Der strafrechtliche Bildnisschutz: Die Ausgestaltung des § 201a StGB nach der Reformierung durch das 49. StÄG [1 ed.] 9783428556625, 9783428156627

Die Arbeit thematisiert die bereits seit über 100 Jahren andauernden Entwicklungen im Bereich des strafrechtlichen Bildn

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Der strafrechtliche Bildnisschutz: Die Ausgestaltung des § 201a StGB nach der Reformierung durch das 49. StÄG [1 ed.]
 9783428556625, 9783428156627

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Schriften zum Strafrecht Band 334

Der strafrechtliche Bildnisschutz Die Ausgestaltung des § 201 a StGB nach der Reformierung durch das 49. StÄG

Von

Rebecca Heiß

Duncker & Humblot · Berlin

REBECCA HEISS

Der strafrechtliche Bildnisschutz

Schriften zum Strafrecht Band 334

Der strafrechtliche Bildnisschutz Die Ausgestaltung des § 201 a StGB nach der Reformierung durch das 49. StÄG

Von

Rebecca Heiß

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D384 Alle Rechte vorbehalten © 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-15662-7 (Print) ISBN 978-3-428-55662-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85662-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2018 an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand von Januar 2018. Am 21. September 2018 fand die mündliche Prüfung in Form einer Disputation statt. Mein aufrichtiger und herzlichster Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Arnd Koch für die Anregung zu dem Thema und der exzellenten Betreuung während der Erstellung meiner Doktorarbeit. Er hat die Entstehung der Arbeit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und stand mir jederzeit mit Anregungen und Rat zur Seite. Herrn Prof. Dr. Johannes Kaspar danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Überdies danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Dr. Verena Dorn-Haag, Johannes Morelli und Daniel Ricker für zahlreiche anregende Diskussionen sowie die kollegiale Zusammenarbeit am Lehrstuhl. Ferner gilt mein besonderer Dank allen Personen, die weder Zeit noch Mühe gescheut haben, meine Arbeit Korrektur zu lesen – namentlich sind dies meine Eltern Anna-Elisabeth und Karl Heinz Heiß, Claudia Schneider, Dr. Heinrich Dageförde und Peter Fischer –, sowie meinen lieben Freunden für ihren unbedingten Rückhalt in dieser Zeit. Von ganzem Herzen möchte ich mich abschließend bei meiner Familie bedanken. Meine Eltern haben mich nicht nur während meines Studiums in jeder erdenklichen Weise unterstützt, sondern mir auch das Selbstvertrauen für dieses Projekt gegeben. Mein Bruder Dr. Rafael Heiß war mir immer ein Vorbild und Ansporn zugleich. Abschließend möchte ich mich besonders bei meinem Freund Julian Görtler für seine liebevolle Unterstützung während der gesamten Promotionszeit bedanken. Herzlichen Dank! Augsburg, im Oktober 2018

Rebecca Heiß

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Kapitel Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

25

A. Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG . . . . . . .

26

B. Reformvorschläge nach dem 49. StÄG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

C. Rechtliche Entwicklung bis zum 49. StÄG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Kapitel Notwendigkeit der Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG

45

A. Problem 1: Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

B. Problem 2: Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

3. Kapitel Der strafrechtliche Bildnisschutz

89

A. 15. Abschnitt des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

B. Handlungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

C. Problem 1: Die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellende Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 D. Problem 2: Anbieten oder Verschaffen von Nacktaufnahmen, die einen Minderjährigen abbilden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 E. Problem 3: Einordnung des Merkmals „unbefugt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 F. Problem 4: Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 G. Problem 5: Notwendigkeit einer Versuchsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 H. Änderungen innerhalb des § 205 StGB und § 374 StPO durch das 49. StÄG . . 186

8

Inhaltsübersicht 4. Kapitel Vereinbarkeit des § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

189

A. Problem 1: Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 B. Problem 2: § 201a Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Internetquellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Praktische Bedeutung des § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 22 23

1. Kapitel Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

25

A. Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG . . . I. Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates . . . . . . II. Anträge einzelner Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesetzesentwurf des Freistaats Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesetzesentwurf der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD . . . . . V. Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentliche Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschlussempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weiterer Gang des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Auswertung des Gesetzgebungsverfahrens zum 49. StÄG . . . . . . . . . . . . . . .

26 27 28 29 31 34 34 35 36 36

B. Reformvorschläge nach dem 49. StÄG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

C. Rechtliche Entwicklung bis zum 49. StÄG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kunsturhebergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Reformbemühungen von 1962 und der Alternativentwurf von 1971 . . III. 36. StÄG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 38 40 42

2. Kapitel Notwendigkeit der Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG

45

A. Problem 1: Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Fragmentarisches Strafrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit der Reformierung des § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 47

B. Problem 2: Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 50

10

Inhaltsverzeichnis II. Selbstschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 201a StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 201 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. §§ 184 b, 184 c StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 185 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stalking-Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 238 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewaltschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. § 323 c StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 323 c Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: § 323 c Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sonstiges konkurrierendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kunsturhebergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herstellen, Übertragen und Anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gebrauchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zugänglichmachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verschaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bundesdatenschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 44 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis von § 201a StGB zu den Normen des Bundesdatenschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag . . . . . . . . . . .

51 54 57 57 59 60 63 66 66 69 70 70 71 72 72 72 74 74 76 76 81 81 81 81 84 84 85

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Kapitel Der strafrechtliche Bildnisschutz

89

A. 15. Abschnitt des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 B. Handlungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herstellen einer Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Exkurs: Strafbarkeit des Beobachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übertragen einer Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gebrauchen einer Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betrachten einer Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90 90 91 93 96 97

Inhaltsverzeichnis

11

2. Fertigung eines Screenshots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugänglichmachen einer Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Posting“ und Versenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlinken, Teilen und Einbetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

100 102 102 103

C. Problem 1: Die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellende Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hilflosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hilflosigkeit i. S. v. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hilflose Lage i. S. v. § 221 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hilflosigkeit i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Schau stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 105 106 107 109 112 113

V.

D. Problem 2: Anbieten oder Verschaffen von Nacktaufnahmen, die einen Minderjährigen abbilden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bildaufnahmen unbekleideter Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nacktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenständlichkeit der Nacktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aktkunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verschaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufrufen von Bildern im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzung von Video-Streaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Thumbnails . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Download von Bilddateien aus dem Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Versand und Empfang von Aufnahmen im Rahmen des Phänomens des „Sextings“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gegen Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kryptographisches Geld – „Bitcoins“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nutzung von Internetforen und Filesharing-Netzwerken . . . . . . . . . . . . . 4. Kostenlose Internetportale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unentgeltlicher Eigengebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kommerzielle Aufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Auftragsfotografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128 130 132 132 134 137 138 138 139 140 141

E. Problem 3: Einordnung des Merkmals „unbefugt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 201a Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142 143 146 149

113 114 114 116 117 118 120 121 124 126 127

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Inhaltsverzeichnis IV. Exkurs: § 201a Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwilligungsfähigkeit eines Minderjährigen in die Herstellung und Verbreitung von Nacktaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwilligung der Eltern in die Herstellung und Verbreitung von Nacktaufnahmen ihres minderjährigen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtlicher Umgang mit einer elterlichen Einwilligung in Nacktaufnahmen des eigenen Kindes trotz Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 152 156

157 159

F. Problem 4: Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verstorbene als Aufnahmegegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Postmortaler Strafrechtsschutz im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Postmortaler Bildnisschutz durch § 22 S. 3 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Postmortaler Bildnisschutz durch § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bildaufnahmen während des Sterbeprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bildaufnahmen einer Leiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nutzung einer Bildaufnahme nach dem Tod der abgebildeten Person d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufnahmen von Körperteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufnahmen von Räumen und privaten Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Selbstaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Selbstaufnahmen und ihre rechtliche Bewertung durch § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB und § 201a Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstaufnahmen von Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160 160 161 162 164 164 165 166 168 171 172 173

G. Problem 5: Notwendigkeit einer Versuchsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auswirkungen einer hypothetischen Versuchsstrafbarkeit auf den strafrechtlichen Bildnisschutz durch § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit und Gebotenheit einer Versuchsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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174 175 176 177

179 181 184

H. Änderungen innerhalb des § 205 StGB und § 374 StPO durch das 49. StÄG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. § 205 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. § 374 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

4. Kapitel Vereinbarkeit des § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

189

A. Problem 1: Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Inhaltsverzeichnis I.

Räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegen Einblicke besonders geschützter Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegen Einblicke besonders geschützt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit des räumlichen Geltungsbereichs mit dem Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachlicher Geltungsbereich: „höchstpersönlicher Lebensbereich“ . . . . . . . . 1. Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansichten innerhalb der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektive Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Begriffsbestimmung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vereinbarkeit des sachlichen Geltungsbereichs mit dem Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Relevanz der Merkmale nach dem 49. StÄG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.Bedeutung des räumlichen Geltungsbereichs für § 201a StGB . . . . . . . . 2. Bedeutung des sachlichen Geltungsbereichs für § 201a StGB . . . . . . . . IV. § 201a Abs. 2 StGB: Ansehensgefährdende Bildaufnahmen . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Natur des § 201a Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit des § 201a Abs. 2 StGB mit dem Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Problem 2: § 201a Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Natur des § 201a Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen . . . . . . . . . . . . . . . a) Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Werkbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wissenschaft, Forschung oder Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 191 191 195 195 198 203 204 204 206 206 209 211 213 215 215 215 217 217 218 220 220 223 227 230 231 232 232 235 235 237 237 237 241 242 244 244

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Inhaltsverzeichnis bb) Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte . . . . . . . . . . . . d) Ähnliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Familien- und Elternrechte: Art. 6 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 6 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Art. 6 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Berufsfreiheit: Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nebenstrafrechtlich normierte Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . (1) § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

246 249 250 250 252 254 256 256 258 259

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Internetquellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Abkürzungsverzeichnis A. A./a. A. Abs. abge. AE a. F. AfP AG Anm. Art. Aufl. BayMG Bd. BDSG BeckRS BGB BGBl. BGH BGHSt BKA BR-Drucks. bspw. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzgl. bzw. CD CR DAV ders. dies. DRiZ EGMR EGStGB

anderer Ansicht Absatz abgekürzt Alternativentwurf eines Strafgesetzbuchs von 1971 alte Fassung Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Amtsgericht Anmerkung(en) Artikel Auflage Bayerisches Mediengesetz Band Bundesdatenschutzgesetz Elektronische Entscheidungsdatenbank bei beck-online Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundeskriminalamt Bundesrat-Drucksache beispielsweise Bundestag-Drucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise Compact Disc Zeitschrift Computer und Recht Deutscher Anwaltverein derselbe dieselbe Deutsche Richterzeitung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch

16 EL f. (ff.) FAZ Fn. FPR GA gem. GewSchG GG GRCh GRUR GRUR-Prax GRUR-RR h. M. Hrsg. Hs. IPRB i. S. d. i. S. v. i.V. m. JA jM JMStV JR jurisPR-ITR JuS JuSchG K&R Kap. KritV KUG LG LKW Ls. MDR MMR m.w. N. n. F. NJW NJW-RR Nr.

Abkürzungsverzeichnis Ergänzungslieferung folgende Seite(n) Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Familie Partnerschaft Recht Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß Gewaltschutzgesetz Grundgesetz Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungs-Report herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz IP-Rechtsberater im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter juris – Die Monatszeitschrift Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Juristische Rundschau juris Praxis Report IT-Recht Juristische Schulung Jugendschutzgesetz Kommunikation und Recht Kapitel Die Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Wissenschaft Kunsturhebergesetz Landgericht Lastkraftwagen Leitsatz Monatsschrift für Deutsches Recht MultiMedia und Recht mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue juristische Wochenschrift Neue juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Nummer

Abkürzungsverzeichnis NStZ NStZ-RR NVwZ NZA NZFam NZM OLG PKS Protokoll-Nr. RDG RG RGSt RGZ Rn. Rspr. S. SMS sog. Sp. st. StÄG StGB StGB-CH StGB-E StPO SZ u. a. UrhG USB Var. vgl. Vorb. WuM z. B. ZD ZJJ ZPO ZRP ZUM ZUM-RD

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Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungsreport Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neu Zeitschrift Familienrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Oberlandesgericht Polizeiliche Kriminalstatistik Protokoll-Nummer Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen Reichsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Rechtsprechung Seite Short Message Service sogenannt Spalte stetig Strafrechtsänderungsgesetz Strafgesetzbuch Schweizerisches Strafgesetzbuch Entwurf der entsprechenden Norm Strafprozessordnung Süddeutsche Zeitung unter anderem Urhebergesetz Universal Serial Bus Variante vergleiche Vorbemerkung Wohnungswirtschaft & Mietrecht zum Beispiel Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für Jugendkriminalität und Jugendhilfe Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Rechtsprechungsdienst Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

Einführung I. Problemdarstellung Stellte zur Jahrtausendwende ein Mobiltelefon mit integrierter Kamera noch ein Novum dar, das sich nur wenige leisten konnten oder wollten, ist der Besitz eines tragbaren Telefons mit hochauflösender Kamera in den letzten Jahren zur Normalität geworden.1 Der Absatz von Smartphones2 betrug allein im Jahr 2017 in Deutschland 24,1 Millionen Stück3 sowie der Anteil der Smartphone-Nutzer bei Personen ab 14 Jahren 78 %4. Neben dem Telefonieren und Versenden von Kurznachrichten ermöglicht diese Art der Mobiltelefone es ihren Nutzern, mit Hilfe hochauflösender integrierter Kameras jegliches Geschehen aufzunehmen sowie direkt über das Gerät und unabhängig vom Aufenthaltsort in das Internet zu gehen. Dank der technischen Entwicklungen der letzten Jahre im Bereich der Mobiltelefonie ist es für jeden möglich geworden, Fotos und Videos in bester Qualität – auch ohne besonderes technisches Geschick – an jedem beliebigen Ort der Welt herzustellen, zu versenden und zu empfangen. Durch die Allgegenwärtigkeit entsprechender Geräte und deren intensive Nutzung fällt es im Einzelfall auch nicht auf, wenn jemand sein Smartphone aus der Tasche zieht, um ein Geschehnis aufzunehmen, da er z. B. auch nur nach dem Weg schauen oder ein digitales Nahverkehrsticket lösen könnte. Jedoch nicht nur im Bereich der Mobiltelefonie hat sich in den letzten zehn Jahren aus technischer Sicht viel getan. Auch auf dem Gebiet der „klassischen“ 1 Vgl. Statistisches Bundesamt, Anteil der privaten Haushalte in Deutschland mit einem Mobiltelefon von 2000 bis 2016, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/ 198642/umfrage/anteil-der-haushalte-in-deutschland-mit-einem-mobiltelefon-seit-2000 / (besucht am 21.08.2017). Lag der Anteil der Mobiltelefone (mit sowie ohne integrierte Kamera) bei privaten Haushalten zur Jahrtausendwende noch bei 29,8 %, ist dieser bis zum Jahr 2016 auf 95,1 % angestiegen. 2 Ein „Smartphone“ ist ein Mobiltelefon, das neben dem mobilen Telefonieren noch weitere Funktionen, wie beispielsweise die Erstellung eines Terminkalenders, Navigation oder die Nutzung des Internets, aufweist. Durch die umfangreichen Funktionen, die Smartphones besitzen, können diese auch als ein portabler Minicomputer bezeichnet werden. Für eine umfassende Begriffsbestimmung vergleiche Paulsen, Kriminalistik 2017, 274 Fn. 2. 3 Bitkom, Absatz von Smartphones in Deutschland in den Jahren 2009 bis 2017 (in Millionen Stück), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/77637/umfrage/absatz menge-fuer-smartphones-in-deutschland-seit-2008/ (besucht am 07.08.2017). 4 Bitkom, Anteil der Smartphone-Nutzer in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2017, https:/ /de.statista.com/statistik/daten/studie/585883/umfrage/anteil-der-smartphonenutzer-in-deutschland/ (besucht am 07.08.2017).

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Einführung

Fotografie hat der technische Fortschritt seine Spuren hinterlassen. Dank umfassender Entwicklungen und stetiger Verbesserungen von Zoom- und Teleobjektiven sowie von Speichermedien ist es möglich geworden, auch aus weitester Entfernung das anvisierte Objekt gut erkennbar und von diesem unbemerkt optisch zu perpetuieren. Daneben ist auch die Weiterentwicklung der klassischen Videokameras zu Action-Camcordern5 sowie das Phänomen der Dashcams6 zu nennen. Die Preise für entsprechende technische Geräte sind hingegen in den letzten Jahren stetig gesunken. So können hochwertige Teleobjektive, Aufnahmegeräte oder Smartphones mit hochauflösenden Kameras aktuell in jedem Elektronikmarkt bereits ab einigen hundert Euro erworben werden. Lag der weltweit durchschnittliche Verkaufspreis für ein Smartphone im Jahr 2010 noch bei 367 Euro, ist dieser bis 2016 um knapp 35 % auf 236 Euro gesunken.7 Diesen technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen kann allerdings nicht nur Gutes abgewonnen werden.8 So bestimmen vor allem die ständigen Aufnahme- und Verbreitungsmöglichkeiten das Leben und den Alltag einer Vielzahl von Personen. Es ist an Internetportale oder soziale Netzwerke9 wie Flickr10, Ins-

5 Als „Action-Camcorder“ werden besonders kleine, wasserdichte und äußerst robuste Videokameras bezeichnet, die überwiegend im Sport- und Naturbereich eingesetzt werden. Der wohl bekannteste Hersteller derartiger Kameras ist der US-amerikanische Produzent „GoPro“. 6 „Dashcams“ sind kleine Videokameras, die von Autofahrern an ihrem Armaturenbrett befestigt werden können, nach vorne gerichtet sind und temporär das Verkehrsgeschehen aufzeichnen. Vgl. Freys, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421. 7 Vgl. Consumer Technology Association, Durchschnittlicher Verkaufspreis von Smartphones weltweit von 2010 bis 2015 und Prognose für 2016 (in US-Dollar), https:// de.statista.com /statistik/ daten/studie/204674/umfrage/durchschnittlicher-ver kaufspreis-von-smartphones/ (besucht am 07.08.2017). Die Werte der Statistik wurden mit dem Wechselkurs vom 9.1.2018 (1,19) von US-Dollar in Euro umgerechnet. 8 Ebenfalls kritisch Paulsen, Kriminalistik 2017, 274. 9 Unter „sozialen Netzwerken“ werden Plattformen im Internet verstanden, auf denen Menschen miteinander kommunizieren und über Webdienste interagieren können. Indem die Nutzer Texte, Meinungen, Bilder und Videos miteinander austauschen und sich bei gegenseitigem Interesse enger miteinander vernetzen können, bilden derartige Portale tatsächlich bestehende soziale Strukturen im virtuellen Bereich ab und beeinflussen gleichzeitig das reale menschliche Miteinander in umfassender Art und Weise. Vgl. für eine Begriffsbestimmung auch Brand, Kriminalistik 2015, 687; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 14 f.; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 42 f.; Schwartmann/Ohr, Recht der Sozialen Medien, Rn. 14 ff. und Grützner/Jakob, Compliance from A to Z, S. 159 f. 10 „Flickr“ ist ein kommerzielles Internetdienstleistungsportal, das es seinen Benutzern ermöglicht, digitalisierte Bilder jeglicher Art sowie zeitlich begrenzte Videos auf deren Internetseite hochzuladen, mit Kommentaren zu versehen und anderen Nutzern frei zur Verfügung zu stellen. Die Plattform „Flickr“ ist am treffendsten als „Fotocommunity“ im Internet zu bezeichnen.

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tagram11 oder Snapchat12 zu denken, die einzig davon leben, dass ihre Nutzer ihr alltägliches Leben und das ihrer Mitmenschen fotografieren oder filmen und die dabei entstandenen Dateien auf die entsprechenden Plattformen hochladen und über deren Server versenden. Die technischen Möglichkeiten der weltweiten Verbreitung von Fotografien und Videoaufnahmen in Echtzeit über das Internet vergrößerten die Gefahr eines unbefugten Eindringens in fremde Geheimnisbereiche in den letzten Jahren um ein Vielfaches.13 Die ständige Verfügbarkeit von Aufnahmegeräten, unzählige kostenlose Verbreitungsmöglichkeiten über das Internet und die Sensationslust Einzelner in Verbindung mit der Sehnsucht, möglichst ausgefallene und spektakuläre Bildaufnahmen zu schaffen und mit anderen zu teilen, hat bei vielen Personen die Hemmschwelle, jegliche Verhaltensweisen und Geschehnisse bildlich zu perpetuieren, auffallend sinken lassen. Nicht vergessen werden darf, dass nicht nur die Verbreitung derartiger Aufnahmen, sondern bereits deren Herstellung das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen in empfindlicher Art und Weise berührt, da bereits durch derartige Verhaltensweisen die Möglichkeit der Verbreitung evident persönlichkeitsverletzender Bildaufnahmen geschaffen wird.14 So wird den Abgebildeten die Möglichkeit entzogen, frei über das eigene Erscheinungsbild disponieren zu können.15 Angesprochen auf die Unrechtsverwirklichungen, die regelmäßig mit derartigen Verhaltensweisen einhergehen, fehlt es einem Großteil der handelnden Personen an einem aktuellen Unrechtsbewusstsein. Das Interesse der Bevölkerung an Bildaufnahmen jeglicher Art – schon seit einiger Zeit stellen nicht mehr nur prominente 11 „Instagram“ ist eine kostenlose Internetplattform, die ihren Nutzern das Teilen von Fotos und Videos über den kompletten Globus ermöglicht. Anders als bei „Flickr“, dessen Schwerpunkt auf dem fachlichen Austausch in Bezug auf Fotografie und Videotechnik besteht, bietet „Instagram“ seinen Nutzern vornehmlich eine Plattform, auf der sie ihr eigenes Leben darstellen und im Rahmen einer personalisierten Webseite präsentieren können. „Instagram“ ermöglicht es, seinen Nutzern ein Fotoalbum im Internet anzulegen, das auch andere betrachten und kommentieren können. Über diese Plattform werden täglich 20 Milliarden Bilder geteilt. Vgl. Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 120. 12 „Snapchat“ ist anders als „Flickr“ und „Instagram“ keine Internetplattform, sondern ein Instant-Messaging-Dienst. Instant-Messaging-Dienste sind Kommunikationsmethoden, die sich durch eine sofortige Nachrichtenübermittlung zwischen den Beteiligten über das Internet auszeichnen. „Snapchat“ ermöglicht seinen Nutzern die Übertragung von Fotos und kurzen Videosequenzen. Für dieses Programm charakteristisch ist, dass sich nach kurzer Zeit die versendeten Aufnahmen auf dem Empfangsgerät automatisch löschen, wobei es mit einfachen Mitteln möglich ist, diesen Selbstzerstörungsmechanismus zu verhindern oder rückgängig zu machen. Bei „Snapchat“ kommt es zu keinem öffentlichen zur Verfügung stellen von Bildern im Internet. Der Versender kann selbst entscheiden, wer die Aufnahmen für einen beschränkten Zeitraum sieht, indem er die Nachrichtenempfänger jedes Mal neu auswählt. 13 Ebenso Jones, Mobile internetfähige Geräte im Strafrecht, S. 125. 14 Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 371. 15 Vgl. BVerfG, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 198.

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Einführung

Personen beliebte Fotomotive dar – wie auch das Bedürfnis, das eigene Leben optisch zu perpetuieren und anderen zu zeigen, führten zu einer Schutzbedürftigkeit vor der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen, die 2004, als § 201a StGB a. F. erstmalig in Kraft getreten ist, weder bestand, noch mit Blick auf die damaligen technischen Entwicklungen absehbar war. Die Weiterentwicklungen im Bereich der Fotografie, der Videoaufnahmetechniken und des sozialen Miteinanders hat der Gesetzgeber erkannt und versucht, diesen mit einer Reformierung des § 201a StGB im Jahr 2015 zu begegnen. Da jedoch gerade im Bereich von Bildaufnahmen gesellschaftlich anerkanntes und sozial missbilligenswertes Verhalten dicht nebeneinanderliegen und das optische Festhalten jeglicher Lebenssituationen für eine Vielzahl von Menschen bereits alltäglich und normal geworden ist, erschien das Bedürfnis nach eindeutigen, nicht sozialadäquate Verhaltensweisen pönalisierenden Normierungen von besonders großer Bedeutung. Ob es dem Gesetzgeber gelungen ist, diesen Spagat in angemessener und tauglicher Art und Weise im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes zu bewältigen, soll im Folgenden überprüft werden.

II. Praktische Bedeutung des § 201a StGB Wurde kurze Zeit nach Einführung des § 201a StGB a. F. im Jahr 2004 dessen praktische Bedeutung noch bezweifelt und in der Literatur davon ausgegangen, dass diese Sanktionsnorm kaum relevant sein wird,16 kann diese These mit einem Blick auf die polizeilichen Kriminalstatistiken der letzten Jahre entkräftet werden. Zählte die PKS 2009 noch 2001 Fälle der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs,17 stieg die Zahl der erfassten Fälle bis zum Jahr 2016 auf mehr als das Doppelte an. So wurden von der im Jahr 2016 veröffentlichten PKS 5875 den § 201a StGB betreffende Normverstöße gezählt.18 Diese Sanktionsnorm hat somit nach elf Jahren in Kraft § 201 StGB, der dieser zu Beginn noch Pate stand, an praktischer Bedeutung bereits um ein Vielfaches überstiegen. So wurden 2016 nur noch 1461 Fälle einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gezählt.19 Unter den Delikten des 15. Abschnittes des StGB (Verletzung des persönlichen Lebensund Geheimbereichs) rangiert § 201a StGB nun hinter § 202 a StGB, dem Ausspähen von Daten, auf Platz zwei der am häufigsten erfassten Delikte.20 16 Vgl. Borgmann, NJW 2004, 2133, 2135; Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110, 113; A. Koch, GA 2005, 589, 605; Schertz, AfP 2005, 421, 428; ders., in: Mann/ Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 232; Wolter, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 225, 234. 17 PKS 2010, S. 47. 18 PKS-Grundtabelle 01, 2016, Schlüssel 670034. 19 PKS-Grundtabelle 01, 2016, Schlüssel 670016. 20 Im Jahre 2016 wurden 9.630 Fälle des unbefugten Ausspähens von Daten von der PKS erfasst. Vgl. PKS-Grundtabelle 01, 2016, Schlüssel 678010.

Einführung

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Dieser stetige Anstieg der dokumentierten Fälle der Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs, der in den letzten Jahren zu beobachten ist,21 stellt mit Blick auf die technischen Entwicklungen im Bereich der Fotografie und sonstigen Aufnahmetechniken keine Überraschung dar. So sind in den vergangenen Jahren neben Mobiltelefonen mit integrierter Kamera, wie bereits aufgezeigt, vor allem Smartphones zum ständigen Begleiter einer Vielzahl von Personen geworden. Gerade im Bereich der unbefugten Herstellung von Bildaufnahmen ist zu beobachten, dass es den Tätern regelmäßig an jeglichem Unrechtsbewusstsein fehlt und entsprechende Verhaltensweisen als „Kavaliersdelikte“ von der Bevölkerung abgetan werden, sodass ein weiterer Anstieg der von § 201a StGB erfassten Fälle auch in Zukunft zu erwarten ist.22 Daneben ist eine weitere Zunahme der Verstöße gegen diese Strafnorm in den nächsten Jahren auch aufgrund der gesetzlichen Neuerungen, die durch das 49. StÄG in den Gesetzestext eingefügt worden sind, zu prognostizieren.23 Wie groß diese Zunahme ausfallen wird, bleibt jedoch abzuwarten.

III. Gegenstand der Arbeit Nach der Einführung des § 201a StGB a. F. vor über zehn Jahren kam es innerhalb der Literatur zu umfassenden Diskussionen über die Ausgestaltung, Notwendigkeit und Verfassungsmäßigkeit der Kodifikation des strafrechtlichen Bildnisschutzes. Die meisten Stimmen begrüßten die Einführung des § 201a StGB a. F. und empfanden diese gesetzgeberische Tätigkeit als längst überfällig.24 Von anderen wurde diese Neusanktionierung als unnötig und reiner Aktionismus abgetan.25 Fast allen Stimmen gemeinsam waren jedoch die Kritikpunkte, die gegenüber einzelner Formulierungen und Ausgestaltungen der neuen Sanktionsnorm vorgebracht worden sind. Neben der Unbestimmtheit der Begriffspaare des 21 Seit Aufnahme des § 201a StGB in die PKS im Jahre 2009 sind die gezählten Fälle von Jahr zu Jahr gestiegen. Einzige Ausnahme dieser Entwicklung kann für das Jahr 2015 verzeichnet werden. So wurden in der PKS für 2015 162 weniger Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs als noch im Vorjahr erfasst. Vgl. PKSGrundtabelle 01, 2015, Schlüssel 670034 und PKS-Grundtabelle 01, 2014, Schlüssel 670034. 22 Ebenso Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 16. 23 Ebenso Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 16; a. A. Bosch, Jura 2016, 1380, der § 201a StGB trotz der Reformierung durch das 49. StÄG weiterhin „ein Schattendasein“ attestiert. 24 Vgl. Gola, RDV 2004, 215, 217; Hoppe, GRUR 2004, 990, 995; Flechsig, ZUM 2004, 605, 616 f.; A. Koch, GA 2005, 589, 604 f.; Schertz, AfP 2005, 421, 428; Eisele, JR 2005, 6, 11; Kühl, in: Dölling/Götting/Meier u. a., Verbrechen – Strafe – Resozialisierung, 419, 437; Murmann, in: Bloy/Böse/Hillenkamp u. a., Gerechte Strafe und legitimes Strafrecht, 585. 25 Vgl. Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110, 111; Borgmann, NJW 2004, 2133, 2135; Sauren, ZUM 2005, 425, 432; Hesse, ZUM 2005, 432, 435 f.; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436, 440 f.; Bosch, JZ 2005, 377, 385.

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Einführung

räumlichen Rückzugsbereichs und der Neueinführung des Rechtsguts des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ wurde vor allem die Vereinbarkeit des strafrechtlichen Bildnisschutzes mit der Presse- und Rundfunkfreiheit thematisiert. Im Folgenden wird zu untersuchen sein, ob die in den letzten Jahren vorgebrachten Probleme und kritisierten Aspekte in Bezug auf den strafrechtlichen Bildnisschutz tatsächlich bestanden, ob und wie durch die Reformierung des § 201a StGB auf die vorgebrachte Kritik durch den Gesetzgeber reagiert wurde, wie die neuen Tatbestandsvarianten zu beurteilen sind und ob diese sich in das bereits bestehende Gefüge des Bildnisschutzes sowie den 15. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB einfügen. Zur Klärung dieser Fragen erscheint es erforderlich, die Sanktionsnorm des strafrechtlichen Bildnisschutzes in ihrer aktuellen Fassung in rechtsdogmatischer Hinsicht umfassend zu untersuchen. Der Untersuchungsschwerpunkt der vorliegenden Arbeit wird auf den gesetzlichen Neuerungen des § 201a StGB liegen, die mit dem 49. StÄG in den Gesetzestext eingefügt worden sind. Da die Sanktionsnorm des § 201a StGB mit dem Strafrechtsänderungsgesetz im Jahr 2015 jedoch nicht komplett neu formuliert worden ist, sondern teilweise noch auf dem seit 2004 bestehenden Wortlaut des § 201a StGB a. F. beruht, erscheint es notwendig, an einzelnen Stellen der Ausarbeitung auf solche Merkmale, Formulierungen und rechtliche Besonderheiten einzugehen.

1. Kapitel

Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung Technische Neuerungen führen regelmäßig zu gesellschaftlichen Debatten über den allgemeinen Umgang mit den neu gewonnenen Möglichkeiten, ihre Auswirkungen und ihre rechtliche Behandlung. So geschah es auch, als Ende des 19. Jahrhunderts Fotografien erstmals kostengünstiger und praktikabler hergestellt werden konnten,1 sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Fotografie zu einem Massenphänomen entwickelte,2 als Mitte der 1980er Jahre die ersten Digitalkameras auf den Markt kamen3 sowie zur Jahrtausendwende, als die Aufnahmegeräte immer kleiner wurden und mit dem vollständigen Wechsel von Analog- zu Digitalfotografie4 eine unüberschaubare Bilderflut erwartet wurde. Die Diskussionen über den rechtlichen bzw. strafrechtlichen Umgang mit Fotografien und Videosequenzen fanden ihren Höhepunkt in den Debatten der letzten Jahre als Reaktion auf die rasanten Entwicklungen im Bereich des Internets. Da der Schwerpunkt der Arbeit auf dem aktuellen strafrechtlichen Bildnisschutz liegt, wird zunächst umfassend der der gegenwärtigen Fassung des § 201a StGB zugrunde liegende Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nachgezeichnet. In einem zweiten Schritt werden übersichtsartig die sonstigen Gesetzgebungstätigkeiten im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes dargestellt.5

1 Vgl. Kohler, Das Eigenbild im Recht, S. 14; Keyßner, Das Recht am eigenen Bild, S. 2 ff., 31 f.; Becker, in: Erler/Kaufmann/Stammler u. a., Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Band III, 1626 f. 2 1947 wurde das Polaroid-Verfahren entwickelt, welches eine sofortige, geräteinterne Bildentwicklung ermöglichte, Hoeren/Nielen, Fotorecht, S. 33 Rn. 9. 3 Herbort, Digitale Bildnisse, S. 16. 4 Vgl. Wandtke, Medienrecht, S. 502, Rn. 2. 5 Umfassende Ausführungen zu der Entwicklung der Fotografie und des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild vor dem 49. StÄG bei Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 53 ff.; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 27 ff.; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 4 ff.; S. 59 ff.; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 3 ff., S. 75 ff.

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

A. Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG Knapp zehn Jahre nach Einführung des § 201a StGB a. F. in den 15. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB wurden die Rufe nach einer Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes immer lauter.6 Aktuelle Kriminalitätsentwicklungen stellten die Grundlage für derartige Reformbestrebungen dar. Die ständige Verfügbarkeit von mobilen Aufnahmegeräten und die gleichzeitige Verbindung mit dem Internet und sozialen Netzwerken führten in den letzten Jahren zu einer rasanten Zunahme der Verbreitung erniedrigender, gewalttätiger und bloßstellender Bildaufnahmen.7 Diese Darstellungs- und Erniedrigungskultur, die sich durch die Verbreitung der Aufnahmen durch das Internet manifestiert, kann unter dem Begriff des „Cybermobbings“ zusammengefasst werden. Der Begriff des „Mobbings“ leitet sich von dem englischen Verb „to mob“ ab, das übersetzt anpöbeln oder über jemanden herfallen bedeutet.8 Unter „Cybermobbing“ wird die Verletzung und Belästigung anderer Personen mittels Nutzung elektronischer oder digitaler Informations- und Kommunikationsmedien verstanden.9 Charakteristisch für diese Art der Diffamierung ist das wiederholte feindselige oder aggressive Vermitteln von Botschaften zwischen Individuen oder Gruppen mit der Absicht, andere zu schädigen oder Unbehagen zu verbreiten.10 Durch derartige Anfeindungen, Diskriminierungen und die damit einhergehende Schikane wird die Lebensgestaltung des Betroffenen erheblich eingeschränkt und dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.11 Dass Cybermobbing kein Einzelfall, einzig eine kleine Gruppe der Gesellschaft betreffende Erscheinung mehr ist, zeigen unterschiedlichste Studien eindrucksvoll auf. So wurde beispielsweise festgestellt, dass in Deutschland rund ein Drittel aller Zehn- bis Achtzehnjährigen bereits Opfer von Cybermobbing geworden ist.12 Neben der Gefährlichkeit von Cybermobbing gab allerdings ein aufsehenerregender Fall den entscheidenden Anstoß für die Reformbemühungen. So wurde 6 Mit dem 49. StÄG kam es neben der Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes auch zu einer umfassenden Reformierung des Pornografiestrafrechts. Der Schwerpunkt der Betrachtung soll im Folgenden auf der Reformentwicklung des § 201a StGB liegen. Die Änderungen innerhalb der §§ 184 ff. StGB werden nicht genauer besprochen. 7 R. Busch, NJW 2015, 977. 8 Brand, Kriminalistik 2015, 687, 688; Paulsen, Kriminalistik 2017, 274, 275. 9 Brand, Kriminalistik 2015, 687, 688; Paulsen, Kriminalistik 2017, 274, 275; Fawzi, Cyber-Mobbing, S. 47. 10 Brand, Kriminalistik 2015, 687, 688. 11 Cornelius, ZRP 2014, 164. 12 Cornelius, ZRP 2014, 164; Brand, Kriminalistik 2015, 687, 689; Paulsen, Kriminalistik 2017, 274, 277; Dreier/Duven/Müller u. a., Studie über das Internetsuchtverhalten von europäischen Jugendlichen, S. 6. Umfassende Darstellungen nationaler und internationaler Studien, die sich mit der Thematik des Cybermobbings befassen bei Katzer, Cybermobbing, S. 67 ff. und Fawzi, Cyber-Mobbing, S. 57 ff.

A. Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

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Anfang 2014 bekannt, dass sich eine kanadische Firma auf den Versand von Foto- und Filmaufnahmen, die hauptsächlich nackte, minderjährige Jungen zeigten, spezialisiert hat. Neben kinderpornografischen Abbildungen wurden hauptsächlich Bilder von Jungen zwischen neun und 13 Jahren vertrieben, die diese beim Toben, Spielen und Posieren zeigten.13 Unter den Abnehmern, die in über 90 Ländern ihren Wohnsitz hatten, befanden sich auch ein deutscher Bundestagsabgeordneter14 und ein hochrangiger BKA-Beamter15. Dieser Fall zeigte der Öffentlichkeit in Deutschland erstmals und eindringlich auf, welches Ausmaß der kommerzielle Vertrieb von Bildaufnahmen unbekleideter Kinder und Jugendlicher bereits angenommen hatte. Eine Vielzahl der Bild- und Videoaufnahmen, die von dem kanadischen Anbieter angeboten wurden, waren nach der damaligen Rechtslage in Deutschland nicht strafbar.16 Eine Strafbarkeit nach den §§ 184 b, 184 c StGB kam in den beschriebenen Fällen regelmäßig nicht in Betracht, da bei den in Frage stehenden Aufnahmen die unbekleideten Kinder und Jugendlichen keine sexuellen Handlungen vornahmen oder sich in unnatürlich geschlechtsbetonter Haltung („Posing“17) zeigten. Eine Sanktionierung nach § 201a StGB a. F. war ebenfalls nicht möglich, da diese Norm auf Grund ihrer restriktiven Ausgestaltung nicht einschlägig war. Auf Grundlage dieser strafrechtlichen Grauzone entstand 2014 eine breite öffentliche Debatte über die Rechtmäßigkeit des Erwerbs und Besitzes von Nacktaufnahmen durch Erwachsene, die Minderjährige zum Gegenstand haben.18 Die Rufe nach einer Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes klangen nicht ab,19 sodass bereits kurze Zeit später umfassende Reformbestrebungen angestoßen wurden und drei, in wesentlichen Aspekten voneinander abweichende Gesetzesentwürfe erarbeitet wurden.

I. Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates Seit dem 17. Dezember 2011 ist die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und Rates zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs und der sexuellen 13

BR-Drucks. 127/14, S. 3. Niedersächsischer Landtag-Drucks. 17/1216; Krings, ZRP 2014, 69; Bingener/ Lohse, FAZ 22.1.2015, 3. 15 Alvares de Souza Soares, Philipp/Gude, Fall Edathy: Auch BKA-Spitzenbeamter stand auf Kinderporno-Kundenliste, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bkaspitzenbeamter-befand-sich-auf-edathy-liste-a-956362.html (besucht am 25.04.2016). 16 Krings, ZRP 2014, 69, 71. 17 Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, § 184 b, Rn. 2. 18 Jahn/Ziemann, in: Albrecht, Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, 227, 229. 19 Vgl. Niedersächsischer Landtag-Drucks. 17/1216; BR-Drucks. 89/14; BR-Drucks. 91/14; BR-Drucks. 127/14; Frieser, DRiZ 2014, 132; Hörnle, FAZ 20.3.2014, 6. 14

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie20 in Kraft. Durch diese Richtlinie sollte erreicht werden, dass ein umfassendes Regelungskonzept innerhalb aller Mitgliedsstaaten der europäischen Union geschaffen wird, um Kinderpornografie und Kindesmissbrauch effektiv entgegen zu treten, das Kindeswohl umfassend und grenzüberschreitend zu schützen und eine lückenlose Verfolgung der Straftäter zu gewährleisten.21 Gleichzeitig kam es zu einer Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI22 des Rates.23 Mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 23. September 201424 zu einer Reformierung des Pornografiestrafrechts und des strafrechtlichen Bildnisschutzes sollte fast drei Jahre nach in Kraft treten dieser Richtlinie und knapp ein Jahr nach Ablauf der Umsetzungsfrist, der vorgegebenen Verpflichtung nachgekommen werden.

II. Anträge einzelner Bundesländer Am 18. Februar 2014 stellte die CDU-Fraktion des Landtags Niedersachsens einen Antrag auf Einleitung einer Bundesratsinitiative mit dem Ziel, bestehende Strafbarkeitslücken im Bereich von Kinderpornografie zu schließen und die bestehenden Straftatbestände zu verschärfen.25 Dieser Antrag wies als erste nationale Initiative darauf hin, dass der Besitz und Vertrieb von Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen unter der damaligen Rechtslage nicht strafbar war, sobald die abgebildeten Minderjährigen keine aktiven sexuellen Handlungen vornahmen oder sich unnatürlich sexualbezogen zeigten.26 In der Begründung dieses Antrags wurde vor allem kritisiert, dass die Abbildung des nackten Genitals eines Minderjährigen eine straflose Bildaufnahme darstelle, da sie weder von den §§ 184 b, 184 c StGB a. F. noch von § 201a StGB a. F. erfasst wäre. Dies wurde – in dem sehr kurz gehaltenen Antrag – am Beispiel des Falls „Edathy“ aufgezeigt.27 Der Antrag der niedersächsischen CDU-Fraktion enthielt noch keine expliziten Reformvorschläge für den § 201a StGB a. F., vielmehr wurde eine reine Reformierung der §§ 184 b, 184 c StGB a. F. angestrebt. Dennoch war 20 Vgl. Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie der Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI (abge. Richtlinie 2011/93 EU). 21 Richtlinie 2011/93 EU, Rn. 2, 5, 6. 22 Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates vom 22.12.2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie. 23 Richtlinie 2011/93 EU, Rn. 6. 24 Ausführliche Darstellung im 1. Kapitel, A., IV. 25 Vgl. Niedersächsischer Landtag-Drucks. 17/1216. 26 Röder, NStZ 2010, 113. 27 Niedersächsischer Landtag-Drucks. 17/1216.

A. Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

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dies die erste Initiative, die auf die 2014 bekannt gewordenen Kriminalitätsentwicklungen im Bereich von Nacktaufnahmen von Minderjährigen ohne Sexualbezug reagierte und den Beginn umfassender Reformbestrebungen markiert. Der Freistaat Thüringen28 wie auch das Bundesland Hessen29 stellten im März 2014 jeweils einen eigenen Antrag an den Bundesrat, eine Entschließung zur Verschärfung der strafrechtlichen Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz zu fassen, um gegen Strafbarkeitslücken im Kinder- und Jugendpornografiestrafrecht vorzugehen. Des Weiteren forderten die Antragsteller eine rechtliche Überprüfung, ob Aufnahmen von nackten Minderjährigen ohne Sexualbezug nicht auch ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen sein könnte und somit Reformierungen weiterer Normen aus dem StGB, wie des § 201a StGB a. F., notwendig wären.30 Da die Umsetzungsfrist der Richtlinie 2011/93/EU bereits um drei Monate überschritten war, wies Hessen darauf hin, dass ein Tätigwerden der Bundesregierung neben den bereits aufgezeigten Gründen auch aus europarechtlichen Gesichtspunkten geboten sei.31 Die Anträge aus Thüringen und Hessen wurden in der 920. Sitzung des Bundesrats diskutiert und dessen Rechtsausschuss zugewiesen.32

III. Gesetzesentwurf des Freistaats Bayern Am 1. April 2014 übermittelte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer dem Bundesrat einen Gesetzesentwurf für ein „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Verbesserter Schutz von Kindern bei Nacktaufnahmen“.33 Im Gegensatz zu den vorausgehenden Initiativen enthielt der bayerische Entwurf erstmalig einen vollständig ausformulierten Gesetzesentwurf.34 Zunächst sah dieser Entwurf für § 201a StGB a. F. eine Erhöhung der Strafrahmenobergrenze für die unveränderten Handlungsvarianten in Absatz 1 und 3 von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe vor. Die Entwurfsverfasser brachten vor, dass es durch die ständige technische Weiterentwicklung im Bereich der Bildaufnahmetechnologien in den letzten zehn Jahren zu einem erheblichen Anstieg der Gefährdung des Persönlichkeitsrechts einer Person durch die unbefugte Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen gekommen sei, der die Strafrahmenobergrenze des § 201a StGB a. F. nicht mehr gerecht werde. Durch die Anhe28

Vgl. BR-Drucks. 89/14. Vgl. BR-Drucks. 91/14. 30 BR-Drucks. 91/14, S. 2. 31 BR-Drucks. 91/14, S. 1. 32 Stenografischer Bericht der 920. Sitzung des Bundesrates vom 14.3.2014 – Plenarprotokoll 920, S. 24 ff. 33 Vgl. BR-Drucks. 127/14. 34 Vgl. BR-Drucks. 127/14, S. 1. 29

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

bung der Strafrahmenobergrenze sollten derartige Taten aus dem Bagatellbereich herausgenommen und der wachsenden Persönlichkeitsgefährdung durch unbefugte Bildaufnahmen Rechnung getragen werden.35 Die Forderung einer Erhöhung der Strafrahmenobergrenze bei § 201a StGB war allerdings kein neuartiges Verlangen, da bereits einige Entwürfe für das 36. StÄG eine zweijährige Freiheitsstrafe für entsprechende Verhaltensweisen vorsahen36. Die zentrale Neuregelung des bayerischen Entwurfs stellte dessen Absatz 4 dar. Durch diesen Absatz sollten Bildaufnahmen von Personen unter 14 Jahren, „die deren Nacktheit zur Schau stellen“, verboten werden. Neben den Vorbereitungshandlungen des Herstellens, Beziehens und Vorrätighaltens sollte mit dieser Neupönalisierung vor allem der kommerzielle Handel mit entsprechenden Aufnahmen37 strafrechtlich sanktioniert und bestehende Märkte ausgetrocknet werden. Durch diese Strafbarkeitserweiterung sollte Minderjährigen Schutz vor den mit entsprechenden Aufnahmen verbundenen Eingriffen in ihre Persönlichkeitssphäre sowie aus der marktmäßigen Verbreitung resultierenden Gefahren für deren ungestörte Persönlichkeitsentwicklung gewährt werden.38 Da Nacktaufnahmen von Kindern jedoch in alltäglichen Situationen „in einem nicht unerheblichen Umfang Teil einer gesellschaftlich akzeptierten Realität [seien]“ 39, erschien es den bayerischen Entwurfsverfassern notwendig eine Sozialadäquanzklausel zu normieren, um einen Ausgleich zwischen den sich gegenüberstehenden Rechtspositionen zu schaffen. So könnte es beispielsweise im Einzelfall sozialadäquat sein, Nacktaufnahmen von Kindern marktmäßig auszutauschen, wenn dies im Rahmen von Werbung, der Wissenschaft oder Ermittlungstätigkeiten geschähe.40 Um einen umfassenden Persönlichkeitsschutz für Kinder und Jugendliche vor Nacktaufnahmen zu gewährleisten und die Strafbarkeit nicht vom Zufall abhängig zu machen, wurde von den Entwurfsverfassern bewusst auf das Merkmal des räumlichen Schutzbereichs und die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs als Strafbarkeitsvoraussetzung verzichtet.41

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BR-Drucks. 127/14, S. 14. So beispielsweise die Entwürfe der FDP-Fraktion (BT-Drucks. 15/361, S. 2), der der CDU/CSU-Fraktion (BT-Drucks. 15/533, S. 2) oder auch der Entwurf des Bundesrats (BT-Drucks. 15/1891, S. 5). 37 Neben dem entgeltlichen Erwerb von derartigen Nacktaufnahmen stellte der bayerische Entwurf auch den Erwerb im Rahmen eines Tauschsystems innerhalb von Filesharing-Netzwerken unter Strafe, da es im Internet eine Vielzahl von Seiten gebe, die Pädophilen solche Bilder umsonst zur Verfügung stellen. Um jedoch solche Dienste in Anspruch nehmen zu können, müssen als „Aufnahmeritual“ regelmäßig entsprechende Bilder auf die Plattformen hochgeladen werden, R. Busch, NJW 2015, 977, 979. 38 BR-Drucks. 127/14, S. 14. 39 BR-Drucks. 127/14, S. 7. 40 BR-Drucks. 127/14, S. 18 f. 41 BR-Drucks. 127/14, S. 5. 36

A. Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

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Der bayerische Entwurf regelte die Strafbarkeit von Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug jedoch nicht in den §§ 184 b, 184 c StGB42, da dessen Verfasser die Ansicht vertraten, dass derartige Nacktaufnahmen von Kindern die abgebildeten Personen nicht in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, sondern einzig in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzten.43 Dennoch dürften solche, „scheinbar harmlosen“ Aufnahmen nicht unterschätzt werden, da sie auf Pädophile stimulierende Wirkung haben könnten und oft den ersten Schritt zu „härteren“ Bildern darstellten. Auch könne dies für Kinder der Beginn einer „pornografischen Karriere“ oder den Einstieg in Kinderprostitution bedeuten.44 Gleichzeitig dürften die psychischen Auswirkungen entsprechender Aufnahmen auf die abgebildeten Personen nicht unterschätzt werden, sodass die Pönalisierung des Umgangs mit entsprechenden Bildaufnahmen notwendig erschien. Des Weiteren wollte der bayerische Entwurf § 201a Abs. 4 StGB n. F. als Offizialdelikt ausgestalten, um der Bedeutung der Verletzungshandlung für die Persönlichkeit des betroffenen Kindes gerecht zu werden.45 Eine Bezugnahme auf die Richtlinie 2011/93/EU enthielt der Entwurf nicht. Eine Versuchsstrafbarkeit oder eine Qualifikationsvariante für Amtsträger, wie es noch einige Vorentwürfe zu § 201a StGB a. F. vorgesehen haben, war ebenfalls nicht enthalten.46 Der bayerische Gesetzesentwurf wurde am 11. April 2014 in der 921. Bundesratssitzung diskutiert und an den Rechtsausschuss verwiesen.47

IV. Gesetzesentwurf der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der SPD legten unter Federführung des BMJV am 23. September 2014 einen gemeinsamen Gesetzesentwurf zur „Änderung des Strafgesetzbuchs – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht“ vor.48 Durch den Entwurf sollte auch den Verpflichtungen aus der

42 Der bayerische Entwurf sah auch eine Erweiterung der §§ 184 b und 184 c StGB im Rahmen der „Posing-Bilder“ mit Sexualbezug vor. So sollte in den Absatz 1 der §§ 184 b, 184 c StGB die Passage „oder eine sexuell aufreizende Darstellung der entblößten Genitalien oder des entblößten Gesäßes eines Kindes/einer solchen Person“ eingefügt werden. Vgl. BR-Drucks. 127/14, S. 1. 43 BR-Drucks. 127/14, S. 14 f.; a. A. Krings, ZRP 2014, 69, 71. 44 BR-Drucks. 127/14, S. 7. 45 Vgl. BR-Drucks. 127/14, S. 2, S. 19. 46 Vgl. beispielsweise die Entwürfe der FDP-Fraktion (BT-Drucks. 15/361, S. 2), der CDU/CSU-Fraktion (BT-Drucks. 15/533, S. 2) und den Entwurf des Landes BadenWürttemberg (BR-Drucks. 164/03, S. 1) zum 36. StÄG. 47 Stenografischer Bericht der 921. Sitzung des Bundesrates vom 11.4.2014 – Plenarprotokoll 921, S. 89 ff. 48 Vgl. BT-Drucks. 18/2601.

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

Lanzarote-Konvention49, der Istanbul-Konvention50 und der Richtlinie 2011/93/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates nachgekommen werden.51 Eine gesetzgeberische Tätigkeit zur Reformierung des § 201a StGB war jedoch nach Ansicht des BMJV nicht durch internationale Rechtsinstrumente geboten, sondern einzig auf Grund nationaler und internationaler Kriminalitätsentwicklungen notwendig.52 Wie der bayerische Gesetzesentwurf zu § 201a StGB sah auch der Fraktionsentwurf eine Erhöhung der Strafrahmenobergrenze von einem auf zwei bzw. teilweise sogar auf drei Jahre Freiheitsstrafe vor. Die Erhöhung der Strafrahmenobergrenze bei § 201a StGB a. F. war als rechtspolitischer Schwerpunkt der CDU/ CSU-Fraktion in der 18. Legislaturperiode in dem im März 2014 veröffentlichten Eckpunktepapier zum Opferschutz als politisches Ziel ebenfalls schon enthalten gewesen.53 Daneben wollten die Entwurfsverfasser erstmals die Herstellung und Veröffentlichung von Bildaufnahmen, die geeignet sind, das Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schädigen, sanktioniert wissen. Durch diese Erweiterung sollte ein strafrechtliches Signal gegen den rapiden Anstieg von Cybermobbing gesetzt werden.54 Anders als bei § 201a StGB a. F. sah dieser Entwurf im Rahmen seiner neuen Tatbestandsvariante weder die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch die fragliche Bildaufnahme, noch den Aufenthalt des Betroffenen in einer bestimmten Räumlichkeit als notwendiges Tatbestandsmerkmal vor. Diese Strafbarkeitserweiterung erschien den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD notwendig, da Cybermobbing nicht nur auf einen bestimmten Lebensbereich beschränkt sei, wie beispielsweise den Schulweg oder die Ar49 Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (ETS 201 – Lanzarote Konvention): Die LanzaroteKonvention wurde am 25.10.2007 vom Europarat verabschiedet, von Deutschland am 25.10.2007 unterzeichnet und am 18.11.2015 ratifiziert. 50 Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (ETS 210 – Istanbul Konvention): Die Istanbul-Konvention wurde am 11.5.2011 vom Europarat verabschiedet und von Deutschland noch am gleichen Tag unterzeichnet. Eine Ratifizierung ist in Deutschland bis zum heutigen Tag unterblieben. 51 Die europarechtlichen Konventionen beziehen sich auf die Verbesserung des nationalen Schutzes für Kinder vor sexueller Ausbeutung und dem Schutz von Frauen vor Gewalt. Die Bundesregierung ging in ihrem Entwurf davon aus, dass das deutsche Recht den europäischen Vorgaben in den §§ 176 ff. StGB und den §§ 184 ff. StGB im Wesentlichen bereits entsprach. Dennoch erschien eine redaktionelle Überarbeitung und Neuordnung dieser Sanktionsnormen sowie die Einfügung einzelner neuer Tatbestandsvarianten im Hinblick auf die internationalen Vorgaben als geboten. Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 1 f. 52 BT-Drucks. 18/2601, S. 1 f. 53 Winckelmeier-Becker, ZRP 2014, 222, 223; Strobel/Schön, Für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung, S. 2 f. 54 BT-Drucks. 18/2601, S. 37.

A. Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

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beit, sondern für die Betroffenen wegen der Omnipräsenz des Internets und der dauerhaften Speicherung der Daten allgegenwärtig und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sei.55 Ein Entkommen erscheint für die Betroffenen regelmäßig kaum möglich, da oft sogar ein Umzug keine Abhilfe der dauerhaften Belastung schaffen könne.56 Der Fraktionsentwurf sah daneben die Sanktionierung von Nacktaufnahmen, die keinen Sexualbezug aufweisen, vor.57 Anders als in dem bayerischen Entwurf wurde die Strafbarkeit jedoch nicht auf Bilder von Kindern bis 14 Jahren beschränkt. Der Entwurf sollte neben Nacktaufnahmen von Minderjährigen auch die von Erwachsenen erfassen. Auch bei dieser Tatbestandsvariante war keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs als notwendige Tatbestandsvoraussetzung vorgesehen, da davon ausgegangen wurde, dass solche Bildaufnahmen, die ohne Einwilligung des Abgebildeten entstanden sind, immer dessen Intimsphäre verletzen.58 Den Entwurfsverfassern erschien es möglich, in die Herstellung derartiger Bilder nach den allgemeinen Voraussetzungen einwilligen zu können. Bei Kindern, die noch nicht einwilligungsfähig sind, sollten Eltern in entsprechende Aufnahmen jedoch nur dann einwilligen können, wenn die in Frage stehenden Aufnahmen sozialadäquat und üblich erscheinen, wie beispielsweise bei Aufnahmen eines nackten Kindes im Rahmen einer familiären Alltagssituation, die einzig im familiären Bereich oder engen Bekanntenkreis gezeigt werden sollen.59 § 201a Abs. 5 StGB des Entwurfs verwies auf den speziellen Rechtfertigungsgrund des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB. Durch diese Verweisung sollte die Pressefreiheit im Rahmen der Wechselwirkungslehre hinreichend Beachtung finden.60 Anders als im bayerischen Entwurf, der nur für einzelne Varianten des § 201a StGB-E das Antragserfordernis entfallen lassen wollte, sah der Fraktionsentwurf vollständig von einem Antragserfordernis ab. Der strafrechtliche Bildnisschutz sollte komplett in ein Offizialdelikt umgewandelt werden. Man wollte mit dieser Umwandlung verhindern, dass eine mögliche Strafbarkeit wegen des Fehlens eines Strafantrags ins Leere laufe, da die abgebildeten Betroffenen nicht bekannt oder stark traumatisiert seien. Auf eine Versuchsstrafbarkeit, wie auch auf die Einführung eines Qualifikationstatbestands, wurde ebenfalls verzichtet.61 55 BT-Drucks. 18/2601, S. 37; Heberkamm, Internet macht kein neues Strafrecht nötig, http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/gesetzentwurf-blossstellende-fotos-kinder pornographie/ (besucht am 18.03.2016). 56 Cornelius, ZRP 2014, 164; Fawzi, Cyber-Mobbing, S. 49. 57 Wie der Bayerische Entwurf sah auch der Regierungsentwurf noch eine Reformierung der §§ 184 b, 184 c StGB vor. Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 8 f. 58 BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 59 BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 60 BT-Drucks. 18/2601, S. 39. 61 Anders noch die Entwürfe der FDP-Fraktion (BT-Drucks. 15/361, S. 2), der CDU/ CSU-Fraktion (BT-Drucks. 15/533, S. 2) und der Entwurf des Landes Baden-Württem-

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

Von der Bundesregierung wurde am 25. Oktober 2014 ebenfalls „ein Gesetzesentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht“ vorgelegt.62 Der Gesetzestext, wie auch die Begründung des Entwurfs sind identisch mit dem Entwurf der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD.63

V. Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Der Deutsche Bundestag hat am 25. September 2014 über den Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD und am 6. November 2014 über den Entwurf der Bundesregierung beraten und an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung überwiesen.64 1. Öffentliche Anhörung Am 13. Oktober 2014 wurde von dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung durchgeführt, deren Gegenstand der Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht war.65 Fast alle Sachverständigen, die in ihrer Begutachtung den § 201a StGB-E miteinbezogen hatten,66 begrüßten die Bestrebungen um eine Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes, da § 201a StGB a. F. einen rein partiellen Schutz des Persönlichkeitsrechts vor unbefugten Bildaufnahmen gewähre. Einzig Deckers sprach sich im Namen des DAV klar gegen eine Erweiterung des § 201a StGB aus.67 berg (BR-Drucks. 164/03, S. 1) zum 36. StÄG, die neben einer Versuchsstrafbarkeit auch eine Amtsträgerqualifikation normierten. 62 Vgl. BT-Drucks. 18/2954. 63 Vgl. BT-Drucks. 18/2954, S. 7. 64 Stenografischer Bericht der 54. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 25.9. 2014 – Plenarprotokoll 18/54, S. 4951; Stenografischer Bericht der 63. Sitzung des Deutscher Bundestages vom 6.11.2014 – Plenarprotokoll 18/63, S. 5846. 65 Vgl. das Wortprotokoll der 28. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages vom 13.10.2014 (18. Wahlperiode) – ProtokollNr. 18/28. An der öffentlichen Anhörung nahmen als Sachverständige Birgit Cirullies, leitende Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Dortmund, Dr. Rüdiger Deckers, Deutscher Anwaltsverein e.V. Berlin, Mitglied im Strafrechtsausschuss und Rechtsanwalt, Prof. Dr. Jörg Eisele, Eberhard Karls Universität Tübingen, Rainer Franosch, Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität, Robert Grain, Richter am Amtsgericht München und Prof. Dr. Tatjana Hörnle, Humboldt-Universität zu Berlin teil. 66 Grain hat in seinem Gutachten den § 201a StGB-E nicht angesprochen. Kindler und Franosch haben hingegen keine konkreten Aussagen zu § 201a StGB-E gemacht. Im Allgemeinen hielten sie es aber für angebracht, § 201a StGB a. F. zu reformieren. 67 Protokoll-Nr. 18/28, S. 60.

A. Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

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Die verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen und Handlungsalternativen wurden jedoch von den Gutachtern sehr unterschiedlich bewertet. So sahen Cirullies und Eisele68 die Bestrafung des reinen „Herstellens“ von Nacktaufnahmen und Aufnahmen, die geeignet sind, das Ansehen der abgebildeten Person zu schädigen, als zu weit an und appellierten an den Gesetzgeber eine Strafbarkeitsreduzierung auf die „Verbreitungshandlungen“ vorzunehmen.69 Im Gegensatz dazu sah Hörnle die Strafbarkeit des „Herstellens“ nicht als problematisch, sondern als geboten an, da bereits die unbefugte Herstellung von Nacktaufnahmen oder Bildern, die geeignet sind das Ansehen einer Person zu schädigen, schwerwiegend in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifen und dieses verletzen können.70 Ebenfalls unterschiedliche Meinungen bestanden bzgl. der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs.71 Vor allem bestand große Uneinigkeit, ob die in § 201a Abs. 1 S. 2 StGB-E gewählten Formulierungen mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar seien.72 2. Beschlussempfehlung Nach Beratungen in einer Vielzahl von Ausschüssen73 brachte der federführende Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 12. November 2014 eine Beschlussempfehlung für die Reformierung des § 201a StGB a. F. auf den Weg.74 Der Entwurf der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD wurde durch den Rechtsausschuss größtenteils abgeändert und dessen Anwendungsbereich teilweise erweitert. Die Beschlussempfehlung für § 201a StGB-E entsprach komplett dem aktuellen Gesetzeswortlaut. So wurde die Strafbarkeit bei Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug auf solche beschränkt, die Personen unter achtzehn Jahren abbilden und für kommerzielle Zwecke hergestellt worden sind oder gegen Entgelt erwor68 Eisele vertrat die Ansicht, dass das Herstellen von Nacktaufnahmen von Kindern nur dann unter Strafe gestellt werden darf, wenn diese für kommerzielle Zwecke produziert worden sind (vgl. Gesetzesentwurf des Freistaats Bayern), Protokoll-Nr. 18/28, S. 83. 69 Protokoll-Nr. 18/28, S. 38, S. 83. 70 Protokoll-Nr. 18/28, S. 111. 71 Hörnle sprach sich für die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots durch den Gesetzesentwurf aus, Protokoll-Nr. 18/28, S. 111; a. A. Eisele, Protokoll-Nr. 18/28, S. 83 und Deckers, Protokoll-Nr. 18/28, S. 59. 72 Eine ausführliche Darstellung der Vereinbarkeit einzelner Tatbestandsmerkmale des § 201a StGB mit dem Bestimmtheitsgebot erfolgt im 4. Kapitel, A. 73 Der Entwurf der CSU/CSU- und SPD-Fraktion wurde in dem Auswärtigen Ausschuss, dem Innenausschuss, dem Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Ausschuss für Gesundheit, dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Ausschuss Digitale Agenda beraten, vgl. BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 21 f. 74 Vgl. BT-Drucks. 18/3202 (neu).

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

ben wurden.75 Gleichzeitig normierte die Empfehlung die unbefugte Herstellung oder Übertragung von Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit des Abgebildeten zur Schau stellen. Diese Tatbestandsalternative enthielt keiner der vorher eingebrachten Gesetzesentwürfe und wurde erstmals in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz diskutiert. Der Ausschuss bestätigte die Sanktionsbedürftigkeit von Bildaufnahmen, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden und wollte entsprechende Verhaltensweisen mit § 201a Abs. 2 StGB-E sanktionieren. Wie bereits die Vorentwürfe vertrat der Ausschuss ebenfalls die Ansicht, dass eine Einschränkung des strafrechtlichen Bildnisschutzes aufgrund der dargestellten Strafbarkeitserweiterungen notwendig sei und bildete § 201a Abs. 4 StGB-E der Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB nach.76 Der federführende Ausschuss empfahl weiterhin, den Gesetzesentwurf der Bundesregierung für erledigt zu erklären.77 Am 14. November 2014 kam es im Bundestag zu umfassenden Debatten über diesen abschließenden Gesetzesvorschlag.78 Im Anschluss daran wurde er nach zweiter und dritter Lesung verabschiedet.79 Der Entwurf der Bundesregierung wurde, wie empfohlen, für erledigt erklärt.80

VI. Weiterer Gang des Gesetzgebungsverfahrens Die Beschlussfassung zur Zustimmung für ein 49. StÄG wurde für die 929. Sitzung des Bundesrats am 19. Dezember 2014 auf die Tagesordnung gesetzt81 und unter Verzicht auf eine Antragstellung gem. Art. 77 Abs. 2 GG gebilligt.82 Das 49. StÄG ist daraufhin am 21. Januar 2015 ausgefertigt und fünf Tage später im Bundesgesetzblatt verkündet worden.83 Gem. Art. 3 dieses Gesetzes trat das 49. StÄG am darauffolgenden Tag in Kraft.

VII. Auswertung des Gesetzgebungsverfahrens zum 49. StÄG § 201a StGB, wie er durch das 49. StÄG in das bestehende Konzept des StGB eingefügt worden ist, stellt eine Reaktion auf aktuelle Geschehnisse und Krimi75

BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 18. BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 29. 77 BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 3. 78 Stenografischer Bericht der 67. Sitzung des Deutscher Bundestages vom 14.11. 2014 – Plenarprotokoll 18/67, S. 6337 ff. 79 Plenarprotokoll 18/67, S. 6351. 80 Plenarprotokoll 18/67, S. 6351; BR-Drucks. 422/14. 81 Tagesordnung der 929. Sitzung des Bundesrates vom 18.12.2014, S. 4. 82 Stenografischer Bericht der 929. Sitzung des Bundesrates vom 19.12.2014 – Plenarprotokoll 929, S. 415; BR-Drucks. 574/14 (Beschluss). 83 BGBl. 2015 Teil I Nr. 2, S. 10 ff. 76

B. Reformvorschläge nach dem 49. StÄG

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nalitätsentwicklungen dar. Neben der Reaktion auf den Anstieg von Cybermobbing sollten mit der Reform Strafbarkeitslücken im Bereich der kommerziellen Vermarktung von Nacktaufnahmen von Minderjährigen ohne Sexualbezug geschlossen werden. Weitere Grundlage für das 49. StÄG waren europarechtliche Vorgaben, die allerdings keinerlei Handlungspflichten im Bereich des Persönlichkeitsschutzes begründeten. Die endgültige Formulierung des § 201a StGB n. F. stellt eine Verschmelzung der unterschiedlichen Gesetzesentwürfe dar. Dies kann sicherlich der Regierungssituation im Zeitpunkt der Gesetzgebungsphase zugeschrieben werden.84 Der zunächst sehr weitgefasste Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, der federführend von dem SPD geleiteten Bundesjustizministerium85 eingebracht worden war, hat eine nachhaltige Entwicklung durchlaufen, bei der einige strafbarkeitsreduzierende Aspekte aus dem bayerischen Entwurf übernommen worden sind.86 Eine Strafbarkeitsvorverlagerung und -verschärfung durch die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit oder einer Amtsträgerqualifikation, wie noch für das 36. StÄG teilweise gefordert, wurde während des gesamten Gesetzgebungsverfahren nicht in Erwägung gezogen.

B. Reformvorschläge nach dem 49. StÄG Die Landesregierungen von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin haben am 4. Mai 2016 einen Entwurf zur Änderung des StGB – Effektive Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ 87 sowie Verbesserung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen dem Bundesrat vorgelegt.88 Der Entwurf zielt auf eine erneute Reformierung des § 201a StGB ab. Durch den Gesetzesantrag soll es zu einer Schließung von Strafbarkeitslücken im Bereich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes kommen. Neben der Änderung der Normüberschrift in „Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Bildaufnahmen“ wird in dem Entwurf vorgebracht, den persönlichen Schutzbereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes in Absatz 1 und 2 auf Verstor84 Das Gesetzgebungsverfahren fällt in die Zeit der Großen Koalition im Rahmen der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. 85 BMJV, http://www.bmjv.de/DE/Ministerium/Hausleitung/Hausleitung_node.html; jsessionid=AF960112149635BE59F5959F19417DFE.1_cid324 (besucht am 15.04. 2016). 86 Eine umfassende Darstellung der rechtlichen Einordnung des § 201a Abs. 4 StGB folgt im 4. Kapitel, B., I. 87 Unter dem Begriff der „Gaffer“ werden Personen verstanden, die extrem schaulustig und neugierig agieren und zur Befriedigung der eigenen Sensationsgier gewillt sind, in Rechtspositionen Dritter einzugreifen, indem sie diese beobachten oder mit Hilfe technischer Geräte optisch aufzeichnen, Hunsicker/Belz, jM 2016, 160. 88 Vgl. BR-Drucks. 226/16.

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

bene auszuweiten.89 Durch die Strafbarkeitserweiterung des § 201a StGB n. F. auf Bildaufnahmen von Verstorbenen soll es zu einer Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommen und der den Entwurfsverfassern lückenhaft erscheinende Persönlichkeitsschutz des § 201a StGB n. F. komplementiert werden. Des Weiteren enthält der Gesetzesentwurf erstmals seit den Gesetzesbestrebungen von 2003 eine Versuchsstrafbarkeit. Die Notwendigkeit einer derartigen Strafbarkeitsvorverlagerung wird damit begründet, dass eine Sanktionierung von „Gaffern“ nicht davon abhängen dürfe, ob diese bei einem Unfall noch auslösen konnten oder von Rettungskräften oder anderen Personen abgehalten worden sind.90 Der Gesetzesentwurf wurde in der 945. Sitzung des Bundesrats federführend an den Rechtsausschuss weitergeleitet91 und am 3. August 2016 in unveränderter Form an den Bundestagspräsidenten zur Beschlussfassung übermittelt.92 Mit den Parlamentswahlen im September 2017 ist dieser Gesetzesentwurf jedoch dem Diskontinuitätsprinzip unterfallen.

C. Rechtliche Entwicklung bis zum 49. StÄG Der Reformierung des § 201a StGB liegt eine über 100-jährige Entwicklung im Bereich des rechtlichen und vor allem auch des strafrechtlichen Umgangs mit Bildaufnahmen zugrunde. Wesentliche Aspekte und Eckpunkte dieser Entwicklung, die auch auf die heutige Gesetzeslage sowie den rechtlichen Umgang mit Fotografien und Videoaufnahmen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben, sollen im Folgenden übersichtsartig dargestellt werden.

I. Kunsturhebergesetz Nach zwei Aufsehen erregenden Fällen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Rufe nach einem strafrechtlichen Bildnisschutz erstmals lauter.93 So wurden durch die Begründungen des Reichsgerichts in der „Dame im Badekleid-Entscheidung“ 94 und der „Bismarck-Entscheidung“ 95 eindrucksvoll offengelegt, dass 89

BR-Drucks. 226/16, S. 1 f. BR-Drucks. 226/16, S. 6. 91 Plenarprotokoll 945, S. 191; BR-Drucks. 226/16 (Beschluss), S. 5. 92 BT-Drucks. 18/9327, S. 5. 93 Vgl. Kohler, Das Eigenbild im Recht, S. 14; Keyßner, Das Recht am eigenen Bild, S. 2 ff., S. 31 f.; Becker, in: Erler/Kaufmann/Stammler u. a., Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Band III, 1626 f. Ausführliche Darstellung der Diskussion bei Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, S. 20 ff. 94 Die Reichsgerichtsentscheidung „Dame im Badekleid“ vom 29.11.1889 zeigte bereits frühzeitig die Rechtslücken im Bereich des Bildnisschutzes auf. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt wurde eine junge Frau, nur einen Badeanzug tragend, heimlich 90

C. Rechtliche Entwicklung bis zum 49. StÄG

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die damaligen Normierungen keinen Schutz vor unbefugt hergestellten Fotografien und einer anschließenden Verbreitung boten. Diese rechtlichen Lücken im Bereich des Rechts am eigenen Bild sollten mit der Einführung des Kunsturhebergesetzes 1907 geschlossen werden. Wesentliches Ziel dieser Gesetzgebungstätigkeiten war einen wirksamen rechtlichen Schutz gegen die ersten „Paparazzi“ zu kodifizieren und den Gerichten eine Sanktionsmöglichkeit in Fällen der unbefugten Veröffentlichung von Bildnissen an die Hand zu geben. 1902 reagierte der Gesetzgeber auf die kritischen Stimmen aus der Literatur und nahm die Arbeiten an einem Entwurf zu einem Fotografiegesetz auf.96 Gem. § 14 dieses Entwurfs sollte das Recht am eigenen Bild umfassend geschützt werden.97 Der Entwurf für das Kunsturhebergesetz wurde nur zwei Jahre später, 1904, von dem Gesetzgeber vorgelegt. Dieser Entwurf normierte ebenfalls einen rechtlichen Bildnisschutz.98 Da der Inhalt der beiden Entwürfe größtenteils gleichlautend war,99 empfahl der 27. Deutsche Juristentag,100 nach langandauernden Diskussionen über die Notwendigkeit eines rechtlichen Bildnisschutzes, einstimmig, die beiden Gesetzesentwürfe zusammenzufassen.101 Am 9. Januar 1907 im Ostseebad Cranz fotografiert. Die Aufnahmen wurden danach auf Briefbeschwerer und andere Gegenstände gedruckt, die anschließend gewerbsmäßig vertrieben wurden. Durch die Aufnahmen wurde in der Öffentlichkeit der Anschein erweckt, die Dame habe sich freiwillig in einem so intimen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Kleidungsstück fotografieren lassen und sei mit der Vermarktung ihres Erscheinungsbildes einverstanden. Diese Situation schien zur damaligen Zeit geeignet, das Ansehen der Dame in der Allgemeinheit erheblich zu schädigen. Da 1889 weder das Zivilrecht, noch strafrechtliche Normen das heimliche Fotografieren oder das unbefugte Verbreiten von Bildaufnahmen sanktionierten, wich das zuständige Gericht auf den Beleidigungstatbestand aus, obwohl dieser an sich den wörtlichen Kommunikationsprozess vor Augen hatte. Die Rechtsprechung legte zu dieser Zeit die Voraussetzungen für § 185 StGB im Verhältnis zu der unberechtigten Herstellung und Verbreitung von Fotografien weit aus, wenn die Umstände des Einzelfalls dies zuließen, um dem Schutzbedürfnis der unfreiwillig Abgebildeten nachkommen zu können. Die Entscheidung ist abgedruckt bei Kohler, Das Eigenbild im Recht, S. 32 f. 95 Ausführliche Darstellung der Entscheidung im 3. Kapitel, F., I., 2. 96 Umfassende Darstellung der Entstehung des KUG bei Temuulen, Das Recht am eigenen Bild, S. 43 ff. und Metz, Das Recht Prominenter am eigenen Bild in Kollision mit Drittinteressen, S. 92 ff. 97 Abgedruckt bei Kohler, Das Eigenbild im Recht, S. 25. Vgl. auch Osterrieth, Das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, S. 6. 98 Osterrieth, Das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, S. 6. 99 § 22 des Entwurfs zu einem Kunsturhebergesetz und § 14 des Entwurfs zu einem Fotografiegesetz von 1902 enthielten beide ein Einwilligungsbedürfnis des Abgebildeten in die Veröffentlichung des Bildnisses. Dieses Einwilligungsbedürfnis bestand über den Tod des Abgebildeten hinaus und sollte sich automatisch auf die überlebenden Angehörigen übertragen. 100 Vgl. Verhandlungen des 27. Deutschen Juristentages (Innsbruck 1904), Band 4. 101 Vgl. Stenografischer Bericht über die Verhandlungen des Reichstages, 11. Legislaturperiode, II. Session, erster Sessionsabschnitt 1905/1906, S. 1530 f.

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

verabschiedete der Reichstag ein Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste sowie der Fotografie.102 Bereits einige Jahre nach dem Inkrafttreten wurde das KUG von dem Schöffengericht Ahrensbök in einer prominenten Entscheidung herangezogen.103 Die „Berliner Illustrierte“ veröffentlichte am Gründungstag der Weimarer Republik eine Fotoaufnahme von Ebert und Noske, auf dem der Reichspräsident wie auch der Reichswehrminister nur Badekleidung trugen.104 Die Verantwortlichen der Zeitung wurden von dem Schöffengericht Ahrensbök von dem Vorwurf der gewerbsmäßigen Verbreitung einer Fotografie ohne Genehmigung gem. §§ 22, 33 Abs. 1 KUG freigesprochen, da Ebert und Noske Personen der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellten und es somit einer Einwilligung in die Veröffentlichung der Aufnahme nicht bedürfte. Die Voraussetzungen einer möglichen Rückausnahme gem. § 23 Abs. 2 KUG konnten nicht festgestellt werden, da das Schöffengericht die Ansicht vertrat, dass jede Person selbst die Verantwortung trage, wie sie sich an einem öffentlichen Ort zeige und möglichen Fotografen präsentiere.105 Diese Entscheidung sollte in den kommenden Jahrzehnten allerdings nicht die Einzige bleiben, bei der prominente Personen Schutz in den Normierungen des KUG suchten. Das KUG wurde bis zu seiner heutigen Fassung noch einige Male abgeändert.106 1965 erfolgte die gravierendste Umarbeitung durch die Neukodifizierung des Urhebergesetzes.107 Gem. § 141 Nr. 5 UrhG wurde das KUG von 1907 komplett aufgehoben, soweit es nicht den Bildnisschutz betraf, sodass die §§ 22, 23, 33 KUG noch heute in Kraft sind.

II. Die Reformbemühungen von 1962 und der Alternativentwurf von 1971 Anfang der 1960er Jahre wurde erstmalig nach Einführung des KUG die Reformdiskussionen im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes wiederaufgenommen. Es wurde verstärkt über diesen Rechtsbereich, die Notwendigkeit entsprechender Normierungen und deren mögliche Ausgestaltung diskutiert. 102 RGBl. 1907 Nr. 3, S. 7. Das Kunsturhebergesetz trat am 1.7.1907 in Kraft. Das Gesetz betreffend den Schutz von Fotografien gegen unbefugte Nachbildungen von 1876 wurde durch die Einführung des Kunsturhebergesetzes außer Kraft gesetzt. 103 Schöffengericht Ahrensbök, 9.3.1920, Deutsche Juristen-Zeitung 25, 596. 104 Vgl. A. Koch, FAZ 30.4.2014, 6, mit Abdruck der dem Verfahren zugrunde liegenden Fotografie. 105 Schöffengericht Ahrensbök, 9.3.1920, Deutsche Juristen-Zeitung 25, 596. 106 Sehr ausführlich dargestellt bei Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 10 f.; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 89 f.; Metz, Das Recht Prominenter am eigenen Bild in Kollision mit Drittinteressen, S. 95. 107 BGBl. 1965 Teil I Nr. 51, S. 1273 ff.

C. Rechtliche Entwicklung bis zum 49. StÄG

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Der Entwurf eines Strafgesetzbuchs von 1962 sah die Schaffung eines Indiskretionsdelikts im Bereich der „Öffentlichen Erörterung fremder Privatangelegenheiten“ 108 in § 182 vor und bezog neben Tonträgern und Schriften auch die Weitergabe von Abbildungen und sonstigen Darstellungen in den Anwendungsbereich der Sanktionsnorm mit ein. Die Entwurfsverfasser von 1962 erkannten zwar die überaus wichtige Bedeutung des von der zivilrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Persönlichkeitsrechts und die gestiegene Gefährdung dieses Rechtsguts durch die kontinuierlich wachsende Sensationsgier der Gesellschaft und die technischen Neuerungen, wie Kleinkameras, Tonträgern und Abhörgeräten,109 dennoch enthielt der Entwurf noch keine explizite Regelung für einen umfassenden strafrechtlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild. So sah der Entwurf von 1962 beispielsweise noch keine strafrechtliche Sanktionierung der unbefugten Herstellung von Bildaufnahmen vor. Vielmehr sollte mit § 182 des Entwurfs ein umfangreicher Schutz vor Behauptungen mit ehrenrührigen Inhalten gewährt werden, da im Mittelpunkt dieser Sanktionsnorm der Schutz des Friedens des Einzelnen innerhalb seiner Intimsphäre und nicht dessen Recht am eigenen Bild stand.110 Als Reaktion auf diesen Entwurf zu einer Gesamtreformierung des deutschen Strafrechts von 1962 bildete sich der Alternativentwurf eines Strafgesetzbuchs heraus, der in seinem zweiten Halbband zu den Straftaten gegen die Person von 1971 neben einem Indiskretionsdelikt der „Öffentliche[n] Bloßstellung“ in § 145 StGB-AE auch erstmals einen umfassenden, die unbefugte Herstellung einer Bildaufnahme erfassenden strafrechtlichen Bildnisschutz in § 146 Abs. 2 StGBAE normierte.111 Der Alternativentwurf von 1971 sah eine Angleichung des unbefugten Abhörens mit dem unbefugten Abbilden einer Person für das deutsche Strafrecht vor. Eine derartige Strafbarkeitserweiterung erschien den Entwurfsverfassern notwendig, da ein Angriff durch eine unbefugt hergestellte Bildaufnahme auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in seiner Intensität mit einer gegen den Willen einer Person durchgeführten Abhörmaßnahme gleichwertig schien.112 Weder der Entwurf eines Indiskretionsdelikts von 1962 (§ 182), noch der Alternativentwurf von 1971 (§ 146) hat jemals Gesetzeskraft erlangt. Einzig die Sanktionsnorm der „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“, dem Entwurf von 1962 entstammend, wurde durch das „Gesetz zum strafrechtlichen Schutz gegen Missbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten“ 1967 in das Strafgesetzbuch als § 298 eingefügt.113 1974 wurde die Strafbarkeit der „Verletzung des Wortes“ durch das EGStGB in § 201 StGB übernommen.114 108 109 110 111 112 113

BT-Drucks. IV/650, S. 41, § 182. BT-Drucks. IV/650, S. 326. BT-Drucks. IV/650, S. 329. Vgl. Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 8. Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 33. BGBl. 1967 Teil I Nr. 75, S. 1360.

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

Im Rahmen der Gesetzesreformierungen von 1974 wurde bewusst auf die Einführung eines Indiskretionsdelikts, wie auch auf die Einführung eines strafrechtlichen Bildnisschutzes, verzichtet. Es herrschte Uneinigkeit, ob derartige strafrechtliche Normierungen neben den bereits bestehenden zivilrechtlichen Möglichkeiten zum Schutz der Privatsphäre überhaupt notwendig seien.115 Es wurde vorgebracht, entsprechende Vorstöße würden den Gesetzesentwurf erheblich belasten. Gleichzeitig sah man kein aktuelles Bedürfnis, den strafrechtlichen Schutz auf unbefugt hergestellte Bildaufnahmen zu erweitern.116 Eine Entscheidung über diese Problematik sollte „einer späteren Überprüfung vorbehalten bleiben“ 117.

III. 36. StÄG Eine „Überprüfung“ der Notwendigkeit eines strafrechtlichen Bildnisschutzes, wie sie in der Begründung zum EGStGB von 1974 durch den Gesetzgeber in Aussicht gestellt worden war, unterblieb daraufhin fast drei Jahrzehnte. Die Diskussion über die Notwendigkeit eines über § 33 KUG hinausgehenden strafrechtlichen Bildnisschutzes wurde erstmals wieder im Jahr 2001 auf politischer Ebene geführt, als das Land Baden-Württemberg in einem Entschließungsantrag den Gedanken ausformulierte, heimlich hergestellte Bildaufnahmen strafrechtlich zu sanktionieren.118 Es sollte jedoch einzig das heimliche, sexuell motivierte Beobachten, Fotografieren oder Filmen einer anderen Person in dessen Wohnung, in einer Toilette oder einer Umkleidekabine sanktioniert werden.119 Kurze Zeit später rügte der Bundesbeauftragte für Datenschutz eindringlich die strafrechtliche Ungleichbehandlung von heimlichen Bild- und Tonaufnahmen in seinem 18. Tätigkeitsbericht von 1999 und 2000. Nach damaliger Rechtslage hatte ein von einer unbefugten Bildherstellung Betroffener einzig die Möglichkeit, nach der ohne seine Einwilligung erfolgten Bildnisveröffentlichung Strafantrag gem. § 33 Abs. 2 KUG zu stellen oder im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens Unterlassungsansprüche gem. § 1004 Abs. 1 BGB gegen die weitere Veröffentlichung oder Schadensersatzansprüche gem. § 823 Abs. 1 BGB geltend zu machen.120 Der Abgebildete musste, bildlich gesprochen, abwarten, bis das 114

BGBl. 1974 Teil I Nr. 22, S. 486. Vgl. dazu auch die Ausführungen von Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 77. 116 BT-Drucks. 7/550, S. 235 f. 117 BT-Drucks. 7/550, S. 236. 118 Vgl. BR-Drucks. 158/01. 119 Vgl. BR-Drucks. 158/01, S. 2. 120 BGH, 16.9.1966 – VI ZR 268/64, NJW 1966, 2353 ff.; Kammergericht, 5.5.2000 – 9 U 555/00, ZUM 2001, 236 ff.; Schertz, AfP 2005, 421, 423; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 42 f.; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 107 ff.; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 51 ff.; Sprau, in: Palandt, § 823, Rn. 112 a. 115

C. Rechtliche Entwicklung bis zum 49. StÄG

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„Kind in den Brunnen gefallen war“, um rechtlich gegen entsprechende Aufnahmen vorgehen zu können. Der Bundesdatenschutzbeauftragte forderte in seinem Bericht von 2001 den Gesetzgeber auf, im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes tätig zu werden und die seit 1967 bestehende rechtliche Ungleichbehandlung von Bild- und Tonaufnahmen zu beseitigen.121 Daneben erschien ein Tätigwerden des Gesetzgebers auf Grund der rapiden technischen Entwicklungen im Bereich der Videotechnik, des Internets und der Miniaturisierung von Aufnahmegeräten notwendig.122 Mit Bezug zu den Äußerungen des Bundesdatenschutzbeauftragten arbeitete die FDP-Fraktion kurze Zeit später einen ersten Gesetzentwurf für einen verbesserten Schutz der „Intimsphäre vor der Verletzung durch Beobachtung“ aus.123 Dieser erste Entwurf wurde am 28. Februar 2002 im Bundestag diskutiert und an den Rechtsausschuss überwiesen.124 Dort wurde an diesem allerdings nicht mehr weitergearbeitet, sodass diese Bemühungen, bereits in der 14. Legislaturperiode des Bundestags einen Bildnisschutz im StGB zu kodifizieren, im Sande verliefen. In seinem 19. Tätigkeitsbericht125 – aus dem Jahr 2003 – wies der Bundesdatenschutzbeauftragte nochmals auf die damaligen Strafbarkeitslücken im Bereich der Herstellung heimlicher Bildaufnahmen hin. Kurze Zeit später wurden fünf voneinander unabhängige Gesetzesentwürfe erarbeitet.126 Grundlage der Gesetzgebungstätigkeiten zum 36. StÄG war ein, die vorherigen Gesetzesentwürfe zusammenfassender, fraktionsübergreifender Entwurf vom 10. Februar 2004, der als Schutzgut des § 201a StGB a. F. erstmals den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ benannte. Auch normierte dieser eine Strafbarkeitsrestriktion durch das Erfordernis des räumlichen Schutzbereichs in Form einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum.127 Der fraktionsübergreifende Entwurf sah, anders als die Entwürfe der FDP- und CDU/CSU-Fraktion, weder einen Qualifikationstatbestand für Amtsträger, noch eine Bagatellklausel oder einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund vor. In Abweichung zu allen vorherigen Entwürfen kannte der fraktionsübergreifende Entwurf auch keine Versuchsstrafbarkeit.128 121

BT-Drucks. 14/5555, S. 22, 57. BT-Drucks. 14/5555, S. 22, 57. 123 Vgl. BT-Drucks. 14/7193. 124 Stenografischer Bericht der 221. Sitzung des Bundestages vom 28.2.2002 – Plenarprotokoll 14/221, S. 21992, S. 22005 ff. 125 Vgl. BT-Drucks. 15/888, S. 50 f. 126 Gesetzesentwurf der FDP-Fraktion vom 29.1.2003 (BT-Drucks. 15/361); Gesetzesentwurf der CDU/CSU-Fraktion vom 11.3.2003 (BT-Drucks. 15/533); Gesetzesentwurf des Landes Baden-Württemberg ebenfalls vom 11.3.2003 (BR-Drucks. 164/03); Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 5.11.2003 (BT-Drucks. 15/1891); Fraktionsübergreifender Gesetzesentwurf vom 10.2.2004 (BT-Drucks. 15/2466). 127 Vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 3. 128 Vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 3. 122

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1. Kap.: Der Bildnisschutz im Internetzeitalter – Historische Entwicklung

In der Bundestagssitzung vom 12. Februar 2004 wurde in der ersten Beratung beschlossen, den fraktionsübergreifenden Entwurf an den Rechtsausschuss als federführenden Ausschuss zu verweisen.129 Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 28. April 2004 entsprach dem endgültigen Gesetzeswortlaut des § 201a StGB a. F.130 Dies stellte im Wesentlichen den fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf dar. Am 29. April 2004 wurde der modifizierte Gesetzesentwurf durch den Bundestag in Form der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses einstimmig in der zweiten und dritten Lesung angenommen.131 Das 36. StÄG wurde am 30. Juli 2004 ausgefertigt und am 5. August 2004 im Bundesgesetzblatt verkündet.132 Gem. Art. 2 dieses Gesetzes trat das 36. StÄG am darauffolgenden Tag in Kraft. Erstmals, knapp 100 Jahre nach Inkrafttreten des KUG, kam es in Deutschland zu einer strafrechtlichen Sanktionierung der unbefugten Herstellung von Bildaufnahmen.

129 Stenografischer Bericht der 91. Sitzung des Bundestages vom 12.2.2004 – Plenarprotokoll 15/91, S. 8059. 130 Vgl. BT-Drucks. 15/2995. 131 Stenografischer Bericht der 105. Sitzung des Bundestages vom 29.4.2004 – Plenarprotokoll 15/105, S. 9541. 132 BGBl. 2004 Teil I Nr. 41, S. 2012.

2. Kapitel

Notwendigkeit der Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG Bereits vor dem 49. StÄG war es möglich, mit strafrechtlichen Sanktionen auf unbefugte Bildaufnahmen zu reagieren und die damit einhergehenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu sanktionieren.1 Zu überlegen ist nun, ob eine Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf eine Vielzahl weiterer Handlungsalternativen und Lebenssituationen wirklich notwendig und erforderlich gewesen ist.

A. Problem 1: Notwendigkeit I. „Fragmentarisches Strafrecht“ Der Begriff des „fragmentarischen Charakters des Strafrechts“ wurde erstmals 1902 von Karl Binding in der 2. Auflage seines „Lehrbuchs zum Gemeinen Deutschen Strafrecht“ verwendet.2 Anders als das heutige Begriffsverständnis verstand Binding den fragmentarischen Charakter des deutschen Strafrechts nicht als ein Qualitätsmerkmal, sondern als einen Kritikpunkt.3 So warf Binding dem 1 Nach der Einführung des § 201a StGB a. F. im Jahre 2004 wurde in der Literatur umfassend diskutiert, ob eine Neupönalisierung im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes zum Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs und der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person eine notwendige und erforderliche Strafbarkeitserweiterung dargestellt hat. So beispielsweise Pollähne, KritV 2003, 387, 394 ff.; Gola, RDV 2004, 215, 217; Kühl, AfP 2004, 190, 191; A. Koch, GA 2005, 589, 600 f.; Eisele, JR 2005, 6, 7; Schertz, AfP 2005, 421, 423 f.; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 18 ff.; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 105 ff.; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 243 ff.; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 14 f.; Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 109 f.; Hegemann, in: Jacobs/Papier Hans-Jürgen/ Schuster, Festschrift für Peter Raue, 445, 456 f.; Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 168 ff.; ders., in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 215 ff.; Hegemann, in: Jacobs/Papier Hans-Jürgen/Schuster, Festschrift für Peter Raue, 445, 451 f. Eine a. A. vertretend Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 f.; Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441, 442 ff. 2 Vgl. Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, 2. Aufl., S. 20. 3 Hefendehl, JA 2011, 401; Zaczyk, ZStW 123, 691. Vgl. nochmals Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, 2. Aufl., S. 20 ff.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

damaligen Gesetzgeber vor, im Strafrecht nur Gelegenheitsgesetze zu erlassen, ohne jegliche Methodik und Systematik vorzugehen und sich „die Handlungen vor die Füße spülen“ zu lassen, die er dann im Rahmen des Strafrechts zu sanktionieren gedenke.4 Heute wird die fragmentarische Eigenschaft des Strafrechts anders verstanden. Aus dem einstigen Kritikpunkt hat sich ein elementarer Grundsatz entwickelt, der teilweise sogar als naturhaftes Charaktermerkmal des Strafrechts behandelt und verstanden wird.5 Aus diesem wird geschlossen, dass das Strafrecht nicht allumfassend sein soll und darf, sondern als ultima ratio nur einzugreifen hat, wenn andere Mittel versagen.6 Es ist nicht Aufgabe des Strafrechts, jedes unmoralische und unangemessene Verhalten zu pönalisieren, sondern es hat erst bei besonders schweren Unrechtsverwirklichungen, die ein strafbewehrtes Verbot legitimieren, einzugreifen. Nach heutigem Verständnis ist das Strafrecht kein allumfassendes System staatlicher „Fürsorge“, sondern es ist in Bezug auf Verhaltensweisen, die als nicht hinnehmbar und damit strafwürdig erscheinen, auf einen gesellschaftlichen Minimalkonsens zu beschränken.7 Durch diese Beschränkung auf ausgewählte Angriffs- und Verletzungshandlungen und der damit verbundenen Restriktion strafrechtlicher Sanktionen wird dem „schärfsten Schwert“ des Gesetzgebers besondere Kraft verliehen.8 Folge des so entstandenen fragmentarischen Charakters sind Lücken innerhalb des strafrechtlichen Schutzgebildes. Diese Lücken im Strafrecht sind somit nicht zwangsläufig zu schließen, sondern stellen ein Kennzeichen eines freiheitlichen Rechtsstaats9 sowie eines liberalen Strafrechts10 dar. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Lücken im Strafrecht bestehen bleiben müssen, sondern nur, dass diese nicht einzig mit dem Argument, es bestehe eine solche, in Form einer „Carte blanche“, geschlossen werden können. Auf Grundlage dieser Erwägungen ist für jede Strafbarkeitserweiterung im Einzelfall zu überprüfen, ob ein Strafbedürfnis besteht, ob trotz des fragmentarischen Charakters des Strafrechts eine „Lückenschließung“ notwendig ist und ob diese mit dem strafrechtlichen System von Recht, Freiheit und Sanktionen in Einklang steht. 4

Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, 2. Aufl., S. 20. Zaczyk, ZStW 123, 691. 6 Hefendehl, JA 2011, 401; Reum, Cybermobbing, S. 231. 7 Leutheusser-Schnarrenberger, ZStW 123, 651. 8 Zaczyk, ZStW 123, 691, 692; Kühl, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 215. 9 Leutheusser-Schnarrenberger, ZStW 123, 651. So auch Vormbaum, ZStW 123, 661, 667, der den Grundsatz „in dubio pro libertate“ für einen Rechtsstaat beansprucht und damit klarstellen möchte, dass die staatliche Sanktionierung auf Grundlage strafrechtlicher Verbotsnormen den Ausnahmefall bilden muss. 10 Zaczyk, ZStW 123, 691, 707. 5

A. Problem 1: Notwendigkeit

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II. Notwendigkeit der Reformierung des § 201a StGB Der nur ausschnittsweise Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht ergibt sich aus dessen fragmentarischen Charakter. In dem Bereich des weit zu verstehenden Rechtsguts des „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ ist ein allumfassender Strafrechtsschutz weder sinnvoll, noch in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen möglich.11 So ergibt sich trotz der Nähe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu der durch Art. 1 Abs. 1 GG gewährten Menschwürde keine umfassende Pönalisierungspflicht für Verletzungen dieses Rechtsguts. Dessen enorme Bedeutung rechtfertigt jedoch zumindest eine partielle Einführung von Strafnormen zu ihrem Schutz. Dennoch dürfen die Teilgebiete des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, denen ein strafrechtlicher Schutz gewährt wird, nicht willkürlich ausgewählt werden, sondern es ist notwendig, dass vergleichbare Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht auch gleichermaßen bestraft werden.12 In dieser Hinsicht müssten sich die durch das 49. StÄG neu in den strafrechtlichen Bildnisschutz eingefügten Tatbestandsvarianten insbesondere mit den Voraussetzungen des § 201a StGB a. F. messen lassen und gleichermaßen schwerwiegende Eingriffe in den höchstpersönlichen Lebensbereich normieren. Eine Person, die sich außerhalb eines räumlichen Schutzbereichs in einer hilflosen Lage befindet, erscheint genauso schutzbedürftig, wie eine Person, die sich in einer solchen Situation in einem räumlichen Rückzugsbereich aufhält. Für in der Öffentlichkeit Befindliche ist es ebenfalls nicht möglich, sich vor unbefugten Bildaufnahmen zu schützen. Gleichzeitig ist es nicht erkennbar, wieso das Persönlichkeitsrecht einer hilflosen Person, die sich an einem öffentlich zugänglichen Ort befindet, weniger schutzwürdig sein soll, als das Persönlichkeitsrecht einer Person, die sich in einem räumlichen Rückzugsbereich aufhält. Der Einzelne kann durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit nicht immer Vorkehrungen treffen, um einer Bildaufnahme zu entgehen oder diese zumindest zu beeinflussen.13 Auch kann nicht pauschalisierend davon ausgegangen werden, dass eine Person, die sich nach draußen begibt, jegliche Schutzbedürftigkeit gegenüber der unbefugten Herstellung von Bildaufnahmen verliert, da sie damit zu rechnen habe, dass andere sie optisch wahrnehmen und möglicherweise fotografieren.14

11 Kühl, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 218. 12 Kühl, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 218; ders., in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 169. 13 So auch Ernst, NJW 2004, 1277, 1279; Kargl, ZStW 117, 324, 342; Safferling, Marburg law review 2008, 36, 40. 14 A. A. Cirullies, Protokoll-Nr. 18/28, S. 38.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

Gleichzeitig spielt sich das höchstpersönliche Leben nicht ausschließlich in Wohnungen oder vor Einblicken geschützten Räumlichkeiten ab.15 Es würde eine schwer verständliche Ungleichbehandlung darstellen, wenn eine Person, die in einem Wohnhaus die Treppe herunterfällt, vor neugierigen Kameraaugen geschützt, der mit dem Tode ringende schwer verletzte Radfahrer, der auf einer öffentlichen Straße liegt, diesen schutzlos ausgeliefert wäre.16 So darf für den Persönlichkeitsschutz nicht als einziges Merkmal entscheidend sein, dass es zu einer Sanktionierung der optischen Überwindung von erkennbaren Sichtbarrieren kommt, sondern es geht daneben auch um die Einhaltung ideeller Anstandsgrenzen, deren Überwindung ebenfalls einer strafrechtlichen Sanktionierung bedarf.17 § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB normiert keine sozialadäquaten Alltagshandlungen, sondern schwerwiegende Eingriffe in den persönlichen Lebensbereich der abgebildeten Personen. Auch die Verbreitung ansehensgefährdender Bildaufnahmen ist dem Unrechtskern nach mit § 201a Abs. 2, Abs. 3 StGB a. F. vergleichbar. So lässt sich als Argument für die Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes als Stichwort der „Online-Enthemmungseffekt“ anführen, der in den letzten Jahren zu einer rapiden Steigerung der Verbreitungszahlen diffamierender Bildaufnahmen geführt hat. Wegen des technischen Fortschritts im Bereich von Bildaufnahmegeräten und die Möglichkeit einer sofortigen und ständigen Übertragung und Verbreitung von Bildern durch das Aufnahmegerät selbst oder das Internet, ist es kaum möglich, eine Weitergabe derartiger Aufnahmen zu verhindern. Gleichzeitig ist die Gefahr „Opfer“ einer bloßstellenden Aufnahme zu werden in den letzten 10 Jahren rapide gestiegen. Die Verbreitung reputationsgefährdender Bildaufnahmen stellt ähnlich wie die Weitergabe von Bildaufnahmen, die eine andere Person innerhalb ihres räumlichen Rückzugsbereichs abbilden und in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzten, keine sozialadäquate Alltagshandlung dar, sondern greift in erheblicher Weise in deren persönlichen Lebensbereich ein und ist geeignet das komplette Leben der abgebildeten Person über einen langen Zeitraum hinweg negativ zu prägen. Des Weiteren erscheint es notwendig, Minderjährige vor jeglicher Art der Nacktaufnahmen, auch wenn diese keinen Sexualbezug aufweisen, zu schützen und den Handel mit derartigen Aufnahmen zu unterbinden.18 Die Persönlichkeit von Minderjährigen befindet sich noch in der Entwicklung, sodass die Gefahr besonders groß ist, dass gerade junge Menschen schwere Schäden von derartigen Aufnahmen, die noch Jahre danach in entsprechenden Kreisen und im Internet 15 Murmann, in: Bloy/Böse/Hillenkamp u. a., Gerechte Strafe und legitimes Strafrecht, 585, 596. 16 Vgl. Murmann, in: Bloy/Böse/Hillenkamp u. a., Gerechte Strafe und legitimes Strafrecht, 585, 598. 17 Kühl, AfP 2004, 190, 194. 18 Ebenso Weigend, ZStW 129, 513, 527.

A. Problem 1: Notwendigkeit

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kursieren können, erleiden. So ist es nicht verständlich, wieso ein Fotograf, der Aufnahmen von nackten Minderjährigen für den kommerziellen Handel in einem Hotelzimmer herstellt, ein strafbares Unrecht verwirklicht, der gleiche Fotograf die gleichen Bildaufnahmen für den gleichen Zweck in der Natur, auf einem Spielplatz oder an einem Strand straffrei herstellen und anschließend verbreiten können soll. Die negativen Auswirkungen derartiger Aufnahmen auf die Persönlichkeit der abgebildeten Minderjährigen werden, unabhängig vom Aufnahmeort, gleich stark ausgeprägt sein. Gleichzeitig kann auch in diesen Fällen das Argument, die Abgebildeten können ihr Erscheinungsbild im öffentlichen Raum mehr beeinflussen und schützen, da eher mit Aufnahmen zu rechnen sei, nicht überzeugen. So sind Kinder in ihrem Verhalten derart enthemmt und natürlich und in ihrer Einsichtsfähigkeit, abhängig ihres Alters, unreif19, dass ihnen ein umfassender Persönlichkeitsschutz vor persönlichkeitsverletzenden Bildaufnahmen nicht auf Grundlage utopischer Anforderungen an ihr Verhalten in der Öffentlichkeit verwehrt werden darf. Zugleich ist nicht erkennbar, wieso jemandem das Recht zustehen soll, außerhalb von Räumlichkeiten Minderjährige nackt fotografieren zu dürfen, um diese Aufnahmen gegen ein Entgelt veräußern zu können. Gegenüber Minderjährigen muss gewährleistet werden, dass diese von möglicherweise schädlich wirkenden Einflüssen abgeschirmt werden und unbeschadet aufwachsen können. Die Möglichkeit einer ungestörten Entwicklung der Persönlichkeit ist von staatlicher Seite mit allen zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu stärken.20 Die im Rahmen des 49. StÄG vorgenommenen Erweiterungen des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf weitere Tatalternativen stellt keine willkürliche Ausdehnung des partiellen Persönlichkeitsschutzes vor unbefugten Bildaufnahmen dar. „Gaffer-Fälle“, Mobbing durch Bildaufnahmen und der Handel mit Nacktaufnahmen von Minderjährigen ohne Sexualbezug stellen nicht nur ein unerfreuliches und unmoralisches Verhalten dar, sondern einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen, die mit der bildlichen Darstellung einer Person in ihrem räumlichen Rückzugsbereich und einhergehenden Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs mindestens auf gleicher Stufe stehen. Diese Verhaltensweisen stellen ein strafwürdiges Unrecht dar, sodass es notwendig erscheint, diese mit strafrechtlichen Sanktionen zu ahnden.21 Es handelt sich dabei um Geschehnisse, die einem unbeschwerten Zusammenleben in der Gesellschaft abträglich sind und einer freien Persönlichkeitsentfaltung außerhalb räumlicher Rückzugsbereiche entgegenstehen. Willkürlich erscheint nicht die Erweite19

BVerfG, 21.12.2011 – 1 BvR 2007/10, NJW 2012, 1062, 1064. BVerfG, 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 140; BVerfG, 21.12.2011 – 1 BvR 2007/10, NJW 2012, 1062, 1064. 21 Ebenso Paulsen, Kriminalistik 2017, 274, 276, der eine Anpassung der Rechtslage auf Grund der sich verändernden Kriminalitätsphänomene ebenfalls als notwendig ansieht. 20

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

rung der strafrechtlichen Sanktionierungen auf die Herstellung und Verbreitung derartiger Bildaufnahmen, sondern die ehemalige Grenze des strafrechtlichen Bildnisschutzes an der „Wohnungstüre“ bzw. „Hauswand“. So sollte § 201a StGB a. F. bei seiner Einführung 2004 dem § 201 StGB, der das Persönlichkeitsrecht ebenfalls schützt, nachgebildet werden.22 Der Anwendungsbereich des § 201 StGB ist allerdings weder auf einen räumlichen Rückzugsbereich begrenzt, noch setzt er die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs für eine Strafbarkeit voraus. Für die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes ist vor allem der Aufnahmeinhalt und nicht die Aufnahmemodalität entscheidend. Diese angestrebte Parallelität des strafrechtlichen Schutzes vor unbefugten Wort- und Bildaufnahmen wurde erst durch das 49. StÄG teilweise erlangt, indem der strenge Räumlichkeitsbezug für ausgewählte Situationen aufgehoben wurde und die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs bei gewissen Bildaufnahmen indiziert und teilweise komplett darauf verzichtet wird. Es ist gerade auch die Aufgabe des Strafrechts, auf neue Technologien und aktuelle Phänomene zu reagieren23 und, soweit erforderlich, in systematischer Weise zu pönalisieren. In Anbetracht der skizzierten Gefährdungslagen, stellen die entsprechenden Handlungen eine Verwirklichung strafwürdigen Unrechts dar, die eine Strafbarkeitserweiterung notwendig erscheinen lassen und mit den Grundsätzen des fragmentarischen Charakters des Strafrechts vereinbar sind.

B. Problem 2: Erforderlichkeit I. Subsidiarität Mit dem Subsidiaritätsgrundsatz wird die Vorstellung verbunden, dass dem Strafrecht andere, nicht notwendigerweise rechtliche, Regelungsmöglichkeiten vorrangig sind.24 Da das Strafrecht als „ultima ratio“ zu verstehen ist, sollten strafrechtliche Normierungen immer nur dann zur Anwendung kommen, wenn das fragliche Verhalten nicht in gleicher Weise, jedoch durch weniger einschneidende Maßnahmen hätte unterbunden werden können.25 Die Strafe stellt die 22

Vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 4. Zaczyk, ZStW 123, 691, 708. 24 Hefendehl, JA 2011, 401; A. Koch, Die Entkriminalisierung im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung und Tötung, S. 123; Kühl, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 215; Kühl, in: Dölling/Götting/Meier u. a., Verbrechen – Strafe – Resozialisierung, 419, 423; Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band I, § 2, Rn. 28. Allgemeine Ausführungen zu der Bedeutung und Notwendigkeit des Subsidiaritätsprinzips für das Strafrecht bei Kühl, in: Lackner/Kühl, Vor § 13, Rn. 3. 25 Schünemann, ZStW 90, 11, 41; Vormbaum, ZStW 123, 661, 669; Köhne, ZRP 2014, 141, 142; Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band I, § 2, Rn. 38; A. Koch, Die 23

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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schärfste Sanktion des Staats gegenüber den Bürgern dar.26 Ihr wohnt neben einem Missbilligungs- und Tadelscharakter27 auch eine Stigmatisierung und ein damit einhergehender ethischer Makel inne,28 der sich in einer Vielzahl von über den rechtlichen Bereich hinausgehenden Lebenssituationen bemerkbar machen kann. Dieses Reaktionsmittel sollte von staatlicher Seite immer nur dann eingesetzt werden, wenn ein Verhalten aufgrund seiner Gefährlichkeit und Verwerflichkeit tatsächlich strafrechtlicher Sanktionen bedarf.29 Vor einer Neueinführung strafrechtlicher Verbotsnormen ist daher zunächst zu prüfen, ob nicht bereits Normen des Zivilrechts, des öffentlichen Rechts, des Nebenstrafrechts, bereits bestehende Strafnormen oder auch die Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers geeignet erscheinen, auf die in Frage stehenden Verhaltensweisen zu reagieren.

II. Selbstschutz Der Selbstschutz stellt das mildeste Mittel dar, das jedem Einzelnen zur Verfügung steht, um potentielle Angriffe von seinen Rechtsgütern abzuwehren.30 Wäre es nun jedem Einzelnen möglich, sich in zumutbarer Weise vor der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 StGB umfassend selbst zu schützen, wäre eine Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG auf Grundlage der Subsidiaritätserwägungen nicht erforderlich gewesen. Ein absoluter Schutz vor der unbefugten Herstellung jeglicher Art von Bildaufnahmen ist jedoch nicht einmal in einer Wohnung oder einer gegen Einblicke besonders geschützten Räumlichkeit möglich.31 Nur wenn ein Raum komplett von der Außenwelt abgeschottet ist, eine Person sich alleine in diesem aufhält und kein Einblick von außen möglich ist, wäre ein absoluter Schutz vor BildaufEntkriminalisierung im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung und Tötung, S. 123; Jones, Mobile internetfähige Geräte im Strafrecht, S. 61 f. 26 Leutheusser-Schnarrenberger, ZStW 123, 651; Hüneke, ZJJ 2016, 135, 136; Jones, Mobile internetfähige Geräte im Strafrecht, S. 61. 27 Kühl, Die Bedeutung der Rechtsphilosophie für das Strafrecht, S. 26 ff. 28 So auch Vormbaum, ZStW 123, 661, 669. 29 Vormbaum, ZStW 123, 661, 669; Kühl, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 215; Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band I, § 2, Rn. 38. 30 Schünemann, ZStW 90, 11, 41. 31 Ausführliche Darstellung bei Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 19 f.; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 106 ff.; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 189 f. und anschließende Verneinung einer umfassenden und zumutbaren Selbstschutzmöglichkeit vor der unbefugten Herstellung von Bildaufnahmen, die einen innerhalb eines räumlichen Schutzbereichs darstellen und den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzen.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

nahmen jeglicher Art gewahrt. Sobald eine andere Person anwesend oder die Räumlichkeit für Andere, wenn auch nur partiell, einsehbar oder zugänglich ist, besteht theoretisch die Gefahr, bildlich abgebildet zu werden.32 Der ständige Aufenthalt in einem komplett von der Außenwelt abgeschotteten Raum stellt jedoch eine erhebliche Einschränkung der freien und selbstbestimmten Lebensweise dar, sodass dies als zumutbarer Selbstschutz, mit Blick auf das grundrechtlich gewährte Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit gem. Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG nicht gefordert werden kann.33 Ein entsprechendes Verhalten würde den effektiven Persönlichkeitsschutz nicht stärken, sondern ihm zuwiderlaufen. Befindet sich eine Person nun allerdings außerhalb ihres räumlichen Rückzugsbereichs, ist die Gefahr, unfreiwillig abgebildet zu werden um ein Vielfaches höher. So können detaillierte Aufnahmen aufgrund technisch hochentwickelter Tele- und Zoomobjektive34 auch über große Entfernungen und von den Betroffenen unbemerkt hergestellt werden. Personen, die sich nun in die Öffentlichkeit begeben, können jedoch nicht umfassend mit Hilfe strafrechtlicher Mittel vor der unbefugten Herstellung von Bildaufnahmen jeglicher Art geschützt werden, da an öffentlich zugänglichen Orten davon auszugehen ist, dass Dritte das Erscheinungsbild optisch wahrnehmen und dieses möglicherweise mit Hilfe von Aufnahmegeräten perpetuieren. Es kann allerdings auch nicht pauschalisierend davon ausgegangen werden, dass es Personen, die sich in den öffentlichen Lebensraum begeben, ständig zumutbar und möglich ist, ihr optisches Erscheinungsbild unter Kontrolle zu haben und zu schützen.35 So bedarf es eines strafrechtlichen Schutzes vor der unbefugten Herstellung von Bildaufnahmen in der Öffentlichkeit ab dem Zeitpunkt, ab dem die betroffene Person nicht mehr in der Lage ist, frei über ihr Erscheinungsbild zu disponieren und dieses umfassend selbst zu schützen. Es ist exemplarisch an Personen, die sich im öffentlichen Bereich in einer hilflosen Lage befinden und dadurch unfreiwillig ihren Selbstschutz verloren haben, zu denken. Für ein schwerverletztes Unfall- oder Gewaltopfer, einen stark Betrunkenen oder eine mit KO-Tropfen betäubte Person ist es nicht mehr möglich, das eigene Auftreten bewusst zu steuern und sich vor der Herstellung von Bildaufnahmen zu schützen. In derartigen Situationen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die betroffene Person ihre Selbstschutzmöglichkeiten freiwillig aufgegeben hat und keines 32 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 106. 33 Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 19. 34 Bosch, JZ 2005, 377, 378. 35 So im Ergebnis auch Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 174.

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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rechtlichen Schutzes mehr bedarf. Gleichzeitig ist durch die ständige Verfügbarkeit von Übertragungsmöglichkeiten die Gefahr einer raschen und unkontrollierten Verbreitung der Aufnahmen rapide gestiegen. Wegen dieser Aspekte, der regelmäßig fehlenden Kenntnis von der Existenz der Aufnahmen und der fehlenden alleinigen Zugriffsmöglichkeit, ist ein Selbstschutz gegen den Gebrauch oder die Verbreitung derartiger Aufnahmen für die abgebildete Person nicht möglich.36 Mit § 201a Abs. 2 sollte vor allem ein Zeichen gegen das Phänomen des Cybermobbings gesetzt werden.37 Für die Fälle von Mobbing ist es charakteristisch, dass sich die Betroffenen nicht gegen die Bloßstellungen und Verletzungen ihres Persönlichkeitsrechts durch reputationsgefährdende Bildaufnahmen zur Wehr setzen können. Charakteristisch für die Fälle des Cybermobbings ist die Verwendung von elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien und der Speicherung solcher Aufnahmen im Internet, internen Netzwerken oder bei Cloud-Diensten38.39 Für die Betroffenen ist eine Verhinderung der Weitergabe der Aufnahmen an Dritte aufgrund dieser Verbreitungsmittel bereits technisch kaum möglich. Die Aufnahmen sind so gut wie nicht löschbar und können innerhalb weniger Sekunden in die ganze Welt weitergeleitet werden.40 Selbst wenn der Betroffene es im Nachhinein schafft, die Originalaufnahme zu entfernen, hat dies keinerlei Auswirkungen auf die bereits verbreiteten Aufnahmen und die damit einhergehende Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Ein Selbstschutz gegen die Diffamierung und Belästigung durch die Weitergabe reputationsgefährdender Bildaufnahmen ist für den Betroffenen nur in wenigen, eher theoretisch gebildeten Fällen möglich. Teilweise wird vorgebracht, der neue Absatz 3 bewege „sich mindestens an der Grenze dessen was strafrechtlich regelbar ist“ 41, da er moralisierend in Alltägliches eingreife. Für Minderjährige wird es regelmäßig aber nicht möglich sein, sich gegen die Herstellung von Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug für entgeltliche Zwecke zu wehren. § 201a Abs. 3 StGB normiert gerade nicht den Fall, dass eine erwachsene Person sich bewusst nackt an einen Badestrand legt und 36 Ebenso Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 107. 37 BT-Drucks. 18/2601, S. 33. 38 „Cloud Dienste“ stellen IT-Infrastrukturen, wie beispielsweise Speicherplatz, über das Internet bereit. Den Nutzern wird dadurch die Möglichkeit gewährt, auf die abgespeicherten Daten von überall auf der Welt mit jeglichem Empfangsgerät zugreifen zu können. Auch kann der Zugriff zu einer Cloud weiteren Personen freigestellt werden, sodass Mehrere an unterschiedlichen Orten an ein und derselben Datei arbeiten können. Ausführliche Beschreibung des Begriffs des „Cloud-Computings“ bei Wicker, Cloud Computing und staatlicher Strafanspruch, S. 35 ff. 39 Brand, Kriminalistik 2015, 687, 688. 40 Cornelius, ZRP 2014, 164; Brand, Kriminalistik 2015, 687, 688; Paulsen, Kriminalistik 2017, 274, 275; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 2. 41 Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 26.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

somit freiwillig ihre Intimsphäre offenlegt und allgemein sichtbar darstellt,42 sondern er sanktioniert die Objektivierung Minderjähriger und ihres äußeren Erscheinungsbilds zu Waren. Auch wenn die Kinder und Jugendlichen bei der Herstellung derartiger Aufnahmen mitwirken, kann nicht von einer freiwilligen Aufgabe der Selbstschutzmöglichkeit gesprochen werden, sodass es einer strafrechtlichen Regelung nicht mehr bedürfe. Die Betroffenen werden in dem Aufnahmezeitpunkt regelmäßig nicht merken, dass Aufnahmen für den entgeltlichen Handel hergestellt werden oder verstehen die Auswirkungen ihres Handelns nicht, sodass ein Selbstschutz vom Grunde her nicht möglich ist. So sind Kinder und Jugendliche, abhängig von ihrem Alter, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung noch nicht derart gefestigt, dass sie sich, auch bei Kenntnis der Umstände, gegen einen Erwachsenen, zu dem sie eventuell ein Vertrauensverhältnis haben, zur Wehr setzen können. Ein umfassender Fremdschutz durch die Erziehungsberechtigten ist ebenfalls illusorisch, da diese teilweise selbst die Täter sind oder ihre Kinder, ohne Kenntnis der wahren Absichten der Täter, in deren Hände übergeben haben. Unter diesen Gesichtspunkten ist eine Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes, wie sie durch das 49. StÄG eingetreten ist, nicht entbehrlich, da es den Betroffenen gegenüber der dargestellten Verhaltensweisen an umfassenden Selbstschutzmöglichkeiten fehlt.

III. Zivilrecht Möglicherweise stellen zivilrechtliche Unterlassungs- und Entschädigungsansprüche eine in Betracht kommende Reaktionsmöglichkeit auf persönlichkeitsverletzende Bildaufnahmen dar, zumal das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als sonstiges Recht von § 823 Abs. 1 StGB geschützt wird43.44 Zwar ist die grundrechtliche Eingriffstiefe von zivilrechtlichen Reaktionen gegenüber strafrechtlichen Sanktionen geringer, dennoch ist deren Wirkweise nicht vergleichbar. So stoßen auf § 823 Abs. 1 BGB begründete Entschädigungsansprüche spätestens dann an ihre Grenzen, wenn sie dem Betroffenen durch ein Urteil zwar zugesprochen werden, allerdings die Vermögensverhältnisse des 42 Ein Erwachsener, der bewusst ein solches Verhalten an den Tag legt, hat es selbst in der Hand, seine Intimsphäre vor voyeuristischen Aufnahmen zu schützen. So im Ergebnis auch Eisele, JR 2005, 6, 8. 43 Sprau, in: Palandt, § 823, Rn. 112 a. 44 So auch Huff, NZM 2004, 535, 537 der bereits kurz nach Einführung des strafrechtlichen Bildnisschutzes im Jahr 2004 darauf verwies, dass § 201a StGB a. F. eine Vielzahl von Fällen erfassen könnte, die bis dato einzig mit Hilfe zivilrechtlicher Vorschriften (§§ 823, 1004 BGB) untersagt werden konnten. Ebenso Wieduwilt, K&R 2014, 627, 630.

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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Schädigers übersteigen.45 Gleichzeitig ist ein Zivilprozess für den durch die unbefugten Bildaufnahmen Betroffenen mit teilweise unüberschaubaren Kosten verbunden, da dieser als Kläger das Prozesskostenrisiko trägt und aufgrund der fehlenden Amtsermittlungspflicht im Zivilprozess die Beweiserhebung, wie auch die Beweisführung alleine zu bewältigen hat.46 Anders ist dies im Strafprozess, in dem gem. § 244 Abs. 2 StPO die Amtsermittlungspflicht gilt und im Falle eines Freispruchs die Staatskasse die Verfahrenskosten gem. § 467 Abs. 1 StPO übernimmt. Insbesondere kommt dem von einer unbefugten Bildaufnahme Betroffenen innerhalb eines Strafprozesses auch keine Parteistellung zu, sodass dieser als Zeuge gehört werden kann.47 Auch sind die Aufklärungsmethoden der Strafverfolgungsbehörden erfolgsversprechender, da diesen mehr Möglichkeiten zur Beweissicherung und -erhebung als einer Privatperson zur Verfügung stehen.48 Des Weiteren ist gem. der §§ 51, 52 ZPO im zivilrechtlichen Prozess nur prozessfähig, wer sich nach dem bürgerlichen Recht selbständig durch Verträge verpflichten kann. Diese Fähigkeit liegt allerdings bei Minderjährigen aufgrund ihrer Geschäftsunfähigkeit oder beschränkten Geschäftsfähigkeit nicht vor, sodass sie in einem zivilrechtlichen Prozess Ansprüche, die ihnen durch unbefugt hergestellte oder verwendete Nacktaufnahmen entstanden sind, nur geltend machen können, wenn sie beispielsweise durch ihre Eltern vertreten werden. Liegt nun der denkbare Fall vor, dass eines der Elternteile die fraglichen Nacktaufnahmen für einen entgeltlichen Zweck hergestellt hat, sieht sich der Betroffene im zivilrechtlichen Prozess bereits auf Ebene der Sachurteilsvoraussetzungen erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt,49 da der nicht prozessfähige Minderjährige zur gerichtlichen Geltendmachung etwaiger Ansprüche der Vertretung durch einen Ergänzungspfleger bedarf.50 Aufgrund des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern ist 45

Wendt, AfP 2004, 181, 188; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 118; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 340. 46 Wendt, AfP 2004, 181, 188; Kühl, AfP 2004, 190, 193; ders., in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 215; ders., in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 168; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 340; Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 110; Zöller, in: Zöller/ Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 696. 47 Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 192. 48 Eisele, JR 2005, 6, 7; Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 168. 49 Vgl. Ausführungen bei Lindacher, in: MüKo-ZPO, § 52 ZPO, Rn. 17. 50 Streitigkeiten zwischen Familienangehörigen über das Recht am eigenen Bild stellen keine Familienstreitsachen i. S. d. § 266 FamFG dar, sodass nicht das Familiengericht zuständig ist, sondern entsprechende Zivilabteilungen, OLG Karlsruhe, 8.7.2016 – 18 WF 183/15, NJW-RR 2016, 1158, 1159.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

eine Alleinvertretung durch das andere Elternteil in derartigen Konstellationen nicht möglich, da für die Gesamtvertretung der Grundsatz gilt, dass bei der rechtlichen Verhinderung eines von zwei Gesamtvertretern, der andere nicht wirksam handeln kann.51 Daneben ist die Abschreckungswirkung, die mit zivilrechtlichen Reaktionen verbunden ist, als eher gering einzuschätzen. Gerade Boulevardzeitungen lassen, trotz zu bezahlender Geldbußen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die unbefugte Herstellung und Verwendung von Bildaufnahmen, keine Umkehr in ihren Vorgehensweisen und Berichterstattungen erkennen.52 Aber auch im Bewusstsein der allgemeinen Bevölkerung übersteigt die Signalwirkung des Strafrechts die des Zivilrechts um ein Vielfaches. Das Strafrecht wirkt durch den ihm innewohnenden Tadelscharakter und der sozialethischen Missbilligung gegenüber strafrechtlicher Sanktionen präventiv.53 So geht mit einer strafrechtlichen Sanktion eine erhöhte Abschreckungswirkung einher, die mit einer drohenden Schmerzensgeldzahlung nicht erreicht werden kann.54 Dieser Effekt darf mit Blick auf die Reformierung des § 201a StGB nicht als unzulässige Moralisierung abgetan werden, da den neu in den strafrechtlichen Bildnisschutz eingefügten Tatvarianten anerkannte Rechtsgüter, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht und der höchstpersönliche Lebensbereich, zugrunde liegen und der Schutzumfang aufgrund restriktiver Tatbestandsmerkmale auf besonders gefährliche Begehungsweisen beschränkt ist.55 Neben Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen gewährt das Zivilrecht einem durch unbefugte Bildaufnahmen Betroffenen auch Ansprüche auf Unterlassung, Gegendarstellung und die Herausgabe ungerechtfertigt erlangter Bereicherungen. Diese Ansprüche werden dem Betroffenen im Bereich des Bildnisschutzes – ähnlich wie beim Schadensersatz – kaum einen Schutz gewähren, der mit dem des Strafrechts vergleichbar ist oder diesen gar übersteigt. Im Bereich der Verbreitung von Bildaufnahmen über das Internet werden möglicherweise be51 Der Ausschluss der Vertretungsmacht des einen Elternteils ergibt sich in solchen Konstellationen aus den §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB. Vgl. auch OLG Karlsruhe, 8.7.2016 – 18 WF 183/15, NJW-RR 2016, 1158, 1159. 52 Schertz, AfP 2005, 421, 426 f.; ders., in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 227. 53 Werwigk-Hertneck, ZRP 2003, 293, 294; Kühl, AfP 2004, 190, 193; ders., in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 169; vergleichbare Ansicht bei Schertz, AfP 2005, 421, 426; ders., in: Mann/ Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 227; Golz, IPRB 2015, 170, 171; a. A. Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441, 443. 54 Vgl. Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 191; Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 110. 55 Vgl. Kühl, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 216; ders., in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 169.

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stehende Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche neben den bereits dargelegten Aspekten bereits aus praktischen Gesichtspunkten an ihre Grenzen stoßen. Sobald eine Bildaufnahme auf einer Homepage oder in sonstiger Weise im Internet veröffentlicht wurde, kann eine weitere Verbreitung oder Vervielfältigung der Bildaufnahme weder kontrolliert noch nachvollzogen werden,56 geschweige denn durch zivilrechtliche Reaktionen verhindert oder unterbunden werden. Die Verpflichtung zur Beseitigung des online gestellten ursprünglichen Bildes wird dem Betroffenen keine Hilfe sein, um gegen die Existenz der in Frage stehenden Aufnahme im Internet und seine weitere Verbreitung anzukämpfen.57 Des Weiteren wird es im Bereich unbefugter Bildaufnahmen, die heimlich hergestellt wurden, regelmäßig an der Kenntnis der Betroffenen bezüglich der Existenz der Aufnahmen fehlen, sodass bereits die Einleitung zivilrechtlicher Reaktionen in einer Vielzahl von Fällen unterbleiben wird.58

IV. Strafrecht Mit Blick auf die durch das 49. StÄG in den strafrechtlichen Bildnisschutz eingeführten Tatbestandsvarianten erscheint es fraglich, ob eine derartige Strafbarkeitserweiterung angesichts der bereits bestehenden Strafnormen tatsächlich erforderlich gewesen war. 1. § 201a StGB a. F. Mit der Sanktionsnorm des § 201a StGB sollte 2004 ein umfassender Schutzmechanismus für das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor unbefugten Bildaufnahmen in das Strafrecht eingeführt und die erkannten Strafbarkeitslücken im Bereich des Bildnisschutzes in gebotener Weise geschlossen werden.59 Der räumliche Schutzumfang des § 201a StGB a. F. war jedoch in all seinen Tatbestandsvarianten auf die Wohnung oder den gegen Einblicke besonders geschützten Raum einer Person beschränkt. Der Gesetzgeber sah 2004 noch keinerlei Bedürfnis, die Herstellung oder Verbreitung von Bildaufnahmen zu sanktionieren, die eine Person außerhalb dieses Rückzugbereichs darstellten. In der Gesetzesbegründung wurde darauf verwiesen, dass eine Sanktionierung von Bildaufnahmen, die Lebenssituationen abbilden, die sich in der Öffentlichkeit oder zumindest in öffentlich zugänglichen Lokalitäten abspielen, weder mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, noch mit dem Übermaßverbot vereinbar wäre.60 Aufnah56

Su. Beck, MMR 2009, 736, 739. Su. Beck, MMR 2009, 736, 739; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 193. 58 Werwigk-Hertneck, ZRP 2003, 293, 294. 59 Vgl. beispielsweise BT-Drucks. 15/2466, S. 4. 60 BT-Drucks. 15/2466, S. 4. 57

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

men, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellten und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich des Abgebildeten verletzten, waren gem. § 201a Abs. 1 StGB a. F. nur strafbar, wenn sich die Person im Aufnahmezeitpunkt in einer räumlichen Schutzatmosphäre befunden hat. Die Herstellung, wie auch die Verbreitung von Bildaufnahmen, die eine hilflose Person in der Öffentlichkeit zeigten, stellte bis zu der Gesetzesreformierung 2015 kein Unrecht i. S. v. § 201a StGB a. F. dar, da davon ausgegangen wurde, dass eine Person im öffentlichen Bereich jederzeit damit rechnen müsse, abgebildet zu werden und keines strafrechtlichen Schutzes bedürfe61. Mit Blick auf dieses Begründungs- und Strafbarkeitsdefizit beinhaltet § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB im Verhältnis zu der vorherigen Gesetzeslage im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes einen eigenständigen Regelungsgehalt. Auch war das Zugänglichmachen von Bildaufnahmen, die dem Ansehen einer Person erheblich schaden können, nach der alten Gesetzeslage ebenfalls nur dann strafbar, wenn die abgebildete Szenerie in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum stattgefunden hat. Gleichzeitig wurde die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch derartige Aufnahmen nicht indiziert, sondern musste positiv festgestellt werden.62 Die Verbreitung indiskret hergestellter Bildaufnahmen, die eine für den Betroffene peinliche oder bloßstellende Situation abbildeten, blieb nach der Formulierung des § 201a StGB a. F. größtenteils straflos.63 Die unbefugte Herstellung von Nacktaufnahmen, unabhängig ob von Minderjährigen oder Volljährigen, konnte nach der alten Fassung des § 201a StGB zwar strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen,64 ebenfalls jedoch nur, wenn sich die abgebildete Person im Aufnahmezeitpunkt in einem räumlichen Schutzbereich befunden hat65 und eine notwendigerweise einhergehende Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs positiv feststellbar war. Nacktaufnahmen von Minderjährigen ohne Sexualbezug, die sich im Aufnahmezeitpunkt in einem einsehbaren Garten oder auf dem Spielplatz aufgehalten haben, auch wenn diese zu entgeltlichen Zwecken hergestellt worden sind, konnten nicht auf Grundlage des

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Wieduwilt, K&R 2014, 627, 628. Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. Im Rahmen der Gesetzesbegründung wurde explizit hervorgehoben, dass bei § 201a Abs. 2 StGB bewusst auf das Tatbestandsmerkmal der „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs“ verzichtet wurde, da bei bloßstellenden Bildaufnahmen, die ohne Einwilligung hergestellt worden sind, immer davon auszugehen sei, dass der höchstpersönliche Lebensbereich, wenn nicht sogar die Intimsphäre, der abgebildeten Person betroffen ist und sich jegliche Feststellungen dazu erübrigen. 63 So im Ergebnis auch A. Koch, GA 2005, 589, 597 und Cornelius, ZRP 2014, 164, 165. 64 Vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 65 Ebenso Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 8. 62

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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§ 201a StGB a. F. sanktioniert werden.66 Auch das Gebrauchen, der entgeltliche Erwerb oder der marktmäßige Handel mit solchen Aufnahmen stellte nach der alten Rechtslage kein strafbares Verhalten dar.67 Ein strafrechtlicher Schutz vor Bildaufnahmen, die das Opfer in der Öffentlichkeit oder einem öffentlich zugänglichen Bereich zeigten, konnte mit § 201a StGB a. F. nicht gewährt werden.68 Eine Vielzahl von Verhaltensweisen, die ein vergleichbares Unrecht verwirklichten, wie Verhaltensweisen, die bereits vor dem 49. StÄG von dem strafrechtlichen Bildnisschutz erfasst waren, verblieben somit straffrei. Die neu eingefügten Tatbestandsvarianten beinhalten im Vergleich zu der alten Fassung des § 201a StGB eigenständige Regelungsinhalte. 2. § 201 StGB Anders als § 201a StGB a. F. beinhalten die Tatbestandsvarianten des § 201 StGB weder eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf eine räumliche Schutzatmosphäre, noch ist eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch die Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes für eine Tatbestandsverwirklichung vonnöten. Es könnte somit sein, dass aufgrund der Weite dieses Tatbestandes eine Reformierung und Ausweitung des § 201a StGB nicht erforderlich gewesen wäre. Allerdings unterfallen Bildaufnahmen nur dann dem Anwendungsbereich des § 201 Abs. 1 StGB, wenn es sich um Videoaufnahmen handelt, die neben der bildlichen Perpetuierung auch das tatsächlich gesprochene Wort aufgenommen 66 Diese Unanwendbarkeit des § 201a StGB a. F. auf die angesprochenen Fallkonstellationen erkannte auch Frieser und plädierte 2014 eindringlich für eine Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf den Handel mit Nacktaufnahmen von Minderjährigen, die noch keine Pornografie darstellen, vgl. Frieser, DRiZ 2014, 132. Dieser Einschränkung gegenüber ebenfalls kritisch äußerte sich Busch, als er von einem „nicht auflösbare(n) Widerspruch“ spricht, wenn die Strafbarkeit von Nacktaufnahmen von Minderjährigen davon abhänge, wo sich die abgebildete Person im Aufnahmezeitpunkt aufgehalten hat, vgl. R. Busch, NJW 2015, 977, 980. So im Ergebnis auch BT-Drucks. 18/2601, S. 17. 67 Es ist an den 2014 bekannt gewordenen Fall einer kanadischen Firma zu denken, die sich auf den gewerbsmäßigen Handel mit Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen spezialisiert hatte und diese Aufnahmen weltweit vertrieb. Nach damalig geltendem deutschen Recht haben sich weder die Fotografen, die derartige Aufnahmen hergestellt haben oder die Firma, die diese vertrieben hat, noch die Konsumenten, die gegen Zahlung entsprechende Bilder erworben haben, strafbar gemacht. Diese, in Deutschland auch mit dem Namen „Edathy“ stark in Verbindung gebrachte Szenerie, war einer der wesentlichen Aspekte für die umfassende Reformierung des § 201a StGB a. F. durch das 49. StÄG. 68 So im Ergebnis auch Deckers, Protokoll-Nr. 18/28, S. 56; Hörnle, ProtokollNr. 18/28, S. 110; Wieduwilt, K&R 2014, 627, 630; Eisele/Sieber, StV 2015, 312; Seidl/ Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Hunsicker/Belz, jM 2016, 160, 162 f.; Jahn/ Ziemann, in: Albrecht, Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, 227, 229.

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haben.69 Sobald eine Person allerdings eine unbewegte Bildaufnahme oder eine Videosequenz ohne Ton herstellt oder verbreitet, ist dies mit Blick auf § 201 Abs. 1 StGB eine straffreie Verhaltensweise. Der Regelungsinhalt der durch das 49. StÄG in § 201a StGB neu eingefügten Tatbestandsvarianten weicht von dem des § 201 StGB ab und erfasst weitestgehend eigenständige Geschehensabläufe. Auch wenn § 201 Abs. 4 StGB den Versuch sanktioniert und somit im Einzelfall einen weiteren Schutz als die aktuellen Regelungen des strafrechtlichen Bildnisschutzes gewähren könnte,70 werden dennoch eine Vielzahl von Bildaufnahmen aus den bereits oben angesprochenen Aspekten nicht von dieser Versuchsnormierung erfasst sein. So ist beispielsweise an die „Unfallgaffer-Fälle“ zu denken. Versucht nun eine Person ein schwerverletztes, auf der Straße liegendes Unfallopfer abzubilden, kann dieses Verhalten nur dann gem. § 201 Abs. 4 StGB sanktioniert werden, wenn der Handelnde eine Videoaufnahme herstellen wollte und es sich bei den Äußerungen des Opfers um nichtöffentlich gesprochene Worte handelt. Kommt es hingegen durch den „Unfallgaffer“ zu der vollendeten Herstellung einer Fotografie oder einer Videoaufnahme, die nur öffentlich gesprochene Worte beinhaltet, kann auf dieses Verhalten nicht mit § 201 StGB reagiert werden. Auch die im Gesetzgebungsverfahren angesprochenen Fotoaufnahmen von nackten Minderjährigen, die keinen Sexualbezug aufweisen, wären nicht von § 201 StGB erfasst und würden weiterhin straflos bleiben. Die Einführung der neuen Tatbestandsvarianten in § 201a StGB durch das 49. StÄG stellt keine Pönalisierung von Verhaltensweisen dar, die bereits umfassend von § 201 StGB erfasst gewesen sind. Eine minimale Überschneidung der Anwendungsbereiche und ein teilweise weitreichenderer Schutz des § 201 StGB im Bereich der Versuchsstrafbarkeit schadet, mit Blick auf den dem Subsidiaritätsgrundsatz zugrundeliegenden Gedanken der Erforderlichkeit, den neu in den strafrechtlichen Bildnisschutz eingefügten Tatbestandsvarianten nicht. 3. §§ 184 b, 184 c StGB Durch die §§ 184 b, 184 c StGB soll einerseits sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche nicht für pornografische Schriften und deren Herstellung 69 Die Aufnahme von Gesten oder Zeichen, auch solchen, denen innerhalb der Zeichensprache eine einheitliche Bedeutung zukommt, wird von dem Begriffsverständnis des gesprochenen Wortes nicht umfasst, da es an einer stimmlichen Äußerung fehlt. Derartiges Verhalten stellt gerade kein strafbares Handeln i. S. d. § 201 StGB dar. Vgl. Graf, in: MüKo, § 201, Rn. 10 und Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201, Rn. 5. § 201 StGB ist allerdings dann einschlägig, wenn Schüler mit der Herstellung eines Videos auch das tatsächlich Gesprochene ihres Lehrers aufzeichnen, S. Beck, MMR 2008, 77, 78; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 131. 70 Vgl. auch die Ausführungen von Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 123 zu dem Verhältnis des § 201a StGB a. F. und § 201 Abs. 4 StGB.

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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missbraucht werden, andererseits soll durch diese Normen auf lange Sicht der Markt für den Austausch entsprechender Aufnahmen ausgetrocknet werden.71 Außerdem soll mit den §§ 184 b, 184 c StGB der wissenschaftlich nicht auszuschließenden kriminogenen Wirkung pädophiler Pornographie auf deren Konsumenten durch ein umfassendes Herstellungs- und Verbreitungsverbot begegnet werden.72 Eine ähnliche Zwecksetzung verfolgte der Gesetzgeber auch mit der Einführung des § 201a Abs. 3 StGB. So wurde mit dieser Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes ebenfalls das Ziel verfolgt, jeglichen Handel mit Bildaufnahmen, die einen Minderjährigen nackt zeigen, zu unterbinden und Kinder und Jugendliche vor der Herstellung solcher Aufnahmen umfassend zu schützen.73 Es wird davon ausgegangen, dass derartige Verhaltensweisen bei den betroffenen Minderjährigen erhebliche Persönlichkeitsstörungen nach sich ziehen können, da die abgebildeten Kinder und Jugendlichen zu einer Ware objektiviert und teilweise im Nachhinein zu Objekten sexueller Lust degradiert werden.74 Wie bei Kinder- und Jugendpornografie stellt der Begriff der Degradierung eines Minderjährigen zu einem Sexualobjekt im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes eine Umschreibung der Verletzung der Menschenwürde und dem damit in Verbindung stehenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person dar.75 Anders allerdings als die Zwecksetzung, die bei den §§ 184 b, 184 c StGB und § 201a Abs. 3 StGB in gewissen Umfang vergleichbar ist, sind jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen der in Frage stehenden Normen ausgestaltet. So liegt eine kinder- oder jugendpornografische Schrift i. S. d. §§ 184 b, 184 c StGB immer erst dann vor, wenn eine Bildaufnahme ein Kind oder einen Jugendlichen in unnatürlich geschlechtsbetonter Pose abbildet (Posing-Bilder), wobei es unerheblich ist, ob es sich um eine aktiv eingenommene oder unwillkürliche Position handelt.76 Die Tatbestandsvoraussetzungen sind allerdings dann nicht mehr verwirklicht, wenn es sich um Nacktaufnahmen eines Minderjährigen handelt, die aufgrund der Sozialüblichkeit oder Natürlichkeit der abgebildeten Szenerie keinen Sexualbezug aufweisen. So ist an Aufnahmen zu denken, die zwar

71 Krings, ZRP 2014, 69 f.; Hörnle, FAZ 20.3.2014, 6; dies., in: MüKo, § 184 b, Rn. 1; Frommel, in: Nomos Kommentar, § 184 e, Rn. 3; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 184 b, Rn. 1; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 184 b, Rn. 2; Wolters/ Greco, in: SK-StGB, § 184 b, Rn. 1 f. 72 Heger, in: Lackner/Kühl, § 184 b, Rn. 1. Zu der Wirkung von Pornografie auf die Verhaltensweisen einer Person, eine Darstellung aktueller Forschungsergebnisse (2000– 2016) bei Lemke/Weber, in: A. Schmidt, Pornographie, 87, 93–103, 111–122. 73 BR-Drucks. 127/14, S. 2. Diese Ansicht ebenfalls vertretend Frieser, DRiZ 2014, 132. 74 Vgl. BR-Drucks. 127/14, S. 6. 75 Ebenso Renzikowski, DRiZ 2014, 133 und A. Schmidt, in: dies., Pornographie, 149, 156. 76 BT-Drucks. 18/2601 vom 23.9.2014, S. 30.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

zu sexuellen Zwecken hergestellt und vertrieben werden, jedoch „nur“ nackte Kinder beim Baden oder Toben zeigen und aufgrund der Sozialüblichkeit der abgebildeten Handlungen keine sexuell aufgeladene Szenerie dokumentieren.77 Diese Art von Aufnahmen erfasst seit dem 49. StÄG allerdings § 201a Abs. 3 StGB. Durch den Verzicht auf die Voraussetzung des Sexualbezugs bei § 201a Abs. 3 StGB wurde diese Strafbarkeitslücke, die im Abschnitt „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ im Bereich der kinder- und jugendpornografischen Schriften bestand, geschlossen. Wesentlicher Unterschied zwischen Nacktaufnahmen i. S. d. strafrechtlichen Bildnisschutzes und pornografischen Aufnahmen ist, dass bei letzteren der Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes oder des Jugendlichen tatsächlich, mit objektiven Kriterien messbar stattfinden muss, bei Aufnahmen i. S. d. § 201a Abs. 3 StGB sich ein solcher Missbrauch einzig im Nachhinein im Kopf des Betrachters abspielen kann, wobei dies für eine Strafbarkeit unbeachtlich ist. Des Weiteren wäre es mit der Systematik des StGB kaum vereinbar, Bildaufnahmen von nackten Minderjährigen, die keinerlei Sexualbezug aufweisen, im Umfeld der Normen, die das sexuelle Selbstbestimmungsrecht einer Person schützen und an diesem Rechtsgut ausgerichtet sind, zu normieren.78 Bei Bildaufnahmen i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB handelt es sich nicht um Aufnahmen, für die Kinder und Jugendliche sexuell ausgebeutet oder missbraucht wurden. Es handelt sich auf den ersten Blick um „neutrale“ Bildaufnahmen, die regelmäßig erst im Nachhinein sexuell denominiert werden. Auch ist in Abgrenzung zu den §§ 184 b, 184 c StGB für die Tatbestandsverwirklichung des § 201a Abs. 3 StGB das Merkmal „entgeltlich“ zu nennen, dass deutlich macht, dass es mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht und den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Minderjährigen gerade erst durch die Kommerzialisierung der in Frage stehenden Aufnahmen und der damit einhergehenden Verdinglichung der Abgebildeten zu einer besonderen Unrechtsverwirklichung kommt. § 201a Abs. 3 StGB erfasst Bildaufnahmen, die weder der Systematik, noch dem Wortlaut nach von den §§ 184 b, 184 c StGB erfasst sind oder waren.79 Der angesprochenen Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf Nacktaufnahmen von Minderjährigen stehen die §§ 184 b, 184 c StGB aus Subsidiaritätsgesichtspunkten nicht entgegen.

77 Krings, ZRP 2014, 69, 71; Jahn/Ziemann, in: Albrecht, Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, 227, 228. 78 Hörnle, FAZ 20.3.2014, 6; Jahn/Ziemann, in: Albrecht, Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, 227, 232; a. A. Krings, ZRP 2014, 69, 71. 79 Ebenso Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 373; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 8.

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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4. § 185 StGB Möglicherweise wäre eine Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes mit Blick auf § 185 StGB in Bezug auf gewisse Lebensbereiche nicht erforderlich gewesen. Bereits seit jeher wird im Zusammenhang mit der unbefugten Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen eine Strafbarkeit wegen Beleidigung diskutiert.80 Vor allem im Bereich der reputationsgefährdenden Bildaufnahmen, wie auch der Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen könnten die Beleidigungstatbestände hineinspielen und eine Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht erforderlich erscheinen lassen. Unter einer Beleidigung wird die Kundgabe der eigenen Miss- oder Nichtachtung verstanden, durch die die Ehre einer anderen Person angegriffen wird.81 Die Kundgabe kann bei § 185 StGB wörtlich, schriftlich, bildlich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen.82 Die Funktion der Beleidigungsdelikte ist es jedoch nicht, strafrechtliche Lücken im Bereich von Verhaltensweisen, die moralisch als nicht hinnehmbar bezeichnet werden, zu schließen. Es handelt sich bei § 185 StGB um keinen „Auffangtatbestand“, der bei jeder Art von Sittlichkeitsverletzungen zu einer Strafbarkeit führen soll, da speziellere Vorschriften nicht einschlägig sind.83 Entscheidend für die Tatbestandsverwirklichung bei § 185 StGB ist, dass durch die Kundgabe die Ehre einer anderen Person bewusst angegriffen wird. Ein Ehrangriff liegt allerdings nicht automatisch bei jedem Eingriff in die Persönlichkeitssphäre einer anderen Person vor.84 Vielmehr setzt die Tatbestandsverwirklichung des § 185 StGB voraus, dass der Täter seinem Opfer dessen sozialen Geltungswert abspricht oder relativiert, sodass es zu einer herabsetzenden

80 Siehe BGH, 29.5.1951 – 2 StR 153/51, BGHSt 1, 288 ff.; BGH, 12.1.1956 – 4 StR 470/55, BGHSt 9, 17 ff.; OLG Oldenburg, 18.1.1963 – 1 Ss 323/62, NJW 1963, 920 ff.; Pollähne, KritV 2003, 387, 403 f.; Kargl, ZStW 117, 324, 327 f.; S. Beck, MMR 2008, 77, 79 f.; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 25 ff.; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 119 ff.; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 94 ff. 81 BGH, 29.5.1951 – 2 StR 153/51, BGHSt 1, 288, 289; OLG Celle, 27.3.2015 – 31 Ss 9/15, StV 205, 566, 567; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 25, Rn. 3; Jones, Mobile internetfähige Geräte im Strafrecht, S. 145; Rudolphi/Rogall, in: SK-StGB, § 185, Rn. 1. 82 BayObLG, 23.2.2000 – 5 St RR 30/00, NJW 2000, 1584; Fischer, in: Fischer, § 185, Rn. 5; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 185, Rn. 8; Sinn, in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier, § 185, Rn. 9. 83 OLG Nürnberg, 31.11.2010 – 1 StOLGSs 219/10, NStZ 2011, 217, 218; Cornelius, ZRP 2014, 164, 165. 84 OLG Nürnberg, 31.11.2010 – 1 StOLGSs 219/10, NStZ 2011, 217, 218; S. Beck, MMR 2008, 77, 80; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 120; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 97; Regge/Pegel, in: MüKo, § 185, Rn. 10.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

Bewertung des Betroffenen kommt.85 So kann beispielsweise in dem reinen voyeuristischen Verhalten eines Mannes, der auf einer Rolltreppe heimlich unter den Rock der vor ihm stehenden Frau blickt, nicht automatisch eine Beleidigung gesehen werden.86 Sexuelle oder sexualbezogene Handlungen und Belästigungen fallen nur dann unter § 185 StGB, wenn besondere Umstände einen selbstständigen beleidigenden Charakter in der Handlung erkennen lassen.87 Entscheidend für eine Ehrverletzung ist somit, dass in der Äußerung des Täters eine von ihm gewollte herabsetzende Bewertung des Opfers zu erkennen ist88 und dadurch die Vorstellung geschaffen wird, der Betroffene habe eine normative Erwartung nicht erfüllt.89 Der Fall, dass eine Person in einem Moment bildlich aufgenommen wird, der geeignet ist, ihr Ansehen erheblich zu gefährden und diese Aufnahme Dritten zugänglich gemacht wird, könnte eine strafbare Beleidigung nach § 185 StGB sein. Der Täter müsste durch die Verbreitung der Aufnahme konkludent seine Nicht- oder Missachtung gegenüber der abgebildeten Person kundtun. Das neutrale Zeigen oder Verbreiten einer Aufnahme, die ein tatsächliches Geschehnis visuell darstellt, reicht für eine Ehrverletzung i. S. v. § 185 StGB allerdings nicht aus.90 Eine Beleidigung kommt daher erst dann durch die Verbreitung reputationsgefährdender Bildaufnahmen in Betracht, wenn zusätzliche Umstände deutlich machen, dass der Täter mit der Verbreitung der in Frage stehenden Bildaufnahme eine Ehrherabsetzung des Abgebildeten erreichen will.91 Dies kann sich beispielsweise aus einer gehässigen Kommentierung, die mit der ansehensverletzenden Bildaufnahme verbunden ist, ergeben. Fehlt es jedoch an einem solchen Vorgang, liegt keine Beleidigung i. S. v. § 185 StGB vor. 85

Rudolphi/Rogall, in: SK-StGB, § 185, Rn. 9. Vgl. OLG Nürnberg, 31.11.2010 – 1 StOLGSs 219/10, NStZ 2011, 217 f.; Fischer, in: Fischer, § 185, Rn. 11c. So im Ergebnis auch Pollähne, KritV 2003, 387, 403, der die Ansicht vertritt, dass ein „Spanner“, der es gerade darauf anlegt, nicht von der beobachteten Person entdeckt zu werden, keine Beleidigung begehe, da in seinem Verhalten gerade keine konkludente Kundgabe der eigenen Miss- oder Nichtachtung gesehen werden kann. Der Ansicht Pollähnes anschließend Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 96. 87 OLG Nürnberg, 31.11.2010 – 1 StOLGSs 219/10, NStZ 2011, 217, 218; Regge/ Pegel, in: MüKo, § 185, Rn. 13; m.w. N. Fischer, in: Fischer, § 185, Rn. 11. 88 Vgl. BGH, 29.5.1951 – 2 StR 153/51, BGHSt 1, 288, 291; OLG Nürnberg, 31.11.2010 – 1 StOLGSs 219/10, NStZ 2011, 217, 218. 89 Amelung, in: Rogall/Puppe/Stein u. a., Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag, 373, 378, 380; Rudolphi/Rogall, in: SK-StGB, § 185, Rn. 16. 90 S. Beck, MMR 2008, 77, 80; Cornelius, ZRP 2014, 164, 165; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 136. Siehe auch Rudolphi/Rogall, in: SKStGB, § 185, Rn. 10, die in bloßem scherzhaften Verhalten oder „Foppereien“ keine Beleidigung sehen, soweit sich keine andere Bewertung aus den Umständen ergibt. 91 So im Ergebnis auch S. Beck, MMR 2008, 77, 80; Rudolphi/Rogall, in: SK-StGB, § 185, Rn. 6. 86

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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Für die Verwirklichung des § 201a Abs. 2 StGB, der zwar als eine Art Ehrdelikt bezeichnet werden kann,92 aber dennoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person schützt, sind die tatsächlichen Verbreitungsumstände für die Tatbestandsverwirklichung unerheblich. Der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 2 StGB reicht weiter als der des § 185 StGB und erfasst gerade auch andere Handlungsvarianten. Es erscheint zwar – vor allem im Bereich des Cybermobbings – denkbar, dass bloßstellende Bildaufnahmen mit gehässigen oder erniedrigenden Kommentaren versehen werden, allerdings stellt § 185 StGB dennoch im Verhältnis zu § 201a Abs. 2 StGB kein milderes, gleichwirksames Mittel zur Bekämpfung dieses Phänomens und der Verbreitung von reputationsgefährdenden Bildaufnahmen dar, da eine Vielzahl von Handlungen eben nicht von dessen Anwendungsbereich erfasst werden. Eine partielle Überschneidung der beiden Normen steht der Erforderlichkeit der Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht entgegen. In der Vergangenheit urteilte der BGH hinsichtlich Aktaufnahmen, dass jegliche Weitergabe solcher Bildaufnahmen eine Beleidigung gegenüber der abgebildeten Person darstellen solle.93 Eine Begründung dieser Entscheidung blieb der BGH allerdings schuldig. Diese Entscheidung steht einer Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf Nacktaufnahmen von Minderjährigen ohne Sexualbezug allerdings nicht aus Aspekten der Subsidiarität entgegen, da die Beleidigungsdelikte ihrer Systematik nach nicht auf diese Situationen Anwendung finden. Das tatbestandsmäßige Verhalten bei einer Beleidigung ist die Äußerung der eigenen Miss- oder Nichtachtung gegenüber einer anderen Person. Die Ehrverletzung als Taterfolg ist somit das Ergebnis eines in irgendeiner Weise ausgestalteten Kommunikationsprozesses. Die Herstellung einer Bildaufnahme, die die Nacktheit eines Minderjährigen zum Gegenstand hat, ist jedoch der einem Kommunikationsprozess notwendigerweise vorgelagerten Informationsgewinnung zuzuordnen, die nicht dem Anwendungsbereich des § 185 StGB unterfällt.94 In dem unbefugten Fotografieren einer anderen Person kann somit noch keine Beleidigung gesehen werden, unabhängig vom Aufnahmemotiv.95 Des Weiteren müssten die Umstände der Verbreitung oder des Anbietens der Nacktaufnahmen die ehrverletzende Intention des Täters gegenüber der abgebil-

92 Eine genaue Darstellung der rechtlichen Natur des § 201a Abs. 2 StGB erfolgt im 4. Kapitel, A., IV., 1. 93 Vgl. BGH, 12.1.1956 – 4 StR 470/55, BGHSt 9, 17, 19. 94 So im Ergebnis auch Pollähne, KritV 2003, 387, 403, Fn. 91; S. Beck, MMR 2008, 77, 79; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 121; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 95; Zaczyk, in: Nomos Kommentar, Vor § 185, Rn. 22. 95 OLG Oldenburg, 18.1.1963 – 1 Ss 323/62, NJW 1963, 920, 921.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

deten Person erkennen lassen. Das neutrale Anbieten oder Verbreiten von Bildaufnahmen i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB, unabhängig ob zu sexuellen oder sonstigen Zwecken, kann nicht pauschal als Ehrverletzung angesehen werden, da es an dem für § 185 StGB notwendigen ehrverletzenden Charakter bei entsprechenden Verhaltensweisen regelmäßig fehlen wird. In der Weitergabe von Aktaufnahmen, unabhängig des Alters der abgebildeten Person, kann nicht automatisch eine Kundgabe der Miss- oder Nichtachtung gegenüber diesem gesehen werden96. Es handelt sich bei derartigen Bildern einzig um persönlichkeitsverletzende Aufnahmen ohne abwertenden Charakter, da es ihnen an einem selbständigen, der Aufnahme innewohnenden, beleidigenden Gepräge fehlt. Ebenfalls wie bei reputationsgefährdenden Bildaufnahmen und entgegen dem BGH-Urteil von 1956 wird § 185 StGB durch die Verbreitung von Aktaufnahmen nur dann erfüllt sein, wenn es sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Täterverhalten Ausdruck der eigenen Miss- oder Nichtachtung gegenüber dem vermeintlich „minderwertigen“ Abgebildeten ist. Weder die Herstellung oder Verbreitung von Nacktaufnahmen von Minderjährigen, noch das Zugänglichmachen von reputationsgefährdenden Bildaufnahmen gegenüber Dritten kann umfassend gem. § 185 StGB sanktioniert werden. Im Verhältnis zu den neu in den strafrechtlichen Bildnisschutz eingefügten Tatbestandsvarianten handelt es sich bei der Beleidigung um kein gleichwirksames, milderes Mittel. 5. Stalking-Tatbestände a) § 238 StGB § 238 StGB, der seit 2007 die Nachstellung sanktioniert, wurde mit dem 40. StÄG in das StGB eingeführt um Strafbarkeitslücken in diesem Bereich zu schließen und einen besseren Opferschutz zu gewährleisten.97 Diese Norm schützt neben der Fortbewegungs-, Handlungs- und Willensfreiheit einer Person auch deren Leben und körperliche Unversehrtheit, indem sie das Phänomen des „Stalkings“ pönalisiert.98 Unter dem Begriff des „Stalkings“, der ursprünglich

96 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 121; Fischer, in: Fischer, § 185, Rn. 11 c; a. A. BGH, 12.1.1956 – 4 StR 470/ 55, BGHSt 9, 17, 19. 97 BT-Drucks. 16/1030, S. 1; BGBl. 2007 Teil I Nr. 11, S. 354. 98 BGH, 19.11.2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 193; Mosbacher, NStZ 2007, 665 f.; Issa, Der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) und die Strafbarkeit von Stalking nach US-amerikanischem Recht am Beispiel Kaliforniens, S. 23; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 66; Gericke, in: MüKo, § 238, Rn. 1; Sonnen, in: Nomos Kommentar, § 238, Rn. 13 f.; Eisele, in: Schönke/ Schröder, § 238, Rn. 4. Kritisch gegenüber dem zu schützendem Rechtsgut bei § 238 StGB Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Kunig/Nagata, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsfreiheit in Japan und Deutschland, 155, 160.

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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aus der englischen Jagdsprache stammt, ist das beharrliche und wiederholte Belästigen, Hetzen oder Nachspüren einer anderen Person zu verstehen.99 Die Phänomene des „Stalkings“ und des „Mobbings“ weisen Gemeinsamkeiten auf, da sie sich beide aus mehreren Einzelhandlungen zusammensetzen, die für sich allein nicht zwingend strafbares Unrecht verwirklichen und oft erst in ihrer Summe den Betroffenen schwer belasten. Diese Handlungen erstrecken sich regelmäßig über einen längeren Zeitraum, wirken mittelbar psychisch auf das Opfer ein und führen oft zu seelischen Beeinträchtigungen, die sich teilweise sogar körperlich niederschlagen und abzeichnen können.100 Fraglich erscheint nun, ob eine Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf ansehensgefährdende Bildaufnahmen als ein Signal gegen Cybermobbing überhaupt erforderlich war oder ob mit § 238 Abs. 1 StGB nicht bereits ein gleichwirksames Mittel im StGB vorhanden gewesen wäre. Auch wenn es für die Fälle des Cybermobbings durch Bildaufnahmen charakteristisch ist, dass zu der Diffamierung und Belästigung des Opfers elektronische Kommunikationsmittel von dem Täter verwendet werden, sind die Voraussetzungen des § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB in derartigen Fallkonstellationen nicht verwirklicht.101 Anders als beim „Stalking“, bei dem der Täter i. S. v. § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB mit Hilfe von Telekommunikationsmitteln mit seinem Opfer in Kontakt tritt oder dies zumindest versucht,102 werden bei den Cybermobbingfällen technische Hilfsmittel, wie beispielsweise Smartphones, E-Mails oder Nachrichten in Chatforen, einzig verwendet, um die reputationsgefährdenden Bildaufnahmen, die den Betroffenen abbilden, zu verbreiten. Beim Cybermobbing geht es dem Täter – anders als beim Stalking – nicht darum, unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln in den direkten Kontakt mit seinem Opfer zu treten,103 sondern mit technischer Hilfe eine schnelle und umfassende Verbreitung erniedrigender Bildaufnahmen zu erreichen104. Die Verbreitung von bloßstellenden Bildaufnahmen im Internet oder in sonstiger Weise kann allerdings als eine „vergleichbare Handlung“ i. S. v. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB angesehen werden.105 Durch diesen Auffangtatbestand sollte tech99 Mosbacher, NStZ 2007, 665, 666; Köhne, ZRP 2014, 141; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 45; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 238, Rn. 1; Wolters, in: SK-StGB, § 238, Rn. 1. 100 Siehe auch Reum, Cybermobbing, S. 95 f. und Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 48. 101 Ebenso Cornelius, ZRP 2014, 164, 166. 102 Paulsen, Kriminalistik 2017, 274, 276. Ausführliche Subsumtion denkbarer Cyberstalking-Handlungen unter § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB bei Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 68 ff. 103 Cornelius, ZRP 2014, 164, 166. 104 Paulsen, Kriminalistik 2017, 274, 275. 105 Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 73; Fischer, in: Fischer, § 238, Rn. 17 b; Schluckebier, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 238,

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

nischen Entwicklungen und neuen Formen der Nachstellung, die sich aus deren typischer Vielgestaltigkeit ergeben können, Rechnung getragen werden.106 Von einer „vergleichbaren Handlung“ kann immer dann ausgegangen werden, wenn der Täter durch unmittelbare oder mittelbare Annäherungen an sein Opfer versucht, in dessen persönlichen Lebensbereich einzudringen und dadurch die Handlungs- und Entschließungsfreiheit beeinträchtigt wird.107 Das Zugänglichmachen von reputationsgefährdenden Bildaufnahmen gegenüber Dritten kann im Einzelfall derartige Folgen für die abgebildete Person haben. Ein entsprechendes Geschehnis erfüllt allerdings nur dann den Tatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB, wenn dem Täter ein beharrliches Vorgehen vorgeworfen werden kann und durch sein Verhalten die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt wird. Das erstmalige oder einmalige Verbreiten einer solchen Aufnahme, ist somit noch nicht geeignet, als eine Nachstellungshandlung gem. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB sanktioniert zu werden, da es an dem typischen Dauerelement des Stalkings fehlt. Es gibt für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der „Beharrlichkeit“ zwar keine allgemeingültigen zahlenmäßigen Vorgaben, wie oft ein Täter eine nachstellende Handlung ausgeführt haben muss, allerdings ist nach einhelliger Meinung ein wiederholtes Handeln des Täters zur Tatbestandsverwirklichung notwendig.108 Daneben muss in der Tatbegehung eine besondere Hartnäckigkeit und Gleichgültigkeit des Täters zum Ausdruck kommen, die die Gefahr weiterer nachstellender Handlungen indiziert.109 Im Übrigen handelt es sich bei dem Begriff der „Beharrlichkeit“ um ein besonderes persönliches Merkmal gem. § 28 Abs. 1 StGB, das für eine umfassende Sanktionierungsmöglichkeit gem. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB bei jedem Einzelnen, der die reputationsgefährdenden Bildaufnahmen weiterverbreitet hat, vorliegen müsste. Dies wird beim Cybermobbing, das sich durch eine immer neue „arbeitsteiRn. 13; Issa, Der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) und die Strafbarkeit von Stalking nach US-amerikanischem Recht am Beispiel Kaliforniens, S. 67. 106 BT-Drucks. 16/3641, S. 14; Mosbacher, NStZ 2007, 665, 668; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 72. 107 Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 73. 108 BGH, 19.11.2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 195; OLG Zweibrücken, 15.1.2010 – 1 Ss 10/09, NJW 2010, 1827 (Ls.); Mosbacher, NStZ 2007, 665, 666; Issa, Der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) und die Strafbarkeit von Stalking nach US-amerikanischem Recht am Beispiel Kaliforniens, S. 79; Sonnen, in: Nomos Kommentar, § 238, Rn. 42; Gericke, in: MüKo, § 238, Rn. 45; Wolters, in: SK-StGB, § 238, Rn. 19; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 238, Rn. 3; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 238, Rn. 25. 109 BGH, 19.11.2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 195; Mosbacher, NStZ 2007, 665, 666; Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Kunig/Nagata, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsfreiheit in Japan und Deutschland, 155, 157, 164; Issa, Der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) und die Strafbarkeit von Stalking nach US-amerikanischem Recht am Beispiel Kaliforniens, S. 79; Fischer, in: Fischer, § 238, Rn. 19; Sonnen, in: Nomos Kommentar, § 238, Rn. 42; Schluckebier, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier, § 238, Rn. 14.

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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lige“ Vorgehensweise auszeichnet, kaum der Fall sein.110 Die Dynamik der teilweise nur einmaligen Beteiligung, die für das Mobbing charakteristisch ist, kann mit dem Merkmal der „Beharrlichkeit“ nicht umfasst werden.111 Des Weiteren sind die Zielrichtungen des „Stalkens“ und des „Mobbens“ unterschiedlich. Versucht ein „Stalker“ durch sein Verhalten in den persönlichen Lebensbereich seines Opfers einzudringen,112 will ein „Mobber“ durch seine Handlungen sein Opfer gegenüber Dritten diffamieren und erniedrigen113. Für eine Diffamierung ist ein wiederholtes Handeln allerdings nicht zwingend vonnöten, da bereits eine gezielte Handlung geeignet sein kann, das Ansehen einer Person dauerhaft zu schädigen und schwerwiegende seelische Beeinträchtigungen hervorrufen kann.114 Es ist zwar möglich und auch denkbar, dass das Zugänglichmachen von bloßstellenden Bildaufnahmen im Einzelfall die Voraussetzungen des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllt, dennoch gewährt die strafrechtliche Normierung der Nachstellung keinen gleichwirksamen Schutz vor der Verbreitung reputationsgefährdender Bildaufnahmen wie § 201a Abs. 2 StGB. Daneben können entsprechende Verhaltensweisen gem. § 238 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Die Nachstellung stellt im Verhältnis zu den Normierungen des strafrechtlichen Bildnisschutzes kein dem Subsidiaritätsgedanken entsprechendes, milderes und dennoch gleichwirksames Mittel dar. b) Gewaltschutzgesetz Das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen, kurz das Gewaltschutzgesetz, ist rund 5 Jahre vor der Einführung des § 238 StGB, im Jahr 2002, in Kraft getreten.115 Dieses Gesetz beinhaltet einige spezielle zivilrechtliche Abwehrmöglichkeiten, die ein Nachstellungsopfer seinem „Stalker“ entgegenhalten kann und Schutz bei Gewalttaten und bei unzumut110

Cornelius, ZRP 2014, 164, 166. Cornelius, ZRP 2014, 164, 166. 112 Vgl. Reum, Cybermobbing, S. 99 ff. 113 BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 114 Es ist an den Fall des 14-jährigen Matthew Brudette zu denken, der masturbierend auf einer Schultoilette in einem Video zu sehen war und nach zwei Wochen der Schmach nicht mehr Stand halten konnte und sich in den Suizid flüchtete, Warren, Student, 14, committed suicide „after he was humiliated by classmate who secretly filmes him in bathroom before spreading it around the school“, http://www.dailymail.co.uk/ news/article-2691838/Student-14-committed-suicide-classmate-secretly-filmed-touchingbathroom-spreading-school.html (besucht am 15.09.2016). Dies ist sicherlich ein extremer Fall, der nicht die Regelreaktion auf die Verbreitung erniedrigender Bildaufnahmen darstellt. Dennoch zeigt er auf, wie schwerwiegend die Folgen für die Betroffenen von reputationsgefährdenden Bildaufnahmen sein können und welche Auswirkungen diese auf die Lebensführung im Einzelfall haben können. 115 Vgl. BGBl. 2001 Teil I Nr. 67, S. 3513 f. 111

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

baren Belästigungen, insbesondere in Fällen häuslicher Gewalt, bieten sollen.116 Handelt eine Person nach gerichtlicher Verfügung diesen Abwehranordnungen zuwider, kann gem. § 4 GewSchG eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verhängt werden. Für eine Verhinderung der Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen könnte als Anordnungsgrundlage lediglich § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 b GewSchG einschlägig sein. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 b GewSchG können gegen eine Person jedoch nur gerichtliche Anordnungen erlassen werden, wenn diese widerrechtlich und vorsätzlich eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt. Auch wenn im Rahmen des Cybermobbings für die Bildübermittlung teilweise Fernkommunikationsmittel verwendet werden, ist die 2. Variante des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 b GewSchG aus den gleichen Gründen wie § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht einschlägig.117 Auch ist in der erstmaligen Verbreitung einer bloßstellenden Bildaufnahme kein wiederholtes Nachtstellen zu sehen. Unter Nachstellen i. S. v. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 b GewSchG ist das systematische, zielgerichtete und hartnäckige Belästigen und Verfolgen einer anderen Person zu fassen, wie beispielsweise die körperliche Annäherung, das dauernde Beobachten oder auch das Verfolgen oder Überwachen des „Opfers“.118 Das Zugänglichmachen einer bloßstellenden Bildaufnahme gegenüber einer anderen Person ist mit keiner dieser Verhaltensweisen vergleichbar. Die Sanktionsnorm des GewSchG steht der Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG ebenfalls nicht aus Subsidiaritätsaspekten entgegen. 6. § 323 c StGB a) § 323 c Abs. 1 StGB Stellt nun eine Person anstatt zu helfen eine Bildaufnahme her, die einen anderen Menschen zeigt, der sich erkennbar in einer hilflosen Lage befindet, erfüllt dies den Tatbestand des § 323 c Abs. 1 StGB, soweit es erforderlich und zumutbar gewesen wäre, Hilfe zu leisten. So ist es denkbar, den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung und den des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB nebeneinander und gleichzeitig zu verwirklichen, wenn ein Täter sich bewusst dafür entscheidet, eine Bildaufnahme einer verunglückten Person zu schaffen, anstatt Hilfe zu leisten. Es kann zwischen den beiden Tatbestandsverwirklichungen somit eine zeitliche Parallelität bestehen, soweit sie an den gleichen Geschehensablauf anknüpfen. 116

Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 187. Vgl. die Ausführungen im 2. Kapitel, B., IV., 5., a). 118 Götz, in: Johannsen/Henrich, § 1 GewSchG, Rn. 10; Krüger, in: MüKo-BGB, § 1 GewSchG, Rn. 17. 117

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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§ 323 c Abs. 1 StGB weist allerdings eine komplett konträre Schutzrichtung auf. So wird der dem § 323 c Abs. 1 StGB zugrunde liegende Normzweck einerseits als die strafrechtliche Sicherung eines Mindestgehalts von Solidarpflichten in Form der Pflicht zur Leistung von Nothilfe beschrieben,119 andererseits schützt die Sanktionsnorm der unterlassenen Hilfeleistung die Individualrechtsgüter der Person, die durch den Unglücksfall oder eine sonstige Notlage tatsächlich gefährdet werden.120 Dabei handelt es sich regelmäßig um das Leben und das körperliche Wohlbefinden der betroffenen Person.121 Des Weiteren ist § 323 c Abs. 1 StGB als ein echtes Unterlassungsdelikt ausgestaltet worden, das sich dadurch auszeichnet, dass eine Person anstatt Hilfe zu leisten untätig bleibt. Die unterlassene Hilfeleistung sanktioniert primär nicht die aktive Herstellung oder Übertragung von Bildaufnahmen, die den Unglücksfall dokumentieren und visualisieren, sondern das Nichthelfen, obwohl es dem Täter zumutbar gewesen wäre. Ein parallel verwirklichtes aktives Tun ist nicht von dem Anwendungsbereich des § 323 c Abs. 1 StGB erfasst. b) Exkurs: § 323 c Abs. 2 StGB Mit dem 52. StÄG ist am 30. Mai 2017 zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften § 323 c Abs. 2 StGB in seiner aktuellen Fassung in Kraft getreten.122 Auch wenn diese Gesetzeserweiterung noch vor dem 49. StÄG in Kraft getreten wäre, hätte diese Normierung zum Schutz vor „Gaffern“ 123 der Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes und der Pönalisierung der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen, nicht aus Subsidiaritätsaspekten im Wege gestanden. Gem. § 323 c Abs. 2 StGB kann bestraft werden, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Not eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will. Diese Sanktionsnorm sichert eine Solidaritätspflicht Außenstehender gegen119 BGH, 22.1.2002 – 4 StR 392/01, NJW 2002, 1356, 1357; Hunsicker/Belz, jM 2016, 160; Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2017, Anm. 1; Gaede, in: Nomos Kommentar, § 323 c, Rn. 1; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 323 c, Rn. 1; Fischer, in: Fischer, § 323 c, Rn. 2. 120 BGH, 22.1.2002 – 4 StR 392/01, NJW 2002, 1356, 1357; Sternberg-Lieben/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 323 c, Rn. 1; Fischer, in: Fischer, § 323 c, Rn. 2; Freund, in: MüKo, § 323 c, Rn. 4. 121 Freund, in: MüKo, § 323 c, Rn. 2. 122 BGBl. 2017 Teil I Nr. 30, S. 1226. 123 Vgl. Stenografischer Bericht der 957. Sitzung des Bundesrates vom 12.5.2017 – Plenarprotokoll 957, S. 226. Der niedersächsische Ministerpräsident Pistorius sprach sich in der 957. Bundesratssitzung für die Sanktionierung von „Gaffern“ aus. Vgl. auch Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2017, Anm. 1, der bereits in der Überschrift eines Beitrags zu § 323 c Abs. 2 StGB diese Sanktionsnorm als ein Gesetz gegen „Gaffer“ bezeichnet.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

über Personen, die in einer derartigen Situation Hilfe leisten.124 So soll gewährleistet werden, dass Personen, die Dritten bei einem Unglücksfall, einer gemeinen Gefahr oder Not zur Seite stehen, nicht durch umherstehende Schaulustige von diesem Vorhaben abgehalten oder in diesem beeinträchtigt werden.125 Die Strafbarkeit wird bei § 323 c Abs. 2 StGB, anders als bei § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB, nicht aus einer Verletzung der Rechtsgüter des Unfallopfers begründet, sondern aus einer die Rechtsgüter der Hilfeleistenden betreffenden Beeinträchtigung.126

V. Sonstiges konkurrierendes Recht 1. Kunsturhebergesetz a) Tatobjekt Die Regelungen aus dem KUG sind, anders als dies in der Literatur teilweise vertreten wird, nicht auf unbewegte Aufnahmen begrenzt, sondern erfassen wie Bildaufnahmen i. S. v. § 201a StGB auch Film- und Videoaufnahmen,127 dennoch unterscheiden sich die Tatobjekte der Verbotsnormen in zwei wesentlichen Aspekten voneinander. Einerseits ist das Merkmal des „Bildnisses“ weiter als der strafrechtliche Anknüpfungspunkt der „Bildaufnahme“ zu verstehen, da von diesem neben Fotos und Videos auch Gemälde, Büsten und Zeichnungen jeder Art umfasst werden,128 andererseits wird dieses weite Verständnis durch das ungeschriebene Merkmal der „Erkennbarkeit“ begrenzt,129 das im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes keinerlei Bedeutung hat130. 124

Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2017, Anm. 1. Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2017, Anm. 1; Magnus, GA 2017, 530, 541; Fischer, in: Fischer, § 323 c, Rn. 1. 126 Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2017, Anm. 1; ähnlich Magnus, GA 2017, 530, 541. 127 OLG Karlsruhe, 10.9.2010 – 6 U 35/10, ZUM-RD 2010, 690, 692; S. Beck, MMR 2008, 77, 79; Hoeren/Nielen, Fotorecht, S. 286, Rn. 430; Temuulen, Das Recht am eigenen Bild, S. 85; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 272; Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, S. 44; Specht, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG, Rn. 1; a. A. Wendt, AfP 2004, 181, 187; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 339. 128 Ein von dem Merkmal des „Bildnisses“ erfasstes Darstellungsmedium kann auch ein Schauspieler oder die fotografische Abbildung eines Doppelgängers sein, der eine prominente Person nachahmt. Ausführliche Darstellung des rechtlichen Umgangs mit „Doppelgängeraufnahmen“ und schauspielerischen Imitationen allseits bekannter Persönlichkeiten bei Schmitt, in: Götting/Lauber-Rönsberg, Aktuelle Entwicklungen im Persönlichkeitsrecht, S. 72 ff.; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 122 f.; Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 684; Lindner, Die Persönlichkeitsverletzung durch Kunst, S. 62 f.; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 13; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content. S. 134. 129 OLG München, 17.3.2016 – 29 U 368/16, NJW-RR 2016, 871, 872; LG Frankfurt a. M., 19.1.2006 – 2/03 O 468/05, ZUM-RD 2006, 357, 358; LG München I, 14.10. 125

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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So sind unter Bildnissen jegliche Art von Abbildungen zu verstehen, die die äußere Erscheinung einer Person in erkennbarer Weise wiedergeben.131 Die Tatobjekte der beiden Vorschriften überschneiden sich im Bereich von fotografischen oder filmischen Abbildungen von Personen somit nur, soweit diese auf Grund irgendeines, der Abgebildeten anhaftenden Merkmale oder sonstiger Umstände erkennbar bzw. identifizierbar sind132.133 Für die „Erkennbarkeit“ i. S. d. § 22 KUG ist es allerdings bereits auch ausreichend, wenn sich diese beispielsweise aus einer separaten Bildunterschrift134 oder im Zusammenhang mit früheren Bildnisveröffentlichungen135 ergibt. Nicht ausreichend für das Merkmal der „Erkennbarkeit“ ist jedoch, wenn eine Zuordnung des Bildnisses allein durch den engsten Freundes- oder Familienkreis der abgebildeten Person droht.136 Vielmehr kann erst dann von einer „Erkennbarkeit“ i. S. d. § 22 KUG gesprochen werden, wenn die abgebildete Person begründeten Anlass zu der Annahme hat, sie könne 2016 – 17 S 6473/16, ZD 2017, 36, 37; S. Beck, MMR 2008, 77, 79; Cornelius, ZRP 2014, 164, 166; Golz, IPRB 2015, 170; Hildebrand, ZUM 2016, 305, 307; Paschke/ Halder, jurisPR-ITR 15/2017, Anm. 2; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 125; Lindner, Die Persönlichkeitsverletzung durch Kunst, S. 63; Schmitt, in: Götting/Lauber-Rönsberg, Aktuelle Entwicklungen im Persönlichkeitsrecht, S. 74; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 83; Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, S. 44. Ausführliche Darstellung des Merkmals der notwendigen „Erkennbarkeit“ bei Bildnissen bei Rehbock/Mensch, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 141–155; Freys, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421, 422 und Temuulen, Das Recht am eigenen Bild, S. 86 ff. 130 Münch, Autonome Systeme im Krankenhaus, S. 325; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 134; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 5; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 4. 131 OLG München, 17.3.2016 – 29 U 368/16, NJW-RR 2016, 871; OLG Köln, 12.7.2016 – 15 U 176/15, BeckRS 2016, 16931, Rn. 99; OLG Hamburg, 26.1.2017 – 5 U 138/13, BeckRS 2017, 100813, Rn. 31; LG Frankfurt a. M., 19.1.2006 – 2/03 O 468/ 05, ZUM-RD 2006, 357, 358; LG München I, 14.10.2016 – 17 S 6473/16, ZD 2017, 36, 37; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 5; Ernst, NJW 2004, 1277, 1278; Golla/Herbort, GRUR 2015, 648, 649; Temuulen, Das Recht am eigenen Bild, S. 84; Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 372. 132 OLG München, 17.3.2016 – 29 U 368/16, NJW-RR 2016, 871; LG Frankfurt a. M., 19.1.2006 – 2/03 O 468/05, ZUM-RD 2006, 357, 358; Specht, in: Dreier/ Schulze, § 22 KUG, Rn. 3. 133 Anschauliche Grafik bzgl. der Schnittmenge der Tatobjekte bei § 201a StGB und § 33 KUG bei Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 130. 134 BGH, 9.6.1965 – Ib ZR 126/63, GRUR 1966, 102; BGH, 26.6.1979 – VI ZR 108/ 78, GRUR 1979, 732, 733; OLG Stuttgart, 2.4.2014 – 4 U 174/13, GRUR-RR 2015, 80; OLG München, 17.3.2016 – 29 U 368/16, NJW-RR 2016, 871, 872; OLG Köln, 12.7.2016 – 15 U 176/15, BeckRS 2016, 16931, Rn. 99. 135 LG Frankfurt a. M., 19.1.2006 – 2/03 O 468/05, ZUM-RD 2006, 357, 358. 136 Freys, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421, 422; Specht, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG, Rn. 4; Fricke, in: Wandtke/ Bullinger, § 22 KUG, Rn. 7; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 7; a. A. Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 126.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

möglicherweise von Dritten – auch fernen Bekannten – auf dem in Frage stehenden Bild identifiziert werden, die die abgebildete Person nicht mehr selbst überblicken und unterrichten kann.137 Sobald eine Foto- oder Videoaufnahme vorliegt, auf der die abgebildete Person nicht eindeutig identifizierbar ist, geht der strafrechtliche Bildnisschutz demzufolge weiter als § 33 KUG. In den denkbaren Fällen, dass ein Minderjähriger oder eine hilflose Person auf einer Bildaufnahme nicht erkennbar ist, da nur ein Teilausschnitt des nackten Körpers zu sehen oder die hilflose Person aufgrund des Aufnahmewinkels oder schwerer Verletzungen nicht identifizierbar ist und auch die Begleitumstände nicht zu ihrer Erkennbarkeit beitragen, liegt somit schon kein taugliches Tatobjekt i. S. d. §§ 22, 33 KUG vor. Problematischer erscheint allerdings das Verhältnis zwischen dem Tatobjekt des § 33 KUG und dem neu eingefügten § 201a Abs. 2 StGB, der das Zugänglichmachen von Bildaufnahmen sanktioniert, die geeignet sein müssen, dem Ansehen der abgebildeten Person zu schaden. Auch wenn § 201a Abs. 2 StGB eine „Bildaufnahme“ als Tatobjekt voraussetzt, wird es sich regelmäßig um Abbildungen handeln, auf der die abgebildete Person auch erkennbar ist. So ist es denknotwendig, dass eine Aufnahme nur dann geeignet sein kann, das Ansehen einer Person zu gefährden, wenn diese auf der Abbildung auch identifizierbar ist und von einem zumindest begrenzten Betrachterkreis wiedererkannt werden könnte. Nur so ist der Geltungsanspruch der abgebildeten Person betroffen. Ist eine Bildaufnahme an sich zwar bloßstellend, kann jedoch keiner konkreten Person zugeordnet werden, da diese nicht „erkennbar“ abgebildet ist, ist die Aufnahme nicht geeignet, das Ansehen der abgebildeten Person zu gefährden, da es an einer Verknüpfung zwischen Aufnahmeinhalt und realer Person fehlt. Dies stellt jedoch ein Problem der „Geeignetheit“ dar und führt nicht bereits auf Ebene des tauglichen Tatobjekts zu materiell-rechtlichen Einschränkungen dieses Begriffs. Das Merkmal der „Bildaufnahme“ ist in § 201a Abs. 2 StGB aus systematischen Erwägungen genauso zu verstehen, wie in den restlichen Tatbestandsvarianten des strafrechtlichen Bildnisschutzes, sodass die Erkennbarkeit der abgebildeten Person ebenfalls keine notwendige Voraussetzung darstellt. b) Tathandlungen aa) Herstellen, Übertragen und Anbieten Der Anwendungsbereich der Strafvorschrift des § 33 KUG ist auf die „Verbreitung“ oder „öffentliche Zurschaustellung“ von Bildnissen beschränkt. Diesen Tathandlungen vorgelagerte Aktivitäten – wie die Herstellung, Übertragung oder 137 BGH, 26.6.1979 – VI ZR 108/78, GRUR 1979, 732, 733; OLG Stuttgart, 2.4. 2014 – 4 U 174/13, GRUR-RR 2015, 80; LG Frankfurt a. M., 19.1.2006 – 2/03 O 468/ 05, ZUM-RD 2006, 357, 358; Specht, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG, Rn. 4; Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 22 KUG, Rn. 7.

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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das Anbieten eines Bildnisses – denen bereits die ursprüngliche Gefahr einer unkontrollierten Verbreitung einer Aufnahme innewohnt, sind komplett aus dem Anwendungsbereich des § 33 KUG ausgeschlossen.138 Eine Persönlichkeitsverletzung kann bei der abgebildeten Person jedoch auch zu diesem frühen Zeitpunkt eintreten.139 Durch die Herstellung und Übertragung von Bildern jeglicher Art wird das optische Erscheinungsbild des Abgebildeten von seiner Person losgelöst, datenmäßig fixiert und seiner Kontrolle und Verfügungsgewalt entzogen.140 Gerade durch die technischen Entwicklungen der letzten Jahre im Bereich der Kommunikationstechnik und der Allgegenwärtigkeit von Aufnahmegeräten ist die Gefahr erheblich gestiegen, dass gegen den eigenen Willen abgebildete Personen aus ihrer Anonymität in das Licht der Öffentlichkeit gerissen werden141 und ihr Erscheinungsbild dauerhaft objektiviert wird. Auch wenn diese Vorbereitungshandlungen als ein unmittelbares Ansetzen zu der „Verbreitung“ oder der „öffentlichen Zurschaustellung“ eines Bildnisses beurteilt werden könnten, ist eine Sanktionierung nach den Regelungen zum Versuch nicht möglich, da § 33 KUG als Vergehen eine derartige Sanktionierungsmöglichkeit ausdrücklich beinhalten müsste.142 Aufgrund des zeitlich späteren Einsetzens der Handlungsalternativen des § 33 KUG erfasst diese Verbotsnorm weder die Herstellung oder Übertragung einer Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, noch das Herstellen oder entgeltliche Anbieten der Nacktaufnahme eines Minderjährigen. Einen umfassenden Schutz vor den beschriebenen Handlungsalternativen gewährt die Sanktionsnorm des KUG nicht.143 138 BGH, 16.9.1966 – VI ZR 268/64, NJW 1966, 2353, 2354; LG München I, 14.10.2016 – 17 S 6473/16, ZD 2017, 36, 37; Wieduwilt, K&R 2014, 627, 630; Golz, IPRB 2015, 170; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, 744, 745; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 317 f.; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 69; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 85; Freys, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421, 422; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 135; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 431; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 9; Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 22 KUG, Rn. 9. 139 BGH, 16.9.1966 – VI ZR 268/64, NJW 1966, 2353, 2354; Schwenke, K&R 2013, 685, 687; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, 744, 745; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 35; Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 371; Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 22 KUG, Rn. 9. 140 Auf Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht jedem Einzelnen die Möglichkeit zu, frei über sein Bildnis zu verfügen und bereits im Vornhinein selbst darüber zu entscheiden, wie man sich gegenüber Dritten und der Öffentlichkeit im Rahmen von optisch perpetuierten Bildern zeigen möchte. Vgl. st. Rspr. BGH, 6.3.2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275, 277, Rn. 5 m.w. N. 141 BR-Drucks. 127/14, S. 6. 142 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 130. 143 So auch Wieduwilt, K&R 2014, 627, 630; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 318 f.; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 6.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

bb) Gebrauchen Für die Tatvariante des „Gebrauchens“ einer die Hilflosigkeit einer anderen Person zeigenden Bildaufnahme, ist es notwendig, dass der Täter die technischen Möglichkeiten des Bildträgers bewusst und aktiv ausnutzt.144 So ist dies beispielsweise gegeben, wenn es zu einer Speicherung, Archivierung oder der Herstellung einer Fotomontage oder einer Kopie kommt.145 Anders als bei der „Verbreitung“ oder dem „öffentlichen Zurschaustellen“ eines Bildnisses ist für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals des „Gebrauchens“ keine Interaktion des Täters mit einer dritten Person nötig. Es kommt zu der Sanktionierung von Verhaltensweisen, die der Schaffung einer Bildaufnahme zeitlich nachfolgend, der Weitergabe der fraglichen Aufnahme an Dritte vorgelagert sind. Das Tatbestandsmerkmal des Gebrauchens stellt keinen Oberbegriff für die Übertragung von Bildaufnahmen dar, sondern zeichnet sich durch eine fehlende Weitergabe und eine damit einhergehende fehlende Kenntnisnahme des Aufnahmeinhalts durch weitere Personen als den Täter aus.146 Stellt nun ein Fotograf Kopien von einer Bildaufnahme her, die eine auf der Straße liegende, schwerverletzte Motorradfahrerin zeigen und diese ist aufgrund ihres markanten Motorrads und des abgenommenen Schutzhelms als Bürgermeisterin einer Kleinstadt zu erkennen, kann dieses Verhalten einzig nach § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB sanktioniert werden, da für eine Bestrafung nach § 33 KUG ein Weitergabeakt notwendig wäre. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB enthält mit der Sanktionierung des „Gebrauchens“ im Verhältnis zu § 33 KUG einen eigenständigen Regelungsgehalt und pönalisiert Verhaltensweisen, die nicht von der Strafvorschrift des KUG erfasst sind.147 cc) Zugänglichmachen Die Handlungsvariante des „Zugänglichmachens“ ist dem strafrechtlichen Bildnisschutz nicht neu, wurde jedoch mit dem 49. StÄG in § 201a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB eingefügt, um die Weitergabe von reputationsgefährdenden Bildaufnahmen sowie von Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer Person zeigen, zu sanktionieren. Fraglich erscheint nun, ob die von § 201a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB normierten Verhaltensweisen nicht bereits von der Sanktionsnorm des § 33 KUG erfasst gewesen wären, der mit der Handlungsvariante des „Verbreitens“ 144

Vgl. zu dem Merkmal des „Gebrauchens“ die Ausführungen im 3. Kapitel, B., IV. BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 146 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 131. 147 Ähnlich auch Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 22 KUG, Rn. 9 und Specht, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG, Rn. 11, die die Ansicht vertreten, dass § 22 KUG mit seinen Tatbestandsvarianten weder die Herstellung eines Bildnisses, noch deren Vervielfältigung erfassen. 145

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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und des „öffentlichen Zurschaustellens“ ebenfalls Weitergabehandlungen unter Strafe stellt. Unter das Merkmal des „Verbreitens“ i. S. d. § 33 KUG wird jedes Verhalten gefasst, durch das das in Frage stehende Bildnis körperlich aus der Hand gegeben wird und ein Dritter die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Originalaufnahme oder zumindest über eine Nachbildung erlangt.148 Dabei ist es unbeachtlich ob der Empfänger im Anschluss an die Verbreitungshandlung in analoger oder digitaler Weise über die Aufnahme verfügen kann.149 Des Weiteren ist es für die Tatbestandsverwirklichung ohne Bedeutung, ob das Bildnis einer nahestehenden Person oder einer unüberblickbaren Personengruppe übergeben wird.150 Unter dem Merkmal des „Zugänglichmachens“ i. S. v. § 201a StGB wird die Ermöglichung des Zugriffs auf eine Bildaufnahme, beispielsweise durch das körperliche Aushändigen einer Fotografie oder das Ablegen von Datensätzen auf einem Server, verstanden.151 Für die Verwirklichung dieser Tathandlung genügt bereits, wenn der Täter einer dritten Person die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Aufnahmeinhalts gewährt, wobei eine tatsächliche Wahrnehmung des Aufnahmeinhalts durch den Dritten nicht notwendig ist.152 Erlangt nun eine dritte Person die tatsächliche Verfügungsmacht über eine bloßstellende oder die Hilflosigkeit einer anderen Person zum Gegenstand habende Aufnahme, auf der die abgebildete Person erkennbar ist, wird neben dem „Zugänglichmachen“ auch immer ein „Verbreiten“ i. S. v. § 33 KUG vorliegen, sodass entsprechende Verhaltensweisen bereits vor der Reformierung durch das 49. StÄG strafrechtlich belangt werden konnten. Wird eine solche Aufnahme jedoch nicht aus der Hand gegeben, sondern einer anderen Person einzig die Möglichkeit zur Kenntnisnahme gewährt, stellt dies kein „Verbreiten“ i. S. d. § 33 KUG dar.153 In derartigen Konstellationen reicht das Merkmal des „Zugänglichmachens“ und damit der 148 OLG Frankfurt a. M., 15.6.2004 – 11 U 5/04, MMR 2004, 683; OLG Hamburg, 26.1.2017 – 5 U 138/13, BeckRS 2017, 100813, Rn. 32; LAG Köln, 19.1.2015 – 2 Sa 861/13, BeckRS 2015, 66911; Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, S. 45; Freys, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421, 430; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 84; Golla/dies., GRUR 2015, 648, 649; Specht, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG, Rn. 9; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 10; Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 22 KUG, Rn. 8. 149 OLG Frankfurt a. M., 15.6.2004 – 11 U 5/04, MMR 2004, 683; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 273; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 10. 150 Specht, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG, Rn. 9; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 10. 151 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 152 Zu der Handlungsvariante des „Zugänglichmachens“ umfassende Ausführungen im 3. Kapitel, B., V. 153 Im Ergebnis wie LAG Köln, 19.1.2015 – 2 Sa 861/13, BeckRS 2015, 66911; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 273.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

Anwendungsbereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes weiter, als der Schutzumfang des § 33 KUG. Wurde vor dem 49. StÄG nun allerdings eine Bildaufnahme i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB umhergezeigt, jedoch nicht aus der Hand gegeben, konnte auf ein solches Verhalten im Einzelfall mit der weiteren Handlungsvariante des § 33 KUG reagiert werden, sodass ein solches Verhalten nicht per se straflos war. Das Merkmal des „öffentlichen zur Schau Stellens“ i. S. d. § 33 KUG ist schon dann verwirklicht, wenn ein Bildnis gegenüber einer nicht begrenzten Öffentlichkeit sichtbar ist, wobei es keine notwendige Voraussetzung darstellt, dass Dritte die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Aufnahme erlangt haben.154 Der Begriff der „Öffentlichkeit“ ist bei § 33 KUG in Anlehnung an § 15 Abs. 3 UrhG zu verstehen und bei einer persönlichen Verbindung der agierenden Personen oder einer Beschränkung des Empfängerkreises durch besondere Zugangsmerkmale zu dem Bildnis zu verneinen.155 Im Gegensatz dazu setzt der Wortlaut des § 201a StGB nur das Zugänglichmachen einer Bildaufnahme gegenüber „einem Dritten“ voraus. Es schadet somit der Tatbestandsverwirklichung des § 201a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB nicht, wenn zwischen dem Täter und dem Dritten eine persönliche Nähebeziehung besteht oder die Aufnahme nur von einem beschränkten Personenkreis wahrgenommen werden kann. So stellt beispielsweise das vorsätzliche Zeigen einer reputationsgefährdenden Bildaufnahme durch einen Mitschüler der abgebildeten Person innerhalb des Klassenverbundes gem. § 33 KUG ein strafloses, hingegen nach § 201a Abs. 2 StGB ein strafbares Verhalten dar. Während des Schulunterrichts kann innerhalb eines Klassenverbundes gerade keine Öffentlichkeit i. S. d. § 33 KUG angenommen werden, da aufgrund der Geschlossenheit einer Schulklasse nur eine beschränkte Anzahl von Personen Kenntnis von dem Bildinhalt erlangt.156 154 B. Heinrich, ZIS 2011, 416, 420; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, 744, 745; Metz, Das Recht Prominenter am eigenen Bild in Kollision mit Drittinteressen, S. 147, S. 149; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 84; Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, S. 45; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 135.; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 11. 155 Golla/Herbort, GRUR 2015, 648, 649; Grau/Schaut, NZA 2015, 981, 982; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, 744, 745; Metz, Das Recht Prominenter am eigenen Bild in Kollision mit Drittinteressen, S. 150; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 273; Freys, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421, 430; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 11; Specht, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG, Rn. 10. Der EuGH hat Einschränkungen in Bezug auf den deutschen Öffentlichkeitsbegriff aus § 15 Abs. 3 UrhG vorgegeben, die allerdings nicht auf das Begriffsverständnis im KUG zu übertragen sind. Vgl. EUGH, 19.11.2015 – C-325/14, GRUR 2016, 60, 61. Ausführliche Darstellung der Einflüsse des EuGH auf den Öffentlichkeitsbegriff im deutschen Urheberrecht bei Nordemann, GRUR 2016, 245, 246 ff. und Völtz, CR 2014, 721 ff. Siehe auch Specht, in: Dreier/ Schulze, § 22 KUG, Rn. 10. 156 Vgl. Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 15 UrhG, Rn. 7; Dreier, in: Dreier/Schulze, § 15 UrhG, Rn. 45.

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Problematischer erscheint nun, wie – mit Blick auf den Begriff der „Öffentlichkeit“ – Situationen vor dem 49. StÄG rechtlich eingeordnet werden konnten, in denen eine Person innerhalb eines sozialen Netzwerks eine Bildaufnahme gepostet hat, die einen anderen in einer hilflosen Lage zeigte oder geeignet erschien, dessen Ansehen zu gefährden. Ob dieses Verhalten nun als ein „öffentliches zur Schau stellen“ bewertet werden kann, hängt entscheidend davon ab, für welchen Personenkreis das fragliche Bildnis sichtbar ist. Dies kann der Handelnde selbst durch seine Profil- und Privatsphäreneinstellungen innerhalb des genutzten Portals regulieren. Eine Erfüllung der Voraussetzungen des § 33 KUG wird allerdings, unabhängig der Sichtbarkeitseinstellungen, den Regelfall in einer derartigen Situation darstellen, da Personen, die sich im Rahmen eines geschlossenen Facebook-Profils austauschen gewöhnlich noch „öffentlich“ i. S. d. § 33 KUG agieren, auch wenn die Aufnahmen nur von ihren virtuellen „Freunden“ eingesehen werden können. Für die Verneinung des Merkmals der „Öffentlichkeit“ ist es entscheidend, ob zwischen dem „Postenden“ und den Empfängern eine innere Vertrautheit auf Grundlage persönlicher Beziehungen besteht.157 Dies ist erst dann gegeben, wenn unter den Beteiligten ein enger Kontakt vorliegt, der bei Allen das Bewusstsein hervorruft, persönlich miteinander verbunden zu sein.158 So kann als Faustformel angenommen werden: Umso größer die Zahl der Personen, an die ein „Post“ gerichtet wird, umso eher wird das Merkmal der persönlichen Verbundenheit nicht erfüllt sein.159 Der Größe des Adressatenkreises kommt allerdings eine reine Indizwirkung für das Merkmal der „Öffentlichkeit“ zu, die eine Feststellung der konkreten Art der Beziehung nicht entbehrlich werden lässt.160 Der Begriff „Freund“ wird jedoch in sozialen Netzwerken sowie im virtuellen Bereich inflationär benutzt161 und, anders als im allgemeinen Sprachgebrauch, nicht notwendigerweise mit einer tiefen emotionalen oder persönlichen Beziehung zwischen einzelnen Personen in Verbindung gebracht. So werden in sozialen Netzwerken oft „Freundschaften“ zwischen flüchtigen Bekannten, aus beruflich nützlich wirkenden Aspekten oder teilweise zwischen komplett Fremden geschlossen.162 Zwar ist es möglich, auch im Rahmen virtueller Kontakte eine persönliche Beziehung zu anderen Personen aufzubauen oder zu erhalten, dies stellt wohl we-

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Schwenke, K&R 2013, 685, 687; Dreier, in: Dreier/Schulze, § 15 UrhG, Rn. 43. OLG Stuttgart, 21.1.2008 – 2 Ws 328/07, ZUM 2008, 698, 699. 159 Heerma, in: Wandtke/Bullinger, § 15 UrhG, Rn. 27; Dreier, in: Dreier/Schulze, § 15 UrhG, Rn. 43. So kann beispielsweise bei 26.000 Nutzern eines Musikdienstes nicht mehr von einer persönlichen Beziehung ausgegangen werden, vgl. OLG Stuttgart, 21.1.2008 – 2 Ws 328/07, ZUM 2008, 698, 699. 160 Dreier, in: Dreier/Schulze, § 15 UrhG, Rn. 43. 161 Heerma, in: Wandtke/Bullinger, § 15 UrhG, Rn. 26. 162 Schwenke, K&R 2013, 685, 687; Brand, Kriminalistik 2015, 687. 158

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

der den Regelfall noch den Großteil der Verbindungen innerhalb sozialer Netzwerke dar, sodass es an einer inneren Beziehung zu den meisten „Internetfreunden“, auch im sogenannten „privaten Bereich“ von Facebook, regelmäßig fehlen wird.163 Hat der „Postende“, abweichend vom Regelfall, zu all seinen virtuellen „Freunden“ tatsächlich eine feststellbare persönliche Beziehung, ist alleine eine Sanktionierung nach § 201a Abs. 2 StGB möglich, da wegen der fehlenden Öffentlichkeit kein Verbreiten i. S. v. § 33 KUG angenommen werden kann. Dies stellt jedoch eher einen theoretisch gebildeten Fall dar, der kaum der Realität entspricht.164 Im Gegensatz zu dem aufgezeigten Szenario kann das Merkmal der „Öffentlichkeit“ allerdings dann nicht bejaht werden, wenn im Rahmen einer geschlossenen oder passwortgeschützten Gruppe Bilder innerhalb eines sozialen Netzwerks geteilt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Mitglieder einer zugangsbeschränkten Gruppe eine innere Beziehung zueinander haben, sobald diese eine gewisse Mitgliedergröße nicht übersteigt oder es zumindest einen tatsächlichen Bezugspunkt der einzelnen „User“ 165 zueinander gibt, sodass der Personenkreis, der die Aufnahme wahrnehmen kann, überschaubar bleibt.166 Sobald Dritte allerdings die Verfügungsgewalt über die in Frage stehenden Aufnahmen erlangen, was in den Fällen, in denen eine Aufnahme in das Internet hochgeladen wird, regelmäßig der Fall sein wird, ist auch das Merkmal des „Verbreitens“ erfüllt, sodass es unbeachtlich ist, ob das Merkmal der „Öffentlichkeit“ bejaht werden kann oder nicht. An Hand dieser Beispiele werden die geringen Strafbarkeitslücken, die vor dem 49. StÄG in Bezug auf reputationsgefährdende oder hilflose Personen abbildende Aufnahmen bestanden haben, deutlich. Das Merkmal des „Zugänglichmachens“ übersteigt die Tathandlungen des § 33 KUG167 allerdings geringfügig.

163 Schwenke, K&R 2013, 685, 687; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, 744, 745; Heerma, in: Wandtke/Bullinger, § 15 UrhG, Rn. 26; a. A. BayVGH, 29.2.2012 – 12 C 12.264, MMR 2012, 422, 424. 164 Im Durchschnitt hat jeder Facebook-Nutzer 342 „Freunde“, sodass der Fall, dass zu jedem dieser Personen eine persönliche Verbindung besteht und somit das Merkmal der „Öffentlichkeit“ zu verneinen ist, kaum gegeben sein wird, vgl. Schwenke, K&R 2013, 685, 687. 165 Unter „Usern“ werden Personen verstanden, die einen Computer und das Internet aktiv benutzen. 166 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 134. Vgl. auch Schwenke, K&R 2013, 685, 687, der ebenfalls die möglicherweise abweichende rechtliche Bewertung von dem „Posten“ eines Bildnisses in einer beschränkt zugänglichen Gruppe anspricht. 167 Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 319. Eine anschauliche Grafik bzgl. der Überschneidungen und Abweichungen der Tathandlungen des § 201a StGB a. F. und § 33 KUG bei Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 136.

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dd) Verschaffen Als Erweiterung zu der Sanktionierung des „Herstellens“ und „Anbietens“ von Bildaufnahmen, die die Nacktheit einer minderjährigen Person zum Gegenstand haben, pönalisiert § 201a Abs. 3 StGB auch die Nachfrageseite bzgl. solcher Aufnahmen. Von der „Verschaffung“ einer Bildaufnahme, die die Nacktheit eines Kindes zum Gegenstand hat, kann immer dann gesprochen werden, wenn eine Person für sich Besitz an derartigen Bildaufnahmen erlangt oder Dritten die Sachherrschaft an diesen vermittelt.168 Auch wenn das Verbreiten eines Bildnisses als die Weitergabe des Originals oder einer Vervielfältigung in körperlicher oder digitaler Form zu verstehen ist und somit der Erwerber den Besitz an dem Bildnis erlangt, sanktioniert die Tatvariante des „Verschaffens“ neben der Verbreitung169 von Nacktaufnahmen von Minderjährigen auch den entgegengesetzten Fall170. Während § 33 KUG einzig die aktive Weitergabe eines Bildnisses unter Strafe stellt, liegt der Anknüpfungspunkt für ein strafbares Verhalten bei § 201a Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 StGB auch auf der Erwerberseite. So ist es möglich, nicht nur den Verbreitenden zu bestrafen, da er die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person missachtet, sondern auch den Erwerber, der einen Anreiz für Dritte schafft, Nacktaufnahmen von Minderjährige für entgeltliche Zwecke herzustellen. c) Zwischenfazit Die durch das 49. StÄG in § 201a StGB eingefügten Tatvarianten überschneiden sich in gewissen Bereichen mit der seit über 100 Jahren bestehenden Sanktionsnorm des KUG. Gleichzeitig erfassen sie zusätzliche Verhaltensweisen und gewähren einen umfassenderen Schutz vor Cybermobbing, Nacktaufnahmen von Minderjährigen und Aufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zum Gegenstand haben. Die Normen aus dem KUG stehen der Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht aus Gesichtspunkten der Subsidiarität entgegen. 2. Bundesdatenschutzgesetz a) Anwendungsbereich Das BDSG normiert keine technikbasierte Materie, sondern möchte dem Einzelnen einen umfassenden Schutz vor dem unbefugten Umgang mit seinen personenbezogenen Daten gewähren und damit einhergehende Verletzungen seines 168 Umfassende Ausführungen zu der Handlungsvariante des „Verschaffens“ im 3. Kapitel, D., III. 169 § 201a Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 StGB. 170 § 201a Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 StGB.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

Persönlichkeitsrechts verhindern.171 Schutzgegenstand des BDSG ist der Mensch sowie dessen im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankertes Recht auf informationelle Selbstbestimmung und nicht dessen Daten im technischen Sinne.172 Gem. § 1 Abs. 2 BDSG gilt dieses Gesetz für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen. Nicht-öffentliche Stellen unterfallen dem Anwendungsbereich des BDSG allerdings nur, soweit sie Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen oder aus nicht automatisierten Dateien stammend verarbeiten, nutzen oder dafür erheben, es sei denn, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten erfolgt ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten. Die ausschließlich persönliche oder familiäre Datenverarbeitung ist bei der Verwendung fremder personenbezogener Daten im Regelfall allerdings nicht anzunehmen, wenn diese, beispielsweise im Internet, für jedermann sichtbar sind.173 Was unter „personenbezogenen Daten“ zu verstehen ist, wurde in § 3 Abs. 1 BDSG legaldefiniert. Danach sind „personenbezogene Daten“ Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Als Einzelangaben sind jegliche Informationen oder Hinweise zu verstehen, die sich auf eine konkrete natürliche Person beziehen oder geeignet sind, einen Bezug zu dieser herzustellen.174 Eine Bildaufnahme, die einen Menschen optisch wahrnehmbar zeigt, gibt dem Betrachter eine Vielzahl von Angaben über den Abgebildeten.175 So beispielsweise über dessen Haut- und Haarfarbe, Geschlecht, evtl. dessen Aufenthaltsort, seine Interessen oder weitere

171 Herbort, Digitale Bildnisse, S. 98; Jones, Mobile internetfähige Geräte im Strafrecht, S. 167; Franzen, in: ErfKo, § 1 BDSG, Rn. 11. 172 Schnabel, ZUM 2008, 657; Cornelius, NJW 2013, 3340, 3341; Wicker, Cloud Computing und staatlicher Strafanspruch, S. 230; Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 68. 173 Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 207. 174 BGH, 4.6.2013 – 1 StR 32/13, BGHSt 58, 268, 273; Golla/Herbort, GRUR 2015, 648, 649; Münch, Autonome Systeme im Krankenhaus, S. 104; Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, S. 79; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 208 f.; Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, § 3 BDSG, Rn. 3; Gola/Schomerus, in: Gola/Klug/Körffer/Schomerus, § 3 BDSG, Rn. 3. 175 Ein Bildnis, welches mit einer Bildaufnahme in den wesentlichen Punkten vergleichbar ist, erfüllt – nach allgemeiner Ansicht – die Anforderungen des § 3 Abs. 1 BDSG. Vgl. die Ausführungen von Schnabel, ZUM 2008, 657, 661; Lorenz, ZD 2012, 367, 368; Golla/Herbort, GRUR 2015, 648, 649; Grau/Schaut, NZA 2015, 981; Benecke/Groß, NZA 2015, 833, 836. Ebenso Gola, RDV 2004, 215, 217; Münch, Autonome Systeme im Krankenhaus, S. 104 f.; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 209 und Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, S. 79. Siehe auch Freys, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421, 424, der ohne jegliche Ausführungen und Begründungsversuche Videoaufnahmen von dem Anwendungsbereich des BDSG erfasst sieht.

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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Angaben zu seiner Person.176 Eine Bildaufnahme kann allerdings nur dann unter das Merkmal der „personenbezogenen Daten“ im datenschutzrechtlichen Sinn subsumiert werden, wenn auf Grundlage dieser die Identität des Abgebildeten bestimmt werden kann oder zumindest bestimmbar ist. Diese Voraussetzung erfüllt eine Bildaufnahme nur dann, wenn sie Rückschlüsse auf die Identität der abgebildeten Person zulässt oder sich aus dem Kontext oder weiteren Zusatzinformationen zu der in Frage stehenden Aufnahme eine Bestimmbarkeit ergibt.177 Nicht schädlich für das Merkmal der „Bestimmbarkeit“ ist, wenn die Identität durch den Datenerhebenden mit ihm normalerweise zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln und ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann.178 Gem. § 3 Abs. 3 BDSG ist eine „Datenerhebung“ immer dann gegeben, wenn Daten über den Betroffenen erstmals beschafft werden. Ein Erheben liegt beispielsweise vor, wenn eine Bildaufnahme hergestellt oder übertragen wird.179 Unter dem Merkmal des „Verarbeitens“ ist im datenschutzrechtlichen Sinne das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten zu verstehen. Gem. § 3 Abs. 5 BDSG werden personenbezogene Daten „genutzt“, wenn eine Verwendung dieser gegeben ist, soweit es sich nicht um eine Verarbeitung handelt. Diese beiden Handlungsvarianten zeichnen sich, ähnlich wie die Merkmale des „Gebrauchens“, „Zugänglichmachens“ und „Verschaffens“ bei § 201a StGB, durch die Ausnutzung einer bestehenden Verfügungsgewalt an Datensätzen aus. Wird eine Bildaufnahme durch den Täter gebraucht, einem Dritten zugänglichgemacht oder verschafft, kann im Einzelfall somit auch eine der Handlungsvarianten des § 2 Abs. 1 BDSG erfüllt sein. Kommt es im Rahmen einer Herstellung oder Übertragung einer Bildaufnahme zu einer Speicherung der zugrunde liegenden Datensätze, fallen die Handlungsvarianten des Erhebens und Verarbeitens zeitlich zusammen.180 Der Anwendungsbereich des BDSG umfasst neben den Vorbereitungshandlungen des Herstellens und Übertragens einer Bildaufnahme auch den zeitlich nachfolgenden Bearbeitungs-, Speicherungs- und Veröffentlichungsprozess durch eine öffentliche oder nicht-öffentliche Stelle, die nicht ausschließlich aus persönlichen oder familiären Aspekten agiert.181 176 BGH, 4.6.2013 – 1 StR 32/13, BGHSt 58, 268, 273; Schnabel, ZUM 2008, 657, 661; Golla/Herbort, GRUR 2015, 648, 649; Benecke/Groß, NZA 2015, 833, 836. 177 Ebenso Schnabel, ZUM 2008, 657, 661; Lorenz, ZD 2012, 367, 368; Benecke/ Groß, NZA 2015, 833, 836; Grau/Schaut, NZA 2015, 981; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 100; Münch, Autonome Systeme im Krankenhaus, S. 110. 178 Cornelius, NJW 2013, 3340, 3341; Benecke/Groß, NZA 2015, 833, 836; Freys, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421, 424; Gola/Schomerus, in: Gola/Klug/Körffer/Schomerus, § 3 BDSG, Rn. 10. 179 Lorenz, ZD 2012, 367, 368; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 102. 180 Lorenz, ZD 2012, 367, 368; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 102. 181 Ebenso Benecke/Groß, NZA 2015, 833, 836; Grau/Schaut, NZA 2015, 981.

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

b) § 44 BDSG Wer vorsätzlich unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt, verbreitet, bereithält oder in einer anderen in § 43 Abs. 2 BDSG beschriebenen Weise nutzt, macht sich gem. § 44 Abs. 1 BDSG strafbar, sofern er gegen Entgelt handelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen. Eine Information gilt dann als allgemein zugänglich, wenn sie von jedermann zur Kenntnis genommen werden kann, ohne dass der Zugang zu den Daten rechtlich beschränkt ist und deren Beschaffung nicht nur unter Überwindung rechtlicher Zugangshindernisse möglich ist.182 Auf derartige Verhaltensweisen kann gem. § 44 Abs. 1 BDSG neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden. Da es sich bei der Sanktionsnorm des § 44 Abs. 1 BDSG allerdings – anders als bei § 201a i.V. m. § 205 Abs. 1 S. 2 StGB – um ein absolutes Antragsdelikt handelt, werden entsprechende Verhaltensweisen nur auf Antrag gem. § 44 Abs. 2 BDSG verfolgt. Anders als § 201a StGB schützt die Sanktionsnorm des § 44 BDSG auch nicht den höchstpersönlichen Lebensbereich der betroffenen Personen und deren Recht am eigenen Bild, sondern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das einen rechtskonformen Umgang mit nicht allgemein zugänglichen personenbezogenen Daten sichern soll.183 c) Verhältnis von § 201a StGB zu den Normen des Bundesdatenschutzgesetzes Auch wenn die Anwendungsbereiche des § 44 Abs. 1 BDSG und des strafrechtlichen Bildnisschutzes in einem gewissen Umfang die gleichen Tatobjekte sowie Handlungsweisen erfassen, kann diese Sanktionsnorm nicht als gleichwirksames milderes Mittel im Verhältnis zu § 201a StGB bezeichnet werden. Eine Parallelität der beiden Normierungen ist zwar gegeben, soweit die in Frage stehende Aufnahme eine nicht allgemein zugängliche Information optisch darstellt, die Identität der abgebildeten Person bestimmbar ist und der Täter gegen Entgelt handelt oder mit Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht agiert. Zeigt eine Fotografie hingegen eine allgemein zugängliche Information – wie dies beispielsweise bei der optischen Perpetuierung eines Unfalls im öffentlichen Raum der Fall ist – oder handelt der Täter nicht gegen Entgelt oder ohne Schädigungsbzw. Bereicherungsabsicht, ist eine Sanktionierung nach § 44 Abs. 1 BDSG nicht mehr möglich und einzig der Anwendungsbereich des § 201a StGB eröffnet. Auch ist das BDSG gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG nicht anwendbar, wenn eine 182

BGH, 4.6.2013 – 1 StR 32/13, BGHSt 58, 268, 277. Schnabel, ZUM 2008, 657, 658; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 102; Nink, in: Spindler/Schuster, § 44 BDSG, Rn. 1; Gola/Schomerus, in: Gola/Klug/ Körffer/Schomerus, § 44 BDSG, Rn. 4. 183

B. Problem 2: Erforderlichkeit

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nicht-öffentliche Stelle die in Frage stehenden Daten ausschließlich im Rahmen einer persönlichen oder familiären Tätigkeit erhebt, verarbeitet oder nutzt. Eine vergleichbare Beschränkung des Anwendungsbereichs ist in § 201a StGB nicht normiert. Das BDSG einschließlich dessen Sanktionsnorm § 44 Abs. 1 BDSG ist mit Blick auf den strafrechtlichen Bildnisschutz nicht gleich wirksam. Daneben steht der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 BDSG in Fällen, in denen eine Strafbarkeit gem. § 201a StGB ebenfalls möglich ist, auch die Subsidiaritätsregelung des § 1 Abs. 3 BDSG entgegen. Danach findet das BDSG keine Anwendbarkeit, soweit andere Rechtsvorschriften eine derartige Situation ebenfalls normieren.184 Gegenüber der bereichsspezifischen Strafnorm des § 201a StGB zum Schutz vor Persönlichkeitsverletzungen durch Bildaufnahmen tritt die datenschutzrechtliche Sanktionsnorm somit zurück.185 Auch kann die Sanktionsnorm des BDSG in Fällen der Parallelität nicht als milder eingestuft werden, da auf Grundlage dieser ebenfalls eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden kann. 3. Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Das Jugendschutzgesetz wie auch der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sind seit 2002186 in Kraft, wobei das Jugendschutzgesetz seine Grundlagen teilweise in dem bereits seit 1951 bestehenden Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit187 und dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften von 1953188 hat.189 Beide Rechtsgrundlagen beinhalten Verbotstatbestände betreffend „Posing-Darstellungen“ von Minderjährigen. So ist gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 i.V. m. § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG, wie auch gem. § 24 Abs. 1 Nr. 1 i i.V. m. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 JMStV die Herstellung und Verbreitung von Medien verboten, die Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung zeigen. Nacktaufnahmen von Minderjährigen, die keinerlei Sexualbezug aufweisen, werden allerdings weder von der Strafvorschrift des JuSchG noch von den Ordnungswidrigkeitsvorschriften des JMStV erfasst, sodass eine Sanktionierung der 184

Wicker, Cloud Computing und staatlicher Strafanspruch, S. 231. Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 103; Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 64; Nink, in: Spindler/Schuster, § 44 BDSG, Rn. 2; Gola/Schomerus, in: Gola/Klug/Körffer/ Schomerus, § 44 BDSG, Rn. 2. 186 BGBl. 2002 Teil I Nr. 51, S. 2730; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder, S. 8, S. 76. 187 BGBl. 1951 Teil I Nr. 56, S. 936. 188 BGBl. 1953 Teil I Nr. 27, S. 377. 189 Eifler, Das System des Jugendmedienschutzes in Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 1. 185

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

Verbreitung solcher Aufnahmen durch keine der beiden Rechtsgrundlagen möglich ist. Für die aufgezeigten Verbotsnormen ist allein der objektiv erkennbare Inhalt einer Aufnahme entscheidend190 und nicht die Intention, die ein Einzelner mit deren Herstellung, Weitergabe oder Erlangung entsprechender Bilder verfolgt. Sobald die genannten Voraussetzungen allerdings erfüllt sind, wird es sich nicht mehr um Bildaufnahmen i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB handeln, sondern um kinder- und jugendpornografische Aufnahmen, die von den §§ 184 b, 184 c StGB erfasst sind191. Weder das JuSchG, noch der JMStV umfassen das Herstellen, Anbieten oder Verschaffen von Bildaufnahmen, die die Nacktheit von Minderjährigen zum Gegenstand haben und keinerlei Sexualbezug aufweisen. Dem Gesetzgeber war es mit Blick auf diese beiden Kodifikationen nicht verwehrt, den strafrechtlichen Bildnisschutz auf Nacktaufnahmen von Minderjährigen ohne Sexualbezug zu erweitern.

C. Fazit Das Strafrecht darf als schärfstes Schwert, das der Staat gegenüber seinen Bürgern zur Verfügung hat, nicht aus reinem Aktionismus heraus und als politisches Reaktionsmittel gegenüber Sachverhalten und Geschehnissen verwendet werden, die durch die Medien einer breiten Bevölkerungsschicht eröffnet worden sind und die Gefahr eines politischen Image- oder Stimmenverlusts für die regierenden Parteien nach sich ziehen könnten.192 So schrieb bereits Binding in der zweiten Auflage zu seinem Lehrbuch für das Gemeine Deutsche Strafrecht, dass es wohl keinen anderen Rechtszweig neben dem Strafrecht gebe, der derart stark davon abhinge, was das Leben dem Gesetzgeber vor die Füße spüle.193 Tatsächlich werden Lücken im strafrechtlichen Schutzkonzept erst durch aufsehenerregende 190

So im Ergebnis auch Hertel, in: Hahn/Vesting, § 4 JMStV, Rn. 62. Hörnle, in: MüKo, § 184 b, Rn. 18; a. A. das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder, S. 54, S. 81 sowie Hertel, in: Hahn/Vesting, § 4 JMStV, Rn. 62, die die Ansicht vertreten, dass § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG und § 4 Nr. 9 JMStV einzig Abbildungen erfassen, die gerade noch unterhalb der Schwelle von kinder- und jugendpornografischen Aufnahmen liegen. Allerdings beziehen sich diese aus dem Jahr 2012 stammenden Ausführungen noch auf den Wortlaut der §§ 184 b, 184 c StGB vor der Reformierung durch das 49. StÄG, der den Passus der „Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes oder Jugendlichens in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ noch nicht enthielt. Nach dem alten Gesetzeswortlaut konnte Kinder- und Jugendpornografie erst angenommen werden, wenn sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern oder Jugendlichen vorgenommen worden sind. Die Darstellung von Mädchen oder Jungen einzig in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung stellte noch keine pornografischen Aufnahmen dar. 192 Gercke, ZRP 2014, 189. 193 Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, 2. Aufl., S. 20. 191

C. Fazit

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Fälle aufgedeckt, und als Reaktion darauf beginnt die gesetzgeberische Arbeit. Dieses Vorgehen schadet weder dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts, noch dem freiheitlichen Zusammenleben innerhalb eines Rechtsstaats, solange der Gesetzgeber auch in diesen Situationen verantwortlich und vollumfänglich prüft, ob das „angeschwemmte“ Geschehen tatsächlich ein strafwürdiges Verhalten darstellt und nicht bereits durch andere bestehende Normen reguliert wird bzw. andere Normen eine taugliche, weniger einschneidende Reaktionsmöglichkeit wären.194 Die Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes wird nicht ohne Grund teilweise als „Lex-Edathy„195 bezeichnet. Es kann nicht bestritten werden, dass die Erweiterungen des § 201a StGB in zeitlicher Nähe zu den Ermittlungstätigkeiten gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy stehen. Allerdings beschränkt sich die Strafbarkeitserweiterung im strafrechtlichen Bildnisschutz nicht auf Nacktaufnahmen von Minderjährigen ohne Sexualbezug. Gerade die restriktiven Merkmale des räumlichen Schutzbereichs und des höchstpersönlichen Lebensbereichs, die den Anwendungsbereich des § 201a StGB a. F. auf ein Minimum von Fällen reduzierten, wurden seit ihrer Einführung kritisiert.196 Auf diese Kritik wurde ebenfalls durch das 49. StÄG reagiert. Gleichzeitig stellen die Neupönalisierungen – wie aufgezeigt – ein strafwürdiges Verhalten dar, deren Unrecht mit den bereits bestehenden Tatbestandsvarianten des § 201a StGB a. F. vergleichbar ist. Auch wenn die Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes teilweise eine Reaktion auf die Ereignisse rund um den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Edathy und eine öffentliche Distanzierung eines sozialdemokratischen Justizministers von seinem Parteikollegen darstellen sollte,197 handelt es sich bei den neueingefügten Tatbestandsvarianten des § 201a StGB um strafwürdiges Unrecht, dessen Pönalisierung mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts vereinbar ist und gerade keine willkürliche Strafbarkeitserweiterung darstellt.

194

Zaczyk, ZStW 123, 691, 708. Beispielsweise von Gercke, CR 2014, 687; Gutschker, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 23.11.2014, S. 10; Lohse, Lex Edathy, http://faz-archiv-approved.faz. net/intranet/biblionet/r_suche/webcgi?START=A20&DOKM=185218_FAZN_0&WID= 87035-5960207-30031_5 (besucht am 02.04.2017). 196 Siehe die Ausführungen von Kühl, AfP 2004, 190, 194; ders., in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 174; ders., in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 2; Schertz, AfP 2005, 421, 427; Mitsch, Jura 2006, 117, 118; ders., in: Feltes/Pfeifer/Steinhilper, Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen, 603, 607 f.; Murmann, in: Bloy/Böse/Hillenkamp u. a., Gerechte Strafe und legitimes Strafrecht, 585, 598; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 5; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 1, Rn. 6. 197 Eine solche öffentliche Distanzierung der SPD von ihrem ehemaligen Bundestagsabgeordneten S. Edathy durch die Reformierung des § 201a StGB unterstellt Wieduwilt, K&R 2014, 627, 632. 195

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2. Kap.: Ausweitung des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch 49. StÄG

Unter den dargestellten Gesichtspunkten wäre die Reformierung des § 201a StGB auch nicht in Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip entbehrlich gewesen. Die vor der Reformierung zur Verfügung stehenden rechtlichen und tatsächlichen Mittel, sich vor der Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen, Aufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zum Gegenstand haben oder Nacktaufnahmen von Minderjährigen ohne Sexualbezug zu schützen oder im Nachhinein zu sanktionieren, haben keinen vergleichbaren Rechtsgüterschutz gewährt, wie er mit den in den strafrechtlichen Bildnisschutz neu eingefügten Tatbestandsvarianten geschaffen wurde. Der Erforderlichkeit der Reformierung und Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes kann nicht entgegengehalten werden, dass einige von § 201a StGB n. F. erfassten Verhaltensweisen vor der Reformierung durch das 49. StÄG bereits von anderen Sanktionsnormen teilweise mitumfasst waren.

3. Kapitel

Der strafrechtliche Bildnisschutz A. 15. Abschnitt des StGB § 201a StGB wurde mit dem 36. StÄG 2004 in den 15. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs – „Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs“ (§§ 201–210 StGB) – integriert. Der 15. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs wurde 1974 durch das EGStGB in das Strafgesetzbuch eingefügt, indem einige bereits bestehende Vorschriften1 und neu geschaffene Sanktionen2 zusammengefasst wurden.3 Mit der Einführung dieses Abschnitts sollte ein umfassender strafrechtlicher Schutz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet und Eingriffe in die Privatsphäre anderer sanktioniert werden.4 Neben dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sichern die §§ 201 ff. StGB das Verfügungsrecht jedes Einzelnen über seine eigenen informationshaltigen Erklärungen, wobei die Sanktionsnormen sowie die zu schützenden Rechtsgüter in den einzelnen Tatbeständen differenziert ausgestaltet sind.5 Eine freie Entfaltung der Persönlichkeit ist nach der den §§ 201 ff. StGB zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Intention nur möglich, wenn strafrechtlich dieser Freiraum für jeden Einzelnen gegenüber der Gesellschaft und dem Staat gewährleistet wird.6 Die Normen des 15. Abschnitts weisen eine individualbezogene Schutzrichtung auf. Einzige Ausnahme bildet § 206 StGB (Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses), der neben dem Individualschutz den Schutz von Kollektivrechtsgütern, das Vertrauen der Allgemeinheit in das ordnungsgemäße Funktionieren des Post- und Fernmeldeverkehrs, erfasst.7

1

§ 201 StGB war bereits vor 1974 als § 298 und § 202 als § 299 im StGB enthalten. Die §§ 204, 205 wurden mit dem EGStGB 1974 neu in das Strafgesetzbuch aufgenommen, BGBl. 1974 Teil I Nr. 22, S. 486 ff. 3 BGBl. 1974 Teil I Nr. 22, S. 486 ff. 4 BT-Drucks. 7/550, S. 235; G. Schmidt, ZStW 79, 741; Kargl, in: Nomos Kommentar, Vor §§ 201 ff., Rn. 1. 5 Kühl, in: Lackner/Kühl, Vor §§ 201 ff., Rn. 1. 6 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 201 ff., Rn. 2. 7 Hoyer, in: SK-StGB, Vor §§ 201 ff., Rn. 3. 2

90

3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

B. Handlungsvarianten Die strafbaren Handlungsweisen benennt § 201a StGB in den Absätzen 1 bis 3. Mit dem 49. StÄG wurden allerdings nur in § 201a Abs. 3 StGB Handlungsmodalitäten eingefügt, die nicht bereits vor der Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes normiert waren. Es erscheint geboten, zunächst die Merkmale des „Herstellens“, „Übertragens“, „Gebrauchens“ und „Zugänglichmachens einer Bildaufnahme gegenüber Dritten“ darzustellen, bevor die Problematiken der sonstigen Tatbestandvarianten der aktuellen Gesetzesfassung dargestellt werden.

I. Herstellen einer Bildaufnahme § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB sanktioniert die „Herstellung“ von Bildaufnahmen, wenn diese in den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person eingreifen oder einen nackten Minderjährigen abbilden und für entgeltliche Zwecke geschaffen worden sind. Unter der „Herstellung einer Bildaufnahme“ ist jede Handlung zu verstehen, durch die eine Aufnahme auf einem Bild- oder Datenträger gespeichert wird, wobei diese Fixierung nicht dauerhaft sein muss.8 Dieses Merkmal ähnelt der Tathandlung des „Aufnehmens“ in § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, sodass die Erläuterungen zu dieser als Orientierung für eine erweiterte Begriffsbestimmung herangezogen werden können.9 Unter dem „Aufnehmen eines nichtöffentlich gesprochenen Wortes“ ist jede Art der Fixierung einer Äußerung zu verstehen, wobei es unbeachtlich ist, ob dies digital, analog oder auf sonstige Weise geschieht, solange zu einem späteren Zeitpunkt eine akustische Wiedergabe des tatsächlich Gesprochenen möglich ist.10 In Anlehnung an dieses Begriffsverständnis muss für das Merkmal der „Herstellung“ Voraussetzung sein, dass das vergängliche Erscheinungsbild einer Person solange auf einem Träger fixiert wird, dass zumindest eine bildliche Wiedergabe des Aufnahmeobjekts im Nahhinein möglich ist.11 Dies erscheint auch aus teleologischen Erwägungen nötig, da der Unrechtskern der „Herstellung“ in der Perpetuierung eines an sich flüchtigen und vergäng-

8

BT-Drucks. 15/2466, S. 5. Pollähne, KritV 2003, 387, 409; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 617; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 4; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 31; Bosch, in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 17. 10 Fischer, in: Fischer, § 201, Rn. 5; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201, Rn. 10; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201, Rn. 11; Graf, in: MüKo, § 201, Rn. 20. 11 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 88 f.; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 617; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 92; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 275; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 19; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 17. 9

B. Handlungsvarianten

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lichen Moments liegt.12 Gleichzeitig muss die Bildaufnahme durch die Fixierung auf einem Bild- oder Datenträger jederzeit reproduzierbar sein, um von einer „Herstellung“ i. S. d. § 201a StGB sprechen zu können.13 Eine tatsächliche Reproduktion der Aufnahme nach Abschluss der Speicherung ist für die Erfüllung des Merkmals der „Herstellung“ nicht notwendig, da die „Herstellungsvariante“ vollendet ist, sobald der Speicherungsvorgang beendet wurde.14 Des Weiteren muss es für die Tatbestandsverwirklichung unbeachtlich sein, ob der Täter nach der Bildherstellung die Aufnahme zur Kenntnis genommen hat oder ob diese bereits visuell wahrnehmbar war.15 Es schadet der Vollendung des Merkmals der „Herstellung“ nicht, wenn eine Bildentwicklung noch notwendig ist, um den Aufnahmeinhalt mit dem menschlichen Auge wahrnehmen zu können. Das Merkmal der „Herstellung“ umfasst nur den erstmaligen Aufnahmeund Speicherungsvorgang einer Bildaufnahme.16 Spätere Vorgänge, die mit der fraglichen Aufnahme und ihrer Speicherung in Verbindung stehen, wie beispielsweise die Bildentwicklung eines Negativs oder die Reproduktion digitaler Aufnahmen, können aufgrund der frühen Vollendung nicht mehr unter das Merkmal der „Herstellung“ subsumiert werden. Unter der „Herstellung“ einer Bildaufnahme i. S. d. § 201a StGB ist die Fixierung eines an sich flüchtigen, jedoch optisch wahrnehmbaren Moments auf einem Träger zu verstehen, die eine bildliche Wiedergabe des Aufnahmeobjekts im Nahhinein ermöglicht, wobei es unbeachtlich ist, ob die Fixierung digital oder analog erfolgt und ob für deren tatsächliche Sichtbarmachung noch weitere Zwischenschritte notwendig sind.

II. Exkurs: Strafbarkeit des Beobachtens Aus den obigen Erwägungen ergibt sich, dass eine strafrechtliche Sanktionierung des Beobachtens eines Geschehensablaufs aufgrund der aktuellen Gesetzesfassung nicht mit dem Wortlaut sowie der Systematik des § 201a StGB vereinbar 12 Sauren, ZUM 2005, 425, 429; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 617; Kühl, AfP 2004, 190; ders., in: Dölling/Götting/Meier u. a., Verbrechen – Strafe – Resozialisierung, 419, 434; ders., in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 4; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 14. 13 Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 617; Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 684; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 31. 14 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 9. 15 Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 13. 16 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 89; B. Heinrich, ZIS 2011, 416, 419; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 35; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 163; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 275; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 19.

92

3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

ist.17 § 201a StGB schützt neben dem Recht am eigenen Bild den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person vor Verletzungen durch Bildaufnahmen. Unter einer Bildaufnahme ist die gegenständliche, perpetuierte, zur Vervielfältigung geeignete, wenn auch nur flüchtige Verkörperung eines optisch erkennbaren Abbildes zu verstehen.18 Dabei ist es unerheblich, ob eine analoge oder digitale Speicherung stattgefunden hat, es sich um Einzelaufnahmen oder um eine komplette Videosequenz handelt.19 Entscheidende Voraussetzung für eine Bildaufnahme ist einzig die auf einem technischen Vorgang begründete, zumindest vorübergehende Fixierung eines tatsächlichen Geschehnisses.20 Durch einen „frechen Blick“ entsteht gerade keine Bildaufnahme, da es zu keiner zur Vervielfältigung geeigneten Verkörperung des Beobachteten kommt.21 Das reine Betrachten zeichnet sich, wie das beobachtete Verhalten, durch seine Vergänglichkeit aus.22 Für die Bewertung des Beobachtens als straffrei ist es des Weiteren unbeachtlich, ob technische Hilfsmittel, wie Ferngläser oder das Teleobjektiv einer Spiegelreflexkamera durch den Voyeur verwendet worden sind. So kommt es bei der Beobachtung einer anderen Person mit Hilfe technischer Mittel ebenfalls weder zu einer Fixierung des Gesehenen, noch entsteht die Möglichkeit einer Repro17 So im Ergebnis auch Pollähne, KritV 2003, 387, 410; Eisele, JR 2005, 6, 9; Kühl, AfP 2004, 190, 194; ders., in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 219; Bosch, JZ 2005, 377, 380; ders., in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 17; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 617; B. Heinrich, ZIS 2011, 416, 419; Seidl, jurisPR-ITR 3/2016, Anm. 2; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 103; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 168; Klesczewski, Strafrecht – Besonderer Teil, § 6, Rn. 113; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 14. Safferling, Marburg law review 2008, 36, 40 differenziert bzgl. des Ergebnisses mit Blick auf die Schutzrichtung des § 201a StGB a. F. Er vertritt die Ansicht, dass die Straffreiheit des reinen Beobachtens nur dann angebracht sei, wenn als schützenswertes Rechtsgut das Recht am eigenen Bild der Sanktionsnorm zugrunde gelegt wird. Würde hingegen bei § 201a StGB a. F. auf den Schutz der Persönlichkeit und des privaten Rückzugsbereichs einer Person abgestellt, müsste konsequenterweise auch der „freche Blick“ sanktioniert werden. 18 Seidl, jurisPR-ITR 3/2016, Anm. 2; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 255; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 85; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 4. 19 Seidl, jurisPR-ITR 3/2016, Anm. 2. 20 Wieduwilt, K&R 2014, 627, 628; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 34; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 94. 21 Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, § 31, Rn. 13. 22 Kühl, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 219; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 103; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 114; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 256.

B. Handlungsvarianten

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duktion, sodass für den Beobachteten keine Gefahr besteht, dass sein Verhalten bildlich fixiert und evtl. gegenüber weiteren Person offengelegt wird.23 Auch ist die mündliche Wiedergabe des Gesehenen nicht vergleichbar mit einer optischen Fixierung.24 Der Voyeur kann zwar von dem Geschehnis einem Dritten im Rahmen einer mündlichen Erzählung berichten, dies wird allerdings nie die gleiche Wirkung erzielen, wie eine Bildaufnahme, da es sich um eine subjektive Interpretation des Moments handelt.25 „Während das Wort erst über den Intellekt wirkt, spricht die Aussagekraft eines Bildes den Betrachter unmittelbar an und weckt in ihm Emotionen“ 26, die durch eine Erzählung kaum in vergleichbarer Weise geweckt werden können.27 Auch kann keine mit einer Bildaufnahme vergleichbare Wirkung gegenüber Dritten durch eine Nachzeichnung des Beobachteten erreicht werden, da dies keine Abbildung des tatsächlich Wahrgenommenen darstellt, sondern einzig den Vorgang aus der persönlichen Sicht des Zeichners wiedergibt.28 Die Perpetuierung des Wahrgenommenem im Gedächtnis des Beobachters genügt als Fixierung für die Bejahung des Merkmals der „Herstellung“ ebenfalls nicht aus, da eine bildliche Wiedergabe im Nachhinein nicht möglich ist.29

III. Übertragen einer Bildaufnahme Die „Übertragung“ einer den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzenden Bildaufnahme wird gem. § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB sanktioniert. Anders als bei dem Merkmal der „Herstellung“ wird bei der „Übertragung“ nicht die Perpetuierung eines an sich flüchtigen Moments pönalisiert, sondern die abstrakte Gefahr, dass eine Aufnahme von weiteren Personen, außerhalb des Täterkreises, wahrgenommen werden könnte und somit der Personenkreis, der Kenntnis von dem Aufnahmeinhalt hat, nicht mehr beherrschbar ist.30

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Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 17. Rose, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 75, 79. 25 Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 256. 26 Schmitt, in: Götting/Lauber-Rönsberg, Aktuelle Entwicklungen im Persönlichkeitsrecht, S. 80. 27 Rose, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 75, 79. 28 I. S. d. § 201a StGB kann von einer persönlichkeitsverletzende Aufnahme nur ausgegangen werden, wenn das fragliche Bild die betroffene Person im Rahmen einer realistischen Abbildung der Wirklichkeit zeigt, vgl. Flechsig, ZUM 2004, 605, 611 zu § 201a StGB a. F. Ausführlich Darstellung der Voraussetzungen des Merkmals der „Bildaufnahme“ im 3. Kapitel, D., I., 3. 29 Im Ergebnis so auch Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 150. 30 Bosch., Jura 2016, 1380, 1382; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 18; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 113; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 33. 24

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Die „Übertragung“ einer Bildaufnahme i. S. v. § 201a StGB liegt immer dann vor, wenn anderen Personen die Wahrnehmung der Bildaufnahme auf einem andern als dem Aufnahmegerät befindlichen Bildschirm, Mobiltelefon oder sonstigem Wiedergabegerät ermöglicht wird, ohne dass die Bildaufnahme zuvor dauerhaft auf dem Herstellungsgerät oder einem sonstigen Speichermedium fixiert worden ist.31 Mit der Tatvariante des „Übertragens“ werden Handlungen, wie die Echtzeitübertragung von Bildmaterial durch Web- oder Spycams, bei denen es an einer Zwischenspeicherung fehlt32, Drohnenflüge, die mittels einer Live-ViewFunktion ihre Aufnahmen ohne Zwischenspeicherung an ein verbundenes Empfangsgerät senden33 oder das Live-Streaming durch Smartglasses erfasst34. In den angesprochenen Fällen kommt es zu einer sofortigen Übertragung der aufgenommen Bildmaterialien an einen anderen als den Aufnahmeort, wobei die Aufnahmegeräte die produzierten Fotografien oder Videosequenzen nicht speichern.35 Der Täter hat in derartigen Konstellationen keinerlei Kontrolle, wer und wie viele andere Personen das Bildmaterial tatsächlich optisch wahrnehmen, ob der Empfänger die Aufnahmen zwischenspeichert oder für eigene Zwecke weiterverwendet.36 Kein „Übertragen“ i. S. v. § 201a StGB liegt allerdings vor, wenn eine Versendung von Bildern oder Videosequenzen über Messenger-Portale, wie beispielsweise WhatsApp, Snapchat oder Theerma durchgeführt wird. Auch wenn innerhalb dieser Portale die versendete Bildaufnahme erst aufgenommen wird, um sie daraufhin sofort an Dritte weiterzuleiten, kommt es vor der Versendung zu einer automatischen Speicherung auf dem Sendegerät. Dem Handelnden wird von dem Messenger-Portal daraufhin die Möglichkeit eingeräumt, die entsprechende Aufnahme mit einem persönlichen Text zu versehen, diese zu bearbeiten oder in sonstiger Weise zu personalisieren. Eine Echtzeitübertragung, wie dies bei Weboder Spycams der Fall ist, ist in derartigen Konstellationen nicht gegeben. Auch 31 Schertz, AfP 2005, 421, 425; Seidl, jurisPR-ITR 3/2016, Anm. 2; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 284; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 111; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 276; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 70; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 123; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 33; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 9; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 15; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 13. 32 BT-Drucks. 15/1891, S. 6; AG Berlin-Tiergarten, 13.8.2014 – (242 Ds) 281 Js 935/14 (88/14), BeckRS 2014, 23434. 33 Solmecke/Nowak, MMR 2014, 431, 435. 34 Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 261. 35 AG Berlin-Tiergarten, 13.8.2014 – (242 Ds) 281 Js 935/14 (88/14), BeckRS 2014, 23434. 36 Esser, JA 2010, 323, 325; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 169; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 88; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 18.

B. Handlungsvarianten

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das Veröffentlichen von Bildaufnahmen in sozialen Netzwerken, wie Facebook, Twitter oder Instagram, ist keine „Übertragung“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB. Ein Bild, das auf solche Plattformen hochgeladen wird, muss zuvor auf einem Trägermedium gespeichert worden sein. Wird die Bildaufnahme innerhalb des Upload-Programms aufgenommen, kommt es ebenfalls vor der Veröffentlichung zu einer automatischen geräteinternen Speicherung, die eine reine Zwischenspeicherung übersteigt, da es sich um eine dauerhafte Perpetuierung auf dem Trägermedium handelt. Auf den ersten Blick erscheint die Pönalisierung der reinen Bildübertragung im Verhältnis zu der Straffreiheit des Beobachtens widersprüchlich.37 Es scheint zunächst nicht plausibel wieso das Beobachten mit einem Fernglas straflos, die Ermöglichung des Beobachtens mittels einer Webcam, die das Bildmaterial sofort in das Internet überträgt, strafbar sein soll.38 Beide Situationen stellen für den Täter bzw. den Empfänger der Aufnahmen zunächst eine Beobachtung fremden Verhaltens dar. Wie bei der Beobachtung fehlt es bei der Übertragungsvariante ebenfalls an einer Perpetuierung des Gesehenen durch den Täter in Form einer Zwischenspeicherung auf einem Bild- oder Datenträger.39 Jedoch unterscheidet sich die Übertragung einer Bildaufnahme von dem „frechen Blick“ dahingehend, dass das Gesehene bereits im Aufnahmezeitpunkt oder mit kurzer zeitlicher Verzögerung Dritten übermittelt und mit diesen geteilt wird.40 Der Aufnehmende hat bei dem Merkmal der „Übertragung“ keinerlei Einfluss darauf, ob die Empfänger der Bilder diese speichern oder anders verwerten. Des Weiteren kommt es bei der Übertragungsvariante im Vornherein immer zu der Schaffung einer Bildaufnahme, die das betroffene Geschehen tatsächlich und objektiv wiedergibt. Bei dem reinen Beobachten besteht die Gefahr nicht, dass noch weitere Personen das betrachtete Geschehnis optisch wahrnehmen. Anders als bei dem Merkmal der „Übertragung“ wird dem Moment seine Flüchtigkeit nicht entzogen. Personen, die die Echtzeitübertragung als Empfänger ansehen, bleiben trotz des § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB straflos,41 da deren Verhalten als „Beobachten 2.0“ 42 verstanden werden kann. Mit der Sanktionierung der „Übertra37 Vgl. Pollähne, KritV 2003, 387, 410, Fn. 123; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier, § 201a, Rn. 18; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 15; kritisch Safferling, Marburg law review 2008, 36, 40; Esser, JA 2010, 323, 325; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 13. 38 Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 15. 39 So auch Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 112. 40 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 170. 41 Ebenso Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 170 zu der alten Gesetzeslage. 42 Unter dem Begriff „Beobachtung 2.0“ ist das Anschauen von Live-Streamings oder Echtzeitübertragungen über das Internet zu verstehen. Derartiges Verhalten ist von

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

gung“ kommt es zu keiner unterschiedlichen Bewertung des klassischen Beobachtens mittels eines Fernglases im Verhältnis zum Beobachten einer anderen Person durch das Betrachten eines Live-Streamings, da in derartigen Konstellationen einzig der Übertragende Gefahr läuft sich strafbar zu machen, nicht jedoch der Konsument. Von dem Merkmal des „Übertragens“ sind jegliche Verhaltensweisen einer Person erfasst, die die Wahrnehmung der Bildaufnahme auf einem anderen Bildschirm, Smartphone oder sonstigen Wiedergabegerät ermöglichen, ohne dass die Bildaufnahme zuvor dauerhaft auf dem Herstellungsgerät oder einem sonstigen Speichermedium durch den Täter oder einen automatischen Speicherungsprozess fixiert worden ist.

IV. Gebrauchen einer Bildaufnahme Der Grundgedanke, der 2004 der Pönalisierung des „Gebrauchens“ einer Bildaufnahme zugrunde lag, war, dass die aktive unbefugte Nutzung einer Bildaufnahme, die den Abgebildeten in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zeigt, ebenso strafwürdiges Unrecht verwirklicht wie deren Herstellung.43 Eine Vergleichbarkeit des verwirklichten Unrechts dieser beiden Handlungsalternativen kann jedoch nur angenommen werden, wenn durch das „Gebrauchen“ zumindest die Gefahr einer weiteren, für den Abgebildeten unbeherrschbaren Verbreitung der Aufnahme geschaffen wird und damit gleichzeitig das Risiko weiterer Verletzungen des Persönlichkeitsrechts einhergehen.44 Das Merkmal des „Gebrauchens“ ist durch den Täter, vor allem wenn er die in Frage stehende Bildaufnahme nicht selbst hergestellt hat, immer dann erfüllt, wenn er die technischen Möglichkeiten des Bildträgers ausnutzt.45 Dies kann beispielsweise angenommen werden, wenn er eine Bildaufnahme speichert, archiviert, kopiert oder eine Fotomontage herstellt.46 Das Merkmal des „Gebrauchens“ ist jedoch nicht im Zeitpunkt des erstmaligen Abspeicherns einer Bildaufnahme auf dem Herstellungsgerät erfüllt. Gem. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB kann eine Bildaufnahme nur dann „gebraucht werden“, wenn diese bereits i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB „hergestellt“ also bereits mindestens einmal abgespeichert worden ist. In den Fällen der Schaffung einer Fotomontage, wie auch in den anderen in den Gesetzgebungsmaterialien exemplarisch aufgezählten Verhaltensweisen, ist dem verwirklichten Unwert mit dem klassischen Beobachten einer anderen Person, beispielsweise mit Hilfe eines Fernglases, zu vergleichen. Anders jedoch wie bei dem reinen „frechen Blick“ kommen bei dem „Beobachten 2.0“ technische Kommunikationsmittel, wie das Internet oder sonstige Netzwerke, zum Einsatz. 43 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 44 Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 19. 45 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 46 BT-Drucks. 15/2466, S. 5.

B. Handlungsvarianten

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das Merkmal des „Gebrauchens“ allerdings nur dann tatbestandlich erfüllt, wenn zumindest die ursprüngliche Aufnahme den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt hat.47 So kann beispielsweise kein strafbares „Gebrauchen“ angenommen werden, wenn im Rahmen einer Fotomontage ein Firmenchef als eine windige und kriminelle Romanfigur dargestellt wird und dafür eine diesen ursprünglich bei der Arbeit zeigende Bildaufnahme verwendet worden ist.48 Eine solche Bildmontage erfasst nicht den höchstpersönlichen Lebensbereich der dargestellten Person, da die berufliche Stellung des Betroffenen bereits vor dem „Gebrauchen“ der Aufnahmen den Bildinhalt dargestellt hat und nicht diesem Lebensbereich zugeordnet werden kann. 1. Betrachten einer Bildaufnahme Fraglich erscheint, ob das schlichte Betrachten einer unbefugt hergestellten Bildaufnahme ein „Gebrauchen“ i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB darstellt. Zunächst sind zwei unterschiedliche Arten des Betrachtens einer Bildaufnahme zu unterscheiden. Einerseits ist an den Fall zu denken, dass die Person, die die fragliche Bildaufnahme hergestellt hat, diese für sich selbst visualisiert und betrachtet. Andererseits ist an die klassischen Zeitschriftenfälle zu denken, in denen Dritte die fragliche Aufnahme nicht hergestellt haben, diese jedoch innerhalb einer Zeitschrift oder eines anderen Formats betrachten. Auch wenn der Kreis der Personen, die tatsächlich Kenntnis von dem abgebildeten Geschehnis erlangt haben, in dem erstgenannten Beispiel nicht vergrößert wird, da der Hersteller einzig für sich selbst die hergestellte Bilddatei oder das Negativ visualisiert, kann von einem „Gebrauchen“ i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB gesprochen werden, da der Täter die ihm zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten des Bildträgers aktiv ausnutzt, um diese optisch wahrnehmen zu können.49 Laut der Gesetzesbegründung, wie auch dem allgemeinen Sprachempfinden, darf es bei dem Merkmal des „Gebrauchens“ nicht ausschließlich darauf ankommen, dass neben dem „Hersteller“ noch weitere Personen tatsächlich Kenntnis von dem Bildinhalt erlangt haben, sondern, dass die zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten in Bezug auf die Bildaufnahme 47

Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 14 a. Vgl. LG München I, 30.10.2015 – 9 O 5780/15, AfP 2016, 89 ff. 49 Bosch, JZ 2005, 377, 380; Sauren, ZUM 2005, 425, 429; Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247, 248; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 118; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 50; Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 106; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 6; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 55; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 15; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 24; a. A. Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 95. Betrachtet der Träger von Smartglasses im Nachhinein seine Aufnahmen, liegt ebenfalls ein „Gebrauchen“ vor, Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263. 48

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

ausgenutzt werden, dadurch die abstrakte Gefahr einer unkontrollierbaren Verbreitung für den Betroffenen ansteigt und ein mit der Herstellungsvariante vergleichbares Unrecht verwirklicht wird. In derartigen Konstellationen wird das „Gebrauchen“ der Bildaufnahme allerdings im Rahmen der Konkurrenzen regelmäßig hinter der Herstellungsvariante zurücktreten. Ob das Betrachten einer Paparazzo-Aufnahme oder eines „Gaffer-Fotos“ in einer Zeitschrift, im Internet oder einer einschlägigen Fernsehsendung ebenfalls bereits ein „Gebrauchen“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB darstellt, wird hingegen unterschiedlich bewertet. So gibt es Stimmen innerhalb der Literatur, die die Ansicht vertreten, dass Personen, die entsprechende Aufnahmen betrachten, das Tatbestandsmerkmal des „Gebrauchens“ verwirklicht haben.50 Die Befürworter dieser Ansicht führen an, dass es für die Bejahung des Merkmals des „Gebrauchens“ einer Bildaufnahme bereits ausreichend sein muss, dass sich der Personenkreis, der tatsächlich Kenntnis von dem Aufnahmeinhalt erlangt hat, durch das Betrachten vergrößert.51 Des Weiteren wird in Anlehnung an § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorgebracht, dass der für eine Bildaufnahme charakteristische Gebrauchszweck das bloße „Betrachten“ sei.52 Diesem sehr weiten Begriffsverständnis des Merkmals des „Gebrauchens“ kann jedoch nicht Folge geleistet werden.53 Für die Verwirklichung des Merkmals des „Gebrauchens“ ist eine tatsächliche Verfügungsgewalt des Täters über eine Bildaufnahme als notwendige Voraussetzung zu nennen, die von diesem für die Tatbestandsverwirklichung aktiv ausgenutzt werden muss.54 Erst durch dieses ungeschriebene Merkmal erlangt der in den Gesetzgebungsmaterialien vorgebrachte Aspekt des „Ausnutzens technischer Möglichkeiten“ 55 Kontur, und so50

Vgl. Vogel, ZUM 2005, 449, 450; Hoppe, GRUR 2004, 990, 992; Sauren, ZUM 2005, 425, 429; Kargl, ZStW 117, 324, 334; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 96. 51 Kargl, ZStW 117, 324, 334; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 96. 52 Hoppe, GRUR 2004, 990, 992. 53 Im Ergebnis wie Flechsig, ZUM 2004, 605, 614; A. Koch, GA 2005, 589, 601; Bosch, JZ 2005, 377, 381; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 619; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 118; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 120; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 52; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 286; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, § 31, Rn. 17; Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 691; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 126; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 15; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 6. 54 Vgl. Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 691; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 24; Heuchemer, in: BeckOK, 36. Ed., § 201a StGB, Rn. 18 a. 55 BT-Drucks. 15/2466, S. 5.

B. Handlungsvarianten

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zialschädliches Verhalten kann von sozialadäquatem abgegrenzt werden.56 Nur wenn der Täter tatsächlich die Verfügungsgewalt über eine Bildaufnahme hat und diese ausnutzt, entsteht eine neue, erweiterte Verbreitungsgefahr.57 Diese Gefahr soll durch die Handlungsvariante des „Gebrauchens“ sanktioniert werden und führt erst zu einer Vergleichbarkeit des verwirklichten Unwerts mit der „Herstellungsvariante“. Betrachtet nun eine Person ein Bild in einer Zeitschrift oder bekommt es während einer Fernsehsendung zu sehen, hat sie gerade nicht die Verfügungsgewalt über die ursprüngliche Aufnahme inne und nutzt diese auch nicht aus. Das Betrachten von Bildaufnahmen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzten, kann als Verstoß gegen Anstandsgrenzen, nicht jedoch als die Verwirklichung von strafbedürftigem Unrecht gesehen werden. Es würde einen Widerspruch von erheblichen Gewicht darstellen, wenn das Beobachten eines Geschehnisses mit Hilfe eines Fernglases oder über einen Live-Stream ein strafloses, das Betrachten einer durch einen Dritten hergestellten Bildaufnahme des gleichen Geschehens ein strafbares Verhalten darstellen würde.58 Diese unterschiedliche Bewertung von Verhaltensweisen, die ihrem Unrechtskern nach vergleichbar sind, würde einen systematischen Bruch innerhalb des § 201a Abs. 1 StGB begründen.59 Des Weiteren würde es bei einer derart weiten Auffassung des Tatbestandsmerkmals des „Gebrauchens“ auch zu einem Wertungswiderspruch im Verhältnis zu anderen Normen des StGB kommen. So ist an § 184 b Abs. 3 S. 1 StGB zu denken, der das besitzlose Betrachten kinderpornografischer Materialien gerade nicht bestraft. Es erscheint nicht erklärbar, wieso das Betrachten von weitaus weniger eingriffsintensiven Paparazzo-Aufnahmen in Boulevardzeitungen oder von „Gaffer-Fotos“ von Unfällen im Internet ein nach § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbares Verhalten sein sollte, das besitzlose Betrachten von kinderpornografischen Aufnahmen hingegen straffrei ist.60 Eine restriktive Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Gebrauchens“ erscheint in Bezug auf das Betrachten einer Bildaufnahme geboten. 56

Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 619. Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247. 58 Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 116; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 286; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 52; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 608; Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 691. 59 A. Koch, GA 2005, 589, 601; Bosch, JZ 2005, 377, 380; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 608; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 24. 60 A. Koch, GA 2005, 589, 601; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 119; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 52; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 21. 57

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Betrachten von Bildaufnahmen durch eine Person, die diese nicht hergestellt hat, kein Gebrauchen i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB darstellt. Auch wenn durch das Betrachten einer Bildaufnahme im Internet diese automatisch im Cache-Speicher des verwendeten Geräts zwischengespeichert wird und der Handelnde dadurch den Besitz an den Bilddaten erlangt, stellt das erstmalige Betrachten noch kein aktives Ausnutzen dieser Verfügungsmacht dar.61 Dies kann erst angenommen werden, wenn die Bildaufnahme ein weiteres Mal, auf Grundlage der geräteinternen Zwischenspeicherung der Dateien, angeschaut wird, da es erst im Rahmen eines erneuten Sichtbarmachens zu einer aktiven Ausnutzung der technischen Möglichkeiten und der zuvor erlangten Verfügungsmacht kommt.62 Diese einschränkende Auslegung des Merkmals des „Gebrauchens“ im Verhältnis zu der Begehungsvariante des Betrachtens von Bildaufnahmen im Internet und der automatischen Speicherung der Bilddateien im Cache-Speicher stellt keinen Verstoß gegen den gesetzgeberischen Willen dar, da dieser automatisch eingeleitete Speicherungsprozess mit den sonstigen vom Gesetzgeber in seinen Gesetzgebungsmaterialien exemplarisch aufgezählten Begehungsmodalitäten (Archivieren, Kopieren, Herstellung einer Fotomontage)63 nicht vergleichbar ist, da es an einem aktiven, willensgesteuerten Tätigwerden des Betrachtenden fehlt. Auch erscheint es nicht plausibel, wieso eine Person, die eine Paparazzo-Aufnahme in der Printausgabe einer Boulevardzeitung betrachtet, straflos, eine andere Person, die die gleiche Aufnahme auf der Internetseite der Boulevardzeitschrift erstmals erblickt, strafbar agieren soll. Zu einem entgegengesetzten Ergebnis muss man bzgl. Bildaufnahmen gelangen, die einer anderen Person über ein Messenger-Portal übermittelt worden sind und automatisch auf dem Empfangsgerät abgespeichert werden. Betrachtet der Adressat die Aufnahme nach der Abspeicherung, nutzt er, anders als jemand, der eine Fotografie erstmals im Internet ansieht, bereits seine Verfügungsmacht über die Bildaufnahme aus. 2. Fertigung eines Screenshots Auch von der Handlungsalternative des „Gebrauchens“ erfasst ist das Kopieren einer Bildaufnahme, soweit der Täter dafür seine Verfügungsmacht über die 61 Eckstein, NStZ 2011, 18, 19; Umfassende Darstellung und rechtliche Bewertung der Cache-Speicherung im 3. Kapitel, D., III. 62 Anders ist der Fall zu bewerten, wenn der Handelnde willentlich und aktiv steuernd eine Bilddatei aus dem Internet herunterlädt und abspeichert, um sie zu einem späteren Zeitpunkt betrachten zu können. In einer solchen Konstellation nutzt er die ihm zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten bewusst aus, um Verfügungsgewalt über die Aufnahme zu erlangen. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen auch Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 24; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 619 f. und Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 118. 63 Vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 5.

B. Handlungsvarianten

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ursprüngliche Bildaufnahme ausnutzt.64 Unter dem Begriff des Kopierens ist jede Art der Vervielfältigung einer bereits hergestellten Bildaufnahme zu verstehen. Dabei ist es unerheblich, ob die Aufnahme im klassischen Sinn durch ein Kopiergerät oder digital durch das Brennen auf eine CD, das Ziehen auf einen USBStick, das Verschieben der Bilddateien in eine Cloud oder durch das erneute Abfotografieren reproduziert wird, solange der Täter seine Verfügungsmacht über die Aufnahme für den Vervielfältigungsprozess ausnutzt65. Fraglich erscheint nun, ob unter den Oberbegriff des Kopierens auch die Herstellung eines Screenshots zu fassen ist, da ein Screenshot zwar als eine Vervielfältigung einer bereits hergestellten Bildaufnahme gesehen werden kann, jedoch kein Abfotografieren im klassischen Sinn, wie beispielsweise bei einem Scanvorgang, darstellt. Bei einem Screenshot kommt es zu einer erneuten, geräteinternen Reproduktion des Bildschirms, der im Handlungsmoment die in Frage stehende Bildaufnahme abbildet. Das Trägermedium wie auch das Vervielfältigungsobjekt sind in dieser Situation identisch. Diese technische Möglichkeit der geräteinternen Reproduktion des Bildschirminhalts muss jedoch für die rechtliche Bewertung der Schaffung eines Screenshots unbeachtlich sein. Ist auf dem Bildschirm eine entsprechende Aufnahme geöffnet und der Besitzer fertigt einen Screenshot an, reproduziert er durch sein Verhalten aktiv den Bildschirminhalt und schafft eine Nachbildung, die die ursprüngliche Bildaufnahme enthält. Durch das Anfertigen eines Screenshots kommt es zu einer Reproduktion der ursprünglich hergestellten Bildaufnahme, indem der Täter die technischen Möglichkeiten des Bildträgers aktiv ausnutzt. Die Gefahr, dass weitere Personen Kenntnis von dem Bildinhalt erlangen, wird durch das Täterverhalten für den Abgebildeten erhöht, und es wird ein mit der Herstellungsvariante vergleichbares Unrecht verwirklicht. Auch wenn die Anfertigung eines Screenshots nicht im klassischen Sinn als „Kopieren“ verstanden werden kann, da es innerhalb des Trägermediums zu einer Vervielfältigung der in Frage stehenden Aufnahme kommt, wird bei einem derartigen Verhalten dennoch eine Nachbildung einer ursprünglichen Bildaufnahme unter Ausnutzung der technischen Möglichkeiten des Bildträgers geschaffen, sodass dieses Verhalten als ein „Gebrauchen“ i. S. d. strafrechtlichen Bildnisschutzes verstanden werden muss. Gem. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich jedoch nur derjenige, der den Screenshot aktiv anfertigt, nicht jedoch derjenige, der diesen betrachtet, strafbar.

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BT-Drucks. 15/2466, S. 5. Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 174. 65

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

V. Zugänglichmachen einer Bildaufnahme Das Merkmal des „Zugänglichmachens“ ist in § 201a Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 StGB und § 201a Abs. 2 StGB inhaltlich gleichbedeutend ausgestaltet worden,66 sodass eine Darstellung der Grenzen dieser Handlungsvarianten gemeinsam erfolgen kann. Für eine allgemeine Definition des Merkmals des „Zugänglichmachens“ ist es unbeachtlich, ob die Bildaufnahme befugt oder unbefugt hergestellt worden ist oder diese geeignet erscheint, das Ansehen der abgebildeten Person zu gefährden. Der Begriff des „Zugänglichmachens“ wird außerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes noch in den §§ 184 I Nr. 1, Nr. 2, 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwendet und im Wesentlichen in all diesen Sanktionsnormen gleich verstanden,67 sodass es möglich erscheint, auf die zu diesen Normen ergangene Rechtsprechung und erarbeiteten Kriterien im Rahmen der Begriffsbestimmung bei § 201a StGB Bezug zu nehmen. Unter das Merkmal des „Zugänglichmachens“ ist jedes Täterverhalten zu fassen, durch das dieser mindestens einer anderen Person den Zugriff auf eine Bildaufnahme oder zumindest deren Kenntnisnahme ermöglicht.68 Für die Verwirklichung dieser Tatbestandsvariante ist es notwendig, dass die in Frage stehende Bildaufnahme derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass einem Zugriff auf diese oder einer Betrachtung keine weiteren Hindernisse mehr entgegenstehen, wobei der tatsächliche physische Zugriff, wie auch die Wahrnehmung oder Betrachtung der Aufnahme keine notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen darstellen.69 Die Tatvariante des „Zugänglichmachens einer Bildaufnahme gegenüber Dritten“ verlangt einzig, dass die entsprechende Aufnahme den internen Bereich des Täters verlassen hat, in die Außenwelt tritt und dadurch die abgebildete Person der Gefahr einer unbeherrschbaren Verbreitung ausgesetzt wird.70 1. „Posting“ und Versenden Mit Blick auf die technischen Entwicklungen der letzten Jahre – es ist neben der Allgegenwärtigkeit von Aufnahmegeräten und des Internets vor allem auch an Cloud-Computing, Messenger-Dienste und die immer stärker werdende Be66

Ebenso Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 126. Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 16; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 15a. 68 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 69 BGH, 12.11.2013 – 3 StR 322/13, NStZ-RR 2014, 47; Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247, 248; Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 692; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 15 a; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 59; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 18; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 35; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 25. 70 Safferling, Marburg law review 2008, 36, 41. 67

B. Handlungsvarianten

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deutung von sozialen Netzwerken zu denken – darf die praktische Bedeutung der Tatvariante des „Zugänglichmachens von Bildaufnahmen gegenüber Dritten“ nicht unterschätzt werden. Wie bereits dargestellt genügt für deren Verwirklichung jedes Täterverhalten, durch das anderen zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Bildinhalts gewährt wird. Für die Erfüllung dieser Voraussetzungen reicht es somit bereits aus, wenn beispielsweise eine das Ansehen einer anderen Person gefährdende Bildaufnahme auf der eigenen Facebook- oder Instagram-Seite gepostet wird71, da dadurch einer teilweise begrenzten, regelmäßig jedoch unbegrenzten Anzahl von Personen die Möglichkeit gewährt wird, zumindest Kenntnis von dem Bildinhalt zu erlangen.72 Für das Merkmal des „Zugänglichmachens“ ist es nicht nötig, einen individualisierbaren Adressatenkreis benennen zu können.73 Ausreichend für die Tatbestandsverwirklichung ist, dass das einer Bildaufnahme zugrunde liegende Datenmaterial in irgendeiner Weise weitergegeben wird.74 Auch die Versendung von Bildaufnahmen über Messenger-Portale, wie beispielsweise WhatsApp, Snapchat oder Theerma, stellt bereits eine Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des „Zugänglichmachens einer Bildaufnahme gegenüber Dritten“ dar, sobald die entsprechende Aufnahme auf dem Empfangsgerät eingegangen und dadurch eine Kenntnisnahmemöglichkeit für den Empfänger geschaffen worden ist. 2. Verlinken, Teilen und Einbetten Da für das Zugänglichmachen einer Bildaufnahme i. S. d. § 201a StGB auch nicht die Übertragung der körperlichen Verfügungsgewalt notwendig ist, genügt es für die Tatbestandsverwirklichung bereits, wenn eine Bilddatei von dem Täter mit Lesezugriff 75 in das Internet gestellt wird, soweit diese für andere Personen sichtbar ist.76

71 Unter einem „Posting“ wird das Hochladen bzw. Einspeisen eines einzelnen Beitrags, Videos oder einer Fotografie in das Internet verstanden. Regelmäßig kommt es zu „Postings“ durch die Nutzer von sozialen Netzwerken, die entsprechende Dateien auf ihren Profilseiten hochladen, um Inhalte mit ihren „Freunden“ bzw. „Followern“ zu teilen. 72 Ebenso Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 619; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 125; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 21; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 25; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 59. 73 Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 121. 74 Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 71. 75 Bei einem „Lesezugriff“ können Daten und ihre Inhalte von Dritten gesehen, jedoch nicht verändert werden. Es besteht keine Zugriffsmöglichkeit auf diese. 76 BGH, 12.11.2013 – 3 StR 322/13, NStZ-RR 2014, 47.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Ein Zugänglichmachen i. S. d. strafrechtlichen Bildnisschutzes kann auch dann bejaht werden, wenn im Rahmen eines im Internet offen einsehbaren Blogbeitrags mit Hilfe der Setzung eines Hyperlinks auf eine sich auf einer anderen Internetseite befindlichen Bildaufnahme verwiesen wird77 und dadurch den Lesern des Beitrags die Möglichkeit gewährt wird, ohne weitere Hindernisse, wie beispielsweise das aktive Suchen nach der entsprechenden Aufnahme oder der Eingabe eines Passwortes, das Bild oder die Videosequenz im Rahmen eines Lesezugriffs zumindest betrachten zu können.78 Für diese Tatbestandsvariante ist es dabei unbeachtlich, ob der Linksetzer mit dem Hyperlink auf eine selbst hergestellte oder auf eine sich auf einem fremden Server befindliche Aufnahme verweist.79 Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man auch für die Verhaltensweisen des „Einbettens“ und „Teilens“. Diese Handlungen zeichnen sich wie das Verlinken durch die Weitervermittlung bereits in das Internet eingespeister und verfügbarer Datensätze aus. Unter „Einbetten“ 80 wird das sichtbare Zeigen von fremden Videos oder Fotografien auf der eigenen Webseite verstanden.81 Eine Bildaufnahme ist beispielsweise dann eingebettet, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Online-Shops ein Youtube-Video derart mit seiner Internetseite verbindet, dass potentielle Kunden dieses direkt über dessen Webauftritt betrachten können, obwohl die Datensätze des Videos ausschließlich auf dem ursprünglichen Server gespeichert sind.82 Auf fremde Inhalte wird auch durch die Handlungsweise des „Teilens“ verwiesen. Durch die Funktion des „Teilens“ wird es den Nutzern von sozialen Netzwerken ermöglicht, fremde Internetbeiträge in optisch wahrnehmbarer Form mit ihrem eigenen Netzwerkprofil zu verbinden.83 Es ist nicht notwendig, dass der Handelnde sich zuvor die verwendete Information durch Herunterladen oder Kopieren zu eigen gemacht hat und anschließend durch ein Posting verbreitet.84 Anders als beim Verlinken können die eingebetteten oder geteilten Inhalte und Informationen direkt auf der verwendenden Interseite betrachtet werden, ohne dass durch den Konsument dafür ein Anklicken und eine anschließende Weiterleitung auf die Originaldatei bzw. ursprüngliche Internetseite notwendig ist.85 77

Reinauer, MDR 2015, 252. LG Hamburg, 18.5.2012 – 324 O 596/11, ZUM-RD 2012, 544, 549; Petershagen, NJW 2011, 705, 706. Kritisch Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 21. 79 LG Hamburg, 18.5.2012 – 324 O 596/11, ZUM-RD 2012, 544, 548. 80 Dieses Verhalten wird teilweise auch als „Framing“ bezeichnet. 81 Ullrich, ZUM 2010, 853, 854; Reinauer, MDR 2015, 252. 82 Reinauer, MDR 2015, 252. 83 Herbort, Digitale Bildnisse, S. 171. 84 Herbort, Digitale Bildnisse, S. 171. 85 Ullrich, ZUM 2010, 853, 854. 78

C. Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellende Bildaufnahme

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C. Problem 1: Die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellende Bildaufnahme Wer eine Bildaufnahme unbefugt herstellt oder überträgt, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, kann seit Inkrafttreten des 49. StÄG mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe gem. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB bestraft werden. Durch die Einführung dieser Tatbestandsvariante wurde der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 StGB auf Bildaufnahmen erweitert, die nicht notwendigerweise eine Person in ihrem räumlichen Rückzugsbereich zeigen, aber dennoch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzen. Mit dieser Strafbarkeitserweiterung sollte einerseits auf die bereits kurze Zeit nach Einführung des § 201a StGB a. F. kritisierten Unzulänglichkeiten der alten Rechtslage86 reagiert werden. Andererseits sollte insbesondere auch Personen, die unverschuldet in eine hilflose Lage geraten sind, Schutz vor Bildaufnahmen jeglicher Art gewährt werden87 sowie dem immer stärker auftretenden Phänomen der „Unfallgaffer“, die häufig Rettungsmaßnahmen bei Unglücksfällen behindern und zum Teil sogar weitere Unfälle provozieren,88 um ein „gutes Foto“ schießen zu können, begegnet werden. In solchen Fällen, in denen Außenstehende auf eine verunglückte Person mit ihren Aufnahmegräten „draufhalten“, lassen diese jegliche Anstandsgrenzen und Rechtspositionen anderer außer Acht, um die eigene Sensationsgier zu befriedigen. Daneben führt die quantitative Zunahme von Rettungseinsätzen, bei denen Außenstehende das komplette Geschehnis mit ihrer Handykamera perpetuieren, zu einer steigenden Belastung für die Einsatzkräfte.89 So wird von Rettungskräften befürchtet, dass neben dem Opfer auch ihr eigenes Verhalten durch die „Gafferaufnahmen“ dokumentiert wird, um etwaiges Fehlverhalten im Rahmen von Schadensersatzforderungen geltend machen oder auf Internetplattformen an den Pranger stellen zu können.90

I. Hilflosigkeit Der Begriff der „Hilflosigkeit“ wird weder im Gesetzestext des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert, noch in den Gesetzesmaterialien konkretisiert oder 86 Kritisch gegenüber der Beschränkung des Schutzbereichs bei § 201a StGB a. F. durch das Merkmal des „räumlichen Rückzugsbereichs“ beispielsweise Kühl, AfP 2004, 190, 194; Mitsch, in: Feltes/Pfeifer/Steinhilper, Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen, 603, 607; Murmann, in: Bloy/Böse/Hillenkamp u. a., Gerechte Strafe und legitimes Strafrecht, 585, 597. 87 BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 28. 88 Dressler, Gewalt gegen Rettungskräfte, S. 212. 89 Eine grafische Darstellung der von Feuerwehrmännern empfundenen Belastung durch das Gefilmt und Fotografiert werden durch Umherstehende mit Hilfe von Handykameras am Einsatzort bei Dressler, Gewalt gegen Rettungskräfte, S. 214. 90 Dressler, Gewalt gegen Rettungskräfte, S. 213.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

dessen Umfang und Grenzen umfassend erläutert. Die Gesetzesmaterialien weisen einzig darauf hin, dass das Merkmal der „Hilflosigkeit“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB anzunehmen sei, wenn eine Person sich betrunken auf dem Heimweg befinde oder Opfer einer Gewalttat wurde und verletzt oder blutend auf dem Boden liegt.91 Das Merkmal der „Hilflosigkeit“ ist dem Besonderen Teil des StGB jedoch nicht fremd, sondern wird in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB sowie in § 221 Abs. 1 StGB als „Hilflose Lage“ ebenfalls benannt.92 Ob nun eine der zu diesen Merkmalen bereits entwickelten Definitionen auf den strafrechtlichen Bildnisschutz übertragbar ist oder sich an deren Begriffsverständnis zumindest teilweise angelehnt werden kann, soll im Folgenden überprüft werden. 1. Hilflosigkeit i. S. v. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB Gem. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB ist das Merkmal der „Hilflosigkeit“ immer dann zu bejahen, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, sich aus eigener Kraft gegen eine drohende Rechtsgutsgefährdung – der Wegnahme von einer in seinem Gewahrsam befindlichen Sache – zu wehren.93 Die Ursache für die „Hilflosigkeit“ kann, wie auch in den Gesetzesmaterialien zu dem 49. StÄG durch die aufgeführten Beispiele aufgezeigt, auf Krankheit, Trunkenheit oder sonstigen Ereignissen beruhen, solange es sich um eine Situation handelt, in der die Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers gegenüber durchschnittlich jedermann gegebenen Abwehrmöglichkeiten deutlich herabgesetzt sind.94 Trotz dieser Ähnlichkeit und des gleichen Wortlauts der beiden Tatbestandsmerkmale kann diese Definition nicht auf § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB übertragen werden, da das dargestellte Begriffsverständnis auf einer rechtsgutsbezogenen Interpretation gründet.95 Das Merkmal der „Hilflosigkeit“ bezieht sich bei § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB gerade auf die Verletzung des von den §§ 242, 243 StGB geschützten Rechtsguts des Eigentums, wohingegen das Schutzgut des strafrechtlichen Bildnisschutzes das allgemeine Persönlichkeitsrecht und der höchstpersönliche Lebensbereich einer Person darstellt.96 Auch bezieht sich das Tatbestands91

BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 28. Ebenso BGH, 25.4.2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1892; Cornelius, NJW 2017, 1893; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 31. 93 Schmitz, in: MüKo, § 243, Rn. 51; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 243, Rn. 36; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 243, Rn. 21; Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 243, Rn. 30. 94 Schmitz, in: MüKo, § 243, Rn. 51; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 243, Rn. 36; Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 243, Rn. 30; Hoyer, in: SKStGB, § 243, Rn. 38. 95 BGH, 25.4.2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1892; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 313. 96 R. Busch, NJW 2015, 977, 987. 92

C. Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellende Bildaufnahme

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merkmal der „Hilflosigkeit“ im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht wie bei § 243 StGB auf die Tathandlung, sondern auf den Darstellungsinhalt der in Frage stehenden Aufnahme. Bei § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB kommt es darauf an, dass der Täter die Hilflosigkeit zielgerichtet ausnutzt, um seine Tat zu ermöglichen oder wenigstens erheblich zu erleichtern.97 Bei § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB ist es hingegen unbeachtlich, ob der Handelnde die Aufnahme nur herstellen konnte, weil der Abgebildete aufgrund seiner Hilflosigkeit nicht in der Lage war, sich gegen das Fotografieren oder Filmen zur Wehr zu setzen. Entscheidend ist, dass der Zustand der Hilflosigkeit den erkennbaren Bildinhalt darstellt.98 Die Definition des Merkmals der „Hilflosigkeit“, die für § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB entwickelt wurde, kann aufgrund der aufgezeigten Aspekte nicht auf den strafrechtlichen Bildnisschutz übertragen werden.99 2. Hilflose Lage i. S. v. § 221 Abs. 1 StGB Anders ist das Merkmal der „hilflosen Lage“ i. S. v. § 221 Abs. 1 StGB zu verstehen. Eine Person befindet sich in einer „hilflosen Lage“, wenn sie der abstrakten Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung ausgesetzt ist, eine Hilfeleistung in der konkreten Situation noch möglich wäre, das Opfer sich jedoch nicht aus eigener Kraft schützen kann oder es an fremder Hilfe fehlt.100 Entscheidendes Kriterium ist somit, dass sich das Opfer aufgrund der fehlenden Hilfsmöglichkeiten in einer Lebens- oder Leibesgefahr befindet. Anders als der Wortlaut des § 221 Nr. 1 StGB vorgibt, ist es bei dem strafrechtlichen Bildnisschutz jedoch nicht vonnöten, dass das Opfer sich in einer solchen Gefahr im Zeitpunkt der Bildherstellung befunden hat. So soll beispielsweise für die Tatbestandsverwirklichung des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB bereits das Fotografieren eines erkennbar Betrunkenen auf dem Nachhauseweg ausreichen.101 Es ist jedoch für die Tatbestandsverwirklichung nicht vonnöten, dass der Betrunkene aufgrund 97 Schmitz, in: MüKo, § 243, Rn. 55; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 243, Rn. 40; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 243, Rn. 22; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 243, Rn. 39; Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 243, Rn. 39. 98 Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. 99 Ebenso BGH, 25.4.2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1892; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 313; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263. 100 Wielant, Die Aussetzung nach § 221 Abs. 1 StGB, S. 339; Chilecki, Zur Dogmatik der Aussetzung (§ 221 StGB) nach dem sechsten Strafrechtsreformgesetz, S. 185; Lautner, Die Systematik des Aussetzungstatbestands (§ 221 I StGB), S. 62; Fischer, in: Fischer, § 221, Rn. 7; Hardtung, in: MüKo, § 221, Rn. 7; Heger, in: Lackner/Kühl, § 221, Rn. 2. 101 Vgl. BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 28.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

des vorherigen Alkoholkonsums einer akuten Gesundheits- oder Lebensgefahr ausgesetzt ist, da § 201a StGB die Bestimmungsbefugnis einer Person als Bestandteil ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dessen höchstpersönlichen Lebensbereich schützt, nicht jedoch dessen Leben und körperliche Integrität.102 Ferner ist es für die Tatbestandsverwirklichung bei § 221 Abs. 1 StGB notwendig, dass der Täter durch sein Verhalten oder Unterlassen dazu beiträgt, dass das Opfer entsprechenden Gefahren ausgesetzt wird. So ist es dem Gesetzeswortlaut folgend bei § 221 Abs. 1 StGB erforderlich, dass der Täter sein Opfer in eine hilflose Lage „versetzt“ oder zumindest in einer solchen „im Stich lässt“. Bei § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB hingegen ist es bereits ausreichend, wenn der Täter die Hilflosigkeit des Opfers bildlich dokumentiert. Es ist für die Tatbestandsverwirklichung unbeachtlich, ob das Opfer auf eine Hilfeleistung des Täters angewiesen ist oder der Täter den Grundstein für die hilflose Lage gelegt hat. Das Wohlbefinden des Opfers muss bei § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB, anders als bei der Aussetzung, nicht von dem Täterverhalten abhängig sein. Es ist nicht notwendig, dass das Opfer auf eine Beistandsleistung des Täters angewiesen ist. Auch ist es für die Unrechtsverwirklichung bei § 201a StGB unbeachtlich, ob eine Hilfeleistung durch Dritte noch möglich gewesen wäre bzw. jegliche Rettungshandlungen bereits aussichtslos erscheinen103 oder ob ein Beistand durch Dritte bereits tatsächlich geleistet wird. Für die Rechtsgutsverletzung bei § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB ist es unbeachtlich, ob Dritte bereits vor Ort sind, um dem Opfer Hilfe zu leisten. So wäre bei der Übertragung des Begriffsverständnisses von § 221 Abs. 1 StGB auf den strafrechtlichen Bildnisschutz eine Strafbarkeit bei den typischen „Unfallgaffer-Fällen“ gem. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB vom Zufall abhängig. Ein Unfallgaffer würde sich nach diesem engen Begriffsverständnis nur strafbar machen können, wenn er den Verletzten vor Eintreffen der Hilfskräfte fotografiert, jedoch könnte er straffrei agieren, sobald Rettungskräfte oder hilfsbereite Dritte vor Ort wären, da das Opfer sich durch die Anwesenheit hilfsbereiter Personen in keiner „hilflosen Lage“ mehr befände. Dem Sinn und Zweck des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB nach darf die Strafbarkeit allerdings nicht entfallen, nur weil dem Abgebildeten auf der Bildaufnahme durch einen Dritten Hilfe gewährt wird. Ein umfassender Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darf nicht durch eine zu enge Interpretation des Merkmals der „Hilflosigkeit“ ausgehöhlt werden. Aufgrund dieser Aspekte ist es nicht sinnvoll für das Tatbestandsmerkmal der „Hilflosigkeit“ auf die Definition des Merkmals der „hilflosen Lage“ aus § 221 102 So auch R. Busch, NJW 2015, 977, 978; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263. 103 Anders bei § 221 Abs. 1 StGB, da der Begriff der „hilflosen Lage“ die Möglichkeit, Hilfe zu leisten, indiziert. Vgl. Wielant, Die Aussetzung nach § 221 Abs. 1 StGB, S. 281.

C. Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellende Bildaufnahme

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Abs. 1 StGB zurückzugreifen.104 Die Aspekte, die für das Begriffsverständnis der hilflosen Lage entwickelt worden sind, sind speziell im Sinne der Aussetzung zu verstehen.105 3. Hilflosigkeit i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB Mit Blick auf die obigen Ausführungen erscheint es notwendig, den Begriff der „Hilflosigkeit“ bei § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB eigenständig zu definieren und keine dem StGB bereits bekannte Definition zu übernehmen.106 Nach allgemeinem Wortverständnis versteht man unter dem Begriff der „Hilflosigkeit“ eine Situation, in der sich eine Person tatsächlich in einer ausweglosen Situation befindet, aus der sie sich selbst nicht befreien kann und in der sie auf die Hilfe Dritter angewiesen ist. Mit Blick auf das allgemeine Begriffsverständnis sowie die vorherigen Ausführungen zu §§ 221 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB und den in den Gesetzgebungsmaterialien zum 49. StÄG aufgeführten Beispielen wird deutlich, dass für die Annahme der „Hilflosigkeit“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB entscheidend sein muss, dass die betroffene Person wegen physischer oder psychischer Einschränkungen aktuell nicht in der Lage ist, frei über ihr Verhalten zu entscheiden und dem gefassten Entschluss entsprechend zu agieren.107 Dabei muss es unbeachtlich sein, ob die Beschränkung der Entschließungs- und Handlungsmöglichkeit auf äußere oder innere Einwirkungen zurückzuführen ist,108 soweit diese mit Blick auf die durchschnittlich jedermann gegebenen Verhaltensmöglichkeiten deutlich herabgesetzt sind. Aufgrund dieses 104 Ebenso BGH, 25.4.2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1892; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; R. Busch, NJW 2015, 977, 978; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 124; a. A. Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 313, die für eine Definition des Merkmals der „Hilflosigkeit“ sich an dem Begriffsverständnis für das Merkmal der „hilflosen Lage“ bei § 221 Abs. 1 StGB anlehnen, jedoch erkennen, dass es für die Tatbestandsverwirklichung bei § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB unbeachtlich sein muss, ob hilfsbereite Dritte vor Ort sind. 105 Lautner, Die Systematik des Aussetzungstatbestands (§ 221 I StGB), S. 18. 106 Die Notwendigkeit einer eigenständigen Definition erkennen ebenfalls BGH, 25.4.2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1893; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/ 2015, Anm. 2; R. Busch, NJW 2015, 977, 978 und Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263 an. A. A. Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 7. 107 Vgl. R. Busch, NJW 2015, 977, 978, der für das Merkmal der „Hilflosigkeit“ als Definition vorschlägt, dass eine derartige Situation immer dann anzunehmen ist, wenn „eine Person auf Grund ihrer körperlichen oder psychischen Konstitution oder wegen äußerer Einflüsse nicht (mehr) in der Lage ist, einen Willen zu bilden oder sich einem gebildeten Willen entsprechend zu verhalten und sich ohne eigene oder fremde Hilfe dieser Situation“ entziehen kann. Dieser Definition folgend Seidl, jurisPR-ITR 3/2016, Anm. 2; Hunsicker/Belz, jM 2016, 160, 163; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 310. 108 Ebenso Bosch, Jura 2016, 1380, 1384.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

„Ausnahmezustands“ muss es für die betroffene Person objektiv unmöglich sein, sich aus eigener Kraft oder mit eigenen Mitteln der konkreten Situation zu entziehen oder die Anforderungen, die die aktuelle Lebenssituation an sie stellt, ohne Hilfe Dritter zu erfüllen.109 Entscheidend für das Begriffsverständnis des Merkmals der „Hilflosigkeit“ bei § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB ist weiterhin, dass es unerheblich sein muss, ob die abgebildete Person hilflos gegenüber der Verhinderung der Herstellung oder Übertragung entsprechender Bildaufnahmen ist.110 Die fehlende Schutzmöglichkeit gegenüber dem Aufnahmeprozess wird regelmäßig die konsequente Folge der Hilflosigkeit des Betroffenen sein. Diesem Zustand kommt jedoch einzig indizielle Wirkung für das Merkmal der „Hilflosigkeit“ im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes zu, da mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB für die Bestimmung dieses Tatbestandsmerkmals die konkreten Aufnahmeumstände unbeachtlich sind. Auch ist es für das Merkmal der „Hilflosigkeit“ ohne Bedeutung, ob sich die ausweglose Situation aus einem zeitlich begrenzten Zustand, wie einem Verkehrsunfall oder einer Trunkenheit, ergibt oder aus einem Dauerzustand, wie beispielsweise einer dauerhaften Behinderung oder einer Demenzerkrankung.111 Des Weiteren muss es für das Merkmal der „Hilflosigkeit“ bedeutungslos sein, ob die abgebildete Person die ausweglos erscheinende Situation selbstverschuldet hat oder unverschuldet in diese geraten ist.112 Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, die als Beispielsfälle für § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB neben einem Unfall- und Gewaltopfer (unverschuldet) auch einen Betrunkenen auf dem Heimweg (selbstverschuldet) nennen.113 Entscheidend ist jedoch, dass die Hilflosigkeit des Opfers für den Handelnden im Aufnahmezeitpunkt oder Verwendungszeitpunkt

109 Hunsicker/Belz, jM 2016, 160, 163; Bosch, Jura 2016, 1380, 1384; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 11; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 10 a. 110 A. A. Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 31. 111 Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 309; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 10 a; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 31. Kritisch bzgl. der Einbeziehung von Dauerzuständen unter das Tatbestandsmerkmal der „Hilflosigkeit“ Bosch, Jura 2016, 1380, 1385; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 11. Dieser vertritt die Ansicht, dass der Zustand der „Hilflosigkeit“ bei Dauerzuständen, wie einer Behinderung oder Demenzerkrankung, nur diskriminierend und im Rahmen wenig sachgerechter Urteile festgestellt werden kann. Dieser Ansicht ist allerdings entgegenzuhalten, dass es mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz gerade keinerlei Unterschied für die strafrechtliche Bewertung machen darf, ob eine Person aufgrund eines nur vorübergehenden oder eines dauerhaften Zustands in eine Situation gerät, in der sie Hilfe benötigt. Richtig erscheint allerdings, dass ein dauerhafter Zustand nicht per se als eine hilflose Lage angesehen werden darf. 112 Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 314; Wanckel, Fotound Bildrecht, Rn. 310; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 7; Hoyer, in: SKStGB, § 201a, Rn. 31. 113 BT Drucks. 18/3202 (neu), S. 28.

C. Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellende Bildaufnahme

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optisch erkennbar war,114 da dieser sonst an einem Irrtum nach § 16 Abs. 1 StGB leiden könnte. Subjektive Empfindungen des Abgebildeten bzgl. seiner konkreten Situation, die nicht in optisch wahrnehmbarer Weise nach außen in Erscheinung treten, müssen somit für die Bewertung der „Hilflosigkeit“ außer Acht gelassen werden. Als Paradebeispiel für eine Person, die sich i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB in einer hilflosen Lage befindet, kann ein Unfallopfer herangezogen werden, das mit schweren, nicht notwendigerweise lebensgefährdenden Verletzungen, die äußerlich erkennbar sind, auf der Straße liegt und nicht mehr in der Lage ist, sich den neugierigen Blicken von Schaulustigen und deren Aufnahmegeräten zu entziehen.115 Der betroffenen Person fehlt es aufgrund der Verletzungen an der Möglichkeit, sich durch eigene Mittel dieser Situation zu entziehen und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht zu verteidigen. Der Aufbau von Sichtschutzwänden, wie in letzter Zeit häufig von Rettungskräften bei Verkehrsunfällen verwendet, gewährt den Betroffenen zwar Schutz vor neugierigen Blicken und Kameraaugen,116 dennoch ändert dies nichts an deren Hilflosigkeit, da eine entsprechende Person weiterhin nicht in der Lage sein wird, sich der konkreten Lebenssituation zu entziehen. Fotografiert nun eine Person über diese Wände, stellt dies mit Blick auf § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB ein strafbares Verhalten dar. Das Merkmal der „Hilflosigkeit“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB kann immer dann bejaht werden, wenn die abgebildete Person im Aufnahmezeitpunkt aufgrund physischer oder psychischer Umstände, die auf inneren oder äußeren, dauerhaften oder vorübergehenden, selbstverschuldeten oder unverschuldeten Einflüssen beruhen, nicht in der Lage ist, frei über ihr Verhalten in der konkreten Lebenssituation zu entscheiden und dem gefassten Entschluss entsprechend zu agieren. Dieser Ausnahmezustand muss für einen Außenstehenden erkennbar sein. Hilfsbereite Dritte oder die Ausweglosigkeit der aktuellen Situation sind für die Bewertung der „Hilflosigkeit“ unbeachtlich. Dieses weite Begriffsverständnis kollidiert nicht in unzulässiger Weise mit dem strafrechtlichen Übermaßverbot. Erscheint im Einzelfall die bildliche Darstellung einer nach dieser Definition „hilflosen“ Person als geboten, es ist beispielsweise an Aufnahmen von schwer verletzten Kriegs- oder Unfallopfern durch Journalisten zu denken, kann mit der in Absatz 4 normierten Sozialadäquanzklausel117 bereits auf Tatbestandsebene reagiert werden, sodass dem Tatbestandsmerkmal der „Hilflosigkeit“ keine den Anwendungsbereich restriktiv regulierende Funktion zuteil wird. Des Weiteren muss mit der bildlichen Darstellung 114

Hunsicker/Belz, jM 2016, 160, 163; Seidl, jurisPR-ITR 3/2016, Anm. 2. Vgl. BT Drucks. 18/3202 (neu), S. 28; Hunsicker/Belz, jM 2016, 160, 163. 116 Hunsicker/Belz, jM 2016, 160, 164. 117 Ausführliche Darstellungen der rechtlichen Einordnung des § 201a Abs. 4 StGB im 4. Kapitel, B., I. 115

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

der Hilflosigkeit einer Person, deren höchstpersönlicher Lebensbereich beeinträchtigt werden, sodass nicht jede Bildaufnahme, die einen Menschen abbildet, der nicht in der Lage ist, die Schwierigkeiten der konkreten Lebenssituation zu bewältigen, ein taugliches Tatobjekt darstellt.

II. Zur Schau stellen Aus dem Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB ergibt sich weiterhin, dass die fragliche Bildaufnahme die Hilflosigkeit des Opfers „zur Schau stellen“ muss. Aus diesem Merkmal ist einerseits zu folgern, dass es für ein strafbares Verhalten gem. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht ausreichend ist, wenn die Hilflosigkeit der abgebildeten Person auf der Bildaufnahme ein Randgeschehen darstellt und der Schwerpunkt der Aufnahme eindeutig auf einem anderen Geschehen liegt. So muss die Hilflosigkeit einer anderen Person optisch besonders hervorgehoben worden sein und den Fokus des Bildinhalts ausmachen.118 Die Hilflosigkeit darf nicht als untergeordnetes Beiwerk auf der Bildaufnahme zu sehen sein, sondern muss durch die Fokussierung, die Wahl des Aufnahmeausschnitts und der Aufnahmetechnik durch den Täter in den Mittelpunkt der Bildaufnahme gerückt worden sein. Andererseits ist es notwendig, dass die Hilflosigkeit der aufgenommenen Person nicht nur im Aufnahmezeitpunkt für den Fotografen erkennbar war, sondern diese sich in dem Bild niedergeschlagen hat und objektiv, ohne Vorkenntnisse bzgl. des Aufnahmeortes und der Aufnahmeumstände, auch für einen Dritten erkennbar ist.119 So ist beispielsweise an einen Betrunkenen zu denken, der sich auf dem Heimweg befindet. Auch wenn im Zeitpunkt der Bildaufnahme dessen Hilflosigkeit für den Fotografen eindeutig erkennbar war, da ihm dieser stark taumelnd und lallend, dass er den Weg zu seiner Wohnung nicht mehr finde, begegnet ist, stellt die optische Perpetuierung dieses Augenblicks kein strafbares Verhalten i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB dar, wenn ein neutraler Betrachter ohne Kenntnisse der konkreten Aufnahmesituation auf dieser Fotografie einzig einen müden Mann, der nachts auf einer Straße umherläuft, sieht. Die Hilflosigkeit ist in diesem Fallbeispiel ohne Vorkenntnisse nicht erkennbar und auch nicht in einer Bildaufnahme optisch „zur Schau gestellt“. Für das Merkmal „zur Schau stellen“ ist es nicht entscheidend, welche Intention der Fotograf mit der Herstellung der fraglichen Aufnahme tatsächlich ver118 Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 314; Bosch, Jura 2016, 1380, 1385; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 8; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 10 b; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 50; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 20; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 32. 119 BGH, 25.4.2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1893; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 314; Cornelius, NJW 2017, 1893; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 32.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 113

folgt hat oder verfolgen wollte.120 So ist es unbeachtlich, ob ein „Gaffer“ aus reiner Sensationslust einen Unfallverletzten mit seinem Smartphone fotografiert oder ob ein hilfsbereiter Dritter handelt, der eine Aufnahme herstellt, um Beweise zu sichern und diese im Nachhinein der Polizei zur Verfügung zu stellen. Eine qualitative Unterscheidung von Aufnahmen die zur Beweissicherung hergestellt wurden und solche, die der reinen Befriedung der Sensationsgier Einzelner dienen, ist weder in dem Wortlaut dieses Tatbestandsmerkmals, noch in dem Sinn und Zweck des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB angelegt. Eine teleologische Reduktion des Tatbestandsmerkmals, abhängig von der Intention des Handelnden, ist auch wegen der in § 201a Abs. 4 StGB normierten Sozialadäquanzklausel nicht vonnöten.

III. Zusammenfassung Eine Bildaufnahme stellt die Hilflosigkeit einer anderen Person i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB dann zur Schau, wenn die abgebildete Person im Aufnahmezeitpunkt aufgrund physischer oder psychischer Umstände, die auf inneren oder äußeren, dauerhaften oder vorübergehenden, selbstverschuldeten oder unverschuldeten Einflüssen beruhen, nicht in der Lage ist, frei über ihr Verhalten in der konkreten Lebenssituation zu entscheiden und dem gefassten Entschluss entsprechend zu agieren. Anwesende hilfsbereite Dritte schaden der Bejahung dieses Merkmals nicht. Die Hilflosigkeit einer anderen Person muss auf der in Frage stehenden Bildaufnahme optisch besonders hervorgehoben sein und darf nicht einzig als Randgeschehen erscheinen.

D. Problem 2: Anbieten oder Verschaffen von Nacktaufnahmen, die einen Minderjährigen abbilden Durch das 49. StÄG wurden die Tatbestandsvarianten des „Herstellens, Anbietens oder Verschaffens einer Bildaufnahme, die die Nacktheit einer Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat“, neu in den strafrechtlichen Bildnisschutz aufgenommen. Die rechtlichen Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals des „Herstellens“ sind in § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB gleich zu verstehen wie in § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB, sodass auf diese Begrifflichkeit im Folgenden 120 Bosch, Jura 2016, 1380, 1385; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 12; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 10 b; a. A. Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85, der bei dem Merkmal „zur Schau stellen“ im Wesentlichen auf die Intention des Fotografierenden oder Filmenden abstellen möchte. Nach seiner Ansicht ist eine die Hilflosigkeit einer anderen Peron „zur Schau stellende“ Bildaufnahme zu bejahen, wenn Jugendliche auf eine Prügelszene gehässig mit ihren Aufnahmegeräten „Draufhalten“. Eine entsprechende Aufnahme ist hingegen nicht gegeben, wenn die gleiche Szene aus Beweiszwecken von unbeteiligten Dritten aufgenommen wird.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

nicht nochmals genauer eingegangen werden muss, sondern auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.121

I. Bildaufnahmen unbekleideter Minderjähriger Anders als der Entwurf der Regierung, der noch die Herstellung oder Übertragung jeglicher Art von Nacktaufnahmen pönalisieren wollte,122 stellt § 201a Abs. 3 StGB in seiner endgültigen Fassung nur Bildaufnahmen unter Strafe, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand haben. 1. Nacktheit Wie das Merkmal der „Nacktheit“ innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes zu verstehen ist, ergibt sich nicht eindeutig erkennbar aus dem Wortlaut des § 201a Abs. 3 StGB. Nach allgemeinen Sprachempfinden wird mit dem Begriff der „Nacktheit“ das komplett unbekleidete Erscheinungsbild einer Person beschrieben. Ob dieses Begriffsverständnis allerdings auf das Merkmal der „Nacktheit“ bei § 201a Abs. 3 StGB tatsächlich übertragbar ist, soll im Folgenden festgestellt werden. Der Begriff der „Nacktheit“ ist dem Besonderen Teil des StGB bis zum 49. StÄG unbekannt gewesen. Anders als die §§ 184 b Abs. 1 Nr. 1 b, Nr. 1 c, 184 c Nr. 1 b StGB, die als notwendige Tatbestandsvoraussetzung ein ganz oder teilweise unbekleidetes123 Kind oder Jugendlichen fordern, wird in § 201a Abs. 3 StGB die Nacktheit nicht mit besonderen Verhaltensweisen, wie beispielsweise die unnatürlich geschlechtsbetonte Haltung, in Verbindung gebracht. Auch schützt § 201a Abs. 3 StGB anders als die Regelungen des Pornografiestrafrechts vorrangig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Minderjährigen und nicht vor dem sexuellen Missbrauch.124 Mit der Einführung des § 201a Abs. 3 StGB sollte jeglichen Umgehungsmöglichkeiten von Sanktionen im Bereich von Nacktaufnahmen Minderjähriger entgegengetreten werden, sodass das Merkmal der „Nacktheit“ notwendigerweise weiter als das Merkmal der „Unbekleidetheit“ bei den §§ 184 b Abs. 1 Nr. 1 b, Nr. 1 c, 184 c Nr. 1 b StGB zu verste121

Vgl. die Ausführungen im 3. Kapitel, B., I. Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 10. 123 Unbekleidet sein wird im allgemeinem Sprachgebrauch auch als Synonym zur Nacktheit verstanden. 124 BT-Drucks. 18/2601, S. 2; Renzikowski, DRiZ 2014, 133. Mittelbar schützt § 201a Abs. 3 StGB Minderjährige ebenfalls vor dem sexuellen Missbrauch durch die Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen, die zur sexuellen Stimulation konsumiert werden sollen, R. Busch, NJW 2015, 977, 979. Dennoch würde § 201a Abs. 3 StGB nicht in den Abschnitt des Strafgesetzbuchs zu den Sexualdelikten passen, da vordergründig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Minderjährigen durch diese Sanktionsnorm geschützt wird. Ebenso Hörnle, FAZ 20.3.2014, 6. 122

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 115

hen ist.125 Gleichzeitig wird in § 201a Abs. 3 StGB nicht zwischen einem teilweise und einem vollständig entkleideten Minderjährigen unterschieden, sodass das Merkmal der „Nacktheit“ einzig im Rahmen einer Anlehnung an die §§ 184 b Abs. 1 Nr. 1 b, Nr. 1 c, 184 c Nr. 1 b StGB und nicht an Hand einer Gleichstellung an diese Normen bestimmt werden kann.126 Kinderpornografische Schriften liegen immer dann vor, wenn ein ganz oder teilweise entkleidetes Kind in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung dargestellt oder dessen unbekleidetes Genital oder Gesäß in sexuell aufreizender Weise wiedergegeben wird. Das bloße Abbilden eines nackten kindlichen oder jugendlichen Körpers ohne Sexualbezug genügt für eine Strafbarkeit nach den §§ 184 b Abs. 1 Nr. 1 b, Nr. 1 c, 184 c Nr. 1 b StGB nicht. Auch der kommerzielle Umgang mit derartigen Aufnahmen, die durch Sozialüblichkeit oder Natürlichkeit des abgebildeten Geschehens keinen Sexualbezug aufweisen, sind nicht von diesen Normen erfasst. Für die Verwirklichung des Merkmals der „Nacktheit“ i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB muss es im Gegensatz zu den Regelungen aus dem Pornografiestrafrecht somit ausreichend sein, dass der abgebildete Minderjährige ohne Kleidung dargestellt wird.127 Ein Sexualbezug des Aufnahmeinhalts darf keine notwendige Tatbestandsvoraussetzung darstellen. Anders als die Normen zur Kinder- und Jugendpornografie unterscheidet § 201a Abs. 3 StGB auch nicht zwischen der teilweisen und vollständigen Nacktheit, sodass im Umkehrschluss zu dieser Formulierung davon auszugehen ist, dass ein Minderjähriger nur dann nackt i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB ist, wenn er gänzlich entkleidet auf einer Bildaufnahme zu sehen ist. Mit Blick auf die Praktikabilität dieser neu in das StGB eingeführten Norm wie auch der gesetzgeberischen Intention den Persönlichkeitsschutz von Minderjährigen vor Bildaufnahmen, die keine pornografischen Aufnahmen sind, zu stärken, erscheint es jedoch für das Merkmal der „Nacktheit“ nicht schädlich, wenn der abgebildete Minderjährige untergeordnete Kleidungsstücke trägt.128 So ist untergeordnete Bekleidung bei der Beurteilung der Nacktheit eines Minderjährigen i. S. v. § 201a StGB immer dann außer Acht zu lassen, wenn diese Körperregionen bedeckt, die für die Persönlichkeit unwesentlich sind.129 Untergeordnete Kleidungsstücke sind somit neben Socken, Mützen und Schuhen, auch Handschuhe, Stulpen oder

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Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 29. Im Ergebnis wie Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 317; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. 127 Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 317; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. 128 BR-Drucks. 127/14, S. 15; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 317; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 605; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 27. 129 BR-Drucks. 127/14, S. 15; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 27. 126

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Schmuckstücke, soweit diese ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauchszweck nach von dem abgebildeten Minderjährigen getragen werden. Nicht von dem Begriff der untergeordneten Kleidung ist hingegen jegliche Art der Badebekleidung, wie Badehosen, Badeanzüge und Bikinis sowie Unterwäsche umfasst, da diese Kleidungsstücke ihrem Sinn und Zweck nach Körperregionen bedecken, die als „persönlich“ verstanden werden. So wird beispielsweise Badekleidung extra angezogen, um sich auch in der Öffentlichkeit ohne Schamgefühl frei bewegen zu können und die als persönlich verstandenen Körperregionen vor den neugierigen Blicken Außenstehender zu schützen. Ein Minderjähriger, der der Zweckbestimmung nach Badekleidung oder Unterwäsche trägt, kann somit nicht als nackt i. S. d. § 201a Abs. 3 StGB angesehen werden, da es sich dabei um keine untergeordnete Kleidung handelt.130 Als wesentliches Indiz für die Beurteilung der Nacktheit des abgebildeten Minderjährigen, trotz des Tragens vereinzelter Kleidungsstücke, kann als objektiv erkennbares Beurteilungskriterium die Frage gestellt werden, ob die Genitalien oder das Gesäß des Minderjährigen auf der fraglichen Bildaufnahme ohne Kleidung abgebildet werden.131 2. Gegenständlichkeit der Nacktheit Die Nacktheit des unter Achtzehnjährigen muss laut § 201a Abs. 3 StGB von dem Herstellenden „zum Gegenstand“ der Bildaufnahme gemacht worden sein. Dies bedeutet, dass innerhalb der Bildaufnahme der Darstellung der Nacktheit des Minderjährigen die größte Bedeutung zukommen muss. Die beiläufige Abbildung von nackten Kindern und Jugendlichen, die auf einer Bildaufnahme eher im Hintergrund angesiedelt sind und nicht sofort ins Auge des Betrachters springen, ist nicht von § 201a Abs. 3 StGB erfasst.132 So liegt keine Nacktaufnahme i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB vor, wenn die Nacktheit des Minderjährigen ein nebensächliches Detail der Bildaufnahme darstellt.133 Dies kann beispielsweise bei einer Aufnahme an einem Strand oder einem See angenommen wer-

130 Ebenso Weigend, ZStW 129, 513, 526; anders h. M. Bosch, Jura 2016, 1380, 1386; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 29; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 310; Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 373, S. 376; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 27; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 11. 131 BR-Drucks. 127/14, S. 15; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. 132 Diese Beschränkung der Strafbarkeit wurde bereits von Hörnle im Rahmen der Sachverständigenanhörung gefordert, vgl. Protokoll-Nr. 18/28, S. 112. Kritisch auch Gercke, CR 2014, 687, 690. Er bezieht sich in seinen Ausführungen jedoch auf den Gesetzesentwurf der Regierung (BT-Drucks. 18/2601), der noch eine weitreichendere Kriminalisierung vorgesehen hat, indem er auf die Voraussetzung des Merkmals der „Gegenständlichkeit“ verzichtete. 133 Hörnle, Protokoll-Nr. 18/28, S. 112.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 117

den, bei der im Hintergrund ein unbekleidetes Kind spielt, dies für den Betrachter erkennbar von untergeordneter Bedeutung ist und als unbedeutendes Beiwerk erscheint.134 Die Darstellung von Teilausschnitten des entblößten Körpers eines Minderjährigen stellt nur dann gegenständlich dessen Nacktheit i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB dar, wenn es sich bei den Aufnahmeobjekten um wesentliche Teile des Körpers handelt und diese im Fokus der Bildaufnahme stehen.135 Eine Identifizierbarkeit des abgebildeten Minderjährigen ist dem Wortlaut des § 201a Abs. 3 StGB nach durch die in Frage stehende Bildaufnahme nicht notwendig, sodass für die Erfüllung des Merkmals der „Gegenständlichkeit der Nacktheit“ auch die überdimensionierte Abbildung eines kindlichen Genitals oder Gesäßes ohne aufklärende Bildunterschrift genügt.136 3. Aktkunst Die bildliche Darstellung nackter, minderjähriger Körper ist der Malerei und Bildhauerei bereits seit Jahrtausenden bekannt. Es ist beispielsweise an griechische und römische Fresken und Statuen zu denken, die neben der körperlichen Vereinigung zwischen einem erwachsenen Mann und einem „Jüngling“, vor allem nackte Knaben in jeglichen Alltagssituationen darstellen oder an Zeichnungen von Egon Schiele oder Balthus137, die für ihre teilweise schon kinder- und jugendpornografisch anmutenden Darstellungen bekannt sind. Der Handel und Besitz wie auch die Schaffung von Statuen, Fresken oder Zeichnungen, die unter das Genre der Aktkunst fallen und erkennbar Minderjährige abbilden, sind jedoch nicht von der Strafvorschrift des § 201a Abs. 3 StGB erfasst. Für die Tatvarianten des § 201a Abs. 3 StGB ist eine Bildaufnahme als Tatobjekt notwendige Voraussetzung. Anders als der Begriff des „Bildnisses“, der in § 33 KUG verwendet wird, erfasst das Merkmal der „Bildaufnahme“ nicht jede Art der körperlichen Bilddarstellung. Eine Bildaufnahme liegt nur dann vor, wenn es durch ein Aufnahmegerät, unbeachtlich ob eine analoge oder digitale Verarbeitung die Grundlage des Bildes ist, zu einer objektiven Fixierung eines an sich flüchtigen Moments kommt.138 Für das Merkmal der „Bildaufnahme“ ist es charakteristisch, dass es durch einen technischen Vorgang zu der Schaffung einer

134 Ein vergleichbares Verständnis des Anwendungsbereichs legt wohl auch Wieduwilt seinen Ausführungen zugrunde, vgl. Wieduwilt, K&R 2014, 627, 631. 135 BR-Drucks. 127/14, S. 15. 136 So auch Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 27; a. A. R. Busch, NJW 2015, 977, 979. 137 Balthasar Klossowski de Rola. 138 Klesczewski, Strafrecht – Besonderer Teil, § 6, Rn. 110; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 24; m.w. N. Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 9.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

wirklichkeitsgetreuen Abbildung kommt,139 wobei es unbeachtlich ist, ob es sich um ein Standbild oder eine Videoaufnahme handelt.140 Eine Bildaufnahme zeichnet sich durch die Abbildung der Wirklichkeit aus141 und gewährt, anders als ein Bildnis, nicht die Möglichkeit einer subjektiven oder ingeniösen Nachbildung eines Geschehnisses.

II. Anbieten Die Handlungsvariante des „Anbietens“ ist dem Besonderen Teil des StGB nicht neu. So wird dieses Tatbestandsmerkmal in den §§ 184 ff. StGB und in § 176 Abs. 5 StGB ebenfalls verwendet. Unter dem Merkmal des „Anbietens“ ist das Sich-Bereit-Zeigen zur Überlassung von Bildaufnahmen zu verstehen.142 Dabei ist es unbeachtlich, ob der Täter das Bereit-Zeigen ausdrücklich oder konkludent gegenüber einem Dritten kommuniziert,143 soweit für den Angebotsempfänger deutlich erkennbar wird, auf welches Bezugsobjekt sich dessen Verhalten bezieht144. Der Täter muss im Rahmen des „Anbietens“ deutlich machen, dass bei ihm die Gelegenheit zum Bezug konkret bestimmter Gegenstände besteht.145 Dieses Tatbestandsmerkmal beschreibt eine einseitige Handlung, die eine notwendige Vorstufe zu einer späteren Bildüberlassung darstellt.146 Die Bestätigung des entgegengebrachten Angebots durch Abnahme der angebotenen Bildaufnahme durch einen Dritten ist für die Vollendung dieser Tatvariante nicht notwendig.147 Ausreichend erscheint, wenn der Täter durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er gewillt ist, sein Versprechen zu erfüllen.148 Des Weiteren muss es sich bei dem zu beurteilenden Verhalten nicht notwendigerweise um ein Vertragsangebot i. S. d. BGB handeln.149 139 Umfassende Darstellung der Besonderheiten des Merkmals der „Bildaufnahme“ bei Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 94 f. und Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 89. 140 Münch, Autonome Systeme im Krankenhaus, S. 325. 141 BT-Drucks. 18/2601, S. 17. 142 BR-Drucks. 127/14, S. 17. 143 BGH, 9.10.2012 – 4 StR 381/12, NStZ 2013, 224, 225; Meier, NStZ 1985, 341, 343; Hörnle, in: MüKo, § 184, Rn. 31; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 184, Rn. 14; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 184, Rn. 14; Wolters/Greco, in: SKStGB, § 184, Rn. 28. 144 Meier, NStZ 1985, 341, 342. 145 Meier, NStZ 1985, 341, 342. 146 Heger, in: Lackner/Kühl, § 184, Rn. 5. 147 Heger, in: Lackner/Kühl, § 184, Rn. 5; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 184, Rn. 14; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 184, Rn. 14. 148 BGH, 9.10.2012 – 4 StR 381/12, NStZ 2013, 224, 225. 149 Eisele, in: Schönke/Schröder, § 184, Rn. 14.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 119

Das Merkmal des „Anbietens“ stellt die Rechtsgutsgefährdung unter Strafe, die dadurch entsteht, dass der Täter die das Persönlichkeitsrecht verletzende Bildaufnahme einer, wenn auch nur beschränkten Öffentlichkeit zum Erwerb offeriert. Durch dieses Verhalten schafft er die Gefahr, dass auch andere Personen als er selbst Kenntnis von dem Bildinhalt erlangen könnten und legt den Grundstein für den marktmäßigen Handel mit entsprechenden Aufnahmen. Anders als beim Überlassen oder Zugänglichmachen einer Bildaufnahme ist es bei dem Merkmal des „Anbietens“ einer Aufnahme nicht notwendig, dass es zu einer tatsächlichen Gewahrsamsübertragung kommt. Das Ausstellen der konkreten Bildaufnahme im Rahmen eines Versandkataloges oder einer Internetplattform ist für die Erfüllung dieser Handlungsvariante somit bereits ausreichend. Anders ist dies beispielsweise bei § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu bewerten. Für das „Anbieten“ i. S. v. § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB genügt die Auslage pornografischer Schriften nicht, da für die Erfüllung dieser Tatvariante die Möglichkeit bestehen muss, dass der Handelnde die Schriften tatsächlich an einen Jugendlichen herausgeben würde.150 Trotz der gleichartigen Ausgestaltung der § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB151 und § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB152 als Gefährdungsdelikte erscheint ein unterschiedliches Verständnis der Weite dieses Tatbestandsmerkmals aufgrund der konträren Schutzzwecke wie auch des Normsinns geboten. Anders als die Regelungen aus dem Pornografiestrafrecht, die in § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorwiegend den Jugendschutz vor Augen haben und sicherstellen wollen, dass Pornografie im Allgemeinen nicht von Jugendlichen wahrgenommen wird,153 schützt § 201a Abs. 3 StGB neben dem höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Minderjährigen auch deren Recht am eigenen Bild.154 Des Weiteren wollte der Gesetzgeber mit der Strafbarkeitserweiterung in § 201a Abs. 3 StGB die Objektivierung des kindlichen Erscheinungsbildes zu Waren und den damit einhergehenden marktmäßigen Handel mit entsprechenden Aufnahmen austrocknen.155 Dies erscheint allerdings nur möglich, wenn derartigen Verhaltensweisen im frühestmöglichen Stadium und allen mit dem zeitlich später gelagerten Handel in Verbindung stehenden Aktionen mit strafrechtlichen Sanktionen gegenübergetreten wird. Das Merkmal des „Anbietens“ i. S. v. § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB gilt als objektiv verwirklicht, wenn eine Person sich gegenüber einem Dritten durch ausdrück150

BGH, 10.6.1986 – 1 StR 41/86, BGHSt 34, 94, 98. Der Gesetzgeber macht in seinen Begründungen zum 49. StÄG deutlich, dass er davon ausgeht, dass der „höchstpersönliche Lebensbereich“ eines Minderjährigen in den Fällen des § 201a Abs. 3 StGB immer als verletzt sei, sodass sich Feststellungen dazu erübrigen, vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 152 So Wolters/Greco, in: SK-StGB, § 184, Rn. 8; Hörnle, in: MüKo, § 184, Rn. 3. 153 Heger, in: Lackner/Kühl, § 184, Rn. 1; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 184, Rn. 5; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 184, Rn. 6. 154 BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 155 Vgl. BR-Drucks. 127/14, S. 2, S. 7 ff. 151

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

liches oder konkludentes Auftreten bereit zeigt, eine bestimmte Bildaufnahme diesem zugänglich zu machen oder zu überlassen, wobei eine Reaktion des Angebotsempfängers oder sogar eine Entgegennahme des Angebots keine notwendige Voraussetzung darstellt. Auf subjektiver Ebene muss bei dem Täter dolus directus 1. Grades bzgl. des Handelns gegen Entgelt festgestellt werden.

III. Verschaffen Als Gegenstück zu der Sanktionierung des „Herstellens“ und „Anbietens“ von Bildaufnahmen, die die Nacktheit einer minderjährigen Person zum Gegenstand haben, sanktioniert § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB die Nachfrageseite bzgl. solcher Aufnahmen. Dies erscheint notwendig, da sich erst durch die Nachfrage nach bestimmten Gegenständen ein Markt für Waren jeglicher Art entwickelt. Das Merkmal des „Verschaffens“ einer Bildaufnahme kann in Anlehnung an die §§ 184 b Abs. 1 Nr. 2, 184 c Abs. 1 Nr. 2 StGB immer dann angenommen werden, wenn eine Person für sich oder für einen Dritten den Besitz an derartigen Aufnahmen erlangt.156 Für die Besitzverschaffung ist es ausreichend, wenn die in Frage stehende Bildaufnahme in den tätereigenen Machtbereich oder den eines Dritten in derartiger Weise gelangt, dass er von dessen Bildinhalt Kenntnis erlangen kann und die tatsächliche Verfügungsgewalt innehat.157 Die Besitzerlangung kann beispielsweise durch die Zusendung einer Bildaufnahme auf postalischem Weg oder durch den Anhang an eine E-Mail geschehen.158 Für die Alternative der „Drittbesitzverschaffung“ erscheint es ebenfalls ausreichend, wenn dem Dritten durch das Zusenden eines Links eine Zugriffsmöglichkeit auf entsprechende Nacktaufnahmen gewährt wird.159 In der rechtlichen Bewertung darf es keinerlei Unterschied machen, ob der Täter einer anderen Person die fragliche Datei explizit als Anhang an eine E-Mail übersendet oder durch die Zusendung eines Links, da dieser in beiden Konstellationen durch den Absender zu einer geringfügigen Mitwirkungshandlung aufgefordert wird.160 Das Merkmal des „Verschaffens“ erfasst alle mit der Besitzübertragung und -begründung verbundenen Aktivitäten.161 Nicht ausreichend für die Tatvariante des „Verschaffens“ ist hingegen das Betrachten entsprechender Aufnahmen ohne die Begründung einer eigenen Verfügungsgewalt über die Bildaufnahmen sowie 156

BR-Drucks. 127/14, S. 18. Hörnle, in: MüKo, § 184 b, Rn. 35; Fischer, in: Fischer, § 184 b, Rn. 23; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 184 b, Rn. 14; Wolters/Greco, in: SK-StGB, § 184 b, Rn. 19; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, RN. 48. 158 BR-Drucks. 127/14, S. 18. 159 BGH, 18.1.2012 – 2 StR 151/11, StV 2012, 539, 540. 160 BGH, 18.1.2012 – 2 StR 151/11, StV 2012, 539, 540. 161 BGH, 18.1.2012 – 2 StR 151/11, StV 2012, 539, 540. 157

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 121

das allgemeine, ohne an einen bestimmten Empfänger gerichtete Posten oder zu einem zeitlich späteren Download Zurverfügungstellen entsprechender Bilder im Internet oder einem sonstigen Netzwerk. 1. Aufrufen von Bildern im Internet Ob das Aufrufen einer die Nacktheit von Minderjährigen zum Gegenstand habenden Fotografie im Internet durch „Anklicken“, um diese vergrößert betrachten zu können, als ein „Sich-Verschaffen“ i. S. d. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB zu bewerten ist, erscheint fraglich. Wie bereits dargestellt, kann das Betrachten einer Bildaufnahme, unabhängig ob im Internet oder in den Printmedien, nicht als „Gebrauchen“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB verstanden werden.162 Anders als für das Merkmal des „Gebrauchens“, das eine Ausnutzung der technischen Möglichkeiten des Bildträgers fordert, genügt für die Verwirklichung der Handlungsvariante des „Verschaffens“ das Erlangen des tatsächlichen Besitzes an einer Bildaufnahme. Für die Verwirklichung der Voraussetzungen des Merkmals des „Verschaffens“ ist es nicht notwendig, dass das Besitzverhältnis durch den Täter aktiv ausgenutzt wird. Durch das gezielte Aufrufen einer Bilddatei im Internet durch „Anklicken“ und das anschließende Betrachten dieser Aufnahme auf dem Bildschirm des verwendeten Computers163 kommt es durch die gängigen Internetbrowser164 automatisch zu einem Herunterladen der zugrunde liegenden Bilddaten in den Arbeitsspeicher oder auf die Festplatte des Wiedergabegeräts.165 Während eines solchen Öffnens eines Bildes wird von dem Internetbrowser in Form eines Software-Caches166 automatisch eine Kopie der Aufnahmedaten als Cache-Datei auf der Festplatte abgelegt und gespeichert, um künftige Zugriffe auf die Datei zu 162

Ausführliche Begründung im 3. Kapitel, B., IV., 1. Die im Folgenden beschriebenen technischen Prozesse laufen auf mobilen Geräten (Tablet, Smartphone, Laptop) in vergleichbarer Art und Weise ab. 164 Beispielsweise Mozilla Firefox, Google Chrome, Internet Explorer, Safari, Microsoft Edge. 165 BGH, 18.1.2012 – 2 StR 151/11, StV 2012, 539, 540; OLG Hamburg, 11.11.2008 – 1-53/08 (REV) 1 Ss 180/08, StV 2009, 469, 470; Harms, NStZ 2003, 646, 650; M. Heinrich, NStZ 2005, 361, 363; Eckstein, NStZ 2011, 18, 19; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 170. 166 Der Begriff der „Cache-Speicherung“ bezeichnet eine Speicherart, die dem Nutzer die Möglichkeit gewährt, wiederholt auf bereits geladene Datensätze zurückzugreifen und dabei langsame und aufwendige Neuberechnungen vermeidet. Daten, die bereits einmal von dem Computer geladen worden sind, verbleiben auf Grundlage eines, von dem verwendeten Internetbrowser in Gang gesetzten, automatischen Speicherungsprozesses in einem auf der Festplatte angelegten „Cache“, sodass sie bei einem zeitlich späteren Zugriff schneller wiederhergestellt werden können. Dieser Speicherungsprozess kann, abhängig von dem verwendeten Programm, in kleinen Nuancen voneinander abweichen, wobei dies für die rechtliche Bewertung innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes unbeachtlich ist. 163

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

beschleunigen.167 Durch diese automatische Abspeicherung von Dateien auf der Festplatte eines Computers erlangt der Nutzer die Möglichkeit, auch nach Verlassen des Internets und sogar nach vorübergehendem Ausschalten des Computers,168 die Aufnahmen mit Hilfe eines entsprechenden Ausleseprogramms169 wieder öffnen, an beliebige Speicherorte verschieben oder in sonstiger Weise nutzen zu können, ohne die ursprüngliche Fotografie von Neuem im Internet suchen oder sie herunterladen zu müssen.170 Es ist dem Nutzer somit jederzeit möglich die Dateien, die der in Frage stehenden Fotografie zugrunde liegen, aufzurufen und sichtbar zu machen, solange diese nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht worden sind.171 Diese Art der Cache-Speicherung wurde bereits 2006 von der Rechtsprechung als objektiv besitzbegründendes Verhalten anerkannt, da durch die automatische geräteinterne Abspeicherung ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis an den Bilddaten für den Handelnden begründet wird.172 In den Fällen der automatisierten Cache-Speicherung fehlt es nicht, wie teilweise kritisiert wird, an einer aktiven „Verschaffungshandlung“, da erst durch das willensgesteuerte „Anklicken“ der automatisierte Speicherungsprozess in Gang gesetzt wird.173 Auch wenn die Erlangung des Herrschaftsverhältnisses an den Datensätzen durch einen geräteinternen Speicherungsprozess begründet wird, ist das Vorverhalten des „Anklickenden“ für dieses als notwendige Voraussetzung zu benennen und die Besitzerlangung diesem zurechenbar. Folgt man nun dieser Ansicht der Rechtsprechung in Bezug auf die Beurteilung der Cache-Speicherung, könnte das „Anklicken“ 167 EUGH, 5.6.2014 – C-360/13 (PRCA/NLA), GRUR 2014, 654, 656; Harms, NStZ 2003, 646, 650; M. Heinrich, NStZ 2005, 361, 363; Burmeister/Böhm, StV 2009, 471; Eckstein, NStZ 2011, 18, 19; Wandtke/von Gerlach, GRUR 2013, 676, 677. 168 EUGH, 5.6.2014 – C-360/13 (PRCA/NLA), GRUR 2014, 654, 656. 169 Programme, die es einem Computernutzer ermöglichen die Daten seines CacheSpeichers auszulesen und diese zu verwenden, können kostenlos, legal und ohne vertieftes Fachwissen heruntergeladen werden. So ist es beispielsweise möglich auf der Internetseite „chip.de“, die einer der ältesten Computer-Zeitschriften Deutschlands „CHIP“ angegliedert ist, das Programm „VideoCacheView“ kostenlos zu downloaden und damit neben dem einfachen Auslesen seines Cache-Speichers diesen auch aktiv nach Videodateien zu durchsuchen. Liegt vertieftes Fachwissen vor, ist eine Auslesung des CacheSpeichers auch ohne die Verwendung entsprechender Programme möglich. 170 Harms, NStZ 2003, 646, 650. 171 BGH, 18.1.2012 – 2 StR 151/11, StV 2012, 539, 540. 172 BGH, 10.10.2006 – 1 StR 430/06, NStZ 2007, 95; BGH, 18.1.2012 – 2 StR 151/ 11, StV 2012, 539, 540; OLG Hamburg, 11.11.2008 – 1-53/08 (REV) 1 Ss 180/08, StV 2009, 469, 470; OLG Hamburg, 15.2.2010 – 2-27/09 (REV), NJW 2010, 1893, 1894. Kritisch in Hinblick auf diese Anerkennung bei § 184 b Abs. 4 StGB Mintas, NJW 2010, 1897, 1898 und Hörnle, in: MüKo, § 184 b, Rn. 41. Der Rechtsprechungsentwicklung zustimmend Frommel, in: Nomos Kommentar, § 184 e, Rn. 15. 173 BGH, 10.10.2006 – 1 StR 430/06, NStZ 2007, 95; OLG Hamburg, 11.11.2008 – 1-53/08 (REV) 1 Ss 180/08, StV 2009, 469 f.; Hilgendorf, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier, § 184 b, Rn. 17; a. A. Hörnle, in: MüKo, § 184 b, Rn. 38; Eisele, in: Schönke/ Schröder, § 184 b, Rn. 14.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 123

eines Bildes, das einen Minderjährigen nackt zeigt, ein tatbestandliches „SichVerschaffen“ darstellen, da durch die automatische geräteinterne Speicherung ein Besitzverhältnis begründet wird. Bei der aufgezeigten Art der automatischen Cache-Speicherung kommt es jedoch einzig zu der Speicherung der unkörperlichen Daten, die der Bildaufnahme zugrunde liegen. Der Bezugspunkt des Besitzverhältnisses ist somit nicht die visuell wahrnehmbare Fotografie als solche, sondern die ihr zugrunde liegenden digitalen Datensätze. Fraglich ist nun, ob ein derartiges Besitzverhältnis von der Tatvariante des „Sich-Verschaffens“ überhaupt umfasst ist oder eine strafrechtliche Pönalisierung als zu weitreichend zu beurteilen wäre. Durch die technischen Möglichkeiten und Entwicklungen der letzten 30 Jahre ist neben der analogen Speicherung von Bildern und Filmaufnahmen, bei der es notwendigerweise zu der Schaffung einer körperlichen Aufnahme kommt, auch die digitale Speicherung möglich. Diese Speicherungsart zeichnet sich durch ihre fehlende Körperlichkeit aus. Eine digital gespeicherte Bildaufnahme kann allerdings nur dann sichtbar gemacht werden, soweit die zugrunde liegenden Datensätze fehlerfrei und umfassend vorhanden sind, man diese in seinem Besitz hat und darauf ohne Beschränkung zugreifen kann. Der Besitz der Datensätze ist somit gleich zu behandeln wie der Besitz einer körperlichen, analog abgespeicherten Bildaufnahme. Es wäre mit dem Wort- wie auch dem Normsinn des § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB unvereinbar und würde eine willkürliche Grenzziehung darstellen, wenn die analoge und die digitale Speicherung rechtlich unterschiedlich behandelt würden. Das automatische Abspeichern von digital verfügbaren Fotografien bzw. deren Datensätze in einem Cache-Speicher stellt die Schaffung eines Besitzverhältnisses an diesen dar und kann unter die Tatvariante des „SichVerschaffens“ i. S. v. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB subsumiert werden.174 Dieses Begriffsverständnis stellt keinen Verstoß gegen das strafrechtliche Übermaßverbot dar, da durch die unkörperliche Datenspeicherung ein vergleichbares Unrecht wie bei der körperlichen Speicherung verwirklicht wird. Würde man dieses Verhalten nicht strafrechtlich sanktionieren, käme es zu unerträglichen Strafbarkeitslücken im Bildnisschutz und § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB hätte kaum praktische Relevanz, da heutzutage die Hauptspeicherungsform bei Bildaufnahmen die digitale Sicherung darstellt. Auch stellt nicht jedes unachtsame „Anklicken“ von Bildern, die einen Minderjährigen nackt zeigen, sofort ein strafbares Verhalten i. S. d. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB dar, da durch das Tatbestandsmerkmal des „Entgelts“ 175 sowie des Vorsatzerfordernisses des Besitzwillens176 noch weitere Merkmale für eine Tatbestandserfüllung gegeben sein müssen. 174

Im Ergebnis wie BR-Drucks. 127/14, S. 18. Ausführliche Darstellung der Tatbestandsvoraussetzungen im 3. Kapitel, D., IV. 176 Für die Bejahung des subjektiven Tatbestands in Hinblick auf das Merkmal des „Sich-Verschaffens“ ist neben der Kenntnis des Prozesses der automatischen Cache175

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

2. Nutzung von Video-Streaming Die technischen Fortschritte der letzten Jahre im Bereich der Übertragungsgeschwindigkeiten von Inhalten über das Internet, die Entwicklung von leistungsfähigen Computern und die stabile Nutzbarkeit des Internets ermöglichen es, Medieninhalte jeglicher Art direkt aus dem Internet in Echtzeitübertragung jederzeit und an jeglichen Orten abzuspielen.177 Dank dieser technischen Entwicklungen ist es möglich, Videos auf einem Abspielgerät anzusehen, ohne die der Datei zugrunde liegenden Datensätze zuvor aus dem Internet aktiv heruntergeladen und auf diesem gespeichert zu haben. Unter dem Oberbegriff des „Streamings“ wird der Empfang und die gleichzeitige Wiedergabe von Audio- und Videodateien aus einem Rechnernetz auf dem eigenen Computer verstanden, wobei die unterschiedlichen Arten des Streamings in das „On-Demand-Streaming“ und das „Live-Streaming“ aufgeteilt werden können.178 Der wesentliche Unterschied dieser beiden Arten des Streamings ist, dass es beim „On-Demand Streaming“ zu einer Übertragung einer auf einem externen Server zwischengespeicherten Datei kommt und es dem Betrachter dadurch möglich ist, das Gezeigte anzuhalten, zurückzuspulen oder die Übertragung zu pausieren.179 Bei dem „Live-Streaming“ kommt es zwar ebenfalls zu einer Zwischenablage der zu übertragenden Datensätze auf einem Server, allerdings werden diese im Rahmen einer konstanten Rate direkt von dem Aufnahmegerät auf den Server übertragen, von welchem an beliebig viele Empfänger die entsprechenden Aufnahmen im Rahmen einer Echtzeitübertragung weitergeleitet werden.180 UnabSpeicherung (kognitives Vorsatzelement) immer noch ein Wille, die Herrschaft über die Aufnahme durch die automatische Speicherung ausüben zu können (voluntatives Vorsatzelement), nötig. Das bloße Wissen über den Funktionsablauf einer Cache-Speicherung durch den verwendeten Internetbrowser kann für die Bejahung des Vorsatzes in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal des „Sich-Verschaffens“ nicht ausreichen. Es erscheint notwendig, dass der Besitzwille des Handelnden an den der Aufnahme zugrunde liegenden Datensätzen positiv festgestellt wird. Ebenso Burmeister/Böhm, StV 2009, 471 und Eckstein, NStZ 2011, 18, 19. Da die Cache-Speicherung im Verborgenen und als Hintergrundaktivität abläuft und deswegen nur technisch versierten Nutzern bekannt sein dürfte, wird es regelmäßig bei dem Handelnden neben dem Besitzwillen bereits schon an dem kognitiven Vorsatzelement fehlen, vgl. Harms, NStZ 2003, 646, 650. Ein Indiz für das Vorliegen eines Besitzwillens bei dem Computernutzer ist, wenn auf dem verwendeten Rechner ein Cache-Ausleseprogramm, wie beispielsweise das Programm „CacheVideoView“ von „chip.de“, heruntergeladen worden ist. Da ein Zugriff auf den Cache-Speicher jedoch auch ohne entsprechende Programme möglich ist, kann nicht ausschließlich auf das Vorliegen eines derartigen Ausleseprogramms für die Bewertung des Besitzwillens abgestellt werden. 177 T. Busch, GRUR 2011, 496. 178 T. Busch, GRUR 2011, 496, 497 f.; Galetzka/Stamer, MMR 2014, 292. 179 T. Koch, jurisPR-ITR 11/2014, Anm. 5. 180 Ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Streaming-Varianten auch unter Einbeziehung technischer Daten bei T. Busch, GRUR 2011, 496, 497; Galetzka/Stamer, MMR 2014, 292 f. und Wandtke/von Gerlach, GRUR 2013, 676, 677.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 125

hängig davon, welche dieser beiden Streaming-Varianten im konkreten Einzelfall Anwendung findet, kommt es immer zu einer automatischen Zwischenspeicherung der Dateien in den Arbeitsspeicher oder auf die Festplatte des Empfangsrechners. Am Ende einer solchen Videoübertragung über das Internet sind die empfangenen Datensätze einmal komplett181 auf diesen kopiert worden.182 Denkbar erscheinen Fälle, in denen Personen über das Internet Videosequenzen, die nackte Minderjährige zeigen, betrachten und über eine der dargestellten Streamingvarianten beziehen. Werden die empfangenen Videosequenzen durch den verwendeten Internetbrowser automatisch innerhalb des Cache-Speichers auf dem Empfangsrechner zwischengespeichert, erlangt der Handelnde an den zugrunde liegenden Datensätzen durch das „Streamen“ vollständig den Besitz und hat sich diese durch die Nutzung entsprechender Streamingangebote objektiv „verschafft“. Da die einer Videosequenz zugrunde liegenden Datensätze allerdings von enormer Größe sind, werden diese im Regelfall von den gängigen Browseranbietern aus dem Cache-Speicher gelöscht, sobald der zum Streamen verwendete Media-Player geschlossen wird.183 Unabhängig von der Frage, ob dieser kurze Zeitraum der Sachherrschaft für die Verwirklichung des „Sich-Verschaffens“ genügt, wird regelmäßig für diesen Zeitspanne kaum ein Besitzwille des Handelnden an den Datensätzen bejaht werden können, soweit dieser den geräteinternen Löschungsvorgang duldet, sodass eine Strafbarkeit wegen des „Sich-Verschaffens“ von Nacktaufnahmen, die Minderjährige zum Gegenstand haben, gem. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB nicht angenommen werden kann. Anders ist der Fall nur dann zu bewerten, wenn der eine Videosequenz in einem Streamingportal Betrachtende diesen geräteinternen Löschungsvorgang abstellt, indem er den Cache-Speicher seines Empfangsgeräts derart umprogrammiert, dass die zwischengespeicherten Datensätze nach dem Schließen des verwendeten Media-Players nicht automatisch gelöscht werden, sondern auf die Festplatte des Empfangsrechners oder einen anderen beliebigen Ort transformiert werden. In derartigen Fällen kann neben der Erlangung des tatsächlichen Besitzes durch das automatische Tätigwerden des Cache-Speichers als Reaktion auf das „Streamen“ auch der Besitzwille bejaht werden, der sich durch das Umprogrammieren – das bewusste Umgehen des geräteinternen Löschungsvorgangs – oder das Auslesen der Datensätze manifestiert. In derartigen Konstellationen 181 Technisch ist es für den Programmierer möglich, einzelne Datensätze als nicht „cacheable“ bzw. nicht automatisch herunterladbar zu qualifizieren. Dies stellt allerdings nicht den Regelfall dar. Diese Technik kommt normalerweise auf Internetseiten zum Einsatz, die sich regelmäßig verändern, beispielsweise Nachrichtenseiten. 182 T. Busch, GRUR 2011, 496, 498; Galetzka/Stamer, MMR 2014, 292, 293; T. Koch, jurisPR-ITR 11/2014, Anm. 5. Eine Technische Beschreibung der möglichen Speicherungsprozesse beim Streaming – unter Einbeziehung der zugrundeliegenden technischen Daten – findet sich bei Wandtke/von Gerlach, GRUR 2013, 676, 677. 183 Wandtke/von Gerlach, GRUR 2013, 676, 677.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

kann die Nutzung von Video-Streamings allerdings nur dann gem. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB sanktioniert werden, wenn der Handelnde die Aufnahmen sich gegen ein Entgelt verschafft hat. 3. Thumbnails Unter „Thumbnails“ werden Vorschauansichten in Form von kleinen Übersichtsbildern von Fotos oder Videos zum Überblick oder der Auswahlunterstützung auf Webseiten verstanden, die durch das „Anklicken“ den Nutzer zu der Hauptdatei führen.184 Durch die Verwendung von Thumbnails wird die Ladezeit von Internetseiten, die Bildaufnahmen enthalten, erheblich reduziert, da diese im Verhältnis zu „normalen“ Bildaufnahmen in ihrer Pixelanzahl stark komprimiert sind.185 Thumbnails werden beispielsweise häufig von Online-Shops eingesetzt, um eine Vielzahl von Waren präsentieren zu können, gleichzeitig die Website nicht zu überlasten und eine schnelle, stabile Ladung der Seite zu gewährleisten. Auch werden Thumbnails von Suchmaschinen verwendet, die eine Bildersuche ermöglichen, um durch die Reduzierung des Datenvolumens ihre Effizienz – unabhängig vom Suchbegriff – sicherzustellen. Diese verkleinerten Vorschauansichten werden bereits im Zeitpunkt des Öffnens der verwendenden Internetseite von dem Cachespeicher abgespeichert. Wie bei den bereits dargestellten Fällen der Cache-Speicherung kommt es auch im Rahmen der Thumbnail-Cache-Speicherung zu einer zumindest vorübergehenden, geräteinternen Ablage der einer Thumbnail-Aufnahme zugrunde liegenden Datensätze auf der Festplatte des verwendeten Computers. Der Computerinhaber hat somit über diese miniaturisierten Aufnahmen ebenfalls für einen gewissen Zeitraum die Sachherrschaft inne.186 Gewährt nun eine Internetseite den Zugang zu Nacktaufnahmen von minderjährigen Personen ohne Sexualbezug, ist für die objektive Verwirklichung des Merkmals des „Sich-Verschaffens“ nicht einmal mehr das aktive Anklicken nötig, um Besitz an den der miniaturisierten Bildaufnahme zugrunde liegenden Datensätzen zu erlangen. Bereits im Zeitpunkt des erstmaligen Ladens der Internetseite wird durch die automatische Cache-Speicherung Besitz an den bereits sichtbaren Thumbnails erlangt. Auch wenn Thumbnails im Verhältnis zu „angeklickten“ Aufnahmen optisch wie auch mit Blick auf ihre Datensätze kleiner sind, ist es im Regelfall möglich, dass der Bildinhalt für den Nutzer dennoch erkennbar ist. Des Weiteren kann dieser nach einer entsprechenden Abspeicherung über diese Vorschaubilder frei verfügen. Für die Verwirklichung des Merkmals 184 OLG Düsseldorf, 26.5.2015 – III-2 RVs 36/15, MMR 2015, 550, 55; Grützner/ Jakob, Compliance from A to Z, S. 173. 185 Grützner/Jakob, Compliance from A to Z, S. 173. 186 Vgl. Gercke, ZUM 2010, 633, 641; Ziegler, in: BeckOK, 36. Ed., § 184 b, Rn. 16; Hörnle, in: MüKo, § 184 b, Rn. 41.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 127

des „Sich-Verschaffens“ genügt bereits der Besitz an irgendeiner, einen Minderjährigen nackt abbildenden Aufnahme aus. Da qualitative Anforderungen an die in Frage stehende Aufnahme, wie beispielsweise eine Mindestpixelzahl oder die tatsächliche Größe der ursprünglichen Aufnahme, nicht gestellt werden, können auch Thumbnails taugliche Tatobjekte i. S. d. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB sein. Ähnlich wie in den „Streaming-Fällen“ und dem „Anklicken“ von Aufnahmen im Internet, wird es in derartigen Konstellationen jedoch regelmäßig an dem notwendigen Besitzwillen des Handelnden in Bezug auf die Thumbnail-Datensätze fehlen, sodass eine Strafbarkeit gem. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB nicht in Betracht kommen wird.187 Auch in derartigen Konstellationen ist es notwendig, dass der Besitzwille des Handelnden positiv festgestellt wird. Da über Thumbnails bereits dann eine Sachherrschaft begründet worden ist, wenn aus Versehen eine mit entsprechenden Vorschaubildern ausgestaltete Internetseite besucht worden ist, erscheint eine solche Restriktion auf subjektiver Ebene geboten. Ist im Einzelfall der Handelnde technisch derart versiert, dass er Kenntnis bzgl. der im Hintergrund ablaufenden Thumbnail-Caches hat und ist positiv sein Besitzwille an diesen Übersichtsbildern feststellbar, müsste er diese dennoch gegen ein Entgelt erlangt haben, um die Voraussetzungen des § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB zu erfüllen. Gerade in den Fällen der Besitzerlangung von Thumbnails wird es jedoch spätestens an diesem Merkmal regelmäßig fehlen, da diese Art von Bildern zu einem entgeltlichen Erwerb von Bildaufnahmen oder sonstigen Gegenständen anregen sollen, selbst jedoch davor ohne eine entsprechende Gegenleistung ausschnittsweise betrachtet werden können. 4. Download von Bilddateien aus dem Internet Durch die Verbesserung und Stabilisierung der Internetleitungen in den letzten Jahren und die damit einhergehende Schnelligkeit der Zugriffsmöglichkeiten auf im Internet bereitgestellte Daten hat der Download von Datensätzen jeglicher Art neben dem privaten Sektor auch im Rahmen der kommerziellen Vermarktung von Produkten, etwa von Filmen, Ebooks und Softwareprogrammen jeglicher Art, außerordentliche Wichtigkeit erlangt. Unter dem Begriff des „Downloads“ wird das dauerhafte oder zumindest vorübergehend Abspeichern von Daten verstanden, welche beispielsweise im Internet oder einem sonstigen Netzwerk genau zu diesem Zweck bereitgestellt worden sind. Durch das Herunterladen von Daten und dem damit einhergehenden Abspeichern auf dem Empfangsgerät erlangt der Computernutzer die volle Zugriffsmöglichkeit auf diese. Lädt sich nun eine Person Bildaufnahmen herunter, die einen unbekleideten Minderjährigen ohne Sexualbezug nackt abbilden, stellt dieses Verhalten ein „Sich-Verschaffen“ i. S. d. 187 Vgl. OLG Düsseldorf, 26.5.2015 – III-2 RVs 36/15, MMR 2015, 550, 551; Gercke, ZUM 2010, 633, 641; Hörnle, in: MüKo, § 184 b, Rn. 41; Ziegler, in: BeckOK, 36. Ed., § 184 b, Rn. 16.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

§ 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB dar, da der Handelnde den Besitz an den, der Aufnahme zugrunde liegenden Datensätzen erlangt und somit über diese und die Aufnahme frei verfügen kann.188 Dabei ist es für die Bewertung dieses Verhaltens unbeachtlich, ob das Herunterladen einen berechtigten oder einen unberechtigten Download darstellt, da der Handelnde in jedem Fall Besitz an diesen erlangt. Anders als in den Fällen der Cache-Speicherung muss der DownloadProzess in derartigen Konstellationen aktiv durch den Computernutzer in Gang gesetzt werden, sodass sich bereits in dem Befehl zum Herunterladen ein Besitzwille an diesen Aufnahmen manifestiert. 5. Versand und Empfang von Aufnahmen im Rahmen des Phänomens des „Sextings“ Des Weiteren ist zu erörtern, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug von dem abgebildeten Minderjährigen, beispielsweise im Rahmen des Phänomens des „Sextings“, selbst in Umlauf gebracht werden. Der Begriff des „Sextings“ setzt sich aus dem Wort „Sex“ und dem englischen Wort „texting“ 189 zusammen und beschreibt das Senden und Empfangen von Nacktaufnahmen oder sexuell aufgeladenen, erotischen Nachrichten über elektronische Kommunikationsmittel. 190 Vornehmlich wird darunter das Übermitteln von Bildaufnahmen verstanden, die den Nutzer selbst nackt, in erotischen Posen oder während des Geschlechtsverkehrs abbilden.191 Der Grad von Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug und pornografischen Bildern ist im Bereich des Sexting sehr schmal. Ist im Folgenden allerdings die Rede von Sexting, sind einzig Aufnahmen gemeint, die die Voraussetzungen des § 201a StGB erfüllen, wobei in der Praxis eine Vielzahl der „Sexting-Aufnahmen“ unter die Normierungen des Pornografiestrafrechts zu fassen sein werden192. Die Motivationen für den Versand von Nacktaufnahmen oder erotisch aufgeladenen Fotografien sind meist unterschiedlichster Art. Es lassen sich allerdings zwei Hauptantriebe bei den Versendern feststellen. Entweder Sexting findet zwischen einem Liebespaar im Rahmen einer festen Beziehung statt, um die intime Verbindung zu vertiefen, oder entsprechende Aufnahmen werden mit der Hoffnung versendet, dass sich auf Grundlage dieser eine Beziehung zu dem Empfänger entwickelt.193 Den Versendern von Nacktaufnahmen wird es allerdings daneben regelmäßig, wenn auch 188

BR-Drucks. 127/14, S. 18. SMS-schreiben. 190 Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 335; Schwartmann/ Ohr, Recht der Sozialen Medien, Rn. 169. 191 Hüneke, ZJJ 2016, 135; Bergmann/Krieg/Baier, ZJJ 2016, 139. 192 So auch Schwartmann/Ohr, Recht der Sozialen Medien, Rn. 169. 193 Ebenso Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 335. 189

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 129

nur in untergeordneter Weise, um Anerkennung durch den Empfänger als Form einer sozialen Belohnung für das eigene Erscheinungsbild gehen. Das Phänomen des Sextings unter Jugendlichen ist bereits seit geraumer Zeit aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien bekannt. Allerdings stellt dieses Thema auch unter deutschen Jugendlichen kein Ausnahmephänomen mehr dar. So wurden in den letzten Jahren bereits einige Daten zu dem Themenkomplex des Sextings bei Jugendlichen auch in Deutschland erhoben.194 Auf Grundlage dieser und in Anlehnung an amerikanische und britische Studien kann geschlossen werden,195 dass in Deutschland ungefähr ein Viertel aller Jugendlichen mindestens schon einmal Erfahrung mit dem Versenden oder Empfangen erotischer Aufnahmen sowie Nacktaufnahmen über Portale wie WhatsApp, Facebook oder Snapchat gemacht hat.196 Schickt der Empfänger entsprechender Aufnahmen diese nun ohne die Erlaubnis des Abgebildeten an Dritte weiter, wird dieses Verhalten regelmäßig die Voraussetzungen des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllen. Problematischer erscheint nun allerdings, wie das Phänomen des Sextings und den damit verbundenen Verhaltensweisen mit Blick auf den neu in den Gesetzestext eingefügten § 201a Abs. 3 StGB zu beurteilen ist. Ein Minderjähriger, der Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug von sich selbst in Umlauf bringt, da er diese beispielsweise über WhatsApp oder per E-Mail an seinen Schwarm oder sonstige Personen versendet, erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB nicht. Auch wenn durch das automatische geräteinterne Abspeichern der Aufnahme auf dem Empfangsgerät im Zeitpunkt des Eintreffens der „pikanten“ Nachricht der Empfänger Besitz an einer, einen Minderjährigen nackt darstellenden Bildaufnahme erlangt, verwirklicht der Minderjährige nicht die Voraussetzungen des „Dritt-Verschaffens“, da der Wortlaut des § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB eindeutig zu verstehen gibt, dass nur die Bildaufnahmen einer „anderen“ Person tatbestandsmäßig einem Dritten verschafft werden kann, nicht jedoch das Eigenportrait. Anders kann der Fall nur dann beurteilt werden, wenn der Empfänger solcher Aufnahmen, diese an eine weitere Person versendet und somit selbst das Merkmal des „Dritt-Verschaffens“ erfüllt. Aber auch dann kommt es erst zu einer Tatbestandsverwirklichung gem. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB, wenn in dem Versenden der Nacktaufnahmen ein Handeln gegen Entgelt zu sehen ist. 194

Vgl. Bergmann/Krieg/Baier, ZJJ 2016, 139, 140. Berendsen, Sexting unter Jugendlichen, http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/sex ting-unter-jugendlichen-ich-will-was-von-dir-sehen-12804044.html (besucht am 10.02. 2017). 196 Bergmann/Krieg/Baier, ZJJ 2016, 139, 140. Ähnliche Zahlen (ca. 20 %) legt Lenz ihren Ausführungen zu dem Thema Sexting zugrunde, vgl. Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 335. Allerdings bezieht sie sich auf Studien von 2010 und 2011, sodass auf Grund der steigenden Verbreitungszahlen von Smartphones innerhalb der letzten 5 Jahre auch ein Anstieg der von Sexting plausibel erscheint. 195

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Fordert nun hingegen eine Person einen Minderjährigen vermehrt dazu auf, ihm Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug zukommen zu lassen und der Jugendliche kommt diesen Aufforderungen nach, kann auf Seiten des Empfängers ein „Sich-Verschaffen“ i. S. d. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB bejaht werden, sobald die Aufnahmen bei der auffordernden Person eingegangen sind, da dieser den Besitzerwerb kausal zu verantworten hat. Werden Bildaufnahmen über MessengerPortale versendet, kommt es regelmäßig im Zeitpunkt des Nachrichteneingangs durch das Empfangsgerät automatisch zu einem Herunterladen und Abspeichern der Aufnahme, sodass der Empfänger, obwohl er möglichweise selbst noch keine Kenntnis von dem Nachrichteneingang hat, bereits die Verfügungsgewalt über die versendete Bildaufnahme erlangt hat. Wurde der automatische Download-Prozess bei dem verwendeten Portal durch den Empfänger deaktiviert, liegt eine Vollendung des Verschaffungsprozesses immer erst dann vor, wenn dieser aktiv den Download-Befehl erteilt hat und das Empfangsgerät beginnt, die empfangene Aufnahme herunterzuladen. Zu einem konträren Ergebnis muss man jedoch dann gelangen, wenn der Minderjährige von sich aus einer anderen Person solche Aufnahmen zukommen lässt, ohne dass der Empfänger diesen dazu aufgefordert und das Tätigwerden zu verantworten hat. Für die Tatvariante des „Sich-Verschaffens“ schadet es zwar nicht, wenn der Besitzerlangungsprozess auf einer automatischen, geräteinternen Abspeicherung der fraglichen Aufnahme gründet, dennoch muss bereits nach allgemeinem Wortverständnis der „Verschaffungsprozess“, wenn auch nur in unwesentlichen Teilen, von dem Empfänger in irgendeiner Weise kausal in Gang gesetzt worden sein. Ein „Sich-Verschaffen“ kann in Konstellationen, in denen der Minderjährige Nacktaufnahmen, die ihn selbst zeigen, einem Dritten zukommen lässt nur dann bejaht werden, wenn der Empfänger durch sein Vorverhalten gegenüber dem Minderjährigen ein Zusenden entsprechender Aufnahmen zumindest billigend in Kauf genommen und den Versendungsprozess kausal initiiert hat. Allerdings ist auch für die Variante des „Sich-Verschaffens“ ein Handeln gegen Entgelt als notwendige Strafbarkeitsvoraussetzung zu benennen, was regelmäßig bei den Fällen des Sextings nicht vorliegen wird.

IV. Gegen Entgelt Eine weitere notwendige Strafbarkeitsvoraussetzung innerhalb des § 201a Abs. 3 StGB, die durch das 49. StÄG eingefügt worden ist, ist das Merkmal des Handelns „gegen Entgelt“. Das Entgelterfordernis war in dem ursprünglichen Regierungsentwurf, anders als in dem bayerischen Gesetzesentwurf, nicht enthalten.197 Das Merkmal des „entgeltlichen Handelns“ wurde jedoch nach der Sach-

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Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 10 und BR-Drucks. 127/14, S. 2.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 131

verständigenanhörung vom 13. Oktober 2014 in die endgültige Gesetzesfassung aufgenommen.198 Durch diese Restriktion auf Tatbestandsseite sollte auf die heftige Kritik, die teilweise im Voraus an dem Regierungsentwurf zu § 201a StGB n. F. und vor allem an dem neuen Absatz 3 geübt wurde, reagiert werden.199 Durch dieses Merkmal wollte der Gesetzgeber verhindern, dass es zu einer Pönalisierung sozialadäquaten Verhaltens kommt, wie beispielsweise dem Fotografieren des eigenen, nackt am Strand spielenden Kindes.200 Des Weiteren sollte dieses Merkmal dazu beitragen, dass keine Marktplätze für Bildaufnahmen, die die Nacktheit von Minderjährigen zum Gegenstand haben, jedoch keine Kinderoder Jugendpornografie darstellen, entstehen oder aufrechterhalten werden und dadurch das Erscheinungsbild der abgebildeten Kinder und letztlich sogar die Minderjährigen selbst zu einer Ware verdinglicht und möglicherweise zu Objekten der sexuellen Begierde anderer degradiert und kommerzialisiert werden.201 Auch wenn es aus dem Blickwinkel des Opferschutzes unerheblich erscheint, ob die Bezieher von derartigen Bildaufnahmen ein Entgelt für diese entrichtet haben, da die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte allein vom Verbreitungsgrad einer Bildaufnahme abhängt und nicht von einer möglicherweise erbrachten Gegenleistung,202 erschien dieses beschränkende Tatbestandsmerkmal dem Gesetzgeber aus den aufgezeigten Gründen dennoch notwendig. Das Merkmal des „Entgelts“ ist dem StGB nicht fremd und in § 11 Nr. 9 StGB legaldefiniert. Unter „Entgelt“ ist gem. § 11 Nr. 9 StGB jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung zu verstehen. Bei dem Entgeltbegriff ist es, anders als bei dem weiter zu verstehenden Merkmal des „Vorteils“, notwendig, dass der Täter durch sein Verhalten tatsächlich einen Vermögensvorteil erlangt.203 Es müssen somit durch das Täterverhalten marktmäßig kommerzialisierte Vorteile geschaffen werden, sodass immaterielle Nutzen, wie Geschlechtsverkehr oder ein Empfehlungsschreiben, nicht von dem Entgeltbegriff umfasst sind.204 Das in § 11 Nr. 9 StGB angesprochene Gegenleistungselement weist darauf hin, dass zwischen den sich gegenüberstehenden Handlungen ein synallag-

198

Vgl. BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 18. Eisele, Protokoll-Nr. 18/28, S. 83; Hörnle, Protokoll-Nr. 18/28, S. 112; Wieduwilt, K&R 2014, 627, 631; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Jahn/Ziemann, in: Albrecht, Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, 227, 234 f., 237. 200 Plenarprotokoll 18/67, S. 6338. 201 BR-Drucks. 127/14, S. 16; Plenarprotokoll 18/54, S. 4933; Plenarprotokoll 18/ 67, S. 6338; Frieser, DRiZ 2014, 132. 202 Hörnle, FAZ 20.3.2014, 6. 203 Wybitul/Reuling, CR 2010, 829, 831; Saliger, in: Nomos Kommentar, § 11, Rn. 68. 204 Radtke, in: MüKo, § 11, Rn. 157; Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 11, Rn. 61; Saliger, in: Nomos Kommentar, § 11, Rn. 69. 199

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

matisches Verhältnis bestehen muss.205 Von diesem Merkmal werden nur konkret zweckgebundene Zahlungen erfasst. Allgemeine Vergütungen, wie beispielsweise eine Lohnzahlung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sind hingegen nicht in diese Begrifflichkeit einzubeziehen.206 1. Kaufvertrag Bildaufnahmen, die nackte Minderjährige abbilden, werden häufig im Rahmen eines Kaufvertrags veräußert. Die Täter erwerben die Bilder beispielsweise im Internet auf einschlägigen Webseiten und lassen sich diese direkt oder die entsprechenden Zugangsdaten zu den Bilddateien zusenden. Auch denkbar ist, dass die Erwerber als Gegenleistung neben einem Lesezugriff auch die Möglichkeit erlangen, die erworbenen Aufnahmen auf den eigenen Rechner herunterzuladen. In diesen Fallkonstellationen ist ein synallagmatisches Verhältnis zwischen Leistung – Zahlung eines monetären Kaufpreises – und Gegenleistung – Erlangung des Besitzes an den Aufnahmen – gegeben. Der Weitergabe der Aufnahmen wohnt auch ein wirtschaftlicher Gegenwert inne, sodass sich in solchen Konstellationen die Erwerber den Besitz an diesen „entgeltlich“ verschafft haben. 2. Kryptographisches Geld – „Bitcoins“ Die praktische Relevanz der Kryptowährung „Bitcoin“ 207 nahm in den letzten Jahren, vor allem in den Bereichen des Warenerwerbs über das Internet sowie als Geldanlage stetig zu.208 So stellen „Bitcoins“ im Internethandel bereits heute ein etabliertes Zahlungsmittel dar, dessen Verwendungsbereich nicht auf das Darknet209 beschränkt ist, sondern das auch im legalen Bereich regelmäßig zum Einsatz kommt. 205 Wybitul/Reuling, CR 2010, 829, 831; Cornelius, NJW 2013, 3340, 3341; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 102; Saliger, in: Nomos Kommentar, § 11, Rn. 69; Radtke, in: MüKo, § 11, Rn. 157. 206 Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 199. 207 Der Begriff „Bitcoin“ bezeichnet eine digitale Währung und stellt zugleich die aktuell wohl bekannteste Kryptowährung dar. 208 Eine ausführliche und optisch sehr übersichtliche Darstellung der Bitcoins-Entwicklung (Kurs, Nutzer, Transaktionen) von 2012 bis Herbst 2014 bei B. Beck, NJW 2015, 580, 582 f. Der Kurs von Bitcoins ist einer starken Schwankung unterworfen. War ein Bitcoin im Oktober 2013 weniger als 200 US-Dollar wert, wird knapp 4 Jahre später (Januar 2018) ein Bitcoin für über 14.000 US-Dollar gehandelt. 209 Der Begriff des „Darknet“ beschreibt ein mit dem Internet vergleichbares Netzwerk, dessen Teilnehmer ihre Verbindungen allerdings untereinander manuell herstellen müssen. Im Ergebnis bietet das Darknet ein höheres Maß an Anonymität und Sicherheit für dessen Nutzer, da einem Dritten der Zugriff auf das Netzwerk nicht ohne Weiteres möglich ist bzw. er regelmäßig nichts von der Existenz des Netzwerkes weiß. Im Darknet werden die Daten häufig verschlüsselt übertragen und gespeichert. Neben dem Datenaustausch über Tauschbörsen (Bilder, Filme, Musik) zeichnet sich das Darknet auch

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 133

Bei einer Kryptowährung, wie den „Bitcoins“, handelt es sich um ein dezentral organisiertes Zahlungssystem, welches nur in elektronischer Form existiert und von jeglicher nationaler Autorität unabhängig ist.210 Es wird vermutet, dass aktuell ca. 500 technisch voneinander abweichende Kryptowährungen im Umlauf sind, wobei das Zahlungsmittel der „Bitcoins“ deren bekanntesten und am weitesten verbreiteten Vertreter darstellt.211 Kryptowährungen sind anders als die tradierten Währungen, wie beispielsweise der Euro oder der US-Dollar, keine gegenständlichen Zahlungsmethoden, sondern es handelt sich um verschlüsselte Daten, die als elektronische Werteinheit nur über entsprechende technische Vorkehrungen und eine Veränderung der zugrunde liegenden Datensätze ausgetauscht werden können.212 Trotz dieser fehlenden „Greifbarkeit“ besteht keinerlei Zweifel daran, dass Bitcoins eine vermögenswerte Position innewohnt und eine digitale „Geld“-Einheit bilden.213 Umsätze, die auf Kryptowährungen wie Bitcoins aufgebaut sind, stellen Finanzgeschäfte dar, soweit diese Währungen von den an der Transaktion Beteiligten als alternatives Zahlungsmittel akzeptiert werden und sie diesem Zweck dienen sollen.214 Der Austausch von Waren gegen Bitcoins oder einer sonstigen Kryptowährung kann in vertragstypologischer Sichtweise als Kaufvertrag eingeordnet werden, da bei einer derartigen Vereinbarung die geschuldete Leistung erst dann als erbracht angesehen werden kann, wenn dem Gläubiger Zugriff auf die vereinbarte Höhe der elektronischen Währung gewährt wird.215 Erwirbt nun ein Internetnutzer den Besitz an Bildaufnahmen, die einen Minderjährigen nackt und ohne jeglichen Sexualbezug zeigen, durch die Übertragung von Bitcoins an den ursprünglichen Bildinhaber, kann dieses Verhalten als ein „entgeltlicher Erwerb“ i. S. d. § 201a Abs. 3 StGB angesehen werden, da zwischen den sich gegenüberstehenden Leistungen ein synallagmatisches Verhältnis besteht216. durch die Verknüpfung unterschiedlichster Personengruppen (Regimekritiker, Terroristen etc.) sowie den Handel mit illegalen Gegenständen aus. 210 Goger, MMR 2016, 431. 211 B. Beck/König, JZ 2015, 130; Goger, MMR 2016, 431. 212 B. Beck, NJW 2015, 580, 581. 213 B. Beck/König, JZ 2015, 130; Goger, MMR 2016, 431. 214 EUGH, 22.10.2015 – C-264/14 Skatteverket ./. Hedqvist, MMR 2016, 201, 203, Rn. 49. Zu der rechtlichen Anerkennung von Kryptowährungen in der Realökonomie durch staatliche Stellen siehe auch Goger, MMR 2016, 431 f. 215 B. Beck, NJW 2015, 580, 585. Eine ausführliche Darstellung der vertragstypologischen Einordnung von kryptographischem Geld, dem Austausch von Geld gegen Bitcoins sowie dem Austausch von Bitcoins gegen Waren bei B. Beck/König, JZ 2015, 130, 131 ff. Die Verfasser kommen am Ende ihrer Ausführungen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Austausch von Bitcoins gegen Waren mit Blick auf die zugrunde liegenden Parteivorstellungen als Kaufvertrag einzuordnen ist und auf beiden Seiten ein kaufrechtliches Synallagma besteht. 216 B. Beck/König, JZ 2015, 130, 137. Ein synallagmatisches Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bei Geschäften, die mit Bitcoins beglichen werden sollen,

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

3. Nutzung von Internetforen und Filesharing-Netzwerken Praktisch bedeutender als der Kauf von Nacktaufnahmen, die einen Minderjährigen abbilden, dürfte jedoch der Austausch entsprechender Aufnahmen über Tauschsysteme im Internet, wie beispielsweise über Filesharing-Netzwerke oder spezielle Internettauschforen, sein. „Filesharing-Netzwerke“ sind Plattformen im Internet, in denen zwischen den Nutzern neben Bildern und Musik auch Filme, Spiele und Softwareprogramme ausgetauscht und vervielfältigt werden können.217 Diese Internetplattformen ermöglichen es ihren Nutzern, nach der Installation spezieller Computerprogramme, Daten jeglicher Art miteinander zu teilen, auf den eigenen Rechner zu kopieren und abzuspeichern.218 Des Weiteren ist es möglich, im Rahmen eines Filesharing-Programms aktiv nach bestimmten Dateien zu suchen, da die freigegebenen Daten von diesem automatisch indexiert werden, sodass diese durch die Verwendung der programminternen Suchmasken gefunden werden können.219 Möchte nun ein Nutzer einer solchen Plattform eine Bildaufnahme herunterladen, stehen ihm alle in dem Netzwerk online gestellten Dateien der anderen Tauschbörsenteilnehmer zum Download zur Verfügung.220 Daneben sind alle von ihm freigegebenen Aufnahmen und Datensätze für die anderen Nutzer des Filesharing-Programms direkt von seiner Festplatte zum Herunterladen greifbar.221 Anders als Filesharing-Netzwerke, die den Nutzern in gewissem Umfang einen Zugriff auf die Festplatten anderer Personen gewähren, funktionieren „Internetforen“. Auf derartigen Portalen werden im klassischen Sinne Waren einzig mit Hilfe des Internets ausgetauscht. Im Rahmen von Internettauschforen laden die Nutzer Bilddateien oder sonstige Datensätze auf die zur Verfügung gestellten Plattformen hoch und andere können diese direkt von der Plattform herunterladen. Anders als beim Filesharing erlangen die Nutzer keinen direkten Zugriff auf die Festplatten der anderen, sondern der komplette Up- und Download-Prozess läuft über einen externen dritten Server. Im Ergebnis sind diese beiden Phänomene des Datenaustausches mit Blick auf § 201a Abs. 3 StGB jedoch gleich zu bewerten, sodass diese im Folgenden in Bezug auf das Merkmal des „entgeltlichen Handelns“ gemeinsam dargestellt werden sollen. Nach der Gesetzesbegründung zum 49. StÄG soll für die Verwirklichung des Merkmals des Handelns „gegen Entgelt“ auch der Erwerb entsprechender Nacktbejaht auch der EuGH, vgl. EUGH, 22.10.2015 – C-264/14 Skatteverket ./. Hedqvist, MMR 2016, 201, 202, Rn. 28. 217 M. Beck./Kreißig, NStZ 2007, 304; Ernst, in: Multimedia-Recht, Teil 7, Rn. 76. 218 M. Beck/Kreißig, NStZ 2007, 304; Forch, GRUR-Prax 2014, 193, 194; Ernst, in: Multimedia-Recht, Teil 7, Rn. 77; Lang, Filesharing und Strafrecht, S. 14. 219 M. Beck./Kreißig, NStZ 2007, 304; Lang, Filesharing und Strafrecht, S. 15. 220 Forch, GRUR-Prax 2014, 193 f. 221 Forch, GRUR-Prax 2014, 193 f.; Lang, Filesharing und Strafrecht, S. 14.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 135

aufnahmen im Rahmen eines Internettauschsystems ausreichend sein.222 Da es für den Entgeltbegriff gerade unbeachtlich ist, ob durch das fragliche Verhalten tatsächlich ein Gewinn erlangt wird oder nur eine Bereicherung angestrebt wird – solange zwischen den sich gegenüberstehenden Handlungen ein synallagmatisches Verhältnis besteht –223 kann der Gesetzesbegründung bzgl. der Subsumtion von Internettauschbörsen und Filesharing-Programmen unter das Merkmal des „entgeltlichen Handels“ Folge geleistet werden. Für das „Tauschen“ von Gegenständen, unabhängig ob über das Internet oder in sonstiger Weise, ist es charakteristisch, dass beidseitig Waren angeboten und diese jeweils als Gegenleistung für die Erlangung der anderen Sache übertragen werden. Bei Filesharing-Netzwerken und Internettauschbörsen, die den Austausch von Nacktaufnahmen von Minderjährigen zum Gegenstand haben, geht mit dem „Online-Stellen“ bzw. dem Hochladen entsprechender Aufnahmen als Gegenleistung automatisch die Möglichkeit einher, auf von anderen Personen zugänglichgemachte Nacktaufnahmen zugreifen zu können.224 Der bayerische Gesetzesentwurf wollte Tauschsysteme, die auf den Austausch von Nacktaufnahmen angelegt sind, noch explizit als mögliche Tatbestandsvariante in § 201a StGB benennen.225 Eine derartige Formulierung wäre mit Blick auf das „Tauschen“ von Bildern über das Internet oder in sonstiger Weise jedoch nicht nötig und einzig von deklaratorischer Bedeutung gewesen, da der Zugriffsmöglichkeit auf fremde Daten oder Bildaufnahmen, die ein Nutzer durch das Hochladen oder Anbieten eigener Aufnahmen erlangt, ein Vermögenswert innewohnt und dieses Verhalten somit bereits von dem Entgeltlichkeitsbegriff umfasst ist. Der Bildaustausch über Internettauschbörsen kann jedoch nur dann unproblematisch als entgeltlicher Austausch bezeichnet werden, wenn mit dem eigenen Anbieten (Upload) von Daten die Zugriffsmöglichkeit auf den Download von Bildern aus dem System aufrechterhalten bzw. „erkauft“ wird, das Hochladen oder Online-Stellen von Aufnahmen also die systemimmanente Gegenleistung für den Zugriff auf andere Daten darstellt.226 Regelmäßig wird von solchen Portalen von neuen Benutzern erwartet, dass diese einschlägige Bildmaterialien hochladen, um sich der „Community“ anschließen zu dürfen.227 Lädt nun ein Nutzer eines solchen Portals nur einmalig, zu Beginn seiner Aktivitäten auf der 222

BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 28. Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 11, Rn. 62; Fischer, in: Fischer, § 11, Rn. 31. 224 So im Ergebnis auch Winckelmeier-Becker, Plenarprotokoll 18/67, S. 6342; Seidl/ Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 316; R. Busch, NJW 2015, 977, 979; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 29; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 30. 225 Vgl. BR-Drucks. 127/14, S. 2. 226 Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. 227 R. Busch, NJW 2015, 977, 979. 223

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Tauschplattform, eine Aufnahme auf eine entsprechende Internetseite hoch und bezieht danach nur noch Daten, stellt sich die Frage, ob das erstmalige Hochladen von Nacktaufnahmen eines Minderjährigen als ein unter den Begriff des „entgeltlichen Handelns“ subsumierbares „Einkaufen“ in eine geschlossene Gesellschaft bewertet werden kann, der ein Vermögenswert innewohnt, sodass das zukünftige Herunterladen von einer Bildaufnahme zugrunde liegenden Datensätze ein strafbares Verhalten i. S. d. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB darstellt. Das erstmalige Hochladen einer einschlägigen Aufnahme könnte jedoch auch als ein reines Darstellen der gemeinsamen „Vorlieben“ zu bewerten sein und somit das Fundament für ein positives „Empfehlungsschreiben“ durch die „Community“ begründen. Folgt man der letzteren Ansicht, würden Personen, die einmalig Nacktaufnahmen von Minderjährigen in entsprechende Portale hochladen, um als Mitglied aufgenommen zu werden, sich bei einem späteren Download nicht gem. § 201a Abs. 3 StGB strafbar machen, da die Erreichung einer positiven Empfehlung keinen kommerzialisierten materiellen Wert darstellt und als immaterieller Vorteil nicht unter den Entgeltbegriff subsumiert werden kann. Das erstmalige sowie einmalige Hochladen von Aufnahmen in ein Tauschnetzwerk muss jedoch aufgrund teleologischer Erwägungen unter den Begriff des „Entgelts“ gefasst werden können. Derartiges Verhalten stellt ein „Einkaufen“ in ein solches Netzwerk dar, da durch den Upload der erwarteten Datensätze eine Nutzungs- bzw. Aufnahmegebühr für die Teilhabe an dem Netzwerk entbehrlich wird und die Eröffnung des Zugangs zu einer derartigen Plattform für die Handelnden einen messbaren materiellen Wert aufweist.228 Die Möglichkeit an einem Tauschsystem für Bildaufnahmen partizipieren zu können, stellt einen Vermögensvorteil dar, da solche Aufnahmen außerhalb entsprechender Netzwerke regelmäßig nur gegen eine Kaufpreiszahlung herausgegeben werden und die Mitglieder entsprechender Portale sich diese Aufwendungen ersparen.229 Des Weiteren wollte der Gesetzgeber mit § 201a Abs. 3 StGB ein wirksames Mittel zur Sanktionierung derartiger Verhaltensweisen schaffen, um die Entstehung und Aufrechterhaltung eines Marktes, auf dem Bildaufnahmen von unbekleideten Kindern im Internet wie Waren gehandelt bzw. gegeneinander getauscht werden, zu verhindern.230 Es darf in der rechtlichen Bewertung keinen Unterschied machen, ob eine Person regelmäßig oder nur einmalig als Anbietender, sonst jedoch einzig als Abnehmer an entsprechenden Tauschsystemen partizipiert. Eine entsprechende Unterscheidung ist auch in der Ausgestaltung des § 201a Abs. 3 StGB nicht angelegt. Problematischer als das einmalige Hochladen oder Online-Stellen von Aufnahmen auf Tauschplattformen erscheint der strafrechtliche Umgang mit Personen, 228 229 230

Im Ergebnis wie R. Busch, NJW 2015, 977, 979. R. Busch, NJW 2015, 977, 979. BR-Drucks. 127/14, S. 16.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 137

die den systemimmanenten Upload von entsprechenden Bildmaterialien durch die Änderung des Programm-Quelltextes oder Einstellungen in dem verwendeten Filesharing-Programm unterbinden und dadurch „kostenlosen“ Zugriff auf die Bildaufnahmen genießen, indem sie sich ihrer automatisch vorgegebenen Gegenleistungspflicht entziehen.231 In solchen Situationen liegen die Voraussetzungen für den Entgeltbegriff nicht vor, da der Täter keine Gegenleistung – um Aufnahmen aus der Tauschbörse beziehen zu können – erbringt. Eine bloße einseitige Erwartung der Netzwerkbetreiber, dass eine Leistung für den Download der Aufnahmen noch erbracht werden soll, reicht nicht aus, um ein entgeltliches Verhalten bejahen zu können.232 Eine Person, die ihre von den Internettauschplattformen vorgegebene Upload-Pflicht umgeht, handelt somit nach der aktuellen Gesetzesfassung des § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB straffrei. Der Wortlaut dieser Sanktionsnorm setzt mit dem Merkmal des Handelns „gegen Entgelt“ ein synallagmatisches Verhältnis zwischen dem Besitzerwerb und dem Täterverhalten voraus. Situationen, bei denen eine Person den systemimmanenten Upload-Prozess eines Filesharing-Netzwerks umgeht, können nicht unter dieses Tatbestandsmerkmal gefasst werden. Ein anderes Begriffsverständnis wäre als eine täterungünstige Strafbarkeitserweiterung zu bewerten, die mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar ist. Enthielte § 201a Abs. 3 StGB – wie im bayerischen Gesetzesentwurf noch vorgesehen – auch die Begehungsvariante „im Rahmen eines Tauschsystems“, würde die aufgezeigte Strafbarkeitsproblematik nicht bestehen, da es dem Wortlaut nach für ein tatbestandliches Verhalten unbeachtlich wäre, ob der Täter eine entsprechende Gegenleistung erbringt oder aufgrund vertiefter technischer Kenntnisse diese Pflicht umgeht.233 Notwendige Voraussetzung wäre dann einzig, dass das benutzte Portal auf den Austausch von Nacktaufnahmen von Minderjährigen ausgelegt wäre und von dem Gedanken und der Möglichkeit des wechselseitigen Leistungsaustauschs getragen wird.234 Für ein strafbares Verhalten würde es somit genügen, wenn eine Person aus einem Tauschsystem Bilder bezieht, selbst jedoch nichts zu der Tauschmasse beisteuert. 4. Kostenlose Internetportale Der Bezug von Bildaufnahmen, die die Nacktheit von Minderjährigen zum Gegenstand haben, ist nach der aktuellen Gesetzeslage auch dann straflos, wenn von Beginn an überhaupt keine Gegenleistung für deren Betrachtung im Internet oder deren Download gefordert wird, wie dies bei Portalen wie Youtube, Face231

BR-Drucks. 127/14, S. 17. Vgl. Fischer, in: Fischer, § 11, Rn. 31; Saliger, in: Nomos Kommentar, § 11, Rn. 69. 233 BR-Drucks. 127/14, S. 17. 234 BR-Drucks. 127/14, S. 17. 232

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

book oder Instagram der Fall ist. Das Bewerten der Aufnahmen in solchen Portalen, wie das Liken oder Kommentieren, stellt keine Gegenleistung für das Betrachten oder Herunterladen i. S. d. § 11 Nr. 9 StGB dar. Diese Reaktionen können zwar im Einzelfall einen materiellen Wert innehaben, so bezahlt beispielsweise Youtube abhängig der „Klicks“, „Likes“ und „Kommentare“ einen gewissen Betrag an die hochladende Person, dennoch stellen diese Aktionen für den Konsumenten weder eine verpflichtende Gegenleistung für den Zugang zu den Aufnahmen dar, noch hat dieses Verhalten für den Handelnden selbst einen materiellen Wert, da es einzig Ausdruck einer persönlichen Empfindung ist. 5. Unentgeltlicher Eigengebrauch Das Herstellen von Bildaufnahmen, die einen Minderjährigen nackt zeigen, für den reinen unentgeltlichen Eigengebrauch ist ebenfalls straffrei.235 Dies erscheint auf den ersten Blick begrüßenswert, da es Eltern weiterhin möglich bleibt, frei von Strafe Bildaufnahmen von ihren minderjährigen Kindern herzustellen, auch wenn diese nackt im Garten oder am Strand spielen. Jedoch kann durch diese Restriktion auch derjenige straffrei agieren, der heimlich ein unbekleidetes Kind in einer sexuell nicht aufreizenden Pose fotografiert und diese Aufnahmen im Nachhinein zur eigenen sexuellen Befriedigung verwendet. Solche Aufnahmen verletzen das abgebildete Kind genauso in seinen Persönlichkeitsrechten und einer ungestörten Entwicklung, wie das Herstellen derartiger Aufnahmen für den entgeltlichen Handel. Um einen umfassenden Persönlichkeitsschutz für Minderjährige vor Nacktaufnahmen ohne objektiv erkennbaren Sexualbezug zu gewährleisten, wäre es vonnöten gewesen, auch solche Handlungen mit § 201a Abs. 3 StGB zu sanktionieren, bei denen es an dem Merkmal des „Entgelts“ fehlt. Es ist daher zu fordern, den Wortlaut des § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB mit dem Zusatz „oder für den sexuellen Eigengebrauch handelt“ zu erweitern. 6. Kommerzielle Aufnahmen Durch das Entgelterfordernis erfüllen auch Bildaufnahmen, die einen nackten Minderjährigen zum Gegenstand haben und zu kommerziellen Zwecken hergestellt oder vertrieben werden, die Voraussetzungen des § 201a Abs. 3 StGB.236 So ist beispielsweise an eine Werbung für Babywindeln, in der ein nackter Säuglingshintern gezeigt wird, an Jugendzeitschriften wie die BRAVO, die Fotos von nackten Jugendlichen abdrucken, oder an Nacktaufnahmen von Minderjährigen innerhalb eines Aufklärungsvideos zu denken. Den handelnden Personen droht in 235 Ebenso Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 28; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 11. 236 Ebenso Bosch, Jura 2016, 1380, 1387.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 139

solchen Konstellationen eine Sanktionierung gem. § 201a Abs. 3 StGB, da diese Aufnahmen gerade hergestellt und angeboten werden, um sie einer dritten Person gegen Entgeltzahlung zu verschaffen. Wenn bei Film- oder Werbeaufnahmen im Einzelfall nun eine Nacktaufnahme i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB vorliegt, wird der Herstellende und Anbietende nur dann einer Strafbarkeit entgehen können, wenn der in Frage stehenden Handlung ein „berechtigtes Interesse“ i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB zugrunde liegt.237 Liegt bei der Herstellung oder dem Anbieten solcher Werbe- oder Filmaufnahmen ausnahmsweise kein derartiges Interesse vor, ist zu überprüfen, ob der abgebildete Minderjährige oder dessen Erziehungsberechtigte wirksam in das mit den Aufnahmen in Verbindung stehende Verhalten eingewilligt haben und somit eine Strafbarkeit gem. § 201a Abs. 3 StGB entfällt. 7. Auftragsfotografie Von Auftragsfotografie kann immer dann die Rede sein, wenn eine Person ein Fotostudio oder in sonstiger Weise einen Fotografen aufsucht, um diesen zu beauftragen, Bildaufnahmen von sich selbst oder einer anderen Person herzustellen. Zwischen Auftraggeber und Fotografen wird in derartigen Fällen ein Werkvertrag gem. § 631 Abs. 1 BGB geschlossen, aufgrund dessen der Fotograf die Schaffung entsprechender Bildaufnahmen und der Auftraggeber die Entrichtung der vereinbarten Vergütung schuldet. Der Fotograf wird somit gegen ein Entgelt tätig bzw. stellt Aufnahmen her, um sie gegen eine Zahlung seinem Auftraggeber zu verschaffen. Wenden sich nun Eltern an einen Fotografen, um ihren Säugling beispielsweise nackt auf einem Schafsfell liegend oder in sonstiger Weise unbekleidet inszeniert fotografieren zu lassen,238 werden die Tatbestandsvoraussetzungen des § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB durch den Fotografen erfüllt, da er eine minderjährige, nackte Person zum Gegenstand seiner Bildaufnahmen macht und diese gegen ein Entgelt einer anderen als der abgebildeten Person, den Eltern, verschaffen möchte.239 Durch das Merkmal des Handelns „gegen Entgelt“ wollte der Gesetzgeber sozialadäquate Bildaufnahmen aus dem Strafbarkeitsbereich herausnehmen. So 237 Vgl. Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 27, der ebenfalls davon ausgeht, dass kommerzielle Werbung, die Minderjährige nackt abbildet, die Voraussetzungen des § 201a Abs. 3 StGB erfüllt, jedoch regelmäßig im Bereich des berechtigten Interesses i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB liegt. 238 Es ist beispielsweise an Aufnahmen zu denken, die ihrer Aufmachung und Inszenierung nach an die Fotografien der Künstlerin Anne Geddes angelehnt sind. 239 Zu dem gleichen Ergebnis kommen auch Jahn/Ziemann, in: Albrecht, Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, 227, 235 mit Blick auf den bayerischen Gesetzesentwurf zu dem 49. StÄG. Jahn und Ziemann nehmen Bezug auf den Regierungsentwurf, wie auch dem bayerischen Entwurf zur Reformierung des § 201a StGB und kommen zu dem Ergebnis, dass künstlerische Fotoarbeiten, die Minderjährige nackt darstellen von dem bayerischen Gesetzesentwurf umfasst sind, soweit für diese ein Honorar entrichtet worden ist.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

wurde, wie bereits gezeigt, beispielsweise an private Familienaufnahmen gedacht, die das minderjährige Kind nackt am Strand zeigen. Auch wenn man einerseits meinen könnte, dass der Unrechtskern solcher Familienaufnahmen kein höherer sei, als die Beauftragung eines Fotografen zu entsprechenden Aufnahmen durch die Eltern, kann andererseits nicht jegliche Auftragsfotografie als tatbestandslos bezeichnet werden. Eine pauschale teleologische Reduktion des § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB erscheint weder zweckmäßig noch geboten. So entsteht für den abgebildeten Minderjährigen ein erhöhtes Gefährdungspotenzial vor der unbefugten Weitergabe entsprechender Aufnahmen, wenn diese durch einen Dritten hergestellt werden, als wenn die eigenen Eltern entsprechende Aufnahmen anfertigen. Auch sind Fälle denkbar, in denen Eltern ihre Kinder Dritten „zur Verfügung stellen“, um Nacktaufnahmen für den marktmäßigen Handel oder pädophile Tauschbörsen zu schaffen.240 Des Weiteren besteht aufgrund des § 201a Abs. 4 StGB kein Bedürfnis einer teleologischen Reduktion des § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB im Verhältnis zur Auftragsfotografie, da es an einem strafbaren Verhalten bereits fehlt, wenn der Fotograf mit „berechtigtem Interesse“, namentlich der Kunst, handelt. Durch die Sozialadäquanzklausel des § 201a Abs. 4 StGB ist eine Einzelfallentscheidung möglich. Des Weiteren erscheint es denkbar, dass die erziehungsberechtigten Eltern in die Herstellung entsprechender Aufnahmen einwilligen können.241 Die Herstellung von Auftragsfotografien eines nackten Minderjährigen durch einen Fotografen wird zwar regelmäßig die Voraussetzungen des § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB erfüllen. Eine Strafbarkeit wird im Rahmen einer Einzelfallüberprüfung indessen in den meisten Fällen entfallen, sodass es einer pauschalen teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 201a Abs. 3 StGB bei derartigen Situationen nicht bedarf. 8. Schenkung Eine Schenkung liegt gem. § 516 Abs. 1 BGB immer dann vor, wenn jemand einer anderen Person eine Zuwendung aus seinem Vermögen zukommen lässt und beide Teile darüber einig sind, dass dies unentgeltlich erfolgt. Unentgeltlichkeit bedeutet, dass eine Zuwendung unabhängig von einer Gegenleistung und nicht zur Tilgung einer Verbindlichkeit bestimmt ist.242 Anders als bei dem Entgeltbegriff i. S. v. § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB, der eine Gegenleistung voraussetzt, ist das unentgeltliche Handeln bei der Schenkung die charakteristische Voraussetzung. So macht sich weder die Person, die eine Nacktaufnahme eines Minderjährigen ohne Sexualbezug einer anderen Person i. S. d. § 516 Abs. 1 StGB übergibt, gem. § 201a Abs. 3 Nr. 2 StGB strafbar, noch der Beschenkte. Auch kann eine 240 241 242

Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 318. Siehe auch 3. Kapitel, E., IV., 2. Weidenkaff, in: Palandt, § 516, Rn. 8; J. Koch, in: MüKo-BGB, § 516, Rn. 24.

D. Anbieten/Verschaffen von Nacktaufnahmen, die Minderjährigen abbilden 141

Strafbarkeit dann nicht angenommen werden, wenn jemand eine solche Bildaufnahme einzig herstellt, um sie einem anderen zu schenken.

V. Fazit Die Restriktion, die durch das Tatbestandsmerkmal „gegen Entgelt“, in § 201a Abs. 3 StGB eingefügt worden ist, ist für die Praxis teilweise zu eng und schafft kaum hinnehmbare Strafbarkeitslücken und Rechtsunsicherheiten im Umgang mit Nacktaufnahmen, die einen Minderjährigen zum Gegenstand haben. Die gesetzgeberischen Ziele, durch die Neupönalisierung in § 201a Abs. 3 StGB Minderjährige vor Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug jeglicher Art zu schützen, einen umfassenden Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten und den kommerziellen Handel mit derartigen Bildaufnahmen bereits im Keim zu ersticken, konnten aufgrund dieser Restriktion nur teilweise erreicht werden. Mit § 201a Abs. 3 StGB können weder Personen sanktioniert werden, die derartige Bildaufnahmen zum sexuellen Eigengebrauch herstellen,243 die diese im Rahmen eines Tauschsystems erwerben, sich jedoch ihrer Gegenleistungspflicht durch Manipulationen entziehen oder die solche Bildaufnahmen verschenken, geschenkt bekommen oder für derartige Zwecke herstellen. Neben dem Entgeltbegriff, der dazu beitragen soll, dass es durch § 201a Abs. 3 StGB zu keiner Kriminalisierung sozialadäquaten Verhaltens kommt, wäre es angebracht gewesen, das Herstellen von Bildaufnahmen zum sexuellen Eigengebrauch, sowie – in Anlehnung an den bayerischen Gesetzesentwurf – das Verschaffen von Bildaufnahmen im Rahmen eines Tauschsystems zu pönalisieren,244 wobei es unbeachtlich ist, ob der Täter selbst Bildmaterial zum Tausch anbietet oder einzig Aufnahmen im Rahmen einer derartigen Plattform bezieht.245 Trotz der geäußerten Kritik an Teilen der tatbestandlichen Ausgestaltung des § 201a Abs. 3 StGB erscheint es begrüßenswert, dass eine entsprechende Strafbarkeit außerhalb der §§ 184 ff. StGB normiert wurde.246 Die Degradierung Minderjähriger zu Objekten, indem Nacktaufnahmen dieser wie Waren gehandelt werden, stellt einen erheblichen Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte dar,247 jedoch liegt wegen des fehlenden Sexualbezugs des Aufnahmeinhalts keine inhaltliche Nähebeziehung zu den §§ 184 ff. StGB vor. Anders als bei den Rege243

Ebenso Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 11. Im Ergebnis wie Eisele, Protokoll-Nr. 18/28, S. 83. 245 Siehe auch Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 377, die eine Beschränkung des § 201a Abs. 3 StGB auf die sexuelle Verwendung in Frage stehender Aufnahmen fordert. 246 Diese angesprochene Trennung des § 201a Abs. 3 StGB von den Pornografienormierungen begrüßten auch Jahn/Ziemann, in: Albrecht, Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, 227, 235 in Bezug auf den bayerischen Gesetzesentwurf zum strafrechtlichen Bildnisschutz. 247 Frieser, DRiZ 2014, 132. 244

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

lungen, die den Umgang mit Kinder- und Jugendpornografie normieren, kommt es bei Bildaufnahmen, die einen Minderjährigen nackt abbilden, jedoch keinen Sexualbezug aufweisen, nicht zu einem Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung der abgebildeten Person. Ein möglicher Eingriff in deren sexuelle Selbstbestimmung findet bei derartigen Aufnahmen allenfalls im Kopf der Betrachter statt, nicht jedoch tatsächlich gegenüber den betroffenen Minderjährigen.248 Des Weiteren sind die Strafbarkeitsvorverlagerung, die durch die Handlungsvarianten des „Herstellens“, „Anbietens“ und „Verschaffens“ in § 201a Abs. 3 StGB im Verhältnis zu § 33 KUG geschaffen wurden sowie die Auflösung des Räumlichkeitsbezugs und die dadurch verbundene Stärkung des Rechts am eigenen Bild der abgebildeten Minderjährigen positiv zu bewerten.

E. Problem 3: Einordnung des Merkmals „unbefugt“ Wie das Merkmal „unbefugt“ in § 201a StGB einzuordnen ist, ob auf Tatbestands- oder Rechtswidrigkeitsebene, ist seit Einführung des strafrechtlichen Bildnisschutzes in das StGB umstritten. So ist eine Zuordnung dieses Merkmals nicht eindeutig aus den Gesetzesmaterialien herauslesbar. Die Gesetzesbegründung zum 36. StÄG, auf deren Ausführungen im Rahmen des 49. StÄG teilweise verwiesen wurde und die auch für das Merkmal der „Unbefugtheit“ Anwendung findet249, ist in Bezug auf die Einordnung der Begrifflichkeit unklar ausgestaltet. So führen die Gesetzesmaterialien einerseits aus, dass das Merkmal „unbefugt“ in § 201a Abs. 1 StGB a. F., der die Grundlage für § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB darstellt, jegliche gesetzliche Befugnisnormen sowie die allgemeinen Rechtfertigungsgründe unberührt lassen und das Merkmal wie in den §§ 201– 203 StGB verwendet wird.250 Aus dieser Formulierung kann die Ansicht herausgelesen werden, dass der Gesetzgeber das Merkmal „unbefugt“ lediglich als deklaratorischen Verweis auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe verstehen will. Andererseits legt die Gesetzesbegründung dar, dass sich die Befugnis einer Person, eine Aufnahme herzustellen oder zu übertragen und somit nicht unbefugt zu handeln, in den überwiegenden Fällen aus dem Einverständnis der abgebildeten Person ergeben wird.251 Ein Einverständnis wirkt nach allgemeiner Ansicht jedoch tatbestandsausschließend,252 sodass das Merkmal „unbefugt“ nach diesen Ausführungen auch auf Tatbestandsebene eingeordnet werden könnte. Auf Grund248

Renzikowski, DRiZ 2014, 133. Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 250 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 251 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 252 Bosch, Jura 2016, 1380, 1387; Kaspar, Strafrecht – Allgemeiner Teil, Rn. 338; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 23, Rn. 40; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 541 f.; Fischer, in: Fischer, Vor § 32, Rn. 3 b; Kühl, in: Lackner/ Kühl, Vor § 32, Rn. 11. 249

E. Einordnung des Merkmals „unbefugt‘‘

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lage dieser unklaren Vorgaben des Gesetzgebers wird in der Literatur in Bezug auf die Einordnung des Merkmals der „Unbefugtheit“ neben einer Rechtfertigungslösung auch eine Doppelfunktionslösung vertreten, die das Merkmal „unbefugt“ als Tatbestandselement ansieht und die Tatbestandsverwirklichung verneint, sobald der Abgebildete im Rahmen eines Einverständnisses der fraglichen Bildaufnahme zugestimmt hat.253 In allen übrigen Fällen ist nach der Doppelfunktionslösung dieses Merkmal als ein Element der Rechtswidrigkeit anzusehen, das auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe verweist.254

I. § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB Um der Doppelfunktionslösung in § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB Folge leisten zu können, müsste dem Merkmal der „Unbefugtheit“ in diesem Teil der Sanktionsnorm eine eigenständige Tatbestandsfunktion zukommen. Eine solche Bestimmung kann dem Merkmal „unbefugt“ allerdings nur dann zugeschrieben werden, wenn die durch den Gesetzestext beschriebenen Tathandlungen nicht bereits selbst einen Unrechtskern normieren, da sie eine an sich neutrale Handlung umschreiben.255 Beschreiben nun die Tathandlungen einen eigenständigen Unrechtsakt, kann das fragliche Merkmal der „Unbefugtheit“ nur ein Element der Rechtswidrigkeit sein, da ihm auf Tatbestandsebene keine eigenständige Wirkung zu Teil werden würde.256 Um nun, der Doppelfunktionslösung folgend, in dem Merkmal „unbefugt“ ein Element des Tatbestands sehen zu können, müsste sich die Strafwürdigkeit der Herstellung oder Übertragung einer Bildaufnahme i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB aus dem „unbefugten“ Verhalten des Handelnden, beispielsweise dem Fotografieren einer hilflosen Person ohne deren Zustimmung, ergeben. Das „unbefugte“ Vorgehen des Täters müsste somit die Strafwürdigkeit seiner Handlung nach § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB konstituieren. In § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB ergibt sich das typische Unrecht der Tat allerdings aus der Verwirklichung der sonstigen Tatbestandsmerkmale, die die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch besonders verwerflich anzusehende Bildaufnahmen fordern,257 sodass ein Handeln des Täters gegen den 253 Umfassende Gegenüberstellung und Darstellung der Rechtfertigungslösung und der Doppelfunktionslösung bei Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 125 ff. und bei Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, Rn. 88. 254 Flechsig, ZUM 2004, 605, 612; Bosch, Jura 2016, 1380, 1387; ders., in: Satzger/ Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 23; Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 127; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 79. 255 Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 194 f.; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 111. 256 Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 26. 257 Wieduwilt, K&R 2014, 627, 628; Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 125.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Willen der abgebildeten Person für eine Verwirklichung des typischen Unrechts des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht notwendig ist.258 So handelt es sich bei einem räumlichen Rückzugsbereich, der bei § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB eine notwendige Tatbestandsvoraussetzung darstellt, um einen optisch abgegrenzten Lebensbereich, der aufgrund seiner äußerlich erkennbaren Gegebenheiten eindeutig suggeriert, dass jegliches Eindringen, unabhängig ob in körperlicher oder in optischer Art und Weise, nicht erwünscht ist. Auch das bildliche „Ablichten“ einer Person, die sich in der Öffentlichkeit in einer hilflosen Lage befindet und nicht im Stand ist, ihr äußeres Erscheinungsbild zu kontrollieren oder sich vor Aufnahmen durch Dritte zu schützen, ist mit der Unrechtsverwirklichung bei § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB vergleichbar, da es bei dem Täter ebenfalls zu einer Ignorierung fremder Rechtspositionen kommt, um die eigenen Interessen und die Sensationsgier zu befriedigen. Des Weiteren stellt eine Bildaufnahme, die den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, immer einen Angriff auf deren Persönlichkeitsrechte dar, unabhängig von ihrem im Aufnahmezeitpunkt eingenommenen Aufenthaltsort.259 Der Tatbestandserfolg der „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs“ in § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB grenzt sozialtypische Bildaufnahmen von strafrechtlich relevanten ab.260 Auch besteht bei einer Bildaufnahme, die ein Dritter hergestellt hat, immer die Gefahr, dass die Aufnahme von beliebig vielen Personen betrachtet und weiterverbreitet wird, sodass den Handlungen des § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB ein hohes Gefährdungspotenzial innewohnt und diese Tatbestandsvarianten kein neutrales strafunwürdiges Verhalten beschreiben.261 Um strafwürdiges Unrecht zu verwirklichen, reicht bei § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB die Tatbestandsverwirklichung aus. Der Unrechtsgehalt der Norm wird nicht erst durch ein „unbefugtes“, gegen den Willen des Betroffenen verstoßendes Verhalten konstituiert.262 Ein Handeln gegen den Willen der abgebildeten Person ist für die Tatbestandserfüllung bei § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB nicht nötig. Deren Einwilligung stellt einzig einen Rechtfertigungsgrund dar, wobei das Täterverhalten weiterhin tatbestandsmäßig bleibt.263 Erst durch eine Prüfung der Einwilligungsvoraussetzungen auf Rechtswidrigkeitsebene können im Einzelfall, außerhalb der Grenzen des § 201a Abs. 4 258 Sauren, ZUM 2005, 425, 431; Kühl, AfP 2004, 190, 196; ders., in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 9; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 26. 259 Mitsch, Jura 2006, 117, 118. 260 Vgl. Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 126. 261 Ebenso Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 111 f., die zu dem gleichen Ergebnis für § 201a Abs. 1 StGB a. F. kommt. 262 Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 126. 263 Vgl. Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 113.

E. Einordnung des Merkmals „unbefugt‘‘

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StGB, unrechtsausschließende Gründe gegeben sein, die zu einem Entfallen der abstrakten Strafwürdigkeit des vorgeworfenen Verhaltens führen. Durch dieses Verständnis kann letztlich die Dispositionsfreiheit des Abgebildeten besser geschützt werden.264 Auch kann der Appellfunktion des § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB nur Rechnung getragen werden, wenn auf Tatbestandsebene der Interessenkonflikt zwischen dem Aufnehmenden und dem Abgebildeten positiv festgestellt und nicht von vornherein mittels Zustimmung des Betroffenen bagatellisiert wird.265 Hätte der Gesetzgeber das Merkmal der „Unbefugtheit“ innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes entsprechend der Doppelfunktionslösung verstehen wollen, hätte er die Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses im Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB eindeutig anlegen müssen.266 So ist dies beispielsweise in den §§ 201 Abs. 2 Nr. 1, 202 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB geschehen, die neben dem Merkmal „unbefugt“ noch die Passage „nicht zu seiner Kenntnis bestimmt“ enthalten, die zum Ausdruck bringt, dass ein Einverständnis des Abgehörten oder Ausgespähten zum Tatbestandsausschluss führen soll.267 Im Umkehrschluss kann somit abgeleitet werden, dass das Merkmal „unbefugt“, soweit es mit keinem entsprechenden Zusatz versehen ist, nicht zu einem Tatbestandsausschluss führen soll, sondern einzig im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung deklaratorische Bedeutung hat.268 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Merkmal „unbefugt“ bei § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB analog zu § 201 Abs. 1 StGB den Zweck verfolgt, auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe zu verweisen, von denen die Einwilligung den wohl am häufigsten zur Anwendung kommenden Rechtfertigungsgrund darstellen wird.269 Der Doppelfunktionslösung, die in dem Merkmal „unbefugt“ bei § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB vorrangig ein Tatbestandsmerkmal sieht, kann nicht zugestimmt werden.270 Ein Tatbestandsausschluss kann bei § 201a Abs. 1 Nr. 1–3

264 Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 125. 265 Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 26. Safferling vergleicht die Situation von § 201a Abs. 1 a. F. mit der eines ärztlichen Heileingriffs, der aus Gründen des Opferschutzes immer ein tatbestandsmäßiges Handeln darstellt und im Einzelfall erst durch eine unrechtsausschließende Einwilligung straffrei wird, Safferling, Marburg law review 2008, 36, 42. 266 Vgl. Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 195; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 26. 267 Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201, Rn. 15; Graf, in: MüKo, § 202, Rn. 17. 268 Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 26. Siehe auch Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 126, Fn. 279, der auf die Ausführungen Hoyers erläuternd Bezug nimmt. 269 Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 619; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 71; Gercke/Kraft/Richter, Arbeitsstrafrecht, S. 1165. 270 So im Ergebnis für § 201a Abs. 1 StGB a. F., der § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB zugrunde liegt, auch Gola, RDV 2004, 215, 216; Hoppe, GRUR 2004, 990, 994;

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

StGB einzig unter den besonderen Voraussetzungen der Sozialadäquanzklausel gem. § 201a Abs. 4 StGB271 erreicht werden, jedoch nicht über das Merkmal der „Unbefugtheit“.

II. § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB Gem. § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft, wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Art „wissentlich unbefugt“ einem Dritten zugänglich macht und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Abweichend zu den Tatbestandsvarianten des § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB wird in dieser Variante das Merkmal „unbefugt“ mit dem des „wissentlichen“ Handelns verbunden. Des Weiteren unterscheidet sich diese Tatvariante von den vorherigen darin, dass das Tatobjekt befugt hergestellt worden sein muss. Von einer befugt hergestellten Bildaufnahme kann immer dann ausgegangen werden, wenn in deren Herstellung wirksam eingewilligt worden ist oder sich die Befugnis aus Gesetz oder einem Vertrag erschließen lässt. Mit § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB kommt es im Gegensatz zu den vorherigen Tatbestandsvarianten zu keiner Sanktionierung des optischen Eindringens in den persönlichen Lebensbereich einer anderen Person oder des Verfolgens der eigenen Sensationsgier zu Lasten des Persönlichkeitsrechts anderer. Nr. 4 stellt den Entzug der Dispositionsbefugnis des Betroffenen bzgl. Bildaufnahmen aus seiner engsten Privatsphäre und die damit einhergehende Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch die Zugänglichmachung intimer Abbildungen gegenüber Dritten unter Strafe.272 Mit § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB kommt es auch nicht lediglich zu einer Pönalisierung eines

Kühl, AfP 2004, 190, 196; Schertz, AfP 2005, 421, 425; A. Koch, GA 2005, 589, 602; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 619; Safferling, Marburg law review 2008, 36, 42; Wieduwilt, K&R 2014, 627, 628; Roggenwallner/Herrmann/Jansen, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Rn. 180; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 282; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 438; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 9; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 26; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 26. Trotz kurzer Ausführungen zu dem Merkmal der „Unbefugtheit“ in § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB n. F. zu dem gleichen Ergebnis kommend Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 308; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, Rn. 19; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 607; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 71; ders./Sieber, StV 2015, 312, 317; Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 688; Gercke/Kraft/Richter, Arbeitsstrafrecht, S. 1165; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 130; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 25; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 30. 271 Vgl. die Ausführungen zu § 201a Abs. 4 StGB im 4. Kapitel, B., II. 272 Eisele, JR 2005, 6, 10; Lenckner/ders., in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 19; Safferling, Marburg law review 2008, 36, 41; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 19.

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nachträglichen Vertrauensbruchs durch den Täter.273 Es würde ansonsten an einer Unrechtsverwirklichung in jeglichen Fällen fehlen, in denen es zwischen der abgebildeten Person und dem Handelnden von vornherein an einer Vertrauensbeziehung fehlt. So ist beispielsweise an den Fall zu denken, dass befugt hergestellte Nacktaufnahmen aus dem Haus eines Prominenten gestohlen worden sind und danach von dem Dieb veräußert werden.274 In derartigen Situationen wird gerade kein Vertrauensverhältnis zwischen den Protagonisten bestehen, das durch das nachträgliche Verhalten des Diebes tatsächlich verletzt wird. Der entscheidende Aspekt und dem § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB zugrunde liegende Gedanke ist, dass einer Person auch dann die Dispositionsfreiheit in Bezug auf eine Bildaufnahme zusteht, wenn sie zu deren Herstellung zugestimmt hat. Wird ihr diese Möglichkeit nachträglich durch den Täter entzogen, kommt es zu einer Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. § 201a Abs. 3 StGB a. F., der § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB n. F. zugrunde liegt, sollte zunächst das unbefugte Gebrauchen oder Zugänglichmachen von befugt hergestellten Bildaufnahmen sanktionieren. Das Merkmal „wissentlich“ wurde erstmals in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses im April 2004 benannt und in den Gesetzestext eingefügt.275 In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die „Formulierung „wissentlich unbefugt“ [. . .] so zu verstehen [sei], dass der Begriff „unbefugt“ [dadurch] zu einem Tatbestandsmerkmal werde. Der Täter, der die Aufnahme an einen Dritten unbefugt weitergebe müsse wissen, dass er dieses nicht darf. Eine Strafbarkeit komme somit nur in Betracht, wenn [die Verbreitung der Bildaufnahme] wissentlich geschehe“ 276. Dies bedeutet einerseits, dass für die Verwirklichung des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB direkter Vorsatz, dolus directus 2. Grades, vonnöten ist. Andererseits soll durch das Merkmal „wissentlich“ eindeutig erkennbar gemacht werden, dass es sich bei dem Merkmal der „Unbefugtheit“ in dieser Tatvariante um ein Tatbestandsmerkmal und nicht um ein Element der Rechtswidrigkeitsebene handeln soll. Zwar ist es auch denkbar, das Merkmal der „Wissentlichkeit“ der subjektiven Rechtswidrigkeitsebene zuzuordnen und als „negativ“ subjektives Rechtfertigungselement zu qualifizieren, allerdings ist dies dogmatisch nur dann möglich, wenn die Lehre der negativen Tatbestandsmerkmale als „Verbrechensaufbau“ der Prüfung des § 201a StGB zugrunde gelegt wird, da diese Theorie neben einem Gesamt-

273 A. A. Borgmann, NJW 2004, 2133, 2135; A. Koch, GA 2005, 589, 602; Obert/ Gottschalck, ZUM 2005, 436, 439; Bosch, JZ 2005, 377, 381; ders., Jura 2016, 1380, 1381; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 29, Rn. 85; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 280; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 17; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 62; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 27; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 19. 274 Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 620. 275 Vgl. BT-Drucks. 15/2995, S. 4. 276 BT-Drucks. 15/2995, S. 4.

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unrechtstatbestand auch von einem Gesamtunrechtsvorsatz ausgeht.277 § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB hätte dann jedoch als einzige Norm des StGB besondere subjektive Anforderungen auf Rechtfertigungsebene.278 Nach herkömmlichem Verständnis des allgemeinen dreistufigen Deliktsaufbaus kann das Merkmal „unbefugt“ aufgrund der Verbindung mit dem eindeutigen Vorsatzelement der Wissentlichkeit jedoch nur dem Tatbestand zugeordnet werden. Neben der Gesetzesbegründung und dem Merkmal „wissentlich“ deutet auch der übrige Gesetzeswortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB darauf hin, dass das Merkmal „unbefugt“ bei dieser Normvariante der Tatbestandsebene zuzuordnen ist. Denkt man sich das Merkmal „unbefugt“ aus dem Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB hinweg, wird mit dem Passus „wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Art wissentlich [. . .] einer dritten Person zugänglich macht“ ein sozialadäquates, kein Unrecht verwirklichendes Verhalten beschrieben.279 Die Weitergabe von befugt hergestellten Bildaufnahmen – unabhängig ihres Bildinhalts – stellt erst dann einen strafwürdigen Unrechtsakt dar, wenn die Verbreitung gegen oder ohne den Willen der abgebildeten Person passiert und dadurch deren höchstpersönlicher Lebensbereich verletzt wird.280 Auch ohne den Zusatz der „Wissentlichkeit“ ist das Merkmal „unbefugt“ in § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB eindeutig als ein Element des Tatbestandes zu verstehen, da ansonsten kein unrechtsbegründendes Verhalten durch den Gesetzeswortlaut beschrieben würde. Auf Grundlage dieser Erwägungen ergibt sich durch die Zuordnung des Merkmals der „Unbefugtheit“ als ein Element des Tatbestands281 in § 201a Abs. 1 277

Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 620. Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 134; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 126. 279 Vgl. Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 131; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 197. 280 Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 197; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, Rn. 19; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 28. 281 Zu dem gleichen Ergebnis für den zugrundeliegenden § 201a Abs. 3 StGB a. F. kommen auch Bosch, JZ 2005, 377, 381; A. Koch, GA 2005, 589, 602; Heuchemer/ Paul, JA 2006, 616, 620; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436, 439; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 197; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 280; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 438; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 28; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 8; ders., AfP 2004, 190, 196. In Bezug zu § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB ebenso Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 317; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, Rn. 19; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 609; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 25; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 30; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 26. Eine a. A. vertreten Hoppe, GRUR 2004, 990, 994; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 125; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 41, die in dem Merkmal „unbefugt“ in § 201a Abs. 3 a. F./§ 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB einen der Rechtswidrigkeitsebene zuzuordnenden Begriff sehen. 278

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Nr. 4 StGB auch kein „Bruch im System“ 282, da dieses Merkmal bereits sachlich anders als die „Unbefugtheit“ in § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB einzuordnen und zu verstehen ist.283 Anders als in § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 wirkt dieses Merkmal in Nr. 4 unrechtsbegründend, da sich das typische Unrecht der Tatalternative erst aus dem Fehlen der Zustimmung des Abgebildeten ergibt und nicht schon aus der Verwirklichung der sonstigen Tatbestandsmerkmale.

III. § 201a Abs. 2 StGB Anders als in § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB bezieht sich das Merkmal „unbefugt“ in Absatz 2 nicht auf die tatsächlichen Herstellungsmodalitäten, sondern angelehnt an die Formulierung in § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB auf die Verbreitungshandlung der reputationsgefährdenden Bildaufnahmen in Form des Zugänglichmachens gegenüber Dritten. So sind für diese Tatvariante die konkreten Entstehungsmodalitäten unbeachtlich, soweit die Weitergabe „unbefugt“ geschehen ist. Fraglich erscheint nun, ob das Merkmal der „Unbefugtheit“ in § 201a Abs. 2 StGB ein Element der Rechtswidrigkeit darstellt oder – angelehnt an § 201a Abs. 1 Nr. 4 – ebenfalls die Funktion eines Tatbestandselements hat. Der Gesetzgeber führt in seiner Begründung zum 49. StÄG aus, dass bei bloßstellenden Bildaufnahmen der höchstpersönliche Lebensbereich immer als verletzt anzusehen ist, wenn der Täter ohne Befugnis, „insbesondere ohne Einwilligung des Abgebildeten“, eine Bildaufnahme Dritten zugänglich macht.284 Anders als in der Begründung zum 36. StÄG verwendet der Gesetzgeber nicht den Terminus des „Einverständnisses“ in Bezug auf das Merkmal der „Unbefugtheit“, auf den sich die Anhänger der Doppelfunktionslösung bei ihrer Argumentation stützen, sondern den der Rechtfertigungsebene zugeordneten Begriff der „Einwilligung“. Des Weiteren kann aus der Formulierung dieser Passage und der Verwendung des Wortes „insbesondere“ geschlossen werden, dass auch andere Rechtfertigungsgründe zu einem befugten Handeln führen können, da die Einwilligung nur exemplarisch genannt wird. Fraglich erscheint jedoch, ob nicht die Zuordnung des Merkmals der „Unbefugtheit“ in § 201a Abs. 2 StGB zur Rechtswidrigkeitsebene zu dem für § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB gefundenen Ergebnis im Widerspruch steht, da beide Tatbestandsvarianten die ohne Zustimmung vorgenommene Weitergabe einer Bildaufnahme sanktionieren. Anders als bei § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB ergibt sich der Unrechtskern bei § 201a Abs. 2 StGB nicht aus einem Handeln gegen den Wil282

Eisele, JR 2005, 6, 10. Kühl, AfP 2004, 190, 196; ders., in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 8. Weiter Ausführungen zu den Anforderungen an einen Systembruch im Strafrecht mit konkretem Bezug zu § 201a StGB a. F. bei Kunze, Das Merkmal „unbefugt“ in den Strafnormen des Besonderen Teils des StGB, S. 132 f. 284 Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 283

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len der abgebildeten Person, sondern vergleichbar mit § 201a Abs. 1 Nr. 1–3 StGB direkt aus der Erfüllung der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen: der Weitergabe einer Bildaufnahme, die geeignet sein muss, das Ansehen der betroffenen Person zu gefährden. So sollte mit § 201a Abs. 2 StGB ein Signal gegen Cybermobbing und den Online-Enthemmungseffekt285 geschaffen und der Einzelne vor der Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen strafrechtlich geschützt werden.286 Das Zugänglichmachen von Bildaufnahmen gegenüber Dritten, die geeignet sind, das Ansehen der abgebildeten Person zu gefährden, stellt regelmäßig einen Unrechtsakt dar, weil der Täter Aufnahmen einer anderen Person verbreitet, die geeignet sind, diese zu diffamieren und lächerlich zu machen. § 201a Abs. 2 StGB beschreibt einen eigenständigen Unrechtsakt und nicht wie § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB ein an sich neutrales Verhalten, das erst durch ein Handeln gegen den Willen der abgebildeten Person Strafwürdigkeit erlangt. Das „unbefugte“ Verhalten des Täters konstituiert in § 201a Abs. 2 StGB nicht das Strafbedürfnis der Handlung. Daneben stellt der Tatbestand – anders als § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB – auch keine besonderen Anforderungen an den Vorsatz des Täters. Das Merkmal der „Unbefugtheit“ ist in § 201a Abs. 2 StGB als deklaratorischer Verweis auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe zu verstehen.287 Ein gegenüber § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB abweichendes Verständnis des Merkmals stellt keinen Systembruch dar, da diese Begrifflichkeit, wie aufgezeigt, innerhalb dieser Tatbestandsvariante sachlich anders einzuordnen ist.

IV. Exkurs: § 201a Abs. 3 StGB Enthielt der Entwurf der CDU/CSU- und SPD-Fraktion zur Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes noch die Passage „ebenso wird bestraft, wer [. . .] unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person herstellt“ 288, wurde das Merkmal „unbefugt“ im letzten Moment des Gesetzgebungsverfahrens zum 49. StÄG aus dem Gesetzesentwurf zu § 201a Abs. 3 StGB n. F. gestrichen. Diese Entwurfsabänderung wurde einerseits damit begründet, dass das Merkmal der „Unbefugtheit“ in Absatz 3 einzig als deklaratorischer Hinweis auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe zu verstehen gewesen wäre,

285 Unter dem Begriff des „Online-Enthemmungseffekts“ wird das Phänomen zusammengefasst, dass auf Grundlage der vermeintlichen Anonymität des Internets, der damit einhergehenden niedrigeren Hemmschwelle sich zu einer Thematik zu äußern und der fehlenden sozialen Kontrolle, von den Nutzern weitaus mehr beleidigende und erniedrigende Texte sowie Bilder über dieses Medium veröffentlicht werden als in der realen Welt, vgl. auch BT-Drucks. 18/2601, S. 36. 286 BT-Drucks. 18/2601, S. 36 f. 287 Ebenso Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 317; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 30. 288 BT-Drucks. 18/2601, S. 10.

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dies allerdings nicht vonnöten sei, da das Fehlen dieses Merkmals den Normalfall im Besonderen Teil des StGB darstelle. Andererseits damit, dass eine Rechtfertigung von Handlungsweisen, die unter § 201a Abs. 3 StGB subsumiert werden können, sowieso nicht naheläge.289 Die Frage, die sich aus diesem Begründungsansatz ergibt, ist, ob Bildaufnahmen, die die Nacktheit eines Minderjährigen zum Bildgegenstand haben, tatsächlich nicht zu rechtfertigen sind, bzw. was die rechtlichen Anforderungen an eine gegebenenfalls doch bestehende Rechtfertigungsmöglichkeit sind. Im Folgenden soll auf die rechtfertigende Einwilligung im Verhältnis zu § 201a Abs. 3 StGB geblickt werden, die im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes den Hauptrechtfertigungsgrund beschreibt. Die rechtfertigende Einwilligung ist als Ausprägung des römischen Grundsatzes „volenti non fit iniuria“ 290 zu verstehen. Durch dessen Übertragung in das deutsche Recht sollte vor allem zum Ausdruck gebracht werden, dass die individuelle Entscheidung eines Rechtsgutsträgeres, auf seinen strafrechtlichen Rechtsgüterschutz zu verzichten, von der Rechtsordnung zu respektieren ist.291 Um wirksam in die Tatvarianten des § 201a Abs. 3 StGB einwilligen zu können, müsste es sich zunächst bei dessen geschützten Rechtsgut um eine disponible Rechtsposition handeln. Die Disponibilität beschreibt die Berechtigung jedes Einzelnen zur Einwilligung in eine Rechtsgutsverletzung und ist bei jeder Art von Individualrechtsgütern, ausgenommen des Lebens, zu bejahen.292 Anders als die §§ 184 b, 184 c StGB, denen das Universalrechtsgut des Jugendschutzes zugrunde liegt,293 schützt § 201a Abs. 3 StGB trotz seiner vermeintlichen Nähe zu den Pornografietatbeständen294 kein Universalrechtsgut, sondern die Individualrechtsgüter des höchstpersönlichen Lebensbereichs sowie des allgemeinen Per289

BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 25; Plenarprotokoll 18/67, S. 6342. „Dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht“. 291 Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 156; Jansen, Forschung an Einwilligungsfähigen, S. 36. 292 Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 23, Rn. 9; Stief, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht, S. 14; Steiner, Die religiös motivierte Knabenbeschneidung im Lichte des Strafrechts, S. 115; Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 168; Fischer, in: Fischer, Vor § 32, Rn. 3 c; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff., Rn. 37. 293 Heger, in: Lackner/Kühl, § 184 b, Rn. 1. 294 So weisen Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 317 darauf hin, dass eine Einwilligung in die §§ 184 b, 184 c StGB nicht möglich ist, diese Beschränkung allerdings nicht auf § 201a Abs. 3 StGB übertragen werden kann. So ist es für den strafrechtlichen Bildnisschutz gerade nicht vonnöten, dass die infrage stehende Aufnahme einen sexuellen Bildinhalt aufweist, sodass entsprechende Aufnahmen gerade nur den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person, nicht jedoch das Universalrechtsgut des Jugendschutzes verletzen. Vgl. auch Jahn/Ziemann, in: Albrecht, Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag, 227, 235, die davor warnen, § 201a Abs. 3 StGB in Zusammenhang mit dem Pornografiestrafrecht zu sehen. 290

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sönlichkeitsrechts,295 die einer Einwilligung nicht bereits von vornherein entzogen sind. Eine wirksame Einwilligung kann in die entgeltliche Herstellung oder das entgeltliche Verschaffen von Bildaufnahmen i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB nur dann bejaht werden, wenn ein Minderjähriger als Rechtsgutsträger auch einwilligungsfähig ist. Die Einwilligungsfähigkeit wird als Fähigkeit des Rechtsgutsinhabers verstanden, hinsichtlich des Verzichts auf den Rechtsgüterschutz selbstbestimmt zu agieren und die Folgen des eigenen Handelns abschätzen zu können.296 1. Einwilligungsfähigkeit eines Minderjährigen in die Herstellung und Verbreitung von Nacktaufnahmen Anders als bei Erwachsenen, muss bei einem Minderjährigen, der in eine Rechtsgutsverletzung wirksam einwilligen möchte, dessen Einwilligungsfähigkeit positiv festgestellt werden.297 Der Gesetzgeber hat jedoch unterlassen, konkrete gesetzliche Vorgaben für die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit zu schaffen, so wie er dies beispielsweise im Rahmen der Geschäftsfähigkeit in den §§ 104 ff. BGB oder für die Strafmündigkeit in § 19 StGB mit starren Altersgrenzen getan hat.298 Diese gesetzlich geregelten Altersvorgaben können auch nicht auf die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit im strafrechtlichen Sinne übertragen werden. So hat der BGH bereits 1958 in einem Grundsatzurteil entschieden, dass eine Einwilligung als vorherige Zustimmung zu einer Rechtsgutsverletzung keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern eine Willensäußerung des Rechtsgutsträgers darstellt, auf welche die §§ 104 ff. BGB keine Anwendung finden.299 Zu dem gleichen Ergebnis muss man auch mit Blick auf § 19 StGB kommen. Während § 19 StGB die Altersgrenze regelt, ab wann ein Minderjähriger strafmündig 295 Laut Gesetzesbegründung ist davon auszugehen, dass Nacktaufnahmen von Minderjährigen immer deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzen, sodass die Aufnahme dieses Merkmals in den Wortlaut des § 201a Abs. 3 StGB nicht notwendig gewesen sei, vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. Diese Ansicht erscheint bzgl. der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs richtig, dennoch wäre es mit Blick auf die Klarheit und Systematik der Norm angemessen gewesen, das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ als notwendigen Verletzungserfolg in den Wortlaut des § 201a Abs. 3 StGB aufzunehmen. 296 Steiner, Die religiös motivierte Knabenbeschneidung im Lichte des Strafrechts, S. 116; Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 241; Fischer, in: Fischer, Vor § 32, Rn. 3 c. 297 Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 241; m.w. N. Steiner, Die religiös motivierte Knabenbeschneidung im Lichte des Strafrechts, S. 121. 298 Hennig, Tattoos, Piercings, Schönheitsoperationen, S. 64; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 23, Rn. 15; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 554. 299 BGH, 5.12.1958 – VI ZR 266/57, BGHZ 29, 33, 36.

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ist, bezieht sich die Frage der Einwilligungsfähigkeit darauf, ab wann ein Minderjähriger in der Lage ist, den Wert der eigenen Rechtsgüter im Verhältnis zu einem möglichen Eingriff richtig einzuschätzen, bevor er diese aufopfert.300 Die Preisgabe eigener Rechtsgüter stellt keine Unrechtsverwirklichung dar, sodass die Einsicht, Unrecht verwirklicht zu haben, in den Fällen der Einwilligung keinerlei Bedeutung hat.301 Die Einwilligungs- und Schuldfähigkeit einer minderjährigen Person stehen in keiner Wechselbeziehung zueinander.302 Die Fähigkeit, den Wert der eigenen Rechtsposition richtig einschätzen zu können, wie auch die teilweise weitreichenden Auswirkungen eines Verzichts des Rechtsgüterschutzes, kann nicht an Hand einer starren Altersgrenze beurteilt werden, sondern hängt von dem individuellen Reifegrad des betroffenen Minderjährigen ab.303 Entscheidend für die Bejahung der Einwilligungsfähigkeit eines minderjährigen Rechtsgutsträgers ist nach allgemein vertretener Ansicht dessen natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit.304 Ausschlaggebend für die Beurteilung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit und somit für die Bejahung der Einwilligungsfähigkeit eines Minderjährigen ist, ob dieser nach seiner geistigen und sittlichen Reife in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite des fraglichen Eingriffs zu erfassen und die Auswirkungen seines Handelns abzuschätzen.305 Gerade in der Pubertät ist der Reifegrad, den Jugendliche gleichen Alters aufweisen können, individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt,306 sodass dieser eben nicht allgemeingültig an Hand von starren Altersgrenzen307, schulischen Leistungen oder ähnlich abstrak300 Amelung, ZStW 104, 525; Jansen, Forschung an Einwilligungsfähigen, S. 41; Odenwald, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht unter besonderer Hervorhebung ärztlichen Handelns, S. 33; Stief, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht, S. 60. 301 Jansen, Forschung an Einwilligungsfähigen, S. 41. 302 Odenwald, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht unter besonderer Hervorhebung ärztlichen Handelns, S. 35. So im Ergebnis auch Stief, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht, S. 79, der anschließend auf den S. 81 ff. ein eigenes Beurteilungsmodell für die Einwilligungsfähigkeit entwickelt. 303 Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 240 f.; Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 47. 304 Amelung, ZStW 104, 525, 542; Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 171; Stief, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht, S. 51; Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 45; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 55. Eine eigene Definition hat Odenwald entwickelt, nachdem er die Kriterien der herrschenden Lehre zur Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit umfassend kritisch beleuchtet hat (S. 39 ff.), Odenwald, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht unter besonderer Hervorhebung ärztlichen Handelns, S. 46. 305 BGH, 5.12.1958 – VI ZR 266/57, BGHZ 29, 33, 36; Lesch, NJW 1989, 2309; Hennig, Tattoos, Piercings, Schönheitsoperationen, S. 64; Steiner, Die religiös motivierte Knabenbeschneidung im Lichte des Strafrechts, S. 123; Amelung, ZStW 104, 525, 542; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff. Rn. 40; Paeffgen, in: Nomos Kommentar, § 228, Rn. 15. 306 Hennig, Tattoos, Piercings, Schönheitsoperationen, S. 64. 307 Im Ergebnis wie Odenwald, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht unter besonderer Hervorhebung ärztlichen Handelns, S. 26, der die Anwendbarkeit der §§ 104 ff.

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ten Kriterien bestimmt werden kann. Vor allem in den Bereichen Sexualität und Nacktheit muss die Einsichts- und Urteilsfähigkeit eines Minderjährigen auf Grundlage individueller Betrachtungen beurteilt werden. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass ein Jugendlicher umso eher die Einsichts- und Urteilsfähigkeit in Bezug zu einer Rechtsgutsgefährdung besitzt, je älter er ist und umso näher seine Volljährigkeit rückt.308 Dennoch ist die Einwilligungsfähigkeit auch bei einem 17-Jährigen noch auf Grundlage einer Einzelfallbetrachtung zu bewerten, da sein Alter einzig als Orientierungspunkt mit indizieller Wirkung in die Beurteilung miteinbezogen werden darf. Neben dem Alter als Indiz für die Einwilligungsfähigkeit ist für die Bestimmung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit auch auf die tatsächlichen Eingriffsmodalitäten, wie Schwere, Komplexität und Folgen der Rechtsgutsverletzung und des Täterverhaltens zu blicken.309 Als Faustformel ist festzuhalten, dass je schwerer und komplexer ein Eingriff in die geschützten Rechtsgüter ist, der Minderjährige umso weniger in der Lage sein wird, den Eingriff und dessen Konsequenzen umfassend zu überblicken.310 Der einwilligende Minderjährige muss in der Lage sein, den mit dem Eingriff in eigene Rechtspositionen zu erwartenden Nutzen an Hand der eigenen Wertmaßstäbe umfassend bewerten zu können und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen.311 Handelt es sich um eine geringe Rechtsgutsbeeinträchtigung, sind die Anforderungen an die Einwilligungsfähigkeit zu senken.312 Wendet man dieses Begriffsverständnis nun auf die von § 201a Abs. 3 StGB normierten Fälle an, wird man zu einem abgestuften Ergebnis in Bezug auf die Einsichtsfähigkeit minderjähriger Rechtsgutsträger kommen. Einem Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird es im Regelfall immer an der Einsichts- und Urteilsfähigkeit bzgl. des Zwecks und der Folgen von Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug, die für den entgeltlichen Erwerb oder Vertrieb hergestellt worden sind, fehlen.313 Minderjährige, die noch unter 14 Jahre alt sind, werden in ihrer kindlichen Naivität nicht absehen können, zu welchen Zwecken Nacktaufnahmen von Erwachsenen hergestellt oder erworben werden. Sie erkenBGB als Kriterium für die Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit ablehnt, da mit diesen „den Besonderheiten des Einzelfalls nicht ausreichend Rechnung“ getragen werden kann. 308 Ebenso Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 45 f.; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 23, Rn. 16. 309 Amelung, ZStW 104, 525, 536; Jansen, Forschung an Einwilligungsfähigen, S. 42; Paeffgen, in: Nomos Kommentar, § 228, Rn. 15. 310 Steiner, Die religiös motivierte Knabenbeschneidung im Lichte des Strafrechts, S. 128; Jansen, Forschung an Einwilligungsfähigen, S. 42. 311 Jansen, Forschung an Einwilligungsfähigen, S. 45. 312 Amelung, ZStW 104, 821, 833; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff., Rn. 40. 313 So im Ergebnis auch Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 317.

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nen nicht, dass sie und ihr Erscheinungsbild auf Grundlage dieser Aufnahmen zu einer Ware objektiviert werden. Die Auswirkungen, die von Nacktaufnahmen ausgehen, sind auch über den Aspekt des Handels hinaus nicht zu unterschätzen und werden von jungen Kindern nicht überblickt. Neben dem sozialen Diskriminierungspotential, das entsprechenden Bildaufnahmen auch ohne Sexualbezug bereits innewohnt, ist auch an die erheblichen Nachteile und Unannehmlichkeiten zu denken, die Bildaufnahmen i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB für den Abgebildeten noch Jahre nach ihrer Herstellung mit sich bringen können. Entsprechende Aufnahmen können auch nach langer Zeit noch zu einer völligen Veränderung der Persönlichkeitsstruktur der abgebildeten Person führen, da die Betroffenen der ständigen Angst ausgesetzt sind, dass diese Aufnahmen plötzlich „wiederauftauchen“ und sich negativ auf deren aktuelle Lebenssituation auswirken könnten. Jugendliche, die 15 Jahre oder älter sind, werden im Einzelfall bereits eher in der Lage sein, diese Auswirkungen absehen und einschätzen zu können, da sie größtenteils mehr Erfahrung mit sozialen Kommunikationsmitteln, dem Internet und Sexualität im Allgemeinen haben.314 Allerdings sollte keine generalisierende Aussage über deren Einwilligungsfähigkeit im Verhältnis zu § 201a Abs. 3 StGB getroffen werden. Dennoch wird dies der frühestmögliche Zeitpunkt sein, ab dem die Einwilligungsfähigkeit eines Minderjährigen in Bezug auf § 201a Abs. 3 StGB bejaht werden kann. Im Einzelfall ist darauf zu achten, welche Kenntnisse der betroffene Jugendliche hinsichtlich moderner Kommunikationsmittel erworben hat und wie weit seine Persönlichkeitsentwicklung fortgeschritten ist. Es wird zwischen den 14- bis 16-Jährigen noch eine Vielzahl von Jugendlichen geben, die die Auswirkungen von Nacktaufnahmen auf ihre aktuelle Lebenssituation sowie ihren späteren Lebensweg nicht einschätzen können und die Gefahr, die von perpetuierten Nacktaufnahmen ausgeht, nicht umfassend und ausreichend wahrnehmen. Im zunehmenden Alter werden Jugendliche allerdings nach und nach in der Lage sein, die Folgen entsprechender Aufnahmen bewerten zu können und somit wirksam in die Herstellung von Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug einwilligen können. So ist neben Jugendlichen, die kurz vor der Volljährigkeit stehen, auch an Minderjährige zu denken, die im Rahmen schulischer Veranstaltungen über die Gefahren des Internets und der bildlichen Darstellung von Nacktheit aufgeklärt worden sind. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es im Einzelfall grundsätzlich möglich erscheint, dass ein Minderjähriger mit Blick auf § 201a Abs. 3 StGB einwilligungsfähig ist und in die Herstellung von Nacktaufnahmen ohne Sexualbezug zum entgeltlichen Handel wirksam einwilligen kann, auch wenn dies nicht der Geschehensablauf ist, den der Gesetzgeber bei Inkrafttreten des 49. StÄG vor Augen gehabt hat.315 314 315

Ebenso Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 86. Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

2. Einwilligung der Eltern in die Herstellung und Verbreitung von Nacktaufnahmen ihres minderjährigen Kindes Einwilligungsberechtigt ist regelmäßig die Person, in deren Rechtsgut eingegriffen wird. Fehlt es allerdings dieser an der Einwilligungsfähigkeit, sind andere Personen für diese einwilligungsberechtigt.316 Grundlage für die Einwilligungsberechtigung in ein fremdes Rechtsgut kann eine gesetzliche Vertretungsbefugnis, beispielsweise die elterliche Sorge gem. § 1626 Abs. 1 BGB, die Vormundschaft gem. §§ 1773 Abs. 1, 1793 Abs. 1 BGB oder die Betreuung gem. §§ 1896, 1901 BGB sein.317 Bei minderjährigen Rechtsgutsträgern, denen es an der Einsichts- und Urteilsfähigkeit im konkreten Einzelfall fehlt und die somit nicht einwilligungsfähig sind, wird regelmäßig auf den Willen der Eltern als gesetzliche Vertreter abzustellen sein.318 Die Wahrnehmung dieses Entscheidungsrechts durch die Eltern ist ein Aspekt der Personensorge, die diesen gem. § 1626 Abs. 1 BGB zugeordnet ist.319 Die Eltern eines Minderjährigen können allerdings nicht komplett frei entscheiden, ob sie den Rechtsgüterschutz ihres minderjährigen Kindes aufgeben wollen. Vielmehr müssen sie ihre Entscheidung an dem Merkmal des Kindeswohls ausrichten, dessen Definitionsrecht allerdings zu weiten Teilen ihnen zusteht.320 Das Kindeswohl ist von den Eltern auf Grundlage des Art. 6 Abs. 2 GG individuell im Rahmen ihres Elternrechts zu bestimmen321 und stellt die inhaltliche Grenze des elterlichen Erziehungsrechts dar. Ist das elterliche Verhalten im Einzelfall als eine Überschreitung oder ein Missbrauch des elterlichen Erziehungsrechts und des Personensorgerechts zu qualifizieren, ist ihre Einwilligung unwirksam. Dem Kind wird dann trotz vermeintlicher Aufgabe des Rechtsgüterschutzes durch dessen gesetzliche Vertreter eine umfassende strafrechtliche Sicherung der eigenen Rechtspositionen zuteil.322 Wie bereits aufgezeigt wird es bei einem Großteil der Situationen, die unter § 201a Abs. 3 StGB zu fassen sind, der Normalfall sein, dass es dem betroffenen Minderjährigen an der Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt und somit auf dessen Eltern als gesetzliche Vertreter im Rahmen der Einwilligungsprüfung abzustellen ist. Eine wirksame Einwilligung in entsprechende Bildaufnahmen durch die El-

316 Roggenwallner/Herrmann/Jansen, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Rn. 183; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff., Rn. 41; Paeffgen, in: Nomos Kommentar, § 228, Rn. 17. 317 Vgl. Jansen, Forschung an Einwilligungsfähigen, S. 273, die ausführlich die Voraussetzungen einer gesetzlichen Vertretung im Rahmen der rechtfertigenden Einwilligung im Verhältnis zu einem ärztlichen Heileingriff darstellt. 318 Schlehofer, in: MüKo, Vor §§ 32 ff., Rn. 164. 319 Sturm, Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, S. 27. 320 Sturm, Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, S. 28. 321 Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 254. 322 Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff., Rn. 41 c.

E. Einordnung des Merkmals „unbefugt‘‘

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tern des abgebildeten Minderjährigen ist jedoch nur soweit möglich, wie die Aufgabe des Rechtsgüterschutzes kein missbräuchliches Verhalten darstellt.323 Ein missbräuchliches Verhalten der Eltern kann mit Blick auf den Schutzzweck des § 201a Abs. 3 StGB z. B. dann bejaht werden, wenn die Eltern selbst die Nacktaufnahmen ihrer Kinder herstellen, um diese gewinnbringend zu veräußern.324 Ebenfalls stellt es ein missbräuchliches Verhalten der Eltern dar, wenn diese ihr Kind einem Dritten gegen ein Entgelt „zur Verfügung“ stellen, damit dieser Nacktaufnahmen für den kommerziellen Handel herstellen kann. In derartigen Situationen agieren die Eltern nicht mit Blick auf das Kindeswohl, sondern stellen ihre eigenen Vermögensinteressen und Bedürfnisse vor die ihres Kindes und setzen dieses der Gefahr einer langwierigen oder sogar dauerhaften psychischen Belastung aus. Des Weiteren nehmen sie die mögliche Degradierung ihres Kindes zum sexuellen Lustobjekt und dessen Objektivierung zu einer Ware in Kauf. Entsprechendes Verhalten ist mit den Aspekten des Kindeswohls nicht vereinbar, sodass einer elterlichen Einwilligung in derartige Bildaufnahmen keine rechtfertigende Wirkung innewohnt. Ein missbräuchliches Verhalten der Eltern kann allerdings nicht bejaht werden, wenn diese im Rahmen einer Auftragsfotografie von ihrem Kind für den privaten Eigengebrauch Bildaufnahmen anfertigen lassen, die die Voraussetzungen des § 201a Abs. 3 StGB erfüllen. So ist beispielsweise an Eltern zu denken, die ihr Baby nackt auf einem Schaffell liegend von einem professionellen Fotografen abbilden lassen, um die entstandenen Aufnahmen in der eigenen Wohnung aufzustellen oder sie Familienmitgliedern zu zeigen. 3. Rechtlicher Umgang mit einer elterlichen Einwilligung in Nacktaufnahmen des eigenen Kindes trotz Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen Problematisch erscheint in doppelter Hinsicht jedoch die Frage, wie mit einer elterlichen Zustimmung zu einem Rechtsgutseingriff umzugehen ist, wenn die Einwilligungsfähigkeit eines minderjährigen Rechtsgutsträgers bereits positiv festgestellt worden ist. So ist einerseits fraglich, ob die elterliche Zustimmung zu der Herstellung von Nacktaufnahmen für eine rechtfertigende Einwilligung notwendig ist, wenn der einwilligungsfähige Minderjährige bereits mit einer entsprechenden Bildaufnahme einverstanden ist. Anderseits erscheint der Umgang mit Konstellationen problematisch, bei denen die Eltern, nicht jedoch das minderjährige einwilligungsfähige Kind in Bildaufnahmen i. S. v. § 201a Abs. 3 StGB eingewilligt haben. 323 Sturm, Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, S. 28; Lenckner/SternbergLieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff., Rn. 41 c. 324 Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 318.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

So wird von der älteren Rechtsprechung teilweise vertreten, dass in dem erstgenannten Fall für einen Rechtsschutzverzicht neben der Zustimmung des einwilligungsfähigen Minderjährigen die zusätzliche Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern immer vonnöten sei, da die isolierte Zustimmung eines Kindes oder Jugendlichen unabhängig von der positiven Bewertung seiner Einsichts- und Urteilsfähigkeit für eine rechtfertigende Einwilligung nicht ausreichend erscheine.325 Mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht, das jedem Minderjährigen ebenfalls zusteht326 und das von den Eltern gem. § 1626 Abs. 2 BGB der Entwicklung des Kindes entsprechend bei der Personensorge zu berücksichtigen ist, kann einer derart strikten Ansicht jedoch nicht Folge geleistet werden.327 Die elterliche Allzuständigkeit für ein minderjähriges Kind endet hinsichtlich der rechtfertigenden Einwilligung, sobald die Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen positiv feststellbar ist.328 Die Entwicklung eines Minderjährigen zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit ist von der Rechtsordnung und den Eltern in ihrem eigenem Verhalten zu berücksichtigen wie auch zu respektieren. Kann die Einwilligungsfähigkeit bei einem Minderjährigen aufgrund einer umfassenden Einsichts- und Urteilsfähigkeit bejaht werden, ist dieser mit Blick auf die Einwilligungsfähigkeit als autonom anzusehen. Es ist kein Grund ersichtlich, die Wirksamkeit einer rechtfertigenden Zustimmung von einem weiteren Entscheidungsgremium abhängig zu machen. Auch im Bereich des strafrechtlichen Schutzes von höchstpersönlichen Rechtsgütern muss es Minderjährigen ab einem gewissen Zeitpunkt möglich sein, eigenverantwortlich und frei von der elterlichen Überzeugung, über den eigenen Rechtsgüterschutz disponieren zu können. Mit Blick auf § 201a Abs. 3 StGB ist dieser Ansicht ebenfalls Folge zu leisten. Es wäre mit dem Schutzzweck des strafrechtlichen Bildnisschutzes, der neben dem höchstpersönlichen Lebensbereich auch das Recht am eigenen Bild und das damit einhergehende Selbstbestimmungsrecht umfasst, nicht vereinbar, einem einwilligungsfähigen Minderjährigen die Möglichkeit zu entziehen, frei darüber entscheiden zu können, wie und zu welchen Zwecken er sein Erscheinungsbild visuell perpetuieren möchte und Außenstehenden Einblicke in seinen höchstpersönlichen Lebensbereich gewähren will. Des Weiteren bilden Nacktaufnahmen einen höchstpersönlichen Bereich des Lebens ab, über den Minderjährige, ihrem 325 So BGH, 16.11.1971 – VI ZR 76/70, NJW 1972, 335, 337. Ein umfassende Darstellung des Kompetenzkonfliktes bei positiv festgestellter Einwilligungsfähigkeit eines minderjährigen Rechtsgutsträgers bei Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 249 ff. 326 BVerfG, 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 324/09, BVerfGE 133, 59, 73. 327 Wagner, Die Schönheitsoperation im Strafrecht, S. 251; Hennig, Tattoos, Piercings, Schönheitsoperationen, S. 67; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff., Rn. 42. 328 Hennig, Tattoos, Piercings, Schönheitsoperationen, S. 67; Sturm, Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, S. 27; Schlehofer, in: MüKo, Vor §§ 32 ff., Rn. 165; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff., Rn. 42.

E. Einordnung des Merkmals „unbefugt‘‘

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Reifegrad entsprechend, selbstbestimmt und eigenverantwortlich verfügen können müssen. Die fortschreitende Entwicklung eines Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen Person ist von seinen Eltern zu achten und zu respektieren, sodass diesen nicht die Möglichkeit gegeben werden darf, das Verhalten des Kindes nach ihren eigenen Vorstellungen bis zur Volljährigkeit komplett zu bestimmen. Wird im konkreten Einzelfall die Einwilligungsfähigkeit eines Minderjährigen in Bezug zu der entgeltlichen Herstellung von Nacktaufnahmen durch einen Dritten positiv festgestellt, ist eine weitere Zustimmung durch die Eltern für eine rechtfertigende Einwilligung in entsprechende Verhaltensweisen nicht notwendig. Auf Grundlage dieser Überlegungen ist der umgekehrte Fall in vergleichbarer Weise zu lösen. Willigen Eltern in die Herstellung von Nacktaufnahmen ihres Kindes ein, ohne dass ein Verstoß gegen das Kindeswohl vorliegt, erlangt die elterliche Zustimmung dennoch keine Wirksamkeit, wenn der einwilligungsfähige minderjährige Rechtsgutsträger dem Rechtsgutsverzicht widersprochen oder keine entsprechende Erklärung erteilt hat. Von den Eltern ist ein entgegenstehender Wille des eigenen Kindes zu akzeptieren und zu respektieren.329 Die elterliche Zuständigkeit gegenüber dem minderjährigen Kind endet im Rahmen der rechtfertigenden Einwilligung, sobald der Minderjährige mit Blick auf die Einsichts- und Urteilsfähigkeit die erforderliche Entscheidungsreife an den Tag legt und dessen Einwilligungsfähigkeit positiv festgestellt worden ist.330

V. Fazit Das Merkmal der „Unbefugtheit“ innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes ist, ausgenommen § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB, der Rechtswidrigkeitsebene zuzuordnen. Ihm kommt in einer Vielzahl der Tatbestandsvarianten des strafrechtlichen Bildnisschutzes lediglich deklaratorische Wirkung zu, wobei es den Normalfall im Besonderen Teil des StGB darstellt, dass auf ein entsprechendes Merkmal im Gesetzestext verzichtet wird.331 Einzig in § 201a Abs. 3 StGB wurde diese Regelungstechnik berücksichtigt und das Merkmal der „Unbefugtheit“ während des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen. Mit Blick auf die Rechtsklarheit und Einheitlichkeit der Tatbestandsvarianten des § 201a StGB un329 Anders ist die Situation zu bewerten, wenn es bei dem minderjährigen Rechtsgutsträger tatsächlich an der Einsichtsfähigkeit fehlt und dieser nicht einwilligungsfähig ist. In derartigen Konstellationen kann diesem im Einzelfall ein Vetorecht gegenüber der Einwilligung der Eltern zustehen. Zu dem gefundenen Ergebnis vgl. Sturm, Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, S. 27, Fn. 106. Umfassende Darstellung der Voraussetzungen des Vetorechts eines Dispositionsunfähigen mit anschließender Bewertung bei Stief, Die Einwilligungsfähigkeit im Strafrecht, S. 202 ff. 330 Hennig, Tattoos, Piercings, Schönheitsoperationen, S. 67; Sturm, Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, S. 27; Schlehofer, in: MüKo, Vor §§ 32 ff., Rn. 165; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 32 ff., Rn. 42. 331 Vgl. für die Argumentation auch BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 24 f.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

tereinander wäre es jedoch vorteilhafter gewesen, wenn der Gesetzgeber das Merkmal der „Unbefugtheit“ aus den anderen Tatbestandsvarianten ebenfalls entnommen hätte, soweit ihm deklaratorische Wirkung zu Teil wird.332 Die Lösung, die der Gesetzgeber in der aktuellen Gesetzesfassung bezüglich des Merkmals der „Unbefugtheit“ gewählt hat, führt zu einer systematisch uneinheitlichen Ausgestaltung der einzelnen Tatbestandsvarianten des strafrechtlichen Bildnisschutzes, die weder begrüßenswert noch argumentativ haltbar ist. Durch die abweichende Formulierung des § 201a Abs. 3 StGB wird der Anschein erweckt, eine Rechtfertigung von Nacktaufnahmen, die einen Minderjährigen abbilden, wäre von vornherein ausgeschlossen, obwohl dies weder richtig ist, noch der Realität entspricht. Es wäre wünschenswert gewesen, der Gesetzgeber hätte mit dem 49. StÄG nicht nur weitere Verhaltensweisen innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes pönalisiert, sondern bei der Ausformulierung der Sanktionsnormen auf bereits bestehende sprachliche und systematische Aspekte des Bildnisschutzes Rücksicht genommen oder die bereits bestehenden Formulierungen den neu eingefügten Varianten sprachlich und inhaltlich angepasst. Ferner ist es bedauerlich, dass der Gesetzgeber, die bei der Gesetzesänderung bestehende Möglichkeit nicht genutzt hat, um die seit 2004 bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich des Merkmals der „Unbefugtheit“ zu beseitigen. Die vom Gesetzgeber betreffend dieses Merkmals gewählte Gangart ist der am wenigsten systematische und unbefriedigendste Umgang mit einer solchen Problematik.

F. Problem 4: Persönlicher Schutzbereich Die Grenzen des persönlichen Schutzbereichs des § 201a StGB erscheinen auf den ersten Blick eindeutig. So fordert der strafrechtliche Bildnisschutz als taugliches Tatobjekt in all seinen Varianten die Bildaufnahme einer „anderen Person“. Im Zusammenhang mit den aktuellen Kriminalitätsentwicklungen, es sei exemplarisch an das Phänomen des „Cybermobbings“ oder der „Unfallgaffer“ zu denken, stellt sich allerdings die Frage, ob entsprechende Aufnahmen umfassend von dem persönlichen Schutzbereich des § 201a StGB erfasst sind, wie im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf derartige Entwicklungen reagiert werden kann und wo dessen inhaltliche Grenzen mit Blick auf den persönlichen Schutzbereich tatsächlich zu ziehen sind.

I. Verstorbene als Aufnahmegegenstand Vor dem Hintergrund, dass das „Paparazzo-Foto des Jahrhunderts“, das den ursprünglichen Anstoß für die rechtliche Diskussion über den Bildnisschutz gege332

Im Ergebnis wie Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 318.

F. Persönlicher Schutzbereich

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ben hat, die Leiche des verstorbenen Fürsten von Bismarck zeigte,333 wie auch der Tatsache des in den letzten Jahren vermehrt auftretenden Phänoms der „Unfallgaffer“, die verunglückte Personen, Rettungsvorgänge oder auch verstorbene Unfallopfer fotografieren oder im Rahmen von Videoaufnahmen bildlich perpetuieren,334 stellt sich die Frage, ob Aufnahmen von bereits verstorbenen oder sterbenden Personen dem persönlichen Schutzumfang des § 201a StGB unterfallen und wie derartige Aufnahmen im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes zu bewerten sind. 1. Postmortaler Strafrechtsschutz im Allgemeinen Das Recht am eigenen Bild ist als Konkretisierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.335 Das Persönlichkeitsrecht als solches endet grundsätzlich mit dem Tod des jeweiligen Rechtgutsträgers, da Träger dieser Rechtsposition nur eine lebende Person sein kann.336 Aus Art. 1 Abs. 1 GG ergibt sich jedoch nach allgemeiner Meinung ein partieller postmortaler Persönlichkeitsschutz. Dieser bezieht sich auf jegliche Wert- und Achtungsansprüche gegen die Herabwürdigung und Erniedrigung des Verstorbenen sowie auf seinen sittlichen, personalen und sozialen Geltungswert, den sich eine Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat, damit ihre Würde und Ansehen auch nach dem Tod angemessen erhalten bleiben.337 Auf Grundlage dieser Erwägungen wird in bestimmten Grenzen durch das Strafrecht ein postmortaler Persönlichkeitsschutz gewährt. Wegen des „nullum crimen sine lege-Grundsatzes“ aus Art. 103 Abs. 2 GG ist es im Strafrecht, anders als im Zivilrecht338, allerdings nicht möglich, einen über den im Wortlaut der Sanktionsnorm angelegten postmortalen Persönlichkeitsschutz hinausgehenden Schutzumfang zu gewähren339. Im Besonderen Teil des StGB lassen sich einige Normen finden, die einen postmortalen Persönlichkeitsschutz gewährleisten. § 168 StGB ist beispielsweise 333

Darstellung des Verfahrens im 3. Kapitel, F., I. 2. Einführende Darstellung des Phänomens der „Unfallgaffer“ bei Hunsicker/Belz, jM 2016, 160 f. 335 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 193. 336 Flechsig, ZUM 2004, 605, 613; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 226; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 10, Art. 2, Rn. 51. 337 BVerfG, 19.12.2007, NJW 2008, 1657; BGH, 29.10.2014 – XII ZB 20/14, NJW 2014, 3786, 3788; OLG Köln, 18.9.2007 – 15 U 64/07, GRUR-RR 2008, 324, 326; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 226; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 10. 338 Vgl. Anmerkung zu BGH, 6.12.2005 – VI ZR 265/04, ZUM 2006, 211, 215 (Urteil auch abgedruckt in BGHZ 165, 203–213); OLG Köln, 18.9.2007 – 15 U 64/07, GRUR-RR 2008, 324, 326. 339 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 185. 334

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

bei jeglichen Handlungen, die die Totenruhe stören, einschlägig. Neben dem allgemeinen Pietätsgefühl soll mit dieser Sanktionsnorm vor allem dem nachwirkenden Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen Rechnung getragen werden und sichergestellt sein, dass die Achtung vor dem Verstorbenen gewahrt wird.340 Des Weiteren findet § 189 StGB als Ausformung eines Persönlichkeitsrechts eigener Art341 immer dann Anwendung, wenn das Andenken eines Verstorbenen im Nachhinein verunglimpft wird. Dieses Persönlichkeitsrecht eigener Art findet seinen Ausdruck in der Respektierung eines Kernbereichs dessen, was den Verstorbenen zu Lebzeiten ausgemacht und was er durch seine Lebensleistung erworben hat.342 In dem 15. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB wird ebenfalls ein postmortaler Persönlichkeitsrechtschutz gewährt. So wird gem. § 203 Abs. 4 StGB die Verletzung von Privatgeheimnissen auch dann sanktioniert, wenn der Geheimnisträger im Zeitpunkt der Offenbarung bereits verstorben war. 2. Postmortaler Bildnisschutz durch § 22 S. 3 KUG Auch ist ein postmortaler Bildnisschutz der Rechtsordnung nicht vollständig unbekannt. So ist jegliche Bildnisveröffentlichung gem. § 33 i.V. m. § 22 S. 3 KUG strafbar, die innerhalb der ersten zehn Jahre nach dem Ableben der abgebildeten Person ohne die Einwilligung der Angehörigen erfolgt. Als entscheidungsberechtigte Angehörige nennt § 22 S. 4 KUG neben dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Kinder sowie die Eltern des verstorbenen Abgebildeten. Über diesen Bildnisschutz hinaus besteht nach allgemeiner Ansicht auch im Bildnisbereich ein die gesetzlich normierte Dauer von zehn Jahren übersteigender allgemeiner postmortaler Achtungsanspruch, der direkt aus Art. 1 Abs. 1 GG entwickelt wird.343 Dieser postmortale Achtungsanspruch soll Verstorbene vor schwerwiegenden Ansehensherabsetzungen sowie vor der nachträglichen Entstellung des eigenen Lebensbildes schützen.344 Diese Abwehransprüche enden, sobald das Andenken an den Verstorbenen in einer Art und Weise verblasst ist, dass dessen Persönlichkeitsrechtsinteressen angesichts der Schwere der Beeinträchtigung hinter den entgegenstehenden Interessen zurücktreten.345 Nach einhellig vertretener Meinung stehen dem Wahrnehmungsberechtigten bei einer postmortalen Verletzung dieses Schutzbereichs lediglich Abwehransprüche, beispielsweise in Form eines Unterlassungsanspruchs, nicht aber Schadensersatzansprüche zu.346 340

Stübinger, in: Nomos Kommentar, § 168, Rn. 1. Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 189, Rn. 1. 342 BVerfG, 19.12.2007, NJW 2008, 1657; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 189, Rn. 1. 343 BGH, 6.12.2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f. 344 Specht, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG, Rn. 29. 345 Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 22 KUG, Rn. 11. 346 M. w. N. BGH, 6.12.2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206. 341

F. Persönlicher Schutzbereich

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Die Normierungen des KUG sanktionieren allerdings nicht nur die Weitergabe von Bildnissen nach dem Tod der abgebildeten Person, sondern auch die Verbreitung und Veröffentlichung von Bildern, die eine bereits verstorbene Person optisch wiedergeben.347 Der Schutzbereich des § 33 KUG ist nicht auf Aufnahmen von lebenden Personen beschränkt. Die Notwendigkeit eines derart weiten Verständnisses des Tatobjekts lässt sich auch durch einen Blick auf das dem KUG zugrunde liegende Bismarck-Urteil entnehmen. Die Bismarck-Entscheidung348 des Reichsgerichts vom 28. Dezember 1899, die drei Tage vor dem Inkrafttreten des BGB ergangen war, verdeutlichte eindrucksvoll die damaligen Lücken des Rechtsschutzes im Bereich ungewollter Bildnisveröffentlichungen. In der Nacht nach dem Ableben Bismarcks drangen zwei Fotografen widerrechtlich in das Zimmer des bismarckschen Anwesens in Friedrichsruh ein, in dem sich die Leiche des verstorbenen Fürsten befand. Die beiden Männer wollten von dieser Fotoaufnahmen herstellen und somit das „Bild des Jahrhunderts“ schaffen.349 Nachdem die Erben des verstorbenen Fürsten von einer drohenden Veröffentlichung von Fotografien erfuhren, die die Leiche Bismarcks aufgebahrt in dessen Schlafzimmer zeigten, versuchten sie, dies mit rechtlichen Mitteln zu verhindern. Das Reichsgericht gab der Klage der Kinder Otto von Bismarck schließlich statt, die Bilder der Leiche, sämtliche Abzüge und Negative zu vernichten und jegliche Art der Veröffentlichung zu verbieten.350 Für das Gericht war es jedoch knapp acht Jahre vor der Einführung des KUG problematisch, eine passende Rechtsgrundlage für die Entscheidung zu finden. So enthielten weder die geltenden Hamburger Statuten, noch der im Herzogtum Lauenburg weiterhin gültige Sachsenspiegel oder andere anwendbare Partikulargesetze rechtliche Regelungen in Bezug auf den Umgang mit unbefugt hergestellten Fotografien. Das Reichsgericht bediente sich nun einer Verlegenheitslösung, als es nur drei Tage vor Inkrafttreten des BGB auf das römische Recht, dass dem Gemeinem deutschen Recht zugrunde lag, Bezug nahm.351 Die Lücken im Bereich des rechtlichen Bildnisschutzes, die

347 Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 121; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 5. 348 RG, 28.12.1899 – Rep. VI 259/99, RGZ 45, 170. 349 Zu dieser Entscheidung sehr ausführliche Darstellungen bei Machtan, Bismarcks Tod und Deutschlands Tränen, S. 168 ff.; Kohler, GRUR 1900, 196, 206 ff.; Ernst-Moll, GRUR 1996, 558 ff.; Seifert, NJW 1999, 1889 ff. und Süß, Jura 2011, 610 ff. 350 RG, 28.12.1899 – Rep. VI 259/99, RGZ 45, 170. 351 Die Begründung des Reichsgerichts zu dieser, für den strafrechtlichen Bildnisschutz grundlegenden Entscheidung, beträgt gerade einmal eineinhalb Seiten. Die Erben des verstorbenen Bismarcks wurden dabei auf einen bereicherungsrechtlichen Anspruch verwiesen. In der Begründung wurde keinerlei Bezug auf eine mögliche Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des verstorbenen Bismarcks genommen. Dieses Vorgehen wurde zur damaligen Zeit innerhalb der Literatur stark kritisiert, wohingegen das gefundene Ergebnis Zustimmung erhielt, vgl. Kohler, GRUR 1900, 196, 197, 208; ders., Das Eigenbild im Recht, S. 11 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, S. 19.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

durch die Begründung des Reichsgerichts in der „Bismarck-Entscheidung“ offengelegt wurden, sollten mit der Einführung des KUG 1907 geschlossen werden. Wesentliches Ziel dieses Gesetzes war es, einen wirksamen rechtlichen Schutz gegen die ersten „Paparazzi“ zu kodifizieren und den Gerichten eine Sanktionsmöglichkeit in jeglichen Fällen der unbefugten Veröffentlichung von Bildnissen an die Hand zu geben. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 33 KUG auf Aufnahmen von lebenden Personen war gerade nicht beabsichtigt. 3. Postmortaler Bildnisschutz durch § 201a StGB Nun erscheint es fraglich, ob § 201a StGB, angelehnt an die bereits dargestellten Normen des StGB und des KUG, ebenfalls einen postmortalen Bildnisschutz gewährt. So sind neben der Bismarck-Entscheidung vor allem der Fall Barschel352 und der eines syrischen Flüchtlingsjungen, der 2015 tot am Strand von Bodrum angespült wurde353, als berühmte Fälle zu nennen, die aufzeigen, dass Bildaufnahmen von verstorbenen Personen kein theoretisches Konstrukt darstellen, sondern ein immer wieder auftretendes Phänomen auch innerhalb der Presseberichterstattung sind. Aber auch die in letzter Zeit vermehrt auftretenden Fälle von Schaulustigen bei Unfällen sind innerhalb dieses Problemkreises zu nennen, bei denen Privatpersonen ihre eigene Sensationsgier über jegliche Rechtspositionen von verunglückten und verstorbenen Personen stellen, um ein „gutes“ Foto zu bekommen und dieses daraufhin im Internet verbreiten. a) Bildaufnahmen während des Sterbeprozesses Von dem Schutzbereich des § 201a StGB sind mit Blick auf dessen Wortlaut nur Bildaufnahmen von „Personen“ erfasst. Unter dem Tatbestandsmerkmal einer „Person“ ist innerhalb des StGB ein schon und gleichzeitig noch lebender Mensch zu verstehen.354 Nach strafrechtlichem Verständnis beginnt das Menschsein mit den Eröffnungswehen während der Geburt eines Kindes355 und endet mit dem Hirntod356 eines menschlichen Individuums. 352 Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Barschel wurde am 11.10.1987 tot in der Badewanne eines Genfer Hotels von einem Journalisten fotografiert. Das Foto wurde als Titelbild einer 1987 erschienenen Ausgabe der Zeitschrift „Stern“ verwendet. Das OLG Hamburg verurteilte den Journalisten nicht, da es ein berechtigtes Interesse an der Bildberichterstattung annahm. Der Schweizer Bundesgerichtshof beurteilte den Sachverhalt anders und verurteilte den Journalisten wegen der Verletzung des Geheimund Privatbereichs sowie Hausfriedensbruch. Vgl. Gross, NJW 1994, 504 ff.; B. Heinrich, ZIS 2011, 416, 420. 353 Kreye, SZ 4.9.2015, 4. 354 Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 261. 355 BGH, 7.12.1983 – 1 StR 665/83, BGHSt 32, 194; OLG Dresden, 14.2.2014 – 2 OLG 25 Ss 788/14.

F. Persönlicher Schutzbereich

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Während des Sterbeprozesses ist eine Person somit nach strafrechtlichem Verständnis noch am Leben, bis klinisch feststellbar der Hirntod eingetreten ist. Fotografiert nun beispielsweise ein Unfallgaffer einen mit dem Tod ringenden Verletzten, ist eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs noch möglich, da es sich bei dem „Fotomotiv“ um eine Person im strafrechtlichen Sinne handelt und gerade der Sterbeprozess eine besonders intime Phase des Lebens darstellt, die mit dem Todeseintritt einzig in einer engen Verbindung steht und in der jedem die Möglichkeit gewährleistet werden muss, vor neugierigen Kameraaugen geschützt zu werden. Des Weiteren wäre es mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar, eine Person, die am Ende ihres Lebens steht, weniger vor unbefugten Bildaufnahmen zu schützen, als andere Menschen. Das Persönlichkeitsrecht und das damit einhergehende Recht am eigenen Bild ist zu jedem Zeitpunkt des Lebens, unabhängig in welcher Lebensphase sich die betroffene Person befindet, gleichstark gegen jegliche Art missachtender Handlungen zu schützen. Eine Person, die sich im Sterben befindet, ist von dem persönlichen Schutzumfang des § 201a StGB unproblematisch erfasst.357 b) Bildaufnahmen einer Leiche § 201a StGB setzt in all seinen Tatbestandsalternativen die Bildaufnahme einer anderen „Person“ voraus und nicht die eines „Verstorbenen“. Soll der Schutzbereich einer strafrechtlichen Sanktionsnorm allerdings über den Tod hinausreichen, muss dies durch den Wortlaut eindeutig kenntlich gemacht werden.358 Verwendet eine Norm hingegen den Begriff der „Person“, bezieht sie sich auf einen im strafrechtlichen Sinne lebenden Menschen, und der Schutz endet im Zeitpunkt des Ablebens.359 Diese Systematik wird auch innerhalb des 15. Abschnitts des StGB deutlich. So wird durch den Wortlaut des § 203 Abs. 4 StGB eindeutig aufgezeigt, dass die Norm auch zur Anwendung kommt, wenn der „Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart“. Der Gesetzgeber hat diesen Fall des postmortalen Persönlichkeitsschutzes explizit im Gesetz normiert.360 Eine solche Regelung wurde bei § 201a StGB allerdings unterlassen, da eine vergleichbare Notwendigkeit wohl nicht gesehen wurde. Die Einbeziehung eines Verstorbenen in den Schutzbereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes ist mit Blick auf die Formulierung der aktuellen Gesetzeslage nicht 356

Knauer/Brose, in: Spickhoff, § 212 StGB, Rn. 3. Kühl, AfP 2004, 190, 195; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 266; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 28. 358 Flechsig, ZUM 2004, 605, 613. 359 BR-Drucks. 226/16, S. 3 360 Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 265. 357

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

möglich,361 sodass weder die Bismarck-Fotografie, noch Bildaufnahmen eines verstorbenen Unfallopfers taugliche Tatobjekte i. S. d. § 201a StGB sind. Neben dem eindeutigen Wortlaut des § 201a StGB sprechen auch teleologische Erwägungen gegen die Einbeziehung von verstorbenen Personen in den Schutzbereich der aktuellen Fassung des strafrechtlichen Bildnisschutzes, soweit § 201a StGB als Taterfolg die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs fordert. Aufnahmen einer Leiche können nicht den „Lebensbereich“ einer bereits verstorbenen Person betreffen362, da dieser letzte Rückzugsbereich nur zu Lebzeiten vorhanden und schützenswert ist und es nach dem Tod an einer Verletzungsmöglichkeit fehlt. Auch wenn der Tod als Paradebeispiel für die Intimsphäre in den Gesetzesmaterialien zum 36. StÄG aufgeführt wurde,363 kann keine Verletzung des höchstpersönlichen „Lebensbereichs“ in derartigen Fällen angenommen werden, da sich aus dem allgemeinen Begriffsverständnis des Merkmals „Lebensbereich“ bereits ergibt, dass dieser das „Leben“ der betroffenen Person als denknotwendige Voraussetzung impliziert.364 Von dem Schutzbereich des § 201a StGB sind auf Grundlage des eindeutigen Gesetzeswortlauts sowie teleologischen Erwägungen nur Bildaufnahmen von noch lebenden Menschen erfasst, sodass die bildliche Darstellung von bereits Verstorbenen nicht in dessen Anwendungsbereich fällt.365 c) Nutzung einer Bildaufnahme nach dem Tod der abgebildeten Person In Hinblick auf den persönlichen Schutzbereich des § 201a StGB erscheint es ebenfalls problematisch, wie mit Situationen umzugehen ist, in denen eine Person noch zu Lebzeiten fotografisch abgebildet wurde, die Aufnahme jedoch erst nach ihrem Tod gebraucht oder Dritten zugänglich gemacht wird. Laut Gesetzeswortlaut ist für die Verwirklichung des § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB einzige Voraussetzung, dass eine zunächst unbefugt hergestellte, die abgebildete Person in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzende Aufnahme, gebraucht oder Dritten zugänglich gemacht wird. Auf Grundlage dieser 361 362

Ebenso Bosch, Jura 2016, 1380, 1382. Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB),

S. 93. 363

Vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 5. Flechsig, ZUM 2004, 605, 613; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 68 f.; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 93. 365 Ebenso BR-Drucks. 226/16, S. 3; BR-Drucks. 226/16 (Beschluss), S. 2; Flechsig, ZUM 2004, 605, 613; A. Koch, GA 2005, 589, 592; Eisele, JR 2005, 6, 9; Mitsch, Jura 2006, 117; Kühl, AfP 2004, 190, 195; Sauren, ZUM 2005, 425, 430; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 69. 364

F. Persönlicher Schutzbereich

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Gesetzesausgestaltung erscheint es auf den ersten Blick möglich, die Nutzung einer unbefugt hergestellten Bildaufnahme nach dem Ableben der abgebildeten Person unter diese Tatbestandsvariante subsumieren zu können, da eine erneute Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs keine notwendige Tatbestandsvoraussetzung darstellt. Das in § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB normierte Unrecht stellt eine Intensivierung der Unrechtsverwirklichung im Verhältnis zu § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB dar.366 Abgebildete Personen sollen im Rahmen dieser Tatbestandsvariante davor bewahrt werden, dass ihr höchstpersönlicher Lebensbereich durch die Blicke und Kenntnisnahme anderer im menschlichen Miteinander behandelt und evtl. beeinflusst wird.367 Bei § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB ist es für ein tatbestandliches Verbreiten oder Gebrauchen einer fraglichen Aufnahme notwendig, dass bereits durch die unbefugte Herstellung der Aufnahme die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs kausal eingetreten ist, welche durch die Anschlusshandlung des § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB weiter vertieft wird. Durch die Wahrnehmung des Bildinhalts durch weitere Personen kommt es zu einer Intensivierung der mit der Bildaufnahme einhergehenden Persönlichkeitsverletzung.368 Eine derartige Unrechtsintensivierung ist jedoch nur möglich, wenn die abgebildete Person im Zeitpunkt der Verbreitung oder des Gebrauchens der entsprechenden Bildaufnahme noch am Leben ist.369 Bei einem im Zeitpunkt der Verbreitungshandlung bereits Verstorbenen kann eine solche Unrechtsverstärkung aufgrund der bereits aufgezeigten Aspekte und der fehlenden Verletzungsmöglichkeit nicht mehr eintreten. Die Tatbestandsvariante des § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB kann somit nicht erfüllt werden, wenn eine Person zwar im Aufnahmezeitpunkt noch am Leben, zum Zeitpunkt des Gebrauchens oder Zugänglichmachens jedoch bereits verstorben ist.370

366 Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 33; a. A. Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 19, der das Tatunrecht bei § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht in der Intensivierung der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs sieht, sondern in der mit § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB verbundenen „abstrakten Verbreitungsgefahr“. Dieser Ansicht kann nicht Folge geleistet werden, da es sich bei § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB gerade um kein Gefährdungsdelikt handelt, sondern dem Sinn und Zweck nach die erweiterte Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch die Einsichtnahmemöglichkeit Dritter sanktioniert werden soll. 367 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 89. 368 Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 47. 369 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 89; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 267. 370 Vgl. Flechsig, ZUM 2004, 605, 613; Rahmlow, HRRS 2005, 84, 89; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 267 zu § 201a Abs. 2 StGB a. F., der für § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB die Grundlage bildet sowie Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 33 zu der aktuellen Gesetzesfassung. Eine entsprechende Strafbarkeitslücke wurde von den Verfassern eines Entwurfs zur effektiven Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ (BR-Drucks. 22/16) nicht

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Zu dem gleichen Ergebnis muss man auch hinsichtlich § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB gelangen, da durch die unbefugte Verbreitung einer zunächst befugt hergestellten Bildaufnahme der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt werden müsste, dies jedoch gegenüber einem Verstorbenen aufgrund der aufgezeigten Aspekte nicht mehr möglich ist.371 In den Fällen des § 201a Abs. 2 StGB ist für eine Sanktionierung entscheidende Voraussetzung, dass die Möglichkeit besteht, dass durch die Bildweitergabe das Ansehen der abgebildeten Person zumindest gefährdet wird. Würde diese Tatbestandsalternative auch einen postmortalen Schutz vor der Verbreitung reputationsgefährdender Bildaufnahmen gewähren wollen, müsste dies eindeutig im Wortlaut der Sanktionsnorm angelegt sein. Neben dem Merkmal einer „anderen Person“ müsste der Gesetzeswortlaut auch den Passus „verstorbene Person“ enthalten.372 Nach aktueller Rechtslage und allgemeinem Wortverständnis ist der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 2 StGB auf das Ansehen lebender Menschen beschränkt. Der denkbare Fall, dass von einer bereits verstorbenen Person reputationsgefährdende Bildaufnahmen vorhanden sind, deren Verbreitung das Ansehen des Abgebildeten postmortal erheblich schädigen könnten, stellen auch nach dem 49. StÄG straffreie Aufnahmen dar.373 d) Zwischenfazit Der persönliche Schutzbereich des § 201a StGB endet mit dem Ableben einer Person, sodass weder die Herstellung der Bismarck-Fotografie, noch die der Barschel-Aufnahme oder die Aufnahme des toten und an Land gespülten Flüchtlingsjungen aus Bodrum nach aktueller Gesetzeslage strafrechtliches Unrecht darstellen. Eine Sanktionierung der Verbreitung oder Veröffentlichung entsprechender Aufnahmen ist nur unter den zeitlich begrenzten Voraussetzungen des § 33 i.V. m. § 22 S. 3 KUG möglich. Dafür muss es sich bei der fraglichen Aufnahme um ein Bildnis handeln, welches innerhalb der ersten zehn Jahre nach dem Tod der abgebildeten Person ohne die Einwilligung der Angehörigen veröffentlicht oder verbreitet worden ist. Von § 33 KUG sind neben Bildern, die eine bereits verstorbene Person zeigen, auch Aufnahmen erfasst, die einen noch lebenden Menschen abbilden, jedoch erst nach dessen Ableben veröffentlicht worden sind. Dies hat zur Folge, dass ein postmortaler Persönlichkeitsschutz für Bildgesehen, da sie einzig eine Erweiterung des persönlichen Schutzbereichs auf bereits Verstorbene forderten. Dem Fall, dass nach Ableben einer Person Bildaufnahmen dieser gebraucht oder Dritten zugänglich gemacht werden, schenkten sie in ihren Ausführungen keinerlei Beachtung. 371 Ausführliche Darstellung im 3. Kapitel, F., I., 3., b). 372 Diese Tatbestandserweiterung wird auch in einem Gesetzesentwurf aus dem Jahre 2016 gefordert, vgl. BR-Drucks. 226/16, S. 2. 373 Zu dem gleichen Ergebnis siehe auch BR-Drucks. 226/16, S. 6.

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nisse zwar in einem gewissen Zeitraum besteht, Bildaufnahmen Verstorbener aber straffrei hergestellt und nach deren Tod ohne die Gefahr einer Sanktionierung gebraucht oder Dritten zugänglich gemacht werden können. Dieser aktuell gewährte partielle postmortale Bildnisschutz des § 33 KUG erscheint allerdings nicht ausreichend.374 Auch wenn die Tatbestandshandlungen des § 201a StGB und des § 33 KUG in einer Vielzahl von Fällen parallel verwirklicht werden,375 greift die nebenstrafrechtliche Sanktionsnorm erst ein, wenn es bereits zu einer Veröffentlichung der in Frage stehenden Bildaufnahme gekommen ist. Jedoch auch durch die zeitlich vorgelagerte Bildherstellung wird ein gravierendes Unrecht verwirklicht. Des Weiteren ist es im Aufnahmezeitpunkt nicht möglich festzustellen, ob der Handelnde mit der Absicht agiert, die Aufnahmen im Nachhinein zu veröffentlichen bzw. ob es tatsächlich zu einer Veröffentlichung kommt376. Diese Lücken im Bereich des postmortalen Bildnisschutz sind bedauerlich und erscheinen wenig verständlich.377 Dass Bildaufnahmen, die den Tod – der das Paradebeispiel für die Intimsphäre darstellt und explizit in den Gesetzesmaterialien zum 36. StÄG genannt wurde –378 zum Gegenstand haben, auch nach dem 49. StÄG nicht von § 201a StGB erfasst sind, ist wenig nachvollziehbar. Für die Einbeziehung Verstorbener in den Schutzbereich des § 201a StGB spricht, dass kaum ein anderes Medium als Bildaufnahmen besser geeignet ist im Nachhinein die Meinung über einen Menschen zu manifestieren und zu manipulieren.379 So können nach der aktuellen Rechtslage nach dem Tod einer Person straffrei Bilder in Umlauf gebracht werden, die noch zu Lebzeiten des Abgebildeten ein strafbares Verhalten begründet hätten. Des Weiteren ist im Bereich der Sensationspresse eine große Nachfrage nach exklusiven Aufnahmen von Leichnamen prominenter Persönlichkeiten zu erwarten, da dadurch sicherlich hohe Gewinne erzielt werden

374

Ebenso Pistorius, Plenarprotokoll 945, S. 191. Umfassende Darstellung im 2. Kapitel, B., V., 1. 376 Stenografischer Bericht der 946. Sitzung des Bundesrates vom 17.6.2016 – Plenarprotokoll 946, S. 246. 377 Ebenso Sauren, ZUM 2005, 425, 430 f.; Hoppe, GRUR 2004, 990, 994; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 268; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 73; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 187; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 149; a. A. Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 93 f. Er vertritt die Ansicht, dass der Persönlichkeitsschutz für Verstorbene, der aufgrund des Zivilrechts und des KUG gewährt wird, ausreichend ist. Daneben verweist Hengst auf § 201 StGB, der ebenfalls Verstorbene nicht erfasst. 378 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 379 Ausführliche Darstellung der Wirkungsweise von Bildaufnahmen bei Kargl, ZStW 117, 324, 343 ff. Ebenso Herbort, Digitale Bildnisse, S. 23, die dem Besitzer eines Bildnisses eine Manipulations- und Herrschaftsmacht über die abgebildete Person zuspricht. 375

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

können.380 Durch derartige Verhaltensweisen wird dem Einzelnen die Möglichkeit entzogen, in Ruhe sterben zu können. Zwar ist der Sterbende zweifelsfrei von dem Schutzbereich des § 201a StGB erfasst, allerdings ist der Sterbeprozess mit dem Tod derart eng verbunden und teilweise nicht eindeutig voneinander trennbar, dass ein Schutz auch über das Sterben hinaus gewährt werden müsste, um ein menschenwürdiges, unbeobachtetes Ableben zu gewährleisten und sicherzustellen. Daneben erscheint es wenig verständlich, wieso ein Ereignis, das zu Lebzeiten ein vom Strafrecht geschütztes Verhalten dargestellt hat, nach dem Ableben der abgebildeten Person sein Schutzbedürfnis komplett verliert.381 Auch besteht eine wenig verständliche Ungleichbehandlung in dem strafrechtlichen Umgang mit persönlichkeitsverletzenden Bildaufnahmen einerseits und dem Verunglimpfen Verstorbener andererseits. Es sind Konstellationen denkbar, in denen eine reputationsgefährdende Bildaufnahme nach dem Tod der abgebildeten Person straffrei Dritten zugänglich gemacht, der Bildinhalt jedoch mit Blick auf § 189 StGB nicht ohne Gefahr einer strafrechtlichen Sanktionierung mündlich Dritten mitgeteilt werden kann. Auch werden durch die Nichteinbeziehung Verstorbener in den Schutzbereich des § 201a StGB erhebliche Beweisschwierigkeiten geschaffen. Im Einzelfall ist es oft nicht eindeutig feststellbar, ob eine abgebildete Person bereits verstorben war oder noch gelebt und mit dem Tod gerungen hat. So kann sich ein Täter aufgrund der aktuellen Gesetzeslage in derartigen Konstellationen strafbefreiend darauf berufen, dass er davon ausgegangen sei, dass das aufgenommene Unfallopfer im Zeitpunkt des Auslösens bereits verstorben war.382 Aus dem Aspekt eines umfassenden Ansehens- und Persönlichkeitsschutzes wäre eine Strafbarkeitserweiterung in den aufgezeigten Fällen geboten. Es erscheint erstrebenswert, dass diesbezüglich den Reformierungsvorschlägen aus dem Gesetzesentwurf der Länder Berlin und Niedersachsen zur Verbesserung des Persönlichkeitsrechtsschutzes von Verstorbenen durch § 201a StGB nachgekommen wird.383 Nur durch die Einbeziehung bereits verstorbener Menschen in den Schutzbereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes kann der Bedeutung des Persönlichkeitsrechts und dessen Gefährdung durch Bildaufnahmen jeglicher Art auch nach dem Tod einer Person umfassend Rechnung getragen werden.384

380

Hoppe, GRUR 2004, 990, 994. Vgl. Kühl, AfP 2004, 190, 195. 382 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 187. 383 Vgl. BR-Drucks. 226/16. 384 Im Ergebnis wie Pistorius, Plenarprotokoll 945, S. 191; BT-Drucks. 18/9327; a. A. Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 94. Hengst sieht in § 33 KUG einen ausreichenden postmortalen Persönlichkeitsschutz, da – nach seiner Ansicht – Aufnahmen von Toten immer zum Zweck einer späteren Veröffentlichung hergestellt würden. 381

F. Persönlicher Schutzbereich

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II. Aufnahmen von Körperteilen Für die Tatbestandsverwirklichung bei § 201a StGB erscheint es ausreichend, wenn die in Frage stehende Aufnahme einzelne Körperteile eines lebenden Menschen abbildet.385 Weder aus dem Schutzzweck, noch aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich, dass die betroffene Person als Ganzes bildlich dargestellt werden muss.386 Durch die überproportional große Darstellung einzelner Körperregionen ist es möglich, erheblich in das Persönlichkeitsrecht einer Person einzugreifen. So ist beispielshaft an einen aufsehenerregenden Fall aus dem Jahr 2013 zu denken, als ein Frauenarzt eine Digitalkamera an seinen Behandlungsstuhl montiert hat und während der gynäkologischen Untersuchungen den Intimbereich seiner Patientinnen fotografiert und kurze Videosequenzen angefertigt hat.387 Gerade solche Aufnahmen können im Einzelfall das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen genauso stark verletzen und negative Auswirkungen auf deren gesamte Lebensführung haben, wie Bildaufnahmen, die eine Person komplett abbilden. Als restriktives Regulativ ist es im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes – vor allem mit Blick auf den sehr weit ausgestalteten und nicht durch das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ eingeschränkten § 201a Abs. 3 StGB – allerdings notwendig, dass tatbestandlich von dem Schutzbereich dieser Sanktionsnorm nur Bildaufnahmen erfasst sind, deren Aufnahmegegenstand eine als persönlich oder intim bezeichnete Körperregion ist.388 So ist die Abbildung eines nackten kindlichen Unterkörpers strafrechtlich anders zu bewerten, als die Abbildung eines nackten Fußes oder Arms389. Solche Aufnahmen sind nicht geeignet, in das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen in vergleichbarer Weise einzugreifen oder deren Leben nachhaltig negativ zu beeinflussen. Diese mit Blick auf das Übermaßverbot notwendige Beschränkung des strafrechtlichen Bildnisschutzes bei Aufnahmen von Körperteilen war vor dem 49. StÄG nicht notwendig, da alle Tatbestandsvarianten des § 201a StGB a. F. durch den Verletzungserfolg des „höchstpersönlichen Lebensbereich“ beschränkt waren.

385 Ebenso OLG Koblenz, 11.11.2008 – 1 W 535/08, NStZ 2009, 268, 269; A. Koch, GA 2005, 589, 595; S. Beck, MMR 2008, 77, 79; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 11; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 5. 386 BGH, 26.2.2015 – 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391; A. Koch, GA 2005, 589, 595; Altenhain, in: Matt/Renzikowski, § 201a, Rn. 2; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 11. 387 BGH, 26.2.2015 – 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391; LG Frankenthal, 11.11.2013 – 5221 Js 25913/11.6 KLs, BeckRS 2013, 19451. 388 Vgl. Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 11. 389 OLG Koblenz, 11.11.2008 – 1 W 535/08, NStZ 2009, 268, 269.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

III. Aufnahmen von Räumen und privaten Gegenständen § 146 Abs. 2 Nr. 2 StGB-AE benannte neben der unbefugten Herstellung von Abbildungen einer fremden Person als Tatbestandsvariante auch die Herstellung von Bildaufnahmen, die die Privaträume einer anderen Person zeigen und dadurch den Anspruch auf Wahrung des höchstpersönlichen Lebensbereichs verletzen. Grund für dieses weite Verständnis des Schutzbereichs war der Aspekt, dass die bildliche Darstellung der privaten Räumlichkeiten und Gegenstände einer Person diese genauso in ihrer Privatsphäre verletzen können wie Aufnahmen ihres persönlichen Erscheinungsbilds. Die Missachtung des privaten Lebens anderer könne im Rahmen der Abbildung von Privaträumen in vergleichbarer Weise zum Ausdruck gebracht werden wie bei der visuellen Abbildung einer Person.390 Beispielhaft ist vor allem an Paparazzo-Aufnahmen zu denken, die den privaten Rückzugsbereich einer prominenten Person abbilden und anschließend unter Namensnennung in einschlägigen Zeitschriften oder Portalen veröffentlicht werden.391 Trotz dieser mit der Offenlegung privater Gegenstände einhergehenden vergleichbaren Gefährdungslage für den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person und deren Persönlichkeitsrecht enthält § 201a StGB keine an § 146 Abs. 2 Nr. 2 StGB-AE angelehnte Passage. Der strafrechtliche Bildnisschutz setzt in jeder seiner Tatvarianten die Bildaufnahme einer „Person“ voraus, sodass dem eindeutigen Wortlaut nach weder Aufnahmen von Räumen, noch von Gegenständen, unabhängig ihres Aussage- oder Bedeutungsgehalts, von dessen Schutzbereich umfasst sind.392 Diese Einschränkung erscheint unter dem Aspekt des umfassenden Schutzes der Persönlichkeit vor der unerwünschten Offenlegung durch Dritte, nicht verständlich.393 Gerade die bildliche Darstellung der privaten Räumlichkeiten einer Person können Schlüsse über deren Persönlichkeit zulassen und das Ansehen, vor allem einer in der Öffentlichkeit agierenden Person aber auch von Privatpersonen, stark beeinflussen und gefährden. So lässt sich beispielsweise eine Situation vorstellen, in der ein bekannter Schauspieler laut Medienberichten erfolgreich einen Alkoholentzug absolviert hat, wobei anschließend Bildaufnahmen aus seiner Wohnung zutage kommen, die eine Vielzahl leerer und angebrochener Wein- und Schnapsflaschen zeigen. Auch ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 201a StGB in Bezug auf dessen Schutzbereich eine Bildaufnahme nicht erfasst, die eine andere Aufnahme durch erneutes „Abfotografieren“ abbildet. So ist es möglich, dass ein Paparazzo im Haus eines Prominenten aufgestellte private Fotografien straffrei ablichten 390 391 392 393

Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 35. Kargl, ZStW 117, 324, 352. Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 255 f. So bereits auch Kargl, ZStW 117, 324, 352.

F. Persönlicher Schutzbereich

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kann, obwohl er sich bzgl. der Originalaufnahme im Rahmen einer der Varianten des § 201a StGB strafbar gemacht hätte. Anders ist der Fall nur dann zu bewerten, wenn der Täter eine Bildaufnahme kopiert oder einen Screenshot herstellt, indem er dafür seine Verfügungsmacht über die ursprüngliche Bildaufnahme, die eine lebende Person als Grundlage hatte, ausnutzt.394 Der eindeutige Wortlaut des § 201a StGB beschränkt dessen Schutzbereich auf das menschliche Erscheinungsbild.395 Eine Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf Bildaufnahmen von Gegenständen, Räumlichkeiten oder Tieren, die den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person verletzen oder sich ansehensgefährdend für die betroffene Person auswirken können, erscheint mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht möglich.

IV. Selbstaufnahmen Selbstaufnahmen bzw. „Selfies“ 396 sind aus dem Leben einer Vielzahl von Menschen nicht mehr wegzudenken. So ist es in den letzten Jahren zur Normalität geworden, dass Personen sich selbst mit ihren Digitalkameras oder Mobiltelefonen fotografieren. Neben zahlreichen geräteinternen Programmen, die die Herstellung von Selbstaufnahmen erleichtern sollen, sieht man seit einiger Zeit auch vermehrt Personen mit „Selfie-Sticks“. Diese teleskopartigen Stangen ermöglichen es ihren Nutzern, das Aufnahmegerät am Ende des Stabs zu montieren und durch eine Verlängerung des eigenen Arms einen besseren Aufnahmewinkel für die Selbstaufnahme zu schaffen. Die Herstellung oder Übertragung einer Selbstaufnahme stellt allerdings keine Unrechtsverwirklichung i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB dar, da für die Tatbestandsverwirklichung die Bildaufnahme einer „anderen“ Person notwendig ist.397 Weniger eindeutig erscheint jedoch die Situation, wenn eine Person eine zuvor straffrei von einem Anderen hergestellte Selbstaufnahme einem Dritten i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB zugänglich macht oder gebraucht. Auch wenn es dem Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB nach nicht notwendig ist, dass die 394

BT-Drucks. 15/2466, S. 5. Vgl. die Ausführungen im 4. Kapitel, B., IV., 2. Ebenso Kargl, ZStW 117, 324, 352; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 262; Wolter, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 225, 233. 396 Der Begriff des „Selfies“ wurde erstmals 2013 offiziell in der Onlineausgabe des Oxford English Dictionary aufgenommen, Herbort, Digitale Bildnisse, S. 133, Fn. 32. 397 Zu dem gleichen Ergebnis im Verhältnis zu § 201a Abs. 1 StGB a. F. kommen Mitsch, Jura 2006, 117, 118; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 70; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 184; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 260; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier, § 201a, Rn. 5; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 5. 395

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

handelnde Person und die Person, welche die Aufnahme hergestellt hat, identisch sind, ist ein derartiges Verhalten nicht unter diese Sanktionsnorm subsumierbar. Dem Wortlaut wie auch dem Telos dieser Tatbestandsvariante folgend, muss die in Frage stehende Bildaufnahme einen von der herstellenden und der verbreitenden Person abweichenden Menschen abbilden, da diese in „unbefugter“ Art und Weise hergestellt worden sein muss,398 was bei einer Selbstaufnahme jedoch nie der Fall sein wird. So gewährt das aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht jedem Einzelnen die Befugnis, selbst über die Anfertigung von Bildaufnahmen der eigenen Person zu bestimmen.399 Es handelt sich dabei um ein disponibles Rechtsgut,400 sodass die Herstellung einer Selbstaufnahme keine Unrechtsverwirklichung darstellt, da der Abgebildete selbstverantwortlich über die optische Perpetuierung seines eigenen Erscheinungsbildes entschieden hat. 1. Selbstaufnahmen und ihre rechtliche Bewertung durch § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB und § 201a Abs. 2 StGB Ein etwas anderes Ergebnis für den Umgang mit Selbstaufnahmen im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes ergibt sich mit Blick auf § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB. Eine befugt hergestellte Bildaufnahme kann im Rahmen dieser Tatbestandsvariante auch eine mit Selbstauslöser oder einem Stativ hergestellte Bildaufnahme sein.401 Die Passage des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB, eine „Bildaufnahme der in den Nummer 1 oder 2 bezeichneten Art“, bezieht sich lediglich auf den Bildinhalt und nicht auf die Schaffungskonstellation. Entscheidend ist, dass die Bildaufnahme eine Person zeigt, die sich in einem räumlichen Rückzugsbereich aufhält oder deren Hilflosigkeit zur Schau gestellt wird und dass durch das unbefugte Zugänglichmachen der Aufnahme gegenüber einer dritten Person der Abgebildete in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt wird. Ob die Aufnahme nun eine Fremd- oder eine Selbstaufnahme darstellt, ist – dem Wortlaut nach – unbeachtlich.402 Entscheidend ist, dass die Person, die bildlich abgebildet wurde und der Handelnde, der die Aufnahme einer dritten Person im Nachhinein zugänglich macht, voneinander abweichen.403 Daneben kommt es zu kei398 Ebenso Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 688. 399 BVerfG, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 198; BVerfG, 14.9.2010 – 1 BvR 1842/08, 1 BvR 6/09, 1 BvR 2538/08, GRUR 2011, 255, 257. 400 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 193. 401 Mitsch, Jura 2006, 117, 119; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 12. 402 A. A. Bosch, Jura 2016, 1380, 1382, der Selbstaufnahmen von keiner der Tatbestandsvarianten des § 201a StGB erfasst sieht. 403 § 201a Abs. 3 StGB a. F. ist mit § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB n. F. vergleichbar. Forderte der Wortlaut des § 201a Abs. 3 StGB a. F. noch „eine befugt hergestellte Bildauf-

F. Persönlicher Schutzbereich

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ner Sanktionierung des optischen Eindringens in den persönlichen Lebensbereich einer anderen Person. Diese Tatbestandsvariante stellt einzig den Entzug der Dispositionsbefugnis des Betroffenen bzgl. der konkreten Bildaufnahme unter Strafe.404 Es kommt zu keiner Pönalisierung eines nachträglichen Vertrauensbruchs,405 sodass es nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch nach dem Sinn und Zweck dieser Handlungsalternative unbeachtlich sein muss, wer die fragliche Bildaufnahme hergestellt hat und wie die Schaffungskonstellation tatsächlich ausgestaltet war. Das gleiche Ergebnis ergibt sich auch für § 201a Abs. 2 StGB. Für diese Tatbestandsvariante ist es ebenfalls die einzig notwendige Voraussetzung, dass die abgebildete Person und die Person, welche die Aufnahme einem Dritten zugänglich macht, voneinander abweichen. Wer die Aufnahme, die geeignet sein muss, die abgebildete Person in ihrem Ansehen zu schädigen, hergestellt hat, ist für eine strafrechtliche Sanktionierung gem. § 201a Abs. 2 StGB unbeachtlich, sodass dieser Handlungsalternative ebenfalls eine Selbstaufnahme als taugliches Tatobjekt zu Grunde liegen kann. § 201a Abs. 2 StGB sanktioniert einerseits die Entziehung des Rechts, frei darüber entscheiden zu können, was mit einer bereits hergestellten Bildaufnahme passiert. Andererseits schützt sie das Ansehen der betroffenen Person vor der Verbreitung von reputationsgefährdenden Aufnahmen. Dieses Recht hat der Abgebildete jedoch nicht verwirkt, weil er selbst eine Aufnahme hergestellt hat, die den Anforderungen des § 201a Abs. 2 StGB unterfällt. 2. Selbstaufnahmen von Minderjährigen Für die rechtliche Bewertung von Selbstaufnahmen von Minderjährigen, die deren Nacktheit zum Gegenstand haben, kann auf die bereits zu den anderen Absätzen dargestellten Aspekte Bezug genommen werden. Ein Minderjähriger ist als natürliche Person ebenfalls Träger des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts am eigenen Bild,406 sodass er frei darüber entscheiden kann, ob und wie nahme einer anderen Person“, wurde auf das Merkmal der „anderen“ Person bei § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB verzichtet. Durch diese Abänderung des Wortlauts wurde klargestellt, dass es für die Tatbestandsverwirklichung unbeachtlich sein muss, wer die fragliche Aufnahme hergestellt hat. Am Norminhalt hat dies nichts verändert, sodass das Ergebnis bzgl. Selbstaufnahmen das Gleiche wie bei der alten Fassung ist. Vgl. zu § 201a Abs. 3 StGB a. F. auch Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 260; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 12. 404 Safferling, Marburg law review 2008, 36, 41; Eisele, JR 2005, 6, 10; Lenckner/ Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 19; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 19. 405 A. A. Borgmann, NJW 2004, 2133, 2135; A. Koch, GA 2005, 589, 602; Obert/ Gottschalck, ZUM 2005, 436, 439; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 17; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 62. 406 Hohm, NJW 1986, 3107, 3108; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1, Rn. 223.

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

er sich bildlich zeigen möchte. Gleichzeitig gewährt Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch Minderjährigen, abhängig von ihrem individuellen Reifegerad, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, das vor allem in den Fällen des „Sextings“ zu beachten ist.407 Der Wortlaut des § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB verlangt bei der Tatbestandsalternative des „Herstellens“ wie bei § 201a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB eine Verschiedenheit zwischen dem Täter, der die Aufnahme erstmalig geschaffen hat, und der abgebildeten Person. Ein Minderjähriger, der eine Nacktaufnahme nun mit Hilfe eines Selfie-Sticks von sich selbst herstellt, macht sich nicht gem. § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB strafbar, da es an der Personenverschiedenheit zwischen Handelndem und Abgebildetem fehlt. Im Gegensatz dazu kommt es bei den Handlungsvarianten des „Anbietens“ und des „Verschaffens“ mit Blick auf den Wortlaut des § 201a Abs. 3 StGB einzig darauf an, dass Täter und abgebildete Person voneinander abweichen. Ob die fragliche Aufnahme eine Selbstaufnahme oder eine Fremdaufnahme darstellt, ist für die strafrechtliche Bewertung unbeachtlich. Das verwirklichte Unrecht liegt bei diesen Tatbestandsvarianten nicht in der erstmaligen Schaffung einer solchen Aufnahme, sondern in dem marktmäßigen Handel mit entsprechenden Bildern und der Degradierung der abgebildeten Minderjährigen zu Waren. Gerade in den Fällen des „Sextings“, wenn ein Jugendlicher eine Selbstaufnahme, die seine Nacktheit zum Gegenstand hat, einer anderen Person übersendet und diese das ihm entgegengebrachte Vertrauen missbraucht und die Aufnahme weiteren Personen gegen eine Entgeltzahlung anbietet, darf eine Strafbarkeit nicht davon abhängen, ob das Bild durch den Minderjährigen selbst oder mit Hilfe eines anderen entstanden ist. Nur wenn von den Weitergabevarianten auch Selbstaufnahmen in den Schutzbereich miteinbezogen werden, kann der Gefahr des Verlusts der Kontrolle über das optisch perpetuierte Erscheinungsbild408 wirksam entgegengetreten werden.

V. Erkennbarkeit Anders als bei einem Bildnis i. S. d. §§ 22 ff. KUG ist es für die Eröffnung des persönlichen Schutzbereichs des strafrechtlichen Bildnisschutzes unbeachtlich, ob die abgebildete Person erkennbar ist.409 Eine einschränkende Auslegung des Tatobjekts bei § 201a StGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Telos oder sonstigen Erwägungen. Es schadet der Bejahung des Merkmals einer „Bildaufnahme“ nicht, wenn die abgebildete Person aufgrund nachträglicher Re407

Hüneke, ZJJ 2016, 135. BR-Drucks. 127/14, S. 8. 409 Ernst, NJW 2004, 1277, 1278; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 5; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 5; a. A. Gola, RDV 2004, 215, 216; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 29, Rn. 83. 408

F. Persönlicher Schutzbereich

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tuschen, Unschärfen innerhalb der Aufnahme oder einem durch den Täter bewusst gewählten Winkel nicht identifizierbar ist.410 Liegt im konkreten Fall eine Aufnahme vor, auf Grundlage derer eine Identifikation der abgebildeten Person nicht möglich ist, kann es – trotz Bejahung eines tauglichen Tatobjekts – dennoch an einer Strafbarkeit fehlen. Eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs ist aufgrund der Unmöglichkeit der Zuordnung der Aufnahme zu einem konkreten Opfer in solchen Konstellationen nicht gegeben.411 Durch kleine Besonderheiten, wie Narben, Leberflecken oder Tätowierungen, sind in der Praxis Aufnahmen jedoch häufig konkreten Person zuordenbar.

VI. Fazit Der persönliche Schutzbereich des § 201a StGB wurde durch das 49. StÄG kaum merklich modifiziert. Dieser umfasst immer noch eine andere Person jeglichen Alters. Einzige Ausnahme ist Absatz 3, der nur Personen unter achtzehn Jahren mit seinem Schutzbereich erfasst. Enthielt der Regierungsentwurf zum 49. StÄG noch keine derartige Altersbegrenzung bei Nacktaufnahmen, wurde dies bei der endgültigen Gesetzesfassung eingefügt, da vor allem Minderjährige im unbekleideten Zustand besonders schutzbedürftig erschienen412. Das Schutzbedürfnis einer, unabhängig ihres Alters, unbefugt abgebildeten Person wird nicht dadurch eingeschränkt, dass der Täter mit auf der Bildaufnahme zu sehen ist oder dass weitere Personen ebenfalls auf der fraglichen Bildaufnahme abgebildet worden sind, da es möglich und mit dem Gesetzeswortlaut des § 201a StGB vereinbar ist, dass mehrere Personen gleichzeitig als Tatobjekte innerhalb ein und derselben Bildaufnahme in Betracht kommen.413 Dass Selbstaufnahmen von den Weitergabevarianten des § 201a StGB umfasst sind,414 ist mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Bildaufnahmetechniken positiv zu bewerten. Gerade Fälle des Cybermobbings können nur umfassend strafrechtlich sanktioniert werden, wenn es unbeachtlich ist, wer ursprünglich die ansehensgefährdende Bildaufnahme hergestellt hat. Auch aus dem Aspekt der Rechtssicherheit erscheint dieses Ergebnis begrüßenswert, da sonst eine Strafbarkeit regelmäßig vom Zufall abhängig und entscheidend wäre, ob die abgebildete Person die Aufnahme selbst mit Hilfe eines Selfie-Sticks hergestellt oder sich der Hilfe eines Freundes bedient hat. Eine Beschränkung des Schutzbereichs bei den 410

A. Koch, GA 2005, 589, 595. Ausführliche Darstellung im 4. Kapitel, A., II., 4. 412 Ausführliche Darstellung der Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen in BTDrucks. 18/2601, S. 36 f. 413 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 184. 414 A. A. Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 29. 411

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

Weitergabevarianten des § 201a StGB auf Fremdaufnahmen würde des Weiteren zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führen. Die Erfassung der bildlichen Darstellung von privaten Räumlichkeiten – wie dies bereits § 146 Abs. 2 StGB-AE beinhaltet hat – und von privaten Gegenständen durch den strafrechtlichen Bildnisschutz wäre notwendig gewesen, um einen umfassenden Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten. Eine derartige Strafbarkeitserweiterung ist weder im Rahmen des 36. StÄG, noch innerhalb der Gesetzesbestrebungen zum 49. StÄG diskutiert worden. Ebenfalls zu kritisieren ist die fehlende Erfassung von Bildaufnahmen bereits verstorbener Personen sowie der Verwendung von Bildaufnahmen nach dem Tod einer abgebildeten Person. Diese Strafbarkeitslücken wurden bereits nach der Einführung des § 201a StGB a. F. in der Literatur aufgezeigt und stark kritisiert.415 Der Gesetzgeber hat bedauerlicherweise diese Lücken innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch das 49. StÄG nicht geschlossen.416 Es ist abzuwarten, ob der angemessen erscheinenden Forderung nach einer Strafbarkeitserweiterung im Bereich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes entsprechend dem Gesetzesentwurf der Länder Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen417 in absehbarer Zeit nachgekommen wird.418

G. Problem 5: Notwendigkeit einer Versuchsstrafbarkeit Der Vorschlag, eine Versuchsstrafbarkeit innerhalb des § 201a StGB zu normieren, war bereits in einigen, dem strafrechtlichen Bildnisschutz zugrunde liegenden Gesetzesentwürfen enthalten. Eingeführt wurde diese allerdings bis heute nicht. Bereits 1971 wurde mit § 146 Abs. 4 StGB-AE vorgeschlagen, auch die versuchte Herstellung oder Übertragung von Bildaufnahmen zu pönalisieren.419 Knapp 30 Jahre nach diesem Vorstoß enthielten neben dem Gesetzesentwurf der FDP-Fraktion auch die Entwürfe des Landes Baden-Württemberg, der CDU/ CSU-Fraktion sowie des Bundesrats zum 36. StÄG einen die Versuchsstrafbarkeit anordnenden Absatz.420 Eine Begründung der Notwendigkeit der Strafbar415 Vgl. Kühl, AfP 2004, 190, 195; Flechsig, ZUM 2004, 605, 613; Hoppe, GRUR 2004, 990, 993 f.; Sauren, ZUM 2005, 425, 430 f. 416 Im Ergebnis wie Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 20. 417 Vgl. BR-Drucks. 226/16. 418 Am 2.3.2018 wurde der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) – Effektive Bekämpfung von sogenannten Gaffern sowie Verbesserung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen“ vom Bundesrat mit dem gleichem Wortlaut wie 2016 (BR-Drucks. 226/16 Beschluss) beschlossen und in den Bundestag eingebracht, Stenografischer Bericht der 965. Sitzung des Bundesrates vom 2.3.2018 – Plenarprotokoll 965, S. 41. Vgl. auch BR-Drucks. 41/18. 419 Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 32. 420 BT-Drucks. 15/361, S. 4; BT-Drucks. 15/533, S. 4; BT-Drucks. 15/1891, S. 7.

G. Notwendigkeit einer Versuchsstrafbarkeit

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keitsvorverlagerung blieben, ausgenommen des Alternativentwurfs,421 jedoch alle Entwürfe schuldig. Als 2014 die Reformbestrebungen mit Blick auf § 201a StGB einsetzten, wurde auf eine mögliche Strafbarkeitsvorverlagerung durch die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit weder in den mündlich geführten Debatten, noch in den einzelnen Gesetzesentwürfen eingegangen. Erst im Mai 2016, nachdem der neu gefasste § 201a StGB bereits über ein Jahr in Kraft war, wurde eine Strafbarkeitsvorverlagerung in Form einer Versuchsstrafbarkeit in dem von den Ländern Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin eingebrachten Gesetzesentwurf zur effektiven Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ sowie der Verbesserung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen diskutiert.422 Da es sich bei allen Tatvarianten des § 201a StGB um Vergehen gem. § 12 Abs. 2 StGB handelt, ist eine Versuchsstrafbarkeit nicht von vornherein gegeben, sondern müsste ausdrücklich durch das Gesetz bestimmt sein. Da es aktuell an einer derartigen Regelung fehlt, ist zunächst darzustellen, welche Verhaltensweisen in der Praxis von einer solchen Strafbarkeitsvorverlagerung überhaupt erfasst wären, um anschließend die Notwendigkeit einer derartigen Strafbarkeitserweiterung umfassend diskutieren zu können.

I. Auswirkungen einer hypothetischen Versuchsstrafbarkeit auf den strafrechtlichen Bildnisschutz durch § 201a StGB Um die Auswirkungen einer hypothetischen Versuchsstrafbarkeit innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes bewerten zu können, ist entscheidend, ab wann ein unmittelbares Ansetzen für die einzelnen Handlungsvarianten und somit der Versuchsbeginn angenommen werden könnte. „Unmittelbares Ansetzen“ liegt der gemischt-subjektiv-objektiven Theorie folgend immer dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung durch sein Verhalten eine Ursachenkette in Gang setzt, die bei ungestörtem Geschehensablauf, ohne dass wesentliche Zwischenschritte noch notwendig sind, ungehindert die Tatbestandserfüllung herbeiführt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet, sodass das Opfer bereits konkret gefährdet erscheint und der Täter bei der Handlung subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten hat.423 Dieses Begriffsverständnis zugrunde gelegt wird bei allen Tatvarianten des § 201a StGB, welche die „Herstellung“ einer Bildaufnahme sanktionieren, ein unmittelbares Ansetzen immer anzunehmen sein, sobald der Handelnde die zur Abbildung bestimmte Person durch eine aufnahmebereite Kamera oder ein sons421

Vgl. Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 35. BR-Drucks. 226/16, S. 2; BT-Drucks. 18/9327, S. 8. 423 BGH, 7.8.2014 – 3 StR 104/14, NStZ 2015, 207; OLG Hamburg, 15.2.2012 – 1-56/11, StV 2013, 216; Hoffmann-Holland, in: MüKo, § 22, Rn. 109 ff. 422

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3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

tiges zur bildlichen Aufnahme bereites Gerät betrachtet, das ausgewählte Zielobjekt erfasst und für das beabsichtigte „Abdrücken“ fokussiert.424 Dabei ist es für die rechtliche Bewertung unerheblich, ob die tatsächliche Herstellung der Aufnahme durch Dritte – wie beispielsweise Rettungskräfte oder Polizisten an einem Unfall – unterbunden worden ist und es auf Grund des Dazwischentretens zu keinem Auslösen der Kamera kam oder ob technische Probleme die vollendete Bildherstellung verhindert haben.425 Dass der Verletzungserfolg tatsächlich nicht eingetreten ist, ist in derartigen Konstellationen auf ein Zufallsereignis zurückzuführen, dessen Hinzutreten dem Fotografen nicht zu Gute gehalten werden kann. Der Besitz, wie auch das nicht zur Aufnahme bestimmte Beisichführen von Kameras oder sonstigen Aufnahmegräten, führt im Gegensatz dazu jedoch nicht zu einer konkreten Rechtsgutsgefährdung für Dritte, sodass darin kein unmittelbares Ansetzen zur „Herstellung von Bildaufnahmen“ gesehen werden kann.426 Bei an Drohnen installierten Kameras, die Bildaufnahmen selbständig und ohne weiteres menschliches Zutun ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme produzieren, ist die Schwelle zum Versuchsstadium bereits in der Installation dieser und dem Losfliegen der Drohne zu sehen, soweit das Aufnahmegerät von dem Agierenden so eingestellt und programmiert worden ist, dass ab Flugbeginn der selbständige Aufzeichnungsprozess startet. Entscheidendes Kriterium für die Bewertung des unmittelbaren Ansetzens innerhalb der „Herstellungsvarianten“ des strafrechtlichen Bildnisschutzes ist somit, ob sich der Agierende konkret anschickt, eine Aufnahme herzustellen. Zu der Tatvariante des „Übertragens“ einer Bildaufnahme wird mit Blick auf die obigen Ausführungen dann unmittelbar angesetzt, wenn der Handelnde alles Notwendige für die bildliche Aufnahme einer anderen Person vorbereitet und er die von dem aufnahmebereiten Gerät ausgehende Übertragungsleitung bereits in Gang gesetzt hat.427 Unmittelbar zum „Gebrauchen“ einer Bildaufnahme setzt an, wer an einem Computer bereits in einem Bearbeitungsprogramm die Bildaufnahme geöffnet oder den Kopier- bzw. Screenshotbefehl erteilt hat, es allerdings noch zu keiner tatsächlichen Ausnutzung der technischen Möglichkeiten des Bildträgers gekommen ist.428 Da die Tatvariante des „Zugänglichmachens einer Bildaufnahme gegenüber Dritten“ einzig verlangt, dass die entsprechende Aufnahme den internen Bereich 424 Kühl, AfP 2004, 190, 195; ders., in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 219; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 189. 425 BR-Drucks. 226/16, S. 6; BT-Drucks. 18/9327, S. 11. 426 Flechsig, ZUM 2004, 605, 608. 427 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 189. 428 Ebenso Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 189.

G. Notwendigkeit einer Versuchsstrafbarkeit

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verlassen hat und in die Außenwelt getreten ist und dadurch die abgebildete Person der Gefahr einer unbeherrschbaren Verbreitung ausgesetzt wird, liegt eine versuchte Handlung in derartigen Konstellationen dann vor, wenn der Agierende alles Notwendige für die Verbreitung getan hat. Bei elektronischen Dateien kann dies immer dann angenommen werden, wenn mit dem Hochladen der Daten, beispielsweise innerhalb eines Messenger-Portals oder auf eine Internetplattform, begonnen wurde. Bei der Tatvariante des „Anbietens“ kann die Überschreitung der Versuchsschwelle nicht bereits schon im Zeitpunkt der Angebotserstellung gesehen werden, sondern erst, wenn dessen Übermittlungsprozess tatsächlich in Gang gesetzt worden ist. Der Versuch des „Verschaffens“ einer Bildaufnahme wird erst dann zu bejahen sein, wenn die in Frage stehende Aufnahme zum Versand aufgegeben wurde bzw. bei digitalen Aufnahmen der Up- bzw. Download-Prozess der Bilddateien begonnen hat und noch nicht abgeschlossen ist. Das aktive Suchen nach einer Up- oder Download-Möglichkeit im Internet kann hingegen noch nicht als unmittelbares Ansetzen zu der Handlungsvariante des „Verschaffens“ bewertet werden, da noch keine konkrete Gefährdung für ein individualisierbares Rechtsgut besteht und der Handelnde noch nicht die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten hat. Diese Bewertung ist mit Blick auf die Konstellationen der automatischen Speicherung von Bilddateien als Thumbnails oder innerhalb eines Cache-Speichers vereinbar, da ein unmittelbares Ansetzen in derartigen Konstellationen erst im Zeitpunkt des Ladens der tatsächlichen Internetseite oder des vergrößerten Bildes angenommen werden kann.

II. Notwendigkeit und Gebotenheit einer Versuchsstrafbarkeit Gegen die Sanktionierung des Versuchs innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes wird die umfassende Strafbarkeitsvorverlagerung angeführt, die mit einer solchen Regelung zusammenhinge.429 Durch eine derartige Vorverlagerung der Strafbarkeit bei § 201a StGB komme es – nach Ansicht der Vertreter dieser restriktiven Meinung – zu einem zu weitreichenden Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährt wird.430 Ein derartiger Eingriff durch strafrechtliche Normierungen müsse verfassungsrechtlich besonders gerechtfertigt sein, um nicht in unzulässiger Weise mit dem Übermaßverbot zu kollidieren. Daneben gäbe es außerhalb der Grenzen des § 23 Abs. 1 Alt. 1

429 Pollähne, KritV 2003, 387, 417; Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110, 113; Eisele, JR 2005, 6, 11; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 191. 430 Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 136.

182

3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

StGB auch kein allgemeines strafrechtliches Prinzip, den Versuch einer Tat zu pönalisieren, sodass die strafrechtliche Sanktionierung von Verhaltensweisen, die noch zu keiner tatsächlichen Rechtsgutsverletzung geführt haben, besonders legitimierungsbedürftig sei.431 Entsprechende Begründungsversuche seien von den Versuchsbefürwortern allerdings unterlassen worden.432 Auch sei die Notwendigkeit einer Versuchsstrafbarkeit innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht ersichtlich.433 Des Weiteren wird von den Gegnern einer Versuchsstrafbarkeit vorgebracht, dass es sich bei § 201a StGB um ein Gefährdungsdelikt mit einer geringen Strafandrohung handele und es somit nicht geboten erscheine, dessen Strafbarkeit im Rahmen eines Versuchsdelikts auszudehnen.434 Als Hauptargument für eine Versuchsnormierung wird seit dem Alternativentwurf von 1971 vorgebracht, dass eine Sanktionierung innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes ohne eine derartige Strafbarkeitsvorverlagerung oftmals vom Zufall abhinge.435 Mit einer ausdrücklich angeordneten Versuchsnormierung innerhalb des § 201a StGB wäre es für die Tatbestandsverwirklichung nicht mehr entscheidend, ob eine Person eine festinstallierte Kamera richtig justiert und programmiert hat oder ob beispielsweise Rettungskräfte an einem Unfallort noch rechtzeitig einschreiten konnten, um das Durchdrücken des Kameraauslösers durch einen Gaffer zu verhindern436. Solch ein zufälliges Dazwischentreten Dritter oder einzig technischer Unverstand auf Seiten des Handelnden beseitige – nach Ansicht der Befürworter einer Versuchsstrafbarkeit – zwar den konkreten Erfolgseintritt, nicht jedoch die kriminelle Energie, die eine entsprechend agierende Person in sich trage und die sie zu solchen Verhaltensweisen bewegt habe.437 Weder die Gefährdung für das geschützte Rechtsgut, noch die Strafbedürftigkeit derartiger Handlungen werde dadurch aufgehoben.438 Letztlich dürfe die Strafbarkeit einer Person nicht von zufälligen Ereignissen abhängig gemacht werden, sondern nur von ihrem tatsächlichen Verhalten und der sich manifestierenden kriminellen Energie.439

431

Pollähne, KritV 2003, 387, 417. Pollähne, KritV 2003, 387, 417. 433 Pollähne, KritV 2003, 387, 417. 434 BT-Drucks. 15/2466, S. 4; Pollähne, KritV 2003, 387, 417; Flechsig, ZUM 2004, 605, 608; Eisele, JR 2005, 6, 11. 435 BR-Drucks. 226/16, S. 6; BT-Drucks. 18/9327, S. 11; Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 35; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 137; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 191. 436 BR-Drucks. 226/16, S. 6. 437 BR-Drucks. 226/16, S. 6; BT-Drucks. 18/9327, S. 11; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 137. 438 Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 35. 439 Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 137. 432

G. Notwendigkeit einer Versuchsstrafbarkeit

183

Daneben spreche auch der Grundgedanke der Einheit der Rechtsordnung für eine Versuchsstrafbarkeit bei § 201a StGB.440 So wurde mit der Einführung des § 201a StGB a. F. auch das Ziel eines Gleichlaufs der Sanktionierung von unbefugten Bild- und Tonaufnahmen verfolgt, sodass es mit Blick auf § 201 Abs. 4 StGB geboten erscheine, die Strafbarkeit innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf versuchte Handlungsweisen auszudehnen.441 Der Versuchsstrafbarkeit bei § 201 StGB, der dem 2004 neu eingefügten § 201a StGB a. F. teilweise Pate gestanden hat, liege der Gedanke zugrunde, dass die Strafbarkeit einer Person gerade nicht vom Zufall und der technischen Funktionstüchtigkeit des verwendeten Aufnahmegeräts abhängig gemacht werden dürfe.442 Das Abhören eines vertraulich gesprochenen Worts und das Herstellen von Bildaufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich einer anderen Person stellen einen gleichermaßen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar.443 Daneben müsse bei der erfolgreichen Herstellung von Bildaufnahmen, ähnlich wie beim Abhören eines vertraulich gesprochenen Worts, auch eine Vielzahl von Komponenten zusammenspielen und bereits kleinste, zufällig auftretende Umstandsänderungen könnten den Erfolgseintritt vereiteln. Des Weiteren spreche für die Versuchsstrafbarkeit bei § 201a StGB dessen in sonstiger Weise sehr eng gefasster Tatbestand.444 Restriktive Tatbestandsmerkmale, wie der Räumlichkeitsbezug, der Entgeltbegriff oder auch die Sozialadäquanzklausel in § 201a Abs. 4 StGB tragen dazu bei, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit auf ein Mindestmaß zu minimieren und die Strafbarkeitsvorverlagerung mit verfassungsrechtlich gewährten Freiheiten in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. Wenn im konkreten Einzelfall dennoch ein beispielsweise misslungener Schnappschuss auf einer Party oder eine Handlung mit geringer krimineller Energie vorläge und die Gefährlichkeit für das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person als gering einzustufen sei, könne auf die als zu weitreichend wirkende Versuchssanktionierung korrigierend auf Strafzumessungsebene gem. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB reagiert und Rücksicht genommen werden.445 Daneben scheine es möglich, auf die unerwünschte Erfassung weniger gefährlich anmutender Versuchshandlungen im Rahmen einer Einstel-

440

Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 138. Vgl. im Ergebnis Kühl, AfP 2004, 190, 195; ders., in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 219; a. A. Pollähne, KritV 2003, 387, 417. 442 Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 137. 443 Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 169. 444 Wolter, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 225, 233; a. A. Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110, 113. 445 Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 35. 441

184

3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

lung nach den Normen der StPO sowie einem Strafantragserfordernis zu begegnen.446 Auch die mit einer Strafbarkeitsvorverlagerung verbundene Stärkung des von § 201a StGB ausgehenden generalpräventiven Effekts zeige die Notwendigkeit wie auch Gebotenheit einer solchen Pönalisierung auf.447 So erscheine es nach Einführung einer Versuchsstrafbarkeit möglich, die verwendeten Aufnahmegeräte gem. § 201a Abs. 5 StGB bereits ab einem früheren Zeitpunkt einzuziehen als auf Grundlage der aktuellen Gesetzesfassung.448 Gerade der möglicherweise bereits bei einer versuchten Tatbegehung drohende Verlust des Aufnahmegeräts, wie beispielsweise des Smartphones oder des Tablets, stelle in der heutigen Zeit, in der entsprechenden Geräten von einer Vielzahl von Personen eine besonders wichtige Bedeutung zugeschrieben wird, ein äußerst empfindliches Übel dar, das geeignet scheine, zukünftig auch andere als die betroffene Person vor entsprechenden Verhaltensweisen abzuhalten.449

III. Fazit Mit Blick auf die sich gegenüberstehenden Ansichten und Argumente in Bezug auf die Normierung einer Versuchsstrafbarkeit bei § 201a StGB erscheint eine solche Strafbarkeitsvorverlagerung notwendig, um die besondere Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes zu manifestieren und den höchstpersönlichen Lebensbereich sowie das Recht am eigenen Bild umfassend vor sozialethisch verwerflichen Verhaltensweisen schützen zu können. Die von den Gegnern einer Versuchsstrafbarkeit bei § 201a StGB vorgebrachten Begründungsansätze wirken hingegen nicht überzeugend. Der Argumentation, es handele sich bei § 201a StGB ausschließlich um ein Gefährdungsdelikt mit einer geringen Strafandrohung, sodass es nicht geboten erscheine, dessen Strafbarkeit im Rahmen eines Versuchsdelikts auszudehnen, kann nicht Folge geleistet werden. Dieses Argument ist mit Blick auf § 201a StGB und die sonstige Systematik des Besonderen Teils des StGB in Bezug auf den Umgang mit der Versuchssanktionierung bei Vergehen kaum haltbar. Zunächst handelt es sich bei § 201a StGB, ausgenommen des Absatzes 2, um kein Gefährdungsdelikt.450 Zudem wäre die Bewertung des § 201a StGB als Gefähr446 Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 35; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 139. 447 BR-Drucks. 226/16, S. 6; BT-Drucks. 18/9327, S. 11. 448 BR-Drucks. 226/16, S. 6; BT-Drucks. 18/9327, S. 11. 449 Plenarprotokoll 946, S. 246. 450 Die gleiche Ansicht zur alten Rechtslage vertreten Kargl, ZStW 117, 324, 343; Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Kunig/Nagata, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsfreiheit in Japan und Deutschland, 155, 156; a. A. in Bezug auf § 201a StGB a. F.

G. Notwendigkeit einer Versuchsstrafbarkeit

185

dungsdelikt für eine Versuchssanktionierung nicht von vornherein schädlich, da eine solche Strafbarkeitsvorverlagerung innerhalb derartiger Deliktsgruppen nicht ausgeschlossen ist, wie dies beispielsweise die §§ 176 Abs. 6, 315 b Abs. 2 StGB oder § 306 a Abs. 2 StGB i.V. m. § 23 Abs. 1, Alt. 1 StGB zeigen. Auch schadet eine geringe Strafandrohung einer Versuchsnormierung nicht.451 So zeigt § 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB, dass es möglich ist, den Versuch eines Vergehens, das sich typischerweise durch eine geringere Strafandrohung auszeichnet, zu pönalisieren. Diese Normierung stellt nicht nur eine theoretische Möglichkeit, die keinerlei praktische Relevanz aufweist, dar. So kennt der Besondere Teil des StGB mit den §§ 104 Abs. 2, 160 Abs. 2, 169 Abs. 2, 303 Abs. 3 StGB einige Versuchsnormierungen für Tatbestände, die den gleichen Strafrahmen wie § 201a StGB aufweisen. Mit Blick auf die mit einer Versuchsnormierung einhergehenden erweiterten Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit ist den Gegnern einer Versuchsstrafbarkeit bei § 201a StGB soweit zuzustimmen, dass eine solche Strafbarkeitsvorverlagerung einer besonderen Rechtfertigung und Begründung bedarf. Allerdings kann diesen Stimmen – mit Blick auf die obigen Ausführungen – nicht zugestimmt werden, wenn sie den Befürwortern das Unterlassen jeglicher Begründungsbemühungen unterstellen. Neben den bereits dargestellten Aspekten ist ergänzend anzuführen, dass eine Versuchsstrafbarkeit innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes auch nicht mit der sonstigen Ausgestaltung des § 201a StGB unvereinbar wäre. So würde es durch eine Strafbarkeitsvorverlagerung nicht zu einer versteckten Pönalisierung des „frechen Blicks“ kommen. Anders als bei der Beobachtung eines anderen, auch mit Hilfe von technischen Geräten, will eine Person, die eine Bildaufnahme herzustellen versucht, durch ihr Verhalten einen flüchtigen Moment perpetuieren. Der Unrechtsgehalt in einem derartigen Verhalten übersteigt den des Beobachtens um ein Vielfaches. Problematisch könnte die Beweisbarkeit des straffreien Beobachtens mit technischen Mitteln im Verhältnis zum strafbaren Versuch sein. Als entscheidende Abgrenzungskriterien wäre im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls jedoch zu überprüfen, ob in dem fraglichen Verhalten bereits ein Anschicken zur Bildherstellung gesehen werden könnte und der Perpetuierungswille des Handelnden sich in seinem tatsächlichen Verhalten manifestiert hat. Festzuhalten bleibt, dass durch die Normierung einer Versuchsstrafbarkeit bei § 201a StGB die Strafbarkeitsschwelle im Rahmen des strafrechtlichen BildnisBT-Drucks. 15/2466, S. 4; Hoppe, GRUR 2004, 990, 991; A. Koch, GA 2005, 589, 592. Ebenfalls die Meinung vertretend, es handele sich bei § 201a StGB n. F. um ein Gefährdungsdelikt Bosch, Jura 2016, 1380, 1381; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 2; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 15; a. A. Wieduwilt, K&R 2015, 83, 84, der einzig in § 201a Abs. 2 StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt sieht. 451 Ebenso Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 190.

186

3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

schutzes nicht derart weit vorverlagert würde, dass diese mit dem Übermaßverbot unvereinbar wäre. Gerade die Notwendigkeit eines umfassenden Persönlichkeitsschutzes vor unbefugten Bildaufnahmen452 und die Stärkung der generalpräventiven Aspekte453, die mit einer solchen Strafbarkeitsvorverlagerung verbunden wären, lassen diese als notwendige, bis jetzt jedoch unterlassene Strafbarkeitserweiterung erscheinen. Gerade die Fälle des pietätlosen Fotografierens von Unfall- oder Katastrophenopfern lassen das Bedürfnis nach einer Versuchsstrafbarkeit nochmals deutlich werden. So häufen sich in der letzten Zeit Aufsehen erregende Fälle von Schaulustigen und „Katastrophentouristen“.454 So beispielsweise im Frühjahr 2016 in Hagen, als ein kleines Mädchen von einem Auto angefahren wurde und die Polizei mit einem Polizeihund die „Gaffer“ von der Unglücksstelle fernhalten mussten, damit die Rettungskräfte dem Kind helfen konnten455. Wäre es möglich, bereits den Herstellungsversuch von entsprechenden Bildaufnahmen strafrechtlich zu sanktionieren, könnten sich derartige Personen vor einer möglicherweise drohenden Strafbarkeit nicht mehr rausreden, indem sie behaupten, es wäre aufgrund des Einschreitens Dritter noch zu keinem Auslösen gekommen456 oder das Aufnahmegerät wäre nicht funktionstüchtig gewesen457. Auch wäre es möglich, die Aufnahmegeräte einzuziehen, unabhängig davon, ob es bereits zu einer vollendeten Bildherstellung gekommen ist. Die gesetzgeberische Entscheidung, mit dem 49. StÄG keine Versuchssanktionierung in § 201a StGB zu normieren, erscheint weder angemessen, noch mit Blick auf die dargestellten Argumente verständlich. Der Gesetzesentwurf der Länder Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stellt einen notwendigen und gebotenen Schritt dar, um die aufgezeigten Unsicherheiten innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes zu beenden. Es wäre begrüßenswert, wenn diesem Entwurfsvorschlag in absehbarer Zeit durch den Gesetzgeber Folge geleistet würde.

H. Änderungen innerhalb des § 205 StGB und § 374 StPO durch das 49. StÄG I. § 205 StGB Durch das 49. StÄG wurden nicht nur der Wortlaut sowie der Anwendungsbereich des § 201a StGB reformiert, sondern es wurden auch Änderungen auf prozessualer Ebene in Bezug auf den strafrechtlichen Bildnisschutz vorgenommen. 452 453 454 455 456 457

Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 139. BR-Drucks. 226/16, S. 6; BT-Drucks. 18/9327, S. 11. Vgl. Plenarprotokoll 945, S. 191. Frei, Augsburger Allgemeine Zeitung 22.6.2016, 3. BT-Drucks. 18/9327, S. 11. Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 35.

H. Änderungen innerhalb des § 205 StGB u. § 374 StPO durch 49. StÄG

187

Stellte § 201a StGB vor der Reformierung im Jahr 2015 noch ein absolutes Antragsdelikt dar, wurde diese Strafverfolgungsbegrenzung teilweise aufgehoben. Nach § 205 Abs. 1 S. 2 StGB ist ein Strafantrag durch die abgebildete Person immer noch eine nötige Voraussetzung für die Strafverfolgung, ausgenommen die Strafverfolgungsbehörden halten wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Tat ein Einschreiten von Amts wegen im konkreten Fall für geboten. § 201a StGB wurde mit der Änderung des § 205 Abs. 1 S. 2 StGB somit zu einem relativen Antragsdelikt umgewandelt. Dieser Verzicht auf ein absolutes Antragserfordernis erscheint mit Blick auf die neu in den strafrechtlichen Bildnisschutz eingefügten Tatvarianten als konsequente und notwendige Folge. Ohne diese Formulierung in § 205 Abs. 1 S. 2 StGB würde vor allem § 201a Abs. 3 StGB aus praktischen Gesichtspunkten regelmäßig ins Leere laufen, da die abgebildeten Kinder und Jugendlichen häufig nicht bekannt sein werden, keinerlei Kenntnis von ihrer Abbildung haben oder sonstige Gründe, wie Scham oder Angst, einem Strafantrag im Wege stehen könnten.458 Durch die Einordnung des § 201a StGB als relatives Antragsdelikt ist es für die Betroffenen allerdings weiterhin möglich, frei über ein Strafverfahren zu entscheiden, soweit ein Einschreiten von Amts wegen nicht notwendig erscheint. Diese Entscheidungsfreiheit ist vor allem mit Blick auf § 201a Abs. 1, Abs. 2 StGB notwendig und angemessen, da nur so die betroffene Person die Möglichkeit erhält, frei darüber zu entscheiden, ob sie die mentalen Strapazen einer Strafverfolgung, die erweiterte Kenntnisnahme des Bildinhalts durch die Prozessbeteiligten und die nachträgliche umfassende Offenlegung der persönlichkeitsverletzenden Geschehensabläufe in Kauf nehmen möchte und kann. In den Bereichen reputationsgefährdender oder den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person verletzender Bildaufnahmen handelt es sich um persönliche und sehr private Einblicke in das Leben der abgebildeten Person, sodass eine unbedingte Strafverfolgung, in der der komplette Geschehensablauf nochmals nachgebildet und Dritten offengelegt wird, der betroffenen Person nicht unaufgefordert zugemutet werden kann. Die bereits bestehenden psychischen Belastungen könnten durch ein derartiges Vorgehen im Einzelfall noch weiter intensiviert werden, sodass es notwendig und richtig erscheint, die Entscheidung bzgl. einer Strafverfolgung bei fehlendem öffentlichen Interesse den Betroffenen zu überlassen.

II. § 374 StPO Wurde die unterschiedliche Behandlung des § 201a StGB a. F. und § 33 KUG mit Blick auf die Privatklageberechtigung von einzelnen Stimmen innerhalb der Literatur in den letzten Jahren stark kritisiert und für die Aufnahme des straf458

BT-Drucks. 18/2601, S. 39.

188

3. Kap.: Der strafrechtliche Bildnisschutz

rechtlichen Bildnisschutzes in den Katalog des § 374 Abs. 1 StPO plädiert,459 kam der Gesetzgeber mit dem 49. StÄG auch dieser Forderung nach. Durch die Aufnahme des § 201a Abs. 1, Abs. 2 StGB in die Aufzählung des § 374 Abs. 1 StPO ist es für die Betroffenen unbefugt hergestellter oder verbreiteter den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzende oder reputationsgefährdender Bildaufnahmen nun möglich, ohne vorgängige Anrufung der Staatsanwaltschaft oder bei mangelndem öffentlichen Interesse im Wege einer Privatklage das Geschehen zu verfolgen.460 Diese teilweise Durchbrechung des Offizialprinzips im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes und die Gewährung der Möglichkeit für den Verletzten, den staatlichen Strafanspruch selbst zu verfolgen, erscheint begrüßenswert. So lassen einerseits die Nähe zu den Beleidigungsdelikten461 – die ebenfalls in § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO aufgeführt sind – wie auch der in § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO aufgeführte § 33 KUG die Aufnahme des strafrechtlichen Bildnisschutzes in den Katalog der Privatklagedelikte geboten erscheinen. Andererseits kann nur so ein umfassender Persönlichkeitsschutz vor jeglicher Art von Bildaufnahmen sichergestellt werden, da eine Strafverfolgung somit auf jeden Fall erfolgen kann, wenn die betroffene Person diesbezüglich Interesse zeigt, unabhängig davon, ob die in Frage stehende Bildaufnahme die Allgemeinheit tangiert und ein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Die Gefahr, dass einzelne Tatbegehungen ungesühnt bleiben, obwohl der Betroffene ein entsprechendes Vorgehen befürwortet, wurde somit eingedämmt.

459 So beispielsweise Pollähne, KritV 2003, 387, 417; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 142 f. 460 Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 35 verkennt in seiner aktuellen Kommentierung zu § 201a StGB n. F. diesen Umstand, wenn er davon ausgeht, dass „§ 201a StGB zwar ein Antragsdelikt, im Gegensatz zu § 33 KUG aber kein Privatklagedelikt“ ist. 461 BT-Drucks. 18/2601, S. 40.

4. Kapitel

Vereinbarkeit des § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen A. Problem 1: Bestimmtheitsgrundsatz „Nullum Crimen sine lege certa“ 1 – Nach dem in Art. 103 Abs. 2 GG und in § 1 StGB angelegten Bestimmtheitsgrundsatz müssen Straftatbestände von dem Gesetzgeber möglichst genau abgefasst werden, sodass es jedem Einzelnen möglich ist, im Vorhinein abschätzen zu können, welche Verhaltensweisen mit strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden und welche Strafe bei einer Zuwiderhandlung droht.2 Es muss dem Bürger durch eine klare und eindeutige Gesetzesformulierung die Möglichkeit gewährt werden, sich im Einzelfall bewusst für oder gegen die Einhaltung der vorgegebenen Verhaltensweisen zu entscheiden.3 Aus diesem verfassungsrechtlich verankerten Prinzip ist jedoch nicht die Folge zu ziehen, dass Begriffe, die allgemein gefasst oder neu in den Gesetzestext eingefügt worden sind, per se verfassungswidrig sind und dem Bestimmtheitsgrundsatz zuwiderlaufen. Entscheidendes Kriterium hat im Einzelfall immer zu sein, ob die in Frage stehenden Tatbestandsmerkmale im Wege einer Auslegung hinreichend konkretisiert werden können oder durch die Übernahme einer gefestigten Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit gewährt wird.4 „Auch im Strafrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, bei der Ausgestaltung der Straftatbestände der Vielfalt der zu erfassenden Sachverhalte Rechnung zu tragen. Es ist wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen unvermeidlich, daß [es] in Grenzfällen zweifelhaft sein kann, ob ein konkretes Verhal1

„Keine Strafe ohne ein bestimmtes Gesetz“. BVerfG, 21.6.1977 – 2 BvR 308/77, NJW 1977, 1815; BVerfG, 6.5.1987 – 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 341; BVerfG, 17.11.1992 – 1 BvR 168/89, 1 BvR 1509/89, 1 BvR 638/90, 1 BvR 639/90, BVerfGE 87, 363, 391; BVerfG, 23.6.2010 – 2 BvR 2559/ 08, NJW 2010, 3209, 3210; Hefendehl, JA 2011, 401, 403; Issa, Der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) und die Strafbarkeit von Stalking nach US-amerikanischem Recht am Beispiel Kaliforniens, S. 47 f.; Jones, Mobile internetfähige Geräte im Strafrecht, S. 72; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn. 72. 3 BVerfG, 6.5.1987 – 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 341. 4 BVerfG, 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371; BVerfG, 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3211; Issa, Der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) und die Strafbarkeit von Stalking nach US-amerikanischem Recht am Beispiel Kaliforniens, S. 48; Jones, Mobile internetfähige Geräte im Strafrecht, S. 72; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103, Rn. 72. 2

190

4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

ten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht“ 5. Wertausfüllende Begriffe sind somit auch im Strafrecht nicht per se verfassungswidrig.6 Umso schwerer die angedrohte Strafe jedoch ist, umso genauer muss der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen festlegen.7 Neben dem rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten vor unvorhersehbaren Sanktionierungen enthält Art. 103 Abs. 2 GG auch einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der Exekutive und Judikative verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Strafbarkeit festzulegen, und sicherstellt, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über jene entscheidet.8 Vor allem im Bereich der Bildaufnahmen liegen strafrechtlich relevante, lediglich moralwidrige9 und gesellschaftlich anerkannte Verhaltensweisen dicht nebeneinander. Einschränkungen auf Tatbestandsseite erschienen deshalb notwendig, um nicht mit dem Übermaßverbot zu kollidieren.10 Die entscheidenden Kriterien, die das 36. StÄG zu diesem Zweck eingeführt hat, sind der räumliche Rückzugsbereich, in dem sich das Opfer im Aufnahmezeitpunkt aufgehalten haben muss, sowie die Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“. Die Vereinbarkeit dieser Tatbestandsmerkmale mit dem Bestimmtheitsgebot wird seit Gesetzeseinführung von vielen Stimmen bezweifelt.11 Daneben ist § 201a Abs. 2 StGB, der durch das 49. StÄG in die Sanktionsnorm eingefügt worden ist und die Verbreitung von reputationsgefährdenden Bildaufnahmen sanktioniert, im Hinblick auf seine Bestimmtheit ebenfalls harscher Kritik ausgesetzt.12 5

BVerfG, 6.5.1987 – 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 341 f. Vgl. BVerfG, 6.5.1987 – 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 341. 7 BVerfG, 6.5.1987 – 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 342. 8 BVerfG, 17.11.1992 – 1 BvR 168/89, 1 BvR 1509/89, 1 BvR 638/90, 1 BvR 639/ 90, BVerfGE 87, 363, 391; Hefendehl, JA 2011, 401, 403. 9 So warnte Renzikowski, DRiZ 2014, 133 vor einem „Rückfall in ein moralisierendes Strafrecht“, wenn Nacktaufnahmen von Kindern, die objektiv gesehen keinen Sexualbezug aufweisen und nur bei einem beschränkten Adressatenkreis zu sexuellen Vorstellungen führen, durch eine Reformierung des § 201a StGB a. F. pönalisiert werden. 10 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 11 Vgl. Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110, 112; Borgmann, NJW 2004, 2133, 2134; Schertz, AfP 2005, 421, 427; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436, 439; Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441, 444 f.; Kargl, ZStW 117, 324, 336 f.; Mitsch, Jura 2006, 117, 119; Bosch, JZ 2005, 377, 379; ders., Jura 2016, 1380; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 14; Hegemann, in: Jacobs/Papier Hans-Jürgen/Schuster, Festschrift für Peter Raue, 445, 454 f.; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 375; Schwartmann/Ohr, Recht der Sozialen Medien, Rn. 172; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 17. 12 Vgl. R. Busch, NJW 2015, 977, 978; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 319; Seidl/ Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85; Hörnle, Protokoll-Nr. 18/28, S. 111; Gercke, CR 2014, 687, 690; Baumhöfener, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 139, 145; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 265; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 309; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 23; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 16. 6

A. Bestimmtheitsgrundsatz

191

I. Räumlicher Geltungsbereich Um dem Schutz des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu unterfallen, muss sich die abgebildete Person im Aufnahmezeitpunkt in einer „Wohnung“ oder einer „gegen Einblicke besonders geschützten Räumlichkeit“ aufgehalten haben. Ein strafrechtlicher Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen wird dem Abgebildeten im Rahmen dieser Tatbestandsvarianten nur in einem letzten räumlichen Rückzugsbereich gewährt. 1. Wohnung Laut der Gesetzesbegründung zum 36. StÄG sollen von dem Merkmal der „Wohnung“ neben der eigenen und der fremden Wohnung auch Gäste- und Hotelzimmer erfasst sein.13 Weitere Ausführungen zu der Begriffsbestimmung wurden in den Gesetzgebungsmaterialien zum 36. StÄG wie auch zum 49. StÄG unterlassen. Der Begriff der Wohnung ist dem Besonderen Teil des StGB allerdings nicht fremd und so erscheint es möglich, bei dessen Auslegung im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf bereits bestehende Ansichten und Ausführungen zu dem Merkmal der „Wohnung“ innerhalb anderer Sanktionsnormen zurückzugreifen. Neben § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB enthalten die §§ 123 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ebenfalls dieses Tatbestandsmerkmal. Problematisch erscheint nun allerdings, ob eine der bereits bestehenden Definitionen tatsächlich für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB abschließend herangezogen werden kann. Für die Auslegung des Wohnungsbegriffs bei § 123 Abs. 1 StGB wird auf eine klassische Definition des Reichsgerichts von 1885 zurückgegriffen.14 Unter dem Begriff der Wohnung versteht man hiernach den „Inbegriff der Räume, die einer Einzelperson [. . .] als Unterkunft dienen oder zur Benutzung freistehen“ 15. Entscheidend ist, dass die fragliche Räumlichkeit nicht in erster Linie einen Arbeitsraum darstellt, wobei es für die Bewertung eines Raums als Wohnung i. S. v. § 123 Abs. 1 StGB unbeachtlich ist, ob der Aufenthalt einer Person in der fraglichen Räumlichkeit auf längere Dauer oder nur vorübergehend angelegt ist.16 Nach diesem weiten Begriffsverständnis kann auch ein Hotelzimmer als „Wohnung“ des Gastes verstanden werden. Von dem Wohnungsbegriff des § 123 Abs. 1 StGB sind neben den klassischen „Wohnräumen“ auch Räumlichkeiten erfasst, die primär nicht zum Wohnen bestimmt sind, mit derartigen Räumlichkeiten jedoch in

13

BT-Drucks. 15/2466, S. 5. Behm, GA 2002, 153, 154. 15 RG, 16.4.1885 – Rep. 773/85, RGSt 12, 132. 16 Fischer, in: Fischer, § 123, Rn. 6; Heger, in: Lackner/Kühl, § 123, Rn. 3; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 123, Rn. 4; Stein/Rudolphi, in: SK-StGB, § 123, Rn. 11. 14

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

einer erkennbar funktionellen Beziehung stehen, wie dies beispielsweise bei Treppenhäusern, Kellerabteilen oder Garagen der Fall sein kann.17 Der Wohnungsbegriff bei § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird hingegen enger verstanden. Das Merkmal der „Wohnung“ wird bei dieser Sanktionsnorm nur bei Räumlichkeiten bejaht, die den Mittelpunkt des privaten Lebens darstellen.18 Anders als bei § 123 Abs. 1 StGB sind Nebenräume von diesem engen Wohnungsbegriff nur erfasst, wenn sie mit der dem Menschen dienenden Unterkunft in unmittelbaren räumlichen Zusammenhang stehen, sodass Kellerverschläge in einem Wohnblock oder eine mit den Wohnräumen nicht verbundene Garage nicht erfasst sind.19 Diese voneinander abweichende Bewertung lässt sich mit den unterschiedlichen Schutzzwecken der beiden Normen erklären. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB weist einen engen Schutzbereich auf, da Fälle des Diebstahls von der Qualifikation nur dann erfasst sein sollen, wenn das Täterverhalten als besonders verletzendes Eindringen in die Intimsphäre der betroffenen Person bewertet werden kann und das verwirklichte Unrecht über den Sachverlust hinausgeht.20 Anders ist dies beim Hausfriedensbruch zu bewerten, bei dem das individuelle Hausrecht als Teilbereich der persönlichen Handlungsfreiheit geschützt wird.21 Das Hausrecht erfasst die Befugnis einer Person frei entscheiden zu können, wer sich innerhalb des geschützten räumlichen Bereichs tatsächlich aufhält und gibt dem Inhaber die Möglichkeit, einen Rückzugsbereich zu schaffen, in dem er sich frei von jeglichen Zwängen entfalten kann und ungestört vor anderen ist.22 An welche der dargestellten Begriffsbestimmungen sich im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes angelehnt werden kann, ist auf Grundlage des Wortlauts des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht eindeutig feststellbar. So könnte für ein enges Begriffsverständnis entsprechend § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sprechen, dass § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB neben der „Wohnung“ als räumlichen Schutzbereich vor unbefugten Bildaufnahmen auch den „gegen Einblicke besonders geschütz17 Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 123, Rn. 4; Heger, in: Lackner/Kühl, § 123, Rn. 3; Fischer, in: Fischer, § 123, Rn. 6; Ostendorf, in: Nomos Kommentar, § 123, Rn. 21. Ein engeres Begriffsverständnis bei Behm, GA 2002, 153, 155, 158, der als Abgrenzungskriterium auf die Haustüre einer Wohnung abstellt. Ebenso auch Safferling, Marburg law review 2008, 36, 39. 18 OLG Schleswig, 10.4.2000 – 2 Ss 366/99, NStZ 2000, 479, 480; Behm, GA 2002, 153, 156; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 244, Rn. 11; Schmitz, in: MüKo, § 244, Rn. 60. 19 BGH, 22.2.2012 – 1 StR 378/11, NStZ 2013, 120, 121; OLG Schleswig, 10.4.2000 – 2 Ss 366/99, NStZ 2000, 479, 480; Behm, GA 2002, 153, 161; Fischer, in: Fischer, § 244, Rn. 47 f. 20 BGH, 22.2.2012 – 1 StR 378/11, NStZ 2013, 120; Behm, GA 2002, 153, 156 f.; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 244, Rn. 30; Fischer, in: Fischer, § 244, Rn. 47. 21 Behm, GA 2002, 153, 159; Heger, in: Lackner/Kühl, § 123, Rn. 1; Fischer, in: Fischer, § 123, Rn. 2; Stein/Rudolphi, in: SK-StGB, § 123, Rn. 13 a. 22 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 86; Ostendorf, in: Nomos Kommentar, § 123, Rn. 7; Heger, in: Lackner/Kühl, § 123, Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 123, Rn. 1.

A. Bestimmtheitsgrundsatz

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ten Raum“ nennt, der als eine Art Auffangmerkmal verstanden werden könnte für Räumlichkeiten, die nicht den Mittelpunkt des privaten Lebens darstellen.23 Der Gesetzgeber bringt allerdings auch vor, dass neben der eigenen gleichermaßen eine fremde Wohnung sowie Hotel- und Gästezimmer von dem Merkmal der „Wohnung“ in § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst werden sollen24, sodass dies auch ein Indiz für ein weites Begriffsverständnis angelehnt an § 123 Abs. 1 StGB darstellen könnte. § 201a StGB schützt neben dem höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person auch ihre Bestimmungsbefugnis über optisch perpetuierte und visualisierte Informationen aus diesem Lebensbereich als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild.25 § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB gewährt einen letzten räumlichen Rückzugsbereich, der vor der visuellen Perpetuierung durch Dritte verborgen bleiben soll.26 Dieser Schutzgedanke ist mit dem des § 123 Abs. 1 StGB im weitesten Sinne vergleichbar, da er ebenfalls dem Einzelnen eine Schutzatmosphäre gewährt, in der er sich ungestört und vor den Blicken anderer geschützt frei entfalten kann. Während § 123 Abs. 1 StGB jedermann die Möglichkeit gewährt, innerhalb eines räumlichen Rückzugbereichs ungestört seinen eigenen Willen zu betätigen und vor dem unbefugten körperlichen Eindringen durch Dritte Schutz bietet, sichert § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB das jedem in seiner Wohnung zustehende optische Selbstbestimmungsrecht und sanktioniert zwar nicht das körperliche, jedoch das optische Eindringen in diesen Rückzugsbereich. Die für eine restriktive Interpretation bei § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sprechenden Gründe sind auf den Wohnungsbegriff des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht übertragbar. Grundsätzlich ist im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf den weiten Wohnungsbegriff des § 123 Abs. 1 StGB abzustellen, sodass neben vorübergehend genutzten Räumlichkeiten, wie Hotel- und Gästezimmern, auch Nebenräume, wie Garagen und Kellerräume, von dem Merkmal der „Wohnung“ erfasst sind, soweit die fraglichen Räumlichkeiten in einer optisch wahrnehmbaren Weise in einer funktionellen Beziehung zueinanderstehen.27 23

Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 71. BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 25 Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 1; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 3; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 4; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 16. 26 A. Koch, GA 2005, 589, 597; Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 173. 27 So im Ergebnis auch Rahmlow, HRRS 2005, 84, 86; Eisele, JR 2005, 6, 8; A. Koch, GA 2005, 589, 599; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 617 f.; Safferling, Marburg law review 2008, 36, 39; Kaspar, JuS 2009, 830, 831; Bosch, Jura 2016, 1380, 1383; Hegemann, in: Jacobs/Papier Hans-Jürgen/Schuster, Festschrift für Peter Raue, 445, 455; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, § 31, Rn. 11; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 28; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 85; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 98; Schwenke, Private Nutzung von 24

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Der Wohnungsbegriff bei § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist im Ergebnis sogar weiter zu verstehen als bei § 123 Abs. 1 StGB,28 da der strafrechtliche Bildnisschutz nicht auf das Hausrecht der sich in einer Wohnung aufhaltenden Person als Begrenzung abstellt. Der Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB spricht von „einer“ Wohnung. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass es im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht entscheidend sein darf, ob sich das Opfer in seiner eigenen oder in einer fremden Wohnung befunden hat. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB unterscheidet, anders als § 123 Abs. 1 StGB, nicht zwischen dem berechtigten und dem unberechtigten Aufenthalt einer Person in einer Räumlichkeit.29 Für einen Angriff auf das Persönlichkeitsrecht eines anderen und dessen höchstpersönlichen Lebensbereich durch die unbefugte Schaffung und Weitergabe von Bildaufnahmen ist es unbeachtlich, in welcher rechtlichen Beziehung das Opfer zu dem räumlichen Schutzbereich „Wohnung“ steht,30 da es im Rahmen des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB einzig auf den faktischen Schutz, den eine Wohnung vor unbefugten Einblicken gewährt, ankommt. Daneben muss eine „Wohnung“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB aus teleologischen Erwägungen auch in Bezug auf Räumlichkeiten bejaht werden können, an denen die betroffene Person aus rechtlichen Gründen kein Hausrecht erwerben kann, diese aber dennoch als Inbegriff des Bereichs, der einer Einzelperson als Unterkunft dient oder zur Benutzung freisteht, zu beurteilen ist, wie dies beispielsweise bei einer Gefängniszelle der Fall ist31. Eine „Wohnung“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB gilt als ein vor Einblicken absolut geschützter Bereich.32 Es ist nicht notwendig, dass dieser Bereich darüSmartglasses im öffentlichen Raum, S. 259 f.; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 6; a. A. Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 73; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 276; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 75 f.; Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 173; ders., in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 2; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 309; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 605; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 17. Vgl. auch Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 7, der die Ansicht vertritt, dass das Tatbestandsmerkmal der „Wohnung“ angelehnt an § 123 StGB weit zu verstehen ist, die Restriktionen des § 244 I Nr. 3 StGB allerdings auf die Funktionsräume einer Wohnung zu übertragen sind. 28 A. A. Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 263. 29 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 86; Mitsch, Jura 2006, 117, 119. 30 BT-Drucks. 15/2466, S. 5; a. A. Murmann, in: Bloy/Böse/Hillenkamp u. a., Gerechte Strafe und legitimes Strafrecht, 585, 594 f. 31 Sehr ausführliche Darstellung eines möglicherweise partiell bestehenden Hausrechts eines Strafgefangenen an seiner Zelle bei Mitsch, in: Feltes/Pfeifer/Steinhilper, Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen, 603, 612 ff. 32 Sauren, ZUM 2005, 425, 429; Esser, JA 2010, 323, 325; Bosch, Jura 2016, 1380, 1383; Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 173.

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ber hinaus mit weiteren Vorrichtungen besonders gegen Einblicke von außen geschützt wird.33 Für dieses Merkmal ist es unbeachtlich, ob Einblicksmöglichkeiten, wie offene Gardinen oder großzügige Fensterflächen, vorhanden sind.34 Ein Extra-Sichtschutz muss nicht angebracht worden sein, da die „Wohnung“ keinen Unterfall des „gegen Einblicke besonders geschützten Raums“ darstellt, sondern als eigenständiges Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist.35 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Merkmal der „Wohnung“ im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes, angelehnt an den Hausfriedensbruch, weit zu verstehen ist. Anders als § 123 Abs. 1 StGB kommt es beim strafrechtlichen Bildnisschutz jedoch nicht auf das Hausrecht der betroffenen Person an, sodass auch eine Gefängniszelle oder eine fremde Wohnung räumliche Schutzbereiche sein können. Unbeachtlich ist ebenfalls, ob der Einblick in die fragliche Räumlichkeit mit Hilfe von bewusst angebrachten Maßnahmen erschwert werden sollte oder nicht, da das Merkmal der „Wohnung“ keinen besonderen Sichtschutz voraussetzt. 2. Gegen Einblicke besonders geschützter Raum Neben der Wohnung wird von dem räumlichen Schutzbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB als weiteres Merkmal auch der „gegen Einblicke besonders geschützte Raum“ umfasst. Anders als der Begriff der Wohnung ist dieses Merkmal mit dem 36. StÄG neu in den Besonderen Teil des StGB eingeführt worden. a) Raum Das StGB benannte den Begriff des „Raums“, unabhängig vom Merkmal „gegen Einblicke besonders geschützt“, bereits vor dem 36. StÄG in § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB und in § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Rahmen des „umschlossenen Raums“ und einer „anderen Räumlichkeit“. Unter dem Merkmal des „Raums“ bzw. einer „Räumlichkeit“ sind nach allgemeinem Wortverständnis sämtliche nach allen Seiten abgeschlossene sowohl bewegliche als auch unbewegliche dreidimensionale Gebilde zu verstehen.36 In den Gesetzgebungsmaterialien zum 36. StÄG wird aufgezeigt, dass im Gegensatz zu § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB der strafrechtliche Bildnisschutz nicht vor 33 Eisele, JR 2005, 6, 8; Safferling, Marburg law review 2008, 36, 39; Wanckel, Fotound Bildrecht, Rn. 309; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 6. 34 A. Koch, GA 2005, 589, 599; Eisele, JR 2005, 6, 8; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 74; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 309; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 5; a. A. Ernst, NJW 2004, 1277, 1278; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 75. 35 Safferling, Marburg law review 2008, 36, 39; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 100. 36 Radtke, in: MüKo, § 306 a, Rn. 7; Schmitz, in: MüKo, § 243, Rn. 13; Heine/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 306 a, Rn. 4; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 243, Rn. 8.

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dem unberechtigten körperlichen Eindringen durch eine andere Person, sondern einzig vor dem optischen Hineingelangen schützen soll.37 Es ist somit bei dem Merkmal des „Raums“ keine notwendige Voraussetzung, dass dieser mit Vorrichtungen, die das tatsächliche Betreten verhindern, versehen ist.38 Nach der Schutzrichtung des Tatbestands des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB kommt es bei diesem Tatbestandsmerkmal einzig auf einen Sichtschutz an.39 Aus diesem Aspekt ergibt sich daneben auch die Notwendigkeit, dass ein „Raum“ i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB derart ausgestaltet sein muss, dass sich die schutzsuchende Person in dessen Innerem aufhalten kann.40 Anders als bei § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist es jedoch nicht notwendig, dass die fragliche Räumlichkeit der Wohnung von Menschen dient oder aufgrund ihrer Ausgestaltung dienen könnte. Dies ergibt sich nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der neben der Räumlichkeit auch die Wohnung einer Person als weiteren Schutzbereich bezeichnet, sondern auch aus dem Schutzzweck des strafrechtlichen Bildnisschutzes, der neben dem höchstpersönlichen Lebensbereich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person umfasst, nicht aber die menschliche Wohn- und Aufenthaltsstätte41. So kann neben den explizit in den Gesetzgebungsmaterialien genannten Umkleidekabinen und ärztlichen Behandlungszimmern42 auch der Innenraum eines Autos oder dessen Kofferraum ein Raum i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB sein. Nach natürlichem Sprachempfinden ist unter einem „Raum“ jedoch immer ein Gebilde zu verstehen, das sich von der Umwelt durch optisch erkennbare Begrenzungen abhebt und sein Inneres von der Außenwelt abgrenzt und schützt. Diesem allgemeinen Wortverständnis entgegenzusetzen, scheint die gesetzgeberische Intention in Bezug auf die fehlende Notwendigkeit einer Begrenzung des „Raums“ bei § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nach oben. So werden in den Gesetzgebungsmaterialien zum 36. StÄG neben Umkleidekabinen und ärztlichen Behandlungszimmern exemplarisch auch Gärten als „Räume“ aufgezählt.43 Daraus lässt sich schließen, dass für einen Raum i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB eine feste Begrenzung nach oben nicht notwendig ist, solange durch seitliche Barrieren irgendeine optisch erkennbare, in sich abgeschlossene physische Abtrennung zu der Umwelt besteht.44 Dieses weite Begriffsverständnis ergibt sich daneben auch 37

BT-Drucks. 15/2466, S. 5. BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 39 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 40 A. Koch, GA 2005, 589, 599. 41 Heger, in: Lackner/Kühl, § 306 a, Rn. 1. 42 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 43 BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 44 LG Frankfurt a. M., 17.12.2014 – 2-17 O 194/14, BeckRS 2015, 3989; Kargl, ZStW 117, 324, 332; Kniep/Gratzel, WuM 2010, 669, 670; Esser, JA 2010, 323, 325; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 78; Leffler, Der 38

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aus dem Sinn und Zweck des strafrechtlichen Bildnisschutzes. So stellt ein privater Garten einen Bereich dar, der regelmäßig mit erkennbaren Begrenzungen, wie Zäunen, Mauern oder Hecken, von seiner Umwelt abgegrenzt ist. Auch kann dieser unproblematisch als privater Rückzugsbereich einer Person angesehen werden. Es würde im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes zu zufälligen und unsystematischen Ergebnissen kommen, wenn dieser, dem privaten Leben einer Person zurechenbare Ort, nicht als Raum i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB angesehen und der strafrechtliche Bildnisschutz an der Terrassentüre enden würde.45 Für die optische Abgrenzung, die einen Raum von seiner Umwelt trennt, muss es daneben auch unbeachtlich sein, ob diese durch einen Menschen willentlich oder durch eine natürliche Begebenheit geschaffen worden ist, wie dies beispielsweise bei einer Höhle der Fall ist.46 Die reine seitliche Begrenzung, wie beispielsweise bei einer Allee oder einem Tunnel, wird mit Blick auf diese Ausführungen sowie auf die §§ 243 Abs. 1 Nr. 1, 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB für die Annahme eines „Raums“ nicht ausreichend sein,47 da kein eigenständiges, zu allen Seiten abgeschlossenes Gebilde vorliegt und eine Vergleichbarkeit mit den aufgezählten Beispielen, wie auch mit dem Merkmal der „Wohnung“ nicht gegeben ist. Nicht unter den Begriff des Raums i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB lässt sich auch ein Kleidungsstück, wie beispielsweise ein Rock oder ein Mantel, fassen.48 Diese sind weder von dem Wortsinn erfasst, noch kann eine notwendige physische Vergleichbarkeit mit dem Begriff der „Wohnung“ angenommen werden. Unter einem „Raum“ i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist ein nach allen Seiten abgeschlossenes sowohl bewegliches als auch unbewegliches dreidimensionales Gebilde zu verstehen, dessen primäre Funktion der Schutz vor optischen Eindringlingen ist49, wobei es unerheblich ist, ob eine Begrenzung nach oben besteht. Entscheidend ist, dass das fragliche Objekt optisch von der Außenwelt abgegrenzt ist, wobei es unbeachtlich erscheint, ob diese Begrenzung von Menschenhand, wie bei einem Garten oder einer Umkleidekabine, oder durch natürliche Gegebenheiten, wie bei einer Höhle, geschaffen worden ist, solange ein mit dem Merkmal der „Wohnung“ vergleichbares Gefühl der Abgeschirmtheit vermittelt wird. strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 280; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 18; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 18. 45 Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 76. 46 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 87. 47 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 87. 48 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 88; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 77; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 17; a. A. Flechsig, ZUM 2004, 605, 610. 49 A. Koch, GA 2005, 589, 599.

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b) Gegen Einblicke besonders geschützt Die Räumlichkeit, in der sich der Abgebildete laut § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Zeitpunkt der Herstellung oder Übertragung der Bildaufnahme befunden haben muss, muss gegen „Einblicke besonders geschützt“ gewesen sein. Ein wirksamer Sichtschutz kann immer angenommen werden, wenn eine Barriere vorhanden ist, die das willkürliche Hineinsehen in die fragliche Räumlichkeit zumindest erschwert.50 Diese Vorkehrungen müssen einem möglichen Blick in den Raum zumindest hinderlich sein51 und dürfen keinen reinen Beobachtungsschutz darstellen, wie beispielsweise die örtliche Abgeschiedenheit eines Aufenthaltsortes, da das Gesetz nicht an die Erwartung des Opfers ungestört zu sein, sondern an einen tatsächlich vorhandenen Sichtschutz anknüpft.52 Ein gegen Einblicke besonders geschützter Raum kann somit nicht angenommen werden, wenn die Herzogin von Cambridge ohne Bikini-Oberteil auf der Terrasse einer abgelegenen Villa fotografiert wird.53 Überwindet ein Paparazzo durch die Verwendung eines Teleobjektivs einen tatsächlich bestehenden Beobachtungsschutz, der sich einzig aus der Entfernung und nicht durch bewusst verwendete Sichtschutzmaßnahmen ergibt, ist es mit dem eindeutigen Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie der gesetzgeberischen Intention nicht vereinbar, den Aufenthaltsort der abgebildeten Person als „einen gegen Einblicke besonders geschützten Raum“ zu verstehen.54 Entscheidend ist somit immer, ob die in Frage stehende Räumlichkeit besonders blickschützend ausgestaltet worden ist.55 Ein Raum wird normalerweise neben dem Schutz vor äußeren Einflüssen und der Abgrenzung zur Umwelt auch errichtet, um sich vor fremden Blicken zu schützen. Jedoch ist es für § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB notwendig, dass Sichtschutzmaßnahmen vorhanden sind, die über die Umgrenzung des Raums hinausgehen. Dies lässt der Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB eindeutig erkennen, indem er einen „besonderen“ Sichtschutz fordert. So kann beispielsweise bei einem Auto erst dann ein Sichtschutz i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB bejaht wer50 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 87; Roggenwallner/Herrmann/Jansen, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Rn. 180; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 18. 51 Klesczewski, Strafrecht – Besonderer Teil, § 6, Rn. 110. 52 Hoppe, GRUR 2004, 990, 992; A. Koch, GA 2005, 589, 600; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 88; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 260; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 309; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 17. 53 Vgl. FAZ, Nacktaufnahmen von Kate, http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ nacktaufnahmen-von-kate-gericht-verbietet-weitere-verbreitung-der-fotos-11894345.html (besucht am 19.05.2016). 54 So auch Rahmlow, HRRS 2005, 84, 87. 55 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 87; Kargl, ZStW 117, 324, 332; Schertz, AfP 2005, 421, 425; Hoppe, GRUR 2004, 990, 992; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 18.

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den, wenn dieses mit verdunkelten Scheiben ausgestattet worden ist56 oder bei einem hell erleuchteten und leicht einsehbaren Büro, wenn Gardinen an dessen Scheiben angebracht worden sind.57 Ferner kann jedoch eine gegen Einblicke besonders geschützte Räumlichkeit bereits dann bejaht werden, wenn sich der Abgebildete im Aufnahmezeitpunkt in einer Toilettenkabine an seinem Arbeitsplatz aufgehalten und die Türe geschlossen hat.58 Auch ist das Behandlungszimmer eines Arztes für seine Patienten eine solche Räumlichkeit, soweit Gardinen oder ein vergleichbarer Sichtschutz an den Fenstern angebracht ist.59 Für die Bestimmung eines räumlichen Schutzbereichs ist es unbeachtlich, ob der Täter neben dem Opfer in dem Raum anwesend ist, da es für ein strafbares Verhalten gem. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ohne Bedeutung ist, von wo der Täter die Bildaufnahmen herstellt.60 Für die Annahme eines besonderen Sichtschutzes ist es nicht notwendig, dass der Täter die angebrachten Barrieren aktiv überwindet um eine Bildaufnahme herzustellen.61 Ausreichend ist, dass von außen erkennbare Vorrichtungen an der Räumlichkeit angebracht worden sind, die das willkürliche Hineinsehen zumindest erschweren.62 Gleichzeitig schadet es der Bejahung des Merkmals des „gegen Einblicke besonders geschützten Raums“ nicht, wenn die nach außen in Erscheinung tretenden Sichtschutzmaßnahmen durch einen Fotografen im Einzelfall unter erheblichem Aufwand überwunden werden können,63 da eine Einblicksbarriere zwar eine notwendige, nicht aber eine ausschließliche Bedingung für dieses Tatbestandsmerkmal darstellt.64 So kann ein gegen Einblicke besonders geschützter Raum dennoch angenommen werden, obwohl ein Paparazzo das mit einer übermannshohen Mauer umzäunte Grundstück eines Prominenten mit einer Fotodrohne überfliegt, da es dem Einzelnen nicht zumutbar ist, sich gegen „Fotoangriffe“ aus der Luft ebenfalls abzuschirmen. Des Weiteren würde der Nutzen eines Gartens durch entsprechende Barrieren vollständig aufgeho-

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Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 261. OLG Karlsruhe, 7.4.2006 – 14 U 134/05, NJW-RR 2006, 987, 988. 58 LG Frankfurt a. M., 17.12.2014 – 2-17 O 194/14, BeckRS 2015, 03989. 59 BGH, 22.6.2016 – 5 StR 198/16, NStZ-RR 2016, 279. 60 BGH, 26.2.2015 – 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391; LG Bremen, 17.11.2015 – 5 StR 198/16, CR 2017, 395; VG Köln, 17.12.2013 – 7 K 3421/13, BeckRS 2014, 45529; So im Ergebnis auch Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 173; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 436; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 18. 61 BGH, 22.6.2016 – 5 StR 198/16, NStZ-RR 2016, 279; LG Bremen, 17.11.2015 – 5 StR 198/16, CR 2017, 395; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 70. 62 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 87. 63 Safferling, Marburg law review 2008, 36, 40; Schertz, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 230; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 18. 64 Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 618. 57

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ben.65 Gerade vor solchen, das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person komplett außerachtlassenden Praktiken, sollte mit § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ein umfassender Schutzmechanismus gewährt werden, der nicht durch ein zu enges Begriffsverständnis ausgehöhlt werden darf.66 Eine Räumlichkeit ist hingegen nicht besonders gegen Einblicke geschützt, wenn sie der Öffentlichkeit zugänglich ist,67 unabhängig davon, ob dort typischerweise die Intimsphäre offengelegt wird und sich die Personen bewusst oder unbewusst in eine solche Situation begeben haben.68 Mit dieser Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs sollte vor allem sichergestellt werden, dass nicht ein breites Spektrum von Alltagshandlungen gem. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Strafe gestellt wird.69 Unter einem der Öffentlichkeit zugänglichen Ort kann man jede Örtlichkeit verstehen, die einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten und nicht durch persönliche oder enge sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis zugänglich ist.70 Es schadet der Öffentlichkeit einer Örtlichkeit nicht, wenn ein Zugang nur unter Erwerb einer Eintrittskarte möglich ist,71 da die zum Zutritt berechtigten Personen dennoch ihrer Zahl und Individualität nach unbestimmt sein können. So ist beispielsweise an den Saunabereich eines Erlebnisbads zu denken. Dieser stellt keinen räumlichen Rückzugsbereich i. S. v. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar, auch wenn er durch bauliche Vorkehrungen gegen Einblicke von Passanten oder anderen Badbesuchern geschützt ist, da ein, wenn auch nur beschränkter, jedoch nicht individualisierbarer Personenkreis Zutritt zu diesem hat und es somit von Beginn an an jeglicher Intimität für die Besucher fehlt.72 Entscheidendes Kriterium muss also 65 Esser, JA 2010, 323, 325; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 78. 66 Schertz, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 230. 67 BT-Drucks. 15/2466, S. 4; Schertz, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 230; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 69; Gercke/Kraft/Richter, Arbeitsstrafrecht, S. 1162. 68 B. Heinrich, ZIS 2011, 416, 419; Flechsig, ZUM 2004, 605, 606; Schertz, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 223; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 41; a. A. Bosch, JA 2009, 308, 309; ders., Jura 2016, 1380, 1383; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, § 31, Rn. 12; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 85 ff.; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 33; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 88. 69 BT-Drucks. 15/2466, S. 4. 70 Rose, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 75, 77; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 104; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 72. 71 Rose, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 75, 77. 72 OLG Koblenz, 11.11.2008 – 1 W 535/08, NStZ 2009, 268 f. Kritisch Heuchemer/ Paul, JA 2006, 616, 618; Bosch, JA 2009, 308, 309; ders., in: Satzger/Schluckebier/ Widmaier, § 201a, Rn. 9; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 18.

A. Bestimmtheitsgrundsatz

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immer sein, ob ein unüberschaubarer Personenkreis Zutritt zu der in Frage stehenden Räumlichkeit hat oder haben kann beziehungsweise diese noch als Rückzugsbereich einzelner qualifizierbar ist. Für die Annahme eines räumlichen Schutzbereichs ist es darüber hinaus entscheidend, dass die sich innerhalb der in Frage stehenden Räumlichkeiten aufhaltenden Personen eine normativ berechtigte Erwartung haben dürfen, dass sie prinzipiell selbst darüber entscheiden können, wer Einblick nehmen darf und wer nicht.73 So kann von einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum nur gesprochen werden, wenn das Hineinblicken und Fotografieren einen erheblichen sozialen Tabubruch darstellt. Auf Grundlage dieser Aspekte kann eine öffentliche Toilette oder die Umkleidekabine in einem Freibad als räumlicher Rückzugsbereich i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB verstanden werden, obwohl diese Bereiche an sich öffentlich zugänglich sind und zeitlich nachfolgend von einer unüberschaubaren Personenzahl aufgesucht werden. Hält sich nun jedoch eine Person in diesen Räumlichkeiten auf und verschließt die Türe, kann sie selbst darüber entscheiden, wer Einblick nehmen darf und wer tatsächlich Zutritt hat. Des Weiteren stellt ein Überwinden der Abgrenzung sowie ein Hineinblicken in derartige Räumlichkeiten einen sozialen Tabubruch dar. Bei Geschäfts- und Diensträumen ist hingegen eine Einzelfallbewertung nötig.74 So ist beispielsweise an eine Arztpraxis zu denken. Das Warte- und Behandlungszimmer sind für eine beschränkte und individualisierbare Öffentlichkeit, den Patientenstamm des Praxisinhabers, zugänglich. Dennoch stellt erst das Fotografieren des Behandlungszimmers einen sozialen Tabubruch dar, da der Patient erst ab Betreten dieser Räumlichkeit eine normativ berechtigte Erwartung hat, dass er prinzipiell selbst darüber entscheiden kann, wer während des Behandlungsgesprächs und der Untersuchung Zutritt hat und Einsicht in diesen Bereich nehmen kann. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung dieses Tatbestandsmerkmals an Räumlichkeiten gedacht, die im Einzelfall aufgrund gewisser äußerlich in Erscheinung tretender Maßnahmen von Beginn an als „intim“ anzusehen sind.75 Teilweise wird in der Literatur diskutiert, den Begriff des „Sichtschutzes“ nicht derart restriktiv zu verstehen, da der gewünschte und bezweckte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sonst nur sehr beschränkt wirken könne und eine

73

Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 619; Bosch, JA 2009, 308, 309. Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 9. 75 Ebenso Bosch, JA 2009, 308, 309; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 8. So im Ergebnis wohl auch Safferling, Marburg law review 2008, 36, 40, der das Merkmal des „gegen Einblicke besonders geschützten Raums“ mit Hilfe des Rechtsgut des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ definiert. 74

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

Strafbarkeit im Einzelfall vom Zufall abhinge.76 So ist es für die Annahme eines „gegen Einblicke besonders geschützten Raums“ auf Grundlage der vorgebrachten Erwägungen entscheidend, wo beispielsweise ein Gartengrundstück gelegen ist, ob neben einem Hochhaus oder abgelegen von jedweder Bebauung, ob die schützende Hecke im Winter ihr Laub verliert oder der Garten mit einer Betonmauer umgeben ist.77 Es wird teilweise eingewandt, dass als „gegen Einblicke besonders geschützter Raum“ jeder Bereich verstanden werden müsse, in den sich eine Person erkennbar zurückgezogen hat, um sich vor der Öffentlichkeit und möglichen Bildaufnahmen zu schützen.78 Weitere Stimmen plädieren aus den gleichen Aspekten für eine subjektive Bewertung des Merkmals des „geschützten Raums“ und wollen darauf abstellen, ob der Betroffene in berechtigter Weise darauf vertrauen durfte, vor der Öffentlichkeit geschützt zu sein.79 Diese weiten Auslegungsansätze erschienen vor der Reformierung des § 201a StGB verständlich, da Persönlichkeitsverletzungen durch Bildaufnahmen auch in Bereichen denkbar waren, die nicht formal als „besonders gegen Einblicke geschützter Raum“ verstanden werden konnten, aber dennoch dem Betroffenen eine gewisse Schutzatmosphäre vor Einblicken Dritter vermittelt haben. Es ist beispielsweise an das Ankern einer Jacht in einer einsamen Bucht oder das oberteilfreie Sonnenbaden auf einer abgelegenen Terrasse zu denken. Durch das 49. StÄG wurden in § 201a StGB jedoch weitere Tatbestandsvarianten eingefügt, die nicht den räumlichen Rückzugsbereich als notwendige Strafbarkeitsvoraussetzung beinhalten. Ein derart weites Begriffsverständnis kann somit weder mit einem notwendigen Schutzbedürfnis gerechtfertigt werden, noch wäre dies mit dem eindeutigen Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB vereinbar.80 Ein Raum ist immer dann „besonders gegen Einblicke geschützt“, wenn er mit Sichtschutzvorrichtungen versehen ist, die das willkürliche Hineinsehen zumindest erschweren, wobei es unbeachtlich ist, ob eine Überwindung der Barriere tatsächlich möglich ist oder stattgefunden hat. Des Weiteren muss das Hineinfotografieren in die in Frage stehende Räumlichkeit ein erheblicher sozialer Tabubruch sein, sodass Bereiche, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, von dem Schutzbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB regelmäßig nicht umfasst sind. 76 Kritisch bzgl. eines zu restriktiven Verständnisses dieses Merkmals Bosch, JZ 2005, 377, 379; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436, 437; Safferling, Marburg law review 2008, 36, 40; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 80 ff.; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 269. 77 Vgl. Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 116. 78 Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 81; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 87; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 269. 79 Safferling, Marburg law review 2008, 36, 40. 80 Zu dem gleichen Ergebnis, nur mit teilweise anderer Begründung, kommt auch Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 82 f.

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3. Vereinbarkeit des räumlichen Geltungsbereichs mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Bedenken gegen die Vereinbarkeit des räumlichen Geltungsbereichs bei § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB mit dem Bestimmtheitsgebot halten einer näheren Prüfung nicht stand.81 Durch die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Fallgruppen und die durch die Auslegung gefundenen Ergebnisse ist es für einen Fotografen im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre möglich zu erkennen, ab wann eine „Wohnung“ oder ein „gegen Einblicke besonders geschützter Raum“ vorliegt.82 Der Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG schadet es nicht, dass eine Begriffsbestimmung im konkreten Fall durch Auslegung erreicht werden muss. Entscheidend ist, dass abstrakte Kriterien herausgebildet werden können, die es jedem ermöglichen, im konkreten Einzelfall zu entscheiden, ob sein Verhalten tatbestandsmäßig ist oder nicht.83 Durch die notwendige, gesetzlich vorgegebene Vergleichbarkeit des „gegen Einblicke besonders geschützten Raums“ und einer „Wohnung“ ist dem Rechtsanwender ein handhabbares Entscheidungskriterium zur Verfügung gestellt worden, das es ihm ermöglicht, vor der Tathandlung zu erkennen, ob das Opfer sich in einem räumlichen Rückzugsbereich i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB befunden hat oder nicht. Auch schadet es der Bestimmbarkeit dieser Tatbestandsrestriktionen nicht, dass ein Raum zunächst gegen Einblicke besonders geschützt ist und zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr, wie dies beispielsweise bei einem Garten, der im Sommer mit einer großen Hecke abgeschirmt ist, die im Winter allerdings ihre Blätter verliert und keinen Sichtschutz mehr bietet, der Fall sein kann. Kurz nach der Einführung des § 201a StGB a. F. wurde noch gespannt auf die „filigrane Rechtsprechung [gewartet], wann eine Hecke hoch“ 84 oder der Verdunkelungsgrad einer Autoscheibe stark genug85 ist, um als Sichtschutz auszureichen. Derartige Kataloge wurden von der Rechtsprechung nicht entwickelt und sind auch für die praktische Anwendbarkeit des 81 Ebenso Schertz, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 229 f.; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 191 f.; Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 118; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 87; Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Kunig/Nagata, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsfreiheit in Japan und Deutschland, 155, 162 f.; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 2; a. A. Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441, 444 f.; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436, 437; Flechsig, ZUM 2004, 605, 610; Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110, 112. 82 Schertz, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 230; Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 118; a. A. Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436, 437. 83 BVerfG, 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3210. 84 Borgmann, NJW 2004, 2133, 2135; Kargl, ZStW 117, 324, 331. 85 Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436, 437.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht notwendig. Im Ergebnis liegen beim strafrechtlichen Bildnisschutz im Rahmen des räumlichen Geltungsbereichs für die Praxis keine problematischeren Auslegungsfragen vor als bei anderen Tatbestandsmerkmalen des Besonderen Teils des StGB.86

II. Sachlicher Geltungsbereich: „höchstpersönlicher Lebensbereich“ Der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ wurde mit dem 36. StÄG neu in den Besonderen Teil des StGB eingeführt. Dieser Begriff beschreibt einerseits das von § 201a StGB zu schützende Rechtsgut, andererseits ein Tatbestandsmerkmal, da eine Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ in einigen Tatbestandsvarianten als notwendige Strafbarkeitsvoraussetzung gegeben sein muss.87 Dass dieser Begriff Probleme mit sich bringen würde, zeigte bereits das Gesetzgebungsverfahren zum 36. StÄG auf. So sollte mit dem FDP-Entwurf die eng zu verstehende „Intimsphäre“, mit dem CDU/CSU-Entwurf der weitreichende „persönliche Lebensbereich“ und erst mit dem fraktionsübergreifenden Entwurf der „höchstpersönliche Lebensbereich“ geschützt werden.88 Der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ stellt auch nach dem 49. StÄG eine der zentralen Begrifflichkeiten des § 201a StGB dar, dessen Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz allerdings häufig bezweifelt wird89. 1. Gesetzesmaterialien Der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ wurde erstmals von den Verfassern des Alternativentwurfs von 1971 in den §§ 145, 146 StGB-AE verwendet. Dieser neue Rechtsbegriff wurde in den Materialien zu diesem Entwurf 86

Ebenso Heuchemer/Paul, JA 2006, 616, 618. Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 128; Kühl, in: Dölling/Götting/Meier u. a., Verbrechen – Strafe – Resozialisierung, 419, 433; ders., in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 3. 88 Übersichtsartige Darstellungen des 36. StÄG im 1. Kapitel, C., III. 89 Zweifel an der Bestimmtheit des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ äußerten Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110, 112; Borgmann, NJW 2004, 2133, 2134; Sauren, ZUM 2005, 425, 430; Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441, 444; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436, 438; Mitsch, Jura 2006, 117, 119; Hunsicker/Belz, jM 2016, 160, 163; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 221, S. 240; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 375; Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 115; Hegemann, in: Jacobs/Papier Hans-Jürgen/Schuster, Festschrift für Peter Raue, 445, 454; Schertz, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 229; Kühl, in: Dölling/Götting/Meier u. a., Verbrechen – Strafe – Resozialisierung, 419, 433; ders., in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 1; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 13 f. 87

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jedoch nicht allgemein, mit Hilfe abstrakter Kriterien definiert, sondern es wurden exemplarisch einzelne bedeutende Teilgebiete aufgezählt, darunter das Familienleben, das Sexualleben und der Gesundheitszustand einer Person.90 Knapp 30 Jahre später erlangte das Begriffspaar mit dem 36. StÄG erstmals rechtliche Bedeutung. Eine allgemeine Definition des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ blieb der Gesetzgeber jedoch in den Materialien zum 36. StÄG, wie auch in seinen Ausführungen zum 49. StÄG, schuldig. In den Gesetzgebungsmaterialien zum 36. StÄG wurde lediglich darauf hingewiesen, dass der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ den Anwendungsbereich des § 201a StGB a. F. auf die private Lebensgestaltung einer Person beschränken solle und in diesem Bereich eine Abwägung der Allgemeininteressen mit den Schutzinteressen des Einzelnen nicht stattfinden dürfe.91 Des Weiteren sei das Merkmal inhaltlich an der vom Bundesverfassungsgericht verwendeten und durch die zivilrechtliche Rechtsprechung ausgeformten Begrifflichkeit der „Intimsphäre“ auszurichten.92 Der Begriff der Intimsphäre sei von dem Gesetzgeber jedoch bewusst nicht als Tatbestandsmerkmal in § 201a Abs. 1 StGB a. F. aufgenommen worden, um einschränkende Assoziationen auf den Bereich der Sexualität und Nacktheit zu verhindern.93 Neben eindeutig der Intimsphäre zurechenbaren Bereichen, wie Krankheit, Tod und Sexualität, sollen auch Tatsachen aus dem Familienleben dem strafrechtlichen Bildnisschutz unterfallen, welche die wechselseitigen persönlichen Bindungen, Beziehungen und Verhältnisse innerhalb des Familienverbundes betreffen und deswegen Dritten nicht ohne weiteres zugänglich sind.94 Der Gesetzgeber brachte weiterhin vor, dass sich das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ daneben auch an dem Begriffspaar des „persönlichen Lebensbereichs“ zu orientieren habe, jedoch enger als dieses zu verstehen sei, da ansonsten die Gefahr bestünde, auch solche Situationen zu erfassen, „die zwar unstreitig der Privatsphäre zuzuordnen sind, jedoch ein neutrales Verhalten zeigen und daher nicht des strafrechtlichen Schutzes [. . .] bedürfen“ 95. In Bezug auf die Ausführungen der Gesetzesmaterialien zum 36. StÄG ist zusammenfassend festzuhalten, dass das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ weiter als der Begriff der Intimsphäre, jedoch enger als das Merkmal des „persönlichen Lebensbereichs“ aus den §§ 68 a StPO, 171 b GVG zu verstehen ist. Die Gesetzesbegründung gibt lediglich eine grobe Richtung für die Entwicklung abstrakter Auslegungskriterien vor. Welches Verhalten nun aber tatsäch90 91 92 93 94 95

Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 29. BT-Drucks. 15/2466, S. 5. BT-Drucks. 15/2466, S. 5. BT-Drucks. 15/2466, S. 4. BT-Drucks. 15/2466, S. 5. BT-Drucks. 15/2466, S. 4.

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lich in den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person fällt, kann damit im Einzelfall nicht abschließend festgestellt werden. 2. Ansichten innerhalb der Literatur In der Literatur wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von unterschiedlichsten Kriterien benannt, die möglicherweise einer abstrakten Auslegung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ zugrunde gelegt werden könnten. Diese unterschiedlichen Ansichten sollen im Folgenden kurz dargestellt und darauffolgend auf ihre Praktikabilität überprüft werden. Im Wesentlichen können die zur Bestimmung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ entwickelten Definitionsansätze in zwei Gruppen eingeteilt werden. So stützt sich eine dieser auf Merkmale und Aspekte, die von dem Rechtsanwender objektiv wahrgenommen werden können, wohingegen andere Definitionsversuche die Empfindungen und Vorstellungen des Opfers in den Mittelpunkt ihrer Beurteilung stellen. a) Objektive Ansichten Teilweise wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass eine Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ immer angenommen werden kann, wenn der Täter mit seiner Bildaufnahme die Intimsphäre einer anderen Person visuell abbildet.96 Die Vertreter dieser Ansicht übertragen für die Konturierung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ die begrifflichen Grenzen und die Rechtsprechung zu der „Intimsphäre“ auf den strafrechtlichen Bildnisschutz und klammern jegliche Situationen und Ereignisse, die dem privaten Bereich einer Person zuzurechnen sind, aus dem Schutzumfang des § 201a StGB aus.97 Der Gesetzgeber hat zur Auslegung des Begriffs des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ aber eindeutig nur eine Orientierung an der zivilrechtlichen Rechtsprechung der „Intimsphäre“ und keinen umfassenden Gleichlauf dieser Begrifflichkeiten schaffen wollen.98 So soll zwar jegliches Verhalten, das der Intimsphäre einer Person zuzuordnen ist, immer auch dessen „höchstpersönlichen 96 Vgl. Borgmann, NJW 2004, 2133, 2135; Eisele, JR 2005, 6, 9; Hesse, ZUM 2005, 432, 435; Cornelius, ZRP 2014, 164, 165; Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Kunig/ Nagata, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsfreiheit in Japan und Deutschland, 155, 159; Murmann, in: Bloy/Böse/Hillenkamp u. a., Gerechte Strafe und legitimes Strafrecht, 585, 591; Roggenwallner/Herrmann/Jansen, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Rn. 180; Klesczewski, Strafrecht – Besonderer Teil, § 6, Rn. 115; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 22; Heuchemer, in: Heintschel-Heinegg, § 201a, Rn. 14; ders./Paul, JA 2006, 616, 618. 97 Siehe Borgmann, NJW 2004, 2133, 2135; Hoffmann-Holland/Singelnstein, in: Kunig/Nagata, Persönlichkeitsschutz und Eigentumsfreiheit in Japan und Deutschland, 155, 159; Roggenwallner/Herrmann/Jansen, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Rn. 180. 98 BT-Drucks. 15/2466, S. 4.

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Lebensbereich“ betreffen. Jedoch führt die Gesetzesbegründung weiter aus, dass bestimmte Tatsachen aus dem Familienleben ebenfalls diesem Lebensbereich zugeordnet werden sollen, die – dem Sphärenmodell folgend – der Privatsphäre angehören. Diese Anwendungserweiterung beschreibt die Diskrepanz zwischen den beiden Begriffen und das Element, um das der Schutzumfang des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ den der „Intimsphäre“ übersteigt.99 Eine abschließende Gleichstellung dieser beiden Begrifflichkeiten würde zu einer empfindlichen Einschränkung des Schutzumfangs des § 201a StGB führen und dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufen. Eine weitere Ansicht in der Literatur möchte den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ an Hand von räumlichen Kriterien definieren. Die Vertreter dieser Ansicht gehen davon aus, dass bereits die in § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB bezeichneten räumlichen Rückzugsbereiche den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person beschreiben und die Grenzen dieses Tatbestandsmerkmals darstellen.100 Nach dieser Ansicht ist der höchstpersönliche Lebensbereich einer Person somit immer dann verletzt, wenn in dessen Wohnung oder in einen gegen Einblicke geschützten Raum hinein fotografiert wird. Dieser Ansatz ist allerdings weder mit dem Wortlaut, noch mit der Systematik des § 201a StGB vereinbar. Durch die Formulierung des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB bringt der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck, dass es für die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs nicht bereits ausreichend ist, dass eine Person in ihrem räumlichen Rückzugsbereich fotografiert wird, sondern dass sich die Persönlichkeitsverletzung aus dem tatsächlichen Bildinhalt ergeben muss.101 Mit der räumlichen Beschränkung des Schutzbereichs sollte verhindert werden, dass ein breites Spektrum von Alltagshandlungen unter Strafe gestellt wird.102 Eine Aufnahme, die eine Person innerhalb eines räumlichen Rückzugsbereichs darstellt, greift zunächst nur in dessen Privatsphäre ein, sodass noch ein Erfolgsunwert hinzukommen muss, damit auch der höchstpersönliche Lebensbereich berührt ist.103 Auch hat der Gesetzgeber in § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB auf das Merkmal des räumlichen Rück-

99 Hoppe, GRUR 2004, 990, 993; Valerius, in: Leipziger Kommentar, § 201a, Rn. 31; Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 684 f. 100 Vgl. Safferling, Marburg law review 2008, 36, 42; Wieduwilt, K&R 2014, 627, 629; Wolter, in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 225, 231 f.; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 101; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 15. Eine vergleichbare Ansicht bei Paschke/Halder, jurisPR-ITR 15/2017, Anm. 2 und Schertz, in: Mann/Schmid, Festschrift für Renate Damm zum 70. Geburtstag, 214, 229. 101 Ebenso Bosch, Jura 2016, 1380, 1383 und Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 21. 102 BT-Drucks. 15/2466, S. 4. 103 Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 687; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 21; Kühl, in: Lackner/

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

zugsbereichs komplett verzichtet und dennoch die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch die fragliche Bildaufnahme als notwendigen Verletzungserfolg benannt. Würde man nun in § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB für die Bestimmung des höchstpersönlichen Lebensbereichs auf die räumliche Umgrenzung des Aufnahmeorts abstellen, könnten diese Kriterien nicht auf § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB übertragen werden und eine uneinheitliche Bewertung gleicher Tatbestandsmerkmale innerhalb derselben Verbotsnorm wäre die Folge. Weiter wird innerhalb der Literatur die Ansicht vertreten, dass die Begriffsbestimmung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ sich unmittelbar an § 187 StGB und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu orientieren hat, da mit dem strafrechtlichen Bildnisschutz das Opfer letztlich vor dem Verlust seiner sozialen Geltung bewahrt werden soll.104 So sind nach dieser Meinung alle Vorgänge von dem „höchstpersönlichen Lebensbereich“ erfasst, die im Falle einer Verbreitung der Bildaufnahmen geeignet sind, das Opfer verächtlich zu machen, es in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kreditwürdigkeit gefährden.105 So genügt nach diesem Ansatz für eine tatbestandsmäßige Bildaufnahme, dass das Opfer in einem Moment abgebildet wird, in dem es sich anders verhält, als es der entgegengebrachten öffentlichen Erwartung oder der eigenen Selbstdarstellung entspricht.106 Daneben sei es unbeachtlich, dass § 201a StGB – anders als § 187 StGB – keine Situationen erfasst, bei denen ein realistisches Persönlichkeitsbild zerstört wird, sondern Fälle, bei denen ein falsches Persönlichkeitsbild durch ein realistisches ersetzt wird.107 Problematisch an diesem Begriffsverständnis erscheint, dass eine Person, die sich immer den gesellschaftlichen Zwängen unterworfen ehrenhaft verhält, ein gem. § 201a Abs. 1 StGB verletzbarer höchstpersönlicher Lebensbereich komplett abgesprochen wird, da ihr Verhalten nie geeignet ist, sie verächtlich zu machen.108 Dieser Ansicht folgend würde diesen Personen jeglicher Schutz durch § 201a StGB entzogen. Gleichzeitig wären Verhaltensweisen nicht von dem Schutzbereich des § 201a StGB erfasst, die eindeutig dem unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit zugewiesen sind, jedoch nicht geeignet sind, das Opfer verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzusetzen.109 So ist beispielsweise Kühl, § 201a, Rn. 3; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 21; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 29, Rn. 87; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 222. 104 Vgl. Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 23. 105 Hoyer, ZIS 2006, 1, 5; ders., in: SK-StGB, § 201a, Rn. 23. Partielle Zustimmung zu dieser Ansicht bei Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 103 f. 106 Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 23. 107 Hoyer, ZIS 2006, 1, 5. 108 Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 43. 109 Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 98; Maurach/ Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 29, Rn. 87.

A. Bestimmtheitsgrundsatz

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an ein frisch vermähltes Paar zu denken, das während der Hochzeitsnacht Zärtlichkeiten austauscht oder an eine stillende Mutter.110 Des Weiteren handelt es sich bei § 201a Abs. 1 StGB um kein Ehrdelikt, das den Ansehensschutz der abgebildeten Personen im Blick hat.111 Dies wird durch den neu eingefügten § 201a Abs. 2 StGB deutlich, der als eine Art Ehrdelikt zu verstehen und auf reputationsgefährdende Bildaufnahmen beschränkt ist.112 Es wäre verfehlt und eine mit der Systematik des strafrechtlichen Bildnisschutzes unvereinbare Beschneidung des Schutzumfangs des § 201a Abs. 1 StGB, wenn das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ entsprechend dem § 187 StGB verstanden würde. Dieser Definitionsversuch ist somit ebenfalls nicht geeignet, den Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereich“ umfassend und allgemein zu definieren. Eine weitere Ansicht bezeichnet den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person als deren „inneren Kreis“, in dem es jedem möglich ist, sein Leben so zu führen wie er es möchte und zu dem die Außenwelt keinerlei Zutritt hat.113 Problematisch an dieser Ansicht erscheint, dass der Gedanke eines „inneren Kreises“, in den niemand Zutritt hat, außer die betroffene Person gewährt einem Dritten diesen, zwar ein Synonym zu dem Begriffspaar des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ darstellt, diesen jedoch aus rechtlicher Sicht nicht tauglich umschreibt bzw. mit Hilfe abstrakter Kriterien definiert. Der Terminus eines „inneren Kreises“ stellt kein rechtlich bekanntes Begriffspaar dar, das für den Rechtsanwender greifbar ist und zu einer besseren Verständlichkeit dieses Tatbestandsmerkmals führt.114 b) Subjektive Ansichten Im Gegensatz zu den bereits dargestellten Definitionsansätzen stellen die folgenden Theorien auf Merkmale und Kriterien ab, die sich durch eine subjektive Ausrichtung auszeichnen. Von einigen Stimmen innerhalb der Literatur wird das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ bejaht, sobald auf der in Frage stehenden Bildauf110

Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 43. Ebenso Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 201a, Rn. 10, die bereits für § 201a StGB a. F. richtig erkannt haben, dass angesichts des abweichenden Schutzzwecks des § 201a StGB a. F. zu den Ehrdelikten für die Bestimmung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ es gerade nicht darauf ankommen kann, ob das Opfer mit der in Frage stehenden Aufnahme verächtlich gemacht werden kann oder in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt wird. Ebenso Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 129. 112 Ausführliche Befassung mit der rechtlichen Natur des § 201a Abs. 2 StGB im 4. Kapitel, A., IV., 1. 113 Vgl. Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 64; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 293; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 247. 114 Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 101. 111

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

nahme ein Geschehnis abgebildet wird, über das im sozialen Miteinander nicht ohne die Überwindung erheblicher Hemmschwellen gesprochen werden würde.115 Für die Bewertung des Kriteriums der „Hemmschwelle“ beziehen sich die Vertreter dieser Ansicht auf das Merkmal des „persönlichen Lebensbereichs“ 116 gem. §§ 68 a Abs. 1 StPO, 171 b Abs. 1 S. 1 GVG,117 obwohl der Gesetzgeber in seinen Ausführungen zum 36. StÄG dieses Begriffspaar als zu weitreichend für den Tatbestand des § 201a Abs. 1 StGB angesehen hat.118 Daneben erscheint auch die objektive Bestimmbarkeit der „Hemmschwelle“ bzw. die Feststellbarkeit durch den Täter anhand abstrakter Kriterien problematisch. So hängt es stark von der Persönlichkeit des Einzelnen und dessen individuellem Charakter ab, wann er die Hemmschwelle zum zu Persönlichen übertreten sieht und wann nicht.119 So ist es für manche Person kein Problem, über ihre innersten Gefühle und persönlichsten Erlebnisse in einem öffentlichen Fernsehinterview zu berichten, während andere dies nicht einmal gegenüber einem engen Freund oder Familienmitglied können. Eine objektive Bestimmung dieser „Hemmschwelle“ und ihrer Grenzen erscheint nicht möglich, sodass diese Ansicht für eine abstrakte Definition des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ nicht geeignet ist. Ein weiterer allgemeiner Definitionsversuch rechnet dem höchstpersönlichen Lebensbereich jegliche Art der Visualisierung von Lebensäußerungen zu, mit denen man allein gelassen werden möchte und die andere nichts angehen.120 Das Bundesverfassungsgericht hat zwar anerkannt, dass für die Feststellung der Intimsphäre ganz entscheidend ist, ob jemand einen Sachverhalt geheim halten will oder nicht, dennoch können subjektive Vorstellungen des Betroffenen nicht als einziges Entscheidungskriterium herangezogen werden.121 Ähnlich wie bei der vorherigen „Hemmschwellentheorie“ ist es dem Rechtsanwender nicht möglich, im Zeitpunkt der Bildherstellung abschließend zu erkennen, ob das Opfer in seiner aktuellen Lebenssituation allein gelassen werden will oder nicht. Ferner sind Situationen denkbar, deren visuelle Perpetuierung keine gravierende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, die abgebildete Person unabhängig davon jedoch 115

Vgl. Rahmlow, HRRS 2005, 84, 92. Dem „persönlichen Lebensbereich“ sind Angelegenheiten zuzurechnen, die der Privat- oder Intimsphäre einer Person angehören und außenstehenden Dritten nicht ohne weiteres zugänglich sind, da sie die Grenzen dessen, was üblicherweise im alltäglichen Kontakt mit fremden Menschen an Informationen zur Verfügung gestellt oder offenbart werden, überschreiten. Zimmermann, in: MüKo-ZPO, § 171 b GVG, Rn. 9; Schmitt, in: Meyer-Goßner, § 171 b GVG, Rn. 3. 117 Rahmlow, HRRS 2005, 84, 92. 118 Vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 4. 119 Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 100. 120 Vgl. Kühl, AfP 2004, 190, 196; ders., in: Hefendehl, Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 211, 223; ders., in: Lackner/Kühl, § 201a, Rn. 3; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 47. 121 BVerfG, 14.9.1989 – 2 BvR 1062/87, NJW 1990, 563 f. 116

A. Bestimmtheitsgrundsatz

211

trotzdem allein gelassen werden möchte, sodass der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 StGB auf eine Vielzahl von Fällen erweitert würde, für die kein allgemeines Strafbedürfnis besteht.122 Diesem Definitionsversuch wohnt ebenfalls keine praktische Tauglichkeit inne.123 Die Kriterien dieses Definitionsansatzes können einzig als Richtschnur dienen.124 Weiter wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass der höchstpersönliche Lebensbereich einer Person immer dann als verletzt anzusehen ist, wenn persönliche oder familiäre Situationen bildlich dargestellt werden, bei denen nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass die Beteiligten diese aufgrund des intimen Inhalts nicht in die Öffentlichkeit getragen haben wollen.125 Dieser Ansicht ist dahingehend zuzustimmen, dass neben Bereichen der Intimsphäre auch Aspekte aus dem persönlichen und familiären Leben einer Person dem höchstpersönlichen Lebensbereich zugeordnet werden müssen. Allerdings erscheint es, wie bei den vorherigen Ansichten, für den Täter äußerst problematisch, die Grenzen des höchstpersönlichen Lebensbereichs an Hand der vorgegebenen Kriterien zu bewerten. So ist vor allem der Begriff der „allgemeinen Lebenserfahrung“ floskelartig und gibt keine klaren Konturen vor, auf Grundlage derer es dem Rechtsanwender möglich ist, die Grenzen des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ im Handlungszeitpunkt sicher zu bestimmen. 3. Rechtsprechung Auch die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren keine allgemein gültige, abstrakte Definition für das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ herausgearbeitet, sondern nur einzelne Fallgruppen, die den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ betreffen, benannt. So stellten die Gerichte einen Eingriff in den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ durch Bildaufnahmen beispielsweise fest, wenn ein Arzt während einer gynäkologischen Untersuchung oder während des Umziehens der Patientinnen diese mit seiner Handykamera filmt oder fotografiert126, wenn ein Hautarzt seine teilweise entkleideten Patientinnen während der Untersuchung heimlich visuell 122 Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 248; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 94. 123 Ebenso Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 114; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 98; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 248; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 22. 124 Zöller, in: Zöller/Hilger/Küper u. a., Gesamte Strafrechtswissenschaft in internationaler Dimension, 679, 685. 125 Vgl. Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 104; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 128. 126 BGH, 26.2.2015 – 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391; LG Frankenthal, 11.11.2013 – 5221 Js 25913/11.6 KLs, BeckRS 2013, 19451.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

abbildet127, ein Mann den Toilettenbesuch seiner Arbeitskollegin unbemerkt optisch aufnimmt128 oder in einem Freizeitbad zwei minderjährige Mädchen von der Nachbarkabine aus durch einen unauffälligen Schlitz in der Wand mit einer Handykamera filmt129. Ein Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich kann laut Rechtsprechung auch dann bejaht werden, wenn eine Pflegekraft in einem Seniorenheim einen Bewohner filmt, während dieser von einem anderen Mitarbeiter abgeduscht und gereinigt wird, nachdem er sich aufgrund seiner Inkontinenz verschmutzt hat130, wenn ein Krankenpfleger in einem Aufwachraum frisch operierte Kinder fotografiert oder auf einem Campingplatz sich waschende Kinder in einer Einzelduschkabine heimlich aufnimmt131. Keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs sollen hingegen Videoaufnahmen verdeckt recherchierender Journalisten von einem Arzt sein, die heimlich während eines vermeintlichen ärztlichen Beratungsgesprächs hergestellt werden132 sowie heimliche Fernsehaufnahmen innerhalb eines großen Online-Versandhauses, die die dortigen Arbeitsbedingungen dokumentieren133. Auch kann nach Ansicht der Rechtsprechung keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs bejaht werden, wenn innerhalb eines Saunabereichs eine Person andere Gäste nackt zu fotografieren versucht und nur deren Füße und Unterschenkel visuell wahrnehmbar abbildet.134 Auffallend an diesen Entscheidungen ist, dass für die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs kein heimliches Vorgehen des Täters als notwendige Voraussetzung benannt wird. In keiner der Entscheidungen zum strafrechtlichen Bildnisschutz wird ein verdecktes Vorgehen gefordert oder auf eine möglicherweise bestehende Notwendigkeit geheimen Agierens hingewiesen, auch wenn ein derartiges Vorgehen in der Praxis der Regelfall sein wird. Darüber hinaus handelt es sich bei all den entschiedenen Situationen um Ereignisse oder Geschehnisse, in denen sich die betroffene Person entweder alleine wähnte oder zu dem Täter eine besondere Vertrauensbeziehung gehabt hat. Des Weiteren handelte es sich in all den abgeurteilten Fällen um Ereignisse, die an sich natürlicher Art sind, bei denen aber dennoch ein Interesse daran besteht, dass diese vor dem öffentlichen Auge verborgen bleiben und nicht optisch perpetuiert werden. Die Abbildung beruflicher Tätigkeiten soll laut Rechtsprechung nicht in den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Personen eingreifen, da diese nicht dem absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zugeordnet werden kön127

VG Köln, 17.12.2013 – 7 K 3421/13, BeckRS 2014, 45529. LG Frankfurt a. M., 17.12.2014 – 2-17 O 194/14, BeckRS 2015, 3989. 129 OVG Lüneburg, 20.4.2010 – 5 ME 282/09, BeckRS 2010, 48912. 130 AG Düsseldorf, 26.10.2009 – 101 Ls-90 Js 5539/07-72/08, RDG 2010, 238, 239. 131 LG Arnsberg, 19.5.2009 – 2 KLs-362 Js 729/08/11/09, BeckRS 2010, 10785. 132 OLG Düsseldorf, 26.10.2011 – I-15 U 101/11, ZUM-RD 2012, 137, 144. 133 LG Hamburg, 25.7.2014 – 324 O 252/14. 134 OLG Koblenz, 11.11.2008 – 1 W 535/08, NStZ 2009, 268, 269. Zustimmend Bosch, JA 2009, 308, 309. 128

A. Bestimmtheitsgrundsatz

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nen. Das Fotografieren oder Filmen von nackten Körperteilen, die regelmäßig ohne Scham auch in der Öffentlichkeit gezeigt werden, stellt ebenfalls keinen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person dar. 4. Begriffsbestimmung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ Mit Blick auf die Ausführungen der Gesetzgebungsmaterialien, der unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Literatur und der Rechtsprechung der letzten Jahre erscheint es geboten, mit dem Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ jegliche Situationen zu erfassen, die bereits von der Begrifflichkeit der Intimsphäre135 umfasst sind sowie Lebensbereiche, in denen sich eine Person allein und ungestört wähnt136. Daneben sind jegliche Gegebenheiten in das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ einzubeziehen, in denen das Opfer mit Dritten interagiert oder davon ausgeht, dass diese Verhaltensweisen und Geschehnisse nicht an die Öffentlichkeit gelangen und von dieser auch im Nachhinein optisch wahrgenommen werden können. Eine solche Interaktion des Opfers mit einer Person oder dem möglicherweise späteren Täter schadet der Bejahung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ jedoch nur dann nicht, wenn zwischen dem Abgebildeten und dem Dritten ein enges Vertrauensverhältnis, wie beispielsweise in einem Arzt-Patienten-Verhältnis oder in dem Umgang von Eheleuten zueinander, oder ein Abhängigkeitsverhältnis, wie bei einem Schwerverletzten und hilfeleistenden Rettungskräften, angenommen werden kann. Notwendig für die Bejahung des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ ist darüber hinaus, dass die Vorstellung der abgebildeten Person bzgl. der Höchstpersönlichkeit der konkreten Situation für den Täter im Aufnahmezeitpunkt aufgrund der nach außen in Erscheinung tretenden Umstände objektiv erkennbar ist und die Höchstpersönlichkeit der perpetuierten Situation auf dem Bild auch für Dritte, die keine Kenntnis von den konkreten Aufnahmemodalitäten haben, im Nachhinein deutlich wird. Des Weiteren erscheint es für die Bejahung des Merkmals notwendig, dass die abgebildete Person, nicht notwendigerweise durch den Täter, jedoch auf Grundlage der konkreten Aufnahmeperspektive und der Abbildungsart zumindest zu einem späteren Zeitpunkt bestimmbar ist, da nur so die Verletzungshandlung einer konkreten Lebenssituation zugeordnet werden kann.137 Ein heimliches Vorgehen des Täters ist für dieses Kriterium nicht vonnöten, auch wenn dies den 135 Die Intimsphäre umfasst neben den Bereichen Krankheit, Sexualität und Tod vor allem die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen, wie vertraulichen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen, BT-Drucks. 15/2466, S. 5. 136 Spitz, jurisPR-ITR 17/2011, Anm. 4; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 129. 137 Gola, RDV 2004, 215, 217; Klesczewski, Strafrecht – Besonderer Teil, § 6, Rn. 115; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 29.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

regelmäßigen Tatablauf darstellen wird. Des Weiteren ist die bildliche Darstellung von Handlungen und Ereignissen, die der beruflichen Tätigkeit einer Person zuzurechnen sind, niemals geeignet, den höchstpersönlichen Lebensbereich zu verletzten, unabhängig davon, ob mit den Bildaufnahmen ein beruflicher Fehler dokumentiert wird oder versucht wird, die abgebildete Person zu diffamieren. Individuelle Empfindungen des Abgebildeten haben keinerlei Auswirkungen auf die Bewertung der Höchstpersönlichkeit einer Lebenssituation, soweit diese nicht nach Außen in Erscheinung treten und im Rahmen einer ex ante-Betrachtung für den Täter erkennbar sind. So schadet es der Bejahung der Höchstpersönlichkeit einer Situation nicht, wenn es sich bei dem abgebildeten Geschehnis um ein natürliches Verhalten handelt, sofern aufgrund der äußeren Umstände deutlich erkennbar ist, dass sich die betroffene Person alleine wähnt. Es ist beispielsweise an den Toilettengang in einem Bahnhofs-WC zu denken, bei der die betroffene Person die Kabinentüre abgeschlossen hat. Gleichzeitig ist es für das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ unbeachtlich, ob die fragliche Aufnahme ehrverletzend ist. Auch können Nacktaufnahmen eines Volljährigen nicht automatisch dem höchstpersönlichen Lebensbereich zugerechnet werden. Im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung ist bei Nacktaufnahmen zu überprüfen, ob die Unbekleidetheit der betroffenen Person einen Bezug zu deren Sexualität aufweist oder aufgrund sonstiger Umstände als höchstpersönlich anzusehen ist. Diese einschränkende Beurteilung ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 201a Abs. 3 StGB, der einzig die Herstellung und Verbreitung von Nacktaufnahmen von Minderjährigen gegen ein Entgelt als allgemein strafbedürftige Bildaufnahmen ansieht. Würde der „höchstpersönliche Lebensbereich“ jegliche Art von Nacktaufnahmen erfassen, würden die gesetzgeberischen Intentionen zu § 201a Abs. 3 StGB untergraben und eine Vereinbarkeit des § 201a StGB mit dem Übermaßverbot erschiene problematisch. Des Weiteren ist es für die Beurteilung der Höchstpersönlichkeit einer Lebenssituation unbeachtlich, ob das visuell Perpetuierte eine allgemein bekannte Tatsache über die abgebildete Person darstellt oder nicht. Anders als in § 201a Abs. 2 StGB ist es für das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ in § 201a Abs. 1 StGB unbeachtlich, ob die abgebildete Situation als geheim oder allgemein bekannt zu beurteilen ist. Daneben konstituiert aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 201a Abs. 1 StGB weder eine Bildaufnahme, die eine Person in einer Wohnung oder besonders gegen Einblicke geschützten Räumlichkeit abbildet, noch die Hilflosigkeit der optisch dargestellten Lage die Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“. Ein Eingriff in diesen muss in allen Tatbestandsvarianten des § 201a Abs. 1 StGB positiv und eigenständig festgestellt werden. Für das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ bietet sich mit Blick auf die obigen Ausführungen folgende Definition an: Der höchstpersönliche Lebensbereich einer Person ist immer dann verletzt, wenn Situationen aus

A. Bestimmtheitsgrundsatz

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deren Intimsphäre oder in denen sich die betroffene Person alleine wähnt, abgebildet werden und dies für den Täter im Aufnahmezeitpunkt an Hand der tatsächlichen Umstände erkennbar ist, wobei sich eine Interaktion des Betroffenen mit Dritten nicht schädlich auswirkt, soweit zwischen diesen Personen ein nach außen erkennbares Vertrauens- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht. 5. Vereinbarkeit des sachlichen Geltungsbereichs mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Das Merkmal des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ stellt nicht per se einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG dar, weil dieses Begriffspaar mit dem 36. StÄG neu in das StGB eingeführt worden ist. Da es sich bei diesem Merkmal innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht nur um das zu schützende Rechtsgut handelt, sondern diese Begrifflichkeit in § 201a Abs. 1 StGB auch den Verletzungserfolg beschreibt, sind die Anforderungen an die Bestimmtheit jedoch höher anzusetzen. Ein relativ unbestimmtes Rechtsgut ist für den Rechtsanwender eher hinnehmbar als ein offenes und unbestimmtes Tatbestandsmerkmal.138 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass gegen die Vereinbarkeit des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ mit dem Bestimmtheitsgebot keinerlei Bedenken bestehen. Durch die von der Rechtsprechung in den letzten zehn Jahren herausgearbeiteten Fallgruppen und die durch die Auslegung gefundenen Ergebnisse, ist es für einen Fotografen im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre möglich, zu erkennen, ob er eine höchstpersönliche Situation zum Bildgegenstand macht. So ist es jedem Bürger zumutbar, eine gesetzliche Bestimmung mit Blick auf den Gesamtkontext auszulegen und dadurch die Grenzen des erlaubten Handelns zu erschließen. Der Verweis innerhalb der Gesetzgebungsmaterialen zum 36. StÄG auf die Begriffe des „persönlichen Lebensbereichs“ sowie auf die „Intimsphäre“ ist für eine abstrakte Auslegung hilfreich, da für beide Merkmale bereits eine umfangreiche Rechtsprechung und Kasuistik besteht. Für die Beurteilung der Höchstpersönlichkeit einer Situation ist es daneben entscheidend, dass die Gefühlsregungen der betroffenen Person äußerlich erkennbar sind und ein Dritter, der keinerlei Kenntnis von der konkreten Aufnahmesituation hat, auf Grundlage des Bildinhalts die abgebildete Szenerie als höchstpersönlich einordnen kann.

III. Relevanz der Merkmale nach dem 49. StÄG 1. Bedeutung des räumlichen Geltungsbereichs für § 201a StGB Eines der Hauptanliegen der Reform des strafrechtlichen Bildnisschutzes war, die räumliche Begrenzung des § 201a StGB a. F. teilweise aufzuheben und einen 138 Kühl, in: Dölling/Götting/Meier u. a., Verbrechen – Strafe – Resozialisierung, 419, 434.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

auf bestimmte Sachverhalte anwendbaren Schutz vor Bildaufnahmen im öffentlichen Raum zu schaffen.139 Teilweise wurde vor der Reform des strafrechtlichen Bildnisschutzes die enge Auslegung des räumlichen Schutzbereichs bei § 201a StGB a. F. wie auch die unterschiedliche gesetzliche Bewertung von heimlichen Bild- und Tonaufnahmen in der Öffentlichkeit kritisiert und mögliche Strafbarkeitslücken bei Bildaufnahmen in öffentlichen Bereichen aufgezeigt.140 Durch das 49. StÄG sind schließlich Tatbestandsvarianten in den strafrechtlichen Bildnisschutz eingefügt worden, die diese Restriktion nicht mehr beinhalten. Der Anwendungsbereich des § 201a StGB war vor der Reformierung 2015 durch das Tatbestandsmerkmal des räumlichen Rückzugsbereichs stark eingeschränkt, wohingegen es für die Strafbarkeit bei einer unerlaubten Tonaufnahme unerheblich war, wo das nichtöffentlich gesprochene Wort geäußert wurde. Als Hintergrund dieser unterschiedlichen Bewertung wurde angeführt, dass eine sich in der Öffentlichkeit aufhaltende Person wisse und damit rechnen müsse, von anderen optisch wahrgenommen zu werden und ihr Erscheinungsbild durch Aufnahmegeräte möglicherweise visuell perpetuiert werde.141 Es sei schließlich für jeden möglich, den eigenen höchstpersönlichen Lebensbereich vor den Blicken anderer in der Öffentlichkeit zu schützen und man bedürfe keines strafrechtlichen Schutzes, wenn man sein Erscheinungsbild bewusst in die Öffentlichkeit trage.142 Eine nichtöffentlich sprechende Person gehe hingegen auch außerhalb ihrer Wohnung und vergleichbarer Räumlichkeiten davon aus, dass nur ihr tatsächlicher Gesprächspartner sie wahrnimmt. Dass diese unterschiedliche Bewertung weder mit opferrechtlichen Gesichtspunkten, noch mit dem Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vereinbar war,143 erkannte der Gesetzgeber und erweiterte den Anwendungsbereich des § 201a StGB durch das 49. StÄG. Der Gesetzgeber hat durch diese Erweiterung die Bedeutung des restriktiven Merkmals des räumlichen Rückzugsbereichs im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes somit teilweise reduziert. Durch die Einführung neuer Tatbestandsvarianten, die den räumlichen Rückzugsbereich nicht als notwendige Strafbarkeitsvoraussetzung beinhalten, wurde versucht, auf die dargestellte Kritik zu reagieren. Da jedoch in einigen Tatbestandsvarianten des § 201a Abs. 1 StGB der Aufenthalt des Opfers in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum im Zeitpunkt der Bildaufnahme weiterhin eine not-

139

Wieduwilt, K&R 2015, 83. So beispielsweise Kühl, AfP 2004, 190, 194; Bosch, JZ 2005, 377, 379; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 115 ff. 141 Ernst, NJW 2004, 1277, 1279. 142 Eisele, JR 2005, 6, 8. 143 Kühl, in: Asada/Assmann/Kitagawa u. a., Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 165, 173 f. Ausführliche Darstellung der teilweise fehlenden Selbstschutzmöglichkeiten in öffentlichen Bereichen im 2. Kapitel, B., II. 140

A. Bestimmtheitsgrundsatz

217

wendige Strafbarkeitsvoraussetzung darstellt, hat die Diskussion in Bezug auf die Grenzen dieser Merkmale und deren Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nur partiell an Relevanz verloren. 2. Bedeutung des sachlichen Geltungsbereichs für § 201a StGB Die Relevanz des Merkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ für den sachlichen Geltungsbereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes erscheint nur auf den ersten Blick durch das 49. StÄG verringert worden zu sein, da dieses Merkmal in § 201a Abs. 2, Abs. 3 StGB keine notwendige Strafbarkeitsvoraussetzung mehr darstellt. Die Problematiken, die mit diesem Begriffspaar jedoch verbunden waren und immer noch sind, haben durch das 49. StÄG nicht an Bedeutung verloren. So beinhaltet § 201a Abs. 1 StGB dieses Merkmal weiterhin als tatbestandsmäßigen Erfolg. Des Weiteren bezeichnet die Begrifflichkeit des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ neben dem tatbestandsmäßigen Erfolg in § 201a Abs. 1 StGB auch weiterhin das zu schützende Rechtsgut im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes144. Daneben ist laut Gesetzgebungsmaterialien davon auszugehen, dass bloßstellende Bildaufnahmen wie auch Nacktaufnahmen von Minderjährigen immer den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Personen verletzen oder zumindest gefährden, sodass es einzig aus Praktikabilitätserwägungen keiner positiven Feststellung dieses Merkmals in § 201a Abs. 2, Abs. 3 StGB bedarf.145

IV. § 201a Abs. 2 StGB: Ansehensgefährdende Bildaufnahmen Gem. § 201a Abs. 2 StGB macht sich seit dem 27. Januar 2015 strafbar, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist dem Ansehen des Abgebildeten erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Anders als der Regierungsentwurf146, der sich in Bezug auf die Pönalisierung reputationsgefährdender Bildaufnahmen harscher Kritik im Rahmen der Sachverständigenanhörung innerhalb des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz147 sowie innerhalb der Literatur148 ausgesetzt sah, sanktioniert der neu eingefügte Absatz 2 nicht das Herstellen derartiger Aufnahmen, sondern ausschließlich das Zugänglichmachen. Durch diese Tatbestandsänderung bleibt das reine Fotografieren von ansehensgefährdenden Situationen straflos. 144

Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 146 BT-Drucks. 18/2601, S. 10. 147 Eisele, Protokoll-Nr. 18/28, S. 13; Cirullies, Protokoll-Nr. 18/28, S. 11, S. 38; DAV, Protokoll-Nr. 18/28, S. 59; a. A. Hörnle, Protokoll-Nr. 18/28, S. 17, S. 110 ff. 148 Vgl. Wieduwilt, K&R 2014, 627, 630 f.; Gercke, CR 2014, 687, 690. 145

218

4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

Bevor in einer umfassenden Begriffsbestimmung die Grenzen der Tatbestandsmerkmale des § 201a Abs. 2 StGB und deren Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz überprüft werden, erscheint es notwendig, die rechtliche Natur dieser neu eingefügten Tatbestandsalternative zu betrachten. 1. Rechtliche Natur des § 201a Abs. 2 StGB Mit Blick auf die endgültige Ausgestaltung des § 201a Abs. 2 StGB ist zu überlegen, ob nicht knapp 50 Jahre nach dem Gesetzesentwurf von 1962 zu § 182 StGB149 und dem § 145 StGB-AE150 von 1971 mit dem 49. StÄG ein Indiskretionstatbestand Einzug in das StGB gehalten hat151 oder ob diese Tatbestandsalternative nicht doch als eine Art Ehrdelikt152 verstanden werden kann. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter indiskretem Verhalten neben mangelhafter Verschwiegenheit auch die Weitergabe geheimer oder vertraulicher Nachrichten zu verstehen. Unter einer Indiskretion ist somit jede taktlose, zudringliche oder nicht verschwiegene Handlung zu fassen, die als Ausdruck einer mangelnden Distanz oder Verschwiegenheit des Agierenden im Verhältnis zu dem Betroffenen anzusehen ist.153 Dieser Begrifflichkeit unterfallen alle Verletzungen der individuellen Grenzen, die ein Einzelner gezogen hat, um seine Intimsphäre vor jeglicher Art der öffentlichen Preisgabe zu schützen154 sowie Verstöße gegen ideelle Anstandsgrenzen155. Indiskretionsdelikte schützen demnach vordringlich vor Handlungen, durch die Tatsachen aus der Intimsphäre eines Einzelnen herausgerissen werden sollen, um diese Dritten preiszugeben und sie gegen den Willen des Betroffenen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Anders als bei den §§ 185 ff. StGB steht bei Indiskretionsdelikten nicht der Ehrschutz, sondern der Schutz einer berechtigten Geheimsphäre und des Friedens innerhalb der Intimsphäre im Mittelpunkt.156 Das Strafbedürfnis ergibt sich bei derartigen Delikten nicht aus der Verletzung des Ansehens der betroffenen Person, sondern daraus, dass der Täter in den Intimbereich einer anderen Person eingedrungen ist und für die Öffentlichkeit nicht bestimmte Tatsachen aus diesem Bereich im 149

BT-Drucks. IV/650, S. 41 f., 328 ff. Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 28. 151 Kritisch in Hinblick auf die mögliche Einführung eines Indiskretionsdelikts A. Koch, FAZ 30.4.2014, 6. 152 Gercke, CR 2014, 687, 690; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 315; R. Busch, NJW 2015, 977, 978; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 25. 153 Roeder, in: Schroeder/Zipf, Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, 347, 363; Rogall, in: Weigend/Küpper, Festschrift für Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag, 665, 670. 154 Roeder, in: Schroeder/Zipf, Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, 347, 363. 155 Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 262. 156 BT-Drucks. IV/650, S. 329; G. Schmidt, ZStW 79, 741, 775. 150

A. Bestimmtheitsgrundsatz

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Nachhinein offengelegt hat.157 Zusammenfassend kann ein Indiskretionsdelikt auch als Geheimnisverletzungsdelikt bezeichnet werden.158 Anders als § 182 StGB-E 1962 schützt § 201a Abs. 2 StGB jedoch nicht den Frieden einer Person in ihrer Intimsphäre,159 sondern das Ansehen des Betroffenen im Verhältnis zu Dritten sowie dessen höchstpersönlichen Lebensbereich. Nach dem natürlichen Sprachempfinden stellt der Begriff des „Ansehens“ ein Synonym für den der „Ehre“ einer Person dar.160 Auch wenn der Gesetzgeber den Begriff der „Ehre“ bei § 201a Abs. 2 StGB nicht verwendet hat, ist die gesetzgeberische Intention mit der bei den Beleidigungsdelikten, die ebenfalls in ihrem Normtext den Begriff der „Ehre“ nicht ausdrücklich beinhalten, vergleichbar. Sollten die §§ 185 ff. StGB die Ehre einer Person vor Aussagen mit ehrenrührigen und diffamierenden Inhalten schützen,161 so wurde § 201a Abs. 2 StGB in den strafrechtlichen Bildnisschutz aufgenommen, um eine Ehrherabsetzung bzw. Ansehensgefährdung einer Person durch die Verbreitung diskreditierender und peinlicher Bildaufnahmen strafrechtlich zu sanktionieren und den bereits bestehenden Ehrschutz auf Bildaufnahmen auszuweiten. So sind bloßstellende Bildaufnahmen geeignet, eine Person in der Meinung anderer herabzusetzen und in dessen Ehrgefühl zu verletzen.162 Die Wirkung von Bildern ist in der aktuellen Zeit und Gesellschaftsentwicklung nicht zu unterschätzen.163 Da Bilder die Realität visuell abbilden und im Nachhinein das Gefühl vermitteln, ein Teil des tatsächlichen Geschehens gewesen zu sein und dieses mit „eigenen Augen gesehen zu haben“, wird ihnen eine besondere Glaubwürdigkeit zugeschrieben, die die einer wörtlichen Berichterstattung um ein Vielfaches übersteigt. Anders allerdings als die §§ 185 ff. StGB, die sich auf den sozialen Kommunikationsprozess beziehen164 und einen Kundgebungsakt benötigen, liegt der strafrechtliche Schutzumfang bei § 201a Abs. 2 StGB auf dem optischen Erscheinungsbild einer Person, sodass die Schwere der Ehr- bzw. Persönlichkeitsverletzung immer von dem tatsächlichen Verbreitungs157

BT-Drucks. IV/650, S. 329. Roeder, in: Schroeder/Zipf, Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, 347, 371. 159 BT-Drucks. IV/650, S. 329. 160 Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar, Vor § 185, Rn. 3. 161 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 185 ff., Rn. 1; Regge/Pegel, in: MüKo, Vor §§ 185 ff., Rn. 7; Kühl, in: Lackner/Kühl, Vor §§ 185 ff., Rn. 1; Fischer, in: Fischer, Vor § 185, Rn. 1. 162 BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 163 Ebenso Rose, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 75, 79, der die besondere Eingriffstiefe von Bilddateien darstellt und die „Macht von Bildern“ im Verhältnis zu Texten anspricht. 164 Amelung, in: Rogall/Puppe/Stein u. a., Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag, 373, 375; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 185 ff., Rn. 1; Zaczyk, in: Nomos Kommentar, Vor § 185, Rn. 18. 158

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

grad und der Verbreitungsart der in Frage stehenden Bildaufnahme abhängt165. § 201a Abs. 2 StGB schützt einerseits die Ehre der abgebildeten Person vor der Verbreitung reputationsgefährdender Bildaufnahmen sowie deren höchstpersönlichen Lebensbereich, andererseits das Recht am eigenen Bild als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die damit einhergehende Freiheit selbst darüber zu disponieren, ob eine Bildaufnahme verbreitet wird oder nicht.166 Mit der endgültigen Gesetzesformulierung des § 201a Abs. 2 StGB, der das „Ansehen“ und beispielsweise nicht den „Geheimnisschutz“ oder die „öffentliche Erörterung fremder Privatangelegenheiten“ als Tatbestandsmerkmal nennt – wie auch der gesetzgeberischen Intention – wird deutlich, dass es sich bei der fraglichen Tatbestandsvariante um kein Indiskretionsdelikt, eingebettet in den strafrechtlichen Bildnisschutz, handelt, sondern der strafrechtliche Schutzumfang des Besonderen Teils des StGB um eine Art Ehrdelikt erweitert worden ist.167 2. Begriffsbestimmung a) Ansehen Der Begriff des „Ansehens“ wurde mit dem 49. StÄG neu in § 201a StGB eingefügt. Zuvor beinhaltete der Besondere Teil des StGB diese Begrifflichkeit nur in § 90 b Abs. 1 StGB, zu dem allerdings weder eine ausgeprägte Rechtsprechung, noch eine von der Literatur entwickelte Lehre besteht, die für eine allgemeine Definition bei § 201a Abs. 2 StGB herangezogen werden könnte. Des Weiteren nennen die Gesetzesmaterialien keinerlei brauchbare Kriterien, an die sich für eine Definition des Begriffs des „Ansehens“ als Orientierungshilfe angelehnt werden könnte. So führen diese aus, dass mit § 201a Abs. 2 StGB der Einzelne vor Bildaufnahmen geschützt werden soll, die namentlich eine entwürdigende, bloßstellende oder gewalttätige Situation darstellen und somit geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden.168 Auf den Begriff des „Ansehens“ wird nicht genauer eingegangen. Durch das 49. StÄG wurde mit § 201a Abs. 2 StGB der strafrechtliche Bildnisschutz allerdings um eine Art Ehrdelikt erweitert,169 sodass es möglich erscheint, die bereits durch die Rechtsprechung und Literatur herausgearbeiteten Grundsätze zu dem Begriff der Ehre aus den Beleidigungsdelikten teilweise auf den Begriff des „Ansehens“ zu übertragen170. Betrachtet man nun die Begriff165

Hörnle, FAZ 20.3.2014, 6. Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 25. 167 So im Ergebnis auch Gercke, CR 2014, 687, 690, wobei dieser jegliche Begründung für eine derartige Zuordnung unterlässt. 168 BT-Drucks. 18/2601, S. 36. 169 Vgl. die Ausführungen im 4. Kapitel, A., IV., 1. 170 Ebenso Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 315; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Baumhöfener, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 139, 145; Rengier, Straf166

A. Bestimmtheitsgrundsatz

221

lichkeit der Ehre, haben sich zu dessen Bestimmung zwei Hauptansätze herausgebildet, die zu beachten sind. Nach früher herrschender Meinung sowie der älteren Rechtsprechung wurde den §§ 185 ff. StGB ein dualistischer bzw. ein normativ-faktischer Ehrbegriff zugrunde gelegt.171 Nach diesem Begriffsverständnis ist das Angriffsobjekt der Beleidigungsdelikte in eine „innere“ und eine „äußere Ehre“ zu unterteilen. Die „innere Ehre“ wird aus der Personenwürde jedes Einzelnen abgeleitet, die jedem von Geburt an aus Art. 1 GG zugeschrieben wird, und beschreibt den personalen Geltungswert einer Person.172 Anders die „äußere Ehre“, die sich aus dem sozialen Geltungswert einer Person ergibt und auch als „guter Ruf“ 173 im Verhältnis zu Dritten, also als das Ansehen eines Menschen in den Augen anderer174, bezeichnet wird.175 Dieses Begriffsverständnis wurde jedoch von einer normativen Deutung des Ehrbegriffs abgelöst.176 Die Ehre i. S. v. §§ 185 ff. StGB ist danach als Rechtsgut zu verstehen, welches auf der Personenwürde jedes Einzelnen und dem daraus abgeleiteten sozialen Geltungswert gründet,177 wobei die Einbeziehung sittlicher und sozialer Elemente von den Vertretern dieser Ansicht unterschiedlich beurteilt wird.178 Eine Beleidigung stellt nach dieser Ansicht einen Angriff auf den Anspruch auf Achtung der verdienten sozialen Geltung der betroffenen Person dar.179 Eine Ehrverletzung kann danach immer dann bejaht werden, wenn einer Person Mängel oder Defizite nachgesagt werden, die, wenn sie tatsächlich vorrecht Besonderer Teil II, § 31, Rn. 18 a; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 265; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 25; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 46. 171 BGH, 18.11.1957 – GSSt 2/57, BGHSt 11, 67, 70 f.; Hirsch, Ehre und Beleidigung, S. 14; Tenckhoff, Die Bedeutung des Ehrbegriffs für die Systematik der Beleidigungstatbestände, S. 39; Beulke, in: Jung/Luxenburger/Wahle, Festschrift für Egon Müller, 45, 46; Knittel, Ansehen und Geltungsbewußtsein, S. 2. 172 BGH, 18.11.1957 – GSSt 2/57, BGHSt 11, 67, 71; Su. Beck, MMR 2009, 736, 737; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 24, Rn. 2; Ignor, Der Straftatbestand der Beleidigung, S. 41; Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar, Vor. § 185, Rn. 4. 173 BGH, 18.11.1957 – GSSt 2/57, BGHSt 11, 67, 71. 174 Beulke, in: Jung/Luxenburger/Wahle, Festschrift für Egon Müller, 45, 46. 175 Su. Beck, MMR 2009, 736, 737; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, § 28, Rn. 2; Ignor, Der Straftatbestand der Beleidigung, S. 41; Knittel, Ansehen und Geltungsbewußtsein, S. 3; Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar, Vor. § 185, Rn. 4. 176 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 185 ff., Rn. 1. Grundlegende Ausführungen zu dem normativen Ehrbegriff bei Hirsch, Ehre und Beleidigung, S. 29 ff.; Tenckhoff, Die Bedeutung des Ehrbegriffs für die Systematik der Beleidigungstatbestände, S. 80 ff., S. 105 ff.; Ignor, Der Straftatbestand der Beleidigung, S. 34 ff. Kritisch gegenüber einem normativen Begriffsverständnis Amelung, in: Rogall/Puppe/Stein u. a., Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag, 373 f. 177 BGH, 2.2.1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 148. 178 Beulke, in: Jung/Luxenburger/Wahle, Festschrift für Egon Müller, 45, 46. 179 Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 24, Rn. 5; Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar, Vor. § 185, Rn. 5.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

lägen, den Geltungswert der betroffenen Person mindern würden.180 Die aktuell angewandten Deutungsmethoden sind jedoch nicht rein normativer Art, sondern werden teilweise mit faktischen Kriterien181 vermischt. So beispielsweise bei Knittel und Maiwald, die unter einer Beleidigung einen Angriff auf den Achtungsanspruch einer anderen Person sehen, den diese sich durch ihre soziale Geltung, deren Basis in der Personenwürde liegt, verdient hat.182 Stellt man wie diese Ansicht für den Wertbezug des Ehrbegriffs auf die verdiente Anerkennung einer Person ab, so sind vor allem deren soziale Rolle, ihre erworbenen Verdienste wie auch ihre gesellschaftliche Anerkennung und Stellung als Maßstab für eine Ehrverletzung heranzuziehen.183 Auch wenn das normative Verständnis des Ehrbegriffs nicht mehr die Begrifflichkeiten der „inneren“ und „äußeren“ Ehre verwendet, wird bei der Begriffsbestimmung immer noch in vergleichbaren Kategorien unterschieden, indem die Ehre unter den Gesichtspunkten des sozialen und personalen Geltungswerts beschrieben und eine Kombination normativer und faktischer Kriterien für die Grenzbestimmung als notwendig angesehen wird.184 Überträgt man diese Begriffsverständnisse nun auf den strafrechtlichen Bildnisschutz, sanktioniert § 201a Abs. 2 StGB jeden Angriff auf die „äußere Ehre“ und das in Mitleidenschaft Ziehen der verdienten Anerkennung einer Person im Verhältnis zu Dritten durch die Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen.185 Unter dem Begriff der „äußeren Ehre“, der im Verhältnis zum Schutz vor reputationsgefährdenden Bildaufnahmen als passendes Abgrenzungskriterium erscheint, sind neben der Bereitschaft und Fähigkeit den Erwartungen anderer Menschen zu entsprechen, auch der „gute Ruf“ einer Person zu fassen186. Gerade in den Fällen des Cybermobbings wird mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel versucht, durch die Verbreitung diffamierender und erniedrigender Bildaufnahmen den Ruf einer anderen Person zu schädigen und das Opfer, in einer den Erwartungen Dritter widersprechender Weise darzustellen. Die Täter zielen in derartigen Konstellationen darauf ab, mit Bildaufnahmen, die die betroffene Person in einer unerwarteten Situation zeigen, deren erworbene und verdiente Anerkennung im Verhältnis zu Dritten und der Gesellschaft umfassend zu 180

BGH, 2.2.1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 148. Der faktische Ehrbegriff stellt darauf ab, ob eine Person sich durch eine Äußerung in ihrer Ehre angegriffen fühlt und ob durch diese ihr „guter Ruf“ im Verhältnis zu anderen beeinträchtigt wird, Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 24, Rn. 2. 182 Knittel, Ansehen und Geltungsbewußtsein, S. 2, S. 13; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 24, Rn. 5. 183 Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, § 24, Rn. 7. 184 Vgl. Regge/Pegel, in: MüKo, Vor §§ 185 ff., Rn. 30. 185 Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 315. 186 Amelung, in: Rogall/Puppe/Stein u. a., Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag, 373, 375; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, Vor §§ 185 ff., Rn. 1. 181

A. Bestimmtheitsgrundsatz

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zerstören. § 201a Abs. 2 StGB hat die Aufgabe – mit strafrechtlichen Sanktionen – zu verhindern, dass erniedrigende Bildaufnahmen einer Person verbreitet werden und dadurch die Ehrgeltung der abgebildeten Person in dem Urteil ihrer Mitmenschen und der Gesellschaft im Allgemeinen beeinträchtigt wird. Anders als bei den Beleidigungstatbeständen wird im Rahmen des § 201a Abs. 2 StGB dem Opfer jedoch kein mutmaßliches Verhalten nachgesagt, sondern die Bildaufnahme stellt visuell eine reale Situation dar. Es liegt somit nicht der Fall vor, dass dem Betroffenen eine gewisse Handlung oder eine Situation unterstellt wird, sondern es kommt zu einer Aufdeckung seines „wahren Gesichts“ und einer Gefährdung seines in der Öffentlichkeit aufgebauten evtl. nicht der Wahrheit entsprechenden Images. Bei den Beleidigungsdelikten werden wahre Tatsachenbehauptungen zwar nur unter den strengen Voraussetzungen des § 192 StGB einbezogen, allerdings ist eine Bestrafung nach § 185 StGB dennoch möglich, sodass dieser Unterschied im Umgang mit wahren Sachverhalten nicht zu einer Unanwendbarkeit der Kasuistik des Ehrbegriffs auf § 201a Abs. 2 StGB führt. Die Verbreitung von reputationsgefährdenden Bildaufnahmen stellt eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild, eine Gefährdung des Rechtsguts des höchstpersönlichen Lebensbereichs sowie einen Angriff auf den Anspruch auf Achtung der verdienten sozialen Geltung einer Person, seiner Persönlichkeit und somit auf deren Ansehen dar. Das Ansehen einer Person i. S. v. § 201a Abs. 2 StGB ist immer dann als betroffen anzusehen, wenn die wörtliche Beschreibung des fraglichen Bildinhalts die verdiente Anerkennung einer Person und deren „äußere Ehre“ entsprechend der §§ 185 ff. StGB tangieren würde. b) Erheblichkeit Aufgrund der technischen Möglichkeiten, der Allgegenwärtigkeit von Smartphones und Tablets mit Kameras sowie der ständigen Upload-Möglichkeit von Bildaufnahmen in soziale Netzwerke, Fotoportale oder deren Versendung an Dritte ist es sehr wahrscheinlich, dass eine peinliche Situation oder ein Fauxpas, der sich in der Öffentlichkeit zugetragen hat, durch eine andere Person bildlich festgehalten und diese die Aufnahme aufgrund des „lustigen“ und in gewisser Weise „unterhaltsamen“ Inhalts verbreitet wird. Es ist an Fernsehsendungen wie „Upps! Die Pannenshow“ oder „America‘s Funniest Home Videos“ zu denken, die ihre gesamte Sendezeit Bilder oder Videosequenzen von Privatpersonen zeigen, bei denen sich die abgebildeten Personen lächerlich machen, da es zuvor zu einer bildlichen Perpetuierung eines Missgeschicks oder Fehlverhaltens gekommen ist. Auch bei Plattformen wie „Youtube“ oder „MyVideo“ stellen entsprechende Aufnahmen einen großen Bestandteil der hochgeladenen Bildaufnahmen dar. Würde es nun an der Erheblichkeitsschwelle bei § 201a Abs. 2 StGB fehlen, würden eine Vielzahl von Personen der Gefahr einer strafrechtlichen Sanktionierung ausgesetzt, sobald sie eine peinliche oder erniedrigende Aufnahme, die ge-

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

eignet ist, die „äußere Ehre“ der betroffenen Person zu gefährden, weiteren Personen zur Verfügung stellen. Mit dieser Tatbestandsrestriktion sollte sichergestellt werden, dass Bildaufnahmen, die Geschmack- oder Taktlosigkeiten abbilden, jedoch noch nicht sanktionsbedürftig erscheinen, nicht mit strafrechtlichen Mitteln geahndet werden. Durch diese Beschränkung soll gewährleistet sein, dass keine Bagatellfälle von dem Tatbestand des strafrechtlichen Bildnisschutzes umfasst sind und somit die strafrechtlichen Sanktionen nicht zu weit in den Lebensbereich einer Vielzahl von Personen reichen.187 Des Weiteren soll mit der Erheblichkeitsschwelle des ansonsten sehr weit gefassten § 201a Abs. 2 StGB garantiert werden, dass Verhaltensweisen, die dem Grunde nach sozial anerkannt und gesellschaftlich akzeptiert oder zumindest gebilligt sind, nicht pönalisiert werden. Für die Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle bei § 201a Abs. 2 StGB muss – mit Blick in die Gesetzgebungsmaterialien – zunächst entscheidend sein, ob es sich bei der fraglichen Bildaufnahme um eine bloßstellende Abbildung einer anderen Person handelt.188 Eine Bildaufnahme kann als „bloßstellend“ verstanden werden, wenn sie die abgebildete Person in einer peinlichen oder entwürdigenden Situation oder in einem solchen Zustand zeigt und es angenommen werden kann, dass üblicherweise ein allgemeines Interesse daran besteht, dass eine solche Aufnahme nicht hergestellt oder verbreitet werden soll.189 Das Merkmal der Bloßstellung setzt nach allgemeinem Sprachverständnis weiterhin voraus, dass die visualisierte Tatsache bis zu ihrer Verbreitung vertraulicher Natur war. Eine Tatsache, die allgemein bekannt ist, führt nicht zu einer Bloßstellung. Von einer derartigen Demütigung kann nur dann die Rede sein, wenn es durch die Aufnahme zu einer Enthüllung unbekannter Aspekte kommt. Des Weiteren erscheint es für die abstrakte Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle angebracht, neben dem Kriterium der „Bloßstellung“ auch § 184 h Nr. 1 StGB als Vergleichsnorm heranzuziehen und für eine allgemeine Definition innerhalb des § 201a Abs. 2 StGB deren Voraussetzungen als Orientierung zu verwenden.190 Für die Überwindung der Erheblichkeitsschwelle erscheint es somit gleichermaßen vonnöten, dass es sich bei dem fraglichen Verhalten um eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des tatbestandlich geschützten 187

Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 315. Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. 189 BT-Drucks. 18/2601, S. 37. Eine andere Beurteilung dieses Begriffs noch bei Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 31. Nach deren Ansicht sind unter das Merkmal der „Bloßstellung“ nur Handlungen von einigem Gewicht zu fassen, wobei es unbeachtlich sein sollte, ob es sich um ehrenrührige oder peinliche Situationen handelt. Mit § 145 StGB-AE sollte einzig der höchstpersönliche Bereich einer Person vor Bewertungen jeglicher Art durch Außenstehende geschützt werden. 190 So im Ergebnis auch Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 315. 188

A. Bestimmtheitsgrundsatz

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Rechtsguts handelt.191 Neben der Art und Intensität192 der Rechtsgutsbeeinträchtigung ist zusätzlich der Handlungsrahmen der persönlichkeitsrechtsverletzenden Aktion sowie die Beziehung der Beteiligten untereinander im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.193 So wird die Erheblichkeitsschwelle des § 201a Abs. 2 StGB nicht bei einer Bildaufnahme überschritten sein, die ein Paparazzo von einem „Actionstar“ hergestellt und verbreitet hat, auf welcher dieser ungelenk eine Treppe hinunterfällt, ein „Maurerdekolleté“ bildlich dargestellt wird oder im Rahmen eines Junggesellenabschieds Fotos des Bräutigams in einem rosa Hasenkostüm entstehen. Gleichzeitig werden jedoch Fotos eines Betrunkenen erfasst sein, die diesen auf dem Boden liegend und aufgrund des Alkohols orientierungslos abbilden,194 zumindest wenn die abgebildete Person sonst als äußerst beherrscht und dem Alkohol abgeneigt bekannt ist. Gerade letztgenannte Aufnahmen stellen die betroffene Person, die Selbstkontrolle und -beherrschung verloren, in erniedrigender Weise dar. Es wird üblicherweise ein nach außen erkennbares Interesse des Abgebildeten daran bestehen, dass entsprechende Aufnahmen weder hergestellt, noch verbreitet werden. Nacktaufnahmen einer Person führen hingegen nicht automatisch zu einer Überwindung der Erheblichkeitsschwelle des § 201a Abs. 2 StGB.195 Dies ergibt sich einerseits aus einem Umkehrschluss zu dem Gesetzeswortlaut des strafrechtlichen Bildnisschutzes, der in § 201a Abs. 3 StGB explizit nur Nacktaufnahmen von Minderjährigen erfasst.196 Andererseits aus dem gesetzgeberischen Willen, der der Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes zugrunde liegt. Hat der Regierungsentwurf zu der Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes noch jegliche Art von Nacktaufnahmen erwachsener Personen unter den Schutzbereich des § 201a StGB fassen wollen, wurde im Rahmen des 49. StÄG diese Textpassage gestrichen und der strafrechtliche Schutz vor Nacktaufnahmen auf Minderjährige beschränkt.197 So sind Nacktaufnahmen einer volljährigen Person nur dann geeignet deren Ansehen erheblich zu schaden, wenn bei der fraglichen Aufnahme eine Bloßstellung gegeben ist und sich eine Überschreitung der reinen Takt- und Geschmacklosigkeit aus einer Gesamtbetrachtung aller mit der Bildaufnahme in Zusammenhang stehender Umstände ergibt. So kann dies beispielsweise angenommen werden, wenn ein Staatsanwalt von seiner Ehefrau während des Beischlafs nackt fotografiert wurde und diese, die Aufnahmen mit dem deut191 BGH, 10.3.2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049; BGH, 1.12.2011 – 5 StR 417/ 11, NStZ 2012, 269, 270; BGH, 12.9.2013 – 2 StR 219/12, NStZ 2013, 280. 192 BGH, 23.7.2013 – 1 StR 204/13, NStZ 2013, 708. 193 BGH, 10.3.2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049; BGH, 1.12.2011 – 5 StR 417/ 11, NStZ 2012, 269, 270. 194 BT-Drucks. 18/2601, S. 36. 195 BT-Drucks. 18/2601, S. 36. 196 Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 316. 197 Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 10; BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 16 ff.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

lich lesbaren tätowierten Schriftzug „a.c.a.b.“ 198 in der lokalen Presse nach der Ehescheidung ohne jegliche Anonymisierung veröffentlicht. Der Schriftzug „a.c.a.b.“ steht für die englischsprachige Parole „all cops are bastards“ und wird häufig von radikalen Gruppierungen tätowiert oder offen sichtbar zur Schau getragen, um ihre Abneigung gegenüber dem Rechtssystem sowie der Polizei als durchsetzendes Organ zu verdeutlichen.199 Daneben soll dieser Schriftzug eine Abgrenzung gegenüber jeglicher staatlicher Ordnungsmacht zum Ausdruck bringen.200 Die Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle i. S. d. § 201a Abs. 2 StGB kann in einem derartigen Fall nicht einzig aus der Nacktheit eines Staatsbeamten sowie dem Sexualbezug der Aufnahme geschlossen werden, sondern erst aus einer Gesamtbetrachtung aller Umstände bzw. im konkreten Fall aus der Bedeutung des tätowierten Schriftzuges, der beruflichen Stellung der abgebildeten Person und des sich daraus ergebenden, erkennbaren Interesses, dass entsprechende Aufnahmen nicht verbreitet werden. Im Gegensatz dazu sind Nacktaufnahmen einer als freizügig bekannten Fernsehmoderatorin am Strand, die durch einen Paparazzo hergestellt worden sind oder Bildaufnahmen, die einen Hollywoodschauspieler nackt beim Stand-Up-Paddling zeigen und in einem Boulevardblatt veröffentlicht werden unter Betrachtung der Gesamtumstände nicht geeignet, die Erheblichkeitsschwelle bei § 201a Abs. 2 StGB zu überschreiten. Für die Überwindung der Erheblichkeitsschwelle ist es des Weiteren nicht notwendig, dass positiv feststellbar mit der Bildaufnahme der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt oder zumindest bildlich dargestellt wird.201 Eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs wird, anders als in § 201a Abs. 1 StGB, bei reputationsgefährdenden Bildaufnahmen nicht von dem Gesetzeswortlaut gefordert. Es ist laut Gesetzgebungsmaterialien davon auszugehen, dass eine bloßstellende Bildaufnahme, die ohne Einwilligung oder Zustimmung der abgebildeten Person hergestellt worden ist, immer den höchstpersönlichen Lebensbereich, wenn nicht sogar die Intimsphäre der betroffenen Person, verletzt,202 sodass eine positive Feststellung überflüssig ist und die Aufführung des Tatbestandsmerkmals des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ bei 198 Für eine ausführliche Darstellung der Annahme einer Kollektivbeleidigung durch das Kürzel „a.c.a.b.“ vgl. BVerfG, 17.5.2016 – 1 BvR 2150/14, NJW 2016, 2643, 2644; BVerfG, 16.1.2017 – 1 BvR 1593/16, NJW 2017, 1092, 1093; OLG Karlsruhe, 20.5.2014 – 1 (8) Ss 678/13 – AK 15/14, BeckRS 2014, 11644; Geppert, NStZ 2013, 553, 556 ff. Kritisch bzgl. der Annahme einer Kollektivbeleidigung durch das Tragen einer Hose mit dem eingestickten, gut lesbaren Schriftzug „a.c.a.b.“ bei einem Fußballspiel Jahn, JuS 2016, 751, 752 ff. 199 BVerfG, 17.5.2016 – 1 BvR 2150/14, NJW 2016, 2643; BVerfG, 16.1.2017 – 1 BvR 1593/16, NJW 2017, 1092; Geppert, NStZ 2013, 553. 200 BVerfG, 17.5.2016 – 1 BvR 2150/14, NJW 2016, 2643; BVerfG, 16.1.2017 – 1 BvR 1593/16, NJW 2017, 1092. 201 R. Busch, NJW 2015, 977, 978. 202 BT-Drucks. 18/2601, S. 37.

A. Bestimmtheitsgrundsatz

227

§ 201a Abs. 2 StGB rein deklaratorischer Art gewesen wäre. Auch wenn das tatsächliche Vorliegen einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs keine notwendige Voraussetzung für die Bewertung der Erheblichkeitsschwelle i. S. v. § 201a Abs. 2 StGB ist, kommt dieser Erkenntnis dennoch Indizwirkung zu. Im Einzelfall erscheint es möglich, bei Unsicherheiten in Bezug auf die Überwindung der Erheblichkeitsschwelle auf die bereits bekannten Kriterien dieses Merkmals zurückzugreifen und sich auch an diesen zu orientieren. Mit der Einführung des § 201a Abs. 2 StGB wollte der Gesetzgeber vor allem auf das immer stärker um sich greifende Phänomen des Cybermobbings reagieren203 und keine Alltagshandlungen, die im Einzelfall zwar als taktlos, unanständig oder unangebracht bezeichnet werden können, allerdings kein strafwürdiges Unrecht sind, pönalisieren. Für die Überwindung der Erheblichkeitsschwelle i. S. d. § 201a Abs. 2 StGB ist es somit entscheidend, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und zu überprüfen, ob es sich bei der fraglichen Bildaufnahme um eine bloßstellende Aufnahme handelt, die dazu verwendet wird, die abgebildete Person zu diffamieren und in ihrem Ansehen gegenüber Dritten zu beschneiden. Bei der Beurteilung der Erheblichkeitsschwelle ist an Hand einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu überprüfen, ob die in Frage stehende Bildaufnahme eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der abgebildeten Person darstellt. c) Eignung Neben der Überwindung der Erheblichkeitsschwelle durch die fragliche Bildaufnahme muss diese laut Gesetzeswortlaut auch „geeignet“ sein, das Ansehen der abgebildeten Person zu schädigen. Durch diese Formulierung wurde mit § 201a Abs. 2 StGB in den strafrechtlichen Bildnisschutz ein abstraktes Gefährdungsdelikt eingefügt.204 Der Gesetzgeber hat sich bei § 201a Abs. 2 StGB von dem Gedanken leiten lassen, dass die Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen erfahrungsgemäß für das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Rechtsgut des höchstpersönlichen Lebensbereichs generell gefährlich ist. Der Eintritt eines konkreten Schadens dürfe für die Verwirklichung des § 201a Abs. 2 StGB und dem damit einhergehenden umfassenden Persönlichkeitsrechtschutz nicht vonnöten sein. Unter welchen Bedingungen eine Bildaufnahme nun geeignet ist, dem Ansehen einer Person zu schaden, ist nicht eindeutig aus den Gesetzesmaterialien herauszulesen. Zwar stellen diese für die Bewertung der Eignung i. S. v. § 201a

203

Vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 37. Ebenso Wieduwilt, K&R 2015, 83, 84; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 310; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 10; a. A. Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 15. 204

228

4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

Abs. 2 StGB auf die Beurteilung eines durchschnittlichen Betrachters ab,205 welche Voraussetzungen an diesen jedoch zu stellen sind und wie dieser durch objektivierbare Kriterien zu ermitteln ist, ist aus den Gesetzesmaterialien, wie auch aus dem Gesetzeswortlaut, nicht erkennbar.206 Den einzigen Anhaltspunkt geben die Gesetzesmaterialien zu § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB. So soll es an diesem Merkmal immer dann mangeln, wenn die fragliche Bildaufnahme eine Situation abbildet, in welche die dargestellte Person unverschuldet – beispielsweise als Opfer einer Straftat oder als ein Unfallopfer – geraten ist.207 Daraus abzuleiten ist, dass es an der „Eignung“ auch fehlen muss, wenn einer Frau, die beispielsweise auf einer Rolltreppe oder in einem Festzelt auf einer Bank steht, unter den Rock fotografiert wird, da die Betroffene kein Verschulden bzgl. der Aufnahmesituation trifft.208 Wann es sich nun allerdings um Bildaufnahmen handelt, die eine Person in einer Situation oder in einem Zustand abbilden, der als minderwertig, peinlich, unfreiwillig oder eklig anzusehen ist und somit unter das Merkmal der „Eignung“ i. S. d. § 201a Abs. 2 StGB gefasst werden kann,209 hängt entscheidend von der Region, dem gesellschaftlichen Gefüge, dem Verhältnis des Betrachters zu der abgebildeten Person und dessen persönlichen Empfindungen ab210. Es erscheint äußerst fraglich, ob es einen „Durchschnittsbetrachter“ bei Ehrverletzungen geben kann211 und wie dieser im Einzelfall zu ermitteln ist. Jede Gesellschaft besteht vor allem auf dem Gebiet der medialen und digitalisierten Bereiche – auf denen im Rahmen der Einfügung des § 201a Abs. 2 StGB durch das 49. StÄG besonders das Augenmerk des Gesetzgebers lag – aus einer Vielzahl von Teilöffentlichkeiten, die unterschiedlichste Bewertungsmaßstäbe an den Sinn- und Aussagegehalt einer Bildaufnahme stellen.212 Abhängig von der konkreten Lebenssituation werden Personen den Begriff des Ansehens, dessen Auswirkungen auf die Lebensgestaltung und seine Grenzen, unterschiedlich bewerten. Auch der Online-Enthemmungseffekt, den der Gesetzgeber als einen der 205

BT-Drucks. 18/2601, S. 37. Ebenfalls kritisch Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Baumhöfener, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 139, 144; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 127. 207 BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 28. So auch Hunsicker/Belz, jM 2016, 160, 163 und Cornelius, NJW 2017, 1893. 208 Da der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 3 StGB auf Minderjährige beschränkt ist und § 201a Abs. 2 StGB in den Fällen des „Upskirting“ („das unter den Rock fotografieren“) nicht anwendbar ist, kann dieses Phänomen nicht mit der Sanktionsnorm des § 201a StGB geahndet werden. Kritisch bzgl. dieser Strafbarkeitslücke Lenz, Die Jugendschutztatbestände im Sexualstrafrecht, S. 375. 209 Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 23. 210 R. Busch, NJW 2015, 977, 978; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. 211 Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85; Bosch, Jura 2016, 1380, 1386; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 127. 212 Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85. 206

A. Bestimmtheitsgrundsatz

229

wesentlichen Gründe für den rapiden Anstieg des Cybermobbing-Phänomens nennt,213 ist nicht bei allen Personen gleich stark ausgeprägt, sodass Menschen mit einer niedrigen Reizschwelle Aufnahmen im Internet bereits früher als ansehensgefährdend bezeichnen werden, als Personen mit einem hohen. Aus welcher Perspektive nun die tatbestandliche Eignung bei entsprechenden Bildaufnahmen zu bestimmen ist, ist – ausgenommen von Extremfällen –214 nicht eindeutig feststellbar. Die Ausführungen in den Gesetzesmaterialen sind diesbezüglich vage und ohne große praktische Bedeutung.215 Zunächst bleibt festzuhalten, dass es keinen, auf Grundlage von objektivierbaren Kriterien feststellbaren, Durchschnittsbetrachter für die Beurteilung der Eignung einer Bildaufnahme in Bezug zu einer äußeren Ehrverletzung geben wird. Um die aufgezeigte Problematik mit der Bestimmung des Merkmals der „Eignung“ i. S. v. § 201a Abs. 2 StGB zu überwinden, erscheint es denkbar, wie bei der Definition des Ansehens, auf die Kasuistik und Rechtsprechung der Beleidigungsdelikte zurückzugreifen.216 So enthalten die §§ 186, 187 StGB ebenfalls das Tatbestandsmerkmal der „Eignung“. Wie bei § 201a Abs. 2 StGB handelt es sich bei diesen Ehrdelikten um Verbreitungsdelikte, und das Merkmal der „Eignung“ bezieht sich nicht auf die Verbreitungshandlung als solche, sondern auf das Tatobjekt und seine Wirkung für den Betroffenen. Ist dieses bei § 201a Abs. 2 StGB die visualisierte Tatsache in Form einer Bildaufnahme, ist das Tatobjekt innerhalb der §§ 186, 187 StGB die behauptete oder verbreitete Tatsache mit ehrverletzendem Inhalt. Auch wenn die „Tatobjekte“ des § 201a Abs. 2 StGB und der §§ 186, 187 StGB voneinander abweichen, regeln diese Normen dennoch eine vergleichbare Situation, sodass eine Auslegung des Merkmals der „Eignung“ innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutz in Anlehnung an die §§ 186, 187 StGB möglich und nicht mit dem gesetzgeberischen Willen unvereinbar erscheint. Eine Bildaufnahme ist in Anlehnung an die §§ 186, 187 StGB somit immer dann geeignet das Ansehen der abgebildeten Person zu gefährden, wenn durch ihre Verbreitung für den Abgebildeten die Gefahr geschaffen wird, dass seine Ehre in der Einschätzung durch andere vermindert wird217. Charakteristisch für eine bloßstellende Aufnahme ist ihr verächtlicher, herabwürdigender Inhalt, da 213

BT-Drucks. 18/2601, S. 36. Bosch, Jura 2016, 1380, 1386. 215 Im Ergebnis wie R. Busch, NJW 2015, 977, 978; Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85; Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 16. 216 Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; R. Busch, NJW 2015, 977, 978; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 315; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 127; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 25; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 47. 217 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 186, Rn. 5; Zaczyk, in: Nomos Kommentar, § 186, Rn. 6; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 315. 214

230

4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

die bildliche Darstellung von peinlichen und entwürdigenden Situationen den Abgebildeten regelmäßig in der öffentlichen Meinung herabsetzt, indem sie den Anschein verbreitet, die abgebildete Person sei nicht in der Lage ihre sittlichen Pflichten zu erfüllen. Da die reputationsgefährdende Bildaufnahme für die Tatbestandsverwirklichung bei § 201a Abs. 2 StGB nicht zu einer tatsächlichen Ansehensverletzung und somit zu einem Verletzungserfolg führen müssen, sondern die „Eignung“ bereits genügt, ist diese Voraussetzung bereits mit dem Zugänglichmachen einer bloßstellenden Bildaufnahme an eine dritte Person erfüllt. Ob nun ein Durchschnittsbetrachter, den es wie bereits aufgezeigt kaum geben wird, eine Verletzungseignung einer Bildaufnahme attestiert oder nicht, ist in Anlehnung an die Beleidigungsdelikte unbeachtlich, da deren Voraussetzungen ebenfalls schon mit jeder Behauptung ehrenrühriger Tatsachen erfüllt sind218. Mit der Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen geht immer die Gefahr einher, dass nach Kenntniserlangung des Bildinhalts durch Dritte die Mitmenschen der abgebildeten Person den Kontakt mit dieser meiden könnten, sich über diese lächerlich machen oder ihr „guter Ruf“ gegenüber diesen verletzt wird. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem Merkmal der „Eignung“ in § 201a Abs. 2 StGB neben der Einordnung dieser Sanktionsnorm als Gefährdungsdelikt einzig Bedeutung in Abgrenzung zu der Tatbestandsvariante des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB zukommt. Ob eine Bildaufnahme „geeignet“ ist, das Ansehen der abgebildeten Person zu gefährden, muss in Anlehnung an die §§ 186, 187 StGB nicht positiv festgestellt werden, sondern wird durch die Verbreitungshandlung und der damit einhergehenden Kenntnisnahmemöglichkeit des Bildinhalts durch Dritte impliziert. d) Zusammenfassung Eine Bildaufnahme ist immer dann i. S. v. § 201a Abs. 2 StGB geeignet, das Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schädigen, wenn die mündliche Erzählung des Bildinhalts von den §§ 185 ff. StGB als eine unzutreffende Tatsachenbehauptung, die die äußere Ehre einer Person verletzt, erfasst wäre219 und die Möglichkeit besteht, dass die abgebildete Person in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt wird220. Die Erheblichkeitsschwelle gilt immer dann als überschritten, wenn die in Frage stehende Bildaufnahme einen bloßstellenden Charakter hat und eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls – wie beispielsweise der sprachliche Kontext, die persönliche Beziehung zwischen Täter 218 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 186, Rn. 5; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 186, Rn. 4; a. A. Zaczyk, in: Nomos Kommentar, § 186, Rn. 6; Rudolphi/Rogall, in: SK-StGB, § 186, Rn. 11. 219 Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 315. 220 R. Busch, NJW 2015, 977, 978; Baumhöfener, in: Taeger, Smart World – Smart Law?, 139, 146.

A. Bestimmtheitsgrundsatz

231

und Opfer, deren Alter und gesellschaftliche Stellung – zu dem Ergebnis führt, dass die Aufnahme nicht als reine Geschmack- oder Taktlosigkeit verstanden werden kann, sondern ein strafwürdiges Verhalten darstellt. Die „Eignung“ zur erheblichen Schädigung des Ansehens der abgebildeten Person muss im Rahmen des § 201a Abs. 2 StGB nicht positiv festgestellt werden, da in Anlehnung an die §§ 186, 187 StGB mit dem Zugänglichmachen einer bloßstellenden, die Erheblichkeitsschwelle überschreitenden Bildaufnahme, dies als erfüllt gilt. Eine Bildaufnahme kann allerdings nicht unter diese Sanktionsnorm gefasst werden, wenn die abgebildete Person unverschuldet in die optisch perpetuierte Situation geraten ist. 3. Vereinbarkeit des § 201a Abs. 2 StGB mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Abschließend kann festgehalten werden, dass die Bedenken gegen die Vereinbarkeit des Verbots der Verbreitung reputationsgefährdender Bildaufnahmen gem. § 201a Abs. 2 StGB mit dem Bestimmtheitsgebot einer näheren Prüfung nicht standhalten.221 Durch die Beschränkung der Strafbarkeit auf das Zugänglichmachen bloßstellender Bildaufnahmen gegenüber Dritten wurde die Strafbarkeit im Bereich der reputationsgefährdenden Bildaufnahmen nach hinten verlagert, sodass kein strafbares Verhalten im Zeitpunkt der Herstellung derartiger Bildaufnahmen verwirklicht wird. Es ist somit für einen Fotografen möglich, im Nachhinein die fraglichen Bilder in Ruhe anzusehen, zu sichten und anschließend zu entscheiden, ob die Aufnahmen geeignet erscheinen, das Ansehen der abgebildeten Person in erheblicher Weise zu verletzen und die Voraussetzungen der Verbotsnorm des § 201a Abs. 2 StGB erfüllen. Durch diese Tatbestandsverlagerung wurde der Sanktionsnorm des § 201a Abs. 2 StGB die Brisanz entzogen. Auch wenn die Begriffe des „Ansehens“ wie auch der Begriff der „Eignung“ zunächst als äußerst subjektiv-geprägte Merkmale erscheinen, entziehen sie sich nicht einer abstrakten Auslegung. Obwohl der Gesetzgeber kaum Auslegungskriterien in den Gesetzesmaterialien zu dem 49. StÄG zur Verfügung gestellt hat, erscheint eine abstrakte Bestimmung dieser Begrifflichkeiten durch die Einordnung des § 201a Abs. 2 StGB als Ehrdelikt und einer Orientierung an den §§ 185 ff. StGB möglich. Durch den Bezug und die Anlehnung an die Beleidigungstatbestände erscheint es praktikabel, die Konturen der Tatbestandsmerk221 Im Ergebnis wie Hörnle, Protokoll-Nr. 18/28, S. 111; Cornelius, NJW 2017, 1893; a. A. Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 319, die § 201a Abs. 2 als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnen. So auch Wieduwilt, K&R 2015, 83, 84 und Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2, die § 201a Abs. 2 StGB als nicht unproblematisch in Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG nennen. Siehe auch die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes, Nr. 12/14, in der ebenfalls Bedenken gegenüber der Vereinbarkeit des § 201a Abs. 2 StGB mit dem Bestimmtheitsgrundsatz geäußert werden.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

male des § 201a Abs. 2 StGB im Rahmen der Auslegung anhand von abstrakten Kriterien aufzuzeichnen und dem Rechtsanwender für eine Beurteilung des eigenen Verhaltens taugliche Entscheidungskriterien an die Hand zu geben. Auf Grundlage dieser Aspekte ist es für einen Fotografen im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre möglich, zu erkennen, ab wann eine reputationsgefährdende Bildaufnahme vorliegt und ob er diese straffrei weiteren Personen zugänglich machen darf. Der Gesetzgeber ist mit § 201a Abs. 2 StGB seiner Pflicht einer abstrakt-generellen Normgebung nachgekommen, ohne dabei mit dem Bestimmtheitsgrundsatz zu kollidieren.

B. Problem 2: § 201a Abs. 4 StGB Neben der allgemeinen Handlungsfreiheit, in die durch jede Strafnorm eingegriffen wird, kommen noch weitere Kollisionen mit verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheiten durch die mit der Reformierung des strafrechtlichen Bildnisschutzes neu in § 201a StGB eingefügten Tatbestandsvarianten in Betracht.222 Neben der Meinungs- und Informationsfreiheit ist vor allem an die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährte Kunstfreiheit zu denken, die durch § 201a StGB möglicherweise in ungerechtfertigter Weise betroffen sein könnte.223 Ob die geltend gemachten Zweifel bzgl. der Verfassungskonformität der Handlungsvarianten des § 201a StGB berechtigt sind und wie auf diese durch das 49. StÄG reagiert wurde, soll im Folgenden dargestellt werden.

I. Rechtliche Natur des § 201a Abs. 4 StGB Neben den bereits dargestellten Tatbestandsvarianten wurde mit dem 49. StÄG auch § 201a Abs. 4 StGB in seiner aktuellen Fassung in den Gesetzestext eingefügt. Mit dieser Neufassung sollte klargestellt werden, dass es – ausgenommen von § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB – bei jeder Tatbestandsverwirklichung innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes einer Abwägung der Rechtsgüter des höchstpersönlichen Lebensbereichs und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den 222 Umfassende Darstellung der Verfassungskonformität des § 201a StGB a. F. bei Wendt, AfP 2004, 181 ff.; Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 146 ff.; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen (§ 201a StGB), S. 140 ff.; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 243 ff.; Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 98 ff.; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 199 f.; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 309 ff.; Klintworth, Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht, S. 119 ff. 223 Zweifel in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des § 201a StGB n. F. äußern Gercke, CR 2014, 687, 690 und Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 319. Eine umfassende Darstellung der rechtlichen Beziehung des Bildnisschutzes im Allgemeinen mit der Kunstfreiheit bei Hildebrand, ZUM 2016, 305 ff.

B. § 201a Abs. 4 StGB

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aufgezählten verfassungsrechtlichen Interessen bedarf.224 Fraglich erscheint allerdings, wie dieser neue Absatz rechtlich einzuordnen ist. Zahlreiche Stimmen in der Literatur bringen vor, bei § 201a Abs. 4 StGB handele es sich um einen speziellen, auf den strafrechtlichen Bildnisschutz beschränkten Rechtfertigungsgrund.225 Demgegenüber wird innerhalb der Literatur und Rechtsprechung auch die Meinung vertreten, § 201a Abs. 4 StGB stelle eine Sozialadäquanzklausel dar, die bereits auf Tatbestandsebene ihre Wirkung entfalte und im Einzelfall einer möglichen Unrechtsverwirklichung von vornherein im Wege stehe.226 Wurde zu Beginn der Reformierungsbestrebungen innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes noch ein Verweis auf den Rechtfertigungsgrund des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB von den Entwurfsverfassern favorisiert,227 enthielt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz § 201a Abs. 4 StGB in seiner jetzigen Fassung und nahm keinerlei Bezug mehr auf den speziellen Rechtfertigungsgrund der Sanktionsnorm der „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“.228 Neben dem Gesetzgebungsverfahren sind jedoch auch die Gesetzgebungsmaterialen in Bezug auf die endgültige Ausformulierung einer Norm für die Bewertung deren rechtlicher Natur heranzuziehen. Die Ausführungen zu der aktuellen Fassung des § 201a Abs. 4 StGB lassen ebenfalls nicht auf eine rechtfertigende Wirkung dieser Normierung schließen. Laut den Gesetzgebungsmaterialien soll § 86 Abs. 3 StGB – der nach allgemeiner Ansicht als Sozialadäquanzklausel 229 zu verstehen ist und ausdrücklich den Gedanken der Tatbestandslosigkeit sozialadäquaten Handelns benennt230 – als Orientierungspunkt 224

BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 29. Eisele, Protokoll-Nr. 18/28, S. 84; ders./Sieber, StV 2015, 312, 318; Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Paschke/Halder, jurisPR-ITR 15/2017, Anm. 2; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 266; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, § 31, Rn. 19; Klesczewski, Strafrecht – Besonderer Teil, § 6, Rn. 120; Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 32; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a, Rn. 52. 226 BGH, 25.4.2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1892; R. Busch, NJW 2015, 977, 980; Weigend, ZStW 129, 513, 527; Bosch, Jura 2016, 1380, 1387; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 32; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 129; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 605; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 23; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 31; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 92. 227 Vgl. BT. Drucks. 18/2601, S. 11. 228 Vgl. BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 18. 229 BGH, 25.7.1979 – 3 StR 182/79, BGHSt 29, 73, 84; LG Berlin, 17.6.2009 – 537 Os 82/09, BeckRS 2009, 29520; Kubiciel, NStZ 2003, 57; Liesching, MMR 2010, 309, 310; Rönnau, JuS 2011, 311, 312; Valerius, JA 2014, 561; Rahe, Die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB und ihre Bedeutung für das politische Kommunikationsstrafrecht, S. 237 ff.; Fischer, in: Fischer, § 86, Rn. 17; Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, § 86, Rn. 17; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 86, Rn. 8; Steinmetz, in: MüKo, § 86, Rn. 37; Paeffgen, in: Nomos Kommentar, § 86, Rn. 38. 230 Rönnau, JuS 2011, 311, 312. 225

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

bei der Auslegung und Anwendung des § 201a Abs. 4 StGB herangezogen werden.231 Eine Bezugnahme zu anderen Normierungen oder speziellen Rechtfertigungsgründen des Besonderen Teils des StGB ist hingegen nicht ersichtlich. Auch der Wortlaut des § 201a Abs. 4 StGB lässt darauf schließen, dass es sich bei dem fraglichen Absatz um keinen speziellen Rechtfertigungsgrund handelt, sondern dass es einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen bereits auf Tatbestandsebene bedarf. Dem Wortlaut dieser Normierung folgend, bezieht sich dessen Regelungsgehalt zweifelsohne auf die Tatbestandsverwirklichung und deren Voraussetzungen. So sollen laut § 201a Abs. 4 StGB die aufgezählten Tatbestandsvarianten bereits „nicht gelten“, wenn die fragliche Handlung zur Wahrnehmung überwiegend berechtigter Interessen dient. Durch diese Formulierung wird tatbestandsmäßigen Geschehnissen in gewissem Umfang deren strafrechtliche Relevanz abgesprochen. Hätte der Gesetzgeber innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes einen Rechtfertigungsgrund normieren wollen, hätte er dies aus systematischen Aspekten und mit Blick auf § 201 Abs. 2 S. 3 StGB eindeutig sprachlich herausarbeiten müssen. Auch hätte in Anlehnung an § 86 Abs. 3 StGB keine negative Formulierung gewählt werden dürfen. Neben all diesen Erwägungen spricht auch das Telos, das der in Frage stehenden Normpassage zugrunde liegt, für die Bewertung des § 201a Abs. 4 StGB als Sozialadäquanzklausel. So sollte mit diesem Absatz sichergestellt werden, dass die Tatbestandsvarianten des strafrechtlichen Bildnisschutzes, die wegen der fehlenden restriktiven Räumlichkeitsbeschränkung eine Vielzahl von sozial gebilligten und üblichen Handlungsweisen erfassen, nicht zu weit in Alltägliches eingreifen und dieses sanktionieren. Die durch das 49. StÄG teilweise sehr weit gefassten Tatbestände sollten durch § 201a Abs. 4 StGB eine verfassungskonforme Einschränkung erhalten. Mit dieser Ausnahmeklausel sollte sichergestellt werden, dass sozial gebilligte und anerkannte Verhaltensweisen nicht als Unrecht im strafrechtlichen Sinne eingeordnet werden. Entgegen der in der Literatur aktuell vorherrschenden Meinung kann § 201a Abs. 4 StGB mit Blick auf die dargestellten Aspekte nicht als ein spezieller, dem strafrechtlichen Bildnisschutz zugeordneter Rechtfertigungsgrund bewertet werden. Es handelt sich vielmehr um eine Sozialadäquanzklausel, die eine Abwägung der Rechtsgüter des höchstpersönlichen Lebensbereichs und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den aufgezählten verfassungsrechtlichen Interessen bereits auf Tatbestandsebene fordert.232 231

BT-Druck. 18/3202 (neu) vom 12.11.2014, S. 29. So im Ergebnis auch BGH, 25.4.2017 – 4 StR 244/16, NJW 2017, 1891, 1892; R. Busch, NJW 2015, 977, 980; Weigend, ZStW 129, 513, 527; Bosch, Jura 2016, 1380, 1387; ders., in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 201a, Rn. 32; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 129; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil I, Rn. 605; Kargl, in: Nomos Kommentar, § 201a, Rn. 23; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 31; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 92. 232

B. § 201a Abs. 4 StGB

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II. Begriffsbestimmung Durch das in § 201a Abs. 4 StGB gesetzlich vorgeschriebene Abwägungsgebot wird versucht, einen Ausgleich zwischen dem teilweise sehr weitreichenden strafrechtlichen Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu etwaig berührten Grundrechten zu schaffen und einer unangemessenen Strafbarkeitserweiterung auf Verhaltensweisen, die sozialadäquat erscheinen und als sozial unauffällige Handlungen von der Allgemeinheit gebilligt werden, entgegenzutreten.233 Eine Sozialadäquanzklausel kann allerdings nur dann tatbestandsausschließend zur Anwendung kommen, wenn die in Frage stehende Handlung nicht dem Schutzzweck der möglicherweise einschlägigen Sanktionsnorm zuwiderläuft.234 Aufgrund der durch die Gesetzgebungsmaterialien vorgegebenen Anlehnung an § 86 Abs. 3 StGB kann für die Konkretisierung der in § 201a Abs. 4 StGB aufgeführten Fallgruppen auf dessen Kasuistik und Rechtsprechung zumindest teilweise zurückgegriffen werden.235 Daneben scheint es naheliegend, bei der Abwägung auf die zu § 23 Abs. 1 KUG entwickelten Kriterien Bezug zu nehmen.236 Gerade im Bereich der Bildberichterstattung über prominente Personen durch Medienschaffende kann auf seit Jahrzehnten entwickelte und allgemein anerkannte Lehren und Rechtsprechung237 verwiesen werden. Eine Notwendigkeit der Einbeziehung der zu § 23 Abs. 1 KUG entwickelten Prinzipien ergibt sich neben Praktikabilitätserwägungen auch aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, da ein Verhalten, das zivilrechtlich, beispielsweise gem. § 23 Abs. 1 KUG, erlaubt ist, nicht mit strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden darf.238 1. Dienen Neben den in § 201a Abs. 4 StGB aufgeführten Rechtsgütern, die im Rahmen einer Abwägung mit dem Merkmal des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu 233 BGH, 25.7.1979 – 3 StR 182/79, BGHSt 29, 73, 84; Rönnau, JuS 2011, 311; Valerius, JA 2014, 561, 562; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 318; Seidl, jurisPR-ITR 3/ 2016, Anm. 2. 234 BGH, 25.5.1983 – 3 StR 67/83, BGHSt 31, 383, 385; BGH, 15.3.2007 – 3 StR 486/06, BGHSt 51, 244, 248; LG Berlin, 17.6.2009 – 537 Os 82/09, BeckRS 2009, 29520; Kubiciel, NStZ 2003, 57, 58; Rönnau, JuS 2011, 311, 312. 235 A. A. Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 318; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, § 31, Rn. 19 und Keller/Liesching, in: Hamburger Kommentar, § 201a StGB, Rn. 32, die auf die Kasuistik zu § 193 StGB zurückgreifen wollen, da sie in § 201a Abs. 4 StGB einen Rechtfertigungsgrund sehen. 236 Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. 237 Beispielsweise EGMR, 24.6.2004 – 59320/00, NJW 2004, 2647, 2650 f.; BVerfG, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 211 ff.; BGH, 6.3.2007 – VI ZR 51/06, NJW 2007, 1977, 1978; OLG Köln, 28.04.2015 – 15 U 167/14, ZUM 2016, 290, 292 f.; OLG Köln, 10.11.2015 – 15 U 97/15, NJW 2016, 818 f.; LG Berlin, 11.6.2015 – 27 O 120/15, NJW 2016, 1966, 1967 ff. 238 Im Ergebnis wie Valerius, JA 2014, 561, 565.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

beachten sind, ist zunächst der Begriff des „Dienens“ und dessen Bedeutung für die Sozialadäquanzklausel genauer zu betrachten. So kann ein Tatbestandsausschluss gem. § 201a Abs. 4 StGB nur dann gewährt werden, wenn die in Frage stehende Verhaltensweise einer der exemplarisch aufgezählten Rechtspositionen „dient“. Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird unter dem Verb „dienen“ die Pflicht verstanden in untergeordneter Stellung für eine andere Person etwas zu erfüllen. Eine Handlung „dient“ einem Vorhaben soweit ihr eine bestimmte Zwecksetzung zugrunde liegt. Mit Blick auf dieses aus dem rechtlichen Kontext losgelöste Begriffsverständnis, könnte ein Vorgang einem der in § 201a Abs. 4 StGB aufgezählten Aspekte immer dann „dienen“, wenn der entsprechende Zweck durch die Aufnahmeherstellung oder Verbreitung zumindest gefördert wird oder sich diesem unterordnet. Mit Blick auf das Telos des § 201a Abs. 4 StGB und der Bedeutung der zugrunde liegenden Rechtsgüter erscheint es jedoch geboten, das Merkmal „dienen“ enger zu verstehen und nur dann zu bejahen, wenn es mit der in Frage stehenden Verhaltensweise zu einer überwiegenden Förderung einer der aufgeführten Zwecke gekommen ist. Die Wahrnehmung überwiegend berechtigter Interessen muss der Hauptzweck der zu begutachtenden Handlung sein, um ein „Dienen“ i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB bejahen und einen Tatbestandsausschluss annehmen zu können. Werden mit der in Frage stehenden Handlung primär andere Zwecke verfolgt, während den in § 201a Abs. 4 StGB aufgezählten Aspekten in der konkreten Situation nur eine untergeordnete Rolle zukommt, kann das Merkmal des „Dienens“ nicht bejaht werden, da kein sozialadäquates Verhalten vorliegt, das einen Tatbestandsausschluss rechtfertigt. Auch kann ein „Dienen“ i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB nicht angenommen werden, wenn entsprechende Interessen nur als Vorwand für eine straffreie Verletzung der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen verwendet werden.239 Hingegen schadet es nicht, wenn beispielsweise neben einer künstlerischen Zwecksetzung noch weitere triviale Zwecke, wie die Erregung von Aufmerksamkeit oder kommerzielle Aspekte, mit einer Handlung verfolgt werden,240 solange die künstlerische Ausrichtung den erkennbaren Fokus des Verhaltens darstellt. Für die Unterwerfung unter einen übergeordneten Zweck genügt es hingegen nicht, wenn die in Frage stehende Bildaufnahme in einer Art und Weise verbreitet wird, aus der sich einzig eine Distanz des Handelnden gegenüber der Aufnahme und der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der abgebildeten Person schließen lässt.241 Vielmehr ist es notwen239

Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, § 86, Rn. 8. BGH, 15.3.2007 – 3 StR 486/06, BGHSt 51, 244, 249; Liesching, MMR 2010, 309, 310. 241 A. A. in Bezug auf das Merkmal des „Dienens“ bei § 86 Abs. 3 StGB Rahe, Die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB und ihre Bedeutung für das politische Kommunikationsstrafrecht, S. 329. 240

B. § 201a Abs. 4 StGB

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dig, dass aus der fraglichen Verhaltensweise die konkrete Zwecksetzung positiv erkennbar ist und die Wahrnehmung überwiegend berechtigter Interessen den Schwerpunkt der Handlung darstellt. Dieses enge Begriffsverständnis bestätigt sich auch durch einen Blick auf § 86 Abs. 3 StGB242. 2. Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen a) Kunst Die Einordnung einer Bildaufnahme als „Kunst“ im verfassungsrechtlichen Sinne führt nicht automatisch zu einer Straflosigkeit gem. § 201a Abs. 4 StGB. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtabwägung der in Frage stehenden Aufnahme sowie der mit ihr in Verbindung stehenden Handlungen unter Einbeziehung der verfolgten Zwecksetzung.243 Die Besonderheiten der Kunst sind bei der Anwendbarkeit und Auslegung von Strafrechtsnormen besonders zu berücksichtigen,244 da die Kunstfreiheit ihre Grenzen nur in kollidierenden Grundrechten Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgütern, wie beispielsweise dem Persönlichkeitsrecht einer Person, hat.245 Zunächst ist im Rahmen der Sozialadäquanzklausel des § 201a Abs. 4 StGB somit zu prüfen, ob die zu beurteilende Bildaufnahme sowie die einzelnen Handlungsvarianten des § 201a StGB von dem Schutzbereich der verfassungsrechtlich gewährten Kunstfreiheit umfasst sind, bevor in einem zweiten Schritt die Frage zu beantworten ist, ob diese Verhaltensweise im Einzelfall in Wahrnehmung eines überwiegend berechtigten Interesses, namentlich der Kunst, erfolgt ist bzw. diesem dient. aa) Werkbereich Die Definition des grundrechtlichen Schutzbereichs der Kunstfreiheit ist problematischer als bei anderen Freiheitsgrundrechten.246 So erscheint es zunächst unmöglich, einen Begriff wie den der „Kunst“ allgemein zu definieren. Trotzdem ist dies wegen der Verankerung der Kunstfreiheit im Grundgesetz notwendig, da ein verfassungsrechtlicher Schutz nur soweit gewährt werden kann, wie die Grenzen des Schutzbereichs klar umschrieben sind.247 Da eine abschließende Defini242 Für eine Definition des Merkmals „dienen“ innerhalb des § 86 Abs. 3 StGB vgl. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 86, Rn. 17; Steinmetz, in: MüKo, § 86, Rn. 36. 243 Kubiciel, NStZ 2003, 57, 59; Bosch, Jura 2016, 1380, 1387; Steinmetz, in: MüKo, § 86, Rn. 39. 244 Schack, Kunst und Recht, S. 312, Rn. 596. 245 OLG München, 17.9.2007 – 18 W 1902/07, ZUM 2007, 932, 934; Fuchs, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 397, 402. 246 Vgl. die Ausführungen des BVerfG, 17.7.1984 – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, 224 ff.; BVerfG, 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, BVerfGE 119, 1, 20. 247 BVerfG, 17.7.1984 – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, 225; Ujica/Loef, ZUM 2010, 670, 671; Bülow, Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch künstlerische Werke,

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

tion unmöglich erscheint, werden für die Bestimmung der Grenzen des Schutzbereichs mehrere Kunstbegriffe nebeneinander verwendet, um dem „Gebot der Neutralität und Toleranz gegenüber dem Pluralismus im Kunstverständnis“ 248 nachzukommen. Als die drei wesentlichen Begriffsbestimmungen, die eine allgemeine Definition ersetzen sollen, sind der formale, der materielle und der offene Kunstbegriff zu nennen.249 Nach dem formalen Begriffsverständnis liegt „Kunst“ im verfassungsrechtlichen Sinne immer dann vor, wenn das fragliche Werk einem bestimmten Werktypus zugeordnet werden kann, wie beispielsweise der Bildhauerei, Malerei oder dem Theaterspiel.250 Nach dem materiellen Kunstbegriff sind hingegen keine formalen Kriterien entscheidend für die Einordnung eines Gegenstands als „Kunst“ im verfassungsrechtlichen Sinne. Das fragliche Werk muss vielmehr Ausdruck einer freien schöpferischen Gestaltung sein, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch eine bestimmte Formsprache zum Ausdruck gebracht worden sind.251 Innerhalb des offenen Kunstbegriffs ist das entscheidende Beurteilungskriterium, dass es „wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der [in Frage stehenden] Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende[re] Bedeutungen zu entnehmen, so daß sich eine [. . .] unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt“ 252. Diesen unterschiedlichen Begriffsbestimmungen ist ein weites Verständnis des Merkmals der Kunst zu eigen, um die Gefahr eines staatlichen Kunstrichtertums und einer Niveaukontrolle auszuschließen.253 Neben dem künstlerischen Tätigwerden, dem Werkbereich, umfasst der Schutzbereich der Kunstfreiheit auch den

S. 36; Bünnigmann, Die „Esra“-Entscheidung als Ausgleich zwischen Persönlichkeitsschutz und Kunstfreiheit, S. 303; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3, Rn. 25 spricht sogar von einem Definitionsgebot in Art. 5 Abs. 3 GG. 248 BGH, 3.6.1975 – VI ZR 123/74, NJW 1975, 1882, 1884. 249 Umfassende Ausführungen zu diesen und weiteren Kunstbegriffen bei Ujica/ Loef, ZUM 2010, 670, 672; Bünnigmann, Die „Esra“-Entscheidung als Ausgleich zwischen Persönlichkeitsschutz und Kunstfreiheit, S. 304 ff.; Siegle, Das Spannungsverhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht, S. 62 ff.; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 5, Rn. 41. 250 BVerfG, 17.7.1984 – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, 226 f.; BGH, 3.6.1975 – VI ZR 123/74, NJW 1975, 1882, 1884; Hildebrand, ZUM 2016, 305, 307; Bülow, Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch künstlerische Werke, S. 38; Wendt, in: von Münch/ Kunig, Art. 5, Rn. 90; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 5, Rn. 41. 251 BVerfG, 24.2.1971 – 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173, 189; BVerfG, 17.7.1984 – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, 226; BVerfG, 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 138; BVerfG, 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, BVerfGE 119, 1, 20; Hildebrand, ZUM 2016, 305, 307; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 5, Rn. 41. 252 BVerfG, 17.7.1984 – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, 227. 253 BVerfG, 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 139; Ujica/Loef, ZUM 2010, 670, 671; Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 327.

B. § 201a Abs. 4 StGB

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Wirkbereich des Künstlers.254 Der Wirkbereich stellt einen Oberbegriff für jegliche Handlungen dar, die notwendig sind, um das künstlerische Werk Dritten darbieten und verbreiten zu können.255 Bildaufnahmen i. S. d. § 201a StGB sind geeignet die Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse ihres Herstellers im Aufnahmezeitpunkt gegenüber anderen Personen unmittelbar zur Anschauung und tatsächlich zum Ausdruck zu bringen.256 Durch die optische Perpetuierung flüchtiger Geschehnisse werden diese dauerhaft fixiert und für Außenstehende visuell wahrnehmbar. Auch ist es auf Grund der Mannigfaltigkeit von Bildaufnahmen möglich, ihren Inhalten und Darbietungen im Rahmen einer fortgesetzten Interpretation immer weitreichendere Bedeutungen zu entnehmen. So steht der Interpretation einer Foto- oder Filmaufnahme nicht nur deren Inhalt zur Verfügung, sondern auch die Aufnahmeart, das Farbenspiel, der durch den Herstellenden gewählte Bildausschnitt, die Verteilung von Licht und Schatten sowie die technischen Ausführungen.257 Die von der Rechtsprechung aufgezählten Werktypen des „Malens, Bildhauens [und] Dichtens“ 258 sind hingegen nicht abschließend zu verstehen und nur als Beispiele zu lesen, sodass das formale Begriffsverständnis der Kunsteigenschaft von Bildaufnahmen ebenfalls nicht entgegensteht.259 Fraglich erscheint, ob tatsächlich jede Art von Bildaufnahmen, zu denken ist an Gaffer-Fotografien, die spontan mit Hilfe eines Smartphones entstanden sind, oder an die Schnappschüsse eines Paparazzos, die von einem Überraschungseffekt leben, von dem Schutzbereich der Kunstfreiheit umfasst werden. Die Anerkennung der Kunsteigenschaft bei einem Objekt darf jedoch nicht von einer staatlichen Niveau- oder Inhaltskontrolle abhängig gemacht werden.260 So sind auch Werke, die als dokumentarische Kunst eingeordnet werden können, da sie berichterstattenden Charakter haben und darauf angelegt sind, die Wirklichkeit abzubilden, nicht von vornherein aus dem Schutzbereich der verfassungsrechtlich

254 BVerfG, 24.2.1971 – 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173, 189; BVerfG, 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, BVerfGE 119, 1, 21; Siegle, Das Spannungsverhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht, S. 64; Schack, Kunst und Recht, S. 5, Rn. 3; Fuchs, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 397, 403; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 188; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3, Rn. 17; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 5, Rn. 120. 255 BVerfG, 24.2.1971 – 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173, 189; BVerfG, 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05, BVerfGE 119, 1, 21 f. 256 Ebenso OLG München, 17.9.2007 – 18 W 1902/07, ZUM 2007, 932, 934 zu dem Medium des Films. 257 Hildebrand, ZUM 2016, 305; Schack, Kunst und Recht, S. 450, Rn. 865. 258 BVerfG, 17.7.1984 – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, 227. 259 Ebenso Hildebrand, ZUM 2016, 305, 307; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 212; Schack, Kunst und Recht, S. 451, Rn. 867. 260 Ujica/Loef, ZUM 2010, 670, 672; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 187.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

gewährten Kunstfreiheit auszuklammern.261 Knüpft eine Aufnahme an Vorgänge der Realität an, ist für deren Einordnung als „Kunst“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG entscheidendes Kriterium, ob sie diese aus dem geschichtlichen Kontext gelöst und in einen neuen Bezugsrahmen gesetzt hat, bei dem das Gebot der anschaulichen Gestaltung im Vordergrund steht.262 Ob die fragliche Aufnahme von ihrem Urheber hingegen als „Kunst“ bewertet wird, stellt nur ein Indiz, jedoch keine notwendige Voraussetzung für die Einordnung einer Bildaufnahme als ein Kunstwerk dar.263 Eine Fotografie oder Videoaufnahme ist unabhängig von ihrem Inhalt immer als ein Kunstwerk i. S. v. Art. 5 Abs. 3 Var. 1 GG zu qualifizieren, soweit nicht die berichterstattende Wirklichkeitsabbildung den Schwerpunkt der Aufnahme darstellt, wobei die tatsächliche Vorstellung des Handelnden im Herstellungszeitpunkt unbeachtlich ist.264 Darüber hinaus verwenden Künstler denknotwendig bei der Schaffung eines Werks Erlebnisse und Begebenheiten aus der realen Welt, da jeder kreative Moment auf einem Zusammenspiel von Fiktion und Wirklichkeit beruht.265 Realität und Ästhetik stellen in Werken, die unter die bereits dargestellten Kunstbegriffe subsumierbar sind, eine Einheit dar, die weder gelöst noch getrennt werden kann.266 In Bezug auf die umfassende Einordnung von Bildaufnahmen in den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzbereich der Kunstfreiheit ist beispielsweise auch an die seit einigen Jahren auftretende Kunstform der „Street Photography“ zu denken, deren Aufnahmen häufig eine bewusst gewählte Schnappschuss-Ästhetik innewohnt, bei der es teilweise ungeplant und vollkommen überraschend zu der Perpetuierung von Alltagsgeschehnissen und zu Momentaufnahmen kommt.267 Diese Art der Kunst lebt gerade von der Spontanietät des Künstlers sowie der Schnelllebigkeit und Vergänglichkeit der Aufnahmeobjekte. Es wäre verfehlt, entsprechende Aufnahme pauschalisierend als sozialinadäquat zu bezeichnen, nur weil diese im Rahmen spontaner Aktivitäten entstanden sind, flüchtige Geschehensabläufe oder Alltägliches abbilden und mög261 Ujica/Loef, ZUM 2010, 670, 672 f.; Hildebrand, ZUM 2016, 305, 308; Fuchs, in: Haesner/Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 397, 403. 262 OLG München, 17.9.2007 – 18 W 1902/07, ZUM 2007, 932, 934. 263 Schack, Kunst und Recht, S. 7, Rn. 5; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 5, Rn. 119; Wendt, in: von Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 91. 264 Die gleiche Ansicht vertritt auch Hildebrand, die Schnappschüsse eines Hobbyfotografen, die eine alltägliche Straßenszenerie abbilden, durchaus als Kunst bezeichnet, Hildebrand, ZUM 2016, 305, 308. Eine a. A. vertritt Leffler, die als Korrektiv für die Einordnung einer Bildaufnahme als Kunstwerk die Vorstellung des Täters in Bezug auf die Kunsteigenschaft der in Frage stehenden Fotografie heranzieht, Leffler, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem neuen Phänomen des Cyber-Bullying, S. 328, S. 331. 265 Ujica/Loef, ZUM 2010, 670, 673. 266 Ujica/Loef, ZUM 2010, 670, 673. 267 Golz, IPRB 2015, 170, 171; Hildebrand, ZUM 2016, 305, 308; Wanckel, Fotound Bildrecht, Rn. 212.

B. § 201a Abs. 4 StGB

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licherweise von ihrem Urheber nicht als „Kunst im klassischen Sinne“ angesehen werden. Mit Blick auf diese Ausführungen erscheint es notwendig, auch Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person abbilden, im Einzelfall in den Schutzbereich der Kunstfreiheit einzubeziehen, ebenso wie Aufnahmen, die geeignet erscheinen, das Ansehen der abgebildeten Person zu gefährden. Aufnahmen, die die Nacktheit eines Minderjährigen zum Bildgegenstand haben, können ebenfalls dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG unterfallen. So hat das BVerfG bereits vor einigen Jahren entschieden, dass das allgemeine Genres der Pornografie, welches vornehmlich der sexuellen Stimulation sowie der geschlechtlichen Befriedigung seiner Konsumenten dient und sich durch die Darstellung nackter Personen auszeichnet, ebenfalls dem Schutzbereich der Kunstfreiheit unterfallen kann.268 Im Einzelfall kann auf dieses weite Verständnis des Schutzbereichs einschränkend im Rahmen der Prüfung der Sozialadäquanzklausel reagiert werden, wenn die in Frage stehende Handlung oder Bildaufnahme dem Schutzzweck des strafrechtlichen Bildnisschutzes zuwiderläuft und somit kein „dienen“ i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB bejaht werden kann. Ein pauschalisierter Ausschluss entsprechender Bildaufnahmen aus dem Schutzbereich der Kunstfreiheit und dem Anwendungsbereich der Sozialadäquanzklausel des § 201a Abs. 4 StGB erscheint hingegen verfehlt. bb) Wirkbereich Eine weitere Frage, die sich in Bezug auf das Merkmal der „Kunst“ bei § 201a Abs. 4 StGB stellt, ist, wie weit der Begriff des Wirkbereichs im verfassungsrechtlichen Sinne zu verstehen ist. An sich erfasst dieser jegliche Verhaltensweisen, die dazu beitragen, ein Kunstwerk der Öffentlichkeit darzubieten oder zu verbreiten.269 Für die Einordnung eines Verhaltens in den Wirkbereich ist es unbeachtlich, ob für das Kunstwerk eine Gegenleistung gefordert wird.270 Problematisch erscheint mit Blick auf § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG nun allerdings, ob auch das neutrale Onlinestellen einer Fotografie auf der eigenen FacebookSeite oder das Versenden eines Links, der zu der fraglichen Bildaufnahme führt, ein Verhalten darstellt, das von dem Wirkbereich des Art. 5 Abs. 3 GG erfasst ist und zu einem Tatbestandsausschluss gem. § 201a Abs. 4 StGB führen kann. In Bezug auf die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG wurde in der Vergangenheit entschieden, dass eine dem höheren Interesse der Kunst dienende 268 BVerfG, 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 138 f. Ausführliche Darstellung des Verhältnisses des Genres der Pornografie zu dem der Kunst bei Schack, Kunst und Recht, S. 319 ff., Rn. 611–619. 269 Wendt, in: von Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 93. 270 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 5, Rn. 120.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

Verbreitung nur angenommen werden kann, wenn es bei dem fraglichen Bildnis tatsächlich zu einer kunstgemäßen Verbreitung gekommen ist.271 Dies bedeutet, dass die Privilegierung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG einem Hobbyfotografen nur dann zu Gute kommt, wenn er seine Bilder im Rahmen einer Kunstausstellung, einem Fotowettbewerb im Internet oder auf einer vergleichbaren Plattform zeigt, nicht jedoch, wenn er das Bild einem Freund per E-Mail schickt oder auf seiner privaten Facebook-Seite veröffentlicht.272 Eine solche Einschränkung nennen allerdings weder Art. 5 Abs. 3 GG noch § 201a Abs. 4 StGB. Eine Modifizierung der Anforderungen, vergleichbar mit den Grenzen des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG, würde eine Beschränkung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Wirkbereichs sowie der Sozialadäquanzklausel zuungunsten des Täters darstellen, die weder vom Wortlaut, noch der Systematik oder dem Telos der Normen getragen wird. Die tatsächlichen Verbreitungsmodalitäten sind für die Rechtsgutsabwägung gem. § 201a Abs. 4 StGB unbeachtlich, soweit im Rahmen einer Gesamtabwägung feststellbar ist, dass der Täter auch ein künstlerisches Interesse in Bezug auf die Verbreitung der fraglichen Bildaufnahme innehatte. Soll die Weitergabe einer Aufnahme hingegen nicht einem kulturellen Diskurs dienen, sondern wird einzig aus Aspekten der Sensationsgier, zur Diffamierung der betroffenen Person, aus wirtschaftlichen Gründen oder zur sexuellen Befriedigung betrieben, wird im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände das Verhalten nicht als sozialadäquat i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB bewertet werden können.273 Derartige Verhaltensweisen laufen dem Schutzzweck des § 201a StGB zuwider und erfolgen nicht in Wahrnehmung überwiegend berechtigter Interessen. b) Wissenschaft, Forschung oder Lehre Eine mit einer Bildaufnahme in Verbindung stehende Verhaltensweise dient der Wissenschaft, Forschung oder Lehre immer dann, wenn die in Frage stehende Handlung im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG liegt und diesen fördert.274 Der grundrechtliche Begriff der „Wissenschaft“ ist mit ähnlichen Definitionsschwierigkeiten verbunden wie der der „Kunst“.275 Aus den Entscheidungen des BVerfG lässt sich allerdings schließen, dass von dem Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit jegliche Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen, die auf einer wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeit beruhen und bei der Suche von Erkenntnissen, deren Deutung und Verbreitung benötigt werden, erfasst sein 271 OLG München, 19.9.1996 – 6 U 6247/95, ZUM 1997, 388, 391; Lindner, Die Persönlichkeitsverletzung durch Kunst, S. 72. 272 Hildebrand, ZUM 2016, 305, 308. 273 So im Ergebnis auch Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 96. 274 Güntge, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 86, Rn. 21; Fischer, in: Fischer, § 86, Rn. 22. 275 Wendt, in: von Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 100.

B. § 201a Abs. 4 StGB

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sollen.276 Daneben sind jegliche Handlungen von der Wissenschaftsfreiheit erfasst, die nach ihrer konkreten Ausgestaltung als ein ernsthafter und planmäßiger Versuch die Wahrheit zu ermitteln, gedeutet werden können.277 Der Begriff der Wissenschaft ist stets als ein „Oberbegriff“ zu lesen, der die Merkmale der „wissenschaftlichen Forschung“ und der „wissenschaftlichen Lehre“ zusammenfasst.278 So sind von dem Merkmal der „wissenschaftlichen Forschung“ jegliche Verhaltensweisen umfasst, die in systematischer, methodischer und nachprüfbarer Weise auf die Gewinnung von Erkenntnissen gerichtet sind.279 Hingegen beschreibt der Begriff der „wissenschaftlichen Lehre“ die wissenschaftlich fundierte Übermittlung oder Verbreitung von – durch vorherige Forschungstätigkeiten gewonnenen – Erkenntnissen.280 Der in § 201a Abs. 4 StGB benannte Wissenschaftsvorbehalt kann im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes umfassende Bedeutung erlangen. So ist exemplarisch an Bildaufnahmen von unbekleideten Minderjährigen zu denken, die im Rahmen von medizinisch oder biologisch ausgerichteten Forschungsprojekten als Anschauungsmaterial herangezogen werden. Auch erscheint es denkbar, dass entsprechende Aufnahmen verwendet, verbreitet, gegen Entgelt erworben oder hergestellt werden, um Ergebnisse zu dokumentieren, zu katalogisieren, visuell zu untermauern oder im Rahmen der wissenschaftlichen Lehre einem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen. Da prinzipiell jedoch jede Bildaufnahme, unabhängig ihres Bildinhalts, aufgrund der Abbildung und Fixierung der Wirklichkeit als empirisches Material für Forschungstätigkeiten jeglicher Fachrichtung dienen kann, stellt § 201a Abs. 4 StGB keine Privilegierung einzelner Forschungsbereiche dar, sondern kommt jedermann zugute, der eigenverantwortlich mit Bildaufnahmen wissenschaftlich tätig ist. Um jedoch sicherzustellen, dass der Tatbestandsausschluss gem. § 201a Abs. 4 StGB eine Ausnahme im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes bleibt, kann nicht pauschalisierend davon ausgegangen werden, dass jegliche mit der Wissenschaft in Verbindung stehende Tätigkeit automatisch zu einer Bejahung der Sozialadäquanzklausel führt.281 Wie auch bei den anderen Merkmalen 276 BVerfG, 29.5.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BVerfGE 35, 79, 112; BVerfG, 1.3.1978 – 1 BvR 333/75, 1 BvR 174/71, 1 BvR 178/71, 1 BvR 191/71, BVerfGE 47, 327, 367; BVerfG, 26.10.2004 – 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00, 1 BvR 928/00, BVerfGE 111, 333, 354; BVerfG, 24.11.2010 – 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, 1, 40. 277 BVerfG, 1.3.1978 – 1 BvR 333/75, 1 BvR 174/71, 1 BvR 178/71, 1 BvR 191/71, BVerfGE 47, 327, 367. 278 BVerfG, 29.5.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BVerfGE 35, 79, 113. 279 BVerfG, 29.5.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BVerfGE 35, 79, 113. 280 BVerfG, 29.5.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BVerfGE 35, 79, 113. 281 Vgl. BGH, 25.5.1983 – 3 StR 67/83, BGHSt 31, 383, 385 ff., der bei der Beurteilung des wissenschaftlichen Handels mit Gegenständen aus der NS-Zeit eine umfassende Einzelfallbewertung durchführt und nicht bereits die Einordnung der Gegen-

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

des § 201a Abs. 4 StGB ist im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung zu prüfen, ob die dem Wissenschaftsprivileg unterfallende Handlung nicht in missbilligender Art und Weise mit dem Rechtsgut des höchstpersönlichen Lebensbereichs und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kollidiert. Ein Tatbestandsausschluss gem. § 201a Abs. 4 StGB kann nur dann bejaht werden, wenn im Einzelfall eine Handlung vorwiegend der wissenschaftlichen Forschung oder Lehre dient. Es schadet der Anwendung der Sozialadäquanzklausel in Bezug auf das Merkmal der „Wissenschaft, Forschung oder Lehre“ allerdings ebenfalls nicht, wenn daneben weitere triviale Aspekte mit der in Frage stehenden Handlung verfolgt werden.282 Bildaufnahmen, die einzig aus Gründen der Diffamierung hergestellt oder verbreitet werden, führen nicht zu einem Tatbestandsausschluss im Rahmen des Wissenschaftsprivilegs, genauso wie Aufnahmen, die aus rein kommerziellen Gründen oder zur sexuellen Befriedigung geschaffen oder weitergeben werden. c) Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte Gem. § 201a Abs. 4 Var. 3 StGB gelten bestimmte Tatbestandsvarianten nicht als erfüllt, wenn die Handlung der „Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte“ dient. In Anlehnung an die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB und des § 131 Abs. 2 StGB bezweckt dieses Berichterstattungsprivileg ebenfalls den Schutz der grundrechtlich gewährleisteten Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG283, in deren Schutzbereich durch die neu in den strafrechtlichen Bildnisschutz eingefügten Tatbestandsvarianten teilweise eingegriffen wird. Durch diese Normierung soll eine straflose Bildberichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte trotz der Erweiterung des strafrechtlichen Bildnisschutzes weiterhin möglich bleiben, auch wenn eine Reportage Bildaufnahmen enthält, die eine andere Person in einer hilflosen Lage abbilden, geeignet erscheinen, das Ansehen der dargestellten Person zu gefährden oder die Nacktheit von Minderjährigen zum Bildgegenstand haben. aa) Berichterstattung Der Begriff der „Berichterstattung“ ist dem Gesetz nicht neu. Neben Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wurde dieses Merkmal auch vor dem 49. StÄG in strafrechtlichen Normierungen verwendet. stände und Verhaltensweisen in einen wissenschaftliche Kontext für eine Straffreiheit gem. § 86 a Abs. 3 StGB i.V. m. § 86 Abs. 3 StGB genügen lässt. 282 BGH, 15.3.2007 – 3 StR 486/06, BGHSt 51, 244, 249. 283 Güntge, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 86, Rn. 22; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 86, Rn. 17; § 131, Rn. 15/16; Schäfer, in: MüKo, § 131, Rn. 50; Ostendorf, in: Nomos Kommentar, § 131, Rn. 13; Lohse, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, § 131, Rn. 19; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 131, Rn. 16.

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Im verfassungsrechtlichen Sinn erfasst der Schutzbereich der „Berichterstattung durch Rundfunk und Film“ neben Tatsachenmeldungen auch Meinungsäußerungen jeglicher Art.284 Im Gegensatz dazu wird das Merkmal der „Berichterstattung“ in den Sozialadäquanzklauseln der §§ 86 Abs. 3, 131 Abs. 2 StGB eng ausgelegt. So soll dieses Merkmal nach strafrechtlichem Verständnis neben Nachrichtenübermittlungen einzig Dokumentationen, die ein wahres Geschehnis zum Inhalt haben und Informationszwecken dienen, erfassen.285 Nicht hingegen können unter dieses Begriffsverständnis jegliche Art der Informationsverbreitung durch eine subjektive Würdigung der Umstände, des Dafürhaltens oder der Stellungnahme subsumiert werden.286 Dieses im Strafrecht vertretene restriktive Verständnis des Merkmals der „Berichterstattung“ erscheint mit Blick auf die Schutzgüter des höchstpersönlichen Lebensbereichs und des Rechts am eigenen Bild auch für die Sozialadäquanzklausel des strafrechtlichen Bildnisschutzes geboten.287 So würde ein Strafbarkeitsausschluss für jegliche Meinungsäußerungen in Bezug auf eine Bildaufnahme zu weit gehen und den Schutz des § 201a StGB in einer Vielzahl von Situationen ins Leere laufen lassen. Mit § 201a Abs. 4 StGB sollten die durch das 49. StÄG teilweise sehr weit gefassten Tatbestandsvarianten des strafrechtlichen Bildnisschutzes eine verfassungskonforme Einschränkung erhalten und gleichzeitig eine mit dem Schutzgut des § 201a StGB vereinbare Wahrung grundrechtlicher Positionen gewährleistet werden. Mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Rechtsgut des höchstpersönlichen Lebensbereichs, welche durch Verhaltensweisen des Meinens und der subjektiven Bewertung von Bildaufnahmen im Einzelfall empfindlich betroffen sein können, erscheint es angemessen, Meinungsäußerungen aus dem Anwendungsbereich des Merkmals der „Berichterstattung“ i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB auszuklammern. § 201a StGB schützt anders als Art. 5 Abs. 1 GG nicht die freie Meinungsäußerung und die umfassende Berichterstattung, sondern das Recht jedes Einzelnen an seinem optischen Erscheinungsbild und einem höchstpersönlichen, von den Blicken der Allgemeinheit verborgenen Lebensbereich. Auch hat der Gesetzgeber in seinen Materialien zum 49. StÄG eine Anlehnung bzgl. des Verständnisses und der Ausgestaltung der Sozialadäquanzklausel des § 201a StGB an § 86 Abs. 3 StGB ausdrücklich angeordnet288. Eine Abweichung von dem zu § 86 Abs. 3 StGB 284 BVerfG, 16.6.1981 – 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, 295, 319; Wendt, in: von Münch/ Kunig, Art. 5, Rn. 44; Schmidt, in: ErfKo, Art. 5 GG, Rn. 91. 285 Rahe, Die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB und ihre Bedeutung für das politische Kommunikationsstrafrecht, S. 162; Schäfer, in: MüKo, § 131, Rn. 52; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 86, Rn. 17; § 131, Rn. 15/16; Rudolphi/ Stein, in: SK-StGB, § 131, Rn. 16; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 131, Rn. 11. 286 Rahe, Die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB und ihre Bedeutung für das politische Kommunikationsstrafrecht, S. 162. 287 Ebenso Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 98. 288 Vgl. BT-Drucks. 18/3202 (neu), S. 29.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

entwickelten Begriffsverständnis würde gegen den gesetzgeberischen Willen verstoßen und Rechtsunsicherheiten innerhalb des StGB nach sich ziehen. Auch führt ein restriktives Verständnis des Merkmals der „Berichterstattung“ nicht zu einer Strafbarkeit satirisch gemeinter Bildaufnahmen oder subjektiv gefärbter Bildberichterstattungen, soweit die in Frage stehenden Verhaltensweisen einem anderen überwiegenden Interesse, beispielsweise der Kunst oder einem ähnlichen Zweck, dienen. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 201a Abs. 4 Var. 3 StGB auf Meinungsäußerungen und Würdigungen jeglicher Art hätte mit Blick auf § 86 Abs. 3 StGB mit einer eindeutigen Formulierung des § 201a Abs. 4 StGB klargestellt werden müssen. Das Merkmal der „Berichterstattung“ ist im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes ebenfalls eng zu verstehen und immer nur dann zu bejahen, wenn eine mit einer die Wirklichkeit abbildenden Aufnahme in Verbindung stehende Handlung der Nachrichtenübermittlung oder einer Dokumentation, die ein wahres Geschehnis zum Inhalt hat und den Zweck der Informationsverbreitung verfolgt, dient. bb) Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte Zu einem Strafbarkeitsausschluss im Bereich des Bildnisschutzes führt eine Berichterstattung allerdings nur dann, wenn diese über Vorgänge des „Zeitgeschehens oder der Geschichte“ informiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind von diesem Begriffspaar neben tatsächlichen Geschehnissen der Vergangenheit auch jegliche Art aktueller Ereignisse der Gegenwart erfasst. Da Bildaufnahmen ihrer Natur nach jedoch immer tatsächliche Geschehnisse der Gegenwart oder der Vergangenheit visuell zeigen, erscheint es notwendig, die Anwendbarkeit dieses Begriffspaars innerhalb des strafrechtlichen Bildnisschutzes auf Geschehnisse zu beschränken, an deren Dokumentation und Verbreitung auf Grundlage ihres übergeordneten gesellschaftlichen Bezugsrahmens ein öffentliches Interesse besteht.289 Nur so kann sichergestellt werden, dass nicht jegliche Art von Bildaufnahmen, die als Nachrichtenübermittlung oder Dokumentation charakterisiert werden können, zu einer Straflosigkeit führen und somit der Schutzmechanismus des § 201a StGB im Nachhinein ausgehöhlt wird. Dieses eingeschränkte Begriffsverständnis erscheint mit Blick auf die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ebenfalls vonnöten, um Rechtsklarheit und -einheit im Bereich des strafrechtlichen und nebenstrafrechtlichen Bildnisschutzes zu gewährleisten. So bedarf es gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG einer Ein289 Siehe Rahe, der eine vergleichbare Beschränkung bereits für die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB vorgeschlagen hat, Rahe, Die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB und ihre Bedeutung für das politische Kommunikationsstrafrecht, S. 277.

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willigung in die Verbreitung eines Bildnisses nicht, wenn dieses aus dem Bereich der Zeitgeschichte stammt. Unter dem Merkmal der „Zeitgeschichte“ sind nach einhelliger Meinung nur Geschehnisse der Gegenwart oder der Vergangenheit zu fassen, soweit diese von gesellschaftlicher Relevanz sind.290 Mit Blick auf die vergleichbare Schutzrichtung der Sanktionsnormen des § 201a StGB und des § 33 KUG sowie einer ähnlichen Ausgestaltung der Ausnahmetatbestände erscheint es möglich, bei der Beurteilung der „zeitgeschichtlichen Bedeutung“ einer Bildaufnahme bei § 201a Abs. 4 StGB auf die Rechtsprechung und Lehre zu § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zurückzugreifen. Die Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG stellt für die Beurteilung der zeitgeschichtlichen Bedeutung eines Bildnisses bzw. seines Inhaltes nicht mehr auf die Begriffspaare der „absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte“ ab,291 sondern hat für diese Beurteilung ein abgestuftes Schutzkonzept entwickelt.292 Für die Feststellung, ob eine Abbildung der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, sind auf Grundlage dieses Konzepts die im konkreten Fall kollidierenden Rechtspositionen der Pressefreiheit sowie des Persönlichkeits- und Privatsphärenschutzes gegeneinander abzuwägen.293 Das Merkmal des „Zeitgeschehens“ ist zugunsten der Pressefreiheit weit zu verstehen. Geschehnisse unterfallen nicht nur dann dem „allgemeinem gesellschaftlichen Interesse“, wenn sie von historischer oder politischer Bedeutung sind, sondern darüber hinaus auch, wenn ein irgendwie geartetes öffentliches Interesse an dem Bildaufnahmeinhalt besteht oder sich zumindest aus dem Kontext der dazugehörigen Wortberichterstattung

290 BGH, 13.4.2010 – VI ZR 125/08, GRUR 2010, 1029, 1030; BGH, 28.5.2013 – VI ZR 125/12, GRUR 2013, 1065 f.; OLG München, 14.12.2010 – 18 U 3097/09, BeckRS 210, 30426; Specht, in: Dreier/Schulze, § 23 KUG, Rn. 11; Kaiser, in: Erbs/ Kohlhaas, § 23 KUG, Rn. 38; Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 23 KUG, Rn. 3; Neukamm, Bildnisschutz in Europa, S. 107. 291 Vgl. EGMR, 24.6.2004 – 59320/00, NJW 2004, 2647 Ls. 292 Ausführliche Erläuterung der Entwicklung des abgestuften Schutzkonzepts für die Beurteilung der „zeitgeschichtlichen Bedeutung“ eines Bildnisses und der Ablehnung der Begrifflichkeiten der „absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte“ bei BGH, 6.3.2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275, 278 ff. sowie bei Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 176 ff. Mit einem Urteil von 2008 hat das BVerfG erstmalig das abgestufte Schutzkonzept zu § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG angewendet, vgl. BVerfG, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 211 ff. Der EGMR hat im Jahr 2014 das von den deutschen Gerichten angewendete modifizierte Schutzkonzept bzgl. der Feststellung, ob ein Bildnis von zeitgeschichtlicher Bedeutung ist, nicht beanstandet und dieses damit grundsätzlich gebilligt, vgl. EGMR, 19.9.2013 – 8772/10, NJW 2014, 1645, 1647 f. 293 BVerfG, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 212 f.; BGH, 6.3.2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275, 280; BGH, 26.10. 2010 – VI ZR 190/08, GRUR 2011, 259, 260; BGH, 18.10.2011 – VI ZR 5/10, ZUM 2012, 140; BGH, 28.5.2013 – VI ZR 125/12, GRUR 2013, 1065, 1066; OLG München, 14.12.2010 – 18 U 3097/09, BeckRS 210, 30426; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 176; Herbort, Digitale Bildnisse, S. 90.

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ergibt.294 Für die Abwägung der Rechtspositionen ist der Gegenstand der Berichterstattung sowie der Bildinhalt von wesentlicher Bedeutung. Entscheidend ist, ob eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, der Informationsanspruch der Leserschaft erfüllt und zur Bildung einer öffentlichen Meinung beigetragen wird oder ob die in Frage stehende Berichterstattung ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis lediglich die Neugier der Leser nach Informationen über das private Leben anderer Personen befriedigt.295 Das Informationsinteresse an Bildnissen besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, sodass eine Berichterstattung nicht über jegliche Ereignisse zulässig ist.296 Ist der Hauptzweck einer Berichterstattung ein unterhaltender Inhalt – es ist beispielsweise an Boulevardzeitungen und die „Regenbogenpresse“ zu denken – sind die betroffenen Rechtsgüter der abgebildeten Personen in besonders hohem Maße innerhalb der Abwägung zu berücksichtigen.297 Ist der Informationswert einer Bildberichterstattung im Einzelfall nun von besonders großem Gewicht, tritt das Schutzinteresse der betroffenen Person hinter dem Informationsinteresse und der Pressefreiheit zurück und eine Einwilligung der abgebildeten Person in die Verbreitung des Bildnisses ist gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG für ein strafloses Agieren nicht mehr nötig. Wesentliche Aspekte für die Beurteilung des öffentlichen Interesses an einer Berichterstattung sind beispielsweise, ob das Bildnis oder der zugehörige Artikel zur Diskussion über allgemeine Fragen der Gesellschaft beitragen, wie schwerwiegend die Folgen einer Veröffentlichung für den Betroffenen und dessen Pri294 BVerfG, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 215 f.; BGH, 6.3.2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275, 281; BGH, 1.7.2008 – VI ZR 243/06, GRUR 2008, 1024, 1025; BGH, 18.10.2011 – VI ZR 5/10, ZUM 2012, 140; BGH, 28.5.2013 – VI ZR 125/12, GRUR 2013, 1065 f.; OLG München, 25.2.2014 – 18 U 2770/13 Pre, ZUM-RD 2014, 696, 697; Neukamm, Bildnisschutz in Europa, S. 107; Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 23 KUG, Rn. 4, Rn. 6; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 38. Beispielhafte Gegenüberstellung und Abwägung der im Einzelfall möglicherweise kollidierenden Rechtspositionen bei Specht, in: Dreier/ Schulze, § 23 KUG, Rn. 13. 295 BVerfG, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 216; BGH, 13.4.2010 – VI ZR 125/08, GRUR 2010, 1029, 1030; BGH, 28.5.2013 – VI ZR 125/12, GRUR 2013, 1065, 1066; Lindner, Die Persönlichkeitsverletzung durch Kunst, S. 70. 296 BGH, 6.3.2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275, 280; BGH, 1.7.2008 – VI ZR 243/06, GRUR 2008, 1024, 1025; BGH, 13.4.2010 – VI ZR 125/08, GRUR 2010, 1029, 1030; OLG München, 25.2.2014 – 18 U 2770/13 Pre, ZUM-RD 2014, 696, 697; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 177. 297 BGH, 6.3.2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275, 283; BGH, 13.4.2010 – VI ZR 125/08, GRUR 2010, 1029, 1030; BGH, 18.10.2011 – VI ZR 5/10, ZUM 2012, 140, 141; BGH, 28.5.2013 – VI ZR 125/12, GRUR 2013, 1065, 1066. So im Ergebnis auch Herbort, Digitale Bildnisse, S. 91.

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vatleben zu bewerten sind, ob entsprechende Verhaltensweisen bereits vor der in Frage stehenden Verbreitung der Allgemeinheit bereits bekannt waren, wie die entsprechende Information im konkreten Einzelfall erlangt worden ist, in welchem Kontext diese verbreitet werden soll oder ob die Aufnahme oder der Presseartikel zu einer Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses beiträgt.298 So kann beispielsweise ein schwerer Verkehrsunfall zeitgeschichtliche Bedeutung erlangen und eine Bildberichterstattung darüber ausnahmsweise ohne Einwilligung der abgebildeten Person zulässig sein, wenn der Unfallhergang ungewöhnlich war oder es zu Todesopfern gekommen ist.299 Überträgt man diese Kriterien nun auf die Sozialadäquanzklausel des § 201a StGB sind somit notwendigerweise immer das Informationsinteresse und die betroffenen Rechtsgüter der abgebildeten Person gegeneinander abzuwägen. Durch diese Gegenüberstellung kann einerseits sichergestellt werden, dass die Freiheitsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG durch den strafrechtlichen Bildnisschutz nicht über Gebühr eingeschränkt werden, andererseits wird der Schutz der leicht verletzbaren Persönlichkeitsrechte nicht leichtfertig hingegeben. Ein „öffentliches Interesse“ an einer Bildberichterstattung über das Zeitgeschehen oder die Geschichte kann somit gem. § 201a Abs. 4 StGB nur angenommen werden, wenn trotz ausreichender Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person das allgemeine Interesse an einer sachbezogenen und ernsthaften Informationsvermittlung im konkreten Einzelfall überwiegt und sich die Aufnahme auf das zeitgeschichtliche Ereignis bezieht.300 d) Ähnliche Zwecke Das Merkmal der „ähnlichen Zwecke“ ermöglicht es im Rahmen der Sozialadäquanzklausel auf Rechtspositionen Rücksicht zu nehmen, die nicht exemplarisch in § 201a Abs. 4 StGB aufgeführt worden sind, und weitere Verhaltensweisen im Rahmen einer Abwägung aus den umfassenden Sanktionierungen des strafrechtlichen Bildnisschutzes auszuklammern. Da § 201a Abs. 4 StGB von einem „ähnlichen“ Zweck spricht, kann diese Generalklausel nicht zu einem Tatbestandsausschluss für jegliche Art von Bagatellfällen herangezogen werden, da diese Formulierung in qualitativer Hinsicht eine Vergleichbarkeit mit den konkret benannten Rechtspositionen voraussetzt.301 Das Merkmal des „ähnlichen Zwecks“ kann nur dann bejaht werden, wenn die fragliche Rechtsposition ihrer Wertigkeit nach mit den in § 201a Abs. 4 StGB exemplarisch aufgezählten Gütern ver298 BVerfG, 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 215; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 42. 299 BGH, 20.3.2012 – VI ZR 123/11, NJW 2012, 1728, 1730. 300 Ebenso Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 98. 301 Rahe, Die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB und ihre Bedeutung für das politische Kommunikationsstrafrecht, S. 285; Graf, in: MüKo, § 201a, Rn. 99.

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gleichbar ist, einem legitimen von der Rechtsordnung anerkanntem Zweck Rechnung trägt und dem Schutzzweck des § 201a StGB nicht zuwiderläuft.302 Ein Tatbestandsausschluss erscheint mit Blick auf diese Erwägungen nur dann möglich, wenn die fragliche Verhaltensweise von einem grundrechtlich gewährleisteten Schutzbereich umfasst ist303 oder in sonstiger Weise dem Interesse des sozialen Zusammenlebens dient oder für dieses notwendig erscheint. aa) Familien- und Elternrechte: Art. 6 GG Bereits der Entwurf zu dem neuen § 201a Abs. 3 StGB sah sich innerhalb der Literatur mit Blick auf die verfassungsrechtlich gewährleisteten Elternrechte harscher Kritik ausgesetzt.304 So wurde angeführt, das Strafrecht dürfe keine Verhaltensweisen sanktionieren, die in mancher Hinsicht zu dem gewöhnlichen Alltag einer Vielzahl von Eltern und Familien gehören.305 So handele es sich bei der Herstellung von Fotoaufnahmen, die die Nacktheit eines Minderjährigen abbilden bis zu einem gewissen Grad um Verhaltensweisen, die gesellschaftlich anerkannt, akzeptiert und moralisch nicht verwerflich seien. Es sei beispielsweise an einen Vater zu denken, der sein am Strand spielendes nacktes Kind fotografiert und diese Aufnahmen im Nachhinein der Mutter oder sonstigen Verwandten zukommen lässt.306 Im Folgenden soll überprüft werden, ob § 201a Abs. 3 StGB in seiner aktuellen Fassung tatsächlich Verhaltensweisen sanktioniert, die in den Schutzbereich des Art. 6 GG fallen. (1) Art. 6 Abs. 1 GG Art. 6 Abs. 1 GG figuriert als „Generalnorm“ zum Schutz von Ehe und Familie, da er neben einem Abwehrrecht auch eine Institutsgarantie konstituiert und einen strengen Gleichheitssatz begründet.307 Auf Grundlage dieser Normierung 302 OLG Hamburg, 27.5.1981 – 1 Ss 45/81, NStZ 1981, 393; LG München I, 28.9. 1984 – 5 KLs 115 Js 5535/82, NStZ 1985, 311, 312 zu der gleichen Formulierung bei § 86 Abs. 3 StGB. Vgl. auch Liesching, MMR 2010, 309, 311; Rahe, Die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB und ihre Bedeutung für das politische Kommunikationsstrafrecht, S. 301 f.; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 86, Rn. 17; Steinmetz, in: MüKo, § 86, Rn. 40. 303 Steinmetz, in: MüKo, § 86, Rn. 40. 304 Kritisch in Bezug auf die Pönalisierung der Herstellung von Nacktaufnahmen und einer möglicherweise damit einhergehenden Sanktionierung elterlicher Verhaltensweisen Hörnle, Protokoll-Nr. 18/28, S. 111 f.; Gercke, CR 2014, 687, 690; Wieduwilt, K&R 2014, 627, 631; Renzikowski, DRiZ 2014, 133; Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 26; Eisele, Protokoll-Nr. 18/28, S. 83. 305 Fischer, in: Fischer, § 201a, Rn. 26. 306 Gercke, CR 2014, 687, 690. 307 Herzmann, JA 2015, 248 ff., 256, 258; Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, S. 133; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des

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wurde dem Staat die Aufgabe übertragen, Familien vor Beeinträchtigungen zu bewahren und gleichzeitig durch geeignete Maßnahmen zu fördern.308 Unter dem Begriff der Familie wird nach ständiger Rechtsprechung eine tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft verstanden, in der Eltern mit ihren Kindern zusammenleben, ihrer Erziehungspflicht nachkommen und sich daraus ein spezifisch soziales Beziehungsverhältnis zwischen den Beteiligten ergibt.309 Unbeachtlich für den Schutzbereich ist hingegen, ob die Eltern verheiratet, getrenntlebend oder gleichgeschlechtlich sind.310 Auch das Zusammenleben von Adoptiv- oder Pflegeeltern mit ihren Kindern wird von dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst.311 Neben der elterlichen Freiheit bestimmen zu können, wie das tatsächliche familiäre Zusammenleben im Einzelnen ausgestaltet ist, ist der Schwerpunkt des durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährten Abwehrrechts der Schutz des tatsächlichen gemeinschaftlichen familiären Zusammenlebens vor staatlichen Eingriffen.312 Die Möglichkeit von Eltern, Film- oder Fotoaufnahmen jeglicher Lebenssituationen ihres Kindes anzufertigen und diese anschließend zu verbreiten, stellt jedoch kein Verhalten dar, das von dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst ist. § 201a Abs. 3 StGB pönalisiert keinerlei Handlungsweisen, die das familiäre Zusammenleben i. S. v. Art. 6 Abs. 1 GG berühren. Der Absatz schützt neben der Familiengründungsfreiheit, auch die Freiheit über die Anzahl der Kinder und das konkrete Zusammenleben313 – wie beispielsweise den Wohnort und die Wohnweise – frei zu entscheiden. § 201a Abs. 3 StGB stellt des Weiteren weder eine final auf das familiäre Zusammenleben gerichtete Sanktionsnorm dar, noch kann in dem Regelungsgehalt eine objektiv familienregelnde Tendenz314 festgestellt werden. Grundgesetzes, S. 132; Schmidt, in: ErfKo, Art. 6, Rn. 3; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 6, Rn. 1. 308 Herzmann, JA 2015, 248. 309 BVerfG, 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, BVerfGE 127, 263, 287; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, Art. 6, Rn. 11; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 6, Rn. 8; Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6, Rn. 14. 310 BVerfG, 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, BVerfGE 127, 263, 287; BVerfG, 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 324/09, BVerfGE 133, 59, 82; Herzmann, JA 2015, 248, 249; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, S. 122 ff. 311 Herzmann, JA 2015, 248, 249. 312 BVerfG, 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 324/09, BVerfGE 133, 59, 84; Herzmann, JA 2015, 248, 251. 313 Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, S. 133; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 6, Rn. 11. 314 Vgl. Herzmann, JA 2015, 248, 252. Ein Eingriff in das in Art. 6 Abs. 1 GG konstituierte Abwehrecht kann nur dann bejaht werden, wenn die zu begutachtende Maßnahme eine ehe- oder familienspezifische Beeinträchtigung darstellt und final auf die Regelung von Ehe und Familie gerichtet ist.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

(2) Art. 6 Abs. 2 GG Auf Grundlage des Art. 6 Abs. 2 GG können Eltern grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen darüber entscheiden, wie sie ihre elterlichen Verantwortung ausüben und sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder ausgestalten möchten.315 Die Begrifflichkeit der „Pflege“ des Kindes bedeutet, dass Eltern für das körperliche Wohl sowie für die Ernährung, die Gesundheit und das Vermögen ihres Kindes Sorge zu tragen haben.316 Im Gegensatz dazu nimmt der Begriff der „Erziehung“ Bezug auf die seelische und geistige Entwicklung eines Kindes.317 So ist es das Recht und die Pflicht der Eltern, ihren Kindern Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, die für das alltägliche Leben essentiell sind, sowie grundsätzliche Standpunkte, Ansichten und allgemeine Prinzipien weiterzugeben.318 Werte und Ansichten können Kindern allerdings nicht nur durch eine ausdrückliche Beschreibung und Erklärung durch die Erziehungsberechtigten vermittelt werden, sondern auch konkludent durch das tatsächliche Vorleben der elterlichen Überzeugungen. So wird der Fall, dass Eltern eine Einstellung zu einem gewissen Thema ihren Kindern tatsächlich aufzeigen, stärkeren Einfluss auf die kindliche Entwicklung haben als die verbale Erläuterung dieser Prinzipien. Vor allem junge Kinder ahmen die Verhaltensweisen ihrer Eltern spiegelbildartig nach und nehmen diese auf. Als individuelle Sozialisationsinstanz werden Eltern kaum staatliche Grenzen für deren Erziehung vorgegeben, damit eine Werte- und Meinungspluralität aufrechterhalten wird und bereits durch die unterschiedlichen Erziehungsaspekte eine pluralistische Gesellschaft erreicht werden kann. Art. 6 Abs. 2 GG schützt neben der elterlichen Autonomie allerdings auch das Kindeswohl, das gleichzeitig das Elternrecht begrenzt.319 Eine Beschränkung der verfassungsrechtlich gewährten elterlichen Freiheiten kommt jedoch nur in Betracht, wenn dies das Kindeswohl gebietet, da die Wahrung der Kinderinteressen angesichts deren besonderen Schutz- und Hilfsbedürftigkeit der eigentliche Inhalt des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG und dessen Legitimation ist320. Eltern ha-

315 BVerfG, 16.1.2003 – 2 BvR 716/01, BVerfGE 107, 104, 117; BVerfG, 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 92. 316 Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, S. 126; Coester-Waltjen, in: von Münch/ Kunig, Art. 6, Rn. 63; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 6, Rn. 42. 317 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, Art. 6, Rn. 63; Coelln, in: Sachs, GG, Art. 6, Rn. 60; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 6, Rn. 42. 318 Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, S. 126. 319 BVerfG, 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 92; BVerfG, 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, BVerfGE 127, 263, 288; BVerfG, 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 324/09, BVerfGE 133, 59, 77; Heiß, NZFam 2015, 491; Nesselrode, Das Spannungsverhältnis zwischen Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes, S. 182; Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, Art. 6, Rn. 60, 81. 320 Heiß, NZFam 2015, 491, 493.

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ben bei ihrer Erziehung somit immer das Kindeswohl zu ihrer obersten Richtschnur zu machen.321 Die elterliche Einstellung und Bejahung einer freien und offenen Lebensweise sowie eines entsprechenden Körperkults ist ebenso von der Erziehungsfreiheit umfasst wie eine konservative Ansicht zu dem Thema Nacktheit und Freizügigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Die Erziehung zu einer Freikörperkultur überschreitet die grundrechtlichen Grenzen der elterlichen Erziehungsfreiheit nicht und kollidiert auch nicht in abstrakter Weise mit dem Merkmal des Kindeswohls.322 Die Freiheit das eigene Kind nackt im Garten oder am Strand spielend zu fotografieren oder entsprechende Aufnahmen Dritten zur Verfügung zu stellen und die damit in Verbindung stehenden Werte und Ansichten zu dem Thema Nacktheit und Freizügigkeit konkludent durch das eigene Verhalten seinem Kind zu vermitteln, ist von dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG umfasst. Durch ein derartiges Verhalten vermitteln Eltern ihren Kindern grundsätzliche Standpunkte und Ansichten, die diese in ihrem zukünftigen Leben beeinflussen und begleiten werden sowie Einfluss auf ihre Persönlichkeitsentwicklung haben können. Wie aufgezeigt sind die Grenzen zugelassener Erziehungsziele neben dem durch die Verfassung vorgegebenen Menschenbild auch die sich aus Art. 1 GG und Art. 2 GG ergebenden Kinderrechte,323 die unter den Begriff des Kindeswohls zu fassen sind und über die der Staat gem. Art. 6 Abs. 2 S. 2 ein Wächteramt ausübt.324 Jedes Kind hat einen Anspruch auf einen würdevollen Umgang durch die Eltern und auf staatlichen Schutz der eigenen Rechtspositionen.325 „Eine Verfassung, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertesystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren. Dies gilt auch für die Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem Kind“ 326. Ein ungerechtfertigter Eingriff in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG liegt somit nicht vor, wenn der Gesetzgeber durch einfachgesetzliche Normierungen dafür Sorge trägt, dass diese Grenzen von den Eltern gegenüber ihrem Kind eingehalten werden. § 201a Abs. 3 StGB stellt nicht jegliche Bildaufnahmen unter Strafe, die das eigene Kind nackt zeigen. Der Anwendungsbereich der Sanktionsnorm ist auf 321 BVerfG, 16.1.2003 – 2 BvR 716/01, BVerfGE 107, 104, 117; BVerfG, 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 92; Heiß, NZFam 2015, 491. 322 BVerfG, 10.3.1958 – 1 BvL 42/56, BVerfGE 7, 320, 324. 323 Coester-Waltjen, in: von Münch/Kunig, Art. 6, Rn. 64. 324 BVerfG, 16.1.2003 – 2 BvR 716/01, BVerfGE 107, 104, 117. 325 BVerfG, 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 92. 326 BVerfG, 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 92.

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Aufnahmen beschränkt, die hergestellt werden, um diese im Nachhinein entgeltlich zu verbreiten. Die Situation, dass Bildaufnahmen, die ein Kind nackt und somit besonders verletzlich zeigen, von den eigenen Eltern verwendet werden, um einen Vermögensvorteil zu erlangen und das Kind dadurch zu einer Ware objektiviert wird, erscheint geeignet, das Selbstwert- und Ehrgefühl des betroffenen Minderjährigen zu beeinträchtigen. Die Ausbeutung des Erscheinungsbildes durch vertraute Personen kann zu einer Störung der Entwicklung des Selbstwertund Ehrgefühls bei den Abgebildeten führen und bei der Bildung einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit schädlich sein. Entsprechende Handlungen sind mit dem Grundsatz des Kindeswohls, das auch durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird,327 nicht vereinbar. Die Sanktionsnorm des § 201a Abs. 3 StGB verbietet Verhaltensweisen, durch die eine Kindeswohlgefährdung zu erwarten ist. Durch das Restriktionsmerkmal des Handelns „gegen Entgelt“ wurden schutzwürdige elterliche Verhaltensweisen vom Gesetzgeber vorsorglich aus dem Anwendungsbereich der Verbotsnorm ausgeklammert. Einer Abwägung des höchstpersönlichen Lebensbereichs mit dem Elterngrundrecht als ähnlichen Zweck i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB bedarf es somit gewöhnlich nicht. bb) Berufsfreiheit: Art. 12 GG Des Weiteren erscheint es denkbar, dass die Berufsfreiheit im Rahmen des Merkmals des „ähnlichen Zwecks“ bei der Sozialadäquanzklausel des strafrechtlichen Bildnisschutzes zu beachten ist. Bei der in Art. 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit handelt es sich, obwohl der Wortlaut zwischen Berufswahl und Berufsausübung unterscheidet, um ein einheitliches Grundrecht. Der Begriff des Berufs ist weit zu interpretieren und entwicklungsoffen zu verstehen, da er, um einen umfassenden Freiheitsschutz zu gewährleisten, nicht auf gesellschaftlich oder rechtlich vorgeprägte und tradierte Berufsbilder beschränkt wird, sodass er sozialen oder technischen Neuerungen und Bedürfnissen prinzipiell offen steht.328 Unter einem „Beruf“ im verfassungsrechtlichen Sinne ist jede Tätigkeit zu verstehen, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, die auf eine gewisse Dauer angelegt und nicht schlechterdings sozialschädlich ist.329 Ob eine Tätigkeit selbstständig oder unselbständig ausgeübt wird, ist unbeachtlich, soweit es sich bei dieser nicht um ein

327

Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 6, Rn. 57. Mann/Worthmann, JuS 2013, 385, 387; Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 42. 329 BVerfG, 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 397; BVerfG, 8.6.2010 – 1 BvR 2011, 2959/07, BVerfGE 126, 112, 136; BVerfG, 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, NJW 2016, 930, 931; Mann/Worthmann, JuS 2013, 385, 387; Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, S. 271. 328

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reines Hobby handelt.330 Auch steht der Annahme eines Berufsfelds nicht eine geringe Anzahl von Berufsangehörigen entgegen.331 Kameraleute, wie auch Pressefotografen oder Fotojournalisten, fertigen Bildaufnahmen im Auftrag ihres Arbeitgebers an oder um diese im Nachhinein freiberuflich an eine Presseagentur zu veräußern. Wird nun das bildliche Darstellen von Unfall-, Kriegsopfern oder Opfern sonstiger Unglücksfälle, wie beispielsweise von Naturkatastrophen, gem. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB unter Strafe gestellt, wird in die Berufsfreiheit entsprechender Personen eingegriffen, da es ihnen nicht mehr möglich ist, derartige Ereignisse bildlich zu fixieren und die Aufnahmen im Nachhinein gewinnbringend an Verlagsgesellschaften zu übergeben oder zu veräußern. Auch ist an einen Paparazzo zu denken, der eine prominente Person nach einer Partynacht auf dem Heimweg stark alkoholisiert in einer peinlichen Pose ablichtet. Verkauft der Sensationsfotograf eine entsprechende Aufnahme nun an eine Boulevardzeitung, besteht die Gefahr einer Strafbarkeit gem. § 201a Abs. 2 StGB, weshalb die Möglichkeit, seinen Beruf als Fotojournalist auszuüben, empfindlich eingegrenzt wird. Das Gleiche ergibt sich für die Berufsfreiheit eines niedergelassenen Fotografen, der im Auftrag der Eltern einen nackten Säugling fotografiert, um die entstandenen Aufnahmen danach den Eltern für einen marktüblichen Preis zu veräußern. Kommt er dieser Bitte nach, läuft er Gefahr, sich gem. § 201a Abs. 3 Nr. 1 StGB strafbar zu machen. Der professionelle Handel mit Nacktaufnahmen von Minderjährigen zu sexuellen Zwecken ist hingegen nicht von dem Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst, unabhängig davon, ob damit der Lebensunterhalt bestritten oder dies als ein „Hobby“ angesehen wird. Tätigkeiten, die evident mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar sind, sind bereits von vornherein von dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ausgeschlossen.332 Eine Objektivierung von Minderjährigen zu Sexualobjekten und Degradierung dieser zu Waren ist mit der grundrechtlich gewährleisteten Menschwürde nicht vereinbar, vor allem da Minderjährige aufgrund ihres Alters und typischen Naivität einen besonderen Schutz bedürfen.333 Die Handlungsalternativen des § 201a StGB, die auf einen Räumlichkeitsbezug verzichten, können – wie aufgezeigt – in die Berufsfreiheit einzelner Personengruppen eingreifen. Es erscheint geboten, im Einzelfall die von § 201a StGB geschützten Rechtsgüter hinter der grundrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit der handelnden Person im Rahmen des Merkmals eines „ähnlichen Zwecks“ i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB zurücktreten zu lassen, wenn das fragliche Verhalten 330 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 12, Rn. 5; Kämmerer, in: von Münch/Kunig, Art. 12, Rn. 20. 331 BVerfG, 8.6.2010 – 1 BvR 2011, 2959/07, BVerfGE 126, 112, 136. 332 Mann/Worthmann, JuS 2013, 385, 387; Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 54. 333 Siehe auch die Darstellungen im 3. Kapitel, D., V.

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primär dem Beruf dient und gleichzeitig kein sozialinadäquates Verhalten beschreibt. cc) Nebenstrafrechtlich normierte Ausnahmetatbestände Fraglich erscheint, ob nebenstrafrechtlich normierte Ausnahmetatbestände in Bezug auf die Verbreitung von Bildaufnahmen ebenfalls „ähnliche Zwecke“ i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB beschreiben. Speziell ist an die Normierungen des § 23 Abs. 1 KUG zu denken, die nicht bereits von einem der in § 201a Abs. 4 StGB exemplarisch aufgezählten Merkmale erfasst sind. Nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung sind in einem einheitlichen Rechtssystem sich inhaltlich widersprechende Normen zu verhindern. Dies hat zur Konsequenz, dass bei der Anwendung eines Rechtssatzes die gesamte Rechtsordnung zu beachten ist. Dieses Prinzip hat allerdings nicht zwingend zur Folge, dass ein Sachverhalt in verschiedenen, von ihren Aufgabenbereichen abweichenden Regelungsbereichen komplett identische Rechtsfolgen nach sich zieht, vielmehr sind die einzelnen Rechtsgebiete und deren Normierungen aufeinander abzustimmen. Daraus ist zu schließen, dass Verhaltensweisen, die nach bürgerlichem oder öffentlichem Recht erlaubt sind, auch keine Unrechtsverwirklichung im strafrechtlichen Sinne sein dürfen. Es wäre höchst widersprüchlich, in einem Teilbereich der Rechtsordnung ein Verhalten als rechtmäßig zu bewerten, es im Nachhinein durch strafrechtliche Inkriminierung für grob sozialwidrig zu erklären. Nebenstrafrechtlich normierte Ausnahmetatbestände können mit Blick auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung somit ebenfalls zu einem Tatbestandsausschluss bei § 201a Abs. 4 StGB führen. Die in § 23 Abs. 1 KUG aufgeführten Ausnahmetatbestände, die nicht bereits in den Anwendungsbereich einzelner Merkmale des § 201a Abs. 4 StGB fallen, sind infolgedessen unter dem Ausschlussgrund der „ähnlichen Zwecke“ zu beachten.334 (1) § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG Gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG bedarf es der Einwilligung einer abgebildeten Person zu der Verbreitung oder Veröffentlichung einer Bildaufnahme nicht, wenn sie auf dieser nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeiten erscheint. Ein sonstiger Zweck i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB kann immer angenommen werden, wenn die Personenabbildung bei der fraglichen Bildaufnahme nur von untergeordneter Bedeutung ist. Für die Beurteilung der Untergeordnetheit einer Personenabbildung ist entscheidend, ob die abgebildete Person weggedacht werden könnte, ohne dass sich der Gegenstand und Charakter des Bildes 334

Ebenso Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 319.

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verändern würde.335 Ist hingegen die Landschaft innerhalb des in Frage stehenden Bildes als bloßes Rahmenwerk zu bewerten, da die betroffene Person im Fokus der Aufnahme steht, kann diese nicht als Beiwerk eingeordnet und für eine straffreie Weitergabe des Bildes auf deren Einwilligung verzichtet werden.336 Für eine solche Bewertung ist auf den Gesamteindruck des Bildes abzustellen.337 Überträgt man diese Erwägungen nun auf § 201a Abs. 4 StGB, wird dieser Ausnahmetatbestand im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschutzes kaum praktische Bedeutung erlangen. Gem. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB muss die Abbildung der Hilflosigkeit einer Person auf der Bildaufnahme „zur Schau gestellt“ werden, also den essentiellen Gegenstand einer Aufnahme sowie deren Fokus darstellen.338 Sobald allerdings die Hilflosigkeit einer Person innerhalb einer Bildaufnahme zur Schau gestellt wird, kann diese nicht mehr als Beiwerk i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG charakterisiert werden. Das gleiche Ergebnis ergibt sich für die Handlungsvarianten des § 201a Abs. 3 StGB. Gem. § 201a Abs. 3 StGB kann ein derartiges Verhalten nur sanktioniert werden, wenn die fragliche Bildaufnahme die Nacktheit eines Minderjährigen zum „Bildgegenstand“ hat. Dies bedeutet, dass innerhalb der Aufnahme der Darstellung der Nacktheit des Minderjährigen die größte Bedeutung zukommen muss. Die beiläufige Abbildung von nackten Minderjährigen, die auf einer Bildaufnahme eher im Hintergrund angesiedelt sind und nicht sofort ins Auge des Betrachters stechen, ist nicht von § 201a Abs. 3 StGB erfasst.339 Selten wird eine Bildaufnahme, die eine Person in untergeordneter Art und Weise abbildet, geeignet sein, deren Ansehen zu gefährden, da sich der Gegenstand oder Charakter des Bildes regelmäßig verändern wird, wenn diese weggedacht wird. Dennoch stellt § 201a Abs. 2 StGB die einzige durch das 49. StÄG eingefügte Tatbestandsvariante dar, deren Wortlaut nicht bereits gegen die Anwendbarkeit der Merkmale des § 23 Abs. 1 Nr. 2 im Rahmen der Sozialadäquanzklausel spricht.

335 OLG München, 13.11.1987 – 21 U 2979/87, NJW 1988, 915, 916; OLG Karlsruhe, 18.8.1989 – 14 U 105/88, GRUR 1989, 823, 824; OLG Brandenburg, 21.5.2012 – 1 U 26/11, ZUM 2013, 219, 221; Wieduwilt, K&R 2014, 627, 629; Benecke/Groß, NZA 2015, 833, 834; Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, S. 46; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 204; Freys, in: Haesner/ Kreile/Schulze, Zwischen Gestern und Morgen. Medien im Wandel, 421, 422; Fricke, in: Wandtke/Bullinger, § 23 KUG, Rn. 24; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 102. 336 BGH, 26.6.1979 – VI ZR 108/78, GRUR 1979, 732, 734; OLG Frankfurt a. M., 15.6.2004 – 11 U 5/04, MMR 2004, 683, 684; Grau/Schaut, NZA 2015, 981; Specht, in: Dreier/Schulze, § 23 KUG, Rn. 36; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 102. 337 Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§ 201a StGB), S. 28. 338 Vgl. 3. Kapitel, C., II. 339 Vgl. 3. Kapitel, D., I., 2.

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4. Kap.: Vereinbarkeit § 201a StGB mit verfassungsrechtlichen Positionen

(2) § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG Des Weiteren dürfen Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben ohne deren Einwilligung gem. § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Ähnlich wie bei Landschaftsaufnahmen muss für den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG die optisch perpetuierte Menschenansammlung und nicht speziell eine individualisierbare Person im Fokus der Aufnahme stehen.340 Nicht notwendig ist hingegen, dass die Versammlung als Ganzes optisch dargestellt wird. Für eine Privilegierung gem. § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG genügt vielmehr, dass ein repräsentativer Ausschnitt der Ansammlung gezeigt wird.341 Die Merkmale einer „Versammlung“, eines „Aufzugs“ oder „ähnlicher Vorgänge“ umfassen jegliche Menschenansammlungen, die einen kollektiven Willen haben und etwas gemeinsam tun wollen.342 Der Einwilligung in die Weitergabe von Bildern, die eine Menschenansammlung zeigen, bedarf es allerdings nur dann nicht, wenn diese in der Öffentlichkeit stattgefunden hat343 und von Dritten tatsächlich wahrgenommen werden konnte oder zumindest wahrgenommen werden sollte.344 Einzig in derartigen Konstellationen übersteigt das Informationsinteresse der Allgemeinheit bzw. die Pressefreiheit das persönlichkeitsrechtliche Schutzbedürfnis der Abgebildeten. Private Veranstaltungen, wie beispielsweise eine Hochzeitsfeier in einem privaten Gebäude, sind nicht von der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erfasst.345 Blickt man nun auf die Varianten des § 201a StGB, auf die die Sozialadäquanzklausel Anwendung findet, wird dem Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG im Bereich des strafrechtlichen Bildnisschutzes ebenfalls kaum praktische Bedeutung zukommen. Ähnlich wie bei § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG wird auch diese Privilegierung an den Formulierungen „zur Schau stellen“ und „zum Gegenstand“ haben des § 201a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB scheitern, da es für Bilder, die eine Menschenmenge abbilden, charakteristisch ist, dass keine Einzelperson im Fokus der Aufnahme steht. Anders ist wieder das Verhältnis der Ausnahme340 BGH, 26.6.1979 – VI ZR 108/78, GRUR 1979, 732, 734; OLG Frankfurt a. M., 15.6.2004 – 11 U 5/04, MMR 2004, 683, 684; OLG München, 14.12.2010 – 18 U 3097/09, BeckRS 210, 30426; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 207. 341 OLG Frankfurt a. M., 15.6.2004 – 11 U 5/04, MMR 2004, 683, 684; Wieduwilt, K&R 2014, 627, 629; Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 207. 342 OLG München, 13.11.1987 – 21 U 2979/87, NJW 1988, 915, 916; OLG Celle, 25.8.2010 – 31 Ss 30/10, ZUM 2011, 341, 344. 343 OLG München, 14.12.2010 – 18 U 3097/09, BeckRS 210, 30426. 344 OLG Celle, 25.8.2010 – 31 Ss 30/10, ZUM 2011, 341, 344. 345 Wanckel, Foto- und Bildrecht, Rn. 209; Kaiser, in: Erbs/Kohlhaas, § 33 KUG, Rn. 103. Fricke verneint ebenfalls die Abbildungsfreiheit bei privaten Feiern (z. B. Hochzeiten oder Trauerzügen), außer ein Informationsinteresse ergibt sich aufgrund der Bekanntheit der Beteiligten oder anderer besonderer Umstände, Fricke, in: Wandtke/ Bullinger, § 23 KUG, Rn. 25.

B. § 201a Abs. 4 StGB

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regelung des KUG zu der Tatbestandsvariante des § 201a Abs. 2 StGB zu bewerten. Diese Tatbestandsvariante verlangt einzig, dass die Bildaufnahme geeignet sein muss, das Ansehen der betroffenen Person zu gefährden, nicht jedoch, dass diese den Fokus der Aufnahme bildet. Zeigt eine Bildaufnahme eine Person als Teilnehmer an einer Versammlung, einem Aufzug oder einer ähnlichen Veranstaltung, indem sie einen repräsentativen Ausschnitt der Menschenansammlung abbildet und diese Abbildung erscheint geeignet das Ansehen der betroffenen Person zu gefährden, kann diese in Anlehnung an § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG im Einzelfall gem. § 201a Abs. 4 StGB straffrei Dritten zugänglich gemacht werden.

III. Fazit Die in der Literatur teilweise geäußerte Kritik346 an der Verfassungskonformität einzelner Tatbestandsvarianten innerhalb des § 201a StGB erscheint unbegründet. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung des § 201a StGB a. F., wie auch bei dessen Reformierung, die grundrechtlichen Vorgaben berücksichtigt. War es auf Grundlage der Tatbestandsfassung des § 201a StGB a. F. nicht notwendig, einen besonderen Rechtfertigungsgrund – vergleichbar mit § 201 Abs. 2 S. 3 StGB – zu normieren oder eine Sozialadäquanzklausel festzuschreiben, sind die neu eingefügten Tatbestandsvarianten des § 201a StGB nur wegen einer derartigen Klausel mit den grundrechtlich gewährleisteten Rechtspositionen vereinbar. Durch § 201a Abs. 4 StGB wurde einerseits sichergestellt, dass es im Einzelfall zu einer Abwägung zwischen den geschützten Rechtsgütern und den grundrechtlich betroffenen Interessen kommt,347 andererseits, dass alltägliche Verhaltensweisen nicht in unangemessener Weise pönalisiert werden, indem ihnen eine strafrechtliche Relevanz zugesprochen wird.348 Mit der in § 201a Abs. 4 StGB normierten Sozialadäquanzklausel wurde in angemessener Weise auf die Weite der neu eingefügten Handlungsvarianten reagiert.

346

Vgl. Gercke, CR 2014, 687, 690 f.; Krings, ZRP 2014, 69, 71. Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85; R. Busch, NJW 2015, 977, 980; Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 318; Hildebrand, ZUM 2016, 305, 313. 348 Rönnau, JuS 2011, 311, 312; Valerius, JA 2014, 561; kritisch Geiring, die eine Anwendbarkeit des § 201a Abs. 4 StGB auf Privatpersonen im Regelfall ablehnt, Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 130. 347

Schlussbetrachtung Betrachtet man die über 100-jährige Entstehungshistorie des Bildnisschutzes innerhalb des deutschen Rechts und die ihr zugrunde liegenden Entwicklungen und Geschehnisse, steht mit dieser die eindrucksvolle Erfolgsgeschichte der Fotografie unvermeidbar in einem engen Zusammenhang. War dieser technische Fortschritt Ende des 19. Jahrhunderts nur einer kleinen Oberschicht zugänglich, ist die Fotografie sowie die Herstellung von Videoaufnahmen aus unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und für jedermann möglich. Aufgrund der technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte können Bildaufnahmegeräte preisgünstig erworben und dank der stetigen Miniaturisierung unproblematisch – und wenn gewünscht unbemerkt – in jeglicher Lebenssituation verwendet werden. Mit diesen Möglichkeiten, einem Augenblick seine Flüchtigkeit dauerhaft zu entziehen, ihn für unbestimmte Zeit zu konservieren und dadurch Dritten die Möglichkeit zu gewähren, trotz Abwesenheit diesen optisch wahrzunehmen, ist auch das Bedürfnis nach allgemeingültigen Verhaltensnormierungen in diesem Lebensbereich stetig gestiegen. Wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts einzig die Notwendigkeit gesehen, die unautorisierte Weitergabe von Bildnissen zu sanktionieren, ist aufgrund der umfassenderen technischen Möglichkeiten im Bereich der Bildherstellung, Bildbearbeitung und Verbreitung das Bedürfnis nach weiteren Verhaltensvorgaben und damit einhergehenden Verbotsnormierungen im Bereich des Bildnisschutzes rapide gestiegen. Da die Herstellung und anschließende Weitergabe von Fotografien und Videoaufnahmen allerdings in unserem heutigen Zusammenleben „ganz normal“ und gesellschaftlich anerkannt ist, erscheint es teilweise problematisch, die Grenzen von sozialadäquaten zu strafwürdigen Geschehnissen und Verhaltensweisen in diesem Lebensbereich eindeutig zu bestimmen. So kann die Herstellung einer Bildaufnahme zunächst angemessen und sozialadäquat, deren spätere Verbreitung bei einer nur marginalen Änderung der Rahmenbedingungen als sozialinadäquat und strafwürdig erscheinen. Den Spagat, die Freiheit der umfassenden Nutzung von Bildaufnahmegeräten sowie die Offenheit gegenüber neuen Technologien auf der einen Seite zu wahren und andererseits einen umfassenden Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber erstmals 2004 mit der Einfügung des § 201a StGB a. F. in das bestehende Schutzkonzept des 15. Abschnitts des StGB versucht. Knapp zehn Jahre nach diesen ersten, noch sehr restriktiven Bemühungen, einen strafrechtlichen Schutz auch bereits vor der unbefugten Herstellung und Übertragung von Bildaufnahmen zu schaffen, wurde diese Sanktionsnorm im Jahr 2015 mit dem 49. StÄG umfassend reformiert.

Schlussbetrachtung

261

Auch wenn durch das 49. StÄG in einigen Tatbestandsvarianten auf eine Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs des § 201a StGB verzichtet wurde, kam es entgegen einiger Bedenken zu keiner unangemessenen Pönalisierung gesellschaftlich gebilligter Verhaltensweisen. Durch die Einfügung einer Sozialadäquanzklausel wurde den anfänglichen Befürchtungen eines zu weitreichenden Bildnisschutzes, der moralisierend und unverhältnismäßig in das alltägliche Leben einer Vielzahl von Personen eingreifen könnte, die Grundlage entzogen. Daneben ist positiv zu bewerten, dass mit der Reformierung der Sanktionsnorm des strafrechtlichen Bildnisschutzes nicht symbolisch auf die 2014 bekannt gewordenen Geschehnisse rund um den ehemaligen sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Edathy reagiert worden ist, sondern Kritikpunkte bzgl. der alten Gesetzesfassung zumindest teilweise berücksichtigt worden sind sowie auf weitere Kriminalitätsentwicklungen der letzten 15 Jahre reagiert wurde. Mit den Neupönalisierungen innerhalb des § 201a StGB wurden nicht nur die Strafbarkeitslücken im Umgang mit Nacktaufnahmen von Minderjährigen, die keinerlei Sexualbezug aufweisen, geschlossen, sondern es wurde versucht, neben der Eindämmung des Phänomens des Cybermobbings auch Schutz vor der Herstellung von Bildaufnahmen im öffentlichen Lebensraum zu gewähren. Ob diese Regelungen in der Praxis tatsächlich geeignet sein werden, diese Entwicklungen zu bremsen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Mit deren Pönalisierung in § 201a StGB wurde zumindest eine taugliche Verbotsnorm, die mit den rechtstaatlichen Prinzipien sowie der Systematik der sonstigen Sanktionsnormen des StGB in Einklang steht, geschaffen. Der Reformierung des § 201a StGB a. F. durch das 49. StÄG kann allerdings nicht nur Positives abgewonnen werden. So wurde nicht nur versäumt, eine geboten erscheinende Strafbarkeitsvorverlagerung in Form einer Versuchsstrafbarkeit zu normieren, sondern auch einen umfassenden postmortalen Bildnisschutz strafrechtlich zu gewährleisten. Gerade in den Fällen des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB erscheint es denkbar, dass im Zeitpunkt der Tatbegehung sowie im Nachhinein nicht eindeutig feststellbar ist, ob das Opfer im Aufnahmezeitpunkt noch am Leben oder bereits verstorben war. Neben einem umfassenden Schutz vor persönlichkeitsverletzenden Bildaufnahmen wäre eine solche Strafbarkeitserweiterung auf bereits verstorbene Abgebildete auch aus Aspekten der Rechtssicherheit sowie aus präventiven Gesichtspunkten geboten gewesen. Auch erscheint es wenig verständlich, dass der Schutzumfang des § 201a Abs. 3 StGB auf das entgeltliche Handeln beschränkt wurde. So wäre es notwendig gewesen, um den Handel und Austausch von Nacktaufnahmen von Minderjährige ohne Sexualbezug komplett auszutrocknen, auch Verhaltensweisen von der Sanktionsnorm erfassen zu lassen, die bewusst auf eine Umgehung des entgeltlichen Austausches gerichtet sind. Die besondere Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen lässt eine solche Strafbarkeitserweiterung notwendig sowie auch gerechtfertigt erscheinen. Daneben wäre es wünschenswert gewesen, die Sanktionsnorm des § 201a StGB wäre

262

Schlussbetrachtung

mit der des § 33 i.V. m. §§ 22, 23 KUG inhaltlich abgestimmt worden.1 Der Rechtsklarheit geschuldet wäre es erforderlich gewesen, den strafrechtlichen Bildnisschutz im Rahmen einer Sanktionsnorm zusammenzufassen. Auch und gerade wegen der heutigen Möglichkeiten im Bereich der Bildaufnahmetechniken sowie der Verbreitungsmöglichkeiten und den damit einhergehenden Bedrohungen für das Persönlichkeitsrecht eines jeden Einzelnen durch die optische Abbildung erscheinen umfassende Normierungen auf diesem Gebiet notwendig.2 Mit der Reformierung des § 201a StGB im Jahr 2015 hat der Gesetzgeber, trotz der aufgezeigten Kritikpunkte, in angemessener Art und Weise dazu beigetragen, einen umfassenderen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor der unbefugten Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen unterschiedlichsten Inhalts zu schaffen.

1 Ebenso Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 319; Wieduwilt, K&R 2015, 83, 85; Bosch, Jura 2016, 1380, 1381. 2 Ebenso Golz, IPRB 2015, 170, 172.

Anhang Gesetzeswortlaut des § 201a StGB (ab Januar 2015)1 § 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, 2. eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, 3. eine durch eine Tat nach den Nummern 1 oder 2 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder 4. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. (3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat, 1. herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder 2. sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft. (4) Absatz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 3 oder Nummer 4, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. (5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden.

1

BGBl. 2015 Teil I Nr. 2, S. 14.

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Anhang Entwürfe von 1962 und 1971

§ 182 Öffentliche Erörterung fremder Privatangelegenheiten (Entwurf 1962) 2 (1) Wer ohne verständigen Grund öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine ehrenrührige Behauptung tatsächlicher Art über das Privat- oder Familienleben eines anderen, an deren Inhalt kein öffentliches Interesse besteht, aufstellt oder an einen Dritten gelangen läßt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat ist ohne Rücksicht darauf strafbar, ob die Behauptung wahr oder unwahr ist. Über die Wahrheit darf kein Beweis erhoben werden. (3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Stirbt der Verletzte, so geht das Antragsrecht nach § 121 Abs. 2 auf die Angehörigen über. (4) Eine Bestrafung wegen Beleidigung ist ausgeschlossen, auch wenn kein Antrag nach Absatz 3 gestellt wird. § 146 Unbefugtes Abhören und Abbilden (Alternativentwurf 1971) 3 (1) Wer das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte, nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen ohne dessen Einwilligung 1. mit einem Abhörgerät abhört, 2. auf einem Tonträger aufnimmt oder sonst technisch speichert oder 3. mit einem Schallträger oder durch sonstige technische Vorrichtungen einem Dritten unmittelbar zugänglich macht, wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer 1. von einer fremden Person in ihren Privaträumen oder 2. von einem anderen oder von dessen Privaträumen unter Verletzung des Anspruchs auf Wahrung des höchstpersönlichen Lebensbereichs ohne Einwilligung des Betroffenen Bildaufnahmen herstellt oder überträgt. (3) Dieselbe Strafe trifft denjenigen, der eine nach Abs. 1 oder 2 hergestellte Aufnahme oder Aufzeichnung einem Dritten zugänglich macht. (4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versuch strafbar. (5) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, sofern nicht die Strafverfolgung im öffentlichen Interesse geboten ist. § 144 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.

2 3

BT-Drucks. IV/650, S. 41 f. Arzt/Backs/Baumann u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. 8.

Anhang

265

Entwürfe zu § 201a StGB a. F. (36. StÄG) Entwurf der FDP-Fraktion (18.10.2001) 4 § 201a Verletzung der Intimsphäre durch Beobachtung (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Intimsphäre einer anderen Person dadurch verletzt, dass er 1. sie unbefugt auf einen Bildträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt die Intimsphäre einer anderen Person dadurch verletzt, dass er sie mit einem Bildaufnahmegerät oder anderen technischen Mitteln beobachtet. (3) Die Tat ist nur strafbar, wenn sie geeignet ist, berechtigte Interessen der verletzten Person zu beeinträchtigen. Die Tat nach Absatz 1 Nr. 2 ist nicht rechtswidrig, wenn sie zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen begangen wird. (4) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Intimsphäre verletzt (Absätze 1 und 2). (5) Der Versuch ist strafbar. (6) Die Bildaufnahmegeräte oder anderen technischen Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. Entwurf der FDP-Fraktion (29.1.2003) 5 § 201a StGB Verletzung der Intimsphäre durch unbefugte Bildaufnahme und Beobachtung (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Intimsphäre einer anderen Person dadurch verletzt, dass er 1. sie unbefugt auf einen Bildträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt die Intimsphäre einer anderen Person dadurch verletzt, dass er sie mit einem Bildaufnahmegerät oder anderen technischen Mitteln beobachtet. (3) Die Tat ist nur strafbar, wenn sie geeignet ist, berechtigte Interessen der verletzten Person zu beeinträchtigen. Die Tat nach Absatz 1 Nr. 2 ist nicht rechtswidrig, wenn sie zur Wahrnehmung überragend öffentlicher Interessen begangen wird. (4) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Intimsphäre verletzt (Absätze 1 und 2). 4 5

BT-Drucks. 14/7193, S. 2. BT-Drucks. 15/361, S. 2.

266

Anhang

(5) Der Versuch ist strafbar. (6) Die Bildaufnahmegeräte, Bildträger oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. Gesetzesentwurf der CDU/CSU-Fraktion (11.3.2003)6 § 201a Verletzung des persönlichen Lebensbereichs (1) Wer den persönlichen Lebensbereich einer anderen Person dadurch verletzt, dass er 1. sie unbefugt auf einen Bildträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht oder 3. eine befugt hergestellte Aufnahme gegen den Willen der berechtigten Person gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer die Tat zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen begeht, handelt nicht rechtswidrig. (3) Wer als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter den persönlichen Lebensbereich verletzt (Absatz 1) wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft. (4) Der Versuch ist strafbar. (5) Die Bildaufnahmegeräte, Bildträger oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. Entwurf des Landes Baden-Württemberg (11.3.2003)7 § 201a Verletzung der Intimsphäre durch Bildaufnahmen (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Intimsphäre einer anderen Person dadurch verletzt, dass er 1. sie unbefugt auf einen Bildträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt die Intimsphäre einer anderen Person dadurch verletzt, dass er sie mit einem Bildaufnahmegerät oder anderen technischen Mitteln beobachtet. (3) Die Tat ist nur strafbar, wenn sie geeignet ist, berechtigte Interessen der verletzten Person zu beeinträchtigen. Die Tat nach Absatz 1 Nr. 2 ist nicht rechtswidrig, wenn sie zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen begangen wird.

6 7

BT-Drucks. 15/533, S. 2. BR-Drucks. 164/03, S. 1.

Anhang

267

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Intimsphäre verletzt (Absätze 1 und 2). (5) Der Versuch ist strafbar. (6) Die Bildaufnahmegeräte oder anderen technischen Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. Gesetzesentwurf des Bundesrates (26.9.2003)8 § 201a Verletzung der Intimsphäre durch Bildaufnahmen (1) Wer von einer in der Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum befindlichen anderen Person unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. Fraktionsübergreifender Gesetzesentwurf (10.2.2004)9 § 201a StGB Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (3) Wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum befindet, unbefugt gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (4) Die Bildträger sowie die Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden.

8 9

BT-Drucks. 15/1891, S. 5. BT-Drucks. 15/2466, S. 3.

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Anhang Gesetzeswortlaut § 201a StGB a. F. (August 2004–Januar 2014)10

§ 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (3) Wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich macht und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (4) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden.

Entwürfe zu § 201a StGB n. F. (49. StÄG) Entwurf Freistaates Bayern (1.4.2014)11 § 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (3) Wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich macht und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (4) Wer Bildaufnahmen, die die Nacktheit von Kindern (§ 176 Abs. 1) zur Schau stellen, 1. gegen Entgelt oder im Rahmen eines Tauschsystems a) anbietet oder zugänglichmacht, b) sich oder einem anderen zu verschaffen unternimmt, oder 2. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält oder einzuführen unternimmt, um sie im Sinne der Nummer 1 Buchstabe a zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, 10 11

BGBl. 2004 Teil I Nr. 41, S. 2012. BR-Drucks. 127/14, S. 1 f.

Anhang

269

wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst, der Wissenschaft oder der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens dienen. (5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. Entwurf der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD (23.9.2014)12 § 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, oder unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person herstellt oder überträgt. (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht. (3) Wer dadurch, dass er eine befugt hergestellte Bildaufnahme in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer anderen Person zugänglich macht oder sie verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, wird wie folgt bestraft: 1. mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe, wenn er die Bildaufnahme einer dritten Person zugänglich macht, 2. mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, wenn er die Bildaufnahme verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht. (4) Wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art unbefugt einer anderen Person zugänglich macht oder sie verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, wird wie folgt bestraft: 1. mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe, wenn er die Bildaufnahme einer dritten Person zugänglich macht, 2. mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, wenn er die Bildaufnahme verbreitet oder Öffentlichkeit zugänglich macht. (5) § 201 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. (6) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden.

12

BT-Drucks. 18/2601, S. 10 f.

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Personen- und Sachverzeichnis Antragsdelikt 84, 187 Arbeitsspeicher 121, 125 Barschel 164, 168 Beleidigung 63–66, 221 Beobachten 42, 70, 95, 99 Berufsfreiheit 254, 255 Bestimmtheitsgrundsatz 57, 189, 203, 204, 215, 217, 218, 231, 232 Binding 45, 86 Bismarck 38, 161, 163, 164, 166, 168 Bundesregierung 28, 29, 34, 36 Cache 100, 121–123, 125, 126, 128, 181 Cloud-Computing 102 Cybermobbing 26, 32, 37, 67, 68, 81, 150, 229 Diffamierung 26, 53, 67, 69, 242, 244 Digitalfotografie 25 Doppelfunktionslösung 143, 145, 149 Download 121, 127, 130, 134–137, 181 Drohne 180 Ebert 40 Edathy 28, 87, 261 Ehrdelikt 65, 209, 218, 220, 231 Erkennbarkeit 72–74, 176 Facebook 79, 80, 95, 103, 129, 138, 241 Filesharing-Netzwerke 134

Indiskretionsdelikt 41, 219, 220 Instagram 21, 95, 103, 138 Internet 19, 21, 26, 48, 53, 56, 67, 80, 82, 95, 98–100, 103, 104, 121, 124, 125, 127, 132, 134–137, 155, 164, 181, 229, 242 Internetbrowser 121, 125 Internetforen 134 Intimsphäre 33, 41, 43, 54, 166, 169, 192, 200, 204–206, 210, 211, 213, 215, 218, 219, 226 Kryptowährung 132, 133 Kunstfreiheit 232, 237–241 Menschenwürde 61, 253 Messenger-Dienste 102 Mobiltelefon 19, 94 Noske 40 Opferschutz 32, 66 Paparazzo 98–100, 160, 172, 198, 199, 225, 226, 255 Persönlichkeitsrecht 21, 26, 29, 31, 35, 41, 47, 50, 56, 57, 61, 62, 65, 82, 89, 106, 111, 114, 119, 161, 162, 165, 171, 172, 174, 183, 194, 196, 200, 227, 237, 244, 245, 254, 262 Posing-Bilder 61 Posting 102, 104 Printmedien 121

Gaffer 49, 98, 99, 113, 182, 186, 239 Handlungsfreiheit 52, 181, 183, 185, 192, 232 Herzogin von Cambridge 198

Sachverständigenanhörung 131, 217 Screenshot 101, 173 Selbstaufnahme 173–176 Selfie 173, 176, 177

288

Personen- und Sachverzeichnis

Sexting 128 Smartphone 19, 20, 96, 113 Sozialadäquanzklausel 30, 36, 111, 113, 140, 146, 183, 233–237, 241–245, 249, 254, 257–259, 261 soziale Netzwerke 20, 223 Streaming 94, 124, 127

Unfallgaffer 60, 105, 108, 160, 161, 165

Thumbnails 126, 127, 181

WhatsApp 94, 103, 129

Upload 95, 135–137, 223 Verstorbene 37, 38, 161, 162, 165–168, 170, 179 Voyeur 92, 93