Die »ex tunc«-Nichtigkeit von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB: Eine dogmatische Diskussion der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anhand der exemplarischen Untersuchung angefochtener Dauerschuldverhältnisse [1 ed.] 9783428580057, 9783428180059

Im Bereich der Dauerschuldverhältnisse wird bei durchgeführten Arbeits- und Gesellschaftsverträgen heute überwiegend beh

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Die »ex tunc«-Nichtigkeit von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB: Eine dogmatische Diskussion der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anhand der exemplarischen Untersuchung angefochtener Dauerschuldverhältnisse [1 ed.]
 9783428580057, 9783428180059

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 510

Die „ex tunc“-Nichtigkeit von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB Eine dogmatische Diskussion der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anhand der exemplarischen Untersuchung angefochtener Dauerschuldverhältnisse

Von

Philip Egle

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIP EGLE

Die „ex tunc“-Nichtigkeit von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 510

Die „ex tunc“-Nichtigkeit von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB Eine dogmatische Diskussion der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anhand der exemplarischen Untersuchung angefochtener Dauerschuldverhältnisse

Von

Philip Egle

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18005-9 (Print) ISBN 978-3-428-58005-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Regensburg im Wintersemester 2018/19 als Dissertation vorgelegen. Recht­ sprechung und Literatur sind bis Januar 2019 berücksichtigt. Mein besonders herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Martin Löhnig, der die Arbeit mit großem Interesse fördernd begleitet hat. Seine stetige Gesprächsbereitschaft und wertvolle fachliche Anleitung waren der fruchtbare Rahmen dieser wissenschaftlichen Untersuchung. Ebenso danken möchte ich dem Lehrstuhl Prof. Dr. Martin Löhnig der Uni­ versität Regensburg, insbesondere Frau Caroline Berger, für die Organisation der Doktorandenseminare. Bei Herrn Prof. Dr. Christoph Althammer bedanke ich mich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt auch Herrn RA Dr. Christoph Jerger, der erstmals die Arbeit angeregt und den Kontakt nach Regensburg hergestellt hat. Herrn Georg Suppé danke ich für die hilfreichen Diskussionen auf der Suche nach dogma­ tischer Plausibilität. Schließlich gilt Frau Manuela Mayer besonderer Dank für ihre sorgfältige Unterstützung im Rahmen des Korrektorats. München, im April 2020

Philip Egle

Inhaltsübersicht Einleitung 

23

Kapitel 1

Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB 

29

A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 C. Die Funktion der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB im Gesamtbild der Beendigungsmechanismen des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGBals Rückabwicklungsinstru­ ment angefochtener Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Kapitel 2

Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB 

130

A. Methodische Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Kapitel 3

Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen 

172

A. Besonderheiten der Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 C. Gegenüberstellung einzelner Statusverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Kapitel 4

Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen 

244

A. Problemverortung bei der Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . 244 B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 247 C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisseunter § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

8 Inhaltsübersicht D. Verstoß der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB gegen Verfassungsrecht . . . 295 Kapitel 5

Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB bei Dauerschuldverhältnissen 

300

A. Grundsatz der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB (Grundsatzlösung) . . . . . 300 B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) bei Personen­ gesellschaften im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 C. Alternativ diskutierte Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 D. Übertragbarkeit auf allgemeine Nichtigkeitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Zusammenfassung 

327

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

Inhaltsverzeichnis Einleitung 

23

I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Problemeinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Untersuchungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kapitel 1

Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB 

A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wesen der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Anfechtung im Normengefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verortung in § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltungsbereich des § 142 Abs. 1 BGB im Anfechtungsrecht . . . . 2. Gegenstand der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Willenserklärung als Anfechtungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsähnliche Handlungen und Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . c) Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nichtige Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Teilanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Absolute Wirkung der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung von Anfechtbarkeit und Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Leistungsverweigerungsrechte des Anfechtungsberechtigten und Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Voraussetzungen der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Konkurrenzbeziehungen der Anfechtung . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis von Auslegung und Anfechtung (§§ 133, 157 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgrenzung der Anfechtung zum versteckten Dissens (§ 155 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis der Anfechtung zu Rücktritt und Kündigung (§§  323 ff.; 573 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verhältnis der Anfechtung zu familienrechtlichen Auf­ hebungsvorschriften (§§ 1313 ff.; 1759 ff. BGB) . . . . . . . . . . .

29 29 29 29 29 30 31 31 33 35 36 38 38 38 39 41 43 44 44 44 45 46 46

10 Inhaltsverzeichnis ee) Verhältnis der Anfechtung zur Vorschrift der Ersatzpflicht bei Rücktritt vom Verlöbnis (§ 1298 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Konkurrenzen der Anfechtung aufgrund § 123 BGB . . . . . . . . . . . 48 aa) Verhältnis zur c.i.c. (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 bb) Verhältnis zu deliktischen Ansprüchen (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB; § 240 StGB; § 826 BGB)  . . . . . . . . . . . . 50 c) Konkurrenzen der Anfechtung aufgrund § 119 Abs. 2 BGB . . . . . . 51 aa) Verhältnis zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) . 51 bb) Verhältnis zu Mängelgewährleistungsrechten (§§ 434 ff. BGB; §§ 536 ff. BGB; §§ 634 ff. BGB) . . . . . . . . . 53 d) Sonstige Konkurrenzverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Verhältnis der Anfechtung aufgrund § 119 Abs. 2 BGB zur Unsicherheitseinrede (§ 321 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Verhältnis der Anfechtung aufgrund § 119 BGB zum Irrtum über die Vergleichsgrundlage (§ 779 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 58 cc) Verhältnis der Anfechtung aufgrund §§ 119, 120 BGB zu den Rücktrittsvorschriften des VVG (§ 19 Abs. 2–4 VVG)  . 58 dd) Verhältnis der Anfechtung aufgrund § 119 Abs. 2 BGB zur Ablehnung eines Schiedsrichters in der ZPO (§§  1036 ff. ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Anfechtungsgegner (§ 143 Abs. 2–4 BGB; § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Anfechtungsfrist (§ 121 BGB; § 124 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5. Kein Ausschluss der Anfechtung (Vertrag; § 242 BGB; § 144 BGB) . 61 III. Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Anfechtungsrechte nach § 142 Abs. 1 BGB im allgemeinen Teil des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) § 119 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) § 120 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 e) § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 f) § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Anfechtungsrechte nach § 142 Abs. 1 BGB außerhalb des allgemei­ nen Teils im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Anfechtung einer Bestimmung der Leistung (§ 318 BGB) . . . . . . . 70 b) Anfechtung der Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft (§§  1954 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Anfechtung einer letztwilligen Verfügung (§§ 2078 ff. BGB) . . . . . 71 d) Anfechtung eines Erbvertrags und eines gemeinschaftlichen Testaments (§§ 2281 ff. BGB) (analog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Inhaltsverzeichnis11 e) Anfechtung der Ausschlagung eines beschränkten oder beschwer­ ten Pflichtteilsberechtigten (§ 2308 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Anfechtungsrechte neben § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Vaterschaftsanfechtung (§§ 1599 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Anfechtung des Erbschaftserwerbs (§§ 2340 ff. BGB) . . . . . . . . . . 74 c) Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (§§ 1 ff. AnfG) . . . . . . . 75 d) Anfechtung in der Insolvenzordnung (§§ 129 ff. InsO) . . . . . . . . . . 76 4. Übertragbarkeit des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Zusammenfassung: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 B. Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vernichtung der Willenserklärung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundbefund: Ex tunc-Nichtigkeit bei Willensmängeln . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen: Ex nunc-Nichtigkeit bei Willensmängeln im Familien­ recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufhebung der Ehe (§§ 1313 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufhebung der Annahme als Kind (§§ 1759 ff. BGB) . . . . . . . . . . II. Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) . . . . IV. Zusammenfassung: Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Funktion der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGBim Gesamtbild der Beendigungsmechanismen des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rücktritt und Kündigung (§§ 323 f. BGB; 314 BGB; 540 BGB; 542 f. BGB; 569 BGB; 573 ff. BGB; 621 ff. BGB; 723 BGB) . . . . . . . . . . . . . . II. Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung: Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGBals Rückabwicklungsinstru­ ment angefochtener Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umfang des Bereicherungsanspruchs (§ 818 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . II. Wertersatz im Bereicherungsrecht (§ 818 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektive und subjektive Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektiver Verkehrswert als Berechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berechnungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertung des Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berechnung von Dienst- oder Werkleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Herausgabe des Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwendung gegen den Herausgabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ersatzvorteile bei § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umfang und Grenzen abzugsfähiger Vermögensnachteile . . . . . . . . . . 5. Fallgruppen der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . .

78 78 78 80 80 82 83 85 86 87 88 90 91 92 92 94 96 96 96 98 98 99 100 102 102 103 104 105 109

12 Inhaltsverzeichnis a) Ersatzloser Wegfall des Erlangten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwendungen auf das Erlangte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kosten und Risiko der Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Vermögensdispositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Luxusausgaben und Folgeschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Steuerzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Problem der aufgedrängten Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenspiel des § 818 Abs. 3 BGB mit § 122 BGB . . . . . . . . . . . 8. Rückabwicklung gegenseitiger Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweikondiktionenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmodifizierte Zweikondiktionenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Modifizierte Zweikondiktionenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Saldotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entwicklung der Saldotheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anerkannte Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenschau der Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verschärfte Haftung (§§ 818 Abs. 4, 819 f. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Dreiecksbeziehungen im Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung: Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109 111 112 114 115 115 116 117 118 119 119 120 121 121 122 124 125 127 128

Kapitel 2

Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB 

130

A. Methodische Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Auslegungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) „Person“ des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Subjektive Auslegungstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Objektive Auslegungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Vermittelnder Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 e) Richtlinien- und verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . 142 3. Rangfolge der Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Richterliche Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Verpflichtung zur Rechtsfortbildung (Art. 20 Abs. 3 GG) . . . . . . . . . . 146 2. Methodischer und verfassungsrechtlicher Spielraum . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Lückenfüllung de lege lata und neue Rechtssetzung de lege ferenda . 148 a) Rechtsfortbildung bei Gesetzeslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Inhaltsverzeichnis13 aa) Feststellung einer Gesetzeslücke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formen der Rechtsfortbildung bei Gesetzeslücken . . . . . . . . . b) Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsfortbildung extra und contra legem . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grenzen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung . . . . . III. (Derogierendes) Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung: Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 151 154 154 155 157 158

B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Materialien der Gesetzgebung zur Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB  . 1. Motive zur Rechtsfolgenorm des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . 2. Motive zu den Anfechtungsvorschriften der §§ 116 ff. BGB . . . . . . . . II. Auslegung der Norm des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfortbildung bei § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzeslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grenze der Auslegung des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dogmatische Konzeption des § 142 Abs. 1 BGB und dessen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Schwierigkeiten der Rückabwicklung . . . . . . . . . . bb) Grundsätze der Rechtssicherheit und Vertrauensschutz . . . . . . cc) Interessen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung contra legem . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung: Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159 159 159 160 162 163 164 164 166 166 168 169 170 171

Kapitel 3

Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen 

A. Besonderheiten der Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff des Dauerschuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgen der Dauer einer Leistungsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendbarkeit der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit nach § 142 Abs. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit nach §§ 119 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung: Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 172 172 173 175 175 176 177

B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Besondere Natur des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Persönliche Eingliederung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Schutzrechte des Arbeitnehmers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 aa) Insolvenzregelungen zum Schutz der Löhne des Arbeit­ nehmers (§§ 108 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO; § 165 SGB III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) . 185

14 Inhaltsverzeichnis cc) Entgeltzahlung bei Krankheit des Arbeitnehmers (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mutterschutz (§§ 18 ff. MuSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d Satz 1 SGB IV) . . . . . . . d) Typische vertragliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betriebliche Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Arbeit als Grundrecht (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Motive der Gesetzgebung zum Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Involvierung Dritter bei Arbeitsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Krankenkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtspraxis: Anfechtung eines Arbeitsvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ex nunc-Wirkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . b) Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkung der Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertragliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Außen- und Innengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Existenz der GbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Leistungsbeziehungen im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . b) Offene Handelsgesellschaft (§ 105 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stille Gesellschaft (§ 230 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktiengesellschaft (§ 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 278 AktG) . . . . . . . . . . . . . . c) Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Motive der Gesetzgebung zum Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 4. Involvierung Dritter bei Gesellschaftsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtspraxis: Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsfolgen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfechtungsfolgen bei der GbR (§ 705 BGB) . . . . . . . . . . . . . bb) Anfechtungsfolgen bei der OHG (§ 105 HGB) und KG (§ 161 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 187 188 189 189 191 191 192 193 197 197 197 198 198 199 200 201 202 202 202 203 204 204 205 206 207 207 208 208 210 210 211 212 214 215 215 216 216

Inhaltsverzeichnis15 cc) Anfechtungsfolgen bei der stillen Gesellschaft (§ 230 HGB) . 217 b) Nichtigkeit von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Nichtigkeit der AG (§ 1 AktG), KGaA (§ 278 AktG) . . . . . . . 218 bb) Nichtigkeit der GmbH und Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 d) Vorrang schutzwürdiger Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 e) Fehlerhafte Änderungen des Gesellschaftsvertrags . . . . . . . . . . . . . 224 f) Geltendmachung des Mangels einer Willenserklärung . . . . . . . . . . 225 g) Auswirkung auf das Rechtsverhältnis der übrigen Gesellschafter . 226 III. Mietvertrag (§ 535 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Soziales Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Personenbezogene Qualität des Mietvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Motive der Gesetzgebung zum Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4. Involvierung Dritter bei Mietverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 5. Rechtspraxis: Anfechtung eines Mietvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV. Zeitungsabonnement (§ 433 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Bedeutung der Art des Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Motive der Gesetzgebung zum Sukzessivlieferungsvertrag . . . . . . . . . 235 3. Involvierung Dritter bei Zeitungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Rechtspraxis: Anfechtung eines Zeitungsabonnements nach § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 V. Typische Charakteristika der Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 237 VI. Zusammenfassung: Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 C. Gegenüberstellung einzelner Statusverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Annahme als Kind (§§ 1741 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung: Gegenüberstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239 240 242 242

Kapitel 4

Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen 

244

A. Problemverortung bei der Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . I. Rückabwicklung einer Vielzahl von Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Involvierung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung: Problemverortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

244 245 246 246 247

B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . I. Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeit und Lohn im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) . . . . . . . . . a) Rückabwicklung der Gegenleistung des Arbeitgebers  . . . . . . . . . .

247 248 248 248

16 Inhaltsverzeichnis b) Die Arbeitskraft des Arbeitnehmers als Bereicherungsgegenstand (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers (§ 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entreicherung der Parteien (§ 818 Abs. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . e) Beweislast des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung an kollektivarbeitsrechtlichen Vorgängen . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik an der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . 4. Übertragung gesetzlicher Wertungen (§ 242 BGB)  . . . . . . . . . . . . . . . 5. Typische vertragliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Leistungsbeziehungen zu Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Krankenkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückabwicklung im Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Innenverhältnis der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außenverhältnis der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einfluss des Rechtsscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wertung des § 122 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik an der Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft . . . . . . . . . . . . a) Lehre zur Doppelnatur und verbandsrechtliches Prinzip . . . . . . . . b) Pauschale Entfernung von der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verlust des Haftungssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsinteressen des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligung des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unzureichende Schutzmechanismen des Gesetzgebers . . . . . . . . . . 4. Vergleichbarkeit mit Statusverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mietvertrag (§ 535 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zeitungsabonnement (§ 433 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung: Technische Rückabwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

249 250 252 253 254 255 257 257 258 258 259 259 260 260 260 262 263 264 265 266 268 268 269 270 271 272 272 273 275 276

C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisseunter § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Allgemeine Schutz- und Rücksichtnahmepflichten der Parteien . . . . . . . . 277 II. Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Schutzrechte des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Insolvenz-, Lohn- und Pfändungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Urlaubsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Lohnfortzahlung im Krankheitsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 d) Mutterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 e) Kündigungsschutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

Inhaltsverzeichnis17 2. Sozialversicherungsrechtliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs . . . . . . . . . . . b) Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Renten- und Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerrechtliche Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Arbeitnehmerhaftung (§ 254 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mietvertrag (§ 535 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtung trotz sozialen Mietrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialbeziehungen des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlust des Vermieterpfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung: Schutzrechte und Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 285 286 287 287 288 289 291 291 291 292 294

D. Verstoß der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB gegen Verfassungsrecht . . . 295 I. Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Verhältnis der Privatautonomie zur Berufsfreiheit des Arbeitnehmers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Verfassungsmäßigkeit des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenz­ minimums (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 20 Abs. 1 GG) . . . . . . . . 297 II. Mietvertrag (§ 535 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 2. Eigentumsfreiheit des Mieters (Art. 14 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 III. Zusammenfassung: Verstoß gegen Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Kapitel 5

Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB bei Dauerschuldverhältnissen 

300

A. Grundsatz der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB (Grundsatzlösung) . . . . . 300 B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) bei Personen­ gesellschaften im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Methodische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grenze der Auslegung bei Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags . . . 2. Gesetzeslücke der Haftung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teleologische Reduktion des § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dogmatischer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besondere Voraussetzungen der Ausnahmelösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besonderes Haftungsinteresse des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personengesellschaft als Standardfall  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme: Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

301 302 302 302 303 304 304 304 305 305

18 Inhaltsverzeichnis c) Dauerschuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 d) Statusbezogene Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 2. Haftungsrelevanter Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Gefährdung von Haftungsinteressen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Vertragsänderungen ohne haftungsrelevanten Inhalt . . . . . . . . . . . . 309 b) Keine bloße Teilnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Keine vorrangigen Interessen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 a) Verstoß gegen Verbotsgesetz oder die guten Sitten (§§ 134, 138 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Verstoß gegen Minderjährigenschutz (§§ 104 ff. BGB) . . . . . . . . . . 311 c) Anfechtung aufgrund § 123 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 d) Einschränkung aufgrund § 1365 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 IV. Teleologisch reduzierte Anwendung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 1. Normale Anwendung der allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen (§§  142 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 2. Ex nunc-Rechtsfolge der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 3. Auseinandersetzung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Analoge Anwendung der Vorschriften zur Liquidationsgesell­ schaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 b) Ersatzloser Wegfall der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 aa) Haftung der Gesellschafter im Außenverhältnis (§ 128 HGB) . 316 bb) Bruchteilsgemeinschaft im Innenverhältnis (§§ 741 ff. BGB) . 317 c) Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 V. Zusammenfassung: Ausnahmelösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 C. Alternativ diskutierte Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Korrektiv des § 122 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsscheinhaftung als Lösungsmöglichkeit (Rechtsscheinlösung)  . . . . III. Ausweitung des außerordentlichen Kündigungsrechts auf Anfechtungs­ gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anpassung/Umdeutung des Vertrags (§ 140 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anfechtungsgründe als Unterscheidungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung: Alternative Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

319 319 320 322 323 324 325

D. Übertragbarkeit auf allgemeine Nichtigkeitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelne Kapitel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

327 327 328 332

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

Abl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP

Archiv für civilistische Praxis

a. E.

am Ende

a. F.

alte Fassung

AGBG

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäfts­ bedingungen

AGG

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

AktG Aktiengesetz Alt. Alternative AnfG Anfechtungsgesetz Anh Anhang Anm. Anmerkung ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz ArbR Arbeitsrecht ArbSchG Arbeitsschutzgesetz ArbZG Arbeitszeitgesetz Art. Artikel AT

Allgemeiner Teil

AUEV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Aufl. Auflage BAG Bundesarbeitsgericht BB Betriebs-Berater Bd. Band  BDSG Bundesdatengesetz BeckOK

Beck’scher Online-Kommentar

BeckRS

Beck Online Rechtsprechung

Beil. Beilage BetrAVG Betriebsrentengesetz BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

20 Abkürzungsverzeichnis BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichts­ hofs für Zivilsachen

bspw. beispielsweise BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BUrlG Bundesurlaubsgesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht bzw. beziehungsweise c.i.c.

culpa in contrahendo

ders. derselbe d. h.

das heißt

dies. dieselbe(n) EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz EG

Europäische Gemeinschaft

EheG Ehegesetz Einf. Einführung Einl Einleitung EL Ergänzungslieferung ErfK

Erfurter Kommentar

EU

Europäische Union

f. folgende(r) FamFG Familienverfahrensgesetz FamR ?nn Familienrecht ff. fortfolgende FGO Finanzgerichtsordnung FS Festschrift GS Gedächtnisschrift GenG Genossenschaftsgesetz GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

ggf. gegebenenfalls GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GoA

Geschäftsführung ohne Auftrag

GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HGB Handelsgesetzbuch HKK

Historisch-kritischer Kommentar

Abkürzungsverzeichnis21 h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg. Herausgeber InsO Insolvenzordnung i. R.d.

im Rahmen des

i. S. d.

im Sinne des/der

i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JArbSchG Jugendarbeitsschutzgesetz JherJB

Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts

JuS

Juristische Schulung

JZ Juristen-Zeitung KG Kammergericht KSchG Kündigungsschutzgesetz LAG Landesarbeitsgericht LG Landgericht MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MüKo

Münchener Kommentar

MuSchG Mutterschutzgesetz m. w. Nw. (FN)

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport

NK

Nomos Kommentar

Nr. Nummer NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZA-RR

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht – Rechtsprechungsreport

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OLG Oberlandesgericht RdA

Recht der Arbeit

RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung S. Seite SGB 

Sozialgesetzbuch

SGG Sozialgerichtsgesetz sog. sogenannt(e) StGB Strafgesetzbuch

22 Abkürzungsverzeichnis str. strittig u. a. unter anderem v. von vgl. vergleiche Vor. Vorüberlegungen/Vorbemerkungen VVG Versicherungsvertragsgesetz VwGO Verwaltungsgesetzordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WiStG Wirtschaftsstrafgesetz z. B. zum Beispiel ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht ZgS Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Ziff. Ziffer ZPO Zivilprozessordnung

Einleitung I. Vorbemerkungen Eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist im Rechtsverkehr als Aus­ druck der Selbstverantwortung des Erklärenden und im Interesse des Ver­ kehrsschutzes grundsätzlich so zu deuten wie sie der Empfänger gemäß §§ 133, 157 BGB1 verstehen durfte.2 Das Instrument der Anfechtung in § 142 Abs. 1 BGB und damit die Möglichkeit des Erklärenden, sich von dieser Willenserklärung lösen zu können, ist die Reaktion des Bürgerlichen Gesetzbuches auf die Situationen, in denen das Gewollte des Erklärenden von seiner in den Rechtsverkehr gelangten Willenserklärung abweicht oder diese auf einer (beachtlich) fehlerhaften oder manipulierten Willensbildung basiert.3 Leitgedanke dieser Wertentscheidung ist das Willensdogma, dem die Auffassung zu Grunde liegt, dass der entscheidende Umstand, der eine Wil­ lenserklärung mit rechtlicher Wirkung qualifiziert, darin zu sehen ist, dass gerade diese Wirkung vom Erklärenden gewollt ist.4 Um Rechtssicherheit bemüht werden dabei im allgemeinen Teil des Gesetzes selbst Gründe, die zu einer Anfechtung berechtigen sollen, genannt. Unterschieden wird zwischen den Fällen des Irrtums des Erklärenden nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB (Erklä­ rungsirrtum), § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB (Inhaltsirrtum) und § 119 Abs. 2 BGB (Eigenschaftsirrtum), der fehlerhaften Übermittlung einer Willenserklärung gemäß § 120 BGB und der arglistigen Täuschung oder Bedrohung des Erklä­ renden nach § 123 Abs. 1 Alt. 1, 2 BGB.5 Unterliegt der Erklärende einem Irrtum oder ist die Willenserklärung falsch übermittelt worden, wird durch das Anfechtungsrecht ein Ausgleich der entstandenen Interessenskollision 1  Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom 18. August 1896, RGBl. S. 195, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018, BGBl. I S. 2651, 2655. 2  Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 119 Rn. 1; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 133 Rn. 10; Wendtland, in: Bam­ berger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 119 Rn. 1; Motive zum Entwurfe eines BGB, Bd. I Allgemeiner Teil, 1888 Fünfter Titel: Wil­ lensmängel, Vor. § 95, S. 189. 3  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 457; Schubert, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 242 Rn. 499; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 1; Feuerborn, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 119 Rn. 1, § 123 Rn. 1. 4  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 457. 5  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 457.

24 Einleitung

zwischen Erklärendem, dem Rechtsverkehr im Allgemeinen und dem Erklä­ rungsempfänger verfolgt, indem der Anfechtende zumindest verpflichtet bleibt seinem Vertragspartner den Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hatte.6 Bei einer arglistigen Täuschung oder Drohung des Erklärenden tritt hingegen, mangels Schutzwürdigkeit des Erklärungsempfängers, der Interessensdualismus zwi­ schen den Vertragsparteien in den Hintergrund. Schadensersatzpflichten des Anfechtenden bleiben aus und das Anfechtungsrecht erscheint hier nicht als Ausgleichsmechanismus, sondern als reine Schutzvorschrift der rechtsge­ schäftlichen Entschließungsfreiheit des Erklärenden.7 Die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung selbst begründet grundsätzlich weder eine autonome Folge, wie beispielweise die schwebende Unwirksam­ keit einer Willenserklärung des falsus procurator im Rahmen der § 164 ff. BGB, noch führt sie zu einer Einwendung oder verschafft dem Anfechtungs­ berechtigten die Möglichkeit der Einrede.8 Vielmehr ist das Anfechtungsrecht ein Gestaltungsrecht, das eine eigene Anfechtungserklärung des Anfech­ tungsberechtigten als rechtsgeschäftliche Erklärung voraussetzt und so dem Erklärenden die Möglichkeit einräumt, seine Willenserklärung nachträglich zu beseitigen.9 Wird das Anfechtungsrecht ausgeübt, ist die angefochtene Willenserklä­ rung „ex tunc“ d. h. „als von Anfang an nichtig“, anzusehen.10 Die Vertrags­ parteien werden neben der Möglichkeit, vom Anfechtenden das negative In­ teresse als Schadensersatz aus § 122 BGB und §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB zu verlangen, sowie gegebenenfalls gemäß §§ 826, 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB11 gegen den Erklärungsempfänger und Dritten vor­ zugehen, somit grundsätzlich bezüglich der bereits ausgetauschten Leistun­ gen auf die Rückabwicklungsregularien des Bereicherungsrechts in den

6  Musielak, Die Anfechtung einer Willenserklärung wegen Irrtums, JuS 2014, 491, Ellenberger, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 119 Rn. 1; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 1. 7  Ellenberger, in: Palandt 78. Auflage 2019, § 123 Rn. 1; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 123 Rn. 1; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 123 Rn. 1. 8  BGH, Urteil vom 1. Juli 1987 – VIII ZR 331/86, NJW-RR 1987, 1456 f.; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 5. 9  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 8; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 2; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 9. 10  Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 142 Rn. 3. 11  Strafgesetzbuch (StGB) vom 15. Mai 1871, RGBl. S. 127, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018, BGBl. 2639, 2646.

Einleitung25

§§ 812 ff. BGB verwiesen.12 Die Sicherheit des Rechtsverkehrs tritt dabei zurück, wird jedoch durch Einschränkungen wie die Normierung bestimmter Anfechtungsfristen in § 121 BGB oder eines allgemeinen Anfechtungsaus­ schlusses in § 144 BGB berücksichtigt. Spezielle Anfechtungsregelungen für deren Fälle die Rechtsfolge der an­ fänglichen Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB nicht gelten soll, kennt das Gesetz für Willensmängel bei der Vaterschaft nach §§ 1599 ff. BGB, beim Erbschaftserwerb gemäß §§ 2340 ff. BGB, der Insolvenzanfechtung nach §§  129 ff. InsO13 sowie der Gläubigeranfechtung außerhalb des Insolvenz­ verfahrens in den §§ 1 ff. AnfG14.15 Vorschriften für Willensmängel bei der Eheschließung oder der Annahme als Kind hat, der Gesetzgeber in den §§ 1313 ff., 1759 ff. BGB dem Anfechtungsrecht entzogen und als „Aufhe­ bungsvorschriften“ einer Willenserklärung gesondert geregelt. Ansonsten führt der Gesetzgeber bezüglich des § 142 Abs. 1 BGB keine Ausnahmen an, bei denen die Rechtsfolge und die Anfechtungsregularien des Allgemeinen Teils des BGB keine Geltung entfalten sollen. Dieser weite Geltungsbereich der Rechtsfolgenbestimmung des § 142 Abs. 1 BGB wird in stetiger Recht­ sprechung der obersten Gerichte für bestimmte Arten von in Vollzug gesetz­ ten Dauerschuldverhältnissen jedoch durchbrochen.16 So soll bei Gesell­ schafts- und Arbeitsverträgen eine „ex nunc“-Wirkung der Anfechtung gelten, die keine Rückwirkung der Nichtigkeit von Anfang an, sondern erst ab dem Zeitpunkt, zu dem sich der Vertragspartner auf sie beruft bzw. die Anfech­ tung erklärt wird, begründet.17 Bei Miet- und Pachtverträgen sehen die Ge­

12  Hefermehl,

in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 10. (InsO) vom 5. Oktober 1994, BGBl. I S. 2866, zuletzt geän­ dert durch Gesetz vom 23. Juni 2017, BGBl. I S. 1693, 1817. 14  Anfechtungsgesetz (AnfG) vom 21. Juli 1879, RGBl. S. 277, zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. März 2017, BGBl. I S. 654, 655. 15  Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 142 Rn. 2; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 1; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 2340 Rn. 1. 16  Grundsatzentscheidung für Arbeitsverträge des BAG, Urteil vom 5. Dezember 1957 – 1 AZR 594/56, NJW 1958, 516; BAG, Urteil vom 15. November 1957, NJW 1958, 397. Darauf aufbauende Urteile des BAG, Urteil vom 16. September 1982 – 2 AZR 228/80, NJW 1984, 446; BAG, Urteil vom 29. August 1984 – 7 AZR 34/83, NJW 1985, 646. Für Gesellschaftsverträge BGH, Urteil vom 24. Oktober 1951 – II ZR 18/51, NJW 1952, 97; zusammenfassende Rspr.-Übersicht bei Goette, Fehlerhafte Personengesellschaftsverhältnisse in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs, DStR 1996, 266. 17  BAG, Urteil vom 15. November 1957, NJW 1958, 397 (398); Schreiber, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 611a Rn. 5. 13  Insolvenzordnung

26 Einleitung

richte hingegen bisher keine Notwendigkeit, die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB zu beschränken.18 Diese Arbeit beschäftigt sich im Wege einer rechtsdogmatischen Analyse mit der Anwendbarkeit der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB auf typische Dauerschuldverhältnisse und diskutiert aus diesem Blickwinkel die Entschei­ dungen der Rechtsprechung und daraus zu schließende Konsequenzen.

II. Problemeinführung Anknüpfungspunkt der Diskussion um die Anwendbarkeit der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB auf Dauerschuldverhältnisse ist die Eigenart der Dau­ erschuldverhältnisse selbst, die im Unterschied zu punktuellen Schuldverhält­ nissen auf den ersten Blick, neben einer verstärkten Involvierung des Rechts­ verkehrs, auch für die Parteien des Dauerschuldvertrags zu berechtigten Inte­ ressen an einer Beschränkung der Nichtigkeit führen kann. Beispielhaft ent­ stehe bei Arbeitsverträgen durch die Abhängigkeit des Arbeitnehmers eine erhöhte soziale Schutzbedürftigkeit, der für die abgelaufene Zeit nur durch den Erhalt der vertraglichen Ansprüche des Arbeitnehmers entsprochen wer­ den könne.19 Im Gesellschaftsrecht sei die ausgeprägte Teilnahme am Rechts­ verkehr sowie der Gedanke des Bestandschutzes für die Gesellschafter der Grund, eine Rückabwicklung ex tunc vermeiden zu wollen.20 Die Herange­ hensweise der Rechtsprechung für diese Fälle erscheint sehr pragmatisch und es wird verpasst, klare systematische und rechtsdogmatisch nachvollziehbare Strukturen zu schaffen, die sowohl innerhalb der Ausnahmen selbst als auch für vergleichbare Dauerschuldverhältnisse rechtstechnisch konsequente Vor­ gaben stellen und klare Abgrenzungen ermöglichen. Weiter kann die Recht­ sprechung mit Rücksicht auf die Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG21 auf solch pragmatischen Motive grundsätzlich nur im Rahmen einer dogmatisch schlüssigen Begründung verweisen.22 Für eine 18  KG, 17. November 1966 8 U 1611/65, MDR 67, 404; LG Kassel v. 11. Ja­ nuar 1962 1 S 203/61, ZMR 67, 133; a. A. LG Nürnberg-Fürth, 23. Februar 1966 2 S 109/65, MDR 66, 1003; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 20. 19  Schreiber, in: Schulze u.  a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 611a Rn. 5; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 635; Joussen, in: Rolfs/ Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezem­ ber 2018, § 611a Rn. 170. 20  Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2002, § 6 I Nr. 3; Ulmer/Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 347. 21  Grundgesetz (GG) vom 23. Mai 1949, BGBl. S. 1, zuletzt geändert durch Ge­ setz vom 13. Juli 2017, BGBl. I S. 2347. 22  Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. No­ vember  2018, Art. 20 Rn. 171; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL Dezem­

Einleitung27

Beschränkung der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB ist somit entscheidend, unter welchen Voraussetzungen die Norm selbst und Art. 20 Abs. 3 GG eine verkürzte Rechtsanwendung der Gerichte zulassen. In der Literatur wird da­ bei vielfach von einer Rechtsfortbildung der Gerichte gesprochen, die von den angesprochenen Argumenten gestützt, eine Abweichung vom doch klaren Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB für bestimmte Arten der Dauerschuldverhält­ nisse begründen soll.23 Die Notwendigkeit einer solchen Rechtsfortbildung entsteht grundsätzlich aber nur dann, wenn die normierten Vorgaben des Gesetzgebers den Eigenheiten der jeweiligen Dauerschuldverhältnisse nicht gerecht werden. Im Mittelpunkt der Diskussion müssen somit die gesetz­ lichen Anfechtungs- und Rückabwicklungsregelungen der §§ 142, 812 ff. BGB stehen, verbunden mit der Frage, ob sie den Herausforderungen, die durch die Eigenart der jeweils zu untersuchenden Dauerschuldarten entste­ hen, gewachsen sind.

III. Untersuchungsansatz Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Analyse der Anfechtungs­ regularien der §§ 142 ff. BGB, deren Funktion im Gesamtbild der Beendi­ gungsmechanismen des BGB sowie der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB. Anschließend wird im zweiten Abschnitt die methodisch dogmatische Rechtsanwendung allgemein aufbereitet und die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB im Wege der Auslegung durchleuchtet. Das dritte Kapitel wendet den Blick vorbereitend auf die Besonderheiten der Dauerschuldverhältnisse, be­ vor im vierten Teil die Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldver­ hältnissen diskutiert werden. Abschließend wird im letzten Kapitel anhand der Ergebnisse ein Lösungsvorschlag formuliert. Das primäre Ziel der Arbeit ist die dogmatische Aufarbeitung der Verein­ barkeit von Dauerschuldverhältnissen mit der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB. Aufgrund der dogmatischen Herangehensweise ist es dabei sinnvoll, Überlegungen zur juristischen Hermeneutik, der juristischen Methodenlehre sowie zu gewohnheitsrechtlichen Ausgestaltungen, als Werkzeuge der Judi­ kative voranzustellen. Weiter ist, neben einer rechtstechnischen und systema­ tischen Analyse des Anfechtungsrechts in den § 142 ff. BGB auf die Beson­ derheiten typischer Dauerschuldverhältnisse, namentlich des Arbeitsvertrags aus § 611a BGB als besondere Form des Dienstvertrags nach § 611 BGB, des Mietvertrags in § 535 BGB, des Gesellschaftsvertrags in § 705 BGB so­ wie der ehelichen Lebensgemeinschaft und der Adoption als Statusverhält­ ber  2018, Art. 20 Rn. 71; Joussen, Der Vertrauensschutz im fehlerhaften Arbeitsver­ hältnis, NZA 2006, 963 (964). 23  So etwa Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 17. Auflage 2018 Rn. 197.

28 Einleitung

nisse gemäß § 1353 BGB bzw. §§ 1741 ff. BGB, einzugehen. Um eine klare Abgrenzung der Dauerschuldverhältnisse bemüht, empfiehlt es sich in die­ sem Zusammenhang auch das Zeitungsabonnement als Sukzessivlieferungs­ vertrag bzw. Bezugsvertrag nach § 433 BGB mit aufzunehmen, das als Dauerschuldverhältnis zu kategorisieren ist, es durch seine Nähe zu Teilliefe­ rungsverträgen jedoch ermöglicht, genauer auf die Unterschiede zu punk­ tuellen Schuldverhältnissen einzugehen.24 Erst in einem zweiten Schritt kann dann auf Grundlage der dogmatischen Vorüberlegungen eine Art Zusammen­ führung von Dauerschuldverhältnissen und der Nichtigkeitsvorgabe des § 142 Abs. 1 BGB erfolgen, die rechtstechnische Konsequenzen aufzeigt und die Basis für alternative Lösungsvorschläge ist. Anhand der typisiert gewähl­ ten Dauerschuldverhältnisse können Gemeinsamkeiten gebildet und konträre Notwendigkeiten herausgefiltert werden, die allgemeine Aussagen über die Vereinbarkeit von Dauerschuldverhältnissen mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB ermöglichen und ausschließen lassen. Ansatz der Arbeit ist somit, im Gesamtbild der Diskussion um die Rechts­ folgenproblematik der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen, den Blick auf eine methodisch und dogmatisch konforme Aufarbeitung praktischer und teleologischer Überlegungen zu schärfen, dessen Notwendigkeit und Vorteil erkennen zu lassen und so die Basis für weitere Argumentationen zu schaf­ fen.

24  BGH, Urteil vom 5. November 1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 (680); Beckmann, in: Staudinger BGB, Neubear. 2014, Vor. §§ 433 ff. Rn. 210; Schürnbrand, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 510 Rn. 11.

Kapitel 1

Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB I. Wesen der Anfechtung 1. Die Anfechtung im Normengefüge a) Verortung in § 142 Abs. 1 BGB Vorausgesetzt wird die Anfechtung im allgemeinen Teil des BGB in § 142 Abs. 1 BGB. Seiner Funktion nach beschreibt § 142 Abs. 1 BGB auf den ersten Blick die Rechtsfolge der Anfechtung eines Rechtsgeschäfts. Es mag daher zu­ nächst verwirren, eine Vorschrift, die lediglich wirkungsbeschreibend, inso­ weit nicht umfassend, sondern als Detailnorm der Anfechtung erscheint, gleichzeitig als Verortung des Instituts selbst zu nennen. Betrachtet man jedoch den Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB, so kann die Formulierung ­ ­„anfechtbares Rechtsgeschäft“ als ein Verweis in die verschiedenen Anfech­ tungsgründe der §§ 119 ff. BGB verstanden werden. Dies erzeugt in seiner Zusammenschau doch ein ergiebiges und übergeordnet voraussetzungsbe­ schreibendes Bild, das dem des § 164 BGB ähnelt, der für sich als Norm der Stellvertretung gilt.1 Daneben betont die Systematik des Gesetzes, die den § 142 BGB vor der tatbestandsbeschreibenden Norm des § 143 BGB posi­ tioniert, dessen voranstehenden Charakter.2 Da weiter die § 119 ff. BGB im allgemeinen Teil des BGB dem Wortlaut nach („Anfechtung wegen“) offen­ sichtlich nur einzelne Anfechtungsgründe und keine eigenständigen Rechts­ institute sind, kommt schließlich auch nur § 142 Abs. 1 BGB als Hausnorm der Anfechtung in Betracht. Ungeachtet dessen beginnt die Prüfung der An­ fechtung im Fallaufbau stets mit § 142 Abs. 1 BGB, da hier die Rechtsfolge normiert ist.3 1  Roth,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 3 f. in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 1. 3  Seidl/Zimmermann, Übungsklausur (für Anfänger) Zivilrecht, Jura 1993, 34 (36); Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 3. 2  Busche,

30

Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

b) Geltungsbereich des § 142 Abs. 1 BGB im Anfechtungsrecht Grundsätzlich richtet sich die Norm des § 142 Abs. 1 BGB an alle An­ fechtungskonstellationen, die einen Willensmangel des Erklärenden behan­ deln.4 Befindet sich eine Norm im Geltungsbereich des § 142 Abs. 1 BGB, führt dies zu einer Wechselwirkung der Vorschriften. § 142 Abs. 1 BGB be­ schreibt die Rechtsfolge der betroffenen Norm und ordnet diese dem Instru­ ment der Anfechtung zu, wodurch weitere Anforderungen im Sinne der An­ fechtungsregelungen nach §§ 142 ff. BGB zu erfüllen sind. Die betroffene Norm modifiziert im Gegenzug das Anfechtungsrecht des § 142 Abs. 1 BGB und passt das Recht den speziellen Gegebenheiten seines Regelungsberei­ ches an. Der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB unterfallen dabei im allge­ meinen Teil des BGB die Anfechtungsgründe der §§ 119, 120, 123 BGB sowie deren Fristenregelungen in den §§ 121, 124 BGB.5 Modifiziert wer­ den diese Vorschriften in § 318 BGB, der den Besonderheiten der Anfech­ tung einer Leistungsbestimmung gerecht wird, diese jedoch nicht dem An­ wendungsbereich des § 142 Abs. 1 BGB entzieht.6 Außerhalb des allgemei­ nen Teils erstreckt sich § 142 Abs. 1 BGB außerdem auf die Vorschriften der §§ 1954 ff., 2078 ff., 2281 ff. BGB und § 2308 BGB, die spezielle Anfech­ tungsgründe, Erklärungsvorgaben und Anfechtungsfristen für das Erbrecht nennen.7 Nicht nach § 142 Abs. 1 BGB bestimmt sich demnach die Anfechtung ei­ ner Vaterschaft gemäß §§ 1599 ff. BGB, die laut § 169 Nr. 4 FamFG8 ein Verfahren in Abstammungssachen ist und durch Anfechtungsantrag beim zuständigen Familiengericht mit dem Ziel eines Feststellungsbeschlusses er­ folgt.9 Gleiches gilt für die Anfechtung des Erbschaftserwerbs nach §§ 2340 ff. BGB, die durch Anfechtungsklage erhoben wird, sowie die Anfechtung von Rechtshandlungen nach den §§ 1 ff. AnfG und den §§ 129 ff. InsO.10 Die beiden letztgenannten Anfechtungsinstitutionen unterscheiden sich von der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB sowohl in ihren Voraussetzungen als 4  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 40. Edition, 48. Novem­ ber 2018, § 142 Rn. 2. 5  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 3. 6  Würdinger, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 510 Rn. 5, 9; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 4. 7  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 3. 8  Familienverfahrensgesetz (FamFG) vom 17. Dezember 2008, BGBl. I S. 2586, 2587, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017, BGBl. I S. 2780, 2786. 9  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 7. 10  Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 2340 Rn. 1; Helms, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2340 Rn. 1.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB31

auch in der Art ihrer Durchführung.11 Nach der InsO stellt sich die Anfech­ tung nur als Geltendmachung der gesetzlichen Anfechtungsfolgen dar; die Anfechtung nach dem AnfG wird durch Erhebung von Klage, Widerklage, Einrede oder Gegeneinrede geltend gemacht.12 Die Vorschriften der §§ 1313 ff. BGB zur Aufhebung der Ehe und der §§ 1759 ff. BGB zur Aufhebung der Annahme als Kind, die der Gesetzgeber zur Beseitigung von Willensmängeln bei der Eheschließung und Adoption gesondert aufgeführt hat, sind grundsätzlich keine Anfechtungsregelungen und unterfallen trotz ihrer Regelungsmaterie nicht der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB, sondern gehen der Anfechtung als lex specialis Regelung vor.13 2. Gegenstand der Anfechtung a) Willenserklärung als Anfechtungsgegenstand Blickt man auf den Wortlaut der Norm des § 142 Abs. 1 BGB, so stößt man, auch ohne intensiv auf eine rechtsdogmatische Diskussion oder die Voraussetzungen der Anfechtung, die an späterer Stelle noch genauer erör­ tert werden, einzugehen, auf die grundlegende Frage, was sich hinter dem Gegenstand der Anfechtung, der als „anfechtbares Rechtsgeschäft“ in der Norm beschrieben wird, verbirgt. Als Rechtsgeschäft definiert sich grund­ sätzlich ein Tatbestand, der aus mindestens einer Willenserklärung besteht, die entweder allein oder in Verbindung mit anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführt, weil sie gewollt ist.14 Aus funktionaler Sicht ist das Instrument der Anfechtung die an einen Beteiligten eines Rechtsge­ schäftes in § 142 Abs. 1 BGB positiv zugestandene Gestaltungsmöglichkeit seines in den Verkehr geäußerten Willens.15 Stellt man auf diese nachträgli­ che Mangelbeseitigung der Divergenz von wirklichem Willen und Erklä­ rung mit anfänglicher Wirkung ab, so muss präzisiert Anfechtungsgegen­ stand die Willenserklärung selbst sein, die Träger des nicht wirklich Ge­ 11  Roth,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 8. in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1599 Rn. 21, 23; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 142 Rn. 2; Schmidt, in: ders. (Hrsg.), InsO, 19. Auflage 2016, § 129 Rn. 5; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf (Hrsg.), Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Auflage 2016, § 13 Rn. 1. 13  Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 962; Maurer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1759 Rn. 4; Hahn, in: Bamber­ ger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 1313 Rn. 2; Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 142 Rn. 2. 14  Ellenberger, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, Überblick vor § 104, Rn. 2. 15  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 5. 12  Wellenhofer,

32

Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

wollten in den Rechtsverkehr ist.16 Die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäfts wäre demnach nur eine Gestaltungsmöglichkeit der Folgeerscheinungen, die durch die Willensäußerung entstanden sind, ohne dem Anfechtenden eine vollkommene Beseitigung seiner mangelhaften Erklärung aus dem Rechts­ verkehr zuzugestehen. In diesem Fall würde, ungeachtet der geringen prak­ tischen Relevanz aus dogmatischer Sicht die Anfechtung Willensmängel nur oberflächlich bereinigen und die mangelbehafteten Willenserklärungen le­ diglich wirkungslos zurücklassen.17 Eine bloße Willenserklärung selbst führt jedoch nicht zwingend eine Rechtsfolge herbei, stellt mitunter allein also gerade kein Rechtsgeschäft dar. Bei einseitigen Rechtsgeschäften wie der Anfechtung einer Kündigung, eines Rücktritts oder auch einer Anfechtungs­ erklärung, scheint die Anfechtung einer Willenserklärung mit dem Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB trotzdem unproblematisch vereinbar zu sein, da die Willenserklärung bei einseitigen Rechtsgeschäften das Rechtsgeschäft aus­ füllt und kein differenter Anfechtungsgegenstand gebildet werden kann.18 Anders ist dies bei mehrseitigen Rechtsgeschäften. Hier stellt sowohl der Vertrag selbst, der aus mehreren Willenserklärungen ein Rechtsgeschäft formt, als auch jede Willenserklärung für sich, einen eigenen potenziellen Anfechtungsgegenstand dar. Die Anfechtung bezieht sich jedoch auch bei mehrseitigen Rechtsgeschäften nicht auf das Rechtsgeschäft „Vertrag“, son­ dern auf die jeweils betroffene Willenserklärung.19 Gleichwohl wird bei der Anfechtung einer Willenserklärung eines Vertrags, dieser durch den Wegfall insgesamt beseitigt.20 Die Willenserklärung bei mehrseitigen Verträgen als Anfechtungsgegenstand zu bezeichnen, führt neben der Einhaltung teleolo­ gischer und dogmatischer Notwendigkeiten schlussendlich auch hier zu kei­ nem Bruch der wortgetreuen Auslegung des § 142 Abs. 1 BGB. Die betrof­ fene Willenserklärung ist Teil des Rechtsgeschäfts, wird begrifflich also mitumfasst und stellt selbst einen eigenständigen Gegenstand für die An­ fechtung dar. Die direkte Anfechtung der Willenserklärung ergibt sich zu­ dem aus dem Wortlaut der Anfechtungsvorschriften der §§ 119 ff. BGB, die von einer Anfechtung der „Erklärung“ (§§ 119 Abs. 1, 123 BGB) oder 16  Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 42. Auflage 2018, § 18 Rn. 38 f.; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 915, 820; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 26 f.; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 15. 17  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 15. 18  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 24. 19  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 21, 6; Feuerborn, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 142 Rn. 3; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 9; a. A. Leenen, Die Anfechtung von Verträgen, Jura 1991, 393 (396 ff.). 20  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 142 Rn. 3; Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 142 Rn. 4.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB33

„Willenserklärung“ (§§ 120, 122 Abs. 1 BGB) sprechen. Daneben befindet sich die Norm des § 142 Abs. 1 BGB im „Titel 2. Willenserklärung“ des allgemeinen Teils, was auch aus systematischer Sicht keine anderen Schlüsse zulässt. Kein Argument, anstelle der einzelnen Willenserklärung das Rechtsge­ schäft für den richtigen Anfechtungsgegenstand zu halten, ist, dass anderer­ seits eine Umdeutung gemäß § 140 BGB ausscheiden würde.21 So soll auf­ grund der Beseitigung der Willenserklärung eine Umdeutung des Rechtsge­ schäfts mangels Grundlage hierfür nicht mehr möglich sein.22 Die angefoch­ tene Willenserklärung ist nach der Anfechtung jedoch kein nullum, sondern bleibt anhand des zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillens einer Umdeu­ tung zugänglich.23 Die Norm des § 140 BGB kann daher auch bei Anfech­ tung einer Willenserklärung zur Umdeutung des Rechtsgeschäfts angewendet werden und steht einer dogmatisch klaren Interpretation des Anfechtungsge­ genstands nicht entgegen. Gegenstand der Anfechtung ist somit immer eine Willenserklärung und zwar unabhängig davon, ob diese empfangsbedürftig ist oder nicht.24 So sind bei einer einseitigen nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung, wie der Auslobung in § 657 BGB, in gleichem Maße Verkehrs- und Vermögensinte­ ressen involviert, die auch hier eine strenges Festhalten am Willensdogma unmöglich machen.25 b) Geschäftsähnliche Handlungen und Prozessrecht Grundsätzlich ist jedes privatrechtliche Rechtsgeschäft ein „anfechtbares Rechtsgeschäft“ gemäß § 142 Abs. 1 BGB.26 Geschäftsähnliche Handlungen wie Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen, deren Rechtsfolgen durch das Gesetz bestimmt sind, unterliegen aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Willens­ erklärungen auch der Anfechtung.27 Diese werden, wie Willenserklärungen 21  Roth,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 15. Die Anfechtung von Verträgen, Jura 1991, 393 (397); Roth, in: Staudin­ ger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 15, § 140 Rn. 15. 23  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 140 Rn. 3; Flume, Allgemei­ ner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 30, 6; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 140 Rn. 15. 24  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 463. 25  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 463. 26  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 463; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 142 Rn. 9. 27  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 16; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 9. 22  Leenen,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

auch, für gewöhnlich im Bewusstsein der eintretenden Rechtsfolgen und oft sogar in der Absicht sie hervorzurufen, vorgenommen.28 Im Prozessrecht ist eine Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB nur bei Pro­ zessverträgen und Prozessvergleichen möglich.29 Die Prozesshandlung selbst ist weder eine Willenserklärung noch ein Rechtsgeschäft, weshalb bei Wil­ lensmängeln allein prozessuale Grundsätze maßgeblich sind und eine An­ fechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB ausscheidet.30 Der Prozessvergleich ent­ faltet dagegen nach h. L. und Rspr. aufgrund seiner Doppelnatur sowohl prozessrechtliche als auch privatrechtliche Wirkung, was eine Anwendung der Anfechtung wegen Willensmängeln eröffnet.31 Bei einem Prozessvertrag, der keine Prozesshandlung ist, besteht ein Gegenstand zur Anfechtung nur, solange sich keine unverrückbare prozessuale Lage verfestigt hat.32 So kann ein Prorogationsvertrag nicht mehr angefochten werden, sobald eine rügelose Einlassung nach § 39 ZPO33 durch den Beklagten erfolgt ist und ein Beweis­ antrag, nur bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung.34 Für eine analoge Anwendung der Anfechtung auf einen späteren Zeitpunkt fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage. Hat sich eine unverrückbare prozessuale Lage eingestellt, fällt die Möglichkeit der privatautonomen Willensbetätigung in einen leeren Raum. Eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Anfech­ tungsberechtigten liegt dann nicht mehr vor.

28  BGH,

Urteil vom 17. April 1967 – II ZR 228/64, NJW 1967, 1800 (1802). in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 9; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 19 f. 30  BGH, Beschluss vom 15. Februar 1954 – IV ZB 1/54, NJW 1954, 676; BGH, Urteil vom 10. März 1956 – IV ZR 336/55, NJW 1956, 990 (991); BGH, Urteil vom 27 Mai 1981 – IVb ZR 589/80, NJW 1981, 2193 (2194); Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 41 m. w. Nw. 31  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 20; Lackmann, in: Mu­ sielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 15. Auflage 2018, § 794 Rn. 20; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 41. Zur Doppelnatur des Prozessvergleichs siehe: BGH, Urteil vom 10. März 1955 – II ZR 201/53, NJW 1955, 705; BGH, Urteil vom 15. November 1973 – VII ZR 56/73, NJW 1974, 107 (108); BGH, Urteil vom 3. De­ zember 1980 – VIII ZR 274/79, NJW 1981, 823 f.; BGH, Urteil vom 21. März 2000 – IX ZR 39/99, NJW 2000, 1942 (1943); Lackmann, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 15. Auflage 2018, § 794 Rn. 3; Wolfstein, in: MüKo ZPO, 5. Auflage 2016, § 794 Rn.  12 f. 32  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Auflage 2018, § 66 Rn. 16. 33  Zivilprozessordnung (ZPO) vom 30. Januar 1877, RGBl. S. 83, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018, BGBl. I S. 2639, 2646. 34  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Auflage 2018, § 66 Rn. 16; Wagner, Prozessverträge, 1998, S. 296; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozess­ handlung einer Partei im Zivilprozess, 2. Auflage 1972, S. 259. 29  Busche,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB35

c) Öffentliches Recht Im öffentlichen Recht finden die Anfechtungsregeln des bürgerlichen Rechts grundsätzlich auf die Willenserklärungen Privater analoge Anwen­ dung.35 So muss auch das öffentliche Recht dem Anspruch der freien Selbst­ bestimmung des Erklärenden gerecht werden und entsprechend auf Willens­ mängel durch Anfechtung reagieren können, was eine vergleichbare Interes­ senlage ohne entsprechend vorgesehene Regelung im öffentlichen Recht be­ gründet.36 Eine öffentlich-rechtliche Erklärung ist auch die Abgabe eines Gebots im Rahmen einer Zwangsversteigerung, die zwar aufgrund der Natur des Voll­ streckungsverfahrens als Prozesshandlung kategorisiert werden kann, jedoch auch Eigenschaften einer Willenserklärung in sich trägt.37 Die Anfechtbarkeit ist dabei zeitlich durch die Rechtskraft des Zuschlages gemäß § 817 ZPO beschränkt, der als Hoheitsakt den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Staat und Meistbietendem begründet.38 Einer ähnlichen Beschränkung unterliegt die Anfechtung einer Willens­ erklärung, die zu einem Verwaltungsakt führt. Dieser kann, wenn er be­ standskräftig geworden ist, aus Gründen der Rechtssicherheit im öffentlichen Recht nicht mehr aufgrund von Willensmängeln analog § 142 Abs. 1 BGB beseitigt werden.39 Die Willenserklärung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nach § 54 VwVfG40 kann gemäß § 62 Satz 2 VwVfG, der in das BGB verweist, nach § 142 Abs. 1 BGB direkt angefochten werden.41 35  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 17; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 110. Zur Übersicht der Ausnahmen: Schmidt-de Caluwe, Zur Anfechtung privater Willenserklärungen im Öffentlichen Recht, insbeson­ dere im Sozialrecht, Jura 1993, 399 (404). 36  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 110. 37  Gruber, in: MüKo ZPO, 5. Auflage 2016, § 817 Rn. 4 f. 38  RG, Urteil vom 28. Januar 1905 – V 339/04, RGZ 60, 48 (54); BGH, Urteil vom 4. Juni 1990 – IV ZR 174/89, NJW 1990, 2744; BGH, Beschluss vom 18. Ok­ tober 2007 – V ZB 44/07, NJW-RR 2008, 222 (223); Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 13, 41; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 110; vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Internetversteigerung in der Zwangs­ vollstreckung, BT-Drs. 16/12811, S. 8. 39  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 110. 40  Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 25. Mai 1976, BGBl. I S. 1253, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018, BGBl. I S. 2639, 2645. 41  Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9.  Auflage 2018, § 62 Rn. 27; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 17; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 9; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 119 Rn. 44.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

Bei Willenserklärungen der Verwaltung sind die Anfechtungsvorschriften des BGB hingegen nicht anzuwenden; die reine Anfechtung eines Verwal­ tungsaktes ist daher nicht möglich.42 Die Rechtmäßigkeit des staatlichen Verwaltungshandelns darf nicht von privatautonomen Entscheidungen abhän­ gig sein, sondern muss seinem Ursprung entsprechend auf Recht und Gesetz fußen, was eine vergleichbare Interessenlage ausschließt.43 Dass an eine Anfechtung bei Erklärungen der Verwaltung nicht zu denken ist, lässt der Gesetzgeber in § 38 Abs. 2 VwVfG selbst erkennen, wo er für die Wirksam­ keit einer Zusicherung im Übrigen nur auf die Rücknahme und den Widerruf nach §§ 48, 49 VwVfG verweist.44 d) Nichtige Rechtsgeschäfte Auch ein nichtiges Rechtsgeschäft ist nach Rechtsprechung und h. L. an­ fechtbar.45 Die h. M. stützt sich dabei auf die Theorie von der „Doppelwirkung im Recht“.46 Ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wird nicht dessen Existenz geleug­ net, sondern in Bezug auf einen bestimmten Nichtigkeitsgrund dessen Gel­ tung verneint.47 Das Rechtsgeschäft bleibt als tatbestandliche Voraussetzung bestehen und kann aus mehreren Gründen nichtig sein, z. B. gemäß § 134 BGB oder § 138 BGB und auch aus mehreren Gründen angefochten wer­ den.48 Neben der Theorie der „Doppelwirkung im Recht“, kann die Anfechtbar­ keit eines bereits nichtigen Rechtsgeschäfts auch auf der Grundlage des Verkehrsschutzes begründet werden.49 Danach muss es dem Anfechtungsbe­ rechtigten möglich sein, Rechtsnachteile durch Anfechtung von sich abzu­ 42  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 110; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 42 m. w. Nw. 43  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 110. 44  BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 11 C 29/93, NJW 1995, 1977 (1978). 45  BGH, Urteil vom 2. Oktober 2009 – V ZR 235/08, NJW 2009, 3655 (3657); BGH, Urteil vom 25. November 2009 – VIII ZR 318/08, NJW 2010, 610 (611); Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 27; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 142 Rn. 12; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 7; nicht so bei Schadensersatzansprüchen vgl. Höpfner, Vertraglicher Schadensersatz trotz Anfechtung?, NJW 2004, 2865 (2867). 46  Kipp, Doppelwirkungen im Recht, in: FS für v. Martitz, 1911, S. 211 ff. 47  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 30, 1; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 7. 48  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 28; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 7. 49  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 12.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB37

wehren.50 So ist die erneute Anfechtung eines Rechtsgeschäfts aus Gründen des § 123 BGB zur Vermeidung von Schadensersatzpflichten nach § 122 BGB oder aus c.i.c. im Falle eines nach §§ 119, 120 BGB angefochtenen Rechtsgeschäfts für den Anfechtungsberechtigten von Vorteil.51 In der Praxis kann zum Beispiel bei Beweisschwierigkeiten im Streitfall für die Frage, ob der Anfechtungsberechtigte an ein Rechtsgeschäft gebunden bleibt, die Wirk­ samkeit einer ersten Anfechtung offen bleiben.52 Die Theorie der „Doppel­ wirkung im Recht“ führt dabei jedoch, im Gegensatz zu einer analogen An­ wendung aus Gründen des Verkehrsschutzes, zu einer direkten Anwendung der Anfechtungsvorschriften, lässt somit erst gar keine Gesetzeslücke entste­ hen und ist daher einer analogen Konstruktion, aus Gründen des Verkehrs­ schutzes, vorzuziehen. Der Gedanke des Verkehrsschutzes seinerseits hilft jedoch über die Kipp’sche Fallbeispielproblematik des § 142 Abs. 2 BGB hinweg, bei der es nach der Theorie der „Doppelwirkung im Recht“ dem Anfechtungsberechtig­ ten gestattet ist, einen gutgläubigen Erwerb durch eine weitere Anfechtung zu verhindern. In diesen Fällen überzeugt es, durch eine offene Gesetzesaus­ legung, die Notwendigkeit einer weiteren Anfechtung entfallen zu lassen.53 Geht man davon aus, dass die in Frage stehende Kenntnis der Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 142 Abs. 2 BGB auch andere Anfechtungs­ gründe umfasst, so kann eine Redlichkeit somit auch ohne weitere Anfech­ tung ausgeschlossen werden.54 Die grundsätzlich fehlende Bösgläubigkeit hinsichtlich der Eigentümerstellung bei nachträglicher Anfechtung wird durch § 142 Abs. 2 BGB auf die Kenntnis einer möglichen Anfechtbarkeit erweitert, da die betroffene Person eine verminderte Schutzbedürftigkeit be­ sitzt. Will der Anfechtungsberechtigte die Verfügung aus der Welt schaffen, ist eine Auslegung des Gesetzes, die einen Eigentümerschutz des Anfech­ tungsberechtigten befürwortet, dem Telos nach vorzuziehen. Der Wortlaut „die Anfechtbarkeit“ kann als allgemeine Beschreibung interpretiert werden und lässt eine dementsprechende Auslegung zu.

50  Hefermehl,

in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 7. in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 28. 52  BHG, Urteil vom 21. Juni 1955 – V ZR 53/54, JZ 1955, 500=WM 1955, 1290 f.; Lorenz, Grundsatz der Doppelwirkung und Verbraucherschutz bei der Vertragsanbah­ nung, in: GS für Manfred Wolf, 2011, S. 77 (79); Bork, Allgemeiner Teil des Bürger­ lichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 929. 53  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 29; a. A. Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 928. 54  Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, § 47 Rn. 729 m. w. Nw. 51  Roth,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

e) Teilanfechtung Eine Teilanfechtung ist möglich, wenn ein teilbares Rechtsgeschäft vor­ liegt und der Anfechtungsgrund nur einen Teil des Rechtsgeschäfts betrifft.55 Um ein teilbares Rechtsgeschäft anzunehmen, muss nach Wegfall des ange­ fochtenen Teils, aus Sicht des objektiven Willens der Beteiligten, ein davon unabhängiges und selbstständiges Rechtsgeschäft denkbar sein.56 Die Rechts­ folgen der Teilanfechtung ergeben sich dabei aus § 139 BGB.57 f) Sonderfälle Daneben sind Sonderfälle privatrechtlicher Rechtsakte zu nennen, für die eine Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB häufig ausscheidet, da sie keine tauglichen Anfechtungsgegenstände sind. So ist beispielsweise die Wahl des Ehenamens gemäß § 1355 Abs. 2 BGB eine verfahrensrechtliche Erklärung, die in einem Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit abgegeben wird und ähnlich einer Prozesshandlung keiner Anfechtung zugänglich ist.58 Eine Rücknahme der Wahl wird dabei lediglich für Fälle des ganz offensichtlichen Irrtums angenommen, die dann gemäß § 242 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben erfolgt.59 Genauso verhält es sich bei der Wahl des Ge­ burtsnamens eines Kindes gemäß § 1617a Abs. 2 BGB.60 3. Absolute Wirkung der Anfechtung Die Anfechtung einer Willenserklärung und mit ihr der Wegfall eines Rechtsgeschäfts wirkt absolut und nicht nur zwischen den beteiligten Par­ teien des Rechtsgeschäftes.61 Die Wirkung inter omnes ist vor allem für den 55  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 6; Roth, in: Staudin­ ger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 26. 56  BGH, Urteil vom 27. Juni 1969 – V ZR 74/66, NJW 1969, 1759 (1760), Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 6. 57  BGH, Urteil vom 27. Juni 1969 – V ZR 74/66, NJW 1969, 1759 f. 58  BayObLG, Beschluss vom 19. Juni 1992 – 3Z BR 28/92, BayObLGZ 1992, 200 (203); OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. September 1986 – 8 W 373/86, NJW-RR 1987, 455 (456); BayObLG, Beschluss vom 20. November 1997 – 1Z BR 40–97, NJW-RR 1998, 1015 (1016); v. Sachsen Gessaphe, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1355 Rn. 19. 59  BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1987 – IVb ZB 125/87, BeckRS 1987, 30380906; BGH Beschluss vom 21. März 1977 – II ZB 5/77, VersR 1977, 574. 60  OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7. Februar 2011 – 3 W 139/10, BeckRS 2011, 14519; v. Sachsen Gessaphe, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1617a Rn. 19, 24.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB39

Eigentumserwerb Dritter bei der Anfechtung eines dinglichen Vertrags ent­ scheidend, da Dritte dann auf einen gutgläubigen Erwerb i. S. d. §§ 932 ff. BGB angewiesen sind und der Anfechtende nur so ausreichend geschützt werden kann. In diesem Zusammenhang erfüllt sich die Funktion der Vor­ schrift des § 142 Abs. 2 BGB, die hierfür Anfechtung und Nichtigkeit zusam­ menführt, die Kenntnis der Anfechtbarkeit mit der Bösgläubigkeit in Bezug auf die Verfügungsberechtigung des Verfügenden gleichsetzt und dadurch die Bösgläubigkeit des Dritten i. S. d. §§ 932 ff. BGB überhaupt erst ermöglicht.62 Ein weiteres Beispiel, bei dem sich die Notwendigkeit der absoluten Wir­ kung der Anfechtung zeigt, ist der umstrittene Fall der Anfechtung einer ausgeübten Innenvollmacht gemäß § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Der Vertreter wird durch die Anfechtung ex tunc zum falsus procurator und konnte keine Willenserklärung abgeben, die für und gegen den Vertretenen wirkt.63 Auf­ grund der absoluten Wirkung der Vollmachtsanfechtung kam es dabei auch zu keinem wirksamen Vertragsschluss zwischen dem Vertretenen und dem Vertragspartner und eine Haftung des Vertreters gemäß § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB i. V. m. § 142 Abs. 2 BGB bzw. § 122 BGB scheidet aus, wenn der Vertragspartner die Anfechtbarkeit kannte oder hätte kennen müssen.64 Bei einer Wirkung inter partes würde die Anfechtung der Vollmacht dagegen nicht zu der gewünschten Befreiung von Folgeverpflichtungen führen, die aufgrund der Vollmacht für und gegen den Vertretenen geschlossen wurden oder noch vereinbart werden könnten und mithin abgesehen von Schadens­ ersatzansprüchen des Vertretenen gegen den Vertreter in seiner Wirkung vollkommen ins Leere laufen würden. 4. Abgrenzung von Anfechtbarkeit und Nichtigkeit Die Anfechtbarkeit ist ein Teilbereich der Lehre über die Wirksamkeit ei­ nes Rechtsgeschäfts.65 Der Gesetzgeber hat die Norm des § 142 Abs. 1 BGB in diesem Sinne systematisch zusammen mit den Nichtigkeitsvorschriften der §§ 116, 117, 118, 125, 134, 138 BGB im zweiten Titel des allgemeinen Teils verortet. In Abgrenzung zur Nichtigkeit handelt es sich bei der Anfechtbar­ keit jedoch um die Fehlerhaftigkeit einer Willenserklärung, die nicht sofort, sondern nur bei Geltendmachung durch rechtsgeschäftliche Erklärung deren 61  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auf­ lage 1999, § 142 Rn. 14; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 21. 62  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 474; Roth, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2015, § 142 Rn. 3, 40; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 14. 63  Schubert, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 167 Rn. 46 f. 64  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 43. 65  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 4.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

Nichtigkeit zur Folge hat.66 Der Begriff der Nichtigkeit ist im BGB zwar nicht definiert, beschreibt als stärksten Grad der Unwirksamkeit grundsätz­ lich jedoch das Ausbleiben der beabsichtigten Rechtsfolge auf die eine Wil­ lenserklärung gerichtet ist, da ein wirksames Zustandekommen der Willens­ erklärung bereits verhindert wird.67 Der Zustand der Anfechtbarkeit ist dabei in gewissem Maße mit der schwebenden Wirksamkeit einer Willenserklärung, die unter einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB abgegeben wurde, vergleichbar; anders als bei § 158 Abs. 2 BGB ist hier jedoch die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht wie üblich von äußeren Umständen abhängig, sondern der Urheber selbst führt die auflösende Anfechtung her­ bei.68 Bei der Anfechtung überragt insofern die Privatautonomie des Anfech­ tungsberechtigten die Alternative eines rechtssicherheitsversprechenden Au­ tomatismus der Nichtigkeit durch Gesetz.69 Die Motive hierfür finden sich in den Folgen der Anfechtung und der allgemeinen Schutzrichtung des § 142 Abs. 1 BGB. Dabei muss in Teilen zwischen den verschiedenen Anfech­ tungsgründen und den jeweils betroffenen Parteien differenziert werden: Bei der Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB oder der im Gesetz gleichbe­ handelt falschen Übermittlung einer Willenserklärung nach § 120 BGB ist der Mechanismus eines Gestaltungsrechts nur konsequent. Mögliche Folge einer Anfechtung ist, neben der Notwendigkeit einer Rückabwicklung der Rechtsgeschäfte als generelle Nichtigkeitserscheinung, die Schadensersatz­ pflichten des Anfechtenden aus § 122 BGB und der culpa in contrahendo (c.i.c.) nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Indem der Gesetz­ geber die Abwägung zwischen diesen Folgen und einer Aufrechterhaltung der Bindung an die Willenserklärung auf den Anfechtungsberechtigten über­ trägt, schafft er neben der Betonung des Art. 2 Abs. 1 GG insbesondere eine konkrete (subjektive) Einzelfallbetrachtung. Eine mögliche Gefährdung der Rechtssicherheit ist durch die „unverzügliche“ Anfechtungsfrist in § 121 Abs. 1 BGB und die Generalklausel in § 121 Abs. 2 BGB gegenüber dem Anfechtungsgegner und involvierten Dritten beschränkt und hinzunehmen. Von dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit abgesehen, sind der Anfechtungs­ gegner und Dritte durch die Abwägungsmöglichkeit des Anfechtungsberech­ 66  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 142 Rn. 2. 67  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 4; Koch, in: Hüffer/ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 241 Rn. 4; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, § 34 Rn. 487. 68  Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, § 34 Rn. 492; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 5. 69  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 4.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB41

tigten nicht weitergehend benachteiligt:70 Wird die Willenserklärung nach § 142 Abs. 1 BGB angefochten, war das Konstrukt der Anfechtbarkeit in ih­ rer Nichtigkeitsfolge für sie von rein technischer Natur. Lässt der Anfech­ tungsberechtigte seine Willenserklärung hingegen bestehen, bleibt es bei dem vom Anfechtungsgegner ursprünglich gewünschten Zustand, ohne Auswir­ kungen für den Rechtsverkehr. Handelt es sich um ein Anfechtungsrecht aus Gründen der Täuschung oder Drohung in § 123 Abs. 1 Alt. 1, 2 BGB, bleibt eine Schadensersatzpflicht des Anfechtenden aus; vielmehr ist es der Anfechtungsgegner, der möglichen Schadensersatzverpflichtungen aus c.i.c. oder §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB zu befürchten hat. Die Privilegierung des Anfechtungsbe­ rechtigten durch die Möglichkeit der subjektiven Einzelfallabwägung ist je­ doch mangels Schutzbedürftigkeit des Anfechtungsgegners im Rahmen des § 123 BGB gerechtfertigt und durch eine Jahresfrist in § 124 BGB geschützt. Die im Vergleich zu § 121 Abs. 1 BGB lange Anfechtungsfrist resultiert aus der Schwere des Eingriffs in die Privatautonomie und soll dem Berechtigten eine Bedenkzeit einräumen, die es ermöglicht, die Anfechtungsentscheidung ausreichend abzuwägen. Daneben gibt es im Vergleich zu anderen Nichtig­ keitsvorschriften im BGB wie der Nichtigkeit nach § 125 BGB oder § 138 BGB bei der Anfechtung kein teleologisches Bedürfnis einer einheitlichen Nichtigkeitsfeststellung.71 Die Anfechtungsvorschrift in § 142 Abs. 1 BGB dient der Privatautonomie und verkörpert diesen Schutzzweck in seiner Funktion als Gestaltungsrecht. Die Gefahren einer Umgehung zwingender Vorschriften oder einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des An­ fechtungsberechtigten durch ein Machtgefälle stellen sich nicht. 5. Leistungsverweigerungsrechte des Anfechtungsberechtigten und Dritter Die bloße Anfechtbarkeit beinhaltet für den Anfechtungsberechtigten grundsätzlich kein Leistungsverweigerungsrecht.72 Das Anfechtungsrecht ist nicht gegen einen Anspruch, sondern auf eine Willenserklärung gerichtet und gibt in seiner Funktion als Gestaltungsrecht dem Anfechtenden daher nicht 70  Mugdan,

Materialien, I. Bd. 1899, S. 715. Warn-, Beratungs- und Belehrungsfunktion des § 125 BGB vgl. Einsele, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 125 Rn. 8; Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 451. Zum Schutze allgemeinverbindlicher rechtlicher Maßstäbe durch § 138 BGB siehe Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 138 Rn. 1; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 138 Rn. 1. 72  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 2; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 14. 71  Zur

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

die Möglichkeit, das bloße Recht der Gestaltbarkeit gegen auf ihn gerichtete Ansprüche zu wenden.73 Bei einer Anfechtbarkeit nach §§ 119, 120 BGB d. h. eigenem Irrtum des Anfechtungsberechtigten oder zugerechnet falscher Übermittlung seiner Willenserklärung, ist ein fehlendes Leistungsverweige­ rungsrecht aufgrund der kurzen Anfechtungsfrist in § 121 Abs. 1 BGB für den Anfechtungsberechtigten ohne große Bedeutung und würde, was die Schutzbedürftigkeit der Privatautonomie betrifft, wohl auch zu weit gehen.74 Davon zu unterscheiden ist aber die Situation bei einer Anfechtung aufgrund § 123 BGB, da man hier den Berechtigten trotz Jahresfrist in eine (verstärkte) Rückabwicklungslage zwingt, mit dem Ergebnis einer faktischen Verkürzung der Anfechtungsfrist. Hinzu kommt, dass im Wege von Folgeleistungen, wie einer Vertragserfüllung, die Gefahr einer konkludenten Bestätigungshandlung nach § 144 Abs. 1 BGB erzeugt werden würde.75 Man könnte daher daran denken, dem Anfechtungsberechtigten die Möglichkeit einzuräumen, sich während der Frist im Wege eines Argumentum a fortiori auf die Arglistein­ rede gemäß § 853 BGB berufen zu können. In Fällen, in denen die Anfech­ tungsfrist bereits verstrichen ist, wird dies in entsprechender Anwendung von der Literatur gefordert und so auch vom BGH, bei Hinzutreten besonderer Umstände, in seiner Rechtsprechung befürwortet und dem Willen des Ge­ setzgebers unterstellt.76 Aus dogmatischer Sicht, betreffend einer drohenden Rückabwicklung der auf die betroffene Willenserklärung folgenden Leistun­ gen, ist mit dem Bereicherungsrecht in den §§ 812 ff. BGB grundsätzlich ein Rechtsmechanismus vorhanden, der genau diese Fälle behandelt. Unabhängig von dessen Funktionalität stellt sich jedoch die Frage, ob es dem Anfech­ tungsberechtigten zugemutet werden kann, in Fällen der arglistigen Täu­ schung oder Drohung, eine verstärkte Involvierung durch Folgeleistungen zum Rechtsgeschäft aufbauen zu müssen, um seine Bedenkzeit nach § 124 Abs. 1 BGB aufrecht zu erhalten. Die Gefahr der Bestätigungshandlung nach § 144 Abs. 1 BGB könnte zwar vom Anfechtungsberechtigten durch Mittei­ lung an den Vertragspartner, dass es sich um eine bewusste Vorbehaltsleis­ tung handelt, umgangen werden, trotzdem erscheint hinsichtlich der gravie­ 73  Busche,

in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 8. in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 142 Rn. 3. 75  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 144 Rn. 6; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 144 Rn. 6. 76  RG, Urteil vom 6. Februar 1914 – II 580/13 –, RGZ 84, 131 (136); BGH, Ur­ teil vom 1. Juni 1964 – VII ZR 16/63, NJW 1964, 1797 (1798); BGH, Urteil vom 29. Januar 1969 – IV ZR 518/68, NJW 1969, 604 (605), das als Voraussetzung beson­ dere Umstände verlangt; BGH, Urteil vom 11. Mai 1979 – V ZR 75/78, NJW 1979, 1983 (1984); Spindler, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 853 Rn. 5; Wagner, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 853 Rn. 4; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 124 Rn. 9; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 105. 74  Dörner,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB43

renden Verletzung der Privatautonomie ein Leistungsverweigerungsrecht im Zustand der Anfechtbarkeit bei § 123 BGB doch gerechtfertigt. Die analoge Anwendung des § 853 BGB ist hierfür jedoch nicht der dogmatisch richtige Weg. Eine mögliche Regelungslücke wird während der Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB durch die Schadensersatznormen der c.i.c. geschlossen, die neben einem Anspruch auf Naturalrestitution auch das Recht beinhaltet, gemäß § 242 BGB und dem darin verankerten Grundsatz der „dolo facit qui petit quod statim redditurus est“-Einrede, die Leistung zu verweigern.77 Bei einem Anfechtungsrecht aufgrund Täuschung oder Drohung steht dem An­ fechtungsberechtigten anders als bei einer Irrtumsanfechtung, somit ein Leis­ tungsverweigerungsrecht aus der c.i.c. zu. Mithaftende Dritte werden bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist im BGB an verschiedenen Stellen mit Leistungsverweigerungsrechten ausgestattet. Hintergrund der Regelungen ist, dass es mit dem funktionellen Grundgedan­ ken des Mithaftenden nicht zu vereinbaren wäre, könnte der Sicherungsgläu­ biger sich an diesen wenden, obwohl die Hauptschuld in ihrem Bestand noch beseitigt werden kann.78 So ist der Bürge gemäß § 770 Abs. 1 BGB berech­ tigt, seine Leistung zurückzuzuhalten; auf § 770 Abs. 1 BGB verweisen auch § 1137 Abs. 1 BGB für den Grundstückeigentümer bei Vollstreckung aus ei­ ner Hypothek sowie § 1211 Abs. 1 BGB für den Verpfänder bei Befriedigung des Pfandgläubigers.79 Im Gesellschaftsrecht finden sich ähnliche Vorschrif­ ten in den §§ 129 Abs. 2, 130 Abs. 1, 162 Abs. 2, 176 HGB bei der Inan­ spruchnahme dritter Gesellschafter.

II. Allgemeine Voraussetzungen der Anfechtung Die Anforderungen, die an eine wirksame Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB gestellt werden, ergeben sich weitestgehend aus dem Gesetzestext. Neben der vorrangig zu klärenden Anwendbarkeit der Anfechtung sind dabei als Voraussetzung, eine fristgerechte Anfechtungserklärung gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner gemäß § 143 Abs. 1 BGB, ein normierter An­ fechtungsgrund, eine kausale Verbindung zwischen Anfechtung und Anfech­ tungsgrund sowie das Nichtbestehen gesetzlicher oder vertraglicher Aus­ schlüsse der Anfechtung zu prüfen.80 77  BGH, Urteil vom 11. Mai 1979 – V ZR 75/78, NJW 1979, 1983 f.; Schubert, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 242 Rn. 440. 78  Habersack, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 770 Rn. 2. 79  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 142 Rn. 6. 80  Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, § 47 Rn. 717 ff.; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 818.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

1. Konkurrenzen Von den Voraussetzungen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB abzu­ grenzen, für dessen Anwendbarkeit jedoch grundlegend, ist das Konkurrenz­ verhältnis der Anfechtung zu anderen gesetzlichen Möglichkeiten des An­ fechtenden, sich von einer Willenserklärung bzw. einem Vertrag lösen zu können. Die Darstellung der Konkurrenzen beschränkt sich dabei auf mög­ liche Kollisionskonstellationen der Anfechtung nach außen und ist von der Frage des Geltungsbereichs von § 142 Abs. 1 BGB innerhalb der Anfech­ tungsvorschriften zu unterscheiden. Zudem ergibt sich ein Konkurrenzver­ hältnis zu anderen Vorschriften häufig nur für einzelne Anfechtungsrechte, weshalb zwischen den einzelnen Anfechtungsgründen im Folgenden mitunter differenziert werden muss. a) Allgemeine Konkurrenzbeziehungen der Anfechtung aa) Verhältnis von Auslegung und Anfechtung (§§ 133, 157 BGB) Um zu bestimmen, ob der Wille des Erklärenden von seiner in den Rechts­ verkehr gelangten Willenserklärung abweicht und sich die Frage einer An­ fechtung stellt, muss der Inhalt einer Willenserklärung durch Auslegung ge­ mäß §§ 133, 157 BGB ermittelt werden.81 Die Auslegung geht der Anfechtung insoweit als interessengerechtes Wahrnehmungsinstrument der Willenserklä­ rung vor, das außerdem bereits in erster Instanz versucht, den Willen des Er­ klärenden gemäß § 133 BGB bei der Ermittlung des Inhalts zu berücksichti­ gen.82 Durch Auslegung lassen sich so auch äußere Erklärungsmängel gemäß dem Grundsatz der „falsa demonstratio non nocet“ korrigieren, wenn aus Gründen des Vertrauensschutzes an einer objektiven Auslegung unter Beach­ tung des § 157 BGB nicht festzuhalten ist.83 Aufgrund dessen kann sich bei­ spielsweise im Fall des „erkannten oder ausgenutzten Irrtums“ ein Erklärungs­ empfänger bei Kenntnis oder Erkennbarkeit der wirklichen Willenslage des Erklärenden nicht auf einen anfechtbaren objektiven Inhalt berufen, sondern wird bereits den korrigierten Inhalt gegen sich gelten lassen müssen.84 Dass 81  Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 819; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 7. 82  Dörner, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 133 Rn. 6; Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 119 Rn. 12. 83  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 60; Singer, in: Stau­ dinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 7; Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 119 Rn. 13. 84  RG, Urteil vom 17. April 1907 – V 374/06 –, RGZ 66, 21 (24); BGH, Urteil vom 21. Mai 1959 – II ZR165/57, NJW 1959, 1363 (Leitsatz) für die Gründe wird



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB45

eine solche Auslegung die Schadensersatzbeschränkung des § 122 Abs. 2 Un­ terfall 2 BGB leerlaufen lässt, ist mit der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB vereinbar, da die Annahme einer unanfechtbaren durch Auslegung korri­ gierten Willenserklärung die gesunde Privatautonomie der Parteien an erste Stelle stellt, die Auslegung also das selbe teleologische Ziel wie die Anfech­ tung verfolgt, und bereits so zu einem Interessenausgleich gefunden werden kann:85 In Abwägung der Schutzwürdigkeit der Parteien dürfte nämlich die Annahme eines Vertragsschlusses zu Konditionen, die für beide Parteien er­ kennbar waren, vorzugswürdiger sein, als ein Vertragsinhalt, der durch Wil­ lensmängel und Bösgläubigkeit entstand und einer fristgebundenen Aufhe­ bung bedarf. Die Anwendung des § 122 Abs. 2 Unterfall 2 BGB bleibt daher im Ergebnis auf die Fälle beschränkt, in denen der Irrtum erst nach Vertrags­ schluss vom Empfänger erkannt wird.86 bb) Abgrenzung der Anfechtung zum versteckten Dissens (§ 155 BGB) Die Abgrenzung der Anwendbarkeit von Anfechtungsvorschriften gemäß § 142 Abs. 1 BGB von einem versteckten Dissens der Vertragsparteien ge­ mäß § 155 BGB erfolgt durch präzise Auslegung der Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB. Muss im Wege der objektiv-normativen Auslegung von einem Vertragsschluss der Parteien ausgegangen werden, ist eine An­ fechtung wegen Irrtums die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit des Erklärenden, sich von seiner Willenserklärung zu lösen.87 Hat hingegen, ob­ wohl der wirkliche Wille der Parteien übereinstimmt, die Auslegung ergeben, dass aus Sicht eines objektiven Empfängers der Willenserklärungen kein Konsens entstand, der zu einem Vertrag führen kann, so gilt die Zweifels­ regelung des § 155 BGB.88 Häufigster Abgrenzungsfall in der Praxis ist wohl der Scheinkonsens, bei dem die Parteien von einem Vertragsschluss ausge­ hen, die Auslegung der Willenserklärungen jedoch keinen Vertrag, sondern einen Dissens ergibt.89 Demgegenüber werden im Falle des beiderseitig ge­ trennten Erklärungsirrtums, der einen Vertrag der Parteien objektiv-normativ entstehen lässt, die Parteien aufgrund fehlender wirklicher Willensüberein­ auf RGZ 66, 21 verwiesen; BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 – IV ZR 58/94; NJWRR 1995, 859; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 63, § 122 Rn. 21; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 39 f. 85  Vgl. zur Rechtfertigung der falsa demonstratio non nocet Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 133 Rn. 13 f. 86  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 40 m. w. Nw. 87  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 42. 88  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 63 f.; Ahrens, in: Prüt­ ting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 119 Rn. 14. 89  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 155 Rn. 12.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

stimmung und damit mangels Anwendbarkeit des Grundsatzes der „falsa demonstratio non nocet“ auf die Anfechtungsvorschrift des § 142 Abs. 1 BGB verwiesen.90 cc) Verhältnis der Anfechtung zu Rücktritt und Kündigung (§§  323 ff.; 573 ff. BGB) Die Anfechtung wird als weitergehender Rechtsbehelf im Verhältnis zum Rücktritt nach §§ 323 ff. BGB und der Kündigung bei Dauerschuldverhält­ nissen nicht ausgeschlossen.91 Im Gegenteil können beide Instrumente ne­ beneinander bestehen, die Anfechtung also auch nach erklärtem Rücktritt erfolgen.92 Dabei kann eine Anfechtungserklärung grundsätzlich in eine Rücktrittserklärung oder Kündigungserklärung gemäß § 140 BGB umgedeu­ tet werden, nicht jedoch eine Rücktrittserklärung in eine Anfechtungserklä­ rung, da wegen seiner ex tunc-Wirkung die Anfechtung ein qualitatives Mehr zum ex nunc-Rücktritt darstellt.93 dd) Verhältnis der Anfechtung zu familienrechtlichen Aufhebungsvorschriften (§§ 1313 ff.; 1759 ff. BGB) Unabhängig zur Anfechtung und von der Frage des Geltungsbereichs von § 142 Abs. 1 BGB zu unterscheiden, bestimmen sich die Aufhebung der Ehe in den §§ 1313 ff. BGB und die Aufhebung der Annahme als Kind nach §§ 1759 ff. BGB. Die besonderen Aufhebungsvorschriften des Familienrechts gehen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB als lex specialis Regelungen vor und schließen ein Hinzutreten der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB schon dem Wortlaut nach in § 1313 BGB bzw. § 1759 BGB aus, wobei für die Anfechtbarkeit der Annahme als Kind § 197 Abs. 3 Satz 1 FamFG einen ausdrücklichen Ausschluss zum Schutz stabiler und rechtssicherer Familien­ verhältnisse formuliert, der nicht zwischen anfänglich mangelhaften und erst 90  Singer,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 42. in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 84; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 102. Zur Beschränkung der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB bei Gewährleistungsrechten siehe Kapitel 1 A. II. 1. f). 92  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 123 Rn. 98. 93  BAG, Urteil vom 14. Oktober 1975 – 2 AZR 365/74, NJW 1976, 592; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 123 Rn. 98; Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auflage 2019, § 620 Rn. 63; a. A. Giesen, Anm. zu BGH, NJW 1971, 1795 (1797); Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 102. 91  Hefermehl,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB47

später zerrütteten Annahmeverhältnissen unterscheidet.94 Die Aufhebung der Rechtsverhältnisse erfolgt bei den §§ 1313 ff., 1759 ff. BGB aufgrund der notwendigen Rechtsklarheit zudem nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag des Betroffenen und wirkt entgegen § 142 Abs. 1 BGB ex nunc für die Zukunft.95 ee) Verhältnis der Anfechtung zur Vorschrift der Ersatzpflicht bei Rücktritt vom Verlöbnis (§ 1298 BGB) Eine weitere Konkurrenzsituation oder vielmehr ein Ausschluss der An­ fechtung ergibt sich bei Willenserklärungen, die auf den Abschluss eines Verlöbnisses gerichtet sind. Die Vorschriften der §§ 1297 ff. BGB enthalten, anders als es bei der Ehe in den §§ 1313 ff. BGB der Fall ist, keine spezial­ gesetzlichen Beseitigungsvorschriften, die einer Anwendbarkeit der Anfech­ tung nach § 142 Abs. 1 BGB offensichtlich entgegen stehen könnten. Einzig wird in § 1298 BGB die Ersatzpflicht des Zurücktretenden normiert, die in den dafür vorgesehenen Fällen den anderen Verlobten vor einem Vertrauens­ schaden bewahren soll. Die h. M. verneint jedoch aufgrund einer Konkur­ renzsituation des § 122 BGB zu § 1298 BGB die Anwendbarkeit der Anfech­ tungsregelungen, da Willensmängel ein wichtiger Grund i. S. d. § 1298 Abs. 3 BGB sein können und der Ausschluss der Schadensersatzpflicht oder zumin­ dest die Beschränkung in § 1298 Abs. 2 BGB dann nicht gemäß § 122 BGB zum Nachteil des mangelhaft Erklärenden umgangen werden soll.96 Bei einem Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit aufgrund § 123 BGB dreht sich die Schutzrichtung mangels Schadensersatzpflicht nach § 122 BGB und der Möglichkeit, eine Anspruchssaldierung bei gegenseitiger Er­ satzpflicht nach §§ 1298, 1299 BGB zu verhindern, zwar um, der Anfech­ tungsberechtigte kann sich dabei jedoch immer auf §§ 1298 III, 1299 BGB und den vollen Anspruch aus §§ 823, 825, 826 BGB berufen und bleibt auf­ grund des Rechtsgedankens des § 254 BGB und dem Scheitern des auf ein 94  Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 962; Maurer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1759 Rn. 4, 7, § 1764 Rn. 1; Hahn, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 1313 Rn. 2; Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 142 Rn. 2; Dahm, in: NK BGB, 3. Auflage 2014, § 1759 Rn. 1 m. w. Nw. 95  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 1; Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1313 Rn. 1; Voppel, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2015, Vor. §§ 1313 ff. Rn. 3, 17. 96  LG Saarbrücken, Urteil vom 2. Dezember 1969 – 11 S 259/69, NJW 1970, 327 f.; Löhnig, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Vor. §§ 1297–1302 Rn. 76 f.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 24, 3b; Roth, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1297 Rn. 12.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

gemeinsames Ziel gerichteten Verlöbnisses bei beiderseitigem Verschulden zur gemeinsamen Schadenstragung verpflichtet.97 Kein Grund für die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Anfech­ tung ist hingegen der Dauerschuldcharakter des Schuldverhältnisses.98 Die von der Rechtsprechung vorgebrachten Rückabwicklungsschwierigkeiten im Arbeits- oder Gesellschaftsvertrag sind hier mangels ständigen Leistungsaus­ tausches und personenrechtlicher Veränderung schlichtweg nicht gegeben.99 b) Konkurrenzen der Anfechtung aufgrund § 123 BGB aa) Verhältnis zur c.i.c. (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) Ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB kommt parallel zur Anfechtung immer dann in Betracht, wenn dem Anfechtungsberechtigten ein Anfechtungsgrund wegen Täuschung oder Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 oder 2 BGB zusteht.100 Seit der Schuld­ rechtsreform ist die Haftung der c.i.c. ein gesetzlicher Haftungstatbestand, der genau wie § 123 BGB Beachtung finden muss.101 Der Anfechtungsbe­ rechtigte kann dabei grundsätzlich neben und unabhängig von einer fristge­ mäßen Anfechtung aus c.i.c. gegen den Vertragspartner vorgehen.102 Strittig ist, ob dieser Schadensersatzanspruch, dessen Art und Umfang sich nach den §§ 249 ff. BGB bestimmt und somit im Wege der Naturalrestitution auch auf eine Vertragsaufhebung gerichtet sein kann, in dieser Form unab­ hängig neben §§ 123, 124 BGB bestehen bleiben kann.103 Der BGH lässt 97  Löhnig, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Vor. §§ 1297–1302 Rn. 8 f., 11 ff., 77; Fischinger, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2013, § 1297 Rn. 19 f. 98  Fischinger, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2013, § 1297 Rn. 17, zur dogmati­ schen Einordnung des Verlöbnisses vgl. Löhnig, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Vor. §§ 1297–1302 Rn. 19 ff. 99  Fischinger, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2013, § 1297 Rn. 17. 100  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 123 Rn. 40; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 104. 101  Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 104. 102  BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 – V ZR 34/94, NJW 1995, 2361 (2362); BGH, Urteil vom 26. September 1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302 (303); BGH, Urteil vom 22. Oktober 2003 – VIII ZR 361/02, NJW-RR 2004, 628 (630); BGH, Urteil vom 10. Oktober. 2006 – XI ZR 169/05, NJW 2006, 845 (847); BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 – XI ZR 205/05, NJW-RR 2007, 257 f.; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 123 Rn. 102. 103  Oetker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 249 Rn. 320; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 123 Rn. 103.



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eine Vertragsaufhebung bei vorsätzlicher und fahrlässiger vorvertraglicher Pflichtverletzung zu, verlangt aber einen vom Vertragspartner schuldhaft verursachten Vermögensschaden beim Anfechtungsberechtigten.104 Eine Aus­ weitung der Vertragsaufhebung auf fahrlässiges Handeln des Vertragspartners ist, wenn man die Anwendbarkeit des c.i.c. bejaht, dogmatisch auch nur konsequent. Für eine teleologische Reduktion des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 276 BGB fehlt es an einer Gesetzeslücke. Eine Beschränkung der c.i.c. auf vorsätzliches Handeln des Verpflichteten würde einem lex specialis Vorrang des § 123 BGB gleichkommen und lässt die dingliche Wirkung der Anfechtung und die Eigentümerschutzvorschrift nach § 142 Abs. 2 BGB, im Vergleich zu einem schuldrechtlichen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, vollkommen unberücksichtigt.105 Daneben recht­ fertigen die Verstärkung der vorvertraglichen Pflichten und § 282 BGB eine auf fahrlässiges Handeln begründete Vertragsaufhebung über die c.i.c.106 Die Voraussetzung des BGH, einen vom Vertragspartner schuldhaft verur­ sachten Vermögensschaden des Anfechtungsberechtigten zu fordern, ist je­ doch zu kritisieren. Zum einen setzt die Naturalrestitution des § 249 Abs. 1 BGB gerade keinen Vermögenschaden voraus.107 Des Weiteren kann ein un­ gewollter Vertragsschluss für sich auch immer als Vermögensschaden kate­ gorisiert werden.108 Seit der Schuldrechtsreform würde eine tatbestandliche Beschränkung außerdem die vom Gesetzgeber betonte Anerkennung der c.i.c. zu stark unterlaufen. Vom BGH hingegen ignoriert bleibt die Problematik der unterschiedlichen Fristen von c.i.c. und Anfechtung. Bei einer fahrlässigen Täuschung und ei­ ner Haftung auf Vertragsaufhebung im Rahmen der c.i.c., geht die dreijährige Frist des § 195 BGB gegenüber der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB bei der Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 Alt 1 BGB zu weit.109 Der einfache Verweis des BGH auf die fehlende Schutzbedürftig­ keit des Verpflichteten missachtet die gesetzgeberische Überlegung, diese Konstellationen und im Falle der bloßen Fahrlässigkeit darüber hinausge­ 104  BGH, Urteil vom 31. Januar 1962 – VIII ZR 120/60, NJW 1962, 1196 (1198); BGH, Urteil vom 26. September 1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302 (303 f.); BGH, Versäumnisurteil vom 4. Juli 2002 – IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774 (2775). 105  BGH, Urteil vom 31. Januar 1962 – VIII ZR 120/60, NJW 1962, 1196 (1198). 106  Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 123 Rn. 44. 107  Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017 § 123 Rn. 104 m. w. Nw. 108  Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017 § 123 Rn. 104; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, 1997, S. 20 f., 88. 109  Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 123 Rn. 8; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 123 Rn. 103.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

hende Verstöße von Seiten des Anspruchsgegners bewusst in der Anfech­ tungsvorschrift des § 123 BGB zu behandeln und mit bestimmten Fristen in § 124 BGB auszugestalten.110 Im Falle einer fahrlässigen Täuschung wäre daher eine analoge Anwendung der Fristvorschriften des § 121 BGB, im Falle einer vorsätzlichen Täuschung die Regelung des § 124 BGB auf die c.i.c. anzudenken, um die Frist des § 124 BGB für die Fälle des § 123 BGB nicht vollkommen unverhältnismäßig erscheinen zu lassen.111 In diesen Fäl­ len ist von einer Regelungslücke auszugehen, die durch eine Anpassung der Fristvorschriften interessengerecht geschlossen werden kann. Was das Konkurrenzverhältnis betrifft versperrt die c.i.c. jedoch auch im Falle einer Vertragsaufhebung nicht den Weg zur Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB.112 bb) Verhältnis zu deliktischen Ansprüchen (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB; § 240 StGB; § 826 BGB) Neben der Anfechtung aufgrund § 123 BGB kommen auch immer delik­ tische Ansprüche des Anfechtungsberechtigten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. strafrechtlichen Vorschriften des Betrugs bzw. der Nötigung nach § 263 StGB, § 240 StGB oder nach § 826 BGB in Betracht, die gleichrangig, d. h. ohne Spezialität der Anfechtungsvorschriften bestehen können.113 Diese Ansprüche sind anders als § 823 Abs. 1 BGB nicht auf den Schutz bestimm­ ter im Gesetz genannter Rechtsgüter beschränkt und umfassen somit auch den im Rahmen der Anfechtung auftretenden Schaden des ungewollten Ver­ tragsabschlusses, der am ehesten als reiner Vermögensschaden kategorisiert werden kann.114 Im Wege der deliktischen Schadensersatzansprüche kann so vom Anfechtungsberechtigten als Naturalrestitution mitunter die Beseitigung des Vertrags verlangt werden, ohne dass die Regelverjährung der §§ 199, 195 BGB und die Vorschrift des § 124 BGB in einem untragbaren Widerspruch zueinander stehen.115 Der Unterschied zum Anspruch aus c.i.c. und der 110  BGH,

Urteil vom 31. Januar 1962 – VIII ZR 120/60, NJW 1962, 1196 (1198). in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 123 Rn. 103; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 104. 112  BGH, Urteil vom 31. Januar 1962 – VIII ZR 120/60, NJW 1962, 1196 (1198). 113  BGH, Urteil vom 21. Juni 1974 – V ZR 15/73, NJW 1974, 1505 (1506); Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 467; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 105; Armbrüster, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 123 Rn. 102; Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 123 Rn. 46. 114  Wagner, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 823 Rn. 62, 165 ff., 474; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, 1997, S. 20 f., 88. 115  Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 105. 111  Armbrüster,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB51

Grund warum auf die dort gemachten Ausführungen zum Konkurrenzverhält­ nis nicht verwiesen werden muss, liegt in der eigenständigen Funktion des Deliktsrechts, das die Grenze zwischen dem Grundprinzip des „casum sentit dominus“ und der Schadensabnahme durch einen Dritten bestimmt und das der Gesetzgeber unabhängig von vertraglichen oder vorvertraglichen Rechten dem Anfechtungsberechtigten zur Seite stellt.116 c) Konkurrenzen der Anfechtung aufgrund § 119 Abs. 2 BGB aa) Verhältnis zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Zu einem Aufeinandertreffen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB mit der Störung der Geschäftsgrundlage (SGG) gemäß § 313 BGB kommt es in Fällen des beiderseitigen (ausnahmsweise beachtlichen) Motivirrtums der Vertragsparteien nach § 119 Abs. 2 BGB.117 Die Rechtsprechung hält dabei, ohne dies genauer zu begründen, die SGG nach § 313 Abs. 2 BGB für das passende Lösungsinstrument und sieht keinen Raum für eine Anfechtung durch nur eine Vertragspartei.118 Dies wird auch von Teilen der Literatur mit dem rechtsfolgenbezogenen Argument unterstützt, es wäre dem Zufall über­ lassen, welche der Vertragsparteien die Anfechtung erklärt und die Schadens­ ersatzpflicht des § 122 BGB zu tragen habe.119 Auch soll § 313 Abs. 2 BGB eine flexiblere Handhabung durch die Möglichkeit der Vertragsanpassung bieten, die entgegen dem Alles-oder-Nichts-Prinzip der Anfechtung näher am Willen der Vertragsparteien zu liegen scheint.120 Dagegen lässt sich einwen­ den, dass die Fälle der zufälligen Anfechtung nur ein Teil der Anfechtung wegen beiderseitigem Motivirrtum sind und außerdem § 122 Abs. 2 BGB und die analoge Anwendung des § 254 BGB Möglichkeiten bieten, Scha­ densersatzpflichten des Anfechtenden zu beschränken oder nach § 242 BGB 116  Zur Funktion des Deliktsrechts vgl. Übersicht von Wagner, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, Vor. § 823 Rn. 43 ff. Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 105. 117  Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 146; Stadler, in: Jau­ ernig BGB, 17. Auflage 2018, § 313 Rn. 26; Unberath, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 313 Rn. 68; Ahrens, in: Prütting/We­ gen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 119 Rn. 42. 118  BGH, Urteil vom 13. November 1975 – III ZR 106/72, NJW 1976, 565 f.; BGH, Urteil vom 5. Februar 1986 – VIII ZR 72/85, NJW 1986, 1348 (1349); BGH, Urteil vom 30. Januar 2004 – V ZR 92/03, NJW-RR 2004, 735; BGH, Urteil vom 20. März 2013 − XII ZR 72/11, NJW 2013, 1530 f. 119  Rösler, Grundfälle zur Störung der Geschäftsgrundlage, JuS 2005, 120 (122 f.). 120  Unberath, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1.  Au­ gust 2018, § 313 Rn. 67; Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 148.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

ganz auszuschließen.121 Zudem kann es gleichlaufend auch im Rahmen des Rücktritts vom Vertrag nach § 313 Abs. 3 BGB zu einem Schadensersatzan­ spruch gegen den Anfechtenden aus c.i.c. kommen.122 Die flexiblere Hand­ lungsmöglichkeit des § 313 Abs. 2 BGB kann für sich allein nur als Argu­ ment für eine Entscheidung zwischen den beiden Regimen, jedoch nicht für einen Ausschluss der Anfechtung als ersten Schritt überzeugen. Von der Rechtsprechung übersehen wird auch die Tatsache, dass laut h. M. nach § 313 Abs. 1 BGB von den Parteien zunächst eine Vertragsanpassung verlangt wird, wohingegen § 142 Abs. 1 BGB den direkten Weg zur Vertragsaufhe­ bung ermöglicht, der den Vertragsparteien nach der strikten Lösung der Rspr. verwehrt bleibt.123 Versucht man, losgelöst von ergebnisorientierten Argumenten, sich über das Konkurrenzverhältnis der beiden Rechtsinstrumente klar zu werden, führt deren unterschiedliche gesetzgeberische Bestimmung richtigerweise zu ei­ nem Konkurrenzverhältnis ohne grundsätzlichen Anwendungsvorrang.124 Zwar mag § 313 BGB als Werkzeug der ergänzenden Vertragsauslegung zu verstehen sein und könnte über den Grundsatz „Primat der Auslegung“ zur milderen Problemlösung vorrangig gelten, dies würde jedoch die Existenz des § 119 Abs. 2 BGB und die gesetzgeberische Intention, dem Betroffenen eine differente Lösungsmöglichkeit vom Vertrag zur Seite zu stellen, unter­ laufen.125 Auch aus der Tatsache, dass § 313 Abs. 2 BGB den speziellen Fall eines beiderseitigen Motivirrtums regelt, lässt sich eine Spezialität gegenüber § 119 Abs. 2 BGB nicht ableiten, da § 119 Abs. 2 BGB wiederum den beson­ deren Fall des Eigenschaftsirrtums als Motivirrtum normiert.126 Als richtige Lösung der Konkurrenzsituation erscheint es daher, eine mög­ liche Schadenersatzpflicht der anfechtenden Vertragspartei gemäß § 242 BGB einzuschränken und den Vertragsparteien auf diese Weise sowohl den Weg zu § 313 Abs. 2 BGB als auch zu einer durch § 242 BGB korrigierten Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB im Rahmen der Anfechtungsfrist des 121  Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 147; Krebs/Jung, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 313 Rn. 23. 122  Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 149; Krebs/Jung, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 313 Rn. 23. 123  Löhnig, Irrtumsrecht nach der Schuldrechtsmodernisierung, JA 2003, 516; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 66; Krebs/Jung, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 313 Rn. 111 m. w. Nw. 124  Löhnig, Irrtumsrecht nach der Schuldrechtsmodernisierung, JA 2003, 516 ff.; Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 148; Teichmann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2013, § 313 Rn. 40. 125  Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 41, 148. 126  Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 148.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB53

§ 121 BGB zu erhalten.127 Mithin ist nicht ersichtlich, weshalb bei einem identischen Irrtum der Vertragspartner der Irrende im Vergleich zur Situation des einseitigen Irrtums benachteiligt werden und ein Anfechtungsrecht aus­ scheiden sollte. Die Alternativlösung einer generellen Beschränkung der Vorschrift in § 119 Abs. 2 BGB im Lichte des § 313 Abs. 2 BGB und einer damit verbundenen Aufteilung des Anwendungsbereichs der Normen würde im Gegenzug auch die Einschränkung des § 313 Abs. 2 BGB erfordern.128 Eine solch gegenseitige Beschränkung entfernt sich bei der aktuellen Geset­ zeslage jedoch zu sehr vom Wortlaut der Normen und kann daher als eine übermäßige Beschränkung der Anfechtung empfunden werden.129 bb) Verhältnis zu Mängelgewährleistungsrechten (§§ 434 ff. BGB; §§ 536 ff. BGB; §§ 634 ff. BGB) Während bei einem Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 BGB, wegen fal­ scher Übermittlung nach § 120 BGB oder aufgrund arglistiger Täuschung oder Drohung gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 1, 2 BGB uneingeschränkt angefoch­ ten werden kann, gehen die Mängelgewährleistungsrechte des Kauf-, Mietund Werkvertragsrecht im besonderen Teil des BGB der Anfechtung aufgrund eines Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB laut h. M. im Konkurrenz­ verhältnis vor.130 Im Kaufrecht kommt es zu einer Kollision und dem Vor­ rang der Mängelrechte, wenn der Irrtum bezogen auf die Kaufsache, eine Eigenschaft betrifft, die gleichzeitig einen Sachmangel aus § 434 Abs. 1, 2 BGB oder einen gleichgestellten Sachmangel nach § 434 Abs. 3 BGB bzw. einen Rechtsmangel gemäß § 453 BGB darstellt.131 Dass dies sehr häufig der Fall ist, liegt am Gleichlauf von Mängelgewährleistung bei konkludenter Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB und der ver­ kehrswesentlichen Eigenschaft in § 119 Abs. 2 BGB; es muss jedoch auch gelten, wenn kein Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, um 127  Finkenauer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 148. Beschränkung der Anfechtung siehe Löhnig, Irrtumsrecht nach der Schuld­ rechtsmodernisierung, JA 2003, 516 (518). 129  Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 148; a.  A. zur Be­ schränkung der Anfechtung nach Sphären im Lichte des § 313 Abs. 2 BGB siehe Löhnig, Irrtumsrecht nach der Schuldrechtsmodernisierung, JA 2003, 516 (518). 130  RG, Urteil vom 1. Juli 1905 – V 16/05, RGZ 61, 171 (175 f.); BGH, Urteil vom 14. Dezember 1960 – V ZR 40/60, NJW 1961, 772 (773); BGH, Urteil vom 15. Januar 1975 – VIII ZR 80/73, NJW 1975, 970 (972); BGH, Urteil vom 26. Okto­ ber 1978 – VII ZR 202/76, NJW 1979, 160 (161); Singer, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2017, § 119 Rn. 85 m. w. Nw.; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 29; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 856. 131  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 29. 128  Zur

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

eine Harmonisierung der Gewährleistungs- und Anfechtungsregelungen zu erreichen und eine ungerechtfertigte Bevorteilung des Käufers ohne Soll­ beschaffenheitsvereinbarung durch ein Anfechtungsrecht zu verhindern.132 Das Gewährleistungsrecht kollidiert mit der Anfechtungsregelung des § 119 Abs. 2 BGB somit nicht in einer bloßen Schnittmenge, sondern ist vollkom­ men von dessen Anwendungsbereich umfasst, weshalb von einer lex specialis Regelung des Gesetzgebers ausgegangen werden kann, die nicht durch An­ wendung der allgemeineren Anfechtungsvorschrift ins Leere gehen soll.133 Ein Vorrang der gewährleistungsrechtlichen Vorschriften verhindert dabei, dass das Recht der zweiten Andienung, die besondere Haftungsbeschränkung in § 442 BGB bei grober Fahrlässigkeit, sowie die kürzere Verjährung der Gewährleistungsrechte in § 438 BGB durch eine spätere, nach Kenntnis des Mangels, unverzügliche Anfechtung ausgehebelt werden und damit faktisch die Haftung des Verkäufers über die Sachmängelvorschriften hinaus erweitert wird.134 Strittig ist, ob der Vorrang des Gewährleistungsrechts auch vor Ge­ fahrübergang i. S. d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB gelten soll.135 Dies ist zu beja­ hen, da es ansonsten zu Wertungswidersprüchen mit § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB kommen würde und es keinen Grund gibt, die Rechte des Irrenden vor Gefahrübergang zu erweitern.136 Die Anfechtung des Verkäufers wiederum ist für die Fälle beschränkt, in denen eine Anfechtung zu einem Ausschluss der Mängelrechte des Käufers nach § 437 BGB führen würde.137 Aus dem daraus zu entnehmenden Verständnis der gewährleistungsrecht­ lichen lex specialis und zum Schutze des Haftungsausschlusses in § 536b Satz 2 BGB genießen auch die mietrechtlichen Sachgewährleistungsregelun­ gen in §§ 536 ff. BGB Vorrang vor der Anfechtung aus § 119 Abs. 2 BGB.138 132  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 83 ff.; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 78; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 119 Rn. 29. 133  Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Auflage 2012, S. 31 f.; Bork, Allge­ meiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 856. 134  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 29; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 78; Singer, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2017, § 119 Rn. 85. 135  Verneinend BGH, Urteil vom 14. Dezember 1960 – V ZR 40/60, NJW 1961, 772 f. 136  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 24, 3a; so auch Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 32; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 78. 137  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 80; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 31. 138  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 35; Singer, in: Stau­ dinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 86 m. w. Nw.; Oetker, Das Dauerschuldver­ hältnis und seine Beendigung, 1994, S. 434 f.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB55

Gleiches gilt für das Werkvertragsrecht in §§ 634 ff. BGB zum Schutze der Verjährungsfristen des § 634a BGB, da es zu einer Kollision mit der Anfech­ tung aus § 119 Abs. 2 BGB kommen kann, wenn sich die betreffende Eigen­ schaft des Werkunternehmers in einer Mangelhaftigkeit der Sache äußert.139 Einen weiteren Ausschluss der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB im Zu­ sammenhang mit dem Gewährleistungsrecht, kennt das BGB für Gebote im Rahmen einer Zwangsversteigerung; durch den indirekten Vorrang des Ge­ währleistungsrecht wird dabei die Gefahr einer Umgehung des Gewährleis­ tungsausschlusses in § 806 ZPO, § 56 S. 3 ZVG unterbunden.140 Aufgrund der systematischen Vorrangsbeziehung von gewährleistungs­ rechtlichen Vorschriften im Rahmen der vorgenannten Konstellationen könnte man auch auf ein generelles Spezialitätsverhältnis besonders geregelter Sank­ tionssyteme gewisser Vertragstypen zur Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB schließen.141 Beispielhaft soll dies einmal für den Vorrang der Kündigungs­ vorschriften aus §§ 622 ff. BGB im Arbeitsvertragsrecht angedacht werden. Von dieser Frage ist die umstrittene Problematik der Rechtsfolge bei der Anfechtung eines Arbeitsvertrags zu trennen, deren Argumentationsansatz keine Begründung dafür liefern kann, die Existenzberechtigung der Anfech­ tung insgesamt zu ignorieren. Um die Beschränkung der Anfechtung nicht übermäßig erscheinen zu lassen, ist eine Vorrangsbeziehung grundsätzlich nur für den Fall der Kollision von Kündigungs- und Anfechtungsrecht denk­ bar; beispielsweise bei einem Irrtum des Arbeitgebers über die Person des Arbeitnehmers bei Vertragsschluss, dessen Ungeeignetheit in der Vertrags­ durchführung fortwirkt, mit der Folge einer entsprechenden Anfechtbarkeit i. S. d. § 119 Abs. 2 BGB und konkurrierender Kündbarkeit nach § 622 BGB i. V. m. §§  1 ff. KSchG142. Einen Vorrang auch dann anzunehmen, wenn die Kündigungsvorschriften rechtlich nicht greifen, würde die unterschiedliche Berechtigung von Anfechtung und Kündigung gänzlich unberücksichtigt lassen, und kann nicht alleine damit begründet werden, dass beide Instru­ mente zu einer Vertragsaufhebung führen.143 Mithin kann, wenn für die An­ wendbarkeit der Kündigung auf einen Grund abzustellen ist, nicht der jeweils betroffene Anfechtungsgrund ignoriert werden und ein indirekter Vorrang der 139  BGH, Urteil vom 8. Dezember 1966 – VII ZR 114/64, NJW 1967, 719; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 36; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 86 m. w. Nw. 140  BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – V ZB 44/07, NJW-RR 2008, 222 f.; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 13. 141  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 86. 142  Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vom 10. August 1951, BGBl. I S. 499, zu­ letzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2017, BGBl. I S. 2509, 2511. 143  Ähnliche Argumentation an anderer Stelle bei BAG, Urteil vom 28. März 1974 – 2 AZR 92/73, AP BGB § 119 Nr. 3.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

Kündigung angenommen werden. Sind Anfechtung und Kündigung aus den selben Gründen gerechtfertigt, setzt das Arbeitsrecht im Vergleich zur An­ fechtung mit seiner Fristregelung in § 622 Abs. 1, 2, 3 BGB besondere An­ forderungen voraus, die der sozialen Bedeutung des Arbeitsverhältnisses ge­ recht werden und den Arbeitnehmer schützen sollen. Neben § 622 BGB ist eine Umgehung weiterer arbeitsvertraglicher Sondervorschriften jedoch nicht zu besorgen. Insbesondere ist die Warnfunktion des § 623 BGB für den Ar­ beitnehmer bei einer durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung ohne Bedeutung.144 Der Unterschied zum Vorrang des Gewährleistungsrechts in anderen Fällen liegt darin, dass die Kündigungsfrist eine Aufhebung des Arbeitsvertrags nur hinauszögern kann, während ein Vorrang von Haftungs­ beschränkungen und Verjährungsfristen die Vertragsaufhebung auch für die Zukunft versagen. Die Anfechtbarkeit trotz konkurrierender Kündigungs­ möglichkeit kann somit als geringerer Eingriff in die Rechte des anderen Teils verstanden werden, dem höchstens der besondere Charakter des Ar­ beitsvertrags entgegen gehalten werden könnte. Soll auch ein solch geringer Eingriff bereits für eine Spezialität der Kündigungsvorschriften genügen, müsste man bei einer Beschränkung der Anfechtung durch den Arbeitgeber konsequenterweise auch an eine Beschränkung der Anfechtung durch den Arbeitnehmer denken, um hier eine Umgehung des spezialgesetzlichen § 622 Abs. 1, 3 BGB zu Lasten des Arbeitgebers zu verhindern. Für eine Kündi­ gung des Arbeitnehmers ist wie bei der Kündigung eines Arbeitgebers ohne Anwendbarkeit des KSchG jedoch kein Kündigungsgrund erforderlich, was eine generelle Kollision der Anfechtung mit der Kündigungsvorschrift des § 622 BGB zur Folge hat und zu einem allgemeinen Ausschluss der Anfech­ tung führen würde. Dabei unterscheidet sich ein solcher Ausschluss zwar in seiner Gesamtheit von der Spezialität des Gewährleistungsrechts zu § 119 Abs. 2 BGB, verweist ansonsten jedoch auf die selbe Begründung der Umge­ hung spezialgesetzlicher Vorschriften.145 In dieser Hinsicht versagt auch das Argument, die Anfechtung sei aufgrund ihres funktionalen Unterschieds zur Kündigung weiterhin anwendbar, wenn man einen Ausschluss des § 119 Abs. 2 BGB bei der Kollision mit Gewährleistungsrechten aufrecht erhalten will.146 Der Unterschied zum lex specialis Vorrang des Gewährleistungs­ rechts liegt jedoch darin, dass die Kündigungsmöglichkeit in ihrem Anwen­ dungsbereich nicht vollkommen von den Anfechtungsvorschriften umfasst wird, mithin keine lex specialis Regelung zur Anfechtung durch das beson­

144  Henssler,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 623 Rn. 2. in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 86. 146  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 86, der § 123 BGB mangels Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers davon ausnimmt; a. A. BAG, Urteil vom 28. März 1974 – 2 AZR 92/73, AP BGB § 119 Nr. 3. 145  Singer,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB57

dere Vertragsrecht vom Gesetzgeber geschaffen wurde.147 Es handelt sich um eine Normenkollision, die nicht durch eine Kollisionsregel zu Gunsten oder zu Lasten einer Vorschrift entschieden werden kann; die Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB und spezialgesetzliche Kündigungsvorschriften des Ar­ beitsvertragsrecht stehen somit konkurrierend nebeneinander. Im Ergebnis ist eine Beschränkung der Anwendbarkeit der Anfechtung im Arbeitsrecht aufgrund spezialgesetzlicher Kündigungsvorschriften nicht an­ zunehmen und die These eines generellen Vorrangs vertragsgesetzlich spezi­ ell geregelter Vorschriften zur Anfechtung im Falle einer Kollision zu ver­ werfen. d) Sonstige Konkurrenzverhältnisse aa) Verhältnis der Anfechtung aufgrund § 119 Abs. 2 BGB zur Unsicherheitseinrede (§ 321 BGB) Ein Ausschluss des Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB wird von Teilen der Literatur bei Irrtümern über die Zahlungsfähigkeit und Kreditwür­ digkeit des Kreditnehmers aufgrund einer analogen Anwendbarkeit des § 321 BGB gefordert.148 Die Möglichkeit analog § 321 BGB die eigene Leistung zu verweigern, bietet bei weit entfernter Fälligkeit jedoch keine vergleich­ bare Abhilfe für den Anfechtungsberechtigten, der an einer schnellstmögli­ chen Klärung der Rechtslage interessiert ist.149 Sinn und Zweck einer ana­ logen Anwendung ist es vielmehr, eine Regelungslücke zu schließen, die so durch die Anfechtung nicht geschlossen werden konnte. Dies jedoch begrün­ det nicht, außerhalb dieses Anwendungsbereichs die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB zu beschränken und damit die Position des Vorleistungspflichti­ gen zu verschlechtern.150 Die Norm des § 321 BGB soll dem Anfechtungsbe­ rechtigten somit lediglich die Möglichkeit bieten, am Vertrag festhalten zu können und nach angemessener Frist zurückzutreten, ohne Schadensersatz­ pflichten gemäß § 122 BGB fürchten zu müssen.151

147  Zippelius,

Juristische Methodenlehre, 11. Auflage 2012, S. 31 f. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 24, 3b; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 500. 149  Lindacher, Rechte des vorleistungspflichtigen Verkäufers bei anfänglicher Kre­ ditunwürdigkeit des Käufers, MDR 1977, 797. 150  Tettinger, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 321 Rn. 15. 151  Tettinger, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 321 Rn. 15. 148  So

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

bb) Verhältnis der Anfechtung aufgrund § 119 BGB zum Irrtum über die Vergleichsgrundlage (§ 779 BGB) Eine Ausnahme der Anfechtbarkeit von Prozessverträgen stellt die An­ wendbarkeit des § 779 BGB dar. Bei einem Irrtum über die Vergleichsgrund­ lage ist § 779 BGB insoweit lex specialis zur Irrtumsanfechtung aufgrund § 119 BGB.152 Ein indirekter Vorrang des § 779 BGB zur Anfechtung gilt auch für die Fälle, in denen ein Irrtum über Umstände vorliegt, die im Ver­ gleich geregelt werden, also Gegenstand des Vergleichs sind, und eine An­ wendung des § 779 I BGB mangels Irrtum über einen zugrunde liegenden, äußeren Sachverhalt ausscheidet.153 Mithin soll es nach § 242 BGB nicht möglich sein, die bewusste Regelung eines unklaren oder umstrittenen Sach­ verhaltes der Parteien durch eine Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB zu unterlaufen. Dagegen bleibt die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1, 2 BGB bei einem Prozessvergleich immer anwendbar, selbst dann, wenn durch den Vergleich die betroffene Unsicherheit oder Streitsache ausgeräumt werden sollte.154 cc) Verhältnis der Anfechtung aufgrund §§ 119, 120 BGB zu den Rücktrittsvorschriften des VVG (§ 19 Abs. 2–4 VVG) Im Versicherungsrecht wird die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB im Falle eines Irrtums des Versicherers über gefahrerhebliche Umstände von den speziellen Rücktrittsvorschriften der § 19 Abs. 2–4 VVG155 als lex specialis Regelungen verdrängt.156 Dass es sich dabei nur um einen teilbezogenen Ausschluss der Anfechtung handelt, ergibt sich aus § 22 VVG, wonach die Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung durch die Vorschriften des VVG unberührt bleibt, im Umkehrschluss die §§ 19 ff. VVG jedoch in allen sons­ tigen Fällen die Vertragsaufhebung abschließend regeln.157

152  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 119 Rn. 12. 153  BGH, Urteil vom 21. Dezember 2006 – VII ZR 275/05, NJW 2007, 838; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 119 Rn. 12 m. w. Nw. 154  BGH, Urteil vom 19. Mai 1999 – XII ZR 210–97, NJW 1999, 2804; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 779 Rn. 27; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 119 Rn. 12. 155  Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vom 30. Mai 1908, RGBl. S. 263, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017, BGBl. I S. 3214, 3229. 156  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 11. 157  Müller-Frank, in: MüKo VVG, 2. Auflage 2016, § 22 Rn. 2.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB59

dd) Verhältnis der Anfechtung aufgrund § 119 Abs. 2 BGB zur Ablehnung eines Schiedsrichters in der ZPO (§§ 1036 ff. ZPO) Eine abschließende Regelung bezogen auf ein bestimmtes Anfechtungs­ recht findet sich auch in den §§ 1036 ff. ZPO über die Ablehnung eines Schiedsrichters aus Gründen der Befangenheit, die ein Anfechtungsrecht aus Gründen des § 119 Abs. 2 BGB verwehren.158 Das besonders geregelte pro­ zessuale Ablehnungsverfahren nach §§ 1036 Abs. 2, 1037 ZPO kann dabei als lex specialis der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB aus Gründen des Irrtums über die Eigenschaften eines Schiedsrichters gemäß § 119 Abs. 2 BGB verstanden werden.159 2. Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB) Die Anfechtungserklärung nach § 143 Abs. 1 BGB erfolgt als Rechtsge­ schäft in Form einer einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung und ist nicht prozessual geltend zu machen.160 Sie hat gestaltungsrechtlichen Charakter, ist daher unwiderruflich, befristungs- und bedingungsfeindlich und bedarf auch bei formgebundenen Rechtsgeschäften in der Regel keiner Form.161 Inhaltlich muss die Anfechtungserklärung durch Auslegung erken­ nen lassen, dass der Erklärende die betroffene Willenserklärung nicht gelten lassen will; der Begriff der „Anfechtung“ ist in der konkreten Erklärung je­ doch nicht notwendige Vorraussetzung.162 Dabei muss für den Anfechtungs­ gegner erkennbar sein, worauf sich die Anfechtung stützt, ohne dass ein ex­ pliziter Anfechtungsgrund genannt sein muss.163 Die ex tunc-Rückwirkung muss hingegen nicht erwähnt werden;164 denn vom Anfechtungsberechtigten 158  Armbrüster,

in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 12. Urteil vom 10. März 1955 – II ZR 193/53, NJW 1955, 709; Münch, in: MüKo ZPO, 5. Auflage 2017, § 1036 Rn. 27. 160  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 474; Ahrens, in: Prütting/Wegen/Wein­ reich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 143 Rn. 1; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 143 Rn. 1. 161  Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 143 Rn. 2; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 143 Rn. 5; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 143 Rn. 6. 162  BGH, Urteil vom 15. Mai 1968 – VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099; BGH, Ur­ teil vom 7. Oktober 1971 – VII ZR 177/69, NJW 1972, 45; BGH, Urteil vom 7. Juni 1984 – IX ZR 66/83, NJW 1984, 2279 (2280); BGH, Urteil vom 22. Feb­ ruar 1995 – IV ZR 58/94, NJW-RR 1995, 859; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 143 Rn. 1; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 143 Rn. 2, 3. 163  Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, § 47 Rn. 724. 164  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 143 Rn. 5; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 143 Rn. 3; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen 159  BGH,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

kann eine Kenntnis der dogmatisch exakten Rechtsfolge der Anfechtung ge­ nauso wenig verlangt werden wie die Bezeichnung des Instituts in § 142 Abs. 1 BGB selbst.165 3. Anfechtungsgegner (§ 143 Abs. 2–4 BGB; § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB) Aufgrund der Empfangsbedürftigkeit der Anfechtungserklärung ist ent­ scheidend, wem gegenüber diese erklärt werden muss.166 Anfechtungsgegner ist gemäß § 143 Abs. 2 BGB bei einem Vertrag der andere Teil, bei § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB derjenige, der aus dem Vertrag unmittelbar ein Recht er­ worben hat. Bei Gesellschaftsverträgen muss, wenn die Anfechtungserklä­ rung Mitgesellschafter betrifft und es dadurch zu einer Grundlagenverände­ rung des Gesellschaftsverhältnisses kommt, die Anfechtung gegenüber allen Gesellschaftern erklärt werden.167 Sind an einem Vertrag mehrere beteiligt, wirkt die Anfechtung nur gegen die Vertragspartei, der gegenüber sie erklärt wurde, ohne zur absoluten Nichtigkeit der betroffenen Willenserklärung zu führen.168 Bei teilbaren Rechtsgeschäften kann eine Anfechtung gegenüber nur einem Vertragspartner dagegen zu einer Teilnichtigkeit des Rechtsge­ schäfts führen.169 Für die Anfechtung einseitiger Rechtsgeschäfte bestimmen § 143 Abs. 3, 4 BGB den richtigen Anfechtungsgegner. 4. Anfechtungsfrist (§ 121 BGB; § 124 BGB) Die Anfechtung aufgrund Irrtums hat gemäß § 121 Abs. 1 BGB unverzüg­ lich ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes zu erfolgen. In der Fristregelung des § 124 Abs. 1 BGB, die sich auf die Anfechtung aufgrund § 123 BGB bezieht, ist dem Bedrohten oder Getäuschten dagegen eine Jahresfrist zur Rechts II, 3. Auflage 1979, § 31, 2; a. A. BGH, Urteil vom 15. Mai 1968 – VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1971 – VII ZR 177/69, NJW 1972, 45; BGH, Urteil vom 7. Juni 1984 – IX ZR 66/83, NJW 1984, 2279 (2280); BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 – IV ZR 58/94, NJW-RR 1995, 859; Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 143 Rn. 2. 165  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 31, 2; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 143 Rn. 5; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 143 Rn. 3. 166  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 143 Rn. 12. 167  BGH, Urteil vom 23. Februar 1976 – II ZR 177/74, BeckRS 1976, 107928; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 143 Rn. 20; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 143 Rn. 16. 168  BGH, Urteil vom 27. November 1985 – VIII ZR 316/84, NJW 1986, 918 f.; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 143 Rn. 17. 169  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 143 Rn. 24.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB61

Anfechtung zugestanden. Die unterschiedliche Behandlung ist logische Folge der Schwere des Eingriffs bei § 123 BGB und muss aufgrund der Zurechen­ barkeit des Mangels auch nicht zum Schutz des Anfechtungsgegners weiter beschränkt werden.170 Die generelle Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit durch eine ge­ setzliche Frist ist der Rechtsnatur der Anfechtung als Gestaltungsrecht ge­ schuldet und bewahrt den betroffenen Gegenüber auch bei Täuschung und Drohung i. S. d. § 123 BGB vor nicht eingrenzbarer Rechtsunsicherheit.171 Zudem soll dem Anfechtungsberechtigten auch nicht der übermäßige Vorteil zu Teil werden, durch ein zeitlich unbegrenztes Gestaltungsrecht spekulativ über seine Anfechtungserklärung entscheiden zu können.172 5. Kein Ausschluss der Anfechtung (Vertrag; § 242 BGB; § 144 BGB) Das Anfechtungsrecht nach § 142 Abs. 1 BGB ist disponibles Gesetzes­ recht und kann grundsätzlich durch die Vertragsparteien in seiner Rechtsfolge vertraglich abgeändert werden oder ganz ausgeschlossen werden.173 Der Anfechtungsberechtigte kann aber auch durch einfache Verzichtserklärung (ausdrücklich oder konkludent) sein Anfechtungsrecht niederlegen.174 Nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB und dem Verbot widersprüch­ lichen Verhaltens ist ein Ausschluss der Anfechtung ebenfalls denkbar. So soll die Vorschrift des § 142 Abs. 1 BGB bei einem Wahlrecht des Anfech­ tungsgegners, dem Anfechtungsberechtigten kein verstecktes Reuerecht be­ reithalten und ein Verhalten venire contra factum proprium ermöglichen, sondern den mangelhaft Erklärenden an seiner ursprünglich gewollten Wil­ lenserklärung festhalten.175 Bei Dauerschuldverhältnissen ist nach h. M. ein Ausschluss wegen § 242 BGB anzunehmen, wenn der Anfechtungsgrund zum Zeitpunkt der Erklärung der Anfechtung nicht mehr erheblich war und 170  Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 124 Rn. 1; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 124 Rn. 1; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 124 Rn. 1. 171  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 468, 718 f., 834; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 121 Rn. 2. 172  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 121 Rn. 2. 173  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 119 Rn. 3; vgl. auch allgemein Schubert, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2019, § 242 Rn. 526 f.; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 8. 174  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 73. 175  Armbrüster, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 119 Rn. 152; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 76; Singer, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2017, § 119 Rn. 103; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 954.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

auf die vertragsgemäße Durchführung mittlerweile keinen beeinträchtigenden Einfluss mehr hat.176 Daneben besteht für den Anfechtungsberechtigten die Möglichkeit, durch Bestätigung gemäß § 144 BGB, das Anfechtungsrecht zu beseitigen.177 Dog­ matisch handelt es sich bei der Bestätigung um eine nicht empfangsbedürf­ tige Willenserklärung, die, anders als eine Bestätigung nach § 141 BGB, nicht als erneute Vornahme, sondern als bloße Entscheidung des Anfech­ tungsberechtigten, seine Willenserklärung gelten zu lassen, anzusehen ist.178 Dass die Bestätigung aus § 144 BGB nicht empfangsbedürftig ist, resultiert aus der fehlenden subjektiven Schutzbedürftigkeit des Anfechtungsgegners. Ist nämlich dem Anfechtungsgegner die Anfechtbarkeit bewusst, kann er den Anfechtungsberechtigten darauf hinweisen und so die Fristregelung der §§ 121, 124 BGB in Gang setzen, um Rechtssicherheit zu erreichen. Fehlt dem Anfechtungsgegner hingegen jegliche Kenntnis der Anfechtbarkeit, ist es um seine subjektive Rechtssicherheit nicht schlechter gestellt, als wenn die Anfechtbarkeit objektiv gar nicht bestehen würde. In Fällen nicht an­ fechtbarer Willenserklärungen erhält die andere Partei aber gerade keine zu­ sätzliche Bestätigung der Unanfechtbarkeit. Eine subjektive Kenntnisnahme durch die Empfangsbedürftigkeit der Willenserklärung wäre daher schlicht­ weg eine ungerechtfertigte Besserstellung des Anfechtungsgegners im Ver­ gleich zu Parteien unanfechtbarer Rechtsgeschäfte.

III. Anfechtungsrecht Von einem Anfechtungsrecht gemäß § 142 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich immer dann gesprochen werden, wenn dem Erklärenden ein passender An­ fechtungsgrund zur Seite steht, auf den er seine Anfechtung stützen kann und das Gesetz die Anfechtung einer Willenserklärung nach § 142 Abs. 1 BGB nicht spezialgesetzlich ausgeschlossen hat.179 Im BGB ergeben sich solche Anfechtungsrechte aufgrund der §§ 119 ff. BGB, des § 318 BGB und der erbrechtlichen Anfechtungsvorschriften.

176  BAG, Urteil vom 12. Februar 1970 – 2 AZR 184/69, NJW 1970, 1565 (1566); Armbrüster, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 119 Rn. 153; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 953 m. w. Nw. 177  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 144 Rn. 1, 8. 178  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 31, 7; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 144 Rn. 3; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 144 Rn. 1; zur Empfangsbedürftigkeit a. A. Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 144 Rn. 4. 179  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 1.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB63

1. Anfechtungsrechte nach § 142 Abs. 1 BGB im allgemeinen Teil des BGB Im allgemeinen Teil des BGB sind in den §§ 119 ff. BGB eine Reihe von Anfechtungsgründen normiert, die ein Anfechtungsrecht gemäß § 142 Abs. 1 BGB begründen und so bei erfolgter Anfechtung durch den Berechtigten zu einer ex tunc-Nichtigkeit der betroffenen Willenserklärung führen. Der Ge­ setzgeber hat, um das Verkehrsinteresse ausreichend zu berücksichtigen, nicht jedweden Irrtum für den Erklärenden als Anfechtungsrecht ausgestaltet, sondern unterscheidet zwischen bedeutungsvollen, die Willenserklärung ver­ nichtenden und unbedeutenden Irrtümern, die gerade keine vernichtende Wirkung für die Willenserklärung nach sich ziehen.180 Orientiert an der psy­ chologischen Unterscheidung der Irrtumsarten, ist ein Irrtum unabhängig von der Frage des Verschuldens grundsätzlich immer dann beachtlich, wenn sich ein Abweichen des Willens des Erklärenden zu seiner in den Rechtsverkehr geäußerten Erklärung ergibt.181 Motivirrtümer berechtigen demnach nicht zur Anfechtung, wobei § 119 Abs. 2 BGB für den Irrtum über verkehrswesent­ liche Eigenschaften von Personen oder Sachen und auch § 123 BGB für den Fall der gravierenden Störung der Selbstbestimmung Ausnahmen sind.182 Des Weiteren stellt der Gesetzgeber die Voraussetzung auf, dass ein Irrtum, um zu einem Anfechtungsrecht zu führen, wesentlich zu sein habe; seinen Einzug im Gesetzestext fand die Wesentlichkeit im Nebensatz des § 119 Abs. 1 BGB, nämlich dass die Anfechtung begründet sei, wenn anzunehmen ist, dass bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Fal­ les die Willenserklärung nicht abgegeben worden wäre.183 Im Lichte der Privatautonomie ist das Anfechtungsrecht im BGB trotzdem sehr großzügig ausgestaltet worden. Die Rechtsordnung gibt keine inhalt­ lichen Maßstäbe für Vertragsgerechtigkeit vor, sondern beschränkt sich mit Normen wie §§ 134, 138 BGB auf einen rechtlichen Rahmen von Regeln.184 Innerhalb dieses Rahmens ist den Parteien die Ausgestaltung ihrer Rechtsbe­ ziehungen selbst überlassen, was gleichermaßen auch die Gefahr fehlerhaft

180  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 461; Singer, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2017, § 119 Rn. 2. 181  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 2; Singer, in: Stau­ dinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 2 m. w. Nw. 182  Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Auflage 2016, § 41 Rn. 51, 101; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 2 ff.; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 2, 5; Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 465. 183  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 717. 184  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Vor. § 116 Rn. 20.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

vereinbarter Regelungen mit sich bringt.185 Der Gesetzgeber schaffte daher in den §§ 116 ff. BGB ein weites Feld an Mängelrechten, um im Sinne der Parteien, die durch Willensmängel gestörten Rechtsverhältnisse zwar nicht korrigieren, jedoch zumindest rückwirkend beseitigen zu können.186 Die Ausgestaltung der Anfechtungsgründe in den §§ 119 ff. BGB ist dabei ge­ prägt von der Bemühung, den Interessenkonflikt des Erklärenden und seinem Gegenüber ausreichend zu berücksichtigen.187 Im Einzelnen werden im all­ gemeinen Teil des BGB als Anfechtungsgründe in § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB der Erklärungsirrtum, in § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB der Inhaltsirrtum, in § 119 Abs. 2 BGB der Eigenschaftsirrtum und in § 120 BGB die fehlerhafte Über­ mittlung einer Willenserklärung normiert, die eine Divergenz von Wille und Erklärung beschreiben, die der Erklärende mithin anfechten kann, weil er etwas erklärt hat, was er nicht erklären wollte.188 Daneben treten in § 123 BGB die Anfechtungsgründe der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB und Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB auf, bei denen es zu einer fehlerhaften Bildung des fehlerfrei Erklärten gekommen ist, der Erklä­ rende bei rechtstreuer Information also eine Willenserklärung so nicht abge­ geben hätte.189 a) § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB Ein Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB liegt vor, wenn die Erklärung von der bezweckten Willenskundgebung abweicht.190 Es handelt sich um einen Irrtum in der äußeren Erklärungshandlung; es missglückt die praktische Umsetzung des Erklärungswillens, indem sich der Erklärende etwa verspricht, verschreibt oder vergreift.191 So ist auch bei elektronischen Willenserklärungen, die am Computer durch ein „Vertippen“ abgegeben wer­ den, häufig kein fehlendes Erklärungsbewusstsein oder ein fehlender Hand­ 185  Armbrüster,

in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Vor. § 116 Rn. 20. in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 1; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Vor. § 116 Rn. 20. 187  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 457; Singer, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2017, § 119 Rn. 2; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Vor. § 116 Rn. 21. 188  Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 824. 189  Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 824. 190  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 460. 191  RG, Urteil vom 29. Oktober 1907 – III 151/07, RGZ 66, 427 (429); Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 46; Ahrens, in: Prütting/Wegen/ Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 119 Rn. 23. 186  Hefermehl,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB65

lungswille des Erklärenden anzunehmen, sondern eine Anfechtbarkeit auf­ grund eines Erklärungsirrtums einschlägig.192 Über die Anfechtungsregelung des § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB soll davon unabhängig jedoch auch der Fall des fehlenden Erklärungsbewusstseins gelöst werden, der immer dann auftritt, wenn dem Erklärenden nicht bewusst ist, dass er überhaupt eine Willenser­ klärung abgibt, ihm also nicht klar ist, dass sein Verhalten überhaupt irgend­ eine rechtserhebliche Erklärung darstellt.193 b) § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB Der Inhaltsirrtum in § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB beschreibt den Fall, dass sich der Erklärende über den objektiven, rechtlich wirksamen Inhalt seiner Erklä­ rung irrt.194 Dabei weicht der Bedeutungsgehalt der Erklärung aus objektiver Sicht des Empfängers vom Inhalt der konkret gewollten Erklärung des Erklä­ renden, der eine andere Bedeutung in seiner Willenserklärung sieht, ab.195 Typische Fälle des Inhaltsirrtums sind der Irrtum über den objektiven Sinn verwendeter Erklärungsmittel (Verlautbarungsirrtum), der Irrtum über unmit­ telbare Rechtsfolgen einer Willenserklärung (Rechtsfolgenirrtum), der Irrtum über den Vertragstypus bzw. die Beschaffenheit des Rechts (Konkretisierung des Geschäfts) oder der Irrtum über die Identität des Vertragspartners (Identitätsirrtum).196 Nicht zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB berechtigt ein Irrtum bei der Berechnung von Summen wie dem Kaufpreis oder der Miete und Berechnungsfaktoren wie Raumgrößen, Fremdwährungen oder Tageskursen (Kalkulationsirrtum) sowie der Irrtum über die Sollbe­ schaffenheit von Sachen oder Personen (Sollbeschaffenheitsirrtum), der so in § 119 Abs. 2 BGB eine beschränkte Regelung fand.197 192  Singer,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 35. Urteil vom 7. Juni 1984 – IX ZR 66/83, NJW 1984, 2279 (2280); BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – V ZB 9/13, NJW 2014, 1242 (1243); so auch Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 94 ff., 104 m. w. Nw.; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 119 Rn. 23. 194  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 57. 195  BGH, Urteil vom 18. November 2008 – XI ZR 590/07, NJW-RR 2009, 630 (632); BGH, Beschluss vom 5. Juni 2008 – V ZB 150/07, NJW 2008, 2442 (2443); Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 119 Rn. 30 m. w. Nw.; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 57. 196  Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 119 Rn.  25 ff.; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. No­ vember 2018, § 119 Rn. 31 f., 35. 197  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 119 Rn. 33, 36; Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 193  BGH,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

c) § 119 Abs. 2 BGB Bei der Gestaltung des Eigenschaftsirrtums in § 119 Abs. 2 BGB hat es der Gesetzgeber verpasst, eine klare Abgrenzung zur Vorschrift des § 119 Abs. 1 BGB und zu den unbeachtlichen Motivirrtümern zu schaffen.198 Die Einordnung der Vorschrift ist in Literatur und Rspr. umstritten, ohne dass bisher eine genügende Einigung erreicht wurde.199 Versucht man § 119 Abs. 2 BGB mit der h. M. wortgetreu zu interpretieren, handelt es sich bei einem Eigenschaftsirrtum um keinen Irrtum über die Erklärungshandlung oder den Inhalt, sondern um einen Irrtum über eine bestimmte verkehrswe­ sentliche Eigenschaft einer Person oder Sache, also über einen für die Wil­ lensbildung des Erklärenden maßgeblichen Beweggrund, der nach Vorstel­ lung des Gesetzgebers fiktiv dem Inhaltsirrtum gleichgestellt wird.200 Die Abgrenzung zum ansonsten unbeachtlichen Motivirrtum soll dabei durch die Voraussetzungen der Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaft und deren sub­ jektiven und objektiven Erheblichkeit gelingen.201 Die Überlegung, dass es sich bei § 119 Abs. 2 BGB um keinen Sonderfall des Inhaltsirrtums handelt, sondern um einen Irrtum über tatsächliche Umstände, die der Erklärung zu­ grunde gelegt wurden, teilt auch die Ansicht, welche eine Abgrenzung zu unbeachtlichen Motivirrtümern von der Risikotragung des Vertragspartners abhängig macht.202 Danach soll eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtum jedoch nur möglich sein, wenn der Vertragspartner den Irrtum veranlasst hat, der Irrtum ihm auffiel oder ihm hätte auffallen müssen.203 Dies ergebe sich aus der rechtvergleichenden modernen Entwicklung der Irrtumslehre, wonach die Frage der Anfechtbarkeit gleichlaufend mit der Frage, wer das Irrtums­ risiko zu tragen habe, bestimmt werden soll.204 Wie bei der Abgrenzung nach Risikozugehörigkeit von § 119 Abs. 2 BGB und § 313 Abs. 2 BGB im Rah­ men der Konkurrenzen muss sich diese Ansicht bei der Interpretation des 11. Auflage 2016, § 119 Rn. 31; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn.  51 f. m. w. Nw. 198  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 106 m. w. Nw. 199  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 106, 109. 200  Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Auflage 2016, § 41 Rn 51; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 853; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 119 Rn. 33; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 119 Rn. 39; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 107; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 119 Rn. 11. 201  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 110. 202  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 116. 203  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 116, 122 m. w. Nw. 204  Kramer, Der Irrtum beim Vertragsschluss: Eine weltweit rechtsvergleichende Bestandsaufnahme, 1998, S. 245 ff.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB67

§ 119 Abs. 2 BGB aber den Wortlaut des Gesetzes entgegenhalten lassen, der das Kriterium der Risikotragung nach Vorgabe des Gesetzgebers ausdrück­ lich nicht vorsieht.205 Davon kann sich auch eine objektive geltungszeitliche Betrachtungsweise nicht in zu großem Maße entfernen bzw. eine solche Ab­ weichung rechtfertigen.206 Das Problem der Beschränkung des Eigenschafts­ irrtums fällt daher in erster Linie dem Tatbestand der Verkehrswesentlichkeit zu.207 Eigenschaften sind nach h. M. auf der natürlichen Beschaffenheit beru­ hende Merkmale sowie tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse und Bezie­ hungen zur Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsanschauung für die Wert­ schätzung oder Verwendbarkeit von Bedeutung sind.208 Verkehrswesentlich ist die Eigenschaft dann, wenn sie von dem Erklärenden in irgendeiner Weise erkennbar dem Vertrag zugrunde gelegt worden ist, ohne dass er sie gerade zum Inhalt seiner Erklärung gemacht haben muss.209 Zu den verkehrswesent­ lichen Eigenschaften einer Person zählen dabei die natürlichen Persönlich­ keitsmerkmale und solche tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die nach der Anschauung des Verkehrs Einfluss auf die Wertschätzung der Per­ son in dem bestimmten Rechtsverhältnis ausüben, wobei die Eigenschaft der Person für eine gewisse Zeit anhaften muss.210 Verkehrswesentliche Eigen­ schaften einer Sache sind hingegen alle wertbildenden Faktoren, die der Sa­ che unmittelbar anhaften; mittelbare Eigenschaften werden von § 119 Abs. 2 nicht erfasst.211 d) § 120 BGB Der Anfechtungsgrund des § 120 BGB ist immer dann einschlägig, wenn der Erklärende eine Person oder Einrichtung zur Übermittlung seiner Wil­ lenserklärung einschaltet und diese unrichtig übermittelt wird. Wie bei § 119 205  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 715, 720; zur Abgrenzung nach Risiko­ tragungspflicht im Verhältnis § 119 Abs. 2 BGB zu § 313 Abs. 2 BGB vgl. differen­ zierend Löhnig, Irrtumsrecht nach der Schuldrechtsmodernisierung, JA 2003, 516 (518). 206  A. A. Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 116. 207  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 79. 208  BGH, Urteil vom 18. Dezember 1954 – II ZR 296/53, NJW 1955, 340; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1960 – V ZR 40/60, NJW 1961, 772 (773, 775); BGH, Urteil vom 22. September 1983 – VII ZR 43/83, NJW 1984, 230 (231); Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 119 Rn. 40. 209  RG, Urteil vom 9. November 1906 – II 173/06, RGZ 64, 266 (267 f.); BGH, Urteil vom 22. September 1983 – VII ZR 43/83, NJW 1984, 230 (231); Bork, Allge­ meiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 846. 210  BAG, Urteil vom 6. September 2012 – 2 AZR 270/11, NJW 2013, 1115 (1117). 211  Ellenberger, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 119 Rn. 27.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

Abs. 1 Alt. 2 BGB stimmt dann der äußere Erklärungstatbestand nicht mit dem Willen des Erklärenden überein.212 Den Erklärenden trifft das Risiko der Fehlübermittlung und zwar unabhängig davon, ob die Übermittlung auf Wunsch des Erklärungsempfängers geschah.213 Die Willenserklärung wird mithin nicht zu einer Angelegenheit des Empfängers, nur weil dieser eine bestimmte Übermittlungsart verlangt.214 Vielmehr wird man die generelle Aussage aufstellen können, dass der Absender die Gefahren der Übermitt­ lung eher beherrschen und einschätzen kann als der Empfänger und dement­ sprechend bei einer unrichtigen Übermittlung anzufechten hat und das Risiko der Bindung an die Willenserklärung oder den Ersatz eines Vertrauensscha­ dens gemäß § 122 BGB trägt.215 Davon abzugrenzen und anders zu behandeln ist die unrichtige Übermitt­ lung des Empfangsboten an seinen Auftraggeber, die nicht unter § 120 BGB fällt, sondern Sache des Empfängers bleibt.216 Ob es sich im Konkreten um einen Empfangs- oder Übermittlungsboten handelt, muss anhand des Auf­ tragsverhältnisses des Boten bestimmt werden oder (wenn ein solches nicht besteht) danach, wer aus Sicht der Verkehrssitte als Auftraggeber anzusehen ist.217 e) § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB Schutzgut der Vorschrift des § 123 BGB ist trotz dessen Ähnlichkeit zu strafrechtlichen Normen wie dem Betrug in § 263 StGB oder der Erpressung in § 253 StGB nicht der Schutz vermögensrechtlicher Positionen des Erklä­ renden, sondern „die freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiete“.218 Die Vorschrift des § 123 BGB berechtigt den Erklärenden dabei grundsätzlich, genau wie die Anfechtungsgründe wegen Irrtums in §§ 119, 120 BGB, „nur“ zur Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB. Abgesehen von den similiaren Vorrausetzungen und der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB hat der Gesetzgeber die Ausgestaltung des § 123 BGB differenziert behan­ delt. Den Anfechtenden trifft keine Erstattungspflicht für einen Vertrauens­ 212  Ahrens,

Rn. 1.

in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 120

213  Armbrüster,

in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 120 Rn. 1. in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 120 Rn. 1. 215  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 120 Rn. 1. 216  Ahrens, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 120 Rn. 3; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 120 Rn. 9. 217  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 120 Rn. 9. 218  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 465; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 123 Rn. 1; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 123 Rn. 1. 214  Armbrüster,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB69

schaden des Erklärungsempfängers in § 122 BGB, die „unverzügliche“ An­ fechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB wird durch eine Jahresfrist in § 124 Abs. 1 BGB ersetzt und eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB setzt keinen erheblichen Irrtum des Anfechtenden voraus; vielmehr kann es sich sogar um einen Motivirrtum handeln, der nicht den Anforderungen des § 119 Abs. 2 BGB zu genügen hat.219 Grund für die unterschiedliche Behandlung ist einerseits die verminderte Schutzwürdigkeit des Erklärungsempfängers, andererseits der gravierende Eingriff in die Privatautonomie des Erklärenden, der sich mit dem Instrument der Irrtumsanfechtung nach §§ 119 f. BGB nicht interessengerecht beheben lässt. Der Gesetzgeber berücksichtigt dabei jedoch die Interessen beider Parteien und verlangt für das Anfechtungsrecht aus § 123 BGB zumindest eine „arglistige“ Täuschung bzw. „widerrechtliche“ Drohung.220 Die Täuschung in § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB definiert sich als Verhalten, das dazu dient, bei einem anderen einen Irrtum hervorzurufen, zu bestärken oder zu erhalten, um ihn dadurch zur Abgabe einer Willenserklärung zu bewe­ gen.221 Der Erklärende erleidet dabei in der Regel einen Motivirrtum, der hier Beachtlichkeit findet.222 Die geforderte Arglist des Täuschenden kann mit einem Vorsatz zur Täuschung gleichgesetzt werden.223 Neben der offen­ sichtlichen Täuschung durch aktives Tun kommt auch eine Täuschung durch das Verschweigen von Umständen in Betracht, für die eine Rechtspflicht zur Aufklärung besteht.224 Eine solche Aufklärungspflicht liegt grundsätzlich bei Hindernissen der Vertragserfüllung vor, kann sich aber auch ergeben, wenn zwischen den Parteien ein Vertrauensverhältnis gegeben ist, das beispiels­ weise durch eindeutig geäußerte Erwartungen des Erklärenden entstehen kann.225 f) § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB Eine Drohung gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist das Inaussichtstellen eines vom Bedrohten ernst genommen künftigen Übels, auf das der Dro­ hende Einfluss zu haben vorgibt und das verwirklicht werden soll, wenn es 219  Armbrüster,

in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 123 Rn. 2, 27. in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 123 Rn. 1. 221  Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 123 Rn. 3; Hefermehl, in: Soer­ gel BGB, 13. Auflage 1999, § 123 Rn. 2. 222  Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 865. 223  BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 – VIII ZR 236/06, NJW 2007, 3057 (3059). 224  Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 9, 10 ff. 225  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 123 Rn. 6 ff. 220  Hefermehl,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

nicht zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung kommt.226 Die Wider­ rechtlichkeit der Drohung kann sich aus dem Mittel, dem Zweck oder der Zweck-Mittel Inadäquanz der Drohung ergeben; wobei die Widerrechtlich­ keit selbst als Verstoß gegen die Rechtsordnung zu verstehen ist.227 Dass der Gesetzgeber die widerrechtliche Drohung für eine größere Verletzung der Privatautonomie hält als die arglistige Täuschung einer Partei, verrät § 123 Abs. 2 BGB, der die Drohung durch Dritte keiner Einschränkung unterzieht; außerdem steht dem Erklärenden bei einer Täuschung durch Dritte zumeist auch die Möglichkeit der Irrtumsanfechtung aus § 119 BGB zu.228 2. Anfechtungsrechte nach § 142 Abs. 1 BGB außerhalb des allgemeinen Teils im BGB Außerhalb des allgemeinen Teils des BGB ergeben sich durch § 318 BGB und die im Erbrecht speziell angeführten Anfechtungsvorschriften weitere Anfechtungsrechte unter § 142 Abs. 1 BGB, die bei einer Anfechtung die Willenserklärung ex tunc beseitigen. a) Anfechtung einer Bestimmung der Leistung (§ 318 BGB) Ein Anfechtungsrecht aus § 142 Abs. 1 BGB kann sich gemäß § 318 BGB auch für die Anfechtung einer Bestimmung der Leistung ergeben. Die Leis­ tungsbestimmung selbst ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und kann ebenso aus den Gründen der §§ 119 ff. BGB angefochten werden.229 Anfechtungsberechtigter ist jedoch gemäß § 318 Abs. 2 Satz 1 BGB immer nur die von der Bestimmung belastete Vertragspartei gegenüber dem anderen Vertragspartner, wobei auch aus Gründen des § 123 BGB laut § 318 Abs. 2 Satz 2 BGB „unverzüglich“ angefochten werden muss.230

226  Singer/v.

Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 69. in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 123 Rn.  36 ff.; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 123 Rn. 13 ff. 228  Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 123 Rn. 67. 229  Würdinger, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 318 Rn. 1; Rieble, in: Staudin­ ger BGB, Neubear. 2015, § 318 Rn. 10. 230  Wagner, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 318 Rn. 6; Würdinger, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 318 Rn. 5. 227  Ahrens,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB71

b) Anfechtung der Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft (§§ 1954 ff. BGB) Spezialgesetzliche Erbrechtsvorschriften zur Anfechtung einer Willenser­ klärung finden sich für die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft in den §§ 1954 ff. BGB. Der Gesetzgeber empfand das Bedürfnis, eine Willens­ erklärung, die in diesem Zusammenhang abgegeben wird, vor Willensmän­ geln in besonderem Maße zu schützen und schaffte durch eine im Vergleich zu § 121 BGB verlängerte Anfechtungsfrist in § 1954 BGB und die Anfech­ tungsmöglichkeit der Fristversäumung in § 1956 BGB eine weitergehende Zulassung des Anfechtungsrechts.231 Die Anfechtung der Annahme gilt ge­ mäß § 1957 BGB als Ausschlagung und umgekehrt, wobei § 142 Abs. 1 BGB trotz der wirkungsbeschreibenden Norm des § 1957 BGB zumindest durch seine ex tunc-Rechtsfolge die Frist des § 1944 BGB einzuhalten garan­ tiert und nicht vollkommen unanwendbar durch die spezielle Regelung ver­ drängt wird.232 Aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Beteiligten ist die Anfechtungserklärung dabei gemäß § 1955 BGB nur gegenüber dem Nach­ lassgericht möglich, wobei die Erklärung gemäß § 1945 BGB zur Nieder­ schrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen hat.233 c) Anfechtung einer letztwilligen Verfügung (§§ 2078 ff. BGB) Die Möglichkeit der Testamentsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB schützt nicht, wie es bei den §§ 119 ff. BGB der Fall ist, die Gestaltungsfreiheit des Erklärenden, sondern bewahrt die Interessen des Anfechtungsberechtigten vor einer in sich fehlerhaften Willenserklärung des Erblassers.234 In diesem Sinne ist gemäß § 2080 Abs. 1 BGB Anfechtungsberechtigter, wer durch die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar einen Vorteil erlangen würde. Mittelbar kommt es durch die Anfechtung der mangelhaften Erklä­ rung zwar auch zu einem Schutz der Willensfreiheit des Erblassers, jedoch kann durch die rein negative Wirkung der Anfechtung dessen wirklicher Wille nur begrenzt umgesetzt werden.235 Die Anfechtungsvorschriften der §§ 2078 ff. BGB unterscheiden sich von den Anfechtungsgründen des allgemeinen Teils, neben dem erbrechtsspezifi­ 231  Leipold,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1954 Rn. 2. Stürner, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 1954 Rn. 3. 233  Siegmann/Höger, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 1955 Rn. 1. 234  Leipold, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2078 Rn. 1. 235  Leipold, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2078 Rn. 3, 4. 232  A. A.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

schen Anfechtungsgrund der unbewussten Übergehung eines Pflichtteils­ berechtigten nach § 2079 BGB, hauptsächlich durch die Anerkennung der Anfechtung aus Gründen eines (gemäß § 119 Abs. 2 BGB unbeachtlichen) Motivirrtums des Erblassers in § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB.236 Begründet wird dies damit, dass für eine letztwillige Verfügung die Übereinstimmung von Wille und Erklärung eine tragende Rechtsgrundlage darstellt, die etwaige Bestandsinteressen Dritter verdrängt.237 Die Anfechtungserklärung erfolgt um der Rechtssicherheit willen gegenüber dem Nachlassgericht binnen Jah­ resfrist gemäß § 2081 Abs. 1 BGB, § 2082 Abs. 1 BGB und erspart dem Anfechtungsberechtigten zudem entgegen § 143 Abs. 4 Satz 1 BGB den richtigen Anfechtungsgegner ausfindig machen zu müssen, was bei einer Testamentsanfechtung mit für gewöhnlich mehreren Beteiligten die wirksame Erklärung einer Anfechtung erleichtert.238 d) Anfechtung eines Erbvertrags und eines gemeinschaftlichen Testaments (§§ 2281 ff. BGB) (analog) Anders als bei der freien Widerrufbarkeit der letztwilligen Verfügung, ist der Erblasser bei einem Erbvertrag oder nach dem Tod des anderen Ehegat­ ten bei einem gemeinschaftlichen Testament an seine Willenserklärung ge­ bunden.239 Diesem Umstand trägt die Vorschrift des § 2281 BGB Rechnung, die dem Erblasser die Möglichkeit bietet, sich von seiner Willenserklärung aus Gründen der §§ 2078 f. BGB lösen zu können.240 Die Anfechtung des Erbvertrags oder gemeinschaftlichen Testaments durch Dritte i. S. d. § 2080 BGB kann gemäß § 2285 BGB (analog) nur erfolgen, wenn das Anfech­ tungsrecht des Erblassers zur Zeit des Erbfalls nicht erloschen ist. Schutz­ zweck der Anfechtung aufgrund des § 2281 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 2078 f. BGB (analog) in Abgrenzung zu §§ 2078 ff. BGB ist demnach, dem Erblasser die volle Verfügungsgewalt zurückzugeben.241 Die Frist der Anfechtung re­ gelt § 2283 Abs. 1 BGB, wobei die Vorschrift nur für die Anfechtung durch den Erblasser selbst gilt und Dritte an die Fristbestimmung des § 2082 BGB gebunden bleiben.242 236  Stürner, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 2078 Rn. 3; Leipold, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2078 Rn. 19, 26 ff. 237  Litzenburger, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. No­ vember 2018, § 2078 Rn. 6. 238  Leipold, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2081 Rn. 1. 239  Musielak, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2281 Rn. 1. 240  Litzenburger, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. No­ vember 2016, § 2281 Rn. 1; Musielak, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2281 Rn. 1. 241  Leipold, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2078 Rn. 7 f.; Musielak, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2281 Rn. 1.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB73

e) Anfechtung der Ausschlagung eines beschränkten oder beschwerten Pflichtteilsberechtigten (§ 2308 BGB) Das Anfechtungsrecht eines Pflichtteilsberechtigten aus § 2308 BGB er­ gibt sich im Zusammenhang mit der Frage der Ausschlagung des Erbes und der Forderung des Pflichtteils bei der Beschränkung oder Beschwer eines Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2306 BGB.243 Danach ist es dem Pflicht­ teilsberechtigten möglich, seine Ausschlagung im Falle eines ihm nicht be­ kannten Wegfalls der Beschränkung oder Beschwer zur Zeit der Ausschla­ gung aufgrund § 2308 BGB anzufechten. Ergänzt wird der Anfechtungsgrund aus § 2308 BGB durch die Anfechtungsvorschriften über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft in den §§ 1954 ff. BGB, deren Fristen und Grundsätze hier ebenso Beachtung finden.244 3. Anfechtungsrechte neben § 142 Abs. 1 BGB Neben den bereits vorgestellten Anfechtungsgründen, die in den Geltungs­ bereich des § 142 Abs. 1 BGB fallen, kennt das BGB, die InsO und das AnfG weitere Vorschriften, die ein Anfechtungsrecht des Erklärenden einer Willenserklärung begründen können, denen der Gesetzgeber die Rechtsfolge aus § 142 Abs. 1 BGB jedoch bewusst nicht zugeordnet hat. Ähnlich einer Konkurrenz der Anfechtung des § 142 Abs. 1 BGB zu anderen Beseitigungs­ instrumenten wird dabei § 142 Abs. 1 BGB innerhalb der Anfechtungsvor­ schriften selbst verdrängt. a) Vaterschaftsanfechtung (§§ 1599 ff. BGB) Die Vaterschaftsanfechtung gemäß §§ 1599 ff. BGB unterliegt nicht der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB. Die Rechtsfolge einer Anfechtung ge­ mäß §§ 1599 ff. BGB wirkt jedoch ex tunc, so dass es für das Kind zu einem Verlust aller Rechte kommt, die bisher von dem in § 1592 BGB genannten Mann hergeleitet wurden.245 Das Kind gilt somit rückwirkend vom Tag sei­ 242  Musielak,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2283 Rn. 1. in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 2308 Rn. 1. 244  Lange, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2308 Rn. 8 f. 245  BGH, Urteil vom 28. Oktober 1964 – IV ZR 238/63, NJW 1965, 581 f.; BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 – IVb ZR 571/80, NJW 1981, 2183; BGH, Urteil vom 8. Oktober 1980 – IVb ZR 535/80, NJW 1981, 48 (49); Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1599 Rn. 55; Rauscher, in: Staudinger BGB, Neubear. 2011, § 1599 Rn. 34; so auch Schmidt-Recla, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 1599 Rn. 21. 243  Müller-Engels,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

ner Geburt an als vaterlos, wenn nicht die Ausnahmeregelung des § 1593 Satz 4 BGB greift oder eine Anfechtung durch einen Anfechtungsberechtig­ ten aus § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegt, die gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 FamFG zugleich die Feststellung der Vaterschaft des Anfechtenden be­ wirkt.246 Da die Rechtsfolge in diesem Fall mit der des § 142 Abs. 1 BGB überein­ stimmt, stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber die §§ 1599 ff. BGB dem Geltungsbereich des § 142 Abs. 1 BGB entzogen hat. Grund hierfür dürfte zum einen sein, dass der Gesetzgeber ein von der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB gesondertes Institut der Vaterschaftsanfechtung schaffen wollte, um klarzustellen, dass die §§ 1599 ff. BGB als einziges Mittel die Möglichkeit bieten, eine Abstammung und damit die gesetzliche Zuordnung zwischen Mann und Kind zu beseitigen.247 Neben dieser um Rechtssicherheit bemühten systematischen Abgrenzung ist die Vaterschaftsanfechtung zudem gemäß § 1600b Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a Satz 1 BGB als ein gerichtliches Ver­ fahren mit rechtsgestaltendem Beschluss ausgestaltet worden, das nach § 169 Nr. 4 FamFG dem Verfahren in Abstammungssachen zugeordnet wird; mit der Folge, dass nicht bereits durch rechtsgeschäftliche Erklärung eine Nich­ tigkeitsfolge herbeigeführt werden kann.248 Die Rechtssicherheitserwägungen stehen damit auch verfahrensrechtlich einer Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 BGB entgegen und rechtfertigen sich im Vorteil der alsbald rechtssicheren Feststellung der Anfechtungsvoraussetzungen und dem Vermeiden andauern­ der Ungewissheit der Parteien.249 b) Anfechtung des Erbschaftserwerbs (§§ 2340 ff. BGB) Die Anfechtung des Erbschaftserwerbs gemäß der §§ 2340 ff. BGB grenzt sich ähnlich wie die Vaterschaftsanfechtung nach §§ 1599 ff. BGB schon aufgrund ihrer prozessualen Voraussetzung – als Klage – von dem Geltungs­ bereich des § 142 Abs. 1 BGB ab. Anfechtungsgegenstand ist dabei anders als i. R.d. § 142 Abs. 1 BGB keine Willenserklärung, sondern der Rechts­ erwerb trotz Erbunwürdigkeit als rechtlicher Zustand, d. h. ein Rechtsverhält­ nis.250 Weiter regelt § 2344 Abs. 1 BGB die Wirkung der Erbunwürdigkeits­ klage und ersetzt die Rechtsfolgenbestimmung des § 142 Abs. 1 BGB. Ob­ 246  Wellenhofer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1599 Rn. 55. in: Staudinger BGB, Neubear. 2011, § 1599 Rn. 3. 248  Schmidt-Recla, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2013, § 1599 Rn. 21; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 2. 249  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 474. 250  Mugdan, Materialien, V. Bd. 1899, S. 277; Olshausen, in: Staudinger BGB, Neubear. 2004, § 2340 Rn. 2. 247  Rauscher,



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB75

wohl die Rechtsfolge erst mit Rechtskraft des Urteils eintritt, gilt wie bei der Ausschlagung der Erbschaft in § 1953 Abs. 1 BGB der Anfall als nicht er­ folgt, wird also rückwirkend beseitigt.251 Gemäß § 2344 Abs. 2 BGB fällt die Erbschaft dann bei demjenigen an, der, hätte der Erbwürdige zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt, den Anfall erhalten hätte. Die Ausgestaltung einer Kla­ genotwendigkeit im Vergleich zur rechtsgeschäftlichen Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB ist ähnlich wie bei der Vaterschaftsanfechtung aus §§ 1599 ff. BGB auch hier der besonderen Materie geschuldet, verbunden mit der ver­ mögensrechtlichen Tatsache, dass die Erbunwürdigkeit nach § 2339 BGB in der Regel einschneidende Konsequenzen für den Betroffenen bereithält.252 c) Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (§§ 1 ff. AnfG) Das Anfechtungsgesetz in den §§ 1 ff. AnfG dient, anders als die Anfech­ tung aus § 142 Abs. 1 BGB nicht dem Schutz der Privatautonomie der Be­ troffenen, sondern soll Gläubigern die Möglichkeit bieten, bei mangelnder Befriedigung im Zwangsvollstreckungsverfahren auf pfändbare Vermögens­ stücke aus dem früheren Vermögen des Schuldners wieder zugreifen zu können, die vom Schuldner zum Nachteil des Gläubigers vorsätzlich oder unentgeltlich oder nach §§ 6, 6a AnfG der Insolvenzmasse entzogen wur­ den.253 Die Anfechtung richtet sich dabei nicht zwingend gegen eine Wil­ lenserklärung und führt auch nicht zu ihrer Nichtigkeit, da die Anfechtung nach dem AnfG kein Gestaltungsrecht ist.254 Vielmehr kann jede Rechts­ handlung angefochten werden, wodurch jedoch nur verhindert werden soll, dass Rechtsnachteile für den Anfechtenden entstehen, ohne ein zu Grunde liegendes Rechtsverhältnis zu beseitigen.255 Die Rechtsnatur der Gläubiger­ anfechtung nach dem AnfG ist generell allerdings umstritten:256 Gemäß der schuldrechtlichen Theorie der noch h. M. soll der Gläubiger durch seine An­ fechtung schließlich nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den An­ 251  Mugdan, Materialien, V. Bd. 1899, S. 278 f.; Helms, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 2344 Rn. 1; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 2344 Rn. 1. 252  Mugdan, Materialien, V. Bd. 1899, S. 277 ff. 253  Kirchhof, in: MüKo AnfG, 1. Auflage 2012, Einf. Rn. 1, 42; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf (Hrsg.), Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Auflage 2016, AnfG Vor. § 1 ff. Rn. 1; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 8. 254  Kirchhof, in: MüKo AnfG, 1. Auflage 2012, Einf. Rn. 42, § 11 Rn. 5; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf (Hrsg.), Gesamtes Recht der Zwangsvollstre­ ckung, 3. Auflage 2016, AnfG Vor. § 1 ff. Rn. 21. 255  Kirchhof, in: MüKo AnfG, 1. Auflage 2012, § 11 Rn. 5. 256  Zur Übersicht siehe Kirchhof, in: MüKo AnfG, 1. Auflage 2012, Einf. Rn. 13 ff.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

fechtungsgegner erhalten.257 Die aufstrebenden haftungsrechtlichen Theorien sehen hingegen eine haftungsrechtliche Unwirksamkeit der Rechtshandlun­ gen, die ansonsten jedoch hinsichtlich ihrer Rechtszuständigkeit und Vermö­ genszuordnung unbeschränkt wirksam bleiben.258 Der Grund für die Abgren­ zung der Vorschriften des AnfG zur Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB und deren unterschiedliche Behandlung ergibt sich aus dem Telos, dass allein eine Befriedigung des Gläubigers durch die Anfechtung angestrebt werden soll, ohne die weiteren rechtlichen Folgen möglicher Rechtshandlungen zu unterbinden und so in erhöhtem Maße die Sicherheit des Rechtsverkehrs zu beeinflussen. d) Anfechtung in der Insolvenzordnung (§§ 129 ff. InsO) Der Gläubiger eines Insolvenzverfahrens kann durch die Anfechtung aus §§ 1 ff. AnfG gegen Rechtshandlungen des Schuldners außerhalb und gemäß §§ 129 ff. InsO gegen Rechtshandlungen des Schuldners innerhalb des Insol­ venzverfahrens vorgehen.259 Die Gläubigeranfechtung in der Insolvenzord­ nung versucht insoweit, ähnlich wie die Anfechtung gemäß §§ 1 ff. AnfG, einen Schutz der Gläubiger zu gewährleisten, zielt darüber hinaus jedoch auf eine Wiederherstellung der Haftungsmasse ab, die allen Alt- und Neugläubi­ gern zugute kommen soll.260 Auch die Rechtsfolgen der Anfechtung sind gemäß § 143 InsO weitreichender als in den §§ 1 ff. AnfG und verlangen unter Anwendung der allgemeinen Vorschriften des BGB die vollständige Rückgewähr des Vermögens in die Insolvenzmasse auf Grundlage eines Rückgewähranspruchs in Form eines schuldrechtlichen Verschaffungsan­ spruchs.261 In Abgrenzung zur Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB kann auf die Ausführungen zum Anfechtungsgesetz verwiesen werden, da trotz der Bemühung die Haftungsmasse zu korrigieren, keine weitergehenden Interes­ sen bestehen. Eine (ex tunc-)Nichtigkeit der vom Schuldner getätigten Rechtshandlungen ist in diesem Sinne aufgrund der Natur des Insolvenz­ 257  BGH, Urteil vom 26. April 1961 – VIII ZR 165/60, NJW 1961, 1463 f.; BGH, Urteil vom 29 April 1986 – IX ZR 163/85, NJW 1986, 2252; Haertlein, in: Kindl/ Meller-Hannich/Wolf (Hrsg.), Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Auf­ lage 2016, AnfG Vor. § 1 ff. Rn. 5. 258  Kirchhof, in: MüKo AnfG, 1. Auflage 2012, Einf. Rn. 21; Haertlein, in: Kindl/ Meller-Hannich/Wolf (Hrsg.), Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Auf­ lage 2016, AnfG Vor. § 1 ff. Rn. 5. 259  Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf (Hrsg.), Gesamtes Recht der Zwangs­ vollstreckung, 3. Auflage 2016, AnfG Vor. § 1 ff. Rn. 2. 260  Schmidt, in: ders. (Hrsg.), InsO, 19. Auflage 2016, § 129 Rn. 1. 261  Schoon, in: Fridgen/Geiwitz/Göpfert (Hrsg.), BeckOK InsO 12.  Edition, 26. April 2018, § 143 Rn. 1; Kirchhof, in: MüKo AnfG, 1. Auflage 2012, Einf. Rn. 9.



A. Grundlagen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB77

verfahrens und der lediglich vermögensrechtlichen Schutzbedürftigkeit eines Gläubigers im Insolvenzverfahren daher nicht notwendig und wäre eine überflüssige Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs. 4. Übertragbarkeit des Anfechtungsrechts Losgelöst, jedoch hinführend zur Frage einer rechtsgeschäftlichen Über­ tragbarkeit, geht ein Anfechtungsrecht nach § 142 Abs. 1 BGB durch Erb­ schaft oder in Fällen der umfassenden Rechtsnachfolge auf die neue Partei über.262 Nach wohl h. L. ist daneben auch die isolierte Übertragbarkeit eines Anfechtungsrechts durch Abtretung gemäß §§ 413, 398 ff. BGB grundsätz­ lich möglich, da das Anfechtungsrecht zwar ein unselbständiges, jedoch ein „vertragsbezogenes“ Gestaltungsrecht ist und daher im Gegensatz zu „forde­ rungsbezogenen“ Gestaltungsrechten nicht nur akzessorisch durch Abtreten der Forderung, sondern selbstständig übertragen werden kann.263 Die Ver­ kehrsfähigkeit verleiht dem Anfechtungsrecht als Beseitigungslösung wil­ lensbedingter Mängel des Erklärenden dabei zugegebenermaßen ein neues/ (weiteres) Gesicht, dem aber weder die Auslegung des § 413 BGB noch ein zwingender Unterschied selbständiger und unselbständiger vertragsbezogener Gestaltungsrechte entgegen steht.264 Unabhängig von einer Übertragbarkeit kann der Ausübung eines Anfech­ tungsrechts jedenfalls nach § 182 Abs. 1 BGB zugestimmt oder diese gemäß § 184 Abs. 1 BGB genehmigt werden.265

IV. Zusammenfassung: Grundlagen Die Regelungen zur Anfechtung sind umfassend ausgestaltet. So richtet sich die Anfechtung des allgemeinen Teils gemäß § 142 Abs. 1 BGB grund­ sätzlich – in Wechselwirkung mit deren Vorschriften – an alle Willenserklä­ 262  Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, § 47 Rn. 714; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 10 m. w. Nw. 263  Vgl. zur isolierten Übertragbarkeit des Rücktrittsrechts BGH, Versäumnisurteil vom 26. Januar 2012 − IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510 (1512); Schürnbrand, Gestal­ tungsrechte als Verfügungsgegenstand, AcP 204 (2004), 177; Roth/Kieninger, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 413 Rn. 12; Busche, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2017, § 413 Rn. 13 f.; Kreße, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 413 Rn. 4; Schreiber, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2010, § 413 Rn. 4; a. A. Wolf/Neuner, Allge­ meiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Auflage 2016, § 41 Rn. 19; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, § 47 Rn. 715; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 11. 264  Roth/Kieninger, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 413 Rn. 11. 265  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 11.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

rungen, die einem Willensmangel unterliegen. Ausnahmen zur Anfechtung sind verfahrenstechnisch, wie bei der Anfechtung der Vaterschaft bzw. des Erbschaftserwerbs oder spezialgesetzlich, wie bei Aufhebung der Ehe gemäß §§ 1313 ff. BGB oder der Adoption gemäß §§ 1759 ff. BGB begründet. Anfechtung und Nichtigkeit sind nicht gleichzusetzen. Die gesetzlichen Nichtigkeitsvorschriften unterscheiden sich insbesondere von der vorerst schwebenden Unwirksamkeit der Willenserklärung und dem Recht zur An­ fechtung. Die Rechtsfolge der Anfechtung wirkt dann jedoch ebenfalls inter omnes und lässt bei der Anfechtung von dinglichen Verträgen die Bedeutung des gutgläubigen Erwerbs Dritter zum Schutze des Rechtsverkehrs erkennen. Die Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung sind ein Anfechtungs­ recht und die fristgerechte Erklärung der Anfechtung. Daneben darf die An­ fechtung als disponible Vorschrift nicht durch Vertrag oder nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausgeschlossen oder durch Mängelgewährleis­ tungsrechte als lex specialis verdrängt sein. Ein genereller Vorrang vertrags­ gesetzlich speziell geregelter Vorschriften zur Anfechtung ist jedoch nicht anzunehmen. Die klassisch genannten Anfechtungsrechte finden sich im allgemeinen Teil gemäß §§ 119 ff. BGB. Daneben sind auch außerhalb des allgemeinen Teils Rechte vorhanden, die eine Anfechtung von Leistungsbestimmungen (§ 318 BGB), Erbschaftsannahmen/-ausschlagungen (§§ 1954 ff. BGB), letzt­ willige Verfügungen (§§ 2078 ff. BGB), Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten (§§ 2281  ff. BGB) sowie Pflichteilsausschlagungen (§ 2308 BGB) begründen. Anfechtungsrechte, die nicht in den Anwendungsbereich der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB fallen, sind die Vaterschaftsanfech­ tung, die Anfechtung eines Erbschaftserwerbs und die Anfechtungsmöglich­ keiten nach dem Anfechtungsgesetz bzw. der Insolvenzordnung. Ist ein Recht zur Anfechtung vorhanden, kann dieses auch gemäß §§ 413, 398 ff. BGB übertragen werden.

B. Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB I. Vernichtung der Willenserklärung ex tunc 1. Grundbefund: Ex tunc-Nichtigkeit bei Willensmängeln Orientiert am Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB, kann die Wirkung der An­ fechtung eines Rechtsgeschäfts schmeichelnd als Fiktion der rückwirkenden Beseitigung des Mangels einer Willenserklärung beschrieben werden, der in der Abweichung von Wille und Erklärung liegt.266 Die betroffene Willenser­ klärung wird dabei in Wahrheit jedoch ersatzlos ex tunc beseitigt, ohne die



B. Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB79

wirklich gewollte Erklärung hilfsweise zur Verfügung zu stellen.267 Die rück­ wirkende Beseitigung scheint insoweit vom Gesetzgeber unter den weiteren Alternativen einer rechtsunsicheren vertragserhaltenden Korrektur und einer unvollständigen rein zukünftigen Aufhebung ex nunc als konsequent klare Rechtsfolge gewählt worden zu sein. Für den Rechtsverkehr entsteht dadurch ein Zustand als wäre die Willenserklärung nicht erklärt, das Rechtsgeschäft mithin niemals vorgenommen worden.268 Diese Wirkung entfaltet sich bei ein­ seitigen Willenserklärungen unmittelbar; bei Verträgen kommt es zu einer mit­ telbaren Wirkung der ex tunc-Nichtigkeit, dessen dogmatische Unterschei­ dung im Ergebnis jedoch nicht spürbar ist.269 Ist eine Willenserklärung ange­ fochten worden, kann die Anfechtung durch den Anfechtungsberechtigten nicht mehr durch Rücknahme der Anfechtungserklärung aufgehoben werden, und auch ein Einverständnis beider Parteien über die Wirksamkeit der Wil­ lenserklärung macht die Anfechtung nicht rückgängig.270 Die Parteien haben insoweit nur die Möglichkeit, das nichtige Rechtsgeschäft gemäß § 141 Abs. 1 BGB zu bestätigen, was sich, abgesehen von der Zweifelsregelung in § 141 Abs. 2 BGB, dogmatisch jedoch von einer Neuvornahme des Rechtsgeschäfts nicht unterscheidet.271 Die Vorschrift des § 141 Abs. 1 BGB dient der Erleich­ terung; so ist für eine erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts ein konkludentes Verhalten unter Kenntnis der bisherigen Geschäftsgrundlagen ausreichend.272 Durch die Anfechtung der Willenserklärung eines vertraglichen Verpflich­ tungsgeschäfts kommt es grundsätzlich zu keiner gleichzeitigen Beseitigung der Willenserklärung eines damit verbundenen Erfüllungsgeschäfts; das Trennungs- und Abstraktionsprinzip wird von der Rechtsfolge der Anfech­ tung nach § 142 Abs. 1 BGB nicht durchbrochen.273 Unterliegen die Willens­ 266  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 1; Mankowski, Beseiti­ gungsrechte, 2003, S. 31 f. 267  BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – IV ZR 140/08, NJW 2010, 289 (290); Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 142 Rn. 2; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 15. 268  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 1; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auf­ lage 2016, § 22 Rn. 916; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 31 f. 269  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 15. 270  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 8. 271  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 8. 272  BGH, Urteil vom 23. November 1967 – II ZR 199/66, BeckRS 1967, 31169191; BGH, Urteil vom 6. Mai 1982 – III ZR 11/81, NJW 1982, 1981; BGH, Urteil vom 3. November 1953 – I ZR 155/52, NJW 1954, 549 (550); Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 141 Rn. 1, 12 f. 273  Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 5; Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 142 Rn. 5; Feuerborn, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 142 Rn. 12; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 15.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

erklärungen einer Partei aus Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft dem gleichen Willensmangel (Fehleridentität), kann im Wege laiengünstiger Aus­ legung der Anfechtungserklärung aber eine Anfechtung beider Willenserklä­ rungen angenommen werden.274 2. Ausnahmen: Ex nunc-Nichtigkeit bei Willensmängeln im Familienrecht Wie einleitend bereits beschrieben, durchbricht die Rechtsprechung für bestimmte Fälle der Anfechtung die rückwirkende Nichtigkeit einer Willens­ erklärung nach § 142 Abs. 1 BGB.275 Der Gesetzgeber trifft im Anfechtungs­ recht gemäß dem Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB selbst keine Ausnahmerege­ lung, lässt durch die isolierte Behandlung familiärer Rechtsverhältnisse in den §§ 1313 ff. BGB, §§ 1759 ff. BGB und einer „nur“ ex nunc für die Zu­ kunft wirkenden Rechtsfolge aber erkennen, dass nicht bei allen Rechtsver­ hältnissen ein Willensmangel zur rückwirkenden Nichtigkeit führen soll.276 a) Aufhebung der Ehe (§§ 1313 ff. BGB) Das am 1. Juli 1998 außer Kraft getretene Ehegesetz (EheG)277 sah als Rechtsfolge für die Beseitigung von Willensmängeln bei der Eheschließung, sowohl die rückwirkende „Nichtigkeit der Ehe“ gemäß §§ 16 ff. EheG, als auch die nur auflösend wirkende „Aufhebung der Ehe“ in den §§ 28 ff. EheG vor.278 Bei der Zurückführung des Eheschließungsrechts in das BGB durch das Gesetz zur Neuregelung des Eheschließungsrechts (Eheschließungs­ rechtsgesetz) wurde in den §§ 1313 ff. BGB dann auf das Institut der Ehe­ 274  Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 142 Rn. 5; Feuerborn, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 142 Rn. 14. 275  Grundsatzentscheidung für Arbeitsverträge des BAG, Urteil vom 5. Dezember 1957 – 1 AZR 594/56, NJW 1958, 516; BAG, Urteil vom 15. November 1957, NJW 1958, 397. Darauf aufbauende Urteile des BAG, Urteil vom 16. September 1982 – 2 AZR 228/80, NJW 1984, 446; BAG, Urteil vom 29. August 1984 – 7 AZR 34/83, NJW 1985, 646. Für Gesellschaftsverträge BGH, Urteil vom 24. Oktober 1951 – II ZR 18/51, NJW 952, 97; zusammenfassende Rspr.-Übersicht bei Goette, Fehlerhafte Personengesellschaftsverhältnisse in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs, DStR 1996, 266. 276  Hahn, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 1313 Rn. 7; Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1313 Rn. 1, 9. 277  Ehegesetz (EheG) vom 6. Juli 1938, RGBl. S. 807, zuletzt geändert durch Ge­ setz vom 16. Dezember 1997, BGBl. I S. 2942, 2965, außer Kraft getreten durch Gesetz vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 833, 841. 278  Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1313 Rn. 1. Zur Nichtigkeit vgl. auch Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 463.



B. Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB81

nichtigkeit verzichtet, mit der Folge, dass Willensmängel bei der Eheschlie­ ßung nur noch durch Aufhebung der Ehe und damit ex nunc ab dem Zeit­ punkt der formellen Rechtskraft der Aufhebungsentscheidung (§ 1313 Satz 2 BGB) für die Zukunft beseitigt werden konnten.279 Der Gesetzesentwurf war um eine Vereinheitlichung rechtsfehlerhafter Eheschließungen bemüht, da die Nichtigkeit der Ehe in den §§ 16 ff. EheG bereits durch zahlreiche Ausnah­ men durchbrochen war, wie der Ehelichkeit der Kinder gemäß § 1591 Abs. 1 Satz 1 BGB aF oder der vermögensrechtlichen Folgen in § 26 EheG, und daher durch die Möglichkeit einer nur für die Zukunft wirkenden Aufhebung ersetzt werden sollte.280 Die wenigen praktischen Auswirkungen der Verein­ heitlichung im Erb- und Familienrecht wurden dabei bewusst nicht als Aus­ nahmen aufgeführt, sondern folgen der Annahme, dass „der gelebten Ehe dort eine rechtliche Anerkennung nicht rückwirkend versagt werden sollte, wo dies nach geltendem Recht noch der Fall ist“.281 So seien die gesetzlichen Regelungen zum Erbrecht des Ehegatten näher am mutmaßlichen Erblasser­ willen und würden über die Pauschalierung des § 1371 BGB güterrechtliche Auseinandersetzungen des Ehegatten mit anderen Erben vermeiden; ebenso könne im Namensrecht durch die Fortführung des Ehenamens im Fall der Aufhebung, im Gegensatz zum Verlust des Ehenamens in früheren Fällen der Nichtigkeit, eine namensrechtliche Kontinuität geschaffen und die nur einsei­ tig wirkende Namenswechselpflicht vermieden werden.282 Eine bloße Wirkung der Nichtigkeit für die Zukunft führt bis zum Zeit­ punkt der gerichtlichen Aufhebung, im Gegenzug jedoch auch zu einer rechtlich temporären Anerkennung der Doppelehe (§ 1306 BGB) und Ver­ wandtenehe (§ 1307 BGB), was dem Drang nach Vereinheitlichung doch sehr schwerwiegend gegenüber stehen dürfte.283 Gemäß §§ 172, 173 StGB strafrechtlich verfolgtes Verhalten bleibt dadurch zivilrechtlich zu Teilen ­unantastbar zurück.284 Insoweit ist jeder Ehegatte, auch wenn er die Pflicht nach § 1313 Abs. 1 Satz 2 BGB als Aufhebungsberechtigter zum Schutze eigener Interessen in bestimmten Fällen verweigern darf, dem anderen Teil 279  Henrich, in: Johannsen/ders. (Hrsg.), Familienrecht, 6. Auflage 2015, § 1313 Rn. 1; Heintzmann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2013, § 1313 Rn. 1; Voppel, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, § 1313 Rn. 26. 280  BT-Drs. 13/4898, S. 13 f., 17 f.; Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, §  1313 Rn.  1 m. w. Nw. 281  BT-Drs. 13/4898, S. 18. 282  BT-Drs. 13/4898, S. 18. 283  Bosch, Neuordnung oder nur Teilreform des Eheschließungsrechts?, NJW 1998, 2004 (2010); Voppel, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Vor. §§ 1313 ff. Rn. 17, § 1313 Rn. 4 m. w. Nw. 284  Bosch, Neuordnung oder nur Teilreform des Eheschließungsrechts?, NJW 1998, 2004 (2010).

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für die Zeit während der aufhebbaren Ehe unterhaltsrechtlich verantwort­ lich.285 Eine Rechtfertigung dieser Konsequenzen durch den zur ex nunc-Nichtig­ keit zwingenden Dauerschuldcharakter der Ehe wird in der Gesetzesbegrün­ dung selbst nicht ausdrücklich geführt und lässt sich auch aus den einzelnen erb- und familienrechtlich spezifischen Folgeargumenten nicht erschließen. Richtet man den Blick auf die der Gesetzgebung vorausgegangenen Ausnah­ men zur Abschaffung der Ehenichtigkeit als Grundursache der Rechtsfolgen­ änderung der Nichtigkeit, so stellt man vielmehr fest, dass beispielhaft bei § 1591 Abs. 1 Satz 1 BGB aF ein Schutz der Ehelichkeit des Kindes erreicht werden sollte und bei § 26 EheG und der differenzierenden aktuellen Fas­ sung des § 1318 BGB der Gesetzgeber den vermögensrechtlichen Schutz ei­ nes Ehegatten und der Kinder im Sinn hatte.286 Da es sich dabei in erster Linie um ehe- und familienspezifische Bedürfnisse handelt und bei der An­ wendung von Scheidungsvorschriften losgelöst von einer „ex tunc oder ex nunc-Diskussion“ besondere Rechtsfolgen für notwendig erachtet werden, kann dies im Äußersten zu der Schlussfolgerung führen, dass bei Dauer­ schuldverhältnissen eine besondere Schutzbedürftigkeit der Parteien entste­ hen kann, ohne dies jedoch als generelle Erwartung zu formulieren. Zurück bleibt daher lediglich eine Rechtsfolgenkongruenz der Gesetzesregelung zur Rechtsprechung der Gerichte bei der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB im Arbeits- und Gesellschaftsrecht.287 b) Aufhebung der Annahme als Kind (§§ 1759 ff. BGB) Die Aufhebung des Annahmeverhältnisses wirkt gemäß § 1764 Abs. 1 Satz 1 BGB nur für die Zukunft.288 Abgesehen von dem in § 1766 BGB be­ schriebenen Fall der Aufhebung durch Gesetz, erfolgt die Aufhebung dabei immer durch Entscheidung des Vormundschaftsgerichts als actus contrarius zum Adoptionsbeschluss.289 Die ex nunc-Wirkung gilt auch für bereits an­ fänglich mangelhafte Annahmeverhältnisse. Eine Rückwirkungsfiktion kennt 285  BayObLG München, Urteil vom 15. Dezember 1948 – RevReg. I 73/48, NJW 1949, 221; Heintzmann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2013, § 1313 Rn. 2, 5, 7; Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1313 Rn. 9; Voppel, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, § 1313 Rn. 7 ff.; Finger, in: NK BGB, 3. Auflage 2014, § 1313 Rn. 5. 286  BT-Drs. 13/9416, S. 28; Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1318 Rn. 1. 287  A. A. Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1313 Rn. 1; Voppel, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Vor. §§ 1313 ff. Rn. 17. 288  Siehe aber auch Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 463. 289  Liermann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2000, § 1759 Rn. 1.



B. Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB83

das Gesetz in § 1764 Abs. 1 Satz 2 BGB nur für Anträge, die nach Tod des Annehmenden oder des Kindes ergehen und vor Todeszeitpunkt zurückwir­ ken sollen, ohne aber eine ex tunc-Nichtigkeit ähnlich des § 142 Abs. 1 BGB zu entfalten. Hauptgrund für die Beschränkung der Nichtigkeit des Annah­ meverhältnisses ex nunc bei mit der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB vergleichbar fehlerhaften Erklärungen ist die Zusammenführung von anfäng­ lichen Mängeln und solchen, die sich erst im Laufe des Annahmeverhältnis­ ses ergeben, unter ein gemeinsames Instrument der Aufhebung.290 Dass sich eine Unterscheidung nicht empfiehlt, liegt an der Tatsache, dass auch bei einer Aufhebbarkeit aufgrund anfänglichen Erklärungsdefizits eine schutz­ würdige Eltern-Kind-Beziehung entstanden sein wird.291 Außerdem konnte nur so, zum Schutz des Kindes, die vertragliche Natur des Annahmeverhält­ nisses mit seinen allgemeinen Bestandsrisiken im Sinne der Volladoption gezielt in seiner Aufhebbarkeit reguliert und ein rechtlich angemessener Be­ standschutz der Familienverhältnisse erreicht werden.292 Dass sich in diesem Fall anfängliche Erklärungsmängel einer ex nunc-Nichtigkeit als Wirkung der Aufhebbarkeit in der Folge unterwerfen und es nicht zu einer gemein­ samen ex tunc-Rechtsfolge kommt, ist aufgrund der sensiblen Regelungsma­ terie naheliegend und führt zumindest für die Vergangenheit in jedem Fall zu rechtssicheren familiären Verhältnissen. Weiterer Vorteil der ex nunc wirken­ den Aufhebung ist unbestritten, dass mangels Rückwirkung adoptionsbe­ dingte Rechtsänderungen nicht umständlich angepasst werden müssen.293 Der Gesetzgeber selbst erwähnt dies jedoch an keiner Stelle in seiner Geset­ zesbegründung und beruft sich ausschließlich auf den oben ausgeführten Kindsschutz und den vermögensrechtlichen Verkehr mit Dritten.294 Die Tat­ sache, dass eine Rückabwicklung vermieden wird, ist eher mittelbare Be­ gleiterscheinung als ein echtes Motiv und ist nicht in der Lage, der Gesetz­ gebung eine besonders gelagerte Rückabwicklung der Dauerschuldverhält­ nisse zugrunde zu legen.

II. Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 BGB) Keine allgemeine Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB, aber eine Konse­ quenz der Anfechtung aus Gründen der §§ 119, 120 BGB, ist die gesetzliche Pflicht des Anfechtenden gemäß § 122 BGB Ersatz des Schadens zu leisten, 290  Maurer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1764 Rn. 1. in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1764 Rn. 1. 292  BT-Drs. 7/3061, S. 1, 26; Frank, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 1759 Rn. 2. 293  Liermann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2000, § 1764 Rn. 1. 294  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 463; BT-Drs. 7/3061, S. 1, 26. 291  Maurer,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

den der Anfechtungsgegner dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut hat. Zur Wahrung der Interessen des Anfechtungs­ gegners trifft den Anfechtenden dabei eine verschuldensunabhängige Ver­ trauenshaftung, die nur ausgeschlossen ist, wenn der Beschädigte den Grund der Anfechtbarkeit kannte oder in Folge von Fahrlässigkeit nicht kannte.295 Der Anwendungsbereich einer solchen Schadensersatzpflicht wird im Wortlaut der Norm auf die Fälle der Nichtigkeit nach § 118 BGB und der Anfechtung aufgrund §§ 119, 120 BGB beschränkt. Daneben normiert § 122 BGB einen allgemeinen Rechtsgedanken, der im Zusammenspiel mit dem Zurechnungsgrundsatz der Eigenverantwortlichkeit von Mängeln aus der Risikosphäre des Erklärenden zu einer analogen Anwendung der Schadens­ ersatzvorschrift führen kann.296 Wird aus Gründen des § 123 BGB angefoch­ ten, scheidet ein analoger Schadensersatzanspruch mangels vergleichbarer Interessenlage aufgrund fehlender Schutzwürdigkeit des Anfechtungsgegners, der auf den Willensmangel des Anfechtenden gerade hingewirkt hat, klar aus. Anders zu beurteilen ist dies beispielsweise in Fällen der abhanden gekom­ men Willenserklärung, die einen mutmaßlichen Vertragspartner erreicht, in Fällen der enttäuschten und von der anderen Partei begründeten sicheren Erwartung eines Vertragsschlusses oder auch im Falle des fehlenden Erklä­ rungsbewusstseins, wenn man der hier nicht vertretenen Ausfassung folgt und das Erklärungsbewusstsein als konstitutiv für eine Willenserklärung an­ sieht.297 Da die Norm des § 122 BGB auf den Vertrauensschutz abzielt, ist die Höhe des Schadensersatzes grundsätzlich auf das negative Interesse des An­ fechtungsgegners beschränkt.298 Aufwendungen im Vertrauen auf die Wil­ lenserklärung sollen ersetzt und grundsätzlich der Zustand erreicht werden, der vorliegen würde, hätte der Geschädigte nicht auf die Willenserklärung des Anfechtenden vertraut und sein Verhalten nicht danach gerichtet.299 Hätte ein lukrativeres Angebot angenommen werden können und wird dessen ent­ gangener Gewinn eingefordert, formuliert § 122 Abs. 1 a. E. BGB als Ober­ 295  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 720; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auf­ lage 2018, § 122 Rn. 3; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auf­ lage 2016, § 22 Rn. 932. 296  Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 3. 297  Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 122 Rn. 3; mit weiteren Beispie­ len vgl. Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 5 ff. 298  Feuerborn, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 122 Rn. 9; Wendtland, in: Bam­ berger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 122 Rn. 7. 299  RG, Urteil vom 15. Januar 1943 – VII 104/42, RGZ 170, 281 (284); BGH, Urteil vom 17. April 1984 – VI ZR 191/82, NJW 1984, 1950 f.; Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 122 Rn. 5.



B. Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB85

grenze des Schadensersatzes das ursprüngliche Erfüllungsinteresse.300 Ein Schadensersatz, der in diesen Fällen über das positive Interesse hinausgeht, wäre nicht mehr interessengerecht und für den Anfechtungsgegner vielmehr als ein glücklicher Zufall zu bewerten. Neben der Pflicht auf Schadensersatz kann der Anfechtungsgegner über § 122 BGB auch bereits erbrachte Leistungen zurückfordern, mithin neben den §§ 812 ff. BGB eine Rückabwicklung seiner Leistungen erwirken.301 Dies hat den entscheidenden Vorteil, dass dem anfechtenden Vertragspartner die kondiktionsrechtliche Möglichkeit der Berufung auf Entreicherung ge­ mäß § 818 Abs. 3 BGB fehlt und dadurch mitunter auf diesen das Risiko der zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs des Geleisteten übertragen wird.302

III. Culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) Ein Anspruch des Anfechtungsgegners auf Ersatz von Schäden, die im Ver­ trauen auf die Gültigkeit der Willenserklärungen entstanden sind, kann sich in Fällen der Anfechtung neben § 122 BGB auch aus der c.i.c. gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB ergeben, wenn es durch die Willensman­ gel behaftete Erklärung des Anfechtenden zu einer schuldhaften Verletzung der vorvertraglichen Sorgfaltspflichten kommt.303 Aufgrund der unterschiedli­ chen Voraussetzungen und Zielrichtung stehen nach h. M. die Ansprüche aus § 122 BGB und der c.i.c. konkurrierend nebeneinander, wobei ein Ersatzan­ spruch aus c.i.c. grundsätzlich nur bei der Anfechtung von Willenserklärungen in Betracht kommt, die auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet waren, während bei § 122 BGB ein solcher Vertrag bereits geschlossen wurde.304 Bei 300  Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Auflage 2016, § 48 Rn. 784; Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 122 Rn. 8; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 19. 301  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 21, 7; so auch Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 122 Rn. 6; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 18; Singer, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2017, § 122 Rn. 13. 302  Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 122 Rn. 6; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 21, 7; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 18; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 122 Rn. 13. 303  Arnold, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 122 Rn. 11; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 122 Rn. 5. 304  AG Lahr, Urteil vom 21. Dezember 2004 – 5 C 245/04, NJW 2005, 991 (992); Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 13; Feuerborn, in: NK

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

einem nach § 122 Abs. 2 BGB ausgeschlossenen Anspruch des Anfechtungs­ gegners kann daher trotzdem ein lediglich durch § 254 Abs. 1 BGB verkürzter Schadensersatzanspruch bestehen, der grundsätzlich nicht durch das positive Interesse analog § 122 Abs. 1 a. E. BGB begrenzt wird.305 Da ein Verschulden des Anfechtenden bei Irrtümern der §§ 119, 120 BGB fast immer vorliegen wird, muss ein Durchgreifen der, die Schadensersatzpflicht auf das Erfül­ lungsinteresse begrenzenden Regelung des § 122 Abs. 1 a. E. BGB jedoch dann angenommen werden, soweit sich § 122 BGB und die c.i.c. in ihrem Schutzbereich überschneiden und die Gefahr einer Umgehung der Schutzvor­ schrift des Anfechtenden besteht.306 Anzunehmen ist dies bei allen Schäden, die aufgrund des Vertrauens in die Willenserklärung entstanden sind, abzuleh­ nen bei Schäden des Integritätsinteresses oder wenn der Vertrag selbst vom Anfechtungsgegner als verschuldeter Schaden angesehen wird und aufgeho­ ben werden soll.307 Als Konsequenz der Anfechtbarkeit kann sich ein Anspruch aus c.i.c. um­ gekehrt genauso auch auf Seiten des Anfechtenden selbst ergeben, wenn dieser i. R.d. § 123 BGB getäuscht oder bedroht wurde. Wie im Rahmen der ebenfalls auftretenden deliktischen konkurrierenden Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, § 240 StGB oder § 826 BGB kann dabei der Schadensersatzanspruch auch auf Vertragsaufhebung gerichtet sein.308

IV. Zusammenfassung: Rechtsfolge Die Rechtsfolge der Anfechtung ist die ersatzlose ex tunc-Beseitigung der Willenserklärung. Durch die klare Rechtsfolge hat der Gesetzgeber Rechts­ sicherheit schaffen wollen. Auch hier ist aber entscheidend das Trennungsund Abstraktionsprinzip zu beachten. Im Bereich der Ehe gemäß §§ 1313 ff. BGB wirkt die Aufhebung dagegen nur für die Zukunft, was weder unumstritten, noch mit dem Dauerschuld­ charakter der Ehe zu begründen ist, sondern aus dem Drang der Vereinheit­ BGB, 3. Auflage 2016, § 122 Rn. 9; Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, §  122 Rn.  20 m. w. Nw. 305  RG, Urteil vom 22. Juni 1936 – IV 75/36, RGZ 151, 357 (359 f.); AG Lahr, Urteil vom 21. Dezember 2004 – 5 C 245/04, NJW 2005, 991 (992); Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 13. 306  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 122 Rn. 20; Wolf/Neuner, Allge­ meiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Auflage 2016, § 41 Rn. 158; a. A. h. M. vgl. RG, Urteil vom 22. Juni 1936 – IV 75/36, RGZ 151, 357 (359 f.); AG Lahr, Urteil vom 21. Dezember 2004 – 5 C 245/04, NJW 2005, 991 (992); Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 122 Rn. 13. 307  Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 122 Rn. 21. 308  Vgl. Kapitel 1 A. II. 1. b).



C. Die Funktion der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB87

lichung der Vorschriften zu rechtsfehlerhaften Eheschließungen und ver­ schiedenen ehe- und familienspezifischen Bedürfnissen heraus geboren wurde. Eine ex nunc-Rechtsfolge findet sich auch bei der Aufhebung der Adoption gemäß § 1759 ff. BGB. Begründet wird dies mit dem Schutz der Eltern-Kind-Beziehung, der Rechtssicherheit familiärer Verhältnisse sowie dem Vermögensschutz Dritter. Allgemeine Kriterien für den Ausschluss der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB bei Dauerschuldverhältnissen lassen sich daraus nicht konstruieren. Der Ersatz des Vertrauensschadens gemäß § 122 BGB ist ein Schutzinstru­ ment der Anfechtung, um den Interessen der Parteien im Einzelfall durch Schadensersatzansprüche entsprechen zu können. Der Schadensersatz ist auf den Vertrauensschaden begrenzt, kann aber auch auf die Rückabwicklung der Leistungen gerichtet sein. Bei Willenserklärungen, die auf einen Vertragsschluss abzielen, entsteht meist auch ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, der konkurrierend neben § 122 BGB besteht und in Fällen des § 123 BGB auch den Anfechtenden selbst schützt.

C. Die Funktion der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB im Gesamtbild der Beendigungsmechanismen des BGB Das BGB kennt mit den Vorschriften der Anfechtung in § 142 Abs. 1 BGB, den Aufhebungsregelungen der §§ 1313 ff., 1759 ff. BGB, dem Wegfall der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB, dem Rücktritt gemäß §§ 323 f. BGB und den Kündigungsvorschriften in den §§ 314, 542 f., 569, 573 ff., 621 ff., 723 BGB verschiedene Möglichkeiten, ein Rechtsverhältnis aus unterschied­ lichen Gründen zu beenden. Der Gesetzgeber entwickelte dabei für Dauer­ schuldverhältnisse durch die Kündigungsvorschriften ein scheinbar pass­ gerechtes Pendant zum Rücktritt, das bewusst aufgrund der Besonderheit der Dauerschuldverhältnisse entstand und auch nur zu einer ex nunc-Beendigung des Schuldverhältnisses führt.309 Der selbe Gedanke des Gesetzgebers scheint sich auch in § 313 Abs. 1 BGB, bei der Veränderung von Umständen, die Grundlage des Vertrags geworden sind bzw. beim beiderseitigen Irrtum nach § 313 Abs. 2 BGB im Rahmen der Rechtsfolge gemäß dem Wortlaut des § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB, wieder zu spiegeln, in der eine Abgrenzung von Dauerschuldverhältnissen erfolgt. Bei der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB geschieht dies erwähntermaßen nicht.310 Im Sinne einer Differenzie­ 309  BT-Drs. 14/6040, S. 176 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 21. Auflage 2015, § 45 Rn. 588. 310  Vgl. Einleitung I.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

rung kann man zwar die separat geregelten Aufhebungsrechte zur Ehe und Adoption anführen, die sich aus zur Anfechtung vergleichbaren Willensmän­ geln ergeben, eine interne kategorische Unterscheidung fehlt allerdings. Die Motivation des Gesetzgebers § 142 Abs. 1 BGB in der Rechtsfolge einheit­ lich zu regeln, ergibt sich dabei nicht nur aus den Besonderheiten der von § 142 Abs. 1 BGB abweichenden Regelungen in den §§ 1313 ff., 1759 ff. BGB, sondern ist auch Folge der Funktion und Eigenheit der Anfechtung selbst in Abgrenzung zu den genannten Beendigungsinstrumenten, wobei auch in deren Zusammenhang spezifisch dauerschuldrechtliche Regelungen nicht vorschnell in ihrem Sinngehalt reduziert werden sollten.

I. Rücktritt und Kündigung (§§ 323 f. BGB; 314 BGB; 540 BGB; 542 f. BGB; 569 BGB; 573 ff. BGB; 621 ff. BGB; 723 BGB) Die gesetzliche Rücktrittsvorschrift in § 323 BGB ermöglicht es einer Partei bei Nicht-Leistung oder nicht vertragsgemäßer Leistung den Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen aufheben zu lassen und zwar auch dann, wenn eine Leistung des Vertragspartners noch möglich ist, grundsätzlich also das Interesse an der Leistung noch mit Hilfe des Leistungsanspruchs im Wege einer Leistungsklage durchsetzbar wäre.311 Anders als bei der Anfech­ tung aus § 142 Abs. 1 BGB wird durch die Ausübung des Rücktritts das Schuldverhältnis jedoch nicht ex tunc beseitigt, sondern in ein Rückgewähr­ schuldverhältnis umgewandelt, auf deren Grundlage gemäß § 346 BGB emp­ fangene Leistungen der Vertragspartner zurückgewährt und Nutzungen he­ rausgegeben werden müssen.312 Als Beendigungsmechanismus des Leis­ tungsstörungsrechts kann dazu passend auch das Kündigungsrecht für Dauer­ schuldverhältnisse in den Vorschriften der §§ 314, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 3, 573 Abs. 2 Nr. 1, 626, 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BGB verstanden werden, die eine Vertragsstörung durch einen Vertragspartner in dessen Risikobereich als „wichtigen Grund“ oder „berechtigtes Interesse“ zur Kündigung des anderen Teils erfassen.313 Daneben besteht in § 324 BGB ein Rücktrittsrecht bei der 311  Schwarze, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 323 Rn. A8; Ernst, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 323 Rn. 1. 312  Schmidt, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 323 Rn. 39; Ernst, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 323 Rn. 196; Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 346 Rn. 1. 313  BGH, Urteil vom 27. März 1991 – IV ZR 130/90, NJW 1991, 1828 (1829); BGH, Urteil vom 7. März 2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021 (2022); Lorenz, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 314 Rn. 8 ff.; Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 11; Henssler, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 626 Rn. 108, 128 ff.



C. Die Funktion der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB89

Verletzung einer Schutz- oder Rücksichtnahmepflicht zugunsten des Integri­ tätsinteresses in § 241 Abs. 2 BGB, wenn in der Folge dem Betroffenen ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist.314 Dies ist der Fall, wenn das Vertrauen zwischen den Vertragspartnern durch eine Partei schwerwiegend gestört oder verstört wurde; anzunehmen beispielweise bei strafwürdigem oder schwer rücksichtslosem Verhalten und auch bei eklatanten Störungen im Verlauf der Leistungserbringung.315 Ähnliche Regelungen finden sich für Dauerschuldverhältnisse wiederum in den Kündigungsnormen der §§ 314, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 573 Abs. 2 Nr. 1, 626 f. BGB, die zu Teilen bereits auch im Wortlaut dem Anwendungsbereich des § 324 BGB entsprechen. Dass der Gesetzgeber im Rahmen des Rücktritts sowohl im besonderen Teil der Schuldverhältnisse als auch im allgemeinen Teil durch die Kündi­ gung bewusst auf das Spezifikum Dauerschuldverhältnis reagiert hat, soll jedoch nicht zur Annahme führen, Rücktritt und Kündigung ständen sich funktional und methodisch vollständig deckungsgleich gegenüber und knüpf­ ten nur an unterschiedlichen Vertragsarten an.316 So ist beim mietrechtlichen Schuldverhältnis gemäß § 535 BGB bis zur Überlassung der Mietsache i. S. d. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Rücktritt nach § 323 BGB möglich und auch bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen schließt die Anwendbar­ keit der allgemeinen Kündigungsvorschrift des § 314 BGB den Rücktritt nach § 324 BGB nicht aufgrund von Spezialität aus.317 Auch ist die Kündi­ gung beispielsweise gar nicht in der Lage, Schlecht- oder Nichtleistungen bei erbrachter synallagmatischer Gegenleistung entsprechend abzuwickeln.318 Die Kündigung hat somit nicht die Funktion, den Rücktritt zu ersetzen, son­ dern einen dem Rücktritt vergleichbaren Schutz auf die dauerhafte schuld­ rechtliche Beziehung zu übertragen, wodurch die einzelnen Parteien auch auf später entstandene Vertrauensbrüche und Leistungsstörungen reagieren kön­ nen.319 Dass eine Beendigung in solchen Fällen dann nur ex nunc erfolgt, hat auch nichts mit einer übermäßigen Rückabwicklungsproblematik zu tun, sondern mit der Tatsache, dass die Kündigungsgründe erst mit der Zeit ent­

314  Schwarze,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 324 Rn. 1. in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 324 Rn. 12. 316  BT-Drs. 14/6040, S. 176 f.; Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Ge­ schäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (421  f.); a.  A. BGH, Urteil vom 21. Novem­ ber 1968 – VII ZR 89/66, NJW 1969, 233; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Um­ gestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 23. 317  Ernst, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 324 Rn. 3; Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 3. 318  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (422). 319  BT-Drs. 14/6040, S. 176 f. 315  Ernst,

90

Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

standen sind und sich daher auch nur ab diesem Zeitpunkt auf die Zukunft der schuldrechtlichen Beziehung auswirken.320

II. Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ist gegeben, wenn vertragsgrundle­ gende Umstände, die aber selbst nicht – auch nicht stillschweigend – Ver­ tragsinhalt geworden sind, sich nach Vertragsschluss gemäß § 313 Abs. 1 BGB schwerwiegend verändert haben oder den Parteien gemäß § 313 Abs. 2 BGB Fehlvorstellungen über solch vertragswesentliche Umstände unterlau­ fen sind.321 Ist in diesen Fällen aus konkret normativer Sicht einem Vertrags­ partner unter Berücksichtigung der gesetzlichen Risikoverteilung und ver­ traglichen Risikozuweisung ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar, so steht ihm das Recht auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB und wenn dies nicht möglich oder gleichwohl nicht zumutbar ist hilfsweise auf Rücktritt laut § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB bzw. bei Dauerschuldverhältnissen auf Kündigung nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB zu.322 Die Vertragsaufhebung durch Kündigung ist aufgrund ihrer ex nunc-Wirkung für den Betroffenen jedoch mit der Unsicherheit verbunden, dass bei gescheiterter Vertragsanpas­ sung für die Zeit bis zur gestaltungsrechtlichen Kündigungserklärung die Rechtsfolgen des Vertrags bestehen bleiben.323 Um diese, durch die Kodifi­ kation des § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB entstandene Schwäche auszugleichen, könnte man in Ausnahme zur Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrech­ ten zulassen, dass die Kündigung auch hilfsweise erklärt werden kann oder dass ein Rücktritt auch bei Dauerschuldverhältnissen möglich ist, wenn es mit Blick auf die Parteien interessengerechter erscheint.324 In beiden Varian­ ten kommt es dabei jedenfalls zu einer (teilweisen) Rückabwicklung der Leistungen. Dass solche Lösungen als parteigerechter empfunden werden und auch bei einer rückwirkenden Anpassung von Verträgen nach § 313 320  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (421 f.); Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsver­ hältnissen, 1948, S. 23. 321  Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 1; Stadler, in: Jauer­ nig BGB, 17. Auflage 2018, § 313 Rn. 3. 322  Horn, Vertragsdauer. Die Vertragsdauer als schuldrechtliches Regelungspro­ blem, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbei­ tung des Schuldrechts, Bd. I, 1981, S. 515 (579); Krebs/Jung, in: NK BGB, 3. Auf­ lage 2016, § 313 Rn. 68, 112. 323  Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 121. 324  BGH, Urteil vom 25. März 1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004 (2006); Ernst, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 323 Rn. 1; Gsell, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2005, § 323 Rn. 9; Finkenauer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 121.



C. Die Funktion der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB91

Abs. 1 BGB nicht zwischen punktuellen und auf Dauer vereinbarten Schuld­ verhältnissen unterschieden wird, zeigt, dass der Dauerschuldcharakter eines Schuldverhältnisses nicht per se zur ex nunc-Beseitigung verpflichten kann, sondern auch hier vielmehr der Gesetzeswortlaut die strengste Vorgabe stellt.325 Die Kodifikation der Kündigung in § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB ist insofern auch beim Wegfall der Geschäftsgrundlage kein Ergebnis der Un­ vereinbarkeit von Dauerschuldverhältnissen mit den Beendigungsinstrumen­ ten punktueller Schuldverhältnisse, sondern in Anlehnung an § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB die Lösung für Fälle, in denen ein vertragsgrundlegender Um­ stand während der Laufzeit des Vertrags dessen Fortsetzung für eine Partei (nur für die Zukunft) unzumutbar macht.326

III. Die Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB) Die Funktion der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB ist die Beseitigung des Mangels einer Willenserklärung, der im Ergebnis zu einer ungewünsch­ ten Rechtsfolge (Vertrag) führt.327 Dass sich hierbei eine Kündigungsrege­ lung schon grundsätzlich nicht empfiehlt, liegt daran, dass der Willensmangel immer vertragsbegründender Natur ist und nicht erst während der Laufzeit eines Dauerschuldverhältnisses entsteht. Verweist man, trotz der erwähnten Kodifikationsschwächen, auf den Wortlaut des § 313 Abs. 2, 3 Satz 2 BGB und plädiert zumindest für eine mildere, den Dauerschuldverhältnissen doch so „angepasste“, ex nunc-Nichtigkeit als Rechtsfolge der Anfechtung, ver­ gisst man die gewichtigen Unterschiede zwischen § 313 Abs. 2 BGB und § 142 Abs. 1 BGB. So betrifft eine falsche Vorstellung nach § 313 Abs. 2 BGB niemals die Bestandteile eines Vertrags und ist insbesondere mit dem Irrtum einer Vertragspartei über die essentialia negotii nicht zu vergleichen.328 Daran angeknüpft hat die betroffene Partei in § 313 BGB den Vertragspartner ihrer schuldrechtlichen Beziehung grundsätzlich willensmangelfrei gewählt und muss sich deshalb das Prinzip der Vertragstreue aus § 241 Abs. 1 BGB stärker entgegenhalten lassen.329 Eine ex tunc-Nichtigkeit der angefochtenen Willenserklärung ist daher gegenüber anderen Beendigungsregularien des 325  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (418, 420). 326  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (421). 327  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 1; Mankowski, Beseiti­ gungsrechte, 2003, S. 31 f. 328  Stürner, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 313 Rn. 9. 329  Sutschet, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 241 Rn. 1.

92

Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

BGB allgemein und auch bei Dauerschuldverhältnissen funktional durchaus gerechtfertigt und lässt in Zusammenschau der Ausgestaltung anderer Be­ endigungsregularien, insbesondere hinsichtlich der Rückabwicklung in Voll­ zug getretener Dauerschuldverhältnisse im Rahmen des Rücktritts, keine Notwendigkeit einer differenten Rechtsfolgenformulierung für Dauerschuld­ verhältnisse erkennen.

IV. Zusammenfassung: Funktion Der Rücktritt gemäß §§ 323 f. BGB und die Kündigung nach §§ 314, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 3, 573 Abs. 2 Nr. 1, 626, 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BGB von Verträgen sind funktional nicht deckungsgleich. Dennoch soll die Kün­ digung den Schutz des Rücktritts auf Dauerschuldverhältnisse übertragen. Die ex nunc-Rechtsfolge der Kündigung ist dabei nicht einer Rückabwick­ lungsschwierigkeit geschuldet, sondern der Tatsache, dass die Kündigungs­ gründe erst mit der Zeit entstanden sind und sich daher auch nur ab diesem Zeitpunkt für die Zukunft auswirken können. Bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB muss mit Blick auf die Interessen der Parteien auch eine hilfsweise erklärte Kündigung oder ein Rücktritt bei Dauerschuldverhältnissen möglich sein. Mithin wird nicht zwischen punktuellen und auf Dauer vereinbarten Schuldverhältnissen unterschieden und aufgrund des Dauerschuldcharakters eines Schuldverhält­ nisses nicht per se eine ex nunc-Beseitigung zu veranschlagen sein. Die Kündigung kann die Anfechtung von Verträgen funktional nicht erset­ zen, denn der Willensmangel, der zu einer Anfechtung berechtigt, ist stets vertragsbegründender Natur. Dies kann auch die Vorschrift des § 313 Abs. 2 BGB aufgrund der gewichtigen Unterschiede zu § 142 Abs. 1 BGB nicht ändern.

D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGBals Rückabwicklungsinstrument angefochtener Rechtsgeschäfte Das Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB ist wie das Deliktsrecht eine Ausgleichsordnung, die nicht als bloßes Billigkeitsrecht verstanden werden darf, sondern ein einleuchtendes und universell gültiges Gerechtigkeitsprin­ zip zum Ausdruck bringt.330 Im Falle der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB und der ex tunc-Beseitigung einer Willenserklärung können so tatsäch­ 330  Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 812 Rn. 1; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, Vor. § 812 Rn. 1; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 128.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB93

liche Veränderungen und von der Anfechtung nicht erfasste Folgegeschäfte (Leistungen der Parteien), die bereits aufgrund einer rückwirkend aufgeho­ benen Willenserklärung ergingen, rückabgewickelt werden.331 Das Rückab­ wicklungsrisiko wird durch das Bereicherungsrecht in eigenständigen, nor­ mativen Vorschriften zu Insolvenzen (§ 818 Abs. 3 BGB, § 818 Abs. 4 BGB, § 819 BGB, § 820 BGB), Einwendungen (§ 813 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 214 Abs. 2 BGB, § 813 Abs. 2 BGB, § 814 BGB, § 815 BGB, § 817 Satz 2 BGB, § 821 BGB) und dem Umfang kondiktionsrechtlicher Abwicklung (§ 818 Abs. 1 BGB) geregelt.332 Keiner Rückabwicklung durch Bereiche­ rungsrecht bedarf es bei rechtlichen Veränderungen, die durch die angefoch­ tene Willenserklärung selbst herbeigeführt worden sind.333 Hier erfolgt eine Rückabwicklung bereits gemäß § 142 Abs. 1 BGB durch Gesetz.334 Ist eine Rückabwicklung aber notwendig, beispielweise bei Leistungen, die aufgrund eines angefochtenen schuldrechtlichen Vertrags vorgenommen wurden, so können diese über die condictio indebiti gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kondiziert und das „Erlangte“ herausverlangt werden.335 Dabei ist um­ stritten, ob die Rückwirkung des § 142 Abs. 1 BGB auch im Bereicherungs­ recht der §§ 812 ff. BGB Geltung entfalten soll oder ob nicht vielmehr über die condictio ob causam finitam nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB rück­ abgewickelt werden muss.336 Auswirkung hat die Entscheidung grundsätzlich für die Fälle des § 814 BGB i. V. m. § 142 Abs. 2 BGB, dessen Anwendungs­ bereich sich auf die Leistungskondiktion beschränkt.337 Praktische Folgen dürften dabei jedoch ausbleiben, da aufgrund der Norm des § 144 BGB bei der Leistung unter Kenntnis der eigenen (nur dann ist § 814 BGB einschlä­ 331  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 15; Wendtland, in: Bam­ berger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 142 Rn. 7; Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfül­ lung nach BGB, 2000, S. 28. 332  Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, Vor. § 812 Rn. 3; Bork, Allge­ meiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 931. 333  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerli­ chen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 930. 334  Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 930. 335  BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 – III ZR 3/00, NJW 2001, 966 (967); Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 463; v. Sachsen Gessaphe, in: NK BGB, 2. Auflage 2012, § 812 Rn. 35; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 812 Rn. 63; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2007, § 812 Rn. 88; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 931. 336  Conrad, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 Var. 1 BGB), JuS 2009, 397 f.; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 812 Rn. 26. 337  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 812 Rn. 88.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

gig) Anfechtbarkeit auch von einer Bestätigung des Rechtsgeschäfts ausge­ gangen werden kann, die im Ergebnis genau wie § 814 BGB einen Kondik­ tionsanspruch ausscheiden lässt.338

I. Umfang des Bereicherungsanspruchs (§ 818 Abs. 1 BGB) Grundsätzlich ist ein Anspruch aus Bereicherungsrecht ein Herausgabean­ spruch, dessen Gegenstand in den Anspruchsnormen der §§ 812, 813, 816, 817, 822 BGB bestimmt wird (primärer Bereicherungsgegenstand).339 Im Vergleich zu § 985 BGB ist der Begriff der „Herausgabe“ in den §§ 812 ff. BGB dabei sehr viel weiter zu verstehen und kann auch eine Übereignung, eine Abtretung, den Verzicht auf eine Rechtsposition oder die Abgabe einer Grundbuchbewilligung bedeuten.340 Die Vorschrift des § 818 Abs. 1 BGB normiert daran anknüpfend „nur“ den Umfang der Herausgabepflicht, die sich auf die gezogenen Nutzungen und erhaltenen Surrogate des Bereiche­ rungsgegenstands (sekundäre Bereicherungsgegenstände) „erstrecken“ soll.341 Surrogate sind das, was der Bereicherte aufgrund eines erlangten Rechts er­ wirbt oder für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erhält.342 So sind rechtsgrundlos eingezogene Forderungen oder bestellte Sicherungsrechte ebenso wie etwaige Versicherungs- oder Scha­ densersatzleistungen herauszugeben bzw. entsprechende Ansprüche abzutre­ ten.343 Rechtsgeschäftliche Surrogate fallen hingegen weder vom Wortlaut noch analog unter § 818 Abs. 1 BGB, da sie nicht im Bereicherungsgegen­ stand selbst angelegt sind, sondern das Resultat einer wirtschaftlichen Ent­ scheidung des Bereicherten darstellen und in diesem Sinne auch systematisch eher § 818 Abs. 2 Alt. 2 BGB einschlägig sein dürfte.344 Der Nutzungsbegriff 338  v. Sachsen Gessaphe, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 812 Rn. 35 f.; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 812 Rn. 88; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 812 Rn. 63. 339  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 1; Wendehorst, in: Bam­ berger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 5. 340  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 19. 341  Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 5; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 2, 7; Wendehorst, in: Bamberger/ Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 5. 342  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 8; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 15 f. 343  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 44; Wendehorst, in: Bam­ berger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 8. 344  BGH, Urteil vom 11. April 1957 – II ZR 182/55, NJW 1957, 1026 (1027); BGH, Urteil vom 11. Oktober 1979 – VII ZR 285/78, NJW 1980, 178; BGH, Urteil vom 10. Mai 2006 – XII ZR 124/02, NJW 2006, 2323 (2325 f.); Wendehorst, in:



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB95

in § 818 Abs. 1 BGB richtet sich laut h. M. nach §§ 99, 100 BGB und er­ streckt sich auf die wirklich gezogenen Sach- und Rechtsfrüchte des erlang­ ten Gegenstands bzw. dessen Surrogats sowie die Vorteile, die der Gebrauch der erlangten Sache oder des Rechts gewährt.345 Dabei sind gemäß § 99 Abs. 3 BGB, anders als beim commodum ex negotiatione in § 818 Abs. 1 BGB gehalten, auch Nutzungen, die aus einem Rechtsverhältnis ergehen, wie Mieten oder Zinserträge aus Geldanlagen, erfasst.346 Für die abstrakte Nut­ zungsmöglichkeit ist auch als primärer Bereicherungsgegenstand gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, soweit die Voraussetzungen der Haftungs­ verschärfung gemäß §§ 818 Abs. 4, 819, 820 BGB nicht gegeben sind, je­ doch kein Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB zu leisten.347 Abzulehnen ist in diesem Zusammenhang auch die Überlegung, eine objektive Nutzungsmög­ lichkeit oder tatsächlich gezogene Nutzungen unter die Kondiktion als pri­ mären Bereicherungsgegenstand selbst zu fassen.348 Das Bereicherungsrecht unterliegt damit der kontroversen Situation, dass die Vermietung eines Gegenstands im Rahmen der Nutzungen eine solche begründen kann, nicht aber der Verkauf desselben mangels Kondiktion des rechtsgeschäftlichen Surrogats.349 Grundsätzlich kann den §§ 100, 99 BGB aufgrund ihrer ausgleichenden Anwendung im Rahmen der § 346 Abs. 1 BGB und § 987 Abs. 1 BGB die Tauglichkeit für § 818 Abs. 1 BGB aber nicht abgesprochen werden.350 Daneben ist der rechtsgeschäftlich erzielte Kaufpreis für einen Gegenstand gleichzeitig eine Indikation des objektiv zu bestimmenden Verkehrswerts, was die Diskrepanz der Auslegung zumindest praktisch relativieren dürfte.351 Der Lösungsvorschlag, die Nutzungen in § 818 Abs. 1 BGB unabhängig von §§ 100, 99 BGB objektiv zu bestimmen, Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 9 m. w. Nw.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 47. 345  BGH, Urteil vom 16. Juli 1999 – V ZR 56–98, NJW 1999, 2890 (2891); Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 14; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn.  12 m. w. Nw.; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 10. 346  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 11 ff. 347  BGH, Urteil vom 18. September 1961 – VII ZR 118/60, NJW 1961, 2205 (2206); BGH, Urteil vom 7. März 2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021 (2023); Stadler, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 818 Rn. 8 f.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 8; Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 818 Rn. 3. 348  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 32; a. A. Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 10. 349  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 17. 350  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 11. 351  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 47.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

sieht sich deshalb in jedem Fall einer (vorzugswürdigen) gesetzestreuen Plausibilität der aktuellen Rechtsanwendung gegenüber.352

II. Wertersatz im Bereicherungsrecht (§ 818 Abs. 2 BGB) 1. Objektive und subjektive Unmöglichkeit Der § 818 Abs. 2 BGB regelt den Inhalt des bereicherungsrechtlichen An­ spruchs im Falle der Unmöglichkeit der Herausgabe.353 Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten gemäß § 818 Abs. 2 Alt 1 BGB un­ möglich (objektive Unmöglichkeit) oder ist der Empfänger nach § 818 Abs. 2 Alt. 2 BGB aus anderem Grunde außerstande den Bereicherungsgegenstand herauszugeben (subjektive Unmöglichkeit), so hat er verschuldensunabhän­ gig Wertersatz zu leisten.354 Die Wertersatzpflicht bezieht sich dabei auch auf Nutzungen, die gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben sind.355 In Abgren­ zung zur subjektiven Unmöglichkeit in § 275 Abs. 1 BGB kann bei § 818 Abs. 2 Alt. 2 BGB jedoch vom Schuldner nicht die Wiederbeschaffung oder die Beschaffung einer gleichwertigen Sache verlangt werden.356 Wegen sei­ ner Beschaffenheit objektiv von vornherein unmöglich herauszugeben sind dagegen alle nichtgegenständliche Vorteile wie beispielsweise Dienstleistun­ gen, Gebrauchsvorteile oder der Verbrauch einer Sache.357 2. Objektiver Verkehrswert als Berechnungsgrundlage Maßgeblich für die Berechnung der Wertersatzhöhe ist der objektive Ver­ kehrswert des Geleisteten oder durch eine Leistung Verschafften.358 Persön­ 352  Vgl. hierzu Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edi­ tion, 1. August 2018, § 818 Rn. 17. 353  Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 22. 354  Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 818 Rn. 7; SchmidtKessel/Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 23. 355  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 48. 356  BGH, Urteil vom 26. Oktober 1990 – V ZR 22/89, NJW 1991, 917 (918); Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 20 f.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 49. 357  Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 23; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 20. 358  RG, Urteil vom 3. Mai 1935 – VII 400/34, RGZ 147, 396 (398); BGH, Urteil vom 24. November 1981 – X ZR 7/80, NJW 1982, 1154 (1156); Wendehorst, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 27; Stadler, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 818 Rn. 13 f.; Schwab,



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB97

liche Umstände, die zu einer subjektiven Beurteilung der Leistung führen, sind nach h. M. dabei nicht zu berücksichtigen, sondern zum Schutze des Bereicherungsgläubigers vielmehr erst unter § 818 Abs. 3 BGB – das Er­ langte muss von der Bereicherung getrennt betrachtet werden – zu bewer­ ten.359 Davon abgesehen, darf der Begriff der subjektiven Wertberechnung nicht mit einer allgemeinen Gewinnhaftung gleichgesetzt werden, sondern kann sich vielmehr mangels allgemeiner Gewinnhaftung in § 818 BGB auch als dogmatische Begründung hierfür nicht rechtfertigen.360 Weiter ge­ dacht gilt, sollte im (unwirksamen) Vertrag ein Entgelt vereinbart worden sein, das gewissermaßen den, wenn auch nichtigen, subjektiven Wertkon­ sens der Vertragsparteien wiederspiegelt, dass dieser nicht zur unmittelbaren Bestimmung des objektiven Verkehrswerts führt und gerade zum Schutz des Anfechtungsberechtigten nach §§ 119, 120, 123 BGB auch nicht geeignet ist, gemäß § 242 BGB ggf. als Höchstgrenze herangezogen zu werden, son­ dern allenfalls einen groben Anhaltspunkt zur Wertberechnung liefern kann.361 Neben der konkretisierenden Auslegungsfrage zur Berechnungsgrundlage schweigt das Gesetz auch über den Zeitpunkt der Kalkulation in § 818 Abs. 2 BGB.362 In früherer Rspr. und Literatur wurde auf den Zeitpunkt der Ent­ stehung des Bereicherungsanspruchs abgestellt.363 Nach heutiger h. M. gilt richtigerweise der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch gerade als Wertersatzan­

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 88; a. A. Maschmann, Die mangelhafte Arbeitsleistung, NZA-Beil. 2006, 13 (15 f.). 359  RG, Urteil vom 3. Mai 1935 – VII 400/34, RGZ 147, 396 (398); Schwab, in: MüKo BGB, 6. Auflage 2013, § 818 Rn. 88; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 27; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 26; a. A. Koppensteiner, Probleme des bereiche­ rungsrechtlichen Wertersatzes, NJW 1971, 1769; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 16 ff. m. w. Nw. 360  RG, Urteil vom 24. März 1915 – V 453/14, RGZ 86, 343 (347); Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 27; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 27; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 84 f. m. w. Nw. 361  BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 – KZR 42/95, NJW-RR 1997, 1537; BGH, Ur­ teil vom 14. März 2000 – X ZR 115/98, NJW-RR 2001, 1332 (1333); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 94; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 28; a. A. Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 24 m. w. Nw. 362  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 31. 363  RG, Urteil vom 16. Februar 1921 – V 398/20, RGZ 101, 389 (391); BGH, Urteil vom 8. April 1963 – VIII ZR 219/61, NJW 1963, 1299 (1301); Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 38; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 116.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

spruch entsteht bzw. sich in einen solchen umwandelt.364 Marktgerecht bleibt so der Wertersatzgläubiger bis zum Zeitpunkt einer nachträglichen Unmög­ lichkeit der Herausgabe ebenso wie der Schuldner vor Wertschwankungen nicht geschützt.365 Zum Zeitpunkt der Wertersatzpflicht wird dann aber der Wert als Geldschuld beim Empfänger fixiert, ohne tatsachenfremd eine wei­ tere Wertschwankung aufrecht zu erhalten.366 3. Berechnungskonstellationen a) Bewertung des Besitzes Der Erörterung bedarf die Bewertung des Nutzungsersatzes für den rechts­ grundlosen Besitz einer Sache nach § 818 Abs. 1 BGB im Rahmen des § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB, wobei der Besitz ausdrücklich auch primärer Bereiche­ rungsgegenstand und nicht Nutzung gemäß §§ 818 Abs. 1, 100 BGB sein kann.367 Dabei ist grundsätzlich die Konstellation der rein rechtsgrundlosen Besitzübertragung (unwirksamer Mietvertrag) von einer rechtsgrundlos ge­ scheiterten Eigentumsübertragung (unwirksames Verpflichtungs- und Erfül­ lungsgeschäft) zu unterscheiden. Im ersten Fall bleibt es gemäß § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB bei einem Wertersatz für den Gebrauchsvorteil des Besitzes.368 Im zweiten Fall wird zu Teilen, wenn die Unmöglichkeit der Herausgabe in der Sphäre des Kondiktionsschuldners eintritt, ein Wertersatz in Höhe der objektiven Eigentumserwerbskosten angedacht.369 Dies ist mit der h. M. je­ doch abzulehnen, da andernfalls der Kondiktionsschuldner unabhängig von der wirklichen Eigentümerstellung die Gefahr des zufälligen Untergangs tragen müsste.370 Falsch wäre es in diesem Zusammenhang auch, dem ver­ meintlichen Käufer als Nutzungsersatz die Zahlung der üblichen Miete auf­ 364  BGH, Urteil vom 5. Juli 2006 – VIII ZR 172/05, NJW 2006, 2847 (2851 f.); Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, §  818 Rn.  33 m. w. Nw.; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 31. 365  Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 72 III S.  282 f. 366  Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 72 III S.  282 f. 367  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 464. 368  Wendehorst, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edi­ tion, 1. August 2018, § 818 Rn. 12. 369  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 29. 370  BGH, Urteil vom 20. Oktober 1952 – IV ZR 44/52, NJW 1953, 58 (59); Schwab, in: MüKo BGB, 6. Auflage 2013, § 818 Rn. 98; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 30; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 30; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 13.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB99

zuerlegen.371 Denn auch § 818 Abs. 2 BGB muss bei der Wertberechnung die Absichten des Kondiktionsschuldners berücksichtigen, der hier die Sache als eigene nutzen wollte und daher nicht zu einer aufsummierten Mietzahlung verpflichtet werden kann, die seiner wirtschaftlichen Intention so nie ent­ sprach.372 Die Nutzungen beschränken sich in diesen Fällen daher auf die zeitanteilig lineare Wertminderung des Gegenstands im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer.373 b) Berechnung von Dienst- oder Werkleistungen Bei der Berechnung des Wertersatzes nach § 818 Abs. 2 Alt. 2 BGB für erbrachte Werk- oder Dienstleistungen ist auf die zu § 612 Abs. 2 BGB und § 632 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze verwiesen und eine übliche, hilfsweise angemessene Vergütung zu veranschlagen.374 Die §§ 612, 632 BGB können als dienst- bzw. werkvertragliche Wertersatzberechnungsnor­ men verstanden werden, die in Fällen fehlender Vergütungsvereinbarung im Dienst- und Werkvertragsrecht eine Abwicklung nach Bereicherungsrecht verhindern.375 Ein Fehler wäre es, bei der Berechnung der Wertersatzhöhe auf ersparte Aufwendungen des Empfängers abzustellen, die erst im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB Berücksichtigung finden.376 Ob Aufwendungen er­ spart wurden, lässt sich außerdem nur anhand einer individuellen Betrach­ tung der Situation des Empfängers beurteilen, die für eine objektive Berech­ nung des Wertersatzes offensichtlich nicht ausschlaggebend sein kann.377 So ist auch im Mietrecht für vom Mieter erbrachte Schönheitsreparaturen bei unerkannt unwirksamer Endrenovierungsklausel auf das objektiv Erlangte abzustellen, dessen Wertersatz jedoch abhängig von der Qualifikation des 371  Schwab,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 98. Die Gegenleistungskondiktion, in: FS für Lorenz, 1991, S. 19 (55 f.). 373  BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 – VIII ZR 198/90, NJW 1991, 2484 (2485 f.); BGH, Urteil vom 25. Oktober 1995 – VIII ZR 42/94, NJW 1996, 250 (252); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 98. 374  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 26; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 31; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 818 Rn. 30; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 818 Rn. 88. 375  Klappstein, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 612 Rn. 3. 376  So aber BGH, Urteil vom 7. Januar 1971 – VII ZR 9/70, NJW 1971, 609 (610); BGH, Urteil vom 17. Februar 2000 – IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560 (1562). Richtig verortet in BGH, Urteil vom 4. April 1990 – VIII ZR 71/89, NJW 1990, 1789 (1790); Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 30; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 82; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 45. 377  Schwab, in: MüKo BGB, 6. Auflage 2013, § 818 Rn. 82. 372  Canaris,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

Ausführenden zu bestimmen ist.378 Dabei soll nicht dem Grundaxiom des Bereicherungsrechts widersprochen, sondern konsequent die Werkleistung als Gegenstand der Güterbewegung bewertet werden.379 Der Mieter kann in diesem Sinne für eigens erbrachte Werkleistung Wertersatz in Form des üb­ lichen Stundensatzes für Ungelernte verlangen und bei eigener Fachkenntnis oder entsprechend beauftragter professioneller Handwerksarbeit die hierzu übliche Vergütung fordern.380 Ist vom Empfänger im Falle eines wirksamen Vertrags nur ein Teil der Werk- oder Dienstleistung zu vergüten gewesen, so ist bei der Berechnung des Wertersatzes auch hier trotzdem die ganze Dienstleistung erlangt und eine beschränkte Bereicherung erst im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB anzu­ sprechen.381 Gänzlich unbedeutend ist, ob die Werk- oder Dienstleistung er­ folgreich das Vermögen des Empfängers vermehrt hat.382 Die Mangelhaftig­ keit einer Leistung wird jedoch bei der objektiven Bewertung nach § 818 Abs. 2 BGB bis zum Ausbleiben der Vergütung bei Wertlosigkeit berücksich­ tigt.383 c) Herausgabe des Gewinns Der Gewinn aus einem Unternehmen wird von der h. L. und der neueren Rspr. dem Nutzungsbegriff gemäß §§ 100, 99 Abs. 1 BGB zugeschrieben.384 378  Schwab,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 89. in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 89; ähnlich (nicht diffe­ renzierend) Lorenz, Geschäftsführung ohne Auftrag und Bereicherungsausgleich bei Vornahme nicht geschuldeter Schönheitsreparaturen, NJW 2009, 2576. Falsch jedoch BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1984 – VIII ARZ 1/84, NJW 1985, 480 (482); BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 – VIII ZR 302/07, NJW 2009, 2590 (2592). 380  Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 23a; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 89. 381  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 90; a. A. OLG Branden­ burg, Urteil vom 5. November 2008 – 7 U 103/08, BeckRS 2008, 24170. 382  OLG Naumburg, Urteil vom 11. Februar 2010 – 1 U 84/09, BeckRS 2010, 05628; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 93. 383  Vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1981 – VII ZR 216/80, NJW 1982, 879 (881); BGH, Urteil vom 7. Mai 1992 – IX ZR 151/91, DStR 1992, 1258 (1259); OLG Naumburg, Urteil vom 11. Februar 2010 – 1 U 84/09, BeckRS 2010, 05628; Scherpe, Vermögensrechtliche Abwicklung beendeter nichtehelicher Lebensgemeinschaften, LSK 2014, 310084. 384  BGH, Urteil vom 8. Januar 1975 – VIII ZR 126/73, NJW 1975, 638 (640); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 38; 14. Auflage 2014, § 818 Rn. 10; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 14; a. A. Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 12; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 72 II S. 272 f. 379  Schwab,



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB101

I. S. d § 99 Abs. 1 BGB muss dieser als Ausbeute des Unternehmens verstan­ den werden, da die Gesetzgebung grundsätzlich das Unternehmen als Rechts­ objekt, ähnlich wie beim Unternehmenskauf über § 453 Abs. 1 BGB zu se­ hen, bisher nur wenig berücksichtigt hat.385 In der Folge ist für die als Nut­ zungen verstandenen Gewinne eine Herausgabepflicht nach Bereicherungs­ recht einschlägig, jedoch nur, soweit nicht der Gewinn ausschließlich auf den persönlichen Leistungen oder Fähigkeiten des Schuldners beruht.386 Bei der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen kommt es im Rahmen des Nutzungsersatzes gemäß § 818 Abs. 1, 2 Alt. 1 BGB so zu der problemati­ schen Abgrenzung eigens persönlicher Leistungserträge des Bereicherungs­ schuldners und herauszugebender Nutzungen des vom Gläubiger Erlang­ ten.387 Entstand ein Gewinn sowohl aufgrund des gegenständlichen Bereichs des Unternehmens als auch aufgrund der persönlichen Fähigkeiten seines Betreibers, soll vom Tatrichter der jeweilige Anteil – gegebenenfalls durch Schätzung gemäß § 287 ZPO – ermittelt werden.388 Gegen eine (analoge) Anwendung des § 287 ZPO wird vorgebracht, dass § 287 ZPO nur eine Schätzung von Kosten ermöglicht, die zu einem Gewinn führen, nicht aber eine Aufteilung des Gewinns selbst ermöglichen kann.389 Dieser Einwand kann jedoch nicht überzeugen. Gerade in § 278 Abs. 2 ZPO ist lediglich von einer streitigen Forderung die Rede, ohne diese dem Wortlaut nach weiter einzuschränken und deren Anwendbarkeit bei einer Nutzungsersatzforderung zu versagen. Zwar soll, wie eingewendet, durch § 287 Abs. 1 ZPO nur eine Aufteilung der Nutzungen nach Zugehörigkeit erfolgen, für die Parteien ist eine solche Unterscheidung aber regelmäßig mit eben solchen (mindestens vergleichbaren) unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden, die § 287 Abs. 2 ZPO als Anforderung stellt. Auch aus teleologischer Sicht kann daher, vor dem Hintergrund der Behandlung des Gewinns im Rahmen des Nut­ zungsersatzes gemäß § 818 Abs. 1, 2 Alt. 1 BGB, über § 287 ZPO, ein plau­ sibler Umgang mit gegenständlichem Gewinnpotenzial und persönlicher Leistung des Schuldners konstruiert werden.

385  BT-Drucks. 14/6040, S. 242; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 38. 386  BGH, Urteil vom 12. Mai 1978 – V ZR 67/77, NJW 1978, 1578; BGH, Urteil vom 5. Juli 2006 – VIII ZR 172/05, NJW 2006, 2847 (2853); Ballerstedt, Das Unter­ nehmen als Gegenstand eines Bereicherungsanspruchs, in: FS für Schilling, 1973, S. 289 (300); Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 17. 387  So auch unterschieden in BGH, Urteil vom 25. September 1952 – IV ZR 22/52, NJW 1952, 1410; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 17; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 12. 388  BGH, Urteil vom 12. Mai 1978 – V ZR 67/77, NJW 1978, 1578. 389  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 39.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

III. Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) Die Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB soll den redlichen und unverklagten Bereicherungsschuldner davor bewahren, durch den Kondiktionsanspruch einen Vermögensnachteil zu erleiden und damit schlechter zu stehen als bei regelmäßigem Verlauf der Dinge.390 Anders formuliert, darf der Herausgabe­ anspruch für den Kondiktionsschuldner keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus füh­ ren.391 Grundgedanke dabei ist es, das Vertrauen des redlichen und unver­ klagten Empfängers in den Bestand eines Rechtsgrundes für dessen Erwerb zu schützen und ihn vor der unzumutbaren Unsicherheit, dass er möglicher­ weise über den Betrag der Bereicherung hinaus eine Minderung seines Ver­ mögens hinnehmen müsse, zu bewahren.392 Für den Bereicherungsgläubiger hat dies wiederum zur Folge, dass er insbesondere das, wenn auch normativ begrenzte, Risiko einer fahrlässig oder vorsätzlich entreichernden Verwen­ dung des Erlangten durch den redlichen Bereicherungsschuldner trägt.393 Trotzdem bleibt § 818 Abs. 3 BGB im Telos der Norm zumindest selbst be­ schränkt, da keiner Partei zum Nachteil der anderen ein Vorteil verschafft werden soll, mit dem grundsätzlichen Ziel, einen Ausgleich der korrespon­ dierenden bereicherungsrechtlichen Auswirkungen zu erreichen.394 1. Einwendung gegen den Herausgabeanspruch Die Differenzierung im Bereicherungsrecht zwischen Erlangtem nach §§ 812 ff. BGB und der getrennt zu prüfenden faktischen Bereicherung in § 818 Abs. 3 BGB ist Resultat einer genauen dogmatischen Zuordnung und darüber hinaus Leitbild für die Auslegung der §§ 812 ff. BGB.395 Der An­ spruchsinhalt des Bereicherungsrechts formuliert sich dementsprechend ge­ 390  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 34. 391  BGH, Urteil vom 19. Januar 1951 – I ZR 15/50, NJW 1951, 270 (271); BGH, Urteil vom 7. Januar 1971 – VII ZR 9/70, NJW 1971 609 (610). 392  BGH, Urteil vom 19. Januar 1951 – I ZR 15/50, NJW 1951, 270 (271); Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 18. 393  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 467; Stadler, in: Jauernig BGB, 16. Auf­ lage 2015, § 818 Rn. 29  f.; Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 18; Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auf­ lage 2019, § 818 Rn. 9; Stadler, in: Jauernig BGB, 16. Auflage 2015, § 818 Rn. 29. 394  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 472 f.; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 41. Edition, 1. Mai 2016, § 818 Rn. 35. 395  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 129.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB103

nerell als die gegenstandsorientierte Korrektur einer irregulären Vermögens­ zuordnung durch Herausgabe des exakt zugeflossenen Vorteils.396 Die Frage der konkreten Bereicherung ist dagegen in Form einer Einwendung als Aus­ nahme gegen den (auf das Erlangte abzielenden) Herausgabeanspruch zu stellen und unterliegt entsprechend der Beweislast des Schuldners.397 Die Bezeichnung der Entreicherung als „Ausnahme“ darf dabei jedoch nicht missverstanden werden. So soll keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit einer Entreicherung des Schuldners getroffen werden.398 Der Begriff der „Ausnahme“ dient an dieser Stelle dem richtigen Verständnis für die dogma­ tische Struktur des Bereicherungsrechts und die Funktion des § 818 Abs. 3 BGB. Denn das Bereicherungsrecht ist eben keine bloße Billigkeitshaftung, die auch ohne extensive Auslegung aufgrund des gesetzlichen § 818 Abs. 3 BGB pauschal schuldnerfreundlich mit Schwächen durchzogen ist.399 Die Norm des § 818 Abs. 3 BGB als bloße Einwendung steht vielmehr unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes, einer vertraglichen Risikoverteilung sowie den allgemeinen Maßstäben des Rechtsgüterschutzes, die mittlerweile auch die Rspr. zur Begrenzung einer unangemessenen Privilegierung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners heranzieht.400 Eine gläubigergefähr­ dende Aushöhlung der §§ 812 ff. BGB durch § 818 Abs. 3 BGB hat der Ge­ setzgeber hingegen nicht anlegen wollen und die sich im Wege des Aus­ gleichs ergebende Funktion des Schuldnerschutzes darf so auch nicht allge­ mein charakterisierend für das Bereicherungsrecht verstanden werden.401 2. Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB Die konkrete Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB knüpft an die Entschei­ dungen des BGH zur Saldotheorie an und errechnet den Wert der Bereiche­ rung des Bereicherungsschuldners im Wege eines abstrakten Vermögensver­ 396  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 127 ff.; v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung, in: FS für Rabel, 1954, S. 333 (368). 397  BGH, Urteil vom 10. Februar 1999 – VIII ZR 314-97, NJW 1999, 1181; Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 467; Stadler, in: Jauernig BGB, 16. Auflage 2015, § 818 Rn. 38 f.; Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 19; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 36; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 92. 398  Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 37. 399  Vgl. Kapitel 1 D.; v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, Bd. I, 1968, S. 209, 253 f., 258; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 1; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 126. 400  Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 18; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 31. 401  Zur Ausgleichsfunktion des §  818 Abs. 3 BGB schon RG, Urteil vom 24. März 1915 – V 453/14, RGZ 86, 343 (348).

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

gleichs.402 So gewährt die Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB technisch eine Ausgleichszahlung in Höhe des Nachteils, der nach Herausgabe im Vergleich zu seinem hypothetischen Vermögen bei regelmäßigem Verlauf der Dinge entstehen würde.403 Dabei formuliert § 818 Abs. 3 BGB einen allgemeinen Gedanken, der sowohl den wörtlich erwähnten nachträglichen Wegfall als auch zusammenhängende Vermögensminderungen, die ein gutgläubiger Be­ reicherungsschuldner im Vertrauen auf einen dauerhaften Erwerb vor der Bereicherung vornimmt, erfasst.404 Besitzt der Gläubiger einen Anspruch auf Wertersatz i. S. d. § 818 Abs. 2 BGB, kann dieser verrechnet werden; die Herausgabe des Erlangten ist daneben nur Zug um Zug gegen die Aus­ gleichszahlung möglich.405 Dagegen gewährt das Gesetz dem Bereicherungs­ schuldner in § 818 Abs. 3 BGB keinen eigenen Anspruch, der die Möglich­ keit des angriffsweisen Vorgehens eröffnen würde.406 Davon zu unterscheiden ist wiederum die Geltendmachung von eigenständigen Gegenansprüchen des Bereicherungsschuldners, die als Aufwendungskondiktionen von § 818 Abs. 3 BGB nicht ausgeschlossen werden.407 3. Ersatzvorteile bei § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB Indem das Gesetz in § 818 Abs. 2 BGB vollen Wertersatz anordnet, trifft es die widerlegbare Vermutung, dass sich im Vermögen des Bereicherungs­ schuldners Ersatzvorteile des Erlangten befinden, die in diesem Fall eine Wertersatzpflicht begründen.408 So ist anzunehmen, dass durch die Arbeits­ 402  BGH, Urteil vom 7. Januar 1971 – VII ZR 9/70, NJW 1971 609 (610); Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 34. 403  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 42. 404  OLG Hamm, Urteil vom 2. Februar 1995 – 21 U 113/94, NJW-RR 1995, 1010 (1012); so h. L. vgl. Stadler, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 818 Rn. 26 f.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 138 m. w. Nw.; ähnlich Rspr. die auf eine kausale Verbindung abstellt siehe BGH, Urteil vom 19. Januar 1951 – I ZR 15/50, NJW 1951, 270 (271); BGH, Urteil vom 23. Oktober 1980 – IVa ZR 45/80, NJW 1981, 277 (278). Zur Gutgläubigkeit vgl. auch Stadler, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 818 Rn. 27 m. w. Nw. 405  BGH, Urteil vom 11. Januar 1980 – V ZR 155/78, NJW 1980, 1789 (1790); BGH, Urteil vom 15. März 2002 – V ZR 396/00, NJW 2002, 1872 (1874); Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 42. 406  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 133. 407  BGH, Urteil vom 19. Januar 1999 – X ZR 42–97, NJW 1999, 1626 (1630); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 134. 408  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 467; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 45.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB105

leistung eines Arbeitnehmers der Arbeitgeber eigene Aufwendungen erspart, die er in Beziehung zu seinen Vertragspartnern schuldet.409 Ebenso wird der Geschäftspartner einer dienstleistenden Gesellschaft Aufwendungen erspart haben oder bei wertender Betrachtung einen Gegenwert erlangt haben.410 Gleichermaßen ist auch ein Veräußerungserlös oder der bloße Anspruch ge­ genüber einem Dritten Grundgedanke des § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB.411 Für den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB bedeutet dies, dass zunächst zu prüfen ist, ob der Bereicherungsschuldner wirklich einen Ersatzvorteil erlangt hat und dann in einem zweiten Schritt, ob der Bereiche­ rungsschuldner auch noch bereichert ist. Dabei dürfte sich jedoch in der Praxis die Entreicherung, bezogen auf die erhaltene Dienstleistung, auf die Fälle beschränken, in denen die erbrachte Dienstleistung keinen Gegenwert oder Vorteil begründen kann, da ein Ausgabenersparnis zumindest nicht ent­ reichernd verwendet werden kann. 4. Umfang und Grenzen abzugsfähiger Vermögensnachteile Neben der entreichernden Verwendung des Erlangten selbst, erstreckt sich § 818 Abs. 3 BGB auch auf mit der Bereicherung in Zusammenhang ste­ hende Vermögensnachteile, um einen wirklichen Schutz des Bereicherungs­ schuldners zu gewährleisten.412 Die Gesetzesformulierung selbst nimmt eine genauere Bestimmung in Anbetracht der Gefahr von Missdeutungen und da­ durch vermehrt hervorgerufener Prozesse bewusst nicht vor.413 Sinngemäß festgelegt ist jedoch, dass der Schutzumfang des § 818 Abs. 3 BGB und dessen Beschränkung grundsätzlich die Vertrauenserwägung des Bereiche­ rungsschuldners und die darauf aufzubauende Risikoverteilung widerspiegeln müssen.414 Konkreter kann laut h. M. der Literatur, da § 818 Abs. 3 BGB nur dem gutgläubigen Bereicherungsschuldner die Möglichkeit eröffnet, sich auf einen Wegfall der Bereicherung zu berufen, jeder Vermögensnachteil als Entreicherung geltend gemacht werden, der darauf beruht, dass der Schuld­ ner gerade auf die Beständigkeit des Erwerbs vertraute.415 Die entscheidende 409  Schwab,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 182. in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 45. 411  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 45 f. 412  Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 29. 413  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 468. 414  Zur Risikoverteilung vgl. auch Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 34. 415  Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 40; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 51; Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auf­ 410  Wendehorst,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

Frage ist, wie der Bereicherungsschuldner bei rechtzeitiger Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs dastünde.416 Dagegen sah die Recht­ sprechung bislang alle Vermögensminderungen, die adäquat kausal zum Er­ langten verursacht worden sind, als abzugsfähig an.417 Dass eine Kausali­ tätsanforderung allein nicht bestimmt genug ist und lediglich die äußere Grenze der Zurechnung darstellen kann, bestätigt allerdings auch die neuere Entwicklung der Rechtsprechung, die sich auf die Frage der konkreten Risi­ koverteilung als entscheidendes Kriterium der Zurechnung konzentriert.418 In der Literatur zu Teilen vertreten ist daneben die Ansicht, dass eine Zuord­ nung der Vermögensminderungen vielmehr über schadensersatzrechtliche Zurechnungskriterien erfolgen müsse.419 Die Norm des § 818 Abs. 3 BGB selbst ist jedoch bemüht, den Umweg über Schadensersatzvorschriften ge­ rade zu vermeiden, weshalb sich dieser Ansatz jedenfalls mit der gesetzlichen Vorgabe nicht vereinbaren lässt; um dagegen losgelöst von § 818 Abs. 3 BGB eigens zu fungieren wurde andererseits verpasst, selbst systematische Abgrenzungskriterien anzubieten.420 Aus der Überlegung entnommen werden kann aber der Gedanke, dass dem Schuldner im Rahmen einer Anfechtung aufgetragene Schadensersatzforderungen nach § 122 BGB oder c.i.c. an­ schließend nicht über § 818 Abs. 3 BGB indirekt ersetzt werden dürfen.421 Ähnlich hierzu ist eine Entreicherung ausgeschlossen, wenn sich der Berei­ cherungsschuldner durch die Verwendung des Erlangten von eigenen Ver­ lage 2019, § 818 Rn. 11; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 32; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 37; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 29; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 138, 150 m. w. Nw. 416  Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 73 I S. 297; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 138. 417  BGH, Urteil vom 19. Januar 1951 – I ZR 15/50, NJW 1951, 270 (271); BGH, Urteil vom 23. Oktober 1980 – IVa ZR 45/80, NJW 1981, 277 (278); BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 – XII ZR 119/91, NJW 1992, 2415 (2416); vgl. hierzu auch Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 468. 418  BGH, Urteil vom 6. Dezember 1991 – V ZR 311/89, NJW 1992, 1037 (1038); BGH, Urteil vom 6. Dezember 1991 – V ZR 310/89, NJW-RR 1992, 589 (590); OLG Rostock, Urteil vom 22. November 2012 – 3 U 10/08, BeckRS 2013, 09795; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 29; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 818 Rn. 137. 419  So Schnitzler, Unbeachtlichkeit des Bereicherungswegfalls trotz guten Glau­ bens, JZ 1972, 270 (272); Rengier, Wegfall der Bereicherung, AcP 177 (1977), 418 (430 ff.); Flessner, Wegfall der Bereicherung: Rechtsvergleichung und Kritik, 1970, S.  103 ff. 420  Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 73 I S.  308 f.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 140. 421  Vgl. Kapitel 1 D. III. 7.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 141, 167.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB107

bindlichkeiten befreit oder sich Aufwendungen erspart, die er durch eine unentgeltliche Weitergabe des Bereicherungsgegenstands zur Erfüllung einer dahingehenden Verbindlichkeit nicht hat aufbringen müssen.422 Außerhalb dieser durch tatsächliche Umstände errechneten Grenzen und der verschärften Haftung in § 818 Abs. 4 BGB, §§ 819 f. BGB hat der Ge­ setzgeber keine Beschränkungen des § 818 Abs. 3 BGB normiert.423 Trotz­ dem sind unter zurückhaltender Anwendung daneben normative Grenzen der Entreicherungseinrede zu diskutieren.424 Dabei ist es nicht möglich, durch normative Korrektur im Wege der Auslegung die gesetzlich nor­ mierte verschärfte Haftung einfach durch eigene Kategorien zu erweitern, um so beispielsweise sittenwidriges Verhalten des Empfängers zu sanktio­ nieren.425 Normativ zu korrigieren ist beispielsweise vielmehr, wenn beim Bereicherungsschuldner eine Bereicherung aufgrund ihm zurechenbarer Hindernisse gar nicht erst entsteht, ohne dass diese als Vermögensminde­ rungen im Rahmen der Zurechnung ausgeschlossen werden können; bei sauber dogmatischer Handhabe muss daher dem Schuldner der Entreiche­ rungseinwand aus § 818 Abs. 3 BGB gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt bleiben.426 Eine normative Korrektur erfolgt außerdem in Fällen der Anweisung zur Leistung an Dritte.427 Unter dem Grundgedanken einer Rückabwicklung entlang der Leistungsbeziehungen der Parteien kann der Anweisende dem Bereicherungsanspruch des Angewiesenen keinen Entreicherungseinwand entgegen halten, der sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Anweisendem und Zuwendungsempfänger ergibt.428 Ansonsten würde § 818 Abs. 3 BGB elementare Prinzipien, wie die Relativität der Schuldverhältnisse und den Grundsatz der Privatautonomie, außer Acht las­ sen und auch die selbst veranlasste vermögensmäßige Entscheidung des Anweisenden zur Weitergabe der Leistung an einen Dritten unberücksich­ 422  BGH, Urteil vom 17. Januar 2003 – V ZR 235/02, NJW 2003, 3271; Stadler, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 818 Rn. 37 f.; anders, wenn Schulden unter Einschränkung des Lebensbedarfs getilgt worden wären vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 – XII ZR 119/91, NJW 1992, 2415 (2416). 423  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 1; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 205. 424  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 205. 425  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 206. 426  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 207. 427  Canaris, Der Bereicherungsausgleich im Dreipersonenverhältnis, in: FS für Larenz, 1973, S. 799 (819); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Auflage 2017, § 27 Rn. 675 672 f.; Lorenz, Bereicherungsrechtliche Drittbeziehungen, JuS 2003, 729 (733); a. A. damals RG, Urteil vom 24. März 1915 – V 453/14, RGZ 86, 343 (348 f.); vgl. hierzu auch Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 68. 428  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 209.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

tigt bleiben.429 Daher kann zum Beispiel ein Arbeitgeber richtigerweise dem Bereicherungsanspruch des Arbeitnehmers, der seine Arbeit direkt für den Vertragspartner des Arbeitgebers verrichtet hat, keine Abwicklungs­ schwierigkeiten aus der Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Vertrags­ partner entgegenhalten.430 Ebenso verhält es sich in Durchgriffsfällen, wenn nicht entlang der Leistungsbeziehungen kondiziert wird, sondern gegen den Dritten vorgegangen werden kann. Der Zuwendungsempfänger kann sich gegenüber dem Kondiktionsanspruch des Angewiesenen dann nicht auf Einwendungen nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, die in der Rechtsbezie­ hung zum anweisenden Vertragspartner begründet sind.431 Eine normative Korrektur in gleich zweifacher Richtung findet sich bei einer rechtsgrund­ losen Darlehensvergabe nach § 488 BGB.432 Der Darlehensnehmer kann sich dabei grundsätzlich nicht auf § 818 Abs. 3 BGB und eine entreichernde Verwendung berufen, da aufgrund der ihm bekannten Rückzahlungsver­ pflichtung die Geltendmachung der Entreicherung widersprüchlich wäre, d. h. gegen § 242 BGB verstößt und dem Darlehensnehmer außerdem nicht die Substanz des Darlehenskapitals selbst, sondern nur dessen zeitweilige Nutzung überlassen wird.433 Andererseits muss, wenn die Ausgabe der Va­ luta mit deren Verwendung eine wirtschaftliche Einheit i. S. d. § 358 Abs. 3 BGB bildet – der Darlehensgeber beispielsweise mit der unvorteilhaften Anlagemöglichkeit in Zusammenhang steht – die normative Korrektur auch wieder eingeschränkt werden.434 Die hier gemachten Ausführungen zur normativen Korrektur, aber auch die oben skizzierten generellen Bemühungen in Wissenschaft und Rechtspre­ chung einen abstrakt rechtssicheren Umfang des § 818 Abs. 3 BGB zu defi­ 429  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 208 f.; Lorenz, Bereiche­ rungsrechtliche Drittbeziehungen, JuS 2003, 729 (733). 430  Zum Leistungsgegenstand siehe Lorenz, Bereicherungsrechtliche Drittbezie­ hungen, JuS 2003, 729 (732 f.). 431  OLG Celle, Urteil vom 23. September 1992 – 3 U 79/92, NJW 1992, 3178 (3179); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 210, 213; Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 818 Rn. 12. 432  Übersicht in Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 13, 214 ff. 433  BGH, Urteil vom 17. Januar 1995 – XI ZR 225/93, NJW 1995, 1152 (1153); Lass, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des nichtigen Darlehensvertrags, WM 1997, 145 (148); Scharpf, Risiken des Handels mit notleidenden Krediten – Von non performing loans zu non existing loans, NJW 2009, 3476 (3479); ebenso aber unter analogen Anwendung des § 819 Abs. 1 BGB vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1982 – VII ZR 60/81, NJW 1982, 1585 (1586); Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auf­ lage 2012, § 818 Rn. 17. 434  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 209; Scharpf, Risiken des Handels mit notleidenden Krediten – Von non performing loans zu non existing l­oans, NJW 2009, 3476 (3479).



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB109

nieren, zeigen, dass sich der Ausgleich von bereicherungsrechtlichen Vermö­ gensverschiebungen durchaus in einem abgegrenzten Rahmen und unter systematischen Vorgaben vollzieht. Die vom Gesetzgeber in der Gesetzesbe­ gründung geforderte Ausgestaltung des § 818 Abs. 3 BGB führte dabei zur Anwendung in der Rechtswissenschaft bewährten Lösungsmöglichkeiten, die den Anspruch einer abstrakten Bestimmung erfüllen und durch Fallgruppen weiter konkretisiert werden können, ohne die Gefahr einer Rechtsunsicher­ heit zu erzeugen.435 Die Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB ist daher in der Lage, als durch Rechtsanwendung und Lehre ausgestaltete und gereifte Komponente, in seiner Funktion das Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB weiter zu justieren und bildet in dieser Form keine Grundlage für wahllose schuldner- oder auch gläubigerfreundliche Billigkeitsrechtsprechung. 5. Fallgruppen der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB Dass sich das Bereicherungsrecht der §§ 818 ff. BGB nicht konturenlos zu Lasten des Gläubigers durch die Entreicherungseinrede des § 818 Abs. 3 BGB unterlaufen lässt, veranschaulicht die Untersuchung verschiedener Ent­ reicherungskonstellationen des § 818 Abs. 3 BGB.436 a) Ersatzloser Wegfall des Erlangten Grundsätzlich gilt: Ist das Erlangte ersatzlos für den Bereicherungsschuld­ ner weggefallen, ist der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen; trifft den Bereicherungsschuldner eine Wertersatzpflicht aufgrund erlangter Ersatzvorteile, die dann jedoch ersatzlos wegfallen, schützt § 818 Abs. 3 BGB.437 Veräußert der Schuldner den erlang­ ten Vermögensvorteil, wird ihm das erhaltene Surrogat als Bereicherung an­ gerechnet, ohne dass von einem ersatzlosen Wegfall gesprochen werden kann.438 So ist eine Entreicherung auch in Fällen der unwirtschaftlichen Verwendung immer nur soweit anzunehmen, als keine Vorteile irgendwelcher Art dem Bereicherungsschuldner verbleiben und auch eine Rückforderung oder auch nur abtretbare Rückforderungsansprüche gegen Dritte außer Be­

435  Mugdan, Materialien, II. Bd.  1899, S. 467  f.; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 42. Zu den Fallgruppen vgl. Kapitel 1 D. III. 5. 436  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 45 ff. 437  Vgl. Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 182. 438  Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 35, 43; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 56.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

tracht kommen.439 Dem ersatzlosen Wegfall der Bereicherung steht es dabei gleich, wenn der Schuldner eine wertlose Forderung anstelle des Erlangten erhalten hat, die nicht als fortdauernde Bereicherung gelten kann.440 Die Tilgung eigener Schulden ist dagegen selbst für den vermögenslosen Berei­ cherungsschuldner von rechtlichem und wirtschaftlichem Vorteil und führt zu keiner Entreicherung.441 Auch kann die Verwendung von Darlehenssummen oder anderen Gegenständen, die dem Bereicherungsschuldner nur auf Zeit überlassen wurden, nie als Entreicherung gelten, da er schon aufgrund des vermeintlichen Vertragsschlusses nicht von einer Beständigkeit des Erlangten auf Dauer ausgehen konnte.442 Neben dem Untergang des Erlangten oder der unentgeltlichen Weitergabe ist der Verbrauch des Erlangten zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs eine Erscheinungsform des ersatzlosen Wegfalls.443 Relevant wird dies bei­ spielsweise bei überzahltem bzw. rechtsgrundlosem Arbeitslohn oder Unter­ halt und auch bei Beamtenbezügen.444 Denn der Vorteil eines gedeckten Lebensbedarfs ist ab dem Zeitpunkt seiner Deckung nicht mehr im Vermö­ gen des Bereicherungsschuldners zu messen und auch noch bestehende ­Anschaffungen sind in der Regel kein Vermögenszuwachs, da ein Verkauf wirtschaftlich nicht rentabel ist oder dem Schuldner nicht zugemutet werden kann.445 Möglich bleibt für den Schuldner allerdings das Ersparen von Auf­ wendungen, wenn er aufgrund des rechtsgrundlos erlangten Geldes eigene Ressourcen nicht hat angreifen müssen.446 Eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB ist dann nicht anzunehmen, wobei auch beim Ersparen von Aufwendungen immer die Frage zu stellen ist, wie der Bereicherungs­ 439  BGH, Urteil vom 29. Mai 1978 – II ZR 166/77, BGHZ 72, 9 (13); Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 35; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 44. 440  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 35. 441  Stadler, in: Jauernig BGB, 16. Auflage 2015, § 818 Rn. 37 f.; Lorenz, in: Stau­ dinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 34. 442  Vgl. Kapitel 1 D. III. 4.; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 47. 443  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 199 ff.; Lorenz, in: Stau­ dinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 34; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auf­ lage 2012, § 818 Rn. 43. 444  So entschieden für den Arbeitslohn in BAG, Urteil vom 18. Januar 1995 – 5 AZR 817/93, NJW 1996, 411 (412); für den Unterhalt in BGH, Urteil vom 9. Mai 1984 – IVb ZR 7/83, NJW 1984, 2095 (2096); für Beamtenbezüge in VG Bayreuth, Urteil vom 21. November 2005 – B 5 K 08.820, BeckRS 2010, 53262. 445  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 199. 446  BGH, Urteil vom 9. Mai 1984 – IVb ZR 7/83, NJW 1984, 2095 (2096); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 182, 187; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 45.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB111

schuldner stünde, wenn ihm das rechtsgrundlos Erlangte nicht zugeflossen wäre.447 b) Verwendungen auf das Erlangte Objektbezogene Aufwendungen und Verwendungen, die vom Bereiche­ rungsschuldner auf das Erlangte gemacht werden oder in dessen Erwartung getätigt werden, gelten grundsätzlich als abzugsfähig i. S. d. § 818 Abs. 3 BGB und zwar unabhängig davon, ob diese notwendig oder nützlich waren, es überhaupt zu einer Werterhöhung gekommen ist, oder ob diese noch vor­ handen sind.448 Voraussetzung ist auch an dieser Stelle vielmehr, dass der Bereicherungsschuldner im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Erwer­ bes Investitionen auf die Sache erbracht hat.449 Hingegen kann der Bereiche­ rungsschuldner Arbeitsleistungen, die er selbst oder von ihm nahestehende Personen erbracht haben, aufgrund der Kommerzialisierungsfeindlichkeit des Bereicherungsrechts nicht in Abzug bringen.450 Auch gewöhnliche Erhal­ tungskosten fallen nicht unter § 818 Abs. 3 BGB, es sei denn, dass der Berei­ cherungsschuldner Nutzungen oder Früchte herauszugeben hat und die Er­ haltungskosten bei der Herausgabe nicht berücksichtigt wurden.451 Umstritten ist auch die Frage, ob die nach der Verkehrsanschauung üb­ lichen Erwerbskosten des Bereicherungsschuldners, wie Frachtkosten, Zölle oder Vollstreckungskosten bei der Vollstreckung in schuldnerfremde Sachen, von der Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB umfasst sind.452 Diese sind jeden­ falls vom Bereicherungsschuldner im Vertrauen auf den Erwerb des Erlang­ 447  Schwab,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 187. Urteil vom 12. Dezember 1997 – V ZR 81/97, NJW 1998, 989 (990); Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 37; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 159; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 71; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auf­ lage 2012, § 818 Rn. 49. 449  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 159. Mit anderer Voraus­ setzung des inneren Zusammenhangs vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 – V ZR 81/97, NJW 1998, 989 (991). 450  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 71. 451  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 37; Flume, Aufwendun­ gen und Erträge bei der Rückabwicklung nichtiger Verträge als Problematik der Rechtsfigur der ungerechtfertigten Bereicherung, in: GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 111 (118); Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 72. 452  Bejaht in OLG München, Urteil vom 23. Juni 2009 – 5 U 5492/08, NZG 2009, 1383 (1385); Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 39; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 151; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neu­ 448  BGH,

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ten investiert worden, weshalb sich grundsätzlich keine Unterscheidung zu anderen Verwendungen aufdrängt. Zu Teilen wird in der Literatur trotzdem eine Differenzierung befürwortet mit dem Verweis, dass ansonsten Kosten, die der Bereicherungsschuldner „im Normalfall“ selbst tragen müsste, auf den Kondiktionsgläubiger abgewälzt werden könnten.453 Als Begründung für eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu nicht nützlichen und nicht werterhöhenden Verwendungen kann dies jedoch nicht genügen. Genauso wenig wie es die Frage beantworten kann, warum gerade an dieser Stelle im Bereicherungsrecht von den Grundsätzen des § 122 BGB, der Erwerbskosten als Vertrauensschaden ersetzt, abgewichen werden soll. Dagegen ist eine Entreicherung jedoch bei Kosten abzulehnen, die sich auf den Vertragsschluss und nicht auf den Erwerb beziehen, der Bereicherungsschuldner also viel­ mehr bemüht ist, den Erwerb durch einen rechtlichen Anspruch erst entstehen zu lassen und nicht im Vertrauen auf einen rechtlichen Grund zu investie­ ren.454 Auf den Vertragsschluss gerichtete Kosten sind beispielweise Kosten der Vertragsdurchführung, Notarkosten oder Provisionszahlungen; nicht unter § 818 Abs. 3 BGB fallen selbstverständlich auch provisionsunabhängige Lohnzahlungen, die sogar unabhängig vom Zustandekommen des Vertrags entstehen.455 c) Kosten und Risiko der Rückabwicklung Kosten der Rückabwicklung sind nach § 818 Abs. 3 BGB abzugsfähig, da der Bereicherungsschuldner auch hier Gefahr läuft, über das Erlangte hinaus einen Vermögensnachteil zu erleiden.456 Denkt man dabei in erster Linie an Rücksendekosten, ist zu beachten, dass der Erfüllungsort, vorbehaltlich etwa­ bear. 2007, § 818 Rn. 37; Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 818 Rn. 12. 453  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 59; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 33. 454  Vgl. zur Begrifflichkeit Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 40, 47; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 151; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 62; a. A. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1980 – IVa ZR 45/80, NJW 1981, 277 (278); Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 37; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 55. 455  Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 47; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 151; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 62; a. A. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1980 – IVa ZR 45/80, NJW 1981, 277 (278); Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 37; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 55. 456  Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 55; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 174; a. A. BGH, Urteil vom 15. März 2002 – V ZR



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB113

iger Vereinbarungen der Parteien oder der speziellen Natur des Schuldver­ hältnisses, gemäß § 269 Abs. 1 BGB grundsätzlich beim Bereicherungs­ schuldner liegt und jedenfalls die praktische Relevanz des § 818 Abs. 3 BGB für Rücksendekosten sehr eingeschränkt sein dürfte.457 Sollten Rückabwick­ lungskosten für den Schuldner entstanden sein, richtet sich deren Verteilung allerdings gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB, aufgrund der dann vorlie­ genden Bösgläubigkeit des Bereicherungsschuldners, nach den allgemeinen Vorschriften.458 So sind die Gefahrtragung und Kosten der Versendung von Geldschulden gemäß § 270 Abs. 1 BGB dem Schuldner auferlegt und bei Sachleistungen die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB einschlägig, die zu einem Ersatz außerhalb des § 818 Abs. 3 BGB unter erschwerten Voraussetzungen führen.459 Die Umlegung der Rückabwicklungskosten auf den Bereiche­ rungsschuldner bei Geldschulden gemäß § 270 Abs. 1 BGB muss jedoch für die Fälle ausscheiden, in denen der Bereicherungsgläubiger zurechenbar al­ lein, ohne Zutun des Bereicherungsschuldners, die Vermögensverschiebung bewirkt; dann erscheint es selbst bei anfänglicher Bösgläubigkeit unbillig, Gefahrtragung und Rückabwicklungskosten auf den Empfänger zu übertra­ gen.460 Der Rückgriff auf § 818 Abs. 3 BGB ist dabei auch dogmatisch plau­ sibel zu begründen, da § 270 Abs. 1 BGB als bloße Zweifelsregelung subsi­ diär zurücktritt.461 Dieser Gedanke einer Differenzierung ist konsequenter­ weise so auch auf die Rückabwicklung von Sachleistungen zu übernehmen, indem außerhalb der Eingriffskondiktion durch Heranziehung gewährleis­ tungsrechtlicher Grundsätze bei gegenseitigen Verträgen in Kombination mit dem oben erwähnten § 269 Abs. 1 BGB und dem Rechtsgedanken des § 818 Abs. 3 BGB der Erfüllungsort stets beim Schuldner einzuordnen ist und da­ durch Rückabwicklungskosten für den Bereicherungsschuldner schon dem Grunde nach verhindert werden können.462 Hingegen muss der bösgläubige Bereicherungsschuldner im Rahmen der Eingriffskondiktion interessenge­ 396/00, NJW 2002, 1872 (1875); Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 77. 457  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 174; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 77. 458  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 77; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 175. 459  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 77; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 175. 460  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 175; für eine generelle Verantwortlichkeit des Gläubigers vgl. Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 43; a. A. Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edi­ tion, 1. August 2018, § 818 Rn. 77. 461  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 175. 462  Vgl. Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 176; zum Erfül­ lungsort auch RG, Urteil vom 17. Oktober 1919 – II 113/19, RGZ 96, 345 (347);

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

recht weiterhin seine Rückabwicklungskosten, soweit möglich, im Wege der GoA nach §§ 677 ff. BGB geltend machen.463 d) Sonstige Vermögensdispositionen Abgesehen von Verfügungen am Erlangten selbst, können auch sonstige Vermögensdispositionen, die der Bereicherungsschuldner im Vertrauen auf die Beständigkeit des vermeintlichen Vermögenszuwachses vornimmt oder unterlässt, zu einer Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB führen.464 Danach kann vom Schuldner über § 818 Abs. 3 BGB der Nachteil nicht rechtzeitig erhobener Ansprüche, die nun aufgrund Verjährung, Verfristung oder Insol­ venz des Schuldners wirtschaftlich ohne Wert sind, geltend gemacht werden; gleiches gilt für die Aufgabe von Sicherheiten bei schlussendlich ausbleiben­ der Leistung oder auch für einen Vermögensnachteil, der aufgrund einer verpassten günstigen Geschäftsmöglichkeit entsteht.465 Keine nach § 818 Abs. 3 BGB relevante Vermögensdisposition ist es hingegen, wenn der Ver­ mieter beispielsweise behauptet, er hätte aufgrund einer Endrenovierungs­ klausel eine niedrigere Miete verlangt und sich nun bei Wegfall der Klausel nach §§ 307 ff. BGB bezüglich dem Kondiktionsanspruch des Mieters aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB um den Differenzbetrag entreichert sieht.466 Denn der Vermieter hat zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Renovie­ rungsleistung des Mieters noch gar nicht erlangt und konnte zur Bestimmung eines geringeren Mietpreises daher nicht durch den Empfang der Renovie­ rungsarbeiten des Mieters motiviert worden sein.467

Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 77; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 9a. 463  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 176; zur GoA vgl. Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 77. 464  Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 35; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 168. 465  BGH, Urteil vom 8. Juli 2003 – VI ZR 274/02, NJW 2003, 3193 (3196); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 168 f.; Wendehorst, in: Bamber­ ger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 74; BuckHeeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 37. 466  Im Ergebnis so auch LG Wuppertal, Urteil vom 11. März 2010 – 9 S 50/08, BeckRS 2010, 11506; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 172. 467  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 172.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB115

e) Luxusausgaben und Folgeschäden Als Luxusausgaben werden Geschäfte bezeichnet, bei denen der Bereiche­ rungsschuldner das Erlangte für Ausgaben verwendet, denen kein durch sie erlangter Vermögenswert gegenübersteht und die er sich unter regelmäßigen Umständen (d. h. ohne das Erlangte) nicht hätte leisten können also unterlas­ sen hätte.468 Auf Grundlage dieser Hypothese soll sich der Schuldner darauf berufen können, nach § 818 Abs. 3 BGB entreichert zu sein.469 Hintergrund der Begründung ist, dass dem Schuldner beim Verbrauch oder der Verfügung über das Erlangte grundsätzlich ersparte Aufwendungen in Rechnung gestellt werden, die eine Bereicherung eben gerade nicht entfallen lassen.470 Daneben führen Folgeschäden, die dem Bereicherungsschuldner durch das Erlangte in dessen Risikosphäre entstanden sind, zu keiner Entreicherung i. S. d. §  818 Abs.  3 BGB.471 Der Bereicherungsschuldner kann sich nicht auf einen notwendigen Vertrauensschutz berufen, da ihm Folgeschäden auch bei Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit entstanden wären und er grundsätzlich zu seinen vermögensrelevanten Entscheidungen und dessen Konsequenzen ste­ hen muss.472 Außerdem ist festzuhalten, dass es nicht Aufgabe des Bereiche­ rungsrechts ist, Schäden der Parteien zu regulieren.473 f) Steuerzahlungen Steuern können sowohl bereits das Erlangte mindern, als auch für den Bereicherungsschuldner eine Entreicherung i. S. d. § 818 Abs. 3 BGB sein, 468  BGH, Urteil vom 4. April 1990 – VIII ZR 71/89, NJW 1990, 1789 (1790); Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 45; Prütting, in: ders./Wegen/Wein­ reich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 21; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 35; Stadler, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 818 Rn.  30 f. 469  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 187 f. 470  BGH, Urteil vom 4. April 1990 – VIII ZR 71/89, NJW 1990, 1789 (1790); Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 21; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 186; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 45; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 17; vgl. Kapitel 1 D. III. 5. e). 471  Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 37; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 74; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 179 f.; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 48. 472  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 179; Lorenz, in: Staudin­ ger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 40; zum Teil a. A. Prütting, in: ders./Wegen/ Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 27 der auf Grundsätze zur schuldrechtlichen Sachmangelhaftung verweist. 473  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 40.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

wenn die Steuern erst abgeführt werden müssen.474 Denn selbst nach allge­ meinen Vorschriften hat der Bereicherungsschuldner gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 2, 995 BGB die Möglichkeit, steuerliche Belastungen in Abzug zu bringen, was auf der anderen Seite auch dem gutgläubigen Be­ reicherungsschuldner den Weg zu § 818 Abs. 3 BGB eröffnen muss.475 Au­ ßerdem ist zu überlegen, wenn das Erlangte schon von sich aus zu einer steuerlichen Belastung führt, so beispielsweise bei der Einkommens- oder Umsatzsteuer, ob der Bereicherungsschuldner nicht schon im Rahmen des § 812 BGB, d. h. gänzlich unabhängig von der Frage einer verschärften Haf­ tung, die Herausgabe des Erlangten von einer Zug um Zug Befreiung der steuerlichen Belastung abhängig machen kann.476 Genießt der Bereiche­ rungsschuldner aber aufgrund seiner Rückgewährpflicht im darauffolgenden Berechnungszeitraum eine entsprechende Minderung seiner Steuerpflichten und kommt es dadurch zu einem Ausgleich der Beträge, kann allgemein die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB nicht erhoben werden.477 6. Problem der aufgedrängten Bereicherung Von einer aufgedrängten Bereicherung ist immer dann zu sprechen, wenn der Empfänger das Erlangte in natura nicht herausgeben kann, d. h. einen Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB zu leisten hat, und die Vermögensmeh­ rung durch das Erlangte den zu zahlenden Wertersatz nicht aufheben kann, sondern dahinter zurückbleibt.478 Zumeist wird so vom Empfänger bei rechtsgrundlosen Aufwendungen argumentiert, die auf eine fremde Sache getätigt werden.479 Je nach Art der Kondiktion i. S. d. §§ 812 ff. BGB sind für diese Fälle dann verschiedene Möglichkeiten (§ 818 Abs. 3 BGB, § 814 BGB (analog), §§ 404 ff. BGB analog, § 1001 Satz 2 BGB analog oder § 1004 BGB analog und sogar eine subjektive Auslegung des § 818 Abs. 2 BGB) des Bereicherungsschuldners diskutiert, die eine Wertersatzpflicht ganz ver­ 474  RG, Urteil vom 30. Oktober 1942 – VII 41/42, RGZ 170, 65 (67); BGH, Urteil vom 15. Januar 1992 – IV ZR 317/90, NJW-RR 1992, 558 (560); BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 164/14, NJW-RR 2015, 677 (679); Stadler, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 818 Rn. 32 ff.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 161; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 48; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 36. 475  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2.  Auflage 2016, S. 594; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 162. 476  So Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 163. 477  Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 48; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 161. 478  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 217, 232. 479  Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 36; Wendehorst, in: Bamber­ ger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 141.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB117

meiden bzw. angemessen reduzieren können.480 Im Rahmen der hier relevan­ ten Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, in der eine Leistung aufgrund einer (vermeintlich) vereinbarten Verpflichtung gegenüber dem Empfänger erbracht wurde, ist es für den Empfänger aufgrund der eige­ nen Kausalität an der Leistungserbringung des Bereicherungsgläubigers grundsätzlich schwieriger eine „unzureichende“ Vermögensmehrung plausi­ bel zu begründen. Dennoch stellt sich für beide Parteien der Rückabwicklung das Bedürfnis einer schützenden und damit ausgleichenden Regelung ein. Insbesondere, wenn der Schuldner wie im Falle der Anfechtung an dem kon­ kreten Leistungsaustausch kein Interesse hat. Für die Leistungskondiktion ist jedoch die Vorschrift des § 814 BGB unproblematisch anwendbar, die dog­ matisch sauber ab Kenntnis des Bereicherungsgläubigers über seine Nicht­ schuld eine Grenze zur aufgedrängten Bereicherung zieht.481 Gemäß § 142 Abs. 2 BGB steht die Kenntnis der Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts der Kenntnis vom Nichtbestehen der Verbindlichkeit bzw. vom Bestehen einer dauernden Einrede gleich, wodurch die Gefahr einer Rechtsunsicherheit auch an dieser Stelle innerhalb des Bereicherungsrechts genommen wird.482 7. Zusammenspiel des § 818 Abs. 3 BGB mit § 122 BGB In Zusammenhang mit der unter Ziffer 4 dieses Abschnitts bereits erwähn­ ten aber abzulehnenden schadensersatzrechtlichen Gestaltung des Bereiche­ rungsrechts in § 818 Abs. 3 BGB, ist auf das Verhältnis der Vorschrift zur Schadensersatznorm des § 122 BGB einzugehen. Der Anfechtende, der ge­ mäß § 122 BGB zum Ersatz des Vertrauensschadens gegenüber dem (ver­ meintlichen) Vertragspartner verpflichtet ist, darf diese Kosten logischerweise nicht dadurch umgehen können, dass er sich unter Darlegung seiner Pflicht aus § 122 BGB auf einen Wegfall der Bereicherung beruft; vielmehr müssen § 818 Abs. 3 BGB und § 122 BGB in Wechselwirkung stehen, d. h. eine Be­ rufung des Anfechtenden auf § 818 Abs. 3 BGB durch eine teleologische Reduktion versperrt sein, da dessen Ersatzpflicht nach § 122 BGB ansonsten entsprechend erhöht werden müsste.483 Gleichzeitig führt dies dazu, dass in Fällen der Anfechtung, die keine Pflicht zum Vertrauensschadensersatz ge­ 480  Diskussion der verschiedenen Ansätze bei Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 142 ff.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 218 ff. 481  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 212. 482  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 814 Rn. 8. 483  Canaris, Der Vorrang außerbereicherungsrechtlicher, insbesondere dinglicher Wertungen gegenüber der Saldotheorie und dem Subsidiaritätsdogma, JZ 1992, 1114 (1116 f.); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 141.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

mäß § 122 BGB nach sich ziehen, so etwa bei einer Anfechtung aufgrund Täuschung und Drohung gemäß § 123 BGB bzw. § 2078 BGB, ein Vertrau­ ensschadensersatz nicht durch eine Einschränkung des § 818 Abs. 3 BGB auf Seiten des Anfechtenden durchgesetzt werden darf.484 8. Rückabwicklung gegenseitiger Verträge Bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, wie es die in dieser Ar­ beit diskutierten Dauerschuldverhältnisse allesamt sind, ergibt sich die Be­ sonderheit, dass die Parteien gleichzeitig Bereicherungsschuldner als auch -gläubiger einer Leistungskondiktion und damit zugleich bereichert und ent­ reichert sind.485 Die allgemeinen Erörterungen zur Ausgleichsfunktion des § 818 Abs. 3 BGB erfahren dabei eine ganz besondere Intensivierung, da § 818 Abs. 3 BGB bei gegenseitigen Verträgen und dem Untergang des Er­ langten, eine Vermögensminderung über den Betrag des Erlangten für beide Parteien in ihrer Rolle als Schuldner nicht mehr verhindern kann.486 Noch problematischer und mit dem Rechtsgefühl nicht vereinbar ist es, dass unter Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB eine Partei, die über das Erlangte unvorteil­ haft verfügt hat, als Bereicherungsschuldner diese freie vermögenswerte Entscheidung ganz einfach auf den (vermeintlichen) Vertragspartner, der das seinerseits Erlangte wiederum herauszugeben hätte, abwälzen könnte.487 Noch offensichtlicher wird die vertragliche Verbindung, wenn man an den Fall denkt, dass eine Partei in Vorleistung gegangen ist und sie nach Unter­ gang des Leistungsgegenstands weder die Gegenleistung fordern noch die eigens erbrachte Leistung herausverlangen kann.488 Hinzu kommt, dass ein gerechter Ausgleich nicht mehr allein anhand einer an Risikosphären orien­ tierten Abgrenzung i. S. d. § 818 Abs. 3 BGB vollzogen werden kann, son­ dern daneben eventuell auch vertragsspezifische Regelungen zur Gefahrtra­ gung (z. B. § 446 BGB) berücksichtigt werden müssen, die der Zweckverbin­ dung der beiderseitigen Leistungen (sog. „faktisches Synallagma“) gerecht werden.489 Wie in dieser Situation mit § 818 Abs. 3 BGB umgegangen wer­ 484  Schwab,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 167. in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 62; Wendehorst, in: Bamber­ ger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 103. 486  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 103. 487  Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 73 III S. 321. 488  Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 46. 489  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 818 Rn. 103; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 41. 485  Linke,



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB119

den soll, ist in Rechtsprechung und Lehre sehr umstritten, wobei man grund­ sätzlich zwei Ansätze unterscheiden kann:490 a) Zweikondiktionenlehre Die Zweikondiktionenlehre orientiert sich am Wortlaut des Gesetzes, der keine besondere Behandlung von gegenseitigen Verträgen vorsieht.491 Grund­ sätzlich soll daher an zwei sich gegenüberstehenden Ansprüchen aus Leis­ tungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB festgehalten wer­ den.492 In der weiteren Ausgestaltung lassen sich dann wieder verschiedene Lösungsvorschläge von einander abgrenzen: aa) Unmodifizierte Zweikondiktionenlehre Einer Kollision der Leistungskondiktionen beider Parteien soll nach der unmodifizierten Zweikondiktionenlehre bei Gleichartigkeit der Herausgabe­ schuld mit einer Aufrechnungsmöglichkeit, ansonsten mit einem Zurückbe­ haltungsrecht nach § 273 BGB genüge getan sein; prozessual mit der Mög­ lichkeit einer Widerklage.493 Folglich kann sich eine Vertragspartei, deren Erlangtes untergangen ist, auf Entreicherung berufen und bleibt trotzdem berechtigt seine Gegenleistung zurückzufordern.494 Antwort auf die Beson­ derheit der gegenseitigen Vertragsleistungen und Mittel zu einem gerechten 490  Übersicht zum Meinungsstand bei Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 104 ff.; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 46 ff. 491  Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 73 III S. 321; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 63; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 161; ausführlich Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseiti­ ger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung nach BGB, 2000, S. 329 ff. 492  Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 818 Rn. 13. 493  v. Tuhr, Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, in: FS Bekker, 1907, S. 291 (309); Oertmann, Bereicherungsansprüche bei nichtigen Geschäften, DJZ 1915, 1063 ff.; auch Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung nach BGB, 2000, S. 328 ff.; vgl. außerdem Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn.  109 m. w. Nw.; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 54; Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 28; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 63; Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 818 Rn. 13. 494  Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 54; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 112; Wiese, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 818 Rn. 13; Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 28.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

Ausgleich sollen Schadensersatzansprüche sein, wodurch eine Modifikation des § 818 Abs. 3 BGB vermieden werden kann.495 bb) Modifizierte Zweikondiktionenlehre Vertreter der modifizierten Zweikondiktionenlehre befinden hingegen, dass eine Anpassung des § 818 Abs. 3 BGB in Form einer teleologischen Reduk­ tion für bestimmte Fälle vorzunehmen ist, um bereits durch das Bereiche­ rungsrecht eine zufriedenstellende Rückabwicklung gegenseitiger Verträge bereitstellen zu können.496 Ein Unterfall dieses Ansatzes ist die Überlegung, dass bei gegenseitigen Verträgen beide Parteien davon ausgehen würden, dass die Leistungen, wel­ che sie an die jeweils andere Partei erbracht haben, für sie endgültig verloren seien (Idee der sog. „Gegenleistungskondiktion“).497 Dies komme einer Kenntnis über den Mangel des Rechtsgrundes gleich, weshalb eine ver­ schärfte Haftung nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB anzunehmen sei und der Vertrauensschutz des § 818 Abs. 3 BGB nicht mehr bereitgestellt werden müsse.498 Jede Partei hafte daher gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB für den selbst verschuldeten Untergang der Gegenleistung und in Konsequenz der Haftung der anderen Partei nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB für den durch Zufall oder selbst verschuldeten Untergang der eigenen Leistung.499 Ein Gleichlauf mit vertraglichen Gefahr­ tragungsregelungen wie § 446 BGB wird dadurch zwar nicht erreicht, ist angesichts der Nichtigkeit der vertraglichen Beziehung jedoch auch nicht notwendig und wird durch ein Zusammenhalten des Nutzungsrechts und der Gefahrtragung genüge getan.500 Andere Stimmen fordern eine teleologische Reduktion des § 818 Abs. 3 BGB ähnlich zur Gegenleistungskondiktion immer dann, wenn es sich um die zurechenbare Entscheidung des Bereicherungsschuldners handelt, das Erlangte anstelle der Gegenleistung in sein Vermögen einzuführen;501 oder in 495  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2019, § 818 Rn. 112. 496  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2019, § 818 Rn. 113. 497  Ausführlich Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd.  II/2, 13. Auf­ lage 1994, § 73 III S. 324; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 268. 498  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 268. 499  Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 73 III S. 337; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 268. 500  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 269. 501  Flume, Der Wegfall der Bereicherung in der Entwicklung vom römischen zum geltenden Recht, in: FS für Niedermeyer, 1953, S. 103 (172 f.); Wilhelm, Rechtsver­



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB121

Fällen, in denen die Entreicherung auf eine Vernachlässigung der Sorgfalts­ pflichten zurückzuführen ist, die normalerweise in eigenen Angelegenheiten gepflogen werden.502 b) Saldotheorie aa) Entwicklung der Saldotheorie In dem der ursprünglichen Saldotheorie zugrunde liegenden Urteil des RG wurde das durch den Bereicherungsanspruch herauszugebende „etwas“ als Gesamtheit des Hinübergelangten unter gleichzeitiger Berücksichtigung der dafür gegebenen Werte und der auf dem Empfangenen ruhenden Lasten ver­ standen.503 Entscheidend für einen Anspruch aus Bereicherungsrecht im ge­ genseitigen Leistungsaustausch ist danach nur, ob nach Berücksichtigung der Gegenleistung ein Überschuss (Saldo) für eine Partei verbleibt.504 Als Be­ gründung wurde schlichtweg eine vermögensorientierte Betrachtungsweise des Erlangten i. S. d. § 812 Abs. 1 BGB herangezogen.505 Der BGH modifizierte anschließend zunächst die offensichtlich dogma­ tisch unsaubere Gleichsetzung des RG von Erlangtem und Bereicherung im Rahmen des § 818 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB und wendet vielmehr die Norm des § 818 Abs. 3 BGB zugunsten des Schuldners an, wenn das Erlangte bei der anderen (vermeintlichen) Vertragspartei untergegangen oder verschlech­ tert ist.506 So wurde auch hier argumentiert, dass selbst ein nichtiger gegen­ letzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, 1973, S. 62 ff.; auch erwähnt bei Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 110; vgl. auch darstellend Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 269. 502  Diesselhorst, Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle verfolgt an der Rechtsprechung zur Saldotheorie, 1968, S. 202 f.; auch erwähnt bei Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 110. 503  RG, Urteil vom 14. März 1903 – V 458/02, RGZ 54, 137 (141); vgl. Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 54; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 818 Rn. 235 m. w. Nw. 504  RG, Urteil vom 14. März 1903 – V 458/02, RGZ 54, 137 (141); BGH, Urteil vom 11. November 1994 – V ZR 116/93, NJW 1995, 454 (455); OLG Dresden, Urteil vom 28. September 1995 – 4 U 628/95, NJW-RR 1996, 1013; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 235; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 47; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 41. 505  RG, Urteil vom 14. März 1903 – V 458/02, RGZ 54, 137 (141); Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 66. 506  BGH, Urteil vom 14. Oktober 1971 – VII ZR 313/69, NJW 1972, 36 (39); BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 – VII ZR 202/76, NJW 1979, 160 (161); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 236.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

seitiger Vertrag gewisse Rechtswirkungen entfalte, um die Berücksichtigung des Synallagmas aus beiderseitigen Leistungen im Bereicherungsrecht zu begründen.507 Dieser Gedanke führe schließlich auch dazu, dass entsprechend § 446 BGB jede Partei für das Risiko der ihm erbrachten und in seinem Vermögen verbindlichen Leistung einzustehen hat und die Rückabwicklung in den wesentlichen Punkten mit den Vorschriften des Rücktritts vom Vertrag übereinstimmt.508 In neuester Rechtsprechung spricht der BGH allerdings wieder von einem alleinigen bereicherungsrechtlichen Anspruch der betroffe­ nen (Vertrags-)Partei und wendet sich der alten Handhabung des RG zu.509 Im Ergebnis soll der Bereicherungsanspruch also doch nicht isoliert auf Herausgabe des Geleisteten gerichtet, sondern von vornherein durch den ­ Abzug der von der anderen Partei zugeflossenen Vorteile beschränkt sein.510 Bei Gleichartigkeit der Leistungen entstehe so, wie oben vom RG ausgeführt, nur ein bereicherungsrechtlicher Anspruch; bei ungleichartigen Leistungen ist der Bereicherungsanspruch immanent, ohne notwendiges Zurückbehal­ tungsrecht nach § 273 BGB dadurch bedingt, dass von sich aus die Rückge­ währ der empfangenen Gegenleistung angeboten wird.511 bb) Anerkannte Ausnahmen Legt man die Saldotheorie in der aktuellen Form ihrer Anwendung durch die Gerichte als Lösungsinstrument gegenseitiger Verträge der Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB zu Grunde, ergibt sich nach h. M. trotzdem eine Reihe von 507  Zum unverbindlichen Austauschvertrag BGH, Urteil vom 20. März 2001 – XI ZR 213/00, NJW 2001, 1863 (1864) m. w. Nw.; v. Caemmerer, Bereicherung und un­ erlaubte Handlung, in: FS für Rabel, 1954, S. 333 (396); Linke, in: NK BGB, 3. Auf­ lage 2016, § 818 Rn. 66; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 42; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 47. 508  Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 42; Sprau, in: Pa­ landt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 47. 509  BGH, Urteil vom 11. November 1994 – V ZR 116/93, NJW 1995, 454 (455); BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 – V ZR 82/99, NJW 2000, 3064; BGH, Urteil vom 20. März 2001 – XI ZR 213/00, NJW 2001, 1863 (1864); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 237 m. w. Nw. 510  BGH, Urteil vom 20. März 2001 – XI ZR 213/00, NJW 2001, 1863 (1864); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 237; BT-Drs. 14/6040, S. 194. 511  Zu gleichartigen Leistungen RG, Urteil vom 14. März 1903 – V 458/02, RGZ 54, 137 (141); BGH, Urteil vom 11. November 1994 – V ZR 116/93, NJW 1995, 454 (455); OLG Dresden, Urteil vom 28. September 1995 – 4 U 628/95, NJW-RR 1996, 1013; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 235; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 47. Zu ungleichartigen Leistungen BGH, Urteil vom 24. Juni 1963 – VII ZR 229/62, NJW 1963, 1870 (1871); BGH, Urteil vom 19. Januar 2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1129).



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB123

Ausnahmen, welche die Anwendbarkeit der Saldotheorie beschränken.512 So muss eine Haftung nach allgemeinen Vorschriften aufgrund Rechtshängigkeit gemäß § 818 Abs. 4 BGB oder Bösgläubigkeit nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB zum Zeitpunkt des Untergangs oder der Beschädigung des Ge­ leisteten die Saldotheorie ebenso versperren wie es bei § 818 Abs. 3 BGB der Fall wäre.513 Auch darf sich die Saldotheorie nicht zu Lasten von ge­ schäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Personen auswirken.514 Bei Anfechtung des schuldrechtlichen Vertrags aufgrund Drohung gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB muss eine Saldierung zu Gunsten des Drohenden genauso ausscheiden, wie bei Täuschung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB und unverschuldetem Untergang des Erlangten auf Seiten der getäuschten Par­ tei.515 Außerdem führt die Irrtumsanfechtung nicht zur Saldierung im Rah­ men der Rückabwicklung, soweit die dadurch begünstigte Partei bei Wirk­ samkeit des Vertrags aufgrund des Mängelgewährleistungsrechts zur Scha­ densbehebung verpflichtet gewesen wäre.516 Daneben ist die Saldotheorie auch nicht geeignet Rückabwicklungskonstellationen gegenseitiger Verträge zu lösen, in denen noch kein Leistungsaustausch stattgefunden hat, da im Vorleistungsfall noch keine zwei zu saldierende Kondiktionsansprüche vor­ liegen.517 Der BGH beschränkt die Saldotheorie zudem in Fällen der Insol­ venz einer Partei, um deren Wirkung nicht auszuhöhlen.518

512  Übersicht in Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 241 f. oder Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 32 ff. 513  BGH, Urteil vom 14. Oktober 1971 – VII ZR 313/69, NJW 1972, 36 (39); BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 – VII ZR 202/76, NJW 1979, 160 (162); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 241. 514  BGH, Urteil vom 4. Mai 1994 – VIII ZR 309/93, NJW 1994, 2021 (2022); BGH, Urteil vom 20. März 2001 – XI ZR 213/00, NJW 2001, 1863 (1864); Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 59; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 818 Rn. 241. 515  Zur Täuschung BGH, Urteil vom 8. Januar 1970 – VII ZR 130/68, NJW 1970, 656 f.; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1980 – VII ZR 332/79, NJW 1981, 224 (226); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 241; a. A. Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 62. Zur Drohung Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 818 Rn. 241. 516  BGH, Urteil vom 9. Oktober 1980 – VII ZR 332/79, NJW 1981, 224 (226) m. w. Nw.; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 241. 517  Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 33; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 257 f.; Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 60. 518  BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 – IX ZR 200/03, NJW 2005, 884 (887); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 239, 242; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 43b; Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 818 Rn. 35.

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

c) Zusammenschau der Theorien Die Saldotheorie und Zweikondiktionenlehre unterscheiden zwischen Möglichkeiten der Modifikation des Bereicherungsrechts, daran angrenzen­ der Auslegung der §§ 812 ff. BGB und Lösungsvorschlägen außerhalb dieser Vorschriften. Gemein ist den Theorien das Bewusstsein, dass ein Leistungs­ austausch auf Grundlage eines, wenn auch nur vermeintlich bestehenden Austauschverhältnisses, die Vorschrift der Gefahrtragung in § 818 Abs. 3 BGB zu berühren scheint und, auch wenn der dogmatische Weg umstritten ist, durch die Rechtsanwendung darauf reagiert wird oder werden muss, mit im Ergebnis nur selten unterschiedlichen Auffassungen.519 Denn der gegen­ seitige Leistungsaustausch erzwingt eine verschuldensgleiche Haftung der Parteien.520 Geht es um die Frage der Gefahrtragung für den zufälligen Un­ tergang des Erlangten, muss jedenfalls konsequent entweder, wie im Berei­ cherungsrecht üblich, Nutzungsziehung und Haftung für Zufall beim Berei­ cherungsgläubiger verbleiben oder aber beides parallel zu Vorschriften wie § 446 BGB an den Bereicherungsschuldner übertragen werden. Aufgrund der nur vermeintlich bestehenden vertraglichen Verknüpfung der Leistungen und der ähnlich den Voraussetzungen einer Analogie nicht ausreichenden Lücke für eine Wertungsübertragung des § 446 BGB in das Bereicherungsrecht, ist dabei wohl Ersterem der Vorzug einzuräumen. Richtet man den Blick auf die dogmatische Plausibilität der verschiedenen Theorien, überzeugt zumindest die klassische Saldotheorie der Rechtspre­ chung mit ihren Einzelausnahmen und der Saldierung zu einem Anspruch, fernab des Gesetzestextes in § 818 Abs. 3 BGB, nicht und muss sich den Vorwurf der pragmatischen Lösungsorientierung gefallen lassen.521 Dennoch bleibt festzuhalten, dass die offensichtliche Lücke der gesetzlichen Regelun­ gen für die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge einen Gestaltungsspiel­ raum der Rechtsanwendung offenhält. Eine Analogie zu Vorschriften der §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB wie im Fall der Gegenleistungskondiktion liegt jedoch näher als sich, wie bei aktueller Anwendung der Saldotheorie, mit bereicherungsrechtlichen Grundbegriffen zu überwerfen.522 Die Grundproblematik der speziellen Situation gegenseitiger Leistungsver­ knüpfung und auch die in Rechtsprechung und Literatur gewählten Lösungs­ 519  Sprau,

in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 46. auch Singer, in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 122 Rn. 13. 521  Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 80; hierzu und zu weiteren Schwächen der Saldotheorie Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn.  41 f. m. w. Nw. 522  Siehe Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II/2, 13. Auflage 1994, § 73 III S. 337; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 41 m. w. Nw. 520  So



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB125

vorschläge machen jedenfalls deutlich, dass die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung, wenn auch durch Rechtsfortbildung unterstützt, grundsätz­ lich einen Rahmen bereit stellt, um hoch sensibel auf die an ein Ausgleichs­ instrument gestellten Anforderungen zu reagieren. Selbstredend bietet daher die mögliche Charakterisierung eines Dauerschuldverhältnisses als gegensei­ tiges Leistungsaustauschverhältnis keinen Anknüpfungspunkt (auch nicht in kumulativer Erscheinung mit anderen Argumentationsansätzen) für eine Be­ gründung der Vermeidung einer Rückabwicklung nach den §§ 812 ff. BGB und eine unterschiedliche Behandlung zu punktuellen Schuldverhältnissen.

IV. Verschärfte Haftung (§§ 818 Abs. 4, 819 f. BGB) Gemäß § 818 Abs. 4 BGB haftet der Bereicherungsempfänger ab Eintritt der Rechtshängigkeit, d. h. in der Regel gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO mit Zustellung der Klage auf Herausgabe der Bereicherung, nach den allgemeinen Vorschriften.523 Gleiches gilt laut § 819 Abs. 1 BGB, wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei Empfang des Erlangten kennt bzw. ihn später erfährt, oder gemäß § 819 Abs. 2 BGB durch die Leis­ tung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Eine Fiktion der Rechtshängigkeit bestimmt so auch § 820 BGB.524 Danach ist der Empfänger einer Haftung nach allgemeinen Vorschriften ausgesetzt, falls der mit einer Leistung bezweckte Erfolg schon nach dem Inhalt des Rechtsge­ schäfts als ungewiss angesehen wird und anschließend ausbleibt. Hintergrund der vorgenannten Vorschriften ist es, zu verhindern, dass ein Schuldner, der sich seiner (möglicherweise) ungerechtfertigten Bereicherung bewusst ist, in den Genuss der bereicherungsrechtlichen Risikoverteilung kommt.525 So führt die Haftung nach den allgemeinen Vorschriften im Vergleich zur Haf­ tung des unverklagten und gutgläubigen Bereicherungsschuldners nach § 818 Abs. 1–3 BGB zu einer Haftungsverschärfung.526 Der Verweis auf die allge­ meinen Vorschriften richtet sich dabei primär an §§ 291, 292 BGB, welche allgemein die Haftung des Schuldners nach Eintritt der Rechtshängigkeit re­ geln.527 § 291 BGB ordnet i. S. d. § 288 BGB eine Verzinsung von Geld­ 523  Lorenz,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 49. Grundzüge zivilrechtlicher Methodik – Schlüssel zu einer gelun­ genen Fallbearbeitung, JuS 2009, 289 (291); Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 820 Rn. 17. 525  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 49. 526  Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 85; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 303. 527  Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 88; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 50; zur Verweisproblematik auch Medicus, Die ver­ schärfte Haftung des Bereicherungsschuldners, JuS 1993, 705 f. 524  Bitter/Rauhut,

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Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

schulden an, während § 292 BGB in Abs. 1 für den Schadensersatz und in Abs. 2 für den Anspruch auf Herausgabe sowie den Nutzungs- und Verwen­ dungsersatz auf die Regelungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) der §§ 985 ff. BGB verweist.528 In der Folge kann sich der Schuldner im Rahmen des EBV grundsätzlich nicht mehr auf eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, sondern unterliegt einer verschuldensabhängigen Haftung, die einen Herausgabeanspruch (außer bei Verzug gemäß §§ 990 Abs. 2, 287 Satz 2 BGB) nur im Falle einer durch Zufall eingetretenen Un­ möglichkeit ausscheiden lässt.529 Daneben erstreckt sich der Nutzungsersatz gemäß § 987 Abs. 2 BGB nun auch auf schuldhaft nicht gezogene Nutzun­ gen, wohingegen Aufwendungen auf eine Sache des Bereicherungsschuldners gemäß §§ 994 Abs. 2, 995 BGB nur noch nach den Vorschriften der Ge­ schäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683, 679, 684 BGB durch den Berei­ cherungsgläubiger zu ersetzen sind.530 Greift der Spezialitätsvorrang der §§ 987 ff. BGB nach § 993 Abs. 1 a. E. BGB nicht ein, so finden für den Schadensersatz auch die allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen der §§  275 ff. BGB Anwendung.531 Dies muss richtigerweise ebenso für die He­ rausgabe von Surrogaten gemäß § 285 BGB gelten, die nicht von den §§ 292 Abs. 1, 989 ff. BGB verdrängt werden.532 Eine teleologische Korrektur der verschärften Haftung aus § 818 Abs. 4 BGB sieht der Gesetzgeber für Fälle vor, in denen der Schuldner keine Mög­ lichkeit hat, sich auf die zu erwartende Herausgabepflicht einzustellen und beispielsweise aufgrund gesetzlicher Verpflichtung eine Entreicherung nicht verhindern kann.533 Ähnlich wird der Einwand des Schuldners auf Entreiche­ rung nach § 818 Abs. 3 BGB zu gestatten sein, wenn die Berufung des Gläu­ bigers auf eine verschärfte Haftung rechtsmissbräuchlich oder treuwidrig entgegen § 242 BGB wäre.534 Aus solchen Beispielen muss sich jedoch keine 528  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 84. 529  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 468, 470; Wendehorst, in: Bamberger/ Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 83; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 311; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2007, § 818 Rn. 49. 530  Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 91. 531  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 319; Linke, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 818 Rn. 89. 532  Vgl. zum Veräußerungserlös BGH, Urteil vom 11. Oktober 1979 – VII ZR 285/78, NJW 1980, 178; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 51; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 84; auch diskutiert bei Medicus, Die verschärfte Haftung des Bereiche­ rungsschuldners, JuS 1993, 705 (706). 533  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 331. 534  Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 52.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB127

Restfunktion des § 818 Abs. 3 BGB ergeben. So ist auch bei fehlender Zu­ fallshaftung aus § 287 Satz 2 BGB der Schuldner im Rahmen der allgemei­ nen Vorschriften nach § 275 Abs. 1 BGB entlastet, was aufzeigt, dass ein dogmatischer Rückgriff auf § 818 Abs. 3 BGB nicht zwingend notwendig ist, eine Entreicherung des Schuldners aber möglich bleibt.535

V. Dreiecksbeziehungen im Bereicherungsrecht Bereicherungsrechtliche Mehrpersonenverhältnisse, insbesondere bei nach­ einander und ineinander geschalteten Leistungsbewegungen (sog. „Leistungsketten“), sind unter Beachtung des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse zu lösen.536 Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich demnach ausschließlich zwischen den Parteien des mangelhaften Kausalver­ hältnisses.537 Es kommt, unter Ausnahme des unentgeltlichen Erwerbs im Falle des § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. des § 822 BGB, zu einem Vorrang der Leistungskondiktion (sog. „Subsidiaritätsprinzip“), d. h. es kann kein Durchgriff dahingehend erfolgen, dass das Geleistete von jemandem kondi­ ziert wird, der nicht der eigene Vertragspartner ist.538 Die Anwendbarkeit einer Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB des Dritten gegenüber dem Bereicherungsschuldner würde die Relativität von Einwendungen aus den jeweiligen Schuldverhältnissen durchbrechen und das Insolvenzrisiko auf andere als die vertraglich verbundene Partei übertra­ gen.539 Zudem wäre in der Folge auch der gutgläubige Erwerb nicht kondik­ tionsfest.540 535  Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 818 Rn. 69; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 93; Lorenz, in: Staudinger BGB, Neubear. 2007, § 818 Rn. 52. 536  Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 812 Rn. 58 f., 371; Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 812 Rn.  173 ff. 537  BGH, Urteil vom 24. April 2001 – VI ZR 36/00, NJW 2001, 2880 (2881); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 812 Rn. 58; Wendehorst, in: Bamberger/ Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 812 Rn. 32; Stadler, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 812 Rn. 23. 538  Wendehorst, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Au­ gust 2018, § 812 Rn. 31; v. Sachsen Gessaphe, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 812 Rn. 128; 135, 190; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 812 Rn. 366; Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 812 Rn. 83; vgl. hierzu auch Baeck/Winzer, Drittpersonaleinsatz: Risiko der Fiktion eines Arbeitsver­ hältnisses mit dem Auftraggeber, NZA 2015, 269 (274). 539  v. Sachsen Gessaphe, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, § 812 Rn. 132; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 812 Rn. 65, 370. 540  Prütting, in: ders./Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB, 11. Auflage 2016, § 812 Rn. 80.

128

Kap. 1: Das Instrument der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB

Im Falle einer Nichtleistungskondiktion in Form der Aufwendungskon­ diktion ist bei Leistung einer Partei, die sich von einer Verbindlichkeit ge­ genüber ihrem Vertragspartner befreien will, von deren Leistung aber zu­ gleich ein Dritter profitiert, kein Vermögensopfer und damit keine Auf­ wendung gegenüber dem Dritten anzunehmen.541 Der Leistende, bspw. ein Arbeitnehmer, erlangt durch seinen Einsatz die Befreiung aus der Verbind­ lichkeit seines Arbeitsverhältnisses, im Falle der Anfechtung dessen, jeden­ falls einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegenüber dem Arbeitsgeber, und hat damit bereits tatbestandlich keinen Anspruch aus Aufwendungskondiktion gegenüber dem Vertragspartner des Arbeitgebers.542

VI. Zusammenfassung: Bereicherungsrecht Das Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB ist durch die sensible Ausge­ staltung in der Lage, eine angemessene Rückabwicklung für die Parteien bereit zu stellen und berücksichtigt die Risiken der Rückabwicklung umfas­ send in dessen Rechtsvorschriften. Der Herausgabeanspruch der Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB ist von weitgehendem Umfang und erstreckt sich auch auf tatsächlich gezogene Sach- oder Rechtsfrüchte. Bei Unmöglichkeit der Herausgabe ist gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten, der sich sich nach dem objektiven Verkehrswert bestimmt und auf allgemeine Bewertungsgrundsätze des BGB gestützt werden kann. Auch der Gewinn kann so eingerechnet werden und wird im Rahmen des Nutzungsersatzes behandelt, der einen angemessenen Umgang mit gegenständlichem Gewinnpotenzial und persönlicher Leistung ermöglicht. Der Herausgabeanspruch soll für den redlichen und unverklagten Berei­ cherungsschuldner gemäß § 818 Abs. 3 BGB zu keiner Verminderung seines Vermögens über den Betrag der Bereicherung hinaus führen. Gleichzeitig wird keiner Partei zum Nachteil der anderen ein Vorteil verschafft, sondern ein Ausgleich der korrespondierenden Auswirkungen des Leistungsaustau­ sches erzielt. Die Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB ist nach systematisch nachvollziehbaren Vorgaben strukturiert und begrenzt. Die Einwendung der Bereicherung verkörpert die Grundsätze des Vertrauensschutzes sowie die vertragliche Risikoverteilung und richtet sich nach den allgemeinen Maßstä­ ben des Rechtsgüterschutzes. Eine Aushöhlung der § 812 ff. BGB ist nicht zu besorgen. So ist § 818 Abs. 3 BGB durch normative und aus Rechtsprin­ 541  Schwab, 542  Schwab,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 812 Rn. 66, 364. in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 812 Rn. 66, 364.



D. Das Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB129

zipien geborene Grenzen beschränkt und erfordert einen besonderen Zusam­ menhang zwischen Vermögensnachteil und Entreicherung. Das Bereicherungsrecht ist bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge durch die Saldotheorie bzw. die modifizierte Zweikondiktionenlehre ange­ passt.543 Die Rechtsanwendung reagiert so in jedem Fall auf die besondere Leistungsbeziehung der Parteien und ermöglicht auch bei gegenseitigen Dau­ erschuldverhältnissen einen angemessenen Ausgleich.

543  Vgl.

zu den Begriffen erneut Kapitel 1 D. III. 8.

Kapitel 2

Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB Geht es um die Frage der Vereinbarkeit von Dauerschuldverhältnissen mit der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB, sind, neben der inhaltlichen Diskus­ sion des Anfechtungsrechts und dessen Rechtsfolge, auch die Grenzen der Interpretation und die methodische Herangehensweise bei der Anwendung von § 142 Abs. 1 BGB zu untersuchen. Nur so kann festgestellt werden, in welchem Maße die vorangestellten Vorüberlegungen zur Frage der dogmati­ schen Vereinbarkeit gesetzlich abgebildet und mithin von Bedeutung sind.

A. Methodische Herangehensweise Die Methodenlehre stellt feste Vorgaben zur Interpretation von Rechtsnor­ men auf und versucht dadurch eine verfassungstreue Rechtssicherheit zu ge­ währleisten, die wesentliche Grundrechte wie das Demokratieprinzip und die rechtsstaatliche Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 2, 3 GG sowie das ­Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG berücksichtigt.1 Dabei sind Lehren zur Rechtsanwendung insbesondere notwendig, um einzelne Entscheidungsargumente in ihrer Bedeutung erst fixieren und unüberwindbar machen zu können.2

I. Auslegungsmethodik Die juristische Hermeneutik ist, wie es bei den meisten Auslegungen der Fall ist, ein Regelwerk für das künstliche Verstehen von auf Dauer fixierten Lebensäußerungen, d. h. eine Methode, um das Verständnis einer Botschaft zu erschließen, hier im Konkreten des Gesetzestextes in § 142 Abs. 1 BGB.3 1  Rüthers/Fischer/Birk,

Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 20 Rn. 649 f. Juristische Begründungslehre: eine Einführung in Grundprobleme der Rechtswissenschaft, 1982, S. 115; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 20 Rn. 652. 3  Honsell, Die rhetorischen Wurzeln der juristischen Auslegung, ZfPW 2016, 106; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 114; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 133 Rn. 3; Larenz, Methodenlehre der Rechtswis­ senschaft, 6. Auflage 1991, S. 204. 2  Koch,



A. Methodische Herangehensweise131

Die Herangehensweise der Auslegung ist es, sich die verschiedenen Bedeu­ tungen eines Textes klar zu machen und dann zu entscheiden, welche der möglichen Deutungen richtig erscheint.4 Das Ergebnis ist dabei nicht losge­ löst logischer Natur, sondern Resultat einer Wahl, die durch unterschiedliche Gründe (sog. „Auslegungskriterien“) motiviert ist.5 Bei der Auslegung von Gesetzestexten kommt es im Unterschied zur Auslegung von Verträgen oder Willenserklärung auch immer zu einer Aktualisierung des Regelungsinhaltes, da der Gesetzestext meist in der Vergangenheit geschaffen wurde, aber einen gegenwärtigen Sachverhalt nach heutigem Verständnis der Gesellschaft zu beurteilen hat.6 Hinzu kommt, dass es sich bei Gesetzestexten um abstrakte Regelungen handelt, die alle denkbaren Konstellationen umfassen sollen und daher schon ihrer Gestaltung nach eine Transferleistung des Rechtsanwen­ ders auf den konkreten Sachverhalt erfordern.7 Diese Transferleistung geht mitunter so weit, dass Fallkonstellationen subsumiert werden müssen, die vom Gesetzgeber schlichtweg nicht vorausgesehen wurden und eine Ausle­ gung der Vorschriften erfordern.8 Die Schwierigkeit einer allumfassenden Gesetzgebung wird insoweit verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass selbst im Vertragsrecht zwischen nur zwei Parteien und einer deutlich individuell bestimmbareren Interessenlage Situationen entstehen, die nicht vorausgesehen und damit vertraglich auch nicht erfasst wurden, sondern die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens notwendig machen.9 Auch wenn viele Gesetzestexte in ihren Allgemeinvorstellungen und Begrifflich­ keiten unscharfe Ränder aufweisen, wäre es jedoch falsch, die Auslegung als ein Instrument der Mangelbeseitigung von nur unklaren und widersprüchli­ chen Normen anzusehen.10 Tatsache ist vielmehr, dass alle Rechtstexte aus­ legungsfähig und -bedürftig sind.11 So stützen sich Auslegungsmethoden zum Teil ganz bewusst nur auf Gesetzestexte, die ihren Regelungsgegenstand und das Regelungsziel klar, d. h. nicht „mangelhaft“, zum Ausdruck brin­

4  Larenz,

Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 204. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 204. 6  Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 133 Rn. 4 f. 7  Honsell, Die rhetorischen Wurzeln der juristischen Auslegung, ZfPW 2016, 106 (107). 8  Honsell, Die rhetorischen Wurzeln der juristischen Auslegung, ZfPW 2016, 106 (119). 9  Honsell, Die rhetorischen Wurzeln der juristischen Auslegung, ZfPW 2016, 106 (119). 10  Geserich, Auslegung und Rechtsfortbildung, DStR-Beih 2011, 59 (60); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 205. 11  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 205, Rü­ thers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 731; a. A. Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 114. 5  Larenz,

132

Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

gen.12 Die Auslegung kann also als eine Art Aufbereitung der Gesetze für das wirkliche Leben verstanden werden, die sich in einer Auseinanderlegung des Gesetzestextes und Erforschung des beinhalteten Sinnes vollzieht.13 1. Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung Ziel der Auslegung ist es, die Bedeutung eines Gesetzestextes zu ermit­ teln.14 Als Ausgangspunkt kann dabei jedoch zwischen der Bedeutung, wie sie der Autor verstanden hat (sog. „subjektiv-historische Auslegung“), und dem Sinn eines Textes, den er objektiv zu verstehen gibt (sog. „objektiv-tele­ ologische Auslegung“), unterschieden werden.15 Wie man diesen Konflikt zwischen subjektiver und objektiver Auslegung löst, ist im Ergebnis sowohl für die Ausgestaltung der einzelnen Auslegungskriterien als auch im Hinblick auf erforderliche Grenzen bei der Auslegung durch den Rechtsanwender von Relevanz. a) „Person“ des Gesetzgebers Zieht man den Willen des Gesetzgebers als Kriterium der Auslegung he­ ran, muss geklärt werden, wer mit der Person des Gesetzgebers gemeint ist. Die Methodenlehre stützt sich dabei auf einen materiellen Gesetzgeberbe­ griff, der alle Willensäußerungen von Personen und Institutionen mit auf­ nimmt, die am Gesetzgebungsakt beteiligt waren, ohne jedoch auf die Vor­ stellung einzelner Personen abzustellen und daraus eine bindende Richt­ schnur für ein Meinungsbild der Gesetzgebung zu konstruieren.16 Denn für die Willensbildung der Gesetzgebung und als Orientierung der Auslegung sind vielmehr die Grundabsichten und Vorstellungen entscheidend, die im Gesetzgebungsverfahren geäußert wurden und ohne Widerspruch geblieben sind.17 Dies umfasst grundsätzlich Aussagen im Rahmen der Ausarbeitung eines Referentenentwurfs im Ministerium, der Vorlage eines Regierungsent­ wurfs, der Stellungnahme des Bundesrats, der Gegenantwort der Bundesre­ gierung hierzu, der Beratungen (im Plenum und in den Ausschüssen) und 12  Rüthers/Fischer/Birk,

Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 701. System des heutigen Römischen Rechts I, 1840, S. 209; Larenz, Me­ thodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 313. 14  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 29. 15  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 121. 16  BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1952 – 2 BvH 2/52, NJW 1952, 737; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 30  f.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 329. 17  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 329. 13  Savigny,



A. Methodische Herangehensweise133

Verabschiedung im Bundestag sowie der Abstimmung über das Gesetz im Bundesrat.18 b) Subjektive Auslegungstheorie Die subjektive Auslegungstheorie beschreibt grundsätzlich als Ziel der Auslegung die Feststellung des Willens und der Absichten des historischen Gesetzgebers.19 Hintergrund dieser Herangehensweise ist, dass es eine offen­ sichtliche Umgehung der gesetzgeberischen Absichten zu sein scheint, dessen installierte Gesetzestexte entgegen dem gesetzgeberischen Willen unter dem Deckmantel einer objektiven Bedeutung zu begreifen.20 In strenger Ausfüh­ rung soll folglich allein der Wille des Gesetzgebers für das Gesetzesverständ­ nis maßgeblich sein, während in abgeschwächter Form der Wille des Gesetz­ gebers jedenfalls ein notwendiges und wichtiges Element der Auslegung sei.21 Der streng subjektiven Auslegungstheorie kann jedoch schon aus dem Grundverständnis der Methodenlehre, die einen Gesetzestext zu erschließen versucht, nicht zugestimmt werden. Andernfalls könnte nicht mehr von der Auslegung von Gesetzen gesprochen werden, wenn lediglich die sachver­ haltsbezogenen Wertmaßstäbe der Gesetzgebung ergründet werden sollen.22 Die subjektive Theorie in abgeschwächter Gestalt ist jedoch dagegen in der Lage, verfassungsrechtlich verpflichtende Grundsätze und hilfreiche Erkennt­ nisse in eine methodische Auslegung zu integrieren und diese zu bereichern und muss daher Beachtung finden.23 c) Objektive Auslegungstheorie Nach der objektiven Theorie ist der Wille des Gesetzgebers für die Geset­ zesauslegung nicht von Bedeutung.24 Denn dieser Gedanke sei schon dann überholt, wenn Gesetze, die in vergangenen Legislaturperioden verabschiedet wurden, vom heutigen Gesetzgeber zwar übernommen, in seinem Sinne aber anders zu interpretieren sind.25 In der Folge stelle sich vielmehr die Frage, ob es nicht objektive Kriterien sein müssten, die dem Bürger als Adressaten 18  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 30 f.; Larenz, Metho­ denlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 329 f. 19  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 133. 20  Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 797. 21  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 133 m. w. Nw. 22  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 786. 23  Hierzu ausführlicher vgl. Kapitel 2 B. I. 1. d). 24  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 57. 25  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 32.

134

Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

bei Auslegung der Rechtsvorschriften Rechtssicherheit bieten könnten.26 Au­ ßerdem könne ein Gesetzestext zwar keinen eigenen, über die Absichten des Gesetzgebers hinausgehenden Regelungswillen besitzen, dennoch müsse die Gesetzesauslegung doch in der Lage sein, zu neu entstandenen und subjektiv nicht berücksichtigten Fallfragen Antworten finden zu können.27 Der Geset­ zestext löse sich also nach der Verabschiedung von seinem Autor ab und beinhalte seine eigene Wahrheit, die es zu begreifen gilt.28 Ziel der Ausle­ gung sei danach, die Bedeutung des Gesetzestextes zu erschließen, die nicht derjenigen Bedeutung zu entsprechen hat, die der Gesetzgeber im Sinn hat­ te.29 Nur so sei zu gewährleisten, dass die Gesetze im Wandel der Zeit durch die Rechtsanwendung entsprechend angepasst werden können, ohne dass stets an alten Verständnissen festgehalten werden muss.30 Problematisch an dieser Ansicht ist jedoch, dass es eine eigene Wahrheit des Gesetzestextes nicht gibt.31 Funktion des Gesetzestextes ist es, die Botschaft des Gesetzge­ bers zu übermitteln.32 Als Übermittler wohnt ihm kein eigener Inhalt inne, der eine Auslegung ermöglichen könnte.33 Die objektive Theorie muss sich daher den Vorwurf gefallen lassen, dass sie den Gesetzestext nur benutzt, um „eigene“ Regelungen zu entwerfen, die so jeder auch mittelbaren gesetzgebe­ rischen Grundlage entbehren.34 d) Vermittelnder Ansatz Die h. M. der Literatur spricht sich für ein Nebeneinander subjektiver und objektiver Kriterien aus, wohingegen die aktuellere Rechtsprechung des BGH und das BVerfG meist entscheidend auf einen „objektivierten Willen des Gesetzgebers“ abstellt, der zwar begrifflich und der Sache nach nicht immer ganz eindeutig ausgeführt wird, jedoch eher der objektiven Theorie 26  Löhnig, Treuhand: Interessenwahrnehmung und Interessenkonflikte, 2006, S. 795. 27  Rüthers/Fischer/Birk,

Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 797. Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts, 1. Bd., 1885, S. 256; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 134 m. w. Nw.; Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 797. 29  Looschelders, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 3; Wank, Die Aus­ legung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 32; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auf­ lage 1999, Anh § 133 Rn. 2. 30  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 33. 31  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 797. 32  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 797. 33  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 797. 34  Looschelders, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 5; hierzu ausführ­ licher vgl. Kapitel 2 B. I. 1. d); a. A. Wach, Handbuch des Deutschen Civilprozess­ rechts, 1. Bd., 1885, S. 244 ff. 28  Wach,



A. Methodische Herangehensweise135

als einer vermittelnden Ansicht zu entsprechen scheint.35 Der vermittelnden Ansicht ist dem Grundgedanken nach trotzdem zuzustimmen, schon allein, weil die verschiedenen Theorien unterschiedlichen Erkenntnisinteressen die­ nen und sich daher aus allgemeiner hermeneutischer Sicht nicht ausschlie­ ßen.36 Hinzu kommt, dass es der subjektiven Theorie an der Erkenntnis mangelt, dass der Gesetzestext, wenn auch in Grenzen, wandelbar und be­ weglich bleiben muss und daher nicht immer ein Verweis auf die Kodifika­ tionsabsicht des Gesetzgebers möglich sein kann, ohne eine zu starre Geset­ zeslage zu riskieren, während die objektive Theorie vergisst, dass die Ab­ sichten, die der konkreten Kodifikation und damit seiner demokratischen Legitimation zu Grunde liegen, stets eine Erkenntnis für den Sinngehalt einer Vorschrift und damit der Auslegung bilden müssen.37 In den Auslegungskri­ terien gilt es daher sowohl den gesetzgeberischen Willen, als auch den nor­ mativen Sinnzusammenhang widerzuspiegeln.38 Geht es um die Grenze der Auslegung, ist allerdings ein Vorrang des sub­ jektiven Elements, genauer des eindeutigen Willens des Gesetzgebers anzu­ nehmen, soweit dieser mit dem Wortlaut der Norm vereinbar ist.39 So führt 35  BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1952 – 2 BvH 2/52, NJW 1952, 737; BVerfG, Beschluss vom 18. Oktober 1966 – 2 BvR 386, 478/63, NJW 1967, 291 (292); BVerfG, Beschluss vom 9. November 1988 – 1 BvR 243/86, NJW 1989, 1599; BGH, Urteil vom 30. Juni 1966 – KZR 5/65, NJW 1967, 343 (346); BGH, Urteil vom 8. November 1967 – I b ZR 135/65, NJW 1968, 748 (749); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 316 ff.; Löhnig, Treuhand: Interessen­ wahrnehmung und Interessenkonflikte, 2006, S. 794; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 137; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auf­ lage 2016, S. 143 ff.; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, Anh § 133 Rn. 2; Looschelders, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 3; Sprau, in: Pa­ landt BGB, 78. Auflage 2019, Einl Rn. 40. Zur Auslegungspraxis des BVerfG auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 800; Säcker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Einl Rn. 125. 36  Looschelders, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 3. 37  Vgl. Ausführungen bei Löhnig, Treuhand: Interessenwahrnehmung und Interes­ senkonflikte, 2006, S. 796 f.; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, Anh § 133 Rn. 2, der die subjektive Theorie jedoch zu sehr beschränkt. 38  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 319. 39  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1958 – 1 BvL 149/52, NJW 1958, 1227; BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1964 – 1 BvL 16–25/62, NJW 1964, 1563 (1564); Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, 2. Auflage 2005, S. 132; vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 8. April 1998 – 1 BvR 1680–93, NJW 1998, 3033 (3036); BVerfG, Urteil vom 14. Dezember 1999 – 1 BvR 1327/98, NJW 2000, 347 (349); BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 – XII ZR 78/08, NJW 2009, 2523 (2526); a. A. Koch, Juristische Begründungslehre : eine Einführung in Grundprobleme der Rechtswissen­ schaft, 1982, S. 255; Löhnig, Treuhand: Interessenwahrnehmung und Interessenkon­ flikte, 2006, S. 794 f., die eine Übereinstimmung von eindeutigem Wortlaut und Wil­ len des Gesetzgebers fordern; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Juris­

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

eine Gerichtsentscheidung, die auf einer Rechtsnormauslegung beruht, die entgegen den normierten Absichten des Gesetzgebers erfolgt ist, zu einem Bruch der demokratischen Legitimationskette, die den Verweis auf die Ver­ pflichtung zur Rechtsfortbildung verfassungsrechtlich überspannt.40 Hierbei kann auch die Funktion der Rechtsordnung nicht vorgebracht werden, die eine vernünftige, gerechte und zweckmäßige Ordnung der sozialen Verhält­ nisse darzustellen habe, ohne zu übergehen, dass es nicht Aufgabe des Rich­ ters ist, in einer „objektiv“ angelegten Auslegung entgegen dem Gesetzgeber zu bestimmen, was vernünftig, gerecht, zweckmäßig und sozial ist.41 Über die erkennbare Regelungsabsicht und die von ihm bewusst getroffenen Wer­ tentscheidungen des historischen Gesetzgebers, die in der Rechtsvorschrift Ausdruck gefunden hat, darf sich die Auslegung daher nicht hinwegsetzen, es sei denn, sie stünde wiederum im Widerspruch mit Wertentscheidungen des aktuellen Gesetzgebers.42 2. Auslegungskriterien Die Gesetzesauslegung unterscheidet zwischen verschiedenen Ausle­ gungskriterien zur Interpretation einer Rechtsvorschrift (sog. „Methoden­ lehre“).43 Anhand welcher Kriterien juristische Texte auszulegen sind, ist dabei eine der Hauptfragen der Methodenlehre und muss für Gesetze, ge­ richtliche Entscheidungen oder Rechtsgeschäfte differenziert beantwortet werden.44 Friedrich Carl von Savigny spricht bei der Auslegung von Geset­ zen von vier verschiedenen Auslegungskriterien, die hervorzuheben seien:45 Das grammatische, das logische, das historische und das systematische Ele­ prudenz, 1969, S. 19, der von Wortlaut und Sinn in Übereinstimmung als Grenze ausgeht. 40  Looschelders, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 3 ff.; vgl. auch Gietl, Abstammung, 2013, S. 33; a. A. BAG, Urteil vom 6.  April  2011 − 7 AZR 716/09, NJW 2011, 2750 Sachverhalt und Gründe abgedruckt in NZA 2011, 905 (907); Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 137; vgl. Kapitel 2 B. II. 2. 41  Looschelders, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 6; Wank, Die Aus­ legung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 29; a. A. Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 137. 42  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 318; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 32. 43  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 41; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 133 Rn. 7; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 319. 44  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 206. 45  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. I, 1840, S. 213; Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 699.



A. Methodische Herangehensweise137

ment.46 Heute unterscheiden wir, daran angelehnt, die Auslegung nach dem Wortlaut, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck (Tele­ ologie) einer Regelung.47 Dieser Kanon, ergänzt um das Kriterium der Richtlinien- und Verfassungskonformität, ist Grundvorlage einer jeden Ge­ setzesauslegung, da nur so eine, zumindest anhand gewisser Kriterien fest­ zumachende und nachprüfbare Gesetzesaufbereitung durch den Rechtsan­ wender gewährleistet werden kann.48 Ist der Sinngehalt eines Gesetzestextes erschlossen, ist das ermittelte Er­ gebnis der Auslegung nie abschließend und auch nicht von „ewiger“ Gültig­ keit.49 Grund hierfür sind unvorhersehbare praktische Konstellationen, ge­ nau wie die Entwicklung der gesellschaftlichen Ansichten und Gegebenhei­ ten, die zusammen im Rahmen der zu beachtenden Kontinuität der Recht­ sprechung zu neuen zeitlich verknüpften Ergebnissen führen.50 a) Grammatikalische Auslegung Abzugrenzen vom Gesetzestext als Auslegungsgegenstand selbst ist die grammatikalische Auslegung als Frage nach dem Wortsinn einer Norm, d. h. die Bedeutung eines Ausdrucks oder einer Wortverbindung im allgemeinen oder besonderen Sprachgebrauch des zu untersuchenden Gesetzes.51 Der Wortlaut ist Übermittler der Botschaft des Gesetzgebers und danach der Wortsinn auch wichtiges Indiz zur Ermittlung des Normsinns.52 Umgekehrt kann aber auch einschränkend klargestellt werden, dass der Wortlaut eben nicht die Rechtsnorm darstellt.53 Ein klarer Wortsinn führt daher nicht im­ mer zu einer klaren Norminterpretation, sondern kann in seltenen Konstella­ 46  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. I, 1840, S. 213; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 319; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 699. 47  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 702. 48  Geserich, Auslegung und Rechtsfortbildung, DStR-Beih 2011, 59 (60); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 319; zur richtlinien- und verfassungskonformen Auslegung vgl. Herresthal, Die richtlinienkonforme und die verfassungskonforme Auslegung im Privatrecht, JuS 2014, 289 ff.; Kramer, Juristi­ sche Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 40; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 700. 49  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 314. 50  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 314 f. 51  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 320. 52  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 61; aber kein absoluter Vorrang vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 734. 53  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 87 mit Verweis auf die Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts, BGE 141 III 281 (283).

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tionen auch kritisch zu hinterfragen sein und nie weitere Auslegungsschritte entbehrlich machen.54 Grammatikalische Auslegung bei Gesetzen bedeutet auch, den Empfänger­ horizont gemäß §§ 133, 157 BGB zu berücksichtigen und die Pflicht, den in der Gesellschaft eingespielten Sprachgebrauch zu ermitteln.55 Da eine empiri­ sche Erhebung an praktischen Erwägungen scheitert, hat der Auslegende auf das Wörterbuch der deutschen Sprache zurückzugreifen und bei Fällen außer­ halb dieser Vorgaben auf die eigene Sprachkompetenz zu vertrauen.56 Um eine ­methodische Ermittlung der Wortbedeutungen zu gewährleisten, ist nicht starr am Wortlaut und seinem mehrdeutigen, unsicheren und wandelbaren Inhalt festzuhalten, sondern auf den Gebotsinhalt der Gesetzgebung Rücksicht zu ­nehmen; dabei muss im Grundsatz immer von der zur Entstehungszeit der Rechtsnorm gültigen fachspezifischen Bedeutung der Begriffe ausgegangen und deren Zweckrichtung dahingehend Rechnung getragen werden.57 Anders gestaltet es sich bei Wörtern des gewöhnlichen Sprachgebrauchs ohne be­ stimmte Sinnfestlegung, die eine Aktualisierung erfahren müssen und zumin­ dest vermittelnd auch auf das heutige Verständnis zu übertragen sind.58 b) Systematische Auslegung Der Kontext einer Rechtsnorm dient zur Ermittlung des Normsinns erwar­ tungsgemäß als Ergänzung und Orientierung und bildet einen Leitfaden der Entscheidung zwischen mehreren Deutungsvarianten eines Gesetzestextes.59 Unter „System“ der systematischen Auslegung kann sowohl ein Normen­ kapitel, eine Kodifikation, ein Teilgebiet als auch ein übergeordnetes Ganzes verstanden werden.60 Der systematische Auslegungsansatz führt demgemäß aus, dass die Rechtsordnung ein geordnetes Normengefüge widerspruchs­ freier normativer Wertmaßstäbe darstellt, dessen Muster zur systemkonfor­ men Normauslegung bedeutungsentscheidend herangezogen werden kann.61 54  Kramer,

Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 89 f. Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 738. 56  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 738. 57  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10.  Auflage 2018, § 22 Rn. 741, 743; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 90 f. 58  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 91; Larenz, Methoden­ lehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 324; a. A. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 742. 59  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 744. 60  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 745. 61  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 58; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 744, 746; Kramer, Juristische Metho­ denlehre, 5. Auflage 2016, S. 107. 55  Rüthers/Fischer/Birk,



A. Methodische Herangehensweise139

Zu beachten ist dabei jedoch, dass dem herangezogenen System und der zu interpretierenden Norm auch wirklich eine einheitliche gesetzgeberische In­ teressenbewertung und ein einheitliches Wertungskonzept zugrunde liegt; andernfalls läuft man Gefahr, innerhalb der systematischen Auslegung eine verdeckte Rechtsfortbildung zu betreiben.62 Bei der Erstellung des BGB je­ denfalls ist von einer weitgehend einheitlichen Wertungssystematik auszuge­ hen, die so zumindest in den §§ 119 ff. BGB und den §§ 142 ff. BGB keine Veränderung erfahren hat.63 Konkrete Anhaltspunkte der systematischen Auslegung einer Norm sind einerseits die formelle Aufteilung der Gesetze und die Gliederung des Rechtsstoffes (sog. „äußeres System“) sowie andererseits die bereits ange­ sprochene konsistente Wertentscheidung des Gesetzgebers (sog. „inneres System“).64 Denn während durch das äußere System des BGB die Intention des Gesetzgebers bezüglich der Anwendungsreichweite und des Sachzusam­ menhangs einer Rechtsnorm erfahren werden kann, bietet das innere System grundsätzlichen Aufschluss darüber, ob eine Norm, da systemfremd, eher restriktiv oder da systemtreu, eher weit auszulegen ist.65 Eine Auslegungsform, die sich aus dem inneren System der Gesetze ergibt, ist es, Generalklauseln und Rechtsprinzipien zu formulieren, die zusätzlich, neben der Richtschnur der Wertentscheidungen, feste Orientierungspunkte und ausstrahlende Begründungen für konkrete Auslegungen liefern.66 Solche Prinzipien können aus Gemeinsamkeiten der Vorschriften geschlossen wer­ den oder sich inhaltlich als Rechtsidee oder moralische Vorstellung generie­ ren.67 Soweit es sich um inhaltlich erschlossene rechtsethische Prinzipien handelt, ist es dabei dogmatisch und methodisch unerlässlich, genau zu überprüfen, ob wirklich eine gesetzliche Wertung hinter dem angeführten Prinzip steht, oder eventuell doch nur rechtspolitische Erwägungen eine Rolle spielen.68 Auf diese Weise kann genau die Grenze eingehalten werden, 62  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10.  Auflage 2018, § 22 Rn. 746, 749, 755a; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 93. 63  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 747. 64  Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 139  f.; so unter­ schieden weiter bei Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S.  325 f.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969, S. 19; Überblick bei Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 750 f.; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 97. 65  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 107 f.; zu Inhalten der äußeren Systematik auch Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S.  57 f. 66  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 756 f., 757. 67  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 756a, 756c. 68  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 756c.

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die eine zulässige Gesetzesauslegung oder richterliche Rechtsfortbildung von einer unzulässigen unterscheidet.69 Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, dass die Auslegung im Sinne erhobener Prinzipien häufig die Ab­ kehr von einzelnen gesetzlichen Normwertungen ermöglicht.70 c) Historische Auslegung Unabhängig von der Diskussion, ob die Auslegung subjektiv oder objektiv aufgebaut sein sollte, sind die Entstehungsgeschichte und die Regelungsab­ sichten des Gesetzgebers ein (unverbindliches) Indiz für jede Norminterpre­ tation.71 Denn um einen Text zutreffend zu begreifen, ist es schon grund­ sätzlich unerlässlich, die Frage oder Situationslage zu verstehen, auf die der Text eine Antwort zu geben versucht.72 Hinzu kommt, dass nur so ausrei­ chend zu klären ist, weshalb der Gesetzgeber eine Regelung in der vorliegen­ den Art formuliert hat, die Reichweite der Norm abgeschätzt werden kann und Regelungslücken zuverlässig eingegrenzt werden können.73 Die Aus­ legung ist somit notwendigerweise zu Teilen auch immer eine historische Forschung.74 Historische Informationen lassen sich in Erkenntnisse vor der Entstehungs­ geschichte, in die Entstehung im materiell eigentlichen Sinne und die Ent­ wicklungsgeschichte der Gesetzesinterpretation unterteilen.75 So können im Rahmen der Vorgeschichte, d. h. vor Entstehung der zu untersuchenden Norm, Vorgängerregelungen oder vorparlamentarische Diskussionen Auf­ schluss über eine gerechte Interpretation bieten.76 Bezüglich der eigentlichen Entstehungsgeschichte ist eine Sichtung der Materialien zur konkreten Ge­ setzgebung (Entwürfe, Beratungsprotokolle und den Entwürfen beigegebenen 69  Vgl. Löhnig, Treuhand: Interessenwahrnehmung und Interessenkonflikte, 2006, S.  794; a. A. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 757 die hier im Rahmen der systematischen Auslegung eine Rechtsfindung jenseits der Geset­ zesbindung annehmen. 70  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 757a. 71  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 67; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 780; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 161. Zur Diskussion subjektiver/objektiver Ausle­ gung vgl. Kapitel 2 B. I. 1. b). 72  Collingwood, Denken, 1855, S.  30  ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 787 m. w. Nw. 73  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 787; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 161. 74  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 787. 75  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 67 ff. 76  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 67.



A. Methodische Herangehensweise141

Begründungen) vorzunehmen, die zweifelsohne den größten Erkenntnisge­ winn innerhalb der historischen Auslegung verspricht.77 Daneben besteht die etwas losgelöste Möglichkeit, die Entwicklung der Gesetzesinterpretation selbst historisch zu analysieren und mithin die Frage zu beantworten, wie die Rechtsprechung und Literatur die fragliche Vorschrift im Laufe ihrer Ent­ wicklung methodisch verstanden hat.78 Inhaltlich unterteilen sich die gewonnenen Motive und Erkenntnisse einer historischen Auslegung dabei in gesellschaftliche Interessenfaktoren, be­ griffs- und dogmengeschichtliche Erläuterungen und rechtspolitische Absich­ ten bzw. Steuerungsziele des Gesetzgebers.79 d) Teleologische Auslegung Die teleologische Auslegung versucht anhand der ratio legis einer Rege­ lung, d. h. anhand der Regelungsabsicht, des Sinn und Zwecks des Textes, zu erschließen, wie der Rechtssatz im konkreten Fall anzuwenden ist und greift dabei auf ähnliche Erkenntnisquellen zurück wie die historische Ausle­ gung.80 Aufgrund dieser Verbindung und, da der mutmaßliche Wille des historischen Gesetzgebers im Zweifel auf eine vernünftige und interessenge­ rechte Lösung gerichtet ist, was zu einer Objektivierung des subjektiven Auslegungskriteriums führt, stehen objektive teleologische Erwägungen und die subjektive Auslegung in einer Wechselbeziehung.81 So ist die Frage, in­ wiefern der Wille des historischen Gesetzgebers den Auslegenden verpflich­ tet, auch für die Gewichtung der teleologischen Auslegung mittelbar von Bedeutung.82 Ausgangspunkt der teleologischen Auslegung ist immer der konkrete Zweck des Gesetzes und gegebenenfalls allgemeine typische Gesetzesabsich­ 77  Säcker, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, Einl Rn. 139; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 68; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 330. 78  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 69. 79  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 780 ff. 80  BGH, Urteil vom 24. Juni 1955 – I ZR 88/54, NJW 1955, 1433; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 149; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 330; Looschelders, in: NK BGB, 3. Auf­ lage 2016, Anh § 133 Rn. 25; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 159. 81  RG, Beschluss vom 27. Juni 1910 – VI 297/08, RGZ 74, 69 (72); Looschelders, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 7, Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 149. 82  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 71; vgl. auch Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 161.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

ten, wenn sich keine konkrete Zwecksetzung ermitteln lässt.83 In dieser He­ rangehensweise liegt gleichzeitig auch die Problematik der teleologischen Auslegung, da Gesetze häufig mehrere Zwecke verfolgen, zwischen denen dann abgewogen und sich entschieden werden muss.84 Die Abwägung hat sich dabei stets an den konkreten und allgemeinen Wertungen des Gesetzge­ bers zu orientieren und darf erst, wenn sich daraus nichts ergibt, vom Richter auf Grundlage eigener anhand der Regelung ausgemachter Wertungen ent­ schieden werden.85 Grundsätzlich dürfen gesetzlich widersprüchliche Wer­ tungsdivergenzen jedoch nicht oder nicht insgesamt einfach contra legem „weginterpretiert“ werden, sondern müssen unter Berücksichtigung eines in­ neren Systems des Rechts gelöst werden.86 e) Richtlinien- und verfassungskonforme Auslegung Rechtsauslegung ist stets ein Akt der Werteverwirklichung, weshalb dem Grundgesetz, als höchstes nationales Gesetz und in seiner Funktion als Werte definierende Ordnung, auch im Rahmen der Auslegung eine besondere Be­ deutung zukommt.87 So stellt die Einheit der Verfassung ein logisch-teleolo­ gisches Sinngebilde dar – bzw. soll als ein solches erfasst werden – und ist oberstes Interpretationsprinzip, da sie die Ordnung des politischen und ge­ sellschaftlichen Lebens der staatlichen Gemeinschaft vorgibt.88 Mit der Konsequenz, dass Regelungen, die mit einem verfassungsrechtlichen Prinzip in Widerspruch stehen, ungültig sind.89 Das Bundesverfassungsgericht er­ klärt eine Norm jedoch nur dann für verfassungswidrig und damit ungültig, wenn die Regelung nach den üblichen Auslegungsmethoden nur dieses eine Auslegungsergebnis zulässt.90 Was wiederum bedeutet, dass der Rechtsan­ wender einer möglichen anderen Auslegung der Rechtsnorm, deren Sinnge­ haltsergebnis verfassungskonform wäre, den Vorzug einzuräumen hat.91 Die 83  Looschelders,

in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 25. in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 26; Kramer, Juris­ tische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 160. 85  Looschelders, in: NK BGB, 3. Auflage 2016, Anh § 133 Rn. 26; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 71. 86  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 169; Larenz, Metho­ denlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 321, 323; wohl a. A. Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 73. 87  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 754. 88  BVerfG, Urteil vom 14. Dezember 1965 – 1 BvR 413, 416/60, NJW 1966, 147 (148); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 755. 89  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 325. 90  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 325 f. 91  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 326; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 61 f. 84  Looschelders,



A. Methodische Herangehensweise143

sich aus den Grundrechten ergebenden Wertungen sind bei der Auslegung einfacher Gesetze also zu berücksichtigen (gleichbedeutend mit der sog. „mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte“).92 Dessen ungeachtet kann sich die verfassungskonforme Auslegung ebenso nicht gegen den klaren Wortlaut, den Zweck des Gesetzes und den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen, sondern allenfalls eine vom Gesetzgeber beabsichtigte weiter­ gehende Wirkung der Regelung in ihrem Rahmen verfassungsgemäß ein­ grenzen, was jedoch auch bereits eher einer verfassungskonformen Rechts­ fortbildung gleichkommen dürfte.93 Geht es bei der verfassungskonformen Auslegung um das Verhältnis zwi­ schen einfachem Recht und dem Grundgesetz, stellt sich aufgrund der Rang­ unterschiede zwischen den Gesetzen dieselbe Situation im Verhältnis zwi­ schen nationalem einfachen Recht und europäischem Recht.94 So ist nationa­ les Recht, das durch die Umsetzung einer Richtlinie entstanden ist, richtlinien­ konform auszulegen und darf nicht durch eine, an der bisherigen nationalen Rechtslage orientierte Auslegung unterlaufen werden.95 Ziel der richtlinien­ konformen Auslegung ist es, dadurch zu gewährleisten, dass auf Richtlinien basierende Normen in allen Einzelstaaten gleich angewendet werden.96 3. Rangfolge der Auslegungskriterien Eine Rangfolge innerhalb des Auslegungskanons wäre mitunter entschei­ dend für das Ergebnis einer Auslegung, da nicht selten objektiv erkennbare Informationen des Gesetzestextes mit dem Telos oder der Systematik der Gesetzgebung in Konkurrenz stehen und sich die verschiedenen Auslegungs­ kriterien unter anderem auch durch ihre Ergebnisdifferenz legimitieren.97 Nach heutiger h. M. ist die ratio legis des Gesetzes und damit die teleologi­ sche Auslegung grundsätzlich maßgebend.98 Die Auslegung muss danach in 92  BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 62. 93  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1958 – 1 BvL 149/52, NJW 1958, 1227; BVerfG, Beschluss vom 25. April 1972 – 1 BvL 13/67, NJW 1972, 1934 (1936 f.); BVerfG, Urteil vom 1. Juli 1980 – 1 BvR 349/75, 378/76, NJW 1980, 2179 (2181); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 326. 94  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 59. 95  Säcker, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, Einl Rn. 146, 225. 96  Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Auflage 1999, S. 174 f. 97  Hassemer, Gesetzesbindung und Methodenlehre, ZRP 2007, 213 (216). 98  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 151; Honsell, Die rhetorischen Wurzeln der juristischen Auslegung, ZfPW 2016, 106 (121); Säcker, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, Einl Rn. 143; vgl. auch Bleckmann, Zu den Ausle­ gungsmethoden des Europäischen Gerichtshofs, NJW 1982, 1177 (1178).

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

erster Linie die Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte einer Norm erfassen, während die anderen Auslegungsmethoden hierzu nur als Hilfsmittel fungieren.99 Gegen diese Einschätzung der Rechtsprechung spricht jedoch bereits, dass eine Auslegung i. S. d. Kommunikationsfunktion stets mit dem Wortsinn einer Norm zu beginnen hat.100 Unter Berücksichti­ gung dessen, lässt der Wortlaut aber, auch in Zusammenschau mit der Syste­ matik eines Gesetzes, Raum zur Normsinnermittlung, die als die erwähnte (historisch begrenzte) teleologische Fragestellung zu klären ist, auch wenn der Textwortlaut klar zu sein scheint.101 Stehen auch dann noch mehrere Auslegungsmöglichkeiten zur Verfügung und lässt sich eine Zuordnung des Normsinns nicht treffen, ist die europarechts- und verfassungskonforme Aus­ legung wiederum als Schnittmenge in ihrem Kriterium entscheidend.102 Trotz der durchaus hohen praktischen Relevanz kann nach diesen Relativierungen daher nicht zwingendermaßen von einer übergeordneten Bedeutung der ­teleologischen Auslegung ausgegangen werden, da sie sowohl außerhalb im Verhältnis zu anderen Kriterien durch die grammatikalische Auslegung als auch innerhalb des eigenen teleologischen Kriteriums bei der Frage der Abgrenzung zwischen objektiv-teleologischer und historisch-teleologischer ­ Auslegung zugunsten der historischen/subjektiven Auslegung eine zwingende Deutung durch andere Auslegungsansätze erfährt. Von einer zwingenden Rangfolge der Auslegungskriterien ist daher nicht auszugehen, sondern allen­ falls auf den Vorrang des im Normtext geäußerten gesetzgeberischen Willens als Grenze der Auslegung zu verweisen.103

II. Richterliche Rechtsfortbildung Hat der Gesetzgeber einen Lebenssachverhalt gesetzlich planwidrig nicht geregelt oder nicht gewollt regeln können, da eine entsprechende Sachver­ halts- und Interessenlage zum Zeitpunkt der Entstehung des Gesetzes noch nicht bestand, oder hat der Gesetzgeber einen Sachverhalt falsch oder fälsch­ licherweise nicht geregelt, ist die Rechtsprechung grundsätzlich trotzdem ver­ pflichtet, eine Entscheidung zu treffen (sog. „Rechtsverweigerungsverbot“).104 99  Honsell,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 152. in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 153; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 188; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 343. 101  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 188 ff.; Larenz, Metho­ denlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 344. 102  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 344. 103  Vgl. Nachweise und Erläuterungen zu Kapitel 2 B. I. 1. d). 104  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 755b, § 23 Rn. 823; Schuhmann, Das Rechtsverweigerungsverbot, ZZP 81, 79; Honsell, in: Stau­ 100  Honsell,



A. Methodische Herangehensweise145

Ist das Gericht dabei der Meinung, die unbefriedigende Rechtslage verstößt gegen die Verfassung oder das europäische Gemeinschaftsrecht, kommt es zu einer Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG bzw. an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV.105 Kommt kein verfassungs- oder gemeinschaftsrecht­ licher Verstoß in Betracht und ist eine, entgegen der unbefriedigenden Geset­ zeslage getroffene Entscheidung in der Folge gesetzlich nicht abgebildet, han­ delt es sich bei der gerichtlichen Rechtsanwendung um eine Art Sonderform der Auslegung, die als richterliche Rechtsfortbildung bezeichnet wird.106 Die Gerichte sollen in einem Akt schöpferischer Erkenntnis die Wertvorstellungen der verfassungsmäßigen Rechtsordnung, die hier im konkreten Fall jedoch ohne gesetzliche Ausführung geblieben sind, in ihren Entscheidungen realisie­ ren.107 Die Grenzen zwischen Auslegung und richterlicher Fortbildung des Rechts greifen dabei ineinander, da beide eng miteinander verknüpft sind und auch durch Auslegung zu versuchen ist, ob aus dem Gesetz oder in Anlehnung daran eine fehlende Regelung entwickelt werden kann.108 Dennoch lassen sich in Abgrenzung typische Fälle der Rechtsfortbildung formulieren.109 So sind, neben der Analogie und teleologischen Extension bzw. Reduktion bei Auswei­ tung oder einschränkender Korrektur des Anwendungsbereichs einer Rechts­ norm, als Fälle der Rechtsfortbildung bei Gesetzeslücken insbesondere die Entwicklung von Rechtssätzen aus Generalklauseln, eine Rechtsfortbildung neben dem Gesetz und auch die teilweise bzw. gänzliche Nichtanwendung von gesetzlichen Vorschriften als Fälle der übergesetzlichen Rechtsfortbildung zu

dinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 122 m. w. Nw.; Säcker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Einl Rn. 150. 105  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 81; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 827 f. 106  Vgl. Löhnig, Treuhand: Interessenwahrnehmung und Interessenkonflikte, 2006, S. 794 mit ähnlicher Kategorisierung; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auf­ lage 2018, § 22 Rn. 755b, 817; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 123; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 84. 107  BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221 (1225); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 822. Dies gilt gemäß Art. 103 Abs. 2 GG jedoch nicht für die strafrechtlichen Gerichte, die eine Tat nur bestrafen können, wenn sie gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (sog. „Analogieverbot“). Vgl. hierzu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 823a; Radtke/Hagemeier, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 33. Edition, 1. März 2015, Art. 103 Rn. 38; Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, NJW 2014, 2407 (2410); Larenz, Methodenlehre der Rechtswis­ senschaft, 6. Auflage 1991, S. 403. 108  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 126; Löhnig, Treuhand: Interessenwahrnehmung und Interessenkonflikte, 2006, S. 794. 109  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 191; Honsell, in: Stau­ dinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 126.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

unterscheiden.110 Betrachtet man die hier letztgenannten Beispiele, wird je­ doch auch klar, dass die Rechtsfortbildung durch die Gerichte nicht unbe­ schränkt und wahllos erfolgen kann, sondern mit genauer methodischer Iden­ tifizierung in einen verfassungsrechtlichen Rahmen zu fassen ist.111 1. Verpflichtung zur Rechtsfortbildung (Art. 20 Abs. 3 GG) Die Verpflichtung der Gerichte zur Rechtsfortbildung wird auf das Rechts­ staatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG gestützt, aus dem das Gebot eines effekti­ ven Rechtsschutzes und das bereits angesprochene Rechtsverweigerungsver­ bot abzuleiten sind.112 Denn der Richter ist gemäß Art 20 Abs. 3 GG nicht nur an das Gesetz, sondern eben auch an Recht, d. h. Gerechtigkeit gebunden, die aus der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen zu schließen ist und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv gelten soll.113 Dabei darf jedoch nicht die Annahme entstehen, dass die Gerechtig­ keitsverpflichtung in Art. 20 Abs. 3 GG eine verfassungsrechtliche Gesetzes­ bindung des Richters aufzuheben vermag oder sich ranggleich neben die Verfassung stellt.114 Gesetzlich erwähnt ist die richterliche Rechtsfortbildung in § 132 Abs. 4 GVG115, § 45 Abs. 4 ArbGG116, § 11 Abs. 4 VwGO117, § 11 Abs. 4 FGO118, § 41 Abs. 4 SGG119 und soll die gesetzlichen Rechtsvor­ 110  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 127; zur Ana­ logie vgl. auch Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, NJW 2014, 2407 (2408 f.). 111  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 831; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 81; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 369. 112  Meier/Jocham, Rechtsfortbildung – Methodischer Balanceakt zwischen Gewal­ tenteilung und materieller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392; wobei das Rechtsweige­ rungsverbot einer Begründung allein wohl nicht standhalten dürfte vgl. Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 97 Rn. 63; a.  A. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 823. 113  BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221 (1225). 114  Gusy, Der Vorrang des Gesetzes, JuS 1983, 189 (193). 115  Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vom 27. Januar 1877, RGBl. S. 41, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2018, BGBl. I S. 1151. 116  Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) vom 3. September 1953, BGBl. I S. 1267, zu­ letzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2018, BGBl. I S. 1151, 1154. 117  Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21. Januar 1960, BGBl. I S. 17, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2018, BGBl. I S. 1151, 1154. 118  Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 6. Oktober 1965, BGBl. I S. 1477, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2018, BGBl. I S. 1151, 1154. 119  Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 3. September 1953, BGBl. I S. 1239, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2018, BGBl. I S. 1151, 1155.



A. Methodische Herangehensweise147

schriften unterstützen, ergänzen und korrigieren, wobei die Rechtsnormen selbst Ausgangspunkt der Rechtsfortbildung sind und aus deren Anwendung allein sich eine richterliche Modifikation entwickeln kann.120 2. Methodischer und verfassungsrechtlicher Spielraum Als Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass die Gesetze abstrakt formuliert sind und generelle Geltung entfalten.121 Es erfolgt also bereits dem Grundge­ danken nach eine Übertragung der gesetzlichen Rechtslage auf den konkreten Fall sowie eine Anwendung der Gesetze auf unvorhergesehene aber gleich­ gelagerte, ähnliche Sachverhalte.122 Beschränkt wird die Rechtsfortbildung methodisch daher mitunter bereits durch die Auslegung von Gesetzen. Ergibt sich daraus, dass ein Sachverhalt gesetzlich eindeutig plausibel erschlossen ist, kann es keinen Raum für eine richterliche Rechtsfortbildung geben.123 Von einer Bindung an die Gesetzeslage selbst, kann sich die Rechtspre­ chung aufgrund Art. 97 Abs. 1 GG, der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 GG und des Rechtstaatsprinzips in Art. 20 Abs. 3 GG nicht freisprechen, ohne seine Legitimation gegenüber dem Bürger zu verlieren.124 So gewähr­ leistet das Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG ein Maß an Rechtssicher­ heit, das es dem Bürger ermöglicht, sein Verhalten auf den Inhalt der Rechts­ ordnung anzupassen, der bei eindeutiger Entscheidung des Gesetzgebers nicht durch die Gerichte in rechtspolitisch motivierten Urteilen verändert werden darf.125 Während Art. 20 Abs. 2 GG die rechtssprechende und rechts­ setzende Gewalt hinsichtlich ihrer Kompentenzen verfassungsrechtlich von­ einander abgrenzt.126 Das erkennt auch das BVerfG und fasst in seinem Be­ schluss vom 25. Januar 2011 die Grundsätze der Rechtsfortbildung wie folgt zusammen:127 120  BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221 (1225); Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 117; Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, NJW 2014, 2407 (2408); Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 97 Rn. 71. 121  Honsell, Die rhetorischen Wurzeln der juristischen Auslegung, ZfPW 2016, 106 (107). 122  Honsell, Die rhetorischen Wurzeln der juristischen Auslegung, ZfPW 2016, 106 (107). 123  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 81. 124  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 29, 84. 125  BVerfG, Urteil vom 3. April 1990 – 1 BvR 1186/89, NJW 1990, 1593. 126  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 84; vgl. hierzu auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 318. 127  BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10, NJW 2011, 836 (837 f.); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 799.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

„Art. 20 Abs. 2 GG […] schließt es […] aus, dass die Gerichte Befugnisse bean­ spruchen, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden sind, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz be­ geben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Richterliche Rechts­ fortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerech­ tigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Diese Verfas­ sungsgrundsätze verbieten es dem Richter allerdings nicht, das Recht fortzuentwi­ ckeln. […] Der Aufgabe und Befugnis zur ‚schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung‘ sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung jedoch Gren­ zen gesetzt. Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentschei­ dung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingun­ gen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen.“

Nach dem BverfG wird die Rechtsfortbildung verfassungsrechtlich also reguliert.128 Der richterliche Rechtsanwender ist legitimiert, die Gesetze zu Ende zu denken, jedoch in den Grenzen, die der Gesetzgeber im Hinblick auf die konkrete Regelung erkennen lässt.129 Der Richter muss im Falle der Rechtsfortbildung daher zunächst frei von Willkür rational begründen kön­ nen, dass eine Gesetzesregelung nicht in der Lage ist, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen.130 Gelingt dies, sei dennoch eine Lösung zu wählen, die den Willen des Gesetzgebers und den Telos der aktuellen Gesetzeslage auf den Sachverhalt überträgt.131 Dies sollte jedoch nicht verblenden, dass es sich bei der richterlichen Rechtsfortbildung auch um eigene Rechtssetzung handeln kann, die keine fremde, sondern die Anwendung eigener Maßstäbe beinhaltet.132 3. Lückenfüllung de lege lata und neue Rechtssetzung de lege ferenda Grundvoraussetzung für die Rechtsfortbildung ist das Vorhandensein einer Gesetzeslücke (sog. „Lücke de lege lata“) oder eines Fehlers des Gesetzes (sog. „Lücke de lege ferenda“).133 Eine Lücke de lege lata liegt immer dann 128  BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10, NJW 2011, 836 (837 f.). 129  Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, NJW 2014, 2407 (2411). 130  Säcker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Einl Rn. 153. 131  BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10, NJW 2011, 836 (837 f.); zu weit an dieser Stelle allerdings Säcker, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Einl Rn. 153, der die Bindung des Richters an Recht als Rechtfertigung ansieht Art. 20 Abs. 2 GG zu unterlaufen. 132  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 817. 133  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 82  ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 826; Kramer, Juristische Me­



A. Methodische Herangehensweise149

vor, wenn das geltende Recht eine Frage planwidrig nicht behandelt, wohin­ gegen bei einer Lücke de lege ferenda das Gesetz ein dogmatisches oder rechtspolitisches Defizit aufweist und eine Fragestellung planmäßig nicht vorsieht bzw. eine falsche Antwort gibt.134 Die Abgrenzung zwischen Lücken de lege lata und Lücken de lege ferenda unterscheidet somit die Lückenschlie­ ßung durch besondere Normanwendung und die neue Rechtssetzung durch ablehnende Gesetzesumbildung bzw. erweiternde Gesetzesschöpfung.135 Da­ mit wird angezeigt, dass sich der Rechtsanwender bei der Rechtsfortbildung de lege ferenda von der gesetzgeberischen Regelungsvorstellung entfernt und daher eine größere Begründungsleistung zu erbringen hat, verglichen zur (bloßen) Lückenfüllung de lege lata.136 a) Rechtsfortbildung bei Gesetzeslücken aa) Feststellung einer Gesetzeslücke Das Verfahren und die Voraussetzungen der richterlichen Rechtsfortbil­ dung bei Vorhandensein einer Lücke im Gesetz sind in Deutschland nicht geregelt.137 Von einer Lücke wird jedoch ausgegangen, wenn eine „planwid­ rige Unvollständigkeit“ der Gesetzesordnung zu erkennen ist, immer gemes­ sen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung.138 Die Unvollstän­ digkeit kann sich dabei auf eine unvollständige Norm bzw. ein Gesetz, auf sich widersprechende Normen als Kollisionslücke oder auf eine ganze Rechts- oder Gebietslücke beziehen.139 Daneben gibt es jedoch auch Fälle, in denen der Gesetzgeber durch bewusste Gesetzeslücken oder Generalklauseln, wie Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, guten Sitten nach §§ 138, 826 thodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 202; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 368. 134  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 202; Larenz, Metho­ denlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 413 f. Beredtes Schweigen ist als bewusste Antwort zu verstehen, vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auf­ lage 2018, § 23 Rn. 838. 135  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 825; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 413 f. 136  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 830. 137  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 22 Rn. 704; Säcker, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, Einl Rn. 152. 138  Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, S. 39 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 832; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 123; Wiedemann, Richterliche Rechtsfort­ bildung, NJW 2014, 2407 (2411). 139  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 842 ff.; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 206 f.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

BGB oder dem wichtigen Grund gemäß § 314 BGB, Entscheidungen an die Rechtsprechung und Wissenschaft delegiert (sog. „bewusste Lücken“).140 Außerdem kann kategorisiert werden, ob der Gesetzgeber Folgen falsch ein­ geschätzt oder Anwendungsbereiche übersehen hat (sog. „anfängliche Lücke“) oder aber, ob die Gesetzeslage erst später durch Veränderungen unvoll­ ständig wurde (sog. „nachträgliche Lücke“).141 Das Kriterium der gesamten geltenden Rechtsordnung als Maßstab legt fest, dass es nicht ein gewünschter Zustand des Rechtsanwenders ist, der bereits eine Regelungslücke begründen kann, sondern es sich nach dem Plan der Rechtsordnung richtet, ob eine Lücke planwidrig vorhanden ist.142 Ansonsten würden die Gerichte stets die Möglichkeit besitzen, eine eigenwillige Lückensuche zu betreiben, um dann die Rechtsvorschriften entsprechend anzupassen.143 Da jedoch auch der Plan der Rechtsordnung erst als harmonisierte Interpretation der verschiedenen gesetzlichen Regelungen und Wertungen festgestellt werden muss, verbirgt sich auch an dieser Stelle ein Einfalltor für rechtspolitische Argumentationen, die eine Lücke entstehen lassen und eine Rechtsfortbildung durch die Ge­ richte begründen können.144 Auf diese Weise entstehen rechtspolitische Ent­ scheidungen, die plakativ auf eine Lücke verweisen, dogmatisch und metho­ disch allerdings eine exakte Untersuchung der Gesetzeslage vermissen lassen und die Voraussetzungen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung be­ wusst scheuen.145 Um dies zu verhindern, wird zum einen auch die Lücken­ suche durch die Grenze der Auslegung beschränkt, d. h. eine Lücke kann nicht angenommen werden, wenn der Wille des Gesetzgebers, der sich im Wortlaut der Rechtsnorm wiederfinden lässt, eine solche Lücke gerade aus­ schließt.146 Zum anderen sollten als Werkzeuge der Lückenfindung aus­ schließlich die Auslegungskriterien zum Verständnis der Rechtsnormen und die Dogmatik zur Überprüfung der Plausibilität herangezogen werden. Ist laut normierter Willensäußerung des Gesetzgebers eine Lücke nicht anzuneh­ men, bleibt dabei immer zu fragen, ob seit Regelungserlass mit der Zeit eine technische oder ökonomische Veränderung der Lebenssachverhalte eingetre­ ten ist, die eine Lücke in den Regelungen zur Tatsachenlage geschaffen hat 140  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 835 f.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 82. 141  Meier/Jocham, Rechtsfortbildung – Methodischer Balanceakt zwischen Gewal­ tenteilung und materieller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392 (393). 142  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 834. 143  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 839. 144  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 834; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 97 Rn. 69. 145  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 24 Rn. 948. 146  Löhnig, Treuhand: Interessenwahrnehmung und Interessenkonflikte, 2006, S. 794.



A. Methodische Herangehensweise151

und die der Gesetzgeber damals nicht erkennen und behandeln konnte.147 Ist auch dies zu verneinen und eine gesetzlich geäußerte Absichtserklärung des Gesetzgebers weiterhin anzunehmen, kann nicht mehr von einer möglichen Lücke de lege lata gesprochen werden. bb) Formen der Rechtsfortbildung bei Gesetzeslücken Eine gesetzliche Regelung zur Art und Weise richterlicher Rechtssetzung im Falle einer Lücke fehlt im deutschen Recht.148 Instrumente der Lücken­ ausfüllung sind neben der Zuhilfenahme von allgemeinen gesetzlichen Gene­ ralklauseln aber vor allem die analoge Anwendung oder die teleologische Extension bzw. Reduktion von Gesetzesnormen.149 Die Freiheit der richterlichen Gestaltung hängt von der Art der Lücke ab.150 So bleiben die Gerichte bei einer Norm, die im Hinblick auf ihren Telos einen verfehlten Wortlaut wiedergibt, an den Sinn und Zweck der ­Regelung gebunden.151 Anders steht den Gerichten im Falle einer ganzen Gebietslücke ein größerer Freiraum zu.152 Generell bleiben die Gerichte bei der Lückenfüllung, wie bereits im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken angesprochen, jedenfalls den im Gesetz zum Ausdruck gelangten Wertungen und Grundentscheidungen sowie (wenn vorhanden) der gesetzge­ berischen Ab­sicht verpflichtet.153 • Gesetzesanalogie Unter Gesetzesanalogie ist die Anwendung der Rechtsfolge einer gesetz­ lichen Vorschrift auf einen gesetzlich nicht berücksichtigten Sachverhalt (sog. „offene Lücke“) zu verstehen, der den Tatbestandsvoraussetzungen der gesetzlichen Regelung aber ähnlich ist.154 Die Idee der Analogie stützt sich 147  Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, NJW 2014, 2407 (2411); Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 861, § 24 Rn. 939 dann aber ungenau in § 24 Rn. 951 f., 962 an welchen Stellen diese Fälle fälschlicherweise als Unterfall der Rechtsfortbildung contra legem abgebildet werden. 148  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 878. 149  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 888. 150  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 867, 886. 151  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 867, 886. 152  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 887. 153  BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10, NJW 2011, 836 (837 f.); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 426. 154  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 210; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 889.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

dabei auf den Grundgedanken des juristischen Syllogismus und den Gleich­ behandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, wonach die Wertung einer gesetzlichen Norm auch auf einen ganz ähnlichen ungeregelten Sachverhalt mit gleichgelagerter Interessenkonstellation anzuwenden ist.155 Ob eine ver­ gleichbare Interessenlage besteht, ergibt sich nicht mit Blick auf die konkre­ ten Umstände der Parteien, sondern muss allein anhand der gesetzlichen Wertungen bestimmt werden, die aber als abtrakte legislative Spiegelung zu verstehen sind.156 • Teleologische Extension Die teleologische Extension ist anzuwenden, wenn eine gesetzliche Norm dem Wortsinn nach zu eng gefasst ist, also in ihrer Rechtsfolge oder ihrem Anwendungsbereich aufgrund des Sinn und Zwecks der Norm, der Systema­ tik oder aufgrund höherrangigen Rechts erweitert werden muss.157 Der Un­ terschied zur Gesetzesanalogie liegt darin, dass sich ein Sachverhalt nicht aufgrund seiner Ähnlichkeit und der vergleichbaren Interessenlage für eine gesetzliche Vorschrift qualifiziert, sondern dass sich die teleologische Exten­ sion einer Norm aus der ihr vom Gesetzgeber angedachten Reichweite selbst rechtfertigt.158 • Teleologische Reduktion Umgekehrt ist es bei der teleologischen Reduktion einer Norm, indem man die Rechtsfolge oder den Anwendungsbereich entgegen dem Wortsinn ein­ schränkt, da die Vorschrift zu weit reicht (sog. „Ausnahmelücke“ oder „verdeckte Lücke“).159 Auch hier wird der Fall beschrieben, dass eine Norm 155  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 889; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 214. 156  Meier/Jocham, Rechtsfortbildung – Methodischer Balanceakt zwischen Gewal­ tenteilung und materieller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392 (396 f.). 157  Meier/Jocham, Rechtsfortbildung – Methodischer Balanceakt zwischen Gewal­ tenteilung und materieller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392 (397). 158  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 904; Meier/ Jocham, Rechtsfortbildung – Methodischer Balanceakt zwischen Gewaltenteilung und materieller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392 (397). 159  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 92; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 902; Kramer, Juristische Methoden­ lehre, 5.  Auflage 2016, S. 208; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 391; a. A. Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, NJW 2014, 2407 (2411), der sich gegen eine Anwendung der Lückentheorie bei der teleologische Reduktion ausspricht. Ähnlich Bitter/Rauhut, Grundzüge zivilrechtlicher Methodik – Schlüssel zu einer gelungenen Fallbearbeitung, JuS 2009, 289 (295), die eine Ausle­



A. Methodische Herangehensweise153

aufgrund ihrer Teleologie, der Systematik oder der Vereinbarkeit mit höher­ rangigem Recht rechtsfortbildend zu verändern bzw. hier zu beschränken ist.160 Entscheidend dabei ist, dass es nicht zu einer Berichtigung des Norm­ zwecks, sondern zu seiner Verwirklichung durch Überwindung des Wortsinns kommt.161 Der Richter setzt also in einem bewertenden Akt den Willen des Gesetzgebers gegen den „missglückten“ Wortlaut durch.162 Mittel zur Recht­ fertigung ist häufig auch der Beweis, dass in anderen ähnlichen Fällen eine Ausnahme von der betroffenen Regelung gemacht wurde und ein ungleicher Fall eben ungleich zur Vorschrift zu behandeln ist.163 • Umkehrschluss Der Umkehrschluss ist das Pendant zur Analogie und besagt, dass wenn eine gesetzliche Norm einen bestimmten Fall regelt, daraus die Schlussfolge­ rung zu ziehen ist, dass andere Fälle gerade eben nicht so geregelt werden sollten.164 Voraussetzung für eine solche Annahme ist allerdings, dass der Regelung, entweder schon dem Wortsinn nach oder durch Zuhilfenahme an­ derer Auslegungsmittel, in Bezug auf nicht erfasste Sachverhalte ein ab­ schließender Charakter im Sinne eines bewussten Schweigens des Gesetzge­ bers zugesprochen werden kann.165 Der Umkehrschluss verneint damit im Ergebnis eine Gesetzeslücke, weshalb es sich streng genommen auch nicht um eine Form der Rechtsfortbildung, sondern eher um eine juristische Schlussfolgerung handelt.166

gung fernab des Wortlauts zulassen und in der teleologischen Reduktion daher keine Rechtsfortbildung sehen. 160  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 92; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 848. 161  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 903. 162  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 867, 903. 163  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 208; Meier/Jocham, Rechtsfortbildung – Methodischer Balanceakt zwischen Gewaltenteilung und materi­ eller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392 (398); Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, NJW 2014, 2407 (2411). 164  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 220; Wank, Die Ausle­ gung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 91 f. 165  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 91 f.; Kramer, Juristi­ sche Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 221. 166  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 91 f.; Bitter/Rauhut, Grundzüge zivilrechtlicher Methodik – Schlüssel zu einer gelungenen Fallbearbei­ tung, JuS 2009, 289 (296).

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

b) Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung aa) Rechtsfortbildung extra und contra legem Sieht die Rechtsprechung das Bedürfnis einer bisher nicht normierten Re­ gelung vor, obwohl eine Gesetzeslücke als planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht gegeben ist, so spricht man von einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung extra bzw. contra legem.167 Extra legem muss dabei als eine zusätzliche nicht im Gesetzesplan vorgesehene gerichtliche Normierung verstanden werden, wohingegen contra legem bedeutet, dass der Richter nicht nur über den Plan des Gesetzgebers hinaus geht, sondern entgegen ei­ ner im Plan vorgesehenen Gesetzesregelung entscheidet.168 Von Seiten der Rechtsprechung und Stimmen der Literatur werden eine veränderte Werte­ vorstellung der Gesellschaft, gescheiterte Regelungsziele der betroffenen Norm, eine Notwendigkeit aus der Natur der Sache, Bedürfnisse des Rechts­ verkehrs, rechtsethische Prinzipien, ein Durchgreifen des Verfassungsrechts oder schlichtweg eine falsche Einschätzung des Gesetzgebers als Hintergrund eines solchen „judikativen Alleingangs“ angeführt.169 Verfassungsrechtlich ist eine Rechtsfortbildung extra und besonders contra legem jedoch höchst bedenklich, solange der Gesetzgeber das Mandat zur Rechtssetzung nicht an die Gerichte gezielt weitergegeben hat, wobei auch in diesem Falle eine di­ rekte demokratische Legitimation ausscheiden würde.170 Das BVerfG geht trotzdem mit wachsendem Alter einer Kodifikation von einer dahingehenden notwendigen Freiheit des Richters zur schöpferischen Fortbildung des Rechts aus, um den starken Veränderungen der Lebensverhältnisse und Rechtsan­ schauungen gerecht zu werden.171 Dass ein Richter, unabhängig von der Frage der demokratischen Legitimation, schon personell und technisch mit

167  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6.  Auflage 1991, S. 413  f.; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 193 f. 168  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 128. 169  Vgl. RG, Urteil vom 28. November 1923 – V 31/23, RGZ 107, 78 (87); BGH, Urteil vom 14. Februar 1958 – I ZR 151/56, NJW 1958, 827 (829); Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 24 Rn. 952 ff.; Wiedemann, Richterliche Rechtsfortbildung, NJW 2014, 2407 (2412); Meier/Jocham, Rechtsfortbildung – Me­ thodischer Balanceakt zwischen Gewaltenteilung und materieller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392 (394). 170  Meier-Hayoz, Strategische und taktische Aspekte der Fortbildung des Rechts, JZ 1981, 417 (422); Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 87; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 97 Rn. 63 m. w. Nw., der jedoch auch die Rechtsfortbildung bei Lücken de lege lata allgemein anzweifelt. 171  BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221 (1225); Säcker, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, Einl Rn. 153.



A. Methodische Herangehensweise155

dem Gesetzgebungsprozess überfordert ist, bleibt unerwähnt.172 Ebenso wid­ met sich die Rechtssprechung in ihren Argumenten, nicht entschieden der Frage, ob Art. 20 Abs. 3 GG, aus dem, vor dem Hintergrund eines effektiven gerechten Rechtsschutzes, die richterliche Rechtsfortbildung abgeleitet ist, in seiner Reichweite auch zu einer übergesetzlichen Rechtsfortbildung der Ge­ richte in den angesprochenen Fällen verpflichten kann.173 bb) Grenzen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung Grenzen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ergeben sich aus der zweifelsohne elementaren verfassungsrechtlichen Kompentenzfrage.174 Den von der Rechtsprechung angeführten und in der Literatur diskutierten notwendigen Anwendungsfällen kann insofern generell entgegen gehalten werden, dass die funktionellen Grenzen der Gerichte mit Argumenten über­ spielt werden, die jeglicher Rechtsverankerung entgleiten, und dann auf eine Abwägungsentscheidung verwiesen wird, die dogmatisch eine Kompetenz­ frage nicht klären kann.175 So hat aufgrund des Demokratieprinzips in Art. 20 Abs 2 Satz 1 GG die Kompetenz für rechtspolitische Neulandentscheidungen grundsätzlich allein bei der Legislative zu verbleiben.176 Eine richterliche Rechtsfortbildung, die den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, sich allgemein nicht auf Gesetz berufen kann und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – im Falle einer planwidrigen Gesetzeslücke – stillschwei­ gend gebilligt wird, greift unzulässig in diese Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.177 Dies gilt insbesondere auch im Falle einer veränderten gesellschaftlichen Rechts- und Wertevorstellung, da es nicht den Gerichten obliegen kann, eine demokratisch nachvollziehbare Rechts- bzw. Wertelage neu zu definieren.178 Der einfache Verweis auf einen effektiven 172  Meier-Hayoz, Strategische und taktische Aspekte der Fortbildung des Rechts, JZ 1981, 417 (421); Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 314. 173  Meier/Jocham, Rechtsfortbildung – Methodischer Balanceakt zwischen Gewal­ tenteilung und materieller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392. 174  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 428. 175  So beschrieben bei Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auf­ lage 1991, S. 414; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10.  Auflage 2018, § 24 Rn.  960 f. 176  Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage 2015, S. 86; Kramer, Juristi­ sche Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 315; Meier-Hayoz, Strategische und takti­ sche Aspekte der Fortbildung des Rechts, JZ 1981, 417 (422). 177  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05, NJW 2007, 2977 (2982). 178  BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10, NJW 2011, 836 (837 f.).

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

Rechtsschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG reicht nicht, um Grundprinzipien wie das Demokratieprinzip, die Bindung des Richters an das Gesetz oder den Grundsatz der Gewaltenteilung in einem so einschneidenden übergesetzli­ chen Maße aufzuweichen.179 Genau an dieser Stelle ist jedoch auch zwischen der Rechtsfortbildung extra legem und der Rechtsfortbildung contra legem zu unterscheiden.180 Eine Rechtsfortbildung extra legem hat den kompetenz­ rechtlichen Vorteil, dass sie in Einklang mit den allgemeinen Prinzipien der Rechtsordnung und der Verfassung, d. h. innerhalb des Rahmens der Werte­ vorstellungen des Gesetzgebers geschehen kann, ohne sich mit einer gesetz­ lichen Regelung explizit zu überwerfen.181 Eine Rechtsfortbildung contra legem ist hingegen die Umbildung der gesetzlichen Ausgangslage durch richterliche Gesetzesablehnung und verlässt damit die verfassungsrechtlichen Grenzen eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 20 Abs. 3 GG.182 Die Verwerfung eines Gesetzes als Voraussetzung der Fortbildung ist zudem ge­ mäß Art. 100 Abs. 1 GG nur dem BVerfG im Falle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht vorbehalten und kann ohne einen solchen Verstoß – wobei ein Verfassungsverstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund sachfremder Erwägungen die Möglichkeit eines Normenkon­ trollverfahrens relativ weit offen halten dürfte – erst Recht nicht den ordent­ lichen Gerichten zuteilwerden (sog. „Sperrwirkung des konkreten Normen­ kontrollverfahrens“).183 Die Kompetenz der Gerichte zur Rechtssetzung contra legem ist verfassungsrechtlich somit jedenfalls nicht zu begründen und erschöpft sich in einer Hinweisfunktion zur Neuregelung der Gerichte, insbesondere des BVerfG bei Verwerfung der alten Rechtsvorschrift.184 Da­ 179  BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10, NJW 2011, 836 (837 f.); Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 128. 180  So zu verstehen bei Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auf­ lage 1991, S. 413 ff. 181  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 414; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 97 Rn. 72. 182  Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Auflage 2016, S. 184; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 826, § 24 Rn. 944, 957; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 123, 128. 183  Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 97 Rn. 72; Larenz, Metho­ denlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 427; Kischel, in: Epping/Hill­ gruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. November 2018, Art. 3 Rn. 14. 184  Vgl. so ähnlich bei der Richtlinien konformen Auslegung von staatlichen Ge­ setzen EuGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – C-105/03, NJW 2005, 2839 (2841); Löhnig, Treuhand: Interessenwahrnehmung und Interessenkonflikte, 2006, S. 794; Gusy, Der Vorrang des Gesetzes, JuS 1983, 189 (193 f.); Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL  2018, Art. 97 Rn. 72; Vgl. auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissen­ schaft, 6. Auflage 1991, S. 427 f. der jedenfalls zwischen Verwerfung und Neusetzung in deren Bedeutung unterscheidet; a. A. Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 128.



A. Methodische Herangehensweise157

gegen kann eine Rechtsfortbildung extra legem, unter Berücksichtigung der kompentenzrechtlichen Gratwanderung im Rahmen des Art. 20 GG, in ein­ zelnen von der Literatur erwähnten Fällen eines offensichtlichen Rechtsnot­ standes infolge dauernden Versagens des Gesetzgebers bejaht werden.185

III. (Derogierendes) Gewohnheitsrecht Gewohnheitsrecht sind allgemeine Rechtsregeln, die nicht vom Gesetzge­ ber geschaffen sind, sondern deren Geltung im Verhalten der Mitglieder einer Rechsgemeinschaft deutlich wird, das durch pure Überzeugung generiert ist.186 Voraussetzung zur Qualifikation als Gewohnheitsrecht, mit der Folge, dass gemäß Art. 20 Abs. 3 GG eine Vorschrift anerkannt wird, die als eigene Rechtsquelle auf gleichem Rang wie das Gesetzesrecht steht, ist, dass die Regeln eine längere Zeit von den Mitgliedern einer Rechtsgemeinschaft ge­ lebt werden und von einer Rechtsüberzeugung getragen sind, die von einer verbindlichen Norm ausgehen lässt.187 Wird eine Rechtsnorm dauerhaft nicht angewendet, soll daneben auch von derogierendem Gewohnheitsrecht auszu­ gehen sein.188 Ob Gewohnheitsrecht auch derogierend wirken kann ist jedoch umstritten und wird in der Literatur auch größtenteils verneint, obwohl Ver­ trauensschutzgründe in solchen Fällen jedenfalls eine Rolle spielen dürf­ ten.189 In der heutigen Zeit ist Gewohnheitsrecht in Deutschland aufgrund der starken Bevölkerungszahlen in jedem Fall nur schwer denkbar und auf vereinzelte Beispiele, die notdürftig methodisch zugeordnet werden müssen, begrenzt.190

185  Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 427 ff. der im Falle eines Rechtsnotstands aber auch eine Rechtsfortbildung contra legem bejaht; im Einzelnen zu weit und mit der Rechtsfortbildung bei Gesetzeslücken ver­ worren hingegen Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 826, § 24 Rn. 967 ff.; siehe auch Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 128, der unter diesen Voraussetzungen eine Rechtsfortbildung contra legem bejaht. 186  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 234. 187  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 234; Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 826, § 6 Rn. 232; Krebs/Becker, Entstehung und Abänderung von Gewohnheitsrecht, JuS 2013, 97 f.; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, 42. Auflage 2018, § 1 Rn. 7 f. 188  Vgl. z. B. Busche, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 142 Rn. 17; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 234. 189  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 234. 190  BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 – 1 BvR 226/69, NJW 1970, 851 (853); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 826, § 6 Rn. 232; Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 234.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

Eine Möglichkeit, auch heute noch von der Entstehung von Gewohnheits­ recht auszugehen, ist es, sich fälschlicherweise auf den Standpunkt zu stellen, dass allein auch ständige Rechtssprechung in Gewohnheitsrecht übergehen kann.191 Dies ist jedoch mit der eigentlichen Definition von Gewohnheits­ recht offensichtlich nicht zu vereinbaren.192 Die Überzeugung der Gerichte kann nicht einfach mit der Überzeugung der Mitglieder einer Rechtsgemein­ schaft gleichgesetzt werden. Zudem würde man die Rechtsfortbildung der Gerichte von den Gesetzen loslösen und sie als Gewohnheitsrecht neben das Gesetz stellen, was zu einem methodischen und damit verfassungsrechtlichen Bruch führen würde.193

IV. Zusammenfassung: Methodik Die Methodenlehre gewährleistet die verfassungstreue Interpretation von Rechtsnormen durch Auslegung und Rechtsfortbildung. Das Verständnis der Normen ist im Sinne der allgemeinen hermeneutischen Herangehensweise durch objektive und subjektive Kriterien der Gesetze zu erschließen, um so eine größtmögliche Erkenntnis zur Rechtslage zu gewinnen. Die Grenze der Auslegung ist dabei der gesetzgeberische Wille, der in der Rechtsvorschrift Ausdruck gefunden hat.194 Die verschiedenen Auslegungskriterien haben untereinander jedoch keine zwingende Rangfolge. Die richterliche Rechtsfortbildung ist eine Art Sonderform der Auslegung. Sinn der Rechtsfortbildung ist es, dass die Gerichte auch bei einem Mangel einer entsprechenden Rechtsregelung die Wertevorstellung der verfassungs­ gemäßen Ordnung verwirklichen. Methodisch beschränkt ist die Rechtsfort­ bildung durch die Auslegung der Gesetze und die Verfassung gemäß Art. 20 Abs. 2, 3, 97 GG, die eine Bindung der Gerichte an die vorhandenen gesetz­ lichen Vorgaben sicher stellt. Ist eine Lücke de lege lata anzunehmen, wird diese durch die verschiedenen Formen der Lückenfüllung durch Gericht ge­ schlossen. Handelt es sich dagegen um einen Fehler des Gesetzes und eine Lücke de lege ferenda, entscheidet das Gericht durch neue Rechtssetzung extra bzw. contra legem. Die Festlegung einer Lücke de lege lata ist durch 191  So etwa Krebs/Becker, Entstehung und Abänderung von Gewohnheitsrecht, JuS 2013, 97 f.; zu fehlerhaften Gesellschaft konkret Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 63; wohl auch Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 42. Auflage 2018, § 1 Rn. 9; Busche, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 142 Rn. 17; differenzierend Köhler, BGB Allgemeiner Teil, 42. Auflage 2018, § 1 Rn. 8; zu Recht a. A. Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 235. 192  Honsell, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Einl zum BGB Rn. 235. 193  Krebs/Becker, Entstehung und Abänderung von Gewohnheitsrecht, JuS 2013, 97 (98). 194  Vgl. hierzu erneut Kapitel 2 A. I. 1. d).



B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB159

die Grenze der Auslegung beschränkt und hat mit Hilfe der Auslegungskrite­ rien und der dogmatischen Kontrolle zu erfolgen. Eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung contra legem ist ein Verstoß gegen die Verfassung. Das BVerfG lässt eine solche Rechtsfortbildung bei starken Veränderungen der Lebensverhältnisse und Rechtsanschauungen dennoch zu.195

B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB I. Materialien der Gesetzgebung zur Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB Ein Blick in die Entstehungsgeschichte des § 142 Abs. 1 BGB und die Motive des Gesetzgebers ist mitunter Grundlage dessen, was im Rahmen der Auslegung zu einem Verständnis der Rechtsfolge der Norm führen soll und in Bezug auf eine Rechtsfortbildung mögliche Regelungsdefizite erkennen lassen kann. 1. Motive zur Rechtsfolgenorm des § 142 Abs. 1 BGB Laut der Motive zu § 142 Abs. 1 BGB sollte die Vorschrift unter Benen­ nung der Rechtsfolge grundsätzlich festlegen, was der Rechtsanwender unter dem Ausdruck der Anfechtbarkeit dem Sinngehalt nach zu verstehen hat.196 Anfechtbarkeit ist danach eine rechtliche Bedingung, welche die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts nicht sofort, sondern erst mit dessen Eintritt durch Er­ klärung des Anfechtungsberechtigten – dann aber rückwirkend – erlöschen lässt.197 Ziel ist es, den früheren Zustand wieder herzustellen und eine Rechtsfolge zu bieten, die eine Vornahme des Rechtsgeschäfts in einer Weise absolut beseitigt, als ob es niemals existent gewesen ist.198 Daneben nennt der Gesetzgeber in diesem Sinne als „einzige“ Ausnahme zur Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB das Rechtsverhältnis der Ehe.199 Die Anfechtung auf­ grund Erbunwürdigkeit soll in einem gerichtlichen Verfahren anders geregelt werden, aber entfaltet mit Urteil auch eine rückwirkende Kraft.200 Ebenso verhält es sich mit der Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes, das wäh­ 195  BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221 (1225). 196  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473. 197  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473. 198  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473; Busche, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2015, § 142 Rn. 15. 199  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473, 727. 200  Mugdan, Materialien, V. Bd. 1899, S. 277 f.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

rend der Ehe oder bis maximal 300 Tage nach der Ehe geboren ist, wobei außerhalb dieser Frist die allgemeinen Anfechtungsvorschriften gelten sol­ len.201 Als Gründe hierfür werden die notwendige Sicherheit des gericht­ lichen Verfahrens sowie andere Anfechtungsgründe und ein anderer Anfech­ tungsgegenstand als im Rahmen der Anfechtung des allgemeinen Teils vor­ getragen.202 Auch gegenüber Dritten soll die ex tunc-Wirkung der Anfechtung keine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit darstellen, da eine Schadensersatz­ vorschrift nach § 122 BGB besteht und der gute Glaube beim Erwerb von beweglichen und unbeweglichen Sachen ebenso wie von Rechten geschützt und eine weiterreichende Begünstigung im Vergleich zum Erwerb vom Nichtberechtigten nicht gerechtfertigt ist.203 Denn ein weitergehender Schutz Dritter – die im Vergleich nicht als Rechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten des Voreigentümers eintreten – wäre nicht angemessen und würde die Anfechtung in zu großem Maße beschränken.204 Schutzvorschriften Drit­ ter bei Anfechtung der Ehe sowie die Anfechtung des Erbschaftsanspruchs werden an dieser Stelle wiederum als Ausnahmen genannt.205 Hierzu zählen der öffentliche Glaube an einen Erbschein, der mittlerweile in § 2366 BGB geregelt ist und ähnlich dem Besitz bei beweglichen Sachen oder der Eintra­ gung im Grundbuch bei Immobiliaren nicht mehr als ein Anknüpfungspunkt für den guten Glauben darstellt, sowie der aufgrund der ex nunc-Wirkung der Aufhebung der Ehe mittlerweile entfallene Schutz des guten Glaubens vor Kenntnis oder Erklärung der Nichtigkeit der Ehe nach § 1344 BGB a. F., der auch nicht weiter reichte, als es das Anfechtungsrecht nach § 142 Abs. 1 BGB vorsieht.206 2. Motive zu den Anfechtungsvorschriften der §§ 116 ff. BGB Auch in den Motiven der einzelnen Anfechtungsrechte gemäß §§ 116 ff. BGB finden sich Gründe, die für eine Notwendigkeit der rückwirkenden Beseitigung von Willenserklärungen im Rahmen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB sprechen. Als Grundsatz wird in den Gesetzesunterlagen zu den § 116 BGB bis § 120 BGB formuliert, dass eine Willenserklärung nur gelten soll, wenn ihre rechtliche Wirkung auch gewollt ist, wonach die temporäre Wirksamkeit einer Willenserklärung für die Vergangenheit bei einer bloßen 201  Mugdan,

202  Mugdan, 203  Mugdan, 204  Mugdan, 205  Mugdan, 206  Mugdan,

Materialien, Materialien, Materialien, Materialien, Materialien, Materialien,

I. Bd. 1899, S. 473, IV. Bd. 1899, S. 353. V. Bd. 1899, S. 277 ff. I. Bd. 1899, S. 473 f. I. Bd. 1899, S. 474. I. Bd. 1899, S. 473. IV. Bd. 1899, S. 57.



B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB161

ex nunc-Wirkung der Anfechtung bereits ausgeschlossen wird.207 Die Folge der ex tunc rückwirkenden Nichtigkeit hat der Gesetzgeber dabei nicht wahl­ los gewählt, sondern unter anderem aus einem Vergleich verschiedener Rechtsordnungen, ausdrücklich der österreichischen, schweizerischen, baye­ rischen, preußischen und hessischen Gesetzeslage als problemgerechte Lö­ sung herausgearbeitet.208 Eine erwartungsgemäß noch deutlichere Notwendigkeit der ex tuncRechtsfolge sieht der Gesetzgeber beim Anfechtungsrecht nach § 123 BGB. Explizit aufgrund der Schwere des Eingriffs und der damit verbundenen Nähe zur Überlegung, eine Willenserklärung schon von vornherein auszu­ schließen. Denn ist die Selbstbestimmung des Erklärenden unter Einfluss von vis absoluta nicht gewährleistet, wird ein Handlungswille des Erklären­ den und damit eine Willenserklärung verneint, da der Erklärende lediglich als vermittelndes Werkzeug des Einflussnehmenden auftritt.209 Wenn der Er­ klärende durch Täuschung oder Drohung zur Abgabe einer Erklärung be­ stimmt worden ist, wird hingegen eine Willenserklärung angenommen, mit der Begründung, dass die psychologische Art der Willensbildung nicht allein entscheidend ist, sondern vielmehr durch die bindende Kraft eine Bewilli­ gung der Rechtsordnung erfolgt.210 Dies dahingestellt, muss der Erklärende folglich dann aber, um ausreichend geschützt zu sein, diese Wirkung ohne weiteres anfechten können und zwar mit der Konsequenz, dass die Willens­ erklärung behandelt wird, als ob sie nicht abgegeben worden wäre.211 Der Gesetzgeber diskutiert auch die Notwendigkeit eines ausreichenden Verkehrsschutzes, der sich in erheblichem Umfang in der Ausarbeitung der Anfechtung wiederspiegeln muss und im Schutze des guten Glaubens des Empfängers einer Willlenserklärung auch verwirklicht wurde.212 Der Ver­ kehrsschutz darf jedoch nicht zur Annahme einer unterschiedslosen Anwen­ dung der Vertrauensmaxime führen, die so mehr Unbilligkeiten auf Seiten des Erklärenden verursachen würde als sie dem Rechtsverkehr ersparen könnte.213 Die Frage einer rechtssicheren Rückabwicklung ausgetauschter Leistungen ist hingegen nicht als Problem genannt. ISd Verkehrsschutzes wird jedoch festgestellt, dass eine Willenserklärung, die nicht dem wirkli­ chen Willen entspricht, nicht stets die Möglichkeit bieten dürfe, diese recht­ lich zu negieren, was dadurch berücksichtigt wurde, dass nicht jeder erdenk­ 207  Mugdan, 208  Mugdan, 209  Mugdan, 210  Mugdan, 211  Mugdan,

212  Mugdan, 213  Mugdan,

Materialien, Materialien, Materialien, Materialien, Materialien, Materialien, Materialien,

I. Bd. 1899, I. Bd. 1899, I. Bd. 1899, I. Bd. 1899, I. Bd. 1899, I. Bd. 1899, I. Bd. 1899,

S. 457. S. 462. S. 465, 722. S. 465. S. 465 f. S. 457, 461. S. 457, 461.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

bare Irrtum zu einem Anfechtungsrecht führen soll, sondern ausschließlich sogenannte wesentliche Irrtümer, die als vernichtend qualifiziert werden können.214 Von einer überzogenen, unausgewogenen und unüblichen Rechts­ folgengestaltung in § 142 Abs. 1 BGB kann also nicht die Rede sein. Auch die Verortung im Allgemeinen Teil und damit ein grundsatzgleicher Anwendungsbereich der Anfechtungsvorschriften für sämtliche Rechtsge­ schäfte war nicht zufällig gewählt, vielmehr ging der Gesetzgeber von der Überlegung aus, dass die Irrtumsanfechtung und dessen Rechtsfolge nicht auf Verkehrsgeschäfte beschränkt sein sollten, sondern auch für andere Rechtsgebiete, wie für sensible familienrechtliche Geschäfte, Geltung entfal­ ten (mit Ausnahme der Ehe und später auch der Adoption).215

II. Auslegung der Norm des § 142 Abs. 1 BGB Der Wortlaut der Norm des § 142 Abs. 1 BGB besagt: „Wird ein anfecht­ bares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzu­ sehen.“216 Die Ermittlung des Wortsinns ist aufgrund des deutlichen Wortlauts unpro­ blematisch. Der Rechtsanwender hat diesen so zu verstehen, dass, sollte ein Anfechtungsrecht für ein Rechtsgeschäft bestehen und dieses ausgeübt wor­ den sein, von einer rückwirkenden Nichtigkeit ausgegangen werden muss – das Rechtsverhältnis also rückwirkend fiktiv ohne Geltung ist.217 Aus systematischer Sicht ist ein anfechtbares Rechtsgeschäft ein solches, dass einem Anfechtungsrecht aus den voranstehenden Normen zu Willens­ mängeln gemäß der §§ 119 ff. BGB unterliegt. Von einer wirksamen Anfech­ tung ist auszugehen, wenn die Anfechtungserklärung in § 143 Abs. 1 BGB fristgerecht nach §§ 121, 124 BGB erfolgt ist. Ein systematischer Wider­ spruch zur ex tunc-Rechtsfolge lässt sich aus den Normen des BGB nicht erkennen. Vielmehr bestärkt das bewusst getroffene Regel-Ausnahme-Ver­ hältnis zu Regelungen der ex nunc-Wirkung bei der Ehe in § 1313 Satz 2 BGB und der Adoption in § 1764 Abs. 1 BGB den Grundsatz der ex tuncNichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB im allgemeinen Teil. Historisch bestätigt sich, wie bereits vorbereitend veranschaulicht, aus den Motiven der Gesetzgebung die Annahme einer rückwirkenden Beseitigung 214  Mugdan,

Materialien, I. Bd. 1899, S. 457, 461. Materialien, I. Bd. 1899, S. 463. 216  BGBl. I. 2002, S. 42. 217  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, 3. Auflage 1979, § 30, 1; Hefermehl, in: Soergel BGB, 13. Auflage 1999, § 142 Rn. 7; Mankowski, Beseiti­ gungsrechte, 2003, S. 31 f. 215  Mugdan,



B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB163

der Willenserklärung.218 Der Terminus des anfechtbaren Rechtsgeschäfts schließe eine Anfechtung von Rechtsverhältnissen aus.219 Wobei genauer „der den Willen ausschließende wesentliche Irrtum die Erklärung schlechthin nichtig macht“, also die Willenserklärung von einem Mangel betroffen ist und Gegenstand der Anfechtung sein muss.220 Als angefochten soll eine Wil­ lenserklärung gelten, wenn eine gegenüber dem Anfechtungsgegner abzuge­ bende Willenserklärung mit diesbezüglichem Inhalt erfolgt.221 Der Telos des § 142 Abs. 1 BGB ist eine Zusammenführung aus den oben ausgeführten, subjektiv historischen Überlegungen zur Rechtsfolgenorm der Anfechtung und objektiven Überlegungen, die eine vernünftige interessenge­ rechte Lösung im Sinn haben.222 Objektiv ist es, mit Blick auf die Konzep­ tion des Willensdogmas, nur systemkonsequent in den angesprochenen qua­ lifizierten Anfechtungsfällen, die Willenserklärung ex tunc zu beseitigen. Es erscheint vielmehr auch interessengerecht, wenn man die Entschädigungs­ regelungen der Anfechtung berücksichtigt, die den Erklärenden verpflichten, einen möglichen Vertrauensschaden des Empfängers abzufedern. Dagegen wäre es unverhältnismäßig, den Vertrauensschutz gänzlich unangetastet zu lassen und die Privatautonomie mit allen Konsequenzen derartig zu be­ schränken bzw. temporär zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die allgemeine Handlungsfrei­ heit in Art. 2 Abs. 1 GG ist durch die Ausgestaltung des allgemeinen Anfech­ tungsrechts auch keine verfassungsrechtliche Beschränkung zu befürchten, wenn man § 142 Abs. 1 BGB eine ex tunc-Rückwirkung zuspricht.223

III. Rechtsfortbildung bei § 142 Abs. 1 BGB Die Argumentationen der Rechtsprechung und nachfolgende dogmatische Überlegungen, die der Norm des § 142 Abs. 1 BGB im Wege der Rechtsfort­ bildung eine ex nunc-Rechtsfolge bei bestimmten Anfechtungskonstellatio­ nen zuordnen sollen, können nur insoweit fruchtbar gemacht werden, als sie methodisch richtig verortet werden und ihnen die selbst angedachte Reich­ weite methodisch überhaupt zugestanden wird. Das rechtspolitische Argu­ ment auf Seiten des Rechtsanwenders kann hingegen auch in methodisch 218  Vgl.

Kapitel 2 B. I. Materialien, I. Bd. 1899, S. 474. 220  Vgl. Kapitel 1 A. I. 2. a); Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 462, 473. 221  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 474. 222  Vgl. Kapitel 2 A. I. 2. d); zu den subjektiven Überlegungen siehe insbesondere Kapitel 2 B. I. 2. 223  Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. Novem­ ber 2018, Art. 2 Rn. 1. 219  Mugdan,

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

korrekter Einbindung nicht überzeugen. Die Rechtsfortbildung muss dogma­ tisch begründet sein und so auf eine plausible Rechtslösung abzielen. 1. Gesetzeslücke Die Suche nach einer Gesetzeslücke bei der Anfechtung bestimmter Dau­ erschuldverhältnisse nach § 142 Abs. 1 BGB oder für den Typus Dauer­ schuldverhältnis allgemein, erfordert eine dogmatische Aufarbeitung des Anfechtungsrechts und der Dauerschuldverhältnisse innerhalb der Ausle­ gungsgrenze des § 142 Abs. 1 BGB.224 a) Grenze der Auslegung des § 142 Abs. 1 BGB Der Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB ließe grundsätzlich einen gesetzgebe­ rischen Ausschluss einer ex nunc-Rechtsfolge bei Dauerschuldverhältnissen zu, der als Grenze der Auslegung den Weg zur Rechtsfortbildung dahinge­ hend versperren würde. Der Gesetzgeber selbst formuliert nicht ausdrücklich, dass für Dauer­ schuldverhältnisse allgemein oder bestimmte Arten von Dauerschuldverhält­ nissen keine Ausnahme zur ex tunc-Nichtigkeit anzunehmen ist. Der Anwen­ dungsbereich der Rechtsfolge soll jedoch allgemein gelten und nur im Fami­ lienrecht, genauer im Bereich der Ehe, durchbrochen bzw. dort selbstständig geregelt sein.225 Die Ausnahmen zur Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB scheinen insoweit vom Gesetzgeber abschließend genannt. Ob in dieser ab­ schließenden Formulierung aber ein ausreichender gesetzgeberischer Wille zu sehen ist, der eine ex nunc-Rechtsfolge der Anfechtung von Dauerschuld­ verhältnissen ausschließt, kann jedenfalls bezweifelt werden.226 Einerseits, weil der Gesetzgeber, wenn er von familienrechtlichen Ausnahmen spricht, keine Kategorisierung wählt, die eine Aufteilung nach Art der Schuldverhält­ nisse vollzieht. Andererseits, da der Gesetzgeber die familienrechtliche Ein­ zelausnahme nicht in einer Erörterung zur Reichweite der Norm, sondern in der Diskussion um einen Texthinweis zur familienrechtlichen Ausnahme er­ wähnt.227 Dass der Gesetzgeber einen entsprechenden Zusatz bei der Norm des § 142 Abs. 1 BGB nicht für erforderlich hielt, kann zudem dahingehend verstanden werden, dass gerade eben nicht die einzige Ausnahme zur ex 224  Vgl.

Kapitel 2 A. II. 3. a). Materialien, I. Bd. 1899, S. 463, 473, 727. 226  A. A. Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 59, die sich fälsch­ licherweise aber nicht auf den Gesetzgeber, sondern die Ansicht der Gerichte stützt. 227  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 727. 225  Mugdan,



B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB165

tunc-Nichtigkeit der Anfechtung kodifiziert werden sollte. Die Tatsache al­ lein, dass der Gesetzgeber in Fällen der Ehe und der Adoption Ausnahmen zu § 142 Abs. 1 BGB selbständig regelt, kann ohne weitere gesetzgeberische Erläuterung sowohl als abschließende Ausnahme aufgefasst werden, als auch als Bestätigung, dass Ausnahmen zu § 142 Abs. 1 BGB denkbar sind, ohne den gesetzlich explizit genannten Fällen abschließenden Charakter zuordnen zu wollen.228 So spricht der Gesetzgeber auch bei der Vereinheitlichung der ehelichen Anfechtung an keiner Stelle von einer nach seiner Vorstellung ein­ zig gearteten oder abschließend vorgesehenen Ausnahme der ex tunc-Nich­ tigkeit, die ansonsten im Rahmen des § 142 Abs. 1 BGB zu wahren sei.229 Gleichermaßen ergibt sich keine gesetzgeberische Beschränkung aus der Zusammenfassung anfänglicher und nachträglicher Mängel des Annahmever­ hältnisses einer Adoption, die zum Schutz der Eltern-Kind-Beziehung und des rechtssicheren Bestands des Annahmeverhältnisses einheitlich mit einer ex nunc-Wirkung ausgestaltet wurde.230 Auch aus der Aussage, dass der Ge­ setzgeber das Anfechtungsrecht des § 119 BGB für Rechtsgeschäfte jeder Art vorsieht, lässt sich ein Ausschluss der ex nunc-Beschränkung des § 142 Abs. 1 BGB für Dauerschuldverhältnisse nicht konstruieren.231 Ähnlich verhält es sich mit den Ausführungen des Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien zu den §§ 116 ff. BGB. Soweit sich der Gesetzgeber auf das Willensdogma stützt, ist dem im Grundsatz zuzustimmen. Unter Verweis auf andere Ausnahmen zur ex tunc-Wirksamkeit der Anfechtung im Bereich der Ehe und der Adoption kann ein rechtsfortbildungsversagender Wille des Gesetzgebers aber dadurch nicht gefolgert werden. Dies gilt ebenso für den Zuspruch des Gesetzgebers, den die allgemeine Regelung der ex tunc-Nich­ tigkeit im Rahmen des § 123 BGB oder bei Erörterungen zum Verkehrsschutz erfährt. Die durch eine Gesetzeslücke motivierte Rechtsfortbildung der Rechts­ folge des § 142 Abs. 1 BGB bei Dauerschuldverhältnissen bereits an dieser Stelle auszuschließen, greift daher zu kurz.232 Hinzu tritt methodisch außer­ dem immer die Möglichkeit, dass veränderte Lebenssachverhalte, insbeson­ dere in Bezug auf die einzelnen Dauerschuldverhältnisse, eine Lücke der Gesetzgebung entstehen lassen können.

228  Mugdan,

Materialien, I. Bd. 1899, S. 473. 13/4898, S. 18. 230  BT-Drs. 7/3061, S. 1, 26. 231  Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 463. 232  Vgl. Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 226 f. 229  BT-Drs.

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b) Dogmatische Konzeption des § 142 Abs. 1 BGB und dessen Folgen Ohne auf das Spezifikum Dauerschuldverhältnis eingegangen zu sein, oder die Erkenntnisse aus dieser Untersuchung abschätzen zu wollen, bietet das Anfechtungsrecht zwei wesentliche Angriffspunkte, die bei einer Lücken­ suche besondere Berücksichtigung finden müssen: Die Schutzbedürftigkeit der Parteien und die Schutzbedürftigkeit Dritter (des Rechtsverkehrs). Schnell kommt der Gedanke auf, zu argumentieren, dass die ex tunc-Schutzweite des Anfechtungsrechts im Falle der Dauerschuldverhältnisse über das für die Privatautonmie angemessene Maß hinausgeht und daher die Norm schon ih­ rem Telos nach insoweit zu überdenken ist. Geht man diesen Weg, wählt man einen Ansatz, der versucht sich von einer dogmatischen Argumention zu befreien, sich fernab einer Unterscheidung zu punktuellen Schuldverhältnis­ sen bewegt und der eine gesetzgeberische Grundentscheidung diskutiert, die einer Rechtsfortbildung aufgrund klarer Willensäußerung des Gesetzgebers so nicht zugänglich ist. Methodisch konsequent ist es hingegen, die gesetzli­ chen Ausgestaltungen des Anfechtungsrechts zu erörtern, die eine mangelnde Schutzbedürftigkeit aufzeigen könnten. Dabei geht es in erster Linie um die Problematik der Rückabwicklung angefochtener Rechtsgeschäfte und damit verbunden auch um den Grundsatz der Rechtssicherheit, Vertrauensgesichts­ punkte sowie die Interessen Dritter, die es dogmatisch aufzuarbeiten gilt.233 aa) Allgemeine Schwierigkeiten der Rückabwicklung Dem Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB schon allein seiner Grund­ konzeption nach die Qualität abzusprechen Schuldverhältnisse angemessen rückabzuwickeln zu können ist einerseits wenig konkret andererseits, wie sich aus den gesetzgeberischen Ausführungen zur Aufgabenbewältigung er­ gibt, generell und auch nur in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse falsch ge­ dacht.234 Der Anspruch nach Bereicherungsrecht umfasst sämtliche anzuden­ kende Herausgabeverlangen sowie ausführliche Regelungen, die eine Vertei­ lung des Rückabwicklungsrisikos behandeln.235 An keiner Stelle ist dabei eine Beschränkung der Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts auf punk­ tuelle Schuldverhältnisse anzunehmen. Dem entspricht schon die Tatsache, dass der Rechtsanwender in bestimmten Fällen, wie der Anfechtung von 233  Busche, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 142 Rn. 17; Joussen, Der Vertrau­ ensschutz im fehlerhaften Arbeitsverhältnis, NZA 2006, 963 (964). 234  Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 812 Rn. 1; Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, Vor. § 812 Rn. 1; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 128. 235  Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, Vor. § 812 Rn. 3; Bork, Allge­ meiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage 2016, § 22 Rn. 931.



B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB167

Arbeitsverträgen aus Gründen nach § 123 Abs. 1 BGB oder aufgrund des Minderjährigenschutzes gemäß §§ 104 ff. BGB, eine Rückabwicklung im Wege der §§ 812 ff. BGB annimmt und ohne Ergänzungen der Vorschriften durchführt.236 Geht es um untergegangene oder schlicht nicht herausgebbare Leistung, ist mit der Wertersatzvorschrift in § 818 Abs. 2 BGB ein System geschaffen, das durch die Konkretisierung in Lehre und Rechtsprechung eine Bewertung von punktueller Leistung ebenso wie von dauernd zu erbringender Leistung er­ möglicht und keinen Anlass für eine Differenzierung gibt.237 So lässt sich auch mit dem Hinweis auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Arbeitneh­ mer in einem Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der umfänglichen Bewertungsgrundsätze, die auf eine gesetzliche Regelung im Dienst- und Werkvertragsrecht zurückgehen und mit einer hilfsweise angemessenen Ver­ gütung ausgestaltet sind, keine derartige Benachteiligung bei der Vergütung konstruieren, die eine Rechtsfortbildung allein begründen könnte.238 Führt man sich vor Augen, dass der Arbeitnehmer wohl die Spitze einer vermute­ ten besonderen Schutzbedürftigkeit der Parteien eines Dauerschuldvertrags darstellen dürfte, kann damit allgemein die These aufgestellt werden, dass die Bewertung von Leistungen in Verbindung mit der beson­deren Schutzbe­ dürftigkeit der Parteien für Dauerschuldverhältnisse keine Rechtsfortbildung der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB ermöglichen kann.239 Daneben tritt die Frage, ob die Regelung zur Entreicherung einer Partei gemäß § 818 Abs. 3 BGB die Schutzbedürftigkeit der Parteien, im Vergleich zur Anspruchslage auf vertraglicher Basis, ausreichend berücksichtigt. Dies ist zu bejahen. Bei gegenseitigen Verträgen, wie es die hier behandelten Dau­ erschuldverhältnisse alle sind, kommt es, wie gesehen, aufgrund der speziel­ len Verbindung zu einer Modifikation der Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB, wodurch ein Ausgleich geschaffen wird, der unter abweichender Rege­ lung der Gefahrtragung für Zufall, an der vertraglichen Risikoverteilung festhält und keine geringere Schutzwirkung als die vertragliche ex nunc-Al­ ternativsituation schafft. Erleidete Vermögensnachteile, die mit der Bereiche­ rung in Zusammenhang stehen, werden zudem nur berücksichtigt, wenn sie gerade im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs getätigt werden, was 236  BAG, Urteil vom 1. April 1976 – 4 AZR 96/75, NJW 1976, 1958 (1959); BAG, Urteil vom 3. November 2004 – 5 AZR 592/03, AP BGB § 134 Nr. 25; Joussen, Der Vertrauensschutz im fehlerhaften Arbeitsverhältnis, NZA 2006, 963 (965). 237  BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1269); vgl. Kapitel 1 D. II.; Rückert, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKKBGB, 2013, § 611 Rn. 331; auch Joussen, Der Vertrauensschutz im fehlerhaften Ar­ beitsverhältnis, NZA 2006, 963. 238  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 934. 239  Vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 929, 934.

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Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

mehr als eine kausale Verbindung verlangt. So lassen die besprochenen Fall­ gruppen der Entreicherung generell eine Systematik erkennen, die Rechts­ sicherheit gewährleistet und keine unangemessene Behandlung oder erhöhtes Risikopotenzial für die Parteien im Vergleich zu einer vertraglichen Abwick­ lung beinhaltet. Hinzu tritt, dass im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB dem Bereicherungs­ schuldner die Beweislast dafür obliegt, dass ein nach § 812 Abs. 2 BGB be­ stimmter Wertvorteil zu Unrecht vorausgesetzt wurde. Dies ist insbesondere mit Blick auf die Bewertung der Arbeitsleistung von Relevanz. So müsste der Arbeitgeber die Bereitstellung der Arbeitskraft durch den Arbeitnehmer in ihrer Werteinschätzung relativieren, was aufgrund der besonderen Eigen­ heit der Arbeitsleistung nur aufgrund von Nichtleistung des Arbeitnehmers einfach zu bewerkstelligen ist.240 Lässt sich trotz dieser Hürden nachweisen, dass der Bereicherungsgläubiger faktisch keine oder schlechte Arbeit und damit vermögenswerten Vorteil an den Bereicherungsschuldner geleistet hat, muss gefragt werden, ob dies denn wirklich eine unangemessene Behandlung des Bereicherungsgläubigers darstellt oder es nicht vielmehr eine Übervortei­ lung des Bereicherungsgläubigers mit unangemessener Benachteilung des Bereicherungsschuldners wäre, auch hier einen Bereicherungsanspruch anzu­ nehmen.241 Letzteres wird hier, insoweit mit einem Erst-Recht-Verweis auf die Privatautonomie, vertreten. bb) Grundsätze der Rechtssicherheit und Vertrauensschutz Beschäftigt man sich mit den Begriffen der Rechtssicherheit oder des Ver­ trauensschutzes der Parteien im Rahmen der Diskussion um eine ex nunc gestaltende Rechtsfortbildung bei § 142 Abs. 1 BGB, muss erneut verhindert werden, die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, der sich für eine ex tunc-Rechtfolge ausgesprochen hat, allgemein argumentativ anzuzweifeln. Die Frage, was für die Parteien weniger problematisch sei, eine Rückabwick­ lung oder ein post temporäres Gebunden sein an einen ungewollten Zustand, ist, was die Legitimation einer Rechtsfortbildung betrifft, losgelöst nicht zielführend. Konkret bedeutet eine Rückabwicklung ex tunc für die Parteien die An­ wendung bereicherungsrechtlicher Vorschriften gemäß §§ 812 ff. BGB auf ihre Sachlage. Dahingehend besteht Rechtssicherheit ebenso wie in Bezug 240  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 942, der aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung einen Fortfall der Bereicherung schon grundsätzlich ausschließt. 241  Rückert, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2013, § 611 Rn. 331.



B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB169

auf die Ausgestaltung des Bereicherungsrechts.242 Richtet man den Blick auf mögliche besondere vertragliche Ausgestaltungen, auf die sich eine der Par­ teien verlassen hat und die einen Schaden entstehen lassen, ist eine Vertrau­ ensregelung in den Ersatzvorschriften nach § 122 BGB, der c.i.c sowie dem Deliktsrecht getroffen. Dabei ist es für die Anwendung der Ersatzvorschriften ohne Unterschied, ob andauernde Schadenssummen gebildet werden müssen oder ein einzelner Schaden entstanden ist. Auch für andauernde Leistungsbe­ ziehungen ist das Vertrauen des Rechtsverkehrs in vertragliche Abmachungen also in gleichem Maße geschützt, ohne dass sich abweichende Risiken der Parteien im Vergleich zu punktuellen Schuldverhältnissen ergeben. Auf eine Rechtsfortbildung zielt in diesem Zusammenhang auch der Ver­ weis, dass in bestimmten Fällen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnis­ sen, ähnlich der Entscheidung des Gesetzgebers im Bereich der Adoption nach §§ 1759 ff. BGB, möglicherweise eine sensible Regelungsmaterie be­ rührt wird, die allein durch schadensersatzrechtliche Regelungen nicht aus­ reichend erfasst werden kann.243 Im Bereich der Lückenschließung kann nämlich, anders als im Rahmen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbil­ dung, die eine Sperrwirkung des konkreten Normenkontrollverfahrens er­ fährt, auch auf eine Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Grundrechte abgestellt werden.244 Mit alleinigem Blick auf § 142 Abs. 1 BGB ergeben sich jedoch keine grundrechtsverweisenden Schutzlücken, die unabhängig von der Konzeption des rückabzuwickelnden Schuldverhältnisses Verfas­ sungsverstöße begründen könnten. Allenfalls kann wieder die Grundsatzent­ scheidung des Gesetzgebers zur ex tunc-Nichtigkeit diskutiert werden, ohne Einfluss auf eine richterliche Rechtsfortbildung.245 cc) Interessen Dritter Da eine Rückabwicklung bei Mehrpersonenverhältnissen grundsätzlich nach den Leistungsbeziehungen erfolgt, kommt es zu keinen bereicherungs­ rechtlichen Unabwegbarkeiten der Parteien. Der gutgläubige Erwerb des Dritten ist geschützt, ebenso wie ein Insolvenzrisiko anderer Parteien nicht 242  Vgl.

Kapitel 2 B. III. 1. b) aa). in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 611a Rn. 2, 5; auch eher kritisch Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 635; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 170. 244  Meier/Jocham, Rechtsfortbildung – Methodischer Balanceakt zwischen Gewal­ tenteilung und materieller Gerechtigkeit, JuS 2016, 392 (397); vgl. auch Kapitel 2 A. II. 3. b) bb). 245  Vgl. Kapitel 2 B. III. 1. b). 243  Schreiber,

170

Kap. 2: Rechtsdogmatische Diskussion des § 142 Abs. 1 BGB

auf den Dritten übertragen wird.246 Das Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB bietet in seiner Konzeption und Abwicklung daher keine Anhaltspunkte, die im Vergleich zu den Parteien des vertraglichen Zweipersonenverhältnis­ ses für Dritte eine differenzierte Behandlung hervorrufen und von den bishe­ rigen Erläuterungen abweichende, zusätzliche Problempunkte einer ex tuncRechtsfolge offenlegen könnten. Von der Thematik der Relativität der Schuldverhältnisse zu trennen ist je­ doch die Problematik, dass Rückabwicklungsverhältnisse bei Dritten durch einen Anfechtungsfall der Vertragsparteien erst entstehen können und in sich zusätzliche mit einzubeziehende Komplikationen tragen, die die Lösungsal­ ternative einer ex nunc-Wirkung der Anfechtung umgehen könnte.247 So sind beispielhaft weitere Vertragsverbindungen genannt, Sozial- und Versiche­ rungsleistungen im Falle des Arbeitnehmers oder behördliche Zuschüsse im Falle des Mietrechts sowie Vertragsbeziehungen und steuerrechtliche Modifi­ kationen bei Gesellschaftsverträgen mit zu berücksichtigen, die mitunter auch die Beziehung der Vertragsparteien selbst betreffen und deren Rückab­ wicklung vorzunehmen ist. Die Komplexität dieser Einzelheiten ist einem zeitlichen Wandel unterworfen und muss für das jeweilige Schuldverhältnis in Bezug auf seine Rückabwicklung dogmatisch ebenso untersucht und der Rechtsfolge mit ex tunc-Wirkung nach § 142 Abs. 1 BGB in Rechnung ge­ stellt werden.248 2. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung contra legem Der Anfechtungsfall von Dauerschuldverhältnissen ist von § 142 Abs. 1 BGB umfasst, weshalb eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung extra legem ausscheidet. Die Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB in eine Rechtsfolgenorm zur Anfechtung mit ex nunc-Wirkung wäre bei fehlender Gesetzeslücke daher eine Rechtsfortbildung in gesetzesübersteigender Form contra legem. Eine solche Gesetzesanwendung in autark getroffener richter­ licher Abwägung ist aus den genannten Gründen nicht vertretbar.249 Ähnlich der Vorschriften zur Aufhebung der Ehe gemäß §§ 1113 ff. BGB ist in einem solchen Fall ein Tätigwerden der Gesetzgebung abzuwarten, die in einer wertungsbasierenden neuen Gesetzeskodifikation mögliche zahlreiche Aus­

246  Vgl.

auch zu den Gesetzesmaterialien Kapitel 2 B. I. 1. erwähnt bei Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 463. 248  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 446. 249  BVerfG, Urteil vom 3. April 1990 – 1 BvR 1186/89, NJW 1990, 1593 (1594); BVerfG, Urteil vom 11.  Juli  2012 − 1 BvR 3142/07, 1569/08, NJW 2012, 3081 (3085); vgl. Kapitel 2 B. II. 3. b) bb). 247  So



B. Analyse des § 142 Abs. 1 BGB171

nahmen zu § 142 Abs. 1 BGB im Bereich der Dauerschuldverhältnisse ge­ setzlich einheitlich abbilden könnte.

IV. Zusammenfassung: Analyse Die Motive zur Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB betonen durch aus­ führliche Darstellung die ex tunc-Wirkung der Rechtsfolge auf Willenserklä­ rungen und die allgemeine Anwendbarkeit der Vorschrift. Gleichermaßen werden in Zusammenhang hierzu aber auch die Gründe für eine Durchbre­ chung der Rechtsfolge bei der Anfechtung der Ehe oder der Erbunwürdigkeit erörtert. Ein Schutz des Rechtsverkehrs, der mehr als nur einen Gutglaubensschutz und Schadensersatz gemäß § 122 BGB einfordert, sei daneben grundsätzlich nicht gerechtfertigt und würde die Anfechtung zu sehr einschränken. Jedoch weist der Gesetzgeber auch im Rahmen der Motive zu den §§ 116 ff. BGB auf die Bedeutung des Verkehrsschutzes für die Ausarbeitung der Anfechtung hin und nimmt, wie ausdrücklich angesprochen, eine Abwägung der Interes­ sen vor. Legt man § 142 Abs. 1 BGB aus, ist der klare Wortlaut der Regelungen bestätigt und eine ex tunc-Rechtsfolge der Anfechtung im Allgemeinen Teil des BGB stimmig. Dennoch ist eine Rechtsfortbildung der Vorschrift aufgrund einer Gesetzeslücke in den Gesetzesmaterialien nicht eindeutig ausgeschlossen. Ob eine Gesetzeslücke vorhanden ist, zeigen eine dogmati­ sche Untersuchung der Rückabwicklung angefochtener Rechtsgeschäfte und die damit verbundene Frage der ausreichenden Berücksichtigung von Schut­ zinteressen der Parteien und des Rechtsverkehrs. Dem Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB kann dabei alleine betrachtet die Fähigkeit der Rückab­ wicklung von Dauerschuldverhältnissen nicht abgesprochen werden. Das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf einen Dauerschuldvertrag ist im Vergleich zu punktuellen Schuldverhältnissen ebenso nicht minder geschützt. Die An­ fechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB ist vielmehr auch mit Blick auf die Rück­ abwicklung von Verträgen in der Lage, eine sensible Regelungsmaterie zu behandeln. Die Interessen Dritter sind in alleiniger Betrachtung der Anfechtung ge­ mäß § 142 Abs. 1 BGB nicht unangemessen gefährdet. Eine Gefährdung kann jedoch ohne die Berücksichtigung der vertraglichen Konstellationen nicht abschließend bewertet werden. Eine gesetzesübersteigende Rechtsfort­ bildung contra legem ist allerdings in jedem Fall auch im Rahmen des § 142 Abs. 1 BGB zum Schutze der Gewaltenteilung abzulehnen.

Kapitel 3

Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen Die Problematik der ex tunc-Nichtigkeit von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB ist nicht nur anfechtungsspezifisch begründet, son­ dern lässt sich mitunter auch für andere Nichtigkeitsgründe wie § 138 Abs. 1 BGB, § 134 BGB oder § 125 BGB anstellen, was die Ursachenfindung zu gleichen Teilen auf die Betrachtung der besonderen Natur der Dauerschuld­ verhältnisse lenkt.1

A. Besonderheiten der Dauerschuldverhältnisse I. Der Begriff des Dauerschuldverhältnisses Der Begriff des Dauerschuldverhältnisses ist in Anknüpfung an Otto von Gierke von der Lehre und Rechtsprechung aufgenommen worden, seit lan­ gem allgemein anerkannt und durch § 10 Nr. 3 AGBG2, § 11 Nr. 1 AGBG, § 11 Nr. 12 AGBG heute § 308 Nr. 3 BGB und § 309 Nr. 1, 9 BGB gesetzlich festgehalten.3 Das Dauerschuldverhältnis lässt in Abgrenzung zu einem punktuellen Schuldverhältnis während seiner Laufzeit für die Parteien immer wieder neue Leistungs- oder Schutzpflichten entstehen.4 Typisches vertrag­ liches Risiko der Parteien ist es mithin, dass der letztlich geschuldete Leis­ tungsumfang sowie die jeweiligen Umstände der Leistungserbringung nicht vorher abgeschätzt werden können.5 Charakteristikum der Dauerschuldver­

1  Singer,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 113. zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) vom 9. Dezember 1976, BGBl. I S. 3317, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. November 2001, BGBl. I S. 3138, 3187. 3  v. Gierke, Dauernde Schuldverhältnisse, in: Iherings Jahrbucher für die Dog­ matik des bürgerlichen Recht, Bd. 64, 1914, S. 355–411; BT-Drs. 14/6040, S. 177; Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 5; Sutschet, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 241 Rn. 27. 4  Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 5. 5  BGH, Urteil vom 26. September 1996 – I ZR 265/95, NJW 1997, 1702 (1704); Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 5; Sutschet, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 241 Rn. 27. 2  Gesetz



A. Besonderheiten der Dauerschuldverhältnisse173

hältnisse ist jedoch die essentielle Bedeutung des Zeitfaktors.6 Um von einem Dauerschuldverhältnis sprechen zu können, muss ein einheitlicher, auf be­ stimmte oder unbestimmte Zeit geschlossener Vertrag zugrunde liegen, der auf ein fortgesetztes Verhalten gerichtet ist und aus dem sich während der vertraglichen Laufzeit immer wieder neue Rechte und Pflichten der Parteien ergeben.7 So sind Miet- oder Pachtverträge, Arbeitsverträge, Darlehensver­ träge, Gesellschaftsverträge, Sicherungsverträge, Verwahrungsverträge sowie Versicherungsverträge oder auch Makleralleinaufträge als Dauerschuldver­ hältnisse zu bezeichnen.8 Auch Dienstverträge, die nicht lediglich eine Ein­ zelleistung behandeln sowie Kauf- oder Werkverträge können durch eine besondere vertragliche Ausgestaltung Dauerschuldverhältnisse sein.9 Hierzu zählen langfristige Lieferbeziehungen, die sich als unbefristete oder auch befristete Sukzessivlieferungsverträge, wie dem Zeitungsabonnement, aber auch anderen Rahmenverträgen darstellen.10

II. Folgen der Dauer einer Leistungsbeziehung Dauerschuldverhältnisse stellen eine sensible und für die Anfechtung inte­ ressante Materie dar, weil das Schuldverhältnis mit seiner bereits gelebten Form die Abwägung zwischen Selbstbestimmungsinteresse und Verkehrs­ schutz in ein anderes Licht zu rücken scheint.11 Für die Rechtsfortbildung ist dabei interessant, ob die Verkehrsschutzinteressen nicht nur überwiegen, sondern schlichtweg im Fall der Dauerschuldverhältnisse durch die Gesetzes­ lage nicht gewahrt sind. Die Dauer einer Rechtsbeziehung zeigt sich in erster Linie in der Anzahl der ausgetauschten Leistungen. Dabei ist an die Hauptleistungspflichten zu denken, die wiederholt auftreten können, genau wie an Nebenpflichten oder neu entstandene Leistungsbeziehungen, die auf Grundlage des ehemals ver­ traglich begründeten Schuldverhältnisses entstanden sind. So sind Neben­ 6  Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 6; Sutschet, in: Bamberger/ Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 241 Rn. 27. 7  Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 6. 8  Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 6; Lorenz, in: Bamberger/ Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 41. Edition, 1. Mai 2014, § 314 Rn. 5. 9  BGH, Urteil vom 1. Feburar 1989 – IVa ZR 354/87, NJW 1989, 1479; Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 6; Lorenz, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 314 Rn. 4. 10  Schürnbrand, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 510 Rn. 11  f.; Gaier, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 8; Lorenz, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 314 Rn. 6. 11  So Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 424 f.

174

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

pflichten, insbesondere auch Rücksichtnahmepflichten die Folge. Daraus ­resultiert die Frage, ob sich das Dauerschuldverhältnis als eine einheitliche Form multipler punktueller Schuldverhältnisse darstellt oder ob nicht durch die dauerhafte Rechtsbeziehung der Parteien ein Mehr zum punktuellen Schuldverhältnis entsteht, das sich nicht mehr quantitativ bewerten lässt.12 Dabei kann jedoch bezweifelt werden, ob die bloße Wiederholung von Pflichten aus einer Rechtsbeziehung bzw. deren Pflichtendauer allein eine besondere qualitative Beziehung der Parteien (sog. „personenrechtliche Beziehung“) begründen kann.13 Denn ähnlich der Argumentation zur bereiche­ rungsrechtlichen Rückabwicklung vermehrter oder wiederholter selber Leis­ tungen, kann aus der Dauer einer Rechtsbeziehung nicht automatisch eine isolierende Abspaltung zu punktuellen Schuldverhältnissen und deren Rechtsmechanismen getroffen werden. Um eine personenrechtliche Bezie­ hung zu erzeugen, die sich mit den Anfechtungsvorschriften nach § 142 Abs. 1 BGB stößt, bedarf es einer zusätzlichen Besonderheit der Rechtsbe­ ziehung, die durch die zeitliche Eigenschaft der Dauerschuldverhältnisse zwar ihre Wirkung entfaltet aber nicht allein begründet werden kann.14 Den Dauerschuldverhältnissen allgemein aufgrund ihrer auf Dauer angelegten Rechtsbeziehung eine Qualität zuzusprechen, die eine besondere Rücksicht oder eine Unterscheidung bei der Anwendung von Rechtsinstrumenten im Vergleich zu punktuellen Schuldverhältnissen erfordert, ist daher zu verwer­ fen.15 Die Dauer einer Leistungsbeziehung ist im Hinblick auf die personen­ rechtliche Dynamik eine bloße zusätzliche Voraussetzung, die jedoch allge­ mein die Diskussion um die Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 BGB in Gang setzt. Gleichermaßen lassen sich durch die Dauer der Rechtsbeziehungen je­ doch keine wirklichen Abstufungen treffen, die eine weitere Kategorisierung mit unterschiedlicher Anwendung der Anfechtungsvorschriften rechtssicher ermöglichen könnten.16

12  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 10. 13  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 10. 14  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 10. 15  So zu schließen aus den Ausführungen von Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 10. 16  Anders anhand der Entwicklung unterschieden bei Beitzke, Nichtigkeit, Auflö­ sung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 11.



A. Besonderheiten der Dauerschuldverhältnisse175

III. Anwendbarkeit der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB Das Dauerschuldverhältnis ist den Beseitigungsinstrumenten des BGB trotz der speziellen Regelungen zur Kündigung grundsätzlich nicht ver­ schlossen.17 Hat man das Dauerschuldverhältnis in seiner besonderen schuldrechtlichen Form identifiziert, ersetzt dieser Grundsatz eine unmittel­ bare, am Gesetzestext entlanggeführte Kontrolle der Vereinbarkeit mit der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB aus dem allgemeinen Teil dennoch nicht. 1. Vereinbarkeit nach § 142 Abs. 1 BGB Blickt man auf den Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB, der von der Anfech­ tung eines Rechtsgeschäfts spricht und dogmatisch daher, wie angesprochen, nicht zutreffend formuliert wurde, ist grundsätzlich eine Beschränkung auf punktuelle Schuldverhältnisse nicht zu erkennen und eine Unterscheidung anhand der Dauer der rechtsgeschäftlichen Bindung auch nicht zu vermuten. Eine solche Eingrenzung lässt sich auch systematisch allein durch die ausge­ sonderten Institute der Aufhebung der Ehe in §§ 1313 ff. BGB und der Auf­ hebung der Annahme als Kind nach §§ 1759 ff. BGB nicht begründen. So sind alle anderen und damit die Mehrzahl der Dauerschuldverhältnisse doch der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB unterstellt. Ehe und Adoption sind demnach als bloße Ausnahmen zu behandeln, die keine Schlussfolgerung für eine Beschränkung auf bestimmte Schuldverhältnisse bei § 142 Abs. 1 BGB zulassen. Nähert man sich der Frage aus historischer Sicht, gilt es, die Aus­ sagen und Materialien des Gesetzgebers zur Norm zu studieren und nicht die Ausnahmeentscheidungen der Rechtsprechung mit einzubeziehen. Diese sol­ len das Ergebnis der Auslegung abbilden und können nicht zum Inhalt der Auslegung selbst werden. Ausgeschlossen sind nach den Gesetzesmaterialien Statusverhältnisse, mit Verweis auf die Rechtsverhältnisse der Ehe und der Adoption.18 Auch andere Rechtsbereiche, die das BGB so nicht erfasst, sol­ len nicht Gegenstand der Anfechtung sein. Hierzu kann passend der An­ wendungsbereich des Gesetzes zur Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens vom 21. Juli 1879 genannt werden.19 Die Vorschriften behandeln die Anfechtung von Rechtshandlun­ gen des Schuldners durch den Gläubiger. Anfechtungsgegenstand sind gemäß § 3 des Gesetzes dabei Rechtshandlungen, Verfügungen und Verträge, ohne 17  Mankowski,

Beseitigungsrechte, 2003, S. 929. Materialien, I. Bd. 1899, S. 473. 19  Deutsches Reichsgesetzblatt Bd. 1879, Nr. 30, S. 277; Mugdan, Materialien, I. Bd. 1899, S. 473. 18  Mugdan,

176

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

auf Dauerschuldverhältnisse beschränkt zu sein und dadurch Schlussfolge­ rungen einer Abgrenzung zuzulassen. Für eine Anwendbarkeit auf Dauer­ schuldverhältnisse spricht in den Gesetzesmaterialien auch die weite Formu­ lierung, dass sich die Anfechtung auf den Erwerb von Gegenständen oder Rechten daran sowie auf die „durch das Rechtsgeschäft geschaffene Rechts­ lage“ bezieht.20 Telos der Anfechtung ist ein angemessener Schutz der Pri­ vatautonomie der betroffenen, anfechtungsberechtigten Partei.21 Dass sich bei Dauerschuldverhältnissen eine zeitliche Komponente des Schuldverhält­ nisses einstellt, die mitunter die Folgen der Wirksamkeit der vertraglichen Bindung intensiviert, kann nicht zu einer Unanwendbarkeit des Anfechtungs­ rechts nach § 142 Abs. 1 BGB und damit Schutzlosigkeit führen. Im Gegen­ teil spricht dies im Hinblick auf die Interessen des Anfechtenden sogar gegen eine Abschwächung der Rechtsfolge der Norm des § 142 Abs. 1 BGB. Zu­ dem ist zu berücksichtigen, dass in Form des Bereicherungsrechts ein Rück­ abwicklungsinstrument vorhanden ist, das sich auf Dauerschuldverhältnisse anwenden lässt und ebenso, dass die Schadensersatzregelungen im Anfech­ tungs-, Delikts-, und vorvertraglichen Recht greifen. Auch bei Dauerschuld­ verhältnissen ist eine Anwendbarkeit daher zu bejahen. Ein teleologisch ab­ gezielter, angemessener Ausgleich zwischen den Interessen des Erklärenden und des Rechtsverkehrs wird grundsätzlich erreicht. Verfassungsrechtliche Einwände sind für Dauerschuldverhältnisse mit Blick auf die Norm des § 142 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Die Gefahr der Verletzung verfassungsrechtlich geschützer Interessen kann sich deshalb nur in Kombination aus dem beson­ deren Schuldverhältnis selbst ergeben. 2. Vereinbarkeit nach §§ 119 ff. BGB Ein ähnliches Bild ergibt sich auch, wenn man für die Anwendbarkeit der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB auf die Regelungen der §§ 119 ff. BGB abstellt. Dem Wortlaut der Normen nach zu urteilen, ist nur auf eine Willens­ erklärung als Anfechtungsgegenstand abzustellen, ohne genauere Vorausset­ zungen von der gezielten vertraglichen Bindung zu verlangen. Ein Ausschluss für Dauerschuldverhältnisse lässt auch die Systematik nicht erkennen. Neben den Anfechtungsrechten im allgemeinen Teil des BGB behandeln die An­ fechtungsrechte des besonderen Teils ausschließlich Willenserklärungen, die punktuelle Rechtsgeschäfte sind oder darauf abzielen. Eine Verdrängung der Dauerschuldverhältnisse aus dem allgemeinen Teil des BGB und dem An­ wendungsbereich der Anfechtung des allgemeinen Teils nach § 142 Abs. 1 BGB ergibt sich also gerade nicht. Anfechtungsrechte, die außerhalb der 20  Mugdan, 21  Vgl.

Materialien, I. Bd. 1899, S. 473. Kapitel 2 B. II.



A. Besonderheiten der Dauerschuldverhältnisse177

Anwendung nach § 142 Abs. 1 BGB existieren, behandeln die Rechtsinhalte Vaterschaft, Erbschaft und Insolvenzen und sind, ohne dass sich eine Katego­ risierung der Schuldverhältnisse beobachten lässt, systematisch aufgrund der besonderen Regelungsbereiche als Ausnahmen verortet. Historisch ist in den Gesetzesmaterialien, genau wie sich im Wortlaut schon gezeigt hat, nur von der Beseitigung einer Willenserklärung, sei es unter Lebenden oder der Ver­ fügung von Todeswegen, die Rede.22 Genaueres ist im Hinblick auf ein Rechtsgeschäft nicht gefordert. Deutlich für die Anfechtung von Dauer­ schuldverhältnissen spricht eine Passage, in der die zu berücksichtigenden Irrtümer diskutiert werden. So ist von einem Irrtum über ein „Rechtsgeschäft anderer Art“ die Rede, der von einem Irrtum über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts unterschieden wird.23 Daran zeigt sich, dass der Gesetzge­ ber nicht von einer einzigen Art der Schuldverhältnisse ausgegangen ist, die in den Anwendungsbereich der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB fallen soll, sondern die verschiedenen Arten der Schuldverhältnisse vielmehr sogar im Bereich der Irrtümer diskutiert. Ebenso eindeutig sind die Materialien mit der Aussage, dass der Geltungbereich der Anfechtung für „Rechtsge­schäfte(n) jeder Art“ eröffnet sein soll.24 So auch konkret, wenn bei der Frage der An­ fechtung einseitiger Willenserklärungen auf Regelungswerke, wie das Patentund Versicherungswesen als Beispiele der Anfechtung verwiesen wird, die selbst Dauerschuldverhältnisse sind und auf § 142 Abs. 1 BGB zurückgreifen können sollen.25 Telos der Regelungen um die §§ 119 ff. BGB ist es, dem Erklärenden in qualifizierten Fällen ein Anfechtungsrecht zur Seite zu stel­ len, immer verbunden mit der Frage, ob es sich um einen wesentlichen Irr­ tum handelt, der ein Anfechtungsrecht begründen sollte oder nicht.26 Das Rechtsgeschäft selbst hat jedoch keinen Einfluss auf die Beachtlichkeit des Irrtums, sondern allenfalls auf die Schwere der rechtlichen Bindung an die betroffene Erklärung. Teleologisch kommen die Anfechtungsrechte nach §§ 119 ff. BGB daher mit der Art des Schuldverhältnisses nicht in Berührung.

IV. Zusammenfassung: Besonderheiten Die Laufzeit der Dauerschuldverhältnisse führt zu einer großen Anzahl an ausgetauschten Leistungen, die den Verkehrsschutz und die Interessen der Vertragsparteien in ihrer Bedeutung hervorheben. Dennoch ist die Anwend­ barkeit der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB nicht allein von der Dauer 22  Mugdan,

Materialien, Materialien, 24  Mugdan, Materialien, 25  Mugdan, Materialien, 26  Mugdan, Materialien, 23  Mugdan,

I. Bd. 1899, I. Bd. 1899, I. Bd. 1899, I. Bd. 1899, I. Bd. 1899,

S. 461. S. 462, 718. S. 463. S. 463. S. 717 f.

178

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

einer Rechtsbeziehung abhängig zu machen. So ist die Dauer einer Rechtsbe­ ziehung, wie im Falle von personenrechtlichen Beziehungen, zwar eine not­ wendige Voraussetzung, eine Abgrenzung für die Relevanz dieser vertrag­ lichen Tatbestände, in Bezug auf eine Rechtsfortbildung der Anfechtung, er­ möglicht die Laufzeit des Vertrags als allgemeine Besonderheit der Dauer­ schuldverhältnisse auch dabei aber nicht. Die Vorschrift der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB und die Anfech­ tungsgründe des allgemeinen Teils gemäß §§ 119 ff. BGB schließen eine Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen nicht aus. Dagegen soll nach den Gesetzesmaterialien die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB bei den Status­ verhältnissen nicht anzuwenden sein.

B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse Als Beispiele für Dauerschuldverhältnisse sind hier der Arbeitsvertrag ge­ mäß § 611a BGB, der Gesellschaftsvertrag aus § 705 BGB, das Mietver­ hältnis nach § 535 BGB sowie das Zeitungsabonnement als Sukzessivliefe­ rungsvertrag aus § 433 BGB aufgeführt.27 Obwohl es sich bei sämtlichen dieser Verträge um Dauerschuldverhältnisse handelt, ist die gesetzliche Be­ handlung in ihrem Umfang und der Schwerpunktsetzung nach verschieden ausgestaltet. Hinzu kommt, dass abhängig vom Vertrag eine unterschiedlich starke Involvierung der Parteien im Rechtsverkehr angenommen werden muss. Die Entscheidung der Rechtsfolge bei der Anfechtung von Dauer­ schuldverhältnissen gemäß § 142 Abs. 1 BGB kann daher nicht im bloßen Überblick gefällt werden, sondern bedarf zwingend einer Untersuchung der einzelnen Verhältnisse, auch und insbesondere um lückenlose allgemeine Schlüsse im Hinblick auf das Spezifikum Dauerschuldverhältnis treffen zu können.28

I. Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) Der Arbeitsvertrag nach § 611a BGB ist in Abgrenzung zum freien Dienst­ vertrag nach § 611 BGB durch einen anderen Pflichtenaufbau gekennzeich­ net.29 Der Arbeitgeber ist gemäß § 611a Abs. 2 BGB, wie der Besteller, ver­ pflichtet, das Entgelt zu entrichten, wohingegen der Arbeitnehmer die Bereit­

27  Schürnbrand,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 510 Rn. 11. Busche, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 142 Rn. 17. 29  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 156. 28  Vgl.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse179

stellung seiner Arbeitskraft bietet.30 Typischerweise ist damit die Leistung von Arbeit gemeint, jedoch unterliegt die genaue Verwendung der Arbeits­ kraft der Einschätzung und Organisation des Arbeitgebers (sog. „Direktionsrecht des Arbeitgebers“).31 So kann die Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag auch nur bedingt konkret festgelegt werden und man behilft sich einer kate­ gorisierenden Beschreibung nach der jeweiligen Art der Arbeitsposition, die zumindest in der Lage ist, einen Rahmen des Tätigkeitsbereichs zu formulie­ ren und dem Bestimmtheitsmaßstab nach schuldrechtlichen Ansprüchen zu genügen.32 In der Folge und im Hinblick auf die Organisationsgewalt auch konsequent, ist der Lohnanspruch des Arbeitnehmers unabhängig von organi­ satorisch bedingten Leerlaufzeiten, die während der vertraglichen Arbeitszeit beim Arbeitnehmer anfallen können.33 Neben den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses, die zueinan­ der im Synallagma stehen, birgt der Arbeitsvertrag in seiner Durchführung, insbesondere für den Arbeitgeber, aber auch auf Arbeitnehmerseite eine Reihe von Nebenpflichten.34 Nebenpflichten für den Arbeitnehmer sind bspw. Anzeige-, Auskunfts- und Auklärungspflichten, um erkennbare oder voraussehbare Schäden, die sich in Verbindung mit der Arbeitsleistung erge­ ben, vom Betrieb abzuwenden und so das Integritätsinteresse des Arbeitge­ bers zu wahren.35 Gleichermaßen hat der Arbeitnehmer vertragliche Bestim­ mungen zu Nebentätigkeiten einzuhalten bzw., wenn eine solche Vereinba­ rung nicht getroffen ist, eine Verletzung der Hauptleistungspflicht zu verhin­ dern.36 Daneben sind auf Arbeitnehmerseite Wettbewerbsverbote oder eine Verschwiegenheitsverpflichtung zu wahren, sowie grundsätzlich der Bestech­ 30  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 156; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50.  Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 11 ff., 35, 184. 31  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 156; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50.  Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 15, 354 ff.; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auf­ lage 2018, § 611 Rn. 6 f. 32  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 157, 159; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 19. 33  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 157. 34  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 266 ff., 443 ff. 35  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 1111 f.; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50.  Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 446 ff. 36  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 454 f.; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 1096.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

lichkeit abzusagen.37 Eine weitergehende Pflicht des Arbeitnehmers, auch im Privaten ein ordentliches Leben führen zu müssen, ist nicht als Nebenpflicht eines außerdienstlichen Verhaltens verlangt, allerdings wird soweit eine Rufschädigung zu besorgen ist, eine Grenze gezogen werden.38 Im Nachgang des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer dann in der Regel noch ihm anvertraute Betriebsmittel herauszugeben.39 Der Arbeitgeber hingegen trägt eine Verpflichtung zum Aufwendungsersatz sowie eine Sammlung an Schutz­ pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer.40 Der Aufwendungsersatz umfasst dabei nicht bereits durch das Entgelt abgedeckte Aufwendungen aus dem eigenen Vermögen des Arbeitnehmers.41 Nicht ersatzfähig sind Aufwendun­ gen, die durch Eigenschäden des Arbeitnehmers ohne schuldhafte Einwir­ kung des Arbeitgebers entstehen, aber auch Kosten für Arbeitsmittel oder betriebsbedingte Umzüge oder Fahrten.42 Die Schutzpflichten können als Sammlung bezeichnet werden, da sie in ganz verschiedener Form und unter­ schiedlichsten Bereichen anfallen.43 Grundlagen hierzu sind die vertraglichen Vereinbarungen selbst oder auch gesetzliche Regelungen.44 So ist nach öf­ fentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen der Arbeitgeber zum Schutz für Leben und Körper des Arbeitnehmers verantwortlich;45 ebenso wie zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, was konkreter bedeutet, den Arbeitnehmer vor Mobbing oder sexueller Belästigung zu bewahren.46 Ne­ 37  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 459, 463, 472; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 1088 ff., 1095 ff., 1119 ff. 38  BAG, Urteil vom 23. Juni 1994 – 2 AZR 617/93, NJW 1995, 275 (277); Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edi­ tion, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 449. 39  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 1217. 40  Übersicht bei Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 266 ff. 41  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 275. 42  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 893 ff.; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50.  Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 281, 284, 286. 43  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 289. 44  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 289. 45  Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 611 Rn. 40; Joussen, in: Rolfs/ Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezem­ ber 2018, § 611a Rn. 291; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1731, 1761. 46  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 289; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auf­



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse181

ben Aufklärungs- und Auskunftspflichten, die mitunter Informationen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten umfassen (für den Fall, dass Lohnansprüche des Arbeitnehmers gefährdet sind), hat der Arbeitgeber auch das Vermögen des Arbeitnehmers zu wahren sowie datenschutzrechtliche Bestimmungen einzuhalten.47 Vermögensschutz durch den Arbeitgeber ist dabei immer dann gefordert, wenn der Arbeitnehmer Gegenstände des eigenen Vermögens be­ rechtigterweise in den Betrieb mit einbringt oder grundsätzlich bei der Be­ rechnung des Lohns und der Abzüge, zusammen mit der Verpflichtung, die Abzüge entsprechend abzuführen.48 Datenschutz ist sowohl gesetzlich im Bundesdatenschutzgesetz49 geregelt als auch bei der Führung von Personal­ akten vom Arbeitgeber in Bezug auf Vertraulichkeit sowie wahrheitsgemäßer und objektiver Führung zu beachten.50 Nebenpflicht nach erfolgter Arbeits­ leistung ist für den Arbeitgeber dann noch die Anfertigung des Arbeitszeug­ nisses sowie die Erteilung der Arbeitspapiere und der gesetzlich vorgeschrie­ benen Bescheinigungen.51 Zum rechtstechnischen Vertragsschluss selbst ist zu erwähnen, dass laut Rechtsprechung ein Arbeitsvertrag sowohl rückwirkend geändert werden als auch rückwirkend für ein bereits gelebtes Arbeitsverhältnis begründet werden kann.52 Für eine rückwirkende Änderung des Arbeitsvertrags für Arbeitneh­ mer ist jedoch notwendig, dass der Arbeitnehmer seine neu begründeten Pflichten auch so in der Vergangenheit im Arbeitsverhältnis geleistet hat und durch die Änderung nicht unangemessen benachteiligt wird.53 Ähnlich hierzu, aber ohne eine rückwirkende Begründung eines Arbeitsvertrags zu lage 2018, § 611 Rn. 40; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1762, 1789 ff., 1795 ff. 47  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 992; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50.  Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 305 f., 310 f.; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auf­ lage 2018, § 611 Rn. 41. 48  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1757  f.; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 302 f. 49  Bundesdatengesetz (BDSG) vom 27. Januar 1977, BGBl. I S. 201, zuletzt neu­ gefasst durch Gesetz vom 30. Juni 2017, BGBl. I S. 2097. 50  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1764 ff.; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 311; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 999. 51  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 1209, 1216. 52  BAG, Urteil vom 9.  Februar  2011 − 7 AZR 91/10, NZA-RR 2012, 232 (235); Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 158. 53  BAG, Urteil vom 24. September 2003 – 5 AZR 282/02, NZA 2003, 1332 (1333); BAG, Urteil vom 19. Februar 2014 – 5 AZR 920/12, AP AÜG § 10 Nr. 39; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 158.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

bewirken, soll bei einem gelebten Arbeitsverhältnis eine Anwendung der Rechtsfolgen arbeitsvertraglicher Rechtsvorschriften erfolgen (sog. „faktisches Arbeitsverhältnis“).54 Voraussetzung ist, dass die Parteien ein in Voll­ zug gesetztes Arbeitsverhältnis einvernehmlich geführt haben.55 Der Ver­ tragsschluss bei nichtigen oder fehlerhaften Arbeitsverträgen kann nicht ­fingiert werden, sondern es kann nur bei der Begründung des Arbeitsverhält­ nisses durch oder aufgrund Gesetzes darauf verzichtet werden.56 1. Besondere Natur des Arbeitsverhältnisses a) Persönliche Eingliederung des Arbeitnehmers Der Arbeitnehmer erbringt im Arbeitsverhältnis nach § 611a Abs. 1 BGB eine persönliche Leistung, die in den Betrieb des Arbeitgebers eingeordnet wird und dessen Organisation sich der Arbeitnehmer zu unterwerfen hat.57 Diese persönliche Involvierung des Arbeitnehmers in einen wirtschaftlichen Ablauf, den er selbst nicht kontrolliert, kann ohne Vertragsschluss zwar kein Arbeitsverhältnis allein begründen, führt aber zu verschiedenen arbeitsrecht­ lichen Spezialregelungen im Vergleich zur Grundnatur des Dienstvertrags gemäß § 611 BGB und bildet so das Arbeitsrecht mithin grundsätzlich auch erst als eigenständiges Rechtsgebiet heraus.58 Denn der Arbeitnehmer ist durch die arbeitsvertragliche Bindung nicht nur zur teilweisen Leistungs­ erbringung verplichtet, sondern wird vom Arbeitsverhältnis in seiner ganzen Person erfasst.59 Die Arbeit nimmt wesentlichen Einfluss auf die Lebensfüh­ rung und bestimmt so auch die Persönlichkeit des Arbeitnehmers.60 Zwin­ gend zur Folge hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, während der vertraglichen Arbeitszeit mit vertragsgemäßen Arbeiten beschäftigt zu wer­

54  BAG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 5 AZB 71/99, NJW 2000, 1438 (1439); Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 158; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 697. 55  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 158. 56  BAG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 5 AZB 71/99, NJW 2000, 1438 (1439); Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 158, 164; a. A. Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S. 227 m. w. Nw. 57  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 161; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 611 Rn. 6. 58  BAG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 5 AZB 71/99, NJW 2000, 1438 (1439); Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 161, 165. 59  BAG, Urteil vom 10. November 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360). 60  BAG, Urteil vom 10. November 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360).



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse183

den (sog. „Beschäftigungsanspruch“).61 Dies gebietet der Persönlichkeits­ schutz nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG i. V. m. § 242 BGB, da dem Arbeit­ nehmer einerseits nicht die Möglichkeit genommen werden darf, seine Per­ sönlichkeit in der Arbeitsleistung zu entfalten und andererseits zu verhindern ist, dass sich der Arbeitnehmer nicht als vollwertiges Mitglied der Berufsge­ meinschaft fühlt.62 Diese entscheidende Nebenpflicht des Arbeitgebers, die dem Katalog der oben ausgeführten Nebenpflichten hinzuzufügen ist, kann als rechtlich anerkannter Ausdruck und Folge der persönlichen Involvierung des Arbeitnehmers durch die Vertragsbeziehung verstanden werden und un­ terstreicht durchaus die besondere Qualität des Arbeitsvertrags im Vergleich zu anderen schuldrechtlichen Beziehungen.63 b) Schutzrechte des Arbeitnehmers Das Arbeitsschutzrecht soll den Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Gefah­ ren und vor einer wirtschaftlichen Existenzbedrohung bewahren.64 Dabei ist das Arbeitsschutzrecht als zwingendes öffentliches Recht vom Gesetzgeber ausgestaltet worden, von dem weder vertraglich aufgrund der Sperre des § 134 BGB, noch durch Weisungen des Arbeitgebers abgewichen werden kann.65 Vielmehr ist das Arbeitsschutzrecht eine Vertragspflicht des Arbeitgebers.66 Das Arbeitsschutzrecht selbst umfasst den Arbeitszeitschutz, den Arbeitsstät­ ten-/Betriebsschutz, den Frauen- und Mutterschutz, den Datenschutz, den Ju­ gendschutz, den Schwerbehindertenschutz, den Arbeitsplatzschutz, den Heim­ arbeiterschutz, den Schutz vor sexueller Belästigung oder Diskriminierung, den Lohnschutz sowie, wohl mit am bedeutesten, den Kündigungsschutz.67 61  BAG, Urteil vom 10. November 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360); Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 157, 973; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50.  Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 267; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 611 Rn. 44; Pallasch, Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern nach Vertragsbe­ endigung, NZA 2017, 353 f. 62  BAG, Urteil vom 10. November 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360); BAG, Urteil vom 19. August 1976 – 3 AZR 173/75, NJW 1977, 215; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 973; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreike­ bohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 268. 63  Vgl. BAG, Urteil vom 10. November 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360). 64  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 449. 65  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 450. 66  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 452. 67  Übersicht bei Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 457 ff., 518.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

Mit zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang aber auch Regelungen zur Entgeltfortzahlung oder zu Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers.68 Dabei sind die Vorschriften zu den Schutzrechten in verschiedenen Spezialgesetzen verteilt.69 So finden sich beispielweise Regelungen allein zum Arbeitszeit­ schutz im Arbeitszeitgesetz (ArbZG)70, dem Mutterschutzgesetz (MuSchG)71 oder dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)72.73 Allgemeine Grundlagen zum Arbeitsschutz sind im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)74 kodifiziert wor­ den, das, wie in § 1 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG auch formuliert worden ist, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten generell als Regelungszweck im Blick hat.75 Für die Anfechtungsproblematik von besonderer Relevanz sind die Normen der Arbeitsschutzvorschriften, die das Austauschverhältnis der Parteien kon­ kret betreffen. So der Fall bei Regelungen zur Sicherung der Lohnansprüche durch Insolvenzvorschriften, Regelungen zu Urlaub und Krankheit des Arbeit­ nehmers, dem Mutterschutzgesetz sowie bei der tariflichen Festsetzung von Arbeitsleistungen, die als Spezialregelungen das Arbeitsverhältnis erfassen.76 aa) Insolvenzregelungen zum Schutz der Löhne des Arbeitnehmers (§§ 108 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO; § 165 SGB III77) Der Schutz des Arbeitnehmers bei einer Insolvenz des Arbeitgebers unter­ scheidet zwischen Lohnforderungen, die vor und Lohnforderungen, die nach Eröffnung der Insolvenz entstanden sind, wobei eine Lohnforderung nicht mit Abschluss des Arbeitsvertrags, sondern erst mit Erbringung der Arbeits­ leistung als entstanden angesehen wird.78 So sind gemäß §§ 108 Abs. 1 68  Mankowski,

Beseitigungsrechte, 2003, S. 938 f. Beseitigungsrechte, 2003, S. 937; vgl. Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 457. 70  Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994, BGBl. I S. 1170, 1171, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. November 2016, BGBl. I S. 2500, 2512. 71  Mutterschutzgesetz (MuSchG) vom 24. Januar 1952, BGBl. I S. 69, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2017, BGBl. I S. 1228. 72  Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) vom 9. August 1960, BGBl. I S. 665, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. März 2017, BGBl. I S. 420, 422. 73  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 457, 531, 533. 74  Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1246, zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. August 2015, BGBl. I S. 1474, 1537. 75  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 453, 455. 76  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 934 ff. 77  Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018, BGBl. I S. 2651, 2653. 78  Hefermehl, in: MüKo InsO, 3. Auflage 2013, § 55 Rn. 170, 173. 69  Mankowski,



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Satz 1 Alt. 2, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO Lohnforderungen aus einem Ar­ beitsvertrag, die nach Insolvenzeröffnung entstehen, Forderungen aus dem Massebestand und werden vom Insolvenzverwalter ohne Wahlrecht nach § 103 Abs. 1 InsO und Abschlag bei Fälligkeit bedient (sog. „Massever­ bindlichkeiten“).79 Nach § 108 Abs. 3 InsO muss der Arbeitnehmer Lohnfor­ derungen, die schon vor der Eröffnung entstanden sind, hingegen als Insol­ venzgläubiger gemäß § 38 InsO aus der Insolvenzmasse geltend machen (sog. „Insolvenzforderungen“), d. h. die Lohnforderungen müssen in Gleich­ behandlung mit den übrigen Gläubigern im Verteilungsverzeichnis angemel­ det werden und sind vom Insolvenzverwalter ggf. nur unter Abschlag aus dem Massebestand zu bedienen.80 Die Lohnforderungen der Arbeitnehmer sind nach den Regelungen der InsO somit nur im Fall der Enstehung nach Insolvenzeröffnung besonders berücksichtigt, wobei zudem auch angemerkt werden muss, dass § 55 InsO keine arbeitsspezifische Regelung ist. Eine andere Schutzvorschrift der Entgeltforderungen des Arbeitnehmers findet sich in § 165 SGB III. Aufgrund der Vorleistungspflicht des Arbeitneh­ mers nach § 614 Satz 1 BGB hat der Arbeitnehmer danach gegenüber der Bundesagentur für Arbeit einen Anspruch auf Insolvenzgeld für den Zeitraum der letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Insolvenzeröffnung.81 Der Anspruch nach § 165 SGB III sichert dabei laut stetiger Rechtsprechung alle Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis, die im weitesten Sinne eine Gegen­ leistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen.82 bb) Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch in Form von unwiderruflich bezahlter Freistellung von der Arbeitspflicht.83 Der Zah­ lungsanspruch (sog. „Urlaubsentgelt“) unterscheidet sich nicht von den sons­ 79  Andres, in: ders./Leithaus (Hrsg.), Insolvenzordnung, 4. Auflage 2018, § 108 Rn. 9; Erdmann, in: Fridgen/Geiwitz/Göpfert (Hrsg.), BeckOK InsO, 9. Edition, 26. Dezember 2018, § 55 Rn. 42; Thole, in: Schmidt (Hrsg.), InsO, 19. Auflage 2016, § 55 Rn. 1. 80  Andres, in: ders./Leithaus (Hrsg.), Insolvenzordnung, 4. Auflage 2018, § 108 Rn. 16; Ehricke, in: MüKo InsO, 3. Auflage 2013, § 38 Rn. 2, 72; Rieder, in: MüKo InsO, 3. Auflage 2013, § 174 Rn. 1; Thole, in: Schmidt (Hrsg.), InsO, 19. Auf­ lage 2016, § 55 Rn. 1. 81  Plössner, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Sozialrecht, 51. Edition, 1. Dezember 2018, § 165 SGB III Rn. 2. 82  BSG, Urteil vom 11.03.2014 – B 11 AL 21/12 R, BeckRS 2014, 69197; Plössner, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Sozialrecht, 51. Edi­ tion, 1. Dezember 2018, § 165 SGB III Rn. 33. 83  BAG, Urteil vom 19. Mai 2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211 (1212); Hefermehl, in: MüKo InsO, 3. Auflage 2013, § 55 Rn. 184; Müller-Glöge, in: MüKo

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

tigen Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers im Rahmen des § 611a Abs. 2 BGB.84 Die Pflicht zur Erteilung des Urlaubs ist dogmatisch daher als eine Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag zu betrachten.85 Rechtsgrundlage ist das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)86, wobei gesetzliche Spezialregelungen in verschiedenen Vorschriften, so bspw. in § 19 JarbSchG, verteilt sind und auch vertraglich den Arbeitnehmer begünstigerende Verein­ barungen getroffen werden können.87 Während des Urlaubs ist es dem Ar­ beitnehmer gemäß § 8 BUrlG untersagt, eine erwerbstätige Arbeit auszuüben, die eine Gegenleistung in Geld oder Sachwerten verspricht und die dem Ur­ laubszweck der Erholung entgegenwirkt.88 Der Urlaubsanspruch selbst be­ zieht sich auf das Kalenderjahr und kann grundsätzlich nur in diesem Zeit­ raum, und unter besonderen Voraussetzungen bis zum 31. März des Folge­ jahres, genommen werden.89 Nimmt der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum den Urlaub nicht, entfällt der Urlaubsanspruch regelmäßig ersatzlos.90 cc) Entgeltzahlung bei Krankheit des Arbeitnehmers (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG91 hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Ar­ beitgeber im Krankheitsfall einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen.92 Dem Arbeitnehmer wird dabei gemäß § 4 Abs. 1 EFZG das bei der für ihn maßgebender regelmäßiger Arbeitszeit BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 946; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 611 Rn. 43. 84  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 946; Hefermehl, in: MüKo InsO, 3. Auflage 2013, § 55 Rn. 184; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1855, 1858. 85  Vgl. Darstellung bei Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1828. 86  Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) vom 8. Januar 1963, BGBl. I S. 2, zuletzt geän­ dert durch Gesetz vom 20. April 2013, BGBl. I S. 868, 914. 87  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 920, 947; Richardi/ Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1830 ff. 88  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 962; Mansel, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 611 Rn. 43; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1853. 89  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 921; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1847 f. 90  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1848  f.; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 921. 91  Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014, 1065, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2015, BGBl. I S. 1211, 1240. 92  Vgl. weiterführend Boecken, Probleme der Entgeltfortzahlung im Krankheits­ fall, NZA 1999, 673 (674).



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse187

zustehende Arbeitsentgelt fortgezahlt.93 Was die Rechtsgrundlage der Ent­ geltzahlung betrifft, wird von Stimmen der Literatur und Rechtsprechung vertreten, dass die Vorschrift im Krankheitsfall des Arbeitnehmers lediglich die Befreiung von der Leistungspflicht nach § 326 Abs. 1 BGB verdrängt und der Arbeitgeber deshalb die Entgeltzahlung weiterhin zu erbringen hat.94 Eine solche Annahme ist jedoch zu verwerfen, denn der Gesetzgeber hat die Norm des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG in klarem Wortlaut und unter Bezeichnung der Rechtsfolge formuliert.95 Bei § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt es sich also vielmehr um einen gesetzlichen Entgeltzahlungsanspruch, der als Vergü­ tungsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit des Arbeitnehmers zu verstehen ist.96 Anspruchsinhaber ist der erkrankte Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 EFZG, der nach der Gesetzesänderung gemäß der Legaldefinition des Arbeitnehmers in § 611a Abs. 1 BGB zu bestimmen ist.97 Ist der Arbeitneh­ mer nach Ablauf der sechs Wochen infolge seiner Krankheit immer noch arbeitsunfähig, übernimmt die Krankenkasse die Unterstützung des Arbeit­ nehmers durch die Zahlung von Krankengeld gemäß § 44 Abs. 1 SGB V98.99 dd) Mutterschutz (§§ 18 ff. MuSchG) Das MuSchG soll die Frau als Arbeitnehmerin und ihr Kind während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit vor Gefahren für die Gesundheit schützen. Dabei soll die Frau, soweit möglich, ihre Beschäf­ 93  BSG, Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 180/10 R, BeckRS 2011, 77597. 94  BSG, Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 180/10 R, BeckRS 2011, 77597; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 3 EFZG Rn. 3; Reinhard, in: Erfurter Kommentar ArbR, 18. Auflage 2018, § 3 EFZG Rn. 45; weitere Vertreter der Ansicht bei Ricken, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Ar­ beitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 3 EFZG Rn. 1 m. w. Nw. 95  BAG, Urteil vom 13. Juli 2005 – 5 AZR 389/04, AP EntgeltFG § 3 Nr. 25; Ricken, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edi­ tion, 1. Dezember 2018, § 3 EFZG Rn. 2 m. w. Nw.; Oetker, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 616 Rn. 189. 96  Ricken, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 3 EFZG Rn. 2. 97  Ricken, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 EFZG Rn. 5; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreike­ bohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 4. 98  Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 3845, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2018, BGBl. I S. 2394, 2402. 99  Knittel, in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversiche­ rung, 99. EL Juni 2018, § 44 SGB V Rn. 3.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

tigung auch fortsetzen können. Entscheidend für das Austauschverhältnis ist jedoch, dass das MuSchG den Lohnbenachteiligungen während der Schwan­ gerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit entgegenwirkt.100 Gemäß §§ 19 Abs. 1, 3 Abs. 1, 2 MuSchG erhält die Frau im Rahmen der Schutzfris­ ten regelmäßig für die Zeit von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung sowie für den Entbindungstag einen finanziellen Ausgleich ihres normalen Lohnanspruchs, der durch die fehlende Beschäftigung beim Arbeit­ geber verkürzt ist (sog. „Mutterschaftsgeld“).101 Das Mutterschaftsgeld trägt nach § 19 Abs. 1 MuSchG bei Mitgliedern einer Krankenkasse die jeweilige Krankenkasse, ansonsten bei fehlender Mitgliedschaft auf Antrag, jedoch insgesamt höchstens bis zu EUR 210, das Bundesversicherungsamt.102 Der Arbeitgeber hat gemäß § 20 MuSchG einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld an den Arbeitnehmer zu zahlen, der das Mutterschaftsgeld selbst in der Regel sogar übersteigen wird.103 Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber nach § 18 Satz 1 MuSchG während der Schutzfristen vor und nach der Entbindung zur Weiterzahlung des Lohngehalts verpflichtet ist soweit ein Beschäftigungsver­ bot der Arbeitnehmerin besteht (sog. „Mutterschutzlohn“).104 Beschäftigungs­ verbote können dabei individuell, aufgrund eines ärtzlichen Attests gemäß § 16 Abs. 1 MuSchG in Bezug auf die Gesundheit der Frau enstehen oder generell, aufgrund drohender ungeeigneter Arbeiten nach §§ 11, 12 MuSchG vorliegen. c) Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d Satz 1 SGB IV) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird in § 28d Satz 1 SGB IV105 le­ gal definiert und setzt sich aus den Beiträgen zur Kranken-, Unfall-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zusammen.106 Diese sind gemeinsam 100  Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitge­ setz, 8. Auflage 2008, § 11 Rn. 1. 101  Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitge­ setz, 8. Auflage 2008, § 13 Rn. 1 ff. 102  Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitge­ setz, 8. Auflage 2008, § 13 Rn. 201, 249 f.; Ambs, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Straf­ rechtliche Nebengesetze, 221. EL August 2018, § 13 Rn. 1 ff. 103  Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitge­ setz, 8. Auflage 2008, § 13 Rn. 79 ff., 111 f. 104  Ambs, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, 221. EL Okto­ ber 2018, § 11 Rn. 1. 105  Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018, BGBl. I S. 2757, 2766. 106  Wagner, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Sozialrecht, 51. Edition, 1. Dezember 2018, § 28d SGB IV Rn. 3 ff.; Roßbach, in: Knickrehm/



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vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu regelmäßig jeweils gleichen Anteilen zu tragen, wobei Anspruchsschuldner im Außenverhältnis gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV der Arbeitnehmer ist.107 Der Gesamtsozialversiche­ rungsbeitrag umfasst dabei auch Beträge wie Zusatzzahlungen zu Krankenoder Pflegeversicherungen, die der Arbeitnehmer alleine zu tragen hat, wes­ halb auch diese Forderungen den Vorschriften des SGB IV zu Fälligkeit, Säumnis, Erstattung und Verjährung unterliegen.108 Der Beitrag zur Pflege­ versicherung ist nur Gesamtsozialversicherungsbeitrag, wenn der Arbeitneh­ mer kraft Gesetzes zur Versicherung in einer Krankenkasse verpflichtet ist.109 Freiwillige Mitglieder der Krankenkasse haben den Pflegeversicherungsbei­ trag allein und direkt an die Krankenkasse, die ihre Pflegeversicherung si­ chert, zu entrichten.110 d) Typische vertragliche Vereinbarungen Neben den zwingenden gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitsrecht sind zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch eine Reihe typischer Vertrags­ vereinbarungen zu nennen, die das Austauschverhältnis der Parteien gestal­ ten. Die Rechtsgrundlage solcher Absprachen ist dem Grunde nach der Ar­ beitsvertrag selbst, weshalb sich bei einer Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB die Rechtsfolgenfrage auch mit der Behandlung dieser typischen ver­ traglichen Absprachen auseinander setzen muss, um die Auswirkungen auf die Parteien, insbesondere wieder auf Arbeitnehmerseite, umfassend ein­ schätzen zu können. aa) Betriebliche Altersvorsorge Die betriebliche Altersvorsorge ist zwischen Arbeitnehmer und Arbeitge­ ber fakultativ im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, findet im Betriebsrentenge­ setz (BetrAVG)111 jedoch eine Kodifikation, die punktuelle gesetzliche Vor­ Kreikebohm/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 5. Auflage 2017, § 28d SGB IV Rn. 1 f. 107  Roßbach, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 5. Auflage 2017, § 28e SGB IV Rn. 2. 108  Wagner, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Sozialrecht, 51. Edition, 1. Dezember 2018, § 28d SGB IV Rn. 4. 109  Wagner, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Sozialrecht, 51. Edition, 1. Dezember 2018, § 28d SGB IV Rn. 6. 110  Wagner, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Sozialrecht, 51. Edition, 1. Dezember 2018, § 28d SGB IV Rn. 6. 111  Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vom 19. Dezember 1974, BGBl. I S. 3610, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2018, BGBl. I S. 2672, 2692.

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gaben enthält, um den sozialen Interessenausgleich zu wahren.112 Der Ar­ beitnehmer empfängt also auch bei der betrieblichen Altersvorsorge einen gesetzlichen Schutz.113 Hintergrund der betrieblichen Altervorsorge ist, dass die Parteien von steuer- und sozialrechtlichen Vorteilen gegenüber der blo­ ßen Entgeltauszahlung profitieren.114 Der Entgeltcharakter für Leistungen aus betrieblicher Altersvorsorge bleibt jedoch bestehen, obwohl sie häufig als Sozialleistungen bezeichnet werden.115 Im Austauschverhältnis des Ar­ beitsvertrags wird die vom Arbeitnehmer geforderte Arbeitsleistung daher mit dem monatlichen Lohn und den Altersvorsorgeleistungen des Arbeit­ gebers aufgewogen.116 Nicht endgültig geklärt ist, ob sich die betriebliche Altersvorsorge auf die geleistete Arbeit oder doch mehr auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses (sog. „Betriebstreue“) bezieht.117 So profitiert der Ar­ beitgeber bei betriebstreuen Mitarbeitern von einer sicheren Planbarkeit und der Spezialisierung der Arbeitnehmer auf seine betrieblichen Vorgaben und Erwartungen.118 Eine Streitentscheidung ist an dieser Stelle nur schwer zu treffen, da die Arbeitsleistung und seine Dauer untrennbar miteinander ver­ bunden sind.119 Eine Verbindung der betrieblichen Altersvorsorge zur er­ brachten Arbeit selbst kann daher, auch wenn versucht wird auf die Be­ triebstreue des Arbeitnehmers abzustellen, nicht unterbunden werden.120 112  Clemens, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 BetrVG Rn. 1, 7; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 1235; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1538. 113  Clemens, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 BetrVG Rn. 1. 114  Clemens, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 BetrVG Rn. 1. 115  BGH, Urteil vom 13. Juli 2006 – IX ZR 90/05, NJW 2006, 3638; BAG, Urteil vom 10. März 1972 – 3 AZR 278/71, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 156; Clemens, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 BetrVG Rn. 4; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2016, § 611 Rn. 1235; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1538. 116  Clemens, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 BetrVG Rn. 4. 117  Clemens, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 BetrVG Rn. 4 m. w. Nw. 118  Clemens, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 BetrVG Rn. 4. 119  Vgl. BAG, Urteil vom 10. März 1972 – 3 AZR 278/71, AP BGB § 242 Ruhe­ gehalt Nr. 156, der die betriebliche Altersvorsorge als Lohn für die geleistete Arbeit und nicht (oder nur nebenher) als Ausfluss der Fürsorge sieht; Clemens, in: Rolfs/ Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezem­ ber 2018, § 1 BetrVG Rn. 4. 120  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 777.



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Auswirkungen auf das Austauschverhältnis der Parteien und für die Qualifi­ zierung der Leistungen aus betrieblicher Altersvorsorge ergeben sich daraus jedoch nicht.121 bb) Abfindungen Nach und aufgrund der Beendigung des Arbeitsvertrags ist vom Arbeitge­ ber in vertraglich vereinbarten Einzelfällen, nach Tarifvertrag oder Sozial­ plan der Betriebsverfassung und in bestimmten gesetzlichen Konstellationen, eine einmalige Geldzahlung zu entrichten (sog. „Abfindung“).122 Das Gesetz selbst verlangt eine Abfindung einerseits, wenn der Arbeitnehmer Kündi­ gungsschutzklage erhoben hat, die Kündigung des Arbeitgebers sozialwidrig ist und das Gericht auf Antrag einer der Parteien den Arbeitsvertrag auf­ löst.123 Andererseits nach § 1a Abs. 1 KSchG dann, wenn der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung die Zahlung einer Abfindung zu­ sagt.124 Letzteres ist damit die gesetzliche Lösungsalternative, die einen fai­ ren Interessenausgleich für die Parteien bereitstellen soll, ohne ein Anrufen der Arbeitsgerichte mit den damit verbundenen Nachteilen notwendig zu machen.125 cc) Sonderleistungen Häufig sind in Arbeitsverträgen Sonderzahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vereinbart, die entweder die erbrachte Arbeitsleistung, die Be­ triebstreue oder beides gemeinsam entlohnen sollen (sog. „Sondervergütungen oder Gratifikationen“).126 Diese Leistungen des Arbeitgebers sind keine Schenkungen, sondern finden ihren Rechtsgrund im Arbeitsvertrag.127 Dabei sind sie dem Arbeitsentgelt zuzurechnen und fallen nicht unter die Fürsorge­ pflicht des Arbeitnehmers, weshalb die Sondervergütung auch nicht den 121  Clemens, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 BetrVG Rn. 4. 122  Koch, in: Schaub/ders., Arbeitsrecht von A-Z, 22. Auflage 2018, Abfindung. 123  Koch, in: Schaub/ders., Arbeitsrecht von A-Z, 22. Auflage 2018, Abfindung. 124  Koch, in: Schaub/ders., Arbeitsrecht von A-Z, 22. Auflage 2018, Abfindung; Hergenröder, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 1a KSchG Rn. 2. 125  Hergenröder, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 1a KSchG Rn. 3. 126  Hefermehl, in: MüKo InsO, 3. Auflage 2013, § 55 Rn. 180; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 772 f.; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreike­ bohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 175, 218. 127  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 772; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 1501.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

Schutzrechten des Arbeitnehmers zuzuordnen ist.128 Betrifft die Sonderver­ gütung die Betriebstreue, ist die Zahlung meist an einen Stichtag und den ungekündigten Bestand des Arbeitsvertrags geknüpft.129 e) Arbeit als Grundrecht (Art. 12 Abs. 1 GG) Die Verfassung schützt in Art. 12 Abs. 1 GG als einheitliches Grundrecht die freie Wahl und Ausübung von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstät­ te.130 Wobei unter dem weit auszulegendem Begriff des Berufs, jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zu verstehen ist, die der Schaffung, oder der Schaffung und dem Erhalt, der eigenen Lebensgrundlage dient.131 Der Grundrechtsschutz umfasst die positive und negative Berufsfreiheit, d. h. ei­ nerseits die Freiheit, einen bestimmten Beruf zu ergreifen und auszuüben, andererseits schützt Art. 12 Abs. 1 GG vor dem Zwang zu einer ganz be­ stimmten Arbeit.132 Ebenso kann als negative Berufsfreiheit aufgeführt wer­ den, dass in Art. 12 GG keine Arbeitspflicht eines jedermann formuliert ist.133 Der sachliche Schutzbereich lässt erkennen, dass die Berufsfreiheit Art 12 Abs. 1 GG in engem Zusammenhang mit dem Recht auf freie Entfal­ tung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG steht.134 Hierzu passt, dass zur Freiheit der Berufsausübung auch die Vertrags- und Dispositionsfreiheit des Unternehmers zählt.135

128  BAG, Urteil vom 18. Oktober 1961 – 1 AZR 75/61, NJW 1962, 220 (221); Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 773; Joussen, in: Rolfs/ Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezem­ ber 2018, § 611a Rn. 219. 129  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 233; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 777. 130  Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. Novem­ ber 2018, Art. 12 Rn. 40. 131  BVerfG, Urteil vom 21. Februar 1962 – 1 BvR 198/57, NJW 1962, 579; Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. November 2018, Art. 12 Rn. 40 f. 132  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 12 Rn. 7. 133  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 12 Rn. 7; Schmidt, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auflage 2019, Art. 12 Rn. 10. 134  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 12 Rn. 8. 135  BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 706/08, NJW 2009, 2033 (2043); Schmidt, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auflage 2019, Art. 12 Rn. 9.



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2. Motive der Gesetzgebung zum Arbeitsvertrag Laut den Motiven der Gesetzgebung sind die Dienste für sich oder die Verpflichtung zur Arbeit als solche Gegenstand des Dienstvertrags gemäß § 611 BGB bzw. des Arbeitsvertrags nach § 611a BGB.136 Es wird kein Ar­ beitserfolg oder Wert der Arbeit geschuldet und der Dienstvertrag damit vom Werkvertrag nach § 633 BGB abgegrenzt.137 Die Motive und auch schon das römische Recht unterscheiden dabei im Rahmen des § 611 BGB zwischen Arbeitsverträgen (sog. „operae illiberales“) und den freien Diensten (sog. „operae liberales“), auch wenn dies formal keine Auswirkungen im Gesetz gefunden hat.138 Gesetzlich verankert wurde hingegen der Umstand, dass die Dienste in der Regel in Person zu erfüllen sind, da es nützlich erschien, den von den Parteien im Grundsatz vereinbarten Fall auch in § 613 Satz 1 BGB auszusprechen.139 Gleiches gilt in diesem Zusammenhang für § 613 Satz 2 BGB und die Unübertragbarkeit des Anspruchs auf die vereinbarte Dienst­ leistung an einen Dritten.140 Auch bewusst kodifiziert ist die Entgeltlichkeit der Dienstleistung in § 612 Abs. 1 BGB, die als Standardfall und wesentli­ ches Charaktermerkmal des Dienstvertrags angesehen wurde.141 Eine Vor­ schrift zu Lohnbezugspunkten in Ermangelung einer Lohnabrede fehlt wie­ derum, da es als selbstverständlich angesehen wurde, dass der Lohn sich auf die Dienstleistung im Ganzen, die einzelnen Gegenständen der Dienstleistun­ gen oder die Arbeitszeit beziehen kann.142 Der Gesetzgeber regelt aber in § 612 Abs. 2 BGB eine Orientierung zur Lohnhöhe (bei Bestehen einer Taxe) und verlangt nach § 612 Abs. 1 BGB als stillschweigend vereinbarte Vergü­ tung auch das, was einer bestehenden Übung entspreche.143 Erwähnt werden müssen auch die Ausführungen der Gesetzgebung zur Regelung des § 615 BGB, die den in Vorleistung tretenden Arbeitnehmer, anders als im Mietrecht nach §§ 535 ff. BGB, durch den Annahmeverzug gemäß § 615 Satz 1 BGB schützen und in § 615 Satz 3 BGB auch das Be­ triebsrisiko des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer abhalten.144 Dem Fall, dass sich der zum Dienst verpflichtete Arbeitnehmer zur Erfüllung rechtzeitig und ordnungsgemäß bereit hält, soll nach der Norm des § 615 Satz 1 BGB aber 136  Mugdan,

Materialien, Materialien, 138  Mugdan, Materialien, 139  Mugdan, Materialien, lien, II. Bd. 1899, S. 254. 140  Mugdan, Materialien, 141  Mugdan, Materialien, 142  Mugdan, Materialien, 143  Mugdan, Materialien, 144  Mugdan, Materialien, 137  Mugdan,

II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899,

S. 253 f. S. 254. S. 254. S. 898; kritisch dagegen Mugdan, Materia­

II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899,

S. 898. S. 256, 899. S. 256. S. 899. S. 256 f.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

keine Erfüllungskraft, sondern ein Anspruch auf vertragsmäßige Vergütung, ohne Verpflichtung zur Nachholung der Dienste, aufgrund der fiktiven Erfül­ lung zugesprochen werden.145 In Abzug zu bringen sind, wie in § 615 Satz 2 BGB auch formuliert, Aufwendungen, die sich der Dienstverpflichtete in­ folge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart, sowie durch anderweitige Verwendung der Dienstmöglichkeit erhaltene oder böswillig unterlassene Einnahmen.146 Zum Schutz aus § 615 BGB reiht sich auch die Vorschrift des § 616 BGB ein, die der Gesetzgeber aus sozialpolitischer Rücksichtnahme mit aufgenommen hat.147 Danach soll der Dienstverpflichtete seinen An­ spruch auf die Vergütung nicht dadurch verlieren, dass er eine nur unverhält­ nismäßig geringe Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden zur Dienstausführung verhindert ist. Hintergrund der Ge­ setzgebung waren Überlegungen zum Fall einer vorübergehenden und nur für kurze Zeit andauernden Militärpflicht des Dienstverpflichteten und der Grundgedanke, dass jeder Dienstgeber mit einer verhältnismäßig geringen Verhinderung seines Dienstverpflichtenden zu rechnen habe.148 Ein Wider­ spruch zur versicherungsrechtlichen Absicherung der Arbeitnehmer, derzu der Arbeitgeber durch Beiträge verpflichtet ist, ergibt sich daraus nicht, viel­ mehr muss die Bedeutung des fortbestehenden Lohnanspruchs aufgrund § 616 BGB dem Versicherungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Versiche­ rungsinstitut überlassen werden.149 Was die Beendigung des Dienstverhältnisses betrifft, stellt der Gesetzgeber in § 621 BGB eine einheitliche Frist auf, die sich an der Vergütung nach Zeitperioden orientiert und auch nur im Großen und Ganzen eine angemes­ sene gesetzliche Vorschrift bieten soll, da sie jedenfalls nur subsidiär zu vertraglichen Abreden und anderen arbeitsrechtlichen Spezialgesetzen wirken kann.150 Im BGB selbst kodifiziert, erstmals durch das Erste Arbeitsrechtsbe­ reinigungsgesetz151 vom 14. August 1969, sind die speziellen Kündigungs­ fristen für Arbeitsverträge in § 622 BGB, als besonderer Unterfall der Dienstverhältnisse.152 Daneben muss die Dauer der Dienstverhältnisse laut Gesetzgeber aus sozialpolitischen und wirtschaftlichen Gründen zum Schutz des Bediensteten als wirtschaftlich Schwächeren reguliert werden.153 Weiter 145  Mugdan,

Materialien, II. Bd. 1899, S. 257. Materialien, II. Bd. 1899, S. 258. 147  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 258. 148  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 258, 899. 149  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 901. 150  Vgl. mit teilweise überholten Ansätzen Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 259. 151  Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. August 1969, BGBl. I S. 1106. 152  Hesse, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 622 Rn. 2. 153  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 260, 912. 146  Mugdan,



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse195

soll dem Dienstverpflichteten bei einer Vertragsdauer von mehr als fünf Jah­ ren, nach fünf Jahren gemäß § 624 BGB die Möglichkeit zur Lösung vom Vertrag ermöglicht werden.154 Eine Nichtigkeit der vertraglichen Bindung auf Lebenszeit wird hingegen nicht für notwendig erachtet, da „sie offen­ sichtlich die empfindlichen Nachteile mit sich bringen würde“.155 Auffällig ist auch, dass der Gesetzgeber immer wieder auf die Regelung der Mietverhältnisse nach §§ 535 ff. BGB verweist, bzw. den Dienstvertrag davon abgrenzt, um Regelungen ihre Berechtigung zu verschaffen.156 So wird bspw. die stillschweigende Verlängerung des Dienstverhältnisses nach § 625 BGB an die Vorschrift des § 545 Satz 1 BGB angelehnt, aber dennoch um die Widerspruchsfrist beschränkt, da eine generelle Regelung zur Verlän­ gerung aufgrund der Mannigfaltigkeit der Dienstverhältnisse nur mit Wissen des Dienstberechtigten angenommen werden kann.157 Eine andere Vorschrift, die im Mietrecht in § 543 BGB und im allgemeinen Teil in § 314 BGB erst später ihren Einzug gefunden hat, dem Dienstvertragsrecht vom Gesetzgeber aber schon früh zugestanden wurde, ist die fristlose Kündigung für die Zu­ kunft aus wichtigem Grund nach § 626 BGB. Der Gesetzgeber verweist für die Begründung beim Dienstvertrag auf verschiedene Kodifikationen anderer Länder und Staaten und will ein solches Recht nicht nur bei Pflichtwidrig­ keit, sondern eben auch bei Änderung der zum Zeitpunkt des Vertragsschlus­ ses bestehenden wesentlichen Umstände festlegen.158 Die Gründe, die zu ei­ ner solchen fristlosen Kündigung berechtigen sollen, sind Aufgabe der Spe­ zialgesetze und der Gesetzgeber spricht im Rahmen des § 626 BGB nur an, dass wichtige Gründe ein solches Recht verleihen und stellt dem Rechtsan­ wender an dieser Stelle nur eine Generalklausel bereit.159 Daneben ist im Bereich der Kündigungsvorschriften noch auf die Norm des § 628 Abs. 1 Satz 3 BGB hinzuweisen. Danach wird gesetzlich festgehalten, dass für den Fall der Kündigungen nach §§ 626 f. BGB eine Rückabwicklung von Vergü­ tungen, die für eine spätere Zeit im Voraus entrichtet wurden, auf die Rück­ trittsvorschrift nach § 346 BGB und bei einer Kündigung, die aus einem Grund erfolgte, den der Dienstleistende nicht zu vertreten hat, auf das Berei­ cherungsrecht der §§ 812 ff. BGB abzustellen ist. Von ganz allgemeiner Bedeutung ist die Gesetzesbegründung bei der Be­ handlung der Pflicht zur Krankenvorsorge gemäß § 617 BGB, da der Gesetz­ 154  Zur Begründung des Zeitraumes von fünf Jahren vgl. Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 911 ff. 155  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 260. 156  Vgl. bspw. auch Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 258, 910. 157  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 261. 158  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 261. 159  Verkürzt bei Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 261 f.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

geber hier Stellung zu sozialpolitischen Beweggründen von Rechtsvorschrif­ ten im Dienstvertragsrecht bezieht.160 So können sozialpolitische Gründe auch im BGB zu Gesetzesvorschriften führen und sind als zulässig zu erach­ ten, allerdings ist das BGB gleichermaßen nicht der Ort, um sozialpolitische Entwicklungen voran zu treiben.161 Denn das BGB sei nicht in der Lage, öffentlich rechtliche Verwaltungsfragen und spezielle Besonderheiten ausrei­ chend zu erfassen und darf sich daher nicht mit arbeitsrechtlichen Fürsorge­ vorschriften überwerfen, sondern kann allenfalls einen Gleichlauf mit sozial­ politischen Fürsorgeregelungen erreichen.162 Neben der Fürsorgepflicht hält der Gesetzgeber auch Schutzmaßnahmen des Dienstberechtigten zugunsten des Dienstverpflichtenden in § 618 BGB für erforderlich und zwar in dem Maße, wie es die Natur der Dienstleistung erfordert. Ein Verweis auf die übliche Sorgfalt hätte einen Rückschritt mit Blick auf die schon bestehenden allgemeinen Grundsätze der Entschädigung bedeutet und wäre des Weiteren als allgemeiner Maßstab einem zu großen Wandel unterworfen gewesen.163 Es bleibt jedoch dabei trotzdem im Einzelfall zu prüfen, ob dem Dienstbe­ rechtigten ein Vorwurf aus der Unterlassung gewisser Schutzvorkehrungen zu machen ist.164 Die Ausführungen aus den Motiven und Protokollen lassen eindeutig die Schutzbemühungen des Gesetzgebers im Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB erkennen. Dies geschieht immer im Spannungsverhältnis zwischen sozialem Gedanken und der Privatautonomie bzw. Beeinträchtigung des Arbeitgebers. Auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist von dieser Leitlinie erfasst. Dabei ist jedoch entscheidend anzumerken, dass neben den Darstellungen zum Anfechtungsrecht nach § 142 Abs. 1 BGB der Gesetzgeber auch hier im Rahmen der Arbeitsverhältnisse eine ex nunc-Beschränkung der Anfech­ tungsvorschriften grundsätzlich weder ablehnt, noch befürwortet. Daraus er­ gibt sich einerseits für die methodische Untersuchung der Arbeitsverträge nach § 611a BGB die Möglichkeit der Rechtsfortbildung im Wege der Lü­ ckenschließung, ohne Gefahr zu laufen, die im konkreten Fall wohl nicht zu überwindenden, Anforderungen einer contra legem Rechtsfortbildung erfül­ len zu müssen. Andererseits bieten die Ausführungen des Gesetzgebers je­ doch keine größeren Anhaltspunkte, die eine Lückenfindung dogmatisch be­ gründen könnten.

160  Mugdan,

Materialien, Materialien, 162  Mugdan, Materialien, 163  Mugdan, Materialien, 164  Mugdan, Materialien, 161  Mugdan,

II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899,

S. 903 f. S. 903 f. S. 904. S. 907. S. 908.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse197

3. Involvierung Dritter bei Arbeitsverhältnissen Das Arbeitsverhältnis nach § 611a BGB ist neben den gesetzlichen Schutz­ regularien, die dem Stellenwert und der extremen persönlichen Involvierung des Arbeitnehmers geschuldet sind, aufgrund der stetigen Beteiligung weite­ rer Parteien, die den Arbeitsvertrag mittelbar berühren, von besonderer Kom­ plexität. Sogenannte Dritte des Arbeitsvertrags sind in Folge der Sozialabga­ ben und -leistungen die Krankenkassen und der Staat sowie, im Hinblick auf die erbrachten Dienstleistungen, die Auftraggeber als Vertragspartner des Arbeitgebers. a) Krankenkasse Die Leistungen der Krankenkasse ergeben sich aus der Kranken-, Unfallund Pflegeversicherung des Arbeitnehmers und unterteilen sich im Krank­ heitsfall generell in die Übernahme der Kosten von ärztlichen Behandlungen (auch präventiv) und die Unterstützung des Arbeitnehmers durch Kranken­ geld und Pflegeleistungen.165 Arbeitnehmer und Arbeitgeber entrichten im Gegenzug den jeweiligen Beitrag zur Versicherung bei der Krankenkasse, wobei der konkrete Beitrag zur Krankenkasse sich prozentual aus dem Brut­ togehalt des Arbeitnehmers errechnet.166 b) Staat Neben den Leistungen an die Krankenkasse sind der Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch zu Beiträgen in die gesetzliche Renten- und Arbeitslosen­ versicherung des Arbeitnehmers verpflichtet, die den Arbeitnehmer wiede­ rum, auch in der Höhe, orientiert an seinen Einzahlungen in der Zeit der Rente und der Arbeitslosigkeit absichern sollen.167 Genau wie beim Berüh­ rungspunkt der Krankenkassen mit dem Arbeitsverhältnis beziehen sich die Leistungen der Parteien bei der Involvierung des Bundes dabei vorwiegend auf die Übergabe und Übereignung bzw. Überweisung von Geld oder die unmittelbare Übernahme von Kosten.168 165  Vgl.

Kapitel 3 B. I. 1. b) cc), c). Das Normalarbeitsverhältnis in der arbeits- und sozialrechtlichen Wirklichkeit, NJW 2010, 2613 (2614). 167  Hutter, in: Blümich (Hrsg.), EStG, KStG, GewStG, 144. Auflage 2018, § 10 EStG Rn. 190. 168  Vgl. bspw. Müller, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Sozialrecht, 51. Edition, 1. Dezember 2018, § 136 SGB III Rn. 2; Hutter, in: Blümich (Hrsg.), EStG, KStG, GewStG, 144. Auflage 2018, § 10 EStG Rn. 190; Kalis, in: MüKo VVG, 2. Auflage 2017, § 192 Rn. 18. 166  Schubert,

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

c) Auftraggeber Von einem vermeintlichen Arbeitsvertrag berührt ist mitunter auch der Vertragspartner des Arbeitgebers (sog. „Auftraggeber“), mit dem eine Verein­ barung über Leistungen des Arbeitgebers abgeschlossen wurde, die der Ar­ beitnehmer dann ggf. zu erbringen hat. So kann sich die Vereinbarung zwi­ schen Arbeit- und Auftraggeber auf die verschiedenen Anforderungen an Qualifikation und Position des ausführenden Arbeitnehmers beziehen. Ein Auftraggeber kann zudem auch nur als Subunternehmer aufgetreten sein, was die verschiedenen Möglichkeiten von privatautonom enstandenen Ver­ tragsketten, die sich an das mangelhafte Arbeitsverhältnis anschließen kön­ nen, erahnen lässt. Die Rückabwicklung des Arbeitsverhältnisses erzwingt dann gegebenenfalls auch eine Nachjustierung in den anderen vertraglichen Ebenen. Hier ist jedoch im Einzelfall zu überprüfen, ob es sich um eine mit­ telbare Auswirkung des beseitigten Arbeitsvertrags gemäß § 611a BGB zwi­ schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt oder die Beziehung zum Auf­ traggeber davon als getrennte vertragliche Verpflichtung (wohl der Regelfall) im Rahmen der Rückabwicklung zu vernachlässigen ist. 4. Rechtspraxis: Anfechtung eines Arbeitsvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB Das Instrument der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB besteht auch bei Willenserklärungen, die auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags nach § 611a BGB gerichtet sind oder in dessen Zusammenhang abgegeben werden.169 Allerdings wird von der Rechtsprechung und h. L. die Norm des § 142 Abs. 1 BGB beim Abschluss eines Arbeitsvertrags mit seiner ex tunc wirkenden Rechtsfolge nur in bestimmten Fällen angewendet und ansonsten die Rechts­ folge auf eine ex nunc-Wirkung beschränkt.170 Die dogmatische Begründung hierzu soll die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis bieten.171 169  BAG, Urteil vom 5. Dezember 1957 – 1 AZR 594/56, NJW 1958, 516; BAG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584 (585); Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 635; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 645; Preis, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auf­ lage 2019, § 611a Rn. 345; selbst die Anfechtung einer betrieblichen Übung ist zu bejahen siehe Schwarze, Grenzen der Anfechtung einer betrieblichen Übung, NZA 2012, 289 (294). 170  Vgl. als entscheidende Rechtssprechungsnachweise BAG, Urteil vom 5. De­ zember 1957 – 1 AZR 594/56, NJW 1958, 516; BAG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584 (586); vgl. auch schon BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377); zur Lehre siehe schon bei Hahn, Die fehlerhafte Normanwendung im Arbeitsverhältnis, in: Schriften für Sozial und Arbeitsrecht, Bd. 26, 1976, S. 38.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse199

a) Ex nunc-Wirkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB Die Anfechtung wird in ihrer Nichtigkeitsfolge nach § 142 Abs. 1 BGB bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnissen durch die Rechtssprechung an die Rechtsfolge der außerordentlichen Kündigung angepasst und beseitigt die Willenserklärung des Anfechtenden nur ex nunc, d. h. mit Wirkung für die Zukunft.172 Ist das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich außer Funktion gesetzt worden, gilt die Beschränkung der Rechtsfolge dabei nur bis zu diesem Zeit­ punkt.173 Modifiziert wird auch die Anfechtungsfrist nach § 121 BGB, die entspre­ chend der Grundsätze zu § 626 Abs. 2 BGB eine Anfechtungserklärung nicht zwingend unverzüglich fordert, sondern dem Erklärenden eine zweiwöchige Frist einräumt.174 Anfechtung und Kündigung schließen einander als unter­ schiedliche Gestaltungsrechte auch bei Arbeitsverträgen aber nicht aus.175 Und auch die Jahresfrist aus § 124 Abs. 1 BGB bei einer arglistigen Täu­ schung oder Drohung des Empfängers bleibt bestehen.176 Das Anfechtungs­ recht aus § 142 Abs. 1 BGB folgt nur dem allgemeinen Bild des Arbeits­ rechts, das mehr als jedes andere Rechtsgebiet den Eindruck hervorruft, durch seine Kodifikationslücken in die rechtsfortbildenden Hände von Wis­ senschaft und Rechtsprechung übertragen worden zu sein.177 Hinzu kommt, dass sich die Modifikation des § 142 Abs. 1 BGB durch die Gerichte auch auf andere Rechtsinstrumente des BGB auswirken kann. Als Beispiel hierfür sei nur die Umdeutung gemäß § 140 BGB genannt, die aufgrund des Gleich­ 171  Bspw. Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, §  611 Rn.  692 ff. 172  BAG, Urteil vom 5. Dezember 1957 – 1 AZR 594/56, NJW 1958, 516; BAG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584 (585); Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 431  f.; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 636; Busche, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2015, § 142 Rn. 18; vgl. auch Einleitung I. 173  BAG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR 754/97, AP BGB § 123 Nr. 49; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 171; Schreiber, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 611a Rn. 5. 174  BAG, Urteil vom 14. Dezember 1979 – 7 AZR 38/78, AP BGB § 119 Nr. 4; Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 432; MüllerGlöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 637. 175  BAG, Urteil vom 28. März 1974 – 2 AZR 92/73, AP BGB § 119 Nr. 3; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 47. Edi­ tion, 1. März 2018, § 611 Rn. 108; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2016, § 611 Rn. 658 f. 176  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 47. Edition, 1. März 2018, § 611 Rn. 113. 177  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 166.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

laufs der Rechtsfolgen zwischen Anfechtung und Kündigung und der Mög­ lichkeit eine Erklärung zur außerordentlichen Kündigung nun auch als An­ fechtungserklärung verstehen zu können, ein ganz neues Gewicht erhält und vom Rechtsanwender verstärkt beachtet werden muss.178 b) Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis Laut Rechtsprechung und h. M. der Lehre entsteht durch die Vollziehung eines Arbeitsvertrags zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Rechtsbe­ ziehung, die so nicht mehr rückabgewickelt und insoweit auch nicht ex tunc durch die Anfechtung rückwirkend beseitigt werden kann (sog. „fehlerhaftes Arbeitsverhältnis“).179 Aus der bleibenden Rechtsbeziehung selbst enstehen für die Parteien quasi vertragliche Ansprüche nach dem Inhalt des eigent­ lichen Arbeitsvertrags.180 Für die Vergangenheit wird der angefochtene Ar­ beitsvertrag daher so behandelt, als wäre er wirksam und fehlerfrei zustande gekommen und die arbeitsvertraglich vereinbarten Rechte und Pflichten aus dieser Zeit bleiben bestehen.181 Für die Zukunft hingegen soll das fehlerhafte Arbeitsverhältnis dann aber ohne Bestandsschutz und für beide Parteien ohne rechtliche oder vertragliche Vereinbarung zu beenden sein.182 Als Voraussetzung des fehlerhaften Arbeitsverhälntisses soll nur gelten, dass eine rechtsgeschäftliche Übereinkunft aus zwei korrespondierenden Wil­ lenserklärungen als tatsächlicher Akt vorlag und das Arbeitsverhältnis in Vollzug gesetzt und, wie bereits angesprochen, nicht ausgesetzt wurde.183 In Vollzug gesetzt ist der Arbeitsvertrag dabei immer ab dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer anfängt, eine Arbeitsleistung zu erbringen.184 Die Voraus­

178  BAG, Urteil vom 14. Dezember 1979 – 7 AZR 38/78, AP BGB § 119 Nr. 4; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 47. Edition, 1. März 2018, § 611 Rn. 109 m. w. Nw. 179  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 47. Edition, 1. März 2018, § 611 Rn. 128; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 638 m. w. Nw.; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 692 ff. 180  Preis, in: Erfurter Kommentar ArbR, 18. Auflage 2018, § 611a Rn. 145. 181  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 47. Edition, 1. März 2018, § 611 Rn. 128 f.; Schreiber, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 611a Rn. 5. 182  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 695. 183  BAG, Urteil vom 30. April 1997 – 7 AZR 122/96, NZA 1998, 199 (200); BAG, Urteil vom 26. September 2007 – 5 AZR 857/06, NZA 2007, 1422 (1424); Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 694; Preis, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auflage 2019, § 611a Rn. 145; vgl. Kapitel 3 B. I. 4. a).



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse201

setzung der tatsächlichen Willenseinigung hingegen lässt erkennen, dass der häufig auch verwendete Begriff des „faktischen“ Arbeitsverhältnisses als Bezeichnung des Rechtsverhältnisses missverständlich sein kann.185 c) Beschränkung der Ausnahme Die typischen Anfechtungsgründe, denen Willenserklärungen zum Ab­ schluss eines Arbeitsvertrags unterliegen können, sind der Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers nach § 119 Abs. 2 Alt. 1 BGB und die arglistige Täuschung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB in der Be­ werbungssituation.186 Im Fall der arglistigen Täuschung und Drohung nach § 123 Abs. 1 BGB lässt die Rechtsprechung allerdings von ihrer ex nuncRechtsfortbildungsbemühung bei § 142 Abs. 1 BGB und der Konstruktion des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses ab und wendet die gesetzlich vorge­ schriebene ex tunc-Rechtsfolge aus § 142 Abs. 1 BGB an.187 Als Grund hierfür ist in erster Linie die mangelnde Schutzwürdigkeit des Anfechtungs­ gegners angeführt worden, die sich bereits in der fehlenden Berücksichtigung des Anfechtungsgegners in § 122 BGB gesetzlich wiederspiegelt.188 Ein Verbleib der ex tunc-Nichtigkeitsfolge und eine Abkehr vom fehlerhaf­ ten Arbeitsverhältnis gilt daneben gleichermaßen auch bei begrifflich zusam­ mengefassten, übergeordneten Interessen; im Einzelnen soweit Minderjährige im Arbeitsverhältnis (ohne Genehmigung nach § 108 BGB) beteiligt sind und sich die Nichtigkeit aus dem vorrangigen Minderjährigenschutz nach §§ 104 ff. BGB ergibt oder wenn ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis im Wider­

184  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, §  611 Rn. 694 m. w. Nw.; Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 169. 185  Preis, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19.  Auflage 2019, § 611a Rn. 145; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 642, 698. 186  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 345 ff.; zum Gedanken der Berück­ sichtigung des Arbeitgebers vgl. auch Mozet, Beendigung des Arbeitsverhältnisses Harmonisierung auf europäischer Ebene?, ZEuP 1998, 296 (308). 187  BAG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584 (586); vgl. auch schon BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377); Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 146; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 33 f. 188  BAG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584 (586); Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 172; Joussen, Der Vertrauensschutz im fehlerhaften Arbeitsverhältnis, NZA 2006, 963 (966).

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

spruch zur Rechtsordnung stehen würde, weil dessen Inhalt gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB oder strafrechtliche Vorschriften verstößt.189

II. Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) Gesellschaften kennt das Deutsche Rechtssystem in unterschiedlicher ­Gestalt.190 Kodifiziert ist im BGB selbst nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gemäß § 705 BGB. Daneben sind im Handelsgesetzbuch (HGB)191 und dem Aktiengesetz (AktG)192 weitere Personen- und Kapitalge­ sellschaften normiert, wobei der Unterscheidung sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis eine starke strukturelle Bedeutung zukommt.193 Bei den Personengesellschaften handelt es sich im Einzelnen um die offene Handels­ gesellschaft (OHG) gemäß § 105 HGB, die Kommanditgesellschaft (KG) in § 161 HGB und die stille Gesellschaft nach § 230 HGB. Kapitalgesellschaf­ ten sind die Aktiengesellschaft (AG) gemäß § 1 AktG, die Kommanditgesell­ schaft auf Aktien (KGaA) aus § 278 AktG, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie die Genossenschaft (eG). 1. Personengesellschaften a) Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Grundtypus der Personengesell­ schaft, entsteht durch einen Gesellschaftsvertrag nach § 705 BGB.194 Grund­ typus deshalb, da für alle Formen der Personengesellschaften zumindest er­ 189  BAG, Urteil vom 1. April 1976 – 4 AZR 96/75, NJW 1976, 1958 (1959); BAG, Urteil vom 3. November 2004 – 5 AZR 592/03, AP BGB § 134 Nr. 25; Joussen, Der Vertrauensschutz im fehlerhaften Arbeitsverhältnis, NZA 2006, 963 (964); Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 172; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 694, 712. 190  Vgl. bspw. Hoffmann, in: Prinz/ders. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Perso­ nengesellschaften, 4. Auflage 2014, § 1 Rn. 1. 191  Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10. Mai 1897, RGBl. S. 219, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juli 2018, BGBl. I S. 1102, 1108. 192  Aktiengesetz (AktG) vom 30. Januar 1937, RGBl. S. 107, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2017, BGBl. I S. 2446, 2491. 193  Vgl. hierzu ausführlich Schäfer, in: Staub HGB, 5. Auflage 2009, Vor. § 105 Rn.  5 ff. 194  Hoffmann, in: Prinz/ders. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesell­ schaften, 4. Auflage 2014, § 2 Rn. 3, § 5 Rn. 1; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 705 Rn. 1; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 19, 42.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse203

gänzend das Recht zur BGB Gesellschaft Anwendung findet.195 Vorausset­ zung danach ist die Einigung zweier oder mehrerer Gesellschafter, die Errei­ chung eines gemeinsamen Zwecks durch Beitragsleistung oder in sonstiger, vertraglich vereinbarter Weise zu fördern.196 Nicht zu den Voraussetzungen zählt dagegen die Leistung der vereinbarten Beiträge durch die Gesellschaf­ ter oder die sonstige Bildung von Gesamthandsvermögen.197 Der Vertrags­ inhalt muss daher grundsätzlich in jedem Fall den Förderungszweck als ge­ meinschaftliches Element sowie die Art der Förderung als obligatorisches Element der Gesellschafter enthalten.198 Sonstige Mindestvoraussetzungen bestehen nicht.199 aa) Vertragliche Einordnung Der Gesellschaftsvertrag nach § 705 BGB, der einer großen Gestaltungs­ freiheit unterliegt, wird als schuldrechtlicher Vertrag verstanden und bildet zugleich einen rechtsfähigen Personenverband zwischen den Gesellschaf­ tern.200 Daneben besitzt die GbR nach h. M. eine eigene Rechts- und Partei­ fähigkeit.201 Die Anwendung des Schuldrechts ist jedoch trotz der Qualifizie­ rung des Vertrags in einigen Fällen eingeschränkt. So sind bspw. der Ver­ schuldensmaßstab aus § 276 BGB in § 708 BGB modifiziert, die §§ 320 ff. BGB unter den Gesellschaftern mit dem gemeinsamen Förderungszweck unvereinbar, der Rücktritt aus §§ 346 ff. BGB durch § 723 BGB ersetzt sowie 195  Hoffmann, in: Prinz/ders. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesell­ schaften, 4. Auflage 2014, § 2 Rn. 3; Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesell­ schaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 705 Rn. 1. 196  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 705 Rn. 2; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 1. 197  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 2; zur Bildung von Ver­ mögen bei der Innengesellschaft vgl. Beuthien, Darf die Innengesellschaft kein Ver­ mögen bilden?, NZG 2017, 201. 198  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 705 Rn. 19; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 128. 199  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 129. 200  Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4.  Auflage 2019, § 705 Rn. 1; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 155, 158; Saenger, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 705 Rn. 8, 13. 201  BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 (1058); Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. No­ vember 2018, § 705 Rn. 13; Stürner, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 705 Rn. 1, Beuthien, Ist die Innengesellschaft nicht rechtsfähig?, NZG 2011, 161; tiefgrei­ fend auch bei Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, Vor. §§ 705–740 Rn. 8 ff.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

die Erfüllungsvorschriften nach §§ 362 ff. BGB mit dem Typus Dauerschuld­ verhältnis abzugleichen.202 bb) Außen- und Innengesellschaft Bei der GbR sind Außen- und Innengesellschaft zu unterscheiden.203 Die Außengesellschaft ist die im Rechtsverkehr auftretende rechtsfähige Perso­ nenvereinigung, während sich die Innengesellschaft auf die Beziehung zwi­ schen den Gesellschaftern beschränkt.204 Notwendig für die Außengesell­ schaft ist die Organisation in Form der Gesellschaftsorgane sowie das Vor­ handensein eines Gesamthandsvermögens nach § 718 BGB und Verbindlich­ keiten im Außenverhältnis zu Dritten.205 Die Innengesellschaft hingegen definiert sich in negativer Hinsicht und hat keine überlagernde Organisation, d. h. keine Vertretungsvereinbarungen und auch kein Gesamthandsvermögen, sondern beschreibt eine meist rein schuldrechtliche Innenbeziehung zwischen den Gesellschaftern.206 cc) Existenz der GbR Geht es um den Zeitpunkt der Existenz einer Gesellschaft, ist zwischen Innen- und Außenverhältnis zu unterscheiden.207 Im Innenverhältnis ist der Vertragsschluss als Zeitpunkt maßgebend, wohingegen im Außenverhältnis 202  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 157, 163; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 20. 203  BGH, Urteil vom 24. Februar 1954 – II ZR 3/53, NJW 1954, 1159; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 14; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 253 ff. 204  Beuthien, Darf die Innengesellschaft kein Vermögen bilden?, NZG 2017, 201; Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 705 Rn.  7 m. w. Nw.; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 253; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 705 Rn. 97. 205  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 705 Rn. 136; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 254; Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 705 Rn. 8. 206  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 275 f., 285; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 138; Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auf­ lage 2019, § 705 Rn. 9. 207  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 2; Schöne, in: Bamberger/ Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn.  19 f.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse205

das Auftreten gegenüber Dritten analog zu § 123 Abs. 2, 3 HGB als Ge­ schäftsbeginn in Form von rechtsgeschäftlichem Handeln und dem Einver­ ständnis sämtlicher Gesellschafter über den Geschäftsbeginn der Gesellschaft von Bedeutung ist.208 dd) Leistungsbeziehungen im Innenverhältnis Betrachtet man das Innenverhältnis, ergibt sich einerseits die Rechtsstellung des Gesellschafters zur Gesellschaft als Gesamthand und andererseits die Be­ ziehung und deren Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander.209 Vermögens- und Schadensansprüche der Gesellschafter sind stets in der Beziehung zur Gesellschaft von Relevanz, genau wie dies grundsätzlich bei Verwaltungsrechten der Fall ist.210 Unter Vermögensansprüche fallen dabei der Gewinnanspruch, die Geschäftsführervergütung sowie der Aufwendungs­ ersatz nach §§ 713, 670 BGB.211 Bei Verwaltungsrechten geht es dagegen um Stimmrechte, das Recht auf Rechnungslegung sowie Informations- und Kontrollrechte.212 Im Gegenzug unterliegt der Gesellschafter einer Zweck­ förderungspflicht.213 So ist der einzelne Gesellschafter der Gesellschaft im Allgemeinen zum Beitrag und Nachschuss und zur Geschäftsführung gemäß § 709 BGB verpflichtet sowie zur Treue und dem Schadensersatz bei ver­ tragswidrigem Verhalten mit Schadensfolge für die Gesellschaft.214 Geht es um die Beziehung zwischen den Gesellschaftern, ist die actio pro socio als Durchsetzung der Gesellschaftsansprüche zu erwähnen und auf­ grund der schuldvertraglichen Verbindung jedenfalls auch aus der Treuever­ 208  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 2; Schöne, in: Bamberger/ Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn.  19 f. 209  Ausführlich bei Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 197 ff., 215 ff. 210  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 99 f., 126 f.; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 197, 199. 211  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 197. 212  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 705 Rn. 126; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 199. 213  Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4.  Auflage 2019, § 705 Rn. 41. 214  Finkentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11.  Auflage 2017, § 92 Rn. 1319  ff.; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 201; Schöne, in: Bamberger/ Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 101.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

pflichtung entstehende Handlungspflichten sowie die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung, woraus wiederum Schadenersatzansprüche der Gesell­ schafter untereinander entstehen können.215 Hinzu kommen Abfindungsan­ sprüche und bestimmte Verwaltungsrechte, die sich auch gegen die Gesell­ schafter unmittelbar richten können; nicht so allerdings bei Vergütungsan­ sprüchen der Gesellschafter.216 b) Offene Handelsgesellschaft (§ 105 HGB) Für die OHG verweist das HGB in § 105 Abs. 3 HGB subsidiär auf die Vorschriften zur GbR in den §§ 705 ff. BGB.217 Die OHG ist also Gesell­ schaft nach §§ 705 ff. BGB wobei sich ausdrückliche Regelungen zur OHG in den §§ 105 ff. HGB selbst finden.218 Gemäß § 105 Abs. 1 HGB ist danach im Unterschied zur GbR der Zweck der OHG der Betrieb eines Handelsge­ werbes unter gemeinsamer Firma und im Unterschied zur KG die fehlende Haftungsbeschränkung das Abgrenzungskriterium.219 Im Gegenzug bedeutet dies, dass eine OHG vor Entstehung des Handelsgewerbes eine GbR darstel­ len wird.220 Die OHG ist daher ab dem Zeitpunkt als existent zu behandeln, in dem eine Gesellschaft, die auf den Zweck der Errichtung eines Handels­ gewerbes unter gemeinsamer Firma abzielt, ihre Tätigkeit aufnimmt und keine Haftungsbeschränkung zwischen den Gesellschaftern besteht.221 Die Eintragung in das Register selbst hat daneben nur deklaratorischen und nicht konstitutiven Charakter nach § 2 Satz 1 HGB, soweit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB vorliegen.222 215  Saenger, in: Schulze u.  a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 705 Rn. 17; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. No­ vember 2018, § 705 Rn. 101, 115 ff., 132; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 215 f.; Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auf­ lage 2019, § 705 Rn. 46. 216  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 217 f.; Schöne, in: Bam­ berger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 126. 217  Hoffmann, in: Prinz/ders. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesell­ schaften, 4. Auflage 2014, § 2 Rn. 3. 218  Schmidt, in: MüKo HGB, 4. Auflage 2016, § 105 Rn. 248; Roth, in: Baum­ bach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 1. 219  Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38.  Auflage 2018, § 105 Rn. 1; Schmidt, in: MüKo HGB, 4. Auflage 2016, § 105 Rn. 28; Lieder, in: Oetker (Hrsg.), HGB, 5. Auflage 2017, § 105 Rn. 7. 220  Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 7. 221  Leistikow, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Auf­ lage 2016, § 44 Rn. 44.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse207

Für die Leistungsbeziehungen im Innenverhältnis der Gesellschaft und den Abschluss des Gesellschaftsvertrags ist wieder auf die Ausführungen zu § 705 BGB zu verweisen und für Letzteres damit auf die allgemeinen Vor­ schriften mit den Ausnahmen, die sich durch das gemeinsame Interesse der Gesellschaft am Bestand des Gesellschaftsvertrags festmachen lassen.223 Formvorschriften bestehen im Grundsatz nicht.224 c) Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB) Die Verweisung der Gesellschaftsformen von OHG auf die bürgerliche Gesellschaft nach § 705 BGB wird mit der KG und der Verweisungsnorm in § 161 Abs. 2 HGB um eine Stufe erweitert.225 Dabei beruht die KG genau wie die OHG und GbR auf einem schuldrechtlichen Gesellschaftsvertrag, als Zusammschluss von Personen in gesamthänderischer Verbundenheit.226 Mit Abschluss der Vereinbarung entsteht unter den Gesellschaftern, einschließ­ lich des Kommanditisten, eine gemeinsame Rechtszuständigkeit am Gesell­ schaftsvermögen und die Verpflichtung für Verbindlichkeiten, wobei die Verbindlichkeiten den Kommanditisten nur unter Berücksichtigung der §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB treffen und er damit bis zur Höhe seiner Einlage haftet.227 d) Stille Gesellschaft (§ 230 HGB) Die gesetzlich in § 230 HGB vorausgesetzte stille Gesellschaft ist eine Personengesellschaft und wird durch einen Gesellschaftsvertrag zwischen dem Inhaber eines Handelsgeschäfts als kaufmännischem Rechtsträger und einem anderen (sog. „stiller Gesellschafter“) zur Förderung eines gemeinsa­ 222  Leistikow, in: Heussen/Hamm, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Auf­ lage 2016, § 44 Rn. 44; Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 12. 223  Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 50; vgl. dem Grundsatz nach bei Schmidt, in: MüKo HGB, 4. Auflage 2016, § 105 Rn. 194; Kindler, in: Koller/ders./Roth/Morck (Hrsg.), HGB, 8. Auflage 2015, § 105 Rn. 5. 224  Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn.  54 f. 225  Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 17. 226  Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 3. Auf­ lage 2014, § 161 Rn. 1. 227  Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 3. Auf­ lage 2014, § 161 Rn. 1, 10.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

men Zwecks geschlossen.228 Dies geschieht ohne Bildung eines gemeinsa­ men Gesellschaftsvermögens, sondern mit einer Einlage und einer Gewinn­ beteiligung des stillen Gesellschafters am Handelsgeschäft.229 Die stille Gesellschaft ist als reine Innengesellschaft durch ihre Gestaltungsfreiheit charakterisiert und hinsichtlich der nur vereinzelt ausformulierten Verweise gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 HGB in der Anwendbarkeit der Vorschriften nach §§ 105 ff. HGB relativ frei durch den Gesellschaftsvertrag bestimmbar.230 Daneben gelten die Regelungen zur GbR nach §§ 705 ff. BGB für die stille Gesellschaft soweit keine Spezialvorschriften gemäß §§ 230 ff. HGB eingrei­ fen oder wie im Falle der §§ 718–720 BGB zum Gesamthandvermögen eine Anwendung unvereinbar ist.231 Von der typischen stillen Gesellschaft ist dann auch immer die atypische stille Gesellschaft zu unterscheiden.232 Wäh­ rend die typische stille Gesellschaft das gesetzliche Leitbild aus den §§ 230 ff. BGB verkörpert, ist die atypische Form ein Sammelsurium handels- und gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsformen, die von der klassischen Vorgabe abweichen, ohne ganz die Zuordnung zur stillen Gesellschaft zu verlieren.233 Als Beispiele für eine atypische Erscheinungsform können die mehrgliedrige stille Gesellschaft oder auch die Beteiligung an einer KG mit gleichzeitiger Kommanditistenstellung des stillen Gesellschafters genannt werden.234 2. Kapitalgesellschaften a) Aktiengesellschaft (§ 1 AktG) Die wesentlichen Merkmale der AG legt § 1 Abs. 1 AktG fest, der eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit beschreibt, deren Haftung sich

228  Hoffmann-Theinert, in: Häublein/ders. (Hrsg.), BeckOK HGB, 22. Edition, 15. Oktober 2018, § 230 Rn. 1, 3 f. 229  Neu, in: Prinz/Hoffmann. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesell­ schaften, 4. Auflage 2014, § 14 Rn. 1; Hoffmann-Theinert, in: Häublein/ders. (Hrsg.), BeckOK HGB, 22. Edition, 15. Oktober 2018, § 230 Rn. 1, 4 f. 230  Hoffmann-Theinert, in: Häublein/ders. (Hrsg.), BeckOK HGB, 22. Edition, 15. Oktober 2018, § 230 Rn. 2, 4 f. 231  Hoffmann, in: Prinz/ders. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesell­ schaften, 4. Auflage 2014, § 2 Rn. 3; Hoffmann-Theinert, in: Häublein/ders. (Hrsg.), BeckOK HGB, 22. Edition, 15. Oktober 2018, § 230 Rn. 6. 232  Neu, in: Prinz/Hoffmann. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesell­ schaften, 4. Auflage 2014, § 14 Rn. 5. 233  Neu, in: Prinz/Hoffmann. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesell­ schaften, 4. Auflage 2014, § 14 Rn. 6. 234  Neu, in: Prinz/Hoffmann. (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesell­ schaften, 4. Auflage 2014, § 14 Rn. 6.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse209

auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt.235 Die AG ist Kapitalgesell­ schaft, Körperschaft und juristische Person.236 Der Gesellschaftsvertrag ist gemäß § 2 AktG auch gleichzeitig die Satzung der Gesellschaft.237 Daneben ist charakterisierend, dass das Grundkapital in Aktien aufgeteilt ist.238 Bei der Gründung der AG ist zwischen verschiedenen Phasen zu unterscheiden; so entwickelt sich im Vorgründerstadium meist eine Vorgründergesellschaft (GbR) und nach Einigung aber vor Eintragung eine Vorgesellschaft (Gesell­ schaft sui generis), bevor mit Eintragung gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG die AG als juristische Person entsteht.239 Eine Gründung der AG durch mehrere Personen ist dabei nur wirksam, soweit mindestens die Voraussetzungen des § 705 BGB gegeben sind.240 Die Einmann-AG wird dagegen durch einsei­ tige Willenserklärung zur Gründung erklärt, wobei die Norm des § 705 BGB durch § 2 AktG verdrängt wird.241 Zwar kann in diesem Fall aufgrund des rechtsgeschäftlichen Entstehungstatbestands und des Hinzutretens weiterer Aktionäre von einer privatrechtlichen Personenvereinigung, die einen ge­ meinschaftlichen Zweck verfolgt (sog. „Gesellschaft im weiteren Sinne“), gesprochen werden, die AG ist jedoch keine Gesellschaft im engeren Sinne, sondern eine Kooperation, mithin also eher dem Verein nach §§ 21 ff. BGB zuzuordnen.242 In diesem Sinne wird auch subsidiär auf die Vorschriften der §§ 21 ff. BGB verwiesen, soweit keine aktienrechtlichen Regelungen vorhan­ den sind.243 In der Folge ist, anders als bei den Personengesellschaften, bei der AG als Kapital- bzw. Publikumsgesellschaft im Innenverhältnis eine ge­ ringere Leistungsbeziehung der Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesellschaft zu beobachten. So treffen den einzelnen Aktionär keine 235  Koch,

in: Hüffer/ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 1 Rn. 1. in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt (Hrsg.), GmbHG, 3.  Auf­ lage 2017, § 13 Rn. 2. 237  Grigoleit, in: ders. (Hrsg.), AktG, 1. Auflage 2013, § 1 Rn. 2; Koch, in: Hüf­ fer/ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 1 Rn. 2. 238  Koch, in: Hüffer/ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 1 Rn. 1; Grigoleit, in: ders. (Hrsg.), AktG, 1. Auflage 2013, § 1 Rn. 1. 239  Pentz, in: MüKo AktG, 4. Auflage 2016, § 41 Rn. 8, 10, 24; Koch, in: Hüffer/ ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 1 Rn. 4; vgl. hierzu auch Weimar, Entwick­ lungen im Recht der werdenden Aktiengesellschaft, DStR 1997, 1170. 240  Grigoleit, in: ders. (Hrsg.), AktG, 1. Auflage 2013, § 1 Rn. 3; Koch, in: Hüf­ fer/ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 1 Rn. 3. 241  Koch, in: Hüffer/ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 1 Rn. 3. 242  Übersicht bei Finkentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Auflage 2017, § 92 Rn. 1309; Heider, in: MüKo AktG, 4. Auflage 2016, § 1 Rn. 13; Koch, in: Hüffer/ ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 1 Rn. 2; Grigoleit, in: ders. (Hrsg.), AktG, 1. Auflage 2013, § 1 Rn. 11. 243  Grigoleit, in: ders. (Hrsg.), AktG, 1. Auflage 2013, § 1 Rn. 11; Koch, in: Hüf­ fer/ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 1 Rn. 3; Heider, in: MüKo AktG, 4. Auf­ lage 2016, § 1 Rn. 15. 236  Lieder,

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

Förderungs- bzw. Pflichten zum Beitrag und Nachschuss oder zur Geschäfts­ führung. Gleiches gilt für die wohl doch geringere Wahrscheinlichkeit von schadensersatzrechtlichen Verpflichtungen zwischen den Gesellschaftern. Anerkannt ist bei der AG jedoch die Treuepflicht der Aktionäre, die von der Rechtsprechung entwickelt ist und auch Minderheitsaktionäre zur Unterbin­ dung der gezielten Einflussnahme von Großaktionären verpflichtet sowie zu Schadensersatzansprüchen führen kann.244 Die rechtliche Beziehung im In­ nenverhältnis einer Aktiengesellschaft wird dennoch nicht von den einzelnen Aktionären, sondern durch das Verhalten der Organe des Vorstands und des Aufsichtsrats charakterisiert. So entstehen hier im Wege der Geschäftsfüh­ rung des Vorstands und der Kontrolle durch die Mitglieder des Aufsichtsrats Vergütungsansprüche, Verwaltungsrechte und mögliche Schadensersatzver­ pflichtungen.245 b) Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 278 AktG) Gemäß § 278 AktG handelt es sich bei der KGaA, wie es die Bezeichung schon vermuten lässt, um eine Mischform aus KG und AG, auf deren Vor­ schriften zum Rechtsverhältnis der Gesellschafter und zur Vertretung der Gesellschaft in § 278 Abs. 2 AktG verwiesen wird, und deren Grundkapital in Aktien zerlegt ist.246 Stärke der KGaA ist deren Gestaltungsfreiheit und, dass durch die Rechtsform ein maßgeblicher Einfluss entscheidender Gesell­ schafter auf die Gesellschaft ermöglicht wird, was vor allem für mittelständi­ sche Unternehmen und Familienunternehmen von Interesse sein kann.247 Die Kapitalgesellschaft KGaA ist wie die AG eine juristische Person und hat ein eigenes Vermögen, an dem die Gesellschafter selbst nicht beteiligt sind, somit keine gesamthänderische Verbindung zwischen diesen besteht.248 c) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die GmbH entsteht gemäß § 7 Abs. 1 GmbHG neben weiteren Vorausset­ zungen durch die Anmeldung der Gesellschaft beim Registergericht; ge­ schieht dies nicht, handelt es sich bei der Rechtsbeziehung zwischen den 244  BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 – II ZR 23/74, NJW 1976, 191 (192); Grigoleit, in: ders. (Hrsg.), AktG, 1. Auflage 2013, § 1 Rn. 45 ff., 76 ff. 245  Vgl. hierzu bspw. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Auflage 2015, § 76 Rn.  56 ff. 246  Müller-Michaels, in: Hölters (Hrsg.), AktG, 3. Auflage 2017, § 287 Rn. 1; Koch, in: Hüffer/ders. (Hrsg.), AktG, 13. Auflage 2018, § 278 Rn. 1. 247  Müller-Michaels, in: Hölters (Hrsg.), AktG, 3. Auflage 2017, § 287 Rn. 3. 248  Perlitt, in: MüKo AktG, 4. Auflage 2015, § 278 Rn. 3.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse211

Gesellschaften um eine OHG bzw. bei fehlendem handelsrechtlichen Bezug um eine GbR.249 Auch die GmbH ist eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit und ist durch die Verselbstständigung von ihren Mit­ gliedern charakterisiert.250 Die Mitglieder der GmbH beschränken sich daher auf einen Personenverband, der durch die Gesellschafterversammlung Ein­ fluss auf die Gesellschaft, insbesondere auf Geschäftsführungsangelegenhei­ ten und die Haftung für das Stammkapital hat, und dem Zusammenwirken der Mitglieder eine rechtliche Struktur verleiht, was im Ergebnis zu einer Annäherung der GmbH an die Personengesellschaften führt.251 d) Genossenschaft Die Genossenschaft ist eine juristische Person, deren Hauptbedeutung der besondere genossenschaftliche Förderungszweck ist.252 Sie unterscheidet sich entscheidend von der GbR nach § 705 BGB, da sie als juristische Person unabhängig von ihren Mitgliedern (aber mindestens drei Gründungsmitglie­ der) existiert, deren Anzahl gemäß § 4 GenG offen ist.253 Entstanden ist die Genossenschaft gemäß § 13 GenG mit Eintragung im Genossenschaftsregis­ ter, wobei das GenG selbst keine Regelungen zur Rechtsform der Genossen­ schaft vor Eintragung enthält.254 Vor Eintragung und dem bloßen Zusammen­ schluss von Mitgliedern wird von einer Vorgründungs- bzw. nach Unter­ zeichnung der Satzung einer Vorgenossenschaft oder wenn eine Eintragung zwar erfolgen soll, aber eine Aufnahme der Geschäfte nicht beabsichtigt ist, von einer Vorratsgenossenschaft gesprochen.255 Die Vorgründungsgenossen­ schaft ist je nach Förderungszweck eine GbR bzw. OHG, wohingegen die Vorgenossenschaft eine Gesamthandsgemeinschaft sui generis ist, die bereits teilrechtsfähig ist.256 249  Jaeger, in: Ziemons/ders. (Hrsg.), BeckOK GmbHG, 36. Edition, 1. August 2018, § 7 Rn. 2. 250  Lieder, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt (Hrsg.), GmbHG, 3. Auflage 2017, § 13 Rn. 2. 251  Lieder, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt (Hrsg.), GmbHG, 3. Auflage 2017, § 13 Rn. 12. 252  Geibel, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 1 GenG Rn. 1. 253  Fandrich, in: Pöhlmann/ders./Bloehs (Hrsg.), GenG, 4.  Auflage 2012, § 1 Rn. 1, 18; Geibel, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 1 GenG Rn. 2. 254  Fandrich, in: Pöhlmann/ders./Bloehs (Hrsg.), GenG, 4. Auflage 2012, § 13 Rn. 1. 255  Fandrich, in: Pöhlmann/ders./Bloehs (Hrsg.), GenG, 4. Auflage 2012, § 1 Rn. 31. 256  BGH, Urteil vom 2. Mai 1966 – II ZR 219/63, NJW 1966, 1311 (1312); BGH, Urteil vom 28. November 1997 – V ZR 178–96, NJW 1998, 1079 (1080); Fandrich, in: Pöhlmann/ders./Bloehs (Hrsg.), GenG, 4. Auflage 2012, § 13 Rn. 2, 5.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

3. Motive der Gesetzgebung zum Gesellschaftsvertrag Die Motive stellen den Gesellschaftsvertrag nach § 705 BGB, der Grund­ lage für die Personengesellschaften ist und damit hier im Rahmen der Arbeit das Untersuchungsobjekt Gesellschaftsvertrag charakterisiert, als eine Ver­ einbarung unter bestimmten Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks durch Zusammenwirken dar, wobei der Gesellschaftszweck ver­ schiedener Art sein kann und keineswegs stets auf Erwerb oder Vermögen gerichtet sein muss.257 Im Rahmen des Gesellschaftszwecks wird bei Verbot, Unsittlichkeit oder einer mit der öffentlichen Ordnung einhergehenden Un­ verträglichkeit dann auch die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags kurz an­ gesprochen.258 Der Vertrag selbst ist ein obligatorisches Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaftern, das im Vertrauen eingegangen wird, daher auch als höchstpersönlich zu betrachten sei und durch die formfreie Einigung über die wesentlichen Punkte des Vertrags zustandekommt.259 Die Anwen­ dung der allgemeinen Rechtsvorschriften wird dabei an keiner Stelle ausge­ schlossen, eher noch generell, wie im Bereich des Schadensersatzes bei der Besorgung von Gesellschaftsgeschäften oder der Befugnis zur gegenseitigen Vertretung, auf allgemeine Grundsätze und Regelungen verwiesen.260 Der Gesetzgeber unterscheidet außerdem wohl bereits an dieser Stelle zwischen Außen- und Innenverhältnis, indem er der Vertragsausgestaltung mit Blick auf Dritte keine Bedeutung einräumt, was jedoch vor dem Hintergrund der damals noch nicht nach h. M. feststehenden Rechtsfähigkeit der GbR be­ trachtet werden muss.261 Die Leistung der Beiträge im Innern der Gesell­ schaft und deren Anspruchsmonopol bei der Gesellschaft im Ganzen, be­ spricht der Gesetzgeber dagegen schon damals konsequent.262 Auffällig, aber typisch für das Konstrukt des Gesellschaftsvertrags ist auch, dass ein Großteil der gesetzgeberischen Überlegungen von Geschäftsbeziehungsfragen be­ stimmt ist, die bspw. die Geschäftsführungen der Gesellschaft, Haftungsfra­ gen etc. erörtern, was in das Bild der starken Beteiligung der Gesellschaft am Rechtsverkehr passt.263 Der Gesetzgeber erkennt in der Folge dabei die Schutzbedürftigkeit der Gesellschaftsgläubiger, die im Falle des Pfandgläubi­ gers eines Gesellschafters gemäß § 725 BGB zur Auflösung der Gesellschaft ohne Frist berechtigt.264 257  Mugdan,

Materialien, II. Bd. 1899, S. 330, 332. Materialien, II. Bd. 1899, S. 333. 259  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 330 333. 260  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 340. 261  Zum feststellenden Urteil vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 (1058); Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 330. 262  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 334. 263  Vgl. Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 336 ff. 258  Mugdan,



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse213

Auf die Beendigung der Gesellschaft bezogen, spricht sich der Gesetzge­ ber für eine, auch zur Unzeit mögliche, dann aber mit Schadensersatzpflich­ ten gefolgte, Kündigungsmöglichkeit der Gesellschafter aus, wenn ein ent­ sprechender Grund bzw. eine wesentliche Pflichtverletzung nach § 723 Abs. 1 Satz 3 BGB gegeben ist.265 Dies soll nicht in dem Sinne erwähnt sein, dass der Gesetzgeber das Kündigungsrecht dem Anfechtungsrecht stets vor­ zieht, was so vom Gesetzgeber auch nicht intendiert ist, sondern vielmehr betonen, dass der Gesetzgeber den Bestand des Gesellschaftsvertrags, ohne damaligen Blick auf das Außenverhältnis der GbR, nicht unerbittlich zu schützen gewillt war. So nennt der Gesetzgeber in der Diskussion um den Konkurs eines Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft von Rechtswe­ gen auch nur den „einfachsten und angemessensten Weg, um ohne wesent­ liche Verletzung der Interessen der Beteiligten eine Lösung der Problemlage zu erreichen“.266 Ein Ausschluss anderer Beseitigungsinstrumente ist daraus nicht zu folgern und die Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrags in anderen Fällen, wie bspw. der gesetzeswidrigen Vereinbarung eines Kündi­ gungsausschlusses, vom Gesetzgeber auch nicht negiert.267 Dass die Anfech­ tung gemäß § 142 Abs. 1 BGB möglich sein muss, lässt sich zudem aus den Argumentationsmustern des Gesetzgebers erkennen, der mitunter auf den freiwilligen Vertragsschluss der Gesellschafter abstellt, um verschiedene Pflichten (Haftung für Verschulden) zu diskutieren.268 Nach der Auflösung kommt es gemäß den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften der §§ 730 ff. BGB dann weiter zur Auseinandersetzung, die der Gesetzgeber neben der Möglichkeit nach allgemeinen Vorschriften abzuwickeln, mit Blick auf den vereinbarten Gesellschaftsvertrag, als befriedigender ansieht, was zusätzlich noch im Umkehrschluss gerade gegen eine Auseinandersetzung spricht, wenn das Gesellschaftsverhältnis im Fall der Anfechtung so nicht gewollt war.269 Mit direktem Blick auf den methodischen und dogmatischen Ansatz der Ar­ beit kann aus den Gesetzesmaterialien also gefolgert werden, dass der Ge­ setzgeber auch beim Gesellschaftsvertrag nach § 705 BGB das Bild einer rechtsfortbildungsneutralen Aussage zu den Anfechtungs- und Arbeitsver­ tragsregelungen nach § 142 Abs. 1 BGB bzw. § 611a BGB fortführt. Eine Rechtsfortbildung aufgrund Lückenschließung de lege lata ist danach mög­ lich, ohne dass der Gesetzgeber auch bei Gesellschaftsverträgen eine Not­ wendigkeit eindeutig anspricht. 264  Mugdan, 265  Mugdan, 266  Mugdan, 267  Mugdan, 268  Mugdan, 269  Mugdan,

Materialien, Materialien, Materialien, Materialien, Materialien, Materialien,

II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899, II. Bd. 1899,

S. 995. S. 346. S. 349. S. 347. S. 984 f. S. 349 f.

214

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

4. Involvierung Dritter bei Gesellschaftsverträgen Die gesellschaftsrechtliche Innenbeziehung birgt für sich eine Vielzahl von Verpflichtungen der Gesellschafter untereinander bzw. mittelbar in Bezie­ hung gegenüber der Gesellschaft. Dies ist, trotz der starken Verstrukturierung und den daraus resultierenden Rechten und Pflichten wie z. B. den Verwal­ tungsrechten, Treuepflichten, etc., durchaus noch vergleichbar mit der Kom­ plexität einer arbeitsvertraglichen Beziehung, die neben den Hauptleistungs­ pflichten auch eine Vielzahl an (gesetzlichen) Nebenpflichten wie den Orga­ nisationspflichten, Verpflichtungen in Bezug auf Nebenbeschäftigungen oder Arbeitsschutzmaßnahmen in sich trägt. Anders mag sich dies jedoch im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen zu Dritten darstellen, die, wie bereits angesprochen, bei Bestimmung der Komplexität einer Rückabwicklung bzw. den Auswirkungen der ex tunc erfolgenden Rechtswirkung nach § 142 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen sind. Die Gesellschaften und dabei insbesondere, die auf die Führung eines Han­ delsgewerbes ausgerichteten Gesellschaften, zeichnen sich durch eine starke Involvierung im Rechtsverkehr aus. Im Konkreten geht es dabei zwar haupt­ sächlich um Rechte und Verpflichtungen mit dritten Vertragspartnern, die an­ ders als die zusätzlichen Verknüpfungen bei Arbeitsverträgen zum Staat und den Krankenkassen auf den ersten Blick eine übersichtlichere Rückabwick­ lung ermöglichen. Dieser erste Eindruck täuscht jedoch. So kann grundsätz­ lich auch eine Gesellschaft im Rechtsverkehr als Arbeitgeber auftreten und die Beziehungsstruktur zum Vertragspartner an Komplexität gewonnen haben. Dies soll hier jedoch nicht betont werden, sondern vielmehr die Auswirkungen der ex tunc-Rechtsfolge im Rechtsverkehrs allgemein. So ist festzuhalten, dass bei Gesellschaftsverträgen und einer Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB in den meisten Fällen der Rechtsverkehr im Gesamten schon quantitativ stär­ ker beeinträchtigt ist, als es bei einem Arbeitsverhältnis und deren Anfechtung der Fall ist. Hinzu kommt, dass die ex tunc-Beseitigung einer Gesellschaft für deren Vertragspartner eine erhebliche, mit Haftungsfragen durchzogene Rechtsunsicherheit aufwirft, die bei gleichzeitiger absoluter Schutzwürdigkeit des für die Anfechtung nicht ursächlichen Dritten eingerechnet werden muss.270 Beim Gesellschaftsvertrag kann daher der Gedanke entstehen, dass durch die enorme Involvierung unbeteiligter Dritter und damit des Rechtsver­ kehrs, die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB an dieser Stelle im Gesamtplan der Rechtsordnung und insbesondere im Vergleich zu anderen Rechtsverhält­ nissen auffällig ist und möglicherweise korrekturbedürftig sein könnte.271 Da­ 270  BGH,

Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268). in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, §§ 142–144 Rn. 15. 271  Schermaier,



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse215

bei findet sich an dieser Stelle auch ein dogmatisch konkret begründeter An­ knüpfungspunkt für diese These, die sich jedenfalls von dem einfachen Vor­ wurf an die strenge Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB mit Blick auf die Kon­ zeption der Anfechtung freimachen kann, und in der Folge einer besonderen Würdigung mit Blick auf die Konsequenzen der ex tunc-Rechtsfolge und Rückabwicklung bedarf.272 5. Rechtspraxis: Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB Die Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB erfasst unstrittig auch Willens­ erklärungen, die auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags gerichtet sind oder in dessen Zusammenhang abgegeben werden.273 Dennoch sieht die Rechtsprechung auch bei in Vollzug gesetzen Gesellschaftsverträgen in be­ stimmten Fällen eine Restriktion der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB auf eine Wirkung ex nunc vor.274 Im Einzelnen handelt es sich dabei um Willens­ erklärungen zur Gründung einer Gesellschaft und zu Vereinbarungen über den Beitritt oder das Ausscheiden eines Gesellschafters.275 Dogmatisch wird sich dabei, ähnlich wie bei den Arbeitsverhältnissen auch, auf ein fehlerhaf­ tes Gesellschaftsverhältnis gestützt.276 a) Rechtsfolgen der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB im Einzelnen Die Rechtsfolgen der Anfechtung von Willenserklärungen nach § 142 Abs. 1 BGB sind im Gesellschaftsrecht von Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich behandelt, sondern es wird in Bezug auf die jeweilige Gesell­ schaftsform und den Inhalt der Willenserklärung unterschieden.

272  Hierzu

vergleiche Kapitel 4 B. II. 2. c). in: Michalski/Heidinger/Leible/ders. (Hrsg.), GmbH-Gesetz, 3. Auf­ lage 2017, § 2 Rn. 129; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 19, 42. 274  Busche, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 142 Rn. 19; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (431). 275  Busche, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 142 Rn. 19; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 32; vgl. Kapitel 3 B. II. 5. d). 276  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 324; Schöne, in: Bamber­ ger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 91. 273  Schmidt,

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

aa) Anfechtungsfolgen bei der GbR (§ 705 BGB) Nach Entstehung der Gesellschaft ist die Rechtsfolge der Anfechtung ge­ mäß § 142 Abs. 1 BGB jedenfalls von Willenserklärungen, die auf die Grün­ dung der GbR, den Beitritt oder das Ausscheiden eines Gesellschafters einer solchen abzielen, eine ex nunc wirkende Nichtigkeit.277 Die Gesellschaftsbe­ ziehung ist rückwirkend als voll wirksam zu behandeln, während die Anfech­ tungserklärung als Geltendmachung des Mangels in Form einer außerordent­ lichen Kündigung gemäß § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB verstanden wird, die eine Abwicklung der Gesellschaft nach den allgemeinen Liquidationsvorschriften gemäß §§ 730 ff. BGB zur Folge hat.278 Als Grund für die außerordentliche Kündigung ist der Nichtigkeitsgrund selbst anerkannt.279 Die Wirksamkeit der Gesellschaft für die Vergangenheit betrifft sowohl das Innen- als auch das Außenverhältnis.280 Letzteres ist nicht von der Beziehung der Gesell­ schafter untereinander zu trennen, da die Gesellschaft ein rechtsfähiger Per­ sonenverband ist, der sich nicht in unterschiedliche Teile mit verschiedener Rechtswirkung aufteilen lässt.281 bb) Anfechtungsfolgen bei der OHG (§ 105 HGB) und KG (§ 161 HGB) Auch bei der OHG und der KG hat die Rspr. die ex tunc-Nichtigkeitsfolge der Anfechtung nach Eintragung (str.; jedenfalls nach Ingangsetzung und Tätigkeit der Gesellschaft nach außen) der Gesellschaft verneint.282 Rechts­ folge sei vielmehr, dass die OHG bzw. KG als fehlerhafte Gesellschaft nach innen und außen als wirksam zu behandeln ist.283 Grund hierfür sei wiede­ rum die schlichte Unangemessenheit der Rückgängigmachung der Ergebnisse 277  Kindler, Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, 8. Auflage 2016, § 10 Rn.  33 f.; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 342. 278  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 342, 345 f., 368; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 705 Rn. 91 f.; zur Geltendmachung vgl. auch Kapitel 3 B. II. 5. e). 279  BGH, Urteil vom 24. Oktober 1951 – II ZR 18/51, NJW 1952, 97 (98). 280  BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377); BGH, Urteil vom 19. Dezember 1974 – II ZR 27/73, NJW 1975, 1022 (1024); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 343; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Pos­ eck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 91. 281  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 343. 282  RG, Urteil vom 13. November 1940 – II 44/40, RGZ 165, 193 (203 ff.); Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 75, 82; Schmidt, in: MüKo HGB, 4. Auflage 2016, § 105 Rn. 233, 236; Grunewald, in: MüKo HGB, 3. Auflage 2012, § 161 Rn. 43. 283  Schmidt, in: MüKo HGB, 4. Auflage 2016, § 105 Rn. 232 f.; Roth, in: Baum­ bach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 75.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse217

der vertragsmäßigen Zusammenarbeit und damit der Bestandsschutz der Ge­ sellschaft.284 Die Fehlerhaftigkeit kann jedoch von Gesellschaftern auch hier für die Zukunft im Wege der Gestaltungsklage, d. h. der Auflösungsklage nach § 133 HGB, geltend gemacht werden, bei der die Mangelhaftigkeit der betroffenen Willenserklärung als wichtiger Grund aufgeführt wird und es zu einer Auseinandersetzung der Gesellschaft gemäß §§ 145 ff. HGB kommt.285 cc) Anfechtungsfolgen bei der stillen Gesellschaft (§ 230 HGB) Nach Meinung der Rspr. ist die Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Willenserklärungen zur Beteiligung eines stillen Gesellschafters an einer atypischen sowie typischen stillen Gesellschaft, in ihrer Rechtsfolge, im Grundsatz auf eine Wirkung ex nunc zu beschränken.286 Denn diese ver­ kürzte Anwendung der Norm des § 142 Abs. 1 BGB gehöre mittlerweile zum gesicherten Bestand des Gesellschaftsrechts.287 So kann auch beim gestal­ tungsfreundlichen Gesellschaftsvertrag der stillen Gesellschaft keine Abhän­ gigkeit vom Einzelfall begründet werden, ohne die Rechtssicherheit übermä­ ßig zu belasten.288 Außerdem wird vom BGH ausgeführt, dass es unbillig ist, den Geschäftsinhaber bei entgegenstehendem Willen der Gesellschafter je nach wirtschaftlichem Erfolg des Handelsgeschäfts nur allein zu belasten oder zu bevorteilen.289 Die innere Organisation der stillen Gesellschaft wird für die Vergangenheit daher nach dem fehlerhaften Gesellschaftsvertrag be­ stimmt.290 Dagegen differenziert ein Großteil der Lehre zwischen typischer und atypischer stiller Gesellschaft und der Frage, ob die betroffene stille Gesellschaft mitgliedschaftlich und damit verbandsrechtlich aufgebaut ist.291 Im Außenverhältnis besteht mangels Auftretens der stillen Gesellschaft näm­ 284  Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 77. 285  BGH, Urteil vom 24. Oktober 1951 – II ZR 18/51, NJW 1952, 97 (98); Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 88, 90. 286  BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377); BGH, Urteil vom 18. April 2005 – II ZR 224/04, NJW-RR 2005, 1217 f.; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 358. 287  BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377); Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421. 288  BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377). 289  BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377). 290  BGH, Urteil vom 30. März 1967 – II ZR 102/65, NJW 1967, 1961 (1962); Hoffmann-Theinert, in: Häublein/ders. (Hrsg.), BeckOK HGB, 22. Edition, 15. Okto­ ber 2018, § 230 Rn. 59. 291  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 358a; Schmidt, „Fehler­ hafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (432 f).

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

lich kein Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs.292 Übereinstimmend wird von Rspr. und Lehre zwischen mangelhaften und mangelfreien Vertragsbestand­ teilen unterschieden und Erstere im Wege einer vertragserhaltenden Reduk­ tion beseitigt.293 Diese ausschließliche Ersetzung mangelhafter Vertragsrege­ lungen mit dem Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen sei als eine Weiterführung des Grundsatzes der fehlerhaften Gesellschaft zu verstehen, da ohne diese Modifikation eine untragbare Vertragssituation für die Parteien festgehalten werden würde.294 Die Auflösung und Auseinandersetzung der Gesellschafter richten sich dann nach § 235 HGB.295 Eine Rückabwicklung der Beteiligung durch Schadensersatzansprüche ist dementsprechend nicht vorgesehen.296 Der BGH bejaht aber mittlerweile neben seinem Abfindungs­ anspruch einen darüber hinausgehenden Schadensersatzanspruch des stillen Gesellschafters bei pflichtwidrigem Verhalten des Geschäftsherrn.297 Ganz anders wiederum wurde noch auf die fehlerhafte Gesellschaft und einen Grundsatz verzichtet, soweit der Inhaber des Handelsgeschäfts gleichzeitig verpflichtet ist, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht beigetreten wäre.298 b) Nichtigkeit von Kapitalgesellschaften aa) Nichtigkeit der AG (§ 1 AktG), KGaA (§ 278 AktG) Da die AG erst mit Eintragung die Form einer GbR bzw. im Fall der Ein­ mann-AG die Form einer Gesellschaft im weiteren Sinne verlässt und die Eintragung im Handelsregister keine Willenserklärung für sich darstellt, die nach den Regeln der §§ 142 ff. BGB angefochten werden kann, bezieht sich die Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags der Vorgründergesellschaft bzw. der Vorgesellschaft nicht auf die AG als juristische Person selbst, da die Vor­ 292  Schäfer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 359. Urteil vom 30. März 1967 – II ZR 102/65, NJW 1967, 1961 (1963); Hoffmann-Theinert, in: Häublein/ders. (Hrsg.), BeckOK HGB, 22. Edition, 15. De­ zember 2018, § 230 Rn. 59. 294  BGH, Urteil vom 30. März 1967 – II ZR 102/65, NJW 1967, 1961 (1963). 295  Hoffmann-Theinert, in: Häublein/ders. (Hrsg.), BeckOK HGB, 22. Edition, 15. Dezember 2018, § 230 Rn. 60. 296  OLG Brandenburg, Urteil vom 22. Juli 2015 – 7 U 48/14, BeckRS 2015, 15386; Hoffmann-Theinert, in: Häublein/ders. (Hrsg.), BeckOK HGB, 22. Edition, 15.  Dezember 2018, §  230 Rn.  60; vgl. hierzu aber auch BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 354/02, NZG 2004, 961 (962). 297  BGH, Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 383/12, NJW-Spezial 2013, 751 (752). 298  BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 354/02, NZG 2004, 961 (962). 293  BGH,



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse219

gründergesellschaft mit Eintragung ins Handelsregister zur AG beendet ist, ohne dass es einer Liquidation bedarf und die AG dennoch in alle Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft eintritt.299 Mit Eintragung gelten für eine mögliche Nichtigkeit der Satzung dann die Sondervorschriften zur AG nach §§ 275 ff. AktG, die im Wege der Klage nach § 275 Abs. 1 AktG geltend zu machen ist.300 Wirkung der Nichtigkeit gemäß § 277 Abs. 1 AktG ist dann die Anwendung der Abwicklungsvorschriften bei Auflösung der AG nach den §§  264 ff. AktG.301 Gleiches gilt gemäß § 278 Abs. 3 AktG für die Nich­ tigkeit eines Gesellschaftsvertrags bzw. Satzung der KGaA nach § 278 AktG, wobei für die Rechtsfolge die Abwicklungsvorschriften als Spezialregelun­ gen nach §§ 289 f. AktG von Relevanz sind.302 bb) Nichtigkeit der GmbH und Genossenschaft Ähnlich wie bei den Ausführungen zu den Gesellschaften auf Aktien, ist auch bei der GmbH und der Genossenschaft die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB des allgemeinen Teils als Mittel zur Beseitigung der juristischen Personen ausgeschlossen und die Spezialvorschriften nach §§ 75 ff. GmbHG und §§ 94 ff. GenG sind zu beachten. Rechtsfolge ist gemäß § 77 Abs. 1 GmbHG bzw. § 97 Abs. 1 GenG (insoweit wortgleich) wiederum die Ab­ wicklung nach den Auflösungsvorschriften. c) Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft Bereits das Reichsgericht hatte in seiner frühen Rechtsprechung aus Gläu­ bigerschutzgründen eine fehlerhaft entstandene GbR nach dessen Involl­ zugsetzung im Außenverhältnis als wirksam angesehen.303 Später wurde dies dann auf das Innenverhältnis ausgeweitet, da der Gesellschafter nicht schlichtweg das in die Gesellschaft Eingebrachte zurückfordern, sondern nur im Wege der Auseinandersetzung den sich für ihn ergebenden Überschuss herausverlangen könne.304 Ähnlich wie beim fehlerhaften Arbeitsverhältnis 299  Pentz,

in: MüKo AktG, 4. Auflage 2016, § 41 Rn. 9. in: Hölters (Hrsg.), AktG, 3. Auflage 2017, § 275 Rn. 11. 301  Koch, in: MüKo AktG, 4. Auflage 2016, § 277 Rn. 1; Weller/Prütting, Han­ dels- und Gesellschaftsrecht, 9. Auflage 2016, § 7 Rn. 185. 302  Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 219. 303  RG, Urteil vom 12. Februar 1902 – I 333/01, RGZ 51, 33 (36 ff.); RG, Urteil vom 12. Juni 1911 – II 67/11, RGZ 76, 439 (441); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 705 Rn. 324; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Ver­ bandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (425). 304  RG, Urteil vom 13. November 1940 – II 44/40, RGZ 165, 193 (202); Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (425). 300  Hoffmann,

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

werden ein fehlerhafter Vertragsschluss, die Invollzugsetzung der Gesell­ schaft sowie kein Bestehen besonders schützwürdiger Interessen vorausge­ setzt, um die Begründung einer unvernichtbaren Rechtsbeziehung im Gesell­ schaftsrecht annehmen zu können (sog. „fehlerhafte Gesellschaft“).305 Be­ gründet wurde die fehlerhafte Gesellschaft in der Rechtsprechung mit einer Interessenabwägung, die einerseits den Verkehrsschutz im Sinn hat, der sich bereits aus Rechtsscheingesichtspunkten ergibt, andererseits die Gesellschaf­ ter selbst durch einen Bestandsschutz vor der ungewünschten Rückabwick­ lung und einem Wettrennen der Ansprüche untereinander bewahren sollte.306 In der Lehre scheiden sich als Begründungsversuche verschiedene Ansich­ ten.307 Ein Meinungsbild beschränkt sich für mangelhafte und in Vollzug gesetzte Gesellschaftsverträge auf die Ungeeignetheit des Bereicherungs­ rechts und sieht, parallel zur Rechtsprechung, darin allein eine Begründung für die Lehre der fehlerhaften Gesellschaft (sog. „Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen“).308 Daneben ist nach der h. L. die fehlerhafte Gesellschaft in der einverständlichen Schaffung von Gesamthandsvermögen und Gesellschaftsorganen begründet.309 Durch den Vollzug sei ein gesell­ schaftliches Organisationsgebilde geschaffen, das über die inneren Grenzen der Gesellschafter hinausgeht und von diesen nicht mehr ex tunc beseitigt werden kann (sog. „Lehre von der Doppelnatur“).310 Die Invollzugsetzung 305  Übersicht bei Weller/Prütting, Handels- und Gesellschaftsrecht, 9.  Auf­ lage 2016, § 7 Rn. 184 ff.; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 326; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (423 f.); Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 705 Rn. 82 f.; Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 63. 306  BGH, Urteil vom 30. September 1982 – III ZR 58/81, NJW 1983, 748; BGH, Beschluss vom 05. Mai 2008 – II ZR 292/06, BeckRS 2008, 8818; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 347; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allge­ meines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (424); Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/ Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 85; Schermaier, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, §§ 142–144 Rn. 15. 307  Kurze Übersicht bei Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 348. 308  Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 86; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 349. 309  Vgl. hierzu insbesondere Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 990 f.; Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 88; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 354. 310  Kindler, Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, 8. Auflage 2016, § 10 Rn. 35; Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 63; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 354; zur Bildung eines Organisations- und Organgebilde vgl. auch Schürnbrand, Noch einmal: Das fehlerhaft bestellte Auf­ sichtsratsmitglied, NZG 2013, 481 (482).



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse221

wird daher als Ausschluss der Nichtigkeitsgeltendmachung oder bereits als Heilung des Mangels verstanden.311 Im Einzelnen ist als Voraussetzung für den fehlerhaften Vertragschluss auch bei der fehlerhaften Gesellschaft eine Einigung vorausgesetzt, die eine faktische Gesellschaft ausschließt, wobei eine Fehlerbeseitigung durch In­ vollzugsetzung der Gesellschaft unter Kenntnis des Mangels mit zu beachten ist.312 Entscheidend für den Vollzug als Entstehungskriterium der fehlerhaf­ ten Gesellschaft ist es dagegen, dass die Gesellschaft auch nach außen schon ihre Tätigkeit aufgenommen hat, weshalb eine bloße Einlagenleistung und Vorhandensein in natura im Gesellschaftsvermögen nicht ausreichen kann, um den Vollzug zu bejahen.313 Vorbereitungshandlungen seien jedoch eben­ falls zu berücksichtigen.314 Denn wie schon bei den Existenzvoraussetzungen im Einzelnen erwähnt, erhält die (Außen-) Gesellschaft erst mit Geschäftsbe­ ginn gemäß § 123 Abs. 2 HGB ihre Wirksamkeit.315 Keine Notwendigkeit der Begründung einer fehlerhaften Gesellschaft ist gegeben, wenn nur Teile eines Gesellschaftsvertrags oder bestimmte Klauseln unwirksam sind, die den Bestand der, die Rückwirkung ausschließenden, Gesellschaftsorganisa­ tion aber unberührt lassen.316 In solchen Fällen ist einerseits von der Rest­ wirksamkeit des Vertrags auszugehen, andererseits ist es dann nicht gerecht­ fertigt, dass einzelnen Gesellschaftern die Möglichkeit geboten wird, sich auf unwirksame Klauseln berufen zu können.317 d) Vorrang schutzwürdiger Interessen Die Grenze der fehlerhaften Gesellschaft und deren Beschränkung des § 142 Abs. 1 BGB auf eine ex nunc wirkende Rechtsfolge ist der allgemein bezeichnete Vorrang schutzwürdiger Interessen.318 Ähnlich zu den Arbeits­ 311  Schäfer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 354. in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 64; Schöne, in: Bam­ berger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 84; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 327, 357; Kindler, Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, 8. Auflage 2016, § 10 Rn. 37. 313  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 331; Schöne, in: Bamber­ ger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 85; zu Teilen a. A. Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Ver­ bandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (441). 314  Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 66. 315  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 2, 331. 316  BGH, Urteil vom 14. April 1969 – II ZR 142/67, NJW 1969, 1483; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 330, 344. 317  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 330, 344. 318  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 705 Rn. 86; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 312  Habermeier,

222

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

verträgen sind hier im Einzelnen die Schutzvorschriften zu Gunsten nicht voll geschäftsfähiger Personen sowie die Grenzen der §§ 134, 138 BGB zu nennen, wobei Letzteres in Literatur und auch Rechtsprechung angezweifelt wird.319 So ist nach h. M. für den Fall, dass der Gesellschaftszweck aufgrund nicht erfüllter gesetzlicher Voraussetzungen oder dem Verstoß gegen Kartell­ verbote wie § 1 GWB320 oder § 101 AEUV321 zur Nichtigkeit der Gesell­ schaft führt, von der Annahme einer fehlerhaften Gesellschaft Abstand zu nehmen.322 Ebenso bei der nach § 134 BGB nichtigen stillen Beteiligung ei­ nes Nichtapothekers an einer Apotheke mit Gewinnverteilungsabrede und gleichzeitiger persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Erlaubnis­ inhabers.323 Die Gegenansicht sieht in der Nichtexistenz und Parteiunfähig­ keit hingegen keine angemessene Lösung der Gesetzesverstöße, insbesondere im Hinblick auf die benachteiligten Gläubiger sei die Berufung auf den Schutz der Allgemeinheit verkannt.324 Umstritten ist auch der Umgang mit Willenserklärungen von zumindest beschränkt geschäftsfähigen Personen zur Gründung oder dem Beitritt zu einer Gesellschaft.325 Die h. M. sieht stets eine Nichtigkeit gemäß § 108 Abs. 1 BGB bei fehlender Genehmigung vor, wohingegen die Gegenansicht Rn. 332; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (442); Kindler, Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, 8. Auf­ lage 2016, § 10 Rn. 42 ff. 319  BGH, Versäumnisurteil vom 23. Juli 2013 – II ZR 143/12, NJW-RR 2013, 1373 (1374); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 332; Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 68  f.; Schöne, in: Bamberger/Roth/ Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 87 m. w. Nw. 320  Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 27. Juli 1957, BGBl. I S. 1081, zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Oktober 2017, BGBl. I S. 3618, 3823. 321  Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vom 1. De­ zember 2009, ABl. EG Nr. C 115 vom 9. Mai 2008, S. 47, zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Eu­ ropäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemein­ schaf vom 1. Juli 2013, ABl. EU L 112/21 vom 24.4.2012, S. 24. 322  BGH, Urteil vom 25. März 1974 – II ZR 63/72, NJW 1974, 1201 (1202); BGH, Urteil vom 24. September 1979 – II ZR 95/78, NJW 1980, 638 (639); OLG Köln, Urteil vom 1. August 2013 – 18 U 29/13, DStR 2013, 2594 (2595); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 334 m. w. Nw.; Schmidt, „Fehlerhafte Gesell­ schaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (422). 323  BGH, Urteil vom 24. September 1979 – II ZR 95/78, NJW 1980, 638. 324  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 334; Schmidt, „Fehler­ hafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (448). 325  Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. September 1982 – III ZR 58/81, NJW 1983, 748; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 337.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse223

einen ausreichenden Schutz nach § 1629a Abs. 1 Satz 1 BGB und § 723 Abs. 1 BGB bejaht und auch bei einer Beteiligung von beschränkt geschäfts­ fähigen Personen eine fehlerhafte Gesellschaft annimmt.326 Eine Verallge­ meinerung bietet sich an dieser Stelle jedenfalls nicht an, zudem auch immer zwischen dem subjektiven Schutz des Minderjährigen und der fehlerhaften Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern zu trennen ist.327 Anders als bei der Anfechtung von Arbeitsverträgen hält die neue Recht­ sprechung im Gesellschaftsrecht auch bei Anfechtungsgründen nach § 123 BGB an der fehlerhaften Gesellschaft und damit der ex nunc-Rechtsfolgen­ beschränkung von § 142 Abs. 1 BGB fest.328 Dem getäuschten, bedrohten oder sittenwidrig übervorteilten und damit anfechtungsberechtigten Gesell­ schafter müsse unbeschränkter Schutz nach § 142 Abs. 1 BGB in Form der ex tunc-Befreiung von seiner Willenserklärung, insbesondere mit Blick auf das Außenverhältnis, nicht zu Teil werden.329 Vielmehr seien Schadensersatz­ ansprüche im Innenverhältnis und die Möglichkeit der Vertragsanpassung als ausreichend zu bewerten.330 Als Fall einer zwingenden ex tunc-Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB wird wiederum die Konstellation des § 1365 Abs. 1 BGB diskutiert, die die Beteiligung eines Ehegatten an einer Gesellschaft mit dem Vermögen im Ganzen ohne erforderliche Zustimmung des anderen Ehegatten behandelt.331 Als Grund für die Berücksichtigung ist der unbedingte Schutz der wirtschaft­ lichen Familiengrundlage angeführt, der nach einer Meinung zur Beschrän­ kung des Models der fehlerhaften Gesellschaft, nach anderer Meinung über

326  BGH, Urteil vom 30. April 1955 – II ZR 202/53, NJW 1955, 1067 (1069); BGH, Urteil vom 30. September 1982 – III ZR 58/81, NJW 1983, 748; a. A. Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 337; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/ Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 88. 327  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (442 f.). 328  BGH, Urteil vom 19. Dezember 1974 – II ZR 27/73, NJW 1975, 1022 (1024); BGH, Urteil vom 25. April 2006 – XI ZR 106/05, NJW 2006, 1955 (1957); BGH, Urteil vom 3. Dezember 2013 – XI ZR 295/12, NJW 2014, 1098 (1100 f.); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 340; ebenso Roth, in: Baumbach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 80. 329  Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 70; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 340; vgl. auch Schmidt, „Fehlerhafte Gesell­ schaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (445 f.). 330  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 705 Rn. 90; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 340; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (446); Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 70. 331  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 341.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

die Unwirksamkeit der Einlageverpflichtung sowie einer möglichen Verfü­ gung gemäß § 1365 Abs. 1 Satz 2 BGB gelöst wird.332 e) Fehlerhafte Änderungen des Gesellschaftsvertrags Allgemein ist die Anwendung der fehlerhaften Gesellschaft auf Änderung des Gesellschaftsvertrags anzuerkennen, soweit sich die Vertragsänderung auf die Gesellschaftsorganisation erstreckt.333 Der Beitritt oder das Aus­ scheiden eines Gesellschafters und die Gründung einer Gesellschaft werden in diesem Sinne von der Rspr. stets mit der gleichen Rechtswirkung verse­ hen, da der Status der Gesellschaft betroffen ist und eine Änderung des Ge­ sellschaftsvertrags im Raum steht.334 So ist das Ausscheiden auf Grund fehlerhaften Vertrags nur das Spiegelbild eines fehlerhaften Eintritts in die Gesellschaft oder einer fehlerhaften Gründung.335 Davon zu unterscheiden ist die Rechtsnachfolge in die Mitgliedschaft auf­ grund Todes wegen oder unter Lebenden.336 Im Falle des Scheinerbens nach Tod eines Gesellschafters stellt sich eine reine Rechtsscheinproblematik in Bezug auf den öffentlichen Glauben an den Erbschein gemäß § 2367 BGB dar, die sich von einer fehlerhaften Gesellschaft schon mangels Willenserklä­ rung denkbar weit entfernt.337 Gleiches gilt bei der Nachfolgeklausel; anders wiederum, wenn aufgrund einer Eintrittsklausel nach Tod eines Gesellschaf­ ters eine andere Person in die Gesellschaft eintritt.338 Bei der Übertragung von Mitgliedschaften unter Lebenden ist im Falle der Anfechtbarkeit der Gesellschaftsvertrag ebenso selbst nicht fehlerhaft, sondern nur der Übertra­ 332  Schäfer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 341. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1973 – II ZR 53/72, NJW 1974, 498 (501); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 361 f.; Roth, in: Baum­ bach/Hopt (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, § 105 Rn. 91 ff.; Schmidt, in: MüKo HGB, 4. Auflage 2016, § 105 Rn. 248; Flume, Allgemeiner Teil des Bür­ gerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 29. 334  BGH, Urteil vom 14. April 1969 – II ZR 142/67, NJW 1969, 1483; Hadding/ Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 91; vgl. hierzu u. a. krititisch Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. No­ vember 2018, § 705 Rn. 93. 335  BGH, Urteil vom 14. April 1969 – II ZR 142/67, NJW 1969, 1483; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 362; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/ Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 94 f. 336  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (436 f.). 337  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (437); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 376. 338  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (437 f.). 333  Vgl.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse225

gungsakt, weshalb eine Anwendung der Regeln zur fehlerhaften Gesellschaft auf den Gesellschaftsvertrag selbst ohne Relevanz ist und grundsätzlich aus­ zuscheiden hat.339 Dies gilt auch bei der GbR unter Beachtung der Norm des § 719 Abs. 1 BGB, die vorschreibt, dass bei der Übertragung zwei Rechtsge­ schäfte in Form des Austritts des ursprünglichen Gesellschafters und Eintritts des neuen unterschieden werden müssen und eine Vereinbarung mit den üb­ rigen Gesellschaftern verlangt wird (sog. „Doppelvertrag“).340 Erst recht bei der Übertragung von Anteilen einer Publikumsgesellschaft, die meist schon in der Satzung legitimiert ist.341 Denn aus der unwirksamen Anteilsveräuße­ rung ergeben sich keine besonderen Rückabwicklungsschwierigkeiten, ebenso wie sich im Außenverhältnis nach dem Rechtsgedanken der §§ 413, 409, 407 BGB keine Rechtsunsicherheit einstellt, da Rechtshandlungen von und gegenüber dem Scheingesellschafter voll wirksam sind.342 f) Geltendmachung des Mangels einer Willenserklärung Wie bei den jeweiligen Anfechtungsfolgen bereits angesprochen ist die Geltendmachung des Vertragsmangels im Einzelnen von der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB und seiner Erklärung nach § 143 BGB losgelöst und in die verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Regularien einsortiert. Bei den Handelsgesellschaften sind dabei die Ausschlussklage nach § 140 HGB so­ wie die Auflösungsklage nach § 133 HGB von Relevanz, wohingegen bei der GbR die außerordentliche Kündigung nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB heran­ gezogen wird.343 Als wichtiger Grund fungiert insoweit allein die Existenz des Vertragsmangels selbst.344 Die Auflösung der Gesellschaft erfolgt dann nach den jeweiligen Liquidationsregelungen.345

339  BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 84/13, NJW 2015, 859 (863); Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (438); zur Relevanz von § 16 GmbHG vgl. dann aber Pentz, Anmeldung und Anfechtung des Geschäftsanteilserwerbs, DStR 2006, 855 (856 f.). 340  Schäfer, in: MüKo BGB, 7.  Auflage 2017, § 705 Rn. 373, § 719 Rn. 17; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (439). 341  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 96. 342  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 374. 343  Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 67; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 345. 344  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 54, 345. 345  Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 67.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

g) Auswirkung auf das Rechtsverhältnis der übrigen Gesellschafter Die Anfechtung einer Willenserklärung zur Gründung oder des Beitritts gemäß § 142 Abs. 1 BGB durch einen Gesellschafter (sog. „Subjektive Teilnichtigkeit“) ist vom Bestand der Gesellschaft als Rechtsverhältnis zwischen den übrigen Gesellschaftern zu trennen.346 Die Anwendung der Lehre zur fehlerhaften Gesellschaft ist daher nur dann von Bedarf, wenn der Mangel sich auf den gesamten Gesellschaftsvertrag erstreckt, eine Fortsetzungsklau­ sel oder ähnliche Absprache zwischen den Gesellschaftern fehlt und sich eine Aufrechterhaltung des Gesellschaftsvertrags auch nicht aus sonstigen Um­ ständen ergibt.347 Dies hat mithin auch entscheidende Auswirkung für die Diskussion um die Rechtsfolge der Anfechtung allgemein. So ist bei einem Fortbestehen des Gesellschaftsvertrags unter den bisherigen Gesellschaftern ein Haftungsrisiko für den Vertragspartner meist geringer, was einer ex tuncAbwicklung der Anfechtung der einzelnen Willenserklärung zuspricht und in der Lösungsfindung bei der Anfechtung von Gesellschaftsverträgen zumin­ dest als Rahmenbedingung berücksichtigt werden muss.348

III. Mietvertrag (§ 535 BGB) Der Mietvertrag nach § 535 BGB, der neben dem Arbeits- und Gesell­ schaftsvertrag nach § 611a BGB bzw. § 705 BGB eines der wohl typischsten Dauerschuldverhältnisse ist, beinhaltet als Primärleistungen in Form eines „einfach strukturierten synallagmatischen Austauschverhältnisses“ die Ge­ brauchsüberlassung einer Mietsache durch den Vermieter nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB und dessen Mangelfreiheit und Instandhaltung bzw. Instandset­ zung nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie die Lastentragung in § 535 Abs. 1 Satz 3 BGB gegen Zahlung der Miete durch den Mieter gemäß § 535 Abs. 2 BGB.349 Die Entstehung des Mietvertrags nach § 535 BGB ist, wie beim Arbeitsvertrag nach § 611a BGB, ohne besondere Voraussetzungen formfrei 346  Schäfer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 339. Urteil vom 10. Dezember 1973 – II ZR 53/72, NJW 1974, 498 (501); Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 65; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 339. 348  Vgl. Kapitel 3 B. II. 5. c). 349  BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268); Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 1, 144; Zehelein, in: Bamber­ ger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 190; zur Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht vgl. ausführlich Specht, in: Schach/Schultz/Schüller (Hrsg.), BeckOK Mietrecht, 14. Edition, 1. Dezember 2018, § 535 Rn. 4400 ff.; Blank, in: ders./Börstinghaus (Hrsg.), Miete, 5. Auflage 2017, § 535 Rn. 345 ff. 347  BGH,



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse227

(Ausnahme: § 550 BGB, § 578 BGB) durch überstimmende Einigung in Form von Angebot und Annahme gemäß §§ 145, 147 BGB über die wesent­ lichen Vertragsbestandteile, d. h. Vertragsparteien, Mietobjekt, Mietdauer so­ wie Mietpreis möglich.350 Im Mietrecht der §§ 535 ff. BGB ist entscheidend zwischen dem Wohn­ raummietrecht gemäß §§ 549 ff. BGB und dem gewerblichen Mietrecht nach §§ 578 ff. BGB zu unterscheiden, da die häufig vorgebrachte, mit dem Ar­ beitsvertrag vergleichbare, Schutzbedürftigkeit nur den ersten Bereich nach­ drücklich erfasst.351 Daneben ist von Relevanz, dass sich im Mietrecht eine Einschränkung der Privatautonomie vollzieht, die sowohl den Kontrahie­ rungszwang enthalten kann, als auch die Gestaltungsfreiheit betrifft.352 Erste­ res ist jedoch mit Vorsicht zu erwähnen, da selbstredend auch im Mietrecht die Privatautonomie eine gewichtige Bedeutung inne hat und nur im Falle einer Monopolstellung des Vermieters und einer besonderen Schutzbedürftig­ keit, d. h. Abhängigkeit des Mieters vom Wohngegenstand im konkreten Fall, ein Kontrahierungszwang bestehen kann, soweit dem Vermieter keine sach­ lichen Gründe zur Seite stehen.353 Ähnlich kann ein solch mittelbarer Zwang entstehen, wenn der Vermieter Wohnungsbaumittel oder eine Förderung im Rahmen einer sozialen Wohnraumförderung erhalten hat, wobei in diesen Fällen eine direkte Verbindung zum Mietvertrag nach § 535 BGB fehlen dürfte.354 Spricht man über die beschränkte Gestaltungsfreiheit, ist vorrangig das Wohnraummietrecht zu nennen, das aufgrund der Vielzahl an nicht und nur teilweise zur Disposition stehenden Schutznormen eine persönliche Aus­ gestaltung, insbesondere im Rahmen von AGB, nicht wirklich ermöglicht, weshalb in der Vertragsvereinbarung zumeist nur ein Verweis auf die gesetz­ lichen Regelungen zu finden sein wird.355 Daneben stehen Normen, wie 350  Specht, in: Schach/Schultz/Schüller (Hrsg.), BeckOK Mietrecht, 14. Edition, 1. Dezember 2018, § 535 Rn. 1; Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 3; Teichmann, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 535 Rn. 1; Heintzmann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2007, Vor. § 535 Rn. 48. 351  Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 151, 153, 184; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer (Hrsg.), Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 535 Rn. 220, 235. 352  Heintzmann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2007, § 535 Rn. 1; Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 5. 353  Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 6. 354  Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 258; Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 7. 355  Teichmann, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 535 Rn. 10; Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 29; Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Pos­ eck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 258; Lützen­ kirchen, in: ders. (Hrsg.), Mietrecht, 2. Auflage 2015, § 549 Rn. 9.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

§ 1558a Abs. 1 BGB (Überlassung der Ehewohnung bei Scheidung) oder § 563 BGB (gesetzliches Eintrittsrecht bei Tod), die für den Vermieter in Ausnahme sogar die Wahl des Vertragspartners einschränken.356 Bei Massen­ geschäften ist außerdem das Diskriminierungsverbot nach §§ 1, 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG357 zu beachten.358 1. Soziales Mietrecht Der Schutzbedürftigkeit des Mieters ist vom Gesetzgeber im Mietrecht der §§ 535 ff. BGB durch eine Reihe von Vorschriften besonders Rechnung ge­ tragen worden (sog. „soziales Mietrecht“), deren Leitlinie sich auch auf die Gerichte in Form einer grundsätzlich mieterfreundlichen Rechtssprechung übertragen hat.359 Im Einzelnen sind dabei insbesondere die Kündigungs­ regelungen im Wohnraumrecht zu nennen.360 Gemäß § 573 Abs. 1 BGB kann der Vermieter nämlich nur ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes In­ teresse an der Beendigung des Mietverhältnisses vorbringen kann. Nach § 574 BGB besteht für den Mieter sogar die Möglichkeit des Widerspruchs (sog. „Sozialklausel“).361 Dagegen steht dem Mieter bei unbefristeten Miet­ verhältnissen nach § 573c Abs. 1 BGB die ordentliche Kündigung ohne weitere Voraussetzungen zur Frist zu. Notwendig ist allerdings die Schrift­ form der Kündigung gemäß § 568 Abs. 1 BGB, die zum Zwecke der Rechts­ sicherheit und der Klarstellungsfunktion für den Adressaten selbst Erschei­ nung des sozialen Mietrechts ist.362 Daneben findet sich in den Regelungen nach §§ 557 Abs. 3, 558–560 BGB sowie gemäß §§ 557 Abs. 2, 557a, 557b BGB ein Schutz des Mieters vor unangemessenen Mieterhöhungen, der durch die Vorschriften nach § 291

356  Blank, in: ders./Börstinghaus (Hrsg.), Miete, 5. Auflage 2017, § 535 Rn. 241; Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 9 f.; Zehelein, in: Bamberger/ Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 199, 329. 357  Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006, BGBl. I S. 1897, 1910, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2013, BGBl. I S. 610. 358  Heintzmann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2007, § 535 Rn. 1. 359  Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 182. 360  Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 182. 361  Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 258. 362  Wöstmann, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edi­ tion, 1. November 2018, § 568 Rn. 2.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse229

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 5 WiStG363 und § 556d BGB bei schon vertrag­ lich zu hoch vereinbarter Miete ergänzt wird.364 2. Personenbezogene Qualität des Mietvertrags Der Mietvertrag gemäß § 535 BGB schafft im Wohnraummietrecht ein persönliches Verhältnis, das die Lebensumgebung und den privaten Bereich des Mieters mitunter definiert, jedenfalls geographisch mitbestimmt. Der Regelungsmaterie des Mietvertrags wird daher zu Teilen eine besondere per­ sonenbezogene Qualität zugesprochen, dessen Vertrauenstatbestand (sog. „Bestandsschutzinteresse des Mieters“) in der Gestaltung und Beendigung des Mietverhältnisses zu berücksichtigen sein soll.365 Die Rechtsprechung selbst räumt hingegen dem Mietvertrag einen solch prägenden Persönlich­ keitsbezug nicht ein und sieht gerade im Vergleich zum Arbeitsvertrag nach § 611a BGB keine weiter begründete Schutzbedürftigkeit, die sich bis auf die Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB durchschlagen könn­ te.366 Hierzu muss beipflichtend in jedem Fall angemerkt werden, dass dem Abschluss eines Mietvertrags nicht einfach die gesamten äußeren Gegeben­ heiten zugerechnet werden können, die den persönlichen Lebensbereich des Mieters charakterisieren. Würde man dies grenzenlos zulassen, könnte auch der einfache Kaufvertrag nach § 433 BGB an einer Eisdiele zu einem ausge­ prägten Bestandsschutz führen, nur weil der Käufer dort seine sozialen Kon­ takte pflegt. Ebenso kann auch bei nachbarschaftlichen Verbindungen man­ gels vertraglicher Verknüpfung nicht klar abgegrenzt werden, wie weit eine Zurechnung der Schutzbedürftigkeit erfolgen soll.367 Soll dies nur erfolgen, wenn man sich mit einer Vielzahl seiner Nachbarn gut versteht, diese eben­ falls eine längere Mietzeit beabsichtigen oder ist vielleicht eine Abgrenzung nach Intensität der Beziehungen vorzunehmen? Das Gleiche gilt für Fragen der Bewertung von anderen Umständen, die den Wohnort schützenswert er­ 363  Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) vom 9. Juli 1954, BGBl. I S. 175, zuletzt ge­ ändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018, BGBl. I S. 2648, 2649. 364  Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 184, 182; Emmerich, in: Staudinger BGB, Neu­ bear. 2018, § 556d Rn. 1. 365  Zusammenfassung bei BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268); Emmerich, Nichtigkeit und Anfechtung von Mietverträgen, NZM 1998, 692 (694 f.). 366  Ausdrücklich wieder BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268); vgl. auch Fischer, Anfechtung von Willenserklärungen im Miet­ recht, NZM 2005, 567 (570 f.). 367  Zur schuldrechtlichen Verbindung von Mietern vgl. auch Gramlich, Mietrecht, 14. Auflage 2018, § 535 Rn. 16.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

scheinen lassen, wie z. B. die Arbeitslage am Wohnort, die Lebensqualität vor Ort allgemein oder sonstige äußere Einflüssen, die eine persönliche Schutzbedürftigkeit bestimmen können. Aus der Vielzahl dieser Faktoren wird deutlich, dass die Zurechung personenbezogener Komponenten zum Mietvertrag die Gefahr in sich birgt, zu einer rechtsunsicheren Einzelfall­ rechtssprechung zu führen, die sich mit Blick auf Art. 20 Abs. 2, 3 GG von einer dogmatischen Grundlage entfernt, da eine umfassende Zurechnung in der Norm des § 535 BGB nicht angelegt ist. Bei der personenbezogenen Qualität des Mietverhältnisses sollten daher nur die Umstände abgebildet werden, die sich zweifellos aus dem Vertragsinhalt selbst ergeben. Nament­ lich die Bedeutung der Privatsphäre in den eigenen vier Wänden bzw. der Wohnung als Mittelpunkt des familiären Zusammenlebens. Auch hier ist dann jedoch die Relevanz des konkreten Mietgegenstands in Relation zu setzen, was den absolut schützenswerten Begriffen im Fall der Rückabwick­ lung von Mietverträgen nach § 142 Abs. 1 BGB deutlich die argumentative Durchschlagskraft nimmt. 3. Motive der Gesetzgebung zum Mietvertrag Die Materialien zur Gesetzgebung lassen an verschiedener Stelle die sozi­ alen Bemühungen des Gesetzgebers erkennen, die in der Folge meist zu einer Diskussion um die Beschränkung der Privatautonomie führten.368 Ein kon­ kreter Zweifel an der Anwendbarkeit der Anfechtungsvorschriften nach § 142 Abs. 1 BGB und deren Rechtsfolge ist jedoch nicht erwähnt, vielmehr wird auch an anderer Stelle auf die allgemeinen Vorschriften (konkret auf die Regelungen zur Unmöglichkeit nach § 275 BGB und den Verzug nach § 286 BGB) verwiesen. Der Gesetzgeber besteht ebenso aber auch nicht auf eine ex tunc-Nichtigkeit der Anfechtung bei Mietverträgen, was auch bei diesem Dauerschuldverhältnis die Möglichkeit der Rechtsfortbildung im Wege der Lückenschließung offen halten würde. Zur Vertragsstruktur nach § 535 BGB sind die Überlassung des Mietge­ genstands während der Mietzeit gegen Entrichtung der Miete, als wesentliche Pflichten des Vertrags, auch durch den Gesetzgeber als einfache Austausch­ pflichten abgebildet, wobei die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung damals noch nicht in § 535 BGB als Primärpflicht, sondern in § 536 BGB normiert war.369 Dieses Bild eines relativ einfach gestalteten Schuldverhält­ nisses wird durch die abschließend betonte Formfreiheit im Rahmen der Motive zu § 535 BGB abgerundet.370 Daneben drängt sich eine Rückab­ Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 874 f. Materialien, II. Bd. 1899, S. 205 ff. 370  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 207. 368  Bspw.

369  Mugdan,



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wicklungsproblematik im Falle der Nichtigkeit des Mietvertrags nach § 535 BGB auch nicht auf, da im Gewährleistungsrecht der Minderung bei zuviel gezahlter Miete, die Eingliederung des Bereicherungsrechts nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sogar bewusst durch den Gesetzgeber erfolgt ist.371 Hierzu ist auch allgemein anzumerken, dass sich der Gesetzgeber der Unter­ schiede zwischen rückwirkender und nur für die Zukunft geltender Beseiti­ gung des Mietvertrags bewusst war und an anderer Stelle (diesmal im Rah­ men der Rechte des Mieters bei Aufforderung zur Räumung) selbst zwischen den Rechtsfolgen differenziert hat.372 Eine starke Involvierung der Mietver­ tragsparteien im Rechtsverkehr befürchtet der Gesetzgeber dagegen nicht. So erstrecken sich die Ausführungen in den Gesetzesmotiven zu Dritten haupt­ sächlich auf die Verhältnisse zu eintretenden Erwerbern oder hinzukommen­ den Untermietern.373 4. Involvierung Dritter bei Mietverträgen Im Gegensatz zum Arbeits- und insbesondere dem Gesellschaftsvertrag nach § 611a BGB bzw. § 705 BGB ist beim Mietvertrag nach § 535 BGB eine starke Involvierung im Rechtsverkehr nicht zu befürchten und auch all­ gemein sind die Berührungspunkte der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB des Mietverhältnisses mit Dritten auf einzelne Konstellation begrenzt, die sich gut in das Anfechtungsinstrument und deren Rückabwicklung einbezie­ hen lassen.374 Dies betrifft die Schutzbedürftigkeit der Familienmitglieder bzw. mit in der Wohnung lebender Personen, die selbst nicht Vertragspartei sind, aber im vertraglichen Inhalt und dem Mietgebrauch berücksichtigt (sog. „verlängerter Eigengebrauch“) und über das Konstrukt des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nach § 328 BGB erfasst werden.375 Da der Mietvertrag nach § 535 BGB die in der Wohnung lebenden Personen hier mit behandelt, unterfallen diese bei einer Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB des Miet­ vertrags bereits der Diskussion um die Schutzbedürftigkeit des Mieters im weiteren Sinne bzw. sind bei einer nicht vertragsgemäßen Wohnsituation 371  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 209; Bereicherungsrecht als Rückab­ wicklungsinstrument auch jedenfalls erwähnt bei Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 232. 372  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 216. 373  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 217 ff., 220 ff., 226. 374  Fischer, Anfechtung von Willenserklärungen im Mietrecht, NZM 2005, 567 (570). 375  Weber, in: Schach/Schultz/Schüller (Hrsg.), BeckOK Mietrecht, 14. Edition, 1. Dezember 2018, § 535 Rn. 1900; Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 1, 149; Heintzmann, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2007, § 535 Rn. 26, 33.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

nicht zu berücksichtigen. In jedem Falle entsteht eine Rückabwicklungssitu­ ation nach §§ 812 ff. BGB nur im Rahmen des Mietvertrags im weiteren Sinne, d. h. zwischen den Parteien und durch den Mietvertrag begünstigten Dritten, ohne dass „außerhalb“ des Rechtsverhältnisses mit unüberschauba­ ren Konsequenzen für Dritte zu rechnen ist. Ähnlich verhält es sich mit der Untervermietung durch den Mieter, die gemäß § 540 BGB der Erlaubnis des Vermieters bedarf und bei einer ex tunc-Rückabwicklung zwar zu berücksichtigen ist, eine starke Involvierung im Rechtsverkehr jedoch nicht darstellt.376 Das Vorhandensein eines Unter­ mieters kann im Falle der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB selbst auch keine größere Bestandskraft des Hauptmietvertrags erfordern. Der Untermie­ ter verliert schließlich auch bei Kündigung des Hauptmieters sein Besitzrecht und hat aufgrund des wirksamen Untermietvertrags mit dem Mieter keine ex tunc wirkende Nichtigkeit und die entsprechende Rückabwicklung zu be­ fürchten. 5. Rechtspraxis: Anfechtung eines Mietvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB Die Anfechtung von Mietverträgen nach § 535 BGB führt zu einer Besei­ tigung des Vertrags nach der allgemeinen Vorschrift des § 142 Abs. 1 BGB mit Wirkung ex tunc, da für sie, wie für alle anderen schuldrechtlichen Ver­ träge, die Anwendung der Vorschriften des allgemeinen Teils grundsätzlich vorgeschrieben ist.377 Die Annahme eines fehlerhaften Mietvertrags bei An­ fechtung nach § 142 Abs. 1 BGB und damit der Gleichlauf zu der im Ar­ beits- und Gesellschaftsrecht herrschenden Lehre vom fehlerhaften Vertrag hat sich im Mietrecht nicht durchgesetzt.378 Dabei wird weder das Argument 376  Weber, in: Schach/Schultz/Schüller (Hrsg.), BeckOK Mietrecht, 14. Edition, 1. Dezember 2018, § 535 Rn. 1900; zur Aufnahme von Dritten vgl. auch Teichmann, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 535 Rn. 22; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer (Hrsg.), Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 535 Rn. 291 ff. 377  BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268); Emmerich, Nichtigkeit und Anfechtung von Mietverträgen, NZM 1998, 692; Specht, in: Schach/Schultz/Schüller (Hrsg.), BeckOK Mietrecht, 14. Edition, 1. Dezem­ ber 2018, § 535 Rn. 4; Fischer, Anfechtung von Willenserklärungen im Mietrecht, NZM 2005, 567. 378  BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268 f.); KG, Urteil vom 4. Oktober 2001 – 8 U 1086/00, NZM 2002, 21; Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 13, 37; Emmerich, Nichtigkeit und Anfechtung von Mietverträgen, NZM 1998, 692 (697); Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 36; Scheuch/Ebert, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auflage 2019, § 535 Rn. 3; Emmerich, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Vor. § 535 Rn. 70; a.  A. Paschke, Das Dauerschuldverhältnis der Wohnraummiete, 1991, S. 256.



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einer schwierigen Rückabwicklung des Vertrags, noch die Annahme eines schutzbedürftigen sozialen Tatbestandes des Mieters für ausreichend aner­ kannt, um von der gesetzlichen Rechtslage abzuweichen; ersteres insbeson­ dere mit Verweis auf das beim Mietvertrag nach § 535 BGB vorliegende, einfach strukturierte, synallagmatische Austauschverhältnis.379 So verbietet sich auch in mietrechtlichen Ausnahmefällen eine pauschale Übertragung der Rechtsfolgebeschränkung des § 142 Abs. 1 BGB bei Arbeits- und Gesell­ schaftsverträgen und stellt sich im Rahmen der Rückabwicklung der Miet­ verhältnisse lediglich die Möglichkeit der Diskussion einer analogen Anwen­ dung von Schutzvorschriften im Einzelfall dar.380 Unabhängig von einer allgemeinen Beschränkung der Rechtsfolgen nach § 142 Abs. 1 BGB sei an dieser Stelle jedoch nochmals auf die Konkurren­ zen zu den Mängelgewährleistungsrechten nach §§ 536 ff. BGB hingewie­ sen.381

IV. Zeitungsabonnement (§ 433 BGB) Das Zeitungsabonnement markiert als Sukzessivlieferungsvertrag und da­ mit Kaufvertrag besonderer Art gemäß § 433 BGB den Grenzfall zwischen Dauerschuld- und punktuellem Schuldverhältnis.382 Eine Sukzessivliefe­ rungsvereinbarung beschreibt als Rahmenvertrag die Lieferung und Abnahme einer Vielzahl an Sachen gegen Entgelt.383 Übertragen auf das Zeitungsabon­ nement die Pflicht des Verkäufers zur periodischen Übergabe und Übereig­ nung der mangelfreien Zeitungen nach den § 433 Abs. 1 BGB und die Ge­ genleistungspflicht der periodischen Bezahlung und Abnahme nach § 433 Abs. 2 BGB des Käufers.384 Das Zeitungsabonnement bringt also die einzel­ nen punktuellen Leistungsverpflichtungen der Parteien in ein Dauerschuld­ verhältnis zusammen und bewahrt gleichzeitig deren Form als einfachste Austauschbeziehung. Die Vielzahl an Leistungen bleibt somit erhalten, wird aber in einem einzigen Schuldverhältnis dogmatisch eingerahmt. Der Suk­ zessivlieferungsvertrag ist daneben, um seine Qualität als Dauerschuldver­ 379  BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268 f.); KG, Urteil vom 4. Oktober 2001 – 8 U 1086/00, NZM 2002, 21. 380  Häublein, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 535 Rn. 38. 381  Vgl. Kapitel 1 A. II. 1. c) bb). 382  Schürnbrand, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 510 Rn. 11; Roth, in: Stau­ dinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 36; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Um­ gestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 46. 383  Westermann, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, Vor. § 433 Rn. 32; Hueck, Der Sukzessivlieferungsvertrag, 1918, S. 6. 384  Hueck, Der Sukzessivlieferungsvertrag, 1918, S. 7.

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Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

hältnis zu unterstreichen, vom Teillieferungsvertrag abzugrenzen.385 Bei Teillieferungsverträgen steht die in Teilen geleistete bzw. abzunehmende Warenmenge im Umfang und damit der Inhalt der vertragsparteilichen Pflichten bei Vertragsschluss schon fest, wohingegen bei Sukzessivliefe­ rungsverträgen sich der genaue Vertragsinhalt erst mit Dauer der Vertragszeit ergibt.386 Wird ein Sukzessivlieferungsvertrag zwischen einem Unternehmer nach § 14 BGB und einem Verbraucher nach § 13 BGB geschlossen, sieht die Norm des § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB, die im Wege des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung387 mit erfasst wurde, außerdem spe­ zielle Formvorschriften und die Widerrufsregelung nach § 355 BGB vor.388 1. Bedeutung der Art des Schuldverhältnisses Beim Sukzessivlieferungsvertrag drängt sich die Frage auf, ob sich die Ergebnisse der Untersuchung von der Anfechtung von Dauerschuldverhält­ nissen zwangsläufig auf diese Art des Schuldverhältnisses beschränken oder nicht vielmehr auch auf punktuelle Schuldverhältnisse übertragen lassen. Aus der Dauer und damit der Möglichkeit der tieferen Verwurzelung im Rechtsverkehr, oder aber auch der schlichtweg längeren Charakterisierung der Rechsbeziehungen von Personen, entstehen größere Schutzbedürftigkei­ ten. Dabei muss festgehalten werden, dass diese schutzwerten Positionen es sind, die mitunter eine Ordnung durch Recht erst begründen. Dem einfachen punktuellen Schuldverhältnis müsste also, um einen Vergleich mit den Dau­ erschuldverhältnissen und der hier geführten Untersuchung zu ermöglichen, eine solche schutzwürdige Kapazität auch inne wohnen. Sieht man von den gesondert anzusehenden Statusverhältnissen ab, lässt sich dies jedoch nur teilweise konstruieren. Das punktuelle Schuldverhältnis, wie der Kauf eines einfachen Gegenstands nach § 433 BGB zwischen zwei Personen, lässt sich 385  Brox,

Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 246. Urteil vom 5. November 1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 (680); Schürnbrand, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 510 Rn. 10 f.; Möller, in: Bamber­ ger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition. 1. August 2018, § 510 Rn. 10; Berger, in: Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 510 Rn. 2; vgl. Einleitung III.; mit begrifflich anderer Zuordnung Westermann, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, Vor. § 433 Rn. 32; vgl. auch Hueck, Der Sukzessivlieferungsvertrag, 1918, S. 8 f. 387  Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013, BGBl. I S. 3642. 388  Vgl hierzu BGH, Urteil vom 5. Februar 2004 – I ZR 90/01, NJW-RR 2004, 841; BT-Drs. 17/12637, S. 71; Möller, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition. 1. August 2018, § 510 Rn. 1, 13 ff. 386  BGH,



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse235

in seiner Dogmatik als Standard- und Grundfall durch die Rechtsinstrumente des BGB gut begreifen. Erhöhte Schutzwürdigkeiten werden dort im Zwei­ fel, wie bspw. bei der Verpflichtung zum Erwerb oder der Übertragung von Immobiliaren durch Zusatzregelungen wie § 311b BGB, im vorneherein ab­ gefedert, die einer Beseitigung und Rückabwicklung jedoch dann typologisch nicht im Wege stehen. Dass sich mitunter auch dort, wie bei einem Immobi­ liarkauf, schutzwürdige Interessen bilden, die eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB befriedigen muss, lässt einerseits die grundsätzliche Funktions­ tüchtigkeit des Bereicherungsrechts erkennen, andererseits relativiert dies die vorgebrachten Bedenken bei der als finanziell elementar bezeichneten Rück­ abwicklung von Arbeitsleistungen nach § 611a BGB. Die Betrachtung der Vergleichbarkeit der beiden Arten von Schuldverhältnissen macht dennoch deutlich, dass sich auch hier eine klare Abgrenzung nach Schutzwürdigkeit nicht ziehen lässt, jedoch das Dauerschuldverhältnis durch die Intensivierung von Natur aus eher zur Ausprägung von schutzwerten Positionen neigt. Ers­ teres sei insbesondere mit Blick auf eine Pauschallösung bei der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB betont. 2. Motive der Gesetzgebung zum Sukzessivlieferungsvertrag Der Gesetzgeber führt das Zeitungsabonnement als Sukzessivlieferungs­ vertrag und damit modifizierten Kaufvertrag nach § 433 BGB aufgrund der dogmatischen Sonderstellung in der Gesetzesbegründung nicht aus. In me­ thodischer Hinsicht sind Beschränkungen bei der Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB daher nicht zu besorgen. Auch die Gesetzesbegründung zur Verbraucherschutzvorschrift in § 510 BGB beschränkt sich auf den Verweis zur Schriftform und zu § 355 BGB und damit der Anwendung der allgemei­ nen Widerrufsvorschriften.389 Die Gesetzesmaterialien zum Kaufvertrag bil­ den jedoch das einfache Bild des Austauschverhältnisses von Kaufgegenstand und vereinbartem Kaufpreis so klar heraus, dass sich auch bei einem Transfer in das Sukzessivlieferungsverhältnis der Parteien eine spezielle Schutzbe­ dürftigkeit nicht zeigt und Probleme der Vereinbarkeit mit den Rückabwick­ lungsvorschriften der §§ 812 ff. BGB ausbleiben.390 Eine Modifikation des § 433 BGB, wie hier beim Sukzessivlieferungsvertrag geschehen, ist dabei als Möglichkeit der Parteien vom Gesetzgeber erkannt und die Anwendbar­ keit der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB, als Rechtsinstrument des allge­ meinen Teils, systematisch ausdrücklich vorausgesetzt.391 Daran angeknüpft hat der Gesetzgeber beim Kaufvertrag, der vom Rechtsanwender doch mit­ 389  BT-Drs.

17/12637, S. 71. Materialien, II. Bd. 1899, S. 176. 391  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 176 f., 185, 772. 390  Mugdan,

236

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

unter als Grundmuster eines punktuellen Parteivertrags verstanden wird, die Bedeutung der Privatautonomie in Einzelfällen zu diskutieren und nennt nur die Gesetze als deren Schranke, ohne der Rechtssprechung bei besonderen Verträgen und der Anwendung des Rechts weitergehende Kompentenzen einzuräumen.392 Auch wenn die einfache Austauschstruktur des Kaufrechts hier mehrfach betont wurde, handelt es sich bei den §§ 433 ff. BGB trotzdem um eine aus­ führliche Regelungsmaterie, die in der Lage ist, auch auf Dauer zu erbrin­ gende und wiederholende Leistungspflichten gesetzlich umfassend, in Bezug auf deren Zuordnung, Umfang, Kosten und Gefahrtragung und Gewährleis­ tung zu behandeln.393 Daraus wird wiederum deutlich, dass sich auch im Arbeits-, Gesellschafts- oder Mietvertragsrecht eine weitreichende gesetz­ liche Einbindung nicht zwangsläufig in einer problematischen Rückabwick­ lung von Leistungen äußern muss. 3. Involvierung Dritter bei Zeitungsverträgen Die Vertragsparteien eines Zeitungsabonnements nach § 433 BGB können als Zwischenhändler, Verlag, Vertreiber etc. selbst in weitere Geschäftsbezie­ hungen involviert sein, die von der Anfechtung des schuldrechtlichen Ver­ trags nach § 142 Abs. 1 BGB jedoch nicht unmittelbar betroffen sind. Anders als bei den Arbeitsverträgen nach § 611a BGB oder dem Gesellschaftsvertrag nach § 705 BGB findet sich also keine wirkliche Beteiligung Dritter an der Rechtsbeziehung zwischen Käufer und Verkäufer der Zeitungen. Dies zeigt einerseits, dass der Sukzessivlieferungsvertrag hier typisch zu seiner dogma­ tischen Struktur, durch das einfache Austauschverhältnis geprägt bleibt, an­ dererseits, inwieweit die Arbeits- und Gesellschaftsverträge in ihrer besonde­ ren Konzeption eine Sonderstellung einnehmen und insbesondere vom punktuellen Austauschverhältnis entfernt sind. 4. Rechtspraxis: Anfechtung eines Zeitungsabonnements nach § 142 Abs. 1 BGB Die Rechtspraxis sieht beim Zeitungsabonnement keine ex nunc-Beschrän­ kung der Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB vor.394 Dies überrascht nicht, da sich weder eine komplexe Rückabwicklung der erbrachten Zeitungsexem­ plare gegen Geld ergibt, weil das Bereicherungsrecht den Wert gelesener 392  Mugdan,

Materialien, II. Bd. 1899, S. 178. hierzu bspw. Kosten der Erfüllung Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 182; zur Gefahrtragung bspw. Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 773 f. 394  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 36. 393  Vgl.



B. Beispielhafte Dauerschuldverhältnisse237

Zeitungsinhalte über § 818 Abs. 2 BGB berechnet und der Bereicherungs­ schuldner diesen nach § 818 Abs. 1 BGB als Nutzungen auch herauszugeben hat, noch besonders schutzwürdige Positionen der Parteien oder die Beteili­ gung des Rechtsverkehrs entstehen.395 Hinzu tritt die besondere Dogmatik des Sukzessivlieferungsvertrags, die bei einer Beschränkung der Anfech­ tungsfolge nach § 142 Abs. 1 BGB ex nunc zu Zweifeln an der allgemeinen Tauglichkeit der Rechtsfolge ex tunc bei schuldrechtlichen Verträgen jegli­ cher Art führen würde.396 Daher lässt sich an dieser Stelle aufzeigen, wie wichtig es ist, bei der Rechtsfortbildung von gesetzlichen Normen klare dogmatisch nachvollziehbare Grenzen zu setzen und diese zu hinterfragen, um nicht Gefahr zu laufen, durch einfach übertragbare Rechtsanwendung ein ganzes Rechtsinstrument durch rechtspolitisch motivierte Entscheidungen in seinem Anwendungsbereich aufzuheben.

V. Typische Charakteristika der Dauerschuldverhältnisse Die Besprechung der beispielhaft ausgewählten Dauerschuldverhältnisse lässt als Schnittmenge für die Besonderheit des Dauerschuldverhältnisses nur das zeitliche Moment erkennen, das sich dann in Form einer Intensivierung der Leistungsbeziehungen in qualitativer oder quantitativer Hinsicht aus­ wirkt. Eine allgemein charakterisierende Aussage in der Art einer komplexen Ausgestaltung wie im Falle des Arbeitsvertrags gemäß § 611a BGB, einem Persönlichkeitsbezug wie im Falle des Mietvertrags gemäß § 535 BGB, einer starken Involvierung des Rechtsverkehrs wie im Falle des Gesellschaftsver­ trags gemäß § 705 BGB oder der doch einfachen Austauschbeziehung wie im Falle des Zeitungsabonnements gemäß § 433 BGB, lässt sich nicht tref­ fen.397 Betont man diese Unterschiede, tritt die Bedeutung der offensicht­ lichen Gemeinsamkeit der Vertragsdauer sogar in den Hintergrund. Die For­ mulierung, dass bei Dauerschuldverhältnissen immer eine starke Schutzbe­ dürftigkeit bestimmter Personen auftritt, kann so pauschal auch nur ohne Angabe über die genaue Qualität der Schutzbedürftigkeit versucht werden und verliert damit in jeglicher Diskussion um allgemeine Rechtsfortbildungs­ bemühungen ihre Geltung. Die Möglichkeit einer allgemeinen Aussage, die für alle Dauerschuldverhältnisse das Verhältnis zur Rechtsfolge der Anfech­ tung nach § 142 Abs. 1 BGB darstellt, kann an dieser Stelle daher bereits 395  Canaris, in: Neuner/Grigoleit (Hrsg.), Claus-Wilhelm Canaris’ Gesammelte Schriften, S. 873; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 7. 396  Vgl. Hueck, Der Sukzessivlieferungsvertrag, 1918, S. 199 zur Nähe zu Aus­ tauschverhältnissen. 397  Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (146).

238

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

negiert werden.398 Dies liegt mitunter auch daran, dass sich bei bestimmten Dauerschuldverhältnissen eher ein Vergleich zu punktuellen Schuldverhält­ nissen anbietet, als zu Verträgen der gleichen schuldrechtlichen Art. So seien bspw. die komplexe Ausgestaltung eines Unternehmenskaufs genannt oder die Schutzregelungen im Verbraucherrecht.399 Mit einem bloßen Verweis auf die Art des Dauerschuldverhältnisses ist somit noch nichts gewonnen.400

VI. Zusammenfassung: Beispiele Als aussagekräftige Beispiele für den Charakter der Dauerschuldverhält­ nisse lassen sich der Arbeitsvertrag, der Gesellschaftsvertrag, das Mietver­ hältnis und das Zeitungsabonnement nennen. Der Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB ist durch seine besondere Leis­ tungsbeziehung – Lohn gegen Arbeit – gekennzeichnet. Der Arbeitnehmer ist dem Arbeitgeber gegenüber zudem durch eine ganze Reihe von gesetzlichen Schutzrechten geschützt, um das Machtverhältnis und die damit in Zusam­ menhang stehende Abhängigkeit des Arbeitnehmers auszugleichen. Hinzu kommt die soziale Absicherung des Arbeitnehmers durch die Krankenkassen und den Staat. Wird die Willenserklärung eines Arbeitsvertrags angefochten, kommt es nach h. M. zu einer ex nunc-Rechtsfolge der Anfechtung.401 Für die Vergangenheit soll dagegen von einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis auszugehen sein.402 Eine ähnliche Beschränkung der Anfechtung auf eine Beseitigung der Willenserklärung für die Zukunft findet sich nach aktueller Rechtspraxis auch bei den Personengesellschaften im Gesellschaftsrecht.403 Auch hier ist für die Vergangenheit ein fehlerhaftes Gesellschaftsverhältnis angenommen.404 Bei den Kapitalgesellschaften wird die Anfechtung dagegen bereits durch Spezialvorschriften verdrängt, die ebenfalls „nur“ mit Wirkung für die Zukunft und entsprechender Auseinandersetzung der Gesellschaft verfahren. Charakterisierend für das Gesellschaftsrecht und den Ausführun­ gen zur Anfechtung zugrunde zu legen, sind die verschiedenen Gesellschafts­ formen. Das Grundmodel ist die GbR, auf die im Handelsrecht auch für an­ dere Formen der Gesellschaften verwiesen wird. Daneben ist, mindestens 398  Busche, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 142 Rn. 17; Schermaier, in: Schmoe­ ckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, §§ 142–144 Rn. 15 m. w. Nw. 399  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (420). 400  Vgl. ähnlich hierzu in seiner Unterscheidung bei Versicherungsverhältnissen Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 946. 401  Vgl. Kapitel 3 B. I. 4. a). 402  Vgl. Kapitel 3 B. I. 4. b). 403  Vgl. Kapitel 3 B. II. 5. a). 404  Vgl. Kapitel 3 B. II. 5. c).



C. Gegenüberstellung einzelner Statusverhältnisse239

gleichbedeutend, die Involvierung der Gesellschaft im Rechtsverkehr bei Vollzug des Gesellschaftsvertrags zu erwähnen, die mehr als nur den Leis­ tungsaustausch im Außenverhältnis, sondern vielmehr die gesamte Struktur der Gesellschaft auch im Innenverhältnis bestimmt. Im Mietrecht findet die Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB unbeschränkt Anwendung. Dies ist der Fall, obwohl auch das Mietrecht durch eine soziale Gesetzgebung zugunsten des Mieters ausgestaltet ist und aufgrund des besonderen Regelungsinhalts eine personenbezogene Schutz­ bedürftigkeit aufgeworfen wird. Das Zeitungsabonnement lässt sich im Ver­ gleich dazu, aufgrund fehlender besonderer Schutzbedürftigkeiten und seiner Nähe zum Austauschverhältnis unproblematisch der ex tunc-Nichtigkeit zu­ ordnen. Das Zeitungsabonnement als Sukzessivlieferunsverhältnis zeigt aber auch, dass sich durch die Dauer der Leistungsbeziehungen bei Dauerschuld­ verträgen, in Abgrenzung zum punktuellen Vertrag, wohl vermehrt schutz­ werte Positionen begründen lassen. Die Gemeinsamkeit der Dauerschuldverhältnisse ist streng gesehen nur das zeitliche Moment, wobei davon ausgehend auch nicht allgemein zwingend eine besondere Schutzbedürftigkeit anzunehmen ist, die es bei der Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen gilt.

C. Gegenüberstellung einzelner Statusverhältnisse Der Gesetzgeber hat in den §§ 1313 ff. BGB zur Ehe und §§ 1759 ff. BGB zur Annahme als Kind familienrechtliche Spezialregelungen bei Willensmän­ geln geschaffen, die eine ex nunc wirkende Beseitigung der Willenserklärung als Rechtsfolge beinhalten.405 Neben der Argumentation e contrario, dass der Gesetzgeber somit gerade die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs.1 BGB nicht mit einer Ausnahme versehen wollte, die jedoch weder methodisch noch dogmatisch in der Lage ist, eine Rechtsfortbildung vollkommen auszuschließen, stellt sich also die Frage, ob mit Blick auf die besondere Struktur der Statusverhältnisse ein Vergleich zu den untersuchten Dauerschuldverhältnissen gewagt werden kann, der eine Gesetzeslücke ver­ muten lässt. Dabei unterscheiden sich die Statusverhältnisse, neben der allge­ mein verfahrensrechtlichen Abgrenzung bei Willensmängeln, von den Dauer­ schuldverhältnissen in der dogmatischen Wirkung der parteilichen Willens­ erklärungen bei Vertragsschluss.406 Adressat der Willenserklärung bei den 405  Vgl.

Kapitel 1 A. II. 1. a) dd). Zum Wesen der Gestaltungsklagrechte, in: Bettermann/Zeuner (Hrsg.), FS für Eduard Bötticher, 1969, S. 93 f.; auch bei Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 483. 406  Dölle,

240

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

Statusverhältnissen der Ehe und Adoption ist immer auch die handelnde Amtsperson, der gegenüber die Erklärung abzugeben ist, und damit der Rechtsverkehr.407 So kann bereits der statusbegründenden Willenserklärung an sich ein Rechtssicherheitsbedürfnis zugeordnet werden, das im Falle der Dauerschuldverhältnisse allenfalls im Nachgang bei einer starken Involvie­ rung von Gesellschaften im Rechtsverkehr erreicht wird, dann aber ver­ gleichbar ist.408 Betrachtet man die Begründung der ex nunc-Nichtigkeit im Familienrecht, kann auch vorangestellt werden, dass weder bei der Ehe noch der Adoption die Schwere der technischen Rückabwicklung der Verhältnisse von Seiten des Gesetzgebers erwähnt wurde, um die Abweichung vom ex tunc-Grund­ satz bei Willensmängeln zu rechtfertigen. Dies sei vor dem Hintergrund ge­ nannt, dass sowohl im Gesellschaftsrecht bei den Personengesellschaften um § 705 BGB, als auch beim Arbeitsvertrag nach § 611a BGB die Gerichte ih­ rer ex nunc-Rechtssprechung eine bereicherungsrechtliche Problemsituation jedenfalls mittelbar zugrunde legen.409 Um den Gerichten folgen zu können, müsste es sich daher bei den betroffenen Personengesellschaften und dem Arbeitsvertrag um Rechtsbeziehungen handeln, die in ihrer Rückabwicklung die familienrechtlichen Statusverhältnisse an Komplexität und Umfang weit übertreffen. Dies ist jedoch nicht der Fall.

I. Eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB) Vorschriften zur Ehe finden sich im 1. Abschnitt (§§ 1297–1588 BGB) mit der Bezeichnung „Bürgerliche Ehe“ im 4. Buch des BGB zum Familienrecht. Die Wirkung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die in Art. 6 GG als Institu­ tion geschützt wird, ist in § 1353 BGB festgelegt und bestimmt in § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird, nach der Generalklausel in § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass sich die Ehepartner zur ehelichen Lebensgemeinschaft als begrifflich selbst auszufüllende Rechts­ pflicht verpflichten, sowie gemäß § 1353 Abs. 2 BGB, den Wegfall der ehe­ lichen Lebensgemeinschaft bei Rechtsmissbrauch oder Scheitern der Ehe nach § 1565 f. BGB.410 Die Pflichten der Ehegatten nach § 1353 Abs. 1 407  Dölle, Zum Wesen der Gestaltungsklagrechte, in: Bettermann/Zeuner (Hrsg.), FS für Eduard Bötticher, 1969, S. 97, wieder auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 483; zum Verfahren Wellenhofer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1313 Rn. 6 f. 408  Vgl. zum Bedürfnis nach Rechtssicherheit Dölle, Zum Wesen der Gestaltungs­ klagrechte, in: Bettermann/Zeuner (Hrsg.), FS für Eduard Bötticher, 1969, S. 97. 409  Vgl. Rechtsprechung zu Einleitung II. 410  BGH, Urteil vom 14. März 1962 – IV ZR 253/61, NJW 1962, 1244; Hahn, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 1353 Rn.  1 ff.; Roth, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1353 Rn. 3.



C. Gegenüberstellung einzelner Statusverhältnisse241

Satz 1 BGB umfassen im Einzelnen bspw. die häusliche Gemeinschaft, die Geschlechtsgemeinschaft, Pflichten zur Rücksichtnahme und Familienpla­ nung sowie Beistand und Fürsorge der Ehegatten untereinander.411 Daraus wird deutlich, dass der Inhalt der ehelichen Gemeinschaft der Kernbereich der Privat- und Intimsphäre einer Person ist, dem eine essenzielle persönli­ che Bedeutung zukommt. Die daraus zu schützenden Interessen der Parteien haben mit ihrem äußerst sensiblen Charakter höchstes Gewicht und fordern eine dementsprechende Rücksichtsnahme des Gesetzgebers ein. Eine ver­ gleichbare grundsätzliche Schutzbedürftigkeit der Parteien ist im Gesell­ schaftsrecht und beim Sukzessivlieferungsvertrag offensichtlich nicht gege­ ben. Im Arbeitsrecht hat die finanzielle Abhängigkeit des Arbeitnehmers ei­ nen wirtschaftlich elementaren Charakter, der jedoch nicht mit dem höchst persönlichen Inhalt der ehelichen Gemeinschaft qualitativ verglichen werden kann, ohne die kategorischen Unterschiede zu verleugnen. Daran ändert auch die persönlich erbrachte Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer nichts. Im Mietrecht findet sich dagegen ein personen- und privatbezogener Anknüp­ fungspunkt, der allerdings hinter der persönlichen Tragweite der ehelichen Gemeinschaft deutlich zurückbleibt. Die eheliche Lebensgemeinschaft nach § 1353 BGB ist also folglich einem Vergleich mit den einzelnen Dauer­ schuldverhältnissen nicht zugänglich, um eine Gesetzeslücke allein anhand der besonderen Regelungsmaterie festzulegen. Was bleibt, ist der Blick auf die Gründe der Vereinheitlichung der Eheauf­ hebung gemäß §§ 1313 ff. BGB, die allerdings auch tief mit den besonderen familiären Inhalten verbunden sind.412 So schwingt auch bei der Überlegung des finanziellen Schutzes von Frau und Kind ein familiärer Gedanke mit, der es verhindert, diesen Ansatz auf den finanziellen Schutz des Arbeitnehmers gänzlich zu übertragen. Dieses Hindernis beschreibt letztlich den emotiona­ len Unterschied zwischen den Bereichen des Arbeits- und Familienrechts, der, wie erneut zu betonen ist, unabhänig von einer durchführbaren bereiche­ rungsrechtlichen Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB zu sehen ist.413 Dies wird noch deutlicher vom damaligen Beweggrund des Gesetzgebers unter­ strichen, die Ehelichkeit des Kindes für die Vergangenheit schützen zu wol­ len.

411  Kemper, in: Schulze u.  a. (Hrsg.), BGB, 9. Auflage 2017, § 1353 Rn. 2 ff.; Hahn, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 1353 Rn. 6 ff. 412  Vgl. zu diesem Absatz Kapitel 1 B. I. 2. a). 413  Siehe auch Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Ar­ beitsvertrag, JA 1985, 138 (146).

242

Kap. 3: Die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

II. Annahme als Kind (§§ 1741 ff. BGB) Die Norm des § 1741 BGB regelt die wesentlichen Voraussetzungen zur Annahme als Kind, deren familienrechtliche Folgen, neben der rechtlichen Stellung nach § 1754 BGB, bereits aus einem bloßen Allgemeinverständis heraus in ihrer Tragweite für Eltern und Kind erahnt werden können.414 Ähnlich wie bei der Ehe zeigt sich nämlich bei der Adoption und dem Ver­ hältnis zwischen Eltern und Kind ein Regelungsbereich, der nicht sensibler angelegt sein könnte und eine Vergleichbarkeit mit den Arbeits-, Gesell­ schafts,- Miet-, und Zeitungsverträgen nicht ermöglicht.415 Geht es um die Aufhebung solcher Adoptionsverhältnisse aufgrund von Willensmängeln nach § 1760 BGB, hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die Annahme nur für die Zukunft gemäß § 1761 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beseitigen.416 So sollte der besonderen Beziehung zwischen Eltern und Kind Rechnung getragen werden und eine familiäre Ungewissheit für beide Seiten des Annahmever­ hältnisses ausgeschlossen sowie rechtssichere, familiäre Statusverhältnisse geschaffen werden. Dass in diesem Zusammenhang die Schwierigkeit einer Rückabwicklung der allumfassenden Folgen einer Statusbeziehung, bspw. allein bezüglich der Staatsangehörigkeit, Aufenthalts- und Arbeitsgenehmi­ gungen oder Leistungen von Behörden etc., nicht vorangestellt wird, muss erneut betont werden und liefert insofern keine Anhaltspunkte der Argumen­ tion im Rahmen der Dauerschuldverträge. Weiter zeigt sich, dass es doch vielmehr die offensichtlichen Schutzgedanken sind, die im Familienrecht den Ausschlag für die gesetzlichen Ausnahmen geben. Aufgrund der fehlenden Zugänglichkeit der Statusverhältnisse für etwaige Rechtsfortbildungsbemü­ hungen bei Dauerschuldverhältnissen, kann daher allein der Gedanke des Parteischutzes durch Gesetz aus den Überlegungen gezogen werden, der als Grundstein der Lückensuche beizubehalten ist, aber dann bei unangemesse­ ner Berücksichtigung auch in der Lage ist, zu einer Rechtsfortbildung führen zu können.

III. Zusammenfassung: Gegenüberstellung Bei den Statusverhältnissen der Ehe und Adoption ergibt sich eine weitrei­ chende Involvierung des Rechtsverkehrs. Dennoch ist in keinem der beiden Fälle die ex nunc-Wirkung der Anfechtung mit einer schwierigen Rückab­ wicklung der Verträge begründet. Vielmehr wird auf die sensible Regelungs­ 414  Maurer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1741 Rn. 1. Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeits­ vertrag, JA 1985, 138 (146). 416  Vgl. hier wiederum Kapitel 1 B. I. 2. b). 415  Auch



C. Gegenüberstellung einzelner Statusverhältnisse243

materie abgestellt, auf die der Gesetzgeber auch bei der Anfechtung schüt­ zend reagiert hat. So behandeln die Ehe nach § 1353 BGB und die Annahme als Kind gemäß §§ 1741 ff. BGB jeweils familiäre Inhalte, die neben ihrer statusbegründenden Relevanz im Rechtsverkehr für die Vertragsparteien von sehr persönlicher Bedeutung sind. Dementsprechend ist auch die Bemühung des Gesetzgebers, im Eherecht eine Vereinheitlichung der Aufhebungsrege­ lungen zu erreichen, aufgrund familienrechtlicher Erwägungen erfolgt. Glei­ chermaßen ist bei der Adoption versucht worden, für die Vergangenheit rechtssichere familiäre Statusverhältnisse zu schaffen. Die entscheidende persönliche Komponente im Familienrecht unterschei­ det sich dabei von den schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers beim Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) und des Mieters beim Mietvertrag (§ 535 BGB). Eine allgemeine Rechtsfolgenbeschränkung der Anfechtung bei Dau­ erschuldverhältnissen lässt sich daher nicht einfach auf eine vergleichsweise typisch vorhandene Schutzbedürftigkeit der Vertragsparteien stützen.

Kapitel 4

Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen Die Rechtsfolge der ex tunc-Nichtigkeit bei Anfechtung von Dauerschuld­ verhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB ist aufgrund der sensibel detaillierten Ausgestaltung des Bereicherungsrechts, in Kombination mit der unterschied­ lichen Gestalt der einzelnen Dauerschuldverhältnisse nicht in einem Über­ blick, sondern nur in Untersuchung der konkreten Besonderheiten und deren Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Grundlagen der §§ 812 ff. BGB zu be­ stimmen. Eine dogmatisch begründete Entscheidung muss dabei einerseits die technische Rückabwicklung der Leistungen selbst beinhalten, sowie an­ dererseits die speziell vertraglich zugeordneten Schutzbedürftigkeiten der Parteien im Rahmen der Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB umfassend berücksichtigen. Nur so kann die Aussage getroffen werden, ob aufgrund von Rückabwicklungsschwierigkeiten eine Regelungslücke besteht oder aber eine bereicherungsrechtliche Abwicklung möglich und damit vom Rechtsanwen­ der vorzunehmen ist.1

A. Problemverortung bei der Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB Die dogmatische Konzeption des Anfechtungsrechts nach § 142 Abs. 1 BGB lässt die typischen Herausforderungen an den Rechtsmechanismus er­ kennen. Sie kann isoliert, ohne die Zusammenführung mit den Besonderhei­ ten der jeweiligen Dauerschuldverhältnisse, jedoch keine Aussage über Lü­ cken in der Funktionsweise der Anfechtungsregularien begründen.2 Für eine methodisch verwertbare dogmatische Analyse sind daher die Vielzahl der rückabzuwickelnden Leistungen, die besonderen Schutzbedürfnisse im Arbeits- und Mietrecht sowie die Interessen Dritter im Gesellschaftsrecht in die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB einzubeziehen.

1  Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (149). 2  Vgl. Kapitel 2 B. III. 1. b).



A. Problemverortung bei der Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB 245

I. Rückabwicklung einer Vielzahl von Leistungen Das Dauerschuldverhältnis ist wie das punktuelle Schuldverhältnis ein Austauschverhältnis, zwar mit der Besonderheit der Vielzahl von Leistungen, allerdings mit dem gleichen Grundsatz, dass die Vorschriften des Allgemei­ nen Teils, zu denen § 142 Abs. 1 BGB zählt, angewendet werden.3 Umge­ kehrt lässt sich die Vielzahl an Leistungen auch einzeln im Bereicherungs­ recht nach §§ 812 ff. BGB begreifen, ohne grundsätzlichen Hindernissen ge­ genüber zu stehen.4 Von einer einfachen Betrachtung der Leistungen aus­ gehend ist es daher nur eine Frage der Multiplikation, die rechnerisch gelöst werden kann.5 Die Gerichte sind dabei auch bei einem vermehrten Leis­ tungsaustausch vor dem Hintergrund der Verfassungsnorm des Art. 20 Abs. 2, 3 GG in der Pflicht, in einem Rückabwicklungsfall die Vielzahl der Leistun­ gen gegenzurechnen, soweit das Bereicherungsrecht eine Herausgabe im Einzelfall eben bewältigen kann, ohne pauschal in einfachem Verständnis bisher Gelebtes und Ausgetauschtes bestehen zu lassen. Der umfassende Leistungsaustausch bzw. die komplexe (aber rechtstechnisch mögliche) Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse allein kann sich als praktisches Argument dementsprechend nicht gegen die normative Regel der ex tunc wirkenden Rechtsfolge aus § 142 Abs. 1 BGB behaupten.6 An dieser Stelle ist im Grundsatz entscheidend festzuhalten, dass sich die wesentlichen Pflichten der angesprochenen Dauerschuldverhältnisse im ­Bereicherungsrecht dogmatisch erfassen lassen und nur im Einzelfall eine weitergehende Untersuchung und Diskussion überhaupt anzustreben ist.7 Mithin ist es nicht die Vielzahl an Leistungen, sondern es sind einzelne 3  OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. Juli 2012 – 6 U 114/11, BeckRS 2012, 17772; Joussen, Der Vertrauensschutz im fehlerhaften Arbeitsverhältnis, NZA 2006, 963 (967). 4  Für eine Rückabwicklung siehe eindeutig BGH, Urteil vom 25. März 1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004 (2006); BGH, Urteil vom 1. Juni 2005 – IV ZR 46/04, NZV 2005, 513 (514); Ernst, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 323 Rn. 36; Gsell, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2005, § 323 Rn. 9; vgl. Kapitel 2 B. III. 1. b) aa). 5  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (420). 6  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (420). 7  Schermaier, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, §§ 142–144 Rn. 15; Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 433 m.  w.  Nw.; deutlich auch Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 170; Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (420); a. A. immer wieder an unterschiedlichen Stellen angeführt bspw. Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 346.

246

Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

Rückabwicklungsbesonderheiten, die eine dogmatische Beurteilung der Ver­ einbarkeit der Rechtsverhältnisse mit dem Bereicherungsrecht bestimmen. Der Umstand einer umfassenden Ausgestaltung der Dauerschuldverhältnisse kann daher nur mittelbar, durch die sich im Einzelnen ergebenden technisch komplexen Vertragselemente als Begründung greifen. Auffällig und auf seine dogmatische Plausibiliät überprüfbar, ist dabei beim Arbeitsvertrag nach § 611a BGB die Möglichkeit einer objektiven Bewertung der Arbeitsleistung nach § 818 Abs. 2 BGB, die entgeltliche Gegenleistung und in diskutierter Anwendung auch die Arbeitsleistung selbst.8 Im Gesellschaftsrecht bei den Personengesellschaften ist es der Leistungsaustausch im Innenverhältnis un­ ter den Gesellschaftern und auch allgemein im Außenverhältnis mit den Vertragspartnern. Im Mietrecht nach § 535 BGB ist vom Bereicherungsrecht die Bewertung der Überlassung des Mietgegenstands und die Mietzahlung, sowie beim Zeitungsabonnement die periodischen Geldleistungen bzw. die Herausgabe der Zeitungsexemplare und deren Nutzungen in dessen Grund­ konzeption besonders zu berücksichtigen.9

II. Besondere Schutzrechte Schutzrechte, d. h. Rechte zum Ausgleich der besonderen Situation einer Partei, finden sich im Rahmen der hier untersuchten Dauerschuldverhältnisse vorwiegend beim Arbeitsvertrag nach § 611a BGB und im Mietverhältnis nach § 535 BGB.10 Die Schutzrechte der Parteien sind dabei als Ausdruck einer gesetzlich normierten Schutzbedürftigkeit ebenfalls im Rahmen der Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB auf ihre Berücksichtigung hin zu un­ tersuchen, um dogmatisch richtig zugeordnet und methodisch zugänglich zu sein. So können einzelne Schutzrechte, wie die Kündigungschutzbestimmun­ gen im Arbeits- oder Mietrecht, für die Rückabwicklung der erbrachten Leistungen auch ohne Relevanz sein.11 Die bloße Existenz gesetzlicher Schutzvorschriften zugunsten einer der Vertragsparteien kann daher nicht automatisch die Annahme von Rückabwicklungsschwierigkeiten begründen.

III. Involvierung Dritter Für die Frage der Involvierung Dritter in die Rückabwicklung der Dauer­ schuldverhältnisse nach § 142 Abs. 1 BGB ist entscheidend, ob sich allein aus einer Anfechtung der betroffenen Willenserklärung des Dauerschuldver­ 8  Vgl.

hierzu aber die Ausführungen bei Kapitel 1 D. II. zum Zeitungsabonnenment Kapitel 3 B. IV. 4. 10  Linck, in: Schaub (Begr.), Arbeitsrechts-Handbuch, 17. Auflage 2017, § 1 Rn. 4. 11  Vertieft unter Kapitel 4 C. II. 1. e), III. 1. 9  Vgl.



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 247

hältnisses eine rechtliche Konsequenz für die Beziehung zu Dritten ergibt. Ist dies zu bejahen, muss zwischen den genauen Folgen nach Maß – sei es bei der Rückabwicklung oder einer Gewährleistungs- bzw. Schadensersatz­ pflicht – unterschieden werden. Dabei erfordert eine mögliche Involvierung Dritter in die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB erneut eine Untersuchung der Dauerschuldverhältnisse im Einzelfall. Mögliche Schadensersatzpflichten gegenüber Dritten, wie im Falle von vertraglichen Absprachen der Arbeitge­ ber mit ihren Auftraggebern oder aber haftungsrelevante Interessen der Gläu­ biger, wie im Hinblick auf den Bestand einer Gesellschaft, können so nicht für alle Dauerschuldverhältnisse gleichermaßen aufgestellt und allgemein in ihrer Schwere bewertet werden.

IV. Zusammenfassung: Problemverortung Auch in Bezug auf die Dauerschuldverhältnisse bestimmen die Rückab­ wicklung des Leistungsaustauschs, die besonderen Schutzrechte der Ver­ tragsparteien sowie die Interessen des Rechtsverkehrs die Vereinbarkeit mit der Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB. Die Schwierigkeit einer Rückabwicklung konzentriert sich dabei nicht direkt auf die Vielzahl an Leistungen, sondern wird bei der komplexen Ausgestaltung vereinzelter ­Besonderheiten der Dauerschuldverträge deutlich. Schutzrechte zeigen sich dagegen in erster Linie beim Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB und beim Mietvertrag gemäß § 535 BGB. Diese sind jedoch ebenfalls nicht isoliert, sondern im Rahmen des Bereicherungsrechts auf eine ausreichende Berück­ sichtigung hin zu betrachten. Ähnlich sind die Interessen Dritter im Einzelfall des jeweiligen Dauerschuldverhältnisses zu untersuchen und ist dogmatisch zwischen Rückabwicklung, Schadensersatz und Haftungssicherheit genau zu trennen.

B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse Die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB beseitigt Willenserklärungen, die zu einer rechtlichen Bindung der Parteien geführt haben, in der Art, als ob sie niemals existent gewesen wären.12 Die Rechtsfolge negiert hingegen nicht die Existenz ausgetauschter Leistungen, weshalb der Anfechtung ein naturwissenschaftlicher Vorwurf auch nicht gemacht werden kann.13 Der 12  Vgl.

Kapitel 1 B. I. 1. Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 14. 13  Beitzke,

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

entstandene Leistungsaustausch der Parteien selbst ist von der normativen Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB im Ergebnis daher nur mittelbar durch die Rückabwicklungskonsequenz im Wege der §§ 812 ff. BGB betroffen.14

I. Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) 1. Arbeit und Lohn im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) Bei der Rückabwicklung des Leistungsaustauschs eines Arbeitsvertrags nach § 611a BGB geht es bei den vieldiskutierten Schutzpflichten als Neben­ pflichten des Arbeitgebers um die Gefahr der ersatzlosen Beseitigung, wo­ hingegen bei den im Synallagma stehenden Hauptleistungspflichten die an­ gemessene Behandlung durch die detaillierte Ausgestaltung der §§ 812 ff. BGB und deren Folgen der bereicherungsrechtlichen Berücksichtigung in Frage gestellt wird.15 Dies alles vollzieht sich vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung den beteiligten Parteien das Bereicherungsrecht zur Rück­ abwicklung von Leistungsbeziehungen gezielt bereitgestellt hat und die Nor­ men der §§ 812 ff. BGB auch darauf ausgelegt sind, eine angemessene Leis­ tungsrückführung i. S. d. Parteiinteressen zu gewährleisten.16 a) Rückabwicklung der Gegenleistung des Arbeitgebers Die Rückabwicklung der Hauptleistungspflichten betrifft vordergründig die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und die Lohnzahlung des Arbeitge­ bers. Der Arbeitnehmer erhält vom Arbeitgeber dabei den Lohn in Form ei­ ner Übertragung von Geld nach §§ 929 ff. BGB bzw. einer Überweisung des Gehalts auf das Bankkonto des Arbeitnehmers als Vertrag zugunsten Dritter, der dem Arbeitnehmer ein abstraktes Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis der kontoführenden Bank gemäß §§ 780 f. BGB verschafft.17 Hinzu treten die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, der im Interesse des Arbeitnehmers als Versicherter geleistet wird, sowie die Abführung der 14  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 14. 15  Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeits­ recht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 266 ff., 343 ff. 16  Vgl. schon Dölle, Aussergesetzliche Schuldpflichten, in: ZgS, Bd. 103, 1943, S. 67 (95). 17  BGH, Urteil vom 25. Januar 1988 – II ZR 320/87, NJW 1988, 1320 f.; BGH, Urteil vom 19, März 1991 – XI ZR 102/90, NJW 1991, 2210 (2211); Habersack, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 780 Rn. 41; Boemke, Schuldvertrag und Arbeits­ verhältnis, 1999, S. 298, 497; Gehrlein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK HGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 780 Rn. 14.



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Lohnsteuer, die den Arbeitnehmer von seiner Steuerlast befreit.18 All diese Leistungen des Arbeitgebers können im Bereicherungsrecht nachvollzogen und ohne Berechnungsschwierigkeiten rückabgewickelt werden.19 b) Die Arbeitskraft des Arbeitnehmers als Bereicherungsgegenstand (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) Komplexer als die Rückabwicklung der Arbeitgeberleistung ist die berei­ cherungsrechtliche Einordnung der Leistung des Arbeitnehmers. Die Arbeits­ leistung des Arbeitnehmers muss im Kern als Bereitstellung seiner Arbeits­ kraft zur Arbeitszeit und darüber hinaus als Bindung an den Arbeitgeber be­ griffen und nach § 818 Abs. 2 BGB bewertet werden.20 Die Bereitstellung der Arbeitskraft wird durch die ex tunc-Beseitigung des Arbeitsvertrags nach § 611a BGB und dem Verlust der Arbeitnehmerstellung als Leistung nicht verändert.21 Der Arbeitgeber hat weiterhin die Verfügung über die Arbeits­ kraft erlangt und nicht nur die schlussendlich einzelnen auf Weisung erbrach­ ten Arbeiten.22 Dies ist mit Blick auf das konkret Erlangte und die Leistung des Bereicherungsschuldners gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB klar zu stellen, da eine Orientierung der Kondiktion an den erbrachten einzelnen Dienstleistungen zu geringeren Ersatzbewertungen führen, dem Arbeitgeber das Anzweifeln der Wertberechnung erleichtern und damit einen Arbeit­ nehmerschutz ernsthaft in Gefahr bringen würde.23 Die Arbeitskraft kann als 18  Boemke,

Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S. 298 f. Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S. 497 ff. 20  Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S.  497  f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 939; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 156; zur bloßen Bereitschaft zu Recht kritisch Joussen, in: Rolfs/Giesen/ Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 13, 347 f.; a. A. Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S.  233 ff.; 241 m. w. Nw.; Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 60. 21  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 700; vgl. zur Wahrung der Arbeitnehmereigenschaft im BetrVG Besgen, in: Rolfs/Giesen/Krei­ kebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 5 BetrVG Rn. 3. 22  Beuthien, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis als bürgerlich-rechtliches Abwick­ lungsproblem, RdA 1969, 161 (164 ff.); Polydor-Werner, Rückabwicklung und Auf­ rechterhaltung fehlerhafter Dauerschuldverträge, 1988, S.72  f.; auch erwähnt bei Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (144); Dölle, Aussergesetzliche Schuldpflichten, in: ZgS, Bd. 103, 1943, S. 67 (93); Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kurz- und lang­ fristiger Verträge, 2001, S. 140. 23  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 942; Schäfer, Die Lehre vom fehler­ haften Verband, 2002, S. 41; Beuthien, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis als bürger­ lich-rechtliches Abwicklungsproblem, RdA 1969, 161 (164 ff.). 19  Boemke,

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

Dienstleistung des Arbeitnehmers und damit primärer Kondiktionsgegenstand gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB bereicherungsrechtlich auch so erfasst werden.24 Entscheidend ist dabei, die Bereitstellung der Arbeitskraft in ihrer tatsächlich geleisteten Form auch so zu begreifen. Der Arbeitgeber hat die Arbeitskraft des Arbeitnehmers als vermögenswerten Vorteil erlangt, ohne dass es auf die genauen Weisungen und Einsätze der Arbeiten ankommt, die fälschlicherweise für Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB gehalten werden könnten.25 Die Bereitstellung der Arbeitskraft darf als vermögenswerter Vor­ teil und primärer Bereicherungsgegenstand daher auch nicht in Wertung des § 615 Satz 1 BGB durch Klassifizierung als bloße abstrakte Nutzungsmög­ lichkeit realitätsfern abgewertet werden.26 Bei der Arbeitsleistung handelt es sich um einen komplexen Sonderfall, der das Vermögen des Arbeitgebers schon mit der Verfügbarkeit über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers faktisch konkret vermehrt. Würde man eine abstrake Nutzungsmöglichkeit annehmen, wären dagegen schon das permanente Bereitstehen zur Arbeitszeit und die Weisungsbereitschaft des Arbeitnehmers sowie die Bindung an den Arbeitge­ ber durch den Rechtsanwender ignoriert. Der Vorwurf einer Modifikation des Bereicherungsrechts entlang am Vertragsrecht greift bei richtiger Subsumtion des Erlangten somit ins Leere und ist mit Blick auf eine alternative Rechts­ fortbildung des § 142 Abs. 1 BGB und der deutlich auslegungsfreundlicheren Ausgestaltung der §§ 812 ff. BGB schon im Grundsatz wenig überzeugend.27 c) Bewertung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers (§ 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB) Die Wertberechnung der Bereitstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers erfolgt über die dienstvertraglichen und taxmäßigen objektiven Bewertungs­ maßstäbe, die bei vertragsgemäßer Durchführung des Arbeitsverhältnisses den für die konkrete Arbeitskraft üblichen Bruttolohn des Arbeitnehmers wiederspiegeln.28 Eine Schlecht- oder Nichtleistung des Arbeitnehmers kann 24  Zur Nutzung als primärem Bereicherungsgegenstand vgl. Grigoleit/Auer, Schuldrecht III, 2. Auflage 2016, § 2 Rn. 359; Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 818 Rn. 9. 25  Vgl. dennoch Sprau, in: Palandt BGB, 78. Auflage 2019, § 812 Rn. 11 f. 26  Vgl. zur Nutzungsmöglichkeit im Bereicherungsrecht BGH, Urteil vom 7. März 2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021 (2023); Kapitel 1 D. I.; Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 61. 27  A. A. Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsver­ trag, JA 1985, 138 (144 f., 147), der aber die umständliche Rechtsfortbildung zu § 142 Abs. 1 BGB auch abbildet. 28  BAG, Urteil vom 12. Februar 1992 – 5 AZR 297/90, NZA 1993, 177 (178); Dölle, Aussergesetzliche Schuldpflichten, in: ZgS, Bd. 103, 1943, S. 67 (94); Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138



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vom Arbeitgeber, nach erfolgter Wertberechnung des Gerichts gemäß § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB, erst im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB bewiesen wer­ den.29 Trotz des bereicherungsrechtlichen Arbeitnehmerschutzes durch die Beweislast des Arbeitgebers an dieser Stelle, ist für die gerichtliche Wertbe­ rechnung bei § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB allgemein die Vermutung der Deckung von üblicher Lohn- und Arbeitsleistung anzudenken, die in ihrer Wirkung auch bei einer objektiven Bewertung der Arbeitsleistung als Orientierung herangezogen werden kann.30 Dagegen ist bei einer vertraglich überhöhten Lohnvereinbarung diese im Wertersatz auf die für die konkrete Arbeit üb­ liche Lohnhöhe zu reduzieren, da ein angemessener Arbeitnehmerschutz und keine Gewinnsicherung im Bereicherungsrecht erzielt werden soll.31 Ande­ rerseits kann eine übliche Lohnhöhe auch über dem Tariflohn liegen.32 Je­ denfalls ist es nicht die Aufgabe der Rückabwicklung, den vertraglichen Austausch, der gerade ex tunc beseitigt werden soll, bereicherungsrechtlich abzubilden.33 Darüber hinaus muss im Rahmen des § 818 Abs. 2 BGB der soziale Ge­ danke bei vollbrachter Arbeitnehmerleistung mit aufgenommen werden. So trägt der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer Beiträge zur Sozialversicherung, deren Wert bei der Berechnung des Wertersatzes zu addieren ist.34 Die tat­ sächlich vollzogene Arbeitsleistung, durch welche dem Arbeitgeber die Dis­ positionsfreiheit über die Arbeitskraft des Arbeitsnehmers übertragen wird und damit die Gewinnmöglichkeiten vorbehalten sind, im Gegenzug diesen jedoch zur sozialrechtlichen Verantwortung gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet, kann nur so vollständig erfasst werden.35 Denn die Arbeitsleis­ (141); Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 62 f.; vgl. Kapitel 2 B. III. 1. b) aa); Kapitel 1 D. II. 3. b); a. A. Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 17. 29  Vgl. Kapitel 2 B. III. 1. b) aa). 30  Vgl. zur Orientierung am vereinbarten Lohn Kapitel 1 D. II. 2. 31  Siehe hierzu Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauer­ rechtsverhältnissen, 1948, S. 24 f. 32  BAG, Urteil vom 12. Februar 1992 – 5 AZR 297/90, NZA 1993, 177 (178). 33  Anders bei Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Ar­ beitsvertrag, JA 1985, 138 (141); wohl auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsan­ fechtung, 1960, S. 234 f., der einen geradezu vertragsgleichen Schutz einfordert. 34  A.  A. wohl LAG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 1990 – 8 Sa 36/90, DB 1991, 975 (976), das die Rückabwicklung der Sozialversicherungsbeiträge fordert, ohne die tatsächliche Arbeitnehmerleistung im Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB vollständig zu berücksichtigen; so auch Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 95. 35  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 700; Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (142).

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tung löst sich mit der ex tunc-Anfechtung zwar von der Person eines Arbeit­ nehmers, kann sich aber nicht von der faktischen Förderung des Arbeitgeber­ betriebs befreien, die folglich rückabgewickelt werden muss und der sozialen Verantwortung des Arbeitgebers bei Berechnung nach § 818 Abs. 2 BGB entspricht. So kann auch das Argument der Rechtsprechung, dass die auf­ grund des nichtigen Arbeitsvertrags erbrachte Dienstleistung des Arbeitneh­ mers durch die nachträgliche Geltendmachung der Nichtigkeit nicht aus der Welt geschafft werden kann, hier richtig gestellt und die tatsächlich erbrachte Leistung im Wege der Rückabwicklung einer dogmatisch konsequenten An­ spruchsgrundlage des Arbeitnehmers zugeordnet werden.36 Eine Befreiung des Arbeitgebers vom Wertersatz der sozialen Gegenleistung zulasten des Arbeitnehmers wäre hingegen dogmatisch eine schlichtweg unvollständige Bewertung der erlangten Leistung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.37 Die Bindung an den Arbeitgeber als erbrachte Leistung des Arbeitnehmers ist dagegen für die Wertberechnung erst mit Blick auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle und den Mutterschutz von Bedeutung.38 d) Entreicherung der Parteien (§ 818 Abs. 3 BGB) Der vorgebrachte pauschale Vorwurf an das Bereicherungsrecht in § 818 Abs. 3 BGB mit einem gegenseitigen Leistungsaustausch nicht umgehen zu können, wird bereits durch die methodisch angelegte Möglichkeit der ge­ richtlichen Modifizierungen widerlegt, die als Reaktion in Form der speziel­ len Behandlung gegenseitiger Verträge durch den Rechtsanwender auch stattgefunden hat.39 Durch die modifizierte Zweikondiktionenlehre oder die Saldotheorie in ihren jeweiligen Ausgestaltungen können die Gerichte selbst einen Rückabwicklungsaustausch bestimmen, der einer synallagmatisch ver­ traglichen Risikotragung und damit dem gewünschten Schutz der Parteien vor Entreicherung auch bei ex tunc-Beseitigung der Willenserklärung und folglich des Austauschvertrags entsprechen kann.40 Daneben hat der Entrei­ cherungseinwand des Arbeitgebers sich stets auf die Arbeitsleistung selbst zu beziehen, die der Arbeitgeber in sein Vermögen aufnimmt, ohne auf andere 36  Erstmals bei BAG, Urteil vom 15. November 1957, NJW 1958, 397 (398); vgl. auch Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 700. 37  Jedenfalls unvollständig bei LAG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 1990 – 8 Sa 36/90, DB 1991, 975 (976); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 95. 38  Vgl. ausführlich hierzu Kapitel 4 C. II. 1. c), d). 39  Ähnlich hierzu Buck-Heeb, in: Erman BGB, 15. Auflage 2017, § 818 Rn. 41; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 270. 40  Vgl. zu den Grundlagen der Entreicherung Kapitel 1 D. III.; Walker, Der Voll­ zug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (144).



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Vermögensminderungen wie Investitionsbemühungen oder Arbeitsauslastung im Betrieb abstellen zu können.41 Der Arbeitgeber inkorporiert dabei im Arbeitsverhältnis jedoch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, die ihm ­ mangels der Möglichkeit einer vermögenswerten Entscheidung darüber, also in jedem Fall verbleibt.42 An dieser Stelle kann neben den Begründungen für die Saldotheorie und die modifizierte Zweikondiktionenlehre auch auf die Ansicht verwiesen werden, dass dem Arbeitgeber die Berufung auf den ­Wegfall der Bereicherung nicht möglich ist, soweit er durch den (unwirk­ samen) Vertrag das Risiko der Verwendungsmöglichkeit übernommen hat (sog. „Lehre der vermögensmäßigen Entscheidung“).43 Die Gefahr des § 818 Abs. 3 BGB für die Rückabwicklung angefochtener Arbeitsverträge be­ schränkt sich daher auf eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers in Höhe des zuviel erhaltenen Arbeitslohns im Vergleich zur Wertersatzberechnung anhand des üblichen Lohns gemäß § 818 Abs. 2 BGB.44 Im Hinblick auf die Interessen des Arbeitgebers ist eine solche Rückabwicklung jedoch sachlich gerechtfertigt und kann nicht als lückenbegründende Schutzlosigkeit des ­Arbeitnehmers dargestellt werden.45 e) Beweislast des Arbeitgebers Gemäß § 818 Abs. 3 BGB hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die ge­ richtliche Wertersatzberechnung der Arbeitsleistung nach § 818 Abs. 2 BGB zu korrigieren. Dabei ist jedoch zu beachten, dass für die Leistung des Ar­ beitnehmers nicht ein bestimmter Erfolg und auch regelmäßig kein qualitati­ ver Verhaltensmaßstab vertraglich festgelegt ist, sondern allein die Bereitstel­ lung seiner Arbeitskraft und die Bindung an den Arbeitgeber geschuldet 41  Siehe auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 942, der aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung jedoch schon grundsätzlich einen Fortfall der Bereiche­ rung ausschließt; a. A. Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 75. 42  Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kurz- und langfris­ tiger Verträge, 2001, S. 143; die Inkorporation der Arbeitsleistung beim Arbeitgeber schließt einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich des Arbeitnehmers nicht aus vgl. Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 223; Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S. 500. 43  Flume, Die Entreicherungsgefahr und die Gefahrtragung bei Rücktritt und Wandlung, NJW 1970, 1161 (1163); Lieb, Nutzungsmöglichkeiten als Gegenstand von Bereicherungsansprüchen, NJW 1971, 1289 (1293); Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 75; Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002, S. 41. 44  Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kurz- und langfris­ tiger Verträge, 2001, S. 143. 45  Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kurz- und langfris­ tiger Verträge, 2001, S. 143.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

bleibt, die vom Gericht objektiv bewertet und vorausgesetzt wurde.46 Eine Schlechtleistung ist aufgrund des weichen Begriffs der Arbeitsleistung, die dem Arbeitgeber die nötige Weisungsfreiheit sichern soll, daher nur schwer zu Lasten des Arbeitnehmers nachzuweisen.47 Weiter ist zu beachten, dass auch bei einem wirksamen Arbeitsvertrag nach § 611a BGB der Arbeitneh­ mer bei Schlechtleistung, bspw. bei Verletzung des Integritätsinteresses ge­ genüber seinem Arbeitgeber und Schadensersatz- oder Gewährleistungsan­ sprüchen des Auftraggebers, schadensersatzpflichtig sein kann.48 Dagegen ist bei einer Nichtleistung des Arbeitnehmers dessen Schutzwürdigkeit in Bezug auf eine vertragliche finanzielle Absicherung deutlich reduziert und kann in Abwägung mit der Privatautonomie des Arbeitgebers eine Gesetzeslücke nicht entstehen lassen.49 2. Beteiligung an kollektivarbeitsrechtlichen Vorgängen Das Kollektivarbeitsrecht regelt auf betrieblicher Ebene vornehmlich die Beziehung des Arbeitgebers zum Betriebsrat, der als Vetreter der Arbeitneh­ merinteressen gegenüber dem Betrieb auftritt. Weitere Vertretungen der Ar­ beitnehmer sind der Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG50 sowie die betriebliche Jugend- und Auszubildendenvertretung gemäß §§ 60 ff. BetrVG. Der einzelne Arbeitnehmer kann am Betriebsrat, dem Wirtschaftsausschuss und bzw. oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung durch die Wahl der Mitglieder und selbst als Mitglied beteiligt sein. Dabei ist die kollektivar­ beitsrechtliche Organisation der Arbeitnehmer von der bloßen arbeitsvertrag­ lichen Verpflichtung zu trennen, weshalb die Teilnahme des einzelnen Ar­ beitnehmers an kollektivarbeitsrechtlichen Vorgängen auch nicht unmittelbar ex tunc durch die Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB beseitigt wird.51 Allenfalls kann auf die Regelungen des BetrVG abgestellt werden, um mit­ telbare Auswirkungen der Anfechtung feststellen zu können.52 Insoweit ist das Kollektivarbeitsrecht ein Fall der Interessenbeteiligung Dritter (hier der Betriebsgemeinschaft). Der Arbeitnehmer verliert durch die ex tunc-Besei­ tigung des Arbeitsvertrags gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend jedoch 46  Maschmann,

Die mangelhafte Arbeitsleistung, NZA-Beil. 2006, 13 (14). Die mangelhafte Arbeitsleistung, NZA-Beil. 2006, 13 (14  f.); vgl. Einführung zum Arbeitsvertrag bei Kapitel 3 B. I. 48  Maschmann, Die mangelhafte Arbeitsleistung, NZA-Beil. 2006, 13 (17). 49  Vgl. schon Kapitel 2 B. III. 1. b) aa). 50  Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vom 11. Oktober 1952, RGBl. S. 681, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2018, BGBl. I S. 2651, 2656. 51  Vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 944. 52  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 944. 47  Maschmann,



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 255

keine Eigenschaft, die als Voraussetzung zur Teilnahme an Wahlen nach §§ 7, 60 Abs. 1, 107 Abs. 1 BetrVG oder der eigenen Wählbarkeit gemäß §§ 8, 61 Abs. 2, 107 Abs. 2 BetrVG und damit kollektivarbeitsrechtlich ver­ langt ist. Für die Eigenschaft als Arbeitnehmer nach dem BetrVG ist gemäß § 5 BetrVG nur von Relevanz, ob tatsächlich im Betrieb fremdbestimmte Leistung in persönlicher Abhängigkeit erbracht wurde.53 Die Rückwirkung der Anfechtung hat im Zeitraum bis zum Zugang der Anfechtungserklärung aber keinen Einfluss auf die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers.54 Auch kraft Gesetzes begründete Arbeitsverhältnisse sind zudem ausrei­ chend.55 Eine zu bewertende kollektivarbeitsrechtliche Rückabwicklungs­ situation in mittelbarer Folge der ex tunc-Wirkung der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB bei Arbeitsverträgen bleibt somit aus.56 3. Kritik an der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis Die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis legitimiert sich durch die Annahme eines Rückabwicklungsproblems und den Verweis auf einen unzu­ reichenden Arbeitnehmerschutz, ohne daneben eine eigene dogmatische Be­ gründung für die Annahme der ex nunc-Rückabwicklung bei der Anfechtung von Arbeitsverträgen zu beinhalten.57 Vielmehr widerspricht die rechtsge­ schäftliche Dogmatik einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis, das als Vorausset­ zung die Einigung der Parteien vorsehen muss – da ein faktischer Vertrags­ schluss mit dem geltenden Zivilrechtssystem nicht vereinbar ist – diese Eini­ gung durch die Anfechtung der Willenserklärung nach § 142 Abs. 1 BGB aber ebenso gerade beseitigt sehen will.58 Daher ist das fehlerhafte Arbeits­ 53  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 944; Besgen, in: Rolfs/Giesen/Krei­ kebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 5 Rn. 3; Koch, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auflage 2019, § 5 BetrVG Rn. 2; Richardi, in: ders. (Hrsg.) BetrVG, 16. Auflage 2018, § 5 Rn. 16, 80. 54  Richardi, in: ders. (Hrsg.) BetrVG, 16. Auflage 2018, § 5 Rn. 16, 80; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 944. 55  Koch, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auflage 2019, § 5 Rn. 2; Besgen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50.  Edition, 1. Dezember 2018, § 5 Rn. 3. 56  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 944. 57  Meier, Der fehlerhafte Anstellungsvertrag von Organmitgliedern und die Rückabwicklung der Vergütung, NZA 2011, 267 (269); Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (420); Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (148). 58  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 698; zur Lehre vom faktischen Vertrag vgl. Haupt, Uber faktische Vertragsverhältnisse, in: Festschrift der Leipziger Juristenfakultät für Dr. Heinrich Siber zum (70. Geburtstag) 10. April 1940, Bd. 2 1943, S. 1 ff.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

verhältnis rechtstechnisch nicht mehr als ein Begriff für die künstliche Gel­ tung des Arbeitsvertrags vor Zugang der Anfechtungserklärung. Eine dogmatische Diskussion kann sich nur auf die einzelnen Argumente zur Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis beziehen und nicht auf die bloße Annahme einer nicht rückabwickelbar entstandenen persönlichen In­ volvierung des Arbeitnehmers.59 Daran ändert auch die besondere persönli­ che Einbindung des Arbeitnehmers nichts, da sich diese außerhalb der dog­ matischen Anknüpfungspunkte der Arbeitsschutzrechte befindet und grund­ rechtliche Überlegungen nicht einfach wertend als Begründung einer Rechts­ fortbildung herangezogen werden können.60 Der Weisungsabhängigkeit des Arbeitnehmers, als verstärkten Fall der persönlichen Involvierung, im Ver­ gleich zu punktuellen Schuldverhältnissen eine Sonderstellung einzuräumen, die im Fall der Arbeitsverträge nach § 611a BGB ebenfalls beseitigt werden müsse – einer Rückabwicklung aber nicht zugänglich ist – überspannt den personenrechtlichen Bogen und kann in solchem Maße dem Arbeitsverhältnis und dessen Gegenleistungsanspruch nicht zugerechnet werden.61 Hinzu kommt, dass die Gerichte die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis auch auf nichtige Vorstandsverträge oder Geschäftsführeranstellungsverträge an­ wenden und davon einmal abgesehen, der Einfluss der Anfechtbarkeit auch personenbezogen im Arbeitsverhältnis zu spüren sein müsste.62 Das gesetz­ lich nur schuldrechtlich im BGB normierte Arbeitsverhältnis kann nicht ein­ fach in Form einer vergrößerten personenrechtlichen Wertung als anerkannt behandelt werden, um die rechtstechnische Beseitigung des missbilligten Vertrags zu verhindern.63 Dies bedeutet im Ergebnis, dass soweit die Argu­ mente, die gegen eine ex tunc-Rückabwicklung bei Arbeitsverträgen ange­ führt werden, dogmatisch untersucht sind, die Lehre vom fehlerhaften Ar­ beitsverhältnis ausgehöhlt ist und als reine Begrifflichkeit nicht weiter zur Diskussion beitragen kann.

59  Siehe 60  Vgl.

ähnlich Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 271. auch Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611

Rn. 699. 61  Weber, Zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 1978, S. 106; Dölle, Aus­ sergesetzliche Schuldpflichten, in: ZgS, Bd. 103, 1943, S. 67 (95 f.); a. A. Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (145). 62  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, §  611 Rn. 699; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 28. 63  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 28.



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 257

4. Übertragung gesetzlicher Wertungen (§ 242 BGB) Das Leistungsstörungsrecht sieht an verschiedenen Stellen Schutzmecha­ nismen zugunsten der einen oder anderen Partei vor, die bei ex tunc-Nichtig­ keit des Arbeitsvertrags gemäß § 611a BGB aufgrund fehlender vertraglicher Grundlage nicht anwendbar sind.64 Diese gesetzlichen Wertungen, wie bspw. nach § 326 Abs. 2 BGB bzw. § 615 BGB, sind über § 242 BGB mit in das Bereicherungsrecht zu übernehmen, wenn ansonsten eine unbillige Ab­ wicklung gegen Treu und Glauben die Folge wäre.65 Dass das Bereiche­ rungsrecht einer solchen Möglichkeit offen gegenüber steht, lässt sich schon aus § 817 BGB erkennen, der auf gesetzliche Verbote und die guten Sitten verweist. Weiter ist in solchen Fällen, ohne auf § 242 BGB zurückgreifen zu müssen, auch immer eine (analoge) Anwendung des § 814 BGB denkbar, wenn der Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers gesperrt werden soll. Fer­ ner ist erneut festzuhalten, dass die Angebotsbereitschaft der Arbeitskraft des Arbeitnehmers bereits eine Leistung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB darstellt, sollte es der Arbeitgeber rückblickend in der Hand gehabt haben, diese wahrzunehmen. Unüberwindbare Probleme des Bereicherungsrechts nach §§ 812 ff. BGB lassen sich durch die ausbleibende Anwendung des Leistungsstörungsrechts jedenfalls nicht konstruieren.66 5. Typische vertragliche Vereinbarungen Typische vertragliche Vereinbarungen zugunsten des Arbeitnehmers kön­ nen im Bereicherungsrecht nicht einfach vertragsorientiert als Entgelt bei der Wertberechnung der Arbeitsleistung mit berücksichtigt werden, soweit der vertragliche Lohn nicht automatisch durch § 818 Abs. 2 BGB eine Korrektur nach oben erfährt, da die zusätzlichen Arbeitgeberleistungen vom Arbeits­ lohn in Abzug gebrachten wurden.67 Dies gilt auch für die betriebliche Al­ tersvorsorge, die jedoch eher einen Entgeltcharakter einnehmen dürfte. Ein vertragsgleicher Austausch ist im Bereicherungsrecht nicht die Vorgabe und mit Blick auf die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB auch nicht er­ wünscht.68 Vielmehr muss das Bereicherungsrecht bei Anfechtung einen ausreichenden Arbeitnehmerschutz gewähren. Ein Mehr dazu kann sich in 64  Mankowski,

Beseitigungsrechte, 2003, S. 940. Beseitigungsrechte, 2003, S. 940; Walker, Der Vollzug des Ar­ beitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (142). 66  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 940 f.; a. A. Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (142). 67  Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S.  65  ff.; großzügiger bei Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S. 498 f. 68  Vgl. Kapitel 4 B. I. 1. b). 65  Mankowski,

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

der Diskussion um eine Gesetzeslücke nicht behaupten. Stützt man sich zu­ dem auf den besonders relevanten Fall der Abfindung als vertragliche Ver­ einbarung, ist bei Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB diese in ihrem Anwen­ dungsbereich zur Kompensation einer Kündigung durch den Arbeitgeber schon nicht einschlägig. Die Anfechtung lässt daher mitunter gar keinen Raum für am Arbeitnehmerschutz orientierte Argumentationen. 6. Leistungsbeziehungen zu Dritten a) Krankenkasse Die Beteiligung der Krankenkasse kommt bei den Arbeitsverträgen nach § 611a BGB aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers zustande. Die Zahlungen an den Arbeitnehmer sind dabei, ebenso wie die monatlichen Beiträge des Arbeitnehmers bzw. Arbeitgebers, klar bezifferbar und daher einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB grundsätzlich ohne Schwierigkeiten zugänglich.69 Der veränderte Versicherungstarif des Arbeitnehmers, der nach Anfechtung des Arbeitsvertrags im Raum steht, kann dabei mit der bisherigen Beitrags­ pflicht des Arbeitnehmers, bzw. einer Pflicht zur Leistung der Krankenkasse gegengerechnet werden.70 Diese Arbeitstechnik entspricht einer rückwir­ kenden Berichtigung der Beitrags- bzw. Leistungszahlungen bspw. nach zu spät angemeldetem Austritt aus einem Arbeisverhältnis, bzw. nachträglich erbrachtem Nachweis eines Studentenstatus und damit verringerten Beitrags­ leistungen des Versicherten und ggf. Zahlungsverpflichtungen der Kranken­ kasse.71 All diese Vorgänge entsprechen wiederum dem alltäglichen Bear­ beitungsgeschäft der Krankenkassen.72 Ein ungewöhnlicher und zu berück­ sichtigender Mehraufwand der Krankenkasse als Dritte ist daher nicht zu erwarten. Auch die Gestalt des Arbeitnehmers als Schuldner ändert sich nicht, während die Arbeitgeberbeiträge bei den Krankenkassen verbleiben und auf die abgewandelte Beitragspflicht des Arbeitnehmers verrechnet wer­ den können.73 Eine Schutzlosigkeit der Krankenkassen ist daher nicht gege­ 69  A. A. Strick, Die Anfechtung von Arbeitsverträgen durch den Arbeitgeber, NZA 2000, 695 (696). 70  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (420); Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 946. 71  Vgl. auch hier die Ansätze bei Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (420); Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 946. 72  Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, NJW 2013, 417 (420); Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 946. 73  Vgl. Kapitel 4 B. I. 1. b).



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 259

ben, und auch der Bearbeitungsaufwand, aufgrund der möglichen versiche­ rungsstatusrelevanten Änderungen des von der Krankenkasse gewählten Schuldners, begründen keine besondere Reaktion der Rechtsanwendung. b) Staat Ähnlich wie bei den Beiträgen zu Krankenkasse kann auch in Beziehung zu staatlichen Behörden die Abgabe von Steuerlasten, die mittelbar an das Arbeitsverhältnis geknüpft sind, in Folge veränderter steuerrechtlicher Be­ rücksichtigung für die Vergangenheit im Grunde neu berechnet und rück­ abgewickelt werden.74 Gleiches gilt für Beiträge zur Renten- und Arbeitslo­ senversicherung, die der Staat durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer während der Zeit des vermeintlichen Arbeitsvertrags erhalten hat. Die Aus­ wirkungen auf die staatlichen Behörden beschränken sich dabei, ähnlich wie schon bei den Krankenkassen aufgeführt, auf reine Verrechnungsarbeiten, ohne dass es zu veränderten Haftungsfragen kommt. Steuerrechtlich ist die Einkommenssteuer vom Bruttolohn des Arbeitnehmers zu tragen und muss vom Arbeitgeber nur einbehalten und abgeführt werden.75 Der Verlust eines Haftungssubjekts scheidet daher aus. Gleiches gilt beim Gesamtsozialversi­ cherungsbeitrag, der im Außenverhältnis unverändert an die Person des Ar­ beitnehmers als Schuldner geknüpft ist, während der Betrag des Arbeitgebers beim Staat verbleibt und als Sicherung bereits eingerechnet werden kann. c) Auftraggeber Die Auftraggeber sind aufgrund der Dreiecksabwicklung im Bereiche­ rungsrecht nach §§ 812 ff. BGB im Regelfall von der ex tunc-Nichtigkeit ei­ nes Arbeitsvertrags mit dem Arbeitnehmer nicht betroffen.76 Eine Außnah­ mekonstellation bietet sich, wenn auch im Auftrag mit Vertragspartnern die Qualifikation des ausführenden Arbeitnehmers vereinbart ist und sich durch die Anfechtung unmittelbar eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers ergeben kann. Eine solch mögliche Nacherfüllungs- bzw. Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers wäre im Verhältnis der Parteien des Arbeitsvertrags ein Fall des § 122 BGB. Aus Sicht des Auftraggebers, dem aufgrund des Vertragsbruchs ein Anspruch gegen den Arbeitgeber zusteht, handelt es sich dagegen um einen Haftungsfall. Ähnlich wie im Gesellschaftsrecht wirkt die Anfechtung des Arbeitsvertrags hier mitunter also zu Lasten des allgemeinen Rechtsver­ 74  Zur Berechnung vgl. schon allgemein § 36 EStG bzw. Ettlich, in: Blümich, EStG, 144. EL Oktober 2018, § 36 Rn. 71 ff. 75  Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S. 351. 76  Lorenz, Bereicherungsrechtliche Drittbeziehungen, JuS 2003, 729 (733).

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

kehrs. Im Unterschied zum Gesellschaftsvertrag ist jedoch das Haftungssub­ jekt, hier in Person des Arbeitgebers, nicht betroffen. Ferner ist diese Art der Pflichtverletzung bei vertraglicher Berücksichtigung ein typischer Schadens­ fall, der in den Verträgen vorbereitet ist und daher den Auftraggeber nicht in unvorhersehbare Haftungsfragen involvieren wird. Weiter ist die Qualifika­ tion eines Arbeitnehmers selten durch seine Anstellung, sondern vielmehr durch abgeleistete Diploma, Meisterprüfungen oder sonstige Examina be­ stimmt. Eine Anfechtung des Arbeitsvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB lässt deshalb den Wert seiner Arbeitskraft nicht zwangsweise entfallen und kann nach dem Gesagten keine besondere Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs in dem Maße begründen, das eine Rückabwicklung des ungewollten Arbeits­ vertrags nach § 611a BGB verhindern könnte.77

II. Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) 1. Rückabwicklung im Personengesellschaftsrecht Die Rückabwicklung der Leistungen, die im Innen- und im Außenverhält­ nis einer Personengesellschaft vollzogen werden, kann über das Bereiche­ rungsrecht der §§ 812 ff. BGB und andere Ansprüche technisch einzeln er­ fasst und auch in ihrer Gesamtheit unter Einfluss der starken Involvierung im Rechtsverkehr in dogmatischer Theorie behandelt werden. Dass sich dabei ein technisch komplexer Rückabwicklungsaufwand sowohl im Innenverhält­ nis als auch mit den jeweiligen Vertragspartnern der Gesellschaft im Außen­ verhältnis ergibt, ist nicht bestritten. Die Vorschriften des Bereicherungsrechts sind jedoch, insbesondere mit Blick auf synallagmatische Leistungsbeziehun­ gen, im Sinne des ökonomischen Prinzips der Rechtsordnung ausgestaltet worden und ermöglichen in dogmatischer Theorie und im praktischen Ergeb­ nis eine rasche und einfache Überführung zurück in einen billigen Zustand.78 a) Innenverhältnis der Gesellschaft Die Rückabwicklung der Gesellschaft führt im Innenverhältnis zu gesetz­ lichen Ansprüchen der Gesellschafter gemäß §§ 749 ff., 812 ff., 985 BGB, die sich auf eine Kondiktion des Gesamthandsvermögens und des, mit Vollzug der Gesellschaft entstandenen, vermögenswerten Austauschs unter den Ge­

nur Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 40. Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 15, 19; zum Aufwand einer Rückabwicklung bspw. Dölle, Aussergesetz­ liche Schuldpflichten, in: ZgS, Bd. 103, 1943, S. 67 (93). 77  Vgl.

78  Beitzke,



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 261

sellschaftern beziehen.79 Das Gesellschaftsvermögen selbst ist nach Anfech­ tung der Gesellschaft kein gemeinschaftliches Eigentum der Gesellschafter i. S. d. §  718 Abs.  1 BGB.80 Die Zuordnung des vorhandenen Gesellschafts­ vermögens im Status vor der Rückabwicklung und die daraus zu schließen­ den Anspruchsgegner der verschiedenen Rückabwicklungsansprüche der Gesellschafter sind daher im Einzelfall nachzuvollziehen. Eingebrachte Bei­ träge der Gesellschafter aus § 706 BGB können aufgrund der Beseitigung der Gesellschaft nach § 985 BGB mangels dinglicher Einigung von den Ge­ sellschaftern zurückverlangt oder nach Verwertung der Beiträge gegenüber den einzelnen Gesellschaftern nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB heraus­ verlangt werden.81 Dagegen sind Leistungen von Dritten je nach konkreter Übertragung und Verwertung den einzelnen Gesellschaftern zuzurechnen und wären im Innenverhältnis im Wege der Rückabwicklung gewinnbezogen zu berücksichtigen. Auch hier kann auf die Komplexität der Leistungsbeziehungen und die Vielzahl der entstehenden Kondiktionsansprüche abgestellt werden, es muss jedoch auch deren Vereinbarkeit mit dem Bereicherungsrecht zugestanden werden.82 So können Beiträge der Gesellschafter, Aufwendungen, die von den Gesellschaftern erbracht wurden und sonstiges Vermögen der Gesell­ schaft kondiktionsrechtlich billig eingerechnet und kondiziert werden. Glei­ ches gilt für die Gewinne der Gesellschaft, die im Rahmen des § 818 Abs. 2 BGB durch angemessene gerichtliche Verteilungsschlüssel grundsätzlich aufgegliedert werden können.83 Die Gesellschafter werden durch die neu gebildeten gesetzlichen Schuldverhältnisse zwischen ihnen auch nicht an unbekannte Parteien gebunden, sondern der Kreis der Gesellschafter als Gläubiger und Schuldner bleibt auch in der Rückabwicklung bestehen. Auch unter einem anzunehmenden Wetteifern der Ansprüche ist demnach das In­ nenverhältnis der Personengesellschaft, im Hinblick auf Haftungsrisiken und dogmatische Vereinbarkeit, einer ex tunc-Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB zugänglich.84

79  Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 70; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 928. 80  Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 233. 81  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 706 Rn. 18. 82  Weber, Zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 1978, S. 103 f.; auch bei Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 927; a. A. wohl Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 233, der von einer Verfilzung spricht. 83  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 927. 84  BGH, Beschluss vom 05. Mai 2008 – II ZR 292/06, BeckRS 2008, 8818; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 347.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

b) Außenverhältnis der Gesellschaft Die Vertretungsbefugnis des einzelnen Gesellschafters für seine anderen Mitgesellschafter reicht gemäß § 714 BGB im Grundsatz immer nur soweit, wie sich die Befugnis zur Geschäftsführung darstellt.85 So ist im Zweifel gemäß § 714 BGB auch davon auszugehen, dass der handelnde Gesellschaf­ ter ermächtigt ist, die anderen Gesellschafter zu vertreten. Bei einem nich­ tigen Gesellschaftsvertrag ist eine Vollmacht mangels gesellschaftsvertrag­ licher Vereinbarung jedoch nicht gegeben. Unabhängig von einer sonstigen Einwilligung abseits des Gesellschaftsvertrags, ist im Grundsatz daher zu­ nächst von einem bloßen Handeln im eigenen Namen des betroffenen Gesell­ schafters auszugehen. Weiter, und das wird dann vielmehr den Regelfall darstellen, wird der Gesellschafter für die nicht mehr existente Gesellschaft als Vertreter aufgetreten sein und sich seine Haftung gemäß § 179 Abs. 1, 2 BGB analog bestimmen.86 Die Haftung des handelnden Gesellschafters ist im Grundfall somit nach § 179 Abs. 2 BGB auf das negative Interesse be­ grenzt, soweit er die Anfechtbarkeit gemäß § 142 Abs. 2 BGB nicht kannte oder kennen musste, während sich die bereicherungsrechtliche Rückabwick­ lung der bereits erbrachten Leistungen zwischen den Geschäftspartnern der Gesellschaft und den einzeln bevorteilten Gesellschaftern der Leistungen vollzieht. Für Dritte hat das zur Folge, dass sie sich einerseits einer beschränkten Verantwortlichkeit des handelnden Gesellschafters gegenübersehen, anderer­ seits, dass die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung auf die verschiede­ nen Gesellschafter aufgeteilt ist und nicht bei der Gesellschaft als Bereiche­ rungsschuldner bzw. -gläubiger verbleibt. Dabei ist auch der Rspr. zuzustim­ men, die einen Wettlauf der Bereicherungsansprüche übergreifend im Innenund Außenverhältnis besorgt.87 Festzuhalten bleibt an dieser Stelle aber, dass eine Rückabwicklung der Verträge auch im Außenverhältnis grundsätz­ lich möglich ist.88 Entscheidend ist jedoch, dass sich bereicherungsrechtlich aufgrund der Beseitigung des Rechtssubjekts der Gesellschaft und ihrer Ge­ samthand, für Dritte ein neugeartetes Haftungsrisiko ergibt.89 So wäre bei Existenz der Gesellschaft ein Bereicherungsanspruch Dritter gegenüber der 85  Mugdan,

Materialien, II. Bd. 1899, S. 340 f. Urteil vom 8. Juli 1974 – II ZR 180/72, NJW 1974, 1905 f.; BGH, Ur­ teil vom 12. November 2008 – VIII ZR 170/07, NJW 2009, 215; Schubert, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 179 Rn. 12 m. w. Nw. 87  BGH, Beschluss vom 05. Mai 2008 – II ZR 292/06, BeckRS 2008, 8818; vgl. Kapitel 3. B. II. 5. c). 88  Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 222. 89  Grigoleit/Auer, Schuldrecht III, 2. Auflage 2016, § 2 Rn. 405; Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 91; a. A. wohl Brox, Die Einschränkung der 86  BGH,



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 263

Gesellschaft als Haftungssubjekt und der Gesamthand als Haftungsobjekt möglich, und nur mit Blick auf die Gesellschaft selbst eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen, während die Gesellschafter per­ sönlich – mit auf die Einlage begrenzter Ausnahme des Kommanditisten bei der KG gemäß § 171 Abs. 1 HGB – zusätzlich akzessorisch für die Verbind­ lichkeiten haften würden, ohne eigens einen Entreicherungseinwand geltend machen zu können. Dabei zeigt sich auch die Bedeutung des Gesellschafts­ vermögens, das durch seine Verselbständigung die Rechtspersönlichkeit einer Gesellschaft, auch bei den Personengesellschaften im Handelsrecht, erst be­ gründet.90 Bei einer ex tunc-Wirkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB ist aber die Gesellschaft als Haftungssubjekt und deren Gesamthand beseitigt, d. h. der Dritte kann sich als Bereicherungsschuldner nur an die einzelnen Gesellschafter wenden und hätte eine zwar mögliche, aber aufwen­ dige Rückabwicklung durch Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB zu dulden, sowie entscheidend die Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB der Gesellschafter und deren Solvenz im jeweiligen Einzelfall zu beachten.91 Hinzu kommt, dass sich eine Rückabwicklung mit dem einzelnen Gesell­ schafter außerhalb einer synallagmatischen Leistungsbeziehung vollziehen kann, mit der Folge, dass die eigentlich angestrebten vertraglichen Wertun­ gen nicht mit in das Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB übernommen werden. aa) Einfluss des Rechtsscheins Insbesondere bei den Handelsgesellschaften ist über den Rechtsschein des Handelsregisters aus § 15 Abs. 3 HGB, in dem alle Gesellschafter gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 HGB aufgeführt sind, aber auch bei der GbR über die allgemeinen Rechtsscheingrundsätze von einer Verpflichtung der jeweiligen Gesellschaft oder jedenfalls der einzelnen Gesellschafter über die §§ 164 ff. BGB, ähnlich der traditionellen Lehre zur Rechtsnatur der GbR, auszuge­ hen.92 Dies bedeutet, dass über Rechtsscheingesichtspunkte das Rechtssub­ jekt der Gesellschaft erhalten werden kann. Dadurch bleibt eine vertragliche Bindung Dritter mit der Gesellschaft bzw. jedenfalls den Gesellschaftern Irrtumsanfechtung, 1960, S. 232 indem er die Bedeutung des § 122 Abs. 2 HGB über­ spannt. 90  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 13; Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S.  234; Maultzsch, Die „fehlerhafte Gesellschaft“: Rechtsnatur und Minderjährigenschutz, JuS 2003, 544 (547). 91  Vgl. Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 233. 92  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 296, 352; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 928.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

bestehen, und ein Leistungsaustausch zwischen den Parteien im Außenver­ hältnis wäre nicht rechtsgrundlos ergangen, was in der Folge eine bereiche­ rungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB zwischen der Gesell­ schaft und Dritten auch nicht erforderlich machen würde. Was sich auch bei der Berücksichtigung von Rechtsscheingrundsätzen für die Vertragspartner der Gesellschaft nicht verhinden lässt, ist jedoch, neben einer zurückbleibenden Unsicherheit der Anwendung im konkreten Fall, der Verlust der gesamthänderisch strukturierten Gesellschaft.93 Denn die Ge­ samthand ist auf bestimmte gesetzliche Fälle, wie die Erbengemeinschaft, die Gütergemeinschaft oder die Gesellschaft beschränkt und kann nicht einfach durch Rechtsschein der Gesellschaft angedacht werden.94 Insbesondere lässt sich eine Gesamthand auch nicht durch eine mitgliedschaftlich ange­ legte Verbandsordnung begründen.95 Dies ist bei Annahme einer vertrag­ lichen Rechtsgrundlage, insbesondere für Haftungsfragen im Bereich des Gewährleistungsrechts oder sonstigen Vertragsverletzungen der Parteien, von Relevanz. Ohne Sicherheit, in Form des Haftungsobjekts der Gesamthand, wäre der Rechtsverkehr allein von der verstrickten Solvenz und Koopera­ tionsbereitschaft der einzeln persönlich haftenden Gesellschafter als „neue Schuldner“ abhängig. Auch unter Rechtsscheingesichtspunkten verbleibt da­ her für den Rechtsverkehr, insbesondere bei einer Vielzahl von Gesellschaf­ tern, ein unvorhersehbares Haftungsrisiko. Zudem wäre die weitgehende Aufrechterhaltung der Gesellschaft allein durch Rechtsschein konträr zur Bemühung der Anfechtung, die ungewollte Bindung im Rechtsverkehr zu verhindern. bb) Wertung des § 122 Abs. 2 HGB Das Gläubigerinteresse am Kapital der Gesellschaft ist mit Einzelverweis auf die Wertung in § 122 Abs. 2 HGB, der zur Kapitalentnahme eines Ge­ sellschafters lediglich die Zustimmung der Mitgesellschafter und nicht etwa der Gläubiger fordert, eingeschränkt.96 Die Folgen einer Auseinandersetzung 93  Schäfer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 298. Die Nichtigkeit, die Anfechtbarkeit und der Rücktritt bei Dauer­ schuldverhältnissen, 1948, S. 48; Schmidt, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 741 Rn. 6; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (424); Maultzsch, Die „fehlerhafte Gesellschaft“: Rechtsnatur und Min­ derjährigenschutz, JuS 2003, 544 (548). 95  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 912 f. 96  Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 232 der eine Ver­ wirrung des Vermögens durch Verlust des Haftungssubjekts betont, einen Gläubiger­ schutz aber verneint und eine Unmöglichkeit der Rückabwicklung, als dogmatische Begründung der Rechtsfortbildung annimmt; allgemein zu § 122 HGB Priester, in: 94  Freiberger,



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 265

mit jedem einzelnen Gesellschafter kann dies gegenüber den Gesellschafts­ gläubigern jedoch nicht rechtfertigen. Hinzu kommt, dass sich die Entnahme von Gesellschaftsvermögen für den Gläubiger einer Gesellschaft mitunter besser verfolgen lässt und ein gezielteres Inanspruchnehmen ermöglicht, als die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Kapitals nach Beseitigung der Gesamthand. Ferner ist für Dritte ein schneller ökonomischer Rückgriff auf den einzelnen Gesellschafter und dessen Entnahme möglich, wohinge­ gen bei einer ex tunc-Beseitigung der Gesamthand ein Geflecht aus Ansprü­ chen besteht, das keine baldige Befriedigung der Gläubigerinteressen ver­ spricht, sondern vielmehr eine geringere Haftungsmasse nach (gerichtlicher) Sondierung befürchten lässt. Daher ist die gesetzliche Wertung aus § 122 Abs. 2 HGB nicht gänzlich auf den Fall der Anfechtung des Gesellschafts­ vertrags nach § 142 Abs. 1 BGB übertragbar und kann in diesen Fällen dem Gesamthandsvermögen dessen Bedeutung für die Gesellschaftsgläubiger nicht entziehen. 2. Kritik an der Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft Die fehlerhafte Gesellschaft ist, wie ähnlich schon beim fehlerhaften Ar­ beitsverhältnis erörtert wurde, für sich nur ein Begriff, der nicht mehr bedeu­ tet, als dass ein Vertragsverhältnis zwischen den Gesellschaftern für die Vergangenheit angenommen wird.97 Eine fehlerhafte Gesellschaft kann da­ her nicht mit dem bloßen Zirkelschluss angenommen werden, dass die Ent­ stehung der Gesamthand und die Einrichtung von Gesellschaftsorganen eine solche bewirken.98 Die Gesamthand und die Gesellschaftsorgane sind im Gesellschaftsvertrag begründet. Wird er beseitigt, entfallen diese, was somit auch einer fehlerhaften Gesellschaft die Grundlage für ihre Existenz entzie­ hen würde. Dogmatisch selbst begründet, wenn man so will, ist die fehler­ hafte Gesellschaft daher nicht. Entscheidend für die Annahme einer fehler­ haften Gesellschaft bleiben mögliche Argumente, die für eine Gesetzeslücke bei Anfechtung des Gesellschaftsvertrags sprechen und eine Rechtsfortbil­ dung der Gerichte, zum Zwecke des plausiblen Zusammenwirkens der durch Auslegung zu verstehenden Rechtsnormen, erzwingen.99 Die Kritik an der Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft wird in der Lehre dabei auch als die „gesetzestreue Ansicht“ bezeichnet, was für sich allein bereits als Argu­ MüKo HGB, 4. Auflage 2016, § 122 Rn. 47; Finckh, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 122 Rn. 38. 97  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (441). 98  Vgl. Kapitel 3 B. II. 5. c). 99  Vgl. Kapitel 2 A. II. 3. a) aa).

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

ment gegen die anderen Meinungen verwendet werden könnte.100 Vorge­ bracht wird aber, dass die Ausgestaltung des Bereicherungsrechts in den §§ 812 ff. BGB nicht als Begründung für das Konstrukt einer fehlerhaften Gesellschaft anzuführen und ein Gesamthandsvermögen der Gesellschafter im Innenverhältnis, auch ohne Gesellschaftsvertrag in seiner Abwicklung möglich sei.101 a) Lehre zur Doppelnatur und verbandsrechtliches Prinzip Die Lehre zur Doppelnatur als auch die Theorie eines verbandsrechtlichen Prinzips, führen als wohl h. M. zur Begründung der fehlerhaften Gesellschaft allgemein an, dass nicht der äußere Rechtsschein oder der gute Glaube Drit­ ter der Grund für die fehlerhafte Gesellschaft sind, sondern das Invollzugset­ zen des Verbandsverhältnisses und dessen innerer Vorgang, der einen Zustand schafft, der nicht bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln ist und nur nach den Vorschriften zur Auseinandersetzung liquidiert werden kann.102 Die Frage, weshalb gerade im Gesellschaftsrecht dem Bestands- und Verkehrs­ schutz eine überragende Wichtigkeit zukommt, die mit anderen schuldrecht­ lichen Konstellationen unter § 142 Abs. 1 BGB nicht verglichen werden kann, ist jedoch nicht als wertende Gesamtentscheidung dogmatischer Ein­ zelfragen zu beantworten.103 Denn auch bei anderen Dauerschuldverhältnis­ sen ist mit einer komplexen Rückabwicklung durch das Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB zu rechnen, ohne dass diese Schuldverhältnisse gleich einem fehlerhaften Gebilde zugeordnet werden.104 Neben der bereicherungs­ rechtlichen Komplexität wird daher ein organisations- und personenrecht­ liches Moment angeführt, das die Gesellschaft mit seiner mitgliedschaftlich angelegten Verbandsverfassung von anderen schuldrechtlichen Verhältnissen unterscheiden soll.105 Die Gesellschaft zeichne sich nämlich, neben der ver­ traglichen Grundlage, durch ein faktisch und organisatorisch geschaffenes 100  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (424); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 351. 101  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 352. 102  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (424); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 354 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 913 f. 103  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (425). 104  Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (434). 105  v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, Ber­ lin 1887, S. 470 ff.; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbands­ recht, AcP 186 (1986), 421 (426); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 356.



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 267

Gemeinschaftsverhältnis zwischen den Gesellschaftern aus.106 Dabei sieht man sich einer Theorie gegenüber, die, ähnlich zum personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis bei Arbeitsverträgen nach § 611a BGB, versucht, die rechtliche Anerkennung einer tatsächlichen Organisationsbeziehung zu erreichen, die im Grunde nur auf einen faktischen Vertragschluss gestützt werden kann, sich in ihrer Begründung aber unabhängig von der Vertrag­ schlusslehre des BGB behandeln lassen will.107 Einem solchen freien Be­ gründungsansatz ist nicht zuzustimmen, da es am Vorbringen eines konkreten dogmatischen bzw. gänzlich, eines gesetzlichen Nachweises fehlt.108 Einer­ seits erfordert das Gesellschaftsverhältnis bereits, abseits einer faktischen Betrachtung, einen Gesellschaftsvertrag, um die Stellung und Handlungen der Gesellschafter als Organe im Verhältnis zueinander überhaupt in einer solchen Bedeutungskraft heranziehen zu können.109 Andererseits würde die Annahme einer rechtlich voll wirksamen Gesellschaft unabhängig von einem willentlichen Konsens, durch bloßes Zusammenwirken der Beteiligten, die an Willenserklärungen anknüpfende Gesetzeslage in § 142 Abs. 1 BGB igno­ rieren und eine dogmatische Diskussion hierzu entgegen der Methodenlehre einfach umgehen.110 Der häufig zu lesende Verweis auf den Gleichlauf der Folgen einer Nichtigkeitsklage bei Satzungsmängeln der Kapitalgesellschaf­ ten nach § 277 Abs. 1 AktG, § 77 Abs. 1 GmbHG oder § 97 Abs. 1 GenG mit der Auflösung der Gesellschaft ist daneben als Argument zu wandelbar, um den Personengesellschaften ein über den schuldrechtlichen Vertrag hinausge­ hendes Gemeinschaftsverhältnis nachzuweisen.111

106  Flume,

S. 15.

Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III,

107  Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 220; Lehmann, Faktische Vertragsverhältnisse, NJW 1958, 1 ff.; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 215 f.; so aber Koch, in: MüKo AktG, 4. Auflage 2016, § 275 Rn. 7; zur Gesetzeswidrigkeit des faktischen Vertrages vertiefend Lambrecht, Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis, 1994, S. 13 f.; Köth, Die fehlerhafte Ehe als Fall des fehlerhaften Dauerschuldverhältnisses, 2002, S. 21. 108  Vgl. einleitend bei Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 17; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 216. 109  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 913. 110  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 913. 111  A. A. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 16; Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (429).

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

b) Pauschale Entfernung von der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB Allgemein lastet der Lehre um die fehlerhafte Gesellschaft das Problem an, dass sie von den Gerichten und auch in Begründungsversuchen der h. L. zu pauschal verwendet wird, ohne bei der betroffenen Gesellschaft die dog­ matischen Grundüberlegungen zu hinterfragen.112 Dies mag mitunter der abschreckenden Unübersichtlichkeit der komplexen Verhältnisse im Gesell­ schaftsrecht, in Kombination mit dem Instrument der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB und dem Vergleich zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis, geschul­ det sein. Dadurch hat sich jedoch mit der fehlerhaften Gesellschaft ein argu­ mentativer Selbstläufer entwickelt, der ergebnisorientiert je nach Bedarf verwendet wird, und dessen Voraussetzungen bei der Übertragung auf die verschiedenen Fallkonstellationen allenfalls mittelbar durch Vergleiche ange­ sprochen, häufig dann aber durch verdeckende Rechtssicherheitsargumente übergangen werden.113 Ein solches Vorgehen ist wiederum methodisch nichts anderes als eine Umgehung der Rechtsfortbildungsvoraussetzungen mangels dogmatischer Begründung der Regelungslücke. Hinzu kommt, dass durch die systematische Einordnung der Geltendma­ chung von Anfechtungsgründen in die gesellschaftlichen Auslösungsregelun­ gen um die §§ 133, 140 HGB bzw. § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, auch in Bezug auf die anzuwendenden Rechtsnormen, der Eindruck entsteht, dass das An­ fechtungsrecht nach § 142 Abs. 1 BGB in seiner Rechtsfolge und Ausgestal­ tung aus dem Gesellschaftsrecht ausgeklammert wird.114 Allenfalls kann da noch irritieren, dass bei den Kapitalgesellschaften die Nichtigkeitsregelungen wie in §§ 275 ff. AktG bzw. §§ 75 ff. GmbHG eindeutig die Anfechtung ablö­ sen sollen und auf eine analoge Heranziehung der Gesellschaftsnormen ver­ zichtet werden kann. c) Verlust des Haftungssubjekts Anders als beim Mietvertrag, dem Arbeitsvertrag oder dem Zeitungsabon­ nement entsteht durch den Vertragsschluss im Gesellschaftsrecht die Gesell­ 112  Vgl. bspw. BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377); BGH, Urteil vom 30. September 1982 – III ZR 58/81, NJW 1983, 748; auch bei Koch, in: MüKo AktG, 4. Auflage 2016, § 275 Rn. 7; Schöne, in: Bamberger/ Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 82, 85. 113  Zu beobachten bei BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 – II ZR 158/69, NJW 1971, 375 (377); auch zitiert bei Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (434). 114  Vgl. Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 345; Schmidt, Ge­ sellschaftsrecht im Spiegel der NJW, NJW 2017, 3350 (3353).



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 269

schaft mit ihrem Gesamthandsvermögen als Haftungssubjekt. Die Anfechtung von Personengesellschaften kann sich daher, wie gesehen, nicht ohne haf­ tungsrelevanten Verlust der Person der Gesellschaft und Umsetzung des ge­ samthänderischen Vermögens der Gesellschaft auf die einzelnen Gesellschaf­ ter vollziehen.115 Für Dritte führt das zu einer neugearteten Schuldnerkon­ stellation und einem Verlust der Sicherheit des in die Rückabwicklungs­ ansprüche der Gesellschafter zerlegten Gesellschaftsvermögens, das selbst unter Rechtsscheingesichtspunkten nur mittelbar über die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Gesellschafter und nicht direkt über die Gesamthand zugänglich ist.116 Dabei handelt sich um eine Schutzlücke der Interessen Dritter, die sich als rein dogmatisches Rückabwicklungsergebnis ergibt, ohne dass Wertungen herangezogen oder die zivilrechtliche Vertragslehre systemfremd ausgeweitet wurde. Im Gegensatz zur Lehre der Doppelnatur wird nicht auf die Entste­ hung der Gesellschaft, sondern auf die Folgen der Beseitigung abgestellt, die zu einer ex nunc-Rechtsfolgenbeschränkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB führen können. Die Inhalte der Theorie zur Doppelnatur werden dabei in ihren zivilrechtlich anerkannten Rahmen zurückgeführt und an dog­ matisch konsequenter Stelle auf ihre Rechtsfortbildungsrelevanz hin unter­ sucht. Der h. M. kann daher insofern zugestimmt werden, als dass bei Perso­ nengesellschaften durch das Subjekt der Gesellschaft ein Mehr zur Vertrags­ bindung entsteht. Widersprochen werden muss jedoch der Annahme, dass sich diese Besonderheit von seiner Existenzberechtigung, nämlich der Wil­ lensentscheidung der Gesellschafter, nach Vollzug der Gesellschaft ablösen kann.117 Denn der tatsächliche Vollzug kann keine Willenserklärung hervor­ bringen oder eine mangelhafte Willenserklärung heilen. Im Ergebnis ergibt sich somit eine Beschränkung der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB, die durch die richtige Verordnung der einzelnen Inhalte aus der Theorie zur Doppelnatur und den verbandsrechtlichen Ansätzen ein dogmatisches Funda­ ment erfährt. 3. Haftungsinteressen des Rechtsverkehrs Im Gesellschaftsrecht verlagert sich der Schwerpunkt der Diskussion um die Folgen der ex tunc-Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB, im Vergleich zu 115  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 928; Verhoek, Das fehlerhafte Ar­ beitsverhältnis, 2005, S. 91. 116  A. A. Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 928, der weiterhin eine Son­ dervermögensmasse für Dritte bejaht. 117  A. A. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 17 f.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

anderen Dauerschuldverhältnissen, durch die ausgeprägte Beteiligung am Rechtsverkehr und den Wegfall der Person der Gesellschaft auf das Außen­ verhältnis. Aufgrund des Eintritts der Gesellschafter selbst in die Rückab­ wicklung entsteht dort, einerseits eine Vielzahl an individuell anzuerkennen­ den Bereicherungsansprüchen, andererseits die gleiche Zahl an ungelösten Haftungsfragen für die Vertragspartner der Gesellschaft. Dieses dogmatische Zwischenergebnis ergibt, in Kombination mit der anzunehmenden Schutzbe­ dürftigkeit des Rechtsverkehrs, ein ausuferndes Maß an gesetzlichem Hand­ lungsbedürfnis, was methodisch auf eine Regelungslücke schließen lässt.118 a) Beteiligung des Rechtsverkehrs Die Handelsgesellschaften der OHG und KG sind gemäß § 105 Abs. 1 HGB bzw. § 161 Abs. 1 HGB auf den Betrieb eines Handelsgewerbes ausge­ richtet. Dementsprechend ist bereits im Gesellschaftszweck die Involvierung im Rechtsverkehr verankert und im Normalfall von umfassenden Vereinba­ rungen der Gesellschaften im Außenverhältnis auszugehen. Diese vertragli­ chen Verbindungen können als langjährige Geschäftsbeziehungen, gemein­ same Projekte oder auch nur einzelne Absprachen ausgestaltet sein, führen, bezogen auf die Gesellschaft jedoch stets zu einem schutzwürdigen Haf­ tungsinteresse Dritter. Anders aufgebaut ist die gesellschaftliche Orientierung bei der GbR. Ge­ mäß § 705 BGB reicht die Förderung eines Zwecks, der sich gerade nicht auf den Betrieb eines Handelsgewerbes beziehen muss. Auch Anwälte oder Ärzte können sich zu einer GbR zusammenschließen oder der Zweck einer Gesellschaft sich allgemein auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer Vermögensverwaltung richten bzw. auch „nur“ ideller Form sein, d. h. wis­ senschaftlicher, religiöser oder kultureller Art.119 In jedem Fall ist auch bei der GbR mit Vollzug aber eine rege Involvierung im Rechtsverkehr anzu­ nehmen, da sie mit eigener Rechtsfähigkeit gegenüber Dritten auftritt.120 Gleichermaßen kann unter der Schwelle des § 105 Abs. 1 HGB auch jeder wirtschaftliche Zweck verfolgt werden.121 Zwar ist die Beteiligung am äuße­ ren Rechtsleben nicht stets mit der einer Handelsgesellschaft zu verglei­ chen.122 Schließlich kann auch schon das bloße Halten und Verwalten von 118  Mankowski,

Beseitigungsrechte, 2003, S. 927. in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 144. 120  BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 (1058); Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, Vor. § 705 Rn. 11. 121  Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4.  Auflage 2019, § 705 Rn. 4. 122  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 160. 119  Schäfer,



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 271

Rechtsgütern einen Gesellschaftszweck darstellen.123 Auch bei der GbR ist, soweit es sich nicht um eine reine Innen-GbR handelt, im Ergebnis aber häufig mit einem quantitativ ausgeprägten Gläubigerinteresse zu rechnen.124 Die rege Beteiligung der Gesellschaften am Rechtsverkehr betont dabei die Bedeutung von Haftungsinteressen und deren dogmatische Relevanz. Klar­ zustellen bleibt jedoch an dieser Stelle, dass bei der Anfechtung aufgrund des Wegfalls des Haftungssubjekts der Gesellschaft – jedenfalls des Haf­ tungsobjekts der Gesamthand – auch die Benachteiligung vereinzelter Gläu­ bigerinteressen im Außenverhältnis eine ausschlaggebende Unbilligkeit be­ gründen würde. Eine Regelungsbedürftigkeit ist daher auch schon bei nur anfänglicher Involvierung im Rechtsverkehr und damit schutzwürdigen Ein­ zelinteressen Dritter gegeben. Entsprechend sind die vielfachen Beziehungen der Gesellschaft im Außenverhältnis methodisch nicht entscheidend, sondern ist die dogmatische Haftungsproblematik in ihrer Bedeutung auch im Einzel­ fall hervorzuheben. b) Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs Der Rechtsverkehr ist durch die Beseitigung einer Gesellschaft im Wege der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB mittelbar in einen Rückabwicklungs­ vorgang von Leistungen gezwungen und direkt den Folgen des Wegfalls der Gesellschaft ausgesetzt.125 Die Anfechtung selbst ist dabei von dem Verhal­ ten des betroffenen Vertragspartners der Gesellschaft nicht beeinflusst wor­ den und kann auch zu keinem Zeitpunkt von Dritten vorhergesehen wer­ den.126 Dies geschieht alles vor dem Hintergrund, dass den Parteien des Gesellschaftsvertrags eine eigenständige Regelung der Verhältnisse zu Dritten grundsätzlich nicht zusteht.127 Weiter stützt sich die Privatautonomie des anfechtenden Gesellschafters auch auf keine Argumente, die sich im Schutze vor oder als Gegenrechte zu der Position des Rechtsverkehrs ergeben, wes­ halb im Grundsatz von einer großen Schutzwürdigkeit des Rechtsverkehrs 123  BGH, Beschluss vom 20. Mai 1981 – V ZB 25/79, NJW 1982, 170 (171); vgl. einschränkend OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 24. Juli 1997 – 15 U 211–96, NJWRR 1998, 415 f.; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 705 Rn. 165; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auf­ lage 2017, § 705 Rn. 144 m. w. Nw. 124  Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 136, 139; Saenger, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 9. Auflage 2017, § 705 Rn. 7. 125  Vgl. Kapitel 4 B. II. 1. b). 126  Zur Kollision von Individualrechten mit Rechten Dritter vgl. auch Versteyl, Die Obergrenze arbeitsrechtlichen Schutzes, 2005, S. 79 ff. 127  Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 231.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

auszugehen ist.128 Dagegen können sonstige Rechte wie mögliche Schadens­ ersatzansprüche der Vertragspartner, wobei die Norm des § 122 BGB die Vertragspartner im Gegensatz zu den Anfechtungsgegnern nicht berücksich­ tigt, den Verlust der Gesellschaft als Haftungsperson nicht ersetzen und las­ sen die Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs uneingeschränkt zurück. c) Unzureichende Schutzmechanismen des Gesetzgebers Die Motive der Gesetzgebung gehen augenscheinlich von keiner großen Bedrohung des Rechtsverkehrs aus. Der gutgläubige Erwerb und die Scha­ densersatzvorschrift nach § 122 BGB sind erwähnt und sollen als Schutzin­ strumente ausreichen.129 Dies greift bei Gesellschaftsverträgen allerdings zu kurz, da die Anfechtung mit ex tunc-Rückabwicklung die Gesellschaft als bekannten Schuldner ganz auflöst und bei sämtlichen Verträgen aufgrund eventuellem Mangel der Vertretungsmacht und mangels Rechtsscheins, die Vertragspartner der Gläubiger und die zwischen Gesellschaft und Dritten geschlossenen Verträge in Frage stellt. Der Schutz des gutgläubigen Erwerbs mag das Eigentum an bereits übertragenen Gegenständen sichern und unter Annahme von Rechtsscheingesichtspunkten auch eine Kondiktion verhin­ dern, mutet den Vertragspartnern im Rechtsverkehr allerdings dennoch eine Vielzahl neuer Haftungsschuldner mit einer, in Bereicherungsansprüche ver­ strickten, Solvenz zu. Dadurch vollzieht sich der Schutz der Privatautonomie des Anfechtenden zu Lasten der Privatautonomie des Rechtsverkehrs, was vor dem Hintergrund der Ursächlichkeit der Anfechtungssituation keine Rechtfertigung finden kann und vom Gesetzgeber so nicht bedacht worden ist. Bei einer solchen Bewertung werden auch keine fundamentalen Grund­ sätze des Anfechtungsrechts aus den Angeln gehoben, vielmehr zeigt deren eigene Wertung, dass sich die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB nicht auf den Fall der in Vollzug gesetzten Gesellschaftsverträge anwenden lässt und der Gesetzgeber die Folgen für den Rechtsverkehr nicht umfassend in seine Überlegungen mit eingeschlossen hat. 4. Vergleichbarkeit mit Statusverhältnissen Die Beschränkung der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB im Gesell­ schaftsrecht zeigt durchaus Gemeinsamkeiten des Gesellschaftsvertrags mit den Statusverhältnissen der Ehe und der Adoption auf. Vorangestellt sei wie­ 128  Mankowski,

Beseitigungsrechte, 2003, S. 927 m. w. Nw. Kapitel 2 B. I. 1.; anders hierzu Brox, Die Einschränkung der Irrtumsan­ fechtung, 1960, S. 220, 224, der im Übrigen immer eine Lücke in Bezug auf Interes­ sen Dritter annimmt. 129  Vgl.



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 273

derholt, dass der Gesetzgeber auch bei Statusverhältnissen die Anwendung der ex tunc-Rechtsfolge der Anfechtung ausschließt.130 Die hierzu explizit genannten Gründe für einen Ausschluss des § 142 Abs. 1 BGB bei Anfech­ tung im Bereich der Ehe nach § 1353 BGB oder der Annahme als Kind ge­ mäß § 1741 ff. BGB decken sich zwar nicht mit den dogmatischen Haftungs­ schwierigkeiten im Gesellschaftsrecht nach § 705 BGB, dennoch ist auch dort der Status in seiner Existenz betroffen, der für den Rechtsverkehr bei Haftungsfragen von Bedeutung ist.131 Mithin kommt es bei der Adoption zu einer Vertretung des Kindes im Rechtsverkehr durch seine vermeintlichen Eltern und im Fall der Ehe zu einer gemeinschaftlichen Verpflichtung der Ehegatten mit Dritten gemäß § 1357 BGB.132 Der Rechtsverkehr ist dabei schon grundsätzlich involviert, da die Willenserklärungen zum Abschluss der Ehe und der Adoption immer auch an den Rechtsverkehr gerichtet sind.133 Dem Gesellschaftsvertrag, der über den Status der Gesellschaft entscheidet, kann also einerseits eine statusähnliche Qualität zugeordnet werden, anderer­ seits lassen auch die in Vollzug gesetzten Statusverhältnisse eine Rückab­ wicklung befürchten, die für den weiten Rechtsverkehr eine unangemessene Benachteiligung mit Blick auf Haftungsfragen bedeuten kann.

III. Mietvertrag (§ 535 BGB) Angesichts der Möglichkeit einer dogmatisch plausiblen Rückabwicklung der komplexen Arbeitsverhältnisse gemäß § 611a BGB und der Nachvoll­ ziehbarkeit der gesellschaftsvertraglichen Leistungsstränge im Rahmen des § 705 BGB, ist es wenig überraschend, dass größere technische Rückabwick­ lungsprobleme bei der Anfechtung eines Mietvertrags nach § 535 BGB aus­ bleiben.134 Die Rückabwicklung der Hauptleistungen aus einem Mietvertrag bezieht sich dabei neben der dogmatisch unproblematischen Kondiktion der Mietzahlungen auf die Besonderheiten der Gebrauchsüberlassung als Berei­ 130  Mugdan,

Materialien, I. Bd. 1899, S. 473; vgl. Kapitel 3 A. III. 1. Kapitel 3 C. I., II. 132  Roth, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1357 Rn. 38. 133  Vgl. Kapitel 3 C. 134  KG Urteil vom 17. November 1966 – 66 8 U 1611/65, MDR 1967, 404; Busche, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2015, § 142 Rn. 17, 20; Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 36; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 48; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 945; siehe auch zum Leasingvertrag BGH, Urteil vom 23. Februar 1977 – VIII ZR 124/75, NJW 1977, 848 (850); Loyal, Vertragsaufhebung wegen Störung der Geschäftsgrund­ lage, NJW 2013, 417 (418); a. A. Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 238, der einer Orientierung an der Bereicherung als Ausgleich allgemein widerspricht. 131  Vgl.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

cherungsgegenstand nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. So kann der Ver­ mieter vom Mieter im Rahmen der Rückabwicklung neben dem Besitz auch den Wertersatz nach § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB für die Gebrauchsvorteile der Überlassung des Mietgegenstands als primären Bereicherungsgegenstand kondizieren, wobei bei einer Eigentümerstellung des Vermieters die Vor­ schrift des § 985 BGB gleichermaßen einschlägig wäre.135 Eine Bewertung ist ähnlich dem Arbeitsvertrag nach der üblichen Miete durch die Gerichte vorzunehmen, ohne dass im Rahmen des § 818 Abs. 2 BGB eine ernsthafte Rechtsunsicherheit für die Parteien oder unbillige Festsetzungsergebnisse zu befürchten sind.136 So wird auch bei einem wirksamen Mietvertrag und fehlender Einigung über die konkrete Miethöhe, die ortsübliche Vergleichs­ miete als vereinbart angenommen.137 Nicht kondizierbar ist dagegen nach h. M. die bloße Nutzungsmöglichkeit des Mieters, auch wenn sich diese nicht nach §§ 818 Abs. 1, 100 BGB, sondern als primärer Bereicherungsgegen­ stand bestimmt.138 Grund hierfür ist, dass das Bereicherungsrecht zum Aus­ gleich von rechtsgrundlosen Vermögensverschiebungen dient und nur tat­ sächlich gezogene Vorteile erfasst sind, mit Ausnahme der Fälle des verklag­ ten oder bösgläubigen Schuldners und dessen Verschulden gemäß §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 292 Abs. 2 BGB und § 987 Abs. 2 BGB.139 Mit Blick auf das Mietrecht ist das auch nur konsequent, da die Mietzahlung zu einem großen Teil eine Gegenleistung zur Abnutzung der Mietsache darstellt und ansonsten bei einer reinen Möglichkeit der Nutzung durch den Mieter, der Vermieter unbillig bereichert wäre.140 Bei Anfechtung des Mieters kann da­ neben auf § 122 BGB hingewiesen werden, der dem Vermieter den Betrag der Mietzahlung aufgrund fehlender Möglichkeit einer anderweitigen Ver­ mietung als negatives Interesse ersetzt.141 135  Vgl. Kapitel 1 D. II. 3. a); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 43; Wendehorst, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edi­ tion, 1. August 2018, § 818 Rn. 31. 136  BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268); Wendehorst, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 31; Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 97; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 945; Fischer, Anfechtung von Wil­ lenserklärungen im Mietrecht, NZM 2005, 567 (570); Emmerich, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, Vor. § 535 Rn. 70. 137  Gramlich, Mietrecht, 14. Auflage 2018, § 535 Rn. 38. 138  Vgl. Kapitel 1 D. I.; Wendehorst, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. August 2018, § 818 Rn. 31 f. 139  BGH, Urteil vom 7. März 2013 – III ZR 231/12, NJW 2013, 2021 (2023). 140  Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 535 Rn. 508, 511. 141  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 48.



B. Technische Rückabwicklung der Dauerschuldverhältnisse 275

IV. Zeitungsabonnement (§ 433 BGB) Die Rückabwicklung von Sukzessivlieferungsverträgen ist nach Bereiche­ rungsrecht rechtstechnisch sauber gelöst.142 Die Lieferung von Zeitschriften führt im Rückabwicklungsverhältnis zu einer Kondiktion des Eigentums und des Besitzes an den Zeitungsexemplaren – bzw. zu einem Wertersatz nach § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB, wenn die Zeitungsexemplare nicht mehr vorhanden sind – und einer Rückzahlung des Kaufpreises.143 Hinzu tritt ein Bereiche­ rungsanspruch des Zeitungsverkäufers gegenüber dem Abonnenten am Infor­ mationsinhalt der Zeitschriften, der auf die Herausgabe der Nutzungen nach §§ 818 Abs. 1, 100 BGB in Form eines Wertersatzes nach § 818 Abs. 2 Alt. 1 BGB gerichtet ist.144 Ein Gebrauchsvorteil und damit eine Nutzung ist näm­ lich gemäß § 100 BGB dabei auch ohne vermögenswerten Vorteil anzuneh­ men.145 Eine vergleichbar komplexe Lösung zur Wertberechnung, wie bei Arbeitsverträgen oder im Innenverhältnis einer Gesellschaft, ist beim Suk­ zessivlieferungsvertrag dann im Grundsatz durch die Nähe zu Kauf- oder Werklieferungsverträgen nicht zu besorgen.146 Trotzdem wird man im Falle des Zeitungsabonnements beim Wert des einzelnen Informationsinhalts je nach Art der Zeitung zu unterscheiden haben. So ist der Informationswert bei Sammlerexemplaren in einem anderen Verhältnis zum Gegenstandswert ein­ zuordnen als es bei einer Tageszeitung der Fall sein wird. Eine solche Einzel­ fallberechnung durch das Gericht ist jedoch mit keiner untragbaren Rechts­ unsicherheit für die Parteien verbunden, sondern allgemein mit Wertberech­ nungen von Austauschverhältnissen nach § 818 Abs. 2 BGB im Einzelfall zu vergleichen.147 Daran kann auch die Vielzahl an Leistungen im Dauerschuld­ verhältnis nichts ändern.148

142  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 47; Fuchs-Wissemann, Die Abgrenzung des Rahmenvertrages vom Suk­ zessivlieferungsvertrag; 1980, S. 197, 203 f. 143  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 47. 144  Fritzsche, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 100 Rn. 6; Dörner, in: Schulze u. a. (Hrsg.), BGB, 10. Auf­ lage 2019, § 100 Rn. 1. 145  Stresemann, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 100 Rn. 3. 146  Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 246 f.; Hueck, Der Sukzessivlieferungsvertrag, 1918, S. 199 f. 147  Vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2006 – V ZR 51/05, NJW 2006, 1582 (1583). 148  Siehe Kapitel 4 A. I.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

V. Zusammenfassung: Technische Rückabwicklung Die Rückabwicklung eines Arbeitsvertrags ist durch das Bereicherungs­ recht dogmatisch sauber abzubilden. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist, auch in Abgrenzung zum Dienstvertrag nach § 611 BGB, als Bereitstel­ lung der Arbeitskraft und Bindung an den Arbeitgeber zu verstehen. Das Bereicherungsrecht lässt in § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB eine solche Er­ fassung der Arbeitsleistung zu und kann gemäß § 818 Abs. 2 BGB die Wert­ berechnung in für die Arbeitsleistung üblicher Höhe und mit Einbeziehung der sozialrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers angemessen voll­ ziehen. Der Entreicherungseinwand gemäß § 818 Abs. 3 BGB bietet dem Rechtsanwender wiederum eine solche Freiheit, um auf die Risikoverteilung bei gegenseitigen Verträgen reagieren zu können, und ist vom Gesetzgeber in seinem Aufbau auch im Detail interessengerecht ausgestaltet worden. Die Involvierung im Kollektivarbeitsrecht sowie die sozialen und steuerrecht­ lichen Leistungsbeziehungen zu Dritten hindern eine Rückabwicklung dane­ ben nicht. Auch im Personengesellschaftsrecht können die Leistungen im Innenver­ hältnis und Außenverhältnis der Gesellschaften bereicherungsrechtlich gemäß §§ 812 ff. BGB im Grundsatz plausibel rückabgewickelt werden. Anders als beim Arbeitsvertrag sind die Gläubiger im Außenverhältnis aufgrund des Verlusts des Rechtssubjekts der Gesellschaft und deren Gesamthand als Haf­ tungsobjekt aber einem unvorhersehbaren Haftungsrisiko ausgesetzt. Selbst die Annahme einer Rechtsscheinhaftung der Gesellschaft hilft dabei der un­ angemessenen Benachteiligung der Gläubiger nicht ab. Die Schutzwürdigkeit der Vertragspartner einer Gesellschaft ist zudem aus keinen Gründen zu be­ schränken. Methodisch ist im Ergebnis daher von einer Schutzlücke der Inte­ ressen Dritter bei Anfechtung des in Vollzug gesetzten Gesellschaftsvertrags einer Personengesellschaft auszugehen. Auch bleibt festzuhalten, dass sich durch die Ähnlichkeit mit den Statusverhältnissen eine Kategorie der Nich­ tigkeitsbeschränkungen vermuten lässt. Die Rückabwicklung von Miet- und Sukzessivlieferungsverträgen ist im Vergleich zum Arbeits- oder Gesellschaftsvertrag erst recht dogmatisch durch das Bereicherungsrecht möglich. Allgemein lässt sich daher die Schlussfol­ gerung ziehen, dass die technische Rückabwicklung von Dauerschuldverhält­ nissen selbst keine Beschränkung der ex tunc-Nichtigkeit begründen kann.



C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisse 277

C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisseunter § 142 Abs. 1 BGB Bei Dauerschuldverhältnissen wird im Bereich der Arbeits- und Mietver­ träge nach § 611a BGB bzw. § 535 BGB die typologische Vereinbarkeit mit der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB und die Vereinbarkeit mit Schutzrech­ ten der Vertragsparteien diskutiert. Auch hier erstreckt sich also, trotz der Bemühungen, die verschiedenen Rechtsgebiete und Vertragsformen einheit­ lich sortieren zu können, die Notwendigkeit einer schutzrechtlichen und ty­ pologischen Untersuchung nicht auf alle Arten der Dauerschuldverhältnis­ se.149 Im Hinblick auf den Regelungsinhalt der verschiedenen Schutzrechte der Parteien ist formelartig voran zu stellen, dass eine Schutzlücke nur dann an­ zunehmen ist, wenn die ex tunc-Beseitigung der Willenserklärung einen Zu­ stand schafft, der eine besondere, vertragstypisch angelegte, aber zurückblei­ bende, sozial- oder personenrechtliche Schutzbedürftigkeit der Parteien in einem Maße nicht berücksichtigt, das in Abwägung mit der Privatautonomie des Anfechtenden außer Verhältnis tritt.150 Dagegen ist bei der Untersuchung einer typologischen Unvereinbarkeit, die sich auf personenbezogene Rechts­ beziehungen stützt, vorab noch zu prüfen, ob diese angeführten Eigenheiten der vermeintlichen Vertragsbeziehung überhaupt zugerechnet werden können und so im rechtstechnischen Sinne überhaupt von einer Rückabwicklung er­ fasst werden müssen. Ist ein spezielles persönliches Verhältnis außerhalb der vertraglichen Beziehungen zu verorten, ist eine dogmatische Zurechnung zur Anfechtung und Rückabwicklung unterbrochen. Eine rechtsfortbildende Aus­ legung kann dann allenfalls über die weit angelegten grundrechtlichen Schutzpflichten des Gesetzgebers erfolgen.

I. Allgemeine Schutz- und Rücksichtnahmepflichten der Parteien Die allgemeinen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten als Nebenpflichten der Dauerschuldverhältnisse finden auch im Bereicherungsrecht gemäß § 241 Abs. 2 BGB als Nebenpflichten der Parteien Anwendung.151 Das bereiche­ rungsrechtliche, gesetzliche Schuldverhältnis ensteht mit der ex tunc-Beseiti­ 149  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 8 f. 150  Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (140); Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 435. 151  Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (140 f.); Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauer­

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

gung des Arbeitsvertrags, weshalb ähnlich und gerade auch im Hinblick auf die c.i.c., die Norm des § 241 Abs. 2 BGB eingreift.152 Folglich kommt es zu keiner Rückabwicklung nach ex tunc-Anfechtung der Dauerschuldverhält­ nisse gemäß § 142 Abs. 1 BGB, denn die Pflichten und Folgen aus deren Verletzung bleiben bestehen.153 Die Rückabwicklung der Dauerschuldver­ hältnisse wird durch allgemeine Schutzpflichten der Parteien daher nicht verkompliziert.154

II. Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) Der Arbeitsvertrag nach § 611a BGB ist, neben dem Austausch der Ar­ beitsleistung des Arbeitnehmers gegen Lohn des Arbeitgebers, durch die Schutzrechte des Arbeitnehmers und eine damit in Zusammenhang stehende sozialversicherungsrechtliche Absicherung charakterisiert.155 1. Schutzrechte des Arbeitnehmers Im Arbeitsrecht begründet die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers eine Einschränkung der Privatautonomie, weshalb der Gesetzgeber eine Reihe gesetzlicher Schutzrechte des Arbeitnehmers vorsieht.156 Diese Sonderabwä­ gung kann jedoch nicht einfach als Begründung für eine Rechtsfolgenbe­ schränkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB herangezogen wer­ den.157 Für eine Rechtsfortbildung muss sich eine unvereinbare Schutzlosig­ keit des Arbeitnehmers mangels angezeigter Schutzrechte als Regelungs­ lücke erkennen lassen. Das kann allgemein jedoch ohne dogmatische

rechtsverhältnissen, 1948, S. 33 f.; Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückab­ wicklung kurz- und langfristiger Verträge, 2001, S. 145. 152  Zum Argument der c.i.c. vgl. Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (141). 153  Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (140 f.). 154  Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (141); Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauer­ rechtsverhältnissen, 1948, S. 33. 155  Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 223; MüllerGlöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 611 Rn. 449 ff. 156  Unterseher, Arbeitsvertrag und innerbetriebliche Herrschaft, 1969, S. 5, 32; vgl. Kapitel 3 B. I. 1. b). 157  Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 30; so aber zu Teilen bei Freiberger, Die Nichtigkeit, die Anfechtbarkeit und der Rücktritt bei Dauer­ schuldverhältnissen, 1948, S. 92.



C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisse 279

Einzeluntersuchung nicht angenommen werden.158 Umso mehr, als die Ge­ richte auch bei Anstellungsverhältnissen des Vorstands aufgrund vermeint­ licher Rückabwicklungsprobleme von Dauerschuldverhältnissen und einer Fürsorgepflicht der Gesellschaft eine ex nunc-Abwicklung vorsehen und den Schutzrechten der Arbeitnehmer daher keine ausschlaggebende Stellung in der Diskussion um die Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB einzuräu­ men scheinen.159 a) Insolvenz-, Lohn- und Pfändungsschutz Der besondere Schutz des Arbeitnehmers bei einem Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB umfasst im Hinblick auf die Hauptleistungsverpflichtung des Arbeitgebers die Sicherung seines Lohnanspruchs. Die Insolvenzvorschriften sind für die Anfechtung eines Arbeitsvertrags dabei überhaupt nur dann von Bedeutung, wenn nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Arbeitge­ ber eine Leistung des Arbeitnehmers vorliegt, der Arbeitgeber die Lohnzah­ lung bisher aber nicht aufgebracht hat. Würde man in diesem Fall von einem wirksamen Arbeitsvertrag ausgehen oder die Rechtswirkung der Anfechtung ex nunc modifizieren, hat der Arbeitnehmer für seine bereits erbrachten Leis­ tungen (weiterhin) einen Anspruch aus dem Arbeitvertrag, der ihm nach §§ 108 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO eine Masseverbind­ lichkeit garantiert. Lässt man dagegen die ex tunc-Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB im Vergleich bestehen, ist jedoch der Bereicherungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ebenfalls gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO als Masseverbindlichkeit eingeordnet. Es ergeben sich daher für die insolvenzrechtliche Sicherung der Lohnansprüche des Arbeit­ nehmers keine Nachteile, wenn der Arbeitsvertrag unter Anwendung der ­gesetzlichen Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB angefochten wird.160 Das gleiche Bild zeigt sich auch beim Insolvenzgeld des Arbeitnehmers nach § 165 SGB III. Denn der Arbeitnehmerbegriff in § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III unterscheidet nicht anhand der technisch vertraglichen Voraussetzungen, son­ dern stellt auf die tatsächlichen Verhältnisse und das Gesamtbild der Arbeits­ leistung ab.161 Entscheidend ist der allgemeine (sozialrechtliche) Begriff des

158  Vgl. als Beispiel einer Einzeluntersuchung nur Annuß, Der Arbeitnehmer als solcher ist kein Verbraucher!, NJW 2002, 2844. 159  BGH, Urteil vom 6. April 1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367; Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 424. 160  So im Ergebnis Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 26; Beitzke, Nichtig­ keit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 33. 161  LSG Bayern, Urteil vom 27. April 2016 – L 10 AL 15/15, BeckRS 2016, 68632.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

Arbeitnehmers.162 So ist Arbeitnehmer, wer in einen Betrieb eingegliedert ist und unter dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort seine Arbeit zu verrichten hat.163 Gleiches gilt für den Lohn- und Pfändungsschutz des Anspruchs des Arbeitnehmers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, der gemäß §§ 850 ff. ZPO in Verbindung mit ei­ nem Abtretungs- und Aufrechnungsschutz durch einen weiten Begriff des Arbeitseinkommens nach Zivilprozessrecht gesichert ist.164 Eine Schutzlücke aufgrund Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB ist somit ausgeschlossen. b) Urlaubsentgelt Die Rückabwicklung urlaubsrechtlicher Positionen lässt das Bereiche­ rungsrecht zu.165 So können die gewährten Urlaubsentgelte als erlangte Leistungen des Arbeitgebers gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erfasst werden. Gleichermaßen können diese Lohnleistungen der Wertersatzsumme für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers problemlos gemäß § 818 Abs. 2 BGB hinzugerechnet werden, wenn hier eine Schutzbedürftigkeit anzuerken­ nen sei.166 Hierfür müsste allein die übliche Lohnhöhe das Urlaubsentgelt mit enthalten, was sich mit Blick auf die Bereitstellung der Arbeitskraft als Bereicherungsgegenstand im Gegensatz zum reinen Werkerfolg technisch abbilden lässt.167 Statt der vertraglich vereinbarten könnte man sich dabei an der gesetzlichen oder für die Arbeitszeit üblichen Urlaubsvergütung und Ur­ 162  LSG Bayern, Urteil vom 27. April 2016 – L 10 AL 15/15, BeckRS 2016, 68632; a. A. Plösner, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Sozi­ alrecht, 51. Edition, 1. Dezember 2018, § 165 SGB III Rn. 8; Mankowski, Beseiti­ gungsrechte, 2003, S. 936; wieder a. A. Mutschler, in: Knickrehm/Kreikebohm/Wal­ termann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 5. Auflage 2017, § 165 SGB III Rn. 3. 163  LSG Bayern, Urteil vom 27. April 2016 – L 10 AL 15/15, BeckRS 2016, 68632. 164  Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S. 501 m. w. Nw.; Smid, in: MüKo ZPO, 5. Auflage 2016, § 850 Rn. 20. 165  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 939 f. 166  Vgl. zur Berechnung von Urlaubsentgelt auch Powietzka/Christ, Urlaubsan­ spruch und Urlaubsentgelt bei Änderung der Arbeitszeit – Urlaub und EuGH – Zwei­ ter Akt, NJW 2010, 3397 (3398 f.); a.A Walker, Der Vollzug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (143). 167  Beuthien, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis als bürgerlich-rechtliches Abwick­ lungsproblem, RdA 1969, 161 (170); Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rück­ abwicklung kurz- und langfristiger Verträge, 2001, S. 153 ff.; a. A. BAG, Urteil vom 30. April 1997 – 7 AZR 122/96, NJW 1998, 557 (558); Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, 1999, S. 499 f., der sich auf den tariflich nur mittelbaren Einfluss des Urlaubs auf die Berechnung des Arbeitslohns stützt, was so jedoch nicht zwin­ gend ist.



C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisse 281

laubszeit orientieren. Eine Lücke des Gesetzes, um auf urlaubsrechtliche Positionen dogmatisch plausibel reagieren zu können, fehlt daher. An dieser Stelle und gegen eine ex nunc-Abwicklung der Arbeitsverträge muss jedoch auch entscheidend auf die Möglichkeit des Schadensersatzes gemäß § 122 BGB hingewiesen werden. Bei Anfechtung des Arbeitgebers aufgrund §§ 119, 120 BGB, ist das Urlaubsgeld des Arbeitnehmers als Ver­ trauensschaden nach § 122 BGB abgesichert. Ebenso steht dem Arbeitneh­ mer nach den Regelungen der c.i.c. das Urlaubsgeld zu, wenn er selbst auf­ grund § 123 BGB anficht.168 Ein Verlust des Urlaubsgeldes ist daher nur anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen nach §§ 119, 120 BGB anficht, oder er den Arbeitgeber getäuscht oder bedroht hat und dieser nach § 123 BGB die Beseitigung des Vertrags verlangt.169 In letzterem Fall sind die urlaubsrechtlichen Positionen des Arbeitnehmers offensichtlich nicht schutzwürdig. Gleiches muss jedoch auch für den Fall gelten, dass der Ar­ beitnehmer selbstverschuldet die Beseitigung des Vertrags durch Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB verlangt, weil er sich nach §§ 119, 120 BGB im In­ halt geirrt oder falsch erklärt hat. Eine unangemessene Schutzlosigkeit ist mit Blick auf die Figur der Anfechtung als Kollision zwischen Bestandsinteresse und Dispositionsfreiheit und unter Berücksichtigung der Erklärungsgewalt des Arbeitnehmers, in Kombination mit der Bedeutung urlaubsrechtlicher Positionen, abzulehnen.170 Gleichermaßen hätte auch die Lehre vom fehler­ haften Arbeitsverhältnis hier, wie auch bei der Lohnfortzahlung im Krank­ heitsfalle, eine Aussetzung des Vollzugs des Arbeitsverhältnisses anzudenken. Einerseits wird dabei von den Gerichten eine Aussetzung mit Verweis auf die gesetzlichen Regelungen zur Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaub ver­ neint, andererseits bei arglistiger Täuschung des Arbeitnehmers dann doch auf das tatsächliche Arbeiten des Arbeitnehmers abgestellt.171 Auf eine pro­ blematische Rückabwicklung für den umstrittenen Zeitraum kann sich erstere Ansicht jedenfalls nicht stützen und auch die Schutzbedürftigkeit des Arbeit­ nehmers ist hier, wie gesehen, nicht überzeugend. Berücksichtigt man diese Ungereimtheiten der Lehre zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis und die inte­ ressengerechte Behandlung der urlaubsrechtlichen Positionen bei Anfech­ 168  Vgl.

Kapitel 1. B. III. auch Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kurzund langfristiger Verträge, 2001, S. 151 f. 170  A. A. Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kurz- und langfristiger Verträge, 2001, S. 151. 171  BAG, Urteil vom 16. September 1982 – 2 AZR 228/80, AP BGB § 123 Nr. 24; BAG, Urteil vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 244/85, AP BGB § 123 Nr. 31; BAG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584 (586); Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kurz- und langfristiger Verträge, 2001, S. 150. 169  Hierzu

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

tung, lässt sich die untersuchte Annahme, dass die Rückabwicklung von Ur­ laubsentgelt für die Rechtsfolge der Anfechtung von Arbeitsverträgen ein methodisch relevanter Prüfstein ist, im Ergebnis somit auch unabhängig von der Reaktionsmöglichkeit des Bereicherungsrechts nicht halten.172 c) Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Der Entgeltzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist im persön­ lichen Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 2 EFZG auf Arbeitnehmer, d. h. Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, beschränkt.173 Eine genauere Definition des Arbeitnehmerbegriffs liefert das EFZG nicht, weshalb die allgemeinen Regeln des BGB anzuwenden sind.174 Arbeitnehmer ist insoweit, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags zur Arbeit im Dienste eines anderen verpflichtet ist.175 Kommt es zu einer ex tunc-Rückwirkung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB, ist die Arbeit­ nehmerqualität ex tunc beseitigt und somit der vermeintliche Arbeitnehmer auch zu einem Anspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht berechtigt. Dem vermeintlich entstehenden Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung des Arbeitsentgelts bei Krankheit und an gesetzlichen Fei­ ertagen können jedoch Positionen entgegengehalten werden, die eine feh­ lende Schutzmöglichkeit des Arbeitnehmers auch in diesem Fall verhindern würden. So sichert sich der Arbeitgeber durch die Entgeltfortzahlung, bspw. die Marktposition des Arbeitnehmers und die Regeneration der vollen Leis­ tungskraft, die gemäß § 818 Abs. 2 BGB in einem geldwerten Vorteil aufge­ wogen werden können und unter Würdigung des Schutzzwecks des EFZG einen Gegenanspruch des Arbeitnehmers begründen.176 Diese Vorgehens­ weise stellt dabei eine Gesetzesanwendung im Rahmen der einfachen Ausle­ gung dar, um einen Arbeitnehmerschutz vollständig einer vertraglichen Situ­ ation anpassen zu können, ohne weitergehende Rechtsfortbildung betreiben zu müssen.177

172  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 940; Schönbohm, Die bereicherungs­ rechtliche Rückabwicklung kurz- und langfristiger Verträge, 2001, S. 153; vgl. hierzu a. A. BAG, Urteil vom 29. Januar 1960 – 1 AZR 200/58, NJW 1960, 1734 f.; auch bei Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 34. 173  Vgl. Kapitel 3 B. I. 1. b) cc). 174  Müller-Glöge, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 1 EFZG Rn. 5. 175  Ricken, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 1 EFZG Rn. 1. 176  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 939. 177  Ähnlich Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 939; a. A. Walker, Der Voll­ zug des Arbeitsverhältnisses ohne wirksamen Arbeitsvertrag, JA 1985, 138 (143).



C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisse 283

Entscheidend ist jedoch zu überprüfen, ob ein solch vertraglicher Schutz durch Anpassung des Bereicherungsrechts überhaupt erreicht werden muss, oder nicht schon ohnehin eine ausreichende Absicherung des Arbeitnehmers gewährleistet ist, die eine derartige Reaktion des Rechtsanwenders unnötig macht. Der Arbeitnehmer ist durch das Krankengeld der Krankenkasse ab der sechsten Woche abgesichert. Gleiches gilt für Selbstständige ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Ein Basisschutz ist bei längeren Erkrankungen daher anzunehmen. Der Verlust des Arbeitentgelts darüber hinaus kann er­ neut unter Berücksichtigung der Möglichkeit des Ersatzes von Vertrauens­ schäden als angemessene Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB beurteilt werden.178 Stellt man dagegen auf die Gefahr einer häufigen Kurzzeiterkrankung des Arbeitnehmers ab, ist auf die krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitgebers i. S. d. § 1 KSchG hinzuweisen.179 Ein über Jahre andauernder krankheitsbedingter Ausfall des Arbeitnehmers von deut­ lich mehr als sechs Wochen im Jahr, ist daher nur schwer anzunehmen. Ins­ gesamt kann deswegen in Bezug auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auch die Notwendigkeit der Modifikation des Bereicherungsrechts nach §§ 818 ff. BGB abgelehnt werden. d) Mutterschutz Seit dem 1. Januar 2018 gilt der Mutterschutz gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 MuSchG auch für arbeitnehmerähnliche Selbstständige.180 Ein gesetz­ licher Rahmen des Arbeitnehmerschutzes ist daher auch bei ex tunc-Beseiti­ gung des Arbeitsvertrags vorgesehen. Demgemäß ist auch das Mutterschafts­ geld der Krankenkasse, das von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 MuSchG nicht aus­ geschlossen ist, gesichert. Was bleibt, ist der Ausfall des Mutterschutzlohns gemäß § 18 MuSchG außerhalb der gesetzlichen Schutzfristen nach § 3 Mu­ SchG bei einem Beschäftigungsverbot der Arbeitnehmerin und der Zuschuss des Arbeitgebers nach § 20 MuSchG. Letzteres lässt einen Basisschutz der Arbeitnehmerin bei Schwangerschaft aber nicht entfallen. Der Mutterschutz­ lohn entfällt zudem nur, wenn die Arbeitnehmerin aufgrund eines Beschäfti­ gungsverbots gar nicht beschäftigt werden kann. Dagegen ist einzuwenden, dass solche absoluten Beschäftigungsverbote zeitlich überschaubar bleiben und außerhalb des Rechts auf Schadensersatz nach § 122 BGB in ihrer Ein­ schränkung mit Blick auf die Schutzfristen und die Erklärungsdisposition der Arbeitnehmerin hinzunehmen sind. Ferner verbleibt auch hier die Möglich­ 178  Vgl.

Kapitel 3. B. I. 1. b). in: Ascheid/Preis/Schmidt (Hrsg.), Kündigungsrecht, 5. Auflage 2017, § 1 Rn. 141. 180  Karb, Das neue Mutterschutzgesetz 2018, öAT 2018, 8. 179  Vossen,

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

keit, das Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB, ähnlich wie es bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle vorgestellt wurde, in erweitertem Schutz der Arbeitnehmerin reagieren zu lassen. e) Kündigungsschutzrechte Die verschiedenen Kündigungsschutzrechte des Arbeitnehmers, sei es nach dem KSchG oder bspw. dem MuSchG, schützen den Arbeitnehmer vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses für die Zukunft. In der Diskussion um die Rechtsfolge der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB soll der Vertrag je­ doch nach allen Ansichten in jedem Fall beendet sein. Damit haben die Kündigungsschutzrechte keinen Einfluss auf die Frage, ob die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB in ihrer Wirkung ex nunc zu beschränken ist. Es kann also allenfalls eine Diskussion um die Anwendbarkeit der Anfechtung oder bestimmter Anfechtungsgründe auf Arbeitsverträge nach § 611a BGB entstehen, die einem Kündigungsschutz unterstellt sind.181 Ein Ausschluss der Anfechtung allgemein oder in einzelnen Fällen, ist jedoch begrifflich und mit Blick auf den eindeutigen Anwendungsbereich der Regelungen zum Kündigungsschutz, die sich auf Kündigungen des Arbeitgebers beschränken, nur schwer überzeugend darzustellen.182 Insbesondere wäre ein Schutz vor Beendigung eines Vertrags ohne vertragliche Begründung in Rechnung zu stellen und in Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers eine Einschrän­ kung der gesetzgeberischen Wertung zu rechtfertigen. 2. Sozialversicherungsrechtliche Absicherung Bei einer Rückabwicklung der Leistungen ist der bereicherungsrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in der sozialversicherungsrechtlichen Dogmatik zu erfassen. Denn die Arbeitsleis­ tung und deren Bereicherungsanspruch werden nicht einfach in einen gesetz­ lichen Freiraum ohne Versicherungspflichten verstoßen, sondern auch hier einsortiert und bewertet werden müssen, um den sozialversicherungsrechtli­ chen Pflichten nachzukommen. Die sozialversicherungsrechtliche Berück­ sichtigung betrifft dabei nur den Bereicherungsanspruch und stößt sich nicht im Ansatz mit der Zielsetzung des § 142 Abs. 1 BGB und dessen ex tunc wirkender Rechtsfolge.

181  Brox,

Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 272 f. in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auflage 2019, § 1 KSchG Rn. 16; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 660; a. A. für einzelne Irrtümer Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 272. 182  Oetker,



C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisse 285

a) Einordnung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs Der Bereicherungsanspruch des Arbeitnehmers für seine Arbeitsleistungen wird schon im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Saldotheorie als ein Anspruch bezeichnet, der sich in einem faktischen Synallagma mit dem Ge­ genanspruch des Arbeitgebers befindet.183 Diese dogmatische Nähe zur Leistung in einem normalen Vertragsverhältnis überträgt sich auch auf die sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung. Denn auch für den Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB stehen grundsätzlich die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundordnungstypen des Arbeitslosen, Selbst­ ständigen und des Arbeitnehmers zur Frage, die dann im Einzelnen noch weiter ausgeführt werden. Die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften stützen sich dabei bei Zuordnung zu einem Arbeitsverhältnis durchgehend auf den Begriff des Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 7 SGB IV. Ein Beschäftigungsverhältnis setzt nach h. M. im Gegensatz zum arbeitsrecht­ lichen Arbeitverhältnis keinen wirksamen Arbeitsvertrag voraus, sondern knüpft allein an die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitenden an.184 Der sozialversicherungsrechtliche Schutz bleibt daher für den (vermeintlichen bürgerlich rechtlichen) Arbeitnehmer auch nach Anfechtung des Arbeitsver­ trags unberührt bestehen.185 Davon unabhängig ist die konkrete sozialversicherungsrechtliche Zuord­ nung des Bereicherungsanspruchs für die Frage der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB ohne streitentscheidende Bedeutung, da in jedem Fall ein sozi­ alversicherungsrechtlicher Schutz erfolgt. Die moderne Arbeitswelt produ­ ziert eine Vielzahl von Formen des Austauschs von Arbeit gegen Geld, die sozialversicherungsrechtlich zu verorten sind.186 Mit Blick auf die sozialver­ sicherungsrechtliche Einordnung des Bereicherungsanspruchs in Abgrenzung zur Erfassung der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers sei dazu erneut er­ wähnt, dass die bloße Veränderung der Rechtsbeziehungen nach Anfechtung und ex tunc-Rückabwicklung gemäß § 142 Abs. 1 BGB nicht bereits zu einer erfolgreichen Lückensuche berechtigen würde, sondern vielmehr deren Aus­ wirkung im Konkreten nach dogmatischer Zuordnung abgewogen werden 183  BGH, Urteil vom 14. Oktober 1971 – VII ZR 313/69, NJW 1972, 36 (39); Schwab, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 818 Rn. 236. 184  BSG, Urteil vom 30. August 1955 – 7 RAr 40/55, NJW 1956, 843 (844); BSG, Urteil vom 26. November 1959 – 7 RAr 38/56, BGS 11, 79 (81); Deinert, Ille­ gale Ausländerbeschäftigung, NZA 2018, 71 (75 f.); Verhoek, Das fehlerhafte Arbeits­ verhältnis, 2005, S. 87 m. w. Nw.; Berchthold, Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 5. Auflage 2017, § 7 Rn. 23; vgl. Kapitel 4 C. II. 1. a); vgl. auch Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 229. 185  Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 87. 186  Mette, Brennpunkt Scheinselbständigkeit, NZS 2015, 721 (727).

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

müsste. Daneben wäre ein Wechsel weg von einer Arbeitnehmerqualität, an­ ders als bspw. bei einer Scheinselbstständigkeit des Arbeitnehmers, sozial­ versicherungsrechtlich für den Arbeitgeber mit keiner unvorhersehbaren ­finanziellen Mehrbelastung verbunden.187 Vielmehr verbleibt dem Arbeitneh­ mer bei Anfechtung des Arbeitsvertrags die soziale Gegenleistung des Ar­ beitgebers im Bereicherungsanspruch erhalten.188 b) Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung In Deutschland muss seit dem 1. Januar 2009 jeder Mensch kranken-, un­ fall- und pflegeversichert sein.189 Wer nicht vom Auffangtatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst ist, hat gemäß § 193 VVG eine private Krankenversicherung abzuschließen.190 Ar­ beitnehmer sind in der Regel in der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversi­ chert gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.191 Selbstständige und gut verdienende Arbeitnehmer können dagegen privat krankenversichert sein oder bei Erfül­ lung von gewissen Voraussetzungen nach § 9 SGB V freiwillig der gesetz­ lichen Krankenkasse beitreten. Auch eine Neubewertung des bereicherungs­ rechtlichen Anspruchs des Arbeitnehmers würde gegenüber der Einordnung des Anspruchs aus dem Arbeitsvertrag demnach zu keiner Schutzlosigkeit führen, die als Folge der ex tunc wirkenden Rechtsfolge aus § 142 Abs. 1 BGB in Abwägung mit der Privatautonomie des Anfechtenden eine Geset­ zeslücke entstehen lassen könnte. Für den Arbeitnehmer als Bereicherungs­ gläubiger ergäbe sich allenfalls eine andere Beitragsberechnung bei der Ver­ sicherung in einer gesetzlichen oder privaten Krankenkasse, jedenfalls jedoch kein geringerer Schutz im Krankheitsfalle. Auch ein finanzieller Mehrauf­ wand durch den Beitragsunterschied des Arbeitnehmers bei der gesetzlichen Krankenkasse wäre nicht zu besorgen. So zahlen Arbeitnehmer im Schnitt 8,4 Prozent ihres Einkommens für die gesetzliche Krankenversicherung und der Arbeitgeber weitere 7,3 Prozent, d. h. in der Summe 15,7 Prozent.192 187  Reiserer, Angst vor Scheinselbständigkeit – eine permanente Bedrohung für die Bauindustrie, DStR 2016, 1613 (1614); Eckert, Arbeitnehmer oder „freier Mitar­ beiter“ – Abgrenzung, Chancen, Risiken, DStR 1997, 705 (706). 188  Vgl. Kapitel 4. B. I. 1. b). 189  Just, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, 6. Auflage 2018, § 5 Rn. 3; Waltermann, Welche arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen empfehlen sich im Hinblick auf die Zunahme Kleiner Selbstständigkeit?, RdA 2010, 162 f. 190  Waltermann, Welche arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen empfehlen sich im Hinblick auf die Zunahme Kleiner Selbstständigkeit?, RdA 2010, 162 (163). 191  Baier, in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, Pflegeversiche­ rung, 96. EL August 2017, § 5 SGB V Rn. 7. 192  Vgl. Information der Krankenkassen Deutschland, Stand 3. Oktober 2018.



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Hingegen beträgt der Beitragssatz für Selbstständige mit Krankengeldan­ spruch 14,6 Prozent.193 Einen darüber hinausgehenden finanziellen Beitrags­ unterschied bei den privaten Krankenkassen hätte der Arbeitnehmer mit Blick auf die bekannten Vorteile einer privaten Versicherung selbst zu tragen. c) Renten- und Arbeitslosenversicherung Schutz in der Rente und bei Arbeitslosigkeit erhält der Arbeitnehmer grundsätzlich vom Staat. Die Pflicht zur Rentenversicherung ergibt sich für den Bereicherungsanspruch nach richtiger Ansicht aus § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, die im Gegenzug die Sicherung des Arbeitnehmers im Rentenfall gewährleistet.194 Gleichermaßen ist im Bereich der Arbeitslosenversicherung keine Veränderung der Schutzleistung durch den Staat zu besorgen. So rich­ tet sich die Norm des § 342 SGB III nach den Einnahmen eines versicherten Beschäftigten gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, der wiederum auf den Be­ griff der Beschäftigung aus § 7 Abs. 1 SGB IV verweist.195 Eine Schutzlosig­ keit des Arbeitnehmers bei Rückabwicklung des Arbeitsvertrags wäre aber auch hier, im Falle der Einordung des Bereicherungsanspruchs als selbstän­ diger Verdienst gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, nicht zu besorgen. Ein Ver­ lust der Arbeitslosenversicherung und des Schutzes durch Arbeitslosengeld I ist daher ausgeschlossen. 3. Steuerrechtliche Erfassung Eine Versteuerung der Einnahmen aus Bereicherungsrecht ist gleicherma­ ßen wie die sozialversicherungsrechtliche Erfassung des Arbeitnehmers ge­ geben. Auf die Tatsache, dass eine Benachteiligung der Allgemeinheit bei Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB durch gänzlich ausbleibende Steuerein­ nahmen vom Telos des Anfechtungsrechts nicht beabsichtigt ist, kommt es daher gar nicht an. Vielmehr ergibt sich für den Bereicherungsanspruch des Arbeitnehmers im Grunde keine veränderte Lohnsteuerbelastung.196 Die Norm des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. §§ 38 ff. EStG versteht unter Ein­ 193  Vgl.

Information der Krankenkassen Deutschland, Stand 3. Oktober 2018. Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozial­ recht, 5. Auflage 2017, § 1 SGB VI Rn. 5; Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 87; Segebrecht, in: Kreikebohm, SGB VI, 5. Auflage 2017, § 1 Rn. 3. 195  Ulmer, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 51. Edi­ tion, 1. Dezember 2018, § 25 SGB III Rn. 1; 342 SGB III Rn. 1. 196  Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 88; zum Vergleich, dass eine Veränderung durchaus auch von Vorteil sein kann, siehe Schürmann, Einkom­ mensermittlung bei Selbstständigen – Wovon lebt der bilanzierende Unternehmer?, NZFam 2015, 401 (402 f.). 194  Berchthold,

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

künften aus nichtselbständiger Arbeit die Einnahmen, die einem Arbeitneh­ mer im Rahmen eines Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber zufließen.197 Dabei bestimmen sich die Begriffe des Arbeitgebers, des Arbeitnehmers und des Dienstverhältnisses nach steuerrechtlichen Kriterien eigener Natur und stimmen nicht notwendigerweise mit den Begriffen im bürgerlichen Recht überein.198 So ist es gemäß § 2 Abs. 1 LStDV ohne Bedeutung, ob der Ar­ beitnehmer einen Lohnanspruch besitzt, mithin also, ob ein Arbeitsvertrag überhaupt wirksam vereinbart worden ist.199 Gefordert ist nur ein objektiver, also tatsächlicher Zusammenhang zwischen Dienstverhältnis und Lohnzah­ lung.200 Lückenbegründende Mehrbelastungen wären daneben aufgrund einer neu angepassten Steuerlast in jedem Fall nicht zu besorgen und Rückabwick­ lungsschwierigkeiten scheiden aufgrund der Verrechnungsmöglichkeit und der Leistungsbeschaffenheit als schlichte Geldzahlungen aus. 4. Arbeitnehmerhaftung (§ 254 BGB) Die Rechtssprechung sieht für Arbeitnehmer nach § 254 BGB analog eine Haftungmilderung für mittlere und leichte Fahrlässigkeit bei Schäden, die während der Arbeit im Betrieb entstehen, vor.201 Die Norm des § 254 BGB soll dabei auch angewendet werden, wenn den Arbeitgeber „kein Verschul­ den trifft, er für den entstandenen Schaden aber aufgrund einer von ihm zu vertretenden Sach- oder Betriebsgefahr mitverantwortlich ist, wenn er also bei der Entstehung des Schadens in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat“.202 Weiter muss sich der Arbeitgeber aufgrund der durch ihn gesteuerten Organi­ sation und der Gestaltung des Betriebs und der Arbeitsbedingungen verant­ worten.203 Ferner sei eine solche Haftungsmilderung schon grundrechtlich 197  Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 88; Geserich, in: Blümich, EStG, 144. EL Oktober 2018, § 19 Rn. 46. 198  Geserich, in: Blümich, EStG, 144. EL Oktober 2018, § 19 Rn. 50. 199  Melchior, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 45, 2018, Arbeitslohn Rn. 1. 200  Verhoek, Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis, 2005, S. 88; Melchior, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 45, 2018, Arbeitslohn Rn. 3. 201  BAG, Beschluss vom 25. September 1957 – GS 4 (5)/56, NJW 1958, 235 (237); BAG, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89, NJW 1995, 210 (211); Wilhelmi, Beschränkung der Organhaftung und innerbetrieblicher Schadensausgleich, NZG 2017, 681 (682 f.); Henssler, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 619a Rn. 10; Preis, in: Erfurter Kommentar ArbR, 19. Auflage 2019, § 619a Rn. 10. 202  BAG, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89, NJW 1995, 210 (212). 203  BAG, Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89, NJW 1995, 210 (212); Schwarze, Innerbetriebliche Schadensregulierung bei mitwirkenden privaten Scha­ densursachen, NZA 2018, 65 (67); Schönbohm, Die bereicherungsrechtliche Rückab­ wicklung kurz- und langfristiger Verträge, 2001, S. 164.



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aus der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und der allgemeinen Handlungsfrei­ heit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geboten.204 Da es sich hierbei bereits um eine Rechtsfortbildung handelt, die von den Gerichten mit Verweis auf Art. 20 Abs. 3 GG, § 45 Abs. 2, 4 ArbGG vorgenommen wurde, liegt eine Auswei­ tung auf angefochtene Arbeitsverhältnisse gemäß § 142 Abs. 1 BGB nahe, die eine ähnliche Interessenlage mit Blick auf die Weisungsabhängigkeit des vermeintlichen Arbeitnehmers begründen.205 Ein dogmatischer Bruch ergibt sich aus der ex tunc-Rechtsfolge der Anfechtung nicht. Gleichermaßen ist die Aufnahme von Haftungssituationen unter angefochtenem Arbeitsvertrag kein Festhalten an der vertraglichen Regelung nach § 611a BGB, sondern eine rein konsequente, haftungsrechtliche Beurteilung der tatsächlich vorgenom­ menen Handlungen des Arbeitnehmers. Diese werden durch die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB schließlich nicht beseitigt und können daher voll­ ständig mit Bezug auf die Argumente der Rechtsprechung Berücksichtigung erfahren, ohne dass der Fehler begangen wird, einen Arbeitsvertrag trotz Anfechtung konstruieren zu wollen. Ferner lässt sich eine solche Behandlung auch direkt aus der Fortwirkung des Synallagmas im Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB ableiten. So soll eine erfolgte Risikoverteilung auch hier beibehalten werden. 5. Personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis Neben der zu weit gefassten Annahme der Lehre zum fehlerhaften Ar­ beitsverhältnis, dass bereits die bloße persönliche Involvierung des Arbeit­ nehmers zu berücksichtigen ist, wird den Arbeitsverträgen gemäß § 611a BGB, entsprechend den Anfängen bei Otto von Gierke, gleichermaßen ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis unterstellt, das eine – nach Be­ reicherungsrecht der §§ 812 ff. ΒGB aber nicht mögliche – Rückabwicklung erfahren müsse.206 Das Argument leidet jedoch schon im Grundsatz daran, dass eine ungewollte Einbindung in eine persönliche Gemeinschaft umso deutlicher eine ex tunc-Anfechtung erforderlich machen würde.207 Denn ohne eine familienrechtliche Verknüpfung setzt das Gemeinschaftsverhältnis eine totale Berücksichtigung des persönlichen Willens der Beteiligten als elementaren Bestandteil voraus.208 So ist ein Gemeinschaftsverhältnis, ins­ besondere bei einer Anfechtung nach § 123 BGB zwischen der täuschenden 204  BAG,

Beschluss vom 27. September 1994 – GS 1/89, NJW 1995, 210 (212). Beschränkung der Organhaftung und innerbetrieblicher Schadens­ ausgleich, NZG 2017, 681 (682 f.). 206  v. Gierke, Die Wurzeln des Dienstvertrages, in: Festschrift für Brunner, 1914, S.  36 (53 ff.); Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 18 f. 207  Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 19. 208  Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 19. 205  Wilhelmi,

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

und der getäuschten bzw. der drohenden und der bedrohten Partei, nur schwer anzunehmen.209 Ferner ist ein Gemeinschaftsverhältnis, das auf den Arbeitsvertrag zurechenbar zurückzuführen ist, nur zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer denkbar, und wurde einst unter Gebrauch der national­ sozialistischen Ideologie des Arbeitsrechts als Treueverhältnis zwischen Be­ triebsführer und Gefolgsmann konstruiert.210 Gleichermaßen zu verwerfen sind ähnliche Versuche den Arbeitnehmer in ein Herrschaftsverhältnis mit dem Arbeitgeber zu drängen und so eine Gemeinschaftsbeziehung zu be­ gründen, die sich mit den modernen Gedanken zum Arbeitsverhältnis nicht vereinbaren lässt.211 Ohne den Willen des Anfechtenden und abgewandt von historisch kritischer Herleitung, kann eine persönliche Gemeinschaft zwi­ schen Arbeitnehmer und Arbeitgeber daher allenfalls durch einen überge­ ordneten gemeinschaftlichen Zweck zustande kommen, der jedoch aufgrund der entgegengesetzten Interessenlage der Parteien nicht allgemein angenom­ men werden kann.212 Denn führt man sich allein die Gehaltsgespräche zwi­ schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als symbolische Gegenüberstellung der gegenteiligen Interessen vor Augen, liegt das generelle Annehmen eines persönlichen Gemeinschaftsverhältnisses doch sehr fern. Eine Gesetzes­ lücke bei Arbeitsverträgen nach § 611a BGB durch ein zu berücksichtigen­ des Gemeinschaftsverhältnis aufzeigen zu wollen, scheidet somit insgesamt aus.213 Daneben ist die persönliche Bindung des Arbeitnehmers kein rechtlicher Faktor und ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis würde allgemein auch keine klare Abgrenzung der Rechtsfolgen ermöglichen. Personenrecht­ liche Beziehungen kommen in den verschiedenen punktuellen oder auf Dauer angelegten Schuldverhältnissen vor und können selbst innerhalb eines be­ stimmten Dauerschuldverhältnisses in ihrer tatsächlichen Stärke variieren.214 Die Dauerschuldverhältnisse lassen sich ingesamt daher nicht aufgrund einer allgemeinen intensiven Gemeinschaftsbildung mittelbar kategorisieren. Diese Erkenntnis ist dabei übergreifend auf andere Schuldverhältnisse anwendbar 209  Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 19; ähnlich Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 933. 210  Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934, RGBl. S. 45; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 932; Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsver­ trages, 1955, S. 19 f. 211  Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 23. 212  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 933; Löhnig, Irrtum über Eigen­ schaften des Vertragspartners, 2002, S. 223. 213  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 933; ausführlich diskutiert bei Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 19–30. 214  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 10, 12.



C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisse 291

und zeigt, insbesondere beim Arbeitsvertrag, den Makel der dogmatisch los­ gelösten Argumentation auf.

III. Mietvertrag (§ 535 BGB) 1. Anfechtung trotz sozialen Mietrechts Die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB führt zu einer Beseitigung des Mietverhältnisses, ohne dass die sozialen Ausgestaltungen des Vertragstyps nach §§ 535 ff. BGB beachtet werden müssen. Als Begründung ergibt sich, dass, ähnlich der Kündigungsvorschriften im Arbeitsrecht, nur ein wirksamer Mietvertrag nach § 535 BGB die sozialen Schutzrechte des Mieters einfor­ dern kann.215 Trotz der vertraglichen Unwirksamkeit verbleibt im Hinblick auf eine mögliche Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB aber zu prüfen, ob die Folgen der Anfechtung für den Mieter aufgrund der besonderen Rege­ lungsmaterie nicht außer Verhältnis stehen. Im Mietrecht ist eine Rück­ abwicklung der synallagmatischen Leistungen jedoch ohne technische oder haftungsrelevante Schwierigkeiten möglich.216 Angesprochen werden kann daher nur die Beschränkung der Anfechtung durch die sozialen Mietvertrags­ vorschriften im Allgemeinen. Dabei stößt man aber erneut nur eine Grund­ satzdiskussion um den Zweck der Anfechtung und deren Vereinbarkeit neben mietrechtlicher Spezialregelungen an, die aufgrund der eindeutigen Gesetzes­ lage nur vom Gesetzgeber entschieden werden kann. Die allgemeine Anwen­ dung der Anfechtung wird nach h. M. zu Recht nur im Fall des Eigenschafts­ irrtums nach § 119 Abs. 2 BGB eingeschränkt.217 Ergänzend soll hierzu nur angeführt werden, dass sich ein – wenn auch sozial begründeter – spezialge­ setzlicher Ausschluss der Anfechtung an dieser Stelle nicht auf das Mietrecht nach §§ 535 ff. BGB beschränken lassen könnte, sondern eine weitgehende Einzelfallbetrachtung verschiedener vergleichbarer Konstellationen anderer Vertragsverhältnisse zur Folge haben würde. 2. Sozialbeziehungen des Mieters Die Rückabwicklung von Mietverträgen umfasst nicht die Rückabwick­ lung von Sozialbeziehungen des Mieters (bei Wohnraummietverhältnissen), 215  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 49; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 274. 216  Vgl. Kapitel 4 B. III. 217  Vgl. Kapitel 1 A. II. 1. a) cc), c) bb); Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 434 f.; vgl hierzu auch allgemein zum Dauerschuldver­ hältnis Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 244.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

weshalb die Vereinbarkeit mit dem Bereicherungsrecht nach §§ 812 ff. BGB nicht zu überprüfen ist.218 Der Gesetzgeber trifft bei der Normierung des Mietvertrags gemäß § 535 BGB eine inhaltliche Zuordnung.219 Die Sozial­ beziehungen des Mieters sind dabei im Mietrecht der §§ 535 ff. BGB nicht angesprochen, da sie nicht in die Beziehung zwischen Vermieter, Mietgegen­ stand und Mieter fallen, sondern einen natürlichen Nebensachverhalt als Er­ gebnis einer Vielzahl verschiedener Faktoren beschreiben, der vom Gesetz­ geber hier nicht reguliert wird. Aufgrund der Breite an meist personenge­ bundenen Einflüssen wäre, neben der Beschränkung auf den gesetzlichen Regelungsinhalt, auch eine Zurechnung zum Mietverhältnis nur mittelbar und ungleich zu treffen und würde über keine dogmatische Grundlage verfü­ gen.220 Diese Betrachtung überzeugt, insbesondere mit Blick auf die ver­ gleichbaren Dauerschuldverhältnisse des Arbeits- und Gesellschaftsvertrags, bei denen eine persönliche Eingliederung noch stärker durch die Organisa­ tion des Schuldverhältnisses veranlasst ist, eine Zurechnung aber verneint wird.221 Weiter sind bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags gemäß §§ 433, 311b BGB über Wohnraum oder dinglichen Wohnrechten nach § 1093 BGB unstrittig keine Rückabwicklungsschwierigkeiten aufgrund der persönlichen Beziehung, der darin wohnenden Käufer zu den Nachbarn an­ zunehmen. Dabei handelt es sich aber um die gleichen persönlichen Bezie­ hungen wie bei einem Mietvertrag nach § 535 BGB, die dort plötzlich anders zu bewerten seien. Einen Mieterschutz auch hier zu bejahen, ginge aufgrund einer grenzüberschreitenden Zurechnung daher zu weit. Unabhängig von der ungeklärten Dogmatik gibt selbst eine Wertung des sozialen Mietrechts hier­ für keinen ausreichenden Anlass. 3. Verlust des Vermieterpfandrechts Der Vermieter hat für die Forderungen aus dem Mietvertrag gemäß § 562 Abs. 1 BGB ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters. Nach Beseitigung des Mietvertrags erlischt eine solche Sicherheit und der Vermie­ 218  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 945 f.; Verhoek, Das fehlerhafte Ar­ beitsverhältnis, 2005, S. 90. 219  Siehe zur Existenz von Lebensverhältnissen Brox, Die Einschränkung der Irr­ tumsanfechtung, 1960, S. 225. 220  Vgl. Kapitel 3. B. III. 2.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 945; wohl auch Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 48 f.; ähnlich zum Arbeitsvertrag Hueck, Die Auflösung eines fehlerhaf­ ten Arbeitsvertrages, BB 1952, 263 f.; jedenfalls zu entstanden Tatsachen neben dem Vertrag Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 271; a. A. Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 435¸ a. A. Paschke, Das Dauerschuldverhältnis der Wohnraummiete, 1991, S. 260 f. 221  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 946.



C. Schutzrechte und Typologie der Dauerschuldverhältnisse 293

ter ist, inbesondere bei ausgebliebenen Mietzahlungen des Mieters nach § 535 Abs. 2 BGB und fehlender Saldierungsmöglichkeit im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB, im Vergleich zur vertraglichen Ausgangslage, benachtei­ ligt.222 Eine richterliche Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB aufgrund der Benachteiligung des Vermieters zu veranschlagen, ist mit Verweis auf die Bedeutung des Schutzzwecks der Anfechtung aber abzulehnen.223 Denn das Vermieterpfandrecht ist sozialpolitisch nicht unumstritten und aufgrund der Verbreitung des Eigentumsvorbehalts, der Erweiterung des Katalogs un­ pfändbarer Sachen und der schwierigen Verwertung im Wohnraummietrecht von der Kaution nach § 551 BGB in dessen Relevanz verdrängt und nur noch im Gewerbemietrecht von Bedeutung.224 Dabei besteht der Vorteil ei­ nes Pfandrechts in der Zugriffsmöglichkeit auf das verwertbare Eigentum des Mieters sowie der Rangfolge des Rechts an den eingebrachten Sachen, wobei der konkrete Rang sich gemäß § 1209 BGB an der Zeit der Einbringung orientiert.225 Der Schutz des Vermieterpfandrechts vor der Insolvenz des Mieters ist folglich begrenzt und stellt keine absolute Sicherheit für den Ver­ mieter bereit. Vielmehr können der Verlust der Rangfolge als Schutzrecht und die Gefahr eines „Beiseiteschaffens“ der Insolvenzmasse bei Anfechtung im Gewerbemietrecht dem allgemeinen Risiko des Rechtsverkehrs zugeord­ net werden. Ein solcher Schutzverlust kann sich daher einerseits in einer Abwägung mit dem Anfechtungsrecht nach § 142 Abs. 1 BGB nicht behaup­ ten, andererseits erfordert er auch keine analoge Anwendung des § 562 BGB auf die Bereicherungsansprüche des Vermieters nach §§ 812 ff. BGB.226 Hinzu kommt, dass ein Bestand des Vermieterpfandrechts nach Anfech­ tung des Mietvertrags fehlgeleitet wäre. Das Vermieterpfandrecht dient der Sicherung des Anschaffungswerts der Mietsache, der Sicherung der Vorleis­ tungspflicht des Vermieters und soll dem Mieter insbesondere ein Anreiz für vertragsmäßiges Verhalten sein.227 Nach Anfechtung und Beseitigung des Mietverhältnisses ist jedoch ein vertragsmäßiges Verhalten des Mieters nicht 222  Fischer, Anfechtung von Willenserklärungen im Mietrecht, NZM 2005, 567 (570); Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 238 f. 223  Fischer, Anfechtung von Willenserklärungen im Mietrecht, NZM 2005, 567 (570). 224  Blank, in: ders./Börstinghaus (Hrsg.), Miete, 5. Auflage 2017, § 562 Rn. 3; Artz, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 562 Rn. 4; Emmerich, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, § 562 Rn. 1; Lammel, in: Schmidt-Futterer (Hrsg.), Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 562 Rn. 2. 225  Artz, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 562 Rn. 26. 226  Hierzu Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechts­ verhältnissen, 1948, S. 48 f. 227  Oestmann, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2013, § 535–580a Rn. 113; Artz, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2016, § 562 Rn. 4; Emmerich, in: Staudinger BGB, Neubear. 2018, § 562 Rn. 25 f.

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

mehr von Bedeutung, ebenso wie eine Pflicht des Vermieters zur Vorleistung, wobei deren Umfang aufgrund rechtlicher Verteidigungsmöglichkeiten des Vermieters, wie dem außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, auch bei längerem Leistungsaustausch des Mietvertrags überschaubar ist. Zu berücksichtigen ist daher grundsätzlich nur die Siche­ rung des Anschaffungswerts der Mietsache durch das Pfandrecht und dabei auch nur in dem Fall, wenn vor Anfechtung des Mieters eine Beschädigung der Mietsache durch den Mieter verursacht wurde, ein Gebrauch des Vermie­ terpfandrechts, soweit überhaupt notwendig, aber noch nicht erfolgt ist. Ein Recht auf Sicherung des Werts an einem Objekt auch dann anzunehmen, wenn zwischen den Beteiligten eine vertragliche Verbindung fehlt, wäre aber eine unverhältnismäßige Sicherheit für den Vermieter und muss abgelehnt werden. Gleichermaßen erfordern die auch im Gewerbemietrecht fragwür­ dige finale Zweckmäßigkeit der Sicherung und deren, wie gesehen, geringer Schutzumfang keine Beschränkung der Anfechtungsrechtsfolge.

IV. Zusammenfassung: Schutzrechte und Typologie Die starken Schutzbemühungen beim Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB zugunsten des Arbeitnehmers lassen sich allgemein auch im Bereicherungs­ recht in einem Maß berücksichtigen, das eine Rechtsfortbildung der ex tuncRechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB ausschließt. Der Gesetzgeber sieht so für die urlaubsrechtlichen Postitionen der Parteien und für die vom Arbeitnehmer erhaltenen Lohnfortzahlungen im Krankheitsfalle eine interessengerechte Ausseinandersetzung im Rahmen der §§ 812 ff. BGB vor. Die sozialversiche­ rungsrechtliche Absicherung des Arbeitnehmers ist daneben nicht beeinträch­ tigt. Typologisch ist weder der Mietvertrag noch der Arbeitsvertrag mit der Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB unvereinbar. Ein per­ sonenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis bei Arbeitsverträgen ist nur schwer zu begründen und ist daher in jedem Fall ohne Auswirkung auf die Rechts­ folge der Anfechtung. Im Mietrecht sind die Sozialbeziehungen des Mieters dem Mietvertrag nicht zurechenbar. So ist hier im Ergebnis bei einer Diskus­ sion um die Rechtsfolge der Anfechtung allenfalls das Vermieterpfandrecht zu erwähnen, das sich jedoch nach genauerer Betrachtung ebenfalls nicht gegen die Bedeutung der Anfechtung behaupten kann.



D. Verstoß der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB gegen Verfassungsrecht 295

D. Verstoß der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB gegen Verfassungsrecht Die Auslegungskriterien dienen bei der Suche nach Gesetzeslücken zum Verständnis der Rechtsnormen. So ist durch die verfassungsgemäße Interpre­ tation ein Spielraum gegeben, der eine Gesetzeslücke wegen eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht verhindern kann.228 Eine verfassungskonforme Aus­ legung ist, wie bereits angesprochen wurde, allerdings nur im Zusammen­ spiel mit den übrigen Auslegungsmethoden möglich und kann sich nicht ge­ gen den klaren Wortlaut, den Zweck des Gesetzes und den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen, sondern allenfalls eine vom Gesetz­ geber beabsichtigte weitergehende Wirkung der Regelung in ihrem Rahmen verfassungsgemäß eingrenzen.229 Dennoch bleibt im Ergebnis eine verfas­ sungskonforme Rechtsfortbildung durch die gerichtliche Auslegung der Ge­ setze im Einzelnen anzunehmen. Anders gestaltet sich die Gewichtung der Grundrechte dagegen beim konkreten Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG, das – unabhängig von anderen Anleitungen zum Normenver­ ständnis – allein auf die Verfassungskonformität des betroffenen Gesetzes unter allen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten abstellt.230 Von verfas­ sungsrechtlich besonderer Relevanz sind bei den Dauerschuldverhältnissen dabei die schutzwerten Positionen des Arbeitnehmers beim Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB und des Mieters beim Mietvertrag nach § 535 BGB.

I. Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) 1. Verhältnis der Privatautonomie zur Berufsfreiheit des Arbeitnehmers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG Die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB schützt die Privatautonomie und lässt sich auf das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG stützen.231 Die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG schützt nicht den endgültigen Bestand eines Arbeitsvertrags, sondern die Freiheit der Wahl und Ausübung.232 Auffällig ist also bereits, dass die Berufsfreiheit und 228  Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 432; vgl. Kapitel 2 A. II. 3. a) aa), B. III. 1. b) bb). 229  Vgl. Kapitel 2 A. I. 2. e). 230  BVerfG, Beschluss vom 23. März 1994 – 1 BvL 8/85, NZS 1994, 417 (418); Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. Novem­ ber 2018, Art. 100 Rn. 15. 231  Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. Novem­ ber 2018, Art. 2 Rn. 5a. 232  Vgl. Kapitel 3 B. I. 1. e).

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Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

die Anfechtung ihrem Schutzzweck nach nicht konträr, sondern parallel zu funktionieren scheinen und die Berufsfreiheit vielmehr in Spezialität zur freien Entfaltung der Persönlichkeit steht.233 Die Privatautonomie des Ar­ beitgebers ist ihrerseits ebenfalls auf dessen Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs.1 GG zu stützen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit kann daher nicht als Schranke der Privatautonomie nach Art. 2 Abs. 1 GG angeführt werden, ebenso wie die Beziehung der beiden Grundrechte zueinander richtig ver­ standen werden muss. Der Gedanke, eine Rechtslücke der ex tunc-Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB aufgrund grundrechtlich geschützter Werte in Bezug auf Arbeitsverhältnisse durch die grundrechtliche Schranke aus Art. 12 Abs. 1 GG anzunehmen, lässt sich daher schon im Ansatz nicht nachvollziehen. 2. Verfassungsmäßigkeit des § 142 Abs. 1 BGB a) Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Die Funktionsweise des konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG unterscheidet sich zwar von der Rechtsfortbildung durch Lückenschließung, allerdings wird auch im Normenkontrollverfahren ein Eingriff der Norm des § 142 Abs. 1 BGB in ein Grundrecht, hier aus Art. 12 Abs. 1 GG, verlangt, dessen Verhältnismäßigkeit dann in einem zweiten Schritt zu prüfen wäre.234 Ein Eingriff der Anfechtung in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG kann jedoch, wie angesprochen, nicht bejaht wer­ den.235 Geht man trotzdem auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip ein, wäre die ex nunc-Beschränkung der Rechtsfolge aus § 142 Abs. 1 BGB kein gleichwirksames Mittel, um der Erforderlichkeit der ex tunc-Wirkung zu widersprechen.236 Eine Beseitigung des Arbeitsvertrags gemäß § 611a BGB allein für die Zukunft ist nur eine ungleich wirksame Zwischenlösung, die inkonsequent die Anstellung für die Vergangenheit bewahren, aber für die Zunkunft doch beenden würde, ohne Art. 12 Abs. 1 GG und den Bestand des Arbeitsvertrags umfassend schützen zu können.

233  BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 1015/15, NJW-RR 2016, 1349; Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. Novem­ ber 2018, Art. 2 Rn. 5a; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 12 Rn. 9. 234  Dederer, in: Maunz/Dürig, GG, 81. EL 2017, Art. 100 Rn. 237; Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. November 2018, Art. 20 Rn. 191. 235  Vgl. Kapitel 4 B. IV. 1. a). 236  Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. No­ vember  2018, Art. 20 Rn. 191 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art.  20 Rn.  107 ff., 110 ff.



D. Verstoß der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB gegen Verfassungsrecht 297

Der freien Diskussion um die Schutzwürdigkeit des Bestands eines Ar­ beitsvertrags nach § 611a BGB kann hinzugefügt werden, dass sich die ­Arbeitswelt in der heutigen Zeit durch eine deutlich höhere Fluktuation der Arbeitnehmer charakterisiert. Verstärkte grundrechtliche Schutzbemühungen in Bezug auf den Bestand eines Arbeitsvertrags nach § 611a BGB bieten sich aufgrund der Entwicklung daher nicht an. Umso klarer zeigt sich in Übertra­ gung der grundrechtlichen Untersuchung zu Art. 12 Abs. 1 GG auch, dass aus grundrechtlicher Perspektive die Gleichsetzung des Eltern-Kind-Verhält­ nisses mit dem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis auch nach wertungsbe­ zogenem Maßstab nicht einfach getroffen werden kann, um Rechtsfortbil­ dung zu betreiben. b) Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 20 Abs. 1 GG) Das BVerfG schließt aus der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.237 Es soll jedem Hilfsbedürftigen seine physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben ermög­ lichen.238 Auch hier kann jedoch ein Eingriff durch Beseitigung arbeits­ vertraglicher Ansprüche gemäß § 142 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden. Selbst bei Annahme eines ausbleibenden Wertersatzes für die Leistung des Arbeitnehmers, ist dieser durch Sozialleistungen des Staats abgesichert. Au­ ßerdem bleibt dem Arbeitnehmer bei einer ihn überfordernden einseitigen Rückzahlungspflicht die Möglichkeit der Privatinsolvenz. Die Bedeutung des Grundrechts beschränkt sich daher auf eine zurückhaltende gerichtliche Kontrolle des Verfahrens zur Ermittlung des Existenzminimums nach § 20 SGB II.239

237  BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.  a., NJW 2010, 505 (507); Hannes, in: Gagel (Hrsg.), SGB II/SGB III, 71. EL 2018, § 20 SGB II Rn. 83; zur Entwicklung des Grundrechts Neumann, Menschenwürde und Existenzminimum, NVwZ 1995, 426; Ramm, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages, 1955, S. 33 ff. 238  BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u. a., NJW 2010, 505 (508). 239  BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.  a., NJW 2010, 505 (509); Hannes, in: Gagel (Hrsg.), SGB II/SGB III, 71. EL 2018, § 20 Rn. 83.

298

Kap. 4: Rechtsfolgen der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen

II. Mietvertrag (§ 535 BGB) 1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) Die erwähnten Versuche, im Wohnraummietrecht der personenbezogenen Qualität eine besondere Berücksichtigung einzuräumen, können in Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG einen Verstoß der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB nicht be­ gründen. Der Mietvertrag selbst kann, wie angezeigt wurde, aufgrund fehlen­ der vertragsinhaltlicher Zuordnung solch faktische Nebenfolgen nicht für sich beanspruchen und fällt daher nicht in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das lediglich die Privatsphäre räumlich in einem eige­ nen persönlichen Lebensbereich schützt, ohne diese notwendigerweise auf einen Bestandsschutz des konkreten Mietvertrags auszuweiten.240 Konkret verlangt das allgemeine Persönlichkeitsrecht einen „Raum, in dem der Ein­ zelne unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines beson­ deren Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann“.241 Die An­ fechtung des Mietvertrags greift daher nicht in den persönlichen Lebensbe­ reich ein, berührt diesen allenfalls durch Auflösung einer örtlichen Fixierung. Dass sich eine solche Berührung zu Gunsten der Privatautonomie, also eines Freiheitsrechts vollzieht, ist zu beachten. Hier entscheidend ist jedoch, dass Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG kein Recht auf eine so spezielle lokale Verknüpfung wie den Mietvertrag über Immobiliare einfordert. 2. Eigentumsfreiheit des Mieters (Art. 14 GG) Der Wohnraummieter ist entgegen des bürgerlich-rechtlichen Verständnis­ ses grundrechtlich ebenfalls durch Art. 14 GG geschützt.242 Dieser verdrängt in materieller, aber nicht, wie oben relevant, in ideeller Hinsicht auch das

240  Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. Novem­ ber 2018, Art. 2 Rn. 41; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 945. 241  BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 1969 – 1 BvL 19/63, NJW 1969, 1707; BVerfG, Beschluss vom 26. April 1994 – 1 BvR 1689/88, NJW 1995, 1015; Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 39. Edition, 15. November 2018, Art. 2 Rn. 41. 242  BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93, NJW 1993, 2035 (2036); Depenheuer, Der Mieter als Eigentümer? – Anmerkungen zum Beschluß des BVerfG vom 26. 5. 1993, NJW 1993, 2035, NJW 1993, 2561; Hattenhauer, Grund­ begriffe des Bürgerlichen Rechts, 2. Auflage 2000, S. 152 f.



D. Verstoß der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB gegen Verfassungsrecht 299

allgemeine Persönlichkeitsrecht als lex specialis.243 Der Schutz des Mieters durch Art. 14 GG ist jedoch kein originäres, sondern nur ein vom Wohnraum des Vermieters abgeleitetes Recht.244 Aufgabe des Mietrechts ist es, die „Befugnisse von Mieter und Vermieter zuzuordnen und abzugrenzen“.245 Umso mehr muss dies für die Anfechtung im allgemeinen Teil des bürger­ lichen Rechts gelten. Aus einem Grundrecht des Mieters gemäß Art. 14 GG kann daher keine Beschränkung der Anfechtung hervorgehen.

III. Zusammenfassung: Verstoß gegen Verfassungsrecht Die Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB verstößt weder beim Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB noch beim Mietvertrag gemäß § 535 BGB gegen Grundrechte, die auf den Vertragsinhalt gerichtet sind oder hier­ mit in Zusammenhang stehen. Vielmehr stützen die Grundrechte, wie im Falle der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, die Anfechtung oder ein Verstoß wirkt, wie bei der Eigentumsfreiheit des Mieters gemäß Art. 14 GG oder dessen allgemeinem Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, sehr weit hergeholt. Da sich selbst bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Arbeits- oder Miet­ vertrag, die eine soziale „grundrechtsnahe“ Materie behandeln, kein Verstoß ergibt, ist allgemein zu folgern, dass die Anfechtung von Dauerschuldver­ hältnissen gemäß § 142 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht dazu neigt, einen Konflikt mit Grundrechten der Vertragsparteien hervorzurufen.

243  Papier/Shirvani, 244  BVerfG,

in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL 2018, Art. 14 Rn. 368. Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93, NJW 1993, 2035

(2036). 245  BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93, NJW 1993, 2035 (2036).

Kapitel 5

Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB bei Dauerschuldverhältnissen Die Frage der Rechtsfolge bei Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen gemäß § 142 Abs. 1 BGB kann nicht allgemein geltend für alle Dauerschuld­ verhältnisse beantwortet werden. Dies zwingt den Rechtsanwender jedoch umso mehr zu einer kategorischen Lösung, die sich in klaren Abgrenzungs­ kriterien qualifizieren lässt.1 Ein solches Schema kann für die haftungsrele­ vanten Fälle der Beseitigung eines Gesellschaftsvertrags durch richterliche Rechtsfortbildung gefunden werden (als „Ausnahmelösung“ bezeichnet), während im Übrigen bei der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen an der vom Gesetzgeber normierten ex tunc-Rechtsfolge nach § 142 Abs. 1 BGB festzuhalten ist (als „Grundsatzlösung“ bezeichnet).

A. Grundsatz der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB (Grundsatzlösung) Im Hinblick auf die in dieser Arbeit untersuchten Dauerschuldverhältnisse ist die Rechtsfolge bei der Anfechtung von Willenserklärungen, die auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gemäß § 611a BGB, eines Mietvertrags ge­ mäß § 535 BGB oder eines Zeitungsabonnements nach § 433 BGB gerichtet sind, die vom Gesetzgeber in § 142 Abs. 1 BGB normierte ex tunc-Beseiti­ gung der betroffenen Willenserklärung. Dies ist aufgrund der technisch und typologisch möglichen Rückabwicklung der Verträge mit Blick auf die Rechtsstaatlichkeit und den Gewaltenteilungsgrundsatz in Art. 20 Abs. 2, 3 GG für diese Arten der Dauerschuldverhältnisse zwingend. Da bei den hier untersuchten Dauerschuldverhältnissen daher eine Ausnahme nur im Gesell­ schaftsrecht begründet ist, ist gleichermaßen die Grundregel aufzustellen, dass bei einem Dauerschuldverhältnis im Allgemeinen, wie bei punktuellen Schuldverhältnissen auch, die gesetzliche Rechtsfolge der ex tunc-Nichtigkeit gemäß § 142 Abs. 1 BGB Anwendung finden muss. Die Ausnahmelösung selbst ergibt sich bei den Personengesellschaften aus der gesellschaftsrecht­ 1  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 8 f.



B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) 301

lichen Besonderheit des von den Gesellschaftern losgelösten Haftungssub­ jekts. Ferner kann sich daher auch die These behaupten, dass die typischen dauerschuldrechtlichen Eigenschaften, die allgemein eine Abgrenzung zu einfachen punktuellen Schuldverhältnissen begründen, keine entscheidende Auswirkung auf die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB haben können. Dass sich bei der Rückabwicklung von Dauerschuldverhältnissen durch die Gerichte und auch in Fortführung in der Praxis weitläufige Abwicklungs­ vorgänge ergeben, hat auf die Rechtsanwendung keine Auswirkung. Denn die Mühen eines durch die §§ 812 ff. BGB durchgeführten Ausgleichs kön­ nen sich, in Relation zur gesetzlichen Teleologie des § 142 Abs. 1 BGB, nicht behaupten. Ohne ex tunc-Rechtsfolge sind ansonsten die Parteien für die Vergangenheit in einem vertragsähnlichen Zustand gefangen, der weder ihrem Willen und der geschützten Privatautonomie entspricht, noch dem ­Telos der Anfechtung genügen kann.2 Eine über die legitimierte Gesetzeslage hinausgehende Diskussion wird hier nicht geführt, wäre jedoch ebenfalls nicht anders zu entscheiden.

B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung)bei Personengesellschaften im Rechtsverkehr Im Gesellschaftsrecht ist bei den Personengesellschaften der GbR nach § 705 BGB, der OHG nach § 105 HGB sowie der KG nach § 161 HGB und bei einem haftungsrelevanten Vollzug des Gesellschaftsvertrags, die Anfech­ tung solcher Verträge gemäß § 142 Abs. 1 BGB in ihrer Rechtsfolge auf eine ex nunc-Wirkung zu beschränken. Dies mit der Folge, dass bei einem haf­ tungsrelevanten Vollzug auch nach einer Anfechtung, der Gesellschaftsver­ trag für die Vergangenheit im Bestand erhalten bleibt, um das Haftungssub­ jekt der Gesellschaft mit seiner Gesamthand zum Schutze des Rechtsverkehrs nicht zu beseitigen. Im Umkehrschluss ist ein Gesellschaftsvertrag nach An­ fechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB dann ex tunc nichtig, wenn eine Haftung gegenüber Dritten nicht zu besorgen ist.

2  Mugdan, Materialien, II. Bd. 1899, S. 463; a.  A. Oetker, Das Dauerschuldver­ hältnis und seine Beendigung, 1994, S. 438, der eine ex nunc Wirkung zum Schutze der Privatautonomie genügen lässt.

302

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

I. Methodische Begründung 1. Grenze der Auslegung bei Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags Allgemein schließt der Gesetzgeber die Ausnahmelösung zu § 142 Abs. 1 BGB nicht eindeutig aus, weshalb eine Rechtsfortbildung grundsätzlich im Wege der Lückenschließung de lege lata erfolgen kann.3 Geht es dabei um die Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags, ergibt sich aus dem Gesell­ schaftsrecht keine andere Beurteilung. Ausdrückliche vorrangige Regelungen existieren nur für die Kapitalgesellschaften. Der für den Rechtsverkehr ent­ stehende haftungsrelevante Verlust der Gesellschaft ist vom Gesetzgeber weder bei der GbR noch den Handelsgesellschaften angesprochen und be­ handelt worden. Die Ausnahmelösung bei Anfechtung eines Gesellschafts­ vertrags ist daher nicht contra legem. Dies gilt für die Anfechtung eines Vertrags gemäß § 705 BGB umso mehr, da die Rechtsfähigkeit der GbR erst nach Schaffung der Vorschriften in §§ 142 Abs. 1, 705 ff. BGB von der h. M. bejaht wurde und sich eine veränderte Rechtslage bei Anfechtung des Gesell­ schaftsvertrags durch die Rechtsanwendung ergeben hat.4 Die Rechts­fähigkeit ist dabei in der gemeinsamen Vertretungsbefugnis und der gesamthänderi­ schen Bindung in § 709 Abs. 1 BGB bzw. § 718 BGB gesetzlich angelegt gewesen, führt bei Anfechtung des Gesellschaftsvertrags der GbR aber erst seit ihrer gerichtlichen Anerkennung als rechtsfähige Gesellschaft zu einem Schuldnerwechsel und den damit verbundenen haftungsrelevanten Folgen für Dritte. 2. Gesetzeslücke der Haftung im Außenverhältnis Bei der handelsrechtlich modifizierten OHG bzw. KG und der bürgerlich rechtlichen GbR findet sich eine gesetzliche Ausgestaltung, die bei Anfech­ tung des Gesellschaftsvertrags zu einem Verlust des Haftungssubjekts der Gesellschaft führt.5 Dogmatisch entsteht dadurch eine außer Verhältnis zur Anfechtung stehende Benachteiligung des Rechtsverkehrs, die sich nicht in­ nerhalb des Systems der Anfechtung rechtfertigen lässt, sondern offensicht­ lich eine Unvollständigkeit der Regelung des § 142 Abs. 1 BGB für den

3  Vgl.

Kapitel 2 B. III. 1. a). in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, Vor. § 705 Rn. 21; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 253. 5  BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 (1057); Stürner, in: Jauernig BGB, 18. Auflage 2019, § 705 Rn. 1; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 253; Servatius, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschafts­ recht, 4. Auflage 2019, § 705 Rn. 67. 4  Hadding/Kießling,



B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) 303

Bereich des Gesellschaftsrechts ergibt.6 Mangels gesetzgeberischer Stellung­ nahme lässt dies gleichzeitig vermuten, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Normen eine solch starke Benachteiligung des Rechtsverkehrs nicht vor­ ausgesehen hat.7 Dass sich die Ausführungen zum Drittschutz nur auf die Schadensersatzpflicht nach § 122 BGB und den gutgläubigen Erwerb bezie­ hen, kann hierfür nur Indiz sein.8 Eine Benachteiligung unbeteiligter Dritter in solchem Umfang ist der Rechtsordnung des BGB, im Hinblick auf seine Rechtsinstrumente, ansonsten auch allgemein sehr fremd. Von einer Planwid­ rigkeit ist daher auszugehen. Bei der GbR kann aufgrund der spezielleren Gesetzesinterpretation im Ergebnis von einer nachträglichen Lücke gespro­ chen werden, wogegen bei den handelsrechtlichen Personengesellschaften aufgrund der klaren Rechtsfähigkeit kein Zweifel an einer anfänglichen Lü­ cke der Gesetzeslage besteht. 3. Teleologische Reduktion des § 142 Abs. 1 BGB Die Gesetzeslücke der Haftungsunsicherheit im Außenverhältnis zu schlie­ ßen, ist Aufgabe der teleologischen Reduktion des § 142 Abs. 1 BGB.9 Die Rechtsfolge der Nichtigkeit „von Anfang an“ wird beschränkt auf eine Nichtigkeit ab dem Zeitpunkt der Anfechtungserklärung gemäß § 143 Abs. 1 BGB. Entgegen dem Wortsinn ist die Anfechtung von Personengesellschaf­ ten aufgrund der drohenden haftungsrelevanten Beseitigung der Gesellschaft für die Vergangenheit dann zugunsten der Schuldnerwahl, d. h. der Privat­ autonomie des Rechtsverkehrs teleologisch modifiziert. Auf diese Weise kann dem Telos der Anfechtung – Schutz der Privatautonomie – über die Anfechtungsparteien hinweg zur Durchsetzung verholfen, bzw. deren An­ knüpfungspunkt am Rechtsverhältnis selbstschützend eingegrenzt werden.10 Der Vorschrift des § 142 Abs. 1 BGB ist dabei nicht direkt ein missglückter Wortlaut vorzuwerfen, sondern es wird dieser Grundregel des allgemeinen Teils eine Ausnahmebestimmung für Gesellschaftsverträge angedacht.11

6  Kapitel 4

B. II. 2. c), 3. Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 233. 8  Vgl. Kapitel 4 B. II. 3. c); Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertrags­ partners, 2002, S. 233. 9  Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002, S. 127. 10  Vgl. Kapitel 2 A. II. 3. a) bb). 11  Siehe erneut Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 10. Auflage 2018, § 23 Rn. 867, 903. 7  Löhnig,

304

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

II. Dogmatischer Aufbau Der Grund für die Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB in Form der Ausnahmelösung sind die untragbaren Folgen der Anfechtung von in Vollzug gesetzten Personengesellschaften. Der dogmatische Aufbau der Ausnahme­ lösung stützt sich dabei allein auf die Rechtsfolgenbeschränkung des § 142 Abs. 1 BGB. Für die Vergangenheit vor der Anfechtungserklärung ist der Gesellschafts­ vertrag voll wirksam und Haftungsfragen stellen sich für den Rechtsverkehr ausschließlich unter der Sicherheit des wirksamen Gesellschaftsvertrags und der gesetzlichen Ausgestaltung zur Gesellschaft. Die Konstruktion einer feh­ lerhaften Gesellschaft oder dergleichen bleibt aus und ist auch begrifflich allenfalls irreführend. Das Problem der haftungsrelevanten Beseitigung der Gesellschaft kann eine fehlerhafte Gesellschaft selbst nicht konstruieren, sondern der Bestand des Haftungssubjekts für die Vergangenheit ist von der Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB abhängig. Demgemäß wird eine Lücke des Gesetzes nicht dadurch begründet, dass trotz Anfechtung eine Gesellschaft für die Vergangenheit bestehen bleibt. Eine solche Diskussion ist, wie gesehen, auch im Allgemeinen nicht überzeugend zu führen.

III. Besondere Voraussetzungen der Ausnahmelösung Grundvoraussetzung der Anfechtung ist ein Willensmangel des Gesell­ schaftsvertrags. Neben den Anforderungen, die dabei an eine wirksame An­ fechtung nach § 142 Abs. 1 BGB mit ex tunc-Wirkung zu stellen sind, trägt die Ausnahmelösung weitere besondere Voraussetzungen, die zu einer be­ schränkten ex nunc-Rechtsfolge der Anfechtung führen. Diese ergeben sich aus der Behandlung des Gesellschaftsvertrags, sind aber dennoch abstrakt zur Abgrenzung anderer Anfechtungskonstellationen und zur verstärkten Rechtssicherheit in einer Art Prüfungsschema einzugrenzen. 1. Besonderes Haftungsinteresse des Rechtsverkehrs Die Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB ist, vereinfacht ausgedrückt, mit der unangemessenen Benachteiligung des Rechtsverkehrs begründet. Abstrakte Voraussetzung der Ausnahmelösung muss daher sein, dass sich an den Bestand der angefochtenen Willenserklärung ein besonderes Haftungsin­ teresse des Rechtsverkehrs knüpft. Ob ein solches Haftungsinteresse begrün­ det ist, kann sich – wie beim Personengesellschaftsvertrag gesehen – qualita­ tiv bestimmen. Genauso ist jedoch auch ein entscheidendes quantitatives In­ teresse des Rechtsverkehrs nicht von vornherein sicher auszuschließen. Ne­



B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) 305

ben dem konkreten Fall der Anfechtung von Personengesellschaften können anhand der im Rahmen dieser Arbeit geführten Untersuchung die Eigenschaft als Dauerschuldverhältnis und ein statusbezogener Charakter als Indiz für ein solches besonderes Interesse des Rechtsverkehrs hervorgehoben diskutiert werden. a) Personengesellschaft als Standardfall Die Anfechtung des Gesellschaftsvertrags einer GbR, OHG oder KG ist der konkrete Anwendungsfall der Ausnahmelösung. Diese Anfechtungsbei­ spiele dienen als Orientierung für das erforderliche Maß an notwendigem, besonderem Interesse des Rechtsverkehrs an der angefochtenen Willenserklä­ rung und dem Aufrechterhalten der Gesellschaft für die Vergangenheit. Als eine unangemessene Benachteiligung wird hier erkannt, dass die Vertrags­ partner der Gesellschaft, anstelle der Gesellschaft und deren Kapital, an die Gesellschafter als neue Schuldner gebunden sind, deren Vermögenswerte durch die Rückabwicklung der Gesamthand bereicherungsrechtlich verstrickt werden und mitunter nicht in synallagmatischer Leistungsbeziehung zu den Vertragspartnern stehen.12 Den Vertragspartnern der Gesellschaft ist daher ein besonderes Haftungsinteresse am Bestand des Gesellschaftsvertrags für die Vergangenheit zuzusprechen. b) Ausnahme: Stille Gesellschaft Die Ausnahme zur Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB bei den Per­ sonengesellschaften ist die stille Gesellschaft. Die stille Gesellschaft kann im Außenverhältnis mittelbar durch den Inhaber des Handelsgeschäfts mit haf­ tungsrelevantem Handeln an einer Vielzahl von Geschäften beteiligt sein, ist selbst jedoch nur im Innenverhältnis von Bedeutung.13 Mangels relevantem Gesellschaftsvermögens und fehlendem Auftreten nach außen, hat der Rechtsverkehr keine besonders schützwürdigen Interessen am Bestand der stillen Gesellschaft.14 So ist weder eine Rückabwicklung von Leistungen, noch ein unerwarteter Schuldnerwechsel zu besorgen. Da sich zudem im In­ nenverhältnis eine Rückabwicklung über Bereicherungsrecht zwischen den Gesellschaftern bewerkstelligen lässt – auch wenn bei einer atypischen stillen 12  Vgl.

Kapitel 4 B. II. 1. b). Bestandsschutz im Innenverhältnis ausführlich Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 27 f. 14  Vgl. mit aber teils anderer Schlussfolgerung Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 270; Schmidt, in: MüKo HGB, 3. Auflage 2012, § 230 Rn. 9; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 359. 13  Zum

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Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

Gesellschaft ein Gesamthandsvermögen gebildet wurde – scheidet eine gra­ vierende Verschlechterung der Haftungssicherheit für Dritte im Außenver­ hältnis ebenfalls aus. Eine Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB bei An­ fechtung einer stillen Gesellschaft ist daher abzulehnen und die stille Gesell­ schaft vom Standardfall der Personengesellschaft in diesem Zusammenhang auszunehmen.15 c) Dauerschuldverhältnis Die Voraussetzung, dass es sich bei dem angefochtenen Schuldverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis handelt, ist nicht zwingend. Die Vertiefung von schutzwerten Postitionen wird durch die Dauer der Rechtsbeziehung er­ reicht, ist für die Rechtsfortbildung jedoch nicht von entscheidender Rele­ vanz. Schließlich beschränkt sich die Betonung der Interessen größtenteils auf die Parteien des Dauerschuldverhältnisses selbst. Im Gesellschaftsrecht ist zudem auch in haftungsrelevanten Einzelfällen bei Anfechtung eine Ge­ setzeslücke zu bejahen, ohne dass es gerade auf die besonders lange Laufzeit des Dauerschuldverhältnisses angekommen wäre.16 Die Tatsache, dass es sich beim Gesellschaftsvertrag nach § 705 BGB um ein Dauerschuldverhältnis handelt, kann jedoch nicht einfach ignoriert wer­ den. Zu weit ginge zwar der Umkehrschluss, dass Dauerschuldverhältnisse typischerweise zu einer Rechtsfolgenbeschränkung des § 142 Abs. 1 BGB führen würden, dennoch ist es die Dauer der Leistungsbeziehung, die häufig eine schutzwerte Position des Rechtsverkehrs mitbegründet. So auch im Ge­ sellschaftsrecht. Erst die Dauer des Gesellschaftsvertrags, d. h. der Vollzug, lassen einen Vertragsschluss und damit die Interessen des Rechtsverkehrs als schutzwürdige Position entstehen.17 Außerdem neigen Dauerschuldverhält­ nisse aufgrund ihrer Vertragsdauer eher dazu, eine Vielzahl von Schuldnern (und deren Interessen) an sich zu binden.18 Das Dauerschuldverhältnis fördert durch seine Laufzeit im Ergebnis also den Kontakt mit dem Rechts­ verkehr, bzw. macht eine solche Verbindung erst möglich. Ob darin ein ent­ scheidender Unterschied zum punktuellen Vertrag gesehen werden kann, ist durch die Beschränkung der Anfechtungfolgen bei Gesellschaftsverträgen der GbR, OHG oder KG nicht zu begründen, da sich dabei der Verlust einer dem Gesellschaftsrecht eigenen Struktur mit den Interessen der Vertragspartner überwirft. Zudem werden auch bei punktuellen Verträgen, wie der Übereig­ 15  Vgl. abweichend dazu die Diskussion im Zusammenhang mit dem Model der fehlerhaften Gesellschaft in Kapitel 3 B. II. 5. a) cc). 16  Vgl. Kapitel 4 B. II. 3. a). 17  Vgl. Kapitel 3 B. IV. 1. 18  Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 225 f., 235.



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nung von Gegenständen nach §§ 929 ff. BGB, oder einseitigen Willenserklä­ rungen, wie der unbefristeten Vollmacht gemäß § 176 BGB, Rechtstatsachen geschaffen, an die der Verkehr anknüpfen kann. Richtig ist dagegen vielmehr die Aussage, dass eine Beschränkung der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB, wie gesehen, nicht bei allen Dauerschuldverhältnissen anzunehmen ist.19 Mehr als die Kontaktfreude des Dauerschuldverhältnisses im Rechtsverkehr kann daher diesen Verträgen als mögliche Eigenschaft für die besonderen Interessen Dritter nicht zugesprochen werden. Im Ergebnis ist dies zu wenig, um eine klare Befürwortung der Relevanz der Dauerschuldverhältnisse für die Rechtsfolgenbeschränkung bei § 142 Abs. 1 BGB annehmen zu können; zu viel aber, um den Zusammenhang der Rechtsfolgenbeschränkung bei An­ fechtung von Personengesellschaften von dem Charakterzug des Dauer­ schuldverhältnisses gänzlich zu trennen. Der Rest einer Indizwirkung für die besonderen Interessen des Rechtsverkehrs an dem Bestand einer Willenser­ klärung für die Vergangenheit verbleibt dem Dauerschuldverhältnis somit. d) Statusbezogene Dauerschuldverhältnisse Von größerer Indizwirkung als das Dauerschuldverhältnis allein ist das statusfestlegende Dauerschuldverhältnis. Angelehnt an die Unterscheidung zwischen Gesellschaftsvertrag und anderen Dauerschuldverhältnissen und der Parallele zu den Statusverhältnissen der Ehe und Adoption, lässt sich so eine weitere Kategorie bilden, die auf eine Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB hindeuten kann.20 Im Personengesellschaftsrecht ist die Haftungssicherheit des Rechtsver­ kehrs an die Existenz der Gesellschaft gebunden und der Verlust der Gesell­ schaft schlägt sich in einer Rechtsfolgenbeschränkung des § 142 Abs. 1 BGB nieder. Ähnlich sind beim Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB die Interessen Dritter – der Krankenkasse im Versicherungsverhältnis, des Staates bei Rente und Arbeitslosenversicherung – an die Arbeitnehmereigenschaft geknüpft. Die beiden Beispiele zeigen, dass, sobald ein Dauerschuldverhältnis einen Status der Parteien begründet, der Rechtsverkehr daran bestimmte Folgen knüpft und mit besonderem Interesse am Bestand des ausgedrückten Zu­ stands festhält, bzw. damit in das Dauerschuldverhältnis involviert ist. Gleichzeitig ist im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis zu beobachten, dass nicht jedes statusrelevante Dauerschuldverhältnis zu einer ex nunc-Rechts­ folge der Anfechtung führen muss. Da bei der Versicherungspflicht oder auch bei kollektivarbeitsrechtlichen Vorgängen im Arbeitsrecht aber häufig an an­ 19  Schermaier, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, § 142 Rn. 15; Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 142 Rn. 17. 20  Vgl. Kapitel 4 B. II. 4.

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Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

dere Statuseigenschaften angeknüpft wird, ist der Status des bürgerlich recht­ lichen Arbeitnehmers in seiner Bedeutung relativiert. Im Ergebnis ist daher bei statusbezogenen Dauerschuldverhältnissen stets eine ausführliche Diskus­ sion zur Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB zu besorgen. Das statusähnliche Dauerschuldverhältnis ist in der Folge ein starkes Indiz für eine Rechtsfolgenbeschränkung der Anfechtung. 2. Haftungsrelevanter Vollzug In Konzentration auf die Dauerschuldverhältnisse und zur konkreten Be­ gründung eines besonderen Haftungsinteresses des Rechtsverkehrs am Be­ stand der angefochtenen Willenserklärung ist ein haftungsrelevanter Vollzug des betroffenen Vertrags die Voraussetzung für eine Beschränkung des § 142 Abs. 1 BGB. Mit Vollzug kann dabei auch schon der Zeitpunkt des Vertrag­ schlusses gemeint sein, soweit dieser die Interessen des Rechtsverkehrs be­ reits schützenswert validiert. In jedem Fall müssen die Interessen Dritter im angefochtenen Vertrag haftungsrelevant involviert sein. Dies bedeutet, dass es nicht schon ausreichend ist, wenn der Rechtsverkehr nur abstrakt mit dem betroffenen Rechtsverhältnis konfrontiert werden könnte, sondern dass Dritte ein haftungsrelevantes Interesse konkret an der angefochtenen Willenserklärung und dem Bestand des Dauerschuldverhält­ nisses haben müssen. Dies ist bei den Personengesellschaften ab dem Zeit­ punkt zu bejahen, in dem die Gesellschaft mit einem Dritten in Geschäfts­ kontakt getreten ist und die Haftungsinteressen des Dritten betroffen sind – kurz mit haftungsrelevantem Geschäftsbeginn der Gesellschaft im Außenver­ hältnis. Hier unterscheidet sich die herrschende Lehre zur fehlerhaften Gesellschaft insoweit, als dass diese den Geschäftsbeginn weiter fasst und auch schon Vorbereitungshandlungen unter die Voraussetzung des Vollzugs der Gesellschaft subsumiert werden.21 Da mit Geschäftsbeginn im Außen­ verhältnis und zur Vorbereitung eines Geschäftskontakts mit Dritten aller­ dings nicht zwingend ein haftungsrelevanter Tatbestand für den Rechtsver­ kehr entsteht, sondern auch nur das Innenverhältnis der Gesellschaft betroffen sein kann, fehlt zu diesem Zeitpunkt aber mitunter ein begründetes Bestands­ interesse des Rechtsverkehrs. Folglich ist, da sich eine Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB nur über die Berücksichtigung des Außenverhältnisses der Gesellschaft ergibt, gerade auf eine Interesseninvolvierung des Rechtsver­ kehrs abzustellen.

21  Vgl.

Kapitel 3 B. II. 5. c).



B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) 309

3. Gefährdung von Haftungsinteressen Dritter Eine Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB setzt neben der Involvie­ rung der besonderen Interessen des Rechtsverkehrs auch deren tatsächliche Gefährdung voraus. Obwohl es spitzfindig wirkt, die Begriffe voneinander zu trennen, da sich automatisch mit dem Bestandsinteresse Dritter am Ver­ trag auch eine Gefährdung der Interessen einzustellen scheint, sind Ausnah­ men hierzu denkbar. a) Vertragsänderungen ohne haftungsrelevanten Inhalt Vertragsänderungen, die zu keinem haftungsrelevanten Inhalt für Dritte führen, können grundsätzlich mit Rechtswirkung ex tunc gemäß § 142 Abs. 1 BGB angefochten werden. Dies gilt insbesondere für Vertragsänderungen, die sich nicht auf die gesamte Gesellschaftsorganisation erstrecken.22 Aber auch, wenn die Vertragsänderungen nur das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen und bspw. die Gewinn- bzw. Verlustverteilung regeln sollen.23 Dagegen handelt es sich gerade um einen haftungsrelevanten In­ halt, wenn der Status der Gesellschaft verändert wird.24 b) Keine bloße Teilnichtigkeit Die Nichtigkeit darf nicht nur einen Teil des Gesellschaftsvertrags oder damit in Zusammenhang stehende Rechtsgeschäfte betreffen, da in einem solchen Fall für die Gläubiger im Außenverhältnis weiterhin eine Haftung nach alter Vertragslage gegeben wäre und es einer Beschränkung der ex tunc-Rechtsfolge nach § 142 Abs. 1 BGB nicht bedarf.25 Bei Anfechtung einer Willenserklärung zur Gründung des Gesellschaftsvertrags ist eine Teil­ nichtigkeit jedoch nicht anzunehmen, weshalb sich dieser Ausschluss in ers­ ter Linie auf vertragserweiternde oder -berührende Abmachungen bezieht, die hier nach einleuchtendem Verständnis nicht von der Ausnahmelösung umfasst sein können.26

22  Kapitel 3 23  Flume,

B. II. 5. e). Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III,

S.  28 f. 24  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 29. 25  Vgl. Kapitel 3 B. II. 5. g); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 24 f. 26  Vgl. Kapitel 3 B. II. 5. e).

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Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

4. Keine vorrangigen Interessen Die Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB ist in Abwägung mit der Privatautonomie des Anfechtenden durch den Schutz des Vertrauens Dritter auf den Bestand der angefochtenen Willenserklärung begründet.27 In gleicher Weise muss aber der Schutz einer ex nunc-Rechtsfolge auch bei vorrangi­ gen Allgemein- oder Individualinteressen zurückstehen.28 Orientiert an den Grund­wertungen des BGB hat dabei eine Reduktion der Rechtsfolge auszu­ bleiben, wenn die Anerkennung des Vertragsverhältnisses für die Vergangen­ heit neben der Nichtigkeit wegen Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB ge­ gen Verbotsgesetze oder die guten Sitten verstößt, oder ein Schutz Geschäfts­ unfähiger bzw. Minderjähriger nach den §§ 104 ff. BGB ausgehebelt werden würde.29 Eine Einschränkung der Ausnahmelösung zum Schutz des ehelichen Vermögens gemäß § 1365 BGB ist dagegen abzulehnen.30 a) Verstoß gegen Verbotsgesetz oder die guten Sitten (§§ 134, 138 BGB) Bei einem Verstoß des Vertragsverhältnisses gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB oder die guten Sitten gemäß § 138 BGB ist die Ausnah­ melösung nicht anzuwenden und die betroffene Willenserklärung ex tunc gemäß § 142 Abs. 1 BGB zu beseitigen.31 Dies erfordern, unabhängig von der Kenntnis der Parteien über den Rechtsverstoß, die Rechtssicherheit und die Interessen der Allgemeinheit.32 Anders ist dies nur dann zu beurteilen, wenn der Sinn und Zweck eines Verbotsgesetzes der Anerkennung des Ge­ sellschaftsvertrags nicht widersprechen würde, oder nur einzelne Vertrag­ klauseln betroffen sind, die das Verhältnis im Gesamten nicht berühren.33 27  Schermaier, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, § 142 Rn. 15. 28  BGH, Urteil vom 24. Oktober 1951 – II ZR 18/51, NJW 1952, 97; Hadding/ Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 80. 29  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 917; Flume, Allgemeiner Teil des Bür­ gerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 19; Henssler, in: ders./Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 105 Rn. 142; vgl. Kapitel 3 I. 4. c), II 5. d). 30  Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 70; Schöne, in: Bamber­ ger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 90. 31  Siehe ausführlich Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13.  Auflage 2012, § 705 Rn. 81; Schöne, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 87. 32  OLG Koblenz, Urteil vom 11. Februar 1994 – 8 U 535/93, NJW-RR 1994, 493; OLG Hamm, Urteil vom 10. November 1999 – 8 U 31/99, NJW-RR 2000, 1565 f.; Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 81; Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 68.



B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) 311

b) Verstoß gegen Minderjährigenschutz (§§ 104 ff. BGB) Im Fall eines Verstoßes gegen den Minderjährigenschutz ist der nach §§ 104 ff. BGB geschützte Gesellschafter vom Vertrag ex tunc auszuneh­ men.34 Soweit mehr als nur ein Vertragspartner an der Vereinbarung beteiligt sind und der Gesellschaftsvertrag unter den übrigen Gesellschaftern trotz des Mangels nach §§ 104 ff. BGB Bestand haben soll, ist ansonsten an der ex nunc-Beschränkung der Ausnahmelösung festzuhalten.35 Handelt es sich da­ gegen nur um zwei Vertragsteilnehmer, ist die Wirkung des § 142 Abs. 1 BGB auf den Vertrag in jedem Fall nicht zu beschränken. Ein geringerer Schutz wäre letztlich immer das Ergebnis einer Abwägung zugunster der Interessen Dritter, die für sich jedoch gegen den Vorrang des Minderjährigen­ schutzes als Grundprinzip im BGB verstoßen würde.36 c) Anfechtung aufgrund § 123 BGB Bei Anfechtung nach § 123 BGB ist, anders als im Gesellschaftsrecht vor­ gesehen, eine Ausnahme von der ex nunc-Rechtsfortbildung zu machen.37 Die arglistige Täuschung oder widerrechtliche Bedrohung eines Gesellschaf­ ters schließt im Innenverhältnis eine Schutzbedürftigkeit des täuschenden oder drohenden Gesellschafters aus und erfordert einen Durchgriff der ex tunc-Nichtigkeit.38 Umgekehrt ist es dem Betroffenen nicht zumutbar, im Vertragsverhältnis gebunden zu sein.39 Dies gilt auch für den Fall der Be­ schränkung der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB, die eine besondere 33  Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 81; Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 68. 34  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S.  19 f.; Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13.  Auflage 2012, § 705 Rn. 82; Maultzsch, Die „fehlerhafte Gesellschaft“: Rechtsnatur und Minderjährigenschutz, JuS 2003, 544 (548 f.). 35  BGH, Urteil vom 30. September 1982 – III ZR 58/81, NJW 1983, 748; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 19 f.; Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 82; Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 69. 36  BGH, Urteil vom 30. April 1955 – II ZR 202/53, NJW 1955, 1067 (1069); BGH, Urteil vom 30. September 1982 – III ZR 58/81, NJW 1983, 748; Spickhoff, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, Vor. § 104 Rn. 11; Maultzsch, Die „fehlerhafte Gesell­ schaft“: Rechtsnatur und Minderjährigenschutz, JuS 2003, 544 (549); Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 69. 37  Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 83. 38  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 918, 948. 39  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 25.

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Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

Schutzwürdigkeit Dritter im Außenverhältnis zum Inhalt hat.40 Dabei geht es weniger um eine Abwägung zwischen den Interessen der anderen Gesell­ schafter bzw. des Außenverhältnisses und des getäuschten Gesellschafters, als um die Ordnungsfunktion des § 123 BGB im Wertesystem des BGB.41 Eine rechtliche Anerkennung der rechtswidrigen Handlung durch Bestand der Gesellschaft für die Vergangenheit und ein Profitieren des gegen die Rechtsordnung Verstoßenden ist in jedem Fall zu unterbinden.42 Dem kön­ nen eine Vertragsanpassung und auch Schadensersatzansprüche der Betroffe­ nen im Innenverhältnis nicht genügen.43 d) Einschränkung aufgrund § 1365 Abs. 1 BGB Ist in einem Gesellschaftsvertrag ein Ehegatte entgegen der Regelung des § 1365 Abs. 1 BGB mit seinem Vermögen im Ganzen verpflichtet, kann dies eine Beschränkung der Ausnahmelösung zum Schutz der Ehe nicht begrün­ den.44 Ob ein Vertrag aufgrund fehlerhafter (Einlage-) Verpflichtung bzw. Verfügung neben der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB zusätzlich insge­ samt von einer Unwirksamkeit erfasst ist, muss dabei nach Anwendung all­ gemeiner Grundsätze bestimmt werden.45 Ein, die Interessen des Rechts­ verkehrs überragender Schutz des ehelichen Vermögens gemäß § 1365 BGB bei einer Verpflichtung eines Ehegatten ohne Zustimmung des anderen Ehe­ gatten über das Vermögen im Ganzen, ist aber nicht anzunehmen. Der An­ spruch des übergangenen Ehegatten gemäß §§ 985, 1368 BGB ist ausrei­ chend; gerade deshalb ist hier ein Schutz durch zusätzliche Beseitigung des Vertragsverhältnisses ex tunc nicht zu rechtfertigen.46 Dies gilt insbeson­ dere im Hinblick auf die Interessen der Vertragspartner im Außenverhältnis der Gesellschaft. 40  Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 24. 41  Paschke, Die fehlerhafte Korporation, ZHR 155, 1 (19); Mankowski, Beseiti­ gungsrechte, 2003, S. 918, 947 f. m. w. Nw. 42  BAG, Urteil vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 244/85, AP BGB § 123 Nr. 31 (mit Anm. Coester); Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 918, 947 f. 43  Vgl. Kapitel 3 B. II. 5. d); a. A. Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 70. 44  Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 70; Schöne, in: Bam­ berger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 90; Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 84. 45  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 341. 46  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 341; Schöne, in: Bamber­ ger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 705 Rn. 90.



B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) 313

IV. Teleologisch reduzierte Anwendung der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB Liegen die besonderen Voraussetzungen der Ausnahmelösung vor, ist die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB teleologisch ex nunc zu beschränken. Erforderlich ist dafür aber ebenso, dass die allgemeinen Voraussetzungen zur Anfechtung gegeben sind, ohne dass sich hierfür eine Modifikation emp­ fiehlt.47 Abzulehnen ist dementsprechend eine besondere Geltendmachung der Anfechtung in Form einer Klage oder Kündigung, wobei in Bezug auf die Abwicklung der Gesamthand mangels Anwendbarkeit der Vorschriften zur Liquidation der Gesellschaft eine dogmatische Hürde im Gesetz ent­ steht.48 1. Normale Anwendung der allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen (§§  142 ff. BGB) Die allgemeinen Voraussetzungen der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB sind auch im Rahmen der Ausnahmelösung gefordert und werden nicht modifiziert. Dies gilt neben der Erklärung der Anfechtung gegenüber dem Anfechtungsgegner gemäß § 143 BGB und der Grundlage eines Anfech­ tungsrechts gemäß §§ 119 ff. BGB, insbesondere für die Anfechtungsfrist im Allgemeinen Teil nach §§ 121, 124 BGB. Aufgrund der Wesensverschieden­ heit zwischen Kündigung und Anfechtung empfiehlt sich gerade keine Über­ nahme von Fristen bei Kündigung aus wichtigem Grund, wie es von der h. M. im Arbeitsrecht bei der Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB angedacht worden ist.49 2. Ex nunc-Rechtsfolge der Anfechtung Bei Vorliegen der angeführten Voraussetzungen zur Ausnahmelösung ist die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB durch teleologische Reduktion auf eine ex nunc-Wirkung zu beschränken. Für die Vergangenheit ist daher das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien voll wirksam. Die mögliche Be­ zeichnung als „fehlerhaftes Vertragsverhältnis“ hat dabei keinerlei rechtliche 47  Vgl.

Kapitel 5 B. III. Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 269; Maultzsch, Die „fehlerhafte Gesellschaft“: Rechtsnatur und Minderjährigenschutz, JuS 2003, 544 (547). 49  Picker, Die Anfechtung von Arbeitsverträgen, ZfA 1981, 1 (108 ff.); Richardi/ Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 681; Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 223 f.; zur h. M. vgl. Kapitel 3 B. I. 4. a). 48  A. A.

314

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

Auswirkung. Die Verpflichtungen der Gesellschaft im Innen- und Außenver­ hältnis bleiben bestehen und es kommt zu keiner Rückabwicklung erbrachter Leistung nach den §§ 812 ff. BGB.50 Ein Ersatz des mangelhaften Vertrags für die Vergangenheit kann nicht durch das Gericht in einer für die Vertragsparteien sprechenden Lösung fin­ giert werden.51 Eine solche Rechtsprechung wäre nur eine Umdeutung des Vertragsinhalts nach § 140 BGB, ohne die Möglichkeit einer klaren Abgren­ zung der Gerichte, die für Rechtssicherheit sorgen und eine ausreichende Berücksichtigung der Interessen der anfechtenden Partei vornehmen könn­ te.52 So ist ein mangelhafter Vertragsschluss aufgrund Inhaltsirrtums nicht ausreichend, um darauf für die Vergangenheit eine umfassende Anpassung des Inhalts zu stützen. Anders wäre bei einem Irrtum über die Person des Vertragspartners, entweder zu Lasten des Anfechtenden oder des Rechtsver­ kehrs, ein Bruch mit der Privatautonomie zu besorgen, da ein Vertragspartner nicht einfach ausgetauscht werden kann. Eine vermeidende Einzelfallrecht­ sprechung im Gegensatz zu einer konsequenten Entscheidungsfindung wäre in jedem Fall verfehlt. 3. Auseinandersetzung der Gesellschaft Da es auch bei den Personengesellschaften nur zu einer Beschränkung der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB kommt und keine Ablösung durch die Kündigung gemäß § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. bei den Handelsgesell­ schaften durch die Auslösungsklage gemäß § 133 HGB erfolgt, könnte man für die Abwicklung der Gesellschaft allenfalls über eine analoge Anwendung der Vorschriften zur Auseinandersetzung gemäß §§ 730–735 BGB bzw. §§ 145 ff. HGB nachdenken.53 Denn gleichermaßen wie bei der Anfechtungs­ frist ist aufgrund der unterschiedlichen Systematik die Kündigung bzw. die Auflösungsklage aus wichtigem Grund nicht in die Anwendung der Anfech­ tung mit zu übernehmen oder in der Lage diese zu ersetzen.54 Die unmittel­ 50  Habermeier,

in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 67. BGH, Urteil vom 30. März 1967 – II ZR 102/65, NJW 1967, 1961 (1963); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 26. 52  So zu beobachten bei BGH, Urteil vom 30. März 1967 – II ZR 102/65, NJW 1967, 1961 (1963). 53  A. A. zur h. M. vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1951 – II ZR 18/51, NJW 1952, 97 (98); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 21; Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 67; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 345. 54  Schermaier, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, §§ 142–144 Rn. 15; Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 223; Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 659. 51  A. A.



B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) 315

bare analoge Anwendung der Liquidationsvorschriften bei ex nunc-Anfech­ tung einer Personengesellschaft erfordert allerdings ebenso eine Lücke des Gesetzes. Eine Regelungslücke kann mit Blick auf die Besonderheit der Gesamthand gemäß §§ 718 ff. BGB und die Notwendigkeit einer Abwick­ lungsvorschrift vertreten werden. Gleichermaßen kann eine derart ausfallende Rechtsfortbildung aber auch gesetzesnah durch die Annahme eines Über­ gangs der Gesamthand in eine Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 BGB und die einer persönlichen Haftung der Gesellschafter gemäß § 128 HGB (analog) verhindert werden. a) Analoge Anwendung der Vorschriften zur Liquidationsgesellschaft In den Fällen der Ausnahmelösung ist bei Anfechtung eines Gesellschafts­ vertrags die Gesellschaft und ihre Gesamthand in Folge der Rechtsfortbil­ dung des § 142 Abs. 1 BGB ex nunc beseitigt. Auch wenn dieses Ergebnis durch die Rechtsfortbildung der Anfechtung insoweit zwingend erscheint, ist, anders als beim Gesellschaftsvertrag selbst, der Umgang mit einer nach § 142 Abs. 1 BGB für die Zukunft zu beseitigenden Gesamthand, gesetzlich weder ausdrücklich noch in allgemeiner dogmatischer Behandlung berück­ sichtigt. Denn auch wenn der Gesellschaftsvertrag für die Zukunft nichtig ist, gibt es eine Gesamthand, die aufgelöst werden muss. Die Gesamthand ist dabei gesetzlich nur im Gesellschaftsrecht, im Eherecht und im Erbrecht normiert und auch stets mit entsprechenden Abwicklungsvorschriften gemäß §§ 730 ff. BGB, §§ 1471 ff. BGB und §§ 2042 Abs. 2, 749 ff., 2046 ff. BGB versehen.55 Allgemeine Vorschriften zur Abwicklung fehlen hingegen. Auch ein Unternehmenserbrecht sucht man im Gesellschaftsrecht verge­ bens.56 Es gibt keinen Rechtsnachfolger der ex nunc beseitigten Gesell­ schaft. Nachvollziehbar ist es daher, in der Folge des durch Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB begründeten Sonderfalls, eine gesetzliche Lücke im Umgang mit der Gesamthand anzunehmen. Methodisch kann dann das Feh­ len einer gesetzlichen Berücksichtigung am schlüssigsten mit einer analogen Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Abwicklungsvorschriften zur Ge­ samthand gemäß §§ 730–735 BGB bzw. §§ 145 ff. HGB gelöst werden.57 55  Altenhof,

Zur Enträtselung der Figur der Gesamthand, Jura 2018, 205. auch rechtsvergleichend Stade, Unternehmenserbrecht in Frankreich: ein Überblick, ZEV 2017, 193. 57  Für eine Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Abwicklungsvorschriften zur Gesamthand aber mit anderer dogmatischer Herleitung auch die h. M. siehe Habermeier, in: Staudinger BGB, Bear. 2003, § 705 Rn. 67; Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 345; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/1, 3. Auflage 1979, § 2 III, S. 21; Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auf­ lage 2012, § 705 Rn. 78. 56  Vgl.

316

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

b) Ersatzloser Wegfall der Gesellschaft Kein Gesellschaftsvertrag bedeutet auch: Keine Gesamthand. Das Gesell­ schaftsvermögen muss also in Konsequenz der Rechtsausnahme zu § 142 Abs. 1 BGB im Innenverhältnis der Gesellschaft den Gesellschafter als Bruchteilseigentum zugeordnet und bereicherungsrechtlich behandelt wer­ den. Im Außenverhältnis ist dagegen der Rechtsverkehr auf die persönliche Haftung der Gesellschafter gemäß § 128 HGB (analog) angewiesen. aa) Haftung der Gesellschafter im Außenverhältnis (§ 128 HGB) Im Außenverhältnis der Gesellschaft ist eine Regelungslücke für die Ver­ gangenheit zu verneinen, da für den Leistungsaustausch auf den Gesell­ schaftsvertrag zurückgegriffen werden kann, der im Zeitpunkt der Begrün­ dung und Erfüllung möglicher Verbindlichkeiten gegenüber Dritten volle Wirksamkeit entfaltet. Neue Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach Anfech­ tung gemäß § 142 Abs. 1 BGB werden dagegen auch mangels Auftreten als Liquidationsgesellschaft nicht begründet.58 Für Dritte besteht vor Nichtig­ keit der Gesellschaft insoweit eine ausreichende Haftungssicherheit der Ge­ sellschaft.59 Für Ansprüche des Rechtsverkehrs, die erst nach Anfechtung des Gesellschaftsvertrags erhoben werden, haften die Gesellschafter aufgrund deren Begründung während der Existenz der Gesellschaft gemäß § 128 HGB (analog).60 Ferner bietet § 755 BGB eine praktische Vereinfachung durch Erfüllung der Gesamtschuld aus dem (ehemaligen) Gesellschaftsvermögen der Gesellschafter. Was bleibt, ist allenfalls ein Wettlauf der Ansprüche bezo­ gen auf die Gesamthand der Gesellschaft, da ein Schutz des § 733 BGB mangels Auseinandersetzung fehlt.61 Eine analoge Anwendung der Liqui­ dationsgesellschaft nach §§ 730–735 BGB ist dadurch jedoch nicht zwingend begründet. Die Wertung des Gesetzgebers in § 733 BGB kann insoweit auch nicht unberührt von der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB Berücksichti­ gung finden.

58  Schäfer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 730 Rn. 24. Kapitel 4 B. II. 1. b). 60  Gummert, in: ders./Weipert, Lutz (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesell­ schaftsrechts, Bd. 1, 5. Auflage 2019, § 18 Rn. 4, 11; Steitz, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2019, § 128 Rn. 3. 61  BGH, Beschluss vom 05. Mai 2008 – II ZR 292/06, BeckRS 2008, 8818; vgl. Kapitel 3. B. II. 5. c). 59  Vgl.



B. Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB (Ausnahmelösung) 317

bb) Bruchteilsgemeinschaft im Innenverhältnis (§§ 741 ff. BGB) Problematisch ist der Umgang mit der Gesamthand im Innenverhältnis der Gesellschaft. So ist im Grundsatz gemäß der h. M. nicht einfach ein Über­ gang der Gesamthand in eine Bruchteilsgemeinschaft der Gesellschafter an­ zunehmen.62 Die Frage ist jedoch, ob es im Vergleich zu einer analogen Anwendung von Abwicklungsvorschriften des nicht mehr existenten Gesell­ schaftsvertrags nicht näherliegend ist, einen Übertragungsakt der Gesamt­ hand auf die gleichen Parteien als Bruchteilsgemeinschaft durch Beseitigung der Gesellschaft zu fingieren. Anknüpfungspunkt könnte insoweit die Wil­ lenserklärung des Anfechtenden sein, die mit der Beseitigung der Gesamt­ hand auch die dogmatische Grundlage für eine rechtsgeschäftliche Über­ tragung auf die Gesellschafter bereit stellen kann. Dies wäre im faktischen Zusammenhang konsequent und würde zu einem angemessenen Ergebnis führen. Zudem fällt die Willensübereinstimmung, die eine Gesamthand be­ gründet und dem Übergang in eine Bruchteilsgemeinschaft widerspricht, mit Anfechtung des Gesellschaftsvertrags gerade weg. Daneben empfiehlt sich als Lösung, die Wertung des für die Vergangenheit vorhandenen Gesell­ schaftsvertrags mit zu übernehmen und eine Bruchteilsgemeinschaft aufgrund des tatsächlichen Zusammenwirkens der Gesellschafter kraft Gesetzes nach § 741 BGB als begründet anzusehen.63 Nimmt man die Anwendung der §§ 741 ff. BGB an, wäre dadurch eine Regelungslücke in Bezug auf die Verteilung der Gesamthand gesetzesnah verhindert. Das Kapital und insbesondere der Gewinn der Gesellschaft kann dann ohne entsprechende Anwendung der Liquidationsregelungen durch die §§ 752–754 BGB an die Gesellschafter verteilt werden. Dies würde zwar eine Bereicherungskonstellation der Gesellschafter untereinander hervorru­ fen, die Kondiktionen könnten jedoch durch den Gedanken der Saldotheorie bzw. der modifizierten Kondiktionenlehre aufgrund der synallagmatisch aus­ gestalteten Kondiktions- und auch (Einlage-) Leistungsbeziehungen der Ge­ sellschafter ohne Einfluss abgewickelt werden. So stehen sich die Ansprüche der Gesellschafter aus Nichtleistungskondiktionen gemäß § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB gegenüber, die auf ein einheitliches Vertragsverhältnis und dessen Aus­ tausch zurückgehen. Geht man daneben von dem Fall einer besonderen Vereinbarung, insbeson­ dere in Bezug auf Gewinn und Verlust der Gesellschafter aus, die von der Regelung des § 722 Abs. 1 BGB (i. V. m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB) 62  Gehrlein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK HGB, 48. Edition, 1. November  2018, § 741 Rn. 7; Schmidt, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 741 Rn. 7. 63  Hadding, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 741 Rn. 1.

318

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

abweicht, können sich die benachteiligten Gläubiger auf die Ersatzpflicht nach § 122 BGB berufen. c) Fazit Beide Lösungswege sind nicht aus einer direkten Anwendung des Geset­ zes gewonnen. Im Fall der Analogie zu den gesellschaftlichen Abwicklungs­ vorschriften scheint eine angemessene Lösung im Sinne des Gesetzgebers für den Fall der Gesamthand gewählt, die jedoch in Existenz der Liquidationsge­ sellschaft dem Anfechtenden ein weiteres Bestehen der Gesellschaft in um­ gewandelter Form auferlegt. Der einfache Schritt zurück in die gesellschaft­ lichen Regelungen ist daher im Hinblick auf die Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB nicht der konsequenteste. Zu bevorzugen ist die ebenfalls sach­ gerechte Lösung der Umwandlung der Gesamthand in eine Bruchteilsge­ meinschaft und Haftung der Gesellschafter im Außenverhältnis nach § 128 HGB (analog). Durch die Anknüpfungspunkte des tatsächlichen Zusammen­ wirkens der Gesellschafter oder die Anfechtungserklärung ist ein Tatbestand vorhanden, der eine gesetzesnahe Lösung durch bloße Rechtsauslegung pro­ duzieren kann und ein Aufrechterhalten der Gesamthand und der Gesellschaft (sei es auch nur in abgewandelter Form) endgültig ausschließt. Nur so kann schließlich der schon reduzierten Rechtsfolge der Anfechtung am besten ent­ sprochen werden.

V. Zusammenfassung: Ausnahmelösung Bei in Vollzug gesetzten64 Personengesellschaften ist – mit Ausnahme der stillen Gesellschaften – durch den Verlust des Haftungssubjekts der Ge­ sellschaft, die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB auf eine ex nunc wirkende Nichtigkeit teleologisch zu reduzieren. Allgemein kann damit die Regel auf­ gestellt werden, dass bei einem besonderen Haftungsinteresse des Rechtsver­ kehrs und einer Gefährdung der Interessen bei haftungsrelevantem Vollzug des betroffenen Vertrags unter Berücksichtigung vorrangiger Interessen, eine Beschränkung des § 142 Abs. 1 BGB erfolgen muss. Starkes Indiz für die Notwendigkeit einer solch gearteten Rechtsfortbildung kann ein statusbezo­ genes Dauerschuldverhältnis sein, das angefochten wird. Im Bereich der Personengesellschaften ist zudem auch in Auseinanderset­ zung der Gesellschaft an einer gesetzesnahen Abwicklung der Gesamthand und der Beziehungen im Außenverhältnis festzuhalten. Eine Anpassung der Verträge durch Gericht oder die Entfernung von den allgemeinen Vorausset­ 64  Vgl.

Kapitel 5 B. III. 2.



C. Alternativ diskutierte Lösungsmöglichkeiten319

zungen der Anfechtung würden die Bemühungen einer dogmatischen Lösung der Anfechtung in diesen Fällen nur unterlaufen.

C. Alternativ diskutierte Lösungsmöglichkeiten Die teleologische Reduktion der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB bei der Anfechtung von Personengesellschaften ist dogmatisch und methodisch begründet und muss vom Rechtsanwender so Beachtung finden. Alternative Lösungsmöglichkeiten der Regelungslücke im Personengesellschaftsrecht können sich nicht durchsetzen. Dies gilt insbesondere für den Versuch einer schadensrechtlichen Korrektur der Regelungslücke gemäß § 122 BGB, die Ersetzung der Anfechtung durch den systemeigenen Mechanismus der Kün­ digung oder die bereits angesprochene Umdeutung von Verträgen durch Ge­ richt.65 Aber auch eine Rechtsscheinhaftung ist als beliebig herangezogenes Allheilmittel dogmatisch zu vage konstruiert und kann keine Haftungssicher­ heit für den Rechtsverkehr gewährleisten.

I. Das Korrektiv des § 122 BGB Der Schadensersatzanspruch des § 122 BGB schützt bei einem Anfech­ tungsgrund nach §§ 119, 120 BGB den Anfechtungsgegner durch Ersatz des Vertrauensschadens.66 Entsteht bei der Anfechtung von Verträgen eine Schutzlücke, so kann der Gedanke entstehen, dass auch in einem solchen Fall die Vorschrift des § 122 BGB als Korrektiv herangezogen werden soll­ te.67 Die Schadensersatzpflicht nach § 122 BGB schützt allerdings nur den Erklärungsempfänger, d. h. die anderen Gesellschafter, wogegen die Rechts­ fortbildung des § 142 Abs. 1 BGB gerade zum Schutz der Vertragspartner der Gesellschaft erfolgt, die ebenfalls nicht Dritte i. S. d. § 122 Abs. 1 Alt. 2 BGB sind.68 Daneben ist in Fällen des § 123 BGB eine Schadensersatzpflicht der Gesellschafter aus § 122 BGB gar nicht einschlägig. Ins Allgemeine übertra­ gen und unabhängig von der Frage der Notwendigkeit einer Rechtsfortbil­ dung bei Arbeitsverträgen nach § 611a BGB würde bspw. auch einem an­ fechtenden Arbeitnehmer kein Schutz des § 122 BGB zur Seite stehen. Um­ 65  Zur

Umdeutung von Verträgen vgl. Kapitel 5 B. IV. 2. Kapitel 1 B. II. 67  Schermaier, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, § 142 Rn. 19; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsver­ hältnissen, 1948, S. 34. 68  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 122 Rn. 4; Schermaier, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, § 142 Rn. 16. 66  Vgl.

320

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

gekehrt müsste bei Schutz des Arbeitnehmers der Begriff des Vertrauens­ schadens in § 122 BGB aufgeweicht werden, um sämtliche Schutzrechte zu erfassen, während dem Arbeitnehmer aber dennoch die Beweislast für den genauen Schadensnachweis verbleibt. Dies abstrakt angesprochen, ist im konkreten Fall der Anfechtung einer Personengesellschaft ein Anspruch aus § 122 BGB – auch bei Ausweitung des Begriffs Dritter aus § 122 Abs. 1 Alt. 1 BGB auf die Vertragspartner der Gesellschaft – nicht in der Lage, die Gesellschaft und deren Gesamthand als Schuldner zu ersetzen. Der Rechts­ verkehr wäre, soweit § 122 BGB überhaupt einschlägig ist, allein auf die Solvenz des anfechtenden Gesellschafters angewiesen, der auf der anderen Seite faktisch seiner Anfechtungsmöglichkeit, d. h. seiner Privatautonomie, beraubt werden würde. Ebenso lässt sich durch eine schadensersatzrechtliche Lösung die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Innen- und Außen­ verhältnis nicht verhindern und würde den Rechtsverkehr schon dahingehend in eine Rückabwicklung mit den einzelnen Gesellschaftern zwingen. Ein Schutz aus § 122 BGB ist daher nur lückenhaft zu konstruieren und lässt in jedem Fall die Gesellschaftsgläubiger mit einem entscheidenden Haftungs­ risiko ungeschützt zurück.

II. Rechtsscheinhaftung als Lösungsmöglichkeit (Rechtsscheinlösung) Ausgehend von Canaris ist die Ansicht diskutiert, dass die Haftung im Außenverhältnis ebenfalls ohne eine fehlerhafte Gesellschaft durch die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung möglich sei, die gerade keine wirksame Vertragsgrundlage erfordern würde, den Interessen des Rechtsverkehrs aber genügen soll.69 So müsse sich die Gesellschaft gegenüber dem Rechtsverkehr in den einschlägigen Fällen an ihrem Auftreten festhalten lassen und die Verpflichtungen für die Vergangenheit sowie ein Leistungsaustausch im Au­ ßenverhältnis Bestand haben. Gegen diese Ansicht ist jedoch, wie schon angezeigt wurde, ganz entschei­ dend einzuwenden, dass die Vorschriften zur gesetzlichen Gesamthand nach §§ 718 ff., 738 BGB nicht ohne vertragliche Grundlage anwendbar sind.70 Für die Interessen des Rechtsverkehrs verbleibt es bei einem Verlust des Gesellschaftsvermögens und einer Rückabwicklung im Innenverhältnis der Gesellschaft. D. h. für die Gesellschaftsgläubiger entfällt ein vorrangiger 69  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S.  120  ff.; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 927 f.; Weber, Zur Lehre von der fehlerhaf­ ten Gesellschaft, 1978, S. 172 ff. 70  Schäfer, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 353; Hadding/Kießling, in: Soergel BGB, 13. Auflage 2012, § 705 Rn. 87; vgl. auch Kapitel 4 B. II. 1. b) aa).



C. Alternativ diskutierte Lösungsmöglichkeiten321

Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen und anders als bei einer bloßen Ab­ wicklung der Gesamthand ist das Gesellschaftsvermögen auch für die Ver­ gangenheit zwischen den Gesellschaftern durch Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln.71 Auch unter Rechtsscheingesichtspunkten sind daher die Verstrickung des Gesellschaftsvermögens und eine entspre­ chend unsichere Solvenz der einzelnen haftenden Gesellschafter zu befürch­ ten. Auch beim Thema Haftung beitretender Gesellschafter ist im Vergleich zu § 130 HGB und § 173 HGB bei der Anwendung von Rechtsscheingrund­ sätzen eine fehlende Verantwortung für Altlasten zu besorgen.72 Dagegen lässt sich das allgemein wirksame Argument anführen, dass sich die Anfech­ tung eines Gesellschaftsvertrags nach § 142 Abs. 1 BGB nicht ohne jegliche Auswirkung auf die Gesellschaftsgläubiger abspielen muss. Es kommt viel­ mehr nur auf die Frage an, ob diese Auswirkungen in der Lage sind, eine dogmatische Lücke im Gesetz aufzureißen, die methodisch Beachtung finden muss. Entsprechend kann eine fehlende Haftung der beitretenden Gesell­ schafter für Altlasten im Rahmen der Rechtsscheinhaftung keinen dogmati­ schen Bruch mit der Anfechtungsregelung von § 142 Abs. 1 BGB begründen, da nicht gesetzlich festgelegt ist, dass dem Gesellschaftsgläubiger ein allum­ fassender, unantastbarer Schutz zusteht. Dies zeigt jedoch, dass im Vergleich hierzu der Verlust der Gesamthand und deren bereicherungsrechtliche Folgen im Innenverhältnis das Maß der ertragbaren Einschränkungen des Rechtsver­ kehrs sprengen.73 Anders als bei der konkreten Haftung beitretender Gesell­ schafter ist sonst eine Schutzlosigkeit Dritter durch die Grenzen der Rechts­ fortbildung geschaffen. Dogmatisch soll die Lösung über Rechtsscheingrundsätze aus einer Wer­ tung nach § 142 Abs. 2 BGB begründet werden, obwohl sie sich aber eindeu­ tig von dem anerkannten Schutzinstrument des gutgläubigen Erwerbs, der sich als Vergleich aufdrängt, unterscheidet.74 So wird bei Letzterem nämlich nur die Berechtigung nach § 932 BGB zur Übereignung durch den Rechts­ schein des Besitzes überwunden und nicht eine Rechtsperson und deren Er­ werbsgeschäfte samt Willenserklärungen fingiert, wie es bei der Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags notwendig wäre. Zwar lässt sich, insbesondere i. S. d. § 15 Abs. 2 HGB bei den Handelsgesellschaften, eine Ausweitung der Rechtsscheinhaftung auf die Handlungen im Außenverhältnis erzeugen, aller­ dings eben nicht eine vollkommene Fiktion der Gesellschaft, die den Gesell­ 71  Schäfer,

in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 705 Rn. 353. „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421 (435) m. w. Nw. 73  Noch strenger Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 927, der aber eine Rechtsscheinhaftung im Außenverhältnis befürwortet. 74  Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 927. 72  Schmidt,

322

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

schaftsgläubigern und ihren Haftungsinteressen ausreichend entsprechen kann.75 Daher ist neben der fehlenden Rechtssicherheit mangels abstrakter und differenzierbarer Tatbestandsmerkmale auch in der Fiktionsweite des Rechtsscheins die dogmatische Schwäche dieser Lösungsvariante verborgen.

III. Ausweitung des außerordentlichen Kündigungsrechts auf Anfechtungsgründe Die Übernahme der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB in die allgemei­ nen (§ 314 BGB) oder jeweils speziell vorhandenen außerordentlichen Kün­ digungsvorschriften von Dauerschuldverhältnissen widerspricht entscheidend der Systematik und Teleologie der Beendigungsinstrumente des BGB.76 Die Kündigung und die Anfechtung regeln unterschiedliche Tatbestände und erfüllen eine andere Schutzrichtung, weshalb ein Zusammenführen unter eine Vorschrift und – wie hier gewollt – unter die ex nunc-Rechtsfolge der Kün­ digung nicht möglich ist.77 Die Anfechtung entspringt dabei dem System zur Behandlung von Willensmängeln des Erklärenden, wohingegen die Kün­ digung sich auf eine Leistungsstörung im Vertragsverhältnis richtet.78 So ist bei Anfechtung der Vertrag von der anfechtenden Partei von Anfang an nicht gewollt gewesen, was die Rechtsfolge der Kündigung nicht berücksichtigt.79 Die Ersetzung der Anfechtung durch die Kündigung würde daher zu einer Kontrahierungsverpflichtung des Erklärenden führen.80 In diesem Sinne kann ein erbrachter Leistungswert, der sich von der ei­ gentlich gewollten Gegenleistung unterscheidet, bei Kündigung zu Lasten des Anfechtenden für die Vergangenheit nicht erfasst werden.81 Weiter ist es Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 928. in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB, 2003, §§ 142–144 Rn. 15; Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S.  223; a. A. Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S.  440 ff.; differenzierend Gschnitzer, Die Kündigung nach deutschem und österrei­ chischem Recht, in: Jherings Jahrbücher für Dogmatik des bürgerlichen Rechts, 76 Bd. 1926, 317 (410, 415); vgl. Kapitel 1 C. 77  BGH, Urteil vom 6. August 2008 – XII ZR 67/06, NJW 2009, 1266 (1268); Fischer, Anfechtung von Willenserklärungen im Mietrecht, NZM 2005, 567 (570); vgl. Kapitel 1 C. I. 78  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 659; Oet­ker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 441. 79  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 21, 23. 80  Picker, Die Anfechtung von Arbeitsverträgen, ZfA 1981, 1 (64); Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 659. 81  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 24 f. 75  A. A.

76  Schermaier,



C. Alternativ diskutierte Lösungsmöglichkeiten323

bei der Anfechtung unhinderlich, wenn der Irrtum selbst verschuldet war.82 Auch sind die Gründe der Anfechtung selbstständig ausgestaltet und wesent­ lich weiter als die Kündigungsgründe, was einem Aufgehen der Anfechtung in den Kündigungsvorschriften schon grundsätzlich widerspricht.83 So ist die Anfechtung doch näher am Rücktritt als an der Kündigung.84 Die An­ fechtungsgründe in die außerordentliche Kündigung zu übertragen, wäre da­ her rein rechtsfolgenorientiert und nur bei einer Begründung der ex nuncRechtsfolge der Anfechtung und einer umfassenden Reform der beiden Rechtsinstrumente denkbar.85 Einen Zustand dringender Reformbedürftigkeit gibt die Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB aber nicht wieder und kann diese allein auch nicht in Gang setzen. Vielmehr würde nur die Einzelfallgerechtigtkeit darunter leiden, dass eine Wahl zwi­ schen Anfechtung und Kündigung nicht mehr möglich ist.86 Dogmatisch überzeugt die Ausweitung des außerordentlichen Kündigungsrechts somit nicht.87

IV. Anpassung/Umdeutung des Vertrags (§ 140 BGB) Ein Ausschluss der Anfechtung ist immer dann anzunehmen, wenn bei ei­ nem Anfechtungsrecht einer Partei, die andere Partei sich darauf einlässt, den Vertrag zu den Bedingungen gelten zu lassen, die der Anfechtungsberechtigte bei Vertragsschluss akzeptiert hätte.88 Entgegen der Anfechtung ist dann eine Anpassung des Vertrags denkbar, während die Anfechtung gemäß § 242 BGB treuwidrig versperrt ist.89 Dabei handelt es sich jedoch um keine Lö­ 82  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 24. 83  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 23. 84  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 23. 85  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 24; so aber Freiberger, Die Nichtigkeit, die Anfechtbarkeit und der Rücktritt bei Dauerschuldverhältnissen, 1948, S. 93. 86  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 26. 87  A. A. Oetker, Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994, S. 442 ff., der eine Kündigung auch bei Entstehungstatbeständen von Dauerschuldver­ hältnissen zulassen will. 88  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 38; Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 229. 89  Roth, in: Staudinger BGB, Neubear. 2015, § 142 Rn. 38; Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 229; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 119 Rn. 152.

324

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

sung, die sich allgemein alternativ zur Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB bei der Anfechtung von Personengesellschaften durchsetzen kann. Nicht immer, insbesondere mit Blick auf § 123 BGB, lässt sich eine solche Anpassung des Vertrags zur Hilfe heranziehen. Gleiches gilt für die Möglich­ keit, einen nichtigen Vertrag durch Umdeutung nach § 140 BGB an die Er­ fordernisse eines von den Parteien gewollten Rechtsgeschäfts anzuglei­ chen.90 Auch müsste der für die Rechtsfortbildung entscheidende Drittschutz von der Umdeutungsmöglichkeit der Parteien berücksichtigt werden. Denn grund­ sätzlich sind es nur die Parteien des Gesellschaftvertrags selbst, die eine Umdeutung in den Händen halten bzw. von deren Willen der genaue Ver­ tragsinhalt abhängen soll. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit müssten je­ doch vom Schutz des Rechtsverkehrs abhängig gemacht werden. Dies wäre abstrakt und unabhängig von der konkreten Konstellation im Personengesell­ schaftsrecht für den Lösungsvorschlag der Anpassung und Umdeutung von Verträgen Pflicht. Da sich für die Inhaltsbestimmung allerdings keine genau­ eren dogmatischen Anhaltspunkte finden lassen, würde sich im Ergebnis eine angeleitete Fiktion des Gesellschaftsvertrags nach richterlicher Einzelvorgabe ergeben. Der Rechtssicherheit wäre dadurch nicht gedient und der Vertrags­ inhalt würde sich mitunter zu weit von dem Willen der Parteien des Gesell­ schaftsvertrags entfernen.

V. Anfechtungsgründe als Unterscheidungsmerkmal Eine Unterscheidung der Anfechtungsrechtsfolge von Dauerschuldverhält­ nissen anhand der jeweils einschlägigen Anfechtungsgründe gemäß § 119 ff. BGB zu treffen, ist in Anbetracht der Beweggründe einer Rechtsfortbildung bei Anfechtung von Personengesellschaftsverträgen und der aktuellen Geset­ zeslage nicht sinnvoll.91 Zwar verbietet sich aufgrund der Ordnungsfunk­ tion des § 123 BGB in diesem Fall eine Beschränkung der Rechtsfolge, aller­ dings sind die Anfechtungsrechte schon rein systematisch von der Rechts­ folgennorm des § 142 Abs. 1 BGB zu unterscheiden und können in sich nicht Anknüpfungspunkt und dogmatische Begründung für eine Rechtsfolgenbe­ schränkung sein.92 Eine Rechtsfortbildung durch Umformulierung der An­ 90  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 140 Rn. 6; kritisch Busche, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 140 Rn. 14; vgl. auch Kapitel 5 IV. 2. 91  Zum Grundsatz, dass die Anfechtungsgründe nach Zweckrichtung von einan­ der zu unterscheiden sind und einer Lösung bei § 119 Abs. 2 BGB vgl. Löhnig, Irrtum über Eigenschaften des Vertragspartners, 2002, S. 222, 228 f. 92  Zur Ordnungsfunktion des § 123 BGB vgl. Kapitel 5 B. III. 4. c); zur Syste­ matik des Anfechtungsrechts siehe Kapitel 1 A. I.



D. Übertragbarkeit auf allgemeine Nichtigkeitsvorschriften325

fechtungsfolgen orientiert am Verschulden des Erklärenden oder der Mit­ ursächlichkeit des Erklärungsempfängers lässt sich dogmatisch nicht tragen und widerspricht auch der Einschätzung des – in Ausnahme der besonderen Stellung des § 123 BGB – vorrangigen Gläubigerschutzes.93 Unabhängig von der Ordnungsfunktion des § 123 BGB ist die Frage des Anfechtungs­ grundes und der Schuldverteilung unter den Parteien des angefochtenen Vertrags nämlich ohne Bedeutung. Die Rechtsfortbildung schützt in eindeuti­ ger Abwägung mit den Interessen der Vertragsparteien das Bestandsinteresse der Gläubiger.

VI. Zusammenfassung: Alternative Lösungen Alternative Lösungen zur Rechtsfolgenbeschränkung des § 142 Abs. 1 BGB im Wege einer teleologischen Reduktion bieten keinen vergleichbaren Schutz der Vertragspartner der Gesellschaft oder ermangeln bei Erweiterung des Verkehrsschutzes eines dogmatischen Fundaments. Ohne eine Neugestaltung der Gesetzeslage ist dabei eine Vereinheitlichung von Anfechtung und Kündigung nicht möglich. Gleichermaßen bieten scha­ densersatzrechtliche Überlegungen i. S. d. § 122 BGB keine ausreichende Si­ cherheit für den Rechtsverkehr. Allenfalls kann eine Rechtsscheinlösung noch ernsthaft diskutiert werden, die sich jedoch ebenfalls unüberwindbaren dogmatischen Hürden – in Zusammenhang mit der Gesamthand – gegenüber sieht und in Dogmatik und Rechtssicherheit nicht überzeugen kann.

D. Übertragbarkeit auf allgemeine Nichtigkeitsvorschriften Die Ausführungen zur Rechtsfolge der Anfechtung von Dauerschuldver­ hältnissen nach § 142 Abs. 1 BGB können nicht einfach auf gesetzliche Nichtigkeitsvorschriften übertragen werden, da sich die Anfechtung aus § 142 Abs. 1 BGB und die verschiedenen Nichtigkeitsgründe des BGB so­ wohl in ihrer rechtssystematischen Funktionsweise als auch in ihrer teleolo­ gischen Schutzrichtung unterscheiden können.94 Dies lässt sich allein schon anhand der Berücksichtigung möglicher vorrangiger Interessen als Aus­ schlussgrund der Ausnahmelösung zur ex tunc-Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB erkennen.95 93  Singer,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2017, § 119 Rn. 4 f. hierzu auch Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, 50. Edition, 1. Dezember 2018, § 611a Rn. 157; Beitzke, Nich­ tigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 27 f. 95  Vgl. Kapitel 5 B. III. 4. a), b). 94  Vgl.

326

Kap. 5: Lösungsvorschlag zur Anwendung des § 142 Abs. 1 BGB

Die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrags beschreibt dogmatisch eine andere Rechtsfolge als die Erklärung der Anfechtung.96 Die Nichtig­ keit erfasst einen Vertrag von Anfang an, wohingegen die Anfechtung erst später durch Erklärung eine Nichtigkeit mit anfänglicher Wirkung herbeiführt und systemintern eine Schadensersatzvorschrift gemäß § 122 BGB vor­ sieht.97 Lösungen zur Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen gemäß § 142 Abs. 1 BGB können für gesetzliche Nichtigkeitsgründe folglich nicht übernommen werden, ohne bereits diesen rechtstechnischen Unterschied ein­ fach zu übergehen.98 Gleichermaßen verbietet der jeweilige hinter der An­ fechtung bzw. der Nichtigkeit stehende Schutzzweck eine pauschale Übertra­ gung von Untersuchungsergebnissen. Dabei können Nichtigkeitsvorschriften wie § 125 BGB allein einen Formverstoß ahnden und der Warn-, Klarstel­ lungs- bzw. Beweisfunktion dienen, oder aber Normen wie §§ 134, 138 BGB das Verhältnis zwischen Gesetz und privater Rechtsgestaltung regeln bzw. einen Missbrauch der Privatautonomie verhindern.99 Eine notwendige Be­ günstigung des Rechtsverkehrs bietet sich daher bspw. nicht an, wenn die nichtigkeitsfolgernde Vorschrift selbst grundlegende und daher womöglich übertreffende Rechtsgüter der Allgemeinheit zu schützen versucht.100 Ähn­ lich ist umgekehrt aber auch ein pauschaler Erst-recht-Schluss für Nichtig­ keitsgründe, die in einer Abwägung der Rechtsgüter zur Anfechtung unterlie­ gen und mitunter „nur“ die öffentliche Ordnung im Sinn haben, nicht zu wagen, ohne die konkreten Folgen für alle Beteiligten zu bewerten.101 Es ist daher für jeden Nichtigkeitsgrund eines Dauerschuldverhältnisses im Einzel­ fall zu untersuchen, ob sich die Erkenntnisse zur Rechtsfolge der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen übernehmen lassen. Dabei kann eine Prüfung mitunter auf die Ergebnisse zur Schutzbedürftigkeit der hier besprochenen Dauerschuldverhältnissen verweisen, muss jedoch im Folgenden dann um einen Vergleich der Schutzrichtungen und der konkreten dogmatischen Aus­ gestaltung der Rechtsmechanismen besonders ergänzt werden. 96  Richardi/Fischinger,

in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 708. in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 708; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 15; vgl. Kapitel 1 A. I. 1. 4. 98  Richardi/Fischinger, in: Staudinger BGB, Neubear. 2016, § 611 Rn. 709. 99  Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. Novem­ ber 2018, § 125 Rn. 1; Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauer­ rechtsverhältnissen, 1948, S. 27; Wendtland, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition, 1. November 2018, § 138 Rn. 2; Armbrüster, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 134 Rn. 1. 100  Ähnlich die Idee bei Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen, 1948, S. 31; vgl. Kapitel 5 B. III. 4. a), b). 101  Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnis­ sen, 1948, S. 26. 97  Richardi/Fischinger,

Zusammenfassung I. Gesamtergebnis Die Arbeit beweist, dass die Rechtsfolge der Anfechtung von Dauerschuld­ verhältnissen gemäß § 142 Abs.1 BGB nicht einheitlich für alle Dauerschuld­ verhältnisse bestimmt werden kann. (Kapitel 4 A.) Der Grund hierfür ist zum einen, dass die gesetzliche Ausgestaltung zum Anfechtungsrecht im Allge­ meinen Teil des BGB und die Rückabwicklung durch das Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB sehr detailliert und fähig sind. Damit taugt die gesetz­ liche Lösung im Grundsatz. (Kapitel 1 A., D.) Des Weiteren verhindern die einzelnen Dauerschuldverhältnisse eine einheitliche Bewertung, da sich diese, wie hier festgestellt wurde, in für die Anfechtung relevanten Besonder­ heiten unterscheiden. (Kapitel 3 B. I.–IV.) Ein Abweichen von der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB ist demgemäß nur im Einzelfall zu besorgen. Bei den hier untersuchten Dauerschuldverhält­ nissen ist dies nur bei der Anfechtung von Personengesellschaftsverträgen der GbR, OHG und KG begründet. (Kapitel 4 B. II.) Methodisch konsequent muss dabei die Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB auf­ grund einer Regelungslücke des Gesetzgebers im Wege der Rechtsfortbildung auf eine ex nunc-Wirkung beschränkt werden. (Kapitel 2; Kapitel 5 B. I.) Alternative Lösungsmöglichkeiten der Lehre oder Rechtsprechung zur Be­ schränkung der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB können weder einen ausreichenden Schutz bieten, noch dogmatisch überzeugen. (Kapitel 5 C.) Entscheidend ist dabei die im Rahmen dieser Arbeit gewonnene Erkenntnis, dass der Grund für die Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB das drin­ gende Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs ist. (Kapitel 4 B. II. 1. b), 2. c), 3.) Nur durch eine teleologische Reduktion des § 142 Abs. 1 BGB auf eine ex nunc wirkende Nichtigkeit der Anfechtung kann bei den Personengesell­ schaften der Rechtsverkehr ausreichend geschützt werden. (Kapitel 5 B. I., II.) Dies konnte, anders als bei Brox1 in den Grundlagen dargestellt, durch die hier geführten Untersuchungen dogmatisch plausibel begründet und me­ thodisch i. S. d. verfassungsrechtlichen Vorgaben aufgebaut werden. (Kapitel 2) Das Haftungssubjekt der Gesellschaft und dessen Gesamthand müssen zu Gunsten des Rechtsverkehrs erhalten bleiben und führen den dogmatisch 1  Brox,

Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 1960, S. 232.

328 Zusammenfassung

entscheidenden Beweis an, der bisher von der Lehre und Rechtsprechung verkannt wurde. (Kapitel 4 B. II. 1. b), 2.) Bei Arbeitsverträgen gemäß § 611a BGB ist entgegen der h. M. eine sau­ bere Behandlung der Arbeitsleistung und der Schutz des Arbeitnehmers auch bei ex tunc-Wirkung der Anfechtung aufgrund der fein ausgearbeiteten Funk­ tionsweise des Bereicherungsrechts und der sozialrechtlichen Anknüpfung an die tatsächliche Leistung des Arbeitnehmers gewährleistet. (Kapitel 4 B. I., C. II.) Der Mietvertrag kann daneben ein sozial begründetes Bestandsinte­ resse mangels dogmatischen Fundaments gegenüber der Anfechtung nicht begründen. (Kapitel 4 B. III., C. III.) Die Idee einer gleichgewichteten Unter­ suchung des Zeitungsabonnements verdeutlicht hilfreich, dass sich allein aufgrund der Dauer einer Leistungsbeziehung keine Beschränkung des § 142 Abs. 1 BGB aufzwingt. (Kapitel 3 B. IV.; Kapitel 4 B. IV.) Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht ist bei der ex tunc-Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB bei allen hier untersuchten Dauerschuldverhältnissen nicht zu besorgen. (Kapitel 4 D.) Da sich eine Rechtsfortbildung bei den hier untersuchten Verhältnissen somit nur beim Personengesellschaftsvertrag ergibt, kann im Ergebnis durch die gesellschaftsrechtliche Besonderheit des losgelösten Haftungssubjekts als „Status“ des Vertrags auch erstmals eine wirkliche Parallele zu den Status­ verhältnissen der Ehe gemäß § 1353 BGB und der Adoption nach §§ 1741 ff. BGB gezogen werden. (Kapitel 4 B. II. 4.) In der Diskussion um die Rechts­ folgenbeschränkung bei Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen ist daher ein neues Indiz für eine teleologische Reduktion des § 142 Abs. 1 BGB auf eine ex nunc-Rechtsfolge gefunden: Die Anfechtung eines statusbezogenen Dauerschuldverhältnisses. (Kapitel 5 B. III. 1. d))

II. Einzelne Kapitel  Das Anfechtungsrecht gemäß § 142 Abs. 1 BGB schützt im Spannungsver­ hältnis zwischen den Interessen des Anfechtungsempfängers am Bestand der objektiven Willenserklärung und den Interessen des Erklärenden die Privat­ autonomie des Erklärenden. Der Gesetzgeber nimmt aufgrund des Span­ nungsverhältnisses keine schwarz-oder-weiß-Entscheidung vor, sondern setzt der Anfechtungsmöglichkeit des Erklärenden wohlüberlegte Grenzen. (Einleitung I.; Kapitel 1 A. 3., B. II., III.) Prämisse ist dabei aber, dass die voll­ ständige Lösungsmöglichkeit von tatsächlich geschaffenen Rechtstatsachen zugunsten der Privatautonomie besteht. (Kapitel 1 C. III., B. I. 1.; Kapitel 2 B. I. 1.) An dieser hohen Hürde sind die Interessenskonstellationen im Rah­ men der Dauerschuldverhältnisse zu messen und die Bedeutung der ex tuncRechtsfolge einzuordnen. Hinzu kommt, dass auch das Anfechtungsrecht

Zusammenfassung329

selbst die Berücksichtigung der Interessen des Rechtsverkehrs durch § 122 BGB, die Fristvorschriften und die Anfechtungsgründe behandelt. (Kapitel 1 A. II. 4., III., B. II.) Allein mit Blick auf die Anfechtungsregelung in § 142 Abs. 1 BGB beweisen die Untersuchungen daher, dass eine kurz entschlos­ sene, rechtspolitisch motivierte Wertungsentscheidung bezüglich der Anfech­ tung von Dauerschuldverhältnissen ausgeschlossen ist. (Kapitel 2 B. III.) Es ergibt sich bei der Anfechtung einer Willenserklärung vielmehr ein dogmati­ scher Lösungweg des Gesetzes, der auf seine Vereinbarkeit mit den Dauer­ schuldverhältnissen rechtstechnisch überprüft werden muss. Dafür spricht ebenso, dass die in dieser Arbeit entwickelte Zusammenschau der Beendi­ gungsinstrumente des BGB eine Unterscheidung zwischen punktuellem Schuldverhältnis und Dauerschuldverhältnis nicht betont. (Kapitel 1 C.) Dies gilt so auch für die Rechtsfolge. Die Kündigung ist eben gerade nicht die Übertragung der Anfechtung auf die Dauerschuldverhältnisse. (Kapitel 1 C. I.) Und auch im Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB lässt sich eine solche Unterscheidung nicht finden. Vielmehr beweist die hier vorgenommene aus­ führliche Analyse, dass die Regelungen des Bereicherungsrechts (mit Blick auf die Erfassung der Leistungsgegenstände, deren Bewertungsmöglichkeit und die Möglichkeit eines Ausgleichs der Rückabwicklungsnachteile zwi­ schen den Parteien) ein systematisch und dogmatisch nachvollziehbares Bild aufzeigen, das die grundsätzliche Fähigkeit inne hat, mit gegenseitigen Dau­ erschuldverhältnissen umgehen zu können. (Kapitel 1 D.) Die Diskussion der Motive zum BGB zeigt, dass der Gesetzgeber bei der Rechtsfolge der ex tunc-Nichtigkeit gemäß § 142 Abs. 1 BGB eine Rechts­ fortbildung in besonderen Fällen nicht ausgeschlossen hat. (Kapitel 2 B. III. 1. a)) Die Grenzen der Rechtsfortbildung sind somit auch bei einer Beschrän­ kung der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB gewahrt. (Kapitel 2 B. II. 2., 3.) Vielmehr sind die Gerichte aufgrund der Verfassung allgemein verpflichtet, bei einem Mangel der gesetzlichen Regelungen in Zusammenhang mit der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen, den eigentlichen Willen des Ge­ setzgebers durchzusetzen. (Kapitel 2 B. II. 1.) Eine Lücke der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB ergibt sich in abstrakter Untersuchung der Vereinbar­ keit zwischen Anfechtung und Dauerschuldverhältnis aber nicht, da die Rückabwicklung durch das Bereicherungsrecht und der gesetzliche Vertrau­ ensschutz des Rechtsverkehrs in § 122 BGB sowie die Grenzen der Anfech­ tungsrechte auch für Dauerschuldverhältnisse eingreifen. (Kapitel 2 B. III. 1. b)) Eine Regelungslücke des § 142 Abs. 1 BGB wird daher allenfalls in Kombination der Anfechtung mit den Besonderheiten einzelner Dauerschuld­ verhältnisse begründet. (Kapitel 2 B. IV.) Die Dauer der vertraglichen Beziehung als Abgrenzungskriterium zu den punktuellen Schuldverhältnissen und als allgemeine Charaktereigenschaft der Dauerschuldverhältnisse kann die vertragliche Besonderheit, die eine Rechts­

330 Zusammenfassung

fortbildung des § 142 Abs. 1 BGB erzwingt, nur in seiner Entstehung mit bedingen, ohne für sich die Frage der Anwendbarkeit der ex tunc-Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB zu beantworten. (Kapitel 3 A.) Die Besonderheiten des Arbeitsvertrags gemäß § 611a BGB sind die Arbeitsleistung im Aus­ tauschverhältnis und die gesetzlichen Schutzrechte bzw. die soziale Absiche­ rung des Arbeitnehmers durch den Staat und die Krankenkassen. (Kapitel 3 B. I. 1., 3.) Das Gesellschaftsverhältnis weist dagegen eine komplexe Struk­ tur durch Innen- und Außenverhältnis – dabei insbesondere durch die Be­ gründung einer Gesamthand gemäß §§ 718 f. BGB und die starke Involvie­ rung Dritter – auf. (Kapitel 3 B. II. 1., 4.) Durch den Gesellschaftsvertrag ergibt sich im Unterschied zu den anderen Dauerschuldverhältnissen mithin ein neues rechtsfähiges Subjekt im Rechtsverkehr. (Kapitel 3 B. II. 1., 2.) Der Mietvertrag gemäß § 535 BGB trägt eine persönliche Qualität durch die Stellung des Mieters in sich und ist auch vom Gesetzgeber im Wohnraum­ mietrecht gemäß §§ 549 ff. BGB sozial ausformuliert worden. (Kapitel 3 B. III. 1., 2.) Die Ausführungen zum Zeitungsabonnement als Sukzessivliefe­ rungsvertrag relativieren das Spezifikum Dauerschuldverhältnis und veran­ schaulichen, dass eine strikte Unterscheidung bei der Anwendbarkeit von Rechtsinstrumenten des BGB im Vergleich zu den punktuellen Schuldver­ hältnissen nicht geboten ist. (Kapitel 3 B. IV. 1.) Die h. M. wendet die ex tunc-Rechtsfolge gemäß § 142 Abs. 1 BGB nur bei Anfechtung eines Mietvertrags oder dem Zeitungsabonnement an. (Kapitel 3 B. III. 5., IV. 4.) Im Falle der Anfechtung einer Personengesellschaft und auch eines Arbeitsvertrags sei die Rechtsfolge der Anfechtung auf eine ex nunc-Wirkung zu beschränken. (Kapitel 3 B. I. 4., II. 5.) Die dogmatische Begründung hierzu deckt sich allerdings nicht mit der gesetzgeberischen Entscheidung zur Beschränkung der Anfechtung bei Ehe und Adoption. Eine parallele Behandlung ist nach der Herangehensweise der h. M. nicht schlüs­ sig begründet. (Kapitel 3 C.) Die Vereinbarkeit der Rechtsfolge nach § 142 Abs. 1 BGB mit den Dauer­ schuldverhältnissen konzentriert sich einerseits auf die Frage der technischen Rückabwicklungsmöglichkeit der Verträge, andererseits darauf, ob die ge­ setzlichen Schutzrechte der Parteien und die Interessen des Rechtsverkehrs ausreichend gewahrt sind. (Kapitel 4 A.) Die technische Rückabwicklung ist dabei bei allen hier untersuchten Dauerschuldverhältnissen im Grundsatz möglich. Beim Arbeitsvertrag gemäß § 611a BGB zeigt die hier vorgenom­ mene dogmatische Analyse, dass die Arbeitsleistung als Bereitstellung der Arbeitskraft und Bindung an den Arbeitgeber schlüssig im Rahmen des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erfasst werden kann. (Kapitel 4 B. I. 1. b)) Die Wertberechnung erfolgt dann nach üblicher Höhe der Arbeitsleistung und auf der Basis von gesetzlichen Grundsätzen gemäß §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB. (Kapitel 4 B. I. 1. c)) Die Entreicherung ist auf alle Dauerschuldver­

Zusammenfassung331

hältnisse durch ihre Ausgestaltung auf synallagmatische Leistungsbeziehun­ gen auch im Detail präzise anwendbar. (Kapitel 1 D. III.; Kapitel 4 B. I. 1. c)) Soziale Bedenken können im Arbeitsrecht, wie auch bei der Anfechtung von Mietverträgen, durch die Rückabwicklung behandelt und auch bei ex tunc-Beseitigung entkräftet werden. (Kapitel 4 C.) Ähnlich verhält es sich mit den hier weitergedachten und eingehend geprüften grundrechtlichen Überlegungen wie bspw. einer möglichen Verletzung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mieters nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. (Kapitel 4 D.) Im Gesellschaftsrecht ist als Ergebnis einer neu angestrebten ausführlichen dogmatischen und methodischen Analyse allerdings anders zu entscheiden. Mit Verweis auf die hier im Rahmen dieser Arbeit gewonnene verfassungs­ treue, fundierte Begründung ist, in Abwägung mit den Schutzinteressen des Rechtsverkehrs bei der Anfechtung von Personengesellschaftsverträgen der GbR, OHG und KG, eine Beseitigung des Gesellschaftsvertrags für die Ver­ gangenheit abzulehnen. (Kapitel 4 B. II. 1.–3.) Anders ist dies nur bei der stillen Gesellschaft zu entscheiden, da keine Interessen Dritter betroffen sind. (Kapitel 5 B. III. 1. b)) Bei der Anfechtung einer GbR, OHG und KG ist bei einer ex tunc Beseitigung der Gesellschaft gemäß § 142 Abs. 1 BGB der Rechtsverkehr ansonsten auf die verstrickte Solvenz der einzelnen Gesell­ schafter angewiesen. Eine synallagmatische Rückabwicklung der erbrachten Leistungen nach Bereicherungsrecht ist nicht möglich und die Sicherheit des Gesellschaftsvermögens für Dritte verloren. (Kapitel 4 B. II. 1.) Dabei han­ delt es sich um eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung des Rechtsver­ kehrs, die allein eine Rechtsfortbildung des § 142 Abs. 1 BGB erzwingt. Diese Begründung unterscheidet sich entscheidend von den bisher in Recht­ sprechung und Lehre geführten Argumentationen und ist dogmatisch sowie methodisch schlüssig geführt. (Kapitel 4 B. II. 2.) Im Grundsatz greift bei der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB und damit die ex tunc-Nichtigkeit ein. (Kapitel 5 A.) Eine Ausnahme findet sich bei den hier untersuchten Dauer­ schuldverhältnissen nur bei der Anfechtung von Personengesellschaften der GbR, der OHG und der KG. In diesen Fällen entsteht aufgrund der Haftungs­ unsicherheit des Rechtsverkehrs durch den Wegfall der Gesellschaft und de­ ren Gesamthand eine Gesetzeslücke, die durch teleologische Reduktion zu schließen ist. (Kapitel 5 B. I. 1., 2.) Die Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB ist dann auf eine ex nunc-Wirkung zu beschränken und die Abwicklung der Gesamthand im Innenverhältnis über die Bruchteilsgemeinschaft und im Außenverhältnis über akzessorische Ansprüche nach § 128 HGB (analog) zu lösen. (Kapitel 5 B. I. 3., IV.) Nur so ist gesetzesnah entschieden. Abstrakt kann daraus geschlossen werden, dass im Falle eines besonderen Haftungs­ interesses des Rechtsverkehrs, eines haftungsrelevanten Vollzugs und einer

332 Zusammenfassung

Gefährdung der Interessen Dritter eine teleologische Reduktion des § 142 Abs. 1 BGB vorzunehmen ist, solange keine vorrangigen Interessen entgegen stehen. (Kapitel 5 B. III.) Diese neue Herangehensweise in der Art eines Prüfungsschemas muss bei der Frage der Anfechtung von Dauerschuldver­ hältnissen zur rechtssicheren Orientierung Verwendung finden. Typischer­ weise ist dabei ein besonderes Haftungsinteresse des Rechtsverkehrs bei statusbezogenen Dauerschuldverhältnissen anzunehmen. (Kapitel 5 B. III. 1. d)) Dieses Ergebnis ist durch einen hier entworfenen Vergleich der Personen­ gesellschaft mit den Statusverhältnissen der Ehe und Adoption gewonnen. (Kapitel 4 B. II. 4.) Alternative Lösungsmöglichkeiten sind im Vergleich zur teleologischen Reduktion des § 142 Abs. 1 BGB nicht denkbar. Eine schadensersatzrecht­ liche Korrektur gemäß § 122 BGB greift ebenso wie eine Rechtsscheinhaf­ tung in ihrem Schutz zu kurz. Die Ausweitung des Kündigungsrechts auf die Anfechtungsgründe der §§ 119 ff. BGB und die Anpassung der Verträge durch die Parteien bzw. durch Gericht sind dogmatisch nicht überzeugend. (Kapitel 5 C.)

III. Ausblick Die Anfechtung der Dauerschuldverhältnisse lässt sich im Grundsatz durch die gesetzgeberische Vorgabe des § 142 Abs. 1 BGB beherrschen und kann auch in Ausnahmefällen, wie der Anfechtung von Personengesellschaften, durch eine teleologische Reduktion der Rechtsfolge im Wege des hier vorge­ stellten Prüfungsaufbaus dogmatisch und methodisch nachvollziehbar behan­ delt werden. Ein Tätigwerden des Gesetzgebers zur Neuregelung der Rechts­ folge der Anfechtung von Dauerschuldverhältnissen ist daher nicht zwingend geboten. Um die genaue dogmatische und methodische Herleitung der Rechtsfortbildung bei der Anfechtung von Personengesellschaften und die Abwicklung der Gesellschaft klarzustellen, empfiehlt sich aber dennoch eine gesetzliche Ausnahmeregelung als möglicher § 142 Abs. 3 BGB bzw. eine Spezialregelung in den §§ 705 ff. BGB (i. V. m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 3 HGB) für die Personengesellschaften. Diese würde auch den Grundsatz der Anfechtung von Arbeitsverträgen gemäß § 611a BGB mit ex tunc-Rechts­ folge gemäß § 142 Abs. 1 BGB verdeutlichen – insbesondere da die h. M. in Literatur und Rechtsprechung hier anders verfahren will.

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Stichwortverzeichnis Abfindung  191, 206, 218, 258 Ablehnungsverfahren 59 Abzugsfähige Vermögensnachteile  105 Aktiengesellschaft  202, 208 ff. Analogie  124, 145, 151 ff., 318 Anfechtungsausschluss  46 f., 52, 54 ff., 62 ff., 273, 284, 291, 323 Anfechtungserklärung  46, 49 f., 71 f., 318 Anfechtungsfrist  40 ff., 60 f., 71, 199, 313 Anfechtungsgegenstand  31 ff., 74, 175 f. Anfechtungsgegner  40 f., 60 ff., 84 ff., 201 Anfechtungsgesetz  75 f. Anfechtungsgrund  30, 63 ff., 324 f. Annahme als Kind  25, 31, 165, 175, 242 Arbeitnehmerhaftung  288 f. Arbeitnehmerschutz  251, 255, 257 f., 282 f. Arbeitskraft  168, 179, 249 ff., 257, 260, 280 Arbeitsvertrag  178 ff., 193, 198, 248 ff., 278 ff., 295 Aufgedrängte Bereicherung  116 f. Aufhebung der Annahme als Kind  82 f. Aufhebung der Ehe  80 ff. Auftraggeber  198, 259 f. Auseinandersetzung der Gesell­ schaft  213, 217, 266, 314 ff. Auslegung  44, 130 ff., 162 f. Auslegungsgrenze  132, 135, 145, 150, 164 f., 302 Auslegungskriterien  131, 136 ff., 143 f., 150, 295 Ausnahmelösung  301 ff., 304 ff., 313

Außengesellschaft  204, 262 f., 302 f. Berechnung des Wertersatzes 96 ff., 249 ff. Bereicherungsanspruch  94 f., 285 f. Berufsfreiheit  192, 289, 295 ff. Beschaffenheitsvereinbarung  53 f., 65, 96 Beschäftigungsanspruch  182 f. Besitz  98 f., 232, 274 f. Bestandsschutzinteresse des Mie­ ters  229 f. Bestätigung  42, 62, 93 f. Betriebliche Altersvorsorge  189 ff. Beweislast  103, 168, 251, 253 f., 319 f. Billigkeitsrecht  92, 109 Bruchteilsgemeinschaft  315, 317 f. Contra legem  142, 154 ff., 170 f., 196, 302 Culpa in contrahendo  40 ff., 48 ff., 85 f., 281 Dauer der Leistungsbeziehung  237 f., 306 f. Dauerschuldverhältnis  172 ff., 237 f., 306 f. Direktionsrecht 179 Dissens  45 f. Doppelnatur des Gesellschaftsver­ trags  202, 266 f., 269 Doppelvertrag 225 Doppelwirkung im Recht  36 f. Dreiecksbeziehungen  127 f., 259 f. Drohung  23 f., 41 ff., 69 f., 311 f. Eheaufhebung  80 ff., 241

Stichwortverzeichnis349 Eheliche Lebensgemeinschaft  240 f. Eigenschaftsirrtum  57, 66 f. Eigentumsfreiheit  298 f. Entreicherung  102 ff., 109 ff., 252 f. Erbschaft  71, 74 f., 160, 177 Erbvertrag 72 Erklärungsirrtum  45, 64 f. Ersatzvorteile  104 f., 109 Existenzminimum 297 Ex nunc  80 ff., 199 f., 313 ff. Extra legem  154 f., 156 f. Ex tunc  24, 78 ff. Faktisches Arbeitsverhältnis  201 Falsus procurator  24, 39, 262 Fehlerhafte Gesellschaft  219 ff., 265 ff. Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis  200 f., 255 ff. Freiwillige Gerichtsbarkeit  38 Gefahrübergang 54 Gegenleistungskondiktion  120, 124 Geltungsbereich  30 f., 44, 74 Genossenschaft  211, 219 Gesamthand  203 ff., 220, 260 f., 263 ff., 268 f., 271, 315 ff. Gesamtsozialversicherungsbeitrag  188 f., 248 f. Geschäftsähnliche Handlungen  33 f. Geschäftsbeziehungen  212, 270 f. Gesellschaft bürgerlichen Rechts  202 ff., 212 f., 216, 302 Gesellschaft mit beschränkter Haf­ tung  210 f., 219 Gesellschaftsvertrag  202 ff., 224 f., 260 ff., 302 ff. Gesetzeslücke  149 ff., 164 ff., 302 f. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbil­ dung  154 ff., 170 f. Gestaltungsklage 217 Gewinn  84, 97, 100 ff., 205, 208, 222, 251, 261, 309 Gewohnheitsrecht  157 f.

Gratifikationen  191 f. Grundsatzlösung  300 f. Haftungsbeschränkung  54, 206, 268 ff. Haftungsinteressen  269 ff., 309 Haftungsrelevanter Vollzug  308 Haftungssubjekt  259, 263, 268 f., 271, 302, 304 Hauptleistungspflichten  173, 179, 248 Indizien der Ausnahmelösung  305 ff. Inhaltsirrtum  65, 314 Innengesellschaft  204, 260 ff. Insolvenzgeld  185, 279 Insolvenzschutz  184 f., 279 f. Inter omnes-Wirkung  38 f., 78 Irrtum über die Vergleichsgrundlage  58 Kollektivarbeitsrecht  254 f., 307 f. Kommanditgesellschaft  207, 216 f. Kommanditgesellschaft auf Aktien  210, 218 f. Konkurrenzverhältnisse der Anfech­ tung  44 ff. Krankenkasse  197, 258 f., 283, 286 f., 307 Kündigung  46, 88 ff., 322 f. Kündigungsschutz  183 f., 284 Lehre von der Beschränkung der Nichtigkeitsfolgen 220 Leistungsbestimmung  30, 78 Leistungsbeziehungen  173 ff., 205 f., 258 ff. Leistungsketten 127 Leistungsverweigerungsrechte  41 ff. Letztwillige Verfügung  71 f. Liquidationsgesellschaft  315 f. Lohnfortzahlung  252, 281 ff. Lückenfüllung de lege ferenda  148, 154 ff. Lückenfüllung de lege lata  148 ff. Luxusausgaben 115

350 Stichwortverzeichnis Mängelgewährleistungsrecht  53 ff., 123 Methodenlehre  130 ff., 163, 267, 302 ff. Mieterschutz  228 f., 291 f., 298 Mietvertrag  226 ff., 273 f., 291 ff., 298 f. Minderjährigenschutz  167, 201, 311 Motive des Gesetzgebers  159 ff., 193 ff., 212 ff., 230 f., 235 f. Motivirrtum  51 f., 66, 69, 72 Mutterschutz  187 f., 283 f. Nebenpflichten  173, 180 f., 183, 186, 214, 277 Nichtigkeit  36 f., 39 ff., 78 ff., 218 f. Nichtigkeitsvorschriften  39, 78, 325 ff. Nutzungen  88, 94 ff., 108, 111, 126, 250, 274 f. Offene Handelsgesellschaft  206 f., 216 f., 270, 301 f., 305 f. Offene Lücke  151 Person des Gesetzgebers  132 f. Personengesellschaft  202 ff., 260 ff., 305 Personenrechtliche Beziehung  174 Personenrechtliches Gemeinschaftsver­ hältnis  289 ff. Persönliche Haftung  315 f. Persönlichkeitsrecht  180, 298 Pfändungsschutz  279 f. Pflichtteil  72 f. Privatautonomie  40 ff., 69 f., 166, 227, 272, 295 f. 303 Punktuelles Schuldverhältnis  26, 91, 174 ff., 234, 306 Rangfolge der Auslegungskrite­ rien  143 f. Rechtsfortbildung  144 ff., 301 ff. Rechtsfortbildung bei Gesetzes­ lücken  149 ff. Rechtsscheinhaftung  263 f., 272, 320 ff. Rechtsverkehr  269 ff., 304 ff. Rückabwicklung  92 ff., 166 ff., 245 f., 247 ff.

Rücktritt Sachmangel  53 f. Saldotheorie  103, 121 ff., 285 Sozialbeziehungen des Mieters  291 f. Soziales Mietrecht  228 f. Sozialversicherungsrechte  251, 284 Sperrwirkung des konkreten Normenkon­ trollverfahrens  156, 169 Statusverhältnis  239 ff., 272 f., 307 f. Steuerzahlungen  115 f., 249, 259, 287 f. Stille Gesellschaft 207 f., 217 f. Subjektive Teilnichtigkeit  226 Subsidiaritätsprinzip 127 Sukzessivlieferungsvertrag  173, 233 ff., 241, 275 f. Täuschung  43, 48 ff., 68 f., 201, 281, 311 Teilanfechtung 38 Teillieferungsvertrag  28, 234 Teilnichtigkeit  60, 309 Teleologische Extension  152 Teleologische Reduktion  152 f. Typologie der Dauerschuldverhältnis­ se  277 ff., 300 Übermittlungsirrtum  67 f. Übertragbarkeit des Anfechtungs­ rechts 77 Umdeutung  33, 199 f., 314, 323 f. Umkehrschluss  58, 153, 213, 301, 306 Unmöglichkeit der Herausgabe  96, 230 Unsicherheitseinrede 57 Urlaubsentgelt  185 f., 280 ff. Vaterschaftsanfechtung  73 f. Verbandrechtliches Prinzip  266 f., 269 Verdeckte Lücke  152 Verfassungsverstoß  142 f., 147 f., 295 ff. Verkehrswesentlichkeit  66 f., 201 Verlängerter Eigengebrauch  231 Verlöbnis  47 f. Vermieterpfandrecht  292 ff.

Stichwortverzeichnis351 Verschärfte Haftung  107, 116, 125 ff. Versicherungsrecht 58 Vertragsstörung  88 f., 257 Vertrauensschadensersatz  68 f., 83 ff., 112, 117 f., 163 Verwaltungsakte  35 f. Wegfall der Geschäftsgrundlage  87, 90 ff.

Wertersatz  96 ff., 109, 116, 251, 253, 275, 280 Willensdogma  23, 33 163, 165 Willenserklärung  31 ff., 78 f. Zeitungsabonnement  173, 233 ff., 275 Zwangsversteigerung  35, 55 Zweikondiktionenlehre  119 ff., 124, 129, 252 f.