anerkennungsverfahrens normierte, war doch § 40 Abs. 1 und Abs. 2 AuslG a. F. zu entnehmen, daß diese Norm lediglich ein Aufenthaltsrecht des Ausländers — beschränkt auf den Lagerbezirk — begründete, im übrigen aber davon ausging, daß die Anwesenheit des Asylbewerbers im Lagerbezirk für die Durchführung des Asylverfahrens entbehrlich war 12 . Nach der ursprünglichen, in den §§ 39,40 AuslG a. F. konkretisierten Konzeption des Ausländergesetzes diente der Aufenthalt im Sammellager zum einen der reibungslosen Durchführung des Anerkennungsverfahrens unter dem Aspekt der Gewährung rechtlichen Gehörs, zum anderen dem Bestreben, einer aufenthaltsrechtlichen „Verfestigung" des Status des Ausländers vorzubeugen. Dies ergab sich aus § 38 AuslG a. F., wonach nur die Asylbewerber dem Bundesamt zugeleitet werden konnten, die unerlaubt — d. h. unter Verstoß gegen die §§ 1-9 AuslG a. F. — eingereist waren. Die Anwesenheit im Sammellager kam daher ohnedies nur für jene Asylbewerber in Frage, die unerlaubt aus einem Land in den Geltungsbereich des Ausländergesetzes eingereist waren, in dem sie ihrer Behauptung zufolge politisch verfolgt wurden. Bei aus Drittländern unerlaubt eingereisten Asylbewerbern (§ 38 Abs. 1 iVm § 40 Abs. 2 AuslG a. F.) lag die Entscheidung 11

Vgl. hierzu Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetzkommentar, Anm. 25 ff. zu Art. 70; der für den Bereich der Gesetzgebung entwickelte Begriff der Kompetenz kraft Natur der Sache — zur unterschiedlichen Terminologie vgl. von Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, Anm. IV, 4a zu Art. 70, S. 1393 f. — als ungeschriebene Zuständigkeitsregel gilt auch für den Gesetzesvollzug: vgl. BVerfGE 12, 205, 251; 22, 180, 217. 12 Unzutreffend insoweit Schiedermair, Handbuch des Ausländerrechts, 1968, Anm. 5 zu § 31 (S. 254), wonach unter Anwesenheit der Aufenthalt im Lager zu verstehen sei; zur sozialhilferechtlichen Relevanz des — behördlich nicht genehmigten—Wechsels des Aufenthaltsortes vgl. OVG Münster, ZfSH/SGB 1989, 87 ff. und 263 f.; OVG Hamburg, ZfSH/SGB 1987, 542; OVG Bremen, NVwZ 1987, 920 = ZfSG/SGB 1987, 431.

I. Verwaltungskompetenz des Bundes?

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über den Lageraufenthalt im pflichtgemäßen Ermessen des Bundesamts, bei erlaubt eingereisten Asylbewerbern verbot sich ein Lageraufenthalt. Darüber hinaus sollte ein Ausländer, dem der Aufenthalt im Bezirk des Lagers nach § 40 Abs. 1, Abs. 2 AuslG a. F. gestattet war, nur dann ins Lager aufgenommen werden, wenn er keine anderweitige Unterkunft besaß (AuslVwV Nr. 6 zu § 40 AuslG a. F.). Ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Lageraufenthalt und Durchführung des Asylverfahrens bestand daher nicht. Die Verpflichtung zur Sorge für Unterbringung und Lebensunterhalt von Asylbewerbern erfüllten die Länder daher gem. Art. 83 GG in Landeseigenverwaltung, da sie im Bereich der fakultativen Bundesverwaltung solange und soweit die Verwaltungszuständigkeit besitzen, als der Bund von seinem Recht, diese Gebiete in Verwaltung zu nehmen, nicht in zulässiger Weise Gebrauch gemacht hatte 13 .

2. Die Rechtslage nach den §§ 22, 23 AsylVfG Die ausländerrechtlichen Vorschriften über das Asylverfahren — die §§2846 AuslG a. F. — wurden durch das Asylverfahrensgesetz vom 16.7.1982 abgelöst. Zwar ist Zacher insoweit zuzustimmen, daß die §§ 19-28 AsylVfG die Pflicht zur Unterbringung von Asylbewerbern keineswegs explizit und umfassend beschreiben; gleichwohl kann keine Rede davon sein, die §§ 19-28 AsylVfG böten lediglich „fragmentarische Anhaltspunkte" hinsichtlich der Entscheidung der Frage, wem die Unterbringung von Asylbewerbern zukommt 14 . Nach § 22 Abs. 9 Satz 1 AsylVfG sind die Länder verpflichtet, die aufgrund der Verteilung nach § 22 Abs. 2 AsylVfG zugewiesenen Personen unverzüglich aufzunehmen. § 22 Abs. 9 Satz 1 AsylVfG gilt für diejenigen Asylbewerber, die gem. § 22 Abs. 3-8 AsylVfG zur Realisierung der nach § 22 Abs. 2 AsylVfG festgelegten Belastungsquote zwischen den Ländern verteilt werden, nicht jedoch für solche, die im Einreisebundesland im Rahmen des Quotenkontingents während der Durchführung ihres Anerkennungsverfahrens verbleiben. Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die seitens des Freistaats Bayern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Landeshauptstadt München gegen den Freistaat Bayern wegen Unterbringung von Asylbewerbern 15 vorgebrachte Argumentation einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand hielt. Im Zusammenhang mit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der „Richtlinien über die Unterbringung von asylsuchenden Ausländern in Bayern" vom 23.2.1983 stand der Freistaat Bayern auf dem Standpunkt, er sei nur zuständig für die Aufnahme und Unterbringung der von anderen Bundesländern übernommenen Asylbewerber (Ziff. 3.2.1 13

Vgl. im übrigen Hofmann, Asylrecht und kommunale Selbstverwaltung, ZAR 1983, 138 ff., 141. 14 Vgl. Zacher, Rechtsgutachten, 1988, S. 30. is EzKommR 2120.64. 14*

2 1 2 9 .

Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

und 2.3 der Richtlinien). Soweit die Richtlinien eine freiwillige Bereitschaft des Staates zum Ausdruck brächten, zur Entlastung der Kommunen obdachlose Asylbewerber unterzubringen (Ziff. 2.4 der Richtlinien), bleibe die gesetzliche Zuständigkeit der Gemeinden für diese Asylbewerber unberührt. Bei der ohne Rechtspflicht auf freiwilliger Grundlage angebotenen Hilfestellung zugunsten der Gemeinden als Sicherheitsbehörden (Art. 6 LStVG) könne der Freistaat ohne Rechtsverstoß durch Verwaltungsvorschrift bestimmen, ob, wie und in welchem Umfang diese staatliche Hilfestellung erfolge 16 . Jede andere Betrachtung verkenne, daß es zwei Gruppen von Asylbewerbern gebe, nämlich im Rahmen des Verteilungsverfahrens zugewiesene Asylbewerber und solche, die ihren Antrag in Bayern stellen. Für die erste Gruppe sei die Unterbringung Staatsaufgabe, für die zweite Gruppe Aufgabe der Gemeinden17. Zu Recht haben VG München und BayVGH 1 8 darauf hingewiesen, das Asylverfahrensgesetz verwende einen einheitlichen Asylbewerberbegriff, so daß eine solche Zweiteilung, wie sie der Argumentation des Freistaats Bayern zugrunde lag, auch nicht unter Verweis auf § 22 Abs. 9 Satz 2 AsylVfG begründet werden könne. Im folgenden ist daher davon auszugehen, daß die Frage nach Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern nur einheitlich beantwortet werden kann. Aus der Zusammenschau der Regelungen in § 22 Abs. 9 Satz 1, Satz 2 AsylVfG sowie der in § 23 AsylVfG zum Ausdruck kommenden Verpflichtung, Asylbewerber in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, ergibt sich die genuin staatliche Verpflichtung der Bundesländer zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern schlechthin, d. h. ohne Rücksicht auf die in § 22 Abs. 9 AsylVfG getroffene Differenzierung. Diese Rechtsansicht wird im übrigen durch den asylrechtlichen „Funktions- und Verantwortungszusammenhang" 1 9 gestützt, dem sogleich nachzugehen sein wird.

16 Vgl. VG München, EzKommR 2120.64, S. 6 f. des Urteilsabdrucks, π VG München, EzKommR, 2120.64, S. 9 des Urteilsabdrucks, is VG München, EzKommR, 2120.64, S. 16 des Urteilsabdrucks; BayVGH, EzKommR 2120.65; vgl. hierzu die Anm. von Hofmann, EzKommR, 2120.65, sowie Link, Sozialhilfe für Asylbewerber, ZfSH/SGB 1989, 521 ff., 522. 19 Diese Terminologie entstammt dem Gutachten Zacher, S. 31 ff.; die Frage der Vereinbarkeit von § 19 Abs. 1 a AFG a. F. mit Art. 16 Abs. 2 s. GG, Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG wird im folgenden nicht untersucht; vgl. hierzu Mülheims, Arbeitsverbot für Asylbewerber, 1991, mit überzeugender Begründung S. 129 ff., 133, 134 ff., 161 ff., 196, 213.

II. Asylrechtlicher Funktions- und Verantwortungszusammenhang

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II. Der asylrechtliche „Funktions- und Verantwortungszusammenhang 44 der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern 1. Die leistungsrechtliche Komponente von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG Ungeachtet des dogmatischen Streits darüber, ob Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG lediglich staatsgerichtetes Abwehrrecht oder — darüber hinausgehend — positives Statusrecht 20 sei, läßt sich in Anlehnung an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.10.1975 21 feststellen, daß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG über einen „klar umrissenen und unverzichtbaren Kerngehalt" hinaus die Schaffung von Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Asylbewerber verbürgt, „wozu in erster Linie ein gesicherter Aufenthalt sowie die Möglichkeit zu beruflicher und persönlicher Entfaltung gehören" 22 . Zachers Feststellung kann daher zugestimmt werden, Inhalt dieser Aufgabe sei, „vor dem Hintergrund der Menschenwürdegarantie, der diesbezüglichen staatlichen Pflichten aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und allen anderen Menschen(und nicht bloßen Deutschen-)Rechten des Grundgesetzes (insbesondere Art. 2, 3, 4, 5, 6, 10, 13, 14, 17 GG) jedenfalls ein Mindestmaß an Unterbringung, Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung sowie Hilfeleistungen und Unterstützung in Notfällen, schlicht die Gewährung einer menschenwürdigen Existenz" 23 . Über diese unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG fließende verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Schaffung der Voraussetzungen für eine materielle Grundsicherung der Asylbewerber hinaus ist freilich daran zu erinnern, daß das Bundesverwaltungsgericht in der o. g. Entscheidung darauf hingewiesen hat, Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG sei eine „offene Norm", die zwar eine Grundregel aufstelle, im übrigen aber einen ergänzenden Regelungsauftrag an den Gesetzgeber enthalte, bei dessen Verwirklichung ein erhebliches Maß an Gestaltungsfreiheit existiere. Daß der historische Verfassungsgeber im übrigen die materielle 20 Im ersteren Sinne insb. Huber, Ausländer- und Asylrecht, 1983, Rn. 439; Marx I Straate I Pfaff, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1987, § 1, Rn. 400; Baumüller, Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG als Grundrecht des status negativus, NVwZ 1982, 222; von Pollern, in: Βeitz / Wollenschläger, Handbuch des Asylrechts, 1980, Bd. 1, S. 192 m. w. N.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 1987, Rn. 1076; sowie neuerdings Selk, Michael, Asylrecht und Verfassung — Erforderlichkeit bzw. Möglichkeiten einer Änderung des Art. 16 II 2 GG, Frankfurt 1990; für die Ausrichtung als positives Statusrecht vgl. Kimminich, Zur Theorie der immanenten Schranken des Asylrechts, JZ 1965, 745; Randelzhof er, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetzkommentar, Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, Rn. 117. 21 BVerwGE 49,202; vgl. hierzu Mülheims, Arbeitsverbot für Asylbewerber, S. 66 ff. 22 BVerwGE 45, 202, 206. 23 Vgl. Zacher, Rechtsgutachten, S. 24.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

Grundsicherung von Asylbewerbern bedacht hat, ergibt sich aus den Beratungen im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates, insbesondere der 2. Lesung in der 44. Sitzung des Hauptausschusses vom 19.1.1949, in der der Abgeordnete Renner (KPD) den Vorschlag einbrachte, den damaligen Art. 17 Abs. 2 des Entwurfs wie folgt zu formulieren: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht einschließlich des Rechtes auf Arbeit" 24 . Aufschlußreich ist es in diesem Zusammenhang auch, daß der Vorstoß Renners im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates deshalb nicht weiter verfolgt wurde, weil der Vorsitzende des Hauptausschusses, Dr. Schmid (SPD), die Entbehrlichkeit des von Renner angebrachten Zusatzes „Recht auf Arbeit" unter Hinweis auf Art. 2 GG konstatierte. Die Staatsaufgabe „Asylgewährung" erschöpft sich also nicht im bloßen Vorhalten eines adäquaten VerwaltungsVerfahrens, das der Prüfung der Frage dient, ob Asylberechtigung im materiellen Sinne gegeben ist, sondern umfaßt darüber hinaus auch alle Maßnahmen, die zur Behebung der situationstypischen Bedürftigkeit von Asylbewerbern erforderlich sind.

2. Die asylrechtlichen Zweckvorgaben Zacher hat in seinem Rechtsgutachten zutreffend darauf hingewiesen, daß die Unterbringungsverpflichtung gegenüber Asylbewerbern unlösbare Verknüpfungen mit asylrechtlichen Zweckvorgaben besitzt und in ihrer Gesamtheit ausländerpolitischen Vororientierungen unterliegt 25 . Ist Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ein sogenanntes „verwaltetes Grundrecht" 26 , so ist primäre Zweckvorgabe der Norm das Gebot eines effizienten asylrechtlichen AnerkennungsVerfahrens. Technisch bedeutet diese Funktionsvorgabe, daß der Asylbewerber verfügbar sein muß, am Verfahren mitwirken und die erforderlichen Rechtsmittel selbst bzw. durch seine Prozeßvertreter einlegen kann. Voraussetzung hierfür ist der Aufenthalt im Geltungsbereich des Asylverfahrensgesetzes. Da dem Asylbewerber darüber hinaus jede selbständige oder nicht selbständige Erwerbstätigkeit aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben (§19 Abs. l a - l c AFG bis 30. 6. 1991 gem. Art. 10 Satz 1 des Gesetzes vom 21. 6. 1991, BGBl. I S. 1306) verwehrt war, umfaßte die staatliche Vorsorge nicht nur die Unterbringung, sondern auch die ökonomische Mindestausstattung des Bewerbers.

24 Vgl. Kreuzberg (Hrsg.), Grundrecht auf Asyl, 1984, S. 44 sowie allg. zur Entstehungsgeschichte von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG Hofmann, Nachfluchtgründe, Rechtsmißbrauch und Asyl, ZAR 1987, 115 ff., 123 ff.; ders., Die Erarbeitung von Art. 16 GG in Herrenchiemseer Verfassungskonvent und Parlamentarischem Rat, 1990, S. 63 ff. 2 5 Vgl. Zacher, Rechtsgutachten, S. 31 ff. 2 6 Vgl. Schaejfer, Asylberechtigung. Politische Verfolgung nach Art. 16 GG, 1980,8 f.

II. Asylrechtlicher Funktions- und V e r a n t w o r t u n g s z u s a m m e n h a n g 2 1 5

Da der Bundesgesetzgeber von der Befugnis zur Regelung der unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Aufgaben der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern sowohl durch die damaligen §§ 39, 40 AuslG a. F. 2 7 als auch durch die §§ 19-28 AsylVfG keinen Gebrauch gemacht hat, verblieb den Bundesländern im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung Raum für gesetzgeberische Aktivitäten in bezug auf die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern. Dies wird auch daran deutlich, daß von dieser Ausgestaltungskompetenz alle deutschen Flächenstaaten — außer Bayern bis 31.12.1989 — Gebrauch gemacht haben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die im Verfahren der Landeshauptstadt München gegen den Freistaat Bayern vor dem Verwaltungsgericht München wie vor dem BayVGH 2 8 vertretene Auffassung des Freistaats, der Bundesgesetzgeber habe es dem Landesgesetzgeber überlassen, ob er tätig werde, unzutreffend ist. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß der unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG resultierende Anspruch auf ein Mindestmaß an Unterbringung und Versorgung einfachgesetzlicher Regelung zugängig und bedürftig ist; zum anderen aus der Tatsache, daß der Bundesgesetzgeber in den §§ 19-28 AsylVfG diesen Bereich im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nicht geregelt hat, so daß Raum für die Landesgesetzgebung bleibt. Ein Bedürfnis nach landesgesetzlicher Regelung würde nur dann nicht bestehen, wenn — wie dies der Argumentation des Freistaats Bayern entsprach — die vorhandenen landesgesetzlichen Regelungen die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG entsprechender Weise normieren würden. Dies ist jedoch nicht der Fall; insbesondere handelt es sich — wie sogleich darzulegen sein wird 2 9 — bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern nicht um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Gemeinden und Landkreise handeln bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern auch nicht als Sicherheitsbehörden im Sinne von Art. 6 LStVG.

3. Versorgung und Unterbringung von Asylbewerbern als „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft" Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nur jene sind, die eine spezifische örtliche Radiziertheit aufweisen 30, verneinen Zacher 31 und — ihm folgend — 27 Vgl. hierzu BWVGH, Der Städtetag 34 (1981), 113 ff. 28 EzKommR 2120.64, S. 9 des Urteilsabdrucks. 29 Vgl. Kap. 9, II.3. 30 Vgl. BVerfGE 8, 122, 134; 52, 95, 120. 31 Zacher, Rechtsgutachten, S. 67 ff.

2 1 6 9 .

Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

VG München 32 sowie BayVGH 3 3 zutreffend die Qualität der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern als kommunale Selbstverwaltungsangelegenheit. Ausschlaggebend hierfür sind insbesondere die nicht gegebenen, für eine Charakterisierung einer Aufgabe als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft unabdingbar zu fordernden Kriterien — eigenverantwortliche und selbständige Bewältigung der Aufgabe 34 , — örtliche Radiziertheit und spezifischer personeller Bezug der Aufgabenerfüllung 35 . Eine sicherheitsrechtliche Aufgabenerfüllung über Art. 6 LStVG im Rahmen der kommunalen Obdachlosenunterbringung kommt deshalb nicht in Betracht, weil — um mit dem Titel eines Aufsatzes von Franz aus dem Jahre 1971 zu sprechen 36 — bei der Unterbringung von Obdachlosen der leistungsrechtliche Aspekt im Vordergrund steht und daher der sicherheitsrechtliche Aspekt — Störung der öffentlichen Ordnung bzw. Sicherheit durch Obdachlose — in den Hintergrund tritt 3 7 . Zacher weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß der durch die herkömmliche sicherheitsrechtliche Dogmatik erfolgten Zuordnung der Obdachlosigkeit als Störung der öffentlichen Ordnung im neueren Schrifttum ohnedies nicht mehr gefolgt wird 3 8 . Demgegenüber knüpfen die „Empfehlungen für das Obdachlosenwesen" des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Arbeit und Sozialordnung vom 15.2.1982 39 immer noch an den sicherheitsrechtlichen Tatbestand der Störung der öffentlichen Ordnung an. Grundsätzlich wird also der Obdachlose als Schutzbedürftiger, nur sekundär auch als Störer relevant. Art. 6 LStVG soll aber die Gemeinden nur in den Stand setzen, Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, nicht aber Aufgaben der staatlichen LeistungsVerwaltung wahrzunehmen 40. 32 EzKommR 2120.64, S. 13 ff. des Urteilsabdrucks. 33 EzKommR 21120.65; der von Thoma (Die Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern, 1990, S. 111) konstatierte „ausgeprägte lokale Bezug" besteht lediglich de facto, nicht aber de jure (vgl. demgegenüber die bei Thoma vorfindbare widersprüchliche Argumentation, S. 195 f.). 34 Vgl. VG München, EzKommR 2120.64, S. 15 f. des Urteilsabdrucks; Zacher, Rechtsgutachten, S. 69 ff. 35 Vgl. VG München, EzKommR 2120.64, S. 14 f. des Urteilsabdrucks; Zacher, Rechtsgutachten, S. 71 f. 36 Franz, Obdachlose sind Hilfsbedürftige und nicht Störer, DVB1 1971, 249 ff. 37 VG München, EzKommR 2120.64; BayVGH, EzKommR, 2120.65; unzutreffend auch hier Thoma, Die Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern, 1990, S. 132 f. 38 Zacher, Rechtsgutachten, S. 51, unter Verw. auf Greifeid, Obdachlose zwischen Polizei und Sozialhilfe, JuS 1982, 819; Drews I Wache I Vogel I Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 258; vgl. hierzu Schioer, Bernhard, Der Obdachlose als Störer der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit?, DVB1 1989, 739 ff. 39 I C 2-2105-34/7, MAB1 1982, S. 148.

II. Asylrechtlicher Funktions- und V e r a n t w o r t u n g s z u s a m m e n h a n g 2 1 7

Eine Begründung der Verwaltungszuständigkeit der kreisfreien Gemeinden in ihrer Funktion als Kreisverwaltungsbehörden nach Art. 9 Abs. 1 GO konnte entgegen der Auffassung des Freistaats Bayern ebenfalls nicht in Betracht kommen, da Art. 9 Abs. 1 BayGO eine Zuständigkeit der kreisfreien Gemeinden nur für solche Aufgaben begründen kann, für die die Kreisverwaltungsbehörden gesetzlich zuständig sind 41 . Art. 9 Abs. 1 BayGO stimmt insoweit mit dem Grundsatz des Art. 77 Abs. 1 Satz 1 Β V überein, wonach die Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung, die Regelung der Zuständigkeiten und der Art der Bestellung der staatlichen Organe durch Gesetz erfolgt. Da ein solches Gesetz für den Freistaat Bayern nicht existierte, kam auch eine Zuständigkeit der kreisfreien Gemeinden über Art. 9 Abs. 1 BayGO nicht in Betracht 42 . Da Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayGO demzufolge keine Ausnahme vom Erfordernis der gesetzlichen Bestimmung administrativer Zuständigkeiten (Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BV) und kommunaler Aufgaben (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 10 Abs. 2, 3, 11 Abs. 2, 3 ΒV) noch eine Ausnahme von dem verfassungsbestimmten (Art. 83 Abs. 3 BV) Gebot des Art. 8 Abs. 4 BayGO darstellt, fehlte es für den Freistaat Bayern an einer rechts wirksamen Übertragung der Aufgabe der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern auf die Gemeinden mit der weiteren Folge, daß die seitens des Freistaats Bayern erlassenen Unterbringungsrichtlinien rechtswidrig waren 43 .

4. Die Gewährung von Sozialhilfe an Asylbewerber Angesichts der seit dem 1.1.1984 geltenden Fassung von §120 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 1 BSHG stellte sich die Frage, ob die unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG fließende Aufgabe der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern auf das Sozialhilferecht schlechthin verlagert wurde. Bedeutung kommt dieser Frage insbesondere unter Beachtung des in § 2 Abs. 1 BSHG normierten Grundsatzes der Subsidiarität der Sozialhilfe zu.

40 Vgl. Zacher, Rechtsgutachten, S. 51 ff.; VG München, EzKommR, 2120.64, S. 17 des Urteilsabdrucks. 41 VG München, EzKommR, 2120.64, S. 18 f. des Urteilsabdrucks; BayVGH, EzKommR, 2120.65. 42 Vgl. Zacher, Rechtsgutachten, S. 75 und 90; VG München, EzKommR, 2120.64, S. 18 f. des Urteilsabdrucks; BayVGH, EzKommR, 2120.65. 43 Das Urteil des BayVGH v. 22.3.1989 wurde infolge Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zunächst nicht rechtskräftig (vgl. BLD Nr. 86 v. 10.5.1989, S. 2). Der bayerische Gesetz- bzw. Verordnungsgeber hat dem Judikat des BayVGH durch das ab 1.1.1990 in Kraft befindliche Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern (AsylAufnG) v. 22.12.1989 (GVB1S. 714) und durch die erlassene AVAsylVfG v. 19.12.1989 (GVB1 S. 721) Rechnung getragen.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

a) Der Grundsatz der Subsidiarität

der Sozialhilfe

Schlüsselt man den Grundsatz des in § 2 Abs. 1 und 2 BSHG niedergelegten Nachrangs der Sozialhilfe — auch Prinzip der fürsorgerischen bzw. materiellen Subsidiarität genannt — anhand von § 2 Abs. 1 und 2 BSHG im einzelnen auf, so wird ersichtlich, daß die Sozialhilfe nachrangig ist gegenüber — Möglichkeiten der Selbsthilfe (§ 2 Abs. 1,1. Alt. BSHG), — tatsächlichen Leistungen Dritter (§ 2 Abs. 1, 2. Alt. BSHG), — Leistungsverpflichtungen Dritter (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG), — bestimmten Ermessensleistungen Dritter (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BSHG) 44 . Dieser soeben aufgefächerte Nachrang der Sozialhilfe hat seinen Grund darin, daß die Sozialhilfegewährung Ausnahmecharakter trägt; ihr Leistungsgrund ist der anderweitig nicht gedeckte Bedarf. Aus § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG ergibt sich insbesondere, daß auf anderen Rechtsgründen beruhende Leistungen Dritter den Nachrang der Sozialhilfe ebenfalls eintreten lassen; ebenso verhält es sich mit tatsächlichen Leistungen Dritter, auf die der Hilfeempfänger keinen Anspruch hat; auch sie schließen nach dem Bedarfsprinzip und dem Nachrang der Sozialhilfe Leistungen nach dem BSHG aus, soweit sie die Notlage tatsächlich beheben45. Aus diesem Grunde haben die Verwaltungsgerichte bereits zur Zeit der bundeseinheitlichen Sammelunterbringung und Versorgung von Asylbewerbern nach den §§39 und 40 AuslG a. F. diese ausländerrechtlichen Leistungen als „erforderliche Hilfe von einem anderen" im Sinne von § 2 Abs. 1 BSHG mit der Folge eingestuft, daß die Gewährung von Sozialhilfe dem Grunde nach ausschied46. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Klassifizierung der in Sammelunterkünften gewählten tatsächlichen Leistungen an Asylbewerber als „erforderliche Hilfe von einem anderen" im Sinne von § 2 Abs. 1 BSHG läßt sich dahingehend differenzieren, daß der Nachrang der Sozialhilfe nicht nur dann eintritt, wenn Leistungen zur Existenzsicherung in Sammelunterkünften tatsächlich gewährt wurden, sondern auch dann, wenn der Asylbewerber die Leistungen in Sammelunterkünften tatsächlich nicht in Anspruch nahm, obwohl er aufgrund (nicht bestandskräftiger) ausländerrechtlicher Verfügung hierzu verpflichtet war. Nach einer weitergehenden Auffassung sollte für den Eintritt des Nachrangs der Sozialhilfe nicht entscheidend sein, ob eine ausländerrechtliche Verpflichtung des Asylbewerbers bestand, in der Gemeinschaftsunterkunft Aufenthalt zu neh44

Vgl. Schulte / Trenk-Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 2, Anm. 1. 5 BVerwGE 32, 141; 35, 360 = FEVS 17, 368; BVerwG, NDV 1972, 222; Knopp! Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 1979, § 2, Rn. 2. 4 6 Vgl. OVG Berlin, FEVS 25, 202; BWVGH, ESVGHE 32, 131; BayVGH, FEVS 33, 177; BVerwG, ZfSH/SGB 1984, 9; OVG Saarlouis, FEVS 87, 153. 4

II. Asylrechtlicher Funktions- und Verantwortungszusammenhang

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men 47 . Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich unzweifelhaft, daß Unterbringung und Versorgung in Sammelunterkünften nach den §§39 und 40 AuslG a. F. als „erforderliche Hilfe von einem anderen" im Sinne von § 2 Abs. 1 BSHG zu qualifizieren waren mit der Folge, daß wegen des in § 2 Abs. 1 BSHG normierten Subsidiaritätsprinzips die Gewährung von Sozialhilfe dem Grunde nach nicht in Betracht kam. An dieser Rechtslage hat sich auch nach Obsoletwerden der §§39 und 40 AuslG a. F. infolge NichtVollzugs bzw. Inkrafttreten von § 22 Abs. 2 AsylVfG sowie Verteilung der Asylbewerber nach der am 2.7.1982 zwischen den Bundesländern abgeschlossenen Vereinbarung bzw. der Neufassung von § 22 Abs. 2 AsylVfG i. d. F. d. Bekm. vom 9. 4. 1991 (BGBl. I S. 869) nichts geändert. Die nach Inkrafttreten der Landesaufnahmegesetze gewährten Leistungen stellten ebenfalls keine Leistungen der Sozialhilfe dar, sondern eine der Sozialhilfe vorgreifliche Hilfe eigener, nämlich ausländerrechtlicher Art 4 8 . Das aufgrund der Erörterung der Frage, ob der Aufenthalt eines Asylbewerbers im Bundessammellager Zirndorf nach den §§ 39, 40 AuslG a. F. bzw. in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne des § 23 AsylVfG eine „erforderliche Hilfe von anderen" im Sinne von § 2 Abs. 1 BSHG darstellt, gewonnene Ergebnis — Verpflichtung der Bundesländer nicht nur zur „ A u f n a h m e " der Asylbewerber im Sinne von § 22 Abs. 9 Satz 1 AsylVfG, sondern gleichzeitig zur Unterbringung und Versorgung — wird im übrigen durch die Auslegung von § 108 Abs. 6 BSHG gestützt. § 108 Abs. 6 BSHG — nach dem die Vorschriften über die Kostenerstattung unter Sozialhilfeträgem bei Übertritt aus dem Ausland nach § 108 Abs. 1-5 BSHG nicht für Personen gilt, deren Unterbringung nach dem Übertritt in den Geltungsbereich dieses Gesetzes bundesrechtlich oder durch Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt ist—würde leerlaufen, wenn die Unterbringung 47 Vgl. BayVGH, FEVS 33, 177; BWVGH, ESVGHE 32, 131; a. Α.: VG München, InfAuslR 1984, 150; VG Würzburg, InfAuslR 1984, 18; vgl. im übrigen Zacher, Rechtsgutachten, S. 38 f.; Ο estreicher I Schelter I Kunz, Bundessozialhilfegesetz, § 2, Rn. 11. 48 Vgl. VG Frankfurt, NVwZ 1982, 391 = Marx, Asylrecht, Bd. 1 (Rechtsprechungssammlung mit Erläuterungen), 1984, Stich wort „Sozialhilfe", Nr. 6 (S. 742); a. Α.: Huber, Der Einfluß von Aufnahme und Zuweisungsgesetzen der Bundesländer auf die sozialhilferechtliche Stellung der Asylbewerber, NVwZ 1982, 359 f., der jedoch zu Unrecht darauf abstellt, daß das streitgegenständliche Hessische Gesetz über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge v. 15.10.1980 keinen Leistungsanspruch des einzelnen Asylbewerbers begründet; unzutreffend auch VG Stuttgart, Urt. v. 1.2.1990, 9 Κ 3556/ 89 (unveröff.), das unter Berufung auf §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 3 Abs. 1 Nr. 2 BWAsylbUG (GABI 1989, 866) die Auffassung vertritt, Kosten für Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern seien als Sozialhilfekosten zu qualifizieren. Nach Auffassung des Hess. VGH im B. v. 22. 8. 1990 (9 TG 1491/90, ZfSH/SGB 1991, 421) stellt die Abdeckung des Unterkunftsbedarfs der auf Gemeinden und Landkreise verteilten Asylbewerber eine Leistung von Hilfe zum Lebensunterhalt i. S. d. BSHG dar. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Unterbringung in einer zentralen Einrichtung des Landes i. S. v. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG erfolge.

2 2 0 9 .

Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

im Bundessammellager nach den §§ 39,40 AuslG a. F. bzw. in Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 23 AsylVfG nicht zugleich auch zu Unterbringung und allgemeiner Versorgung verpflichteten. § 108 Abs. 6 BSHG — auch in der Bekanntmachung der Neufassung des BSHG vom 10. 1. 1991 (BGBl. I S. 94) — geht demzufolge davon aus, daß ein interner „Finanzausgleich" zwischen Sozialhilfeträgern für Sozialhilfeleistungen an Personen im Sinne von § 108 Abs. 6 BSHG deshalb keiner Regelung bedarf, weil deren Unterbringung Leistungen nach dem BSHG erübrigt. § 108 Abs. 6 BSHG erfaßte daher bereits die Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern unter der Geltung der §§39 und 40 AuslG a. F. Die Konferenz der Innenminister und -Senatoren des Bundes und der Länder hatte am 15.2.1974 beschlossen, §108 Abs. 1-5 BSHG für asylsuchende Ausländer nicht mehr anzuwenden. Bei einer Besprechung der obersten Landessozialbehörden vom 4. und 5.11.1976 in Bad Oeynhausen wurde durchweg die Auffassung vertreten, daß im Hinblick auf diese Vereinbarung eine Kostenerstattung ausgeschlossen sei 49 . Etwas anderes kann auch nach Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes vom 16.7.1982, geändert durch das 1. Gesetz zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes vom 1.7.1984 50 , das Gesetz zur Änderung asylverfahrensrechtlicher, arbeitserlaubnisrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften vom 6.1.1987 51 sowie durch die Neubekanntmachung vom 9. 4. 1991 (BGBl. I S. 969) nicht gelten. Ausländer, die vom Asylverfahrensgesetz erfaßt werden, also in den Geltungsbereich des BSHG in der Absicht eingereist sind, als politisch Verfolgte im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anerkannt zu werden, sind demzufolge solche Personen im Sinne von § 108 Abs. 6 BSHG, deren Unterbringung nach dem Übertritt in den Geltungsbereich des BSHG bundesrechtlich bzw. durch Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt ist. Solange also über den eingebrachten Antrag auf Anerkennung als politisch Verfolgter nicht bestands- bzw. rechtskräftig entschieden ist, kommt eine Kostenerstattung nach § 108 Abs. 1-5 BSHG nicht in Betracht; nach bestands- oder rechtskräftiger Ablehnung des Asylbegehrens greift § 108 BSHG auch nicht rückwirkend ein, d. h. der interne Kostenerstattungsanspruch zwischen den Sozialhilfeträgern lebt nicht wieder auf 52 . Eine Würdigung der unter der Herrschaft der §§39 und 40 AuslG a. F. bzw. §§ 19-28 AsylVfG im Zusammenhang mit dem sozialhilferechtlichen Nachrangprinzip nach § 2 Abs. 1 BSHG ergangenen Rechtsprechung einerseits, der dogma4

9 Vgl. hierzu Oestreicher / Schelter / Kunz, Bundessozialhilfegesetz, § 108, Anm, 12. so BGBl 1984, S. 874. 51 BGBl 1987, S. 89. 52 Vgl. Schulte / Trenk-Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 108, Anm. 4; Jehle / Schmitt, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 108, Rn. 30; Hofmann, Asylrecht und kommunale Selbstverwaltung, ZAR 1983, 138 ff., 139; Zentrale Spruchstelle, Entscheidung Β 77/85 v. 1. 10. 1987, EuG 42, 342 = ZfF 1989, 17; Entscheidung vom 6. 10. 1988, Β 36/87, EuG 44, 376 = ZfF 1991, 162.

II. Asylrechtlicher Funktions- und Verantwortungszusammenhang

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tischen Folgerungen aus § 108 Abs. 6 BSHG andererseits ergibt den Befund, daß die kraft Bundes(verfassungs-)rechts bestehende Verpflichtung der Bundesländer zur „Aufnahme" von Asylbewerbern im Sinne von § 22 Abs. 9 Satz 1 AsylVfG auch die Verpflichtung zur Unterbringung und Versorgung umfaßt. Diese Unterbringung und Versorgung ist zugleich „erforderliche Hilfe von anderen" im Sinne von § 2 Abs. 1 BSHG. Da Leistungsgrund der Sozialhilfe nach dem BSHG der anderweitig nicht gedeckte Bedarf ist, ist also für die Gewährung von Sozialhilfe an Asylbewerber solange und soweit kein Raum, als die ausländerrechtlich radizierte Verpflichtung zu Unterbringung und Versorgung reicht. b) Nachrang der Sozialhilfe

und Neufassung von §120 BSHG

An diesem Befund hat sich auch durch die Neufassung von § 120 Abs. 2 BSHG im Rahmen des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.1981 sowie der späteren Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983 und die Bekanntmachung der Neufassung des BSHG vom 10. 1. 1991 nichts geändert 53. § 120 Abs. 2 BSHG ist Sondervorschrift zu § 120 Abs. 1 BSHG. Mit Zacher 54 ist davon auszugehen, daß § 120 Abs. 2 BSHG die ausländerrechtliche Pflicht zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern nicht auf das Sozialhilferecht verlagern wollte. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 28.9.1981 zum 2. Haushaltsstrukturgesetz war eine Änderung des BSHG zunächst überhaupt nicht vorgesehen 55. Bei der schließlich doch erfolgten Einbeziehung stand entsprechend der allgemeinen Tendenz des Haushaltsstrukturgesetzes der Gesichtspunkt der Sparmaßnahme im Vordergrund. Ausländerpolitische Erwägungen flössen in die Regelung insofern ein, als angesichts der weitgehenden Relevanz des Sozialhilferechts für Asylbewerber unter der Geltung der '§§ 39 und 40 AuslG a. F. der Bundesgesetzgeber seine politische Konzeption zur Eindämmung des sogenannten „Asylantenstroms" durch Reduzierung der wirtschaftlichen Anreize für Asylbewerber auch im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes verfolgen wollte. Eine weitergehende Absicht zur Verlagerung der Aufgabe der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern vom Ausländerrecht in die Materie des Sozialhilferechts ist weder dokumentiert noch unter dem Vorzeichen des 2. Haushaltsstrukturgesetzes als Spargesetz plausibel. Der nachfolgenden Feststellung von Zacher kann daher uneingeschränkt zugestimmt werden: „Die Schaffung des § 120 Abs. 2 BSHG drängt vielmehr den gegenteiligen Schluß auf: Wenn der Gesetzgeber den Leistungsumfang der Sozialhilfe für Asylbewerber zurückgenommen hat, um den ausländerrechtlich determinierten Standard der Sammelunterkünfte nicht unterlaufen zu lassen, so kommt damit gleichzeitig zum Aus53 BGBl 1981 I, S. 1523 bzw. BGBl 1983 I, S. 1532 bzw. BGBl. I S. 94. 54 Zacher, Rechtsgutachten, S. 40 ff. 55 Vgl. BT-Drs. 9, 842.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

druck, daß die ausländerrechtliche Leitlinie der Aufgabenbewältigung die maßgebliche und gegenüber dem Sozialhilferecht vorrangige sein sollte. Mit § 120 Abs. 2 BSHG wird der sozialhilferechtliche Subsidiaritätsgrundsatz bezüglich der Aufgabe zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern nicht nur nicht in Frage gestellt, sondern geradezu hervorgehoben." 56 Dies wird im übrigen durch den für das Sozialhilferecht einerseits, das Ausländer- und Asylrecht andererseits unterschiedlichen Zweck- und Systemzusammenhang der Unterbringung und Versorgung bestätigt57. Ehe im folgenden auf die „Reichweite" 58 der ausländerrechtlichen Verpflichtung zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern eingegangen wird, um Umfang und Grenzen der Leistungspflicht nach dem BSHG bestimmen zu können, ist im Zusammenhang mit dem Nachrangprinzip des § 2 Abs. 1 BSHG auf die Frage einzugehen, wie unter diesem Aspekt das generelle Arbeitsverbot des § 19 Abs. l a - l e AFG a. F. zu würdigen ist. c) Nachrangprinzip nach § 2 Abs. 1 BSHG und Arbeitsverbot nach § 19 Abs. la-lc AFG a. F. Es wurde bereits darauf hingewiesen59, daß das zunächst auf der Grundlage des Sofortprogramms vom 18.6.1980 angeordnete und in der Folgezeit auf das entsprechend geänderte AFG gestützte und auf zwei Jahre erweiterte Arbeitsverbot für Asylbewerber unmittelbare Folgen im Sozialhilfebereich zeitigte. Die Verweisung der Asylbewerber vom Arbeitsmarkt sowie die Versagung von Arbeitslosenunterstützung hatten zur Folge, daß Asylbewerber mangels eigener Einkommens- bzw. Erwerbsmöglichkeiten auf Fremdhilfe, d. h. nahezu ausschließlich auf staatliche Hilfe in Form von Sozialhilfe angewiesen waren. Da nach einer der Grundaussagen des in § 2 BSHG normierten Nachrangs der Sozialhilfe derjenige nicht in den Genuß von Leistungen nach dem BSHG kommen soll, der sich selbst durch eigene Erwerbstätigkeit helfen kann, Asylsuchende aber aus Rechtsgründen von jeder Erwerbstätigkeit ausgeschlossen waren, ist zu fragen, ob das in § 19 Abs. l a - l c AFG a. F. statuierte Arbeitsverbot das sozialhilferechtliche Nachrangprinzip für Asylbewerber aufhob. Bejahendenfalls ist dann weiter zu fragen, ob einer jener Einzelfälle vorlag, in denen das als tragender Grundsatz der Sozialhilfe anerkannte Nachrangprinzip zulässigerweise durchbrochen werden konnte.

56 Vgl. Zacher, Rechtsgutachten, S. 42 f. m. w. N. 57 Vgl. Zacher, Rechtsgutachten, S. 43 ff. m. w. N. 58 Vgl. hierzu Kap. 9, III. 59 Siehe hierzu unter Kap. 8, IV.3.

II. Asylrechtlicher Funktions- und V e r a n t w o r t u n g s z u s a m m e n h a n g 2 2 3

aa) Die Aufhebung des Nachrangprinzips durch § 19 Abs. l a - l e AFG a. F. Gewährung von Sozialhilfe ist u. a. nachrangig gegenüber Möglichkeiten der Selbsthilfe (§ 2 Abs. 1,1. Alt. BSHG 60 ). Gem. § 2 Abs. 1,1. Alt. BSHG erhält also derjenige keine Sozialhilfe, der sich selbst helfen, also ζ. B. arbeiten kann. Dabei ist anerkannt, daß es nicht im Belieben des Hilfesuchenden steht, ob er die ihm gegebenen Selbsthilfemöglichkeiten wahrnimmt oder Sozialhilfe beansprucht 61. Wenn Sozialhilfe nicht erhält, „wer sich selbst helfen kann", so geht das BSHG davon aus, daß derjenige, der in eine Notlage geraten ist, diese durch Selbsthilfe abwenden kann, indem er sein Einkommen (§§ 11 Abs. 1, 28, 76 ff. BSHG), sein Vermögen (§§ 11 Abs. 1,28, 88 f. BSHG), seine Arbeitskraft (§§ 18 ff. BSHG) einsetzt und bestehende Ansprüche gegenüber Dritten realisiert. Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß der Einsatz des Einkommens bzw. der Arbeitskraft bei der Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich in vollem Umfange verlangt wird; demgegenüber werden einem Hilfesuchenden, der Hilfe in besonderen Lebenslagen in Anspruch nehmen will, der Einsatz der Arbeitskraft grundsätzlich nicht und der Einsatz des Einkommens nur in bestimmtem Umfange zugemutet62. Sieht man von der gesetzlichen Regelung in § 19 Abs. 1 a - l c AFG a. F. ab, so könnte einem Sozialhilfebegehren eines Asylbewerbers entgegengehalten werden, es handele sich bei diesem Antragsteller um eine Person, die sowohl gewillt als auch (tatsächlich) in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Sozialhilfe dürfte daher nach dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 1 BSHG nicht bewilligt werden. Dessen ungeachtet, werden Asylbewerber wegen des in § 120 Abs. 2 BSHG ausdrücklich normierten Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt gleichgestellt. Geht man zudem mit der h. M. davon aus, die Formulierung von § 2 Abs. 1, 1. Alt. BSHG sei nicht so eng auszulegen, daß es allein auf die faktische Leistungsfähigkeit des Hilfeempfängers ankomme, der Begriff „kann" vielmehr zugleich die Teilbegriffe „können" und „dürfen" enthalte, so daß ein Asylbewerber, der Arbeit weder suchen noch aufnehmen darf, aus Rechtsgründen eine Erwerbstätigkeit nicht verrichten kann 63 , so bleibt zu konstatieren, daß das in § 19 Abs. 1 a1 c AFG a. F. statuierte Arbeitsverbot den Nachrang der Sozialhilfe für die Gruppe der Asylbewerber ausdrücklich aufhob.

60

Vgl. hierzu Oestreicher / Schelter / Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 2, Rn. 5. 61 BVerwG, Beschl. v. 18.6.1984, 5 Β 35/84, zit. nach Oestreicher / Schelter / Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 2, Rn. 5. 62 Vgl. hierzu Schulte I Trenk-Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 1988, §2, Anm. 2. 63 Vgl. Orschler, Die Rechtsstellung des Asylbewerbers, 1983, S. 170 m. w. N.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

bb) Genese und Regelungsgehalt von § 19 Abs. l a - l c AFG a. F. Nach dem Grundsatze des § 19 Abs. 1 Satz 2 AFG wird die für Ausländer nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AFG zur Ausübung einer Beschäftigung erforderliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erteilt. Nach dem durch das 6. Änderungsgesetz zum Arbeitsförderungsgesetz vom 3.8.1981 64 mit Wirkung ab 14.8.1981 neu eingefügten § 19 Abs. 1 Satz 3 iVm § 19 Abs. 4 AFG kann die Erteilung der Erlaubnis für die erstmalige Beschäftigung für einzelne Personengruppen davon abhängig gemacht werden, daß sich der Ausländer unmittelbar vor der Antragstellung eine bestimmte Zeit, die vier Jahre nicht überschreiten darf, erlaubt oder geduldet im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufgehalten hat oder daß er vor einem bestimmten Zeitpunkt in den Geltungsbereich dieses Gesetzes eingereist ist. Aufgrund der in § 19 Abs. 4 AFG i. d. F. d. 6. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes normierten Ermächtigungsgrundlage wurde die Arbeitserlaubnisverordnung durch die Anfügung eines Absatzes 2 an § 1 geändert 65. Danach konnte Ehegatten ausländischer Arbeitnehmer in der Regel nach vier Jahren rechtmäßigen Aufenthalts, Kindern von Ausländern nach 2jährigem rechtmäßigen Aufenthalt und Asylbewerbern nach einem Aufenthalt von zwei Jahren eine allgemeine Arbeitserlaubnis erteilt werden 66 . Durch das „Gesetz zur Änderung asylverfahrensrechtlicher, arbeitsrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften" vom 6.1.1987 67 , in Kraft getreten gem. Art. 6 dieses Gesetzes am 15.1.1987, wurden die Abs. l a - l c in § 19 AFG eingefügt; die Regelung geht auf die Bestrebungen zur Beschleunigung des Asylverfahrensrechts und zur Abwehr von aus wirtschaftlichen Gründen Asylsuchenden zurück 68 . Die nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 AEVO für Asylbewerber bisher geltende Wartezeit von grundsätzlich zwei Jahren vor erstmaliger Erteilung einer Arbeitserlaubnis wurde gem. § 19 Abs. la Satz 1 AFG n. F. auf fünf Jahre erweitert. Steht von vorneherein fest, daß der Asylbewerber auch im Falle der Ablehnung des Antrags nicht ausgewiesen oder abgeschoben wird, beträgt die

64 BGBl 1981 I, S. 802. 65 6. Verordnung zur Änderung der Arbeitserlaubnisverordnung v. 24.9.1981, BGBl I, S. 1042. 66 Vgl. hierzu Minta, Der Zugang von Ausländern zum deutschen Arbeitsmarkt, ZAR 1981, 27 ff.; Friehe, Die „Wartezeit-Regelung" für Asylbewerber, ZAR 1981, 172 ff.; Stahlhacke, Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 3, Gruppe 11, Rn. 82 und 118. 67 BGBl 1987 I, S. 89; vgl. hierzu Wollenschläger / Becker, Das Gesetz zur Änderung asylverfahrensrechtlicher, arbeitserlaubnisrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften, ZAR 1987, S. 51 ff., 63 f.; Sieveking, Ausländerpolitische Zwecke im Sozialrecht, KJ 22 (1989), S. 89 ff., S. 88; Mülheims, Arbeitsverbot für Asylbewerber, 1991, S. 33, 41 ff. 68 Vgl. BR-Drs. 91/85.

II. Asylrechtlicher Funktions- und V e r a n t w o r t u n g s z u s a m m e n h a n g 2 2 5

Wartezeit ein Jahr (§19 Abs. la Satz 2 AFG n. F. — Sonderregelung für sogenannte „Ostblock-Flüchtlinge"). Für Ehegatten und Kinder eines Asylbewerbers gilt — sofern diese nicht selbst einen Asylantrag gestellt haben — die bereits durch § 1 Abs. 2 Nr. 3 AEVO angeordnete Wartezeit von vier bzw. zwei Jahren. Die Wartezeit nach § 19 Abs. la und l b endet gem. § 19 Abs. lc AFG n. F., wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylbewerber als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Mit Ausnahme wiederholt eingereister Asylbewerber 69, türkischer Asylbewerber 70 und heimatloser Ausländer 71 war daher Asylbewerbern gem. § 19 Abs. 1 a1 c AFG a. F. die tatsächliche Arbeitsaufnahme aus Rechtsgründen unmöglich. Das Arbeitsverbot nach § 19 Abs. l a - l c AFG n. F. hob damit den Nachrang der Sozialhilfe iSv § 2 Abs. 1,1. Alt. BSHG für die Gruppe der Asylbewerber im Grundsatze auf. cc) Zulässigkeit der Durchbrechung des Nachrangprinzips Diese Aufhebung von § 2 Abs. 1 BSHG als sozialhilferechtlicher Grundnorm, die bei den strittigen Fragen des Verwaltungsvollzugs und bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung als Auslegungsregel heranzuziehen ist 7 2 , ist nur dann rechtmäßig, wenn einer jener Fälle vorliegt, in denen eine Durchbrechung zulässig ist. Im Urteil vom 30.11.1972 hat das Bundesverwaltungsgericht 73 dahingehend erkannt, es stehe dem Gesetzgeber frei, den Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 BSHG in Einzelfällen zu durchbrechen. Im oben genannten Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht eine solche Durchbrechung für die Zuständigkeit bei Heilbehandlung tuberkulöser Erkrankungen nach § 130 Abs. 1 BSHG als zulässig erkannt. Im übrigen finden sich eine Reihe gesetzlicher Ausnahmeregelungen, die den Vorrang der Sozialhilfe ausdrücklich vorschreiben, so

69 Die§§ 19 Abs. l a — l e AFG gelten nach h. M. nur für die erstmalige Beschäftigung; vgl. hierzu Hennig / Kühl / Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, 1988, § 19 AFG, Anm. 4.3. 70 Zur Bedeutung der Richtlinie des Rats der EWG zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedsstaaten und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft vom 15.10.1968 (EG-ABI v. 19.10.1968, Nr. L 257, S. 13) vgl. Stahlhacke, Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 3, Gruppe 11, Rn. 98 ff. sowie Hennig I Kühl I Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, § 19 AFG, Anm. 5.1. 71 Diese sind gem. § 17 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet v. 25.4.1951 (BGBl I, S. 269) in der Ausübung nichtselbständiger Arbeit deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt; vgl. hierzu Stahlhacke, Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 3, Gruppe 11, Rn. 96 sowie Hennig / Kühl / Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, 1988, § 19 AFG, Anm. 6.3. 72 Vgl. Oestreicher I Schelter I Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 2, Rn. 3. 73 BVerwGE 41, 216. 15 Hofmann-Hoeppel

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

— § 10 Abs. 7a BVG (Ausschluß eines Anspruchs auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 2 BVG und auf Krankenbehandlung nach § 10 Abs. 4 BVG, wenn und soweit ein Anspruch auf Tuberkulosehilfe nach dem BSHG besteht); — § 25 Abs. 4 Satz 1 BVG (Ausschluß von Leistungen für Familienmitglieder von Beschädigten, soweit sie wegen Tuberkulose Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG haben 74 ); — § 19 Abs. 1 Nr. 1 WoGG i. d. F. v. 27.12.1982 75 (kein Ausschluß von Wohngeldbezug infolge Bezugs von Leistungen nach dem BSHG oder nach den §§ 25 ff. BVG); — § 292 Abs. 2 LAG (bestimmte Anteile der Unterhaltshilfe und der Entschädigungsrente als Teile des geschonten Vermögens, von deren Verwertung die Gewährung von Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf); — §§ 44 und 59 BSHG (vorläufige Leistungen im Rahmen der Behinderten- und Tuberkulosenhilfe); — § § 76 - 78 BSHG (nicht anrechenbare Einkommens- und Vermögensanteile 76). Demgegenüber handelte es sich bei dem in § 19 Abs. l a - l c AFG a. F. statuierten Arbeitsverbot im Hinblick auf den in § 2 Abs. 1 BSHG normierten Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe um eine generelle Durchbrechung dieser sozialhilferechtlichen Grundnorm für einen bestimmten Personenkreis ohne Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten dieser Gruppe. Eine solche Regelung verstieß gegen die Grundtendenz des Sozialhilferechts, die darin besteht, niemanden daran zu hindern, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten.

I I I . Die „Reichweite" der ausländerrechtlichen Verpflichtung zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern 1. Allgemeine Überlegungen Es wurde bereits ausgeführt 77, daß für die Gewährung von Sozialhilfe an Asylbewerber solange und soweit kein Raum ist, als die ausländerrechtlich radizierte Verpflichtung zur Unterbringung und Versorgung reicht, da Leistungsgrund 74 BVerwG, FEVS 16, 1. 75 BGBl 1982 I, S. 1921. 76 Vgl. hierzu Οestreicher / Schelter / Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, §2 BSHG, Rn. 4 und 16. 77 Siehe hierzu Kap. 9, II.4. a.

III. Reichweite ausländerrechtlicher Verpflichtung

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der Sozialhilfegewährung nach dem BSHG der anderweitig nicht gedeckte Bedarf ist. Im folgenden ist zu überprüfen, welche der nach § 120 Abs. 2 BSHG genannten Leistungsarten durch den ausländerrechtlichen Anspruch auf Unterbringung und Versorgung „abgedeckt" werden. Die nachstehenden Ausführungen verstehen sich vor dem Hintergrund der Tatsache, daß zu dieser Problematik — soweit ersichtlich — in Schrifttum und Rechtsprechung bislang nicht Stellung genommen wurde. Wissenschaftliche Äußerungen liegen zur Zeit nur hinsichtlich der geplanten Herausnahme der Asylbewerber aus dem Kreis der Sozialhilfeberechtigten durch Schaffung eines „Asylsozialgesetzes"78 in Verfolg der Vorschläge der Bund-Länder-Kommission vor, die in einem Papier des Bundesministerium des Innern vom 4.5.1987 enthalten sind. Dort wird u. a. geprüft, „ob das Recht der Unterhaltssicherung für Asylbewerber vom allgemeinen Sozialhilferecht gelöst und der Sachlage entsprechend verselbständigt werden soll". In diesem Zusammenhang wird in der Literatur freilich angesichts der geplanten Bemessung der Leistungen zum Lebensunterhalt unterhalb des Leistungsniveaus der Sozialhilfe, der tendenziellen Beschränkung auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles, der Bestimmung der Hilfeform durch das pflichtgemäße Ermessen der Behörden und des Ausschlusses ergänzender Sozialhilfeleistungen neben den Leistungen nach der zu schaffenden Regelung im „Asylsozialgesetz" nur die Frage diskutiert, ob gegen die geplante Herausnahme der Asylbewerber aus dem Kreis der Sozialhilfeberechtigten nach dem BSHG verfassungs- und sozialrechtliche Bedenken bestehen. Diese Bedenken werden vor allem im verfassungsrechtlicher Hinsicht in der „Vorwirkung" von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG sowie in Art. 1 Abs. 1 GG — Schutz der Menschenwürde -, in sozialhilferechtlicher Sicht darin gesehen, daß eine vollständige Ausgliederung von Personengruppen aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem BSHG immer nur dann erfolgen kann, wenn in dem speziellen Sozialgesetz das Leistungsniveau der Sozialhilfe nach dem BSHG nicht unterschritten wird 7 9 .

78 Ausdruck von Zuleeg, Kurzgutachten zur Aufgliederung der Sozialhilfeleistungen, 1987 (Masch.); Kr ahmer, Verfassungs- und sozialrechtliche Einwände gegen die geplante Herausnahme der Asylbewerber aus dem Kreis der Sozialhilfeberechtigten, ZfF 1988, S. 29 ff.; vgl. hierzu auch Thesen des Deutschen Vereins zur Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts für asylsuchende Ausländer, NDV 1982, 246 sowie Schulte, Perspektiven der Sozialhilfe, in: Münder (Hrsg.), Zukunft der Sozialhilfe, 1988, S. 73 ff., 88; der seitens Baden-Württembergs am 23.5.90 vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes über Leistungen an Asylbewerber und ehemalige Asylbewerber ohne Aufenthaltserlaubnis" (BR-Drs. 364/90) geht ebenfalls von der „Systemwidrigkeit" des Leistungsvollzugs und einer Kostentragungspflicht des Bundes aus. 7 9 Vgl. vor allem Zuleeg, Kurzgutachten zur Aufgliederung der Sozialhilfeleistungen, 1987, S. 11, sowie Krahmer, Verfassungs- und sozialrechtliche Einwände, ZfF 1988, 29 ff. 15*

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

2. Unterbringung und Versorgung als „Hilfe zum Lebensunterhalt" im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BSHG Gem. § 120 Abs. 2 Satz 1 BSHG beschränkt sich der Anspruch von asylsuchenden Ausländern (Nr. 1), zur Ausreise verpflichteten Ausländern, deren Aufenthalt aus völkerrechtlichen, politischen, humanitären oder aus den in §§ 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F., 51 Abs. 1 AuslG n. F. genannten Gründen geduldet wurde bzw. wird (Ziff. 2), und sonstigen Ausländern, die zur Ausreise verpflichtet sind (Ziff. 3), auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese soll gem. § 120 Abs. 2 Satz 3, 1. HS BSHG als Sachleistung, sie kann gem. § 120 Abs. 2 Satz 3, 2. HS BSHG durch Aushändigung von Wertgutscheinen gewährt werden. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß die in § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 - 3 BSHG genannten Personengruppen grundsätzlich keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in Form der Barleistung haben. Das Gebot der Sachleistung kann demzufolge nur als Verbot der alternativen Leistungsform der Geldleistung verstanden werden 80 . Die gem. § 11 Abs. 1 BSHG zu leistende Hilfe zum Lebensunterhalt umfaßt gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG insbesondere Leistungen für Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Bei Kindern und Jugendlichen umfaßt der notwendige Lebensunterhalt auch den besonderen, vor allem den durch das Wachstum bedingten Bedarf (§ 12 Abs. 2 BSHG). Aus dem Partikel „besonders" in § 12 Abs. 1 BSHG ergibt sich, daß § 12 Abs. 1 BSHG nicht alle Bestandteile des notwendigen Lebensunterhalts nennt, den die Hilfe zum Lebensunterhalt gewährleisten soll 81 . Was jenseits des in § 12 Abs. 1 BSHG genannten Katalog zum notwendigen Lebensunterhalt gehört, ist von den jeweils herrschenden Lebensgewohnheiten abhängig und insofern dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. Welche Hauptbestandteile zum gegenwärtigen Zeitpunkt anerkannt sind, ergibt sich aus § 1 Abs. 2 der „Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes" (Regelsatzverordnung) vom 20.7.1962 82 i. d. F. der Verordnung vom 10.5.1971, seit 30.6.1990 i. d. F. der Zweiten Verordnung vom 21.3.1990 83 , durch die lediglich das Bedarfsbemessungssystem geändert wurde. so Vgl. OVG Berlin, ZfF 1982, 282; InfAuslR 1983, 52 sowie Marx, Asylrecht, Bd. 1 (Rechtsprechungssammlung m. Erl.), 1984, Stichwort „Sozialhilfe", Nr. 11, S. 747 f. 81 Vgl. Schulte / Trenk-Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 12, Anm. 1. 82 BGBl 1962 I, S.515. 83 BGBl 19711, S. 451 (abgedr. auch bei Schulte / Trenk-Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 1988, S. 93 f.) bzw. BGBl 19901, S. 562; vgl. hierzu Schellhorn, Einführung eines neuen Bedarfsbemessungssystems für die Regelsätze in der Sozialhilfe, NDV 1990, S. 14 ff.; zur Neufassung der bayerischen Sozialhilferichtlinien vgl. Die Fundstelle 1989, S. 863; zur Zulässigkeit der Regelsatzfestsetzung durch Verwaltungsvorschrift vgl. OVG Lüneburg, ZfF 1990, 62 = NDV 1990, 116; BW-VGH, NVwZ 1991, 92 = ZfF 1991, 109; OVG Bremen, NDV 1991, 264 (mit ausführlicher Darstellung der Entstehungsgeschichte des sog. „Statistikmodells"), sowie bereits BVerwGE 25, 307, 315.

III. Reichweite ausländerrechtlicher Verpflichtung

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Nach § 1 Abs. 1 der Regelsatzverordnung umfassen die — nach Bundesländern unterschiedlich ausgestalteten — Regelsätze die laufenden Leistungen für Ernährung, Kochfeuerung, Beschaffung von Wäsche von geringem Anschaffungswert, Instandhaltung von Kleidung, Wäsche und Schuhen in kleinerem Umfang, Körperpflege, Beschaffung von Hausrat von geringem Anschaffungswert, kleinere Instandsetzungen von Hausrat, Beleuchtung, Betrieb elektrischer Geräte, Reinigung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Laufende Leistungen für die Unterkunft werden gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Regelsatzverordnung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Dies gilt gem. § 3 Abs. 2 Regelsatzverordnung auch für laufende Leistungen für Heizung. Ohne auf die vielfältigen Differenzierungen der als anerkannt geltenden Bestandteile des notwendigen Lebensunterhalts im Sinne von § 12 Abs. 1 BSHG einzugehen, kann gleichwohl festgestellt werden, daß sozialhilferechtlicher Regelbedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG iVm § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung und sogenannter Aufwendungsbedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG iVm § 3 Regelsatzverordnung umfassen: — Unterkunftskosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (Regelbedarf); — Unterkunftsbeschaffungskosten (Abstandszahlung, Maklergebühr, Kaution) als einmalige Leistung; — Kosten für Schönheitsreparaturen als einmalige Leistung; — laufende Heizungskosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (Zentralheizung) als Regelbedarf; Bedarfsdeckung bei nicht laufenden Heizungskosten (Ofenheizung) durch einmalige Leistung; — Kosten für Ernährung als Regelbedarf; — Kosten für Hausrat und Kleidung durch einmalige Leistung 84 ; Vergleicht man diesen Leistungskatalog der Hilfe zum Lebensunterhalt mit den Leistungen, die bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nach § 23 AsylVfG zur Verfügung gestellt werden 85 , so ergibt sich, daß Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nach § 23 AsylVfG und Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG hinsichtlich ihres Leistungsumfangs deckungsgleich sind. Angesichts der Ausgestaltung von § 23 AsylVfG — „sollen 84 Vgl. hierzu insb. Schulte / Trenk-Hinterberger, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 12, Anm. 5 und 7; Oestreicher ! Schelter ! Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 12, Rn. 7 (Unterkunft), Rn. 18 (Hausrat), Rn. 14 (Kleidung), Rn. 4 (Ernährung), Rn. 17 (Körperpflege), Rn. 21 (Heizung), Rn. 23 (persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens). Die Zweite Verordnung zur Änderung der Regelsatzverordnung v. 21.3.1990 (BGBl I, S. 562 = ZFF 1990,105 f.) hat trotz Ersetzung des sog. „Warenkorbmodells" durch ein „Statistikmodell" am Inhalt der Regelsätze nichts geändert. 85 Neben Unterkunft und Heizung, Strom und Wasser, die Stellung von Hausrat und Ernährung, die auf religiös begründete Ge- und Verbote sowie auf sozio-kulturelle wie ethnographische Gewohnheiten Rücksicht zu nehmen hat; vgl. hierzu Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, § 23 AsylVfG, Rn. 13 und 17.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

in der Regel" 86 — ergibt sich nicht nur, daß die in § 23 AsylVfG vorgesehene Unterbringung die vom Gesetz intendierte Regelunterbringung sein soll, sondern gleichzeitig, daß mit dieser Regelunterbringung all jene Leistungen erbracht werden sollen, die tatbestandsmäßig Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne der §§ 11 Abs. 1,12 Abs. 1,22 Abs. 1 BSHG darstellen. Die bereits unter der Geltung der §§39 und 40 AuslG a. F. gefestigte Judikatur, wonach bei Regelunterbringung in Sammelunterkünften wegen des in § 2 Abs. 1 BSHG normierten Nachrangs der Sozialhilfe eine Leistung von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht in Betracht kommt, verdient daher Zustimmung und kann unbedenklich auf die in § 23 AsylVfG vorgesehene Regelunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften angewandt werden 87 . Ausgehend von diesem Ausgangspunkt ist zu fragen, ob die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt dann in Betracht kommt, wenn eine Unterbringung in Sammel- bzw. Gemeinschaftsunterkünften aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Nach der derzeitigen Situation scheidet eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften regelmäßig in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen 88 deshalb aus, weil eine ausreichende Zahl von Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften des Freistaats Bayern nicht zur Verfügung stehen. Aus rechtlichen Gründen kommt die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nur dann in Betracht, wenn die Bundesländer nicht verpflichtet wären, Sammelunterkünfte in geeigneter Anzahl und Ausstattung vorzuhalten. Eine solche Verpflichtung ist freilich umstritten; nach einer Ansicht können die Bundesländer frei bestimmen, wie sie den Aufenthalt der ihnen zugewiesenen Asylsuchenden regeln und demzufolge auch völlig davon absehen, Gemeinschaftsunterkünfte zu errichten 89. 86 Der Koalitionsentwurf sah in § 21 AsylVfG vor, daß Asylbewerber von der Ausländerbehörde verpflichtet werden können, in einer bestimmten Unterkunft zu wohnen; vom Konzept der Bundessammellager sollte gleichwohl Abstand genommen werden. Den Bundesländern war zur Behebung von Unterbringungsschwierigkeiten gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt, für die Unterbringung von Asylbewerbern Gemeinschaftsunterkünfte oder Wohnheime vorzusehen. Die Mehrheit des Rechtsausschusses Schloß sich dieser Ansicht an, nahm aber in die Gesetzesmaterialien auf, daß die Minderheit des Rechtsausschusses für eine Regelung eintrat, wonach sich Asylbewerber im Regelfalle in Sammelunterkünften aufhalten müßten. Die Bundesratsausschüsse schlossen sich dem mit der Maßgabe an, daß die Bundesregierung im Einvernehmen mit der zuständigen Landesregierung die Sammelunterkünfte bestimmen kann. In der Gesetz gewordenen Regelung entfiel die Bestimmungsbefugnis der Bundesregierung, aus dem vorgesehenen „muß" wurde ein „soll"; Vgl. hierzu Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, § 23, Rn. 2 f. 87 Abgesehen von unterschiedlicher Terminologie — Sammellager des Bundes nach §§ 39,40 AuslG a. F., Gemeinschaftsunterkünfte nach § 23 AsylVfG — und Konzeption — „zentrale" Unterbringung für das gesamte Bundesgebiet nach §§ 39, 40 AuslG a. F., Dezentralisierung der Unterbringung im Bestimmungsrecht der Länder — sind beide Unterbringungsformen nach ihrer Funktion vergleichbar. 88 Vgl. Kap. 7, III.

III. Reichweite ausländerrechtlicher Verpflichtung

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Diese Ansicht ist indes unzutreffend, worauf bereits 90 hingewiesen wurde. Aus der Tatsache der nur fragmentarischen Regelung der mit der Verteilung, Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern zusammenhängenden Probleme durch den Bundesgesetzgeber ergibt sich für die Bundesländer ein legislatorischer wie exekutiver Handlungsbedarf. Die Bundesländer sind und waren verpflichtet, Gemeinschaftsunterkünfte zu errichten und zu unterhalten. Kamen sie dieser Verpflichtung nicht nach und übertrugen Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern auf Gemeinden und Landkreise als kommunale Selbstverwaltungskörperschaften, so traf die Bundesländer jedenfalls die Pflicht zur Tragung der Kosten, die durch Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern entstanden 91 . Die in den Bundesländern — seit 1.1.1990 auch in Bayern — erlassenen Asylbewerberzuweisungsgesetze tragen diesem Umstand dadurch Rechnung, daß den Gemeinden und Landkreisen die durch Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern entstehenden Kosten seitens des zuweisenden Landes erstattet werden 92 ; dies gilt auch für den Fall, daß Unterbringungskosten als Sozialhilfekosten abzurechnen sind, so daß Gemeinden, die nicht Sozialhilfeträger sind, einen Erstattungsanspruch hinsichtlich des nicht abgedeckten Aufwands gegenüber dem Land haben (vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 3 Abs. 1 Nr. 2 BWAsylUG). Nach Ziff. 6.3 der — rechtswidrigen 93 — „Richtlinien über die Unterbringung von asylsuchenden Ausländern in Bayern" vom 23.2.1983 wurden die Kosten der Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften als Einrichtungen der staatlichen Flüchtlings Verwaltung (Ziff. 3.3.1 der Richtlinien) einschließlich der Kosten für die Einrichtung und Bewirtschaftung im Rahmen der Ziff. 7 dieser Richtlinien auf den Staatshaushalt übernommen. Die Gemein-

89 Vgl. Zitzelsberger, Das neue Asylverfahrensrecht, BayVBl 1982,609 ff., 612, nach dem § 23 AsylVfG „wiederum in erster Linie gegen den Asylbewerber »wirkt4, der nach seinem Status mit einer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft rechnen muß. Weder das Land noch eine Gemeinde werden verpflichtet, den Asylbewerber in eine Gemeinschaftsunterkunft aufzunehmen, sie können nach ihrem Ermessen auch die dezentrale Unterbringung vorsehen"; vgl. ebenso Hailbronner, Ausländerrecht, Rn. 1018; Schiedermair / Wollenschläger, Handbuch des Ausländerrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1985, 3 E, FN 463; Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986. § 23, Rn. 9. 90 VG München, EzKommR, 2120.64; BayVGH, EzKommR, 2120.65. 91 Vgl. die Kostenregelungsnormen in den Zuweisungsgesetzen der Länder in FN 9 zu Kap. 8. 92 Vgl. § 2 BWAsylZG iVm III 3.1 bis 3.11 BWVwVAsylZG (bis 31.12.1988); §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 3 BWAsylUG; § 2 HessAG iVm Ziff. 1 des Runderlasses v. 15.10.1980; § 3 NdsAG iVm Ziff. II 1 - 3 des Runderlasses v. 9.6.1982; § 6 NWFlüAG iVm Ziff. 1 RiLiFlüAG; § 2 Abs. 1 RhPf-AG iVm Ziff. 4 W A G ; § 3 SaarlAAG iVm Ziff. 2 des Runderlasses v. 22.8.1978; SchlHAsylZustVertVO iVm Ziff. Π des Runderlasses v. 20.6.1986. 93 Vgl. Kap. 8, FN 9.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

schaftsunterkünfte wurden gem. Ziff. 3.3.2 der Richtlinien durch die Regierungen errichtet, eingerichtet und bewirtschaftet. Standen sie nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung, so war die Unterbringung der Asylbewerber in Einzelunterkünften sicherzustellen, die von den Regierungen oder Kreisverwaltungsbehörden bereitgestellt oder angemietet, eingerichtet und bewirtschaftet wurden (Ziff. 4.1 der Richtlinien). Aus der Definition von Gemeinschaftsunterkünften als „Einrichtungen der staatlichen Flüchtlingsverwaltung zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern im Sinne des § 23 AsylVfG" (Ziff. 3.3.1 Satz 1 der Richtlinien) und der Anordnung in Ziff. 5.1 der Richtlinien, staatlich untergebrachten Asylbewerbern im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu Lasten des Staatshaushalts Gemeinschaftsverpflegung als Sachleistung zu gewähren, ergab sich, daß auch die Richtlinien des Freistaates Bayern Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgabe anerkannten, die ihren Rechtsgrund im Ausländer- bzw. Asylrecht hat. Von zentraler Bedeutung war in dieser Hinsicht Ziff. 6.5 der Unterbringungsrichtlinien, in der es hieß: „Soweit in den staatlichen Unterbringungseinrichtungen Leistungen, die von dem im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt angesetzten Regelsatz zu bestreiten sind, als Dienst- oder Sachleistungen erbracht werden, entfällt oder ermäßigt sich die Leistung des Trägers der Sozialhilfe entsprechend." Der durch die Unterbringungsrichtlinien hervorgerufene Eindruck, eine Unterbringung von Asylbewerbern in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften sei durch deren vorhandene Kapazität begrenzt, eine rechtliche Verpflichtung zur Schaffung von weiteren Gemeinschaftsunterkünften bestehe demgegenüber nicht, stand mit der Rechtslage nicht in Einklang. Selbst wenn man der hier vertretenen Auffassung, aus § 23 AsylVfG ergebe sich eine Verpflichtung der Bundesländer, im Gesetzeswege die Unterbringung von zugewiesenen Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften sicherzustellen, nicht folgte, verblieb es bei der Rechtspflicht der Bundesländer, im Falle der sogenannten dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern in nichtstaatlichen Einrichtungen für eine Kostendeckung außerhalb der Vorschriften des BSHG Sorge zu tragen, um das in § 2 Abs. 1 BSHG normierte Nachrangprinzip nicht unzulässigerweise zu umgehen. Damit bleibt festzuhalten, daß die die Bundesländer treffende Rechtspflicht zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern ohne Rücksicht auf die Erfüllung dieser Verpflichtung durch Unterbringung in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften oder im Wege der sogenannten dezentralen Unterbringung eine Gewährung jener Leistungen darstellt, die mit der Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne der §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 1, 22 Abs. 1 BSHG iVm §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Regelsatzverordnung erbracht werden sollen. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 BSHG wird auch im Falle der dezentralen Unterbringung nicht dadurch beseitigt, daß Asylbewerber nicht in den Genuß jener Leistungen kommen, die mit der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften als Einrichtungen

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III. Reichweite ausländerrechtlicher Verpflichtung

der staatlichen Flüchtlingsverwaltung verbunden sind. Mit anderen Worten: Auch die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern erfolgt in Wahrnehmung der ausländerrechtlich radizierten und mithin staatlichen Aufgabe der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern, so daß auch in diesen Fällen für Leistungen nach dem BSHG entgegen der bisherigen Gesetzes- und Verwaltungspraxis kein Raum ist. 3. Die „Kann"-Leistungen nach § 120 Abs. 2 Satz 2 iVm § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG a) Die relevanten Hilfearten

nach §27 Abs. 1 Ziff.

1-12 BSHG

Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG steht die Gewährung „sonstiger Sozialhilfe" im Ermessen der Sozialhilfeträger. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob sich das den Sozialhilfeträgern nach § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG eingeräumte Ermessen auf sämtliche Hilfearten der Hilfe in besonderen Lebenslagen oder aber lediglich auf die in § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Hilfen bezieht. Ausgehend von der Normstruktur von § 120 BSHG — Beschränkung des Kreises der Muß-Leistungen durch § 120 Abs. 2 Satz 1 BSHG auf Hilfe zum Lebensunterhalt, Ausgestaltung auch jener in § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Arten der Hilfe in besonderen Lebenslagen als Kann-Leistung — wird das Tatbestandsmerkmal „Sonstige Sozialhilfe" in § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG im Sinne sämtlicher Arten der Hilfe in besonderen Lebenslagen auszulegen sein. Hierfür sprechen auch die — allerdings spärlichen und überdies unpräzisen — Angaben in der Kommentarliteratur 94. Der Kreis der Kann-Leistungen im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG ist also nicht auf die in § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Arten der Hilfe in besonderen Lebenslagen beschränkt. Die eingangs gestellte Frage, welche der einzelnen Arten der Hilfe in besonderen Lebenslagen durch den Terminus „Versorgung" in ausländer- bzw. asylrechtlicher Hinsicht „abgedeckt" werden, wird sich gleichwohl auf bestimmte Arten der Hilfe in besonderen Lebenslagen beschränken, die von besonderer praktischer Relevanz für die Leistungen durch die überörtlichen Sozialhilfeträger sind. Von daher scheiden die Hilfearten — Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage nach §§27 Abs. 1 Ziff. 1, 30 BSHG, 94 So sprechen Ο estreicher I Schelter I Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 120, Rn. 11, davon, daß die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Form der Geldleistung sowie die Hilfe in besonderen Lebenslagen in jedem Falle Kann-Leistung sei. Nach Schmidt, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 120 BSHG, Rn. 23, kann nach pflichtgemäßem Ermessen des Sozialhilfeträgers auch eine andere Art der Sozialhilfe gewährt werden, wie Schwangerschaftsuntersuchungen und Schutzimpfungen.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

— Hilfe zur Familienplanung gem. §§27 Abs. 1 Ziff. 4a, 37b BSHG, — Eingliederungshilfe für Behinderte gem. §§27 Abs. 1 Ziff. 6 iVm 39 ff. BSHG, — Blindenhilfe gem. §§ 27 Abs. 1 Ziff. 8 iVm 67 BSHG, — Hilfe zur Weiterführung des Haushalts gem. §§ 27 Abs. 1 Ziff. 10 iVm 70 f. BSHG, — Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gem. §§27 Abs. 1 Ziff. 11 iVm 72 BSHG, — Altenhilfe gem. §§ 27 Abs. 1 Ziff. 12 iVm 75 BSHG aus der Betrachtung aus. Dies findet seine Berechtigung für die Hilfe nach § 27 Abs. 1 Ziff. 1 BSHG darin, daß es Ziel der Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BSHG ist, dem Hilfeempfänger den Aufbau oder die Sicherung einer Lebensgrundlage durch eigene Tätigkeit zu ermöglichen, dem in § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1-3 BSHG genannten Personenkreis aber regelmäßig wegen des vorläufigen Aufenthaltsstatus eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist 9 5 Die Hilfeleistung nach § 27 Abs. 1 Ziff. 4a, 6, 8, 10-12 BSHG sind im allgemeinen von geringer praktischer Relevanz und daher vernachlässigbar. Die folgenden Untersuchungen werden sich daher auf die Hilfearten — vorbeugende Gesundheitshilfe nach §§ 27 Abs. 1 Ziff. 3 iVm 36 BSHG, — Kranken- und sonstige Hilfe nach §§ 27 Abs. 1 Ziff. 4, 37, 37a BSHG, — Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen gem. §§ 27 Abs. 1 Ziff. 5, 38 BSHG, — Hilfe zur Pflege gem. §§ 27 Abs. 1 Ziff. 9 iVm 68 f. BSHG konzentrieren. b) Leistung vorbeugender Gesundheitshilfe nach §§ 27 Abs. 1 Ziff. 3, 36 BSHG Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BSHG soll Personen, bei denen nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein sonstiger Gesundheitsschaden einzutreten droht, vorbeugende Gesundheitshilfe gewährt werden; zur Früherkennung von Krankheiten können Vorsorgeuntersuchungen stattfinden; ein Rechtsanspruch besteht 95 Vgl. zu dieser Problematik Diefenbach, Die aufenthaltsrechtliche Regelung der selbständigen Erwerbstätigkeit von Ausländern, GewArch 1988, 209 ff.; ausländischen Arbeitnehmern aus Nicht-EG-Staaten wurde der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Regel nur mit der Auflage genehmigt, daß die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht gestattet ist (Nr. 15 AuslVwV zu § 7 AuslG a. F.).

III. Reichweite ausländerrechtlicher Verpflichtung

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nach § 36 Abs. 1 Satz 2, 2. HS BSHG dann, soweit Versicherte nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung über Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 181 -181 b RVO Anspruch auf diese Maßnahmen haben. Wegen § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG besteht bei den in § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 - 3 BSHG genannten Personen kein Rechtsanspruch auf vorbeugende Gesundheitshilfe ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen nach §§ 181181b RVO vorliegen. Hinsichtlich der Ermessenshandhabung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG ist der Grundsatz zu beachten, der auch für die Ermessenshandhabung nach § 120 Abs. 2 Satz 4 BSHG hinsichtlich der Beschränkung der Hilfe zum Lebensunterhalt auf das Unerläßliche gilt: Das Fehlen des gesetzlichen Hinweises in § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG auf die Besonderheiten des Einzelfalles — wie dies bei der Gewährung nach § 120 Abs. 1 Satz 2 BSHG der Fall ist — rechtfertigt weniger strenge Anforderungen an die Ermessensentscheidung, ohne daß jedoch der Individualisierungsgrundsatz völlig außer acht gelassen werden darf. Zulässig wird daher eine Prüfung sein, ob Gesichtspunkte vorliegen, die eine Gewährung gebieten96. Die Beantwortung der Frage, ob die nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilende Gewährung vorbeugender Gesundheitshilfe nach § 36 BSHG der ausländerbzw. asylrechtlich radizierten Verpflichtung zur „Versorgung" von Asylbewerbern zuzuordnen ist, steht vor der Schwierigkeit, daß eine juristisch eindeutige Bestimmung des Begriffs der „Versorgung" — sieht man von der Regelung in § 9 Ziff. 1 - 6 BVG ab — nicht existiert. Da die in § 36 BSHG genannten Maßnahmen der vorbeugenden Gesundheitshilfe — Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 BSHG, Erholungskuren nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BSHG — dem Zweck dienen, nach Möglichkeit Maßnahmen der Krankenhilfe im Sinne der §§ 27 Abs. 1 Ziff. 4, 37, 37a BSHG entbehrlich zu machen, wird man für die Beurteilung der Frage, ob die vorbeugende Gesundheitshilfe dem ausländer- bzw. asylrechtlich radizierten Begriff der „Versorgung" zu subsumieren ist, auf die Grundsätze zurückgreifen können, die für den Nachrang der Krankenhilfe für bestimmte Personengruppen anerkannt sind 97 . Aus diesem Grunde kommt eine Gewährung vorbeugender Gesundheitshilfe an den in § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1-3 BSHG genannten Personenkreis wegen des Nachrangs der Sozialhilfe nicht in Betracht, wie sogleich zu zeigen sein wird. c) Krankenhilfe

nach §§ 27 Abs. 1 Ziff. 4, 37, 37a BSHG

Die nach § 37 Abs. 1 BSHG zu gewährende Krankenhilfe umfaßt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 BSHG ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arzneimitteln, Verbandmitteln und Zahnersatz, Krankenhausbehandlung sowie 96 Vgl. hierzu Nees, Aktuelle Probleme der Träger der Sozialhilfe bei der Gewährung von Sozialhilfe für Asylbewerber, NDV 1982, 247 ff., 251. 97 Siehe hierzu sogleich unter c).

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

sonstige zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung der Krankheitsfolgen erforderliche Leistungen; diese sollen in der Regel den Leistungen entsprechen, die nach den Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung gewährt werden (§ 37 Abs. 2 Satz 2 BSHG). Hinsichtlich der Gewährung von Krankenhilfe für in Justizvollzugsanstalten untergebrachte Häftlinge ist anerkannt, daß § 37 BSHG keine Anwendung findet, da für die Krankenversorgung der jeweilige Justizfiskus zuständig ist 98 . Dieser Grundsatz gilt auch für Untersuchungsgefangene; auch sie haben wegen des Nachrangs der Sozialhilfe keinen Anspruch auf Krankenhilfe in Gestalt zahnärztlicher Behandlung und Zahnersatz, wenn eine ausreichende, den Umständen des Einzelfalles gerecht werdende zahnärztliche Versorgung durch den für die Untersuchungshaftanstalt tätigen Zahnarzt gewährleistet und auch sonst nicht unzumutbar ist. Diese Regelung ist dem Grunde nach jedenfalls auch auf asylsuchende Ausländer im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 BSHG anwendbar, die sich infolge bestands- oder rechtskräftiger Zuweisungsverfügung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 23 AsylVfG aufhalten; auch in diesem Falle handelt es sich um einen hoheitlich verordneten, also nicht freiwilligen Aufenthalt, so daß die nach Art. 3 Abs. 1 GG zu fordernde Vergleichbarkeit der tatsächlichen und rechtlichen Situation gegeben ist 99 . Daraus folgt, daß die Leistung von vorbeugender Gesundheitshilfe nach § 36 BSHG und von Krankenhilfe nach § 37 BSHG jedenfalls an asylsuchende Ausländer im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 BSHG wegen des Nachrangs der Sozialhilfe ausscheidet und im übrigen vom Begriff der „Versorgung" mit umfaßt wird. Für die Erbringung der Leistungen, die in den §§36 und 37 BSHG geregelt sind, ergibt sich damit ebenfalls solange und soweit eine staatliche Einstandspflicht der Bundesländer, als eine eigenständige bundesgesetzliche Regelung zur Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts sowie der Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht existiert 100 . d) Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen nach § 27 Abs. 1 Ziff. 5, 38 BSHG Die werdenden Müttern und Wöchnerinnen nach § 38 Abs. 1 BSHG zu gewährende Hilfe umfaßt gem. § 38 Abs. 2 BSHG 98 Vgl. BVerwG, FEVS 25, 187; HessVGH, FEVS 25, 416; Oestreicher I Schelter I Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 37, Rn. 15. 99 Vgl. hierzu statt aller Gubelt, in: von Münch, Ingo (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, Art. 3, Rn. 7. 100 Vgl. in diesem Zusammenhang die Thesen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Frage der Sicherstellung des Lebensunterhalts für asylsuchende Ausländer aus dem Jahre 1982, NDV 1982, 246.

III. Reichweite ausländerrechtlicher Verpflichtung

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— ärztliche Betreuung und Hilfe sowie Hebammenhilfe (§ 38 Abs. 2 Ziff. 1 BSHG), — Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln (§ 38 Abs. 2 Ziff. 2 BSHG), — einen Pauschbetrag für die im Zusammenhang mit der Entbindung entstehenden Aufwendungen (§ 38 Abs. 2 Ziff. 3 BSHG), — Pflege in einer Anstalt oder einem Heim sowie häusliche Wartung und Pflege nach den Bestimmungen des § 69 Abs. 2 (§ 38 Abs. 2 Ziff. 4 BSHG), — Mutterschaftsgeld (§ 38 Abs. 2 Ziff. 5 BSHG). Hinsichtlich der Geburten nichtehelicher Kinder ist bei den Leistungen nach § 38 BSHG der Nachrang der Sozialhilfe insoweit zu beachten, als der Vater eines nichtehelichen Kindes verpflichtet ist, der Mutter die Kosten der Entbindung und, falls infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung weitere Aufwendungen notwendig werden, auch die dadurch entstehenden Aufwendungen zu erstatten. Da die Voraussetzungen von § 1615 k BGB in der Regel nicht vorliegen werden — Kostendeckung durch Leistungen des Arbeitgebers oder durch Versicherungsleistungen -, kommt der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe bei Geburt eines nichtehelichen Kindes einer Asylbewerberin voll zum Tragen 101 . Für den Fall, daß Vater des nichtehelichen Kindes einer Asylbewerberin ebenfalls ein Asylbewerber ist oder im Falle der Geburt eines ehelichen Kindes von Asylbewerbern, wird der Nachrang der Sozialhilfe regelmäßig nicht in Betracht kommen. Dann stellt sich die Frage, ob der Gewährung von Leistungen nach § 38 BSHG die Tatsache entgegensteht, daß die Hilfeleistung für werdende Mütter und Wöchnerinnen vom ausländer- bzw. asylrechtlich radizierten Begriff der „Versorgung" mit umfaßt wird. Die für die Gewährung von vorbeugender Gesundheitshilfe und Krankenhilfe entwickelten Grundsätze können hier nicht ohne weiteres in Anwendung gebracht werden, da Schwangerschaft und Geburt dem Krankheitsbegriff des § 37 BSHG — im Sinne eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes, der eine Heilbe101

Vgl. Ziff. 38.12 der Sozialhilferichtlinien des Bayerischen Städtetages, des Landkreisverbandes Bayern und des Verbandes der bayerischen Bezirke i. d. F. v. 1.10.1985, Bek. d. Bay. Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung v. 3.10.1985, Nr. VI 5/ 7105/9/85, MAB1 S. 122, abgedr. auch bei Oestreicher I Schelter I Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, Ziff. 119; § 1615 Κ I 1 BGB normiert keinen bürgerlichrechtlichen Unterhaltsanspruch iSv §91 BSHG: BVerwG, ZfSH/SGB 1989, 645 f. = VR 1990, 141 f.; zur Qualifizierung als Entschädigungsanspruch vgl. Häberle, in: Soergel, BGB, Bd. 8, § 1615 K, Rn. 3, als Ersatzanspruch eigener Art Diederichsen, in: Palandt, BGB, 48. Aufl. 1989, § 1615 K, Erl. 1.; a. Α.: Göppinger, Unterhaltsrecht, 5. Aufl. 1987, Rn. 314.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

handlung oder eine medizinisch verordnete Maßnahme oder Leistung erfordert — nicht unterfallen, so daß bei einer normalen Schwangerschaft eine Krankenhilfe nach § 37 neben den in § 38 BSHG vorgeschriebenen Hilfen nicht in Betracht kommt 1 0 2 . Da Schwangerschaft und Geburt keine Krankheit im Sinne von § 37 BSHG darstellen, andererseits Asylbewerberinnen von den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Ausnahme ausgeschlossen sind, die Leistungen nach § 38 BSHG aber wohl schwerlich unter den Terminus „Versorgung" in Verbindung mit der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft subsumiert werden können, kommt eine Leistungsgewährung nach § 38 BSHG immer dann in Betracht, wenn die Asylbewerberin nicht auf den Nachrang der Sozialhilfe — Ansprüche gegen den nichtehelichen Vater — verwiesen werden kann. e) Hilfe zur Pflege nach §§ 27 Abs. 1 Ziff.

9, 68 f. BSHG

Gem. § 68 Abs. 1 BSHG ist Personen, die infolge Krankheit oder Behinderung so hilflos sind, daß sie nicht ohne Wartung und Pflege bleiben können, Hilfe zur Pflege zu gewähren. Dem Pflegebedürftigen sollen gem. § 68 Abs. 2 Satz 1 BSHG auch die Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Erleichterung seiner Beschwerden wirksam beitragen. Tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Gewährung von Hilfe zur Pflege nach § 68 BSHG ist also, daß es sich um eine Hilfslosigkeit handelt, die auf Krankheit oder Behinderung beruht. Damit besteht ein enger Konnex zum tatbestandsmäßigen Anknüpfungspunkt für Leistungen nach § 37 BSHG, der es gestattet, die dort herausgearbeiteten Grundsätze anzuwenden. Dies hat zur Folge, daß die in § 68 BSHG geregelten Leistungen nach denselben Grundsätzen behandelt werden können wie die Krankenhilfe nach § 37 BSHG. Eine Gewährung von Hilfe zur Pflege nach § 68 BSHG an Asylbewerber, die infolge Krankheit oder Behinderung so hilflos sind, daß sie nicht ohne Wartung und Pflege bleiben können, scheidet daher aus, da die in § 68 genannten Leistungen vom ausländer- bzw. asylrechtlich radizierten Terminus der „Versorgung" mit umfaßt werden.

IV. Ergebnisse zu Kapitel 9 Hinsichtlich des asylrechtlichen „Funktions- und Verantwortungszusammenhangs" der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern ergibt sich folgendes: 102 Vgl. Oestreicher ! Schelter I Kunz, Bundessozialhilfegesetz, 1988, § 38, Rn. 3; lediglich die Fehlgeburt löst keine Wöchnerinnenhilfe nach § 38 BSHG aus, sondern ist als Krankheit ein Fall der Krankenhilfe nach § 37 BSHG (entsprechend der Regelung in § 195 RVO).

IV. Ergebnisse zu Kap. 9

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1. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG verbürgt über einen„klar umrissenen und unverzichtbaren Kerngehalt" hinaus die Schaffung von Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Asylbewerber; hierzu rechnet jedenfalls ein Mindestmaß an Unterbringung, Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung sowie Hilfeleistungen und Unterstützung in Notfällen. Die staatliche Aufgabe „ A s y l g e w ä h r u n g " erschöpft sich also nicht im bloßen Vorhalten eines adäquaten Verwaltungsverfahrens, das der Prüfung der Frage dient, ob Asylberechtigung im materiellen Sinne gegeben ist, sondern umfaßt darüber hinaus auch alle Maßnahmen, die zur Behebung der situationstypischen Bedürftigkeit von Asylbewerbern erforderlich sind. 2. Da dem Asylbewerber jede selbständige oder nicht selbständige Erwerbstätigkeit aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben (§§19 Abs. l a - l c AFG) verwehrt ist, umfaßt die staatliche Vorsorge nicht nur die Unterbringung, sondern auch die ökonomische Mindestausstattung des Bewerbers. 3. Der Bundesgesetzgeber hat von der Befugnis zur Regelung der unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Aufgaben der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern sowohl durch die damaligen §§ 39,40 AuslG a. F. als auch durch die §§ 19-28 AsylVfG nur fragmentarischen Gebrauch gemacht. Der unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG resultierende Anspruch auf ein Mindestmaß an Unterbringung und Versorgung ist einfachgesetzlicher Regelung durch die Bundesländer zugänglich und bedürftig. Von dieser Ausgestaltungskompetenz haben alle deutschen Bundesländer — mit Ausnahme Bayerns bis 31. 12. 1989 — Gebrauch gemacht. 4. Ein Bedürfnis nach landesgesetzlicher Regelung würde nur dann nicht bestehen, wenn die vorhandenen landesgesetzlichen Regelungen die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG entsprechender Weise normieren würden. Dies ist nicht der Fall; bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern handelt es sich weder um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 83 Abs. 1 BV, 57 Abs. 1 GO noch handeln Gemeinden und Landkreise bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern als Sicherheitsbehörden im Sinne von Art. 6 LStVG. 5. Eine Klassifizierung der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern als „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft" im oben genannten Sinne scheidet bereits deshalb aus, weil örtliche Radiziertheit und spezifischer personeller Bezug der Aufgabenerfüllung fehlen. Eine sicherheitsrechtliche Aufgabenerfüllung über Art. 6 LStVG kommt deshalb nicht in Betracht, weil bei der Unterbringung von Obdachlosen der leistungsrechtliche Aspekt im Vordergrund steht und daher der sicherheitsrechtliche Aspekt — Störung der öffentlichen Sicherheit bzw. Ordnung durch Obdachlose — in den Hintergrund tritt.

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9. Kap.: Unterbringung und Versorgung als staatliche Aufgaben

6. Die Unterbringung von Asylbewerbern in Sammelunterkünften nach §§39 und 40 AuslG a. F. bzw. in Gemeinschaftsunterkünften nach § 23 AsylVfG sind „erforderliche Hilfe von einem anderen" im Sinne des in § 2 Abs. 1 BSHG niedergelegten sozialhilferechtlichen Nachrangprinzips. Dieses Ergebnis wird gestützt durch eine Auslegung von § 108 Abs. 6 BSHG, nach dem die Vorschriften über die Kostenerstattung unter Sozialhilfeträgern bei Übertritt aus dem Ausland nach § 108 Abs. 1-5 BSHG nicht für Personen gelten, deren Unterbringung nach dem Übertritt in den Geltungsbereich dieses Gesetzes bundesrechtlich oder durch Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt ist. Die in § 22 Abs. 9 Satz 1 AsylVfG normierte Verpflichtung der Bundesländer zur „Aufnahme" von Asylbewerbern umfaßt demzufolge auch die Verpflichtung zur Unterbringung und Versorgung. 7. Daran hat sich auch nach der Neufassung von § 120 Abs. 2 BSHG im Rahmen des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.1981 sowie der späteren Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983 nichts geändert; insbesondere wurde durch § 120 Abs. 2 BSHG n. F. die ausländerrechtliche Pflicht zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern nicht auf das Sozialhilferecht verlagert. 8. § 19 Abs. 1 a-1 c AFG und § 2 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 2 BSHG offenbaren eine eklatante Zielantinomie. Das in § 19 Abs. 1 a-1 c statuierte Arbeits verbot hat zur Folge, daß Asylsuchende mangels eigener Einkommens- bzw. Erwerbsmöglichkeiten auf Fremdhilfe, d. h. nahezu ausschließlich auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Ein Asylbewerber, der Arbeit weder suchen noch aufnehmen darf, ist jedoch aus Rechtsgründen gehindert, einer — faktisch gegebenenfalls bestehenden — Erwerbsmöglichkeit nachzugehen. § 19 Abs. 1 a-1 c AFG hebt damit den Nachrang der Sozialhilfe für die Gruppe der Asylbewerber nachdrücklich auf. Diese Aufhebung von § 2 Abs. 1 BSHG als sozialhilferechtlicher Grundnorm ist jedoch rechtswidrig, da keiner der Fälle vorliegt, in denen eine Durchbrechung des Nachrangprinzips für zulässig erklärt wurde. 9. § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG stellt die Gewährung sonstiger Sozialhilfe in das Ermessen der Sozialhilfeträger; unter „sonstiger Sozialhilfe" im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG ist der Kreis der Hilfearten in besonderen Lebenslagen zu verstehen. § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG bezieht sich nicht lediglich auf die in § 120 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten einzelnen Arten der Hilfe in besonderen Lebenslagen. 10. Aus rechtlichen (§ 27 Abs. 1 Ziff. 1 BSHG) bzw. tatsächlichen Gründen (§ 27 Abs. 1 Ziff. 6, 8, 10-12 BSHG) sind die in § 27 Abs. 1 Ziff. 3, 4, 5 und 9 BSHG genannten Hilfearten von besonderer Relevanz. 11. Vorbeugende Gesundheitshilfe (§ 27 Abs. 1 Ziff. 3 iVm § 36 BSHG), Krankenhilfe (§ 27 Abs. 1 Ziff. 4 iVm §§ 37, 37a BSHG) und Hilfe zur Pflege

IV. Ergebnisse zu Kap. 9

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(§ 27 Abs. 1 Ziff. 9 iVm § 68 f. BSHG) kommen infolge Vorrangs der ausländer- bzw. asylrechtlich radizierten staatlichen Verpflichtungen zur „Versorgung" von Asylbewerbern nicht in Betracht. Diese Feststellung gilt jedenfalls für die in Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 23 AsylVfG untergebrachten Asylbewerber; sie hat aber auch zu gelten für dezentral in Einzelunterkünften untergebrachte Asylbewerber, wenn die dezentrale Unterbringung auf die nicht ausreichende Kapazität von Gemeinschaftsunterkünften zurückzuführen ist. 12. Eine Gewährung von Leistungen für Hilfe in besonderen Lebenslagen kommt nur für die Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen nach § 38 BSHG in Betracht, da sich einerseits eine Anwendung der für die Gewährung von vorbeugender Gesundheitshilfe, Krankenhilfe und Hilfe zur Pflege entwikkelten Grundsätze auf diesen Fall verbietet, zum anderen die in § 38 BSHG genannten Hilfeleistungen dem Terminus „Versorgung" nicht subsumiert werden können.

16 Hofmann-Hoeppel

Kapitel 10

Die Gewährung von Sozialhilfe an zur Ausreise verpflichtete, jedoch geduldete Ausländer I. Die Rechtslage nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2, 3 BSHG a. F., § 17 AuslG a. F. § 5 AEVO a. F. 1. Der Regelungsgehalt von § 17 AuslG a. F. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. konnte die Abschiebung eines Ausländers zeitweise ausgesetzt werden. Aus dieser Legaldefinition ergibt sich gleichzeitig der Rechtsinhalt der Duldung als zeitweise Aussetzung der „bestands- oder rechtskräftigen" Abschiebung. Nach Ziff. 1 der AuslVwV zu § 17 AuslG a. F. kam eine Duldung in Betracht, wenn eine Abschiebung zeitweise nicht durchgeführt werden konnte, ζ. B. weil der Staat, in den der Ausländer abgeschoben werden sollte, seine Aufnahme verweigerte, oder wenn humanitäre oder politische Gründe der Abschiebung zeitweise entgegenstanden. Ein Rechtsanspruch auf Duldung bestand nicht. Die Duldung beseitigte also die Verpflichtung zum unverzüglichen Verlassen des Geltungsbereichs des Ausländergesetzes nicht (vgl. Ziff. 2 der AuslVwV zu § 17 AuslG a. F.), wurde in der Regel auf 6 Monate befristet und konnte nach Ablauf (mehrfach) erneuert werden (Ziff. 3 AuslVwV zu § 17 AuslG a. F.). Sie wurde regelmäßig räumlich auf den Bezirk der örtlich zuständigen Ausländerbehörde beschränkt (Ziff. 4 der AuslVwV zu § 17 AuslG a. F.) und mit der Auflage versehen, daß der Ausländer jeden Wechsel des Aufenthaltsorts, der Wohnung oder der Beschäftigung unverzüglich bei der Ausländerbehörde anzuzeigen hatte (Ziff. 5 Satz 1 der AuslVwV zu § 17 AuslG a. F.). Über die Duldung wurde eine Bescheinigung nach Muster A 20 erteilt (Ziff. 6 der AuslVwV zu § 17 AuslG a. F.). Daraus ergibt sich, daß die Duldung einen vorläufigen und ungesicherten rechtlichen Status verlieh, der weder mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 2 Abs. 1 AuslG a. F., geschweige denn mit der durch die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung im Sinne von § 8 Abs. 1 AuslG a. F. verbundenen Rechtsposition vergleichbar war. Hauptanwendungsfall der Duldung im Sinn von § 17 AuslG a. F. war der Personenkreis jener (ehemaligen) Asylbewerber, die nach bestands- bzw. rechts-

I. Rechtslage nach §§ 120 BSHG a. F., 17 AuslG a. F., 5 AEVO a. F.

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kräftiger Ablehnung ihres Antrags auf Anerkennung als politisch Verfolgter bzw. des sogenannten Folgeantrags nach § 14 AsylVfG zwar verpflichtet waren, den Geltungsbereich des Ausländergesetzes unverzüglich zu verlassen, gleichwohl aber entweder faktisch im Geltungsbereich des Ausländergesetzes verbleiben oder aber sich darin aufgrund einer behördlichen Aufenthaltsermöglichung weiter aufhielten 1. Wegen der unterschiedlichen Möglichkeiten der Ausgestaltung des Aufenthaltsstatus von Ausländern, die nicht (mehr) Asylbewerber waren und der Einbeziehung von zur Ausreise verpflichteten Ausländern, deren Aufenthalt aus völkerrechtlichen, politischen, humanitären oder den in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F., genannten Gründen geduldet wurden, sowie sonstiger Ausländer, die zur Ausreise verpflichtet waren (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG), in den Kreis der leistungsberechtigten Ausländer nach dem BSHG ist es erforderlich, jene Ausländer zu erfassen, die der Regelung des § 17 AuslG a. F., unterfielen. Hierzu zählten die verschiedenen Gruppen von sogenannten de-facto-Flüchtlingen 2.

2. De-facto-Flüchtlinge und aufenthaltsrechtlicher Status a) Der Kreis der de-jure-Flüchtlinge Der Begriff des de-facto-Flüchtlings entstammt dem völkerrechtlichen Sprachgebrauch; ihm fehlen jedoch feste Konturen, da er weder in der Terminologie des flüchtlingsrechtlichen Völkervertragsrechts noch in der Gesetzessprache des deutschen Flüchtlings- und Ausländerrechts Verwendung findet. Unproblematisch ist lediglich die negative Definition des de-facto-Flüchtlings als Flüchtling ohne flüchtlingsrechtlichen Status. Zur positiven Eingrenzung des Begriffs ist es daher zunächst erforderlich, den de-facto-Flüchtling von jenen Flüchtlingen mit flüchtlingsrechtlichem Status abzugrenzen, die regelmäßig als de-jure-Flüchtlinge bezeichnet werden 3.

1

Im Falle der Ablehnung des Asylantrags durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf leitet diese seine Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde zur Zustellung zu (§ 12 Abs. 7 AsylVfG a. F., § 12 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG i. d. F. v. Art. 3 Ziff. 7 c AuslG n. F.). Die zuständige Ausländerbehörde fordert den Asylbewerber zusammen mit der Zustellung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts zur Ausreise auf, setzt ihm eine Ausreisefrist und droht für den Fall, daß der abgewiesene Bewerber nicht fristgemäß ausreist, die Abschiebung an (§ 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Dies gilt gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 AsylVfG nicht, wenn dem Ausländer ungeachtet der Ablehnung seines Asylantrags der Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ermöglicht wird. 2 Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Regelung des aufenthaltsrechtlichen Status von Ausländern, die nicht (mehr) Asylbewerber sind, vgl. die Ausführungen in Kapitel 10, II.2. 3 Vgl. hierzu Rothkegel, De-facto-Flüchtlinge, ZAR 1988, 99 ff. 16*

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

Als de-jure-Flüchtlinge wurden unter der Geltung des AuslG a. F. überwiegend bezeichnet: aa) die im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG unanfechtbar als Asylberechtigte anerkannten Ausländer, denen gem. § 29 Abs. 1 AsylVfG ein Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zustand, sofern sie nicht vor ihrer Anerkennung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung sofort vollziehbar oder unanfechtbar ausgewiesen waren (§ 29 Abs. 2 AsylVfG). bb) Konventionsflüchtlinge im Sinne von Art. 1 Abschn. A, Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, d. h. diejenigen Ausländer, die wegen der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründe Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und politische Überzeugung aus völkerrechtlichen Gründen in den Genuß des Flüchtlingsstatus kamen4. Die ausschließliche Zuordnung der Konventionsflüchtlinge zur Gruppe der de-jure-Flüchtlinge wird nach dem Inkrafttreten des AuslG n. F. am 1.1.1991 (Art. 15 Abs. 2) dadurch erschwert, daß das Recht der Bundesrepublik Deutschland eine förmliche Statusfeststellung für Konventionsflüchtlinge nur im Verfahren nach dem AsylVfG — § 51 Abs. 2 Satz 2 AuslG n. F. — vorsieht und demzufolge jene Konventionsflüchtlinge zu den de-facto-Flüchtlingen zu rechnen sind, die trotz ihrer Eigenschaft als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention keine Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus erlangt haben oder erlangen können (vgl. unter b). cc) Kontingentflüchtlinge im Sinne von § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.7.1980 5 , denen infolge einer auf völkerrechtlicher Grundlage beruhenden, gegenüber dem Herkunftsstaat abgegebenen Übernahmeerklärung des Bundesministers des Innern im Sinne von § 22 AuslG a. F., § 33 Abs. 1 AuslG n. F. oder aufgrund der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor der Einreise die gleiche Rechtsstellung wie Konventionsflüchtlingen erwachsen war 6 .

4 Vgl. Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951, verkündet mit Gesetz v. 1.9.1953, BGBl II, S. 559, in Kraft getreten am 22.4.1954 gem. Bek. d. Bundesministers des Auswärtigen v. 25.4.1954, BGBl II, S. 619, auch abgedr. bei Marx, Asylrecht, Bd. 2 (Gesetzessammlung), 1984, S. 124 ff. s BGBl 19801, S. 1057; seit 1.1.1991 i. d. F. v. Art. 5 AuslG n. F.; zu deren Rechtsstellung vgl. umf. Wiestner, Rechtsstellung der Kontingentflüchtlinge, 1984, S. 19 ff. . 6 Vgl. hierzu Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, § 1, Rn. 16 f.; Rothkegel, De-facto-Flüchtlinge, ZAR 1988, 99 ff., 101.

I. Rechtslage nach §§ 120 BSHG a. F., 17 AuslG a. F., 5 AEVO a. F.

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b) Der Kreis der de-facto-Flüchtlinge Infolge eines nicht einheitlichen Sprachgebrauchs und einer ζ. T. feststellbaren Verengung des Begriffs der de-facto-Flüchtlinge auf den „humanitären" Flüchtling kamen als de-facto-Flüchtlinge im weiteren Sinne in Betracht 7: aa) politisch Verfolgte im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, die ihre Asylberechtigung ζ. B. aus Angst vor Repressalien gegenüber im Heimatstaat verbliebenen Familienangehörigen oder aus Angst vor Sanktionen des Herkunftsstaats wegen des Betreibens eines Asylverfahrens nicht förmlich geltend machten, ihre Eigenschaft als politisch Verfolgte im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG dadurch jedoch nicht verloren, da der Verfolgtenstatus nicht verfahrensabhängig ist. bb) politisch Verfolgte im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, deren Asylanerkennung jedoch wegen der Ausschlußtatbestände der §§ la und 2 AsylVfG ausgeschlossen oder aber bestands- bzw. rechtskräftig abgelehnt war. cc) geflüchtete Angehörige von Asylberechtigten; dd) Konventionsflüchtlinge ohne erfolgte Asylanerkennung; ee) Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 Abschn. D der Genfer Konvention; ff)

humanitäre Flüchtlinge.

3. Differenzierung nach Abwehrrechten (gegenüber aufenthaltsbeendenden Maßnahmen) und Leistungsrechten a) Aufenthaltsbeendende

Maßnahmen und aufenthaltsrechtlicher

Status

Mit dem im Völker- bzw. Völkervertragsrecht wurzelnden Flüchtlingsstatus der de-facto-Flüchtlinge hing es u. a. zusammen, daß ein relevanter, seit Jahren im Steigen begriffener Prozentsatz sowohl von de-facto-Flüchtlingen als auch von Ausländern, die das Asylanerkennungsverfahren ergebnislos durchlaufen hatten, weiterhin im Geltungsbereich des Ausländergesetzes verblieb. Dies ergibt sich u. a. aus einer Analyse, die eine Arbeitsgruppe der Konferenz der Innenminister und -Senatoren des Bundes und der Länder in einem 42seitigen Bericht vom 14.6.1988 niedergelegt hat, der bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht veröffentlicht ist. In bezug auf das in wissenschaftlicher Literatur wie tagespolitischen Diskussionen häufig beklagte Vollzugsdefizit in der Abschiebepraxis heißt es dort wörtlich: „Daß ein Großteil abgelehnter Asylbewerber nicht abgeschoben wird, liegt nicht daran, daß aus Unkenntnis oder Säumnis keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen 7 Vgl. Rothkegel, De-facto-Flüchtlinge, ZAR 1988, 99 ff.

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

eingeleitet werden, sondern an rechtlich zwingenden Hindernissen, an politischen und humanitären Entscheidungen oder an organisatorisch nicht behebbaren Problemen."8 Diese Feststellung ist Ausfluß der Erkenntnis, daß allgemeines Völker- und völkerrechtliches Vertragsrecht, insbesondere die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 9 — Europäische Menschenrechts-Konvention (EMRK) — der Freiheit der Staaten, mit Flüchtlingen nach Belieben zu verfahren, Grenzen setzen. Diese Grenzen gelten nach Art. 25 GG, soweit es sich um allgemeine Regeln des Völkerrechts handelt, auch für die Bundesrepublik Deutschland innerstaatlich mit Vorrang vor anderen Gesetzen 10 . Die in diesem Zusammenhang von Hailbronner bereits im Jahre 1984 getroffene Feststellung, zwei Drittel aller Asylbewerber seien aus Ländern gekommen, in die nach der Verwaltungspraxis eine Abschiebung nicht vorgenommen werden könne n , deckt sich im wesentlichen mit den Erkenntnissen des bereits erwähnten Berichts der Arbeitsgruppe der Innenminister-konferenz vom 14.6.1988 und ist im übrigen auf die Ausdehnung der im IMK-Beschluß vom 26.8.1966 i. d. F. v. 26.4.1986 entwickelten Grundsätze auf abgelehnte Asylbewerber außerhalb von Ostblock-Staaten zurückzuführen. Ausschlaggebend hierfür war, daß Personen, die in ihrem Herkunftsland — bei Staatenlosen im Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts — aus den in Art. 1 Abschn. A, Abs. 2 der Genfer Konvention genannten allgemeinen Verfolgungsgründen politische Verfolgung zu befürchten haben, gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. nicht in den Heimatstaat abgeschoben werden durften, unabhängig davon, ob die Beantragung von Asyl erfolgte oder erfolglos blieb. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. konnte ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht waren. Damit wurde der in Art. 1, Abschn. A, Nr. 2 Genfer Konvention genannte Kanon von Tatbestän-

» Zitiert nach „Süddeutsche Zeitung", Nr. 273 v. 26./27.11.1988, S. 1; der IMKBericht wird — mit dem Datum 13.4.1988 — auch bei Knösel, Die Abschiebung im Lichte des Verfassungsrechts, ZAR 1990,75 erwähnt, der i. ü. zutreffend darauf hinweist, daß die Bundesländer erst seit dem 1.1.1987 eine einheitliche Abschiebungsstatistik führen; zu den allgemeinen Problemen vgl. Folz / Kremer, Abschiebung nach langfristig geduldetem Aufenthalt? — Am Beispiel der Ostblockflüchtlinge, ZAR 1990, 167 sowie Marx, Abschiebung von De-facto-Flüchtlingen und rechtliche Handlungsgrenzen, ZAR 1991, 125. 9 BGBl 1952 II, S. 685. 10 Vgl. hierzu Hailbronner, Die de-facto-Flüchtlinge im Völkerrecht, in: Otto-Benekke-Stiftung (Hrsg.), Asylnovelle 1987, S. 13 ff., 17. n Vgl. Hailbronner, de-facto-Flüchtlinge im Völkerrecht, in: Otto-Benecke-Stiftung (Hrsg.), Asylnovelle 1987, S. 16.

I. Rechtslage nach §§ 120 BSHG a. F., 17 AuslG a. F., 5 AEVO a. F.

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den wiederholt, die zur Inanspruchnahme des Status eines politischen Flüchtlings nach der Genfer Konvention berechtigen. Bei Art. 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. handelte es sich daher um eine innerstaatliche Inkorporierung des in Art. 33 Abs. 1 Genfer Konvention normierten Verbots der Aus- und Zurückweisung. Die in Art. 33 Abs. 1 Genfer Konvention genannten Tatbestände stimmen mit jenen in Art. 1, Abschn. A, Nr. 2 Genfer Konvention einerseits, in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. andererseits genannten Tatbeständen überein. Von daher muß die Frage, ob dem Prinzip des non-refoulment (Verbot der Zurückweisung, Abschiebung oder Ausweisung in den Verfolgerstaat) als objektive Norm des Völkervertragsrechts für den betroffenen einzelnen nur Qualität als Rechtsreflex zukommt 12 oder aber einen vertraglich geschaffenen subjektiven Rechtsanspruch verbürgt 13 , nicht entschieden werden 14 . Der für die Regelung des — häufig als „kleines Asyl" bezeichneten — § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. in Betracht kommende Personenkreis setzte sich somit zusammen aus — politisch Verfolgten, die ihre Asylberechtigung nicht förmlich geltend machten; — politisch Verfolgten im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, deren Anerkennung nach §§ la, 2 AsylVfG ausgeschlossen war, also solchen politischen Flüchtlingen, die Nachfluchtgründe geltend machten oder aus einem Drittstaat eingereist und dort nach der Vermutung des AsylVfG bereits vor Verfolgung sicher waren 15 ; — Konventionsflüchtlingen im Sinne von Art. 1 Abschn. A, Nr. 2 Genfer Konvention ohne Asylanerkennung im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, da nach zutreffender Auslegung die negative Bindung einer Asylablehnung nach § 18 Abs. 1 AsylVfG der Geltendmachung der Konventionsflüchtlingseigenschaft in der Regel nicht entgegenstand, weil die Ablehnung des Asylantrags in diesen Fällen nicht mit dem Fehlen der Eigenschaft nach Art. 1 Abschn. A, Nr. 2 Genfer Konvention begründet wurde 16 .

12 So Gornig, Gilbert, EuGrZ 1986, 521 ff., 526 f.; ders., Das Refoulment-Verbot im Völkerrecht (Abhandlungen zu Flüchtlingsfragen, Bd. XVIII), Wien 1987, S. 16 ff.; Frowein/Kühner, ZAÖRV 1983, 537 ff., 553. 13 So Köfner / Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1986, S. 135; Hailbronner I Randelzhof er, EuGrZ 1986, 641 ff., 648. 14 Vgl. hierzu auch Rothkegel, de-facto-Flüchtlinge, ZAR 1988, 99 ff., 103 f. is Vgl. hierzu umf. Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, Bd. 1, §2, Rn. 17-19 m. umf. w. N. 16 Vgl. hierzu Köfner ! Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1986, S. 230 m. FN 318 unt. Verw. auf BVerwG, NVwZ 1984, 42 = EZAR 130, Nr. 2, VG Hamburg, InfAuslR 1984, 158 und VG Düsseldorf, ZDWF RE 1405; nunmehr durch § 51 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 AuslG n. F. und § 1 a AsylVfG i. d. F. v. Art. 3 Ziff. 1 AuslG n. F. bestätigt.

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

Zutreffenderweise kam § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. nur in jenen Fällen nicht in Betracht, in denen nach rechts- oder bestandskräftig negativem Abschluß eines Asylverfahrens ein weiteres Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen gewährt werden sollte 17 . Gleichwohl waren diese Sachverhalte im Rahmen der allgemeinen Ermessensentscheidung über die Erteilung oder Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. über die vorläufige Aussetzung einer Abschiebung nach § 17 Abs. 1 AuslG a. F. zu berücksichtigen. Über den Schutzbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. hinaus — erfaßt wurde nur der politische Flüchtling und auch dieser nur hinsichtlich der Abschiebung, d. h. der zwangsweise herbeigeführten Ausweisung aus dem Geltungsbereich des Ausländergesetzes, nicht hingegen bezüglich einer Zurückweisung an der Grenze — genossen die humanitären Flüchtlinge Abschiebungsschutz nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. iVm Art. 1, 2 und 3 GG. Dies ergab sich daraus, daß der personelle und sachliche Geltungsbereich von § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. durch andere Normen des innerstaatlichen Rechts, insbesondere den verfassungsrechtlichen Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 und 2 GG, durch das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG über das eigentliche Abschiebungsverbot nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. hinaus erweitert wurde. Nach innerstaatlichem Recht der Bundesrepublik Deutschland waren daher vor Zurückweisung und Abschiebung in den Herkunftsstaat geschützt: — potentielle Folteropfer als Untergruppe der humanitären Flüchtlinge 18 , — von Todesstrafe Bedrohte als weitere Untergruppe der humanitären Flüchtlinge 19 , — durch Drittverfolgung Gefährdete auch bei anderen als den in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F., genannten Verfolgungsgründen (ζ. B. bei Gefahr von Blutrache 20 ), — bona-fide-Flüchtlinge aus Krisengebieten 21. 17 Vgl. in diesem Zusammenhang Köfner / Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1986, S. 225 unt. Verw. auf die insoweit unzutreffende Rspr., aufgeführt in FN 310. is Vgl. BVerwGE 67, 184 = NVwZ 1983, 677 = EZAR 201, Nr. 5; BVerwG, EZAR 221, Nr. 29 = NVwZ 1988, 260; vgl. Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, Bd. 1, § 10, Rn. 74; § 39, Rn. 314 sowie Köfner / Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, Bd. 1, 1986, S. 239 m. FN 337. 19 Vgl. Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, Bd. 1, § 10, Rn. 74; § 39, Rn. 314 und 670; Köfner / Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1986, S. 239 m. FN 337. 20 Vgl. Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, Bd. 1, § 39, Rn. 313 und 315; BVerwG, EZAR 120, Nr. 12. 21 Vgl. Köfner / Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1986, S. 241 m. FN 343 f.

I. Rechtslage nach §§ 120 BSHG . F., 17 AuslG . F., 5 AEVO

. F.

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Darüber hinaus kam für Angehörige von Asylberechtigten — die wegen des Erfordernisses persönlicher Verfolgungsbetroffenheit nicht schon als solche asylberechtigt sind — ein Abschiebungsverbot aus Art. 6 Abs. 1 GG in Betracht 22 . Für den Kreis der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F., nach Art. 2 Abs. 2 GG und nach Art. 6 Abs. 1 GG vor der Abschiebung in das Herkunftsland geschützten Ausländer sowie für jene Ausländer, für die zwar ein Abschiebungsschutz nach den soeben erwähnten Normen nicht gegeben ist, für die aber kraft Beschlusses der I M K vom 26.8.1966 i. d. F. v. 26.4.1985 eine Aufenthaltsmöglichkeit besteht, stellte sich nunmehr die Frage, wie der aufenthaltsrechtliche Status dieser Ausländer nach der Systematik des Ausländergesetzes alter Fassung geregelt war. b) Verschiedene Arten der Aufenthalts ermö g lie hung nach AsylVfG bzw. AuslG a. F. bis zum 1.1. 1991 Mit der Feststellung, die Abschiebung eines Ausländers sei wegen der in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F., Art. 2 Abs. 2 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG genannten Gründe nicht möglich bzw. eine Abschiebung komme aus den im IMK-Beschluß vom 26.8.1966 i. d. F. v. 26.4.1985 genannten Tatbeständen nicht in Betracht, war noch keine Aussage über den aufenthaltsrechtlichen Status dieser Ausländer verbunden. Da es im Recht der Bundesrepublik Deutschland — außer in § 20 AsylVfG für Asylbewerber — keine positivrechtliche Regelung für den aufenthaltsrechtlichen Status von de-facto-Flüchtlingen gab, mußte dieser de lege lata mit den Mitteln des Ausländerrechts gestaltet werden. Hierfür standen im Grundsatze zur Verfügung: — Ermöglichung des Aufenthalts im Sinne von § 10 Abs. 1, letzt. Halbs. AsylVfG in den Fällen der Unbeachtlichkeit des Asylantrags nach § 7 Abs. 2 AsylVfG (Schutz vor Verfolgung in einem anderen Staat im Sinne von § 2 Abs. 2 AsylVfG) odernach § 14 Abs. 1 AsylVfG (unbeachtlicher Folgeantrag bei NichtVorliegen der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1-3 VwVfG); — Übernahmeerklärung nach § 22 AuslG a. F.; — Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 2 AuslG a. F.; — Duldung nach § 17 Abs. 1 AuslG a. F. § 10 Abs. 1, letzt. Halbs. AsylVfG — der durch Art. 3 des AuslG n. F. insoweit unverändert blieb — hat offensichtlich Auffangfunktion. Er ist zwar auf Fälle anwendbar, in denen der Asylantrag wegen anderweitigen Verfolgungsschutzes unbeachtlich ist, der Ausländer aber in den schutzgewährenden Staat nicht mehr 22 Vgl. hierzu BVerfGE 76,1 = EZAR 105, Nr. 20 = EuGrZ 1987,449; Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, Bd. 1, § 10, Rn. 61 ff.; Rothkegel, de-factoFlüchtlinge, ZAR 1988, 99 ff., 105.

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

zurückkehren kann, eine anderweitige Abschiebung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. ausgeschlossen ist oder aber der Ausländer zu den Ost-EuropaFlüchtlingen oder Staatsangehörigen eines Staates gehört, in die nach den Richtlinien des jeweiligen Bundeslandes nicht abgeschoben werden darf 23 . Indes war in diesen Fällen jedenfalls die Erteilung einer Duldung nach § 17 Abs. 1 AuslG a. F. angezeigt. Ähnlich verhielt es sich, wenn zwar im Prinzip abgeschoben werden konnte, dies aber aus humanitären Gründen — zeitweilig — ausgeschlossen war (Krieg, Hungersnot, Naturkatastrophen 24). Die Übernahmeerklärung nach § 22 AuslG war — und ist — zur Ausgestaltung des ausländerrechtlichen Status nach der Einreise des von der Übernahmeerklärung betroffenen Ausländers ungeeignet, da die Übernahmeerklärung dem Ausländer lediglich die Einreise in den Geltungsbereich des Ausländergesetzes gestattet, die Zuständigkeit der Ausländerbehörden der Länder für die weitere Entscheidung über den Aufenthalt des Ausländers jedoch unberührt läßt 25 . c) Aufenthaltserlaubnis

oder Duldung?

Aus der Systematik des Ausländergesetzes ergab sich unschwer, daß sich der aufenthaltsrechtliche Status von geduldeten Ausländern nach § 17 Abs. 1 AuslG a. F. grundlegend von jenen Ausländern unterscheidet, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 2 Abs. 1 AuslG a. F. erteilt wurde. Die Duldung im Sinne von § 17 Abs. 1 AuslG a. F. war nicht nur kein (begünstigender) Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG, sondern vermittelte dem geduldeten Ausländer insbesondere kein Recht zum Aufenthalt, da die Verpflichtung zum Verlassen des Geltungsbereichs des Ausländergesetzes bestehen blieb. Letzteres ergab sich aus § 12 Abs. 1 AuslG a. F., nach dem nur Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung und Befreiung von dem Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis in den Fällen der §§2 Abs. 2-4 und 49 Abs. 2 AuslG a. F., nicht aber die Duldung von der Pflicht entbanden, den Geltungsbereich des Ausländergesetzes unverzüglich zu verlassen 26. 23 Vgl. hierzu Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1986, Bd. 1,§ 10, Rn. 71. 24 Solche humanitäre Gründe sind vor allem Krieg, Hungersnot, Naturkatastrophen; vgl. hierzu Hanisch, Werner, Grenzfragen des Asylrechts und des allgemeinen Ausländerrechts, DVB1 1983, 415 ff., 421 unt. Verw. auf BVerwG, DÖV 1979, 296; zu Recht stellt Hanisch in diesem Zusammenhang fest: „Geholfen werden kann hier nur über das allgemeine Ausländerrecht. Trotz mancher Ansätze ist doch in der ausländerrechtlichen Praxis noch ein deutliches Entscheidungsdefizit zu erkennen. Eine flexible Handhabung würde es erlauben, unter Beachtung der Kapazitäten der sozialen Binnenstrukturen schnell auf aktuelle Notlagen zu reagieren. Dabei ist allerdings nicht zu verkennen, daß sich bei zunehmend restriktiver Auslegung des Begriffs der politischen Verfolgung die Bewältigung der Flüchtlingsproblematik verstärkt in das allgemeine Ausländerrecht verlagern wird." 25 Vgl. hierzu Kloesel i Christ, Deutsches Ausländerrecht, 1988, § 22, Anm. 3; Wiestner, Rechtsstellung der Kontingentflüchtlinge, 1984, S. 101 ff.

I. Rechtslage nach §§ 120 BSHG . F., 17 AuslG . F., 5 AEVO

. F.

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Aus Rechtsqualität und Funktion der Duldung als zeitweiligem staatlichen Verzicht auf zwangsweise Durchsetzung des staatlicherseits gegenüber dem Ausländer bestehenden Anspruchs auf Verlassen des Geltungsbereichs des Ausländergesetzes ergab sich gleichzeitig, daß eine Duldung von Gesetzes wegen dann nicht in Betracht kam, wenn es um die Ermöglichung eines mittelfristigen oder gar unbefristeten Verbleibs des Ausländers im Geltungsbereich des Ausländergesetzes ging. Erschien die Durchführung der Abschiebung auf längere Zeit ausgeschlossen, verfehlte die Duldung ihren gesetzlichen Zweck, da dem Verbleib des Ausländers durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 2 Abs. 1 AuslG a. F. Rechnung zu tragen war 27 . Ging es also um die Regelung eines mittel- bzw. längerfristigen Verbleibs des Ausländers, so brauchte sich dieser auf die Erteilung einer im Ermessen der Ausländerbehörde stehenden Duldung nicht verweisen zu lassen. Die in diesem Zusammenhang zu stellende, in der wissenschaftlichen Literatur widersprüchlich beantwortete Frage, ob bei nachstehenden Gruppen von defacto-Flüchtlingen — politische Flüchtlinge, die ihre Asylberechtigung nicht förmlich geltend machten; — politisch Verfolgte im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, deren Asylanerkennung kraft Gesetzes ausgeschlossen oder bestands- bzw. rechtskräftig abgelehnt war; — Konventionsflüchtlinge ohne Asylanerkennung; — humanitäre Flüchtlinge (potentielle Folteropfer, von Todesstrafe Bedrohte, durch Drittverfolgung Gefährdete); — bona-fide-Flüchtlinge nicht ein — gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt der Ermessensreduzierung auf Null — geltend zu machender Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 2 Abs. 1 AuslG bestand, hatte nicht nur Bedeutung für die zutreffende Handhabung des Ausländergesetzes durch die Ausländerbehörden der Bundesländer, sondern vor allem für die hier interessierende Frage der Auswirkungen auf Leistungsansprüche von de-facto-Flüchtlingen nach dem BSHG, je nachdem, ob ihnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde oder sie sich nur geduldet im Geltungsbereich des Ausländergesetzes aufhielten.

26 Vgl. hierzu Kloesel I Christ, Ausländergesetz, 1988, § 17, Anm. 1. 27 Vgl. Huber, Ausländer- und Asylrecht, 1983, Rn. 328 m. w. N. in FN 22 sowie Rothkegel, de-facto-Flüchtlinge, ZAR 1988, 99 ff., 106.

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

d) Das Verhältnis von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. und § 2 Abs. 1 BSHG

2 und 3

Die Differenzierung der unterschiedlichen Gruppen von de-facto-Flüchtlingen einerseits, die überwiegende Regelung des aufenthaltsrechtlichen Status dieser Flüchtlinge durch Erteilung einer Duldung nach § 17 Abs. 1 AuslG a. F. andererseits erwies sich von unmittelbarer Relevanz angesichts der Tatsache, daß der auf den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Sachleistung beschränkte Anspruch nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 und 2 BSHG auch Ausländern zustand, deren Aufenthalt aus völkerrechtlichen, politischen, humanitären, aus den in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. genannten Gründen geduldet war sowie sonstigen Ausländern, die zur Ausreise verpflichtet waren. Da der Kreis der in § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG genannten Ausländer unter Zugrundelegung der soeben dargestellten Gruppen von de-facto-Flüchtlingen mit jenen Ausländern identisch war, denen eine Duldung im Sinne von § 17 Abs. 1 AuslG a. F. erteilt wurde, war die in § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 BSHG getroffene Regelung unter dem Aspekt des in § 2 Abs. 1 BSHG angeordneten Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe dann rechtswidrig, wenn — die bei einzelnen Fallkonstellationen von de-facto-Flüchtlingen erfolgte Erteilung der Duldung in rechtswidriger Weise erfolgte, da wegen der Ermöglichung eines nicht nur vorübergehenden Verbleibs im Geltungsbereich des Ausländergesetzes eine Aufenthaltserlaubnis oder aber Aufenthaltsberechtigung hätte erteilt werden müssen und sich infolge der rechtswidrigen Nichterteilung bzw. Versagung eine ungünstigere arbeitserlaubnisrechtliche Stellung des Ausländers mit der Folge ergab, daß er aus rechtlichen Gründen gehindert war, sich im Sinne von § 2 Abs. 1,1. Alt. BSHG „selbst zu helfen"; — oder aber auch in den Fällen der Erteilung einer Duldung — ohne Rücksicht auf deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit — die arbeitserlaubnisrechtliche Möglichkeit der Selbsthilfe im Sinne von § 2 Abs. 1,1. Alt. BSHG bestand. e) Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach § 5 AEVO a. F. Aus § 5 Abs. 1 Ziff. 1 der „Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer" 28 ergab sich, daß die Erteilung der Arbeitserlaubnis im 28 Arbeitserlaubnisverordnung — AEVO i. d. F. d. Bek. v. 12.9.1980, BGBl I, S. 1754, zul. geänd. durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher, arbeitserlaubnisrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften v. 6.1.1987, BGBl I, S. 89; vgl. hierzu auch Höfler, Die Erteilung der Arbeitserlaubnis im Spannungsfeld zwischen dem Arbeitsamt und den Verhältnissen des einzelnen Falles, SGb 1982, 59 ff.; Pfaff, Übersicht zum Arbeitserlaubnisrecht, InfAuslR 1983, 179 ff.; Becker ! Braasch, Recht der ausländischen Arbeitnehmer,!986,Rn. 87.

I. Rechtslage nach §§ 120 BSHG . F., 17 AuslG . F., 5 AEVO

. F.

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Sinne von § 19 Abs. 1 AFG iVm § 1 Abs. 1 AEVO vom Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 2 Abs. 1 AuslG a. F. bzw. einer Aufenthaltsberechtigung im Sinne von § 8 Abs. 1 AuslG a. F. abhing. Die rechtliche Ausgestaltung des ausländerrechtlichen Status des eine Arbeitserlaubnis begehrenden Ausländers als „Junktim" für die Erteilung der Arbeitserlaubnis folgte im übrigen aus § 8 Abs. 1 Ziff. 1 AEVO, nach dem die Arbeitserlaubnis erlosch, wenn die für den Aufenthalt erforderliche Erlaubnis abgelaufen oder erloschen war. Daraus ergab sich gleichzeitig, daß de-facto-Flüchtlingen, die im Besitze einer Aufenthaltserlaubnis waren, dem Grunde nach eine Arbeitserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Ziff. 1 iVm § 19 Abs. 1 AFG, § 1 Abs. 1 AEVO hätte erteilt werden können, wenn die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer allgemeinen Arbeitserlaubnis nach § 1 AEVO gegeben waren 29 . Indes folgte bereits aus § 5 Abs. 2 AEVO a. F., daß eine Arbeitserlaubnis auch Arbeitnehmern erteilt werden kann, deren Abschiebung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. zeitweise ausgesetzt war. Die im Rahmen der Erteilung der Arbeitserlaubnis nach § 5 Abs. 2 AEVO a. F. zu beachtenden Grundsätze über die Handhabung des pflichtgemäßen Ermessens (§ 40 VwVfG) mußten im Falle der Erteilung einer Duldung zur Ermöglichung eines mittel- bzw. langfristigen Aufenthalts jedoch regelmäßig dazu führen, daß jedenfalls das Vorliegen der ausländerrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung der allgemeinen Arbeitserlaubnis nach § 1 Abs. 1 AEVO zu bejahen sind. Dieser Auslegung von § 5 Abs. 2 AEVO a. F. standen weder § 19 Abs. 1 Satz 2, Satz 3, Abs. 1 a - 1 c AFG a. F. noch die Tatsache entgegen, daß eine zu erteilende Duldung zu befristen war, und diese Frist in der Regel 6 Monate (Ziff. 3 Satz 2 VwV zu § 17 AuslG) nicht übersteigen sollte. Die aus Ziff. 3 Satz 1 VwV zu § 17 AuslG a. F. folgende Verpflichtung der Ausländerbehörde, die Duldung zu befristen, war in diesem Zusammenhang aus mehreren Gründen rechtlich unbeachtlich: Zum einen ergab sich die Verpflichtung zur Befristung nicht kraft Gesetzes, sondern kraft Verwaltungsanordnung; §17 Abs. 1 Satz 2 AuslG a. F. verwies nämlich nur auf § 7 Abs. 1, 3 und 4 AuslG a. F., nicht jedoch auf § 7 Abs. 2, nach dem die Aufenthaltserlaubnis befristet oder unbefristet erteilt wird. Zum anderen war eine im Vollzug von Ziff. 3 Satz 1 VwV zu § 17 AuslG a. F. erfolgende Befristung einer Duldung bereits deshalb rechtswidrig, wenn im Zeitpunkt der Erteilung absehbar ist, daß die Duldung zur Ermöglichung eines potentiell mittelfristigen bzw. unbefristeten Aufenthalts dienen sollte 30 . Schließlich ermöglichte § 4 Abs. 1 Satz 1 AEVO 29 Die Voraussetzungen für die Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis im Sinne von § 2 Abs. 1 AEVO werden bei de-facto-Flüchtlingen regelmäßig nicht gegeben sein, da § 2 Abs. 1 Ziff. 1-3 AEVO tatbestandlich nicht erfüllt sind. 30 Zu Systematisierung, Außenwirkung und ihren Konsequenzen, insb. für die richterliche Kontrolldichte von Verwaltungsvorschriften vgl. statt vieler Erbguth, Wilfried, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, DVB1 1989, 473 ff.

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

a. F. die Befristung der Arbeitserlaubnis auch unter dem in § 4 Abs. 1 Satz 1 AEVO a. F. genannten Zeitpunkt von 2 Jahren. Auch § 19 AFG i. d. F. von Art. 3 des Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher, arbeitserlaubnisrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften vom 6.1.1987 31 stand einer Erteilung der Arbeitserlaubnis nach § 5 Abs. 2 AEVO nicht entgegen. Die in § 19 Abs. la und l b AFG normierten, ζ. T. über die in § 19 Abs. 1 Satz 3 AFG geregelte Frist hinausgehenden Wartezeiten galten ausweislich des Gesetzeswortlauts nur für Asylbewerber (§19 Abs. la AFG) bzw. für deren Ehegatten oder Kinder (§ 19 Abs. l b AFG). § 19 Abs. 2 AFG war der Arbeitserlaubniserteilung nach § 5 Abs. 2 AEVO nicht hinderlich; nach § 19 Abs. 2 AFG darf zwar eine Arbeitserlaubnis nicht erteilt werden, soweit die Beschäftigung durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen ist. Dies war bei Duldungen zwar regelmäßig der Fall, da die Ausländerbehörden über die in § 17 Abs. 1 Satz 2 AuslG a. F. auf § 7 Abs. 3 AuslG a. F. vorgenommene Verweisung von der Möglichkeit Gebrauch machten, dem geduldeten Ausländer entweder jede Erwerbstätigkeit oder aber die selbständige Erwerbstätigkeit zu untersagen 32. Ist jedoch anerkannt, daß die Ausländerbehörde bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens bei der Entscheidung darüber, ob die Ausübung einer — selbständigen oder unselbständigen — Erwerbstätigkeit zu untersagen ist oder nicht, zwischen den Interessen des Ausländers und den Belangen der Bundesrepublik Deutschland abzuwägen hat, Belange der Bundesrepublik Deutschland im Regelfalle nicht schon dann beeinträchtigt sind, wenn an der vom Ausländer beabsichtigten Erwerbstätigkeit ein öffentliches Interesse nicht besteht und zudem einwanderungspolitischen Erwägungen durchaus Gewicht beizumessen ist, so kam gleichwohl bei der Abwägung des Verhältnisses von § 19 Abs. 2 AFG iVm § 17 Abs. 1 Satz 2,7 Abs. 3 AuslG a. F. und § 5 Abs. 2 AEVO a. F. der im Sozialhilferecht in § 2 Abs. 1 BSHG niedergelegte Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe zum Tragen. Dieser konnte nur zu dem Ergebnis führen, bei geduldeten Ausländern von der Auflage, eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit nicht auszuüben, abzusehen, um nach § 5 Abs. 2 AEVO a. F. eine Arbeitserlaubnis erteilen zu können. Mit anderen Worten: „Daß einem Ausländer, dessen an sich fällige Abschiebung vorübergehend nicht vollzogen wird, eine Arbeitserlaubnis erteilt werden darf, hat lediglich den Zweck, dem Arbeitsamt die Erteilung der Arbeitserlaubnis

31 BGBl 1987 I, S. 89. 32 Als Erwerbstätigkeit ist dabei gem. Ziff. 14 VwV zu § 2 AuslG a. F. jede selbständige oder unselbständige Tätigkeit anzusehen, die auf Erzielung von Gewinn gerichtet oder für die ein Entgelt vereinbart oder den Umständen nach zu erwarten ist. Erwerbstätig sind damit auch Praktikanten, Volontäre oder Auszubildende, die für ihre Arbeitsleistung ein Entgelt erhalten.

I. Rechtslage nach §§ 120 BSHG . F., 17 AuslG

. F., 5 AEVO

. F.

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entgegen § 5 Abs. 1 AEVO . . . zu ermöglichen, um so die deutsche Sozialhilfe zu entlasten"33. f) Das Verhältnis von § 5 Abs. 2 AEVO a. F. zu § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2, 3 BSHG a. F. Daß nur diese Auslegung des Verhältnisses von § 5 Abs. 2 AEVO und §§19 Abs. 1, Abs. 2 AFG, 17 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 3 AuslG a. F. die zutreffende sein kann, ergibt sich auch aus den Bemühungen der Rechtsprechung, die sich aus § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG a. F. ergebenden Konsequenzen eines Anspruchs geduldeter Ausländer auf Hilfe zum Lebensunterhalt durch Rückgriff auf § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. HS BSHG zu „vermeiden". Beispiel hierfür ist etwa der Beschluß des OVG Münster vom 18.6.1986 34 , in dem der Rechtsanspruch eines Libanesen auf Sozialhilfe verneint wurde, obwohl dieser unter den vom Nordrhein-Westfälischen Ministerium des Innern im Jahre 1983 verhängten Abschiebestop fiel. Das OVG Münster interpretierte § 120 Abs. 1 Satz 1,2. HS BSHG so, daß es für den Ausschluß des Hilfeanspruchs ausreiche, wenn eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit" dafür bestehe, „daß die Antragsteller . . . eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen". In diesem Zusammenhang ist es nicht nur unzutreffend, wenn sich das OVG Münster auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts 35, des OVG Bremen 36 sowie des Hessischen V G H 3 7 beruft, da diese Gerichte übereinstimmend davon sprechen, daß zumindest bedingter Vorsatz zum Bezug von Sozialhilfe bei der Einreise vorliegen und insbesondere der Aspekt des Sozialhilfebezugs von „prägender Bedeutung" sein muß. Zudem hat bereits das VG Hamburg 38 zutreffend auf den Zweck der Vorschrift des § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. HS BSHG abgestellt: Zweck der Vorschrift sei die Vorbeugung gegen Mißbrauch der Sozialhilfe; dieser Zweck könne jedoch nicht erreicht werden, wenn die ausländerrechtlich zuständigen Stellen Hilfesuchende faktisch in der Bundesrepublik dulden. „Über die Mißbrauchsregel (des § 120 Abs. 1 Satz 1, 2. HS BSHG) dürfen jedenfalls dann keine ausländerrechtlichen Zwecke verfolgt werden (auch nicht mittelbar), wenn diese Zwecke vom Ausländerrecht selbst ausdrücklich nicht verlangt werden. Eine mißbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen, der durch § 120 Abs. 1 Satz 2, Halbsatz 2 BSHG vorgebeugt werden soll, dürfte daher in aller Regel nicht gegeben sein, wenn gerade das für die Fragen des Aufenthalts

33 Vgl. Kloesel / Christ, Deutsches Ausländerrecht, 1988, § 17, Anm. 1 am Ende. 34 8 Β 1197/86. 35 FEVS 28, 45 ff., 49 = BVerwGE 59, 73 ff., 76; 31, 45 ff., 48. 36 InfAuslR 1986, 153 ff. 37 FEVS 32, 396 ff., 373. 38 NDV 1987, 269 ff.; zur neueren Rechtsprechung vgl. BWVGH, FEVS 38, 256; OVG Hamburg, ZfSH/SGB 1989, 367; OVG Münster, NDV 1991, 99.

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

eines Ausländers maßgebliche Ausländerrecht den Aufenthalt des Ausländers nicht mißbilligt, jedenfalls nicht derart, daß er ausgewiesen oder abgeschoben wird" 3 9 . Auch anhand dieser Rechtsprechung läßt sich aufzeigen, daß der Wertungswiderspruch zwischen ausländerrechtlicher Duldung von zur Ausreise verpflichteten Ausländern einerseits und Normierung eines grundsätzlichen Anspruchs auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG a. F. unter Überspielung des im Sozialhilferecht verankerten Nachrangsprinzips nur dann aufgehoben werden konnte, wenn die Ausländerbehörden grundsätzlich auf die Erteilung der ausländerrechtlichen Auflage, einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nicht nachzugehen, verzichteten, um den Arbeitsämtern die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach § 5 Abs. 2 AEVO zu ermöglichen. Die der ausländerbehördlichen Erteilung des Verbots, einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, zugrunde liegende einwanderungspolitische und damit ausländerrechtlich motivierte „Ausschaltung" der Arbeitserlaubniserteilung nach § 5 Abs. 2 AEVO a. F. rechtfertigte die Aufhebung des in § 2 Abs. 1 BSHG normierten Nachrangprinzips als sozialhilferechtlicher Grundnorm, die bei den strittigen Fragen des Verwaltungsvollzugs nach dem BSHG und bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung als Auslegungsregel heranzuziehen ist, nicht.

I I . Die Rechtslage nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG n. F., § 19 AFG n. F., § 5 AEVO n. F. 1. Die Änderung von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG infolge Inkrafttretens des Ausländergesetzes neuer Fassung a) § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG und Erweiterung gesetzlicher Aufenthaltstitel § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG i. d. F. d. Bek. v. 10. 1. 1991 40 trägt den Änderungen des am 1. 1. 1991 in Kraft getretenen 41 Ausländergesetzes n. F. insoweit Rechnung, als der Kreis der anspruchsberechtigten Ausländer in § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff 2 BSHG n. F. nunmehr umschrieben wird als „zur Ausreise verpflichtete Ausländer, deren Aufenthalt aus völkerrechtlichen, politischen, humanitären oder den in § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes genannten Gründen geduldet wird". 39 Vgl. hierzu ausführlich Kramer, Sozialhilfe für de-facto-Flüchtlinge, ZFF 1988, 174 ff. sowie Huber, Keine Sozialhilfe für de-facto-Flüchtlinge?, Sozial Extra 1987,29 ff. 40 BGBl I S. 94, ber. S. 808. 41 Art. 15 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 (BGBl I S. 1354, geänd. S. 2170).

II. Rechtslage nach §§ 120 BSHG n. F., 17 AuslG n. F., 5 AEVO n. F.

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Der hierdurch zum Ausdruck kommende gesetzestechnische Verweis auf die durch das Ausländergesetz n. F. eingeführte Erweiterung der gesetzlichen Aufenthaltstitel 42 hat u. a. die wesentliche Konsequenz, daß ein Teil der nach alter Rechtslage zu apostrophierenden de-facto-Flüchtlinge vermöge die Schaffung gesetzlicher Aufenthaltstitel auf den Status von de-jure-Flüchtlingen „angehoben" wurde, ein Umstand, der sich dem zentralen Anliegen der Bundesregierung verdankt, „die Rechts- und Erwartungssicherheit der Ausländer" 43 zu erhöhen. Damit wurden gleichzeitig rechtliche Unsicherheiten beseitigt, die sich etwa im Hinblick auf die aufenthaltsrechtliche Stellung von Ehegatten oder Kindern von (abgelehnten) Asylbewerbern ergaben. b) Die „Teilüberführung " von de-facto-Flüchtlingen in de-jure-Flüchtlinge Andererseits ist die unter Geltung des Ausländergesetzes a. F. entwickelte Differenzierung nach de-jure- und de-facto-Flüchtlingen nicht mehr hinreichend, um den für die Anwendung des § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff.2 BSHG relevanten Personenkreis zuverlässig zu ermitteln. Dieser stellt sich nach dem 1. 1. 1991 somit wie folgt dar: (1) Vor dem 1. 1. 1991 aus Gründen des § 14 AuslG a. F. Ausländern als — potentiellen Folteropfern, — von Todesstrafe Bedrohten, — von Drittverfolgung Gefährdeten aus anderen als den in § 14 AuslG a. F. genannten Gründen, — bona-fide-Flüchtlingen aus Krisengebieten, — politisch Verfolgten ohne förmliche Geltendmachung des Verfolgtenstatus nach Asylverfahrensgesetz a. F., — politisch Verfolgten, deren Anerkennung nach §§ 1 a, 2 AsylVfG ausgeschlossen war (und ist), — Konventionsflüchtlingen im Sinne von Art. 1 Abschn. A Nr. 2 Genfer Flüchtlingskonvention oder aber ihren Familienangehörigen wegen Art. 6 Abs. 1 GG erteilte Duldungen nach § 17 Abs. 1 AuslG a. F. bleiben gem. § 95 Abs. 1 AuslG n. F. wirksam. (2) Unanfechtbar abgelehnte Asylbewerber, die aufgrund einer Verwaltungsvorschrift eines Landes oder einer Entscheidung im Einzelfall aus rechtlichen oder humanitären Gründen wegen der Verhältnisse in ihrem Herkunftsland nicht abgeschoben wurden oder deren Aufenthalt wegen sonstiger, nicht zu vertretener Ausreise- und Abschiebungshindernisse nicht beendet werden kann, ohne daß 42 Vgl. hierzu umf. Wollenschläger / Sehr ami, Die Aufenthaltstitel im neuen Ausländergesetz, ZAR 1991, 59 ff. 43 Begründung A I 1, BT-Drucks. 11/6321, S. 39 ff. 17 Hofmann-Hoeppel

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 100 Abs. 1 Satz 1 AuslG n. F. — Mindestaufenthalt von 8 Jahren zum 1. 1. 1991 im Wege des § 20 AsylVfG oder des § 17 AuslG a. F. — vorliegen, erhalten gem. § 55 Abs. 2 AuslG n. F. eine Duldung in folgenden Fällen bestehender rechtlicher Abschiebungshindernisse: — Gefahr der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG n. F.), — Gefahr der Todesstrafe (§ 53 Abs. 2 Satz 1 AuslG n. F.), — Verstoß gegen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 (§ 53 Abs. 4 AuslG n. F.) und sind aufgrund der Schaffung eines eigenständigen Aufenthaltstitels nunmehr als de-jure-Flüchtlinge zu qualifizieren 44 . (3) Eine Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG n. F. kann ferner erteilt werden, wenn dem Ausländer bei Abschieben in einen anderen Staat eine erheblich konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht (§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG n. F.). Die Anwendungsbeispiele für § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG n. F. ergeben sich anhand einer Abgrenzung ex negativo von § 53 Abs. 1 - 4 einerseits, § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG — sogenannte Bürgerkriegsfälle — andererseits. Ein nach § 53 Abs. 6 Satz 1 iVm § 55 Abs. 2 AuslG n. F. Geduldeter ist gleichfalls den dejure-Flüchtlingen zuzurechnen 45. (4) Die in § 55 Abs. 2 AuslG schließlich genannte Anwendungsmöglichkeit der Aussetzung nach § 54 AuslG n. F. — als einer der neben §§30 Abs. 1, Abs. 2, 30 Abs. 5 Satz 2 AuslG n. F. verbleibenden „Restbestände" des Kreises der de-facto-Flüchtlinge — offeriert zwei Varianten, deren eine — § 54 Satz 2 AuslG n. F. — deshalb nicht zum Ansatz kommt, weil der Bundesminister des Inneren das erforderliche Einvernehmen zur Regelung nach § 54 Satz 2 AuslG n. F. nicht erteilt hat (und nicht erteilen wird) 4 6 . Die im Rahmen von § 54 Satz 1 iVm § 55 Abs. 2 AuslG n. F. mögliche Duldung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen wird zunächst gekennzeichnet durch die Tatsache, daß sich die Ständige Konferenz der Innenminister und -Senatoren des Bundes und der Länder am 14. 4. 1989 47 darauf geeinigt hat, die sogenannten OstblockBeschlüsse vom 26. 8. 1966, 26. 4. 1985 und 3. 4. 1987 aufzuheben, so daß 44 Vgl. Marx, Abschiebung von de-facto-Flüchtlingen und rechtliche Handelsgrenzen, ZAR 1991, 125 ff., 126; Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 287 ff. Bei § 53 Abs. 1-4 AuslG n. F. handelt es sich um zwingende Abschiebungshindernisse. § 53 Abs. 6 AuslG n. F. normiert ein humanitäres Abschiebungshindernis, ist also nicht zwingender Natur; vgl. Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 289 f. 46 Vgl. Marx, Abschiebung von de-facto-Flüchtlingen und rechtliche Handlungsgrenzen, ZAR 1991, 125. 47 Vgl. Rittstieg, InfAuslR 1989, 223 f., sowie ZAR 1989, 50.

II. Rechtslage nach §§ 120 BSHG n. F., 17 AuslG n. F., 5 AEVO n. F.

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abgelehnte Asylbewerber aus den Staaten Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, UdSSR, CSFR und Ungarn nach den allgemeinen Bestimmungen des Ausländergesetzes zu behandeln sind, d. h. ihr Aufenthalt ist grundsätzlich zu beenden48. Werden im Wege genereller Anordnungen einer obersten Landesbehörde im Rahmen von § 54 Satz 1 AuslG n. F. Aussetzungen von Abschiebungen angeordnet 49 , so ist gem. § 55 Abs. 2 AuslG n. F. ebenfalls eine Duldung zu erteilen; die von dieser Regelung erfaßten Ausländer sind weiterhin als de-facto-Flüchtlinge zu bezeichnen. (5) Demgegenüber werden die nach alter Rechtslage den de-facto-Flüchtlingen 50 zuzurechnenden Ausländer, — deren Anerkennung als politisch Verfolgte im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nach § 1 a AsylVfG — sogenannte „gewillkürte Nachfluchtgründe'' 51 — oder § 2 AsylVfG — Verfolgungssicherheit im Drittstaat 52 — ausgeschlossen war (und ist) bzw. — denen ohne Rücksicht auf Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in ihrer Eigenschaft als sogenannte Status-Flüchtlinge iSv Art. 1 Abschn. A Nr. 1 oder nach Art. 1 4

8 Vgl. in diesem Zusammenhang Marx, Abschiebung von de-facto-Flüchtlingen und rechtliche Handlungsgrenzen, ZAR 1991, 125 ff., 129, sowie insb. Folz / Kremer, Abschiebung nach langfristig geduldetem Aufenthalt? — Am Beispiel der Ostblock-Flüchtlinge, ZAR 1990, 167 ff., die zutreffend darauf abheben, daß sich die auf Länderebene erlassenen Verwaltungsvorschriften am Duldungsbegriff des § 17 AuslG a. F. orientierten und daher — weil vom Begriffsmerkmal „zeitweise" nicht gedeckt — rechtswidrig sind, da die hiervon erfaßten Ausländergruppen sowohl aus Art. 2 Abs. 1 als auch wegen der Geltung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis hatten ( mit der weiteren Folge des § 94 Abs. 2 Ziff. 2 bzw. Ziff. 3 AuslG n. F.). 49 Vgl. ζ. B. den für Iraner in Nordrhein-Westfalen geltenden Abschiebestop {Marx, ZAR 1991,125 ff., 131) sowie die für Kurden aus der Türkei in Bayern, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geltende Regelung (Marx, ZAR 1991,125 ff., 133). 50 Diese Zuordnung war durchaus umstritten; Schiedermair / Wollenschläger (Handbuch des Ausländerrechts der Bundesrepublik Deutschland, Teil 3 G, Rz. 8) und Koisser / Nicolaus (Die Zuerkennung des Konventionsflüchtlingsstatus nach dem neuen Ausländergesetz — Eine Analyse aus der Sicht des UNHCR, ZAR 1991, 9 ff., 11) gehen demgegenüber von einer Zuordnung zu den de-jure-Flüchtlingen aus, weil auch diese Flüchtlinge den Abschiebungsschutz der Genfer Konvention genössen. 51 Vgl. hierzu BVerfGE 74, 51 = DVB1 1987, 360 m. Anm. Quaritsch = JZ 1987, 191 m. Anm. Kimminich = InfAuslR 1987,56 m. Anm. Wolff = DÖV 1987,202 m. Anm. Hofmann, 491; zur umstrittenen Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.11.1986 vgl. BW-VGH, InfAuslR 1988, 93 ff., sowie Schwab, Das Recht auf Asyl — Ein unzeitgemäßes Grundrecht?, 1989, S. 23 ff. 52 Zu den Streitfragen um die „Sicherheit" vor politischer Verfolgung in einem anderen Staat vgl. Wollenschläger, Die Auswirkungen der Asylrechtsnovelle auf das Asylverfahrensrecht und das Grundrecht auf Asyl, in: Otto-Benecke-Stiftung (Hrsg.), Asylnovelle 1987 und Schutz der de-facto-Flüchtlinge, 1987, S. 37 ff.; Säcker, DÖV 1988, 162; Wollenschläger I Becker, DÖV 1987, 1096 ff.; Huber, NVwZ 1987, 392; Kanein/ Renner, Ausländerrecht, 4. Aufl. 1987, S. 612; BVerwG, InfAuslR 1988, 125; HessVGH, NVwZ 1988, 274 ff.; VG Neustadt, InfAuslR 1988, 158, sowie umf. Schwab, Das Recht auf Asyl — ein unzeitgemäßes Grundrecht?, 1989, S. 28 ff. 17*

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

Abschn. A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention die Flüchtlingseigenschaft zukommt bzw. nach Art. 1 Abschn. D Abs. 2 (Palästina-Flüchtlinge) die Flüchtlingseigenschaft zukommen kann bzw. — die vor dem 31. 12. 1990 eine Asylantrag gestellt und diesen zurückgenommen hatten, gleichwohl aber geltend machen können, politisch verfolgt zu sein, ohne eine entsprechende Feststellung iSv Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG vorweisen zu können, in den Status eines de-jure-Flüchtlings überführt, wenn sie einen Antrag auf Gewährung von Verfolgungsschutz nach § 51 Abs. 1, Abs. 3 AuslG n. F. stellen. § 51 Abs. 1, 3 AuslG korrespondiert mit § 7 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG n. F., aus dem sich ergibt, daß eine Berufung auf Verfolgungsschutz außerhalb des Asylverfahrens nicht mehr zulässig ist 53 . Der nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. iVm § 7 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylVfG n. F. anhängig gemachte Antrag gilt gem. § 43 a Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AsylVfG n. F. nicht als Folgeantrag, so daß die Beachtlichkeitsprüfung zu entfallen hat. Der Antragseingang begründet zunächst unmittelbaren Abschiebungsschutz nach § 52 AuslG n. F., so daß dem Ausländer bis zum Abschluß des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. iVm § 7 Abs. 1 AsylVfG n. F. zunächst eine Duldung zu erteilen ist 54 . Im Falle der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 2 Nr. 2 AuslG n. F. ist gleichzeitig klargestellt, daß der Ausländer Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention unterliegt 55 . Zwar kann auch in diesen Fällen gem. § 51 Abs. 5 AuslG n. F. nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen, eine angemessene Ausreisefrist zu setzen und in der Androhung die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Die daraus gegebenenfalls abzuleitende Folgerung einer Duldungserteilung nach § 55 AuslG verbietet sich aber angesichts der in §§ 55 Abs. 2, 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG n. F. getroffenen Regelung; hieraus ergibt sich, daß im Falle der unanfechtbaren Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen ist, sofern § 8 Abs. 2 AuslG nicht entgegensteht; anderenfalls ist auch in diesen Fällen eine Duldung zu erteilen 56 . Aus der in den Fällen des § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG n. F. erfolgten Kreation eines positiven Aufenthaltstitels folgt die Zuordnung dieses Kreises von Ausländern zu den de-jure-Flüchtlingen. 53 Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 276. 54 Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 279. 55 Damit ist der „verhängnisvolle Fehler" (Koisser I Nicolaus, ZAR 1991, 9) getilgt, der sich aus der Streichung von Art. 1 Genfer Konvention als Anspruchsgrundlage (§1 Abs. 1 AsylVfG 1982) ergab und darauf zurückzuführen war, daß Rechtsprechung und Lehre unzutreffenderweise von der Vollidentität von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 1 GFK ausgingen (vgl. Schaeffer, Asylberechtigung, 1980, S. 12 ff.; Hofmann, Die Erarbeitung von Art. 16 GG in Herrenchiemseer Verfassungskonvent und Parlamentarischem Rat, in: Otto-Benecke-Stiftung (Hrsg.), 40 Jahre Asylgrundrecht, 1990, S. 63 ff.). 56 Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 280.

II. Rechtslage nach §§ 120 BSHG n. F., 17 AuslG n. F., 5 AEVO n. F.

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Bezüglich der Ausländer, die ihren vor dem 31. 12. 1990 gestellten Asylanerkennungsantrag zurückgenommen, sich nach dem 1. 1. 1991 aber entschlossen haben, die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. iVm § 7 Abs. 1 AsylVfG n. F. zu begehren, tritt zunächst Abschiebungsschutz gem. § 43 a Satz 1 Nr. 2 AsylVfG n. F. iVm § 52 AuslG n. F. ein. Nach erfolgter Feststellung gem. § 51 Abs. 1 AuslG n. F. gilt auch hier § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG n. F., d. h. es ist eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Wird die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. nicht beantragt oder unanfechtbar negativ verbeschieden, so kann eine Aufenthaltsbefugnis gem. § 30 Abs. 5 Satz 2 AuslG unter den Voraussetzungen der §§30 Abs. 3, Abs. 4 AuslG, d. h. dann erteilt werden, wenn — die Voraussetzungen nach § 55 Abs. 2 AuslG n. F. für die Erteilung der Duldung infolge bestehender Hindernisse bezüglich freiwilliger Ausreise bzw. Abschiebung vorliegen (§ 30 Abs. 3 AuslG n. F.) oder — die Ausreisepflichtigkeit seit mindestens 2 Jahren besteht, der Ausländer im Besitze einer Duldung ist und die seiner Abschiebung entgegenstehenden Hindernisse nicht in seiner Person begründet sind (§ 30 Abs. 4 AuslG n. F.). Auch die diesen Kriterien unterfallende Gruppe von Ausländern kommen als de-facto-Flüchtlinge in den „Genuß" einer positiven Aufenthaltsregelung und wurden demzufolge durch das Ausländergesetz n. F. in den Status von de-jureFlüchtlingen überführt. c) Der § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG n. F. unterfallende Personenkreis Das soeben behandelte „Aufrücken" der §§ la, 2 AsylVfG, Art. 1 Abschn. A Ziff. 1, 2, Abschn. D Ziff. 2 Genfer Flüchtlingskonvention bzw. der § 30 Abs. 1, Abs. 2 oder aber § 30 Abs. 5 Satz 2 iVm § 30 Abs. 3, Abs. 4 AuslG n. F. unterfallenden Ausländer in den Kreis der de-jure-Flüchtlinge führt indes zu keiner wesentlichen Veränderung des nach § 120 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSHG n. F. bezüglich des Bezuges von Sozialhilfe beschränkten Personenkreises. Aus § 120 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSHG n. F. ergibt sich, daß die Beschränkung der Gewährung von Sozialhilfe auf den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt gilt für — geduldete Ausländer nach §§ 53 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, Abs. 6 Sätze 1, 2 iVm § 55 Abs. 2 AuslG; — geduldete Ausländer nach § 54 iVm § 55 Abs. 2 AuslG n. F. (de-facto-Flüchtlinge); — Ausländer, die im Besitze einer nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. beantragten und im Wege des § 7 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylVfG n. F. ergangenen Feststellung sind, denen jedoch eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG n. F. wegen entgegenstehender Gründe aus § 8 Abs. 2 AuslG n. F. nicht erteilt werden kann;

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

— Ausländer, deren Asylantrag (einschließlich des Antrags auf Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F.) unanfechtbar abgelehnt57 wurde oder die ihren Asylanerkennungsantrag zurückgenommen haben, denen wegen Nichterfüllung der Wartezeit von 2 Jahren jedoch gem. § 30 Abs. 5 Satz 2 AuslG ebenfalls eine Aufenthaltsbefugnis nicht erteilt werden kann. Fraglich bleibt demzufolge, ob § 120 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSHG n. F. auch jene Ausländer unterfallen, — die im Besitze einer nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. beantragten und im Wege des § 7 Abs. 1 Satz 1, 2.Alt. AsylVfG n. F. ergangenen Feststellung sind und denen eine Aufenthaltsbefugnis im Rahmen des nach § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG n. F. bestehenden Rechtsanspruchs zuerkannt wurde 58; — denen Einreise und Aufenthalt aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Belange der Bundesrepublik Deutschland durch Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 1 AuslG gestattet wurde, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht vorlagen oder einer der Gründe des § 7 Abs. 2 AuslG gegeben war 59 ; — denen — nach vor dem 1.1.1991 bereits erfolgter Einreise — zur Ermöglichung weiteren rechtmäßigen Aufenthalts aus dringenden humanitären Gründen bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 30 Abs. 2 Ziff. 1,2 AuslG n. F. ebenfalls eine Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde 60; — denen als de-facto-Flüchtlinge aus den Gründen des § 30 Abs. 3 (nicht: § 53 Abs. 2 AuslG n. F.) oder des § 30 Abs. 4 AuslG n. F. ebenfalls eine Aufenthaltsbefugnis erteilt wird. 61 Für diese Gruppe gilt, daß sie nicht im Besitze einer „Duldung", sondern des positiven Aufenthaltstitels der Aufenthaltsbefugnis sind, die zu dem erklärten Zweck geschaffen wurde, die Duldung „stärker auf ihre eigentliche Funktion einer lediglich vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung" 62 zurückzuführen. Auch die Aufenthaltsbefugnis ist gem. § 34 Abs. 1 AuslG (auf längstens 2 Jahre) zu befristen, so daß daraus zunächst gefolgert werden könnte, die 57 Dies ergibt sich aus der Formulierung nach §7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 AsylVfG, wonach mit jedem Asylantrag auch die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. begehrt wird; die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. liegt bei Anbringung eines Asylantrags demnach nicht im Willen des Antragstellers (Argument aus § 7 Abs. 1 Satz 2,2. HS AsylVfG; vgl. hierzu Fraenkel Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 276 ff.). 58 Vgl. Rittstieg, Das neue Ausländergesetz: Verbesserungen und neue Probleme, in: Barwig / Huber / Lörcher / Schumacher / Sieveking (Hrsg.), Das neue Ausländerrecht, 1991, S. 23 ff., 27 f.; Huber, Aufenthaltsgenehmigungsrecht, in: Barwig / Huber / Lörcher / Schumacher / Sieveking (Hrsg.), Das neue Ausländerrecht, 1991, S. 115 f.; Fraenkel, 1991, S. 276. 59 Vgl. hierzu Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 95. 60 Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 98. 61 Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 100. 62 Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 94.

II. Rechtslage nach §§ 120 BSHG n. F., 17 AuslG n. F., 5 AEVO n. F.

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Aufenthaltsbefugnis stelle lediglich einen besonderen Fall der Duldung dar, der rechtstechnisch anders ausgestaltet ist. Aus § 5 Ziff. 4 AuslG n. F. folgt jedoch zwingend, daß die Aufenthaltsbefugnis als Unterart der Aufenthaltsgenehmigung einen positiven Aufenthaltstitel und daher nicht nur eine Duldung darstellt, so daß auf die zuletzt genannte Gruppe von Ausländern § 120 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSHG n. F. nicht anwendbar ist.

2. Die Änderungen von § 19 AFG, § 5 AEVO und ihre Bedeutung für den Vollzug von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG n. F. a) Das Gesetz zur Änderung des AFG vom 22.3.1991 Ließen die durch Art. 6 Ziff. l b , aa) und cc), Ziff. l c des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts eingetretenen „Lockerungen" des in § 19 Abs. 1 a bis 1 c AFG normierten generellen Arbeitsverbots die sich aus dem Verhältnis von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 BSHG und § 5 AEVO ergebende Problematik dem Grundsatz nach 63 unverändert fortbestehen, so stellt sich angesichts der in AFG und AEVO eingetretenen Änderungen die Frage, ob diese Feststellung auch für den ab 1.7.1991 64 geltenden Rechtszustand Bestand hat. Durch Art. 1 Ziff. 1 a des Gesetzes zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften vom 21.6.1991 65 wurden § 19 Abs. 1 a bis 1 c AFG aufgehoben und § 19 Abs. 4 Satz 2 insoweit neu gefaßt, als sein Regelungsgehalt nunmehr mit § 19 Abs. 4 Satz 3 Ziff. 1 AFG a. F. identisch ist. Damit gilt auch für Asylbewerber (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BSHG n. F.), deren Ehegatten sowie für abgelehnte, aber nach § 54 Satz 2 bzw. §§ 53 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, Abs. 6 Sätze 1 und 2 AuslG n. F. einerseits, aus den Gründen des §51 Abs. 1 AuslG andererseits geduldete Asylbewerber (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG n. F.) die Grundsatzregelung nach § 19 Abs. 1 AFG, nach der für die erstmalige Beschäftigung die Erteilung einer Arbeitserlaubnis für einzelne Personengruppen davon abhängig gemacht werden kann, daß sich der Ausländer unmittelbar vor Antragstellung eine bestimmte Zeit, die 4 Jahre nicht überschreiten darf, erlaubt oder geduldet im Geltungsbereich des AFG — 63 Gem. § 19 Abs. l a Satz 1, 2. HS AFG galt die fünfjährige Wartezeit nicht für Ausländer, deren Asylantrag auf die Feststellung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG n. F. beschränkt ist und die vor Antragstellung im Besitze einer Aufenthaltserlaubnis waren. Stand aufgrund einer Anordnung nach § 32 oder § 54 Satz 2 AuslG n. F. fest, daß der Asylbewerber auch im Falle der Ablehnung des Antrags nicht ausgewiesen oder abgeschoben wurde, so betrug die Wartezeit ein Jahr (§19 Abs. l a Satz2 AFG). Die Wartezeiten endeten vorzeitig, wenn dem Asylbewerber nach Stellung eines Antrags eine Aufenthaltserlaubnis oder nach unanfechtbarer Ablehnung des Antrages nach § 55 Abs. 2 AuslG n. F. eine Duldung erteilt wurde ( § 19 Abs. 1 a Satz 3 AFG). 64 Art. 10 Satz 1 AFGÄndG. 65 BGBl S. 1306.

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10. Kap.: Sozialhilfegewährung an geduldete Ausländer

aufgehalten hat oder daß er vor einem bestimmten Zeitpunkt in den Geltungsbereich des AFG eingereist ist (§19 Abs. 1 Satz 4 AFG). b) Die Voraussetzungen der Arbeitserlaubniserteilung In Konkretisierung von § 19 Abs. 1 Satz 4 AFG bestimmt § 1 Abs. 2 AEVO, daß die allgemeine Arbeitserlaubnis für eine erstmalige Beschäftigung Ausländern nur dann erteilt werden kann, wenn sie sich mindestens ein Jahr geduldet im Sinne von § 55 AuslG n. F. im Geltungsbereich der AEVO aufhalten; demgegenüber hängt die besondere — unabhängig von der Frage der Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 2 Abs. 1, 1. HS AEVO) — zu erteilende Arbeitserlaubnis von einem 6jährigen ununterbrochenen Aufenthalt und dem Besitz einer Aufenthaltsbefugnis iSv § 30 AuslG n. F. ab. Allgemeine wie besondere Arbeitserlaubnis werden gem. § 5 Abs. 2 AEVO nur erteilt, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach § 55 AuslG n. F. zeitweise ausgesetzt ist oder der Aufenthalt nach § 69 AuslG als erlaubt oder geduldet gilt. Für den nach § 120 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3 BSHG n. F. unterfallenden Personenkreis bedeutet dies, daß auch unter der Geltung von AFG und AEVO n. F. aus den Gründen der §§ 54 Satz 2 AuslG n. F. bzw. §§53 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, Abs. 6 Sätze 1 und 2 AuslG n. F. bzw. § 51 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 2 AuslG n. F. geduldete Ausländer keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis haben, wobei die nach § 5 Satz 2 AEVO vorzunehmende Handhabung des Ermessens durch die Schranken des § 1 Abs. 2 Ziff. 2 AEVO bestimmt wird. Eine Veränderung der rechtlichen Situation ist also nur insoweit eingetreten, als die im Besitze einer Aufenthaltsbefugnis nach den §§30 Abs. 1, 30 Abs. 2, 30 Abs. 5 Satz 1 iVm § 51 Abs. 1, 30 Abs. 5 Satz 2 iVm § 30 Abs. 3 oder 30 Abs. 4 AuslG n. F. befindlichen Ausländer der Kann-Bestimmung des § 5 Satz 2 AEVO nicht unterliegen (Argument aus § 5 Satz 1 AEVO iVm § 5 Nr. 4 AuslG n. F.). Damit gelten auch unter der neuen Rechtslage die für AFG iVm § 5 AEVO a. F. getroffenen Ausführungen, d. h. die Beachtung des in § 2 Abs. 1 BSHG normierten Nachrangprinzips der Sozialhilfe gebietet in der Regel eine positive Handhabung des in § 5 Satz 2 AEVO für den Personenkreis nach § 54 Satz 2, §§ 53 Abs. 1, Abs. 2Satz l,Abs. 4, Abs. 6Sätzelund2bzw.§ 51 Abs. l i V m § 55 Abs. 2 AuslG n. F. eingeräumten Ermessens hinsichtlich der Erteilung der Arbeitserlaubnis.

I I I . Ergebnis zu Kapitel 10 Die zu beurteilende Frage, ob die Daseinsvorsorge für Ausländer, die zur Ausreise verpflichtet sind, deren Abschiebung jedoch aufgrund ausländerbehörd-

III. Ergebnis zu Kapitel 10

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licher Entscheidung ausgesetzt wurde, Aufgabe der Sozialhilfe sei, läßt sich daher zusammenfassend wie folgt beantworten: 1. Eine Entfaltung des völkerrechtlich nicht präzise umgrenzten Begriffs des defacto-Flüchtlings nach — politisch Verfolgten ohne Geltendmachung einer Anerkennung, — politisch Verfolgten, deren Anerkennung kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (§§ la, 2 AsylVfG), — Konventionsflüchtlingen ohne Anerkennung. — Flüchtlingen im Sinne von Art. 1 Abschn. D, Satz 2 GFK, — humanitären Flüchtlingen (unter Einschluß der bona-fide-Flüchtlinge) zeigt, daß es sich bei den de-facto-Flüchtlingen regelmäßig um zur Ausreise verpflichtete Ausländer im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG handelte, deren Aufenthalt aus völkerrechtlichen, politischen, humanitären oder den in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a. F. genannten Gründen geduldet wurde. Der Kreis dieser Ausländer erhielt regelmäßig eine Duldung auch dann, wenn von Rechts wegen eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung angezeigt gewesen wären. 2. Die Erteilung einer Duldung an de-factoFlüchtlinge war regelmäßig rechtswidrig, weil es um die Sicherung des Verbleibs für einen mittel- bzw. längerfristigen Zeitraum im Geltungsbereich des Ausländergesetzes ging, die Duldung nach der Systematik des Ausländergesetzes aber lediglich die zeitweise, d. h. befristete Aussetzung der Abschiebung eines zur Ausreise verpflichteten Ausländers darstellte. 3. Da auch geduldeten Ausländern gem. § 5 Abs. 2 AEVO a. F. eine Arbeitserlaubnis erteilt werden konnte, die Erteilung der Arbeitserlaubnis aber regelmäßig durch die nach §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 3 AuslG a. F. erteilte Auflage, einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nicht nachzugehen, unmöglich gemacht wurde, waren geduldete Ausländer im Grundsatz auf den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG verwiesen. 4. Die ausländerrechtliche Unmöglichkeit, einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, beseitigte den auch für den Leistungsbezug nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG geltenden Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 BSHG. Die Rechtswidrigkeit dieser Praxis ergibt sich daraus, daß die Überspielung des Nachrangprinzips mit ausschließlich ausländerrechtlichen bzw. einwanderungspolitischen Erwägungen unzulässig war.

Kapitel 11

Die Leistungsverpflichtung der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung I. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Bestimmung der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe 1. Die Regelung nach dem BayAGBSHG a) Sozialhilfe

als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises

Im Unterschied zu § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG — der qua Inanspruchnahme einer punktuellen Annexkompetenz die kreisfreien Städte und Landkreise als örtliche Träger der Sozialhilfe kraft Bundesrechts bestimmt — beläßt § 96 Abs. 2 Satz 1 BSHG die Bestimmung der überörtlichen Träger der Sozialhilfe den Ländern. In Vollzug von § 96 Abs. 2 Satz 1 BSHG bestimmt Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. HS BayAGBSHG die Bezirke zu überörtlichen Trägern der Sozialhilfe und erklärt sie in Art. 7 Abs. 1 außer den Aufgaben nach § 100 BSHG sachlich zuständig für — alle Hilfen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen und in Einrichtungen zur teilstationären Betreuung gewährt werden (Art. 7 Abs. 1 lit. a BayAGBSHG), — alle Hilfen an Ausländer im Sinne des Ausländergesetzes (Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG) und an Aussiedler im Sinne des Β VFG und Zuwanderer aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 2 der 1. Durchführungsverordnung zum 1. Überleitungsgesetz genannten Gebieten in staatlichen Lagern oder lagerähnlichen Wohnheimen bis zur dauernden Unterbringung in einer Wohnung (Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 2, 1. HS BayAGBSHG) 1 . ι Die Zuständigkeit nach Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 2, 1. HS BayAGBSHG bleibt bestehen, bis eine Verpflichtung zur Kostenerstattung nach § 103 Abs. 3 BSHG enden würde, d. h. für den Zeitraum eines Monats nach Verlassen des staatlichen Lagers oder eines lagerähnlichen Wohnraums, wenn sich der Aussiedler oder Zuwanderer während dieses Zeitraums außerhalb einer Anstalt, eines Heimes oder einer gleichartigen Einrichtung aufhält.

I. Verfassungsrechtliche Relevanz der Sozialhilfeträgerschaft

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Aus Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG ergibt sich, daß die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für alle Hilfen an die in Art. 7 lit. b Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG genannten Personen begründet wird. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. HS BayAGBSHG ist die Gewährung von Sozialhilfe durch die überörtlichen Träger Aufgabe ihres eigenen Wirkungskreises, welcher gem. Art. 5 Abs. 1 BezO die Angelegenheiten der durch das Gebiet des Bezirks begrenzten überörtlichen Gemeinschaft umfaßt. b) Ausgabenlast und kommunale Finanzhoheit Nach dem Grundsatz des Art. 12 Abs. 1 BayAGBSHG tragen die Träger der Sozialhilfe die Kosten für die Sozialhilfeaufgaben, die ihnen nach dem BSHG, nach dem AGBSHG oder nach einer Rechtsverordnung aufgrund dieses Gesetzes obliegen. Da die überörtlichen Träger von der in Art. 10 Abs. 2 Ziff. 12 eingeräumten Möglichkeit der Übertragung des Aufgabenvollzugs nach Art. 7 Abs. 1 lit. b BayAGBSHG gem. Art. 10 Abs. 2 Satz 2, 1. HS BayAGBSHG Gebrauch machen sollen 2 , trifft die Ausgabenlast für den Vollzug der Aufgabe nach Art. 7 lit. b Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG zunächst die örtlichen Träger der Sozialhilfe, die jedoch ihrerseits gem. Art. 12 Abs. 3 Satz 1 BayAGBSHG einen Anspruch auf Erstattung der tatsächlich aufgewendeten Kosten gegen den überörtlichen Träger haben. Persönliche und sächliche Verwaltungskosten werden gem. Art. 12 Abs. 3 Satz 2 iVm Abs. 2 Satz 2 BayAGBSHG nicht erstattet. Gem. Art. 13 Abs. 1 BayAGBSHG gewährt der Freistaat Bayern nach Maßgabe des Finanzausgleichsgesetzes einen Ausgleich zu den Aufwendungen, die den Bezirken als überörtlichen Trägern der Sozialhilfe insgesamt erwachsen. Wegen der in Art. 12 Abs. 3 Satz 2 iVm Abs. 2 Satz 2 BayAGBSHG von der Erstattung ausgenommenen persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten kann es sich bei den in Art. 13 Abs. 2 BayAGBSHG genannten Aufwendungen nur um die im Vollzuge der Leistungen nach Art. 7 lit. b Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG entstandenen tatsächlichen Aufwendungen handeln. Aus der Bestimmung des Sozialhilfevollzugs als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Bezirke ergibt sich somit unter verfassungsrechtlichen Rücksichten eine doppelte Fragestellung: 1. Stimmt die Deklarierung des Sozialhilfevollzugs als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. HS BayAGBSHG mit der Legaldefinition des eigenen Wirkungskreises in Art. 5 Abs. 1 BezO überein, wonach Aufgaben des eigenen Wirkungskreises die Angelegenheiten der durch das Gebiet des Bezirks begrenzten überörtlichen Gemeinschaft sind? 2

Der Bezirk leistet den örtlichen Trägern für die Delegationsausgaben jeweils monatliche Zuschüsse, die in der Regel 80 % der abgerechneten Netto-Aufwendungen des Vorjahres betragen. Die exakte Abrechnung erfolgt halbjährlich.

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11. Kap.: Leistungsverpflichtung der Bezirke und Selbstverwaltung

Verneinendenfalls ist zu prüfen, ob sich ein Verfassungsverstoß gegen die auch den Bezirken nach Art. 10 Abs. 1 BV zukommenden Garantie kommunaler Selbstverwaltung oder aber ein Gesetzesverstoß gegen Art. 6 Abs. 4 BezO ergibt, wonach bei der Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen sind. 2. Auch bei Erfüllung des Sozialhilfevollzugs im eigenen Wirkungskreis im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BezO kann sich ein Verfassungsverstoß dann ergeben, wenn eine mit der überproportionalen Aufgabenbelastung einhergehende überproportionale Ausgabenbelastung im Vollzug der Aufgaben nach Art. 7 lit. b Ziff. 1 und 2 BSHG dem sich aus Art. 10 Abs. 1 BV ergebenden Gebot, die finanzielle Lebensfähigkeit der Bezirke als Gemeindeverbände zu erhalten, nicht mehr gerecht wird. Im folgenden wird es — unter Rückgriff auf die in Teil A, Kapitel 4, gefundenen Ergebnisse — darum gehen, Inhalt und Grenzen der den Bezirken nach Art. 10 Abs. 1 BV, Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie darzustellen.

2. Die Bezirke als Adressaten der Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 10 Abs. 1 BV, 28 Abs. 2 GG a) Die Bezirke als Selbstverwaltungskörperschaften Nach Art. 10 Abs. 1 BV besteht für das Gebiet jedes Bezirks ein Gemeindeverband als Selbstverwaltungskörper. Ungeachtet der Tatsache, daß die Verfassung in Art. 10 Abs. 1 BV — ähnlich wie in Art. 9 Abs. 1 und 2 BV — für die Landkreise die alte bayerische Bezeichnung „Bezirke", für die Bezirke im Sinne der Bezirksordnung den historisch hergebrachten Terminus der „Kreise" verwendet 3 , kann kein Zweifel daran bestehen, daß auch den Bezirken als Gemeindeverbänden in Art. 10 Abs. 1 BV das Selbstverwaltungsrecht institutionell gewährleistet ist 4 . Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung von Massoni Samper 5, eine verfassungsmäßige Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeindeverbände — und damit auch der Bezirke — finde sich in der BV nicht ausdrücklich, da Art. 11 Β V nur von den Gemeinden, nicht auch von den Gemeindeverbänden spreche, ist insoweit irreführend, als in der in Art. 10 Abs. 1 BV verwendete Terminus „Selbstverwaltungskörper" jedenfalls im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Β V als das Recht auszulegen ist, die eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten. Der Unterschied der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Selbstverwaltungsgarantie für Ge3 Vgl. hierzu Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1985, Art. 9, Rn. 2. 4 VerfGHE 24, 181, 194; 27, 14. 5 Massoni Samper, Bayerische Kommunalgesetze, 1987, Art. 1 BezO, Rn. 3.

I. Verfassungsrechtliche Relevanz der Sozialhilfeträgerschaft

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meinden als ursprüngliche Gebietskörperschaften (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 BV) einerseits, der Bezirke als Gemeindeverbände andererseits besteht lediglich darin, daß den Gemeinden ein allseitiger Wirkungskreis im Sinne der Universalität gewährleistet ist, während den Bezirken als Gemeindeverbänden — analog zu den Landkreisen — lediglich ein gesetzlich bestimmter Aufgabenbestand zukommt. Letzteres wird im übrigen hinreichend durch Art. 10 Abs. 2 BV zum Ausdruck gebracht, wonach sich der eigene Wirkungskreis der Gemeindeverbände durch die Gesetzgebung bestimmt. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß die Gemeindeverbände keinen „durch die Natur zugewachsenen Aufgabenkreis" haben 6 . Ungeachtet der in Art. 10 Abs. 1 BV normierten Selbstverwaltungsgarantie kommt den Bezirken als Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG zu. Auch aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich die oben genannte Differenzierung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung hinsichtlich des Aufgabensubstrats: Während den Gemeinden die Universalität des Wirkungskreises — Allzuständigkeit — im Sinne einer gesetzlichen Vermutung zugunsten der Zuständigkeit der Gemeinden gewährleistet ist 7 , besteht das Selbstverwaltungsrecht der Gemeindeverbände nur hinsichtlich des gesetzesbestimmten Aufgabenbereiches 8. Der Aufgabenbestand der Bezirke als Gemeindeverbände wird daher ausschließlich durch die Gesetzgebung bestimmt, während der eigene Wirkungskreis 6 VerfGHE 2, 143, 163; zu Selbstverwaltungskörperschaften wurden die Bezirke — in der damaligen Terminologie: „Kreisgemeinden" — durch das Selbstverwaltungsgesetz vom 22.5.1919 (GVB1 1919, S. 231). Durch das Selbstverwaltungsgesetz wurde der Selbstverwaltungsgedanke, der bis dahin den Gemeinden vorbehalten war, auch auf Bezirke und Kreise übertragen. Die Bestimmungen des Selbstverwaltungsgesetzes wurden durch die Kreisordnung vom 17.10.1927 (GVB1 1927, S. 335) im wesentlichen übernommen. 7 Vgl. BVerfGE 1, 175; 8, 134; 17, 181; 21, 128. 8 An dieser unterschiedlichen verfassungsbestimmten Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung hinsichtlich des Aufgabensubstrats ist trotz der Rastede-Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (DVB1 1983,1152=BayVBl 1984,309=EzKommR 2130.31) und des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1989,347 = BayVBl 1989,269 = DVB11989,300 = DÖV 1989, 349 = NVwZ 1989, 240 = BWGZ 1989, 262 = EzKommR 2130.58 m. Anm. Knemeyer) festzuhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG dahin erkannt, daß der in dieser Norm zum Ausdruck kommende Gesetzesvorbehalt nicht nur die Art und Weise der Erledigung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern ebenso die gemeindliche Zuständigkeit für diese Angelegenheiten umfasse; vgl. demgegenüber Knemeyer, Das verfassungsrechtliche Verhältnis der Kommunen zueinander und zum Staat, D VB11984,23 ff. ; Hof mann, Abfallbeseitigung undkommunale Selbstverwaltung, BayVBl 1984,289 ff.; Knemeyer / Hofmann (Hrsg.), Gemeinden und Kreise, 1984; Berg, Allzuständigkeit der Gemeinden und gesetzlich zugewiesene Aufgaben der Landkreise und Bezirke, in: Knemeyer (Hrsg.), Bayerische Gemeinden—Bayerischer Gemeindetag. Festschrift 75 Jahre Bayerischer Gemeindetag, 1987, S. 135 ff., 150 ff. sowie v. Mutius, Ein Sieg der gemeindlichen Selbstverwaltung?, Städte- und Gemeindebund 1989, S. 299 ff.; Schock, Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung nach der Rastede-Entscheidung des BVerfG, VerwArch. 81 (1990), 18 ff.

2 7 0 1 1 . Kap.: Leistungsverpflichtung der Bezirke und Selbstverwaltung

der Gemeinden als ursprünglicher Gebietskörperschaften in seinem wesentlichen Inhalt in Art. 83 Abs. 1 Β V umschrieben und dadurch verfassungsrechtlich verankert ist. Im übrigen ist die verfassungsrechtliche Garantie der Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände in gleicher Weise ausgestaltet9. b) Finanzhoheit als Teilelement kommunaler Selbstverwaltung Ungeachtet der für Gemeinden und Gemeindeverbände unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Garantie des Aufgabenbestandes kommt daher auch den Bezirken „als Selbstverwaltungskörper" (Art. 10 Abs. 1 BV) das Recht zu, die eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV analog). Nach zutreffender h. M. ist die kommunale Finanzhoheit — neben den Teilelementen Verwaltungs-(Organisations-)Hoheit, Planungshoheit, Personalhoheit und Rechtsetzungshoheit (Autonomie) — wesentlicher Bestandteil des Selbstverwaltungsrechts, obwohl sie in den Verfassungsbestimmungen des Bundes wie der Länder über die kommunale Selbstverwaltung nicht ausdrücklich genannt ist. Die Garantie kommunaler Finanzhoheit wird regelmäßig unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitet. Allein bezüglich der durch die kommunale Finanzhoheit garantierten kommunalen Steuerbeteiligung knüpft das Bundesverfassungsgericht dann, wenn das gemeindliche Beteiligungsrecht am Aufkommen der Einkommensteuer in Rede steht, an Art. 106 Abs. 5 Satz 1 GG als unmittelbarem Anknüpfungspunkt an 10 . c) Funktion und Bedeutung von Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6BV,6Abs. 4 BezO für die Garantie der kommunalen Finanzhoheit der Bezirke Rechtsprechung und Lehre zu Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG stimmen dahingehend überein, daß die Gewährleistung einer ausreichenden Finanzausstattung notwendiges Korrelat kommunaler Selbstverwaltung sei 11 .

9 Vgl. VerfGHE 2, 143, 163; an dieser Auslegung ist auch angesichts des abweichenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.11.1957 — BVerwGE 6, 19, 23 — festzuhalten, nach der der Landesgesetzgeber den Aufgabenbereich der Gemeindeverbände mit der aus der Tendenz des Art. 28 Abs. 2 GG abzuleitenden Einschränkung bestimmen könne, daß er ihnen einen dem Herkommen entsprechenden, angemessenen Wirkungskreis übertragen müsse; vgl. hierzu Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 1987, Rn. 42, 44. 10 Vgl. BVerfGE 71, 25, 38 sowie die Ausführungen in Kap. 4, 1.1. 11 Vgl. von Mutius I Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 30; Pagenkopf, Das Gemeindefinanzsystem und seine Problematik, 1978, S. 6; Knemeyer, Kommunales Selbstverwaltungsrecht und Finanzausstattung der Städte, Der Städtetag 1988, 330 ff.

I. Verfassungsrechtliche Relevanz der Sozialhilfeträgerschaft

271

Die den Gemeinden in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Β V — Recht der Bedarfsdeckung durch Erhebung öffentlicher Abgaben — und Art. 83 Abs. 3 Β V — Verpflichtung der Erschließung der zur Aufgabenerfüllung notwendigen Mittel bei Übertragung staatlicher Aufgaben — gewährleisteten Rechtspositionen sind gem. Art. 83 Abs. 6 BV auch für die Gemeindeverbände und damit auch auf die Bezirke anwendbar. Hinsichtlich Modalität wie Umfang umstritten ist vor allem die in Art. 83 Abs. 3 Β V normierte Verpflichtung des Staates12; nach allgemeiner Meinung ist es zulässig, Gemeinden und Gemeindeverbände auf den staatlichen Finanzausgleich zu verweisen. Wie der Staat seiner Verpflichtung zur Erhaltung der finanziellen Lebensfähigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände gerecht werde, sei weitgehend in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt 13 . Überträgt man die zur Entwicklung des Regelungsgehalts von Art. 78 Abs. 3 NWLV getroffenen Aussagen auf Art. 83 Abs. 3 BV, so ergibt sich hinsichtlich dessen Regelungsgehalts eine unbedingte staatliche Deckungspflicht, die zwar zugegebenermaßen im Rahmen des allgemeinen Finanzausgleichs erfüllt werden kann, dabei aber sicherstellen muß, daß es zu einer Erstattung der zum Vollzug der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel in vollem Umfange kommt 14 . Diese Auffassung ergibt sich bereits aus der Auslegung des verfassungsrechtlichen Normtextes selbst, ohne daß auf die Tatsache zurückgegriffen werden müßte, daß die Art. 83 Abs. 3 BV konkretisierenden Normen des einfachen Gesetzesrechts in Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung — hier Art. 6 Abs. 4 BezO — nach h. M. über das Verfassungsgebot in Art. 83 Abs. 3 BV insoweit hinausgehen, als der Staat den Gemeinden und Gemeindeverbänden nach diesen Bestimmungen bei der Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Nach zutreffender Meinung impliziert dies die Verpflichtung, die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Mittel selbst aufzubringen und den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden zuzuweisen15. In diesem Zusammenhang ist es daher unzulässig, die Bezirke auf eine bessere Ausschöpfung ihnen bereits zustehender Finanzquellen zu verweisen 16.

12 Vgl. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1985, Art. 83, Rn. 12 sowie die Ausführungen in Kap. 4, 1.2. 13 Nawiasky / Leusser / Schweiger / Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1976, Art. 83, Rn. 9. 14 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Kap. 4, 1.2. ι 5 Vgl. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1985, Art. 83, Rn. 12; Nawiasky / Leusser / Schweiger / Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1976, Art. 83, Rn. 8. 16 So auch Helmreich / Widtmann, Kommentar zur Bayerischen Gemeindeordnung, 1976, Art. 8 GO, Anm. 3.

2 7 2 1 1 . Kap.: Leistungsverpflichtung der Bezirke und Selbstverwaltung

d) Verfassungsbestimmter Inhalt der kommunalen Finanzhoheit unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips Wie bereits dargelegt 17, ist hinsichtlich der Ermittlung des verfassungsbestimmten Inhalts kommunaler Finanzhoheit zwischen einer „finanziellen Mindestausstattung" einerseits und einer „angemessenen" bzw. „aufgabenadäquaten Finanzausstattung" andererseits zu differenzieren. Wenn eine „angemessene Finanzausstattung" über die Sicherung des „finanziellen Existenzminimums" hinausgeht18, so bedeutet dies, daß Gemeinden und Gemeinde verbände finanziell insgesamt so ausgestattet werden müssen, daß sie neben übertragenen Angelegenheiten auch noch Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises wahrnehmen, neben Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben auch noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben erfüllen können 19 . Von einer „angemessenen Finanzausstattung" kann also nur dann gesprochen werden, wenn nach Deckung der Ausgaben für die Erfüllung der Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises und der Pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten noch Spielraum zur Übernahme und Ausgestaltung freier Selbstverwaltungsaufgaben verbleibt, da das Wesen der Selbstverwaltung nicht lediglich im bloßen administrativen Vollzug staatlicher Vorgaben besteht20. Hinsichtlich des Umfangs der zur Erfüllung einer „angemessenen Finanzausstattung" zur Verfügung zu stellenden Mittel ist die bereits bekannte Differenzierung von Zweckund Verwaltungskosten zu beachten21. Verwaltungsausgaben als „persönliche und sächliche Ausgaben, die die Tätigkeit des Verwaltungsapparates ermöglichen" 22 , sind im Rahmen des Anspruchs auf aufgabenadäquate, angemessene Finanzausstattung im Wege staatlicher Mittelerschließung nicht zu berücksichtigen.

17

Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. 4. Vgl. Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, S. 28 f.; Voigt, Die Auswirkungen des Finanzausgleichs zwischen Staat und Gemeinden, 1975, S. 50. 19 Vgl. BVerwG, NJW 1981, 619 ff., 620; Grawert, Kommunale Finanzhoheit und Steuerhoheit, in: von Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, 1983, S. 587 ff., 589 f.; Voigt, Auswirkungen des Finanzausgleichs zwischen Staat und Gemeinden, 1975, S. 50. 20 Vgl. von Mutius / Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, 1985, S. 32; Pagenkopf, Das Gemeindefinanzsystem und seine Problematik, 1978, S. 7; Grawert, Die Gemeinden vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1978), S. 277 ff., 300. 2 1 Siehe hierzu die Ausführungen unter Kap. 4, III.5. 22 So die Definition in § 37 Schleswig-Holsteinisches Finanzausgleichsgesetz i. d. F. v.3.3.1980, GVB11980, S. 101,911.

II. Hilfegewährung an Asylbewerber

273

I I . Die ( verfassungsrechtliche Beurteilung der Hilfegewährung an Asylbewerber nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 BSHG iVm Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG 1. Unterhalt und Versorgung von Asylbewerbern als genuin staatliche Aufgabe Unter Zugrundelegung des in Kap. 9 gefundenen Ergebnisses 23 — Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern als genuin staatliche Aufgabe in Regelungs- und Vollzugskompetenz der Länder — ergibt sich damit zunächst die Rechtswidrigkeit von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 BSHG, der die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für Asylbewerber als Muß-Leistung und die Gewährung sonstiger Sozialhilfe nach § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG als Kann-Leistung unter Außerachtlassung des spezifisch asylrechtlichen „Funktions- und Verantwortungszusammenhangs" der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern dem Fachgebiet der Sozialhilfe zuschlägt. Da die Bestimmung der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. HS BayAGBSHG in Ausführung des BSHG insgesamt, von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 BSHG iVm § 96 Abs. 2 Satz 1 BSHG in Sonderheit erfolgt, kann demzufolge auch die sachliche Zuständigkeitsregelung in Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG keinen Bestand haben. Dies ergibt sich im übrigen auch daraus, daß die Zuweisung der Hilfegewährung für Asylbewerber an der umfassenden Deklaration der Erfüllung der Sozialhilfeaufgaben als Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Bezirke nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. HS BayAGBSHG Anteil hat, jedoch keine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises im Sinne der durch das Gebiet des Bezirks begrenzten überörtlichen Gemeinschaft nach Art. 5 Abs. 1 BezO ist. Die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Bezirke bestimmen sich nach Art. 48 BezO; Art. 48 BezO differenziert nach sogenannten freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben im Sinne von Art. 48 Abs. 1 BezO — Schaffung (und Unterhaltung) der für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl der Bezirkseinwohner nach den Verhältnissen des Bezirks erforderlichen öffentlichen Einrichtungen in den Grenzen der Leistungsfähigkeit — sowie nach den in Art. 48 Abs. 2 BezO normierten Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben — Erbringung der erforderlichen Maßnahmen auf den Gebieten der Sozial- und Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, des Gesundheitswesens, des Sonderschulwesens, des Wasserbaus, der Denkmal- und Heimatpflege. Zu den Pflichtaufgaben nach Art. 48 Abs. 2 BezO — die an den Vorbehalt der Leistungsfähigkeit der Bezirke geknüpft sind — treten nach Art. 48 Abs. 3

23 Vgl. S. 207 ff. 18 Hofmann-Hoeppel

2 7 4 1 1 . Kap.: Leistungsverpflichtung der Bezirke und Selbstverwaltung

die Verpflichtungen, die erforderlichen stationären und teilstationären Einrichtungen für Psychiatrie und Neurologie, für Suchtkranke sowie für wesentlich Seh-, Hör- und Sprachbehinderte zu errichten, zu unterhalten und zu betreiben sowie diese Einrichtungen für die Eingliederung Behinderter bereitzustellen, zu unterhalten oder zu fördern, soweit sie als zentrale Einrichtungen für das gesamte oder überwiegende Bezirksgebiet geboten sind und freie Träger hierfür nicht tätig werden (Art. 48 Abs. 3 Ziff. 1 und 2 BezO) 24 . Daraus ergibt sich zwar zunächst, daß die den Bezirken als überörtliche Träger der Sozialhilfe nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. HS BayAGBSHG zukommenden Aufgaben im Bereich der Sozialhilfegewährung zu den Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BezO zu rechnen sind; von dieser gesetzlichen Zuweisung des Aufgabenbestandes im eigenen Wirkungskreis (Art. 10 Abs. 2 BV) können aber für das Gebiet der Sozialhilfegewährung nur solche „Zuständigkeiten" erfaßt werden, die nach ihrer Struktur der Sozialhilfe zuzurechnen sind. Dies ist jedoch für den Bereich der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern gerade nicht der Fall. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht, da die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern keine Angelegenheit der durch das Gebiet des Bezirks begrenzten überörtlichen Gemeinschaft sein kann. Die Aufgabenstellung der Bezirke wird durch Art. 4 Abs. 1 BezO „nach unten", durch Art. 1 BezO „nach oben" bestimmt und gleichzeitig begrenzt. Nach Art. 4 Abs. 1 BezO steht den Bezirken die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu, die sich auf das Gebiet des Bezirks beschränken und über die Zuständigkeit oder das Leistungsvermögen der Landkreise und kreisfreien Gemeinden hinausgehen. Art. 4 Abs. 1 BezO hat also interkommunal wirkende, kompetenzabgrenzende Funktion, d. h. die für die Aufgabenerfüllung durch die Bezirke sich ergebende „Grenze nach unten" ergibt sich einerseits aus den den Gemeinden vorbehaltenen örtlichen Angelegenheiten und andererseits den den Landkreisen vorbehaltenen überörtlichen Angelegenheiten 25 . Mit der in Art. 1 BezO vorgenommenen Zuweisung von überörtlichen Angelegenheiten, deren Bedeutung über das Gebiet des Bezirks nicht hinausreicht, ist demgegenüber die Aufgabenabgrenzung „nach oben", d. h. gegenüber dem Freistaat Bayern angesprochen. Art. 1 BezO bringt damit zum Ausdruck, daß die Bezirke trotz der räumlichen Deckung mit dem Regierungsbezirk nicht die staatlichen Verwaltungsaufgaben der Regierungen wahrzunehmen haben26. So sehr es zutreffend ist, daß die Problematik der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern Auswirkungen im örtlichen Bereich — auf der Ebene 24

Für den Leistungsumfang nach Art. 48 Abs. 2 und Abs. 3 Ziff. 1 und 2 BezO vgl. Masson ί Samper, Bayerische Kommunalgesetze, 1987, Art. 48 BezO, Erl. 8 ff. 25 Vgl. hierzu Masson / Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 1 BezO, Rn. 4. 2 6 Vgl. hierzu Masson / Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 1 BezO, Rn. 6.

II. Hilfegewährung an Asylbewerber

275

der Landkreise und kreisfreien Städte — und im überörtlichen Bereich — hinsichtlich der dezentralen Unterbringung und der insoweit bestehenden Kostenlast der Bezirke — zeitigt, so sehr ist es auch zutreffend, daß diese Wirkungen primär und wesentlich eine Folge der staatlicherseits geregelten bzw. zu regelnden Aufnahme und Verteilung nach länderübergreifenden (§ 22 Abs. 2-9 AsylVfG) wie landesinternen (§ 22 Abs. 9 Satz 2 AsylVfG) Aspekten ist 27 . Die der Aufnahme und Verteilung von Asylbewerbern vorgelagerten Entscheidungen liegen damit samt und sonders in (bundes- bzw. landes-)staatlicher Verantwortung. Nicht zuletzt aus der Existenz von Landes- und landesinternen Verteilungsschlüsseln ergibt sich, daß Aufnahme und Verteilung, Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern eine Angelegenheit ist, deren Bedeutung über das Gebiet der Bezirke hinausreicht und damit keine überörtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 1 BezO sein kann.

2. Mangel der gesetzlichen Übertragung nach Art. 6 Abs. 1 BezO Die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern ist aber auch keine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO, da hierunter nur jene Aufgaben fallen, die das Gesetz den Bezirken zur Besorgung im Auftrage des Staates zuweist. An einer solchen gesetzlichen Zuweisung fehlt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt 28 . Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG scheidet in diesem Zusammenhang als geeignete gesetzliche Übertragung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO aus, da das BayAGBSHG — wie sich sogleich aus den Ausführungen unter 3. ergeben wird — keine Art. 83 Abs. 3, Abs. 6 BV, Art. 6 Abs. 4 BezO entsprechende Mittelerschließungsnorm enthält.

3. Verstoß gegen Art. 83 Abs. 3, Abs. 6 BV, 6 Abs. 4 BezO Nach Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV sind bei der Übertragung staatlicher Aufgaben auf die Bezirke gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen; nach der — verfassungsrechtlich unbedenklichen —, über das Mittelerschließungsgebot nach Art. 83 Abs. 3 BV hinausgehenden Regelung des Art. 6 Abs. 4 BezO sind bei der Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen 29 . 27 Vgl. hierzu auch Zacher, Rechtsgutachten, 1988, S. 68 f. 28 Zur rechtlichen Beurteilung der Verpflichtung der kreisfreien Gemeinden zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern durch die Bayerischen Unterbringungsrichtlinien vgl. Kap. 9, IV. 29 Vgl. hierzu bereits Kap. 4, III. 18*

276

11. Kap.: Leistungsverpflichtung der Bezirke und Selbstverwaltung

Aus Art. 12 Abs. 1 BayAGBSHG ergibt sich, daß die Träger der Sozialhilfe die Kosten für die Sozialaufgaben tragen, die ihnen nach dem BSHG, nach dem BayAGBSHG oder nach einer Rechtsverordnung aufgrund des BayAGBSHG obliegen. Aufgrund der Delegation nach Art. 10 Abs. 2 Ziff. 12 iVm Art. 7 Abs. 1 lit. b BayAGBSHG auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe ergibt sich zunächst deren Kostenlast. Der überörtliche Träger hat jedoch gemäß Art. 12 Abs. 3 Satz 1 BayAGBSHG den örtlichen Trägern die aufgewendeten Kosten zu ersetzen und ist seinerseits gem. Art. 13 Abs. 1 BayAGBSHG nach Maßgabe des FAG auf einen Ausgleich zu den Aufwendungen verwiesen, die ihm als überörtlicher Träger der Sozialhilfe insgesamt erwachsen 30. Die staatliche Ausgleichsgewährungspflicht nach Art. 13 Abs. 1 BayAGBSHG wird jedoch in doppelter Hinsicht der Mittelerschließungspflicht nach Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV bzw. der Mittelbereitstellungspflicht nach Art. 6 Abs. 4 BezO nicht gerecht: Zum einen ist mit der Ausgleichspflicht nach Art. 13 Abs. 1 BayAGBSHG kein voller Ersatz der im Vollzug nach Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG aufgewendeten tatsächlichen Kosten verbunden; zum anderen bedeutet die Verweisung auf den jährlich stattfindenden Finanzausgleich keine Erfüllung des sich aus Art. 6 Abs. 4 BezO ergebenden Gebots, bei Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.

I I I . Die (verfassungs-)rechtliche Beurteilung der Hilfegewährung an geduldete Ausländer nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG, Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG 1. Verletzung des Nachrangprinzips (§ 2 Abs. 1 BSHG) Unter Zugrundelegung des in Kapitel 10 31 gefundenen Ergebnisses ergibt sich, daß die Sozialhilfebedürftigkeit geduldeter, aber zur Ausreise verpflichteter Ausländer im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG, Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG durch die Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden des Freistaats herbeigeführt wurde, diesem Personenkreis nach §§17 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 3 AuslG a. F. die Auflage zu erteilen, einer selbständigen oder unselbstän-. digen Erwerbstätigkeit nicht nachzugehen, obwohl auch geduldeten Ausländern nach § 5 Abs. 2 AEVO a. F. eine Arbeitserlaubnis erteilt werden konnte. Die oben genannte Auflagenerteilung beseitigte damit den auch für den Leistungsbezug nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG geltenden Grundsatz des 30 Vgl. hierzu die am 10.2.1977 ergangene Verordnung zu Art. 13 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes und zu Art. 8 Abs. 4 des Gesetzes zur Durchführung der Kriegsopferfürsorge, BayRS 605-12-F. 31 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 9, IV und Kap. 10, IV.

.

ilfegewährung an geduldete Ausländer

Nachrangs der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 BSHG. Diese Beseitigung des Nachrangs der Sozialhilfe war rechtswidrig, da ihr ausschließlich ausländerrechtliche bzw. einwanderungspolitische Erwägungen zugrunde lagen. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß die Hilfegewährung an geduldete Ausländer entgegen § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG, Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG keine Aufgabe der Sozialhilfe war.

2. Unterbringung und Versorgung geduldeter Ausländer — keine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises nach Art. 5 Abs. 1 BezO Das soeben gefundene Ergebnis wird auch dadurch gestützt, daß die Hilfegewährung für geduldete, aber zur Ausreise verpflichtete Ausländer keine Angelegenheit der durch das Gebiet des Bezirks begrenzten überörtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BezO sein kann. Dies ergibt sich — ähnlich wie bei der Untersuchung der Gewährung von Sozialhilfe an Asylbewerber — daraus, daß von der gesetzlichen Zuweisung des Aufgabenbestandes im eigenen Wirkungskreis (Art. 10 Abs. 2 BV) für das Gebiet der Sozialhilfegewährung nur solche „Zuständigkeiten" erfaßt werden können, die nach ihrer Struktur der Sozialhilfe zuzurechnen sind. Überdies liegen die der Hilfegewährung an geduldete, aber zur Ausreise verpflichtete Ausländer vorgelagerten Entscheidungen ausländerrechtlicher Art ausschließlich in staatlicher Verantwortung der Behörden des Freistaates Bayern. Daraus folgt gleichzeitig, daß die Hilfegewährung an geduldete Ausländer eine Angelegenheit ist, deren Bedeutung über das Gebiet des Bezirks hinausreicht (Art. 1 BezO).

3. Mangel der gesetzlichen Übertragung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO Die Hilfegewährung an geduldete, aber zur Ausreise verpflichtete Ausländer ist auch keine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO, da hierunter nur jene Aufgaben fallen, die das Gesetz den Bezirken zur Besorgung im Auftrage des Staates zuweist. An einer solchen gesetzlichen Zuweisung fehlt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG muß in diesem Zusammenhang als geeignete gesetzliche Übertragung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO ausscheiden, da das BayAGBSHG — wie sogleich unter 4. zu zeigen sein wird — keine Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 ΒV, Art. 6 Abs. 4 BezO entsprechende Mittelerschließungsnorm enthält.

278

11. Kap.: Leistungsverpflichtung der Bezirke und Selbstverwaltung 4. Verstoß gegen Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV, 6 Abs. 4 BezO

Die für die Frage der Rechtswidrigkeit der auf die überörtlichen Träger der Sozialhilfe übertragenen Aufgaben der Hilfegewährung für Asylbewerber sind auch für den Bereich der Hilfegewährung an geduldete, jedoch zur Ausreise verpflichtete Ausländer anzuwenden: Art. 13 Abs. 1 BayAGBSHG entspricht infolge nur teilweisen Ausgleichs der für die Hilfegewährung an geduldete Ausländer tatsächlich aufgewendeten Kosten weder dem finanzverfassungsrechtlichen Prinzip der „angemessenen Finanzausstattung" noch dem in Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV verankerten Mittelerschließungsgebot, geschweige denn der in Art. 6 Abs. 4 BezO normierten Verpflichtung, bei der Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.

IV. Beurteilung der gegenwärtigen Rechtslage unter Berücksichtigung von Funktion und Bedeutung der Bezirksumlage 1. Funktion und Erhebung der Bezirksumlage In Konkretisierung des in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 6 BV normierten Rechts, den Bedarf durch öffentliche Abgaben zu decken, bestimmt Art. 54 Abs. 2 Ziff. 2 BezO, daß der Bezirk die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Einnahmen im übrigen durch die Bezirksumlage zu beschaffen hat. Analog hierzu bestimmt Art. 21 Abs. 1 FAG, daß die Bezirke ihren durch die sonstigen Einnahmen nicht gedeckten Bedarf auf die kreisfreien Gemeinden und Landkreise im Wege der Bezirksumlage umlegen. Gemäß Art. 21 Abs. 3 Satz 1 FAG wird die Bezirksumlage in Vom-Hundert-Sätzen der Umlagegrundlagen bemessen; Umlagegrundlagen sind gem. Art. 21 Abs. 3 Satz 2 FAG die für die Gemeinden und gemeindefreien Gebiete geltenden Steuerkraftzahlen sowie 80 % der Gemeindeschlüsselzuweisungen des vorangegangenen Haushaltsjahres. Die Umlagen sind gem. § 30 Satz 1 FAGDV von den Gemeinden und Landkreisen wie der sonstige Finanzbedarf aufzubringen. Ausfälle an Gewerbe- und Grundsteuer sind gem. § 30 Satz 2 FAGDV ohne Einfluß auf die Höhe der geschuldeten Umlagen. Aus Art. 54 Abs. 2 Ziff. 2 BezO, Art. 21 FAG und § 30 FAGDV ergibt sich somit: Die Erhebung der Bezirksumlage kommt nach Art. 54 Abs. 2, 1. HS BezO nur zur Beschaffung der Einnahmen in Betracht, die zur Erfüllung der Aufgaben des Bezirks erforderlich sind. Diese Aufgaben können Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BezO oder aber Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO sein.

IV. Funktion und Bedeutung der Bezirksumlage

279

Aus Art. 54 Abs. 2 Ziff. 2 BezO iVm Art. 21 Abs. 1 FAG ergibt sich, daß die Bezirksumlagenerhebung in einem doppelten Sinne nachrangig ist: Die zur Erfüllung der Bezirksaufgaben erforderlichen Einnahmen sollen gemäß Art. 54 Abs. 2 Ziff. 1 BezO zunächst aus besonderen Entgelten für die vom Bezirk erbrachten Leistungen, zum anderen aus sonstigen Einnahmen beschafft werden (Art. 54 Abs. 2, 2. HS BezO). Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist also die Erhebung der Bezirksumlage zur Finanzierung der in Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 und 2 AGBSHG genannten Hilfeleistungen — auch ohne Berücksichtigung der besonderen „Anspannung" der Bezirksumlage infolge überproportionaler Auf- und Ausgabenzuwächse — bereits deshalb rechtswidrig, weil durch die Bezirksumlagenerhebung Aufgaben finanziert werden sollen, die weder zu den Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BezO noch zu den Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO zu rechnen sind. Da die Untersuchung überdies gezeigt hat, daß die Bezirke bei der Hilfegewährung für Asylbewerber sowie geduldete, jedoch zur Ausreise verpflichtete Ausländer keine eigenen Aufgaben erfüllen, ihnen demzufolge Erstattungs- bzw. Ausgleichsansprüche gegenüber dem Freistaat Bayern zustehen32, sind die Bezirke 32

Erstattungsansprüche nach §§102 ff. SGB X scheiden aus, da der Freistaat Bayern kein Sozialleistungsträger ist; auch eine Anspruchsüberleitung nach § 90 BSHG kommt nicht in Betracht, da § 90 BSHG den Fall im Auge hat, daß Einzelpflichten, deren Erfüllung die Sozialhilfe erübrigt hätte, nicht wahrgenommen werden. Im Rahmen der öffentlichrechtlichen Ausgleichsansprüche kommen der öffentlich-rechtliche Abwälzungsanspruch sowie ein Anspruch aus Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB iVm Art. 34 GG ebenfalls nicht zum Zuge; die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Abwälzungsanspruchs scheitert daran, daß es an dem Bestehen eines Anspruchsverhältnisses zwischen dem zuständigen Leistungsträger, gegen den sich der Abwälzungsanspruchrichtet, und dem leistungsbegünstigten Hilfeempfänger fehlt (vgl. hierzu BVerwGE 32, 279, 282; Schindera, Betrachtungen zum Abwälzungsanspruch des öffentlichen Rechts, SGb 1970, 47; Wallerath, Ersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers gegen den Sozialhilfeträger bei irrtümlicher Annahme der Leistungspflicht?, SGb 1970,446 ff., 447; vgl. allg. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 212 ff.). Ein Anspruch aus Amtspflichtsverletzung scheitert daran, daß der verfassungs- bzw. rechtswidrige Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie der Bezirke nicht durch exekutives, sondern durch legislatives Handeln des Landesgesetzgebers erfolgte, nach der Rspr. Amtspflichten bei der Wahrnehmung der gesetzgebenden Gewalt jedoch deshalb keinen Drittbezug haben, weil der Gesetzgeber generell-abstrakte Regelungen treffe und deswegen ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahrnehme (vgl. hierzu Papier, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetzkommentar, 1987, Art. 34, Rn. 179 m. FN 386). Hinsichtlich der Geltendmachung von Ersatzansprüchen verbleiben der öffentlich-rechtliche Aufwendungsersatz nach §§ 677 ff. BGB analog, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch und öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch; das zivilrechtliche Institut des Aufwendungsersatzes aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist nach gefestigter h. M. auch im Öffentlichen Recht für die Fälle des Rückgriffs beim negativen Kompetenzkonflikt zwischen Trägern öffentlicher Gewalt analog anwendbar (vgl. BVerfGE 18, 429 ff., 436; BVerwGE 32, 279, 280; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag im

280

11. Kap.: Leistungsverpflichtung der Bezirke und Selbstverwaltung

vor der Umlageerhebung gehalten, diese Erstattungs- bzw. Ausgleichsansprüche auszuschöpfen. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß durch die rechtswidrige Erhebung der Bezirksumlage zur Finanzierung der von den Bezirken nach Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG wahrgenommenen Aufgaben die kommunale Finanzhoheit von kreisfreien Gemeinden und Landkreisen als Umlagezahler (§ 30 Satz 1 FAGDV) in verfassungswidriger Weise verletzt wird.

2. „Angemessene Finanzausstattung" und Ausgabenveranschlagung im Verwaltungs- und Vermögenshaushalt des Regierungsbezirks Mittelfranken für 1988 Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Begriff der „angemessenen Finanzausstattung" besondere Relevanz für das Verhältnis der Aufgabenerfüllung im eigenen Wirkungskreis zur Aufgabenerfüllung im übertragenen Wirkungskreis einerseits, im Verhältnis freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben zur Erfüllung Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben andererseits hat 33 . Ist anerkannt, daß der Anspruch auf „angemessene Finanzausstattung" über die Sicherung des „finanziellen Existenzminimums" hinausgeht, so müssen GeÖffentlichen Recht und Erstattungsanspruch (Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 324), Berlin 1977, S. 29 m. umf. Nachw. in FN 71 und 72; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, S. 751; Höpffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, Diss. jur. 1972; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 1988, S. 605 f.; Klein, „Auftrag" und „Geschäftsführung ohne Auftrag" im Öffentlichen Recht, DVB1 1968, 129 ff.; Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1986, S. 310). Von der weiteren grundsätzlichen Anwendbarkeit in Öffentlichen Recht ist auch angesichts der Tatsache auszugehen, daß der BGH entgegen früheren Entscheidungen (BGHZE 40, 28 („Funkenflug"); 62, 186 („Straßenbaulast"); NJW 1976, 619 („Straßenreinigung") hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 677 BGB unter dem Aspekt des Fremdgeschäftsführungswillens beim sog. „auch-fremden-Geschäft" Zurückhaltung zeigt (vgl. BGHZE 62, 186). Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist zwar an die zivilrechtliche Regelung des § 812 Abs. 1 BGB angelehnt, aber nicht auf die Rückforderung in einem Leistungsverhältnis beschränkt, sondern erfaßt auch Vermögensverschiebungen in sonstiger Weise (vgl. hierzu BVerwGE 71, 85 ff., 87; Weber, Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, JuS 1986, 29 ff., 30 m. w. N.; Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1986, S. 317; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 1985, S. 211). Der Folgenbeseitigungsanspruch ist ein einhellig anerkanntes öffentlich-rechtliches Rechtsinstitut, aufgrund dessen die öffentliche Gewalt bei widerrechtlicher Beeinträchtigung einer Rechtsstellung verpflichtet ist, den Zustand wieder herzustellen, der ohne die Beeinträchtigung bestehen würde (verkürzter Anspruch auf Naturalrestitution; vgl. hierzu BVerwGE 69, 366, 368; Bachof, Otto, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 2. Aufl. 1968, S. 98 ff.; Rösslein, Der Folgenbeseitigungsanspruch, Diss. jur. 1967; Weyreuther, Empfiehlt es sich, die Folgen rechtswidrigen hoheitlichen Verwaltungshandelns gesetzlich zu regeln?, Gutachten Β zum 47. DJT 1968). 33 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 4, III.3.

IV. Funktion und Bedeutung der Bezirksumlage

281

meinden und Gemeindeverbände finanziell insgesamt so ausgestattet werden, daß sie neben übertragenen Angelegenheiten auch noch Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises, insbesondere freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in nennenswertem Umfange erfüllen können. Ein Blick auf den für 1988 erfolgten Voranschlag des Verwaltungshaushalts des Regierungsbezirks Mittelfranken zeigt, daß der Einzelplan 4 (Soziale Sicherung) 83,96% der gesamten Ausgaben des Regierungsbezirks ausmacht; für die anderen 9 Einzelpläne verbleibt daher lediglich ein Spielraum von 16%, der zur Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben im Sinne von Art. 5 Abs. 1, 48 Abs. 1 BezO und zur Erfüllung Pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben im Sinne von Art. 5 Abs. 1, 48 Abs. 2, Abs. 3 BezO zur Verfügung steht 34 . Angesichts dieses zahlenmäßigen Verhältnisses kann von einem hinreichenden Spielraum für die Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben in nennenswertem Umfang nicht mehr gesprochen werden, so daß bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Anspruch auf „angemessene Finanzausstattung" in verfassungswidriger Weise verletzt ist.

34 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 7, II.

Kapitel 12

Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil Β Die 1978 einsetzende sprunghafte Steigerung der Asylbewerberzahlen, die sich gegenwärtig auf unverändert hohem Stand bewegen, ist von unverminderter Relevanz für das Haushaltsgebaren der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe, denen gem. Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG die Hilfeleistung an alle Ausländer im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1-3 BSHG obliegt. Eine Untersuchung der sich in diesem Zusammenhang unter finanz(verfassungs-)rechtlichen Rücksichten stellenden Fragen: — ob die Aufgabe der Daseinsvorsorge für Asylbewerber eine Aufgabe der Sozialhilfe darstellt oder aber Bestandteil der Asylrechtsgarantie des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ist; — ob die Daseinsvorsorge für geduldete, jedoch zur Ausreise verpflichtete Ausländer Aufgabe der Sozialhilfe ist; — welcher Bedarf bei Zuständigkeit der Länder für Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern von den Bundesländern abzudecken ist; — inwieweit durch steigende Sozialhilfelasten der überörtlichen Sozialhilfeträger die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Aufgabenerfüllung, insbesondere die finanzielle Eigenverantwortlichkeit, der Bezirke und ihrer Umlagezahler verletzt wird, hat dabei von folgenden rechtlichen Voraussetzungen auszugehen: 1. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG verbürgt über einen„klar umrissenen und unverzichtbaren Kerngehalt" (BVerwG) hinaus die Schaffung von Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Asylbewerber; hierzu rechnet jedenfalls ein Mindestmaß an Unterbringung, Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung sowie Hilfeleistungen und Unterstützung in Notfällen. Die staatliche Aufgabe „Asylgewährung" erschöpft sich also nicht im bloßen Vorhalten eines adäquaten Verwaltungsverfahrens, das der Prüfung der Frage dient, ob Asylberechtigung im materiellen Sinne gegeben ist, sondern umfaßt darüber hinaus auch alle Maßnahmen, die zur Behebung der situationstypischen Bedürftigkeit von Asylbewerbem erforderlich sind.

Kap. 12: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil Β

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2. Diese situationstypische Bedürftigkeit von Asylbewerbern wird insbesondere durch die bundesrechtlichen Vorgaben nach § 19 Abs. 1 a - 1 c AFG herbeigeführt, wodurch Asylbewerbern jede selbständige oder nichtselbständige Erwerbstätigkeit verwehrt ist. Die unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG fließende staatliche Verpflichtung erfaßt daher nicht nur die Unterbringung, sondern auch die ökonomische Mindestausstattung des Asylbewerbers. 3. Der Bundesgesetzgeber hat von der Befugnis zur Regelung der unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Aufgaben der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern sowohl durch die damaligen §§ 39,40 AuslG a. F. als auch durch die §§ 19-28 AsylVfG keinen Gebrauch gemacht. Der unmittelbar aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG resultierende Anspruch auf ein Mindestmaß an Unterbringung und Versorgung ist einfachgesetzlicher Regelung durch die Bundesländer zugänglich und bedürftig. 4. Ein Bedürfnis nach landesgesetzlicher Regelung würde nur dann nicht bestehen, wenn die vorhandenen landesgesetzlichen Regelungen die Aufgabe der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG entsprechender Weise normieren würden. Dies ist nicht der Fall. Bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern handelt es sich weder um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 83 Abs. 1 Β V, Art. 57 Abs. 1 BayGO noch handeln Gemeinden und Landkreise bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern als Sicherheitsbehörden im Sinne von Art. 6 LStVG. 5. Eine Klassifizierung der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern als „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" im oben genannten Sinn scheidet bereits deshalb aus, weil örtliche Radiziertheit und spezifischer personeller Bezug der Aufgabenerfüllung fehlen. Eine sicherheitsrechtliche Aufgabenerfüllung über Art. 6 LStVG kommt deshalb nicht in Betracht, weil bei der Unterbringung von Obdachlosen der leistungsrechtliche Aspekt im Vordergrund steht, der sicherheitsrechtliche Aspekt — Störung der öffentlichen Ordnung bzw. Sicherheit durch Obdachlose — demzufolge in den Hintergrund tritt. 6. Ungeachtet der Deklarierung der Hilfeleistungen an Asylbewerber nach Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. HS BayAGBSHG, Art. 5 Abs. 1 BezO) ist die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern keine Angelegenheit der durch das Gebiet des Bezirks begrenzten überörtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BezO. Die Aufgabenstellung der Bezirke wird durch Art. 4 Abs. 1 BezO „nach unten", durch Art. 1 BezO „nach oben" bestimmt und gleichzeitig begrenzt. Mit der in Art. 1 BezO vorgenommenen Zuweisung von überörtlichen Angelegenheiten, deren Bedeutung über das Gebiet des Bezirks nicht hinausreicht, ist die Aufgabenabgrenzung „nach oben", d. h.

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Kap. 12: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil Β

gegenüber dem Freistaat Bayern, angesprochen. Art. 1 BezO bringt damit zum Ausdruck, daß die Bezirke trotz der räumlichen Deckung mit dem Regierungsbezirk nicht die staatlichen Verwaltungsaufgaben der Regierungen wahrzunehmen haben. Aus der Tatsache, daß die der Aufnahme und Verteilung von Asylbewerbern vorgelagerten Entscheidungen samt und sonders in (bundes- bzw. landes-)staatlicher Verantwortung liegen, ergibt sich, daß es sich um Aufgaben handelt, die über das Gebiet des Bezirks hinausreichen. Dies ist nicht zuletzt zu folgern aus der Existenz von landes- und landesinternen Verteilungsschlüsseln. 7. Die Unterbringung von Asylbewerbern in Sammelunterkünften nach §§39 und 40 AuslG a. F. bzw. Gemeinschaftsunterkünften nach § 23 AsylVfG sind „erforderliche Hilfe von einem anderen" im Sinne des in § 2 Abs. 1 BSHG niedergelegten sozialhilferechtlichen Nachrangprinzips. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern keine Aufgabe der Sozialhilfe sein kann. Dieses Ergebnis wird gestützt durch eine Auslegung von § 108 Abs. 6 BSHG, nach dem die Vorschriften über die Kostenerstattung unter Sozialhilfeträgern bei Übertritt aus dem Ausland nach § 108 Abs. 1-5 BSHG nicht für Personen gelten, deren Unterbringung nach dem Übertritt in den Geltungsbereich dieses Gesetzes bundesrechtlich oder durch Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt ist. Die in § 22 Abs. 9 Satz 1 AsylVfG normierte Verpflichtung der Bundesländer zur „Aufnahme" von Asylbewerbern umfaßt demzufolge auch die Verpflichtung zu Unterbringung und Versorgung. 8. Daran hat sich auch nach der Neufassung von § 120 Abs. 2 BSHG im Rahmen des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.1981 sowie der späteren Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983 nichts geändert; insbesondere wurde durch § 120 Abs. 2 BSHG n. F. die ausländerrechtliche Pflicht zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern nicht auf das Sozialhilferecht verlagert. 9. § 19 Abs. l a - l c AFG a. F. und § 2 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 2 BSHG offenbarten eine eklatante Zielantinomie. Das in § 19 Abs. l a - l c AFG a. F. statuierte Arbeitsverbot hatte zur Folge, daß Asylsuchende mangels eigener Einkommens- bzw. Erwerbsmöglichkeiten auf Fremdhilfe, d. h. nahezu ausschließlich auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Ein Asylbewerber, der Arbeit weder suchen noch aufnehmen darf, ist jedoch aus Rechtsgründen gehindert, einer — faktisch gegebenenfalls bestehenden — Erwerbsmöglichkeit nachzugehen. § 19 Abs. l a - l c AFG a. F. hob damit den Nachrang der Sozialhilfe für die Gruppe der Asylbewerber ausdrücklich auf. Diese Aufhebung von § 2 Abs. 1 BSHG als sozialhilferechtlicher Grundnorm war jedoch rechtswidrig, da keiner der Fälle vorlag, in denen eine Durchbrechung des Nachrangprinzips für zulässig erklärt wurde.

Kap. 12: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil Β

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10. Der Kreis der zur Ausreise verpflichteten, jedoch geduldeten Ausländer im Sinne von § 17 Abs. 1 AuslG a. F. betraf regelmäßig die völkerrechtlich nicht genau umgrenzte Gruppe der sogenannten de-facto-Flüchtlinge, die in der Regel eine Duldung auch dann erhielten, wenn von Rechts wegen eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen gewesen wären. 11. Die Erteilung einer Duldung an de-facto-Flüchtlinge war in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen rechtswidrig, weil es um die Sicherung des Verbleibs für einen mittel- bzw. längerfristigen Zeitraum im Geltungsbereich des Ausländergesetzes ging, die Duldung nach der Systematik des Ausländergesetzes aber lediglich die zeitweise, d. h. befristete Aussetzung der Abschiebung eines zur Ausreise verpflichteten Ausländers darstellte. 12. Da auch geduldeten Ausländern gem. § 5 Abs. 2 AEVO a. F. eine Arbeitserlaubnis erteilt werden konnte, die Erteilung der Arbeitserlaubnis aber regelmäßig durch die nach § 17 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 3 AuslG a. F. erteilte Auflage, einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nicht nachzugehen, unmöglich gemacht wurde, waren geduldete Ausländer im Grundsatze auf den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG verwiesen. 13. Die ausländerrechtlich herbeigeführte Unmöglichkeit, einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, beseitigte den auch für den Leistungsbezug nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 und 3 BSHG geltenden Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe im Sinne von § 2 Abs. 1 BSHG. Die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens ergibt sich daraus, daß die Überspielung des Nachrangprinzips nach § 2 Abs. 1 BSHG mit ausschließlich ausländerrechtlichen bzw. einwanderungspolitischen Erwägungen unzulässig ist. 14. Aus diesem Grunde war und ist die Daseinsvorsorge für Ausländer, die zur Ausreise verpflichtet sind, deren Abschiebung jedoch aufgrund ausländerbehördlicher Entscheidung ausgesetzt wird, keine (vorrangige und primäre) Aufgabe der Sozialhilfe, sondern ausländerrechtlich radiziert und nimmt insoweit an dem ausländerrechtlichen „Funktions- und Verantwortungszusammenhang" teil. 15. Aus der Tatsache, daß Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern sowie von geduldeten, jedoch zur Ausreise verpflichteten Ausländern genuin staatliche Aufgaben in Regelungs- und Vollzugskompetenz der Länder sind, ergibt sich die Rechtswidrigkeit von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1-3 BSHG, der die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für Asylbewerber und sonstige Ausländer als Muß-Leistung, die Gewährung sonstiger Sozialhilfe nach § 120 Abs. 2 Satz 2 BSHG als Kann-Leistung unter Außerachtlassung des spezifisch asylrechtlichen „Funktions- und Verantwortungszusammen-

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Kap. 12: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil Β

hangs" dem Fachgebiet der Sozialhilfe zuschlägt. Da die Bestimmung der Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1,1. HS BayAGBSHG in Ausführung des BSHG insgesamt, von § 120 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1-3 BSHG iVm § 96 Abs. 2 Satz 1 BSHG in Sonderheit erfolgt, kann demzufolge auch die sachliche „Zuständigkeitsregelung" in Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 AGBSHG in Bezug auf die Hilfegewährung für Asylbewerber und sonstige Ausländer wegen Verstoßes gegen die Garantie kommunaler Selbstverwaltung keinen Bestand haben. 16. Die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern sowie geduldeten, jedoch zur Ausreise verpflichteten Ausländern ist auch keine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO, da hierunter nur jene Aufgaben fallen, die das Gesetz den Bezirken zur Besorgung im Auftrage des Staates zuweist. An einer solchen gesetzlichen Zuweisung fehlt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG scheidet in diesem Zusammenhang als geeignete gesetzliche Übertragung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO aus, da das BayAGBSHG keine Art. 83 Abs. 3 iVm Abs. 6 BV, Art. 6 Abs. 4 BezO entsprechende Mittelerschließungsnorm enthält. Die staatliche Ausgleichsgewährungspflicht nach Art. 13 Abs. 1 BayAGBSHG wird dieser Mittelerschließungsbzw. Bereitstellungspflicht nicht gerecht, da mit der Ausgleichspflicht nach Art. 13 Abs. 1 BayAGBSHG kein voller Ersatz der im Vollzug nach Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BayAGBSHG aufgewendeten tatsächlichen Kosten (Zweckkosten) verbunden ist, zum anderen die Verweisung auf den jährlich stattfindenden Finanzausgleich keine Erfüllung des sich aus Art. 6 Abs. 4 BezO ergebenden Gebots darstellt, bei Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. 17. Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist die Erhebung der Bezirksumlage zur Finanzierung der in Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 und 2 BayAGBSHG genannten Hilfeleistungen — auch ohne Berücksichtigung der besonderen „Anspannung" der Bezirksumlage infolge überproportionaler Auf- und Ausgabenzuwächse — rechtswidrig, weil durch die Bezirksumlagenerhebung nur Aufgaben finanziert werden dürfen, die zu den Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BezO bzw. zu den Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BezO gehören. Dies ist für die behandelten Hilfeleistungen nicht der Fall. 18. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß durch die rechtswidrige Erhebung der Bezirksumlage zur Finanzierung der von den Bezirken nach Art. 7 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 und 2 AGBSHG wahrgenommenen Aufgaben die kommunale Finanzhoheit von kreisfreien Gemeinden und Landkreisen als Umlagezahler (§ 30 Satz 1 FAGDV) in verfassungswidriger Weise verletzt wird.

Kap. 12: Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil Β

287

19. Angesichts der Notwendigkeit, nahezu 84% des für 1988 veranschlagten Verwaltungshaushalts für den Einzelplan 4 (Soziale Sicherung) auszuwerfen, kann von einem hinreichenden Spielraum für die Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben in nennenswertem Umfange und damit von einer Erfüllung des Anspruchs auf „angemessene Finanzausstattung" keine Rede sein.

Anhang Tabellenverzeichnis Tab. 1: Hilfeempfänger insgesamt, für HLU und HbL sowie Bruttoaufwand 1963-1986 im Bundesgebiet 290 Tab. 2: Hilfeempfänger nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit 1970 und 1986 291 Tab. 3: Bruttoausgaben Sozialhilfe insgesamt, für HLU und HbL absolut und relativ 1963-1986 im Bundesgebiet 292 Tab. 4: Hilfeempfänger HLU, HbL, Krankenhilfe, Eingliederungshilfe für Behinderte, Hilfe zur Pflege und sonstige Hilfe 1980-1985 im Bundesgebiet 293 Tab. 5: Hilfeempfänger in Bayern 1963-1986 nach Hilfeart und Hilfeform in und außerhalb von Einrichtungen 294 Tab. 6: Hilfeampfänger in Bayern 1980,1982 und 1984 nach Haushaltstyp, Arten angerechneten Einkommens und Hauptursachen der Hilfegewährung .. 296 Tab. 7: Deutsche und Ausländer als Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt in Bayern 1970, 1980, 1982 und 1984 296 Tab. 8: Bruttoausgaben Sozialhilfe in Bayern 1963 -1986 nach Hilfeart und Hilfeform in und außerhalb von Einrichtungen 297 Tab. 9: Bruttoausgaben für HLU in und außerhalb von Einrichtungen in Bayern 1970, 1975-1986 Tab. 10: Bruttoausgaben für Sozialhilfe in Bayern nach Trägergruppen

299 300

Tab. 11 : Bruttoausgaben der örtlichen Träger der Sozialhilfe Bayerns nach Hilfeart und Hilfeform 1982-1985 301 Tab. 12: Ausgabenzuwächse Brutto/Netto für Sozialhilfe insgesamt, HLU und HbL, Krankenhilfe und Hilfe zur Pflege bei den örtlichen Sozialhilfeträgern Bayerns 1982-1985 in % 303 Tab. 13: Empfänger von Sozialhilfe nach Hilfeart und Hilfeform 1965-1986 in Nordrhein-Westfalen 304 Tab. 14: Empfänger von Sozialhilfe nach Hilfeart, Hilfeform, Alter und Geschlecht in Nordrhein-Westfalen 1970, 1975, 1980, 1986 305 Tab. 15: Ausgaben und Einnahmen nach Hilfeart, Hilfeform und Trägern in Nordrhein-Westfalen 1971 -1987 306 Tab. 16: Ausgabenzuwächse für Sozialhilfe insgesamt, HLU, HbL insgesamt, Hilfe zur Pflege, Kranken- und Gesundheitshilfe bei den kreisfreien Städten Nordrhein-Westfalens 1976-1981, 1981 -1987 in %

307

Tabellenverzeichnis

289

Tab. 17: Rangskalierung für die kreisfreien Städte Bayerns und Nordrhein-Westfalens bzgl. der Ausgaben für Sozialhilfe insgesamt, HLU und HbL ... 308 Tab. 18: Kommunalausgaben in Bayern 1975-1985 nach Körperschaftsgruppen in Mill. DM

309

Tab. 19: Kommunalausgaben in Bayern 1982, 1983 und 1985 nach Ausgabearten und Körperschaftsgruppen 309 Tab. 20: Kommunale Ausgaben für Sozialhilfeleistungen in Bayern 1975-1984 nach Trägern 310 Tab. 21: Kommunale Ausgaben für Soziale Sicherung in Bayern 1975-1984 nach Ausgabearten 311 Tab. 22: Verwaltungshaushalt und Brutto- / Nettoanteil der SH-Aufwendungen bei den kreisfreien Städten Bayerns 312 Tab. 23: Kommunalausgaben Nordrhein-Westfalen 1975-1987 nach Ausgabearten und Körperschaftsgruppen in % 313 Tab. 24: Kommunalausgaben für Sozialhilfe in Nordrhein-Westfalen 1975-1988 nach Trägern 314 Tab. 25: Ausgaben des Verwaltungshaushalts, Brutto- / Nettoanteil Sozialhilfeausgaben in %, Schlüsselzuweisungen / Auftragskostenpauschale und „freie Spitze" bei kreisfreien Städten Nordrhein-Westfalens 1975-1988 315

Schaubilder 1: Sozialhilfeempfänger nach Hilfearten 1963-1986 im Bundesgebiet

316

2: Haushalte von Empfängern laufender Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen nach Hauptursache Hilfegewährung 317 3: Entwicklung der Sozialhilfe in Bayern von 1980 bis 1984

318

4: Bruttoausgaben für Sozialhilfe 1987 für kreisfreie Städte und Landkreise Nordrhein· Westfalens

319

5: Korrelation Bruttoanteil Sozialhilfeausgaben an Ausgaben des Verwaltungshaushalts und „freier Spitze" für Bielefeld, Essen, Duisburg und Gelsenkirchen 320

19 Hofmann-Hoeppel

2

3

4

5

1000 6

7

1000

„ännlich-)

^«Γ

8

9

10

11

12

13

14

^SSST

IÄÄ ι« Iäx κ-

weiblich-)

Vorjahr in %

Bruttoaufwand

) Ohne Mehrfachzählungen. — 2) Einschl. der Empfänger einmaliger Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt. — 3) Die Ergebnisse beruhen zum Teil auf einer Stichprobenerhebung.

1

1

feil"

Vorjahr in %

1000

insgesamt1)

Nachrichtlich

1963 18492) — 32 710*) 26 11392) 38 13112) 23 814 14 1860 — 32 1964 1 418 — 22,3 24 539 20 879 29 816 14 832 14 1 943 + 4,4 33 1965 1404 — 1,0 24 528 19 876 28 760 13 862 15 2106 + 8,4 36 1966 1 445 + 2,9 24 546 19 899 29 773 13 895 15 2318 + 10,0 39 1967 1531 + 5,9 26 588 21 943 30 835 14 925 15 2550 + 10,0 43 1968 1503 — 1,8 25 573 20 930 30 795 13 942 16 2671 + 4,7 44 1969 1479 — 1,6 25 558 20 921 29 759 72 946 16 2859 + 7,0 47 1970 1491 + 0,8 25 557 79 934 29 749 12 965 16 3335 + 16,6 55 1971 1548 + 3,8 25 571 20 977 31 803 13 979 76 4017 + 20,4 66 1972 1645 + 6,3 27 604 20 1041 32 867 74 1025 17 4817 + 79,9 78 1973 1730 + 5,2 28 636 27 1094 34 918 75 1064 77 5656 + 17,4 91 1974 1916 + 70,7 31 718 24 1198 37 1057 77 1126 18 7136 + 26,2 775 1975 2049 + 7,0 33 781 26 1268 39 1190 19 1147 19 8405 + 77,8 736 1976 2109 + 2,9 34 814 28 1294 40 1276 27 1123 18 9597 + 74,2 756 1977 2164 + 2,6 35 845 29 1319 47 1362 22 1098 18 10452 + 8,9 170 1978 2120 — 2,7 35 832 28 1288 40 1335 22 1079 18 11349 + 8,6 785 1979 2095 — 7,2 34 825 28 1270 40 1311 27 1080 18 12129 + 6,9 798 1980 2144 + 2,3 35 864 29 1280 40 1322 27 1125 18 13266 + 9,4 275 3 1981 ) 2083 — 2,8 34 838 28 1245 39 1291 27 1080 18 14783 + 77,4 240 1982 2320 + 11,3 38 964 33 1355 42 1560 25 1061 77 16329 + 10,5 265 19833) 2437 + 5,7 40 1031 35 1406 44 1726 28 1016 77 17569 + 7,6 286 1984 2 570 + 5,5 42 1 094 37 1 475 46 1 837 30 1 047 77 18784 + 6,9 307 19853) 2814 + 9,5 46 1228 42 1586 50 2063 34 1108 18 20846 + 11,0 342 1986 3020 + 7,3 49 1326 45 1694 53 2239 37 1196 20 23197 + 77,3 380

Spalte

jahr

Hilfeempfänger

Hilfeempfänger insgesamt, für HLU und HbL sowie Bruttoaufwand 1963-1986 im Bundesgebiet

Tabelle 1 290 Anhang

Anhang

291

Tabelle 2 Hilfeempfänger nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit Alter von ... bis unter... Jahren

unter 18 18 — 25 25 — 50 50 — 65 65 und mehr Insgesamt .. dar.: Ausländer .. unter 18 18 — 25 25 — 50 50 — 65 65 und mehr Insgesamt .. dar.: Ausländer.. unter 18 18 — 25 25 — 50 50 — 65 65 und mehr Insgesamt .. dar.: Ausländer . .

*

1970

1986

InsMännlich Weiblich gesamt

InsMännlich Weiblich gesamt

1000 229,3 24,8 99,5 81,6 121,8

210,7 29,9 160,3 171,7 361,5

829,3 388,2 966,0 303,7 532,5

431,5 183,6 468,5 136,6 105,9

397,8 204,7 497,5 167,1 426,5

557,0

934,1

-

-

3019,7 397,0

1 326,0 240,9

1 693,6 156,0

27,5 12,9 32,0 10,1 17,6

32,5 13,8 35,3 10,3 8,0

23,5 12,1 29,4 9,9 25,2

100 13,1

100 18,2

100 9,2

je 1000 Einwohner 27 27 26 10 12 9 12 10 15 25 19 30 60 39 74

71 52 44 28 58

72 48 42 27 34

70 57 46 29 70

25 7

49 85

45 95

53 73

440,0 54,8 259,8 253,3 483,3 1491,1 19,9 29,5 3,7 17,4 17,0 32,4 100 1,3

Prozent 41,2 4,5 17,9 14,6 21,9 100

22,6 3,2 17,2 18,4 38,7 100

-

19 -

-

29 -

1963

1942770 8,4

1964

2106303 10,0

1965 2317738 10,0 4,7

1966

1968

1969

1970

2550433 2671129 2859325 3335104 7,0 16,6 20,4 19,9

1967 4017070 17,4

1971 4816982 26,2

1972 5655854

1973

7136194

1974

1975

1977

1978

1979

1980

1981

1982

1983

1984

9596575 10452450 11349525 12128803 13265925 14782647 16329123 17569453 18743681 14,2 8,9 8,6 6,9 9,4 11,4 10,5 7,6 6,9 11,0 11,3

1976

1986 20845591 23196797

1985

1681660 1 820832 2154485 2582414 3052586 3583260 4485942 63,0 63,7 64,6 64,3 63,4 63,4 62,9 6,8 8,3 18,3 19,8 18,2 17,4 25,2

— Eigene Berechnungen aufgrund unveröffentlichter statistischer Angaben des Statischen Bundesamts, VII D-F (»Statistik der Sozialhilfe. Ausgaben und Empfänger nach Hilfearten. Bundesgebiet«); vgl. hierzu bereits die Antwort der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der Fraktion »Die Grünen«, BT-Drs. 10/6055 vom 24.9.1986, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode 1983, Anlagenband 339 sowie BÄCKER, Soziale Sicherheit, 1987,179 ff., insb. Tabelle 7, S. 184.

HbLinsg. 5380324 6145982 6743986 7532735 8207931 8927273 9987227 10808448 11446678 12032157 12821027 13801360 % an SH 64,0 64,0 64,5 66,4 67,7 67,3 67,6 66,2 65,2 64,1 61,5 59,5 Zuwachs in % 19,9 14,2 9,7 11,7 9,0 8,8 11,9 8,2 7,6 5,1 6,6 7,6

HLUinsg. 3024737 3450593 3708464 3815790 3920871 4338652 4795420 5520675 6122775 6751523 8024564 9395437 % an SH 36,0 36,0 35,5 33,6 32,3 32,7 32,4 33,8 34,8 35,9 38,5 40,5 Zuwachs in % 14,1 14,1 7,5 2,9 2,8 10,7 10,5 15,1 10,9 10,3 18,9 17,1

SHinsg. 8405061 Zuwachs in % 17,8

Hilfearten

HbL insg. 1002865 1121258 1 272470 1411768 1 575241 % an SH 53,9 57,7 60,4 60,9 61,8 Zuwachs in % — 11,8 13,5 10,9 11,6

HLUinsg. 857266 821512 833833 905970 975192 989469 1038493 1180619 1434656 1764396 2072594 2650252 % an SH 46,1 42,3 39,6 39,1 38,2 37,0 36,3 35,4 35,7 36,6 36,6 37,1 Zuwachs in % — —4,4 1,5 8,7 7,6 1,5 5,0 13,7 21,5 23,0 17,5 27,9

SHinsg. 1860131 Zuwachs in % — 4,4

Hilfearten

Bruttoausgaben Sozialhilfe insgesamt, für HLU und HbL absolut und relativ 1963-1986 im Bundesgebiet

Tabelle 3

292 Anhang

293

Anhang

Tabelle 4 Hilfeempfänger HLU, HbL, Krankenhilfe, Eingliederungshilfe für Behinderte, Hilfe zu Pflege und sonstige Hilfe 1980-1985 im Bundesgebiet 1980

1981

1982

1983

1984

HLU in % an SH Zuwachs in %

1322 61,7 0,8

1291 62,0 -2,3

1560 67,2 20,8

1726 70,8 10,6

1837 71,5 6,4

2058 73,3 9,4

HbL % an SH Zuwachs in %

1125 52,5 4,2

1080 51,8 -4,0

1061 45,7 - 1,8

1016 41,7 -4,2

1047 40,7 3,1

1104 39,3 5,4

Krankenhilfe % an SH Zuwachs in °/o

377 17,6

353 16,9 -6,4

328 14,1 -7,1

297 12,2 -9,5

305 11,9 + 2,7

340 12,1 + 11,5

191 8,9

191 9,2 + /-0

196 8,5 + 2,6

194 8,0 -1,0

209 8,1 + 7,7

224 8,0 + 7,2

463 21,6

451 21,7 -2,6

469 20,2 + 4,0

461 18,9 - 1,7

459 17,9 -0,4

467 16,6 + 1,7

103 4,8

93 4,5 -9,7

76 3,3 - 18,3

72 3,0 -5,3

76 3,0 + 5,5

85 3,0 + 11,8

Eingliederungshilfe für Behinderte o/o an SH Zuwachs in °/o Hilfe zur Pflege o/o an SH Zuwachs in % Sonstige Hilfe in besonderen Lebenslagen o/o an SH Zuwachs in °/o

Quelle: BÄCKER, Soziale Sicherheit, 1987, S. 179 ff., Tab. 1, S. 180.

1985

Anhang

294

Tabelle 5II Hilfeempfänger in Bayern 1963-1986 nach Hilfeart und Hilfeform in und außerhalb von Einrichtungen Sozialhilfe insgesamt

Jahr

zusammen außerhalb

in

zusammen außerhalb

Einrichtungen Spalte

1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 197Θ 1979 1980 1982 1984 1985 1986

1

2

185687 185239 183544 189355 198770 198405 198206 190351 190097 202836 214655 239716 255202 260524 258971 254407 248564 264455 290577 320840 345161 367759

124182 119437 116191 114365 117829 115568 113655 115739 122908 137278 147835 171311 184704 184558 184652 180939 175747 184566 208152 232130 256782 273990

3

67908 72258 73641 81157 87436 89279 90652 80282 72825 71179 72651 74530 77532 84019 82685 81930 82707 85694 87908 92062 94919 101225

zusammen außerhalb

4

103598 101519 96693 94466 98529 96237 93571 92258 97755 106170 113299 132252 145497 150684 152576 148293 139444 142613 173123 204179 224435 242843

1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1982 1984 1985 1986

13

15328 17776 20836 24843 28049 29136 29764 27395 22789 23250 22967 23067 22932 25761 30483 36417 43674 46796 47812 44545 48569 51500

14

5842 5906 6221 6422 5900 5976 6377 8140 8976 9554 10323 10013 7867 3260 5054 10052 15024 17041 16341 11926 15005 16476

zusammen außerhalb

5

91741 90071 85390 83532 87594 85854 82898 81202 86186 94185 101020 119117 132720 137900 139500 135572 127050 129114 159641 189139 208668 223439

in

zusammen außerhalb

15

9941 12203 15024 18819 22518 23553 23890 19536 14011 13913 12825 13160 15200 22633 25632 26804 29423 29929 31675 32666 33642 35134

42423 41459 43455 44322 46085 47032 46703 38608 36589 36826 39684 41645 42933 46263 41351 41012 38227 37656 36556 38208 44368 50740

17

26871 24673 24861 24191 24427 24444 23891 23682 25484 26119 27724 30894 33151 36281 34269 31801 29029 28509 28449 27423 34097 40447

Hilfe zur Pflege zusammen außerhalb

Empfänger 12285 11894 11752 11375 11299 10796 11032 11501 11945 12353 12656 13510 13183 13177 13379 13010 12563 13642 13586 15097 15898 19577

8

9

10

11

12

) 110958 111869 115769 122387 127423 128914 130196 122367 116920 121888 127715 135967 139559 142260 137860 138010 139432 147799 146647 148075 159526 170230

57346 53668 55338 53862 52870 52312 52363 54887 57773 64528 68560 76337 77462 74527 71903 73014 74588 78576 75561 70835 81774 90096

57882 62400 64534 72424 78696 80621 81774 70991 62729 60663 62576 63162 66321 72864 71474 70944 72002 73451 75369 78639 80659 83520

26997 28015 28824 29115 30220 31181 32456 35503 39003 42707 44903 48167 51545 51926 52630 54842 55444 56827 58585 56799 58980 60685

4206 5348 6550 7196 7328 7595 8364 10788 13189 15982 18120 21166 23648 23999 24701 26412 26945 27704 27077 25992 27222 28396

22815 22719 22320 21974 22956 23666 24173 24799 25947 26875 26944 27171 28114 28239 28184 28565 29271 29128 31526 30809 31760 32289

2

Vorbeugende Gesundheitshilfe in

in

Einrichtungen

7

6

zusammen außerhalb

Einrichtungen 16

in

Einrichtungen

Krankenhilfe 1)

Einrichtungen Spalte

in

Einrichtungen

Ein( lliederungshilfe fl ir Behinderte

Jahr

Hilfe in besonderen Lebenslagen insgesamt

Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt

18 Empfänge r 2 ) 17616 19046 20529 21928 23636 24504 24416 16514 12698 12151 13348 12182 11359 11656 8586 10570 10657 10371 9467 11740 12173 12580

Altenhilfe in

zusammen außerhalb

19

6719 6161 3698 7209 7481 7393 7586 8015 8257 9786 10262 11534 12009 10685 8225 6310 5266 4871 2534 2561 2787 2900

in

Einrichtungen

Einrichtungen 20

21

22

23

2341 1381 1348 1322 1408 1550 1415 1570 1538 4876 4755 4982 5008 4594 3225 2190 2173 1905 1037 608 653 571

4414 4805 2370 5919 6102 5859 6200 6467 6736 4935 5550 6588 7046 6113 5020 4133 3112 2982 1502 1954 2136 2330

2756 2351 2793 2578 2651 2697 2619 2489 2424 2709 2797 3953 4063 4087 3836 3789 3560 3721 3215 4857 4610 4175

2723 2247 2415 2248 2293 2439 2457 2203 2095 2298 2467 3330 3431 3606 3562 3452 3329 3485 2932 4223 4100 4069

24

33 110 393 349 361 262 364 288 333 411 331 627 640 488 278 340 241 245 285 636 512 108

Anhang

295

Tabelle 5HI Hilfeempfänger in Bayern 1963-1986 nach Hilfeart und Hilfeform in und außerhalb von Einrichtungen Jahr

Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zusammen außerhalb

in

zusammen außerhalb

Spalte

1963 1964 1965 1966 1967 1966 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1982 1984 1985 1986

Jahr

25

233 239 236 211 192 168 200 262 204 304 666 842 2702 2901 3378 3216 3279 3433 3717 3513 3015 3093

26

14 10 20 21 15 12 12 10 16 30 26 194 276 321 303 130 215 334 338 404 321 282

27

219 229 216 190 177 157 193 252 188 275 640 648 2426 2580 3075 3086 3066 3100 3379 3109 2694 2811

28

16031 13592 12844 11655 11144 9973 9520 8768 8124 7408 6747 6337 5229 4512 3703 3313 2345 2250 924 491 651 697

29

14349 12162 11567 10592 10132 9082 8689 7944 7351 6820 6257 5918 4896 4184 3358 2896 2028 1875 691 305 495 480

Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen

Hilfe zum Aufbau oder z.Sicherg.d.Lebensglg.

in

außerhalb zusammen Einrichtg.

zusammen außerhalb

in

zusammen außerhalb

Einrichtungen

Einrichtungen

1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1982 1984 1985 1986

37

657 682 606 639 774 668 605 528 585 498 485 546 474 542 481 625 434 458 442 516 514 600

38

349 386 271 301 332 298 253 203 209 197 172 180 170 207 217 377 222 219 225 248 257 321

39

366 375 398 422 553 461 424 383 455 354 370 439 363 417 343 342 298 326 296 301 307 365

zusammen außerhalb

in

30 Empfänge r 2 ) 2280 1824 1687 1388 1315 1162 1086 1035 969 683 606 514 410 413 414 532 433 404 251 214 218 273

31

32

33

34

35

2775 4146 5071 5012 4015 3805 4038 4003 3212 3325 4313 5330 5346 4116 2858 2801 19183

1751 3618 3233 3245 2637 2539 2541 2241 1719 1746 2325 3107 3110 2232 1325 1059 745

1031 1548 1857 1782 1391 1275 1512 1769 1499 1586 2000 2238 2247 1889 1544 1749 1175

1124 694 838 996 1178 1282 1408 1671 1084 807 817 668 639 646 603 757 571 528 626 655 692 855

867 454 583 706 780 870 1019 1051 570 565 644 533 541 566 520 647 538 508 603 620 670 828























-

-

-



in

Einrichtungen

Einrichtungen

36

260 242 259 303 403 420 395 627 517 245 174 137 99 84 84 111 34 20 23 35 22 27

Hilfe in anderen besonderen Lebenslagen Blindenhilfe

zusammen außerhalb

Einrichtungen Spalte

Hilfe zur Weiterführung des Haushalts

Ausbildungshilfe

Tuberkulosehilfe

in

Einrichtungen 40

304 158 123 105 106 100 68 66 69 63 47 46 67 60 45 67 82 72 223 307 209 353

41

304 158 123 105 106 100 68 66 69 63 47 46 67 60 45 67 82 72 223 307 209 353

42

43

Empfänge r 2 ) 222 1985 1483 155 187 1838 602 222 633 239 637 216 425 229 645 220 580 256 814 274 1657 285 2407 284 1588 166 1203 88 1216 61 666 219 562 53 64 738 648 56 1060 63 1233 56 869 74

44

1160 1272 1472 324 366 276 199 332 334 449 734 1866 1400 1006 1126 623 500 628 505 925 1161 505

45

829 214 368 278 268 362 226 313 246 370 933 547 190 198 90 43 62 111 149 135 72 367

') ab 1976 einschlieBlich der Hilfen bei Schwangerschaft oder Sterilisation und zur Familienplanung ») Empfanger von Hilfen verschiedener Art oder Form werden jeweils gesondert gezählt, bei den Angaben «zusammen· und »insgesamt« aber jeweils nur einmal, sofern nicht verschiedene TrAger zuständig sind. ') für 1980-1966 keine Angaben verfügbar. Zahlenmaterial bis einschlieBlich 1979 aus: Bay. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung/Bay. Statistisches Landesamt (Hrg.), Sozialhilfe-Atlas. 20 Jahre Bundessozialhifegesetz in Bayern, München 1981, Tab. 1. S. 22 ff. Zahlenmaterial von 1980/1982/1984 aus: Mörtlbauer, Franz, Die Sozialhilfe in Bayern von 1980 bis 1984, in: Bayern in Zahlen. 40. Jg. 1986, S. 102 ff. Zahlenmaterial von 1985,1986 aus: Bezirk Mittelfranken (Bearb.), Entwicklung der Ausgaben 1986 im Sozialbereich, bezogen auf Bayern und Mittelfranken. Grundlage: Bericht des Bayer. Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung und eigene Erhebungen (Maschr.), Tab. A1, S. 2

296

Anhang

Tabelle 6 Hilfeempfänger in Bayern 1980,1982 und 1984 nach Haushaltstyp, Arten angerechneten Einkommens und Hauptursachen der Hilfegewährung Haushalte oder Haushaltsteile Hauptursache der Hilfe2) mit angerechnetem Einkommen1) Typ des Haushalts oder Haushaltsteil

Jahr

insgesamt

ohne Einkommen

Anzahl Einzelne Haushaltsvorstände Männlich Weiblich Sonstige einzelne Hilfeempfänger Mfinnlich Weiblich Ehepaare ohne Kinder

1980 1982 1984 1980 1982 1984

1

2

15526 23786 29372 28737 30926 31647

8624 13309 15811 5516 67492 6515

1980 5674 2271 1982 8318 4019 1984 10399 5374 1980 7831 2312 1982 8869 3097 1984 10262 3935

1980 4665 1176 1982 5564 1547 1984 6086 1510 mit 1 Kind 1980 1571 1982 2910 422 1984 3796 368 mit 2 Kindern 1980 1370 1982 2381 305 1984 3315 264 mit 3 u. m. Kindern 1980 1415 1982 1902 174 1984 2345 181 Elternteile mit 1 Kind 1980 5553 1 1982 7142 470 1984 9380 537 mit 2 Kindern 1980 4330 1982 4728 179 1984 5767 197 mit 3 u. m. Kindern 1980 2936 1982 2601 78 1984 2700 101 Sonstige Haushalte mit 2 Personen . . . 1980 1539 191 1982 1962 392 1984 2469 440 36 mit3u.m. Person. 1980 939 1982 1095 123 1984 1308 127 Insgesamt 1980 82086 20127 1982 102184 30607 1984 118846 35360

_

insgesamt

und zwar neben anderen Ausfall Ver- Unzulust reich. des gesetz- Arbeits- priv. Wohn- Ernäh- des Ar- Sozialliche losen Unter- geld rers beits- leistunplatzes gen4) Renten' geld, halt -hilfe

%

Anzahl

%

3

4

5

6

7

β

9

55,5 6902 56,0 10477 53,8 13561 19,2 23221 21,0 24434 20,6 25132

44,5 44,0 46,2 80,6 79,0 79,4

34,1 24,2 19,1 61,2 59,6 52,6

15,2 26,8 29,9 3,0 5,4 8,3

^

3,4 3,7 13,4 12,5 12,9

51,3 50,9 63,9 58,7 62,4 65,7

0,1 0,1 0,1 3,9 3,9 4,1

15,3 13,2 30,6 10,0 30,7 8,8 3,5 45,1 8,0 43,3 10,6 39,9

40,0 46,3 51,7 29,5 34,9 36,3

3403 4299 5025 5519 5772 6327

60,0 51,7 48,3 70,5 65,1 61,7

10,1 9,2 6,5 29,0 27,6 23,9

5,4 14,2 15,8 2,6 4,5 6,2

22,3 24,9 25,4 24,2 27,3 26,5

11,7 14,5 17,8 17,4 18,2 22,3

8,8 5,5 5,1 7,5 6,9 7,2

7,3 19,9 21,6 2,9 7,3 9,4

5,3 4,1 4,0 19,9 17,4 14,3

25,2 3489 27,6 4017 24,6 4578 — 1571 14,5 2488 9,7 3428 1370 12,6 2076 6,0 3051 1415 9,1 1728 7,7 2164

74,8 72,2 75,2 100 85,5 90,3 100 87,2 92,0 100 90,9 92,3

67,9 56,7 45,7 13,9 10,1 8,3 10,0 8,1 7,2 8,8 7,8 5,8

8,7 17,4 26,6 16,4 31,6 40,7 22,9 36,2 42,3 27,1 35,3 43,8

10,2 8,0 6,7 4,5 4,0 4,4 4,6 3,9 4,7 4,1 5,7 5,6

54,3 56,6 59,4 35,5 45,2 54,8 39,4 51,0 58,6 42,5 54,1 61,0

0,3 0,2 0,2 1,2 0,9 1,0 1,6 0,9 1,1 1,9 1,7 1,4

5,4 14,5 20,0 17,6 34,6 37,7 19,6 36,0 36,3 21,1 37,7 37,7

45,8 36,4 31,6 13,9 9,6 9,9 10,1 9,4 10,3 11,0 9,0 9,1

0,0 5552 6,6 6672 5,7 8843 — 4330 3,6 4549 3,4 5570 2936 3,0 2523 3,7 2599

100 93,4 94,3 100 96,2 96,6 100 97,0 96,3

5,6 5,5 5,0 3,7 3,6 3,4 3,7 3,9 4,1

6,2 9,2 12,1 4,2 6,7 9,6 3,2 4,8 7,2

27,1 31,2 33,6 35,1 37,5 39,2 34,3 35,6 36,1

50,9 57,4 63,7 60,3 63,9 69,6 63,4 65,6 69,8

26,6 24,3 23,6 35,9 35,3 34,0 42,3 38,6 37,8

6,0 10,6 13,1 2,8 5,5 7,9 2,3 3,6 5,1

6,1 6,4 6,3 5,7 5,9 5,5 4,3 5,0 4,9

12,4 1348 20,0 1570 17,6 2029 3,6 903 11,2 972 9,7 1181 24,5 61959 30,0 71577 29,8 83486

67,6 60,0 82,2 96,2 68,6 90,3 75,5 70,0 70,2

8,4 7,9 6,2 5,5 2,9 3,6 35,7 31,7 25,7

4,4 9,1 12,7 7,3 13,6 19,6 6,7 13,1 17,3

19,3 21,8 21,2 18,2 17,8 20,6 16,9 16,6 17,0

22,i 29,3 36,5 31,0 37,9 45,6 48,5 51,5 57,2

28,5 23,1 20,7 31,7 26,5 23,2 8,9 7,4 7,3

3,2 10,7 13,4 4,6 11,9 15,0 7,0 16,5 19,1

8,1 6,9 6,3 7,3 5,3 6,0 24,9 21,0 17,8

_ _ _ _

_

_ _

% von Spalte 4

% von Spalte 1 10

11

12

1 ) Haushalte mit mehreren Einkunftsarten sind bei jeder gezahlt, bei der Insgesamtzahl aber nur einmal. — a ) Es sind nur drei von insgesamt acht Hauptursachen der HllfegewAhrung aufgeführt. — ') Leistungen aus der gesetzlichen Unfall-, Renten- und Handwerkerversicherung sowie der Altershille für Landwirte. — 4 ) Unzureichende Versichernngs- und Versorgungsansprüche, aus: Mörtlbauer, Franz, Die Sozialhilfe In Bayern von 1980-1984, in: Bayern in Zahlen, 40 Jg. 1986, S. 102 ff. 105.

Tabelle 7 Deutsche und Ausländer als Empfänger von Sozialhilfe Lebensunterhalt in Bayern 1970, 1980, 1982 und 1984

zum

Empfänger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen Jahr

insgesamt

je 1000 Einwohner1)

davon Deutsche |

Ausländer2)

insgesamt %

Anzahl

Deutsche

Ausländer2)

1970

81202

77478

3724

4,6

7,7

7,7

9,6

1980 1982 1984

129114 159641 189139

113526 135653 160826

15588 23988 28313

12,1 15,0 15,0

11,8 14,6 17,3

11,1 13,3 15,7

22,6 33,1 40,4

1 ) Mittelwert aus Stand am Anfang und Ende des Jahres der Bevölkerung Insgesamt bzw. der jeweiligen Bevölkerungsgruppe. Die Sozialhilfedlchte der Deutschen wird also gemessen an der deutschen Bevölkerung, die der Ausländer an der Zahl der Ausländer insgesamt. — >) Einschl. Staatenlose, aus: Monibauer, Die Sozialhilfe in Bayern, aaO, S. 106.

Anhang

297

Tabelle 8/Ï Bruttoausgaben Sozialhilfe in Bayern 1963-1986 nach Hilfeform in und außerhalb von Einrichtungen Jahr

Sozialhilfe insgesamt in

Laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb zusammen von in

Einrichtungen

Einrichtungen

außerhalb zusammen von

Hilfe in besonderen Lebenslagen insgesamt außerhalb zusammen von

1

2

3

4

5

6

7

8

1963 1964 1965 1966 1967 1966 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1976 1979 1980 1982 1984 1985 1986

212758 246105 247588 268776 294272 305904 329140 385444 466157 562157 651836 817741 999385 1113727 1189494 1292876 1400925 1493175 1809791 2133989 2313590 2537601

91235 97820 103310 111233 116918 117062 122802 146472 177839 221 303 259816 311636 348138 377498 399049 417244 427094 452562

121523 148285 144278 157543 177354 188842 206339 238972 288318 340854 392019 506105 651247 736229 790445 875632 973831 1040612

90818 91876 97498 103489 111377 110973 116478 130806 159176 194780 225647 288334 330484 362103 386772 393771 394914 '423091 538228 644230 750965 848137

68649 72213 75972 80939 66096 85633 88520 99546 120488 148843 171674 223526 248837 265678 287890 288060 285316 301389

22168 19663 21526 22550 25281 25340 27958 31259 38688 45938 53973 64808 81647 96424 98882 105711 109599 121701

22586 25607 27338 30294 30823 31429 34282 46926 57351 72461 88143 88110 99301 111820 111159 129184 141778 151173

488324 467746 543421

155906

121941 154229 150090 165287 182895 194931 212662 254639 306981 367377 426188 529407 668901 751624 802722 899105 1006011 1070084 1271 562 1489760 1562625 1689465





1478069 3 -

3

Ein«jliederungshilfe fi ir Behinderte

Jahr

außerhalb zusammen von

— —» -

3

in

in

10

99354 128622 122753 134993 152072 163502 178380 207713 249630 294916 338046 441297 569600 639804 691563 769921 864233 918911





167597 178531 190318

1322163 3 -

3

79881 104241 94089 105099 113696 122399 132732 157095 189768 228105 257086 320599 407556 445376 447048 490208 534856 537015 649799 746587 777878 841200

13

14

15

16

17

18

19

1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1982 1984 1985 1986

11102 14255 17893 20258 27035 29167 35343 50438 64144 81425 103796 127848 170320 200897 254336 304020 366067 416338 512484 613113 650358 697843

2085 2468 2882 3240 3538 3818 4899 9837 14724 22406 32213 15790 11922 11164 8941 18469 25177 27419

9017 11787 15011 17018 23506 25349 30444 40601 49421 59019 71583 112058 158397 189732 245395 285551 340890 388919

4235 4742 5335 6287 6992 7440 8081 9157 10830 12446 14219 17701 21189 25290 24239 23715 24161 23924

5847 8088 9853 10346 11772 12951 13003 13917 16229 17823 20774 22914 26513 36695 40665 45889 42025 44296

33384 35619 33127

579729

10082 12830 15188 16633 18764 20391 21085 23074 27059 30269 34993 40616 47702 61984 64905 69604 66187 68220 66672 85412 89769 101754

27450 29548 35613

57962

1510 1924 2035 2595 2688 2773 3055 2968 3341 3884 4689 5701 6366 6010 4493 3769 3226 3138 2212 1626 1827 2084

20

11

in

12

3294 4624 5618 6449 6796 6974 8156 14294 17817 22315 25530 36489 49314 58794-— 65253 75412 80831 88848

76587 99617 88472 98650 106899 115425 124576 142801 171951 205789 231556 284110 358242 386582 381795 414797 454025 448166





98953 106053 114929

647634 —» -

Altenhilfe in

außerhalb zusammen von

Einrichtungen

Spalte

außerhalb von

Einrichtungen

9

außerhalb zusammen von

Einrichtungen

Einrichtungen

zusammen

Vorbeugende Gesundheitshilfe

Krankenhilfe 1) außerhalb zusammen von

in

Einrichtungen

Spalte

655921 761905 862352

Hilfe zur Pflege

in

Einrichtungen

21

22

23

24

277 277 342 398 328 325 303 281 366 464 728 770 863 658 532 464 361 409

1233 1647 1694 2197 2360 2448 2752 2687 2975 3420 3960 4930 5503 5352 4497 3305 2866 2730

133 263 261 340 292 333 349 414 510 673 758 1369 1468 1708 1711 1803 1937 2494

32 52 53 64 69 57 56 61 71 78 101 111 104 445 157 169 214 334

263 237 246

1363

164 315 314 404 361 389 405 475 582 751 859 1479 1573 2154 1868 1972 2151 2829 2338 2741 2764 2388

2648 2681 2312

92 3

Anhang

298

Tabelle 8/II Bruttoausgaben Sozialhilfe in Bayern 1963-1986 nach Hilfeform in und außerhalb von Einrichtungen Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten

Tuberkulosenhilfe

Hilfe zur Weiterführung des Haushalts

Ausbildungshilfe

außerhalb von Einrichtungen

Jahr

zusammen Einrichtungen

Einrichtungen

25

26

27

28

29

30

31

32

154 295 261 225 374 347 348 405 920 1304 2331 8194 10432 10508 12518 13412 19110 29548 28039 31786 30585 32453

63 66 8 8 8 8 12 5 18 12 12 23 40 370 466 527 1125 1058

92 ' 228 253 217 366 339 336 400 901 1292 2319 8171 10392 10138 12052 12886 17956 28490

10522 10319 9351 9806 9161 8386 8316 8477 9004 9951 9569 9509 8196 7993 6631 5619 4842 3906

5368 5452 5391 4427 4979 4651 4739 3898 3955 3105 2317 2395 2297 2817 2311 2478 2516 2197

30322

193 393

2140

2335 3461 4321 4401 4102 4465 4567 5236 5018 5873 7494 9861 10321 10013 5700 4368 3376 3270 1454 55

1306 2136 2740 2861 2536 2802 2700 2761 2253 2730 3485 4738 4800 4057 1842 1424 1179 1150

1465 781 317

15890 15771 14742 14234 14140 13036 13055 12375 12958 13056 11886 11904 10493 10810 8942 8096 7357 6103 3605 2333 3205 3721

3 -

Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen

Hilfe zum Aufbau oder z.Sicherg.d.Lebensglg.

zusammen

außerhalb von

Spalte

37

38

39

1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1982 1984 1985 1986

189 224 281 269 338 344 290 340 426 484 518 746 1077 1238 1025 1257 1223 1161 1260 1605 1739 2032

77 92 125 100 101 102 85 79 80 96 97 108 126 134 111 136 141 122

112 132 156 168 237 242 205 261 346 388 420 638 951 1104 914 1121 1082 1038

in

zusammen

Einrichtungen





145 167 182

1460 —» -

40 161 204 144 131 115 159 149 150 139 142 153 192 220 343 150 179 285 213 200 229 271 281

außerhalb von Einrichtungen

Blindenhilfe

41

42

161 204 144 131 115 159 149 150 139 142 153 192 220 343 150 179 285 213 —

229 271 281

33 1029 1326 1581 1540 1565 1663 1868 2475 2765 3143 4010 5123 5521 5955 3859 2944 2197 2120

55

Hilfe in anderen besonderen Lebenslagen außerhalb von in zusammen Einrichtungen

139 125 175 311 340 344 346 408 448 523 517 643 285 104 55 86 105 50 30 14 371 7

43 111 349 382 388 491 605 623 769 1173 385 681 601 1481 956 423 764 840 830 2030 2667 2055 2526

44 103 119 168 211 402 474 496 650 671 107 163 149 96 196 119 108 537 332 —

1231 999 534

45 8 231 214 176 90 131 127 119 502 279 518 453 1385 760 304 656 303 498 —

1436 —s -

34 223 234 265 342 451 511 665 904 1004 1174 1187 1023 1075 1233 1259 1369 1228 1370 1439 1591 1801 2017

2

1970

3

244 264 290 284 277 286 332 383 439 478 555 644

100

= 100

100

91453

4

5

6

7

8

100

1126

100

9

10

11

12

100

= 100 8094

100

99546

= 100

I

100

31259

= 100

100

130806

= 100 100

1970

in Einrichtungen insgesamt Jahr 1970 1 000 DM 1970 1 000 DM 1970

|

13

14

15

16

17

18

114 19908 246 248837 250 81647 261 330484 253 1975 114 18071 223 265678 267 96424 308 362103 277 1976 118 17025 210 287890 289 98872 316 386772 296 1977 118 18277 226 288060 289 105711 338 393771 301 1978 119 19441 240 285316 287 109599 351 394914 302 1979 116 23777 294 301389 303 121701 389 423091 323 1980 28938 358 350923 353 132235 423 483158 396 1981 112 26705 330 396485 398 141743 453 538228 411 1982 113 22310 276 445223 447 138054 442 583277 446 1983 110 25004 309 488324 491 155906 499 644230 493 1984 119 30866 381 583375 586 167591 536 750965 574 1985 31723 392 672034 675 176103 563 848137 648 1986

nominal real1)

Im Durschschnitt an sonst. Empfäng. insgesamt je Empfänger 2) einschl. Darlehen 1970 DM 1970 = 100 1000 DM 1970 1000 DM

250 1 725 153 271 1796 160 296 1 942 172 295 1 990 177 291 2093 186 304 2150 191 352 — —— 404 2316 206 462 2409 214 507 2450 218 604 2648 235 700 — ——

= 100

1000 DM

insgesamt

23347 328 228929 24981 351 247608 26135 367 270876 30002 421 269783 32333 454 265875 36760 516 277613 42354 595 321985 46698 656 369781 52810 741 422913 59859 840 463320 84763 1190 552509 96890 1 360 640311

7123

= 100

Zusätzliche einmalige Hilfen 1 000 DM 1970

') Deflationiert mit dem Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet. 2 ) Mit Hilfedauer zwischen einem Monat und dem ganzen Jahr.

1

205582 222626 244741 239780 233541 240853 279630 323083 370103 403461 467746 543421

1975... 1976... 1977... 1978... 1979... 1980... 1981.... 1982.... 1983... 1984 1985. . .. 1986....

Spalte

84330

1000 DM

Laufende Hilfe

1970...

Jahr

an Empfänger laufender Hilfe außerhalb von Einrichtungen

Hilfe zum Lebensunterhalt

Bruttoausgaben für HLU in und außerhalb von Einrichtungen in Bayern 1970, 1975-1986

Tabelle 9

Anhang 299

300

Anhang

Tabelle 10 Bruttoausgaben für Sozialhilfe in Bayern und Trägergruppen Sozialhilfeausgaben Örtliche Träger Jahr

außerhalb

innerhalb

von Einrichtungen

Träger insgesamt

Überörtliche Träger

zusammen

außerhalb

innerhalb

von Einrichtungen

zusammen

außerhalb

innerhalb

von Einrichtungen

zusammen

in Millionen DM 557,4 636,4 700,9

2,7 4,1 6,0

II. 1984 1985 1986

10,1 14,2 10,1

-90,3 52,0 45,0

Spalte

1

I. 1984 1985 1986

560,1 640,5 706,9

98,5 1475,3 1573,9 125,5 1547,5 1673,1 161,4 1669,2 1830,7

655,9 1478.1 2134,0 761,9 1551,7 2313,6 862,4 1675.2 2537,6

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in %

2

4,8 14,4 10,4

-1,9 27,4 28,6

3

4

8,2 6.3 9.4

9,0 4,9 7,9 5

6

7,0 5,0 8,0

8,1 16,2 13,2 7

8

7.3 8.4 9,7 9

aus: Bezirk Mittelfranken (Bearb.), Entwicklung der Ausgaben 1986 im Sozialbereich, bezogen auf Bayern und Mittelfranken, Tab. S. 35.

2 779

1985

1985

64

71 59 62 70 53 55 57

81

84 69 74 85 68 66 74

96

95 84 85

59

5253

7 β

9

10

11

12

126

68

72 56 60 71 57 53 59

81

76 65 71

50

3436

2433 2876 3111 3723 2124 2541 3053

4188

3077 3265 3664

2556

1 489

10 488

1

15

16

5 —

44

102

41 811

16 794

17

-

18

19

4611

2655 2211 2253 2544 3664 3341 3784

2170

111

61 52 53 60 86 79 90

50

4611

2159 2211 2253 2544 3223 3323 3784

2170

20

— —

146

0 72

292

1 29 —

8 19

5

0

2006 2276

75

3394

64

35 34

3941

0 0 3327 0 3339 64 0 20 2 0

4

24 0 1 847 24 0 1 778 291 3 1 30 -

Nachrichtlich

2630

13 683

13 681

2

2 —

8

113

3

105

324

0

7

— 609

14 609



-

-

2

150

1

48

405

0

0

2 —

3740

— 641

15 641

-

1 —

1 59

1 64

484 32

0

0

4366

105

64

2421

1985

79

1494 ' 39 1796 ; 48 1877 ' 50

2970

2507

67

2507

2001

— 463

12 463

2036

54

2036

1 700

— 385

10 385



5 —

51

—— —

1 273 34 1100 797 172 222 6 185 37 — 6 14 1 451 38 1 451 1111 1 345 9 320 25 1513 40 1513 1257 — 364 10 358

— 6 1

1 37

360 — — —

3

31

237 20

2

3 — 1152 30 52 1 62 207 13 22 285 — — 1 — — 0 24 1 23

2 85

59

52

-

1 4 — 901 26 304 — —

1939

1 — 1 — 7 1 3

2212 233 — — 2 — 792 22 — 1 27 2 12 301 - — 9 41 1 72 229

4 —

1 62

1449 1 —

24

942

38

40

1487

55

51

23

861 24 1521

60

2849

22

54

3077

2349

1 794 496 829 19 613 216 — — 16 369 29 — 390 25 — — — 2951 68 1834 0 816 19 806 10 — — 2 228 4 51 507 19 — 5 — 2588 60 1 820 — 870 20 870 0 — — 2 255 2 26 509 20 — 2 — 2676 63 1 850 — 892 21 892 —— — 1 231 5 28 579 47 — 1 — 3047 72 2629 441 443 10 339 104 11 12 20 102 1 — 285 10 — 1 — 3225 76 2688 18 548 13 525 23 8 — 12 44 4 109 358 12 — 0 — 3037 72 3199 — 573 14 573 0 1 — 2 59 0 99 402 10 — 0 — 3541 84

1 844

43 47

109 12

39 44

65

21

2003 1 246 621 12 561 60 8 20 69 2 2 506 2 — 11 1 3104 60 2416 3 720 14 697 23 — — 0 99 0 14 598 1 — 5 2 2894 56 2580 3 740 14 740 —— — 0 110 2 21 590 2 — 7 8 3155 61 2997 — 737 14 737 — 1 — 0 81 0 44 601 2 — 8 — 3683 70 1 854 836 582 11 425 157 — 16 8 181 27 — 280 4 10 42 14 2394 46 1813 193 682 13 662 20 — — 9 86 8 83 393 4 13 83 2 2676 52 2266 - 736 14 735 0 1 8 106 3 104 395 2 11 104 3

3482

17

2 15 8 18 514 561

2 10

5 2 324 — 1 2 15 276 0 1 20 - 41 96 3 16

2589 899 943 18 515 428 — 28 10 324 32 — 533 2809 144 977 19 525 452 10 — 7 253 22 19 640 0 3216 5 718 14 682 36 20 111 2 48

1 927

14

6 13 183 23 — 451 2 1 17 — 2738 49 229 13 1 440 2 1 15 — 2349 42 1 77 3 1 421 2 1 12 2225 39 0 65 1 14 429 8 — 11 — 2702 48

13

1 986 1 568 696 12 572 124 0 2388 89 705 12 521 184 3 — 2 2284 70 517 9 513 5 2550 20 527 9 525 2 — —

2802 62 1 825 1528 978 397 9 302 95 — 4 8 85 15 — 279 0 — 7 — 1981 44 2246 50 2214 1858 32 386 9 349 37 1 — — 63 2 22 291 — — 8 — 1857 42 2425 54 2425 2052 — 351 8 351 —— — 1 65 1 8 270 — — 6 — 2051 46 2631 60 2 631 2066 — 426 10 426 —— — 0 91 1 0 328 — — 5 — 2150 49 1 766 40 1 416 1051 349 560 13 436 124 — 10 7 183 14 — 338 4 1 3 — 1770 40 1 809 41 1775 1 378 34 611 14 527 84 — — 9 183 7 23 383 1 1 4 — 1882 1 916 44 1 916 1 644 — 558 13 558 —— — 4 137 1 18 394 0 0 3 — 2034

3449

3679 2879 3108 3723 2959 2734 3053

4229

3976 3409 3670

2558

Darunter für

2521 60 2107 50 1 330 1201 777 414 10 346 68 — 2 0 124 4 — 283 1 — 0 — 1516 36 1 978 47 1 586 38 1 539 1382 47 392 9 381 11 - — 0 72 1 23 295 — — 0 — 1413 34 1976 47 1559 37 1559 1401 — 417 10 417 — — — 0 69 0 31 316 — — 0 — 2298 55 1 851 45 1 851 1604 — 446 11 446 —— — 0 90 0 42 314 — — 0 — 1753 42 3385 89 2686 71 1938 1566 748 699 18 473 226 — 4 67 164 15 — 426 — 1 21 1 2403 63 2 585 68 2001 53 1 993 1 639 8 584 15 566 18 1 — 1 85 3 32 438 — — 19 3 1 928 2664 71 2150 57 2141 1738 9 514 14 514 —— — 0 64 2 35 394 — — 18 0 1 982 53

1982 1983 1984

1985

1982 1983 1984 1985 1982 1983 1984

6

2320 2 735 2639 3039

5

1982 1192 33 884 25 771 620 113 309 9 234 75 - — 2 58 — — 154 3 1 3 — 1983 1299 36 954 27 929 775 25 345 10 337 8 3 — 2 1984 1 425 40 1 090 31 1090 907 — 335 10 335 — - — 0 27 1 1985 I 1503 I 42 I 1150 32 | 1150, 912 — 353 10 353 — — Angaben 1982/83: Dt. Städtetag (Hrsg.). Statistisches Jahrbuch deutscher Gemeinden. 71. Jg. 1984. S. 320 ff. 1984/85: Dt. Städtetag (Hrsg.). Statistisches Jahrbuch deutscher Gemeinden. 73. Jg. 19B6, S. 260 ff.

Schwabach

Memmingen

Ansbach

Kaufbeuren

4

3888 69 2824 50 2 710 48 3060 54

3

2306 44 1 746 1481 560 503 10 376 127 0 — 41 106 46 1 976 38 1 976 1 632 3 429 8 421 8 1 — 37 72 52 2191 42 2191 1722 - 500 10 499 1

81 63 57 64

2

Hilfe in besonderen Lebenslagen

27

36

Hilfe z. Ausbil- Vorbeu- Kran- Hilfe für EinglieHilfe Hilfe zur Hilfe zur Alten- Hilfe in Ausgaben DM Einnchtungen in außer- Hufbauo. dungs- gende kenwer- derungszur Weiter- Clberwin- hilfe anderen (netto) je EinDM halb in Siehehilfe Gesundhilfe dende hilfe für Pflege führung dung bebesonEinw. dar rich laufende " insges. je von rung d. heitsMütter u. Behindes sonderer deren zus. Lej_ tungen Einw. Lebenshilfe Wöchderte Haus- sozialer Lebensstungen flrundnerinnen halts Schwielagen Einrichtungen 'age rigkeiten

außerhalb von

Hilfe zum Lebensunterhalt

DM insges. je Einw. Einw.

3484 80 3027 71 3123 74 3436 81 4107 96 3889 92 4357 103

3200 2632 2776 3057 2326 2420 2475

4131

1985

1982 1983 1984 1985 1982 1983 1984

4300 3599 3849 4460 3541 3415 3789

5039

1982 1983 1984 1985 1982 1983 1984

1985

Weiden i d. Opf. 1982 1983 1984 1985 Straubing 1982 1983 1984

Amberg

Coburg

Schweinfurt

Passau

4920 4386 4388

3047

1985

Rosenheim

1982 1983 1984

53 2408 2691

2809 1983 1984

1982

Hof

4584 3529 3227 3587

1982 1983 1984 1985

1

DM insges. je

Landshut

Kreisfreie Stadt

"°ί

φΓυ

Ausgaben

Bruttoausgaben der örtlichen Träger der Sozialhilfe Bayerns nach Hilfeart und Hilfeform 1982-1985

Tabelle IUI

Anhang 301

1982

1983

63568

1985

1982 1983 1984 1985

1982 1983 1984 1985

Kempten (Allg.)

55 54 65 76 77 58 59 68

67

5035 61 59 73 50 55 61

45

43

3244

67 62 67 82

158

3

4

4071 2724 2981 3685

71 48 52 65

93

76 72 81

140

62 62 73 90 107 96 112

120

76 90 102

5

3326 3161 3895 4731 4721 3394 3489 4008

4929

50 4905 4766 6025 3579 4035 4467

3271

32 3190

33

2514 3155 3895 4731 2976 3394 3516 4008

4929

2985 4844 4753 6025 3012 3980 4467

3 271

2 844 3190

4689 5956 6765 8440

17640

12195 15159 17938 21996 10583 12606 14378

56086

31129 41648 47885

118029

78333 90435 102979

6

8

12

13

1 839 2096 2352 3061

14

15

16

17

18

^^'tSn^

19

ni?

21

^

22

23

1 618 1 870 2078 2678

24

^jj" ^^^

3059

27

7424

16

9297 7756 7097 15

33710 5656 1307 7399

^

0

6773

21

4781

19818

746

644

561

307

2561

0 1 463

3208 59 — 89 30

53611 115

0

2269

18

2 275

6

1 —

8

503

6

171

1397

12



120 —

44 18

1264

13

1223 1188 12 1 264

*— 1188 —

— 0 — —

151 1 — 0 100

185 112 0

243

741 15 0 213

8 —

1171

13

1168

3

4 —

1

158

2 47

179 —

3057 131 —

3455

30 3052

950 — —

_

4

461 16 766 19 5 8 4 189 7 59 731 58 4 2 169 2 95 606 2 3 5 _ _ 1 2 0 6 6 127 682

1 392 838 15 441 397 1 9 259 9 558 3 7 621 11 587 34 169 2 59 386 4 8 636 11 653 2 — — — 183 — 122 325 5 — — 1 18 642 11 639 3_ ^ 156 0_ 85 392 7_ 0_

-

17

35

30

57 9008

47

8 —

4803

0 1

2686 47 2180 38 2427 42 0 3165 56

3 728 62 2 3570 60 2 3 584 60 3 2

4 505

53

76

61

70

15412 123 6047

4508 45 6 49 — 4528 46 3 51 — 4455 45 406 2 56 5904 3269 36 3577 40 6 4095 45

129 714 17 — 733

-

2490 1 476 11 1129 347 7 36 389 20 60 589 45 40 273 16 1811 14 1 629 182 — — 9 322 8 234 776 46 40 360 15 6502 50 8 1 946 15 1 946 - — — 0 204 5 318 944 54 18 388 16 7401 1 2207 17 2206 1 0 213 5 446 989 86 8 433 26

99

108419 109099 84 125077

31 78 274 3828 89 — 2602 65 2238 65 28 35612 74 9 103 3071 79 841 2999 54 502 65 34 40320 85 2818 3 1119 2975 39 — 116 28 44339 94

39 — 19

4861 1696 1 — 0

2237

25 14 —

4436 6060 6965 132

31473 19 16

2132 812 588 8 480 108 2 5 167 25 386 3 0 2516 36 2736 6 696 10 677 19 6 3 117 4 81 489 0 0 0 2 843 40 3282 — 738 10 738 — 0 — 2 142 2 104 485 - — 3 1 3532 49 3890 — 714 10 714 — 3 — 4 141 2 27 533 — — 0 5 4146 58 2588 1 745 765 11 546 219 4 4 307 11 387 2 - 49 0 3555 50 2974 0 710 10 683 27 — 0 219 5 1 414 1 — 65 4 3063 43 3087 28 668 9 658 10 190 0 1 402 2 - 68 4 3141 45 3419 — 742 11 740 2 — — — 199 1 22 442 3 — 71 5 3426 49

4017

20

J^t^n

2648 11 1707 941 4 4 46 602 53 89 1 554 2 100 192 12605 51 20 3476 14 2996 480 9 — 12 960 21 238 1 956 2 — 46 233 14599 59 12 3367 14 3136 232 0 — 12 1088 9 130 1 890 7 - 41 189 17244 70 38 3624 15 3377 247 3 — 12 1004 14 236 2064 8 — 41 242 21152 87 3507 1 712 13 1 367 345 0 5 97 488 25 — 940 114 - 31 12 10409 79 83 2016 15 1 868 148 1 0 26 540 12 107 1163 128 5 26 8 10973 83 0 2237 17 2230 7 3 — 15 602 4 176 1 253 133 9 34 8 12605 98

57

69

95



1^3 —

11

i^J ι?'' ^rSe^

1457 1642 16 569 1073 1 3 36 436 24 — 1001 0 68 72 — 4177 61 1186 12 1 000 186 3 — 3 377 12 301 435 1 3990 14 1006 10 989 17 0 4 279 0 262 405 1 4917 1128 12 1128 5 332 1 325 2504 567 960 11 807 153 — 27 4 200 5 — 707 — — 9 7 3383 55 978 11 933 45 — — 1 125 2 17 826 0 — 7 0 3815 1063 12 1051 12 2 1 157 2 53 843

2574

-

8

10

^ (te

19527 36934 29 22575 14359 20 89 326 11699 300 488 20954 520 1878 325 334 1 852 35794 28 26254 9540 54 1 73 9450 165 1 970 21130 571 1432 558 391 75 29824 23 28840 1 002 28 - 20 6982 32 2401 17332 722 1 308 425 592 107751

9

^ ^

3692 4867 291 5493 6541

13140

9643 12227 14392 17127 8145 9743 11187

41581

20673 31879 36089

93306

63767 74857 86661

2 630

7

&S?i!inaen^

3166 2727 818 1 296 22 728 568 3447 2989 165 1 053 18 809 244 3750 3199 - 885 15 878 9 4633 3829 27 1 026 17 1 026

3232 56 2103 37 2345 41 3043 54

79

67 61

47 44 54 66 67 48 50 57

54

3578 50 48 62 39 45 49

31

3244

7179 56 6247 48 6774 52 8440 65

17640

15254 15179 17949 22035 14090 12689 14378

56144

36786 42955 47955

118124

97860 92287 103054

^ ^

5280 88 3984 4666 78 3613 4 635 78 3 750 63 5686 96 4660

3914 3857 4632 5445 5486 4104 4157 4750

6100

1982 1983 1984 1985 1982 1983 1984 1985

1985

4535

67 6091 5772 7153 4539 5012 5530

6676 1983 1984 1985 1982 1983 1984

1985

4467 44 1984 4 377

8656 8058 8720 10647

19909

1985

1982 1983 1984 1985

17903 72 18656 76 21317 87 25658 105 15802 119 14705 111 16615 130

1982 1983 1984 1985 1982 1983 1984

136

46083 96 50711 106 55052 117

1982 1983 1984

120

151834

2

1985

1

134793 105 128081 100 132896 104

1982 1983 1984

Aschaffenburg

Bamberg

Bayreuth

Ingolstadt

Fürth

9

Würzburg

Regensburg

Augsburg

Nürnberg

München

"°? ^

(brU

Bruttoausgaben der örtlichen Träger der Sozialhilfe Bayerns neh Hilfeart und Hilfeform 1982-1985

Tabelle UHI

84 85

302 Anhang

303

Anhang

Tabelle 12 Ausgabenzuwächse Brutto/Netto für Sozialhilfe insgesamt, HLU und HbL, Krankenhilfe und Hilfe zur Pflege bei den örtlichen Sozialhilfeträgern Bayerns 1982-1985 in % HbL

HLU

Ausgaben Örtl. Träger

lfde L.

außerh.

KrH

HzPfl.

DM je E

Netto

1. München

+ 12,7

+ 14,4

+ 15,4

+ 17,9

+ 20,7

+ 46,3

-

8,7

+ 39,4

- 42,1 -

2. Nürnberg

+ 37,9

+ 41,7

+ 50,5

+ 55,4

+ 52,6

+101,1

- 21,1

+ 66,8

- 33,1

- 23,2

3. Augsburg

+ 43,3

+ 45,8

+ 67,8

+ 70,6

+ 44,5

+ 77,6

+ 36,9

+ 97,8

+ 66,8

+ 32,8

4. Regensburg

+ 30,0

+ 32,8

- 26,4

- 20,3

+ 25,2

+ 61,3

+ 32,5

+ 66,4

+ 58,2

+ 43,5

5. Würzburg

+ 23,0

+ 22,4

+154,9

+161,7

+ 17,6

+ 77,2

+ 49,5

+ 95,4

+ 29,3

+137,2

6. Erlangen

- 21,3 - 10,0

+

+

9,4

- 15,3

+

+

0,7

+ 49,8

- 61,4

-

7. Fürth

+

8. Ingolstadt

5,1

DM je E insges.

ings.

Brutto

6,5

5,5

8,9

9,0

+ 31,0

+ 35,6

+ 19,7

+ 64,7

- 31,3

+ 98,2

- 23,8

- 59,4

+ 34,4

+ 38,5

+ 46,9

+ 47,2

+ 37,7

+ 60,4

+ 22,0

+ 44,7

- 21,0

+ 34,4

9. Bayreuth

+ 39,1

+ 38,2

+ 64,8

+ 61,1

+ 42,2

+ 82,5

+ 21,4

+ 48,8

- 15,6

+ 38,1

10. Bamberg

- 13,4

- 11,7 -

-

2,0

- 15,1

+ 32,1

-

3,0

+ 35,5

- 35,2

+ 14,2

11. Aschaffenburg

+

7,7

+

9,1

+ 20,8

+ 22,6

+ 17,0

+ 40,4

- 20,8

+ 40,9

- 55,3 - 11,0

12. Kempten

-

9,5

-

8,5

+ 17,8

+ 19,1

-

5,8

+ 65,5

- 23,4

+ 44,9

- 39,7 - 29,7

13. Landshut

- 21,7

- 21,0

-

-

2,0

- 21,3

+ 28,4

- 24,3 -

14. Hof

+

8,5

+ 11,3

+ 23,2

+ 25,7

+ 10,9

+ 30,1

-

2,8

+ 29,8

-

15. Rosenheim

+

2,4

+

1,1

+ 18,5

+ 17,2

+

6,4

+ 34,5

- 14,0

+ 54,2

- 54,9

+

16. Passau

+

3,7

+

1,2

+ 18,7

+ 16,7

+

1,2

+ 49,6

+ 18,7

+ 31,4

+ 17,4

+ 18,8

17. Schweinfurt

+ 16,7

+ 19,1

+ 28,5

+ 30,4

+ 16,6

+ 41,9

+ 17,4

+ 60,2

- 37,6

+ 15,7

18. Coburg

-

-

+

8,5

+ 11,4

-

6,1

+ 35,2

+

7,3

+ 41,1

+

7,1

+ 17,6

19. Amberg

+ 19,5

+ 20,8

+ 32,7

+ 35,0

+ 22,9

+ 75,5

+

8,8

+ 39,7

- 18,0

+ 19,8

20. Weiden

-

+

+

+

-

+

+

7,6

+ 45,5

- 37,4

+ 48,5

21. Straubing

+ 27,9

22. Kaufbeuren

-

23. Ansbach

- 12,3 - 11,2

-

24. Memmingen

+ 62,0

+ 64,1

+144,8

25. Schwabach

+394,8

+439,4

1

2

Spalte

7,1

4,5

1,4

+

1,4

1,3

+ 31,3

8,8 -

9,2

3,6

1,3

3,3

5,9

4,2

3,1

8,2

- 64,5

-

4,9

3,8 -

9,9 5,3

+ 35,4

+ 38,2

+ 25,8

+ 42,3

+ 44,7

+ 89,1

- 42,2

+ 69,8

+ 15,6

+ 16,7

- 12,1

+ 33,6

+

+ 28,9

+500,0

+ 11,0

-

6,7

+ 27,8

- 23,8

-

2,1

- 62,2

- 15,5

+136,4

+ 59,9

+113,3

+ 73,4

+108,1

- 39,2

+

- 18,2

- 10,0

+467,6

+471,1

+184,8

+266,7

- 58,6

+ 97,4

3

4

5

6

7

8

9

10

7,9 -

6,3

7,7

1,7

Hiif^

3

6

10

1972 12

14

17

1975 19

1976

1977

1978

1979

1980

1982

1983

1984

1985

907755

756908

808251

695608

793585

600607

739130

587135

663249

512620

678424

422200

688397

21

439629

712048

20

446432

686061

18

462426

663071

16*

432629

627374

15

1974

394312

578943

13

1973

348713

541562

11

311120

509037

9

288272

501921

8

1971

Empfänger 1970

268527

495883

7

1969

250091

513143

5

1968

256099

527457

4

1967

270462

486852

287975

2

1966

126409

124235

182341

206567

388908

1 793

116333

180681

198869

1 403

118018

186016

197887

99893

634

6105

101520

214869

225173

6266 502

102508

231317

245118

5004 357

106370

253426

267578

350

5197

99517

273949

289605

104839

281944

299278

112375

284320

315353

599673

1 292

110846

273095

304456

577551

1 818

111093

269320

298011

567331

2154

113189

265961

284099

550060

1 971

122680

121230

129816

328224

350211

132983

1428

2 353 4240 5855

144868

389018

442709

831727

355816

418956

774772

1 215 678435

1 515

311795

360560

672355

1 420

295853

320597

616450

2255

5 723

2 339 5874 5572

2342 1240 6625

3495 1565 7777

3389 1312 9161

3491 1150 10526

3676 1385 10520

4344 1513

11919

4 775

1 792

490

5120 11572

581222

1 209

14215

563554

3169

12303

521004

2375

11969

476435

2424

10174

440042

1 856

203274

205870

573 9560

6052

409144

1 724

8213

465

6016

383903

6919

524

5980

379550

1 782

6120

603

5959

') Innerhalb und/oder außerhalb von Anstalten: ohne Empfänger von nur einmaliger Hilfe zum Lebensunterhalt, von Hille für NichtseBhafte und pauschalen Hilfeleistungen: Personen, denen Hilfen verschiedener Art gewahrt wurden, sind bei jeder Hilleart gezählt. — ') Ab 1.7.1970 einschl. Empfänger nach dem Landesblindengeldgesetz.

123996

190612

174127

164901

Sozialhilfe der überörtlichenTräger 122926 |

Kreise

210436

401048

188729

2499

362856

5881

5614

347

5390

Kreisfreie Städte 180520

7769

sonstigeHilfe

5202

534

4520

Sozialhilfe der örtlichen Träger 345421 davon

4910

397

3Θ66

Altenhilfe

Hilfe für Gefährdete

des Haushalts

Hilfe in besonderen Lebenslagen 298301 304577 318378 322222 318484 329609 325098 341583 360224 373737 373338 357456 356559 350496 346293 349260 334883 321980 326505 353736 384644 und zwar Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage 276 627 158 140 134 116 106 97 63 80 95 117 82 208 204 231 147 160 131 377 221 Ausbildungshilfe 7782 8200 7971 9428 10157 10403 10504 13349 16173 15907 14434 11991 9312 9148 7093 6207 2703 — — — — Vorbeugende Gesundheitshilfe 40977 44883 47158 46120 46133 43179 42306 37796 36927 34795 33281 26429 25517 23585 22011 20266 11575 7620 10112 9544 10346 Krankenhilfe 107395 111060 120219 124429 115764 122677 128156 136630 144624 151069 154357 143919 135321 131550 127725 130760 110184 103510 104027 126057 144387 Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen 951 963 1 279 1160 1 005 1192 1 233 1 216 1 321 1345 1 328 1 260 1 317 1 739 1 464 1 537 1 646 1 305 1 615 2115 2418 Eingliederungshilfe für Behinderte 26896 27565 29320 30542 30929 36032 38374 43136 46724 47918 37836 39195 43862 45283 47178 47485 53977 54970 61249 62839 62504 Tuberkulosehilfe 32275 28507 27918 24719 23315 20897 18517 17260 15222 13774 11251 9651 8606 7444 6136 5429 1 888 1 005 1 055 778 1 016 Blindenhilfe 2) 16277 16683 16798 15814 16203 17539 _ _ _ _ _ Hilfe zur Pflege 65018 67790 71415 74404 74338 81474 89202 96011 102813 114621 126972 132537 138492 138877 142038 147120 151947 150120 146073 149986 160777 Hilfe zur Weiterführung

Lebensunterhalt 243811

258592

468347

Sozialhilfe insgesamt'

Laufende Hilfe zum

1

1965

Spalte

Träger der Sozialhilfe

Tabelle 13

Empfänger von Sozialhilfe nach Hilfearten und Hilfeformen 1985-1986 in Nordrhein-Westfalen

976595

19Θ6

304 Anhang

20 Hofmann-Hœppel 1970

a b

a

10

6

-

2

-



5 5

2

-

4 —

: SSJ^'^

-

7

2547 1206

4 4



1986

60 - 65»

8

3 —

4

77 40

23

-

6090 1 849

3360

37671 26478

8

4844 3050



75 30

3522 3893

-

25128 16648

773

1975

1980

1970

6

1975

-

_ 4

1

_ —

642 365

—-

_

1 996 1 996

— -

_

1980

_ —



— _

70496 58414

4578 2939

_ —

_

_ —







26 5

_



1 385

— _

_

1 938 1114



_

32589 28071

5588 4698

—· -

13 17

1970

307 1637

1986

2021 3671

— -

19 9

150176 146024 121936 120604

6667 2222 1 586 4021 1535



— _

1 339 2100 724 1 073



— _

48195 39261

288 3589 1 253 252

15442 17262 16936 4155 11771 13424 13721 2869 1127 1127

204110 159471

10 13

152181 114926

— -

13

1 712 1 524 1470 3134 1 660 1 379

42592 1 586 956

1 327

1 035 1 035

85962 43027

3594 3258

9

—· -

48879 33030

1986

>65

56564 41385

157 67

39624 29023

116 4 -

181 80

40266 28396

1 24

1 026 1 026

52682 31579



12334 9901



418 418

45052 31172

4129 5183

13 —

6545 4 846

405 405

13706 6888

6 13

293 293

1970

232403 446827 136018 244846

—· 519 638 218 294 8

33 16

184331 117223

1 065 450 5456 560 241

3641

166 166

5

-

3

10

ΐΐ Pau8Cha,en Hilfeleistungen.

12

13

14

11

17

5486

13

85

Ιίοο

5

16

299

5205

23 5

15

^90 568

1894

865 3 727 432

769

1196

253 627

400

655

409 825

18

*91

319 819

162

194

N,cht8eBha,te und

9

2Θ4

275

40 208 76 98

8

89

141

5 14

67

25

-

16

^Lebensunterhalt, Η",β

437

-

34

-

198 93

1110

-

33 18

538

1

b

-

Pe^^'den^Meve"sch!ed!ww Art"gw»rt X^s^

Spalte

Sonstige Hilfe

3291 1 547

34976 3516 4712 7612 10385 16851 1781 2627 3909

5707 2722

14 10

8713 12206 3 721 4550 6937 2061 -

4 1

133018 88408

30

18

143

4030

21

19

298

142 9

5239 2447 946 30 1 568 1 086 452 21 9749 5158 3165 878 1 670 855 447 44 2332 1 652 2598 1 218 474 16 746 528 238 10 4753 2433 1140 200 652 386 219 11 107 4037 7741 8400 6743 2855 4719 5179 4 726 27733 31126 35442 37832 7095 8641 18056 17010 39754 74745 80043 94466 b 1713 3356 3693 3079 1169 2105 2320 2100 14320 15579 17509 17845 4181 5133 11399 10402 29780 57141 64175 77424 a 2872 1 547 534 240 351 412 126 57 1870 1 625 1 054 642 162 197 425 297 1363 749 258 127 140 172 63 33 96 72 308 86 111 146 354

b

41g

— —

— _

—· 1 357 -

_

102399 53597

1980

21 - 60 Jahre 1975

58786 29642

8011 13342 11030 4240 5818 3065 4908 4125 1 676 2276 2375

4040

22

8539 3493

a

besonderersoz. 9 a Schwierigkeiten b -

Hilfe zur Weiterführung des Haushalts b

Sonstige a Tuberkulosehilfe b Hilfe zur Pflege a

mit Schul- und a Berufsausbildung

rungshilfefür Behinderte

für Behinderte zur Schul-und Berufs-

— —

17853 16835 20941 b 8558 8318

a

Hilfe für werdende Mütter und a Wöchnerinnen b

12188 9568 5702

Krankenhilfe

—_

29051 20503 b 13246

_

Vorbeugende a Gesundheitshilfe

—_

1171 1590 2370 b 621 885

Ausbildungshilfe a

Aufbau oder Sicherung a der Lebensgrundlage b

62747 32021

a 80890 128341 129743 210224 13948 34016 42738 93302 67049 121903 161867 367118 20165 20246 29502 30986 68039 89806 58350 55278 39963 63776 64463 103497 7263 18026 22229 49788 52279 84490 103174 211041 15096 15306 22807 22167 53563 70733 47976 46374 a 71845 61981 57566 58072 27416 34025 24157 23997 90200 96436 117378 171915 28511 28167 37147 24525 111637 152729 113012 106135 32764 28469 26241 26584 12783 16955 11550 11229 54695 57180 61863 80573 19768 20439 26690 15424 83762 120137 91927 87158

38743 18639

1966

14-21'

Laufende Hilfe zum Lebe&&rfi

02

5JL

·

3657633

05

05

·

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171,6



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83.582

060

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·

·

Tfi



105

6J6

057

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076

857,343

· ·

393027

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Ufi

252,4

106.281 -

03

*

·_

-1,319

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1^2

105

;0J

103139 —

6,74

084

925,573

186286623

40478780

71847258

848,82

14

186364091

1100390906

75640 4.200

948,414

-24.3

161.6

·

2644.7 ·

-

1406

97887 13.400

946.263

176.7 2670,1

_J_ 87

30116486

72233263

215.7

2778,0

208.3 1038.628

96382 17.600

^

2914,9

-1.895

807.283

i'

·

^

210,5

3078.3

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887.040 ~

99955 5,500

·

213121206

3331.0

125200

1111,623

^

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2431876024

~

8860684

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1716583

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1068,523

1833.5

3925207

Γ

2313285109

334909400

187853715

1210457485

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152.4

7463977

·

2279404941

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322214496

^

61883542

909.26 _

14141245

1602198714~

193519199

1814,1

-12,149

997.569

·

;

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793,374

173.9

888.87

1148641400

151603

98768 35.000

1 739,0

733,562

·

·

2165040802

-23105

346179470

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154.7

-

·

·

2037730989

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304259426

1674.3

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-6.500

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19£_

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109

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85537688 998829414

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·

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1436385705 1 517692693 1 584177926"

165144746

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11

1 576.1

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67

TM

705,047

221,9

12.9

1540,3

816139

31472531

·

·_

2041151195

-33808

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160.0 1602

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2589,9

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182610386 —

— 157

685,152 14j9

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·

-17799

184.3

12j4

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100

31797486 1 475.3 ?J

6,498

138.4

7J

1870029081 · ·

9J

750,01

10

" _ 8,23

10.31

1988

1417803635 1 381162212

216217952

Sfi

1^0

2455,2

00

176,2

1^4

687,246

309

·

10?

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1 429.6

40953561

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·

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05

182009648

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8J

940332408

24502103

92148768

7J8

9 725,94

9,96 ~

8

09

1836971224

6.700

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801.899

87

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406

38,350 2419,4

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*

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12j

129,7 131J

·

·

602.707

27J

204

1390,4

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09

1760514219 ·

05

-14337

173806048

77

173,7 198J

055

78.434 28.200

4^1

003

785.867

405 -700

136,5

· *

62869423 842462805

Sfi

11,857 2315,1

4^8

081

7

19β4 19β5 1986 1987

687,75

1199302437 1 313044704 1 337160229

Λ8

565.864

24A

02

1 322.8

58636160

40532647

'

;

1696315435

6

79265565

048 Ol

-54063

125,4 1305 3.356

106.9 1203

·

Tfi 04

147575270

7^

1143749713

00_

2374.2

·

;

5J

03

133882531

115,0 1409

551.666

6J

Λ2

1233.4

54125023

301

7J

16,275

2179.2

Tfi

02

1662869531

00

1127900511

74206846 805913176 5J

02

57_

118738316

02

03

773718847

0?3

84969797

4^5

051

5 654.98

13780491

378

5J7

61348415

9^0 1103

769.912

4^3

95J

(U

139,9

;

92^

817

Tfi

1138.9

71539960

34042241

;

;

1572353411

;

1047

04

4

1979 1950 1981 1982 1963

589,62

63286709

065

5fiT

!E§

46265069

-26012

·

2004,5

Auftr.-ko.-pausch. (10«)

8Λ>

·

VerwHh, Ausg. (10«)

freie Spitze (10«) 18.087

Auftr.-ko.-pausch. (10«)

Netto (%) SchlüsselZ/

SH Anteil Brutto (%)

488.353

22j2

304

freie Spitze (10«)

VerwHh. Ausg. (10»)

02

6,2

101764109

00

096

155,9

05

04

1067.7

8246542

Auftrko.-pausch. (10«)

Netto (%) SchlüsselZ/

SH Anteil Brutto (%)

VerwHh. Ausg. (10»)

freie Spitze

44336387

;

1470446552

*

SchlüsselZ/

16008731

118134714

04



-33350

113804585

57



Netto (%)

Auftragsko.-pauschale

087

^38

711307175

02

02

3

!®ZZ

511.00

49843632

4J7

5,63

2

974203863 1 057783787

SH Anteil Brutto (%)

VerwHh. Ausgaben

freie Spitze

Auftragsko.-pauschale

SchlüsselZ/

Netto (%)

SH Anteil Brutto (%)

VerwHh. Ausgaben

freie Spitze

111001818

Netto (%) SchlüsselZ/

Auftragsko.-pauschale

67

SH Anteil Brutto (%)

601201076

13354618

freie Spitze

VerwHh. Ausgaben

54332020

Auftragsko.-pauschale

4^0

5^93

4J5

SH Anteil Brutto (%)

Schlüsselz/

543.29

27795618

12ZË 12ZË

1

VerwHh. Ausg. (10')

Spa"«

* keine Angaben — keine verfügbare freie Spitze

Wuppertal

Köln

Gelsenkirchen

Essen

Düsseldorf

Duisburg

Bochum

Bielefeld

Ausgaben des Verwaltungshaushalts, Brutto-/Nettoanteil Sozialhilfeausgaben/Auftragskostenpauschale und „freie Spitze" bei kreisfreien Städten Nordrhein Westfalens 1975-1988

Anhang 315

316

Anhang Schaubild 1

SOZIALHILFEEMPFANGER NACH

HILFEARTEN

Mill

3 5

Laufende Hilfe zum Lebens unterhalt

H i l f · in beson deren Lebens legen

1963" 65 67 69 71 73 76 77 79 81?) 83 2' 852» 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 t) EmtcM. d « Empfang« einmaliger Lautungen dar Hilf« tum Laban »unter halt 2) 0i« Erg«t>miM b«uh«n zum Teil auf einer Stichprobanarhaöung Smunteh«i Bundeiemt 88 0307

Anhang Schaubild 2

HAUSHALTE VON EMPFÄNGERN LAUFENDER HILFE ZUM LEBENSUNTERHALT AUSSERHALB VON EINRICHTUNGEN NACH HAUPTURSACHE DER HILFEGEWÄHRUNG 1986

Sonst»9· Ursachen

T o d des Ernährers Ausfall des Ernährers

Unwirtschaft Itches Verhalten Unzu reichendes Erwerbsemkommen

Unzureichend« Versicherung* oder Versorgungsanspruch·

Arbeitslosigkeit

Sututitch·· Bundiumt 88 0310

318

Anhang Schaubild 3 Entwicklung der Sozialhilfe in Bayern von 1980 bis 1984 1980 a 100 Meßzahi

SOZIALHILFE INSGESAMT

Meßzahl

Hilfe zum Lebensunterhalt

Hilfe in besonderen Lebenslagen j

ι

Ausgaben

i I j

. Τ

ì ί

Ari

Empfänger i I

1980 860*3

1982

1984

j Bayeriscrxx Ljrvmamt Kit Stmt* uno Qjierveurtiitij«^.

Mörtlbauer, Franz; Die Sozialhilfe in Bayern von 1980 bis 1984, in Bayern in Zahlen, 40. Jg. 1986, S. 102 ff: S. 106.

319

Anhang Schaubild 4 Bruttoausgaben für Sozialhilfe 1987

S · Kr»i$frfit St*dt Κ « Kreit S

Essen

S

Krefeld

S

Mönchengladbach

S

Dortmund

S

Köln

S

Herne

S

Gelsenktrchen

S

(Dusseldorf

S

Hägen

S

Bochum

S

Duisburg

S

Aachen

S

Bielefeld

S

Wuppertal

Durchschnitt KreiM

Κ

Recklinghausen

S

Oberhausen

-r

S

Remscheid

S

Solingen

JL

S

M u l h e i m a d Ruhr

S

Bonn

1ΊΓ

Κ Ennepe Ruhr Kre»s Κ

Aachen

S

Munster

S

Bottrop

Κ

Unna

Κ

Erftkreis

S

Leverkusen

Κ

Viersen

Κ

Wesel

Κ

Düren

T "

•4JL. -f -T-

JL.

Κ Siegen Wittgenstein S

Hamm

Κ

Warendorf

Κ

Gütersloh

Κ Oberbergischer Kreis Κ

Paderborn

Κ

M i n d e n Lübbecke

Κ

Herford

Κ Soest Κ Markischer Kreis Κ

Mettmann

Κ

Neuss

Κ

Kleve

Κ

Euskirchen

Κ

Borken

Κ

Lippe

Κ

Steinfurt

Κ

Rhein Sieg-Kreis

Κ

Coesfeld

Κ

Hochsauerlandkreis

Κ

Rhein Berg Kreis

Κ

Höxter

Κ

Olpe

Κ

Heinsberg DM j · Einwohner

—T*~ 100

Durchschnitt krfr S t ä d t e

320

Anhang Schaubild 5 Korrelation Bruttoanteil Sozialhilfeausgaben an Angaben des Verwaltungshaushalts und „freier Spitze" für Bielefeld, Essen, Duisburg und Gelsenkirchen

Literaturverzeichnis * Albers, Willi: Grundsätze der Aufgabenverteilung, in: Kitterer, Wolfgang (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, Schriftenreihe des Lorenz-von-Stein-Instituts für Verwaltungswissenschaften Kiel, Bd. 11, Heidelberg 1990, S. 1 ff. Angele, Gebhard: Obdachlosigkeit — Herausforderung an Pädagogik, Soziologie und Politik, Weinheim 1989. Balsen / Nakielski l Rössel / Winkel: Die neue Armut, Ausgrenzung von Arbeitslosen aus der Arbeitslosenunterstützung, Köln 1984. Bauer, Martin /Hub, Günter: Kommunale Abgaben in Bayern, Studienschriften zur öffentlichen Verwaltung, Bd. 7, 1. Aufl., München 1983. Baumüller, Peter: Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG als Grundrecht des status negativus. Neue Perspektiven für die Bewältigung des Asylantenproblems, N V w Z 1982, 222. Bechtel, Godelinde: Selbstverwaltung und Auftragsverwaltung im Wohlfahrtswesen, Diss. jur. Göttingen 1962. Becker, Friedrich / Braasch, Dietrich: Recht der ausländischen Arbeitnehmer. Eine systematische Darstellung, 3. Aufl., Neuwied und Darmstadt 1986. Berkenhoff, 1965.

Hans-Albert: Kommunalverfassungsrecht in Nordrhein-Westfalen, Siegburg

Beitz, Wolfgang G. / Wollenschläger, Michael (Hrsg.): Handbuch des Asylrechts unter Einschluß des Rechts der Kontingentflüchtlinge. Bd. 1 (Grundlagen), Baden-Baden 1980; Bd. 2 (Verfahren, Rechtsstellung Reformen), Baden-Baden 1981. Bethäuser, Franz: Zur Gewährung von Sozialhilfe in Form von Sachleistungen an Asylbewerber, InfAuslR 1982, 74. Bleckmann, Albert: Haben die Gemeinden gegen den Bund aus Art. 106 Abs. 8 GG einen Rechtsanspruch auf den Ausgleich der Lasten, die ihnen durch vom Bund geförderte oder getragene Forschungsngseinrichtungen entstehen?, DVB1 1970, 913. Bliimel, Willi: Festsetzung von Lärmschutzbereichen und gemeindlicher Selbstverwaltungsgarantie, VerwArch 73 (1982), 329 ff. — Das verfassungsrechtliche Verhältnis der kreisangehörigen Gemeinden zu den Kreisen, VerwArch 75 (1984), 197 ff. Bötticher-Meyners, Susanne: Die Sozialhilfekostenbelastung kommunaler Haushalte in ausgewählten Bundesländern, in: Kitterer, Wolfgang (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, Schriftenreihe des Lorenz-von-Stein-Instituts für Verwaltungswissenschaften Kiel, Bd. 11, Heidelberg 1990, S. 101 ff. Bohley, Erich / Foohs, Ludwig: Handbuch des gemeindlichen Steuerrechts, Teil 1 (Das bayerische Gemeindeabgabenrecht), 84. Ergänzungslieferung, München 1986. * aufgenommen wurde nur mehrfach zitierte Literatur. 21 Hofmann-Hoeppel

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Stichwortverzeichnis Albrecht-Initiative 28 Fn. 55 Arbeitserlaubnis 252 ff.; 264 ff. — allgemein 252 ff.; 264 ff. — Verhältnis zu Sozialhilfebezug 255 ff. Arbeitslosenansatz 164 ff. Arbeitslosigkeit — allgemein 40 — als Faktor steigender Sozialhilfebelastung 46 ff.; 167 ff.; 68 — als Bedarfselement im NWGFG 169 ff. Asylbewerber — allgemein 183 ff. — Bezug von — Arbeitslosengeld, -hilfe 203 — Erziehungsgeld 205 f. — Kindergeld 204 f. — Sozialhilfe 217 ff. — , »kleines" Asyl 247 — Unterbringung: siehe dort — Verteilung: siehe dort Aufenthalt von Ausländern 249 ff. — Aufenthaltsermöglichung nach § 10 AsylVfG 249 — Aufenthaltserlaubnis 250 ff. — Duldung 250 ff. Aufgabearten — Selbstverwaltungsaufgaben: siehe dort — Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung 113 — siehe auch Kommunale Ausgabearten Aufgabenbereich — der Gemeinden 215 ff. — der Bezirke 217 ff. Ausländer 242 ff. — de-facto-Flüchtlinge 243 ff.; 257 ff. — geduldete 261 ff. — siehe Flüchtlinge Bezirk — Finanzhoheit 270 ff. — Selbstverwaltungsgarantie 28; 37; 268 ff.

— Sozialhilfe als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises 37; 266 ff. Bezirksumlage 278 ff. Β SHG-Vollzug — Aufstockungsgesetzgebung 30 — Auswahlermessen 96; 98 — Grundannahmen 29 — Grundsicherung 31 — Heranziehung der örtlichen Träger 194 ff. — Nachrangprinzip: siehe dort — Reduktionsgesetzgebung 29 f. — Regelungsintensität 97 ff. — rechtliche Qualifizierung 26 f.; 33; 86 ff. — statistische Entwicklung: siehe dort — Wandel der Gewährung 31 Europäisches Fürsorgeabkommen 200 Finanzielle Leistungen an Gemeinden und Gemeindeverbände 70 ff. — Bayern 74 — Flächenländer insgesamt 71 f. — Schlüsselzuweisungen 74 f. — Soziallastenansatz 152 ff. — Nordrhein-Westfalen 74 f. Finanzverfassung — Finanzhilfekompetenz des Bundes (Art. 104 a Abs. 4 GG) 143 ff. — Finanzverantwortung — des Bundes 145 ff. — der Länder 142 ff. — Große Finanzreform 141 ff. — Sonderlastenausgleich (Art. 106 Abs. 8 GG) 145 Flüchtlinge — de-facto- 243; 257 ff. — de-jure- 244; 261 — Kontingent- 244 — Konventions- 244

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Stichwortverzeichnis Föderaler Staatsaufbau 139 ff. — Aufgabenstruktur 139 ff. — Ausgabenverantwortung 125 ff.; 130 ff. „Freie Spitze" 85 Grundrecht auf Asyl 213 ff. — leistungsrechtliche Komponente 213 ff.; 245 ff. — verwaltetes Grundrecht 214 f. Haushaltsbegleitgesetz 1984 199 Haushaltsstrukturgesetz 1981 198 kommunale Ausgabearten — allgemein 76 f. — Bayern 77 ff. — kreisfreie Gemeinden 77 — Nordrhein-Westfalen 83 ff. — Sozialhilfeaufwendungen — kreisfreie Gemeinden Bayern 79 — kreisfreie Gemeinden NordrheinWestfalen 84 kommunale Finanzhoheit 118 ff. — allgemein 118 ff. — angemessene Finanzausstattung 134 f. — aufgabenadäquate Finanzausstattung 134 — Einnahmen-/Ausgabenhoheit 130 ff. — finanzielle Mindestausstattung 133 ff. — Korrelat kommunaler Selbstverwaltung 119 ff. — Steuerfindungsrecht 131 f. — vollzugsdeckende Ausstattung 136 f. kommunalpolitische Grundsatzprogramme der — kommunalen Spitzenverbände 18 f. — politischen Parteien 18 Fn. 14 Konnexitätsprinzip 148 ff. — allgemein 148 ff. — Anwendung im Verhältnis — Bund-Länder 149 — Länder-Gemeinden 149 f. — Anknüpfung an Verwaltungszuständigkeit 150 „Krise" kommunaler Selbstverwaltung 22 Fn. 29; 29 „Lokalarmenpolizei" 89

Mittelerschließungsgebot 121 ff. — Inhalt und Umfang 121 ff. — nach-bayerischem Landesrecht (Art. 83 Abs. 3 BV) 123 ff.; 275 ff. — nach nordrhein-westfälischem Landesrecht (Art. 78 Abs. 3 L V N W , § 3 Abs. 1 Satz 2 NWGO) 125 ff.; 128 ff. Nachrangprinzip 218 ff. — allgemein 218 ff. und Arbeitsverbot 222 ff. und Neufassung von § 120 BSHG 221 ff.; 276 ff. Non-refoulment 247 Notverordnung 1931 92 Objektivierte Berechnungsmethode 157 ff. Pflichtaufgaben (§ 3 Abs. NWGO) 125 ff.

1 Satz 2

Rastede-Entscheidung (BVerwG, BVerfG) 21 Reichsgrundsätze 1924 91; 197 f. Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht 1924 90 ff. Sammelunterkunft 207 ff. Selbstverwaltungsaufgaben — freiwillige 273 — Pflichtige — Bauleitplanung 100 ff. — nach bayerischem Landesrecht 106; 273 ff. — nach nordrhein-westfälischem Landesrecht 112 ff. Statistische Entwicklung des BSHG-Vollzugs 39 ff. — allgemein 39 ff. — Bruttoaufwand 45 ff. — Bayern 48 f.; 183 — Bundesrepublik 43 ff. — Nordrhein-Westfalen 59 ff. — Bruttoausgaben nach Trägergruppen 51 ff. — Bayern 55 ff.; 184 — Mittelfranken 184 ff. — Nordrhein-Westfalen 66 ff.

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trtverzeichnis

— Hilfeempfänger nach Altersstruktur 42 ff.; 62 — Bundesrepublik 42 f. — Nordrhein-Westfalen 62 — Hilfeempfänger nach Gesamtzahlen und Leistungsformen — Bayern 48 ff. — Bundesrepublik 41 f. — Nordrhein-Westfalen 59 ff. — Hilfeempfänger nach Geschlechtern — Bayern 50 — Bundesrepublik 42 — Nordrhein-Westfalen 61 f. — Hilfeempfänger nach Staatsangehörigkeit — Bayern 51 — Bundesrepublik 43 — Korrelation Bruttoaufwand/Leistungsempfänger — Bayern 51 ff. — Bundesrepublik 46 ff. — Nordrhein-Westfalen 63 ff. — Korrelation Bruttoaufwand/Leistungsempfänger nach Hilfearten und -formen — Bayern 51 ff. — Bundesrepublik 45 ff. — Nordrhein-Westfalen 60; 63 ff. Systemgerechtigkeit 163 ff.

Typengerechtigkeit 159 ff. Unterbringung von Asylbewerbern 189 ff. — als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft 215 ff.; 277 ff. — als staatliche Aufgabe 207 ff.; 273 ff. — dezentrale — 187 ff.; 193; 201 — Reichweite 226 ff. — H L U 228 ff. — Hilfe zur Pflege 238 — Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen 236 ff. — Krankenhilfe 235 f. — vorbeugende Gesundheitshilfe 234 f. Verteilung von Asylbewerbern 190 ff. — allgemein 190 ff. — länderübergreifend 189 — landesintern 192 ff. Verwaltungskosten 137 ff. Weinheimer Entwurf (einer Gemeindeordnung) 18 Fn. 10; 112; 129 Zweckkosten 137 ff.