Die Entwicklung des französischen Rechts der Koalitionen [Reprint 2017 ed.] 9783111531250, 9783110039276

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Die Entwicklung des französischen Rechts der Koalitionen [Reprint 2017 ed.]
 9783111531250, 9783110039276

Table of contents :
Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis
Vorwort
Teil 1. Die Periode Des Absoluten Koalitionsverbots
KAPITEL 1. Das Ancien Régime
KAPITEL 2. Die Lage Der Koalitionen Nach Der Revolution Von 1789 (1. Republik)
KAPITEL 3. Die Koalitionen Während Des Konsulats Und Des 1. Kaiserreichs
KAPITEL 4. Die Restauration Und Juli-Monarchie — Das Gesetz Vom 10. Bis 11. April 1834 —
Teil 2. Die Anfänge Der Gesetzlichen Anerkennung Der Koalitionen
KAPITEL 1. Die 2. Republik
KAPITEL 2. Das 2. Kaiserreich
Teil 3. Die Endgültige Gesetzliche Anerkennung Der Koalitionen Während Der 3. Republik
KAPITEL 1. Das Gesetz Vom 21. März 1884
KAPITEL 2. Die Gesetzesvorschläge Zur Sicherung Der Koalitionsfreiheit
KAPITEL 3. Das Gesetz Vom 12. März 1920
KAPITEL 4. Der Schutz Der Koalitionsfreiheit Durch Die Rechtsprechung
Teil 4. Die Krise Des Französischen Koalitionsrechts Unter Der Vichy-Regierung
KAPITEL 1. Die Arbeitscharta Vom 4. Oktober 1941 (Charte Du Travail)
KAPITEL 2. Das Scheitern Der Arbeitscharta Und Ihre Aufhebung
Teil 5. Die Entwicklung Des Französischen Rechts Der Koalitionen Während Der 4. Und 5. Republik
KAPITEL 1. Die Anerkennung Des Prinzips Der Koalitionsfreiheit Durch Die Verfassung Und Sein Zusätzlicher Schutz Durch Einfaches Gesetz
KAPITEL 2. Das Neue Verhältnis Von Staat Und Koalitionen Und Seine Auswirkungen Auf Das Koalitionsrecht
KAPITEL 3. Das Gesetz Vom 27. Dezember 1968 Über Die Rechte Der Gewerkschaften Im Unternehmen (Betrieb)
Schluss Ausblick
ANHANG Text Der Wichtigsten Koalitionsgesetze

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GERD

ENGELS

Die Entwicklung des französischen Rechts der Koalitionen

Die Entwicklung des französischen Rechts der Koalitionen

Von

Gerd Engels Köln

w DE

_G 1972 DE GRUYTER • BERLIN • NEW YORK

NEUE KÖLNER RE CHTSWIS SEN S C H A F T L I C H E ABHANDLUNGEN

HERAUSGEGEBEN

VON

DER RECHTSWISSENSCHAFTLICHEN

FAKULTÄT

DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN

HEFT 71

W DE G 1972 DE GRUYTER • BERLIN • NEW YORK

ISBN 3 11 00 3927 3

© Copyright 1972 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Gösdien'sdie Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, audi die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomedianisdien Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung vorbehalten. — Printed in Germany. Satz und Druck: Saladruck, 1 Berlin 36

MEINER MEINER

MUTTER FRAU

INHALTSÜBERSICHT Seite XIV

Literaturverzeichnis Vorwort

1

Teil 1 Die Periode des absoluten Koalitionsverbots

3

Kapitel 1 Das Ancien Régime § 1 Die Entstehung der Gesellenbünde als Folge der Entartung des Zunftwesens § 2 Die Gesellenbünde als Vorläufer der modernen Arbeitnehmerkoalitionen und ihre rechtliche Beurteilung I. Die gesetzlichen Koalitionsverbote II. Die Gründe für die Unterdrückung der Koalitionsfreiheit . . III. Die Kritik der Physiokraten und das Edikt vom Februar 1776

3

Kapitel 2 Die Lage der Koalitionen nach der Revolution von 1789 (1. Republik) § 1 Der Streit um die Auslegung des Dekrets d'Allarde vom 2. bis 17. Juni 1791 in bezug auf die Koalitionsfreiheit § 2 Das Gesetz Le Chapelier vom 14. bis 17. Juni 1791 I. Das Verbot, Koalitionen und vorübergehende Berufszusammenschlüsse zu bilden II. Die Gründe für das Koalitionsverbot und ihre Kritik . . . . III. Die Bedeutung des Gesetzes Le Chapelier für die Entwicklung des Koalitionsrechts

4 7 8 10 13 14 15 19 21 22 26

Kapitel 3 Die Koalitionen während des Konsulats und des 1. Kaiserreichs § 1 Die Artikel 6 ff. des Gesetzes vom 22. Germinal des Jahres X I und die Artikel 414 fï. des Code pénal § 2 Die Artikel 291 ff. des Code pénal § 3 Die Rechtswirklichkeit

28 30 32

Kapitel 4 Die Restauration und Juli-Monarchie — Das Gesetz vom 10. bis 11. April 1834 —

34

Teil 2 Die Anfänge der gesetzlichen Anerkennung der Koalitionen

37

....

Kapitel 1 Die 2. Republik § 1 Das Dekret vom 25.—29. Februar 1848 über die Koalitionsfreiheit § 2 Das Gesetz vom 27. November 1849 § 3 Die erneute Unterdrückung der Koalitionsfreiheit § 4 Die Bedeutung der zeitweisen Anerkennung der Koalitionsfreiheit für die Rechtsentwicklung

27

37 38 39 42 43

VIII Seite Kapitel 2 Das 2. Kaiserreich 44 § 1 Das Gesetz vom 25. Mai 1864 45 I. Die neuen Artikel 414 ff. des Code pénal 47 II. Die Unanwendbarkeit des Gesetzes von 1864 auf die Koalitionen 49 § 2 Die Bedeutung des Gesetzes vom 25. Mai 1864 für die Rechtsentwiddung 50 Teil 3 Die endgültige gesetzliche Anerkennung der 3. Republik

der Koalitionen

während

Kapitel 1 Das Gesetz vom 21. März 1884 § 1 Die Anerkennung des Prinzips der Koalitionsfreiheit I. Die Aufhebung und Unanwendbarkeit der alten koalitionsfeindlichen Gesetze II. Der kollektive Aspekt der Koalitionsfreiheit 1. Die Unabhängigkeit der Koalitionen vom Staat a) Die Gründungsfreiheit der Koalitionen b) Die Freiheit der Koalitionen bei der Gestaltung der inneren Organisation c) Der Sdiutz vor willkürlicher Auflösung der Koalitionen durch den Staat 2. Das Verhältnis der Koalitionen zueinander a) Gewerkschaft und Arbeitfeberverband b) Die konkurrierenden Koalitionen III. Der individuelle Aspekt der Koalitionsfreiheit 1. Die positive Koalitionsfreiheit 2. Die negative Koalitionsfreiheit 3. Der Schutz der negativen Koalitionsfreiheit in Artikel 7 § 2 Die Konkretisierung des Prinzips der Koalitionsfreiheit I. Die gesetzlichen Anforderungen an die Koalitionsmitglieder (Koalitionseründer) und ihre Folgen 1. Die Koalitionsunfähigkeit der aus dem Beruf ausgeschiedenen Personen 2. Die Zulässigkeit gegnerunreiner und gegnerabhängiger Koalitionen 3. Der rechtliche Status der Koalierten 4. Die Koalitionsfähigkeit juristischer Personen II. Der Koalitionszweck 1. Der Spezialitätsgrundsatz („principe de spécialité"} 2. Der Streit, ob aus dem Koalitionszweck die Koalitionsunfähigkeit bestimmter (freier) Berufe folgt 3. Die Koalitionen als Mitgliederverbände § 3 Die den I. II.

Rechtsnatur der Koalitionen und die sich hieraus ergebenBefugnisse Die Koalitionen als iuristische Personen des Privatrechts . . Die Rechte der Koalitionen 1. Die den Koalitionen als juristische Personen zustehenden Rechte 2. Die sonstigen Befugnisse der Koalitionen III. Definitionsversuth des Koalitionsbegriffs

53 54 54 54 56 57 57 59 59 60 60 61 62 62 63 63 67 67 69 70 72 73 75 75 77 80 81 82 85 85 88 89

IX § 4 Die Unionen u n d ihre Rechtsstellung I. Die Unionsfreiheit der Koalitionen II. Die Rechtsstellung der Unionen

Seite 90 91 91

§ 5 Ergebnisse u n d Kritik des Gesetzes von 1884

92

Kapitel 2 Die Gesetzesvorsdiläge zur Sicherung der Koalitionsfreiheit . .

96

Kapitel 3 Das Gesetz vom 12. März 1920 § 1 Die Ausdehnung des Prinzips der Koalitionsfreiheit I. Die Anerkennung der (bisher strittigen) Koalitionsfähigkeit bestimmter Personengruppen II. Die Bedeutung des Vereinsgesetzes vom 1. Juli 1901 f ü r die Koalitionsfreiheit § 2 Die erweiterten Rechte der Koalitionen § 3 Die Zulässigkeit der Koalitionsklage u n d ihre Folgen I. Das kollektive Berufsinteresse: die U b e r w i n d u n g des Individualismus II. Die partielle Anerkennung der Koalitionen als Berufsorgane bei der Koalitionsklage 1. Voraussetzung u n d U m f a n g der erweiterten Vertretungsbefugnis 2. Die Problematik der gesetzgeberischen Entscheidung . . . § 4 Ergebnisse und Kritik des Gesetzes von 1920

99 99

Kapitel 4 Der Schutz der Koalitionsfreiheit durch die Rechtsprechung . . § 1 Der Schutz der positiven Koalitionsfreiheit I. Die Beurteilung der Einstellungsablehnung organisierter A r beitnehmer 1. Die Ansicht des Tribunal civil Bordeaux u n d der C o u r de Cassation (1905) 2. Die umstrittenen Entscheidungen des Tribunal de commerce Epernay u n d des Tribunal civil Lille (1906) 3. Das Grundsatzurteil der Zivilkammer der C o u r de cassation (1915) II. Die Bewertung der „clauses antisyndicales" III. Kritik und Zwischenergebnis der Rechtsprechung zum Schutz der positiven Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer im Stadium der Einstellung IV. Die Beurteilung der Kündigung wegen Gewerkschaftszugehörigkeit oder Verbandstätigkeit V. Kritik und Zwischenergebnis der Rechtsprechung zum Schutz der positiven Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer während der Beschäftigung § 2 Der Schutz der negativen Koalitionsfreiheit I. Die Beurteilung der Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit durch die „mise à l'index" 1. Die Ansicht des Tribunal civil Bourgoin und der C o u r d'appel Grenoble (1890) 2. Die Grundsatzentscheidung der C o u r de cassation (1892) 3. Kritik u n d Zwischenergebnis II. Die Beurteilung der Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit durch tarifvertragliche Gewerkschaftssidierheitsklauseln („clauses de sécurité syndicale")

99 101 105 107 108 110 112 113 115 117 117 118 118 121 123 124 126 129 133 135 135 136 138 139 144

X Seite 1. Die Grundsatzentscheidung der Cour de Cassation (1916) 144 2. Die umstrittenen Entscheidungen der Cour d'appel Lyon und der Cour de Cassation von 1938 147 3. Kritik und Zwischenergebnis 149 § 3 Endergebnis der Rechtsprechung freiheit Teil 4 Die Krise gierung

des französischen

zum Schutz der

Koalitionsrechts

Koalitions-

unter der

Vichy-Re-

Kapitel 1 Die Arbeitscharta vom 4. Oktober 1941 (Charte du travail) . . § 1 Die Ideologie der Arbeitscharta § 2 Die Konsequenzen der Charta-Ideologie I. Die Aufhebung des Grundsatzes der Koalitionsfreiheit . . . . 1. Die Unterdrückung der individuellen Koalitionsfreiheit 2. Die Abhängigkeit der Koalitionen vom Staat und den Sozialausschüssen a) Die Unfreiheit der Koalitionen im Gründungsstadium b) Die Unfreiheit der Koalitionen bei der Gestaltung der inneren Organisation c) Die Überwachung der Koalitionstätigkeit d) Die Möglichkeit willkürlicher Koalitionsauflösungen 3. Die Unterdrückung der Unionsfreiheit der Koalitionen II. Die Einschränkung der Rechte der Koalitionen III. Die Koalitionen als Hilfsorgane der Sozialausschüsse § 3 Die Auswirkungen der Arbeitscharta auf die Entwicklung des französischen Koalitionsrechts Kapitel

2 Das Scheitern der Arbeitsdiarta und ihre Aufhebung

Teil 5 Die Entwicklung des französischen rend der 4. und 5. Republik

Rechts

der Koalitionen

152

153 153 154 155 155 156 157 157 158 159 160 161 161 164 164 166

wäh-

Kapitel 1 Die Anerkennung des Prinzips der Koalitionsfreiheit durch die Verfassung und sein zusätzlicher Schutz durch einfaches Gesetz . . . . § 1 Die Präambel der Verfassung vom 27. Oktober 1946 I. D e r Inhalt der Präambel 1. Die Erfassung des individuellen Aspekts der Koalitionsfreiheit 2. Die teilweise Erfassung des kollektiven Aspekts der K o alitionsfreiheit 3. Die Anerkennung der Koalitionstätigkeit II. D e r Rechtscharakter der in der Präambel enthaltenen Aussagen zum Koalitionsrecht 1. Der Streit über den Verfassungsrang der Präambel 2. Stellungnahme und Ergebnis I I I . Die Bedeutung der verfassungsrechtlichen Garantie der K o alitionsfreiheit

168 168 169 169 169 171 173 173 174 176 180

§ 2 Der Schutz der Koalitionsfreiheit durch das Gesetz vom 27. April 1956 (Art. 1 a, 20 a, 55 Buch III C T ) 182 I. Der Schutz der positiven Koalitionsfreiheit 183 1. Die neue Beurteilung der Einstellungsablehnung organisierter Arbeitnehmer und der „clauses antisyndicales" . . 183

XI Seite 2. Der Schutz der Organisierten während der Beschäftigung durch die Gleichbehandlungspflicht des Arbeitgebers . . . . 185 3. Die Anwendung des Artikels 1 a Absatz 1 Buch III CT durch die Rechtsprechung 186 4. Die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bei Verletzung der positiven Koalitionsfreiheit 188 5. Kritik des Schutzes der positiven Koalitionsfreiheit . . . . 189 a) Die Unzulänglichkeit und Unhaltbarkeit der Schadensersatzregelung in Artikel 1 a Absatz 4 Buch III CT 190 b) Die Beweisnot der Organisierten und ihre Linderung durch die neuere Rechtsprechung 191 II. Der Schutz der negativen Koalitionsfreiheit 193 1. Die neue Beurteilung der Gewerkschaftssicherheitsklauseln („clauses de sécurité syndicales") 194 2. Kritik des Schutzes der negativen Koalitionsfreiheit . . . . 196 III. Der Schutz des kollektiven Aspekts der Koalitionsfreiheit in Form des Pluralitäts- und Gleichheitsgrundsatzes 197 1. Das an den Arbeitgeber gerichtete Verbot der Anwendung von „Druckmitteln zugunsten einer Gewerkschaft" 198 a) Der Begriff des Druckmittels („moyen de pression") 198 b) Die Anwendung des Druckmittels „zugunsten" einer Gewerkschaft 200 2. Das Verbot der „Syndicats-maison" 201 3. Die Frage der Gegnerunabhängigkeit der Gewerkschaften 201 4. Ergebnis 203 § 3 Der Beitrag der Präambel der Verfassung von 1946 und des Gesetzes von 1956 zur Rechtsentwicklung 203 Kapitel 2 Das neue Verhältnis von Staat und Koalitionen und seine Auswirkungen auf das Koalitionsrecht 204 § 1 Die Beteiligung der Koalitionen an der Ausübung staatlicher Funktionen im Wirtschafts- und Sozialbereich I. Die Mitwirkung der Koalitionen bei der Rechtsetzung . . . . 1. Die Koalitionen als Ratgeber bei der Bestimmung der allgemeinen Wirtschafts- und Sozialpolitik 2. Die Mitwirkung der Koalitionen bei der Regelung einzelner Wirtschafts- und Sozialprobleme 3. Die Koalitionen als Gesetzesinitiatoren 4. Die Koalitionen als „zweiter Gesetzgeber" („législateur secondaire") des Berufs II. Die Übertragung von Aufgaben der Exekutiven auf die Koalitionen 1. Der Schutz des Arbeitsrechts durch die Koalitionen 2. Die Überwachung der Berufsausbildung durch die Koalitionen 3. Die Beteiligung der Koalitionen an der Verwaltung öffentlich-rechtlicher Versorgungsbetriebe („services publics") III. Die Teilnahme der Koalitionen an der Rechtsprechung . . . . 1. Die Arbeitsgerichte („Conseils de prud'hommes") 2. Die Sondergerichte f ü r Sozialversicherungsstreitigkeiten („Commissions du contentieux de la sécurité sociale") . .

205 206 206 208 210 211 212 212 213 213 215 215 215

XII Seite § 2 Die repräsentativsten Koalitionen („Syndicats les plus représentatifs") 216 I. Begriff und Wesen der repräsentativsten Koalitionen 217 1. Die gesetzlichen Kriterien der repräsentativsten Koalitionen 217 2. Die außergesetzlithen Kriterien der Repräsentativität . . 221 3. Der Streit über die Organisationsform der repräsentativsten Koalitionen 223 4. Der Pluralismus der repräsentativsten Koalitionen 226 II. Die schwierige Feststellung der Repräsentativität einer Koalition 227 1. Das Prinzip der Koalitionsfreiheit und das Recht der Verwaltung und der Gerichte auf Einsichtnahme in die Mitgliedslisten der Koalitionen 227 2. Die Relativität des Begriffs „repräsentativste Koalition" 228 III. Die Nominierung der repräsentativsten Koalitionen 229 IV. Die Vorrechte der repräsentativsten Koalitionen 230 § 3 Die Auswirkungen der Partizipation auf das Koalitionsrecht . . . 231 I. Die Anerkennung der Koalitionen als Berufsorgane und ihre Folgen 231 1. Die Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit . . . . 232 2. Die Fragwürdigkeit des umfangreichen Schutzes der negativen Koalitionsfreiheit 233 a) Die Zulässigkeit der indirekten „mise à l'index" . . . . 233 b) Gründe für eine Lockerung des absoluten Verbots der Gewerksdiaftssicherheitsklauseln 234 II. Die Ungleichheit der Koalitionen und ihre Folgen 235 1. Die Beeinträchtigung des individuellen und kollektiven Aspekts der Koalitionsfreiheit 236 2. Das (begrenzte) Vertretungsmonopol der repräsentativsten Koalitionen 236 III. Der halb-öffentliche („semi-public") Charakter der Koalitionen 238 — Die Gefahr der Abhängigkeit der Koalitionen vom Staat 238 IV. Die Durchbrechung des Spezialitätsprinzips 241 V. Ergebnis und neue Definitionsvorschläge zum Koalitionsbegriff 244 Kapitel 3 Das Gesetz vom 27. Dezember 1968 über die Rechte der Gewerkschaften im Unternehmen (Betrieb) § 1 Die Stellung der Gewerkschaften im Unternehmen (Betrieb) vor dem Gesetz vom 27. Dezember 1968 I. Die Abhängigkeit der Belegschaftsvertreter von den Gewerkschaften II. Die Möglichkeit einer Regelung der gewerkschaftlichen Betätigung im Unternehmen (Betrieb) durdi Tarifvertrag . . . . § 2 Die Redite der Gewerkschaften im Unternehmen (Betrieb) nach dem Gesetz vom 27. Dezember 1968 I. Die Anwendungsvoraussetzungen des Gesetzes — Das Koalitionsrecht in den kleinen Unternehmen; die Stellung der nichtrepräsentativsten Gewerkschaften . . . . II. Die Gewerkschaftssektionen 1. Unternehmens- oder Betriebssektionen?

245 248 249 250 252 253 254 256 257

XIII Seite 2. Die Aufgabe der Gewerkschaftssektionen 258 3. Die Rechte der Sektionen 259 a) Das Eintreiben der Mitgliedsbeiträge 259 b) Die Verwirklichung des Grundsatzes der Informationsfreiheit im Unternehmen (Betrieb) 260 aa) Das Anbringen von Anschlagtafeln 260 bb) Der Inhalt gewerkschaftlicher Mitteilungen . . . . 262 cc) Das Zensurverbot des Arbeitgebers 263 dd) Das Verteilen von gewerkschaftlichen Drudeerzeugnissen 263 c) Das Versammlungsrecht 264 d) Der Anspruch auf einen eingerichteten Versammlungsraum 264 III. Die Gewerkschaftsdelegierten („délégués syndicaux") 265 1. Ernennung und Zahl der Delegierten 266 2. Die Aufgaben der Gewerkschaftsdelegierten 268 3. Die Rechtsstellung der Gewerkschaftsdelegierten 270 a) Der Anspruch der Delegierten auf Freistellung von der Arbeit f ü r die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Zeit 270 b) Der Kündigungsschutz der Gewerkschaftsdelegierten 273 c) Die Hinfälligkeit des Kündigungsschutzes der Gewerkschaftsdelegierten bei einer analogen Anwendung der Rechtsprechung der Sozialkammer der Cour de cassation zum Schutz der Personaldelegierten . . . . 274 d) Der Beitrag der Strafkammer der Cour de cassation zum Schutz der Delegierten 277 IV. Der strafrechtliche Schutz des Koalitionsrechts im Unternehmen (Betrieb) 279 § 3 Der Entwicklungsstand des französischen Rechts der Koalitionen nach dem Gesetz vom 27. Dezember 1968 I. Die positiven Aspekte des Gesetzes von 1968 1. Von der Koalitionsfreiheit zum Koalitionsrecht 2. Die Belebung der betrieblichen Vertragspolitik 3. Voraussichtliches finanzielles und zahlenmäßiges Erstarken der Gewerkschaften II. Die negativen Aspekte des Gesetzes von 1968 1. Der Widerspruch zur Verfassung 2. Der unzureichende Schutz der Gewerkschaftsmitglieder und seine möglichen Folgen 3. Die nicht gerechtfertigte Ungleichheit der Koalitionen im Unternehmen (Betrieb) a) Die erneute Beeinträchtigung des individuellen und kollektiven Aspekts der Koalitionsfreiheit b) Das Monopol der großen Arbeitnehmerzentralen im Unternehmen (Betrieb)

280 281 281 282 283 284 284 285 286 287 289

Schluß: Ausblick

292

Anhang: Text der wichtigsten Koalitionsgesetze

295

LITERATURVERZEICHNIS I. Lehrbücher und Barthélémy, Joseph Baudry-Lacantinerie, Barde, L. Berthélemy, H . Boullaire, J.

Boullay, Charles Brun, A. Galland, H . Bry, Georges Perreau, E.-H. Burdeau, Georges

Burdeau, Georges Brunot, Charles Camerlynck, G. H .

Kommentare

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Camerlynck, G. H . Lyon-Caen, Gerard Capitant, Henri Cache, Paul Colin, Ambroise Capitant, Henri Demante, A. M. Cours analytique de Code civil, Bd. V, Art. 1101 Colmet de Santerre, E. bis 1138, 2. Aufl., Paris 1883. Demolombe, C. Cours de Code Napoléon, Bd. X X I V : Traité des contrats ou des obligations conventionnelles en général, I, Paris 1877. Despax, Midiel Conventions collectives. — Traité de droit du travail, publié sous la direction de G. H . Cameri n i , Bd. VII, Paris 1966.

XV Duguit,

L.

Durand, Paul avec le concours de Jaussand, R. Durand, Paul avec le concours de Vitu, André Duverger, Maurice Duverger,

Maurice

Esmein, A. Garçon-RousseletPatin-Ancel Garraud, R.

Traité de droit constitutionnel, Bd. V: Les libertés publiques, 2. Aufl., Paris 1925 (abgek. zit.: Droit constitutionnel). Traité de droit du travail, Bd. I, Paris 1947 (abgek. zit.: Droit du travail). Traité de droit du travail, Bd. II, Paris 1950; Bd. III, Paris 1956. Droit constitutionnel et institutions politiques, Paris 1955. Institutions politiques et droit constitutionnel, 11. Aufl., Paris 1970. Eléments de droit constitutionnel français et comparé, Bd II: Le droit constitutionnel de la République Française, 8. Aufl., Paris 1928. Code pénal annoté, Bd. III, Paris 1959.

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XVI Durand, Paul Rouast, André Durand, Paul Scelle, Georges Trotabas, Louis Vedel, Georges Vedel, Georges Verdier, J.-M.

vail), 4. Aufl., Paris 1953 (abgek. zit.: Législation industrielle). Précis de droit du travail, 3. Aufl., Paris 1963 (abgek. zit.: Droit du travail). Précis élémentaire de législation industrielle, Paris 1927. Manuel de droit public et administratif, 15. Aufl., Paris 1966. Manuel élémentaire de droit constitutionnel, Paris 1949. Cours de droit constitutionnel et d'institutions politiques, Paris 1958—1959. Syndicats. — Traité de droit du travail, publié sous la direction de G. H . Camerlynck, Bd. V, Paris 1966. II.

Aubry, Paul

Barrillon, Raymond Bartbou, Louis Bartbou, Louis Basseville, Marcel

Baudin, Louis Berlta, Georges Bernard, René

Berthêlemy,

H.

Berthon, Jacques

BIT Blache, Georges Bled, Victor du

Einzeldarstellungen

Des syndicats professionnels. Etude historique, juridique et économique de la loi du 21 mars 1884, Dissertation, Nancy 1899 (abgek. zit.: Syndicats professionnels). Syndicats et politique, in: Le Monde vom 15 1. 1970. L'action syndicale. (Loi du 21 mars 1884, résultats et réformes), Paris 1904. Des atteintes à la liberté du travail, in: N R 1901, 321 ff. Le droit à l'association au point de vue historique contemporain et au point de vue législatif, Dissertation, Beangency 1897 (abgek. zit.: Le droit à l'association). Le corporatisme, Paris 1941. Texte de la constitution de 4 octobre 1958 in: R D P 1958, 930 ff. L'application pratique de la loi du 12 mars 1920 sur les syndicats professionnels, Dissertation, Paris 1928. L'extension de la capacité des syndicats professionnels, in: RPP 10. 4.1920, 36 ff. Le rôle des syndicats dans l'organisation industriel en France depuis 1940, Dissertation, Paris 1942 (abgek. zit.: Le rôle des syndicats). La participation des organisations professionnels à la vie économique et sociale en France, Genève 1948. La mise à l'index, Dissertation, Paris 1913. Les syndicats professionnels et agricoles, in: RDM 1887, Bd L X X X I I I , 104 ff.

XVII Bockel, Alain

Boissard, Adéodat

Boitel, Maurice Boitel, Maurice Borne, Etienne Bouvier-Ajam, Bouvier-Ajam,

Maurice Maurice

Brèthe de la Gressaye, Jean Brèthe de la Gressaye, Jean Brèthe de la Gressaye, Jean Brèthe de la Gressaye, Jean Brèthe de la Gressaye, Jean Brèthe de la Gressaye, Jean Brèthe de la Gressaye, Jean Brichet, Robert

Brun, A. Brun, Pierre le Burdeau, Georges Camerlynck, G. H . Camerlynck, G. H . Capitant, Henri Carlini, Michel César-Bru, Charles

2

Engels, Die Entwicklung .

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XVIII CFDT Service juridique confédéral Cbaptal, L.

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Dautry, Raoul Delors, Jacques Denis, H . Descomps, Fernand

Despax, Michel Desplats, J.

Dolléans, Edouard Dehove, Gérard Dumont, J. P.

Dtipeyron, Henri Durand, Paul

XIX Durand, Paul Durand, Paul Durand, Paul Durand, Paul Durand, Paul Durand, Paul Durand, Paul

Duverger, Maurice Esmein, Paul Fagniez, Gustav Finance, Isidore Force Ouvrière Forest, Henri Fouquet, Léopold

Fourgeaud, André Fournière, Eugène Gain, Georges Garay, Jean Garmy, René Gény, François

Gény, François Georgel, Jacques Glotin, Hyacinthe

2*

Idéologie et technique de la Charte du travail, in: La Charte du travail, Coll. Dr. soc. Bd. XIII, 2 ff. Le syndicalisme sous le régime de la Charte, in: La Charte du travail, Coll. Dr. soc. Bd. XIII, 42 ff. Vers la réconstitution des organismes syndicaux, in: Dr. soc 1942, 174 fï. Au delà de la Charte, in: Dr. soc. 1944, 221 ff. Le régime juridique des syndicats patronaux, in: Dr. soc. 1946, 372 ff. La dissolution de l'Etat, III. L'Etat devant les puissances professionnelles, in: Dr. soc. 1948, 1 f. La loi du 11 février 1950 sur les conventions collectives du travail, in: Dr. soc. 1950, 93 ff., 155 ff., 186 ff. Constitutions et documents politiques, 5. Aufl., Paris 1968. La Charte du travail, in: Gaz Prud. 1941, 201 ff. Corporations et syndicats, 2. Aufl., Paris 1905. Les syndicats professionnels devant les tribunaux et le parlament depuis 1884, Paris-Nancy 1911 (abgek. zit.: Les syndicats professionnels). La loi du 27 avril 1956 relative à la liberté syndicale, in: FO Information mai 1956, 142 ff. Le licenciement abusif, in: Dr. ouvr. 1953, 309 ff. Les syndicats professionnels d'après la loi du 21 mars 1884 et les associations d'après la loi du 1 e r juillet 1901, Dissertation, Poitiers 1907 (abgek. zit.: Syndicats professionnels et associations). Du code individualiste au droit syndical, Paris 1929. Ouvriers et patrons, Paris 1905. Les syndicats agricoles professionnels et la loi du 21 mars 1884, Paris 1886. Exercice du droit syndical dans les entreprises, loi no 68 — 1179 du 27 décembre 1968, in: ICE Januarheft 1969, 13 ff. Histoire du mouvement syndical en France. Des origines à 1914, Paris 1933. De l'inconstitutionnalité des lois et des autres actes de l'autorité publique et des sanctions qu'elle comporte dans le droit nouveau de la IV e République française, in: J C P 1947. 1.613. Association ou syndicat professionnel?, in: JCP 1949. 1.782. Aspects du préambule de la constitution du 4 octobre 1958, in: R D P 1960, 85 ff. Etude historique, juridique et économique sur les syndicats professionnels, Paris 1892 (abgek. zit.: Syndicats professionnels).

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Robert

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XXI Lasserre, Georges Lavigne, Pierre Lederman, Charles Lefranc, Georges Lefranc, Georges Lefranc, Georges Légal, Alfred Brèthe de la Gressaye, Jean Leroy-Beaulieu,

Paul

Lesire-Ogrel, Hubert Lesire-Ogrel, Hubert Levasseur, E.

Liaisons Sociales Liaisons Sociales Liaisons Sociales Liaisons Sociales Liaisons Sociales Louis, Paul

Louis, Paul

Marchai, André Marchai, André Martin, Germain

Martin Saint-Léon, Etienne

Histoire du syndicalisme ouvrier, Paris 1948—1949. Le travail dans les constitutions françaises (1789 bis 1945), Paris 1948 Licenciement et liberté syndicale, in: Dr. ouvr. 1960, 355 ff. Les expériences syndicales en France des 1939 à 1950, Paris 1950. Le syndicalisme en France, Paris 1953. Le mouvement syndical sous la Troisième République, Paris 1967. Le pouvoir disciplinaire dans les institutions privées. Son organisation et ses effets dans les associations, syndicats, sociétés entreprises, professions, Paris 1938. Le syndicalisme. La confédération. La théorie de la violance, in: RDM 1908 Bd. IV, 481 ff. Le syndicat dans l'entreprise, Paris 1967. Au sujet de la représentativité des syndicats indépendants, in: Dr. soc. 1959, 286 f. Histoire des classes ouvrières et de l'industrie en France de 1789 à 1870, 2. Aufl. Paris 1903 (abgek. zit : Histoire des classes ouvrières, Bd. I). Accords d'entreprise, Sondernummer Februar 1963, Paris 1963. Conventions collectives de travail, Sondernummer September 1967, Paris 1967. Pratique de la participation, Sondernummer Dezember 1969, Paris 1969. Syndicats, I droit syndical, Sondernummer Dezember 1965, Paris 1965. Syndicats, I droit syndical, Sondernummer April 1970, Paris 1970. L'ouvrier devant l'Etat. Histoire comparée des lois du travail dans les deux mondes, Paris 1904 (abgek. zit.: L'ouvrier devant l'Etat). Histoire de mouvement syndical en France, Bd. I de 1789 à 1918, Paris 1947 (abgek. zit.: Histoire du mouvement syndical, Bd. I). L'action ouvrière et la transformation du régime capitaliste, Paris 1943. Le mouvement syndical en France, Paris 1945. Lois, édits, arrêts et règlements sur les associations ouvrières au X V I I I e siècle (1700—1792), Dissertation, Paris 1900 (abgek. zit.: Les associations ouvrières). Histoire des corporations de métiers. Depuis leurs origines jusqu'à leur suppression en 1791, 4. Aufl., Paris 1941 (abgek. zit.: Corporations de métiers).

XXII Mignon, Maxime

Murcier, Jean Paul

Murcier Jean Paul

Nourrisson, Paul

Olivier, Maurice Olivier-Martin,

Fr.

Ollier, Pierre

O. V. O. V. Ozanam, Charles

Paul-Boncour, J.

Pélissier, Jean

Pelloux, Robert Petit, Renée Petit, Renée Petit, Renée Pic, Paul Piquemal, Marcel Prager, Gert

La valeur juridique du préambule de la constitution selon la doctrine et la jurisprudence, in: D. 1951 Chronique, 127. Exercice du droit syndical dans les entreprises (Loi du 27 décembre 1968), in: Projet Nr. 32 Februarheft 1969, 181 ff. La notion d'établissement pour l'application de la loi sur les droits syndicaux, in: Syndicalisme vom 3. 4. 1969, 15. Histoire de la liberté d'association en France depuis 1789, Bd. I, II, Paris 1920 (abgek. zit.: La liberté d'association). A propos de la Charte du travail, in: Dr. soc. 1942, 24 ff. L'organisation corporative de la France d'ancien régime, Paris 1938 (abgek zit.: L'organisation corporative). La signification de la reconnaissance de la section syndicale d'entreprise en droit du travail français, in: Dr. ouvr. 1964, 147 fi. Genèse et tendances de la Charte du travail, in: La Charte du travail, Coll. Dr. soc. Bd. XIII, 61 f. La Charte du travail, in: J C P 1941.1.234. Associations, syndicats, fondations. Leur formation et leur fonctionnement, 4. Aufl., Paris 1964 (abgek. zit.: Associations, syndicats, fondations). Les rapports de l'individu et des groupements, Dissertation, Paris 1900 (abgek. zit : L'individu et les groupements). La réintégration des représentants du personnel et des délégués syndicaux: conquête ou revendication? in: D. 1969 Chronique XXVI, 197 f. Le préambule de la constitution du 27 octobre 1946, in: R D P 1947, 347ff. Les conventions collectives de travail, Dissertation, Paris 1937. Etude sur la réorganisation syndicale en France depuis la libération, in: Dr. soc. 1946, 70 ff. Le contenu des conventions collectives du travail, in: Dr. soc. 1952, 454 ff., 523 ff. La liberté d'association et ses limites dans le nouveau droit public français, in: J C P 1942, 259. Le droit syndical en France, Bordeaux 1962. Die französischen Berufsverbände, ihre rechtliche Stellung und ihre Befugnisse, Dissertation, Köln 1967 (abgek. zit.: Die französischen Berufsverbände).

XXIII Prieur, Roger

Rébillon,

Armand

Renard, Georges Revon, Michel Reynaud, Jean-Daniel Ripert, Georges Rivero,

Jean

Rivero, Jean Vedel, Georges Rouast,

André

Roy, Joanine RPDS

Sagnac, Pli. Saramito,

Francis

Saramito,

Francis

Sauzet,

Marc

Sauzet,

Marc

Scelle, Georges Scelle, Georges

Schaefer,

Jean

Sirtay, Hélène

Sinay,

Hélène

Soreau, E d m o n d

L'abus des droits dans la formation et dans la dissolution du contrat de travail, Dissertation, Paris 1942. Recherches sur les anciennes corporations ouvrières et marchandes de la ville de Rennes, Paris-Rennes 1902. Syndicats, trade-unions et corporations, Paris 1909. Les syndicats professionnels et la loi du 21 mars 1884, Dissertation, Paris 1891. Les syndicats en France, Paris 1963. Le déclin du droit. Etudes sur la législation contemporaine, Paris 1949. Syndicalisme et pouvoir démocratique, in: D r . soc. 1965, 1 6 6 f f . Les principes économiques et sociaux de la constitution: Le préambule, in: Coll. D r . soc. Bd. X X X I , 13 ff. La rupture abusive du contrat de travail, in: D H 1928 Chronique, 5 ff. La charte d'Amiens a été plus souvent invoquée que respectée, in: Le Monde vom 15. 1.1970. Le bilan social de l'année 1968. — (Ouvrage collectif, rédigé sous la direction de Maurice Cohen), Paris 1969. La législation civile de la Révolution Française (1789—1804) — Essai d'histoire sociale, Paris 1898 Le renvoi pour activité syndicale, in: D r . ouvr. 1952, 165 ff. Liberte syndicale et droits syndicaux dans la législation française. — Evolution et perspectives, in: D r . ouvr. 1960, 347 ff. De la nature de la personnalité civile des syndicats professionnels, in: R C L J 1888, 296 ff., 391 ff. Essai historique sur la législation industrielle de la France, in: R E P 1892, 353 ff., 890 ff., 1097 ff., 1184 ff. Le droit ouvrier — Tableau de la législation f r a n çaise actuelle, Paris 1922. La notion d'organisation syndicale la plus représentative et la loi du 23 décembre 1946 (abgek. zit.: La notion) in: R F T 1947, 529 ff. L'exercice du droit syndical sur le lieu de travail, in: Le Peuple 1968 N r . 804, 3 ff. L'exercice du droit syndical dans les entreprises — Historique et perspectives, in: D 1969 Chronique X I I , 77 ff. Le degré d'intensité de la présence syndicale dans l'entreprise, in: D r . soc. 1969, 447 ff. La loi Le Chapelier, Paris 1931.

XXIV Spyropoulos, Spyropoulos,

Georges Georges

Stemler, Octave Suet, Philippe Timbal, P. C. Trouvé, Henry

Vaille, Eugène Veyan, Alfred Villot, Frédérique Voirin, Pierre

Voli, Pierre

Waline, Marcel Wiedemann, Herbert

La liberté syndicale, Paris 1956. Le monopole syndical d'emploi et la protection de la liberté syndicale, in: Dr. soc. 1956, 264 ff. Des syndicats professionnels, Dissertation, Paris 1887. Comités d'entreprise, délégués du personnel et délégués syndicaux, 3. Aufl., Paris 1970. Histoire des institutions et des faits sociaux, Paris 1957. La notion des syndicats les plus représentatifs de la profession — Contribution à l'histoire du droit syndical, Dissertation, Paris 1942 (abgek. zit. : La notion). La coalition ouvrière et les grèves, Dissertation, Paris 1901 (abgek. zit.: La coalition ouvrière) Loi sur les syndicats professionnels (promulguée le 21 mars 1884), Paris 1886. Le principe de la liberté syndicale, Dissertation, Paris 1940 (abgek. zit.: Liberte syndicale) Les comités sociaux par famille professionnelle ou profession, in: La Charte du travail, Coll. Dr. soc. Bd. XIII, 23 ff. Etude sur les tendances à la souveraineté des syndicats professionnels (Des interdictions de travail prononcées par des syndicats ouvriers contre des ouvriers), Dissertation, Paris 1911 (abgek. zit.: Les tendances à la souveraineté). L'individualisme et le droit, Paris 1945. Die deutschen Gewerkschaften — Mitgliederverband oder Berufsorgan? in: RdA 1969, 321 ff.

III. Entscheidungsanmerkungen, Gutachten, Rundschreiben, Schlußanträge, Tagungsberichte, Vorträge Bonnecase, Julien Camerlynck, G. H .

Camerlynck, G. H . Capitani, Henri Chavegrin, Ernest

CE

Anmerkung zu Cass civ. 24. 10.1916, in: S 1920.1.17 ff. Le congédiement pour appartenance ou activité syndicale, in: Fac. Dr. Lille, Jornée d'études, 165 ff. Anmerkung zu Cass. soc. 11.5.1964, in: J C P 1964.2.13768. Anmerkung zu CE 17.7.1925, in: D. 1926.3.9 ff Anmerkung zu .C Paris, 4.1.1911, C. Douai, 17. 5.1911, Trib. civ. Nancy, 18. 3. 1910, Trib. civ. Cahors, 23.7 1910, Trib. civ. Podez, 9.2. 1911, in: S. 1912.2.1 ff. Avis du Conseil d'Etat relatif aux articles 13 et 90 de la constitution de la République française, in: R D P 1953, 170 ff.

XXV Despax, Michel Dupeyroux, Jean-Jacques Durand Fac. Dr. Lille

Farodi, Alexandre Ferron, Georges Friedel, Georges Gaziers Hauriou, Maurice Huillier, Jean le Jay, Raoul Josserand, Louis Labbê, J.-E. Labbé, J.-E. L. S. L. S.

Lyon-Caen,

Gérard

Lyon-Caen,

Gérard

Mathevet,

René

Mestre, Achille Mestre, Achille

Anmerkung zu Cass. soc. 14.11.1962, in: Dr. soc. 1963, 349 f. Anmerkung zu CE 2. 3.1962, in: D. 1962, 741 ff. Gutachten im Verfahren Cass, civ 22.6.1892 in: S. 1893.1.45 f. L'activité syndicale au niveau de l'entreprise. — Journées d'études en l'honneur du X e anniversaire du Centre Départemental d'Education Ouvrière du Nord, 1 " et 2 juin 1964, Paris 1966 (abgek. zit.: Journées d'études). Circulaire du ministre du travail du 23 mai 1945, in: Dr. soc. 1945, 275 ff. Anmerkung zu Trib. civ. Bordeaux, 14.12 1903, in: S. 1905.2.17 ff. Anmerkung zu Cass. civ. 26. 11.1953, in D. 1956, 154. Sdilußanträge im Verfahren CE 7. 7.1950, in: R D P 1950, 702 ff. Anmerkung zu CE 11. 12. 1908, in: S 1909.3.17. Anmerkung zu CE 26.6. 1959, in: D. 1959.2.542 ff. Anmerkung zu Cass. civ. 22.6.1892, in: S. 1893.1.41 ff. Anmerkung zu Trib. comm. Epernay, 28.2.1906, Trib. civ. Lille, 12.11. 1906, in: D. 1908.2.73 ff. Anmerkung zu C. Paris, 25.3.1881, in: S. 1881 2.249 f. Jurisprudence civil, in: RCLJ 1882, 337 ff. Anmerkung zu Cass. civ. 19.6. 1897, in: D. 1898.1.540. Anmerkung zu Cass. chambres réunies, 5.4.1913, in: D. 1914.1.65. Le contenu des accords et des conventions collectives en matière d'activité syndicale au niveau de l'entreprise, in: Fac Dr. Lille, Journées d'études, 207 ff. L'état présent des libertés syndicales en France. — II. Rapport et résolution du colloque sur les droits et libertés syndicales, in: Dr. ouvr. 1964, 154 ff. A propos de l'extension du droit syndical dans l'entreprise. — Rapport présenté au nom de la section des activités sociales du Conseil économique et social, in: Dr. soc. 1965, 174 ff. Anmerkung zu C. Montepellier, 20.2. 1908, in: S. 1909.2.249 Anmerkung zu Cass. chambres réunies, 5.4.1913, Cass. civ. 28.11.1916, Cass. civ. 5.11.1928, in: S. 1920.1 49 ff.

XXVI Naquet,

E

Nast, Marcel Ollivier,

Emile

O. V. O. V. O. V. Pic, Paul Piquemal,

Marcel

Planiol,

Marcel

Planiol,

Marcel

Planiol,

Marcel

Planiol,

Marcel

Planiol,

Marcel

Planiol,

Marcel

Planiol,

Marcel

Planiol,

Marcel

Planiol,

Marcel

Rolland,

Louis

Rolland,

Louis

Ronjat Rouast,

André

Roux, J . A. Roux, J. A. Salmon-Legagneur,

P.

Anmerkung zu C. Aix, 2 1 . 1 2 . 1 9 1 0 , in: S. 1912.2.97 ff. Anmerkung zu Cass. crim. 2 1 . 1 1 . 1 9 1 3 , in: S. 1914.1.297 ff. Rapport fait au nom de la commission du corps législatif, (abgek. zit.: Rapport) in: D. 1864.4.60 if. Anmerkung zu Cass. crim. 2 8 . 5 . 1 9 6 8 , in: J C P 1968. 2.15579 bis. Anmerkung zu C. Rouen, 3. 10.1968, in: D. 1969, 86 f. Anmerkung zu Trib. gr. inst. Lyon, 1 2 . 6 . 1 9 6 9 , in: J C P 1969.2.16018. Anmerkung zu Trib. civ. Lille, 1 9 . 2 1906, in: D. 1909.2.121 f. Les rapports des syndicats et des délégués du personnel, in: Fac Dr. Lille, Journées d'études, 81 ff. Anmerkung zu C. Lyon, 2 . 3 . 1 8 9 4 , in: D. 1894.2.305 f. Anmerkung zu C Amiens, 13.3.1895, in: D. 1895.2.553. Anmerkung zu C. Bordeaux, 4 . 6 . 1 8 9 7 , i n : D. 1898.2.129 f. Anmerkung zu Cass. req. 2 5 . 1 . 1 9 0 5 , in: D. 1905.1 153 ff. Anmerkung zu Cass. req. 13.3.1905, in: D. 1906.1.113. Anmerkung zu Trib. civ. Seine, 5. 12.1905 in: D. 1907.2.32 f Anmerkung zu Cass. crim. 2 7 . 7 . 1 9 0 7 , in: D. 1909.1.129. Anmerkung zu C. Aix, 21. 12.1910, in: D. 1911.2.385 Anmerkung zu Cass. civ. 9 . 3 . 1 9 1 5 , in: D. 1916.1.25 f. Anmerkung zu Cass. civ. 4 . 3 . 1 9 1 3 , in: D. 1913.1 321 ff. Anmerkung zu Cass. diambres réunies, 1 5 . 1 . 1 9 2 3 , in: D. 1924.1.53. Schlußanträge im Verfahren Cass. civ. 22. 6.1892, in: S. 1893.1.47. Anmerkung zu Cass civ. 18.3. 1930, in: D. 1930.1.71 f. Anmerkung zu Cass. crim. 2 7 . 7 . 1 9 0 7 , in: S. 1908.1.105 f. Anmerkung zu Cass. crim. 27. 7.1907, Cass. crim 5 . 3 . 1 9 1 0 , in: S. 1911.1.417. Anmerkung zu Cass. crim. 2 9 . 5 . 1 9 0 8 , in: D. 1908.1.25 ff.

XXVII Savatier, Jean

Savatier, Jean Savatier, Jean Savatier, Jean Savatier, Jean Savatier, Jean Savatier, Jean Savatier, Jean

Teitgen, Pierre Henri Vedel, Georges Verdier, Jean-Maurice

Verdier, Jean-Maurice Verdier, Jean-Maurice Verdier, Jean-Maurice Verdier, Jean-Maurice Verdier, Jean-Maurice Verdier, Jean-Maurice Verdier, Jean-Maurice Vitry, Jean-Claude Wahl, Albert Wahl, Albert Wahl, Albert Wahl, Albert

L'affichage et la diffusion des communications syndicales, in: Fac. Dr. Lille, Journées d'études, 223 ff. Anmerkung zu Trib. pol. Paris, 26. 9.1963, in: Dr. soc. 1964, 361 ff. Anmerkung zu C. Lyon, 6.3.1963, in: Dr. soc. 1963, 488 ff. Anmerkung zu Cass. soc. 19. 6.1965, in: Dr. soc. 1966, 31 f. Anmerkung zu Cass. soc. 9. 3. 1966, in: Dr. soc. 1966, 428. Anmerkung zu Cass. civ. 27. 7.1968, in: Dr. soc. 1969, 49 ff. Anmerkung zu Cass. soc. 13.5.1969, in: D. 1969, 529 f. Anmerkung zu Cass. soc. 10.12.1969, Cass. soc. 15.1.1970, Cass. soc. 12.2. 1970, in: Dr. soc. 1970, 234 ff. Anmerkung zu Cass. civ. 9.3.1938, C. Lyon, 18.1. 1938, in: Dr. soc. 1938, 185 ff. Anmerkung zu CE 12.2.1960, in: J C P 1960, 1169 bis. Les critères de la représentativité syndicale au sein de l'entreprise, in: Fac. Dr. Lille, Journée, d'études, 288 ff. Anmerkung zu Trib. pol. Paris, 26.9.1963, in: J C P 1964.2.13665. Anmerkung zu CE 13. 7. 1966, in: J C P 1966.2.14900. Anmerkung zu Trib. corr. Villeneuve-sur-Lot, 19.4. 1967, in: D. 1968, 334 ff. Anmerkung zu Cass. crim. 8. 5.1968, in: D. 1968, 564. Anmerkung zu Cass. crim. 28. 5. 1968, in: D. 1969, 472 f. Anmerkung zu Trib. inst. Melun, 28.2.1969, in: J C P 1969.2.16077. Anmerkung zu Cass. soc. 13.5. 1969, Cass. soc. 4. 6.1969, in: J C P 1970.2.16208. Anmerkung zu Trib. inst. Melun, 28.2.1969, in: Gaz. Pal. 1969.1.246. Anmerkung zu C. Douai, 11.11.1901, in: S. 1901.2.289. Anmerkung zu Cass. crim. 28.2. 1902, in: S. 1902.1.246. Anmerkung zu C. Riom, 7.2.1900, in: S. 1903.2.225 ff. Anmerkung zu Cass. req. 25.1.1905, in: S. 1906.1.209 f.

XXVIII Waldeck-Rousseau

Waline, Marcel Waline, Marcel

2.

Circulaire du Ministre de l'Intérieur aux préfets, relativement à l'application de la loi des syndicats professionnels, (abgek. zit.: Circulaire) in: J O 28.8.1884, 4594 if. Notes de jurisprudence, in: R D P 1950, 691 ff. Notes de jurisprudence, in: R D P 1958, 98 ff. Anmerkung zu Cass. civ. 9.6.1896, in: S. 1897.1.25 ff. IV.

BOT Bull.

Materialien

Bulletin de l'Office du Travail, Jahrg. 1894. Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambre civile — section sociale, chambre sociale, Jahrg. 1958, 1959, 1960, 1961, 1962, 1963, 1964, 1966, 1967, 1968. Bulletin du Ministère du Travail Jahrg. 1924. Bull. Min. Trav. Collection complète des lois, décrets, ordonnanColl. Duvergier ces, règlements et avis du Conseil d'Etat par J. B. Duvergier, Bd. II, III, XIV, IIL, LII, LXIV. Compte Rendu Ass. Nat.Compte rendu des séances de l'Assemblée nationale législative 1849, Bd. III. Nouveau répertoire de droit, Bd. IV, 2. Aufl., Dalloz Paris 1965, auf dem Stand von 1970. Répertoire méthodique et alphabétique de législaD. Répertoire tion, de doctrine et de jurisprudence en matière de droit civil, commercial, pénal, administratif, de droit des gens et de droit public (Dalloz), Bd. XXVII. Encycl. Dalloz, Dr. Soc. Encyclopédie Dalloz. Répertoire de droit social et du travail, Bd. II, G—Z, Paris 1961. Table mensuelle du Journal officiel de la RépuJO blique française. — Lois et décrets, Jahrg. 1884, 1936, 1937, 1939, 1945, 1946, 1948, 1950, 1951, 1955, 1958, 1959, 1961, 1963, 1965, 1968. Journal officiel de la République française. ChamJ O Chambre Débats bre des députés. Débats parlementaires, compte rendu in extenso, Jahrg. 1881, 1883, 1890, 1891, 1892. Journal officiel de la République française. Débats übergegangen in J O Débats A N parlementaires. Assemblée nationale, Jahrg. 1968. JO Chambre, Doc. Pari. Journal officiel de la République française. Chambre des députés. Documents parlementaires. Annexes aux procès-verbaux des séances. Projets et propositions de lois. Exposés des motifs et rapports, Jahrg. 1881, 1883, 1899. J O Sénat Débats Journal officiel de la République française. Sénat. Débats parlementaires, compte rendu in extenso, Jahrg. 1882, 1884, 1917.

XXIX übergegangen in JO Débats Sénat Moniteur

Moniteur (Réimp.)

Petits Codes Dalloz Petits Codes Dalloz Rec. Isambert

Rec. Lebon

S. Lois annotées

Journal officiel de la République française. Débats parlementaires. Sénat, Jahrg. 1968. Gazette nationale ou le Moniteur universel devenu en 1811 Le Moniteur universel, Journal officiel de l'Empire française (de la République française), Jahrg. 1834, 1848, 1849, 1864. Réimpression de l'Ancien Moniteur, seule histoire authentique et inaltérée de la Révolution française. Depuis la reunion des Etats-Généraux jusqu'au Consulat. Assemblée constituante, Bd. I, VIII. Code civil, annoté d'après la doctrine et la jurisprudence, 69. Aufl., Paris 1969/1970. Code du travail (Textes codifiés et textes annexes), 35. Aufl., Paris 1968. Recueil général des anciennes lois françaises depuis l'an 420 jusqu'à la Révolution de 1789 par Jourdan, Decrusy, Isambert, Bd. XII, XIV, XV, XVI, XVIII, XXIII, XXIV, XXVII. Recueil des décisions du Conseil d'Etat statuant au contentieux du tribunal des conflits et des jugements des tribunaux administratifs (Collection Lebon, Panhard, Chalvon, Demersay), Jahrg. 1947, 1950, 1951, 1954, 1956, 1958, 1962. Lois annotées ou Lois, décrets, ordonnances, avis du Conseil d'Etat, etc. (Sirey), Jahrg. 1901—1905, 1921—1922.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS a. a. O. abgek. zit. Abs. AN Ann. synd. Art. Aufl. Bd. BIT BOT Bull.

am angegebenen Ort abgekürzt zitiert Absatz Assemblée nationale Annales syndicales Artikel Auflage Band, Bände Bureau International du Travail Bulletin d l'Office du Travail Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambre civile-section sociale; chambre sociale Bull. min. trav. Bulletin du ministère du travail Bull. soc. législ. comp. Bulletin de la société de législation comparée C. Cour d'appel Cass. Cour de cassation

XXX Cass. civ. Cass. crim. Cass. req. Cass. soc.

C. civ. CE CFDT CFT CFTC CGC CGT CGT-FO CNPF Coll. Coll. Dr. soc. Cons. Prud. C. p. CSA CSCC CT D.

DA DH Dr. ouvr. Dr. soc. Encycl. Fac. Dr. Lille FO Fußn. Gaz. Pal. Gaz. Prud. h. L. h. M. ICE

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XXXI Jahrg. JCP JO Moniteur NR OV R AP RCLJ RdA RDM RDP Ree. réimp. REP Rev. cons. prud. Rev. soc. RFAS RFT RH RPDS RPP S.

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VORWORT Die nachfolgenden Untersuchungen über die Entwicklung des f r a n zösischen Rechts der Koalitionen setzen in dem Zeitpunkt ein, in dem sich infolge der Entartung des Zunftwesens die Notwendigkeit von freien, dauerhaften Vereinigungen zur Verteidigung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder (Koalitionen) in Frankreich bemerkbar macht, und enden mit der Diskussion des Gesetzes vom 27. Dezember 1968 über die gewerkschaftlichen Rechte im Unternehmen (Betrieb). Diese vom Ende des Ancien Regime bis zur Gegenwart reichende Zeitspanne läßt sich unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung des französischen Rechts der Koalitionen in fünf Abschnitte gliedern. Jedem dieser Abschnitte ist ein Teil der vorliegenden Arbeit zugeordnet. Die erste Entwicklungsphase des französischen Koalitionsrechts, die sich von Beginn des 16. Jahrhunderts bis Anfang des 19. Jahrhunderts erstreckt, zeichnet sich in tatsächlicher Hinsicht durch die Existenz zahlreicher Koalitionen in Form von Gesellenbünden, Bruderschaften und sogenannten „sociétés de secours mutuels", in rechtlicher Hinsicht durch ein absolutes Koalitionsverbot aus, dessen Gründe interessieren. Neben den dauerhaften Berufsvereinigungen untersagt das Gesetz auch tatsächliche, zeitlich begrenzte Zusammenschlüsse berufstätiger Personen. Obwohl diese Form des Zusammenschlusses dem gestellten Thema nach hätte unberücksichtigt bleiben können, empfahl es sich, auf sie und ihre rechtliche Beurteilung wegen der koalitionsnahen Tätigkeit der zeitlich begrenzten Vereinigungen, die üblicherweise in der Vorbereitung des Streiks besteht, und wegen des Einflusses einzugehen, den die Gesetzgebung zur Freiheit, sich vorübergehend zusammenzuschließen, auf die Entwicklung des Koalitionsrechts genommen hat. Während der zweiten Entwicklungsphase, die sich bis zum 2. Kaiserreich hinzieht, kommt es zur ersten gesetzlichen Anerkennung der Koalitionsfreiheit, die allerdings nicht lange dauert. Dagegen wird es 1864 den Arbeitgebern und Arbeitnehmern gestattet, vorübergehende Zusammenschlüsse zur Verteidigung ihrer beruflichen Interessen zu bilden. In die dritte Periode, die der 2. Weltkrieg unterbricht, fällt die endgültige Anerkennung der Koalitionen durch das Gesetz von 1884, das eine ausführliche Erörterung verdient, da seine grundsätzlichen Bestimmungen heute noch in K r a f t sind. W a r bisher f ü r die Beurtei3

Engels, Die Entwicklung . . .

2 lung des Koalitionsrechts vorwiegend das Verhältnis zwischen Staat und Berufsverbände ausschlaggebend, so rücken nach Verkündung des Grundsatzes der Koalitionsfreiheit die Beziehungen der Koalitionen untereinander und vor allem ihr Verhältnis zum einzelnen in den Vordergrund. Nicht mehr der Staat, sondern die Berufsverbände selbst und die Arbeitgeber versuchen, diejenigen Aspekte des Prinzips der Koalitionsfreiheit zu unterdrücken, die sich negativ für sie auswirken. Daher gebührt nun dem Schutz der Koalitionsfreiheit gegen Angriffe privater Dritter die größte Beachtung, ohne dabei aber die Bedeutung des Gesetzes von 1920 über die erweiterten Befugnisse der Koalitionen zu verkennen. Die 1940 beginnende Krise, in die das Koalitionsrecht im vierten Entwicklungsabschnitt dadurch gerät, daß der Staat die bisher freien Koalitionen durch abhängige Zwangs- und Einheitsberufsverbände ersetzen will, währt nur kurz. Mit ihrer Oberwindung im Jahre 1944 fängt die fünfte, letzte und dynamischste Entwicklungsphase an. Der Grundsatz der Koalitionsfreiheit wird in der Verfassung verankert und erhält einen zusätzlichen Schutz durch einfaches Gesetz, das insbesondere koalitionsfeindlichen Maßnahmen der Arbeitgeber wehren soll. Der Staat ruft die Verbände zur Zusammenarbeit auf wirtschaftsund sozialpolitischem Gebiet auf und überträgt ihnen im Bereich der Legislativen, Exekutiven und Rechtsprechung weitreichende Funktionen, von denen im Rahmen dieser Arbeit nur die wichtigsten berücksichtigt werden können, die für ein Ermessen der Auswirkungen der Partizipation auf das Koalitionsrecht genügen. Das bereits erwähnte Gesetz vom 27. Dezember 1968, das die Sektionsfreiheit der Gewerkschaften und eine berufsverbandliche Aktivität im Unternehmen (Betrieb) garantiert, stellt den vorläufigen Abschluß der Entwicklung des französischen Rechts der Koalitionen dar.

TEIL 1

Die Periode des absoluten Koalitionsverbots Mit Beginn des 16. Jahrhunderts zeichnet sich in Frankreich der Verfall der mittelalterlichen Berufsorganisation ab. So wie die Meister die Zünfte zur Verteidigung ausschließlich ihrer Privilegien mißbrauchen, versuchen die Gesellen und Lehrlinge, aus den Zünften auszubrechen und freie Verbände zur Verteidigung ihrer eigenen beruflichen Interessen zu gründen. Aus dieser Zeit stammt das erste Koalitionsverbot, das König Franz. I. im Jahre 1539 im Edikt von Villers-Cotterets ausspricht und das bis Ende des Ancien Regime in mehreren Ordonnanzen wiederholt wird (Kapitel 1). Nach der Revolution von 1789, die das Zunftwesen abschafft und die Arbeitsfreiheit verkündet, bleibt zunächst unklar, ob sich aus dem Dekret d'Allarde auch eine andere Beurteilung der Koalitionen ergibt. Im Gesetz Le Chapelier erneuert jedoch der Gesetzgeber das Koalitionsverbot und k n ü p f t damit an die Rechtslage während des Ancien Régime an (Kapitel 2). Das Gesetz Le Chapelier dient in der Folgezeit als grundlegende N o r m für die Koalitionsfrage. An ihm orientieren sich die Strafvorschriften über die Koalitionen des Konsulats und des 1. Kaiserreichs (Kapitel 3) sowie die der Restauration und der Juli-Monarchie (Kapitel 4). Kapitel

1

Das Ancien Régime Während des Mittelalters schließen sich in vielen Städten Frankreichs die Meister, Gesellen und Lehrlinge des gleichen Handwerks zu einer gemeinsamen Berufsorganisation, der Zunft, zusammen. 1 Die Zunft ist hierarchisch aufgebaut. Ihre Leitung liegt in den H ä n d e n der Meister. Sie allein bestimmen über den Inhalt der Satzung, 2 die 1 Vgl. Martin Saint-Léon, Corporations de métiers, 47 fF.; Laroque, Les rapports entre patrons et ouvriers, 19. 2 Die Satzung wird von der Hauptversammlung der Zunft beschlossen. Ihr gehören aber in der Regel nur Meister an; Olivier-Martin, Précis d'histoire du droit français, 366.



4 das Korporationsleben und die Berufsausübung regelt, und wachen über ihre Einhaltung durch die Gesellen und Lehrlinge. 3 Eine Stufe tiefer stehen die Gesellen. Sie haben durch Ablegen der Gesellenprüfung das Recht erlangt, einen Beruf auszuüben. Die unterste Sprosse der Hierarchie nehmen die Lehrlinge ein, die keine Rechte besitzen.4 Trotz der ungleichen Rechte der Zunftmitglieder zeichnen sich die Korporationen anfangs durch einen starken Gemeinschaftsgeist aus, der auf der annähernd gleichen sozialen Stellung der Mitglieder beruht. Geselle und Meister verrichten am selben Arbeitsplatz die gleiche Handarbeit; der Geselle kann Meister werden, wenn er den notwendigen Fähigkeitsnachweis erbringt; der Lehrling wird in die Familie des Meisters aufgenommen und als deren Mitglied behandelt. 5 Das gute Einvernehmen zwischen den Zunftmitgliedern drückt sich auch in der gegenseitigen Hilfe aus, die sie sich in Notfällen leisten. Zu diesem Zweck beteiligen sie sich an einer gemeinsamen Unterstützungskasse, auf die diejenigen Mitglieder zurückgreifen können, die infolge von Krankheit in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.6 Auf religiösem Gebiet wirken Meister und Gesellen ebenfalls zusammen. Sie gründen Bruderschaften („confréries"), die sich in den Dienst eines Heiligen stellen und karitative Aufgaben erfüllen. 7 Die Zunft erscheint in dieser Zeit ihrer Blüte als eine harmonische berufliche Lebensgemeinschaft, in der die Meister ihre Privilegien nicht mißbrauchen, sondern sich für das Wohl des ganzen Berufs einsetzen.

§1 Die E n t s t e h u n g v o n Gesellenbünden als Folge der E n t a r t u n g des Z u n f t w e s e n s Gegen Ende des Mittelalters geht allmählich das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Zunftmitgliedern verloren, bis schließlich eine völlige Entfremdung zwischen Meistern und Gesellen eintritt. Zwei Ursachen können für diese Entwicklung genannt werden: 1. Das korporative System steht und fällt mit der christlich-mittelalterlichen Lebensauffassung, nach der die Zunftmitglieder, vor allem 3

Vgl. Olivier-Martin, Précis d'histoire du droit français, 366. Ausführlich zum ganzen Martin Saint-Léon, Corporations de métiers, 78 fi. 5 Siehe Martin Saint-Léon, Corporations de métiers, 85 f. 8 Brèthe de la Gressaye, Le syndicalisme, 5. 7 Vgl. Olivier-Martin, L'organisation corporative, 93; Coornaert, Corporations, 232. 4

5 aber die Meister, nicht zum eigenen Vorteil, sondern f ü r das Wohl aller zu arbeiten haben. 8 Anfang des 16. Jahrhunderts entfernt man sich von dieser Einstellung. Die Mentalität der Menschen hat sich grundlegend geändert. 8 Die Renaissance führt zu einem freieren Denken. Das Interesse an Luxusgütern steigt. Die Lebensgestaltung wird anspruchsvoller und damit entsteht das Streben nach persönlichem Gewinn. 1 0 Die Meister nutzen nun ihre Vormachtstellung in der Z u n f t zum eigenen Vorteil aus. Sie entlohnen die Gesellen schlecht und erschweren ihnen den Weg zur Meisterschaft. 2. Mit den Edikten vom Dezember 1581 und April 1597 11 verfügen die Könige Heinrich III. und Heinrich IV., daß in ganz Frankreich das System des „métier juré" 1 2 eingeführt wird. 1 3 Das „métier juré" — auch „jurande" genannt — ist ein Verband von natürlichen Personen, die in einer Stadt oder einer bestimmten Gegend das gleiche Handelsgewerbe betreiben oder den gleichen Beruf ausüben, zur Wahrung der legitimen Interessen des ganzen Berufs 14 und unterliegt als juristische Person 15 des öffentlichen Rechts 18 der staatlichen Kontrolle. Mit der Z u n f t hat es den hierarchischen Aufbau gemein. Es unterscheidet sich jedoch von ihr darin, daß es die ehemalige Beitrittsfreiheit durch einen Beitrittszwang ersetzt. Jeder, der einen Beruf ausüben will, muß also jetzt in das entsprechende „métier juré" eintreten. 17 Neben dem „métier juré" wird kein anderer Zusammenschluß geduldet; dem „métier juré" kommt eine Monopolstellung hinsichtlich der Berufsausübung zu. 18 8

Vgl. Olivier-Martin, L'organisation corporative, 149. Baudin, Le corporatisme, 56. 10 Dollêanes-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 85. 11 Ree. Isambert, Bd. X I V , 509 und Bd. X V , 135 ff. 12 Die Bezeichnung „métier juré" rührt daher, daß man sich bei Eintritt in die Korporation durdi einen Eid an sie bindet; vgl. DolléansDehove, Histoire du travail, Bd. I, 60. 13 Hauser, Ouvriers du temps passé, 134, weist aber darauf hin, daß sich dieses System auf dem Lande kaum durchsetzt. 14 Olivier-Martin, L'organisation corporative, 122. 15 Die Rechtspersönlichkeit des „métier juré" kommt durch den Besitz eines eigenen Siegels und die Fähigkeit, Grundstücke zu erwerben und vor Gericht zu klagen, zum Ausdrude; vgl. Olivier-Martin, L'organisation corporative, 144 ff. 16 So Baudin, Le corporatisme, 9. Das „métier juré" übt beispielsweise Polizeifunktionen aus und hilft bei der Steuereintreibung; vgl. Olivier-Martin, L'organisation corporative, 179 ff., der allerdings nur von einem halb-öffentlichen Organ spricht. 17 Olivier-Martin, L'organisation corporative, 122. 18 Baudin, Le corporatisme, 53; Dollêans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 60. 9

6 Wenn schon in der Zunft ein harmonisches Zusammenleben und Arbeiten der Mitglieder nur dadurch zu gewährleisten war, daß die Eigeninteressen dem Gesamtinteresse untergeordnet wurden, so muß diese Einstellung erst recht jetzt bei allen Mitgliedern vorherrschen, andernfalls die Einrichtung des „métier juré" die Gesellen und Lehrlinge der Willkür der Meister ausliefert. Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Aufkommen eines solchen Gemeinschaftsgeistes sind jedoch beim „métier juré" nicht mehr gegeben. Das Zusammengehörigkeitsgefühl in einer hierarchisch geordneten Korporation wird nur in einem Mitgliederkreis geboren, der überschaubar ist und sich aus Personen zusammensetzt, die einander kennen und vertrauen. Das Edikt vom Dezember 1581 bestimmt, daß die Lehre, gleich wo sie abgeschlossen wird, in allen Städten des Königsreichs anzuerkennen ist. Folglich kann sich das „métier juré" nicht mehr wie die Zunft gegenüber nicht einheimischen Handwerkern abkapseln und die Zahl der Gesellen und Lehrlinge niedrig halten. 1 " Die Meister stehen daher im „métier juré" einer wachsenden Zahl von Handwerkern gegenüber, die alle nach dem Meistertitel streben. Da sie in ihnen die zukünftigen Konkurrenten fürchten und um ihre Vorrechte bangen, mißbrauchen die Meister ihre Allmacht im „métier juré" dazu, den Gesellen die Meisterschaft unmöglich zu machen.20 Sie nehmen in die Satzung Vorschriften auf, die für das Erringen des Meistertitels die Entrichtung einer für die Gesellen unerschwinglichen Geldsumme an das „métier juré" oder den König 21 und das Herstellen eines Meisterstückes verlangen, das anzufertigen die Gesellen außerstande sind.22 Endlich muß der neue Meister noch zu Ehren seiner Kollegen ein Festessen geben,23 das er ebenfalls kaum finanzieren kann. Auf die Söhne und Schwiegersöhne der Meister treffen diese Satzungsbestimmungen indessen nicht zu. 24 Wer Meister wird, richtet sich also nicht mehr nach dem Können, sondern nach den verwandtschaftlichen Beziehungen des Gesellen zum Meister. Damit hat das „métier 19

Martin, Les associations ouvrières, 30; Haussonville, Le combat contre la misère. I. Les corporations et les syndicats mixtes, R D M 1885, 288 (301 f.). 20 Vgl. Martin Saint-Léon, Corporations de métiers, 250; Hauser, Ouvriers du temps passé, 122; Renard, Syndicats, trade-unions et corporations, 124 S . 21 Coornaert, Corporations, 162. 22 So nennt Vaille, La coalition ouvrières, 41, das Beispiel eines Gerbergesellen, der ein sehr schwieriges und langwieriges Werk zu erstellen hat, dessen Besdiläge zudem aus Silber sein müssen. 23 Vgl. Häuser, Ouvriers du temps passé, 123. 84 Siehe Coornaert, Corporations, 197; Bouvier-Ajam, La doctrine corporative, 147.

7 juré" seinen Charakter als Berufsorganisation verloren, die sich nach Baudin25 dadurch auszeichnet, daß ihre Mitglieder „nicht nach dem, was sie sind, sondern nach dem, was sie machen", eingestuft werden. An die Stelle des ehemals beispielhaften Gemeinschaftsgeistes der Zunft tritt das auf Gewinnstreben ausgerichtete Kastendenken der Meister, die das „métier juré" zu ihrem Interessenverband umformen. In der Hand der Meister wird das „métier juré" ein wirksames Instrument, ihre Position gegen den Andrang der Gesellen zu behaupten. Das Gesellesein ist nicht mehr eine nur „vorübergehende Etappe" auf dem Berufsweg zur Meisterschaft, sondern eine endgültige soziale Stellung.26 Eine Entschädigung für die verlorene Aussicht, den Meistertitel zu erwerben, wird den Gesellen weder in Form einer Erhöhung ihres dürftigen Lohnes noch in Form einer Verkürzung der Arbeitszeit zuteil, die durchschnittlich 12 bis 16 Stunden beträgt. 27 Aus der Erkenntnis heraus, daß sie innerhalb des „métier juré" nichts gegen die Meister ausrichten können, schließen sich, die Gesellen außerhalb der Korporation zusammen, sei es, daß sie ihre Vereinigungen als religiöse Bruderschaften tarnen, sei es, daß sie sie offen als Gesellenbünde bezeichnen.28 §2 Die Gesellenbünde als V o r l ä u f e r der m o d e r n e n A r b e i t n e h m e r k o a l i t i o n e n u n d ihre rechtliche Beurteilung Die Gesellenbünde stellen die wichtigsten Arbeiterverbände während des Ancien Régime dar. 29 Da es sich bei ihnen um freie Vereinigungen handelt, die auf eine wirtschaftliche und soziale Besserstellung ihrer Mitglieder abzielen, können sie als die Vorläufer der modernen Arbeitnehmerkoalitionen betrachtet werden. 90 25

Le corporatisme, 6. Dollêans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 84. 27 Vaillé, La coalition ouvrière, 67 ff.; vgl. auch Rêbillon, Recherches sur les anciennes corporations ouvrières et marchandes de la ville de Rennes, 109: Keine Zunftsatzung der Stadt Rennes setzt einen Mindestlohn oder eine zulässige Höchstarbeitszeit fest. 28 Timbal, Histoire des institutions et des faits sociaux, 341 ; Haussonville, Le combat contre la misère. I. Les corporations et les syndicats mixtes, RDM 1885, 288 (302). 29 Dollêans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 100. 30 So Coornaert, Les compagnonnages en France, 35, 42; Dautry, Compagnonnage, 6; Louis, Histoire du mouvement syndical, Bd. I, 18; Renard, Syndicats, trade-unions et corporations, 160 ff.; Lagardelle, L'évolution des syndicats ouvriers en France, 51 ff. 26

s Wenn Durand-Vitu31 dem nicht ganz beipflichten können, so stellen sie zu sehr auf den ursprünglichen Charakter der Gesellenbünde ab und lassen deren veränderte Zielsetzung während des 17. und 18. Jahrhunderts außer acht. Die Tätigkeit der Bünde erschöpft sich zu dieser Zeit nicht mehr darin, den Gesellen, die auf ihrer „Tour de France" in fremde Städte kommen, bei der Suche nach Unterkunft und Arbeit zu helfen. 32 Sie entwickeln sich hingegen immer mehr zu Kampforganisationen, die sich gegen die Statuten, die Monopolstellung und Privilegien des „métier juré" auflehnen. 33 Sie treten dafür ein, daß das Arbeitsverhältnis nicht mehr einseitig vom Meister vorgeschrieben, sondern durch Vertrag mit den Gesellen gestaltet wird. Zeigt sich ein Meister diesen Forderungen abgeneigt, versuchen die Gesellenbünde, bessere Arbeitsbedingungen durch Streik zu erzwingen.34 Bald erfreuen sich die Bünde eines so großen Zulaufs, daß sie eine wirksame Verteidigung der Interessen der Gesellen gewährleisten und die Allmacht der Meister einschränken können. 35 Das liegt aber weniger an ihrer gefürchteten Streikfreudigkeit, als vielmehr an dem gelungenen Versuch, monopolähnliche Arbeitsvermittlungsorganisationen aufzubauen, ohne dessen Hilfe die Meister im 18. Jahrhundert keine Arbeiter mehr finden.36 Aus dieser Stellung heraus vermögen die Gesellenbünde ihre Forderungen durchzusetzen.

I. Die gesetzlichen Koalitionsverbote Die Ordonnanzen, Edikte, Deklarationen und „lettres patentes" 37 , die während des Ancien Régime zur Koalitionsfrage, das ist die Frage nach dem Recht auf Gründung freier Vereinigungen zur Ver31

Droit du travail, Bd. III, 58. Vgl. Coornaert, Corporations, 237. 33 Louis, Histoire du mouvement syndical, Bd. I, 18; Timbal, Histoire des institutions et des faits sociaux, 341; Renard, Syndicats, trade-unions et corporations, 103. 34 Das 18. Jahrhundert kennzeichnen unzählige Arbeitskämpfe, die hauptsächlich zur Durchsetzung höherer Lohnforderungen geführt werden; vgl. Martin, Les associations ouvrières, 136 ff. 35 Vgl. Coornaert, Corporations, 239; Dautry, Compagnonnage, 23. 39 Martin, Les associations ouvrières, 149. 37 Die „ordonnance" ist ein Gesetz, das verschiedene Rechtsgebiete umfaßt. Das „édit" regelt einen bestimmten Beruf. Die „déclaration" bezieht sidi auf ein früheres Gesetz oder enthält eine weniger förmliche Vorschrift. Die „lettres patentes" befassen sich mit einem ganz speziellen Fall. Alle diese Gesetze haben die gleiche zwingende Kraft (Martin, Les associations ouvrières, 44 f.). 32

9 teidigung der wirtschaftlichen Belange ihrer Mitglieder, erlassen werden, unterscheiden sich inhaltlich kaum voneinander. Sie alle enthalten ein absolutes Koalitionsverbot und drohen für den Fall der Zuwiderhandlung harte Strafen an, manchmal sogar die Todesstrafe. Franz I. kündigt in Artikel 191 des Ediktes von Villers Cotterets (1539) 3 8 die Auflösung aller Bruderschaften im Königreich an und untersagt „allen Meistern, Gesellen und Arbeitern jeden Berufs, Ordensgesellschaften zu gründen oder Versammlungen 3 9 abzuhalten", wobei Größe und Zweck der Versammlung unbeachtlich sind. Ferner verbietet er ihnen ausdrücklich, miteinander „in Ansehung ihres Berufs in Verbindung zu stehen oder zu treten . . . " . 4 0 Bemerkenswert an dieser Vorschrift ist ihre weite Fassung. Jede auch noch so harmlose Form des Zusammenwirkens auf beruflicher Ebene erklärt sie für unzulässig. Nicht nur Bruderschaften sondern sämtliche Arten von Vereinigungen, ob sie nun auf Dauer oder nur auf Zeit eingegangen sind, fallen unter dieses Edikt. 4 1 Die Ordonnanzen von Moulins ( 1 5 6 6 ) 4 2 und Blois ( 1 5 7 9 ) 4 3 wiederholen in Artikel 74 bzw. 37 sinngemäß die im Edikt von VillersCotterets ausgesprochenen Verbote unter dem Vorwand, die Mitglieder der Zünfte vor unnötigen Ausgaben schützen zu wollen, die ihnen bei Versammlungen und Banketts entstehen könnten. 4 4 Die Artikel 175 und 177 des Code Michaud ( 1 6 2 9 ) 4 5 bestimmen, daß jede Vereinigung und Versammlung ohne staatliche Erlaubnis zu unterbleiben hat. Während es unter der Herrschaft Ludwig X I V . keiner weiteren Erlasse zur Bekämpfung der Gesellenbünde bedarf, da das Königtum auf dem Höhepunkt seiner Macht steht und bei der Unterdrückung der Koalitionsfreiheit ohne aufsehenerregende Strafandrohungen auskommt, 4 6 mehren sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts wieder die Koalitionsbildungen, 4 7 die erneut gesetzliche Verbote zur Folge haben. In Artikel 3 der „lettres patentes" von 1749 wird angeordnet: „Wir Vgl. hierzu insbesondere Hauser, Ouvriers du temps passé, 189 ff. Mit dem allgemeinen Ausdruck „Versammlung" („assemblée") oder „Auflauf" („attroupement") werden bis ins 18. Jahrhundert die Gesellenbünde bezeichnet; Martin, Les associations ouvrières, 44. 40 Ree. Isambert, Bd. XII, 600 ff. (639). 41 Vgl. Hauser, Ouvriers du temps passé, 174. 42 Ree. Isambert, Bd. XIV, 185 ff. (210). 43 Ree. Isambert, Bd. XIV, 380 ff. (391). 44 Die Verbotsbegründung trifft nur für die Banketts, nicht für die Versammlungen, sprich Gesellenbünde, zu. Letzteren geht es doch gerade darum, die wirtschaftliche und soziale Lage der Gesellen und Arbeiter zu verbessern. 45 Ree. Isambert, Bd. XVI, 223 ff. (275). 46 Martin, Les associations ouvrières, 47 f. 47 Vgl. Vaillé, La coalition ouvrière, 77 ff. 38

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10 v e r b i e t e n allen Gesellen u n d A r b e i t e r n , sich in F o r m v o n B r u d e r s c h a f t e n o d e r sonstigen V e r e i n e n z u s a m m e n z u s c h l i e ß e n u n d so gegene i n a n d e r z u i n t r i g i e r e n , d a ß n u r die einen o d e r a n d e r e n bei den M e i s t e r n A n s t e l l u n g finden o d e r d a ß sie i h r e A r b e i t bei i h n e n einstellen; w i r u n t e r s a g e n f e r n e r , die M e i s t e r auf i r g e n d e i n e Weise d a r a n z u h i n d e r n , i h r e A r b e i t e r . . . selbst z u w ä h l e n . . , " 4 8 Dieses Gesetz weist i m Vergleich z u d e n v o r a u f g e g a n g e n e n V e r b o t s n o r m e n z w e i B e s o n d e r h e i t e n a u f . Z u m einen b e s c h ä f t i g t es sich a u ß e r m i t d e r K o a l i t i o n s f r e i h e i t e r s t m a l i g auch m i t d e r K o a l i t i o n s t ä t i g k e i t . Es v e r w i r f t i m 1. H a l b s a t z die s o g e n a n n t e n „mise à l ' i n d e x " , eine A r t B o y k o t t , 4 9 u n d d e n S t r e i k ; i m 2. H a l b s a t z spricht es sich gegen die a r b e i t s v e r m i t t e l n d e T ä t i g k e i t d e r G e s e l l e n b ü n d e aus. 5 0 D i e E r w ä h n u n g dieser b e r u f s v e r b a n d l i c h e n A k t i o n e n spiegelt d e n w a c h s e n d e n E i n f l u ß d e r K o a l i t i o n e n w i d e r . Z u m a n d e r e n richtet sich das G e s e t z n u r gegen die A r b e i t e r - u n d G e s e l l e n v e r e i n i g u n g e n , nicht gegen die M e i s t e r . O b a l l e r d i n g s h i e r i n schon d e r A n s a t z z u d e r s p ä t e r e n ungleichen B e h a n d l u n g d e r A r b e i t g e b e r - u n d A r b e i t n e h m e r k o a l i t i o n e n z u erblicken ist, w i e Martin51 m e i n t , scheint z w e i f e l h a f t . 5 2 D e r D r a n g , K o a l i t i o n e n einz u g e h e n , ist auf seiten d e r Gesellen u n d A r b e i t e r s t ä r k e r als bei d e n M e i s t e r n , die j a i m „ m é t i e r j u r é " bereits einen I n t e r e s s e n v e r b a n d besitzen. V e r s t o ß e n d e m n a c h hauptsächlich die A r b e i t e r gegen d a s K o a l i t i o n s v e r b o t , so ist v e r s t ä n d l i c h , d a ß sich die G e s e t z e gegen sie w e n d e n . D a s a n d i e M e i s t e r gerichtete K o a l i t i o n s v e r b o t f r ü h e r e r G e s e t z e w i r d jedoch nicht d a d u r c h h i n f ä l l i g , d a ß es die neuesten „lettres p a t e n t e s " nicht w i e d e r h o l e n . II. D i e G r ü n d e f ü r die U n t e r d r ü c k u n g der Koalitionsfreiheit Die koalitionsfeindliche Gesetzgebung unter dem Ancien Régime v e r s t e h e n z u w o l l e n , h e i ß t nach d e n G r ü n d e n forschen, die die K ö n i g e v e r a n l a s s e n , f r e i e V e r e i n i g u n g e n z u r V e r t e i d i g u n g d e r beruflichen Interessen i h r e r M i t g l i e d e r z u v e r b i e t e n . 48 Zitiert nach Sauzet, Essai historique sur la législation industrielle de la France, REP 1892, 390. Den gleichen Wortlaut weist Artikel 8 der „lettres patentes" vom 12. September 1781; siehe Ree. Isambert, Bd. XXVII, 78 ff. (80). 49 Begriff und Problem der „mise à l'index" werden später noch im Zusammenhang mit dem Schutz der negativen Koalitionsfreiheit ausführlich erörtert werden. 50 Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 104. 51 Les associations ouvrières, 48. 52 Nicht zu bestreiten ist dagegen, daß die koalitionsfeindliche Gesetzgebung in tatsächlicher Hinsicht allein die Gesellen und Arbeiter trifft, da die Meister infolge der Entartung des „métier juré" keine Koalition zur Verteidigung ihrer Interessen benötigen.

11 Als erstes drängt sich eine Überlegung allgemeiner A r t auf. Jeder Staat, insbesondere aber ein solcher, dem ein Gewaltherrscher vorsteht, argwöhnt hinter jedem Zusammenschluß von Bürgern, dem er nicht vorher ausdrücklich zugestimmt hat, eine auf Unruhe oder gar Umsturz bedachte Gruppe. So berufen sich denn auch die Könige bei ihrem Vorgehen gegen die Koalitionen auf ihre Stellung als Repräsentanten und Wahrer des „öffentlichen Friedens", die es ihnen gestattet, bei schweren Verstößen gegen diesen Frieden einzugreifen. 63 Als gefährliche Störungen des öffentlichen Friedens nennt beispielsweise Artikel 11 der Ordonnanz vom August 1670 54 neben A u f r u h r und Volksaufhetzung noch „unerlaubte Versammlungen" („assemblées illicites"). Was unter einer „unerlaubten Versammlung" genau zu verstehen ist, läßt die Ordonnanz ungeklärt. Aus der Aufzählung von A u f r u h r und Volksaufhetzung könnte man folgern, daß nur solche Versammlungen als unerlaubt im Sinne des Gesetzes gelten, die sich Taten zuschulden kommen lassen, die einen ähnlich schweren Unrechtsgehalt aufweisen wie diejenigen Handlungen, die man als Aufstand oder Volksaufhetzung bezeichnet. Diese Annahme trifft aber nicht zu. Die Könige erachten eine Versammlung nicht erst dann als unzulässig, wenn die Versammelten tätlich werden, sondern allein der Umstand, daß sich Bürger versammeln oder Vereine gründen, stellt ihrer Ansicht nach schon eine Störung der öffentlichen O r d n u n g dar. Bürger, die sich vorübergehend oder auf Dauer zusammentun, werden ohne Rücksicht auf die damit verfolgten Ziele von vorneherein als Feinde des Staates betrachtet. 55 Unter diesen dehnbaren Begriff der unerlaubten Versammlungen fallen auch die Koalitionen. Sie gelten demnach als Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. 5 8 Das Königtum hält desweiteren aus Sorge um das Wohl der Allgemeinheit an einem absoluten Koalitionsverbot fest. 57 U m des öffentlichen Interesses willen ist das „métier juré" zur staatlichen Berufsorganisation erklärt und zu einer Institution des öffentlichen Redits erhoben worden, 5 8 der es obliegt, nicht nur die berechtigten Forderungen zu verwirklichen, die die Berufsmitglieder gegeneinander geltend machen, sondern auch deren Ansprüche mit dem Allgemeinwohl in Einklang zu bringen. 59 Diesen Interessenausgleich sehen die Könige gefährdet, sobald Meister oder Gesellen Koalitionen gründen, die 53 54 55 56 57 58 59

Vgl. Martin, Les associations ouvrières, 35. Rec. Isambert, Bd. XVIII, 371 S. (373). Vgl. Martin, Les associations ouvrières, 38. Siehe Martin, Les associations ouvrières, 44. Martin, Les associations ouvrières, 38. Baudin, Le corporatisme, 9. Olivier-Martin, L'organisation corporative, 149.

12 ihnen als Unruheherde erscheinen, aus denen sich jederzeit Streiks entwickeln können, die das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigen. 60 Mehr als die Verantwortung f ü r das Allgemeinwohl treiben egoistische Gründe finanzieller Art die Könige dazu, die Koalitionsfreiheit zu unterdrücken. Seit dem Edikt vom Dezember 1581 gilt das Recht zu arbeiten als königiches Hoheitsrecht, das der Herrscher seinen Untertanen gegen Entrichtung einer Taxe verleiht. D a im „métier juré" als einem Einheits- und Zwangsverband alle abgabepflichtigen Berufstätigen registriert sind, vermag der König leicht, die neue Steuerquelle voll auszuschöpfen. 61 Organisieren sich dagegen die Berufstätigen außerhalb des „métier juré" in freien, staatsunabhängigen Vereinigungen, gestaltet sich die Eintreibung der Taxen bedeutend schwieriger. Außerdem würde sich die Anerkennung der Koalitionsfreiheit insofern nachteilig f ü r die Krone auswirken, als die Meister unter dem Druck der Arbeiter- und Gesellenvereine höhere Arbeitslöhne zahlen müßten, und dadurch die Abgabewilligkeit und Abgabefähigkeit der Hauptsteuerzahler verringert würde. Ist das Redit zu arbeiten ein hoheitliches Recht, so steht es dem Herrscher zu, einseitig die Arbeitsbedingungen festzusetzen. Diese Befugnis hat er auf das „métier juré" zu übertragen, das f ü r ihn die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Meistern und Gesellen satzungsmäßig zu regeln hat. 6 2 Wenn aber Gesellen und Arbeiter Koalitionen bilden, um von den Statuten abweichende, günstigere Arbeitsbedingungen durch Vertrag mit den Meistern zu vereinbaren, lehnen sie sich damit gegen königliches Recht auf. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich die Könige hauptsächlich aus finanziellen Gründen dagegen sperren, die Koalitionen der Arbeiter und Gesellen als das hinzunehmen und anzuerkennen, was sie wirklich sind, nämlich infolge der Entartung des „métier juré" notwendig gewordene Vereinigungen von Bürgern des gleichen Berufs zur Wahrung ihrer berechtigten beruflichen Belange. Statt dessen werden die Verbände unbesehen als gefährliche Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hingestellt, deren Unterdrückung sich angeblich zum Wohl der Allgemeinheit auswirkt, die tatsächlich aber nur dem König und den Meistern zugute kommt und den Arbeitern und Gesellen als dem ganz überwiegenden Teil der Allgemeinheit zum Schaden gereicht. 60

Vgl. Sauzet, Essai historique sur la législation industrielle de la France, REP 1892, 376. 61 Nach Ansicht Bouvier-Ajam, la doctrine corporative, 142, und Baudin, Le corporatisme, 53, haben die Könige das „métier juré" in erster Linie aus steuerlichen Gründen eingeführt; vgl. auch Sauzet, Essai historique sur la législation industrielle de la France, REP 1892, 363. 62 Siehe Martin, Les associations ouvrières, 33 f.

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III. Die Kritik der Physiokraten und das Edikt vom Februar 1776 Mitte des 18. Jahrhunderts melden sich die ersten kritischen Stimmen zum Problem des „métier juré" und zur Auffassung, das Recht zu arbeiten sei ein Hoheitsrecht. 63 So greifen die Physiokraten, die zu den schärfsten Gegnern des „métier juré" zählen, 64 nicht nur die Ausartung dieser Berufsorganisation an, sondern halten sie bereits in ihrer Grundkonzeption f ü r verfehlt. Sie sind davon überzeugt, daß die Kaufleute und Handwerker einen größeren Unternehmungsgeist und mehr Fleiß entwickeln und letztlich dem Allgemeinwohl besser dienen, wenn sie nicht wie im „métier juré" einer straffen Berufsordnung unterliegen, sondern in ihrer Arbeit nur von ihrem persönlichen Interesse angetrieben werden. 6 5 Jede Reglementierung betrachten sie als Verstoß gegen die natürliche Ordnung, die auf der Arbeitsund Handelsfreiheit aufbaut. 6 6 Mit der Ernennung von Turgot zum Generalkontrolleur der Finanzen gelangt ein Vertreter der physiokratischen Lehre an die Macht. Im Edikt vom Februar 1776 67 versucht er, die Theorie in die Praxis umzusetzen. 68 In der Präambel des Edikts wird die überkommene Ansicht, das Recht zu arbeiten sei ein Hoheitsrecht, als unvereinbar mit dem Naturrecht aufgegeben. Das Recht zu arbeiten wird nun als „das erste, heiligste und unantastbarste G u t " eines jeden Menschen bezeichnet. Unter Berufung auf dieses „unveräußerliche Recht der Menschheit" schafft Turgot das „métier juré" ab (Artikel 1) und erklärt alle diesbezüglichen Vorschriften f ü r nichtig, da sie viele Untertanen des Königs in ihrer Existenz bedrohen und dem industriellen Fortschritt schaden. Indem Turgot die Arbeitsfreiheit verkündet, entfallen die wesentlichen Bedenken, die das Königtum bisher gegen die Koalitionsfreiheit geltend gemacht hat. Dennoch hält er in Artikel 14 des Edikts das Koalitionsverbot aufrecht. Den Meistern, Gesellen und Arbeitern ist es weiterhin verwehrt, Vereinigungen zu bilden oder Versammlungen abzuhalten, gleich unter welchem Vorwand dies geschieht. Turgots koalitionsfeindliche H a l t u n g erklärt sich aus seinem Staatsauftrag. Als Generalkontrolleur der Finanzen hat er sich darum zu bemühen, den Reichtum des Landes zu vergrößern. 6 9 Dabei baut er auf die Freiheit und Initiative des einzelnen. Diese Freiheit erkennt 83 84 65 66 87 88 89

Olivier-Martin, L'organisation corporative, 510. Vgl. Olivier-Martin, L'organisation corporative, 517. Olivier-Martin, Précis d'histoire du droit français, 371. Olivier-Martin, L'organisation corporative, 517. Rec. Isambert, Bd. X X I I I , 370 S. Coornaert, Corporations, 175. Coornaert, Corporations, 175.

14 er aber nur insoweit an, als sie sich vorteilhaft auf den industriellen Fortschritt und die Staatskasse auswirkt. Das Maß der Freiheit auch nach den Bedürfnissen des einzelnen zu bemessen, liegt ihm fern. 70 Da die Koalitionsfreiheit ausschließlich den privaten Interessen der Arbeiter und Gesellen dient, ihre Koalitionen durch Streik sogar Industrie und Wirtschaft lähmen und damit Turgots Aufgabe erschweren können, besteht er auf der Beibehaltung des Koalitionsverbots. Nach Turgots Sturz wird mit dem Edikt vom 23. August 177671 das „métier juré" erneut zur geltenden Berufsorganisationsform erklärt. Damit verschlechtern sich wieder die Voraussetzungen für die Anerkennung der Koalitionsfreiheit. 72 Erst nach der Revolution von 1789 verwirft man das „métier juré" endgültig. Ob das Bekenntnis der Revolutionäre zur Freiheit nun auch die Freiheit, Koalitionen zu gründen, mitumfaßt, soll im folgenden Kapitel untersucht werden.

KAPITEL

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Die Lage der Koalitionen nach der Revolution von 1789 (1. Republik) Man sollte meinen, daß nach der Französischen Revolution die Abschaffung der verfehlten Berufsorganisation des „métier juré" und die Verkündung der Arbeitsfreiheit mit zu den vornehmsten Aufgaben der verfassungsgebenden Versammlungen von 1789 zählt. Doch dem ist nicht so. In der berühmten Nacht des 4. August 1789 werden zwar die Vorrechte des „métier juré" wie alle anderen Vorrechte auch in Zweifel gestellt, jedoch stimmt die Versammlung entgegen einer verbreiteten Meinung 1 nicht für die Abschaffung des „métier juré". 2 Sie spricht sich lediglich für eine „réformation des jurandes" 3 aus, läßt 70

Coornaert, Corporations, 176. Ree. Isambert, Bd. X X I V , 74 ff. 72 Vgl. Art. 42 des Edikts vom 23. August 1776: „Faisons defense auxdits corps et communautés, compagnons, apprentis et ouvriers, d'établir ou renouveler les confréries et associations que nous avons ci-devant (Art. 14 édit du février 1776) éteintes et supprimées, ou d'en établir de nouvelles, sous quelque prétexte que ce soit." 1 So meint z. B. Louis, Histoire du mouvement syndical, Bd. I, 38, daß sich die Versammlung bereits am 4. August 1789 im Prinzip für die Unterdrückung des „métier juré" entschlossen habe. 2 Olivier-Martin, L'organisation corporative, 547. 3 Siehe Moniteur (réimp.) Bd. I, 288. 71

15 4

also diese Institution im Prinzip unangetastet. Folglich erfahren auch die Koalitionen keine andere Beurteilung. Erst zwei Jahre später empfiehlt d'Allarde, der mit der Ausarbeitung eines Steuergesetzes beauftragt ist, die neue Gewerbesteuer mit der Abschaffung des „métier juré" zu verbinden. 5 Die Notwendigkeit der Freiheit der Arbeit, des Handels und der Industrie belegt er mit den gleichen Argumenten, deren sich die Physiokraten bedienen und die Turgot in der Präambel seines Edikts angeführt hat. 6 Die Versammlung nimmt den Vorschlag an, der zum Gesetz vom 2.—17. März 17917 wird, bekannt als „décret d'Allarde". 8 Artikel 7 dieses Gesetzes bestimmt, daß es ab 1. April des Jahres jedermann freisteht, welchen Handel er treiben und welche Arbeit er ausüben will.9 Das „métier juré" ist damit endgültig abgeschafft.

§1 Der Streit um die Auslegung des Dekrets d'Allarde v o m 2. bis 17. März 1791 in bezug auf die Koalitionsfreiheit Vergleicht man das Dekret d'Allarde mit dem Edikt Turgots, so fällt auf, daß eine dem Artikel 14 des Edikts vom Februar 1776 entsprechende Bestimmung fehlt, die freie Vereinigungen der Gesellen, Lehrlinge und Meister verbietet. Es fragt sich daher, wie das Schweigen des Gesetzgebers zu verstehen ist. Dolléans-Dehove10 schließen aus dem Schweigen, die Verfasser des Dekrets d'Allarde hätten das Koalitionsproblem übersehen und sich somit weniger weitschauend als Turgot gezeigt, der ein Wiederaufleben des „métier juré" im Gewände der Koalitionen gefürchtet 4 So Martin Saint-Léon, Corporations de métiers, 553; Sauzet, Essai historique sur la législation industrielle de la France, REP 1892, 890; vgl. auch Olivier-Martin, L'organisation corporative, 547 und RouastDurand, Législation industrielle, 15. 5 Soreau, La loi Le Chapelier, 10. 6 Levasseur, Histoire des classes ouvrières, Bd. I, 22. 7 Coll. Duvergier, Bd. II, 230 ff. 8 Die Gesetze, die während der Revolution zustande kommen, werden unterschiedslos als „lois" oder „décrets" bezeichnet; Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 91, Fußn. 1. 9 „A compter du 1 e r avril prochain, il sera libre à toute personne de faire tels négoce ou d'exercer telle profession, art ou métier qu'elle trouvera bon; mais elle sera tenue de se pourvoir auparavant d'une patente, d'en acquitter le prix suivant les taux ci-après déterminés et de se conformer aux règlements de police qui sont ou pourront être faits." 10 Histoire du travail, Bd. I, 133.

16 habe. Die Nichterwähnung des Koalitionsverbots sei lediglich ein Versehen des Gesetzgebers und gebe daher keinen Anhalt dafür, daß der Staat von nun an die Koalitionen als zulässig erachte, wie dies manchmal ohne jede Begründung angenommen werde. Doch auch Dolléans-Dehove bleiben einen Beweis f ü r die Richtigkeit ihrer These schuldig. Die gleiche Auffassung, daß die Koalitionen weiterhin untersagt sind, vertritt Soreau11, wenn er die Arbeiterzusammenschlüsse, die sich nach Erlaß des Dekretes d'Allarde mehren, damit erklärt, die Arbeiter hätten den Sinn des Dekrets falsch verstanden und so geglaubt, die Abschaffung des „métier juré" erlaube ihnen, sich zu Vereinigungen zusammenzuschließen. 12 Demgegenüber legt ein großer Teil der Literatur das Schweigen des Gesetzgebers als Erlaubnis aus, daß von nun an Bürger des gleichen Berufs zur Wahrung ihrer Interessen Koalitionen bilden dürfen. Diese Interpretation f u ß t in der Hauptsache auf zwei Überlegungen: Pic13 und Nourrisson14 argumentieren, daß Vereinigungen, die nicht ausdrücklich verboten sind, erlaubt sein müssen. Vaille15 und Villot18 führen darüber hinaus noch das Prinzip der Arbeitsfreiheit an, gegen das die Koalitionen im Vergleich zum „métier juré" nicht verstoßen, da sie auf Beitritts- und Austrittsfreiheit beruhen. Aus dem gleichen Grund halten auch Rouast-Durand17 die freien Vereinigungen f ü r erlaubt. In der Tat sprechen manche Gesichtspunkte f ü r die von DolléansDehove und Soreau geäußerte Ansicht. Der Gesetzgeber hat nach der Französischen Revolution eine große Aufgabe zu bewältigen, die vor allem in der völligen Neugestaltung des Staatsaufbaues 1 8 und der Vereinheitlichung der gesamten Zivilgesetzgebung 18 besteht. Bei einer solchen Fülle von Problemen ist es denkbar, daß der Gesetzgeber eine Frage zu regeln übersieht. Dieser Verdacht wird noch dadurch verstärkt, daß der damalige Gesetzgeber über eine nur dürftige Gesetzestechnik verfügt, die er dadurch unter Beweis stellt, daß er in einem Finanzgesetz Verfügungen grundsätzlicher Art trifft, 2 0 die mit dem 11

La loi Le Chapelier, 11. Ebenso Olivier-Martin, L'organisation corporative, 552. 13 Législation industrielle, 4. Aufl., 244. 14 La liberté d'association, Bd. I., 115. 15 La coalition ouvrière, 161. 18 Liberté syndicale, 26. 17 Législation industrielle, 16; Droit du travail, 19. 18 Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 246. 19 Vgl. Sagnac, La législation civile de la Révolution française, 13 ff., 381 ff. 20 Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 91. 12

17 „métier juré" eine Institution abschaffen, „die seit beinahe sieben J a h r h u n d e r t e n die Grundlage f ü r die nationale Arbeitsorganisation gewesen ist." 2 1 Dennoch erscheint es aus mehreren G r ü n d e n höchst unwahrscheinlich, d a ß der Gesetzgeber das Koalitionsproblem übersehen haben soll. Das Problem der Berufsorganisation ist unlösbar mit der Frage nach der Vereinigungsfreiheit der Bürger gleichen Berufs verbunden. Das „métier juré" f ü h r t zur N e g a t i o n dieser Freiheit. Diese Wechselbeziehung von Anerkennung der Z w a n g s k o r p o r a t i o n u n d U n t e r drückung der freien Koalition, die die Gesetzgebung w ä h r e n d des Ancien Régime kennzeichnet, w i r d den Verfassern des Dekretes d'Allarde k a u m verborgen geblieben sein, als sie sich dazu entschlossen, das „métier juré" abzuschaffen. A u ß e r d e m ist d a r a n zu erinnern, d a ß sich der Gesetzgeber der Revolution in seiner Entscheidung f ü r die Arbeits- u n d Handelsfreiheit von den Überlegungen leiten läßt, die Turgot in seinem E d i k t v o m Februar 1776 angestellt h a t . D ' A l l a r d e m u ß t e beim Studium dieses Gesetzes auf das Koalitionsproblem stoßen, das Artikel 14 des Edikts behandelt. Endlich führen die Arbeiter u n d Gesellen selbst dem Gesetzgeber das Koalitionsproblem vor Augen, indem sie nach der Revolution zu zahlreichen Streiks aufrufen. 2 2 Die These von Dolléans-Dehove u n d Soreau vermag nicht zu überzeugen. Die gegenteilige Interpretation des gesetzgeberischen Schweigens gibt auch A n l a ß , an ihrer Richtigkeit zu zweifeln, insbesondere was die Selbstverständlichkeit angeht, mit der aus dem P r i n z i p der Arbeitsfreiheit die Koalitionsfreiheit abgeleitet wird. Sicherlich, nach der heute herrschenden Ansicht widersprechen die G r u n d s ä t z e der Arbeitsu n d Koalitionsfreiheit einander nicht, vielmehr bildet diese das notwendige Korrelat zu jener Freiheit. 2 3 Doch nicht unsere moderne Auffassung sondern die des damaligen Gesetzgebers ist bei der E n t scheidung zugrunde zu legen, ob das D e k r e t d ' A l l a r d e mit der Arbeitsfreiheit indirekt auch die Koalitionsfreiheit anerkennt. U m eine Vorstellung v o n dem zu gewinnen, was der Gesetzgeber der Revolution mit dem P r i n z i p der Arbeitsfreiheit verbindet, ist eine Besinnung auf die Faktoren unerläßlich, die die Gesetzgebung dieser Zeit beeinflussen: Die Philosophie 2 4 u n d die Lehre der physiokratischen Schule. 25 21 22

Martin Saint-Léon,

Corporations de métiers, 555.

Vgl. Martin, Les associations ouvrières, 185. 23 Vgl. Laroque, Les rapports entre patrons et ouvriers, 37. 24 Vgl. Waline, L'individualisme et le droit, 42 ff.; Nourrisson, d'association, Bd. I, 94. 25 Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 48 f. 4

Engels, Die Entwidmung .

La liberté

18 Die Arbeitsfreiheit leitet sich von der allgemeinen Freiheit ab, wie sie in der Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte verkündet wird. 26 Die dort gemeinte Freiheitsidee läßt sich mit zwei Worten umreißen: Individualismus und Liberalismus. 27 Individualismus bedeutet, daß der Staat, dessen Zweck sich im Dienst am einzelnen erschöpft, mit seiner ihm vom einzelnen verliehenen Macht dafür zu sorgen hat, daß jedes Individuum die seinen Fähigkeiten entsprechende bestmögliche Entwicklung nimmt. Liberalismus will besagen, daß diese Vervollkommnung des einzelnen nur möglich ist, wenn er frei von jeder Behinderung seine Fähigkeiten und Anlagen voll zu entfalten vermag. 28 Diese notwendige Unabhängigkeit des Menschen kann aber nur dann aufrecht erhalten werden, wenn sich der einzelne fern von seinen Mitmenschen hält und sich der Allmacht des Staates anvertraut, der überaus gerecht und unfehlbar ist und einen ausreichenden Schutz des einzelnen gewährleistet. 29 Folglich sehen die Revolutionäre in jeder Vereinigung von Bürgern, selbst wenn sie auf einem freiwilligen Beitritt beruht, eine Bedrohung der individuellen Freiheit. 30 In volkswirtschaftlicher Hinsicht teilt der Gesetzgeber die Befürchtungen der Physiokraten, daß die Ergebnisse des ökonomischen Naturgesetzes von Angebot und Nachfrage, das durch die Freiheit der Industrie und der Arbeit voll zur Geltung kommen soll, verfälscht werden, wenn sich mehrere Bürger zusammenschließen, um die Löhne zu heben. 31 Unterliegt der Gesetzgeber der Revolution dem Einfluß solcher Ideen, so steht fest, daß er im Dekret d'Allarde nicht die Arbeitsfreiheit im modernen Sinn meint, die auch das Recht umfaßt, die 26 Duguit, D r o i t constitutionnel, Bd. I V , 1 3 4 ; Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 35. Anderer Ansicht Lavigne, L e t r a v a i l dans les constitutions françaises, 98, der die Arbeitsfreiheit aus dem Eigentum ableitet. 27 28 29

Vgl. Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 3 5 . Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 3 6 f. Duguit,

D r o i t constitutionnel, Bd. V , 183.

Duguit, D r o i t constitutionnel, Bd. V, 183, 194. Capitant-Cuche, Législation industrielle, 6 8 ; Laroque, Les r a p p o r t s entre patrons et ouvriers, 3 7 ; vgl. aber auch Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 4 5 , der im Zusammenhang mit dem Gesetz L e Chapelier betont, d a ß er das Koalitionsv e r b o t nicht als notwendige Folge der Freiheitsidee sondern als durch äußere U m s t ä n d e des Jahres 1 7 9 1 (Streiks) bedingt ansieht. D e m widerspricht auch nicht das Gesetz v o m 13. N o v e m b e r 1 7 9 0 , das den Bürgern erlaubt, sich friedlich zu versammeln und sogenannte „freie Gesellschaften" (société) zu bilden, denn dieses Gesetz ist nur im Hinblick auf die politischen „clubs" erlassen worden, die keine wirklichen Vereinigungen sondern nur lose Diskussionszirkel darstellen; vgl. Duguit, D r o i t constitutionnel, Bd. V, 6 1 5 f. 30

81 Paul-Boncour, ouvrière, 85, 9 7 .

L'individu et les groupements, 4 9 ; Vaille,

L a coalition

19 Arbeitsbedingungen kollektiv zu regeln, sondern eine streng „individualistische Arbeitsfreiheit" verkündet 32 , die die Koalitionsfreiheit ausschließt. 33 Der Gesetzgeber hat also weder das Koalitionsproblem übersehen noch die Koalitionen durch die Anerkennung der Arbeitsfreiheit indirekt erlauben wollen. Dann fragt es sich aber, wieso er es unterlassen hat, gleichzeitig mit dem „métier juré" die Koalitionen zu verbieten. Eine Erklärung kann in der Einsicht Adam Smiths, einer der bedeutensten Physiokraten, gefunden werden, daß es in Wirklichkeit ausgeschlossen ist, Bürger des gleichen Berufs durch Gesetz daran zu hindern, Koalitionen zu gründen. 34 Das Schweigen des Gesetzgebers im Dekret d'Allarde zum Koalitionsproblem spiegelt also seine Resignation wider. 35

§2 D a s G e s e t z L e C h a p e l i e r v o m 14. bis 17. J u n i 1 7 9 1 Nach Erlaß des Dekrets d'Allarde erhöht sich die Zahl der Arbeiterund Gesellenvereine um ein Vielfaches. 36 In ihrem Kampf um höhere Löhne greifen sie oft zu Mitteln, die sich mit dem Grundsatz der Arbeitsfreiheit nicht vereinbaren und den sozialen Frieden stören. 37 Zu den militantesten Koalitionen gehört der Verband der Zimmerleute, die „Union fraternelle des ouvriers en l'art de la charpente", der sich um den Abschluß eines Tarifvertrages mit den Meistern bemüht, der den Zimmerleuten ein Mindestgehalt sichern soll. 38 Da sich die Meister weigern, eine solche Vereinbarung zu treffen, ruft die Union der Zimmerleute den Bürgermeister von Paris zum Schiedsrichter im Streit um die Einführung eines Tarifes an. 3 ' Dieser sieht sich auf Grund der Arbeitsfreiheit außerstande den Meistern eine Entscheidung aufzuzwingen. Statt dessen rät er den Zimmerleuten von ihrem Vorhaben Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 99. Vgl. Duguit, Droit constitutionnel, Bd. V, 195. Lavigne, a. a. O., 99, kommt zum gleichen Ergebnis, obwohl er einen anderen Ausgangspunkt zum Verständnis der Arbeitsfreiheit wählt (vgl. oben Fußn. 26). 34 Ollivier, Rapport, D. 1864.4.62. 3 5 Im Ergebnis ähnlich Martin, Les associations ouvrières, 183. 36 Bouvier-Ajam, Histoire du travail, 704. 37 Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 115. 38 Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 116; Louis, Histoire du mouvement syndical, Bd. I, 3 8 ; vgl. auch Fagniez, Corporations et syndicats, 65. 3 9 Ausführlich zu den Ereignissen, die zur Verabschiedung des Gesetzes Le Chapelier führen: Lagardelle, L'évolution des syndicats ouvriers en France, 8 ff. 32

33

4*

20 ab, da es ihren eigenen Interessen widerspräche, wenn sie ohne Rücksicht auf ihre unterschiedlichen Fähigkeiten den gleichen Lohn erhielten. 4 0 So setzt denn die Union einen Mindestlohn fest und zwingt unter Drohung und Gewaltanwendung diejenigen Arbeiter, die für einen geringeren Lohn in den Dienst eines Meisters treten, ihren Arbeitsplatz zu verlassen oder der Union beizutreten und den Tarif zu beachten. 41 Der Bürgermeister von Paris versucht vergeblich, die Ruhe unter den Arbeitern wiederherzustellen. 42 D a er befürchtet, das Verhalten der Zimmerleute könne Beispiel machen, wendet er sich an den Gesetzgeber mit der Bitte, eine Rechtsgrundlage zum Einschreiten gegen die Arbeiterkoalitionen zu schaffen. 43 Zur gleichen Zeit richten die Meister des Zimmer- und des Hufschmiedehandwerks Eingaben an die Nationalversammlung, in der sie ebenfalls auf ein Tätigwerden der Legislativen gegen die Arbeiterorganisationen drängen. 4 4 U m ihrem Antrag Nachdruck zu verleihen, geben sie vor, sichere Kenntnis von einem bevorstehenden Zusammenschluß vorübergehender Art („coalition") 4 5 von 80 0 0 0 Arbeitern in Paris zu haben. 4 6 Der Erfolg dieser gezielten Nachricht, deren Richtigkeit bezweifelt wird, 4 7 stellt sich sehr bald in Form des Gesetzes Le Chapelier ein. 4 0 Moniteur (réimp.), 29. 4. 1791, Bd. VIII, 242. Der Bürgermeister verkennt den Sinn solcher Tarifvereinbarungen, der darin besteht, den Arbeitern lediglich ein Lohnminimum zu sichern. 4 1 Vgl. Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 130. 42 Die Unruhen greifen auch auf die Provinzen über; vgl. hierzu Martin, Les associations ouvrières, 185 ff. 43 Levasseur, Histoire des classes ouvrières, Bd. I, 53. 44 Soreau, La loi Le Chapelier, 12. 45 Der französische Begriff „coalition" darf mit dem Koalitionsbegriff des deutschen Arbeitsrechts (vgl. hierzu statt vieler Hueck-Nipperdey, Lehrbudi des Arbeitsrechts, Bd. II, 1. Halbbd., 81 ff.) nicht verwechselt werden. Mit „coalition" bezeichnet das französische Arbeitsrecht einen tatsächlichen, zeitlich begrenzten Zusammenschluß von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern zur Verfolgung eines ganz bestimmten Ziels (z. B. Lohnerhöhung, Vorbereiten eines Streiks), der sich auflöst, sobald der verfolgte Zweck entweder erreicht ist oder aber sich endgültig als nicht realisierbar herausstellt (Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 697 f.; Pic, Législation industrielle, 6. Aufl., 169 f; Vaille, La coalition ouvrière, 5 ff. (7); Brun-Galland, Droit du travail, 637). Um Unklarheiten zu vermeiden, wird in dieser Arbeit der französische Begriff „coalition" mit „vorübergehender Zusammenschluß" oder „zeitlich begrenzte Vereinigung", die Bezeichnung „syndicat" oder „association professionnelle" mit „Koalition" oder „Berufsverband" übersetzt.

21 I. Das Verbot, Koalitionen und vorübergehende Berufszusammenschlüsse zu bilden Am 14. Juni 1791 unterrichtet der Berichterstatter des Verfassungsausschusses, Le Chapelier, die verfassungsgebende Versammlung über das Treiben der Arbeitervereinigungen. 48 Er sagt ihnen nach, sie seien bereits in ganz Frankreich verbreitet und ständen im gegenseitigen Einvernehmen. 49 Es sei zu befürchten, daß das gerade erst unterdrückte „métier juré" unter dem Mantel dieser Arbeiterkoalitionen wieder auflebe und damit diejenigen Verfassungsgrundsätze, die das Zwangskorporationssystem verwerfen, verletzt würden. U m das zu verhindern, schlägt Le Chapelier ein von ihm ausgearbeitetes Koalitionsgesetz vor, das die Versammlung ohne Diskussion „in aller Eile" annimmt. 5 0 Artikel 1 des nach seinem Autor benannten Gesetzes Le Chapelier vom 14.—17. Juni 1791 51 erinnert daran, daß die Zerstörung aller Arten von Berufskorporationen eine der Grundanliegen der französischen Verfassung darstellt und es deshalb verboten ist, sie in irgendeiner Form wieder aufzubauen. Artikel 2 verwehrt den Bürgern gleichen Berufs, insbesondere den Unternehmern, Arbeitern und Gesellen, dauerhafte Vereinigungen zu gründen, Präsidenten und Sekretäre zu ernennen, Verwalter („syndics") 52 zu bestellen, gemeinsame Entschlüsse zu fassen und Regelungen über ihre angeblich gemeinsamen Interessen zu treffen. Artikel 4 setzt sich mit den vorübergehenden Berufszusammenschlüssen auseinander. 53 Gemäß dieser N o r m verstößt es gegen die 46

Nourrisson, La liberté d'association, 116. Nach Ansicht von Dolléans-Debove, Histoire du travail, Bd. I, 132 gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein solcher Zusammenschluß der Arbeiter bevorsteht. 48 Der Bericht Le Chapeliers ist nachzulesen in Moniteur (réimp.) 15.6. 1791, Bd. VIII, 661 f. 49 Soreau, La loi le Chapelier, 14 unterstellt Le Chapelier, daß er selbst die Warnung der Meister vor einem Zusammenschluß der Arbeiter nicht ernst nimmt, sich aber dennoch auf sie beruft, um die Abgeordneten für seinen Gesetzesvorschlag zu gewinnen. 50 Bouvier-Ajam, Histoire du travail, 705. 51 Text des „Décret relatif aux assemblées d'ouvriers et artisans de même état et profession" in Coll. Duvergier, Bd. III, 22. 52 Aus diesem Wort entwickelt sich die moderne französische Bezeichnung für „Koalition": „syndicat"; vgl. Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 39, Fußn. 1. 53 Zwar fehlt die hierfür geläufige Bezeichnung „coalition" im Tatbestand des Art. 4, jedoch ergibt sich aus Inhalt und Sinn der Vorschrift eindeutig, daß hier die vorübergehenden Zusammenschlüsse gemeint sind; so Vaillé, La coalition ouvrière, 169. 47

22 Grundsätze der Freiheit und der Verfassung, wenn Bürger gleichen Berufs vereinbaren, gemeinsam die Arbeit niederzulegen oder nur für einen bestimmten Lohn zu arbeiten. Diese Vereinbarungen gelten als nichtig und diejenigen Bürger, die sie vorgeschlagen, ausgearbeitet oder die Leitung in vorübergehenden Zusammenschlüssen übernommen haben, müssen sich vor einem Strafgericht verantworten, eine Geldstrafe in Höhe von 500 Pfund zahlen und während eines Jahres auf die Ausübung ihrer aktiven Bürgerrechte verzichten. Die Artikel 3 und 5 verbieten den Verwaltungsbehörden, Entschlüsse oder Petitionen von Koalitionen oder zeitlich begrenzten Vereinigungen entgegenzunehmen und zu beantworten. Wenn die von den Koalitionen und vorübergehenden Vereinigungen gefaßten Entschlüsse Drohungen gegen Unternehmer, Handwerker, Arbeiter oder solche Bürger enthalten, die für einen niedrigeren Lohn (als den von der Koalition festgesetzten Tarif) arbeiten, werden sowohl die Unterzeichner dieser Abreden als auch die Täter der dort vorgesehenen Handlungen und ihre Anstifter gemäß Artikel 6 zu einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Pfund und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Wer Gewalt gegen Arbeiter anwendet, die sich in Ausübung des Rechts der Arbeitsfreiheit nicht an die Anordnungen der Koalitionen oder der vorübergehenden Zusammenschlüsse halten, wird als Störer der öffentlichen Ruhe bestraft (Artikel 7). Artikel 8 klassifiziert schließlich die Koalitionen und vorübergehenden Zusammenschlüssen der Handwerker, Arbeiter, Gesellen und Tagelöhner als aufständische Zusammenrottungen („attroupements sádicieux"), die auseinanderzutreiben und deren Anführer hart zu bestrafen sind. II. Die Gründe für das Koalitionsverbot und ihre Kritik Der Gesetzgeber führt zur Rechtfertigung des Koalitionsverbots eine Reihe von Argumenten an. Diese vermögen jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, daß seine Entscheidung weniger auf nüchternen Überlegungen als auf der Furcht vor einem Wiederaufleben des Zunftwesens mit seinen Mißbräuchen beruht, dessen Beseitigung ihm soviel Mühe bereitet hat. 54 Seiner übertriebenen Furcht ist es zuzuschreiben, daß er sich nicht mit der Verfolgung der Gewalttaten mancher Arbeitervereinigungen begnügt, sondern jedem Bürger gleichen Berufs von vorneherein das Recht abspricht, eine Interessengemeinschaft zu bilden. Der Gesetzgeber wirft den Koalitionen erstens vor, sie bedeuteten eine Rückkehr zum Zunftwesen. Den Beweis hierfür sieht er in der 54

V¡tillé, La coalition ouvriere, 172.

23 Organisationsform der Verbände, die sich seiner Ansicht nach in nichts von der des „métier juré" unterscheidet. 55 Wenn man bei einem Vergleich von Zunft und Koalition rein äußerlich darauf abstellt, daß beide Verbände sich Satzungen geben, die ihre Mitglieder binden, Sekretäre und Verwalter benennen, 56 dann ähneln sie sich natürlich. Jedoch sind das keine geeigneten Vergleichskriterien, denn diese Merkmale weisen alle dauerhaften Vereinigungen auf. Der Unterschied zwischen Zunft und Koalition besteht darin, daß jene eine Zwangsorganisation ist, diese auf freiwilligem Bei- und Austritt beruht, jene Vorrechte, einen hierarchischen Aufbau und ein Monopol besitzt, diese gleiche Rechte und Pflichten für alle Mitglieder kennt und keine Sonderstellung innehat. 57 Diese Verwechslung von Zunft und freier Vereinigung 58 hätte der Gesetzgeber schon durch eine Besinnung auf die Entstehungsgeschichte der Gesellen- und Arbeitervereine vermeiden können, 59 welche die Koalitionen als Gegenorganisationen zum „métier juré" herausstellt. Der Vorwurf des Gesetzgebers ist unbegründet. Aus dem verfassungsrechtlichen Verbot des „métier juré" 6 0 folgt keinesfalls zwangsläufig das Koalitionsverbot. Der Gesetzgeber versucht zweitens, den Koalitionen ihre Existenzberechtigung abzusprechen, indem er einmal behauptet, nach Abschaffung des „métier juré" gebe es keine gemeinsamen Interessen der Bürger gleichen Berufs mehr sondern nur noch die Interessen des einzelnen und die der Allgemeinheit, zum anderen auf die Verpflichtung des Staates hinweist, jedem Bürger Arbeit zu beschaffen und die Schwachen zu unterstützen. 61 Die gemeinsamen Interessen vor allem der Arbeiter zu leugnen, heißt sich der sozialen Wirklichkeit verschließen. Der einzelne Arbeiter trifft in der aufkommenden Großindustrie 62 wiederum auf einen ihm 5 5 Vgl. Moniteur (réimp.), 1 5 . 6 . 1 7 9 1 , Bd. VIII, 661. Diese Vorstellung kommt audi im Verhältnis von Art. 2 zu Art. 1 des Gesetzes Le Chapelier zum Ausdrude. Art. 2 (Koalitionsverbot) stellt einen Spezialfall des allgemeinen Art. 1 (Zunftverbot: „toutes les espèces de corporations") dar. 5 6 Vgl. Art. 2 des Gesetzes Le Chapelier. 57 Louis, Histoire du mouvement syndical, Bd. I, 39. 5 8 So Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 245. Louis, Histoire du mouvement syndical, Bd. I, 39 spricht von einer Gleichstellung von Zunft und Koalition, die „auf einen unbewußten oder absichtlichen Fehler" zurückgeht. Damit wird die Möglichkeit angedeutet, daß sich der Gesetzgeber des Unterschiedes bewußt ist, diesen aber verwischt, um ein Koalitionsverbot nach außen hin gerechtfertigt erscheinen zu lassen. 60 Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 93 weist auf den Verfassungscharakter des Dekrets d'Allarde hin; vgl. audi Art. 1 des Gesetzes Le Chapelier. 8 1 Moniteur (réimp.), 15. 6 . 1 7 9 1 , Bd. VIII, 661. 8 2 Vgl. Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 246.

24 überlegenen Käufer seiner Arbeitskraft, den Arbeitgeber. Dessen Überlegenheit gründet sich nicht wie die des Meisters im „métier juré" auf ihm günstige Rechtsvorschriften sondern auf seine wirtschaftliche Stärke. Er ist nicht in dem Maße auf die Arbeit eines bestimmten Arbeiters angewiesen wie dieser auf den Lohn. Kraft seiner wirtschaftlichen Überlegenheit kann er die Arbeitsbedingungen vorschreiben und dem einzelnen Arbeiter, der unter dem Druck der Mittellosigkeit steht, bleibt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes keine andere Wahl, als die Arbeit zu den ihm aufgezwungenen Bedingungen anzunehmen. Diesen Zustand zu ändern und einen gerechteren Lohn zu erhalten, das sind die gemeinsamen Interessen der Arbeiter, die sie nur wirksam verfechten können, wenn sie sich koalieren dürfen, denn auf die Arbeiter in ihrer Gesamtheit ist der Arbeitgeber angewiesen und muß folglich auf ihre Kollektivforderungen eingehen. Ebensowenig überzeugt der Hinweis auf die Monopolstellung des Staates in Sachen Arbeitsvergabe und Sozialfürsorge.63 Zwar ist zuzugeben, daß für die Koalitionen kein Betätigungsfeld mehr bleibt und sie damit ihre Existenzberechtigung verlieren, wenn es sich der Staat zur Aufgabe macht und es ihm gelingt, die berechtigten Ansprüche aller Bürger zu erfüllen.64 Diesen Auftrag nimmt er jedoch weder ernst noch vermag er ihn zur Zufriedenheit der Arbeiter durchzuführen.65 Wenn Le Chapelier in seinem Bericht bekennen muß, daß die Arbeiter zu wenig verdienen,66 bescheinigt er geradezu den Koalitionen ihre Existenzberechtigung. „In einer freien Nation", führt Le Chapelier weiter aus, „müssen die Löhne ziemlich beträchtlich sein, damit derjenige, der sie erhält, frei ist von dieser totalen Abhängigkeit, die die Entbehrung der notwendigsten Bedürfnisse bewirkt und die fast Sklaverei bedeutet."67 Damit erkennt er genau die Gefahr, der die Arbeiter ausgeliefert und der zu begegnen ihre Koalitionen bestimmt sind. Was, so fragt man sich, hält den Gesetzgeber dann noch davon ab, die Notwendigkeit der Koalitionsfreiheit einzusehen. Er verweigert den Koalitionen die gesetzliche Anerkennung drittens deshalb, weil " Obwohl dieser Grundsatz in der verfassungsgebenden Versammlung diskutiert wurde, ist er in der Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 nidit aufgenommen sondern erst in der Verfassung von 1793 verkündet worden; vgl. hierzu Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 89 ff. Vgl. Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 245. Vgl. Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 2 4 6 ; Lavigne, dans les constitutions françaises, 97. 6 8 Moniteur (réimp.), 15. 6 . 1 7 9 1 , Bd. VIII, 662. 0 7 Moniteur (réimp.), 15. 6 . 1 7 9 1 , Bd. VIII, 662. 64

65

Le travail

25 es ihnen weniger darum gehe, Lohnerhöhungen durchzusetzen, als vielmehr Unruhe und A u f r u h r zu stiften. 68 Nach Verkündung des Dekrets d'Allarde haben sich einige Arbeitervereinigungen zu strafwürdigen Handlungen hinreißen lassen, nachdem ihr friedliches Bemühen um höhere Löhne durch tarifliche Vereinbarungen eines Mindestlohnes an der unnachgiebigen Haltung der Meister bzw. der Arbeitgeber und des Staates gescheitert war. 0 8 Ihnen zu unterstellen, sie seien von vorneherein nur auf die Störung des öffentlichen Friedens ausgewesen, klingt im Zusammenhang mit dem Bericht Le Chapeliers über die schlechte finanzielle Lage der Arbeiter unglaubwürdig. Käme es dem Gesetzgeber, wie er es im dritten Vorwurf gegen die Koalitionen andeutet, wirklich nur darauf an, die Arbeitsfreiheit und den Arbeitsfrieden zu sichern, so reichten die Artikel 6, 7 und 8 des Gesetzes Le Chapelier aus. 70 Hinter der radikalen Lösung, die Koalitionen an sich zu verbieten, verbergen sich indessen politische Interessen des Gesetzgebers, der die Verwirklichung seines Vorhabens, die Revolution von 1789 durch Gesetz zu organisieren, gefährdet sieht, wenn sich die Arbeiter koalieren. 71 Er befürchtet nämlich, daß sie dann über ihre Organisationen auch Ansprüche auf Mitwirkung bei der politischen Führung des Landes anmelden werden, die ihnen das Bürgertum durch geschickte Wahlgesetze vorenthält. 7 2 Das will die verfassungsgebende Versammlung, deren Mitglieder vorwiegend dem Bürgertum entstammen, 7 3 unter allen Umständen vermeiden. Zu ihrer Angst vor einem Wiederaufleben des „métier juré" tritt die Furcht vor den Arbeitervereinigungen als H e r d einer möglichen Gegenrevolution. 74 Sie bietet eine weitere Erklärung dafür, daß sich der Gesetzgeber nicht mit der Ahndung eventueller Delikte der Koalitionen zufrieden gibt, sondern bereits die „Idee der Vereinigung" verwirft. 7 5 Die Revolutionäre von 1789, die sich in der Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte zur Freiheit und Gleichheit aller Bürger bekennen, bescheiden also das Verlangen der Bürger gleichen Berufs nach Anerkennung der Koalitionsfreiheit negativ. Ihr Koalitionsverbot ähnelt den Ordonnanzen und Edikten der Könige des Ancien Régime 68

Moniteur (réimp.), 15. 6. 1791, Bd. VIII, 661. Vgl. das Beispiel der Zimmerleute (siehe oben Seite 23 ff.). 70 Vgl. Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 122. 71 Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 95. 72 Wahlberechtigt sind die Bürger, die das Meisterdiplom besitzen oder mindestens sechs Pfund Steuern zu bezahlen haben; siehe Levasseur, Histoire des classes ouvrières, Bd. I, 5. 73 Levasseur, Histoire des classes ouvrières, Bd. I, 5. 74 Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 109, 118. 71 Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 120. 69

26 im Wortlaut, 76 in der wenig überzeugenden Begründung und vor allem in der Wirkungslosigkeit. 77 Die Gesellen- und Arbeitervereinigungen behaupten sich trotz aller Nachstellungen. 78 Vergeblich versucht die öffentliche Gewalt, dem Gesetz Gehör zu verschaffen.79 Die gemeinsamen Interessen einer ganzen Klasse von Bürgern lassen sich zwar in einem Gesetz leugnen, inexistent werden sie dadurdi aber nicht.80

III. Die Bedeutung des Gesetzes Le Chapelier für die Entwicklung des Koalitionsrechts Das Gesetz Le Chapelier ist zunächst ein Gesetz der äußeren Umstände. 81 Die Unruhen unter den Arbeitern und die Furcht vor einer Wiedergeburt des „métier juré" veranlassen den Gesetzgeber, die im Dekret d'Allarde geübte Zurückhaltung hinsichtlich des Koalitionsproblems aufzugeben. Das Gesetz vom 14.—17. Juni 1791 darf aber nicht nur als Produkt äußerer Gegebenheiten aufgefaßt werden. 82 Es stellt sich vielmehr auch als das Ergebnis einer bis zur letzten Konsequenz gesteigerten individualistischen Rechtsauffassung dar, die unter Berufung auf die herrschende philosophische und volkswirtschaftliche Lehre die Koalitionsfreiheit als unvereinbar mit den individuellen Freiheitsrechten, insbesondere der Arbeitsfreiheit erachtet. 83 76 Siehe Hauser, Ouvriers du temps passé, 175, der einen Vergleich zwischen Art. 2 des Gesetzes Le Chapelier und dem Edikt von Villers-Cotterets (1539) anstellt. 77 Soreait, La loi Le Chapelier, 18. 78 Vgl. Martin, Les associations ouvrières, 250 fï. 79 Vgl. Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 124; Martin, Les associations ouvrières, 253 f. 80 Bouvier-Ajam, Histoire du travail, 705. 81 Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 112, 119; Martin, Les associations ouvrières, 242. Anderer Ansicht Soreau, La loi Le Chapelier, 17, der das Gesetz Le Chapelier ausschließlich als Folge der herrschenden philosophischen und volkswirtschaftlichen Lehre ansieht. 82 So aber Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 112, 119; Martin, Les associations ouvrières, 242. 83 Ebenso Dollêans-Dehove, Histoire du travail, 133, der die gegensätzlichen Meinungen von Nourrisson, a. a. O. und Martin, a. a. O. einerseits und Soreau, La loi Le Chapelier, 17 andererseits als im Grunde miteinander verträglich und folglich den Streit über den Charakter des Gesetzes Le Chapelier als müßig erachten; ähnlich Ollivier, Rapport, D. 1864.4.62; vgl. ferner Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 96.

27 Schließlich ist dieses Gesetz vor einem politischen Hintergrund zu sehen. Es verhindert, daß sich mächtige Arbeiterorganisationen bilden, die Einflußnahme auf die Politik begehren. Das Gesetz Le Chapelier hat demnach drei Entstehungsursachen. Die zuerst genannte Ursache ist vorübergehender N a t u r und entfällt mit der Beseitigung der Unruhen und der Furcht vor einer Neuentstehung des „métier juré". Die beiden übrigen Ursachen sind grundsätzlicher Art und wirken fort. So kommt es, daß die Bestimmung des Gesetzes Le Chapelier über die zeitlich begrenzten Berufsvereinigungen bis zum Jahre 1864 und die Vorschriften über die Koalitionen sogar bis zum Jahre 1884 ihre Gültigkeit behalten und weitere, meist noch schärfere Koalitionsverbote nach sich ziehen werden. Ein Gesetz, dem die Auffassung zu Grunde liegt, daß es nur zwei K r ä f t e in der Gesellschaft geben darf, nämlich den machtlosen einzelnen und den allmächtigen Staat, sagt natürlich den Regierungen nach der Revolution zu, die eine politische Zentralisierung Frankreichs anstreben. 84

KAPITEL

3

Die Koalitionen während des Konsulats und des 1. Kaiserreichs Unter Drängen Napoleons gelingt dem Gesetzgeber dieser Epoche ein großartiges Gesetzeswerk, das heute noch das Rechtsleben in Frankreich prägt: Der Code civil wird 1803/1804 verkündet, 1807 ist der Code de commerce fertiggestellt und 1810 tritt der Code pénal in K r a f t . Das Arbeitsrecht findet indessen wenig Beachtung. „Drei Artikel des Code civil über den Arbeitsvertrag, ein Polizeigesetz, das Gesetz des Jahres X I , und die Strafbestimmungen über die Vereinigungen machen die ganze französische Arbeitsgesetzgebung, das ganze Arbeitsrecht während eines halben Jahrhunderts aus," stellte Scelle1 mit Bedauern fest. Mit der hier interessierenden Frage, ob sich Bürger des gleichen Berufs zur Verteidigung ihrer Interessen zusammenschließen dürfen, beschäftigen sich die Artikel 6—8 des Gesetzes vom 22. Germinal des Jahres X I (12. April 1803) 2 und die Artikel 291— 294 und 414—416 des Code pénal, die im folgenden zu untersuchen sind. 84 1 !

Vgl. Vaille, La coalition ouvrière, 172. Le droit ouvrier, 6. Coll. Duvergier, Bd. X I V , 64 ff. (65).

28

S1

Die Artikel 6 ff. des Gesetzes vom 22. Germinal des Jahres XJ und die Artikel 414 ff. des Code pénal Die Artikel 6, 7 und 8 des Gesetzes vom 22. Germinal des Jahres X I 3 bestätigen die bereits im Gesetz Le Chapelier erwähnte Strafbarkeit der zeitlich begrenzten Vereinigungen von Arbeitern und Arbeitgebern. Sie unterscheiden sich jedoch vom Gesetz Le Chapelier in zwei wesentlichen Punkten. Während der Tatbestand des Artikels 4 dieses Gesetzes bereits erfüllt ist, wenn Bürger des gleichen Berufs lediglich den Beschluß fassen, nur zu einem bestimmten Lohn zu arbeiten oder gemeinsam die Arbeit niederzulegen, 4 muß nach dem Gesetz vom 22. Germinal dem Beschluß der Versuch oder Beginn von Ausführungshandlungen folgen, 5 um die vorübergehenden Vereinigungen belangen zu können. Insofern stellt das neue Gesetz einen Fortschritt dar. 6 Einen Rückschritt bedeutet indessen die im Gesetz vom 22. Germinal J a h r X I vorgesehene Ungleichbehandlung der vorübergehenden Arbeiter- und Arbeitgeberzusammenschlüsse, die Artikel 4 des Gesetzes Le Chapelier vermieden hat. Diese Ungleichheit beruht einmal auf der unterschiedlichen Deliktsdefinition, zum anderen auf dem unterschiedlichen Strafmaß in Artikel 6 und 7. Gemäß Artikel 6 hat sich der Arbeitgeberzusammenschluß nur dann zu verantworten, wenn er in ungerechter und mißbräuchlicher Weise die Löhne drückt; 7 Artikel 7 dagegen erklärt die Arbeiterzusammen3 Art. 6: „Toute coalition entre ceux qui font travailler les ouvriers tendant à forcer injustement et abusivement l'abaissement des salaires et suivie d'une tentative ou d'un commencement d'exécution sera punie d'une amende de cent francs au moins, de trois mille francs au plus et s'il y a lieu d'un emprisonnement qui ne pourra excéder un mois." — Art. 7: „Toute coalition de la part des ouvriers pour cesser en même temps de travailler, interdire le travail dans certains ateliers, empêcher, de s'y rendre et d'y rester avant ou après certaines heures et en général pour suspendre, empêcher, enchérir les travaux sera punie s'il y a lieu tentative ou commencement d'exécution d'un emprisonnement qui ne pourra excéder trois mois." — Art. 8: „Si les actes prévus dans l'article précédant ont été accompagnés de violences, voies de fait, attroupement, les auteurs et complices seront punis des peines portées au code de police correctionnelle ou au code pénal suivant la nature des délits." 4 „ S i . . . des citoyens . . . prenaient des délibérations ou faisaient entre eux des conventions tendant à refuser de c o n c e r t . . . le secours de leurs travaux . . . " . 5 Vgl. Art. 6 und 7: „Toute coalition . . . suivie d'une tentative ou d'un commencement d'exécution . ..". ' Ebenso Vaille, La coalition ouvrière, 182. 7 „Toute c o a l i t i o n . . . tendant à forcer injustement et abusivement l'abaissement de salaire ..

29 schlüsse in jedem Fall für strafwürdig, auch wenn sie noch so gerechtfertigte Lohnforderungen stellen. Die Höchststrafe beträgt für die Arbeitgeber 3000 Franken und gegebenenfalls ein Monat Gefängnis, für die Arbeiter drei Monate Gefängnis. 8 Die erwähnten Vorschriften des Gesetzes vom 22. Germinal des Jahres XI werden in leicht veränderter Form als Artikel 414, 415 und 416 in den Code pénal übernommen. Artikel 414 C. p. 9 erhöht die Geldstrafe für die Arbeitgeber auf 200 bis zu 3000 Franken und setzt für die Freiheitsstrafe eine untere Grenze von sechs Tagen fest. Beide Strafarten sind jetzt außerdem kumulativ zu verhängen. 10 Artikel 415 C. p. 11 sieht als Mindeststrafe für die Arbeiter einen Monat Gefängnis vor. Den Anführern der Arbeiterzusammenschlüsse droht er zudem eine Freiheitsstrafe von zwei bis zu fünf Jahren an, während die Initiatoren der Arbeitgebervereinigungen auf Zeit keine erhöhte Bestrafung zu befürchten haben. Diese neuerliche Ungleichheit beseitigt erst die Cour de Cassation 12 in einem Urteil des Jahres 1823, indem sie diese Bestimmung auf jeden anwendbar erklärt, der dia treibende Kraft in den genannten Zusammenschlüssen darstellt. Artikel 416 C. p. 13 ahndet mit der in Artikel 415 C. p. angedrohten Strafe alle diejenigen Handlungen, deren sich sowohl die vorüber8 Wenden die Arbeiterzusammenschlüsse Gewalt an, so trifft Art. 8 auf sie zu. • A r t . 414 C. p.: „Toute coalition entre ceux qui f o n t travailler des ouvriers, tendant à forcer injustement et abusivement l'abaissement des salaires, suivie d'une tentative ou d'un commencement d'exécution, sera punie d'un emprisonnement de 6 jours à un mois et d'une amende de 200 à 3000 francs." 10 Das folgt aus dem unterschiedlichen Satzbau des Art. 414 C. p. und des A r t . 6 des Gesetzes vom 22. Germinal. 11 A r t . 415 C. p.: „Toute coalition de la p a r t des ouvriers pour faire cesser en même temps de travailler, interdire le travail dans un atelier, empêcher de s'y rendre ou d'y rester, a v a n t ou après certaines heures et, en général, pour suspendre, empêcher, enchérir les travaux, s'il y a eu tentative ou commencement d'exécution, sera punie, d'un emprisonnement d'un mois au moins et de trois mois au plus; les chefs ou meneurs seront punis d'un emprisonnement de deux à cinq ans." 12 Cass. crim. 3. 7. 1823, D. Répertoire, Bd. X X V I I , 785. 13 Art. 416 C. p.: „Seront aussi punis de la peine portée à l'article précédent et d'après les mêmes distinctions les ouvriers qui auront prononcé des amendes, des défenses, des interdictions ou toutes prescriptions sous le nom de dammnation et sous tout autre qualificatif que ce puisse être soit contre les directeurs d'ateliers ou entrepreneurs d'ouvrages, soit les uns contre les autres. D a n s le cas du présent article et du précédent, les chefs ou moteurs du délit p o u r r o n t après l'expiration de leur peine, être mis sous la surveillance de la haute police p e n d a n t deux ans au moins et cinq ans au plus."

30 gehenden Zusammenschlüsse als auch die Koalitionen der Arbeiter bedienen, um beim Arbeitgeber die Entlassung von Außenseitern oder die Wiedereinstellung eines Mitglieds durchzusetzen, das wegen seiner Verbandzugehörigkeit entlassen worden ist.14

§2 Die Artikel 291 ff. des Code pénal Im Gegensatz zu den zeitlich begrenzten Vereinigungen haben die Koalitionen keine spezielle Regelung im Code pénal gefunden. Sie unterfallen dem Artikel 291 C. p.,15 der auf Grund seiner allgemein gehaltenen Fassung für jede Art von dauerhaften Vereinigungen gilt. Diese Norm legt fest, daß Vereinigungen mit mehr als 20 Personen, die sich jeden Tag oder an bestimmten Tagen versammeln wollen, nur mit Zustimmung der Regierung und unter den Bedingungen gegründet werden können, die die öffentliche Gewalt nach Belieben aufgibt. Das bedeutet, daß grundsätzlich das Vereinigungsrecht anerkannt wird und lediglich seine Ausübung gewissen Einschränkungen unterliegt.16 Da sida der Wert eines Rechts danach bemißt, in welchen Grenzen es ausgeübt werden kann, sind die Grenzen des in Artikel 291 C. p. erwähnten Vereinsrechts zu ermitteln. Zunächst muß eine Vereinigung der genannten Größenordnung die Regierung17 um ihre Zustimmung ersuchen. Auf Erteilung dieser Erlaubnis besteht kein Anspruch, sie steht im Belieben der zuständigen Stelle. Sie kann unter einer Bedingung erteilt und jederzeit ohne 14

Nach Capitant-Cuche, Législation industrielle, 38, handelt es sich bei Art. 416 C. p. um einen neuen Straftatbestand, der erstmals die unter den Begriff „mise à l'index" fallenden Handlungen untersagt. In Wirklichkeit wird aber bereits in Art. 3 der „lettres patentes" von 1749 und Art. 6 des Gesetzes Le Chapelier die „mise à l'index" angesprochen (Siehe oben Seite 10 und 27). 15 Art. 291 C. p.: „Nulle association de plus de vingt personnes dont le but sera de se réunir tous les jours ou à certains jours marqués pour s'occuper d'objets religieux, littéraires, politiques ou autres, ne pourra se former qu'avec l'agrément du gouvernement et sous les conditions qu'il plaira à l'autorité publique d'imposer à la société. Dans le nombre des personnes indiquées par le présent article, ne sont pas comprises celles domiciliées dans la maison où l'association se réunit." 18 Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 185. 17 Genauer: die zuständige Verwaltungsbehörde, das ist der Präfekt und Unterpräfekt des Departements, in dem die Vereinigung ihren Sitz haben wird, und der Polizeipräfekt in Paris; Basseville, Le droit à l'association,

117.

31 Begründung widerrufen werden. 1 8 Wird die Zustimmung gegeben, so ist damit die Vereinigung lediglich vor einer Auflösung und strafrechtlichen Verfolgung geschützt. U m tätig zu werden und sich entfalten zu können, bedarf die Vereinigung jedoch noch weiterer Genehmigungen, 19 deren wichtigste Artikel 294 C. p. aufführt. Derjenige, der einer Vereinigung Räume überläßt, in denen sie ihre Sitzungen abhält, muß seinerseits die Gemeinde um eine diesbezügliche Erlaubnis ersuchen. 20 Über diesen Antrag befindet der Bürgermeister, der ihn stets mit der Begründung, die Vereinigung gefährde die Ordnung und Ruhe seiner Gemeinde, negativ bescheiden kann, selbst wenn der Präfekt die Vereinigung bereits als mit der allgemeinen Sicherheit verträglich erachtet hat. 2 1 Fehlt auch nur eine der zahlreichen behördlichen Zustimmungen oder wird eine Bedingung nicht erfüllt, ordnet Artikel 292 C. p. 22 die sofortige Auflösung der betreffenden Vereinigung und eine Bestrafung ihrer Direktoren und Verwalter an. Der Gesetzgeber erkennt demnach das Recht Vereine zu gründen zwar indirekt an, umgibt es aber gleichzeitig mit so vielen Hindernissen, daß es praktisch unmöglich ausgeübt werden kann und damit wertlos ist. 23 Koalitionen mit mehr als 20 Mitgliedern — das werden vorwiegend Arbeiterverbände sein — erfahren also keine andere Beurteilung als bisher. Sie bleiben verboten. 24 Der Umkehrschluß aus Artikel 291 C. p., daß Vereinigungen mit weniger als 20 Mitgliedern erlaubt sind und sich frei bilden können, 18 Vgl. Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 185; Basseville, Le droit à l'association, 117. 10 Vgl. die Zusammenstellung bei Basseville, Le droit à l'association, 118. 20 Art. 294 C. p.: „Tout individu qui, sans permission de l'autorité municipale, aura accordé ou converti l'usage de sa maison ou de son appartement en tout ou en partie, pour la réunion des membres d'une association même autorisée ou, pour l'exercice d'un culte, sera puni d'une amende de 16 à 200 francs." 21 Basseville, Le droit à l'association, 118 f. 22 Art. 292 C. p. : „Toute association de la nature cidessus exprimée qui sera formée sans autorisation ou qui, après l'avoir obtenue, aura enfreint les conditions à elle imposées, sera dissoute; les diefs, directeurs ou administrature de l'association seront en outre punis d'une amende de 16 à 200 francs." 23 Vgl. Nourrisson, La liberté d'association, 185; Basseville, Le droit à l'association, 96 f. Daß es sich bei dem Bekenntnis des Gesetzgebers zum Vereinsredit um ein bloßes Lippenbekenntnis handelt, verrät zudem die Stellung des Art. 291 C. p., der zum Abschnitt „Unerlaubte Vereinigungen und Versammlungen" gehört. 24 Vgl. Basseville, Le droit à l'association, 113; Hayem, Domaines respectifs de l'association et de la société, 65; Hubert-Valleroux, Les associations professionnelles, Bull. soc. législ. comp., Bd. X V , 66 (78).

32 ist zwar logisch, trifft aber f ü r die Koalitionsfrage nicht zu. Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen, die nur bis zu 19 Mitgliedern zählen, erfaßt nämlich Artikel 2 des Gesetzes Le Chapelier, 25 der auf die Mitgliederzahl nicht abstellt. Folglich nehmen auch die naturgemäß kleineren Arbeitgeberkoalitionen in rechtlicher Hinsicht keine bevorzugte Stellung gegenüber den Arbeiterorganisationen ein.

§3 Die Rechtswirklichkeit Weil es sich sowohl bei den zeitlich begrenzten Vereinigungen als auch bei den Koalitionen der Bürger gleichen Berufs um sozial notwendige Erscheinungen handelt, ist dem Gesetz vom 22. Germinal des Jahres X I und den Vorschriften des Code pénal trotz verschärfter Strafen kein besseres Ergebnis beschieden als der früheren Gesetzgebung. Die N a t u r der Sache ist eben stärker als gesetzliche Normen. 2 0 So zählt man im Jahre 1800 in Paris allein 14 Arbeiterkoalitionen. 2 7 Neben den Gesellenbünden, die alle Verfolgungen überlebt haben, entwickelt sich seit 1806 eine neue Form der Arbeitervereinigungen, die sogenannten „sociétés de secours mutuels." 2 8 Das sind Unterstützungsvereine auf Gegenseitigkeit, die mit den Beiträgen ihrer Mitglieder Kassen errichten, die bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Streiks beansprucht werden können. 29 Insofern erinnern sie an die Gesellenbünde. In einem wichtigen P u n k t unterscheiden sie sich allerdings von diesen. Sie kennen nicht die Exklusivität, die sich darin äußert, daß sie nur in bestimmten Berufszweigen vertreten sind und ihre Mitglieder auswählen. 30 Die dadurch in der Interessenvertretung der Arbeiter entstandene Lücke füllen nun die „sociétés de secours mutuels" aus, die alle Berufssparten umfassen und jeden Arbeiter aufnehmen. 3 1 Fügt man noch hinzu, daß sie um Abschlüsse von Tarif25 Vgl. zur Geltung des Gesetzes Le Chapelier Soreau, La loi Le Chapelier, 29; Hubert-Valleroux, Les associations professionnelles, Bull. soc. législ. comp., Bd. XV, 66 (78). 28 Leroy-Beaulieu, Le syndicalisme, RDM, 1908, Bd. IV, 484. 27 Leroy-Beaulieu, Le syndicalisme, RDM, 1908, Bd. IV, 485. 28 So bestehen nach den Angaben von Chaptal, Le mouvement social en 1814, R H 1914, Bd. II, 523 im Jahre 1809 bereits 57 Unterstützungsvereine mit durchschnittlich 80 Mitgliedern; vgl. ferner Garmy, Histoire du mouvement syndical en France, 71 ff. 29 Vgl. Fagniez, Corporations et syndicats, 95; Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 195. 30 Fournière, Ouvriers et patrons, 18. 31 Siehe Louis, Histoire du mouvement syndical, Bd. I, 64.

33 vertragen („établissements de tarifs") bemüht sind und Arbeitsvermittlungsstellen einrichten, so kündigen sich in ihnen die modernen Gewerkschaften an. 32 Werden die Vereinigungen der Arbeiter mit aller Strenge verfolgt, so erfreuen sich die der Arbeitgeber einer großen Toleranz, in manchen Fällen sogar einer direkten Begünstigung, sieht doch der Staat in ihnen ein „Element sozialer Ordnung". 3 3 Sie erscheinen Napoleon, der von einer Wiedereinführung des Zunftwesens angetan ist, als f ü r dieses Vorhaben ausbaufähige Zellen. Als dann sein Plan am Widerstand des Gesetzgebers scheitert, 34 richtet er Handelskammern („Chambres de commerce") und Handwerks- und Fabrikskammern (Chambres consultatives des arts et manufactures") ein, durch die die Arbeitgeber ebenfalls begünstigt werden. Diese Kammern, denen es obliegt, die Regierung über Maßnahmen zu unterrichten, die ergriffen werden können, um Handel und Wirtschaft anzukurbeln, 3 5 setzen sich nämlich ausschließlich aus Unternehmern zusammen, die so Gelegenheit finden, auch die sie als Arbeitgeber betreffenden Probleme zu diskutieren und gemeinsame Beschlüsse darüber zu fassen, zu welchen Arbeitsbedingungen Arbeiter eingestellt werden sollen. Die Arbeitgeber trifft das Koalitionsverbot also nicht schwer. 36 Schließlich sind noch die Arbeitgeberverbände der Bauindustrie zu erwähnen, die sogar offiziell als „Bureau des entrepreneurs de Charpente" (1803), „Bureau des entrepreneurs de maçonnerie" (1809) und „Bureau des entrepreneurs de pavage" (1810) anerkannt werden. 37 Dieses staatliche Entgegenkommen erkaufen sie sich dadurch, daß sie sich mit einer polizeilichen Überwachung der Arbeitsstätte einverstanden zeigen, die aber im Grunde weniger den Arbeitgebern als vielmehr den Arbeitern gilt, denen Napoleon zutiefst mißtraut. 3 8 Als kennzeichnend für die Lage der Koalitionen während des Konsulats und des 1. Kaiserreichs ist die Ungleichbehandlung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht der Arbeiter- und Arbeitgebervereinigungen festzuhalten. Die Parteilichkeit der Legislativen und Exekutiven erklärt sich daraus, daß einerseits ihre Furcht vor einem Wiederaufleben des „métier juré" nicht mehr so stark ist wie in der 32

Fagniez, Corporations et syndicats, 95. Vgl. Villot, Liberté syndicale, 30; Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 123. 34 Immerhin sind die Fleischer und Bäcker in Paris in Zünften zusammengeschlossen worden; vgl. Fagniez, Corporations et syndicats, 68 ff. 35 Fournière, Ouvriers et patrons, 34. 36 Vgl. Fournière, Ouvriers et patrons, 34; Villot, Liberté syndicale, 31. 37 Vgl. Fagniez, Corporations et syndicats, 71 f. 38 Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 189. 33

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Engels, Die Entwicklung .

34 nachrevolutionären Zeit 39 und damit ein wesentliches Argument gegen die Arbeitgeberverbände entfällt, andererseits sich ihre Furcht vor Umsturz seit der Schreckensherrschaft gesteigert 40 und damit der Hauptvorwurf gegen die Arbeitervereinigungen, sie seien darauf aus Unruhe zu stiften, an Gewicht gewonnen hat. Betrachtet man überdies Artikel 1781 C. civ., der anordnet, bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeiter über Lohnforderungen sei jenem auf sein Wort hin zu glauben, also den Arbeitgeber als ehrlich und den Arbeiter als nicht vertrauenswürdig hinstellt, 41 so erscheint die ungleiche Behandlung der Arbeitgeber- und Arbeitervereinigungen als zwangsläufiges Ergebnis des in Artikel 1781 C. civ. zum Ausdruck kommenden Vorurteils der damaligen Gesellschaft.

KAPITEL

4

Die Restauration und Juli-Monarchie — Das Gesetz vom 10. bis 11. April 1834 — Während dieser Epoche nimmt der Gesetzgeber noch einmal zur Frage der Vereinigungsfreiheit Stellung. Hierzu sieht er sich veranlaßt, weil ihm einerseits die in den Artikeln 291 ff. C. p. in Aussicht gestellte Strafe zu milde erscheint, zum anderen die Vorschriften dadurch umgangen werden, daß die nach Artikel 292 C. p. aufgelösten Vereinigungen als Splittergruppen von weniger als 20 Personen neu entstehen und damit den Tatbestand des Artikels 291 C. p. nicht mehr erfüllen. 1 Diese Lücke schließt das Gesetz vom 10.—11. April 1834. Es erklärt Artikel 291 C. p. auch auf Splittergruppen anwendbar 2 und verzichtet auf die Periodizität der Versammlungen als wesentliches Tatbe39 Eine der drei Ursachen für die Entstehung des Gesetzes Le Chapelier verliert also schon an Wirkung; vgl. Teil 1 Kapitel 2 § 2 III. 40 Diese Furcht klingt sowohl in den Vorbereitungsarbeiten zum Code pénal als auch in der Diskussion über Art. 291 C. p. im Conseil d'Etat an. Auf ihr beruht auch die weite Fassung des Art. 291 C. p. Man will eine Handhabe nicht nur gegen die politischen „clubs" sondern gegen jede Vereinigung, da es denkbar ist, daß sich Vereine mit politischen Zielen hinter nach außen harmlos erscheinenden Diskussionszirkeln verbergen; vgl. Nourrisson, L a liberté d'association, Bd. I, 181. 41 Art. 1781 C. civ. tritt erst mit dem Gesetz vom 2. August 1868 außer Kraft. 1 Vgl. Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 276 f. 2 Voraussetzung ist natürlich, daß die Splittergruppen einer Organisation angehören, die insgesamt mehr als 20 Mitglieder zählt.

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standsmerkmal des Vereinigungsdelikts. ' Daneben verschärft es die Strafen beträchtlich und droht sie im Gegensatz zu Artikel 292 C. p. nicht nur den Direktoren und Verwaltern der Vereine sondern jedem Mitglied an. 5 Wiederum hat die Furcht vor den politischen „clubs", deren Zahl nach der Revolution von 1830 ständig wächst, über die Einsicht des Gesetzgebers von der Notwendigkeit mancher Vereine wie beispielsweise die der Unterstützungsvereine auf Gegenseitigkeit gesiegt und dieses Gesetz diktiert, das genau wie Artikel 291 C. p. alle Vereinigungen ohne Unterschied unterdrückt. 8 Dabei hatten die Diskussionen, die dem Gesetz von 1834 voraufgegangen waren, so vielversprechend begonnen. De Lamartine,7 einer der vielen Abgeordneten, die die Anerkennung der Vereinigungsfreiheit befürworteten, 8 gab seinen Kollegen zu bedenken: „Wenn Sie die Freiheit der Arbeit und der Berufe anerkennen, wie können Sie dann denen, die sie ausüben, das Vereinigungsrecht verweigern? Diese Gesetzgebung (über das Vereinsrecht) ist ohne Zweifel schwierig, es gilt eine ganz neue gesellschaftliche K r a f t aufzubauen; ähnliche Fragen lassen sich nicht in einem Tag, nicht mit einem Wort lösen . . . Aber was notwendig ist, ist nicht unmöglich, und im übrigen haben Sie nur eine Alternative: entweder anerkannte Rechte oder erzwungene Rechte; entweder gesetzmäßige Vereinigungen oder geheime und unerlaubte O r g a n i s a t i o n e n . . . Man darf sie (die Vereinigung) nicht leugnen, man muß sie regeln; Rechte, 3 Art. 1 des Gesetzes v o m 10.—11. April 1834: „Les dispositions de l'art. 291 C. p. sont applicables aux associations de plus de 20 personnes, alors même que des associations seraient partagées en sections d'un nombre moindre et qu'elles ne se réunissaient pas tous les jours o u à des jours marqués. L'autorisation donnée par le gouvernement est toujours révocable." 4 O b allerdings dadurch das Gesetz v o n 1834 neben Art. 414 und 415 C. p. auch auf zeitlich begrenzte Vereinigungen („coalitions") zutrifft, wie Nourrisson, La liberté d'association, Bd. I, 307 glaubt, erscheint z w e i f e l h a f t , da Art. 1 dieses Gesetzes das Verbot ausdrücklich nur an dauerhafte Vereinigungen („associations") und ihre Sektionen richtet. 5 Art. 2: „Quiconque fait partie d'une association non autorisée sera puni de deux mois à un an d'emprisonnement et de 50 frans à 100 frans d'amende. En cas de récidive, les peines pourront être portées au double. Le condamné pourra dans ce dernier cas, être placé sous la surveillance de la haute police pendant un temps qui n'excédera pas le double du m a x i m u m de la peine." 6 Vgl. Basseville, Le droit à l'association, 101. 7 Moniteur, 14. 3. 1834, 579. 8 Benot, Moniteur, 18. 3. 1834, 605 f. nennt das Vereinigungsrecht eine soziale N o t w e n d i g k e i t ; Berenger, Moniteur 18. 3. 1834, 603 schlägt an Stelle des bisherigen Systems der vorherigen Erlaubnis das der einfachen A n m e l dung der Vereinigung und der Bekanntgabe des Vereinszwecks vor.

5*

36 die geleugnet werden, bestehen deshalb nicht weniger, sie kommen durch Unruhen zum Ausbruch; sie rächen sich durch die Störung der Ordnung, wenn sie sich nicht frei vor dem Gesetz in aller Öffentlichkeit entwickeln können." Sowohl die Wirkungslosigkeit der wiederholten und verschärften Koalitionsverbote während des Ancien Regime und der Neuzeit als auch die Unruhen, die die koalitionsfeindliche Gesetzgebung unter der Arbeiterschaft schürt anstatt erstickt, geben de Lamartine redit. Wenn auch seinem überzeugenden Appell an die Vernunft im Gesetz vom 10.—11. April 1834 noch kein Erfolg beschieden ist, so ist doch allein die Tatsache schon zukunftsweisend, daß innerhalb der Legislativen Stimmen laut werden, die die Koalitionsverbote nicht als notwendige Folgen der Arbeiterunruhen, sondern umgekehrt die Unruhen als Folgen dieser wirklichkeitsfremden Gesetzgebung erkennen. Damit beginnt ein weiterer überlieferter Grund gegen die Koalitionsfreiheit an Gewicht zu verlieren. 9 9

Vgl. Teil 1, Kapitel 3, § 3 und die dortige Fußn. 39, wo festgestellt wird, daß die Furcht vor einem Wiederaufleben des „métier juré" schwindet; siehe ferner Teil 1 Kapitel 2 § 2 III.

TEIL 2

Die Anfänge der gesetzlichen Anerkennung der Koalitionen Die Anerkennung der Vereinigungsfreiheit und die damit verbundenen Fragen und Probleme lassen sidi nach den Worten de Lamartines1 „nicht in einem Tag, nicht mit einem Wort lösen." Tatsächlich vergeht genau ein halbes Jahrhundert, bis sich der Gesetzgeber entschließt, den Arbeitern und Arbeitgebern das Recht zu gewähren, Koalitionen zur Verteidigung ihrer beruflichen Interessen zu gründen. 2 In dieser Zeitspanne von 50 Jahren, die die Übergangsphase vom absoluten Koalitionsverbot zur endgültigen Verkündung der Koalitionsfreiheit bildet, zeigt sich der Gesetzgeber redit unschlüssig. Zu Beginn der 2. Republik (1848) bekennt er sich erstmals zur Koalitionsfreiheit, um gegen Ende der Republik seine Entscheidung wieder zurückzunehmen. Die Strafbestimmungen des Code pénal über die zeitlich begrenzten Vereinigungen der Arbeiter und Arbeitgeber läßt er dagegen im Prinzip unberührt (Kapitel 1). Während des 2. Kaiserreichs verfährt er genau umgekehrt. Er hält an dem Verbot der Koalitionen fest und erklärt die vorübergehenden Zusammenschlüsse f ü r zulässig (Kapitel 2). KAPITEL

1

Die 2. Republik Die Revolution von 1848, die sich an dem Verlangen der Arbeiter nach gesetzlicher Anerkennung des Rechts auf Arbeit und des Rechts der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit entzündet hat, 1 f ü h r t zu einer Wende in der Entwicklung des französischen Rechts der Koalitionen. K a u m ist eine Übergangsregierung gebildet, so fordern die Arbeiter von ihr, ihnen die beanspruchten Rechte einzuräumen. Ihre feste Entschlossenheit, die Revolution zu ihrem Vorteil zu nutzen, lassen sie die Öffentlichkeit am 24. Februar 1848 während einer Mas1

Siehe Teil 1 Kapitel 4. Dieser Entschluß fällt im Gesetz vom 21. März 1884. Die Anerkennung des Rechts der allgemeinen Vereinsfreiheit erfolgt sogar erst im Gesetz vom 1. Juli 1901. 1 .'Nourrisson, La liberté d'association, Bd. II, 2. !

38 senkundgebung vor dem Pariser Rathaus merken. 2 Als Ergebnis dieser Kundgebung können sie das Dekret vom 25.—29. Februar 18483 verzeichnen. §1

Das Dekret vom 25. bis 29. Februar 1848 über die Koalitionsfreiheit Dem Verlangen der Arbeiter nach Koalitionsfreiheit entspricht die provisorische Regierung in Satz 3 des Dekrets vom 25.—29. Februar 1848 wie folgt: „II (le gouvernement provisoire) reconnaît que les ouvriers doivent s'associer entre eux pour jouir du bénéfice de leur travail." 4 Nach Lavigness Ansicht wird Satz 3 des Dekrets den Forderungen der Arbeiter nach Anerkennung freier Vereinigungen zu Verteidigung ihrer beruflichen Interessen nicht gerecht. Er sieht in dieser Vorschrift lediglich die Zustimmung zur Gründung von Zwangsverbänden in Form von Produktions- und Verbrauchergenossenschaften. Er beruft sich dabei auf die Wendung „ . . . les ouvriers doivent s'associer . . . " . Nun kann „devoir" neben einem Zwang („müssen") auch eine Empfehlung („sollen") ausdrücken. So betont denn namentlich Louis? die Übergangsregierung erkenne das Redit der Koalitionsfreiheit nicht nur an, sondern rufe die Arbeiter geradezu auf, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Bedenkt man, daß den Arbeitern das Koalitionsrecht solange vorenthalten worden ist, so erscheint eine solche Aufforderung zur Ausübung des neuen Rechts verständlich, die sich insbesondere an diejenigen richtet, die bisher aus Furcht vor Verfolgungen den Verbänden ferngeblieben sind. 7 Selbst wenn man „devoir" den Sinn von „müssen" beimißt, überzeugt Lavignes Interpretation noch immer nicht.8 Der nachfolgende 2 Kritsky, L'évolution du syndicalisme en France, 55; Nourrisson, La liberté d'association, Bd. II, 32. 3 Moniteur, 26. 2.1848, 503; Coll. Duvergier, Bd. IIL, 59. 4 Von einer Übertragung ins Deutsche ist vorerst wegen der anschließenden Diskussion des Wortlauts abgesehen worden. 5 Le travail dans les constitutions françaises, 180 f. und 224. 6 L'ouvrier devant l'Etat, 145. 7 U m einen Zwang zum Zusammenschluß auszudrücken, hätte sich der Gesetzgeber sicherlich der unmißverständlichen Wendungen „les o u v r i e r s . . . sont obligés" oder " . . . sont tenus de s'associer" bedient. 8 Auf Seite 224 seines Werks „Le travail dans les constitutions françaises" scheinen Lavigne selbst Zweifel an der Richtigkeit seiner These gekommen zu sein, denn dort hält er seine Interpretation nur noch für „wahrscheinlich" und meint abschließend, den Texten, die in den Tagen des Aufruhrs ausgearbeitet worden sind, dürfe keine allzu große Bedeutung beigelegt werden.

39 Finalsatz „pour jouir du bénéfice de leur travail" spricht mehr dafür, die strittige Wendung als die staatliche Anerkennung („Le gouvernement reconnaît...") der Notwendigkeit der Berufsverbände für die Arbeiter zur Sicherstellung ihrer Arbeitsvorteile aufzufassen als in ihr eine Entscheidung über die Verbandsart zu erblicken. Mit Lavignes Interpretation des Dekrets verträgt sich ferner nicht, daß bereits am 17. Februar in einer Grundsatzerklärung den Bürgern des gleichen Berufs das Vereinsrecht zugestanden worden ist9 und sich später die Nationalversammlung im Dekret vom 28. Juli bis 2. August 184810 ebenfalls zur Koalitionsfreiheit bekennt. Demnach lautet Satz 3 des Dekrets vom 25.—29. Februar 1848 sinngemäß übersetzt: Die provisorische Regierung erkennt an, daß sich die Arbeiter zusammenschließen sollen (müssen), um den gerechten Verdienst ihrer Arbeit zu erhalten." Damit ist erstmals die Koalitionsfreiheit in Frankreich verkündet. 11 Dieser Grundsatz wird in die Verfassung vom 4. November 184812 übernommen. Deren Artikel 8 sichert den Bürgern das Vereinigungsrecht zu. Artikel 13 erklärt überdies die Gleichheit in den Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeiter und die Existenz freier Verbände zu den notwendigen Voraussetzungen für die Fortentwicklung der Arbeit. Der Hinweis auf die Gleichheit verdeutlicht noch, daß die Koalitionsfreiheit auch für die Arbeitgeber gilt, die das Dekret vom 2 5 . - 2 9 . Februar 1848 nicht erwähnt. 13

§2 Das Gesetz v o m 27. N o v e m b e r 1849 Obwohl sich die provisorische Regierung den Forderungen der Arbeiter nach Koalitionsfreiheit aufgeschlossen zeigt, hebt sie die Strafvorschriften des Code pénal über die vorübergehenden Zusammenschlüsse der Arbeiter und Arbeitgeber nicht auf; sie wendet sie allerdings auch nicht an sondern bemüht sich, die Konflikte zwischen 9

Vgl. Villot, Liberté syndicale, 34. Moniteur, 28. 7. 1848, 1784. 11 Vgl. Capitant-Cucbe, Législation industrielle, 70 f; Nourrisson, La liberté d'association, Bd. II, 29; Pic, Législation industrielle, 248 f.; Lagardelle, L'évolution des syndicats ouvriers en France, 128. 12 Text bei Duverger, Constitutions et documents politiques, 90 ( f . 13 Daß sich dieses Dekret ausschließlich an die Arbeiter wendet, hängt damit zusammen, daß es zum einen die direkte Antwort der Regierung auf die Massenkundgebung der Arbeiter vom 24. Februar 1848 für die Anerkennung ihres Redits der Koalitionsfreiheit darstellt, zum anderen die Arbeitgeber das Redit Verbände zu gründen schon besitzen; vgl. Teil 1 Kapitel 3 s 3. 10

40 Kapital und Arbeit zu schlichten.14 Nach Verabschiedung der Verfassung vom 4. November 1848, deren Artikel 13 die Gleichheit des Arbeiters und Arbeitgebers gewährleistet, wird eine Überprüfung der Artikel 414 bis 416 C. p. auf ihre Verfassungsmäßigkeit und dadurch eine Stellungnahme grundsätzlicher Art zum Problem der zeitlich begrenzten Vereinigungen notwendig. Die Beratungen über die Neufassung der Strafnormen ziehen sich über ein Jahr hin. Der eine Teil der Abgeordneten 15 will die Artikel 414 ff. C. p. ersatzlos streichen. Er weist auf die Ungleichheit des Arbeiters und Arbeitgebers in tatsächlicher Hinsicht hin und glaubt, diese Ungleichheit nur durch die Zulassung von Vereinigungen auf Zeit korrigieren zu können. Der andere Teil der Abgeordneten 16 befürwortet lediglich die Beseitigung der rechtlichen Ungleichheit und hält ansonsten an den Strafvorschriften fest. Diesem Vorschlag entspricht das Gesetz vom 27. November 1849. Der neue Artikel 414 C. p. 17 bestraft ohne Unterschied jeden zeitlichen Zusammenschluß von Arbeitern oder Arbeitgebern, der eine Lohnerhöhung bzw. Lohnsenkung erzwingen will, mit sechs Tagen bis zu drei Monaten Gefängnis und 16 bis 3000 Franken, wenn es zu einer Ausführungshandlung kommt. Der neue Artikel 415 C. p. 18 stellt die gleiche Strafe für Handlungen in Aussicht, die geeignet sind, einen bestimmten Arbeitgeber — 14 Louis, L'ouvrier devant l'Etat, 183; siehe auch Capitant-Cucbe, Législation industrielle, 39. 15 So Doutre, Benoît, Greppo am 25. 6.1849 vor der Nationalversammlung; siehe Compte rendu Ass. nat. 1849, Bd. III, 3 f. 16 So vor allem Vatimesnil, der Berichterstatter des letzten Ausschusses; vgl. Moniteur, 7. 10. 1849, 2998 f. Er ist der Ansicht, daß die Vereinigungsfreiheit nichts mit der Freiheit, vorübergehende Zusammenschlüsse zur Durchsetzung von Lohnerhöhungen bzw. Lohndrückungen zu bilden, gemein hat, die in seinen Augen nur eine Zügellosigkeit ist; Moniteur, 12. 10.1849, 3068. 17 Art. 414 C. p.: „Sera puni d'un emprisonnement de six jours à trois mois et d'une amende de 16 francs à 3000 francs: 1. Toute coalition entre ceux qui font travailler des ouvriers, tendant à forcer l'abaissement des salaires, s'il y a eu tentative ou commencement d'exécution. — 2. Toute coalition de la part des ouvriers pour faire cesser en même temps de travailler, interdire le travail dans un atelier, empêcher de s'y rendre avant ou après certaines heures et en général pour suspendre, empêcher, enchérir les travaux, s'il y a eu tentative ou commencement d'exécution. Dans les cas prévus par les deux paragraphes précédents les chefs ou moteurs seront punis d'un emprisonnement de deux à cinq ans." 18 Art. 415 C. p.: „Seront aussi punis des peines portées dans l'article précédent et d'après les mêmes distinctions, les directeurs d'ateliers ou entrepreneurs d'ouvrage et les ouvriers qui de concert auront prononcé des amendes autres que celles qui ont pour objet la discipline intérieure de

41 weil er beispielsweise Außenseiter beschäftigt — zu boykottieren, bzw. gewisse Arbeiter — weils sie z. B. organisiert sind — nicht einzustellen. Den Anführern drohen in beiden Fällen zwei bis fünf Jahre Gefängnis. Nach Ablauf der Strafverbüßung können sie gemäß Artikel 416 C. p. 19 noch f ü r mindestens zwei und höchstens fünf Jahre unter Polizeiaufsicht gestellt werden. In rechtlicher Hinsicht bedeutet das Gesetz vom 27. November 1849 einen Fortschritt gegenüber dem Code penal, weil die diskriminierende Ungleichbehandlung der Arbeitgeber- und Arbeiterzusammenschlüsse durch eine Angleichung der Deliktsdefinition und des Strafmaßes beseitigt wird. Die Gleichheit ist auf Kosten der Arbeitgeber hergestellt worden, denn sie haben den Vorteil eingebüßt, der ihnen Artikel 414 C. p. alte Fassung dadurch gewährte, daß der Verfolgung ihrer Vereinigungen eine gerichtliche Untersuchung darüber vorraufgehen mußte, ob sie „ungerecht und mißbräuchlich" gehandelt hatten. 2 0 H ä t t e sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, die erstrebte Gleichheit nicht durch Streichung des Zusatzes „in ungerechter und mißbräuchlicher Weise" zu erzielen sondern ihn zur Voraussetzung der Strafverfolgung zeitlich begrenzter Vereinigungen zu machen, 21 wäre der Fortschritt beachtlicher gewesen. Doch man glaubt immer noch der physiokratischen Lehre, daß die beruflichen Zusammenschlüsse das Gesetz von Angebot und Nachfrage verfälschen 22 und verbietet sie deshalb grundsätzlich, ohne auf ihre Motive abzustellen. 23 In tatsächlicher Hinsicht stehen sich sowohl Arbeiter als auch Arbeitgeber schlechter als zu Beginn der 2. Republik, denn das neue Gesetz wird mit aller H ä r t e angewandt. 2 4 Von 1848 bis 1864 werden 1144 Arbeiter- und 162 Arbeitgeberzusammenschlüsse strafrechtlich l'atelier, des défenses, des interdictions ou toutes proscriptions sous le nom de damnation ou sous quelque qualification que ce puisse être soit de la part des directeurs d'ateliers ou entrepreneurs contre les ouvriers, soit de la part de ceux —• ci contre les directeurs d'ateliers ou entrepreneurs, soit les uns contre les autres." 19 Art. 416 C. p.: „Dans les cas prévus par les deux articles précédents, les chefs ou moteurs pourront après l'expiration de leur peine être mis sous la surveillance de la haute police pendant deux ans au moins et cinq ans au plus." 20 Siehe Teil 1 Kapitel 3 § 1. 21 Ein solcher Vorschlag wurde am 14. August 1848 diskutiert und schließlich fallengelassen; vgl. Compte rendu, Ass. nat., Bd. III, 3. 22 So Vatimesnil in seinem Bericht; Moniteur, 7. 10. 1848, 2998 und 12. 10. 1848, 3068. 23 Vgl. auch Villot, Liberté syndicale, 35 f. 24 Siehe Lagardelle, L'évolution des syndicats ouvriers en France, 133.

42 verfolgt. 2 5 Das Zahlenbeispiel veranschaulicht auch, daß es die Arbeiter schwerer als die Arbeitgeber haben, den Nachstellungen zu entgehen. Jene gewinnen durch das neue Gesetz praktisch nichts außer dem Trost zu wissen, daß die Arbeitgeberzusammenschlüsse, falls man sie entdeckt, die gleiche Strafe ereilt. 26

§3

Die erneute Unterdrückung der Koalitionsfreiheit Obschon sich das Gesetz vom 27. November 1894 seinem Ausspruch nach nur an die vorübergehenden Vereinigungen richtet, beinhaltet es den ersten Angriff auf den Grundsatz der Koalitionsfreiheit. Zwar schränkt es weder die Gründungsfreiheit der Koalitionen ein, noch bedroht es die Verbände unmittelbar in ihrem Bestand; 2 7 indem es jedoch den Arbeitern und Arbeitgebern ein gemeinsames Vorgehen bei Streitigkeiten in Lohnfragen und die Anwendung jeden Druckes zur Durchsetzung der verlangten bzw. angebotenen Arbeitsbedingungen untersagt, schließt es eine berufsverbandliche Tätigkeit aus. Es erfaßt die Koalitionen in Aktion. Hindert es die Verbände daran, ihrer Bestimmung gemäß die zugesicherte Freiheit dazu zu nutzen, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder durch Kollektivvereinbarungen und gegebenenfalls durch Arbeitskampf zu verteidigen, so höhlt es den Grundsatz der Koalitionsfreiheit aus. 28 Das Ende der Koalitionsfreiheit kündigt sich im Gesetz vom 22. Juni 1849 an, das die Regierung ermächtigt, während eines J a h res alle Versammlungen zu verbieten, die die öffentliche Sicherheit gefährden. Die Ermächtigung wird in den folgenden zwei Jahren erneuert, bis schließlich nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 das Dekret vom 25. März 1852 2 9 erlassen wird, das die Artikel 291 bis 294 C. p. und das Gesetz vom 10.—11. April 1834 für wieder 25 Louis, L'ouvrier devant l'Etat, 184; nach Kritsky, L'évolution du syndicalisme en France, 76 werden jährlich durchschnittlich 75 Arbeiter- und 8 Arbeitgeberzusammenschlüsse verfolgt und 400 Verurteilungen ausgesprochen. 26 Vaille, La coalition ouvrière, 203. 2 7 Vgl. indessen Art. 415 C. p., aus dem sich insofern für die Verbände Schwierigkeiten ergeben können, als er auf Grund seiner weiten Fassung neben dem äußeren auch den inneren Organisationszwang zu verbieten scheint, ohne den aber eine Vereinigung kaum auskommt. 2 8 Den Koalitionen bleibt als Tätigkeitsfeld nur noch der soziale Bereich. Als Unterstützungsvereine können sie Hilfskassen für notleidende oder aus dem Beruf ausgeschiedene, alte Mitglieder errichten. 2 9 Coli. Duvergier, Bd. L H , 263.

43 anwendbar erklärt. Danach setzt eine neue Verfolgungswelle der Koalitionen ein,30 die nur die Unterstützungsvereine auf Gegenseitigkeit nicht erfaßt. 31 Der Gesinnungswandel des Gesetzgebers in der Koalitionsfrage beruht wiederum auf der Furcht vor den Arbeitermassen, deren blutiger Aufstand im Juni 1848 anläßlich der Schließung der Nationalwerkstätten die Erinnerung an die Schreckensherrschaft wachgerufen hat. 32 Die in diesen Tagen einsetzende Politisierung der Arbeiterschaft und ihre Hinwendung zum Sozialismus bringen ihre Koalitionen in den Verruf, sich politisch zu betätigen. 33 Verbände, die zur Verteidigung von Berufsinteressen geplant sind, haben nach Auffassung des Gesetzgebers ihr Freiheitsrecht verwirkt, wenn sie sich Ideen zu eigen machen, die nicht nur die Arbeitsorganisation betreffen sondern sich mit einer Neugestaltung der gesamten Gesellschaftsordnung beschäftigen.34 §4 Die B e d e u t u n g der zeitweisen A n e r k e n n u n g der Koalitionsfreiheit f ü r die Rechtsentwicklung Obgleich die Anerkennung der Koalitionsfreiheit nur von kurzer Dauer war, darf die Bedeutung der liberalen Gesetzgebung zu Anfang der 2. Republik für die Entwicklung des französischen Koalitionsrechts nicht unterschätzt werden. Bemerkenswert ist, daß erstmalig seit der Französischen Revolution von 1789 der Individualismus nicht mehr als die beste Form des staatlichen Zusammenlebens und als einzige Garantie für die Fortentwicklung des einzelnen erscheint. Mit der Revolution von 1848 wendet sich der Gesetzgeber von der abstrakten Philosophie ab und zur sozialen Wirklichkeit hin. Dank dieser Umorientierung sieht er ein, daß sich die Bürger gleichen Berufs koalieren müssen, um ihre Rechte und gemeinsamen Interessen wahren zu können. Die Koalitionsfreiheit stellt sich ihm als eine fundamentale Freiheit, als eine Idee dar, die er zu berücksichtigen hat. 35 Dem widersprechen auch die gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Ende der Vgl. Louis, L'ouvrier devant l'Etat, 146. Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 249 und 253. D a s Gesetz vom 15. Juli 1850 über die "sociétés de secours mutuels" bleibt auch nach dem Staatsstreich in Geltung. 3 2 Vgl. Nourrisson, L a liberté d'association, Bd. II, 54. 3 3 Vgl. Nourrisson, L a liberté d'association, Bd. II, 38. 3 4 Vgl. zu den sozialistischen Ideen Levasseur, Histoire des classes ouvrières, Bd. I, 679 ff. 35 Nourrisson, L a liberté d'association, Bd. II, 57. 30

31

44 Republik nicht. Sie verstehen sich nicht so sehr als das Resultat einer grundsätzlichen koalitionsfeindlichen H a l t u n g des Gesetzgebers sondern eher als das Ergebnis einer Güterabwägung zwischen dem Rechtsgut der Vereinigungsfreiheit und dem der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, 3 6 die bei Krisen in den Augen des Staates schwerer wiegen als jede Freiheit. Auf seiten der Arbeiter wird sich, nachdem sie die Koalitionsfreiheit einmal ohne Behinderung und Furcht vor Bestrafung ausüben konnten, der Drang nach der Wiederherstellung dieses Zustandes verstärken. Zum ersten Mal besitzen sie auch ein legales Mittel, das sie zur Verwirklichung ihrer Forderung einsetzen können: das Stimmrecht. 37 Auf Grund ihrer großen Zahl stellen die Arbeiter eine bedeutende Wählergruppe dar, die die künftigen Regierungen durch Erfüllung ihrer Forderungen günstig zu stimmen bemüht sein werden. Ein Beispiel hierfür gibt das 2. Kaiserreich. KAPITEL

2

Das 2. Kaiserreich Die Epoche, in der den Forderungen der Bürger nach Anerkennung des Rechts, sich zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen vorübergehend zusammenzuschließen, entsprochen wird, beginnt wenig verheißungsvoll. Nachdem Louis-Napoleon am 2. Dezember 1852 zum Kaiser ernannt worden ist, geht er daran, mit drastischen Maßnahmen Ruhe und Ordnung in Frankreich wiederherzustellen. Seine H a u p t angriffe richten sich dabei gegen die politischen Vereinigungen, die sich als Keimzellen des Unfriedens während der 2. Republik erwiesen haben. Infolge ihres politischen Charakters und ihrer sozialistischen Tendenzen bleiben auch die Arbeitervereinigungen von den Verfolgungen nicht verschont. 1 Doch vermögen die koalitionsfeindlichen Aktionen, die sich auf das Dekret vom 25. März 1852 und die einschlägigen Vorschriften des Code pénal stützen, 2 nicht die neuen Ideen von 1848 aus der Vorstellung der Arbeiter zu vertreiben. 3 Trotz 38

Ähnlich Nourrisson, La liberté d'association, Bd. II, 56. Das allgemeine Wahlrecht, das gegen Ende der 2. Republik durch das Wahlgesetz vom 31. Mai 1850 eingeschränkt wurde, wird nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 wieder eingeführt. 1 Vgl. Gradilone, Storia del sindacalismo, Bd. II, 152; Nourrisson, La liberté d'association, Bd. II, 78. 2 Gradilone, Storia del sindacalismo, Bd. II, 154 mißt die Härte des Kampfes der Regierung gegen die Arbeiterzusammenschlüsse an der Zahl der auf Grund der Art. 414 ff. C. p. angestrengten Gerichtsverfahren. Er zählt z. B. 109 Prozesse im Jahr 1853, 168 im Jahr 1855. 3 Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 94. 37

45 ständiger Polizeikontrollen lassen die Arbeiter nicht davon ab, sich zusammenzuschließen, sei es, daß sie Geheimverbindungen eingehen, sei es, daß ihre Verbände im Gewand der „sociétés des secours mutuels" auftreten.4 Ab 1860 läßt der Staat den Arbeitervereinigungen eine liberalere Behandlung widerfahren. Dieser Wandel beruht teils auf der Erkenntnis, daß selbst das schärfste Strafgesetz den Drang der Arbeiter sich zu organisieren nicht unterbinden kann, teils erklärt er sich aus der politischen Notwendigkeit, die Stimmen der Arbeiter zu gewinnen.5 Seine Bereitschaft zur Aussöhnung mit der Arbeiterschaft stellt Napoleon III. schließlich durch seine Haltung in den Prozessen gegen die Buchdrucker von Paris unter Beweis, die am 29. Juli 1862 in Streik getreten waren, nachdem sie vergeblich in einem von 2400 Arbeitern unterzeichneten Gesuch den Kaiser um die Erlaubnis gebeten hatten, eine Gewerkschaft zu gründen und die Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag festzusetzen.6 Der Kaiser begnadigt die wegen Verstoßes gegen die Artikel 414 ff. C. p. verurteilten Arbeiter und erkennt damit stillschweigend die Befugnis an, zur Verteidigung beruflicher Interessen zumindest vorübergehende Zusammenschlüsse zu bilden.7 Nicht minder bedeutsam als dieses Ergebnis ist für die französischen Arbeiter die Begegnung mit englischen Gewerkschaftsführern während der Weltausstellung in London. Sie kehren mit dem Wunsch zurück, die gleichen Rechte wie die Arbeiter in England zu erhalten: freie Koalitionen und zeitlich begrenzte Vereinigungen gründen zu dürfen.8 Der Anstoß zu einer erneuten Überprüfung des Vereinigungsrechts ist gegeben. §1 Das Gesetz vom 25. Mai 1864 Im Februar 1864 wird eine Kommission einberufen, die sich mit dem Vereinigungsproblem beschäftigen soll. Ihr gehören u. a. zwei Persönlichkeiten der demokratischen Linken an, Jules Favre und 4 Siehe Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 294 f.; Kritsky, L'évolution du syndicalisme en France, 66 ff. Die Tarnung als Unterstützungsverein hilft allerdings in den seltensten Fällen. Zwar ist diese Art der Vereinigung erlaubt, doch mißtraut der Staat den Unterstützungsvereinen wie jedem anderen Arbeiterzusammensdiluß; vgl. Gradilone, Storia del sindacalismo, Bd. II, 152. 5 Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 298. • Vgl. hierzu die ausführlichen Schilderungen bei Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 319 ff. 7 So Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 324. 8 Gradilone, Storia del sindacalismo, Bd. II, 163 f.

46

Jules Simon, die einen entscheidenden Einfluß bei den Beratungen ausüben. Als Berichterstatter trägt Emile Ollivier9 die Ergebnisse der Kommissionsarbeit der gesetzgebenden Körperschaften vor. Dabei konzentriert er sich auf die Herausarbeitung von drei Argumenten für die Aufhebung der Artikel 414 ff. C. p. Das erste Argument fußt auf der Überlegung, daß eine Handlung, die dem einzelnen erlaubt ist, grundsätzlich auch einer Gruppe von einzelnen gestattet sein muß. Wenn der einzelne Arbeiter und Arbeitgeber das Recht besitzen, die Arbeitsbedingungen auszuhandeln, muß einer Gruppe von Arbeitern und Arbeitgebern die gleiche Befugnis zustehen, denn allein darin, daß die Arbeitsbedingungen anstatt durch Individualvereinbarungen durch Kollektivvereinbarungen geregelt werden, kann keine strafbare Handlung erblickt werden. 10 Als zweites Argument dient Ollivier11 der Hinweis, daß für den Fall der Aufrechterhaltung des Verbots kollektiver Aktionen der Arbeiter staatliche Interventionen zur Festsetzung von Mindestlöhnen unvermeidlich werden. 12 Eine solche Überlegung wurde bereits in der Diskussion um das Gesetz vom 27. November 1849 angestellt, aber als falsch zurückgewiesen, da sie der physiokratischen Lehre widersprach.13 Eine Untersuchung gerade dieser Lehre auf ihre Richtigkeit hin liefert Ollivier14 das dritte Argument für die Freiheit, vorübergehende Zusammenschlüsse zu bilden. Er weist nach, daß nicht das Gesetz von Angebot und Nachfrage allein den Arbeitsmarkt bestimmt, sondern noch andere Faktoren wie beispielsweise die wirtschaftliche Unterlegenheit des Arbeiters und das Profitstreben des Kapitals hinzukommen, die das natürliche Verhältnis von Angebot und Nachfrage stören. Der Bericht Olliviers bewegt den Gesetzgeber, seine Meinung von der Strafwürdigkeit der vorübergehenden Berufsvereinigungen; aufzugeben. Artikel 1 des Gesetzes vom 25. Mai 186415 hebt die ' R a p p o r t , D. 1864.4.60 ff.; vgl. auch die Motive zum Gesetz vom 25. Mai 1864, D. 1864.4.53 ff. 10 Ollivier, Rapport, D. 1864.4.61 f. " Rapport, D. 1864.4.63. 12 Dieses Argument ist äußerst geschickt gewählt, denn der Staat wird nach den bitteren Erfahrungen, die er bei der Errichtung und Schließung der Nationalwerkstätten machen mußte, lieber das Risiko eingehen, Berufszusammenschlüsse auf Zeit zu gestatten, als sich die Schwierigkeiten einer Lohnregelung aufbürden; vgl. Capitant-Cuche, Legislation industrielle, 41 f. 13 Siehe Dolleans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 258; vgl. auch Compte rendu, Ass. nat., 1849, Bd. III, 3 f. 14 Rapport, D. 1864.4.65. 15 Coli. Duvergier, Bd. LXIV, 162 ff.

47 Artikel 414 bis 416 C. p. auf. Arbeitern wie Arbeitgebern steht es von nun an frei, sich zur Verteidigung ihrer Interessen auf begrenzte Zeit zusammenzuschließen.

I. Die neuen Artikel 414 ff. des Code penal Die Strafbestimmungen über die vorübergehenden Berufsvereinigungen fallen nicht ersatzlos fort. An ihre Stelle treten zum Schutz der Arbeitsfreiheit die neuen Artikel 414 ff. C. p. Sie sind daraufhin zu untersuchen, ob und gegebenenfalls inwieweit sie sich auf das Recht sich zusammenzuschließen auswirken. Der jetzige Artikel 414 C. p. 1 6 findet Anwendung, wenn jemand „mittels Gewalt, Tätlichkeiten, Drohungen oder betrügerischen H a n d lungen eine gemeinsame Arbeitseinstellung herbeiführt, herbeizuführen versucht oder aufrechterhält, um eine Lohnerhöhung oder Lohnsenkung zu erzwingen oder die Ausübung der Industrie- und Arbeitsfreiheit zu beeinträchtigen." Dieser Tatbestand ist im Gegensatz zu dem des Artikels 414 C. p. alte Fassung 17 auf Einzeltäter zugeschnitten. 18 Das Merkmal „coalition" fehlt. Artikel 415 C. p. 19 droht denjenigen, welche die in Artikel 414 C. p. beschriebenen Tathandlungen „nach einem gemeinsamen Plan" ausführen, eine Gefängnisstrafe von sechs Tagen bis zu drei Jahren und (oder) eine Geldstrafe in H ö h e von 16 bis zu 3000 Franken an und ermöglicht es darüber hinaus, die Täter f ü r mindestens zwei und höchstens fünf Jahre unter Polizeiaufsicht zu stellen. Z w a r weist Artikel 415 C. p. ebensowenig den Begriff „coalition" auf wie Artikel 414 C. p., jedoch erfaßt er die vorübergehenden Zusammenschlüsse mit dem Merkmal „nach einem gemeinsamen Plan." 2 0 Dieses 16 Art. 414 C. p.: «Sera puni d'un emprisonnement de six jours à trois ans et d'une amende de 16 francs à 3000 francs ou de l'une de ces deux peines seulement, quiconque, à l'aide de violences, voies de fait, menaces ou manoeuvres frauduleuses, aura amené ou maintenu, tenté d'amener ou de maintenir une cessation concertée de travail, dans le but de forcer la hausse ou la baisse des salaires ou de porter atteinte au libre exercice de l'industrie ou du travail.» 17 Vgl. Teil 2 Kapitel 1 § 2. 18 Vgl. Ollivier, Rapport, D. 1864.4.68. 19 Art. 415 C. p.: «Lorsque les faits punis par l'article précédent auront été commis par suite d'un plan concerté, les coupables pourront être mis, par l'arrêt ou le jugement, sous la surveillance de la haute police pendant deux ans au moins et cinq ans au plus.» 20 So Jules Favre, vgl. Coll. Duvergier, Bd. LXIV, 190; siehe auch Louis, L'ouvrier devant l'Etat, 185; Vaille, La coalition ouvrières, 211.

48 Merkmal weist auch der Tatbestand des Artikels 416 C. p. 21 auf. Er stellt allen Arbeitern und Arbeitgebern, die auf Grund eines gemeinsamen Planes durch Disziplinarmaßnahmen oder Boykott gegen die Industrie- und Arbeitsfreiheit verstoßen, eine Gefängnisstrafe von sechs Tagen bis zu drei Monaten und (oder) eine Geldstrafe von 16 bis 3000 Franken in Aussicht. 22 Die Artikel 414 ff. C. p. zeigen, daß das Gesetz vom 25. Mai 1864 den Arbeitern und Arbeitgebern nur „friedliche Berufsvereinigungen auf Zeit" 2 3 zugesteht. Es untersagt ihnen jede Anwendung von Zwang, um ihren Anordnungen Gehör zu verschaffen, Außenseiter zu einem Beitritt zu bewegen oder eine Lohnänderung durchzusetzen. „Absolute Freiheit der vorübergehenden Zusammenschlüsse in all ihren Formen, unerbittliche Unterdrückung von Gewalt und T ä u s c h u n g . . . " , das sind nach den Worten Olliviers2i die beiden Grundsätze, auf denen das Gesetz von 1864 aufbaut. So sehr einerseits die Entscheidung zu begrüßen ist, die zeitlich begrenzten Berufsvereinigungen nicht wie bisher üblich von vorneherein zu verbieten, sondern sie nach ihren Taten zu beurteilen, so bedauernswert ist es andererseits, daß der Gesetzgeber aus Sorge um den Schutz der Arbeitsfreiheit des einzelnen gegen die Angriffe der Vereinigungen den Tatbestand des Artikels 414 C. p. sehr weit gefaßt und sich in Artikel 416 C. p. zu streng gezeigt hat. Das Tatbestandsmerkmal „manoeuvres frauduleuses" in Artikel 414 C. p. gilt als äußerst unscharf. 25 Jules Simon, der schon während der Vorbereitungsarbeiten diesen Begriff als zu vage abgelehnt hat, erhält 1864 auf eine 21 Art. 416 C. p.: «Seront punis d'un emprisonnement de six jours à trois mois et d'une amende de 16 francs à 3000 francs ou de l'une de ces deux peines seulement tous ouvriers, patrons et entrepreneurs d'ouvrage qui, à l'aide d'amendes, défenses, proscriptions interdictions prononcées par suite d'un plan concerté auront porté atteinte au libre exercice de l'industrie ou du travail.» 22 Art. 416 C. p. untersagt die sogenannte „mise à l'index"; ausführliches hierzu folgt später in Teil 3 Kapitel 4 § 2. 23 Villot, La liberté syndicale, 38; Louis, L'ouvrier devant l'Etat, 185. 24 Rapport, D. 1864.4.6.7 25 Vgl. insbesondere Barthou, Des atteintes à la liberté du travail, N R 1901, 328 f.; Garçon-Rousselet-Patin-Ancel, Code pénal annoté, Bd. III, Art. 414, Anm. 77; Gradilone, Storia del sindacalismo, 168; Lagardelle, L'évolution des syndicats ouvriers en France, 275 f.; Kritsky, L'évolution du syndicalisme en France, 77 f.; Louis, L'ouvrier devant l'Etat, 185. Dessen war sich der Berichterstatter Ollivier, Rapport, D. 1864.4.68 wohl bewußt, denn sonst hätte er es nicht für nötig befunden, dieses Merkmal näher bestimmen zu müssen. Seine Erläuterungen, die in etwa dem äußeren Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB entsprechen, sind jedoch nicht in das Gesetz von 1864 aufgenommen worden und binden daher die Gerichte nicht.

49 Umfrage unter Richtern, was sie unter „manoeuvres frauduleuses" verstünden, die A n t w o r t : alles, was man nur will. 26 Auf Grund dieses Merkmals können also die friedfertigsten Berufszusammenschlüsse auf Zeit des schweren Verstoßes gegen die Arbeitsfreiheit beschuldigt werden. 27 Damit entsteht eine Rechtsunsicherheit, die ein unerträgliches Risiko denen auflastet, die sich zur Verteidigung ihrer Belange auf beschränkte Zeit zusammenschließen. 28 Das neue Freiheitsrecht verliert dadurch an Wert. Ähnlich verhält es sich mit Artikel 416 C. p., der leichtere Verstöße gegen die Arbeitsfreiheit ahndet. 2 9 Wenn hiernach jeder noch so geringfügige Druck nicht nur auf Außenseiter sondern sogar auf die eigenen Mitglieder zu unterbleiben hat, dann kann gegen sämtliche wirkungsvolle Vereinigungen vorgegangen werden, 30 denn um erfolgreich zu sein, können die Zusammenschlüsse kaum auf einen äußeren und gar nicht auf einen inneren Organisationszwang verzichten. Das Gesetz von 1864 verkündet also nur das abstrakte Prinzip der Gründungsfreiheit der Berufsvereinigungen auf Zeit 31 und versagt ihnen gleichzeitig diejenigen Mittel, die sie benötigen, um kraftvolle Aktionen zur Interessenverteidigung ihrer Mitglieder durchzuführen. 3 2 II. Die Unanwendbarkeit des Gesetzes von 1864 auf die Koalitionen Der Berichterstatter Ollivier33 grenzt in seinem Bericht vor der gesetzgebenden Körperschaft die Koalitionen von den vorübergehen26

Siehe Moniteur, 30. 4. 1864, 589. Barthou, Des atteintes à la liberté du travail, N R 1901, 328. 28 Nach den Angaben von Gradilone, Storia del sindacalismo, 168 und Fußn. 25 stellen die Strafgerichte in der Zeit vom 25. Mai 1864 bis zum 1. Juli 1866 96 Verstöße gegen die Arbeitsfreiheit fest. 29 Siehe Ollivier, Rapport, D. 1864.4.68. 30 Vgl. Brunot, Loi sur les syndicats, 102; Villot, Liberté syndicale, 39. 31 Von einer echten Gründungsfreiheit kann eigentlich erst nach A u f h e bung des allgemeinen Versammlungsverbots durch das Gesetz vom 6.—10. Juni 1868 gesprochen werden, das nur noch f ü r Versammlungen politischen und religiösen Charakters eine Erlaubnis vorsieht. Bis zu diesem Gesetz mußte jede Versammlung um eine Erlaubnis ersuchen. D a der Entstehung einer Vereinigung auf Zeit grundsätzlich eine Versammlung vorraufgeht, in der beraten wird, ob man sich zusammenschließen und welche Forderungen man stellen soll, sind auch die Berufsvereinigungen vom Versammlungsverbot betroffen; allerdings wird ihnen die Versammlungserlaubnis fast stets erteilt (vgl. Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 260; PaulBoncour, L'individu et les groupements, 95). 32 Vgl. die kritischen Ausführungen des Abgeordneten Jules Favre, Coli. Duvergier, Bd. L X I V , 190 f. 33 Rapport, D. 1864.4.61 f. 27

6

Engels, Die Entwicklung . . .

50 den Zusammenschlüssen der Arbeiter und Arbeitgeber ab und hebt ausdrücklich hervor, daß die Koalitionen, die einer dauerhaften Organisation bedürfen, nicht unter das Gesetz von 1864 fallen. Die Artikel 291 fí. C. p., das Gesetz von 1834 und die einschlägigen Vorschriften des Gesetzes Le Chapelier bleiben demnach unberührt. Das Koalitionsverbot gilt fort. 3 4 Dabei ist die Anerkennung der Koalitionsfreiheit eine weitere unerläßliche Bedingung f ü r eine wirksame Tätigkeit der Berufsvereinigungen auf Zeit. Ohne einen festen, dauerhaften Verband im Rücken, der notfalls materielle Hilfe in Form von Streikgeldern und moralische Unterstützung in Form von Ratschlägen erteilt, kann ein loser Zusammenschluß von Arbeitern niemals einen Arbeitskonflikt längere Zeit erfolgreich durchstehen. Das Koalitionsverbot schafft eine zusätzliche Schwächung der vorübergehenden Zusammenschlüsse.35

§2 D i e B e d e u t u n g des Gesetzes v o m 25. M a i 1864 f ü r die R e c h t s e n t w i c k l u n g Das Gesetz von 1864 weist unbestreitbar zahlreiche Mängel auf. Es deswegen aber nur als eine vorgetäuschte Anerkennung der Berufsvereinigungen auf Zeit abzutun 3 6 und ihm keine besondere Wichtigkeit beizumessen, 37 wird dem Bemühen des Gesetzgebers um eine vorurteilsfreie Sicht des Problems der Vereinigungsfreiheit und der tatsächlichen Bedeutung des Gesetzes f ü r die Entwicklung des Koalitionsrechts in Frankreich nicht gerecht. Die bisherige Gesetzgebung traf der Vorwurf, unterschiedslos alle vorübergehenden Berufsvereinigungen von vorneherein zu verdammen, ohne sie nach ihren Taten zu beurteilen. Dieser Kritik hält das Gesetz von 1864 erstmals stand. Anstatt der Meinung ihrer Vorgänger über die Schädlichkeit der beruflichen Zusammenschlüsse f ü r Wirtschaft, Staat und Gesellschaft kritiklos zu übernehmen, unterziehen die Verfasser des neuen Gesetzes die überlieferten Argumente gegen die Berufszusammenschlüsse einer eingehenden Prüfung. Dabei ent34

Cass. crim., 23. 2. 1866, D. 1866.1.89; 7. 2.1868, D. 1868.1.414. Scelle, Le droit ouvrier, 29. 36 So Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 238, der behauptet, in Wirklichkeit sei die Freiheit, vorübergehende Zusammenschlüsse zu bilden, gar nicht anerkannt worden; ähnlich auch Kritsky, L'évolution du syndicalisme en France, 77; Louis, L'ouvrier devant l'Etat, 185. 37 Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 95 f. 35

51

decken sie die Schwächen der physiokratischen Lehre, auf der seit Turgot sämtliche Berufsvereinigungsverbote fußen und geben sie mit dem Gesetz von 1864 endgültig auf, indem sie den Berufstätigen ein kollektives Handeln gestatten. Ebenso stellen sie den aus der Zeit der Französischen Revolution stammenden, übertriebenen Individualismus — erneut 38 — in Frage. Sie entlarven die Behauptung Le Chapeliers,3e es gebe keine gemeinsamen Interessen bestimmer Bürger sondern „nur Individuen, Staubkörner ohne Zusammenhalt, und die kollektive Macht der Nation", als falsch.40 Sie vertreten demgegenüber die Ansicht, daß zwischen einzelnem und Staat die auf Freiwilligkeit beruhende Gruppe ihren Platz als Vermittler, als Schützer des einzelnen vor der Allmacht des Staates, aber auch als Schützer des wirtschaftlich schwächeren vor dem wirtschaftlich stärkeren Bürger hat. In der freien Berufsvereinigung auf Zeit sehen sie den alleinigen Garanten dafür, daß der einzelne den vollen Gewinn seiner Arbeit erhält. 41 Damit wenden sie sich von der individualistischen Lehre und ihrem formalen Freiheits- und Gleichheitsbegriff ab.42 Mit dem Angriff auf die physiokratische Lehre und den Individualismus der Revolution von 1789 beseitigt der Gesetzgeber die Entstehungs- und Fortwirkungsursachen des Gesetzes Le Chapelier. Dadurch bahnt sich das Ende dieser für die Beurteilung der Koalitionsfrage bisher grundlegenden Norm an. Diejenigen Bestimmungen des Gesetzes Le Chapelier, die die beruflichen Zusammenschlüsse auf Zeit verbieten, treten bereits jetzt mit dem Gesetz von 1864 außer Kraft. Dem steht nicht entgegen, daß Artikel 1 des Gesetzes von 1864 ausdrücklich nur die Artikel 414 ff. C. p. alter Fassung aufhebt. Die Tatsache, daß diese Strafvorschriften letztlich im Gesetz Le Chapelier wurzeln und nichts anderes als eine leicht modifizierte Wiederholung des 1791 angeordneten Vereinigungsverbots darstellen, berechtigt zu der Folgerung, daß mit der Aufhebung der Artikel 414 ff. C. p. auch 38

Siehe Teil 2 Kapitel 1 § 4.

39

Vgl. Moniteur (réimp.), 15. 6. 1791, Bd. VIII, 661 f. und Teil 1, Kapitel 2 § 2 II dieser Arbeit. 40 41

Vgl. Ollivier, Vgl. Ollivier,

Rapport, D . 1864.4.62. Rapport, D . 1864.4.62.

42 Allerdings handelt es sich nicht um den ersten Angriff auf den Individualismus, w i e Barthélémy, Précis de droit public, 251 meint. D a s Dekret v o m 25.—29. Februar 1848 (vgl. Teil 2, K a p i t e l l , § 1 ) enthält bereits einen solchen Angriff, der allerdings weniger bedeutsam ist als der jetzige, weil ihm erstens nur ein vorübergehender Erfolg besdieden und zweitens keine so gründliche Analyse des Problems voraufgegangen ist wie im Jahre 1864.

6*

52 die ihnen zugrunde liegenden Normen des Gesetzes Le Chapelier f ü r kraftlos erklärt sind. 43 Endlich ist noch die Begeisterung zu erwähnen, mit der das Gesetz von 1864 als Sieg über die alte Gesetzgebung gefeiert wird. 4 4 Obwohl es seinem Ausspruch nach nur die Berufsvereinigungen auf Zeit für zulässig erklärt, fühlen sich die Arbeiter dazu ermutigt, es den Arbeitgebern gleichzutun und ebenfalls „Chambres syndicales" zu bilden, die sich bald derselben staatlichen Toleranz erfreuen wie die der Arbeitgeber. 45 Innerhalb von zwei Jahren entstehen 50 Gewerkschaften, u. a. die Pariser Arbeiterföderation („Fédération Ouvrière Parisienne") und die Arbeiterföderation von Lyon (Fédération Ouvrière Lyonnaise"). Das Gesetz von 1864 gibt damit den Anstoß zu einer Entwicklung, die zur Verabschiedung des Gesetzes vom 21. März 1884 über die Koalitionsfreiheit führen wird. Diese Ergebnisse weisen dem Gesetz vom 25. Mai 1864 eine zentrale Stellung in der Entwicklung des französischen Rechts der Koalitionen zu. Mit Blick auf die Vergangenheit ist festzuhalten, daß es den koalitionsfeindlichen Auffassungen entgegengewirkt hat, mit Blick in die Z u k u n f t läßt sich sagen, daß es den Weg f ü r die Anerkennung der Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbandsfreiheit ebnet und die Öffentlichkeit mit diesem Gedanken vertraut macht. 43

Ebenso Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 261. Anderer Ansicht ist Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 238, der sich jedoch widerspricht. N a c h d e m er die Zulässigkeit der Zusammenschlüsse auf Zeit aus der Vertragsfreiheit hergeleitet hat, zitiert er Duguit, Droit constitutionnel, Bd. V, 184: „Das Recht der Vertragsfreiheit brauchte der Gesetzgeber nicht anzuerkennen, es hat schon immer bestanden, vor w i e nach dem Gesetz v o n 1864. D i e Gesetze v o n 1791, v o m Jahr X I und der Code pénal hatten nur eine schwere und ungerechte Einschränkung (dieser Freiheit) gebracht, die das Gesetz v o n 1864 aufhebt, es macht nichts anderes . . ." D a m i t ist doch auch das Gesetz v o n 1791 selbst aufgehoben, insoweit es die Zusammenschlüsse auf Zeit betrifft! 44 45 46

Vgl. Nourrisson, La liberté d'association, Bd. II, 96 f. Dolléans-Dehove, Histoire du travail, Bd. I, 261, 325 ff. Gradilone, Storia del sindacalismo, 172.

TEIL 3

Die endgültige gesetzliche Anerkennung der Koalitionen während der 3. Republik Nach Verkündung des Gesetzes vom 25. Mai 1864 vergehen 20 Jahre, bis sich der Gesetzgeber dazu entschließt, die seit langem bestehenden Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gesetzlich anzuerkennen. Sein Zögern erklärt sich weniger aus der Furcht vor einer Machteinbuße des Staates als vielmehr aus der Unentschlossenheit darüber, wie er die Berufsverbände konzipieren soll. 1 Drei Modelle stehen zur Auswahl : — Erstens das System des freien Berufsverbandes; die Koalitionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen gleichberechtigt nebeneinander und müssen die Freiheit der Außenseiter achten. — Zweitens das autoritäre oder sozialistische System; die Gewerkschaften nehmen den Arbeitgeberorganisationen gegenüber eine Vorrangstellung ein, gelten als die Vertreter der gesamten Arbeitnehmerschaft und dürfen zumindest indirekt die Außenseiter zum Beitritt zwingen. — Drittens das zunftähnliche System; es kennt zwar keinen Beitrittszwang wie das „métier juré", doch gleich diesem bilden Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen einen Verband, dessen Leitung in den H ä n d e n der Arbeitgeber liegt. 2 Eine ausführliche Studie des Gesetzes vom 21. März 1884, das heute noch das Grundgesetz des französischen Koalitionsrechts bildet, wird zeigen, daß sich der Gesetzgeber f ü r das System der freien Berufsverbände entschieden und damit die am schwersten zu verwirklichende Konzeption gewählt hat (Kapitel 1). Er muß versuchen, einerseits die individuelle Freiheit mit dem Recht der Verbände in Einklang zu bringen, andererseits die organisierten Arbeitnehmer vor Angriffen der Arbeitgeber zu schützen. Die Fehler, die ihm bei diesem Vorhaben unterlaufen sind, hat er weder durch Reformen des Gesetzes von 1

Scelle, Le droit ouvrier, 50. Gonnard, La loi de 1884, 14 f.; Nourrisson, La liberté d'association, Bd. II, 181 f.; Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 256 f. 2

54 1884 (Kapitel 2) noch durch das Gesetz vom 12. März 1920 (Kapitel 3), das die Rechte der Koalitionen beträchtlich erweitert, behoben, so daß schließlich die Rechtsprechung Wege finden muß, wie dieses zentrale Problem des französischen Koalitionsrecht zu lösen ist (Kapitel 4). KAPITEL

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Das Gesetz vom 21. März 1884 In seinem Rundschreiben vom 25. August 18841 hat Innenminister Waldeck-Rousseau den Zweck des Gesetzes vom 21. März 18842 hervorgehoben. Es ist dazu bestimmt, den Vereinigungsgedanken unter den Arbeitern noch mehr zu verbreiten und ihnen zu einer Verbesserung ihrer Lage in materieller, moralischer und intellektueller Hinsicht zu verhelfen. 3 Ob sich das Gesetz hierzu eignet, soll in den folgenden Paragraphen untersucht werden.

§1 Die Anerkennung des Prinzips der Koalitionsfreiheit Die Grundvoraussetzung dafür, daß sich der Zweck des Gesetzes von 1884 erfüllt, bildet die Anerkennung des Rechts, Koalitionen gründen zu dürfen. Dieses Recht kommt im Gesetz von 1884 in doppelter Weise zum Ausdruck: Artikel 1 erklärt die alten koalitionsfeindlichen Vorschriften für aufgehoben und diejenigen Regeln, die die Vereinsfreiheit einschränken, für auf die Berufsverbände nicht anwendbar (I); Artikel 2 enthält das ausdrückliche Bekenntnis des Gesetzgebers zur Koalitionsfreiheit und läßt den kollektiven und individuellen Aspekt dieses Rechts erkennen (II, III).

I. Die Aufhebung und Unanwendbarkeit der alten koalitionsfeindlichen Gesetze Entgegen Gesetz von bar erklärt, wöhnlichen 1 1 3

der üblichen Gesetzestechnik werden die Normen, die das 1884 aufhebt oder für auf die Koalitionen nicht anwendgleich zu Beginn in Artikel 1 genannt. Mit diesem ungeVerfahren hat der Gesetzgeber hervorheben wollen, daß

Vgl. den Text des Rundschreibens in JO, 28. 8. 1884, 4594 ff. Text in D. 1884.4.129. Brunot, Loi sur les syndicats, 176.

55 dieses Gesetz ganz im Zeichen der Freiheit steht, 4 mit der bisherigen Gesetzgebung über die Koalitionen bricht und eine neue Epoche einleitet. Artikel 1 Absatz l 5 hebt das Gesetz Le Chapelier vom 14.—17. Juni 1791 und den Artikel 416 C. p. auf. D a das Gesetz vom 25. Mai 1864 nur die Bestimmungen über die zeitlich begrenzten Zusammenschlüsse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Gesetzes Le Chapelier außer Kraft gesetzt hatte, galten dessen Artikel 1 bis 4 weiter, die die Berufsvereinigungen auf Dauer, also die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, untersagten. Eines knappen Jahrhunderts hat es mithin bedurft, um endgültig ein Gesetz zu verwerfen, das bereits in seinem Ausgangspunkt verfehlt war, als es die Existenz gemeinsamer Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber leugnete und den Koalitionsgedanken verwarf. 6 Mit der Aufhebung des Gesetzes Le Chapelier, die die indirekte Anerkennung der Koalitionsfreiheit bedeutet, steht die Streichung des Artikels 416 C. p. in einem inneren Zusammenhang. Wenn man den Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen ungeachtet ihrer Natur als Kampfverbände das Recht der Koalitionsfreiheit zugesteht, muß es ihnen auch erlaubt sein, einen gewissen Zwang auf ihre Mitglieder auszuüben, 7 ohne den ein Berufsverband weder bestehen noch eine wirksame Interessenvertretung ermöglichen kann. Die Beibehaltung des Artikels 416 C. p. hätte jede Koalitionsdisziplin in Frage gestellt, da schon der leichteste Druck der Koalitionen auf ihre Mitglieder gemäßt Artikel 416 C. p. als Verstoß gegen die Arbeitsfreiheit hätte bestraft werden können. 8 Aus dieser Überlegung ist die Aufhebung des Artikels 416 C. p. notwendig und gutzuheißen. Für die Außenseiter wirkt sie sich indessen nachteilig aus. 9 Die Gewerkschaften können nun unter Streikandrohung vom Arbeitgeber verlangen, diejenigen Arbeitnehmer, die weder einem Verband beitreten noch gewerkschaftliche Anordnungen befolgen wollen, nicht einzustellen oder zu entlassen, 10 ohne sich hierfür strafrechtlich ver4 Glotin, Syndicats professionnels, 124; Aubry, Syndicats professionnels, 46 f. 5 Die Artikel ohne Gesetzesbezeichnung sind solche des Gesetzes vom 21. März 1884. e Zum Gesetz Le Chapelier siehe Teil 1 Kapitel 2 § 2 I. 7 So die Abgeordneten Ribot und Lockroy, J O , Chambre, Débats, 17. 6 . 1 8 8 3 , 1314. 8 Vgl. Teil 2, Kapitel 2, § 1 I. 9 Aus diesem Grund widersetzt sidi ihr auch der Senat lange Zeit; vgl. Aubry, Syndicats professionnels, 48. 1 0 Vgl. Sauzet, De la nature de la personnalité civile des syndicats professionnels, R C L J 1888, 296 (301.)

56 antworten zu müssen. 11 O b diese Art des äußeren Koalitionszwangs, dessen Intensitätsgrad von den unberührt gelassenen Artikeln 414 und 415 C . p . bestimmt wird, 1 2 auch in zivilrechtlicher Hinsicht zulässig ist oder aber einen Schadensersatzanspruch des betroffenen Arbeitnehmers gegen die Gewerkschaft wegen unerlaubter Handlung begründet, ist eine sehr umstrittene Frage, 13 die ausführlich beim Problem des Schutzes der Koalitionsfreiheit zu erörtern sein wird. 1 4 Artikel 1 Absatz 2 f ü h r t diejenigen Strafbestimmungen an, die zwar grundsätzlich weitergelten, aber auf die Koalitionen unanwendbar sind. Das sind die Artikel 291 bis 294 C. p. über das Vereinsrecht und das Gesetz vom 10. April 1834. Damit räumt das Gesetz den Koalitionen gegenüber den anderen Vereinigungen eine Sonderstellung ein, die sich einerseits aus der wachsenden Bedeutung der Berufsverbände und andererseits aus der Einsicht des Gesetzgebers erklärt, mit der gesetzlichen Anerkennung der Koalitionen nicht mehr bis zur Schaffung eines allgemeinen Gesetzes über die Vereinsfreiheit warten zu können. 1 5 Artikel 1 Absatz 2 enthält wie Absatz 1 ein indirektes Bekenntnis zur Koalitionsfreiheit. II. Der kollektive Aspekt der Koalitionsfreiheit Der Gesetzgeber von 1884 begnügt sich nicht damit, die Koalitionsfreiheit nur mittelbar durch Streichung der bisherigen Koalitonsverbote anzuerkennen, sondern gewährleistet dieses Recht ausdrücklich in Artikel 2. Hiernach können sich die „Koalitionen, selbst wenn sie mehr als 20 Mitglieder aufweisen, . . . frei, ohne Erlaubnis der Regierung, bilden. 16 11 Trib. civ. Bourgoin, 11. 1. 1890, S. 1893.1.42; C. Grenoble, 23. 10. 1890, S. 1893.1.44. 12 Erst sollten auch die Art. 414 und 415 C. p., die eine durch schwere G e w a l t t a t e n oder Täuschungen herbeigeführte Arbeitseinstellung bestrafen, wegfallen. Schließlich einigte sich das Parlament, nur Art. 416 C. p. zu streichen, dessen Tatbestand keine eigentliche deliktische H a n d l u n g aufweist (JO Chambre, Débats, 18. 5. 1881, 917). 13 Verneinend: die in Fußn. 11 genannten Gerichte; bejahend: Cass. civ. 2 2 . 6 . 1 8 9 2 , S. 1893.1.41. 14 Siehe Teil 3 Kapitel 4 § 2. 15 „Der Gegensatz zwischen der wachsenden Bedeutung der Koalitionen und ihrer gesetzlichen Nichtigkeit war zu schockierend, um nicht eine parlamentarische Iniative in Gang zu setzen;" Fagniez, Corporations et syndicats, 105. Lyon-Caen, D r o i t du travail, 75 sieht den Grund für die Ausnahmeregelung darin, daß die Koalitionen dem Staat weniger gefährlich als religiöse oder politische Vereine erscheinen. — D a s allgemeine Vereinsgesetz wird erst 1901 verabschiedet. 16

Vgl. Art. 2 Buch III CT.

57 Es fällt auf, d a ß sich diese N o r m nicht an die Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Einzelpersonen wendet u n d damit das Koalitionsrecht als ein vorwiegend individuelles Recht ausweist. Statt dessen kehrt der Gesetzgeber, indem er sich an die Koalitionen richtet, den kollektiven Aspekt der Koalitionsfreiheit hervor, womit er seinen Willen zur Abkehr vom Individualismus Nachdruck verleiht. 1 7 Seinem Beispiel folgend wird zunächst die kollektive Seite des Grundsatzes der Koalitionsfreiheit untersucht. Sie betrifft zum einen das Verhältnis der Koalitionen zum Staat, zum zweiten die Beziehungen der Berufsverbände zueinander.

1. Die Unabhängigkeit

der Koalitionen

vom

Staat

D e r kollektive Aspekt der Koalitionsfreiheit, verstanden als die Unabhängigkeit der Koalitionen v o m Staat, ist d a n n verwirklicht, wenn die Koalitionen ohne eine M i t w i r k u n g des Staates entstehen, die Gestaltung der inneren Organisation ohne staatliche Einmischung selbst bestimmen können und vor einer willkürlichen Auflösung durch die Verwaltung geschützt sind. 18

a) Die Gründungsfreiheit der Koalitionen Die Freiheit der Koalitionen v o m Staat im Gründungsstadium bekräftigt Artikel 2. Er läßt zu, d a ß sich die Berufsverbände frei bilden. Auch zur G r ü n d u n g einer Koalition mit über 20 Mitgliedern bedarf es keiner staatlichen Erlaubnis mehr. 1 9 Mit diesem Zusatz, der sich eigentlich wegen der in Artikel 1 Absatz 2 erklärten U n a n w e n d barkeit der Artikel 291 ff. C. p. erübrigt, unterstreicht der Gesetzgeber den freiheitlichen C h a r a k t e r des Gesetzes von 1884 und verw i r f t das bisher angewandte Verfahren, grundsätzlich die Vereinigungsfreiheit anzuerkennen, dieses Recht aber gleichzeitig mit so vielen Hindernissen zu umgeben, d a ß es auszuüben praktisch unmöglich wird. 2 0 D e m zufolge schränkt er auch die G r ü n d u n g s f o r m a l i t ä t e n auf ein Mindestmaß ein. Als formelle Gründungsvoraussetzungen nennt Artikel 4 2 1 nur die Hinterlegung der Satzung sowie die Namensangabe der Verwalter und Direktoren des Verbandes beim Bürger17

Lavigne, Le travail dans les constitutions françaises, 252 f. Vgl. Spyropoulos, Liberté syndicale, 8. " In Art. 2 Buch III C T ist dieser Zusatz fallen gelassen worden. 20 Siehe Teil 1 Kapitel 3 § 2. " Vgl. Art. 3 Buch III CT.

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58 meisteramt desjenigen Ortes, an dem die Koalition ihren Sitz hat. Für Paris ist die Präfektur „Seine" zuständig. 22 Diese Vorschrift weckte anfangs das Mißtrauen der Gewerkschaften, die hinter ihr eine Falle vermuteten. 23 In Wirklichkeit bietet sie jedoch der Exekutiven weder eine Handhabe, das Recht der Koalitionen, über Ziel, Zweck und Organisation frei zu statuieren, einzuschränken noch die Gründer und Mitglieder einer Koalition zu beschatten; denn eine Bewilligung der Satzung oder ein Einspruchsrecht sieht sie ebensowenig vor wie die Bekanntgabe der Namen sämtlicher Mitglieder. 24 Artikel 4 dient ausschließlich der Wahrung des öffentlichkeitsprinzips. 25 Der Gesetzgeber sieht ferner davon ab, den Koalitionen einen bestimmten räumlichen Wirkungskreis zuzuweisen. Mithin können die Gründer nach ihrem Belieben festsetzen, ob sich der Tätigkeitsbereich ihres Verbandes nur auf einen Betrieb, 2 8 eine Gemeinde oder ganz Frankreich erstrecken soll. 27 Das Zusammentreffen von freier Bestimmung des territorialen Betätigungsfeldes und Aufhebung der Mitgliederbeschränkung ermöglicht das Entstehen von Koalition auf nationaler Ebene, die einen großen Einfluß auf die Industrie auszuüben und sich auch beim Staat Gehör zu verschaffen vermögen. 28 Schließlich bleibt noch hervorzuheben, daß in Artikel 2 die Rede von Koalitone« ist. Da sich in keinem Artikel des Gesetzes von 1884 ein Hinweis dafür findet, es könne an einem Ort und für einen Beruf nur einen Berufsverband geben, darf in Artikel 2 die gesetzgeberische Befürwortung eines pluralistischen Koalitonssystems erblickt weden. 29 Somit können mehrere Organisationen für denselben Beruf und dasselbe räumliche Zuständigkeitsgebiet entstehen, ohne daß 2 2 Bei Satzungsänderungen oder Wechsel der Verwalter muß die Hinterlegung erneuert werden; Art. 4 Abs. 3. 23 Le franc, Le mouvement syndical sous la Troisième République, 37. 2 4 Der erste Gesetzesentwurf indessen sah die Mitteilung des Namens und der Adresse eines jeden Mitglieds vor. E r wurde jedoch fallen gelassen, weil einmal alles vermieden werden sollte, was nach polizeilichen Überwachungsmaßnahmen aussah, zum anderen große Schwierigkeiten aufgetaucht wären, die Namens- und Adressenlisten auf dem neuesten Stand zu halten; vgl. Glotin, Syndicats professionnels, 185. 2 5 Vgl. S temler, Syndicats professionnels, 2 2 0 f.; Fouquet, Syndicats profesionnels et associations, 14; siehe audi Camerlynck-Lyon-Caen, Précis de droit du travail, 426. 28 Villot, Liberté syndicale, 50. 2 7 Siehe Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 17; Spyropoulos, Liberté syndicale, 59. 2 8 Vgl. Aubry, Syndicats professionnels, 61 f. 2 9 Vgl. S temler, Syndicats professionnels, 193; siehe ferner Spyropoulos, Liberté syndicale, 2 7 8 ; Verdier, Syndicats, 211 f.

59 irgendeine staatliche Stelle unter dem Vorwand etwa, es bestehe kein Bedürfnis f ü r mehrere Koalitionen oder einigen Verbänden mangele es an der nötigen Qualifikation, dies zu verbieten berechtigt ist. Das Gesetz von 1884 schirmt die Koalitionen gegen eine Einflußnahme des Staates auf ihre Gründung wirksam ab.

b) Die Freiheit der Koalitionen bei der Gestaltung der inneren Organisation Ein ähnliches Maß an Freiheit kommt den Koalitionen bei der Gestaltung der inneren Organisation zu. Aus Artikel 4 Absatz 5 30 ergibt sich lediglich, daß die Koalitionen eine Satzung haben und diejenigen Mitglieder, denen die Verwaltung oder Leitung des Verbandes obliegt, Franzosen und im Besitz der bürgerlichen Rechte 31 sein müssen. 32 Wie jedoch der Inhalt der Satzung auszusehen, insbesondere wie sich die Verbandsdirektion zusammenzusetzen hat, wie sie zu wählen ist, welche Rolle die Hauptversammlung spielt, schreibt das Gesetz nicht vor. Indem es sich hinsichtlich der Verwaltung der Verbände größte Zurückhaltung auferlegt, erkennt es die innere Autonomie der Koalitionen an. 33 Entsprechen die Verwalter den gesetzlichen Anforderungen, so ist die Gefahr einer staatlichen Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Koalitionen gebannt. c) Der Schutz vor willkürlicher Auflösung der Koalitionen durch den Staat Die Möglichkeit, die Auflösung einer Koalition zu erzwingen, kann eine geeignete Waffe in der H a n d des Staates abgeben, die Koalitionen trotz Gründungs- und innerer Organisationsfreiheit empfindlich zu treffen. Die Waffe verliert aber an Gefährlichkeit, wenn die Fälle, die den Staat zur Auflösung berechtigen, gesetzlich festgelegt, mithin f ü r » Art. 4 Buch III CT. Dieser Ausdruck ist ungenau. Aus dem ministeriellen Rundsdireiben vom 25. August 1884, JO 28. 8.1884, 4594 (4596) ergibt sich, daß die volle Geschäftsfähigkeit gemeint ist; vgl. auch Glotin, Syndicats professionnels, 182 f. 52 Seit der Verordnung vom 12.11.1938 müssen die Verwalter noch einem dritten Erfordernis genügen: Sie dürfen nicht auf Grund einer Verurteilung nach Art. 15 und 16 der Verordnung vom 2 . 2 . 1 8 5 2 ihr passives Wahlrecht verloren haben; Art. 4 Buch III CT. Vgl. hierzu Verdier, Syndicats, 232 ff. " Villot, Liberté syndicale, 52; Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 21. 31

60 die Koalitonen erkennbar sind, und die Entscheidung darüber, ob ein Auflösungsgrund vorliegt, nicht der Verwaltung sondern der Rechtsprechung vorbehalten ist. Gemäß Artikel 9 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz l 3 4 können nur die Gerichte auf Betreiben des Staatsanwalts eine Koalition auflösen, wenn diese den Bestimmungen der Artikel 2, 3, 4, 5 und 6 zuwidergehandelt hat. Die Auflösungsgründe sind erschöpfend aufgezählt. Zudem bilden sie fest umrissene Tatbestände: Aufnahme berufsfremder Mitglieder, politische oder religiöse Betätigung, Nichtbeachtung der Publizitätserfordernisse, Verletzung der Regeln über den Vermögenserwerb. Fügt man noch hinzu, daß es sich bei Artikel 9 Absatz 1 Satz 2 um eine Ermessensvorschrift handelt, die es dem Gericht erlaubt, den Grad des Verstoßes angemessen zu berücksichtigen und nur bei schweren Verfehlungen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung eine Auflösung auszusprechen, 35 so tritt die liberale Gesinnung des Gesetzgebers von 1884 vollends zu Tage. Die in Artikel 9 gefundene Regelung der erzwungenen Auflösung schließt staatliche Willkürmaßnahmen aus. 36 Als Ergebnis ist festzuhalten, daß das Gesetz von 1884 nicht nur ein doppeltes Bekenntnis zur Koalitionsfreiheit in Artikel 1 und 2 enthält sondern sich auch tatsächlich dazu eignet, den Koalitionen die Unabhängigkeit vom Staat zu gewährleisten. 2. Das Verhältnis

der Koalitionen

zueinander

Die Frage nach den Beziehungen der Koalitionen zueinander betrifft einerseits das Verhältnis der Gewerkschaften zu den Arbeitgeberorganisationen, andererseits das Verhältnis der miteinander konkurrierenden Koalitionen. a) Gewerkschaft und Arbeitgeberverband Die Gewerkschaften können nur dann die von Innenminister Waldeck-Rousseau37 gehegte Hoffnung, die Lage der Arbeiter zu verbessern, erfüllen, wenn ihnen das Gesetz die gleiche Freiheit und die gleichen Rechte gewährt wie den Arbeitgeberverbänden. Mit Ausnahme des Artikels 6 weisen sämtliche Vorschriften des Gesetzes von 1884 den Begriff „syndicat" oder „syndicat profession34

Vgl. Art. 54 Buch III CT. Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 340; Aubry, sionnels, 130. 36 Vgl. Villot, Liberté syndicale, 51. 37 Circulaire, JO 28. 8. 1884, 4594 (4595). 35

Syndicats profes-

61 nel" auf. Das französische Arbeitsrecht kennt keine besondere Bezeichnung f ü r die Arbeitnehmerverbände wie beispielsweise das deutsche Recht mit dem Begriff „Gewerkschaft". Der Ausdruck „syndicat" entspricht dem deutschen Wort „Koalition" 3 8 oder „Berufsverband" und umfaßt wie dieses sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeberorganisation. 39 In Artikeln, die sich an die „Koalitionen" wenden, ist folglich eine Bevorzugung der einen oder anderen Koalitionskategorie von vorneherein ausgeschlossen. Der Artikel 6 40 indessen erwähnt „die Berufsverbände der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer". Doch bedeutet dies nicht mehr als ein Wechsel im Ausdruck, denn die dort in Rede stehende Prozeßfähigkeit wird beiden Verbänden ohne Unterschied bescheinigt. 41 Demnach hat die bisher übliche Bevorzugung der Arbeitgebervereinigungen 42 keinen Niederschlag im Gesetz von 1884 gefunden. Es begründet gleiches Recht und gleiche Pflicht f ü r Gewerkschaft und Arbeitgeberverband. 4 3 b) Die konkurrierenden Koalitionen Das Prinzip der Gründungsfreiheit in Artikel 2 führt zu einem pluralistischen Koalitionssystem, das heißt, daß mehrere miteinander konkurrierende Koalitionen für denselben Berufszweig und denselben räumlichen Bereich gegründet werden können. 44 Dieses System ist aber nur dann zu verwirklichen, wenn unter den wetteifernden Verbänden eine absolute rechtliche Gleichheit herrscht. Fehlt diese Gleichheit, so erweist sich die Möglichkeit, mehrere Koalitionen zu gründen, als eine trügerische Freiheit. 45 Das Gesetz von 1884 beruft sich in keinem Artikel auf die Gleichheit der Koalitionen. Dennoch beachtet es diesen Grundsatz auf das peinlichste. Selbst in Artikel 6 Absatz 6 und 7, 48 wo die Weichen f ü r eine Zusammenarbeit zwischen Staat und Koalitionen gestellt werden, verzichtet es darauf, eine Auswahl unter den Koalitionen nach dem 38 Zum französischen Begriff „coalition" siehe Teil 1 Kapitel 2 § 2 1 Fußn. 45. 39 Vgl. Durand-Vitu, D r o i t du travail, Bd. III. 39, Fußn. 1. 40 Art. 10 Satz 2, 1. H a l b s a t z Buch III C T spricht dagegen nur v o n „Koalitionen" ( . . . Iis). 41 Glotin, Syndicats professionnels, 213. 42 Vgl. Teil 1 Kapitel 3 § 1, § 3. 43 Gonnard, La loi de 1884, 14; Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 261; Bled, Les syndicats professionnels et agricoles, R D M 1887, Bd. L X X X I I I , 104 (107). 44 Siehe Teil 3 Kapitel 1 § 1 II 1 a. 45 So Spyropoulos, Liberté syndicale, 278. 48 Art. 17 Buch III CT.

62 Gesichtspunkt der besonderen Partizipationsfähigkeit bestimmter Verbände zu treffen. Um als „beratungsfähig" f ü r Verwaltung und Rechtsprechung zu gelten, fordert Artikel 6 keine besonderen Eigenschaften. Unterschiedslos kann jeder Verband dem Staat als Ratgeber dienen. Damit ist alles unterlassen, was zu einer Vormachtstellung einer oder weniger Koalitionen führen und den Grundsatz der Koalitionsfreiheit einschränken könnte. Das Gesetz entwirft ein pluralistisches Koalitionssystem reinster Form. III. Der individuelle Aspekt der Koalitionsfreiheit Die individuelle Seite des Grundsatzes der Koalitionsfreiheit betrifft das Verhältnis der Koalitionen zum einzelnen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Sie u m f a ß t einerseits die Freiheit des einzelnen, einer Koalition beizutreten (sogenannte positive Koalitionsfreiheit), andererseits die Freiheit, wieder auszutreten oder aber einer Koalition ganz fernzubleiben (sogenannte negative Koalitionsfreiheit). Diese rechtlichen Möglichkeiten des einzelnen ergeben sich teils unmittelbar, teils nur mittelbar aus dem neuen Koalitionsgesetz.

1. Die positive

Koalitionsfreiheit

Eine Vorschrift, die dem einzelnen das Recht zuspricht, einer Koalition beizutreten, fehlt im Gesetz von 1884. Doch ist zu überlegen, ob nicht aus Artikel 2 ein solches Recht des einzelnen hergeleitet werden kann. Seinem Wortlaut nach richtet sich Artikel 2 an die Koalitionen. Die Koalitionen sind die zur Vereinigung zusammengeschlossenen Teilnehmer. Der Verband kommt dadurch zustande, daß die einzelnen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber vertragliche Erklärungen abgeben, sich zu einer Koalition zusammenschließen zu wollen. Denknotwendig setzt das kollektive Recht in Artikel 2 das individuelle Recht voraus. Demnach ist in der Erklärung des Artikels 2, die Koalitionen könnten sich frei bilden, stillschweigend das Freiheitsrecht des einzelnen sich zu organisieren miteinbezogen. 47 Die positive Koalitionsfreiheit gewinnt dadurch an Wert, daß der einzelne infolge des pluralistischen Berufsverbandssystems über die Möglichkeit verfügt, der Koalition seiner Wahl beizutreten oder, falls ihm die bestehenden Verbände nicht zusagen, mit Gleichgesinnten eine neue Vereinigung zu gründen. In der Koalitionswahl ist der 47

Im Ergebnis ebenso Villot, Liberté syndicale, 54; Spyropoulos, syndicale, 149; Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 101 f.

Liberté

63 einzelne wirklich frei, weil alle Verbände gleichberechtigt nebeneinander stehen. 48 Die strenge Durchführung des Pluralitätsgrundsatzes schenkt sowohl den Koalitionen als auch dem einzelnen die größtmögliche Freiheit. 2. Die negative

Koalitionsfreiheit

Die Freiheit des einzelnen, einer Koalition fernzubleiben und alleine auf sich gestellt seine Arbeitsbedingungen auszuhandeln, erkennt das Gesetz von 1884 ebenfalls nur indirekt an. In Artikel 2 heißt es, daß sich die Koaltionen frei bilden können. Diese Aussage beleuchtet nicht nur das Verhältnis der Koalitionen zum Staat sondern ebenso die Beziehungen zwischen einzelnem und Koalition. Sie kennzeichnet die Koalition als einen auf Freiwilligkeit beruhenden Verband. Zwischen ihm und dem einzelnen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer besteht kein zunftähnliches Zwangsverhältnis derart, daß die Koalitionsmitgliedschaft Voraussetzung f ü r die Berufsausübung ist. Gleiches ergibt sich aus Artikel 1 Absatz 2, wenn er lediglich das Gesetz Le Chapelier und Artikel 416 C. p., nicht jedoch das Dekret d'Allarde vom 2.—17. März 1791 aufhebt, dessen Artikel 7 die Arbeitsfreiheit verkündet. 4 9 Sind demnach die Koalitionen nicht als Zwangsverbände konzipiert, besitzt der einzelne das Recht, sich nicht zu organisieren. 50 Diese Freiheit läßt sich außerdem aus dem noch zu besprechenden Artikel 7 51 per argumentum a maiori ad minus herleiten: Wenn es dem einzelnen gestattet ist, durch seinen Austritt die vielfältigen Bande zwischen ihm und dem Verband ohne weiteres zu zerreißen, dann muß es ihm erst recht erlaubt sein, einer Koalition ganz fernzubleiben. 52 3. Der Schutz der negativen Koalitionsfreiheit

in Artikel

7

Die einzige N o r m , die sich unmittelbar mit der individuellen Seite der Koalitionsfreiheit beschäftigt, ist Artikel 7. Er dient dem Schutz der negativen Koalitionsfreiheit in Form des Austrittsrechts aus einer Koalition und bestimmt, daß sich „jedes Mitglied einer Koalition trotz aller entgegenstehenden Klauseln jederzeit von dem Ver48

Siehe Teil 3 Kapitel 1 § 1 II 2 b. Siehe Teil 1 Kapitel 2 § 1. 50 Vgl. Pic, Legislation industrielle, 4. Aufl., 261. 51 Vgl. Art. 8 Buch III CT. 52 Dieses Arguments bedient sidi die h. M.; vgl. Spyropoulos, Liberté syndicale, 209 f.; Villot, Liberté syndicale, 56; Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 151; Verdier, Syndicats, 311. 49

64 band zurückziehen kann, aber unbeschadet das Recht der Koalition, den Beitrag für das laufende Jahr zu fordern." Die Vorschrift bildet eine Ausnahme von der Regel, daß sich jeder wirksam verpflichten kann, für eine bestimmte Zeit Mitglied in einem Verein zu bleiben (Artikel 1865 und 1871 C. civ.). 53 Diese Ausnahme erklärt sich aus der Befürchtung des Gesetzgebers, die Koalitionen könnten ihre Mitglieder mit Drohungen, Strafen und vertraglichen Abreden zum Verbleiben zwingen. 54 Die Befürchtung ist berechtigt, denn einerseits trachtet jeder Verband danach, seine Mitglieder festzuhalten, weil sich sein Ansehen und seine Macht nach seiner Mitgliederzahl richten, andererseits läßt ihn nach Aufhebung des Artikels 416 C. p. keine Strafe mehr davor zurückschrecken, seine Mitglieder durch leichtere Zwangsmaßnahmen 5 5 an sich zu ketten. Artikel 7 steht also in direktem Zusammenhang mit der Streichung des Artikels 416 C. p. Er stimmt die Rechte des einzelnen und die der Koalition aufeinander ab. Wird den Verbänden ein gewisses Maß an Zwang zugestanden, so soll der einzelne völlig frei sein, sich in jedem Moment der Herrschaft der Koalition zu entziehen. Ohne eine Frist einzuhalten, ohne seine Entscheidung begründen zu müsse, 56 kann er aus der Koalition selbst zur Unzeit austreten, ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen. 57 Auch Klauseln, in denen sich die Mitglieder f ü r den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens zur Entrichtung einer Geldstrafe verpflichten, helfen den Verbänden wenig. Alle diese Abreden sind gemäß Artikel 1227 C. civ. in Verbindung mit Artikel 7 nichtig, da die Nichtigkeit der Hauptverbindlichkeit die Nichtigkeit der Strafklausel nach sich zieht. Die Kehrseite des „absoluten Rechts" 58 des einzelnen auf Koalitionsaustritt bildet die Verpflichtung, den Beitrag für das laufende Jahr zu zahlen. Unter „laufendem J a h r " ist das Jahr zu verstehen, in dessen Verlauf der Austritt fällt und nicht dasjenige, das vom Zeitsunkt des Ausscheidens an erst zu laufen beginnt; 59 wird der Betrag monatlich 53

So Glotin, Syndicats professionnels, 289; Stemler, Syndicats professionnels, 273. Anderer Ansicht Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 104, der in Artikel 7 nur eine Folge des in A r t . 1869 C. civ. verankerten Grundsatzes sieht. 64 Vgl. Aubry, Syndicats professionnels, 140 f. 65 Das sind solche Maßnahmen, die noch nicht den Tatbestand der Art. 414 und 415 C. p. erfüllen; siehe Teil 2 Kapitel 2 § 1 I. 56 Vgl. Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 105. 57 Glotin, Syndicats professionnels, 289; Stemler, Syndicats professionnels, 273. 58 Cass. civ. 22. 6. 1892, S. 1893.1.41. 59 Siehe Stemler, Syndicats professionnels, 274 f.; Aubry, Syndicats professionnels, 141. Anderer Ansicht Boullay, Code des syndicats professionnels, 172.

65 entrichtet, so kann der Verband Zahlung nur f ü r den laufenden Monat verlangen. 60 Artikel 7 Absatz 2 61 legt ein weiteres Zeugnis davon ab, wie sehr sich der Gesetzgeber um den Schutz der negativen Koalitionsfreiheit bemüht. Nach dieser Vorschrift behält jeder aus dem Verband ausgeschiedenen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber das Recht, in denjenigen den Berufsverbänden angeschlossenen Unterstützungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Pensionskassen weiterhin Mitglied zu bleiben, an die er Beitragsleistungen entrichtet hat. So soll verhindert werden, daß die Angst vor Verlust des Anspruchs auf finanzielle Unterstützung bei Krankheit und im Alter den an sich Austrittswilligen an die Koalition fesselt. Ob Absatz 2 den beabsichtigten Schutz der Austrittsfreiheit tatsächlich herzustellen vermag, ist zweifelhaft. Dieser Schutz wird vereitelt, falls die Koalitionen berechtigt sind, in der Satzung festzulegen oder von ihren Mitgliedern vertraglich das Anerkenntnis zu verlangen, mit dem Verbandsaustritt ende die Mitgliedschaft in sämtlichen von den Koalitionen verwalteten sozialen Einrichtungen. Diese Berechtigung besteht dann, wenn Artikel 7 Absatz 2 dispositiv ist. Für seine Abdingbarkeit spricht, daß in Absatz 2 der Zusatz des Absatzes 1 „trotz aller entgegenstehenden Klauseln" nicht wiederholt wird. Das scheint die Annahme zu rechtfertigen, der Gesetzgeber habe bewußt auf die Wiederholung des Zusatzes verzichtet und damit den Koalitionen erlaubt, mit ihren Mitgliedern eine von Absatz 2 abweichende Vereinbarung zu treffen. 6 2 Diese Ansicht verkennt die Bedeutung des Absatzes 2, weil sie das Verhältnis von Absatz 2 zu Absatz 1 falsch beurteilt. Artikel 7 Absatz 1 stellt den Grundsatz auf, daß die Koalitionen nur über ein einziges zulässiges Druckmittel verfügen, um ihre Mitglieder am Austritt zu hindern. Das ist ihr Recht, bei Austritt den Beitrag f ü r das laufende Jahr fordern zu können. Alle anderen Repressalien sind widerrechtlich und nichtig, wie immer sie auch geartet sein mögen und gleichgültig, ob sich die Mitglieder mit ihnen einverstanden erklärt haben. 63 U m nun hieraus folgern zu können, daß auch Satzungbestimmungen oder Vertragsklauseln, die den Verlust der Mitgliedschaft in den Unterstützungsvereinen an den Koalitionsaustritt knüpfen, der Rechtskraft entbehren, muß vorweg geklärt werden, daß Koalition und Unterstützungsverein trotz ihrer tatsächlichen engen Verknüp60 Glotin, Syndicats professionnels, 291; vgl. aber den heutigen Art. 8 Buch III CT, nach dem die Koalitionen den Beitrag für die auf den Zeitpunkt des Austritts folgenden sechs Monate fordern können. 61 Art. 23 Buch III CT. 62 Vgl. Stemler, Syndicats professionnels, 278 f. 83 Brunot, Loi sur les syndicats, 160.

7

Engels, Die Entwicklung . . .

66 f u n g in juristischer Hinsicht verschiedene Institutionen sind, 64 u n d der Austritt aus jener nicht auch zwangsläufig ein Ausscheiden aus dieser bedeutet. Diese notwendige klärende Feststellung t r i f f t Artikel 7 Absatz 2. 65 Er schafft die Voraussetzung f ü r die A n w e n d u n g des allgemeinen Grundsatzes in Absatz 1 auf den speziellen Fall, d a ß ein Koalitionsmitglied infolge seiner Zugehörigkeit zu einem v o n der Koalition geleiteten Unterstützungsverein bei Verbandsaustritt einem besonderen Druck ausgesetzt ist. Allein hierin liegt die Bedeutung des Artikels 7 Absatz 2. Aus dem so gearteten Verhältnis von Absatz 2 zu Absatz 1 ergibt sich, d a ß der Zusatz „trotz aller entgegenstehenden Klauseln" in Absatz 1 auch f ü r Absatz 2 gilt, ohne d a ß es h i e r f ü r einer Wiederholung dieses Zusatzes bedarf. Demnach verbietet es sich, von dem Fehlen des Zusatzes auf die Abdingbarkeit des Artikels 7 Absatz 2 zu schließen. Klauseln, die f ü r den Fall des Verbandsaustritts den Verlust der Mitgliedschaft in den Sozialeinrichtungen vorsehen, sind nichtig. 86 Dieses Ergebnis entspricht dem Geist des Gesetzes. Wenn es den Koalitionen untersagt sein soll, Z w a n g auf die Mitglieder auszuüben, u m sie festzuhalten, d a n n dürfen sie auch nicht über die rechtliche Möglichkeit verfügen, f ü r den Verbandsaustritt den Verlust der Mitgliedschaft in den sozialen Einrichtungen anzudrohen. 6 7 Die Koalitionen können jedoch Artikel 7 Absatz 2 umgehen. V o r aussetzung f ü r die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft im U n t e r stützungsverein ist, d a ß der aus der Koalition ausgeschiedene einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitgeber Beitragszahlungen an den U n t e r stützungsverein geleistet hat. 6 8 W e n n nun diese Hilfskassen nicht in F o r m von individuellen, besonderen Beitragsleistungen unterhalten werden, vielmehr die Koalition selbst die notwendigen Gelder f ü r die 64

Vgl. hierzu Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 40; siehe ferner Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 237. 65 Die Ansicht des Berichterstatters der Kammer, Absatz 2 könne gestrichen werden, weil er in Absatz 1 schon enthalten und daher überflüssig sei, teilte der Senat nicht, weil er befürchtete, Berufsverband und Unterstützungsverein könnten gleichgesetzt werden; JO Sénat, Débats, 2 . 2 . 1884, 426. 68 Im Ergebnis ebenso Glotin, Syndicats professionnels, 293; S temler, Syndicats professionnels, 279; César-Bru, Syndicats professionnels, 71 f.; Revon, Les syndicats professionnels et la loi du 21 mars 1884, 362. Diese Autoren halten indessen die Nichtwiederholung des Zusatzes „trotz aller entgegenstehenden Klauseln" in Art. 7 Abs. 2 für einen schwerwiegenden Unterlassungsfehler des Gesetzgebers, den man nur unter Berufung auf den Sinn des Gesetzes beheben könne. 67 Vgl. die in Fußn. 66 aufgeführten Autoren. 68 Vgl. den Wortlaut des Art. 23 Budi III CT.

67 Kassen aufbringt und alle ihre Mitglieder den Unterstützungsvereinen angehören, ist Artikel 7 Absatz 2 nicht mehr anwendbar. 6 9 Selbst wenn man bereit ist anzuerkennen, daß in diesem Fall die Mitglieder durch Entrichtung des Koalitionsbeitrags indirekt auch Zahlung an die Unterstiitzungskasse leisten und damit Artikel 7 Absatz 2, der nicht auf eine direkte Leistung abstellt, genügen, so gilt doch zu bedenken, daß die aus dem Berufsverband Ausgeschiedenen durch Einstellung der Zahlung des Koalitionsbeitrags die Hilfskassen nicht mehr mitfinanzieren. Es widerspräche dem Billigkeitsgrundsatz, wenn sie trotzdem die Kasse weiterhin in Anspruch nehmen könnten. 7 0 Außerdem kann man bei einer derart engen finanziellen und personellen Verflechtung von Berufsverband und Unterstützungsverein kaum mehr umhin, beide Institutionen als untrennbar miteinander verbunden zu betrachten, so daß der Koalitionsaustritt ein gleichzeitiges Ausscheiden aus dem Unterstützungsverein bewirkt. 7 1 Damit wird der in Artikel 7 Absatz 2 beabsichtigte Schutz der negativen Koalitionsfreiheit hinfällig.

§2 Die Konkretisierung des Prinzips der Koalitionsfreiheit Nachdem in § 1 mehr der abstrakten Seite des Grundsatzes der Koalitionsfreiheit Beachtung geschenkt und die Berufsverbandsfreiheit als ein Bündel von einzelnen Freiheitsrechten erkannt worden ist, soll nun versucht werden, dieses Prinzip zu konkretisieren. Hierbei helfen die beiden Fragen weiter, wer einer Koalition beitreten bzw. eine Koaliton gründen kann und welchem Zweck die Koalitionen zu dienen haben. I. Die gesetzlichen Anforderungen an die Koalitionsmitglieder (Koalitionsgründer) und ihre Folgen Artikel 2 kennzeichnet die Koalitionen als Vereinigungen von „Personen, die denselben Beruf, gleichartige oder konnexe Berufe, die an der Herstellung eines bestimmten Produkts mitwirken, ausüben." Demnach kann nicht jeder eine Koalition gründen oder einer solchen beitreten. Wer sich organisieren will, hat vielmehr folgendes zu beachten: 88 Siehe Veyan, Loi sur les syndicats professionnels, 210; Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 111 f.; Stemler, Syndicats professionnels, 277. 70 Glotin, Syndicats professionnels, 294. 71 Aubry, Syndicats professionnels, 142.

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68 — E r muß erstens einen Beruf ausüben. Das Gesetz definiert den Begriff „Beruf" nicht. Daher kann davon ausgegangen werden, daß das Wort „Beruf" im Sinn des allgemeinen Sprachgebrauchs weit zu verstehen ist und folglich die regelmäßige Ausübung einer körperlichen oder geistigen Arbeit meint, 72 gleichgültig ob diese entgeltliche oder unentgeltlich verrichtet wird. 7 3 — Zweitens kann er nur einer solchen Koalition beitreten, deren Mitglieder zwar nicht unbedingt denselben Beruf wie er, wohl aber einen gleichartigen oder konnexen Beruf ausüben. Die Koalitionsfreiheit begründet also kein Recht für Angehörige ganz unterschiedlicher Berufszweige, interprofessionelle Koalitionen zu gründen. 74 Artikel 2 achtet darauf, daß nur diejenigen Personen sich zu einer Koalition zusammenschließen, die ein gewisses Maß an Gemeinsamkeit beruflicher Interessen miteinander verbindet. 75 Eine solche Interessengemeinschaft bilden einmal die gleichartigen Berufe („métiers similaires"). Gleichartig im Sinne des Gesetzes sind diejenigen Berufe, die wie beispielsweise das Bäcker- und Konditorhandwerk dasselbe technische Verfahren anwenden 70 und die gleichen Stoffe be- oder verarbeiten. 77 Zum anderen weisen aber auch schon die sogenannten konnexen Berufe („professions connexes") genügend gemeinsame Interessen auf, um ihnen die Gründung einer gemeinschaftlichen Koalition zu gestatten. Als konnex bezeichnet Artikel 2 Berufe, die an der Herstellung eines bestimmten Erzeugnisses wie z. B. eines Hauses oder eines Autos mitwirken. Demnach können die Arbeitnehmer eines ganzen Industriezweiges eine Gewerkschaft gründen, selbst wenn sie ungleiche Berufe ausüben. 78 D a das Gesetz das 7 2 Vgl. Glotin, Syndicats professionnels, 1 4 1 ; Aubry, Syndicats professionnels, 5 9 ; S temler, Syndicats professionnels, 194. 7 3 Vgl. außer den in F u ß n . 7 2 zitierten Verfassern: Verdier, Syndicats, 1 4 6 ; Durand-Vitu, D r o i t du travail, Bd. I I I , 1 1 0 , F u ß n . 4 ; Prager, Die französischen Berufsverbände, 6 9 . A n d e r e r Ansicht Brun-Galland, Droit du travail, 6 5 0 und Spyropoulos, Liberté syndicale, 4 7 , die die E n t l o h n u n g als wesentliches Element der Berufsdefinition begreifen. 7 4 Interprofessionnelle Vereinigungen können nur in F o r m v o n Unionen gebildet werden. Z u den U n i o n e n w i r d später nodi Stellung g e n o m m e n ; vgl. Teil 3, K a p i t e l 1, § 4. 75

C . Paris, 4. 7. 1 8 9 0 , S. 1 8 9 1 . 2 . 7 .

Brunot, L o i sur les syndicats, 1 1 0 ; Pic, Législations industrielle, 6. Aufl., 2 3 9 ; Spyropoulos, Liberté syndicale, 4 8 . 77 Bmn-Galland, D r o i t du travail, 6 5 4 ; ausführlich hierzu Verdier, Syndicats, 1 7 2 f. 76

7 8 U m die Verwirklichung dieser Möglichkeit ging es dem Berichterstatter Tolain, als er sich v o r dem Senat (Sitzung 2 1 . 2 . 1 8 8 4 , J O Sénat 1 8 8 4 , 4 5 0 ) für eine E r w e i t e r u n g des Artikels 2 um den Z u s a t z „ou des professions connexes" einsetzte.

69 Erfordernis der Verwandtschaft der Berufe großzügig handhabt, läßt sich Artikel 2 auf die Formel bringen, daß die Ausübung eines Berufs notwendig und ausreichend ist, um sich organisieren zu könne. 79 Diese Regel gibt zu mehreren Feststellungen Anlaß. 1. Die Koalitionsunfähigkeit der aus dem Beruf ausgeschiedenen Personen Artikel 2 spricht von einer Berufsausübung. Damit bringt er zum Ausdruck, daß es f ü r die Inanspruchnahme des Rechts der positiven Koalitionsfreiheit nicht schon genügt, sich zu einem bestimmten Beruf zu bekennen oder früher einmal einem Beruf nachgegangen zu sein. Der koalitionswillige Arbeitnehmer oder Arbeitgeber muß vielmehr im Moment seines Beitritts und während der ganzen Zeit seiner Mitgliedschaft tatsächlich beruflich tätig sein. 80 Wie ernst der Gesetzgeber dieses Erfordernis nimmt, zeigt Artikel 9, der Koalitionen, die sich über Artikel 2 hinwegsetzen, die Auflösung androht. Es geht ihm darum, mit allen Mitteln die Entstehung von Vereinigungen zu verhindern, die sich als Koalitionen ausgeben, um die Vorteile des Gesetzes von 1884 zu genießen, hinter denen sich in Wirklichkeit aber politische oder religiöse Parteien verbergen, auf die die strengen Artikel 291 ff. C. p. zutreffen. 8 1 Diese an sich berechtigte Entscheidung in Artikel 2 gibt dadurch, daß sie eine absolute Regel ohne Ausnahme darstellt, Anlaß zur Kritik. Auf Grund dieser Regel müssen nämlich alle alten Arbeitnehmer, die aus dem Beruf ausgeschieden sind, aus der Koalition austreten, selbst wenn sie jahrelang organisiert waren. 8 2 Ebensowenig können sich Arbeitnehmer, die während ihrer aktiven Berufszeit mit den Gewerkschaften sympathisiert haben, ihnen aber aus Furcht vor Verlust des Arbeitsplatzes nicht beizutreten gewagt haben, nach ihrer Pensionierung koalieren. 83 Auf die Mitarbeit dieser erfahrenen, f ü r Verwaltungs- und Führungsaufgaben in Frage kommenden Personen müssen die Koalitionen verzichten. 79 Vgl. Glotin, Syndicats professionnels, 144; Rivero-Savatier, Droit du travail, 61; Sauzet, De la nature de la personnalité civile des syndicats professionnels, RCLJ 1888, 296 (298); anderer Ansicht Cass. crim. 2 7 . 6 . 1885, D 1886.1.137. 80 Vgl. die Ausführungen des Justizministers, JO Chambre, Débats, 2. 6. 1891, 1078; siehe ferner Finance, Les syndicats professionnels, 87 fi. 81 Glotin, Syndicats professionnels, 141. 82 Vgl. Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 278 ; Capitant-Cuche, Législation industrielle, 81; Lagardelle, L'évolution des syndicats ouvriers en France, 277 f. 83 Siehe Glotin, Syndicats professionnels, 149.

70 Hieraus erwachsen den Gewerkschaften erhebliche Schwierigkeiten. Die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in einer Koaliton nimmt viel Zeit in Anspruch, so daß selbst in mittelgroßen Verbänden schon eine gleichzeitige und gleichwertige Ausübung von Beruf und Verbandsfunktionen ausgeschlossen ist. 84 Wenn sich der Gesetzgeber aus Furcht vor Mißbrauch gewerkschaftlicher Macht f ü r politische Ziele schon nicht dazu hat entschließen können, jedes Mitglied, das mit Verbandsaufgaben betraut ist, f ü r die Dauer seiner Amtszeit von dem Aktivitätserfordernis zu entbinden, so hätte er doch f ü r nicht mehr berufstätige Personen eine Ausnahme machen können. Sie werden sich schwerlich dazu verleiten lassen, die Koalitionen zu politisieren und damit die Gefahr einer Verbandsauflösung heraufzubeschwören. Gerade sie haben ein starkes Interesse am Fortbestand ihrer Koalition, da sie infolge ihres Alters auf die Versorgungsgelder der verbandseigenen oder verbandsangeschlossenen Unterstützungskassen angewiesen sind. Der Ausschluß der alten Arbeitnehmer und Arbeitgeber vom Redit der Koalitionsfreiheit stellt eine ungerechtfertigte Überspitzung des Berufsaktivitätserfordernisses in Artikel 2 dar, die das Schrifttum zu Recht rügt. 8 5 Die Rechtsprechung 86 indessen respektiert die Entscheidung in Artikel 2 uneingeschränkt und besteht auf dem Austritt der nicht mehr berufstätigen Mitglieder. Auch die beiden Urteile, in denen die Cour de cassation 87 den Koalitionen gestattet, nicht berufstätige Personen als Ehrenmitglieder („membres honoraires") aufzunehmen, ändern an der Lage der alten Berufstätigen und der Koalitionen im Grunde nichts. Das höchste Gericht versteht die Ehrenmitgliedschaft als eine reine Zahlmitgliedschaft, die nicht zur Einflußnahme auf die Leitung oder Organisation des Verbandes berechtigt und folglich keine echte Mitgliedschaft ist.

2. Die Zulässigkeit

gegnerunreiner

und gegnerabhängiger

Koalitionen

Erachtet Artikel 2 die Ausübung eines Berufs f ü r ausreichend, so spielt die Berufskategorie bei der Frage, wer sich zu einer Koalition zusammenschließen darf, keine Rolle. Folglich müssen nicht nur Arbeiter und Angestellte sondern auch Arbeitnehmer und Arbeit84

Vgl. Descomps, Le droit syndical, 17. Vgl. Gonnard, La loi de 1884, 35; Pic, Legislation industrielle, 4. Aufl., 278; Damour, Les syndicats professionnels, 40. 86 Trib. civ. Iure, 2 8 . 1 0 . 1 8 9 0 , B O T 1894, 153; C. Besançon, 2 5 . 2 . 1 8 9 1 , B O T 1894, 153; C. Bordeaux, 2 7 . 1 2 . 1 8 9 3 D . 1894.2.197; C. Douai, 1 . 2 . 1904, Gaz. Pal. 1904.1.301. 87 Cass. crim. 18. 2 . 1 8 9 3 , D . 1894.1.26; 28. 2. 1902, D . 1902.1.203. 85

71 geber eine gemeinsame Koalition eingehen können. 8 8 An der Zulässigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber umfassenden „syndicats mixtes", von denen sidi die katholische Soziallehre in Frankreich einen positiven Beitrag zur Annäherung von Kapital und Arbeit verspricht, 89 werden indessen Zweifel geäußert. Zum Beweis der Ungesetzmäßigkeit der „syndicats mixtes" bedient man sich zweier Argumente. 9 0 Zunächst wird angeführt, das Gesetz von 1884 sei verabschiedet worden, um den bereits bestehenden Koalitionen die Gesetzmäßigkeit zu verleihen. Vor Inkrafttreten des Gesetzes habe es kein gemischtes Syndikat gegeben. Demzufolge seien nur die gegnerreinen Koalitionen erlaubt. Desweiteren findet man diese Ansicht durch den Wortlaut des Artikels 6 Absatz l 9 1 bestätigt. Diese N o r m richtet sich an die „Koalitionen der Arbeitgeber oder Arbeiter." Aus der Verwendung des Wortes „oder" wird gefolgert, der Gesetzgeber habe gemischte Koalitionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht anerkannt. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Artikel 6 betrifft die Frage der Rechtsfähigkeit der Koalitionen. Er hat nicht zur Aufgabe, den Kreis der Personen festzulegen, die eine gemeinsame Koalition bilden können. 9 2 Die einschlägige N o r m hierfür ist Artikel 2. Artikel 2 ist jedoch sehr weit gefaßt und stellt nicht darauf ab, in welcher Eigenschaft jemand einen Beruf ausübt. 93 Zur Einengung des Artikels 2 eignet sich der Hinweis auf die tatsächliche Lage vor dem 21. März 1884 ebensowenig. Vor diesem Zeitpunkt waren die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gesetzwidrig. Man kann sich aber nicht auf einen ehemals gesetzwidrigen Zustand berufen, um die Tragweite eines Gesetzes einzuschränken. 94 Die enge Interpretation des Artikels 2 steht überdies im Widerspruch zu den Vorbereitungsarbeiten zum Gesetz von 1884. Ein Antrag des Abgeordneten de Mun, die „syndicats mixtes" ausdrücklich f ü r erlaubt zu erklären, wurde zurückgewiesen, weil das Gesetz derart 88

Vgl. Boissard, Le syndicat mixte, 43. Izaure, L'évolution de l'idée d'organisation professionnele chez les Catholiques sociaux en France, 56 ff.; siehe audi Boissard, Le syndicat mixte, 44 ff„ 57 S. 90 Vgl. Aubry, Syndicats professionnels, 62. 91 „Les syndicats professionnels de patrons ou d'ouvriers auront le droit d'ester en justice." 92 Außerdem handelt es sidi in Art. 6 gar nidit um eine echte Gegenüberstellung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, vgl. Teil 3 Kapitel 1 § 1 II 2 b. 93 S temler, Syndicats professionnels, 200. 94 Glotin, Syndicats professionnels, 146. 88

72 weit gefaßt sei, d a ß es Koalitionen von Arbeitgebern u n d Arbeitern ermögliche. 95 Gegen die G r ü n d u n g einer gemeinschaftlichen Koalition von Arbeitnehmern u n d Arbeitgebern können also keine Einwendungen erhoben werden. 9 6 Die Gegnerreinheit u n d Gegnerunabhängigkeit sind im französischen Recht nicht wie beispielsweise im deutschen Recht 9 7 wesensnotwendige Merkmale des Koalitonsbegriffs. 9 8 3. Der rechtliche Status der

Koalierten

Begnügt sich Artikel 2 damit, Voraussetzungen tatsächlicher A r t aufzuzählen, deren E r f ü l l u n g Arbeitnehmer u n d Arbeitgeber zur W a h r n e h m u n g der Koalitionsfreiheit berechtigt, so darf d a v o n ausgegangen werden, d a ß ein besonderer rechtlicher Status nicht erforderlich ist, um sich koalieren zu können. 9 9 Das läßt sich indirekt auch mit Artikel 4 Absatz 5 belegen. Wenn diese Vorschrift den Koalitionen eigens zur Auflage macht, nur vollgeschäftsfähige u n d f r a n zösische Mitglieder zu Verwaltern u n d Direktoren zu bestellen, so geht sie d a v o n aus, d a ß nicht alle Koalitionsmitglieder diesen E r f o r dernissen zu entsprechen brauchen. D e m Alter, der N a t i o n a l i t ä t u n d auch dem Geschlecht des Berufstätigen m i ß t demnach das Gesetz bei der Frage nach der Koalitionsfähigkeit grundsätzlich keine Bedeutung bei. 100 Minderjährige, Frauen u n d Ausländer können die Koalitionen als einfache Mitlieder aufnehmen. 1 0 1 Minderjährige u n d verheiratete Frauen bedürfen allerdings zur Ausübung des Koalitionsrechts der Erlaubnis ihrer gesetzlichen Vertreter (Eltern; Ehemann). 1 0 2 85

JO Chambre, Débats, 20. 6.1883, 1346, 1352. H. M.: Boissard, Le syndicat mixte, 43; Glotin, Syndicats professionnels, 144; Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 275 f.; Brunot, Loi sur les syndicats, 112; Renard, Syndicats, trade-unions et corporations, 203 f. 97 Vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbudi des Arbeitsrechts, Bd. II, 1. Halbbd., 81 ff. 98 Die „syndicats mixtes" spielen aber in der Industrie wegen des Interessengegensatzes von Kapital und Arbeit keine große Rolle. Lediglich in der Landwirtschaft sind sie häufig anzutreffen; Boissard, Le syndicat mixte, 166 ff.; Brunot, Loi sur les syndicats, 112. 99 Vgl. auch die Vorbereitungsarbeiten zu Art. 2. Der Antrag des Abgeordneten Laianne, JO Sénat, Débats, 1884, 477 auf Erweiterung des Art. 2 um die Bestimmung, nur volljährigen und vollgeschäftsfähigen Berufstätigen die Koalitionsfreiheit zuzugestehen, wurde abgelehnt. 100 Theoretisch können ausländische Arbeitnehmer eine eigene Gewerkschaft gründen. Diese ist allerdings handlungsunfähig, da sie infolge des Art. 4 Abs. 5 keine Organe ernennen kann. 101 Vgl. Aubry, Syndicats professionnels, 60; Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 17; Stemler, Syndicats professionnels, 198. 102 Glotin, Syndicats professionnels, 155. 98

73 4. Die Koalitionsfähigkeit

juristischer

Personen

Artikel 2 charakterisiert die Koalitionen als Verbände berufstätiger Personen. „Personne" ist der Oberbegriff f ü r natürliche und juristische Personen. So scheinen denn auch rechtsfähige Vereine und Gesellschaften die Mitgliedschaft in einer Koalition erwerben zu können. Diese Ansicht ist indessen heftig umstritten. Während sie Boullaire103 als selbstverständlich hinnimmt, 1 0 4 bezeichnet sie Glotin105 schlechthin als unvertretbar. 1 0 6 Dabei beruft sich dieser Autor einmal auf den Gesetzestext. Da seiner Ansicht nach eine juristische Person einen Beruf überhaupt nicht ausüben kann, ist f ü r ihn die wesentliche Voraussetzung des Artikels 2 f ü r einen Koalitionsbeitritt nicht gegeben. Ferner ist ihm unklar, wer die juristische Person innerhalb der Koalition vertreten soll, und er gibt zu bedenken, daß diese Aufgabe einem reichen Bankier zufallen könnte, der die Aktienmehrheit in der Gesellschaft besitzt, aber keinen Beruf ausübt. Zum anderen begründet Glotin107 seine Ablehnung mit dem Geist des Gesetzes. Artikel 5 108 stelle den Koalitionen eine einzige Form des Zusammenschlusses, die Unionen, zur Verfügung. Diesen Gebilden sei aus Furcht vor politischen und sozialen Gefahren die Rechtspersönlichkeit versagt und damit ihre rechtliche Existenz geleugnet worden. Hierin offenbare sich der Wille des Gesetzgebers, grundsätzlich juristische Personen vom Recht auf Eintritt in eine Koalition auszuschließen. Wenn man erst Gesellschaften sich zu organisieren erlaube, so überlegt Glotin109 weiter, dann könne man auch einer Koalition nicht verwehren, Mitglied in einem anderen Berufsverband zu werden, und Artikel 5 wäre umgangen. Glotins Behauptung, eine juristische Person übe niemals einen Beruf aus, läßt vermuten, daß er die juristische Person nicht als eine echte Person im juristisch-technischen Sinn begreift sondern als eine Fiktion, 110 hinter der sich nichts anderes als die Gesamtheit der einzelnen natürlichen Personen verbirgt. 1 1 1 Eine rechtsfähige Gesellschaft 103

Manuel des syndicats professionnels agricoles, 56. Ebenso Gonnard, La loi de 1884, 21. 105 Syndicats professionnels, 159. 109 Zum gleichen Ergebnis kommen Bry-Perreau, Cours élémentaire de législation industrielle, 568. 107 A. a. O. 108 Art. 5 Abs. 1 : «Les syndicats professionnels... pourront librement se concerter pour l'étude et la défense de leurs intérêts...» — Abs. 2: «Elles (les unions) ne pourront posséder aucun immeuble ni ester en justice.» 10B Syndicats professionnels, 160. 110 Vgl. Planiol, Anmerkung zu C. Lyon, 2. 3.1894, D. 1894.2.305. 111 Vgl. auch Glotins Bemerkung zum „gewissen beruflichen Charakter" der Handelsgesellschaften (a. a. O. 158). 104

74 besitzt jedoch in Wirklichkeit eine eigene, von den einzelnen Gesellschaftern verschiedene Persönlichkeit, die sich darin äußert, daß sie über einen eigenen Namen, ein eigenes Vermögen und eigene Rechte verfügt. 1 1 2 Sie hat eine Organisation, die es ihr erlaubt, sowohl Willenserklärungen abzugeben als auch tatsächliche Handlungen zu verrichten. 113 Folglich kann eine Gesellschaft auch einen Beruf ausüben. 114 Was den erwähnten, nicht berufstätigen Bankier angeht, so gehört nicht er der Koalition an, sondern Mitglied ist allein die einen Beruf ausübende Gesellschaft, die sich des Bankiers nur als Organ bedient. Mithin erweisen sich Glotins Bedenken, soweit sie aus Artikel 2 herrühren, als grundlos. Bei der Gründung von Unionen brauchen die Koalitionen eine dem Artikel 2 in bezug auf das Ähnlichkeitserfordernis entsprechende Vorschrift nicht zu beachten. Folglich können Verbände ganz unterschiedlicher Berufe eine Union eingehen. Der Gesetzgeber befürchtete deshalb, daß sich alle Gewerkschaften zu einer riesigen, ganz Frankreich beherrschenden interprofessionellen Union verbinden und so einen Staat im Staate bilden könnten. U m dem vorzubeugen, hat er in Artikel 5 die Unionen entrechtet. 115 Steckt diese Absicht des Gesetzgebers hinter Artikel 5, so leuchtet nicht ein, was die allgemeine Frage, ob eine juristische Person einer Koalition beitreten kann, derart mit der speziellen Entscheidung in Artikel 5 verbinden soll, daß sich aus dieser N o r m die Koalitionsunfähigkeit aller juristischen Personen ergibt. Glotin irrt schließlich, wenn er aus der Anerkennung der Koalitionsfreiheit f ü r juristische Personen das Recht der Koalitionen herleiten zu können glaubt, sich anderen Koalitionen als deren Mitglieder anzuschließen. Artikel 2 umschreibt den Koalitionszweck als die Verteidigung und das Studium beruflicher Interessen. Eine berufliche Tätigkeit üben die Koalitionen demnach nicht aus. Folglich kann eine Koalition auch nie Mitglied in einer andren Koalition werden. 1 1 6 Eine Umgehung des Artikels 5 findet nicht statt. Mithin sind sämtliche Bedenken gegen die weite Auslegung des T a t bestandsmerkmals „personnes" in Artikel 2 zerstreut. Das Gesetz von 112 D a ß der Gesetzgeber von 1884 zum Verständnis des Wesens der juristischen Person die Theorie von der realen Verbandspersönlichkeit zugrunde gelegt hat, belegen die Passagen des ministeriellen Rundschreibens vom 25. August 1884, JO 2 8 . 8 . 1 8 8 4 , 4594 (4596), die sich mit der Rechtspersönlichkeit der Koalitionen befassen. 113 Vgl. Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 367. 114 Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 166. 115 Siehe JO Senat Debats, 13. und 3 1 . 7 . 1 8 8 2 , 790 ff. und 968 ff.; vgl. auch Descomps, Le droit syndical, 56. 116 Außerdem könnte sich eine interprofessionelle Koalition der Koalitionen sowieso wegen des Ähnlichkeitsprinzips in Art. 2 nidit bilden.

75 1884 gesteht auch juristischen Personen die Koalitionsfreiheit zu. 117 Das k o m m t vor allem den Arbeitgeberorganisationen gelegen. Sie können Handelsgesellschaften, die meist Schlüsselpositionen in I n d u strie und Wirtschaft innehaben, 1 1 8 als Mitglieder aufnehmen. 1 1 9 II. Der Koalitionszweck Artikel 3 120 t r ä g t zu einer weiteren Konkretisierung des Prinzips der Koalitionsfreiheit bei, indem er den Koalitionszweck erläutert. Nach dieser N o r m haben sich die Koalitionen „ausschließlich dem Studium und der Verteidigung wirtschaftlicher, industrieller, k a u f männischer u n d landwirtschaftlicher Interessen" zu widmen. I h r A u f gabengebiet ist also sehr allgemein umschrieben. Das erlaubt den Koalitionen, sich ein weites Aktionsfeld zu erschließen. D a es nicht angeht, im einzelnen aufzuzählen, welche Tätigkeiten sich mit dem Koalitionszweck vereinbaren, empfiehlt es sich, das Aktionsfeld der Verbände negativ durch A u f z ä h l e n der verbotenen Tätigkeiten zu umreißen (1). I m Anschluß an die Darlegung der Grenzen berufsverbandlicher Tätigkeit ist zu überlegen, ob sich aus dem Koalitonsauftrag Rückschlüsse auf die Koalitionsfähigkeit bestimmter Berufe ziehen lassen (2). Endlich gilt es noch a n h a n d des Koalitionszwecks zu versuchen, das Wesen der Koalitionen als Mitgliederverband oder Berufsorgan zu ergründen (3). 1. Der Spezialitätsgrundsatz

(principe

de

spécialité)

Artikel 3 erlegt den Koalitionen auf, sich „ausschließlich" um die Verteidigung beruflicher Belange zu k ü m m e r n . Dieser sogenannte Spezialitätsgrundsatz verpflichtet die Verbände, die ihnen gewährte Freiheit nur zur Lösung beruflicher Probleme zu nutzen. Mehrere G r ü n d e lassen sich d a f ü r finden, die Betätigungsfreiheit der Koalitionen derart zu beschränken. Ihre Kenntnis erleichtert das Ausfindigmachen der nicht erlaubten Aktionen. 117 Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 294; Capitant-Cuche, Législation industrielle, 75. In der modernen Literatur ist diese Meinung zur herrschenden Ansicht geworden: Verdier, Syndicats, 142; Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 165 f.; Spyropoulos, Liberté syndicale, 46; BrunGalland, Droit du travail, 665; Rivero-Savatier, Droit du travail, 62. 118 Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 165. 119 Zur Struktur der modernen Arbeitgeberverbände vgl. Verdier, Syndicats, 86 ff.; Reynaud, Les syndicats en France, 31 ff.; Durand, Le régime juridique des syndicats patronaux, Dr. soc. 1946, 372 ff. 120 Art. 1 Buch III CT.

76 Der Spezialitätsgrundsatz ist einmal die unmittelbare Folge aus Artikel 2, der als Voraussetzung für eine Koalitionsgründung das Bestehen gemeinsamer beruflicher Interessen nennt. Das Verlangen nach einer solchen Interessengemeinschaft impliziert die Forderung nach einer berufsverbundenen Tätigkeit der Koalitionen. Zum anderen stellt das Gesetz von 1884 bekanntlich eine Ausnahme vom allgemeinen Vereinsverbot dar. 121 Die hier angebotene Freiheit verdienen nach Ansicht des Gesetzgebers nur Verbände, die es sich zur Aufgabe machen, durch eine berufliche Interessenvertretung die wirtschaftliche Lage ihrer Mitglieder zu verbessern,122 mithin ein bedeutendes gesellschaftspolitisches Ziel zu erreichen. Hauptmotiv dafür, die Koalitonen nicht selbst über ihren sachlichen Tätigkeitsbereich bestimmen zu lassen, bildet jedoch einmal mehr die Furcht des Gesetzgebers vor einer Politisierung der Gewerkschaften. Er argwöhnt noch immer hinter jeder politisch interessierten Arbeitnehmerorganisation eine staatsgefährdende politische Partei. 123 Deshalb untersagt er den Koalitionen von vorneherein, sich mit anderen als beruflichen Problemen zu befassen. Das Wissen um die Gründe für die Beschränkung der berufsverbandlichen Aktionsfreiheit erlaubt es nun, den Inhalt des Spezialitätsgrundsatzes negativ zu bestimmen: a) Die Koalitionen können nicht wie Vereine nur die Unterhaltung ihrer Mitglieder zum Gegenstand haben. 124 Dem Spezialitätsprinzip widerspricht es indessen nicht, wenn die Verbände nebenbei kulturelle Veranstaltungen durchführen und Möglichkeiten für eine sportliche Betätigung ihrer Mitglieder schaffen. Das ministerielle Rundschreiben vom 25. August 18 84125 ruft sie gerade dazu auf, neben der wirtschaftlichen auch die intellektuelle und moralische Lage der Arbeiterschaft zu verbessern. b) Den Koalitionen ist es untersagt, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, insbesondere Handel zu treiben. 126 Sie dürfen keine Sachen ankaufen, um sie wieder zu verkaufen, selbst wenn der Verkauf den Mitgliedern keinen Gewinn bringt. 127 121

Siehe Teil 3 Kapitel 1 § 1 I. Vgl. Waldeck-Rousseau, Circulaire, JO 28. 8.1884, 4594 (4595). 123 Siehe Spyropoulos, Liberté syndicale, 95. 124 Trib. civ. Langres, 9 . 1 2 . 1 8 8 7 , D. 1888.3.136; C. Paris, 2 9 . 1 1 . 1 8 9 2 , D. 1894.2.5. 125 JO 28. 8. 1884, 4594 (4595). 126 Siehe hierzu insbesondere Boulaire, Manuel des syndicats professionnels agricoles, 123 ff. 127 Cass. crim. 29. 5. 1908, D. 1909.1.25 mit kritischer Anmerkung von Salmon-Legagneur. 122

77 c) Die Beschäftigung mit religiösen oder konfessionellen Fragen ist unstatthaft. 1 2 8 Eine Koalition darf sich nicht in ihrer Satzung zur Verteidigung der Glaubensfreiheit bekennen oder gar aktiv am Vertrieb einer konfessionellen Zeitschrift und an der Gründung religiöser Vereine mitwirken. 1 2 9 Dagegen verstößt es nicht gegen den Spezialitätsgrundsatz, wenn sich berufstätige Personen gleichen Glaubens organisieren, sofern sie damit die Verteidigung nur ihrer beruflichen Belange bezwecken. 130 d) Die Koalitionen haben sich jeder politischen Tätigkeit zu enthalten. Sie überschreiten insbesondere ihre Befugnis, wenn sie sich in das politische Wahlgeschehen einschalten, 131 ihre Mitglieder zur Teilnahme an politischen Kundgebungen zwingen, 132 auf eine Veränderung des politischen Systems hinarbeiten 1 3 3 oder f ü r eine politische Partei oder Ansicht werben. 134 Das Gesetz lehnt also nicht nur direkte Aktionen ab sondern versagt den Koalitionen schon das Recht, sich in Entschließungen und Stellungnahmen zu politischen Fragen zu äußern. Das im Spezialitätsgrundsatz enthaltene Gebot völliger politischer Untätigkeit ist absolut. 135 Koalitionen, die sich über das Spezialitätsprinzip hinwegsetzen, treffen die in Artikel 9 136 vorgesehenen Sanktionen. Ihre Direktoren und Verwalter werden mit einer Strafe belegt und den Verbänden selbst droht die Auflösung. 2. Der Streit, ob aus dem Koalitionszweck die Koalitionsunfähigkeit bestimmter (freier) Berufe

folgt

Umschreibt Artikel 3 den Koalitionszweck mit der Verteidigung wirtschaftlicher, industrieller, kaufmännischer und landwirtschaftlicher Interessen, so ergeben sich hieraus außer den Grenzen berufs128

Vgl. Trib. corr. Villeneuve-sur-Lot, 29. 6.1892, D. 1894.2.4. Cass. crim. 18. 2. 1893, D. 1894.1.26. 130 Vgl. z . B . Trib. corr. Privas, 2 1 . 7 . 1 9 3 3 , S. 1934.2.15, das keine Einwände aus dem Spezialitätsgrundsatz gegen die Zulässigkeit einer Koalition von Geistlichen geltend macht. 131 C. Nancy, 2 0 . 1 1 . 1 8 8 9 , Ann. synd. 1892, 425; Trib. corr. Albi, 9 . 4 . 1898, Le droit, 1 8 . 4 . 1 8 9 8 ; Trib. civ. Lavour, 1 2 . 8 . 1 8 9 8 , bei Finance, Les syndicats professionnels, 147. 132 Cass. civ. 16. 11. 1914, D. 1917.1.61. 133 Trib. corr. Troyes, 10. 12. 1935, Gaz. Pal. 1936.1.286. 134 Vgl. Cass. crim. 18. 2. 1893, D. 1894.1.26. 135 Besser als in Art. 3 kommt diese Absolutheit in dem vom Senat vorgeschlagenen, aber als überflüssig abgelehnten Zusatz zu Art. 3 zum Ausdruck: „Es ist den Koalitionen untersagt, irgendeine politische Frage zu behandeln." (Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 17 f. 138 Vgl. Art. 54 Abs. 1 Buch III CT. 129

78 verbandlicher Aktionsfreiheit Hinweise auf die Koalitionsfähigkeit gewisser Berufe. Insoweit berührt Artikel 3 das Thema des Artikels 2. Es fragt sich daher, ob jene Vorschrift an dem Grundsatz des Artikels 2, daß jeder Berufstätige sich organisieren kann, etwas ändert. Aufgrund des Artikels 3 können sich alle Kaufleute und die in der Landwirtschaft tätigen Personen koalieren, da sie kaufmännische bzw. landwirtschaftliche Interessen zu verteidigen haben. Ebenso sind sämtliche Berufe, die in Beziehung zu irgendeinem Industriezweig stehen, koalitionsfähig, denn der Schutz industrieller Belange reicht als Koalitionsaufgabe aus. Strittig hingegen ist, ob darüberhinaus auch Angehörige anderer Berufe, die keine der eben erwähnten Interessen sondern nur solche wirtschaftlicher Art zu verteidigen haben, Koalitionen gründen können. Die Cour de Cassation137 führt zu dieser Frage in einer Entscheidung, in der sie den Ärzten das Koalitionsrecht vorenthält, folgendes aus: „Das Gesetz über die Koalitionen ist keinesfalls auf alle Berufe anwendbar; die Vorbereitungsarbeiten bekräftigen den Willen des Gesetzgebers, die Anwendbarkeit (des Gesetzes) auf diejenigen zu beschränken, die, sei es als Arbeitgeber, sei es als Arbeiter oder Lohnempfänger, der Industrie, dem Handel und der Landwirtschaft angehören, unter Ausschluß aller anderen Personen und aller anderen Berufe; das Gesetz ist nicht weniger eindeutig, da es einerseits in Artikel 6 die Rechte, die es dort verleiht, allein den Koalitionen der Arbeitgeber und Arbeiter vorbehält, andererseits es den Zweck dieser Koalitionen auf das Studium und die Verteidigung der wirtschaftlichen, industriellen, kaufmännischen und landwirtschaftlichen Interessen begrenzt und so das Recht der Koalitionsgründung all jenen verweigert, die kein industrielles, kaufmännisches oder landwirtschaftliches Interesse und folglich auch kein wirtschaftliches Interesse, das sich allgemein auf eine der vorhergehenden Interessen bezieht, zu verteidigen haben." Die Konsequenzen der höchstrichterlichen Ansicht,138 der ein Teil der unteren Gerichte139 und des Schrifttums 140 beipflichtet, sind weit137 138

Cass. crim. 27. 6 . 1 8 8 5 , D . 1886.1.137. Vgl. auch Cass. crim. 2 8 . 2 . 1 9 0 2 , D . 1902.1.203; 1 4 . 5 . 1 9 0 8 , D . 1909.

1.133. 139 C. Caen, 4 . 2 . 1 8 8 5 , R e v . soc. 1885, 2 9 0 ; C. Paris, 1 7 . 1 1 . 1 8 8 7 , R e v . soc. 1887, 109; C. Saint-Etienne, 1 7 . 1 2 . 1 8 8 9 , G a z . Pal. 1890.1.224; C. D o u a i , 11. 11. 1901, S. 1901.2.289. 140 Stemler, Syndicats professionnels, 215 ff.; Aubry, Syndicats professionnels, 65 fi. Diese Autoren bedauern z w a r die H ä r t e dieser Entscheidung, halten jedoch die Argumentation der Cour de cassation für z w i n g e n d („dura lex, sed lex !"). Vgl. auch Salmon-Legagneur, A n m e r k u n g zu Cass. crim. 29. 5 . 1 9 0 8 , D . 1908.1.25 (29).

79 reichend. Nicht nur den Ärzten sondern den Angehörigen jedes freien Berufs wird hiermit das Recht auf Verteidigung ihrer beruflichen Interessen durch Koalitionen aberkannt. 1 4 1 Die Überlegungen der Cour de cassation halten einer genauen P r ü f u n g nicht stand. Die die Frage nach der Koalitionsfähigkeit beantwortende N o r m ist Artikel 2. Sie nennt bekanntlich als einziges Erfordernis die Ausübung eines Berufs. Der Begriff „Beruf" ist weit auszulegen und umfaßt sowohl die körperliche als auch die geistige Tätigkeit. 1 4 2 Um die freien Berufe vom Koalitionsrecht auszuschließen, wäre ein formeller Text notwendig, der den Artikel 2 diesbezüglich einschränkt. 143 Dieser Text fehlt aber. Der Berufung des höchsten Gerichts auf die Vorbereitungsarbeiten kann schon deshalb kein großer Wert beigemessen werden, da sich Gegner 144 wie Befürworter 1 4 5 der weiten Auslegung des Artikels 3 gleichermaßen auf sie stützten. Der Hinweis auf Artikel 6 entbehrt ebenfalls der Überzeugungskraft. Wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben, 146 beschäftigt sich diese Bestimmung mit der Rechtsfähigkeit der Koalitionen und nicht mit dem Problem der Koalitionsfreiheit. Wenn der Gesetzgeber hier von Koalitionen der Arbeitgeber und Arbeiter spricht, so dient ihm dies zur Verdeutlichung des Unterschieds, der zwischen der Koalition als einem rechtsfähigen Verband und der Union als einem nichtrechtsfähigen Zusammenschluß von Koalitionen besteht. 147 D a ß Artikel 6 die Koalitionsmitglieder als Arbeitgeber oder Arbeiter apostrophiert, liegt in der Tatsache begründet, daß diese Kategorien der Berufstätigen die meisten Organisierten stellen. Wollte man wirklich nur ihnen die Vorrechte des Gesetzes zubilligen, wäre auch eine Koalition von Kaufleuten unzulässig. 148 Diese Meinung vertritt aber niemand. Artikel 3 weit auszulegen, ist schließlich ein Gebot dieser N o r m selbst. Er beauftragt die Koalitionen nicht nur mit der Verteidigung der industriellen, kaufmännischen und landwirtschaftlichen Interessen, die den freien Berufen abgehen, sondern erwähnt als erstes die Verteidigung der wirtschaftlichen Belange. Der Versuch der Cour de 141 Eine Sonderstellung nehmen die Apotheker ein. Sie können sich in ihrer Eigenschaft als Kaufleute organisieren; C. Paris, 20. 1. 1886, D. 1886. 2.170; C. Lyon, 3. 6.1890, D. 1891.2.29. 142 Siehe Teil 3 Kapitel 1 § 2 I. 143 Vgl. Glotin, Syndicats professionnels, 164. 144 Stemler, Syndicats professionnels, 216 f.; Aubry, Syndicats professionnels, 67 f. 145 Glotin, Syndicats professionnels, 164 f. 148 Siehe Teil 3 Kapitel 1 § 2 I 2. 147 So Trib. civ. Seine, 10. 3.1890, S. 1890.2.144. )48 Vgl. Glotin, Syndicats professionnels, 166.

80 cassation, den umfassenden I n h a l t des Wortes „wirtschaftlich" durch die nachfolgenden Ausdrücke „industriell", „kaufmännisch" u n d „landwirtschaftlich" einzuschränken, 1 4 9 ist contra legem. Das K o m m a nach „wirtschaftlich" verdeutlicht, d a ß die wirtschaftlichen Interessen einerseits u n d die industriellen, landwirtschaftlichen u n d k a u f männischen Belange andererseits eben nicht derart zusammengehören, d a ß jene nicht von diesen getrennt werden können. 1 6 0 Artikel 3 stellt die wirtschaftlichen Interessen selbständig u n d gleichwertig neben die übrigen. 1 5 1 Es genügt der Nachweis wirtschaftlicher Interessen, um alle Rechte aus dem Gesetz v o n 1884 geltend machen zu können. D a es auch bei den freien Berufen wirtschaftliche Interessen zu verteidigen gibt, sind sie gleich den industriellen Berufen koalitionsfähig. 1 5 2 3. Die Koalitionen

als

Mitgliederverbände

Artikel 3 b e a u f t r a g t die Koalitionen, die wirtschaftlichen, industriellen, kaufmännischen u n d landwirtschaftlichen Interessen zu vertreten. U m wessen Belange es geht, u m die der Koalitionsmitglieder oder die des ganzen Berufs, wird nicht gesagt, T r o t z der unklaren Aussage des Artikels 3 zu diesem P u n k t besteht k a u m ein Zweifel, d a ß der Gesetzgeber die Koalitionen nicht als Berufsorgane sondern lediglich als Mitgliederverbände konzipiert hat. Das ergeben einmal die Vorbereitungsarbeiten zu Artikel 3. Die Kommission der Abgeordnetenkammer wollte die Befugnisse der Koalitionen über die Vertretung der Mitgliederinteressen hinaus erweitern. Sie schlug deshalb dem Senat vor, den Verbänden außerdem die Vertretung u n d das Studium der „allgemeinen Interessen des Berufs" zu überantworten. D e r Senat lehnte jedoch ab u n d strich den Zusatz zu Artikel 3, der die Koalitionen zu Berufsorganen erhoben hätte. 1 5 3 149 Ebenso Stemler, Syndicats professionnels, 215; Aubry, Syndicats professionnels, 67. 150 Boullaire, Manuel des syndicats professionnels agricoles, 26; siehe auch Sauzet, De la nature de la personnalité civile des syndicats professionnels, RCLJ 1888, 297. 151 So Trib. civ. Seine, 10. 3.1890, S. 1890.2.144. 152 Glotin, Syndicats professionnels, 166, 172; César-Bru, Syndicats professionnels, 17; Boullaire, Manuel des syndicats professionnels agricoles, 26; Gonnard, La loi de 1884, 21; vgl. auch Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 286 f. Für die von der Ansicht der Cour de cassation abweichende Rechtsprechung vgl. Trib. civ. Seine, 10.3.1890, S. 1890.2.144; C. Provins, 8.4.1897, S. 1899.2.14 (Vermessungsingenieure); C. Paris, 1.12.1898, S. 1899.2.245 (Vermessungsingenieure); C. Aix, 21.12.1910, D. 1911.2.385 (Musiker). 153 JO Sénat, Débats, 21. 2.1884, 451 ff.

81 Zum zweiten spiegelt die Art, wie die negative Koalitionsfreiheit geschützt wird, den Charakter der Koalitionen als reine Mitgliederverbände wider. Gemäß Artikel 7 setzen sich die Koalitionen nicht erst ins Unrecht, wenn sie einen Außenseiter zum Beitritt zwingen, sondern schon dann, wenn sie ihn bloß zur Befolgung ihrer Anordnungen nötigen, selbst wenn sie die Befehle im Interesse des ganzen Berufs erlassen haben. 164 Artikel 7 ist die Absage des Gesetzgebers an das sozialistische Berufsverbandssystem, das die Gewerkschaften als Vertreter der gesamten Arbeitnehmerschaft begreift und ihnen in dieser Eigenschaft das Recht auf Ausübung eines Zwangs auf Außenseiter zubilligt. 155 Schließlich bleibt den Verbänden die Anerkennung als Sprecher des ganzen Berufs auch in tatsächlicher Hinsicht versagt. Der Staat strebt noch keine enge Zusammenarbeit mit ihnen an, in deren Verlauf er ihnen die Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf ihrem Fachgebiet überträgt und somit zu verstehen gibt, daß er sie als die berufenen Vertreter aller Arbeitnehmer und Arbeitgeber betrachtet. Diese Feststellungen geben Rivero156 recht, der die Beziehungen zwischen den Koalitionen von 1884 und dem Beruf auf die einprägsame Formel bringt: „Die Koalitionen vertreten Interessen innerhalb des Berufs, nicht die Interessen des ganzen Berufs,"157

§3

Die Rechtsnatur der Koalitionen u n d die sich daraus ergebenden Befugnisse Artikel 3 gibt den Koalitionen auf, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder zu studieren und zu verteidigen. Zur Erledigung des gesetzlichen Auftrags reicht es nicht aus, den Verbänden ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten. Sie müssen außerdem befähigt sein, am Rechtsverkehr teilzunehmen. Zu diesem Zweck erklärt sie der Gesetz154 Cass. req. 2 5 . 1 . 1 9 0 5 , D. 1906.1.153; Trib. civ. Seine, 4 . 7 . 1 8 9 5 , D. 1895.2.312; C. Paris, 3 1 . 3 . 1 8 9 6 , D. 1896.2.184; vgl. auch C. Douai, 7 . 5 . 1902, S. 1903. 2.233. 155 Siehe Teil 3 vor Kapitel 1. 156 Syndicalisme et pouvoir démocratique, Dr. soc. 1956, 166 (167). 157 Ebenso Villot, Liberté syndicale, 6, 10, 52; Scelle, Le droit ouvrier, 51 f.; Verdier, Syndicats, 101; Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 277 Lagorce, De l'évolution des syndicats professionnels en France depuis 1884. 8; Brun-Galland, Droit du travail, 642; Rouast-Durand, Droit du travail, 218 f. Anderer Ansicht Boullaire, Manuel des syndicats professionnels agricoles, 69; Sauzet, De la nature de la personnalité civile des syndicats pro-

8

Engels, Die Entwidmung . . .

82 geber f ü r rechtsfähig Rechten (II).

(I)

und

verleiht

ihnen

eine

Reihe

von

N a c h Erörterung der Rechtsstellung der K o a l i t i o n e n w i r d d a n n versucht, a n h a n d der bisher g e w o n n e n e n einzelnen K o a l i t i o n s m e r k male den Koalitionsbegriff z u definieren ( I I I ) .

I. D i e K o a l i t i o n e n als juristische P e r s o n e n des Privatrechts

D a s G e s e t z v o n 1 8 8 4 enthält keine Vorschrift, die ausdrücklich die Rechtsfähigkeit der K o a l i t i o n e n hervorhebt. D o c h i n d e m Artikel 6 1 5 8 den V e r b ä n d e n Rechte verleiht, die die wesentlichen Befugnisse einer juristischen Person ausmachen, erkennt er mittelbar die Rechtsfähigkeit der K o a l i t i o n e n an. Waldeck-Rousseaum e r g ä n z t die spärliche fessionnels, R C L J 1888, 391 (397 ff.). Ihre Begründung, die Koalitionen gingen, historisch gesehen, auf das „métier juré" zurück und seien folglich wie dieses als Berufsorgan anzusehen, ist nicht stichhaltig. Einmal abgesehen davon, d a ß sich höchstens die Arbeitgeberorganisationen auf das „métier juré" zurückführen lassen, die Gewerkschaften aber in den entrechteten Gesellenbünden wurzeln (siehe Teil 1 Kapitel 1 § 1 ; vgl. auch Haussonville, Le combat contre la misère. I. Les corporations et syndicats mixtes, R D M 1885, 288 (302)), unterscheidet sich das „métier juré" von den Koalitionen in zwei Punkten, die bei einem Vergleich beider Institutionen zwecks Feststellung des Koalitionscharakters als Mitgliederverband oder Berufsorgan nicht außer acht gelassen werden dürfen. Erstens w a r das métier juré" eine juristische Person des öffentlichen Rechts, das als solche offiziell f ü r den Staat den Beruf zu organisieren und die Interessen des ganzen Berufs beim Staat zu vertreten hatte (siehe Teil 1 Kapitel 1 § 1 § 2 II). Die Koalitionen sind, um hier vorzugreifen, juristische Personen des P r i v a t rechts (vgl. den folgenden § 3), haben keinen offiziellen A u f t r a g zur Berufsvertretung, werden aber auch in tatsächlicher Hinsicht (nodi) nicht von Dritten als Repräsentanten des Berufs anerkannt. Zweitens hatte das „métier juré" als Einheits- und Zwangsverband die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, auf jeden Berufsangehörigen zum Wohl des ganzen Berufs einzuwirken. Den Koalitionen hingegen ist es infolge der stark ausgeprägten negativen Koalitionsfreiheit verwehrt, Außenseiter zur Beachtung der Berufsinteressen zu zwingen. Diese grundlegenden Unterschiede lassen es nicht zu, von dem Berufsorgancharakter des „métier juré" auf einen solchen der Koalitionen zu schließen. 158 A r t . 6 : «Les syndicats professionnels de patrons ou d'ouvriers auront le droit d'ester en justice. Ils p o u r r o n t employer les sommes provenant des cotisations. Toutefois, ils ne pourront acquérir d'autres immeubles que ceux qui seront nécessaires à leurs réunions, à leurs bibliothèques et à des cours d'instruction professionnelle.» 159 Circulaire, J O 28. 8. 1884, 4594 (4596).

83 Aussage des Artikels 6 in seinem Rundschreiben vom 25. August 1884 wie folgt: „Von selbst wird die Koalition eine juristische Person von unbegrenzter Dauer, verschieden von der Person ihrer Mitglieder, fähig, eigenes Vermögen zu erwerben und zu besitzen, zu verleihen, auszuleihen, Prozesse zu führen ect. . . . " Zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit braudit keine besondere Formalität erfüllt zu werden. 160 Alle Koalitionen 1 8 1 werden durch eine ordnungsgemäße Gründung 1 6 2 zu juristischen Personen. 163 N u n kennt das französische Recht drei Arten von juristischen Personen: die öffentlich-rechtliche Anstalt („établissement public"), den gemeinnützigen Verein („établissement d'utilité publique") und die privatrechtliche Vereinigung („société privée"). Zu welchem Typus die Koalition zählt, klärt das Gesetz von 1884 nicht. Die Koalition als Anstalt des öffentlichen Rechts zu klassifizieren, scheitert schon daran, daß sie keine öffentlichen Aufgaben zu erfüllen und sich nicht der Verwaltung gegenüber f ü r ihre Handlungen zu verantworten hat. 164 Ob sie als gemeinnütziger Verein gelten kann, fällt dagegen schwerer zu beantworten. Der gemeinnützige Verein zeichnet sich dadurch aus, daß er rein privaten Interessen dient, gleichzeitig aber auch der Allgemeinheit von Nutzen ist, wohingegen sich die privatrechtliche Vereinigung den individuellen Interessen ihrer Mitglieder verschreibt und insbesondere nach Gewinn strebt. 185 Stellt man allein auf den Vereinszweck ab, so läßt sich die Koalition unschwierig in die Kategorie „gemeinnütziger Verein" einordnen. Die Gewerkschaft ist aufgerufen, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder zu verteidigen. Sie bietet der ärmsten Gesellschaftsschicht die Möglichkeit zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage und leistet damit einen allgemeinnützigen Beitrag. 160

Siehe César-Bru, Syndicats professionnels, 15 ff. Nicht nur die der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, wie es irreführend in Art. 6 Abs. 1 heißt; vgl. Teil 3 Kapitel 1 § 2 II 2. 162 Vgl. Art. 4: Hinterlegung der Satzung, Namensangabe der Verwalter und Ernennung nur vollgeschäftsfähiger Franzosen zu Verbandsleitern. 163 César-Bru, Syndicats professionnels, 15, 26; Glotin, Syndicats professionnels, 198; Aubry, Syndicats professionnels, 85. Nach einer Mindermeinung können die Koalitionen auf die Rechtspersönlichkeit verzichten; so Brunot, Loi sur les syndicats, 116. 164 Yg] César-Bru, Syndicats professionnels, 32 f.; Sauzet, D e la nature de la personnalité civile des syndicats professionnels, R C L J 1888, 296 (316); siehe ferner Glotin, Syndicats professionnels, 2 0 0 ; Aubry, Syndicats professionnels, 87. íes Vgl. Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 308; Aubry, Syndicats professionnels, 86. 161

8*

84 Diese von Sauzetue entwickelte und von einem großen Teil des Schrifttums 167 nach 1884 angenommene Theorie, die auf eine Besserstellung der Koalitionen in der Frage des unentgeltlichen Vermögenserwerbs abzielt, 168 wird dem Wesen des gemeinnützigen Vereins nur sehr mangelhaft gerecht und muß daher abgelehnt werden. Um als gemeinnütziger Verein zu gelten, genügt nämlich nicht die Feststellung, daß ein Verein keinen Gewinn erstrebt. Die Besonderheit des gemeinnützigen Vereins besteht darin, daß er überhaupt nicht aus eigener K r a f t entstehen kann, sondern seine Existenz einem speziellen und individuellen A k t der öffentlichen Gewalt verdankt, den zu erlassen oder wieder zurückzunehmen im Ermessen der zuständigen Verwaltungsbehörde liegt. 169 Mit einem solchen T y p von juristischer Person hat die Koalition nichts gemein. Aufgrund des Prinzips der Koalitionsfreiheit verbietet sich jede Einflußnahme der Verwaltung auf die Entstehung, Auflösung und Gestaltung der inneren Organisation der Koalition. Durch den Entstehungsakt wird die Koalition von selbst zur juristischen Person. Ihre Rechtsfähigkeit erkennt ein genereller und abstrakter Rechtssatz, der Artikel 6 des Gesetzes von 1884, an. Die Koalition ist demnach eine juristische Person des Privatrechts. 170 166 D e la nature de la personnalité civile des syndicats professionnels R C L J 1888, 296 (318 ff.). 167 So Glotin, Syndicats professionnels, 203 fF.; Pic, Législation industrielle, 4. Aufl., 308 ff.; Capitant-Cuche, Législation industrielle, 89 f.; Paul-Boncour, L'individu et les groupements, 108. 168 noch gezeigt wird, läßt sich das Recht der Koalitionen, unentgeltlich Vermögen zu erwerben, auch noch anders begründen. 16» Ygl César-Bru, Syndicats professionnels, 33 ff.; Labbé, Anmerkung zu C. Paris, 2 5 . 3 . 1 8 8 1 , S. 1881.2.249 f.; Labbé, Jurisprudence civile, R C L J 1882, 337 (345 ff.). 170 Diese Ansicht gilt in der Zeit nach 1884 als sehr umstritten. Wie hier: César-Bru, Syndicats professionnels, 35 f., 45 f.; Boullaire, Manuel des syndicats professionnels agricoles, 91 ff.; Boullay, Code des syndicats professionnels, 168; Stemler, Syndicats professionnels, 244 f.; Veyan, Loi sur les syndicats professionnels, 174 f.; Aubry, Syndicats professionnels 88 f.; Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 25 f. Die gegenteilige Ansicht, nach der es sich bei den Koalitionen um gemeinnützige Vereine handelt, verfechten Sauzet, D e la nature de la personnalité civile des syndicats professionnels, R C L J 1888, 391 fï. und die in der Fußn. 167 erwähnten Autoren. Gain, Les syndicats agricoles professonnels et la loi du 21 mars 1884, 31 kann sich weder zu der einen noch der anderen Meinung durchringen und betrachtet die Koalitionen als eine „neue Institution". — Das moderne Schrifttum f a ß t hingegen ganz überwiegend die Koalitionen als juristische Personen des Privatrechts a u f ; vgl. z . B . Durand-Vitu, Droit du travail, Bd. III, 45 ff.; Verdier, Syndicats, 183 f.; einen ausführlichen Überblick gibt Prager, Die französischen Berufsverbände, 195 ff.

85 II. Die R e d i t e der K o a l i t i o n e n D a s Gesetz v o n 1 8 8 4 stellt in A r t i k e l 6 einen K a t a l o g der wichtigsten K o a l i t i o n s r e c h t e zusammen. D i e d o r t e r w ä h n t e n u n d vorausgesetzen Befugnisse sind teils die üblichen A t t r i b u t e juristischer P e r sonen, teils besondere Zugeständnisse. 1. Die den Koalitionen

als juristische

Personen

zustehenden

Rechte

a) W i e jede juristische P e r s o n t r ä g t die K o a l i t i o n einen N a m e n , aus dem der S i t z der K o a l i t i o n u n d der B e r u f , dessen A n g e h ö r i g e sie als M i t g l i e d e r a u f n i m m t , hervorgehen s o l l . 1 7 1 D a s R e c h t a m N a m e n wird geschützt. 1 7 2 b) A r t i k e l 6 A b s a t z 1 berechtigt die K o a l i t i o n e n , v o r Gericht als P a r t e i a u f z u t r e t e n . Dieses R e c h t unterliegt keiner Beschränkung. Sie k ö n n e n demnach an allen Gerichten k l a g e n u n d v e r k l a g t w e r d e n . A l s G e g e n s t a n d ihrer K l a g e k o m m t die V e r t e i d i g u n g entweder der ihnen als juristischer P e r s o n zustehenden Rechte oder der allen M i t g l i e d e r n gemeinsamen wirtschaftlichen, industriellen, kaufmännischen und landwirtschaftlichen Interessen in F r a g e . 1 7 3 D i e individuellen Anliegen einzelner M i t g l i e d e r gerichtlich zu schützen, steht ihnen nicht z u 1 7 4 („nul ne p l a i d e p a r p r o c u r e u r " ) . 1 7 5 c) Als juristische Personen k ö n n e n die K o a l i t i o n e n V e r m ö g e n erw e r b e n und besitzen. Diese B e f u g n i s schränkt a b e r A r t i k e l 6 A b s a t z 3 ein. W ä h r e n d der E r w e r b v o n beweglichen Sachen u n b e g r e n z t möglich ist, gestattet diese N o r m den V e r b ä n d e n n u r die Anschaffung v o n solchen I m m o b i l i e n , die sie benötigen, u m V e r s a m m l u n g e n a b z u h a l t e n , B i b l i o t h e k e n errichten und Berufsunterricht erteilen zu k ö n n e n . 1 7 6 Glotin, Syndicats professionnels, 212. C. Paris, 1. 3. 1888, Rev. soc. 1888, 297. 1 7 3 Trib. civ. Evreux, 2 1 . 1 0 . 1 8 8 7 , S. 1888.2.119; C. Nancy, 4 . 1 . 1 8 9 6 . D. 1897.2.68; C. Besançon, 14. 11.1900, D. 1903.2.82. 174 Trib. civ. Arras, 13. 6. 1888, S. 1888.2.142. 1 7 5 Dieser prozeßrechtliche Grundsatz leidet heute einige Ausnahmen. Gemäß Art. 31 t. und 33 q. Buch I C T können z. B. die Koalitionen bei Mißachtung der Bestimmungen eines Tarifsvertrags oder einer Betriebsvereinbarung oder bei Verletzung der Vorschriften über die Heimarbeit für das benachteiligte Mitglied Klage erheben, ohne eine entsprechende Vollmacht vorweisen zu müssen. Das Mitglied muß allerdings vorher benachrichtigt worden sein und darf der Klageerhebung nicht widersprochen haben. Ausführlich zum ganzen Verdier, Syndicats, 396 ff.; vgl. auch Prager, Die französischen Berufsverbände, 221 ff. 1 7 8 Die Einschränkung erklärt sich aus dem Spezialitätsgrundsatz, der verhindern soll, daß die Koalitionen einen anderen als den in Art. 3 beschriebenen Zweck verfolgen, insbesondere Handel treiben und nach Gewinn streben; Aubry, Syndicats professionnels, 91. 171

172

86 Unklarheit herrscht darüber, ob die Verbände nur entgeltlich oder aber auch unentgeltlich erwerben können. Einige Autoren bestreiten den Koalitionen das Recht des unentgeltlichen Vermögenserwerbs und berufen sich dabei erstens auf den Grundsatz, juristische Personen des Privatrechts könnten ohne formelle Erlaubnis des Gesetzgebers keine unentgeltlichen Rechtsgeschäfte tätigen, 177 zweitens auf die Vorbereitungsarbeiten 178 und drittens auf Artikel 6 Absatz 2. 179 Die grundsätzlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit unentgeltlichen Erwerbs zerstreut Artikel 902 C. civ., der „jeder Person" die Annahme unentgeltlicher Zuwendungen gestattet, ohne zwischen natürlichen und juristischen Personen zu unterscheiden. Liest man die Vorbereitungsarbeiten zu Ende, so stellt man fest, daß die ursprüngliche Fassung des Artikels 4 (jetzt Artikel 6), der tatsächlich den Koalitionen unentgeltlich zu erwerben verbot, später ausdrücklich abgelehnt und das Recht der Koalitionen Schenkungen anzunehmen von der Abgeordnetenkammer 1 8 0 und dem Senat 181 bejaht wurde. Die gegenteilige Ansicht bestätigt sich auch nicht in Artikel 6 Absatz 2, der den Verbänden erlaubt, die aus Beitragszahlungen herrührenden Gelder zu verwenden. Der Sinn dieser N o r m liegt darin hervorzuheben, daß die Koalitionen ein eigenes, von dem ihrer Mitglieder verschiedenes Vermögen besitzen, über das sie verfügen können. Wie dieses Vermögen erworben werden muß, schreibt Artikel 6 nicht vor; er erwähnt lediglich als eine Art des Vermögenserwerbs die übliche Beitragserhebung, ohne aber dadurch andere Erwerbsmöglichkeiten und damit unentgeltliche Zuwendungen an die Koalitionen auszuschalten. 182 H i e r f ü r spricht auch, daß in Absatz 3 183 der gleichen N o r m und in Artikel 9 184 von „erwerben" bzw. „Erwerb" und nicht 177

Labbé, Anmerkung zu C. Paris, 25. 3.1881, S. 1881.2.249 f.; Labbê, Jurisprudence civile, RCLJ 1882, 337 (345 fi.). 178 Hubert-Valleroux, Les corporations d'arts et métiers et les syndicats professionnels, 368 f.; Hubert-Valleroux, Les associations professionnels, Bull. soc. législ. comp. Bd. XV, 66 (81); vgl. auch Bled, Les syndicats professionnels et agricoles, R D M 1887, Bd. L X X X I I I , 104 (109). 179 Art. 6 Abs. 2; «Ils (les syndicats professionnels) pourront employer les sommes provenant des cotisations.» 180 Vgl. JO Chambre, Doc. pari. 6. 3. 1883, 397 f. 181 JO Sénat, Débats, 3. 2.1884, 246. 182 Vgl. Stemler, Syndicats professionnels, 258. 183 Art. 6 Abs. 3 : «Toutefois ils (les syndicats professionnels) ne pourront acquérir.. . » 184 Art. 9 Abs. 1 Satz 2: «Les tribunaux p o u r r o n t . . . pronocer... la nullité des aquisitions des immeubles . . . »

87 von „kaufen" die Rede ist. Mit „Erwerb" sind entgeltliche sowie unentgeltliche Anschaffungen gemeint. 185 Artikel 8 186 beseitigt schließlich jeden Zweifel. Wenn er den entgeltlichen und unentgeltlichen Erwerb solcher Vermögensgegenstände, die nicht in den Rahmen des Artikels 6 fallen, f ü r nichtig erklärbar hält, so sind Schenkungen, die nicht gegen diese Vorschrift verstoßen, zulässig. Mithin können die Koalitionen unentgeltlich Vermögen erwerben. 187 d) Aus dem Recht, Vermögen zu erwerben und zu besitzen, leitet sich die Befugnis der Koalitionen ab, Verträge zu schließen. Sie können jeden Vertrag schließen, der eine Sicherung, Belastung, Minderung oder Vermehrung des eigenen Vermögens zum Gegenstand hat. Diese Rechtsgeschäfte bedürfen keiner behördlichen Erlaubnis. 188 Darüberhinaus sind die Koalitionen berechtigt, solche Verträge zu schließen, die der Verteidigung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder dienen. 189 Die Gerichte 190 billigen den Gewerkschaften das Recht zu, mit den Arbeitgebern kollektive Arbeitsverträge auszuhandeln, in denen sie für ihre Mitglieder die Löhne, die Arbeitszeit und sämtliche anderen Arbeitsbedingungen festsetzen. Erstmalig wird 185

Siehe César-Bru, Syndicats professionnels, 62 f. A r t . 8 Abs. 1 : «Lorsque les biens auront été acquis contrairement aux dispositions de l'art. 6, la nullité de l'acquisition ou de la libéralité pourra être demandée par le procureur de la République ou par les intéressés.» 187 Vgl. César-Bru, Syndicats professionnels, 53, 60 fî.; Glotin, Syndicats professionnels, 228; Stemler, Syndicats professionnels, 257; Aubry, Syndicats professionnels, 95; Pic, Législation industrielle, 4. Aufl. 322; Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 35; Sauzet, De la nature de la personnalité civile des syndicats professionnels, R C L J 1888, 296 (305); ähnlich Brunot, Loi sur les syndicats, 137 ff., der den Koalitionen jedoch nur die Annahme von Handgesdienken erlauben will (a. a. O . 143). Umstritten ist in diesem Zusammenhang ferner, ob auf die Koalitionen Art. 910 C. civ. anwendbar ist, der in bestimmten Fällen die Wirksamkeit unentgeltlicher Zuwendungen von einer staatlichen Erlaubnis abhängig macht. Entscheidet man sich wie hier f ü r den privatrechtlichen C h a r a k t e r der Koalitionen (siehe Teil 3 Kapitel 1 § 3 I), dann greift Art. 910 C. civ. nicht ein, der sich nämlich an gemeinnützige Vereine wendet; vgl. Veyan, Loi sur les syndicats professionnels, 185; Boullaire, Manuel des syndicats professionnels agricoles, 99; Stemler, Syndicats professionnels, 261. Anderer Ansicht Boullay, Code des syndicats professionnels, 169 f.; Gain, Les syndicats agricoles professionnels et la loi du 21 mars 1884, 34. 180

188

Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 36. Siehe Largadelle, L'évolution des syndicats ouvriers en France, 283. 180 Trib. comm. Charolles, 1 8 . 2 . 1 8 9 0 , Rev. soc. 1890, 318; C. Dijon, 23. 3. 1890, D. 1893.1.241; Trib. civ. Seine, 4. 2.1892, D . 1893.2.25. 188

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also den Gewerkschaften die Tariffähigkeit bescheinigt und damit ein entscheidender Schritt zur Stärkung der Verhandlungsposition der Arbeitnehmer bei Vertragsschluß mit dem Arbeitgeber getan. Die Fähigkeit der Koalitionen Verträge zu schließen, kennt jedoch zwei Einschränkungen. Die eine ergibt sich aus dem Spezialitätsgrundsatz in Artikel 3, der den Koalitionen untersagt Handel zu treiben, also Sachen zu kaufen, um sie wieder zu verkaufen; die andere enthält Artikel 6 Absatz 3, der den Erwerb nur koalitionszweckdienlicher Immobilien zuläßt. Auf Grund der beschränkten Fähigkeit, Verträge zu schließen und Immobilien zu erwerben, spricht man bezüglich der Rechtsstellung der Koalitionen von einer „capacité restreinte" oder „personnalité restreinte". 191 Diese reicht nur soweit, wie es für die Existenz der Verbände und der Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. 182

2. Die sonstigen Befugnisse der

Koalitionen

Neben den Rechten, die den Koalitionen in ihrer Eigenschaft als juristischen Personen zustehen, zählt das Gesetz Befugnisse auf, die den Verbänden ungeachtet des Spezialitätsprinzips eine umfassende Tätigkeit auf sozialem Gebiet erlauben. Gemäß Artikel 6 Absatz 4 193 können die Koalitionen ohne Erlaubnis unter Beachtung der einschlägigen Gesetze 194 f ü r ihre Mitglieder Unterstützungs- und Pensionskassen gründen. Diese Einrichtungen müssen eine eigene Verwaltung 1 9 5 und ein eigenes Vermögen besitzen. 196 Aus ihrer Unabhängigkeit von den Koalitionen folgt, daß ein aus der Gewerkschaft ausgeschiedener Arbeitnehmer unter den Bedingungen des Artikels 7 Absatz 2 Mitglied der Unterstützungskasse bleibt. 197 Artikel 6 Absatz 5 198 gestattet den Koalitionen, ohne Genehmigung Arbeitsvermittlungsstellen einzurichten. H i e r f ü r besteht ein besonders dringendes Bedürfnis, da die von Privaten geleiteten Vermittlungs191 Yg] Brunot, Loi sur les syndicats, 137; Lagardelle, L'évolution des syndicats ouvriers en France, 282. Das französische Recht kennt im Gegensatz zum deutschen Recht die beschränkte Rechtsfähigkeit. 182

Aubry, Syndicats professionnels, 89. Vgl. Art. 21 Buch III CT. 194 Vgl. das Gesetz vom 15. Juli 1850, die Verordnung vom 26. März 1852 und das Gesetz vom 1. April 1898. 195 y g ] Fouquet, Syndicats professionnels et associations, 40. 196 Ygl. den Wortlaut des Art. 6 Abs. 4: « . . . caisses speciales . ..» 187 Siehe dazu Teil 3 Kapitel 1 § 1 III 3. 188 Vgl. den heutigen Art. 13 Abs. 1 Buch III CT, der ausführlicher ist. 193

89 büros Wucherpreise (50 °/o des Wochenlohns) f ü r den Nachweis eines freien Arbeitsplatzes verlangen. 1 9 9 Die A u f z ä h l u n g in Artikel 6 ist nicht erschöpfend. D e r Gesetzgeber erklärt die Koalitionen f ü r berechtigt, außerdem f ü r ihre Mitglieder Genossenschaften u n d Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit zu errichten, ihnen Werkzeuge zur V e r f ü g u n g zu stellen, Lehrlinge auszubilden, sich u m die Berufsfortbildung zu kümmern, Bibliotheken zu unterhalten, k u r z jede Initiative zu ergreifen, die eine Verbesserung der Lage der Arbeiter verspricht. 2 0 0 Besondere Aufmerksamkeit verdienen schließlich noch die Absätze 6 u n d 7 2 0 1 des Artikels 6. Hiernach können die Koalitionen bei allen Meinungsverschiedenheiten u n d Fragen, die ihr Aufgabengebiet betreifen, um R a t gefragt werden. Bei Prozessen stehen die Gutachten der Koalitionen den Parteien zur Verfügung, die darin Einsicht nehmen und Abschriften anfertigen dürfen. Bei der Lösung von Berufsproblemen k a n n der Staat die Verbände u m ihre Stellungnahme bitten, um möglichst sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Wenn auch diese Form der geplanten Zusammenarbeit von Staat u n d Koalition noch unbedeutend ist, so kündigt sich in ihr doch bereits ein Wandel sowohl des Verhältnisses von Staat zu Koalition als auch des Koalitionscharakters an. Das jahrhundertelange Gegeneinander, dem w ä h r e n d der Zeit der Koalitionsduldung seit 1864 ein Nebeneinander folgte, w i r d sich in Z u k u n f t zu einem Miteinander von Staat und Koalition entwickeln, bei dem der Koalition die Rolle des Berufsorgans zufällt. III. Definitionsversuch des Koalitionsbegriffs Das Gesetz von 1884 bildet eine Ausnahme v o m allgemeinen Vereinsrecht. D a h e r k o m m t der Frage, wie eine Vereinigung geartet sein muß, um die neuen Freiheitsrechte f ü r sich beanspruchen zu können, größte Bedeutung zu. Dennoch hält der Gesetzgeber keine Legaldefinition des Koalitionsbegriffs bereit. Statt dessen begnügt er sich damit, in verschiedenen Artikeln Aussagen über einzelne Begriffsmerkmale zu machen. Stellt man die der Begriffsbildung dienlichen Angaben über das Wesen der Koalitionen in den Artikeln 2, 3 u n d 6 zusammen, so läßt sich auch a n h a n d dieses Merkmalkatalogs der Koalitionsbegriff noch immer nicht exakt bestimmen. Das liegt daran, d a ß die grundlegenden Vorschriften in manchen P u n k t e n u n k l a r u n d unvollständig sind: 199 800

Siehe Aubry, Syndicats professionnels, 109. So der Bericht von Allain Targe, JO Chambre, Doc. pari., 5. 3.1881,

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