Der Einfluss des französischen Rechts auf die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland im 19. Jahrhundert [1 ed.] 9783428581283, 9783428181285

In der Literatur wird teilweise behauptet, dass es einen geringen Einfluss des französischen Rechts auf die Entwicklung

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Der Einfluss des französischen Rechts auf die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland im 19. Jahrhundert [1 ed.]
 9783428581283, 9783428181285

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 193

Der Einfluss des französischen Rechts auf die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland im 19. Jahrhundert

Von

Thomas Vogl

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS VOGL

Der Einfluss des französischen Rechts auf die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland im 19. Jahrhundert

Schriften zur Rechtsgeschichte Band 193

Der Einfluss des französischen Rechts auf die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland im 19. Jahrhundert

Von

Thomas Vogl

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D384 Alle Rechte vorbehalten © 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-18128-5 (Print) ISBN 978-3-428-58128-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Juristi­ schen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Sie wurde im April 2020 eingereicht. Später erschienene Literatur wurde nicht berücksichtigt. Zunächst gebührt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater und akade­ mischen Lehrer Professor Dr. Phillip Hellwege M.Jur. (Oxford), der mich bereits im Laufe meines Studiums an der Universität Augsburg und während meiner Zeit als studentische Hilfskraft bzw. wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl gefördert hat. Die Zeit als Mitarbeiter hat mich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich in nachhaltiger Weise geprägt. Ich bin ihm zutiefst dankbar für seine Unterstützung und die lehrreiche Zeit am Lehrstuhl. PD Dr. Peter Kreutz danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaft­ licher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Rechtsgeschichte an der Universität Augsburg. Eine schönere Promotionszeit hätte ich mir nicht wünschen können, was nicht nur an den hervorragenden Arbeitsbedingungen, sondern auch an den Kolleginnen und Kollegen des Lehrstuhls lag. An dieser Stelle möchte ich mich deshalb bei diesen und auch bei meinen Studienfreunden für die unvergessliche Zeit bedanken. Größter Dank gebührt meinen Eltern Alexander und Silvia Vogl dafür, dass sie mir das Studium ermöglicht haben, mich in jeder denkbaren Hinsicht auf meinem Weg unterstützen und mir stets mit Rat und Tat zur Seite stehen. Meinen Großeltern Maria und Johann Luft möchte ich dafür danken, dass sie ebenso durch ihre Unterstützung zu einer sorgenfreien Studien- und Promo­ tionszeit beigetragen haben. Bedanken möchte ich mich ferner herzlich bei meinem älteren Bruder Andi Vogl und meiner Freundin Ann-Christine Da­ niel, sowohl für deren Rückhalt als auch für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts. Besonderer Dank gilt abschließend noch meinem Patenonkel Thomas R. Kretzschmar, auf dessen Rat ich mich bei wichtigen Fragen stets verlassen kann. Euch allen möchte ich dieses Buch widmen! Augsburg, im Juli 2020

Thomas Vogl

Inhaltsübersicht 1. Teil

Einleitung 

23

2. Teil

Die Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts 

25

A. Städte mit bedeutenden Messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Staaten/Städte ohne Messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Seehandelsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 D. Gesamtschau der deutschen Handelsgerichtsbarkeit am Ende des 18. Jahr­ hunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Teil

Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877 

86

A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 B. Einführung der französischen Handelsgerichtsbarkeit in deutschen Staaten bzw. Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Berücksichtigung des französischen Rechts in der deutschen Handels­ gerichtsbarkeit von 1814 bis zum GVG (1877) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Teil

Elemente des französischen Rechts bei den Kammern für Handelssachen (GVG) 

257

A. Zur Frage der Handelsgerichtsbarkeit bei den deutschen Handels- bzw. Juristentagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 B. Vorarbeiten zum GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 C. Die Vorschriften des GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

10 Inhaltsübersicht 5. Teil

Schlussüberlegungen 

290

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Inhaltsverzeichnis 1. Teil

Einleitung 



Die Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts 

23

2. Teil 25

A. Städte mit bedeutenden Messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Leipzig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Braunschweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Entwicklung bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert . . . . . . . . III. Frankfurt am Main . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reformationen von 1578 und 1611 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schöffenrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schöffengericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Resümee zu den Städten mit bedeutenden Messen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 27 29 29 30 31 32 33 34 35 37 37 38 38 39 39 39 40 40 41

B. Staaten/Städte ohne Messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nürnberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Privileg von 1508 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Bancoamt von 1621 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 43 43 45 45 46 47

12 Inhaltsverzeichnis 3. Das Merkantil- und Bancogericht seit 1697 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wechselordnung von 1722 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Württemberg (Stuttgart) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bayern (München) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Regensburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfänge des Hansgrafenamts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methodisches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee zu den Staaten/Städten ohne Messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung von Sondergerichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 48 48 50 51 51 51 52 52 53 54 55 56 56 58 59 59 59 60 61 61 63 63 64 64 65 65 66

C. Seehandelsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit vor Eröffnung des Admiralitätsgerichts . . . . . . . . . . . . . 2. Hamburger Admiralitätsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lübeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 67 68 68 69 69 70 71 72 73 73 74 75 76

Inhaltsverzeichnis13 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einrichtungen für die Seefahrt in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee zu den Seestädten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76 76 77 77 78 78 79 80

D. Gesamtschau der deutschen Handelsgerichtsbarkeit am Ende des 18. Jahr­ hunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Errichtung selbständiger Gerichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81 81 81 82 84 84

3. Teil

Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877 

86

A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Überblick über die Geschichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Messegerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Admiralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. „Juge et consuls“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4. Veränderungen durch die Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5. Vergleich mit der Entstehung der Handelsgerichtsbarkeit in Deutsch­ land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Die Regeln der Napoleonischen Gesetzgebung (1807) . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Keine Beteiligung von Juristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Wahl der Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 d) Vergleich mit der deutschen Handelsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . 95 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Grundnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Rein personelle Voraussetzung (1. Alternative) . . . . . . . . . . . . 97 bb) Rein sachliche Voraussetzung (2. Alternative) . . . . . . . . . . . . . 97 b) Zuständigkeit in anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Zuständigkeit der Zivilgerichte in Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . 100 d) Vergleich mit der deutschen Handelsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . 100 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

14 Inhaltsverzeichnis a) Vorladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwaltliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Säumnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Appellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

102 103 103 104 105 106

B. Einführung der französischen Handelsgerichtsbarkeit in deutschen Staaten bzw. Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Departements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Linksrheinische Departements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handelsgerichte vor Einführung des Code de commerce . . . . . . . . b) Handelsgerichte nach Einführung des Code de commerce . . . . . . . 2. Hanseatische Departements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Departement Lippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Modellstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frankfurt am Main . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rheinbundstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107 107 111 111 111 113 114 117 117 118 119 119 120 121 122 123

C. Berücksichtigung des französischen Rechts in der deutschen Handels­ gerichtsbarkeit von 1814 bis zum GVG (1877) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Französisch beeinflusste Gerichte bis zum ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rheinland (Preußische Rheinprovinz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handelsgerichte französischer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Königlich Preußische Rheinprovinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestehende Handelsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Neugründung in Gladbach  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Exkurs: Mainz (Hessen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Als Handelsgerichte fungierende Landgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Handelsgericht Elberfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschlägige Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entwicklung nach der Einverleibung durch Preußen . . . . . . . . dd) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Resümee zum Rheinland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Norddeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfängliche Ablehnung in Lübeck und Bremen  . . . . . . . . . . . . . . b) Handelsgericht in Hamburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123 124 124 126 126 126 128 128 129 130 130 131 132 133 133 133 134 135

Inhaltsverzeichnis15 aa) Diskussion um die Organisation des Gerichts . . . . . . . . . . . . . bb) Besetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gemischte Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wahl der Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erste Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Wahl nach der erstmaligen Errichtung . . . . . . . . . . . . (c) Der Einfluss bzgl. der Wahl der Handelsrichter . . . . . (3) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zuständigkeit in weiteren Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mündliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vertretung und Bevollmächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Säumnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Appellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Handelsgericht in Bremen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gemischtes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestimmung/Wahl der Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee und weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Braunschweig  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gemischte Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestimmung/Wahl der Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Resümee zu den norddeutschen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Resümee zu den französisch beeinflussten Gerichten bis zum ­ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermeintlich gegensätzliche Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bayern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nürnberg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

136 137 137 139 139 140 140 141 142 142 143 144 144 145 145 146 147 147 148 149 150 152 152 153 154 155 157 159 161 162 162 163 165 165 169 170 170 172 173 174 174

16 Inhaltsverzeichnis aa) Handelsgericht von 1804  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zuständigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis zum Marktgewölbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Veränderungen im Jahre 1809  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Handelsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Marktgewölbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Wechsel- und Merkantilgerichte in Bayern . . . . . . . . . . . . d) Reine Wechselgerichte in ganz Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Entwicklung bis zum ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Preußen (ohne königlich preußische Rheinprovinz) . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Gerichtsordnung für die preußischen Staaten . . . . . . . aa) Allgemeine Handelsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Streitigkeiten auf Messen und Märkten (Merkantilprozesse) . cc) Anwendung der Vorschriften des Merkantilprozesses auf allgemeine Handelsstreitigkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veränderungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . aa) Kommerz- und Admiralitätskollegien in Königsberg und Danzig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schifffahrts- und Handelsdeputationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderregelungen in Elbing und Tilsit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Naumburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unausgeführtes Gesetz von 1847 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Entwurf eines HGB für die Preußischen Staaten . . . . . . . . . . . aa) Besetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entscheidung gegen die rein kaufmännische Besetzung . . (2) Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Wahlfähigkeit der Kaufleute  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Wahl der Handelsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Einrichtungen bei den ordentlichen Gerichten . . . . . . . . . (6) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175 175 175 176 177 178 179 179 180 183 183 184 185 186 187 188 189 189 190 191 192 192 193 194 195 196 196 197 198 199 201 202 203 203 204 205 206 207 208 209 210

Inhaltsverzeichnis17 bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begriff des Handelsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zuständigkeit in weiteren Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gemeinsamkeiten zum französischen Recht . . . . . . . . . . . (2) Abweichungen vom französischen Recht . . . . . . . . . . . . . dd) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Resümee zur Entwicklung in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Veränderungen und Neugründungen zwischen ADHGB und GVG . . . . . 1. Veränderungen bei den bestehenden Handelsgerichten durch das ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Preußen ohne Rheinprovinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Preußische Rheinprovinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Braunschweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neugründungen nach Einführung des ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lübeck  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachsen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einführungsgesetz zum ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zuständigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Prozessordnung von 1869 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zuständigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

211 211 212 214 215 215 216 217 218 219 219 221 221 222 224 225 227 227 227 228 228 229 231 232 232 233 234 235 236 236 236 238 239 240 240 241 241 242 243 244 245

18 Inhaltsverzeichnis aa) Errichtung von Handelsgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zuständigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Veränderungen bis zum GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Resümee zum Einfluss des französischen Rechts auf die deutsche Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert bis zum GVG  . . . . . . . . . . . . 1. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245 246 247 248 248 249 251 252 253 255

4. Teil

Elemente des französischen Rechts bei den Kammern für Handelssachen (GVG) 

A. Zur Frage der Handelsgerichtsbarkeit bei den deutschen Handels- bzw. Juristentagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deutsche Handelstage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Deutsche Juristentage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257

257 257 260 261

B. Vorarbeiten zum GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Entwurf einer Prozessordnung für den Norddeutschen Bund . . . . . . . . . . 262 II. Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes für das Deutsche Reich . . . . 263 1. Verfahren bis zur Vorlage beim Bundesrat im November 1873 . . . . . . 264 a) Preußischer Entwurf vom September 1872 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Gegenentwürfe 1872 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Bayerischer Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Württembergischer Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 cc) Sächsischer Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 dd) Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Protokolle der „Conferenzen zur Besprechung der Reichgerichts­ verfassung“ Dezember 1872  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 d) Entwurf zur Gerichtsverfassung vom 4. Januar 1873 . . . . . . . . . . . 272 e) Kommissarische Beratung im Februar/März 1873 und der Ent­ wurf vom März 1873 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Verfahren beim Bundesrat bis zur Vorlage beim Reichstag im Okto­ ber 1874  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Entwurf vom November 1873 (Bundesratsvorlage) . . . . . . . . . . . . 275 b) Justizausschuss des Bundesrates mit anschließendem Entwurf vom 12. Mai 1874 und die Reichstagsvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . 276 3. Verfahren beim Reichstag bis zur Verabschiedung des GVG . . . . . . . 277 a) Fassung der Justizkommission des Reichstags 1. Lesung . . . . . . . . 278

Inhaltsverzeichnis19 b) Beratung über diese Fassung in der Justizkommission des Bun­ destages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Fassung der Justizkommission des Reichstags 2. Lesung . . . . . . . . 281 C. Die Vorschriften des GVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 285 287 289

5. Teil

Schlussüberlegungen 

290

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz Abt. Abteilung ADHGB Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 Alt. Alternative Anm. Anmerkung Art. Artikel BadBPO Bürgerliche Prozessordnung für Baden von 1864 BadGVG Gerichtsverfassungsgesetz für Baden von 1864 BayPO Bayerische Prozessordnung von 1869 Bd. Band BHGO Handelsgerichtsordnung der Freien Hansestadt Bremen von 1845 BR Bundesrat bzgl. bezüglich ders. derselbe DJZ Deutsche Juristen-Zeitung DM Deutsche Mark DRiG Deutsches Richtergesetz DRiZ Deutsche Richterzeitung dt. deutsch ebd. ebenda f. folgende ff. fortfolgende Fn. Fußnote FS. Festschrift GV Gerichtsverfassung GVG Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 Hg. Herausgeber HGB Handelsgesetzbuch HHGO Hamburgische Handelsgerichtsordnung von 1815 IHK Industrie- und Handelskammer i. V. m in Verbindung mit Jg. Jahrgang

Abkürzungsverzeichnis21 jur. juristisch JuS Juristische Schulung Kap. Kapitel LG Landgericht LGV Lübecker Gesetz über die Gerichtsverfassung von 1860 LHGO Leipziger Handelsgerichtsordnung von 1682 lit. littera LZPO Lübecker Zivilprozessordnung von 1862 MüKo Münchener Kommentar NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NZI Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht PEHGB Preußischer Entwurf eines Handelsgerichtsbuches von 1857 RhVjbll Rheinische Vierteljahrsblätter RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer S. Seite sog. sogenannt SVOADHGB Sächsische Verordnung zur Ausführung des ADHGBs und des­ sen Einführungsgesetzes von 1861 Tb. Teilband Tit. Titel vgl. vergleiche VHVO Verhandlungen des Historischen Vereins (für Oberpfalz und Regensburg) VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte WGVG Württembergisches Gerichtsverfassungsgesetz von 1868 WHGO Württembergische Handelsgerichtsordnung von 1865 ZIP Zeitschrift für internationales Privatrecht ZPO Zivilprozessordnung ZRG GA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germa­ nistische Abteilung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZVLGA Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alter­ tumskunde

1. Teil

Einleitung In der einschlägigen Literatur finden sich vereinzelt Aussagen, nach denen eine Verbindung zwischen der französischen und der deutschen Handels­ gerichtsbarkeit besteht. Die wenigen Stimmen, die sich zu dieser Thematik äußern, gehen von einem geringen Einfluss des französischen Rechts auf die Entwicklung der deutschen Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert aus1: „Der Einfluß des französischen Rechts auf die Entwicklung des deutschen Handels­ gerichts mußte um so geringer sein, als sich in Deutschland gerade im Gegensatz zum französischen System eine ganz andere Art der Besetzung herausstellte.“

Es überrascht, dass überhaupt die Meinung vertreten wird, dass es einen gewissen Einfluss gegeben haben soll, wenn man die Handelsgerichtsbarkei­ ten Frankreichs und Deutschlands oberflächlich vergleicht: So sind die fran­ zösischen Handelsgerichte als selbständige Spruchkörper von den Zivilge­ richten unabhängig2. Sie sind ausschließlich mit Kaufleuten bzw. Vertretern aus Unternehmen, also Laienrichtern besetzt. In Deutschland hingegen ist die Handelsgerichtsbarkeit mit den jeweils aus einem Juristen und zwei Kauf­ leuten bestehenden Kammern für Handelssachen als Abteilungen bei den Landgerichten unselbständig3. Ferner sind diese erstinstanzlich erst ab einem Streitwert von 5.000 Euro zuständig. Auf den ersten Blick scheinen die Ge­ richtsbarkeiten also im Kontrast zu stehen. Doch worin zeigt sich dann der von Silberschmidt als gering beschriebene Einfluss des französischen Rechts? Die einschlägige Literatur gibt hierüber keine Auskunft. Entsprechende Aussagen, wie das genannte Beispiel, werden nicht näher begründet. Sie können daher nicht wirklich nachvollzogen wer­ den. Offen bleibt diese Frage beispielsweise in der Arbeit von Schön über „Die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert unter be­ sonderer Berücksichtigung des Rheinlands“, die auf den Einfluss des franzö­ sischen Rechts an keiner Stelle eingeht. Die letzte wirklich umfassende Auseinandersetzung mit der Geschichte der Handelsgerichtsbarkeit, auf die in der Literatur regelmäßig verwiesen wird, stammt von Silberschmidt aus etwa Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 241. zu den französischen Handelsgerichten S. 92 ff. 3  Zu den Kammern für Handelssachen siehe S. 284 ff. 1  So

2  Vgl.

24

1. Teil: Einleitung

den Jahren 18944 bzw. 19045. Das erste Werk beschäftigt sich mit der „Ent­ stehung des deutschen Handelsgerichts“. Sein zweites Buch behandelt „Die deutsche Sondergerichtsbarkeit in Handels- und Gewerbesachen insbeson­ dere seit der französischen Revolution“. Silberschmidt nimmt in letzterem allerdings keine Gegenüberstellung des französischen Rechts seit der Revo­ lution mit der deutschen Handelsgerichtsbarkeit zu dieser Zeit vor. Deren Geschichte im 19. Jahrhundert wird dann in der Folge nur isoliert dargestellt, ohne Vergleiche zum französischen Recht zu ziehen. Deshalb bleibt die Frage über dessen Einfluss auf den Verlauf in den deutschen Staaten unbe­ antwortet. Das Buch liefert also keine ausreichende Begründung für die ein­ gangs vorgestellte Aussage. Schubert schreibt über dieses Werk außerdem zu Recht6: „[Die Monographie verliert] sich mitunter aber allzu sehr in Einzelheiten […], so daß die Entwicklungslinien nicht immer deutlich hervortreten.“

An diesen beiden Stellen greift die vorliegende Arbeit die Thematik auf. Anders als bei Silberschmidt wird nicht versucht, im Rahmen einer moder­ nen Betrachtung die gesamte Geschichte der deutschen Handelsgerichte dar­ zustellen. Vielmehr fokussieren sich die nachfolgenden Ausführungen ganz konkret auf die Einwirkung des französischen Rechts, genauer gesagt die des Code de commerce von 1807, auf die Entwicklung der Handelsgerichtsbar­ keit in Deutschland im 19. Jahrhundert bis zum GVG von 1877. Der Einfluss könnte durch die Besetzung großer Teile Deutschlands durch Frankreich zu Beginn dieses Jahrhunderts vermittelt worden sein. Wie stark dieser tatsäch­ lich war, wird insbesondere anhand eines umfassenden Vergleichs der deut­ schen Handelsgerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts mit dem französischen Recht bezüglich der Punkte Besetzung, sachliche Zuständigkeit und Verfah­ ren erarbeitet. Anhand dessen werden auch die verschiedenen Entwicklungs­ stränge in den deutschen Staaten und Städten aufgezeigt. Die vorliegende Arbeit wird die Erkenntnis liefern, dass der Einfluss der Handelsgerichte Frankreichs auf die deutsche Handelsgerichtsbarkeit des 19. Jahrhunderts größer war, als das bisher in der Literatur angenommen wird.

4  Silberschmidt,

Die Entstehung des dt. Handelsgerichts. Die dt. Sondergerichtsbarkeit. 6  Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 10. 5  Silberschmidt,

2. Teil

Die Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Um den Einfluss des französischen Rechts auf die Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland untersuchen zu können, müssen zuerst die Handelsgerichte in den deutschen Staaten und Städten betrachtet werden, so wie sie sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bzw. dem Anfang des 19. Jahrhunderts entwi­ ckelt haben. Die Zeit um 1800 bietet sich als Ende des Kapitels an, da ab 1794 die Gebiete links des Rheins von Frankreich besetzt wurden1 und 1807 mit dem Code de commerce Regelungen zu Handelsgerichten aufgestellt wurden, mit denen deutsche Staaten und Städte später in Berührung kamen2. Eine Aufarbeitung der Entstehung der deutschen Handelsgerichtsbarkeit liefert Silberschmidt3. Der Fokus dieses Werkes liegt vor allem auf der Ent­ stehungsgeschichte der Spruchkörper in den einzelnen Territorien und Städ­ ten, zwischen denen jedoch keine Verbindungen hergestellt werden. An die­ sem Punkt setzt die vorliegende Untersuchung an. Um den Darstellungen eine Struktur zu geben, wird das Kapitel in verschiedene Stadttypen unter­ gliedert4: Diejenigen Städte, die vom Messehandel geprägt waren, werden im Folgenden Messestädte genannt. Davon abzugrenzen sind Städte und Staaten, in denen keine Messen stattfanden, sondern der Handel von ständigen Stadt­ märkten, Jahrmärkten oder vom Fernhandel dominiert war. Eine dritte Kate­ gorie sind Seehandelsstädte. Innerhalb der Stadttypen wird aufgezeigt, ob besondere Einrichtungen für Handelsstreitigkeiten existierten. Es stellt sich die Frage, ob es für jeden Stadttypus ein charakteristisches Handelsgericht gab. Deshalb wird analy­ siert, ob in den einzelnen Ordnungen Gemeinsamkeiten hinsichtlich Beset­ zung, Zuständigkeit und Verfahren erkennbar sind. Bezüglich der jeweiligen 1  Vgl. zur Vergrößerung des französischen Herrschaftsgebiets und der damit ein­ hergehenden Besetzung deutscher Gebiete durch Frankreich zwischen ca. 1794 und 1814 die Ausführungen auf S. 107 ff. 2  Vgl. dazu S. 92 ff. und S.  107 ff. 3  Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts. 4  Diese Unterteilung ist angelehnt an Schön, S. 13 ff. Allerdings stellt dieses Werk keine Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Typen her.

26

2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

Entstehungsgeschichte hingegen kann überwiegend auf Silberschmidt ver­ wiesen werden. Dabei ergeben sich methodische Herausforderungen. Das Verfahren kann nicht für jeden Spruchkörper vollumfassend dargestellt werden. Allerdings wird betrachtet, ob die besonderen Einrichtungen ein eigenständiges Prozess­ recht hatten oder ob auf den allgemeinen Zivilprozess der Stadt bzw. des Staates zurückgegriffen wurde. Sofern die Ordnungen ein eigenes Prozess­ recht enthielten, wird aufgezeigt, inwiefern die Besonderheiten des Handels­ prozesses, etwa das Bedürfnis nach schnellen Streitbeilegungen, berücksich­ tigt wurden. Außerdem können nicht alle selbständigen Einrichtungen jedes deutschen Staates bzw. jeder Stadt, die in Handelssachen oder zumindest in Teilbereichen des Handels rechtsprechend tätig waren, untersucht werden5. Das würde allerdings auch die Intention dieses Kapitels verfehlen. Es ist darauf gerichtet, die Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland im 18. Jahrhun­ dert kondensiert zu erklären, um dann im nächsten Kapitel, das den Hauptteil der Arbeit bildet, die französischen Vorschriften des Code de commerce mit dem deutschen Recht vergleichen zu können. Ziel der vorliegenden Arbeit ist nicht, das deutsche Recht im 18. Jahrhundert bis in jede Verästelung darzu­ stellen. Es werden deshalb nur beispielhaft Staaten und Städte herausgegrif­ fen und die entsprechende Handelsgerichtsbarkeit betrachtet, um herauszu­ finden, ob es am Ende des 18. Jahrhunderts einen Spruchkörper gab, der als für die deutschen Staaten typisches Handelsgericht angesehen werden kann. Hierfür wird zunächst analysiert, ob in den drei verschiedenen Stadttypen Gemeinsamkeiten bestanden. So soll geprüft werden, ob es ein typisches Handelsgericht in Messestädten, ein typisches Handelsgericht in sonstigen Handelsstädten oder ein typisches Seehandelsgericht gab. Auf diesem Ergeb­ nis aufbauend wird versucht, am Ende des Kapitels zwischen den Einrichtun­ gen der verschiedenen Stadttypen Parallelen zu ziehen, um den Charakter der deutschen Handelsgerichtsbarkeit vor dem Kontakt mit dem französischen Recht zu bestimmen.

A. Städte mit bedeutenden Messen Zunächst wird die Entstehung der Handelsgerichtsbarkeit in den Messe­ städten untersucht. Die Besonderheit dieser Städte6 lag darin, dass sich der Großteil des Handels auf die wenigen Wochen im Jahr beschränkte, in denen die Messen stattfanden. Eine exakte Unterscheidung zwischen Jahrmarkt und 5  Unberücksichtigt bleiben insbesondere die Kommerzkollegien, die als Vertreter der Kaufmannschaft teilweise in geringem Umfang rechtsprechend tätig sein konnten. 6  Zum Wesen der frühneuzeitlichen Messen ausführlich Kaufhold, in: Europäi­ sche Messen, S. 241 ff.



A. Städte mit bedeutenden Messen27

Messe war insbesondere im Mittelalter nicht immer möglich7. Dennoch ent­ wickelten sich im Laufe der Zeit Merkmale, die Messen der frühen Neuzeit von Jahrmärkten unterscheiden: Im Rahmen von Messen kamen fremde Kaufleute aus verschiedenen Städten und Staaten zusammen und trieben Handel, weshalb sie stets überregionale Bedeutung hatten8. Die Messen dauerten zwei bis drei Wochen und fanden zwei bis vier Mal im Jahr statt9. Es waren überwiegend Kaufleute aktiv, die selbst als Wiederverkäufer agier­ ten10. Die davon abzugrenzenden Jahrmärkte waren im Umkehrschluss eher von regionaler Bedeutung und wurden auch von Endverbrauchern besucht. Die untersuchten Messestädte sind Leipzig, Braunschweig und Frankfurt am Main.

I. Leipzig Die Geschichte der Messen in Leipzig geht zurück auf das Ende des 12. Jahrhunderts und die großen Jahrmärkte, die sich im Laufe der Zeit zu Messen entwickelten11. Sie wurden insbesondere durch kaiserliche Privile­ gien aus den Jahren 1497 und 1507 gefördert12. Der Leipziger Handel fokus­ sierte sich ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Wesentlichen auf drei große Messen13. Im Zuge dessen entwickelte sich Leipzig zu einer ech­ ten Messestadt, da die Märkte überregionale Bedeutung erlangten und über­ wiegend von Kaufleuten besucht wurden14. Mangels besonderen Spruchkör­ pers wurden auftretende Streitigkeiten in Handels- bzw. Messesachen zu­ nächst vom Stadtgericht entschieden oder im Rahmen von außergerichtlichen Schiedsverfahren beigelegt15.

7  Jarnut,

in: Brücke zwischen den Völkern Bd. 1, S. 2. in: Europäische Messen, S. 242. 9  Vgl. Dietz, S.  40 f.; Denzel, VSWG 1998, 40; Zwahr, in: Leipzigs Messen Tb. 1, S.  21 f.; Hasse, S. 176; Krasensky, S. 22. 10  Kaufhold, in: Europäische Messen, S. 242; North, S. 62. 11  Sohl, in: Leipzig, S. 176; Roessig, S. 24; Zur Entstehung der Leipziger Messen ausführlich: Brübach, S. 390 ff. Zur Bedeutung des Messehandels für die Stadt ab dem 15. Jahrhundert siehe Engst, S. 5; Müller, S. 4; Hasse, S. 2. 12  Neuhaus, in: Leipzigs Messen, S. 52 ff.; die Privilegien von 1497 und 1507 sind abgedruckt bei Müller, S. 28 ff.; zur Bedeutung des Privilegs von 1497 siehe auch Straube, in: Leipzig, S. 17 ff. 13  Denzel, Die Leipziger Messen, in: Geschichte der Stadt Leipzig Bd. 2, S. 201. 14  Ebd., S. 201. 15  Beachy, in: Leipzigs Messen Tb. 1, S. 145; Hasse, S. 174. Zum Stadtgericht, das unter dem Namen Schöffen- bzw. Schöppenstuhl einen ausgezeichneten Ruf hatte und auch über die Stadtgrenzen hinaus anerkannt war siehe auch Döring, in: Ge­ schichte der Stadt Leipzig Band 2, S. 165; Blaschke, in: Leipzig, S. 8. 8  Kaufhold,

28

2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

Die Einführung eines Handelsgerichts beruht auf der erstmaligen Organi­ sation der Leipziger Großhändler Ende des 17. Jahrhunderts16. Der Handel in Leipzig wurde durch den Dreißigjährigen Krieg stark beeinträchtigt und auch in den Jahrzenten nach Kriegsende waren die Folgen noch erkennbar17. Hinzu kam die 1680 ausbrechende Pest, die dazu führte, dass fremde Kauf­ leute Leipzig mieden, wodurch die Messen nur spärlich besucht waren und der Handel der Stadt 1681 fast vollständig zum Erliegen kam18. Eine Gruppe Leipziger Kaufleute (Handelsdeputierte)19 verfasste deshalb am 23. März 1681 eine Denkschrift, in der sie ein neues materielles Handels­ recht und ein Handelsgericht forderten20. In Bezug auf letzteres wurde ange­ führt, dass Verfahren vor dem Stadtgericht zu lange dauerten und zu teuer waren. Sie kamen auch zu dem Entschluss, dass dieses in Handels- bzw. Messesachen nicht den nötigen Sachverstand besaß. Aufgrund all dieser Pro­ bleme und Missstände würden fremde Händler das Vertrauen verlieren, Ge­ schäfte in Leipzig zu tätigen. Die Schrift der Deputierten enthielt Gesetzes­ entwürfe, insbesondere den Entwurf einer Handelsgerichtsordnung, dessen Regeln überwiegend umgesetzt wurden21. Unterstützt wurde die Kommission in ihren Zielen von Kaufleuten aus fremden Städten, die Handel in Leipzig trieben22. Am 21. Dezember 1682 erfolgte dann die Verkündung der neuen Handelsgerichtsordnung23 durch den sächsischen Landesfürsten.

16  Ausführlich dazu das Werk von Moltke. Darstellung der Entstehungsgeschichte auch bei Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 122 ff. 17  Moltke, S. IV. 18  Denzel, Die Leipziger Messen, in: Geschichte der Stadt Leipzig Bd. 2, S. 201; Hänsel, Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung 1843, 448; Moltke, S.  IV f.; ­Beachy, in: Leipzigs Messen Tb. 1, S. 137. 19  Urkunde zum Zusammenschluss der Großkaufmannschaft vom 18.01.1687, als Anlage I abgedruckt bei Moltke, S. 3 f. Die Denkschrift stammt von den Handels­ deputierten (9 Kaufleute), die von diesem Zusammenschluss der Leipziger Kaufleute gewählt worden waren, vgl. die Vollmachtserteilung der Grosskaufmannschaft vom 27. Januar 1681, als Anlage II abgedruckt bei Moltke, S.  5 f. 20  Hierzu und zum Folgenden: Denkschrift vom 23. März 1681; als Anlage VI. abgedruckt bei Moltke, S. 12 ff. Im Folgenden: Denkschrift vom 23. März 1681. Dar­ gestellt auch bei Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 126 ff. 21  Zur anfänglichen Kritik der Kramerinnung und des Stadtrats siehe Moltke, S. X ff.; zum Verhältnis zur Kramerinnung siehe Biedermann, S.  47 ff. 22  Beachy, in: Leipzigs Messen Tb. 1, S. 146. 23  Abgedruckt bei Meißner, S. 301 ff.; im Folgenden: LHGO.



A. Städte mit bedeutenden Messen29

1. Besetzung Die Besetzung des Gerichts war in Art. 1 der Leipziger Handelsgerichts­ ordnung (LHGO)24 geregelt: „Und zwar anfänglichen soll der Rath zu Leipzig hinführo ein beständiges von denen Stadtgerichten unterschiednes Gerichte […] bestellen, auch solches mit ge­ wissen, und zum wenigsten vier Personen ihres Mittels, von Gelehrten und Han­ delsleuten […] besetzen […].“

Diese Vorschrift gibt allerdings nur wenig Auskunft über die Organisation des Gerichts. Fest steht, dass es selbständig und von den Stadtgerichten los­ gelöst war. Es wurde sowohl mit studierten als auch mit kaufmännischen Mitgliedern besetzt, wobei die Auswahl der Richter dem Stadtrat überlassen wurde und sie diesem angehören mussten. Der Kaufmannsstand hatte damit kein Wahlrecht. In welcher Besetzung das Gericht beschlussfähig war, kann der LHGO nicht entnommen werden25. Nachdem das Gericht aus mindestens vier Personen bestand, scheint es schlüssig, dass dies auch die nötige Anzahl an Richtern war, damit die Beschlussfähigkeit vorlag. Unbeachtet blieb der Vorschlag der Handelsdeputierten, das Gericht ohne Juristen, sondern lediglich mit Kaufleuten zu besetzen und dabei den Leipzi­ ger Kaufmannsstand selbst einen Teil der kaufmännischen Richter wählen zu lassen26. Ferner enthielt die LHGO keine Anpassung der Besetzung in Zeiten von Messen. Die Handelsdeputierten hatten noch gefordert, während der Messezeiten die Besetzung zu erweitern, indem Vertreter aus fremden Städ­ ten und Ländern, namentlich Holland, Augsburg, Frankfurt am Main, Nürn­ berg, Hamburg und Breslau in Messestreitigkeiten als zusätzliche Richter fungieren sollten. 2. Zuständigkeit Die Zuständigkeit des Handelsgerichts war durch sachliche und personelle Kriterien gekennzeichnet, die beide erfüllt sein mussten, damit die Zustän­ digkeit eröffnet war. Art. 2 LHGO: „Es mögen vor diesem Gericht, sowohl in- und ausserhalb denen Messen, alle Sachen vorbracht und angenommen werden, da der Beklagte ein Han­ delsmann ist, und die von Merkanz, Handlung und Wechsel herkommen, dieselbe angehen, und davon dependiren, es werde personaliter oder realiter, nämlich auf

24  Darstellung der Grundsätze der LHGO zu Besetzung und Zuständigkeit in Aus­ zügen auch bei Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 135 ff. 25  Auch in der Sekundärliteratur finden sich hierzu keine Hinweise. 26  Hierzu und zum Folgenden: Denkschrift vom 23. März 1681.

30

2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

eine ganze Handlung, Handelswaaren oder Effecten geklagt […]; und in Summa alle Sachen, die in Kaufmannshandel und Wandel bestehen und davon herrühren.“

Durch den letzten Halbsatz der Vorschrift wurde das sachliche Kriterium sehr weit gefasst, sodass letztendlich nur nötig war, dass die Streitsache ei­ nen Bezug zum Kaufmannshandel aufwies. In personeller Hinsicht stellte Art. 3 LHGO keine Anforderungen an die Kläger, sondern lediglich an die Beklagten: „Wiewohl vor diesem Gericht ein jeder, er sey wes Standes er wolle, in und außer denen Messen, deren im vorhergehenden Artikel angezeigter Sachen halber, Klage zu ergeben befugt; So seynd doch vor demselben alleine Handelsleute, so entweder zu Leipzig wohnhaft oder dahin handeln, und daselbst anzutreffen, wenn sie gleich nur durchreisen, oder auch ihre Factoren, Güter und Handelseffecten allda haben, In- und Ausländische, […], Fuhrleute, die wegen nicht zu rechter Zeit, oder nicht wohl und schadhaft gelieferter Güter halber, in Anspruch genommen werden, so­ wohl Mäkler, Güterbestätiger, Handelsdiener […] zu stehen und Recht zu leiden schuldig.“

Verklagt werden konnten vor dem Leipziger Handelsgericht damit Perso­ nen mit Berufen, die mit dem Handelsverkehr in Verbindung standen und nicht nur Kaufleute im Sinne von Handeltreibenden. Insbesondere waren auch Berufsgruppen genannt, die lediglich unterstützende Tätigkeiten aus­ führten, beispielsweise Fuhrleute. Es wurde kein Unterschied gemacht, ob die Beklagten In- oder Ausländer waren. Die Zuständigkeitsvorschriften geben Auskunft darüber, dass das Gericht ein allgemeines Handelsgericht und nicht lediglich ein Messegericht war. Insbesondere wurde nicht vorausgesetzt, dass die Streitigkeit eine Verbin­ dung zu einer Messe aufwies. 3. Verfahren Die LHGO enthielt ein eigenständiges, in sich abgeschlossenes Prozess­ recht für das Handelsgericht, weshalb kein Rückgriff auf den Zivilprozess stattfand. Es wird auch beim Verfahren deutlich, dass dessen Gerichtsbarkeit nicht auf Messestreitigkeiten beschränkt war. In Art. 2 und 3 der LHGO war geregelt, dass das Gericht in- und außerhalb der Messen für alle Streitigkei­ ten in Handelssachen zuständig war. Der Prozess war auf Schnelligkeit aus­ gelegt und unterschied sich dadurch maßgeblich vom Zivilverfahren. So war das Verfahren gemäß Art. 1 LHGO mündlich und summarisch. Das Gericht wurde in der Vorschrift ausdrücklich angewiesen, möglichst zügig eine Ent­ scheidung herbeizuführen. Hierfür sollte es gemäß Art. 1 der LHGO zu Be­ ginn die Parteien hören und ohne Beisein der Advokaten versuchen, eine gütliche Einigung zu erzielen, bevor es zum eigentlichen Prozess kam. So­



A. Städte mit bedeutenden Messen31

fern die Sache rechtlich bedenklich war, mussten die Handelsrichter beim Stadtgericht Rechtsrat einholen, vgl. Art. 1 LHGO. Der Spruchkörper hatte also nicht die gleichen Befugnisse wie die ordentlichen Gerichte. Sofern der Einigungsversuch scheiterte, konnten sich die Parteien gemäß Art. 4 LHGO vertreten lassen. Zugelassen waren gemäß dieser Vorschrift allerdings nur studierte Juristen, die vor Gericht einen Eid leisten mussten, in dem sie unter anderem versprachen, das Verfahren nicht in die Länge zu ziehen. In der Verhandlung sollte der Kläger oder dessen Anwalt mündlich die Sache kurz und förmlich vorbringen (Art. 6 LHGO). Der Beklagte hatte grundsätzlich persönlich zu erscheinen, konnte sich jedoch wie der Kläger gemäß Art. 7 LHGO von einem Anwalt vertreten lassen. Aus Art. 13 ergibt sich, dass neben Urkunden unter anderem Zeugen als taugliches Beweismit­ tel zugelassen waren, wobei letztere vom Handelsgericht selbst vernommen werden konnten. Art. 20 der Handelsgerichtsordnung regelte ausführlich die möglichen Rechtsmittel gegen Urteile des Handelsgerichts. So hatten die Parteien insbe­ sondere die Möglichkeit, Appellation einzulegen, wobei auch hier der Ver­ fahrensgrundsatz der Schnelligkeit gefordert wurde. Eine Beschränkung auf Streitigkeiten ab einem gewissen Streitwert war nicht vorgesehen. Appella­ tionen waren an den Landesherren oder an die Oberhofgerichte in Leipzig zu richten27. Die Vorschriften zum Verfahren zeigen, dass es auf Schnelligkeit und Ein­ fachheit ausgelegt war. 4. Resümee Das Leipziger Handelsgericht war das erste beständige Handelsgericht in den deutschen Städten bzw. Staaten28. Das Handelsgericht blieb bis in das 19. Jahrhundert bestehen. Es war das einzige Handelsgericht, das sich im 18. Jahrhundert in Sachsen etablierte. Es wurde nicht besonders auf Messe­ streitigkeiten Rücksicht genommen. Nur an wenigen Stellen deutet sich an, dass der Handel der Stadt maßgeblich durch die Messen geprägt war. Ferner war es ein Gericht nach modernem Verständnis, da es lediglich rechtspre­ chend tätig war, ohne Aufgaben der Aufsicht oder Verwaltung zu überneh­ men. 27  Alternativ konnten die Parteien noch die Leuterung beantragen, durch die beim Handelsgericht selbst die Sache nochmal neu entschieden wurde, allerdings in einer veränderten Besetzung, sodass ein anderer Richter den Vorsitz hatte, vgl. Art. 20 LHGO. 28  Beachy, in: Leipzigs Messen Tb. 1, S. 147; Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 135.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

II. Braunschweig Eine andere, bedeutende Messestadt ist Braunschweig. Dort wurde bereits 1681 beschlossen, dass ein Kaufgericht für Messestreitigkeiten eingerichtet werden sollte. Allerdings wurde erst fünf Jahre später eine entsprechende Gerichtsordnung erlassen, weshalb in der vorliegenden Untersuchung die Handelsgerichtsbarkeit in Braunschweig nach dem Handelsgericht in Leipzig dargestellt wird. Doch weisen die Vorschriften Parallelen zur LHGO auf? Auch in Braunschweig basierte das Messewesen auf kaiserlichen Privi­ legien, die es der Stadt erlaubten, zwei Messen einzurichten29. Diese standen allerdings im Schatten der Leipziger und Frankfurter Messen30. In Braun­ schweig galt ganz allgemein das Stadtrecht von 1532, das grundsätzlich ein schriftliches Verfahren normierte31. Für Streitigkeiten in Handelssachen gab es lediglich die Besonderheit, dass vor Eröffnung des schriftlichen Ver­fahrens ein Güteverfahren vor den „Großen Handelsherren“, zwei vom Rat ausge­ wählte Ratsherren, erfolgte32. Zunächst existierte kein selbständiges Messeoder Handelsgericht. Wie auch in Leipzig basierte die Gründung eines besonderen Gerichts für Messestreitigkeiten auf den Nachwirkungen des Dreißigjährigen Krieges und dem Versuch, nach dessen Ende die Messen wiederzubeleben, indem eine Einrichtung geschaffen wurde, die vor allem den fremden Messebesuchern Rechtssicherheit garantieren sollte33. Auch wenn die Messen nach Kriegs­ ende wiedereingeführt wurden34, erreichten sie nie die Bedeutung derer in Leipzig und Frankfurt am Main35. Am 1. Dezember 1686 wurde eine Markt­ gerichtsbarkeit- und Wechselordnung erlassen36, in welcher Regeln für das sogenannte Kaufgericht festgelegt waren37.

29  Die Privilegien aus den Jahren 1498, 1505 und 1521 sind abgedruckt bei Hänselmann, S. 265, 271 ff., 294 ff.; Zu den Anfängen der Braunschweiger Jahrmärkte bzw. Messen siehe auch Spiess, S.  417 ff.; Albrecht, S. 370. 30  Spiess, S.  417 ff. 31  Abgedruckt bei Hänselmann, S. 298 ff. Das Stadtrecht differenzierte zwischen Untergericht für einfachere Streitigkeiten und dem Obergericht, das auch die zweite Instanz für das Untergericht war, vgl. Untergerichtsprozessordnung von 1532, abge­ druckt bei Hänselmann, S. 318 ff. und Obergerichtsprozessordnung von 1553, abge­ druckt bei Hänselmann, S.  352 ff. 32  Edikt zur Verbesserung des Obergerichtsprozesses von 1579, abgedruckt bei Hänselmann, S.  495 ff. 33  Denzel, VSWG 1998, 40; Albrecht, S. 370. 34  Kaufhold, in: Europäische Messen, S. 254 f.; Albrecht, S.  372 f. 35  Denzel, VSWG 1998, 40 f.; Marperger, S. 72. 36  Als Beilage abgedruckt bei Wolffram, S. 131 ff. Im Folgenden: Ordnung von 1686.



A. Städte mit bedeutenden Messen33

1. Besetzung Hinsichtlich der allgemeinen Organisation unterschied sich das Kaufge­ richt vom Handelsgericht in Leipzig erheblich: Art. 3 der Ordnung von 1686: „[…] und sol das Judicium primae instantiae beset­ zet seyn mit zween hiesigen Raths-Verwandten, so Gelehrte oder Kauffleute, deren einer die Direction dabey zu führen, das Gerichts-Siegel zu verwahren, und in pa­ ritate votorum der Sache den Ausschlag zu geben hat, wie auch dreyen fremden Kauff-Gerichts-Herren, denen ein Gerichts-Voigt zum Referenten und Actuario zu­ geordnet: das Judicium Appellationis aber sol besetzet seyn mit einem Burgermeis­ ter der zugleich Syndicus oder Consiliarius bey der Stadt Braunschweig ist, damit alle Jahr und so offt es nöthig eine Abwechslung darunter geschehen könne, dann auch zweyen Raths-Herren und dreyen frembden Appellation-Richtern nebst einem Secretario […].“

Eine große Abweichung waren die zwei Stufen des Kaufgerichts, in der Ordnung Instanzen genannt38, die es in Leipzig am Handelsgericht nicht gab. In beiden Instanzen war das Gericht mit Ratsmitgliedern und fremden Kauf­ leuten besetzt, wobei in zweiter Instanz mit dem Bürgermeister zwingend ein Rechtsgelehrter den Vorsitz führte. Alle Richter hatten gleiches Stimmrecht. Insofern ist eine Parallele zum Handelsgericht erkennbar, bei dem auch Rats­ mitglieder eingesetzt wurden. Die Vorschriften des Kaufgerichts zeigen allerdings schon bei der Beset­ zung den Charakter des reinen Messegerichts. So enthielt die Ordnung spe­ zielle Regeln hinsichtlich der Auswahl der fremden Kaufleute: Art. 1 der Ordnung von 1686: „[…] so sollen die Vornehmsten unter den anwesen­ den fremden Kauff- Gewerb- und Handelsleuten […] all Jährlich am dritten Tage der Laurentij Messe nemlich am Mittwoch auff der Börse Vormittags um 11. Uhr auf gegebenes gewöhnliches Zeichen sich versamlen, und in beliebiger Ordnung in gewisse Classes treten, und aus ihrem Mittel zehen bequeme und erfahrne HandelsLeute […] durch di mehrere Zahl der Stimmen erwehlen […].“ Art. 2 der Ordnung von 1686: „Diese zehen erwehlte Handel-Herren sollen alsofort aus ihrem Mittel sechs Mit-Richter und Assessores zu dem auf beede Messen be­ sonders verordneten Kauff-Gericht, un zwar drey zur ersten, und drey zur andern Instanz ernennen, […] welche dann alle Jahr durch eine neue Wahl gleich denen zehen Handels-Herren abgewechselt werden sollen […].“

Die in Art. 3 als fremde Kaufleute bezeichneten Richter wurden von den Messebesuchern selbst gewählt. Das Kaufgericht konnte nur während der 37  Zur Entstehung des Kaufgerichts und dem Aufbau, ohne jegliche Vergleiche zu ziehen, siehe Wiesner, Braunschweiger Geschichtsverein 1992, 65 ff. Überblicksartige Darstellung auch bei Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 121 f. 38  Nach modernem Verständnis handelt es sich nicht um mehrere Instanzen, da die zweite Stufe auch beim Kaufgericht angesiedelt war.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

Messezeiten tätig sein, da die fremden Kaufleute nach Ende der Messe die Stadt verließen. Eine ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts konnte dann nicht mehr herbeigeführt werden. Dass eine entsprechende Regelung in Leip­ zig beim Handelsgericht nicht umgesetzt wurde, obwohl das von den Han­ delsdeputierten gefordert worden war39, unterstreicht den unterschiedlichen Charakter der verglichenen Gerichte als Messegericht in Braunschweig und permanentes Handelsgericht in Leipzig. Was die Besetzung anbelangt, zeigt die Ordnung für das Kaufgericht große Unterschiede zur Besetzung des Leipziger Handelsgerichts. Letztendlich hat­ ten die Gerichte lediglich gemeinsam, dass Ratsmitglieder des jeweiligen Stadtrats als Richter eingesetzt wurden und sie aus gelehrten und kaufmänni­ schen Richtern bestanden. Die Beteiligung fremder Kaufleute als Richter und der Aufbau mit zwei Ebenen war für reine Messegerichte in Europa typisch, wie ein Vergleich mit dem Merkantilmagistrat von 1635 in Bozen belegt40. Auch dieser selbstän­ dige Spruchkörper, der nur zu Messezeiten tagte, bestand aus zwei Ebenen, wobei die höhere für Appellationen gegen Urteile der ersten Stufe zuständig war41. Dabei handelte es sich um ein rein kaufmännisch besetztes Gericht, das für jedes Jahr neu mit Messebesuchern, nämlich mit italienischstämmi­ gen und deutschstämmigen Kaufleuten, besetzt wurde42. 2. Zuständigkeit Die Zuständigkeit des Kaufgerichts wurde wie in der LHGO durch sachli­ che und personelle Voraussetzungen bestimmt, die beide erfüllt sein mussten: Art. 5 der Ordnung von 1686: „Vor dieses Kauff-Gericht sollen gebracht werden alle in denen Märckten vorfallende streitige Sachen, da einer zu klagen hat wider 39  Vgl.

S. 29. Geschichte des Merkantilmagistrats und der Bozner Messen siehe Denzel, Die Bozner Messen, in: Von Bayern nach Italien, S. 117, 52 ff.; Heiss, Geschichte und Region 1992, 70 ff.; Grass, in: FS Thieme, S. 217 ff.; Rizzolli, in: Merkantilmuseum Bozen, S.  21 ff.; Sprung, in: Die Bozner Handelskammer, S. 12 ff.; Huter, in: Bozner Jahrbuch, S.  11 ff.; Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 99 ff.; Bückling. 41  Auch hier wird von Instanzen gesprochen, vgl. Art. 1 des Bozner Privilegs von 1635, das die Gerichtsordnung für das Merkantilmagistrat regelte. Es ist abgedruckt bei Sprung, in: Die Bozner Handelskammer, S. 32 ff., der eine deutschsprachige Fas­ sung des Hofbuchdruckers Daniel Paur aus Innsbruck verwendet. Im Folgenden: Bozner Privileg von 1635. 42  Art. 1, 4, 6 Bozner Privileg von 1635. Voraussetzung war, dass die Kaufleute die Bozner Messen regelmäßig besucht hatten, vgl. dazu auch Rizzolli, in: Merkantil­ museum Bozen, S. 25. 40  Zur



A. Städte mit bedeutenden Messen35 Kauffleute, Krämer, so wol Christen als Jüden, Factorn, Handwerker, Meckler, Gutfertiger, Furhleute, Handelsdiener und Jungen; wegen Kauffen, Verkauffen und Vertauschen, wie auch Wechsel […], so in Braun­ schweigischen Messen contrahiret, oder von andern Orten zur Zahlung anhero re­ mittiret und verwiesen, wie auch wegen Anlehens, Zinß […] und in Summa alle die jenigen Sachen die zum Commercio oder Handel und Wandel in den Messen im­ mediate gehören, und davon herkommen und demselben anhängig sein, da die Beklagte allhie wohnen oder anhero handeln […].“

Die personelle Voraussetzung erinnert an die entsprechende Vorschrift in Leipzig. Auch dort mussten nicht beide Parteien, sondern lediglich der Be­ klagte ein Kaufmann im weiteren Sinne sein43. Hinsichtlich der aufgezählten Berufe finden sich zahlreiche Übereinstimmungen. So waren auch in Braun­ schweig nicht nur Personen erfasst, die tatsächlich Handel trieben. Vielmehr reichte es aus, dass der Beklagte einen Beruf ausübte, der bloß eine unter­ stützende Funktion im Handelsverkehr hatte, wie etwa Fuhrleute. Bei dem sachlichen Kriterium zeigen die Vorschriften inhaltliche Paralle­ len, wobei die Auflistung der Handelsgeschäfte in der LHGO ausführlicher war. Der letzte Halbsatz („in summa […]“), der alle Geschäfte erfasste, die mit dem Handel in Verbindung standen, entsprach vom Wortlaut her der entsprechenden Regelung der LHGO44. Hinsichtlich der sachlichen Voraus­ setzung gab es jedoch einen ganz maßgeblichen Unterschied zur LHGO. Nach Art. 5 der Ordnung von 1686 mussten die Handelsgeschäfte eine Ver­ bindung zu den Braunschweiger Messen aufweisen. Sonstige Handelsstrei­ tigkeiten konnten nicht vor dem Kaufgericht verhandelt werden. Anders als das Leipziger Handelsgericht war es nur für Messestreitigkeiten zuständig, weshalb es als reines Messegericht zu qualifizieren ist. 3. Verfahren Auch das Kaufgericht erhielt eine abgeschlossene Prozessordnung, wes­ halb die Richter nicht auf den allgemeinen Zivilprozess zurückgreifen muss­ ten. Es zeigt sich erneut der Charakter des Messegerichts, weshalb einige Ver­ fahrensvorschriften zu finden sind, die der LHGO fremd waren. So hatte beispielsweise das Kaufgericht gemäß Art. 4 der Ordnung von 1686 grund­ sätzlich nur während der Messezeiten täglich Sitzungen zu halten. Zwischen den Messen sollte das Gericht nur ausnahmsweise tagen, sofern dies auf­ grund der Natur der Streitsachen nötig war, vgl. Art. 4 der Ordnung von 43  Vgl. 44  Vgl.

S. 29 f. ebd.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

1686. Insbesondere Konkursfälle und andere, vergleichbar langwierige Pro­ zesse, die zu Messezeiten begannen, konnten gemäß Art. 4 zwischen den Messezeiten vor dem Kaufgericht fortgesetzt bzw. weiterverhandelt werden. Bei solchen Prozessen mussten gemäß dieser Vorschrift die ortsansässigen Richter (die Ratsmitglieder) mit den fremden Richtern, die sich nur während der Messezeiten in der Stadt aufhielten, entsprechende Absprachen treffen. Es führten dann beispielsweise gemäß Art. 4 die heimischen Richter den Prozess fort oder man vertagte die Sache bis zur nächsten Messe, wenn das Gericht wieder vollständig war. Anders als in Leipzig, wo die anwaltliche Vertretung zugelassen war, mussten die Parteien die Sache gemäß Art. 7 der Ordnung von 1686 grund­ sätzlich selbst vortragen. Sie wurde gemäß dieser Vorschrift nur in besonders wichtigen Fällen angeordnet, welche aber nicht genauer definiert waren. Abweichungen von der LHGO zeigen sich ferner bei den Vorschriften zu den Rechtsbehelfen. So war zwar auch gemäß Art. 11 der Ordnung von 1686 eine Appellation gegen erstinstanzliche Urteile möglich. Allerdings fand das weitere Verfahren dann vor dem Kaufgericht statt, dem eine Appellations­ instanz zugeordnet war45, wohingegen die Sache gemäß Art. 20 LHGO in zweiter Instanz bei den ordentlichen Gerichten prozessiert wurde46. Ferner war eine Appellation beim Kaufgericht, anders als beim Handelsgericht in Leipzig47, erst ab einem gewissen Streitwert möglich, vgl. Art. 11 der Ord­ nung von 1686. Dennoch zeigen sich auch Gemeinsamkeiten zwischen den Ordnungen: Das Verfahren war auf Schnelligkeit ausgelegt. Um dieses Ziel zu erreichen, stellte man ähnliche Vorschriften auf. So wies Art. 6 der Ordnung von 1686 die Richter an, zu Beginn des Verfahrens ernsthaft auf eine gütliche Einigung hinzuarbeiten. Eine entsprechende Anweisung findet sich in Art. 1 LHGO. Ferner stand gemäß Art. 6 des Gesetzes von 1686 den Parteien weiterhin die Möglichkeit zu, vor Klageeinreichung beim Kaufgericht außergerichtlich eine Einigung herbeizuführen. Vor dem Kaufgericht wurde gemäß Art. 7 der Ordnung von 1686 (entspre­ chend Art. 1 LHGO) summarisch und mündlich verfahren. Gemäß Art. 11 musste während der Messezeiten innerhalb von 24 Stunden eine Anhörung erfolgen. Taugliche Beweismittel waren auch in Braunschweig gemäß Art. 9 der Ordnung Urkunden, Geschäftsbücher und Zeugen, die selbst vernommen werden konnten48. 45  Vgl.

S. 33 f. S. 30 ff. 47  Vgl. ebd. 48  Vgl. ebd. 46  Vgl.



A. Städte mit bedeutenden Messen37

Der Grundsatz der Schnelligkeit des Prozesses galt in beiden Ordnungen ebenso für die Appellationen, wofür jeweils kurze Fristen festgelegt waren. Die Appellation musste in Braunschweig gemäß Art. 11 der Ordnung von 1686 unverzüglich nach dem erstinstanzlichen Urteil angemeldet werden. Der Appellant hatte innerhalb von 24 Stunden in Schriftform seine Gründe darzulegen, vgl. Art. 11. Dadurch verhinderte man, dass durch das Einlegen von Appellationen Prozesse derart in die Länge gezogen werden konnten, dass die zweitinstanzlichen Verfahren erst nach Ende der Messe stattfinden konnten. Es wurde gewährleistet, dass auch in diesen Fällen zwingend noch zu Messezeiten eine endgültige, die Sache abschließende Entscheidung er­ folgte. 4. Resümee Mit dem Kaufgericht entstand in Braunschweig ein selbständiges Messe­ gericht, das nicht als allgemeines Handelsgericht bezeichnet werden kann, da es nur während der Messe tagte, lediglich für Messestreitigkeiten zuständig war und mit fremden Messebesuchern besetzt wurde. Verfahren außerhalb der Messe sollten die Ausnahme bleiben. Dennoch wurde bei Erlass der Ord­ nung anerkannt, dass gewisse Prozesse nicht innerhalb der strengen Messe­ zeiten beendet sein konnten, weshalb die Ausnahmeregelung aufgenommen wurde. 5. Weitere Entwicklung bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert Die Institution des Kaufgerichts blieb bis in das 19. Jahrhundert bestehen. Allerdings wurde die Ordnung des Kaufgerichts überarbeitet. So wurde 1712 in einer Deklaration des Art. 5 der Marktgerichtsbarkeit- und Wechselord­ nung von 1686 die Zuständigkeit des Kaufgerichts etwas erweitert, wonach unter bestimmten Voraussetzungen auch Nebenforderungen, die außerhalb der Messezeiten entstanden, vor dem Kaufgericht verhandelt und entschieden werden durften49: Hierfür mussten zwei Personen durch Handel auf der Messe „[…] in debet und Credit gerahten […]“50 und bei dieser Gelegenheit durch Handel außerhalb der Messe andere Posten entstanden sein, die in die Rechnung und Gegenrechnung der ursprünglichen Messeforderung mitauf­ genommen wurden. Diese Nebenposten konnten dann zusammen mit der Messeforderung vor dem Kaufgericht entschieden werden. Die Deklaration 49  Die „Declaration des 5ten Articuls der Marckt-Gerichts-und Wechsel-Ordnung, vom 13. Oct. 1712“ ist abgedruckt bei Wolffram, S. 169 f.; im Folgenden: Deklaration von 1712. 50  Vgl. dazu die Deklaration von 1712.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

erweiterte zwar die Zuständigkeit des Kaufgerichts. Es blieb dennoch ein Messegericht. Auch die revidierte Wechselordnung vom 1. August 1715 wandelte das Kaufgericht nicht in ein permanentes, allgemeines Handelsgericht um, was sich aus Art. 47 ergibt51.

III. Frankfurt am Main In Frankfurt am Main hingegen entstand kein selbständiges Handels- bzw. Messegericht. Allerdings modifizierte man in Messestreitigkeiten das Verfah­ ren vor den ordentlichen Gerichten. 1. Anfänge Bereits im 14. Jahrhundert wurde die Tätigkeit von Kaufleuten auf den Frankfurter Messen durch kaiserliche Privilegien gefördert52. Ein Privileg von 146553 legte die Zuständigkeit des Frankfurter Schöffengerichts für Mes­ sestreitigkeiten fest, wobei es nicht zwischen einheimischen und fremden Kaufleuten differenzierte54. In der Folge entwickelte sich der ungeschriebene Grundsatz, dass Streitig­ keiten zwischen den Messekaufleuten möglichst am nächsten Gerichtstag verhandelt werden mussten55. Das Verfahren war mündlich und öffentlich56. Während der Messezeiten mussten mindestens zwei der Schöffen Kaufleute sein57. Eine weitere Möglichkeit der Streitschlichtung waren Schiedsverfah­ ren, die bei Messestreitigkeiten häufig in Anspruch genommen wurden58. Als Schiedsrichter fungierten Ratsherren oder Schöffen59. Mit den oben unter­ suchten Ordnungen hatten die Regelungen nur das Gebot zur schnellen Ent­

51  Die revidierte Wechselordnung vom 1. August 1715 ist abgedruckt bei Zimmerl, 1. Band 2. Abteilung, S. 117 ff. 52  So zum Beispiel durch das Privileg von 1360, abgedruckt bei Orth, S. 578; oder das Privileg von 1376, gedruckt ebd., S. 580. 53  Das Privileg ist abgedruckt ebd., S. 607 ff. 54  Ebd., S.  607 ff. 55  Ebd., S. 158; Dietz, S. 48. 56  Köbler, S. 19. 57  Brübach, S. 155. 58  Köbler, S. 20; Grass, in: FS Thieme, S. 217; Rothmann, Schulden vor Gericht, in: Die Reichsstadt Frankfurt, S. 294. 59  Köbler, S. 20; Rothmann, Schulden vor Gericht, in: Die Reichsstadt Frankfurt, S. 294.



A. Städte mit bedeutenden Messen39

scheidung in Messestreitigkeiten und das Hinzuziehen von Kaufleuten ge­ meinsam. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts findet sich eine allmähliche Beteiligung von Juristen am Schöffengericht, wodurch dessen Verfahren schriftlich und langsam wurden60. In der weiteren Entwicklung bis Ende des 16. Jahrhun­ derts gab es keine wesentlichen Erneuerungen der Gerichtsordnung, die die Handelsgerichtsbarkeit beeinflussten. 2. Die Reformationen von 1578 und 1611 Von Bedeutung für die Handelsgerichtsbarkeit in Frankfurt am Main wa­ ren die Reformationen von 1578 und 1611, wobei letztere nur geringe Ände­ rungen beinhaltete61. Die Reformation von 1611 war in 10 Teile aufgeteilt und enthielt sowohl eine reformierte Rechtsordnung62 als auch eine refor­ mierte Gerichtsordnung63. a) Schöffenrat Die unterste Stufe der Gerichtsbarkeit war der Schöffenrat. Dessen Zustän­ digkeit beschränkte sich auf Streitigkeiten im Familienrecht, Erbschaftsange­ legenheiten und Fälle, deren Verzug zu einem erheblichen Schaden bzw. Nachteil geführt hätte64. Ferner wurden nur solche Streitigkeiten vor dem Schöffenrat verhandelt, die keines ordentlichen Prozesses bedurften65. Mes­ sestreitigkeiten, die noch während der laufenden Messe entschieden werden mussten und einen Streitwert unter 50 Gulden hatten, mussten beim Schöf­ fenrat prozessiert werden, wo mündlich verhandelt wurde66. b) Schöffengericht Keine großen Veränderungen enthielt die Reformation hinsichtlich der Rechtsprechung in Handelssachen vor dem Schöffengericht, bei dem sich

60  Brübach,

S.  156 f.; Coing, S.  105 ff. von 1611, abgedruckt bei Fichard, Der Statt Franckfurt am Mayn erneurte Reformation; im Folgenden: Reformation von 1611. 62  Teile 2 bis 10 der Reformation von 1611. 63  Teil 1 der Reformation von 1611. 64  Reformation von 1611, 1. Teil, 1. Titel, §§ V ff. 65  Reformation von 1611, 1. Teil, 1. Titel, § IV. 66  Rothmann, Schulden vor Gericht, in: Die Reichsstadt Frankfurt, S. 297. 61  Reformation

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

mittlerweile das schriftliche Verfahren durchgesetzt hatte67. Zu Messezeiten mussten mindestens acht Schöffen anwesend sein, damit das Gericht be­ schlussfähig war68. Es war für Messestreitigkeiten zuständig, deren Streitwert über 50 Gulden lag. c) Schiedsverfahren Eine Alternative zu den genannten Organen war die gütliche Einigung der Parteien vor dem Bürgermeister im Rahmen eines Schiedsverfahrens69. Es bot die Möglichkeit, ohne Gerichtsverfahren zeitnah eine Streitschlichtung herbeizuführen. Im Rahmen dieses Schiedsverfahrens musste der Gläubiger durch schriftliche Unterlagen die Rechtmäßigkeit seiner Forderung bewei­ sen70. Hierfür dienten regelmäßig Wechsel- bzw. Schuldbriefe oder auch an­ dere Urkunden als Beweise71. Das Schiedsverfahren war eine Vorstufe des Verfahrens beim Schöffengericht und hatte die Aufgabe, die Rechtmäßigkeit einer Forderung festzustellen72. Wenn dennoch keine Einigung erzielt werden konnte, ging die Streitsache vor das Gericht73. Dafür musste der Gläubiger selbst am Tag nach dem Verfahren Klage erheben74. Das Schiedsverfahren war insbesondere für Streitigkeiten interessant, für die eigentlich das Schöf­ fengericht zuständig war, da die Prozesse dort lange dauerten. In Messestrei­ tigkeiten waren das die Angelegenheiten mit einem Streitwert über 50 Gul­ den. Bei kleineren Streitigkeiten hingegen, für die der Schöffenrat zuständig war, wurde ohnehin mündlich und zügig verfahren. Neben diesem Schieds­ verfahren war es wohl unter den Frankfurter Kaufleuten üblich, sich außer­ gerichtlich zu einigen75. 3. Resümee Diese Gesetze der Reformationen waren geltendes Frankfurter Recht bis in das 19. Jahrhundert und wurden nur an wenigen Stellen geändert76. Die Aus­ führungen haben gezeigt, dass sich in Frankfurt kein selbständiges Messe67  Brübach,

S. 161. von 1611, 1. Teil, 3. Titel, § 3. 69  Ausführlich hierzu: Schlick-Bamberger, in: Die Reichsstadt Frankfurt, S. 15 ff. 70  Rothmann, Schulden vor Gericht, in: Die Reichsstadt Frankfurt, S. 298. 71  Ebd., S. 298. 72  Brübach, S. 162. 73  Ebd., S. 162. 74  Ebd., S. 163. 75  So Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 117. 76  Brübach, S. 159. 68  Reformation



A. Städte mit bedeutenden Messen41

oder Handelsgericht etabliert hat. Dass bei Erlass der Privilegien darüber diskutiert wurde, zeigt die Einleitung des ersten Teils dieser Privilegien, in der ausdrücklich klargestellt wird, dass es beim alten und bewährten System bleibt77. Allerdings nahm man auf die Besonderheit der Messestreitigkeiten Rücksicht, weshalb hierfür das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten modifiziert wurde, um schnellen Rechtsschutz gewährleisten zu können. Durch die spätere Abnahme der Messen wurden die rechtlichen Bestimmun­ gen, die zuvor für die Messestreitigkeiten galten, auf alle Handelsstreitigkei­ ten ausgedehnt78. Auch durch die „Erneuerte Ordnung in Wechsel- und Kaufmanns-Geschäften“ aus dem Jahre 1739 erfolgte keine Gründung eines Messe- oder Handelsgerichts79.

IV. Resümee zu den Städten mit bedeutenden Messen Für die Messestädte lässt sich kein einheitliches System der Handelsge­ richtsbarkeit herausarbeiten. Vielmehr existierten unterschiedliche Formen: Es gab spezielle Einrichtungen, wie das allgemeine Handelsgericht in Leip­ zig oder das Messegericht in Braunschweig. Es war aber nicht zwingend, dass in Messestädten selbständige Gerichte für Handels- oder Messestreitig­ keiten gegründet wurden, wie die Ausführungen zu Frankfurt am Main be­ weisen. Bei der Besetzung der beiden selbständigen Gerichte zeigt sich als Paral­ lele lediglich, dass Kaufleute und Juristen nebeneinander als Richter berufen wurden. Dass in Handelssachen der kaufmännische Sachverstand aus der Praxis zur ordentlichen Entscheidungsfindung nötig war, wurde auch in Frankfurt erkannt, weshalb die Besetzung bei den ordentlichen Gerichten teilweise zu Messezeiten modifiziert wurde. Die Besetzung der selbständigen Gerichte bestimmte jeweils der Stadtrat, wodurch die einheimischen Kauf­ leute kein Mitspracherecht, beispielsweise in Form von Wahlen, hatten. Le­ diglich beim Kaufgericht hatte sich das Gegenteil, wenn auch nur für fremde Kaufleute, angedeutet. Beide untersuchten Ordnungen waren, was die Beset­ zung anbelangt, noch nicht konkret. So finden sich keinerlei Hinweise auf besondere Anforderungen an die Richter, etwa was das Mindestalter oder die Erfahrung im Handelsverkehr anbelangt. Die Zuständigkeit kann nur für die beiden selbständigen Gerichte ver­ glichen werden. Anhand einzelner Passagen konnten Parallelen aufgezeigt 77  Vgl.

hierzu Reformation von 1611, 1. Teil, 1. Titel, § 1. S. 177. 79  „Des heiligen Reichs-Stadt Franckfurth am Mayn Erneuerte und vermehrte Ord­ nung in Wechsel- und Kauffmanns-Geschäften“ von 1739, abgedruckt bei Multzen. 78  Brübach,

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

werden, etwa dass die Zuständigkeit nur bei Erfüllung von personellen und sachlichen Voraussetzungen gegeben war80. Bei dem personellen Kriterium stimmten die aufgezählten Berufsgruppen größtenteils überein81. Beim sach­ lichen Element hingegen konnten kaum Parallelen aufgewiesen werden82. Insbesondere beschränkte sich die Zuständigkeit des Kaufgerichts auf Messe­ streitigkeiten. Einzig beim Vergleich des Verfahrens wurden Parallelen deutlich. In allen drei Städten war man sich bewusst, dass Streitigkeiten in Messeangelegen­ heiten aufgrund der kurzen Dauer der Messen zügig entschieden werden mussten. In Leipzig sah man dieses Bedürfnis für alle Handelssachen und damit auch außerhalb der Messen. Zur Beschleunigung der Verfahren erhiel­ ten die Gerichte ein eigenes Prozessrecht, weshalb nicht auf die Prozessvor­ schriften der Stadtgerichte zurückgegriffen werden musste. Die Gesetzgeber ordneten ein summarisches und mündliches Verfahren an, welches dem deutschen Recht eigentlich noch fremd war. Ferner sollten durch die jeweili­ gen Vorschriften die Parteien motiviert werden, sich gütlich zu einigen, sei es gerichtlich oder außergerichtlich. Bei der konkreten Ausgestaltung des Pro­ zessrechts ergeben sich dennoch große Unterschiede, beispielsweise bei der anwaltlichen Vertretung, die teils zugelassen und teils verboten wurde.

B. Staaten/Städte ohne Messen Im Folgenden wird die Handelsgerichtsbarkeit bis Ende des 18. Jahrhun­ derts in Städten und Staaten dargestellt, in denen keine Messen stattfanden. Im Gegensatz zu den Messestädten konzentrierte sich der Handelsverkehr auf den Fernhandel außerhalb von Messen, auf dauerhafte, große Stadtmärkte oder sogar Jahrmärkte, die nie den Rang einer Messe erlangten83. Der Han­ del war deshalb, anders als bei den Messestädten, nicht überwiegend auf wenige Wochen im Jahr beschränkt. Auch permanente Stadtmärkte unterschieden sich hinsichtlich der recht­ lichen Herausforderungen von den Messen, da sie ein anderes Publikum hatten84. Bei Messen wurde insbesondere an Wiederverkäufer verkauft. Bei ständigen Märkten auch an Endkunden. Ferner waren die Stadtmärkte und auch die Jahrmärkte eher von regionaler und nicht von überregionaler oder 80  Vgl.

81  Ebd. 82  Ebd.

S. 34 f.

83  Beispielsweise in Nürnberg; vgl. hierzu etwa Endres, in: Im Zeichen der Waage, S. 35 ff.; für Regensburg siehe etwa Lößl, S. 65. 84  Zur Abgrenzung zwischen Messe und Jahrmarkt siehe S. 26 f.



B. Staaten/Städte ohne Messen43

gar internationaler Bedeutung. Deshalb kamen zu den Märkten üblicherweise Besucher aus der Stadt selbst oder umliegenden Gebieten und nicht fremde Kaufleute aus anderen Teilen Deutschlands oder Europas. Aufgrund dieser Unterschiede in der Handelsstruktur und der auftretenden Streitigkeiten bietet sich eine getrennte Untersuchung von den Messestädten an. Deshalb wird im Folgenden die Entstehung einer Handelsgerichtsbarkeit in Städten und Staaten ohne Messen dargestellt. Seehandelsstädte werden gesondert im nächsten Kapitel betrachtet. Um einen Vergleich der Handels­ gerichtsbarkeit vornehmen zu können, wird die Handelsgerichtsbarkeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Nürnberg, Württemberg, München und Regensburg dargestellt. Es stellt sich die Frage, ob sich aufgrund des ähnli­ chen Handelsverkehrs auch eine Form der Handelsgerichtsbarkeit entwickelt hat, die für diese Städte als typisch betrachtet werden kann.

I. Nürnberg Die Entstehung der Handelsgerichtsbarkeit in Nürnberg und die weitere Entwicklung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lässt sich in drei wesentliche Schritte einteilen: Das Privileg aus dem Jahr 1508, das Bancoamt von 1621 und das Merkantil- und Bancogericht von 1697. 1. Das Privileg von 1508 Die freie Reichsstadt Nürnberg hatte ihre Blütezeit bereits ab dem frühen Ende des 15. Jahrhunderts, da die Kaufleute durch die zentrale Lage der Stadt die Möglichkeit hatten, in ganz Europa Handel zu treiben85. Die Nürn­ berger Kaufleute nutzten den dadurch gewonnen Wohlstand und gewährten dem Kaiser 1508 in ihrer Gesamtheit als Kaufmannsstand ein Darlehen, wofür dieser im Gegenzug ein Privileg86 zur Förderung des Handels der Stadt erließ87. In diesem Privileg wurde einerseits ein summarisches Verfah­ ren bei Streitigkeiten von Kaufleuten im Handelsverkehr angeordnet. Ande­ rerseits wurde die Möglichkeit der Appellation eingeschränkt. Ferner erkannte Kaiser Maximilian an88:

85  Zur wirtschaftlichen Stellung Nürnbergs im Mittelalter siehe bspw.: Ammann, Nürnberger Forschungen, 13. Band, S. 87 ff.; Rehm, S. 1; Dirr, S. 4. 86  Abgedruckt in: Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia de non appellando, S. 282 ff.; im Folgenden: Privileg von 1508. 87  Zur Erlangung des Privilegs siehe bspw. Rehm, S. 1; Silberschmidt, Die Entste­ hung des dt. Handelsgerichts, S. 49 ff. 88  Privileg von 1508.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

„[…] dass nyemannd geschickter ist zuentschaiden die obgemelten geprechen der kaufflewt und kauffmanshenndl dann die verstenndigen kaufflewt […].“

Durch diesen Satz legte er den Grundstock dafür, dass die Kaufleute ihre Streitigkeiten selbst entscheiden konnten bzw. zumindest an der Rechtspre­ chung beteiligt wurden. Die Art und Weise, wie das Privileg erlangt wurde, zeigt, dass die Nürn­ berger Kaufleute schon zur Zeit des Erlasses organisiert waren, auch wenn diese Vertretung noch nicht offiziell anerkannt war89. Der Großteil des Han­ dels fand am Herrenmarkt statt, der sich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zur Warenbörse entwickelte hatte und damit insbesondere dem Großhandel diente90. Um die Vorgänge auf dem Herrenmarkt zu ordnen und die Marktund Börsenzeiten festzulegen, wurde auf Anregung der Kaufleute im Jahre 1560 eine Marktglocke zum Ein- und Abläuten des Marktes aufgehängt91. Die Einhaltung der Marktordnung legte man zunächst ausschließlich in die Verantwortung der Kaufleute, insbesondere in die der „Ältesten Kaufleute“, die den ortsansässigen Kaufleuten vorstanden92. Da sich allerdings einige Kaufleute weigerten, diese Ordnung zu befolgen, bestimmte der Stadtrat 1562 zwei Mitglieder aus seiner Mitte zu „Marktherren“ bzw. „Obermarkt­ herren“, auch „Deputierte zum Markt“ genannt93. Zur besseren Organisation mieteten die „Ältesten Kaufleute“ ein Marktge­ wölbe am Herrenmarkt und benannten 1566 fünf Personen ihres Standes zu „Marktvorstehern“ bzw. „Marktvorgehern“, deren Anzahl ab 1574 auf vier Personen reduziert wurde94. Als Handelsvorstand vertraten sie die Nürnber­ ger Kaufleute95. Zugleich entschieden sie im Marktgewölbe kleinere Markt­ streitigkeiten zwischen Kaufleuten, wodurch sich allmählich ein kaufmänni­ sches Schiedsgericht entwickelte96. Allerdings war das Schiedsgericht nur ein Teilbereich der Aufgaben des Handelsvorstands. Insbesondere half er weiterhin bei der Aufsicht über den Markt, ohne dabei eine städtische Be­ hörde zu sein. 89  Rehm,

S.  2 f.; Dirr, S. 6; Liebstädter, S. 8. in: Im Zeichen der Waage, S. 35; Roth, 288; Heerdegen, S. 6. 91  Heerdegen, S. 7; Roth, 288; Endres, in: Im Zeichen der Waage, S. 35; Denzel, Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr, S. 78. Zur Entwicklung bis zur Bankoordnung von 1621 siehe auch Silberschmidt, Die Entste­ hung des dt. Handelsgerichts, S. 66 ff. 92  Endres, in: Im Zeichen der Waage, S. 35; Roth, 288; Heerdegen, S. 6. 93  Dirr, S. 10; Rehm, S. 3; Liebstädter, S. 10; Endres, in: Im Zeichen der Waage, S. 35. 94  Liebstädter, S. 10; Dirr, S. 10; Rehm, S.  3 f.; Endres, in: Im Zeichen der Waage, S. 36. 95  Rehm, S.  3 f.; Endres, in: Im Zeichen der Waage, S. 36. 96  Endres, in: Im Zeichen der Waage, S. 36 f. 90  Endres,



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2. Das Bancoamt von 1621 Die Einführung des Bancoamtes aus dem Jahre 1621 war ein weiterer wichtiger Schritt in der Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit, da die rich­ terlichen Aufgaben des Nürnberger Handelsvorstandes erweitert wurden. Hintergrund waren die Regeln der Bancoordnung aus dem Jahr 162197, die die Eröffnung eines „Banco Publico“ vorsahen98. Dabei handelte es sich um eine Wechsel- und Depositenbank, die bargeldlose Zahlungen ermög­ lichte99. Die Einrichtung einer solche Bank war aufgrund der in ganz Europa auftretenden allgemeinen Münzverschlechterung nötig100. Der Banco Publico in Nürnberg war deshalb keine Besonderheit, sondern wurde nach entspre­ chenden Vorbildern in Hamburg, Amsterdam und Venedig eröffnet101. Die Bancoordnung sah in Art. 3 eine Bankpflicht vor, nach der die ansässigen Kaufleute ein Girokonto eröffnen und alle Geschäfte, die mehr als 200 Gul­ den betrugen, über das Banco Publico abwickeln mussten. a) Besetzung Art. 15 der Bancoordnung von 1621 legte fest, dass die Streitigkeiten, die beim Banco Publico entstanden, bei den deputierten Ratsmitgliedern und Marktvorstehern erörtert werden sollten. Gemeint war damit der Nürnberger Handelsvorstand. Weitere Informationen hinsichtlich der Besetzung enthielt die Ordnung nicht. Die Vorschriften der Bancoordnung bezeichneten das Bancoamt noch nicht als solches. Das verwundert allerdings nicht, da die Bancoordnung primär den Banco Publico ordnete und keine Gerichtsordnung darstellte. Erst im Rahmen eines Ratserlasses vom 31. März 1624102, der vor allem im Rahmen der Zuständigkeit noch relevant sein wird, wurde die Ein­ richtung als Bancoamt bezeichnet. Ferner teilte man dem Bancoamt noch 97  Bancoordnung vom 16. Juli 1621, abgedruckt in: Poschinger, Bankgeschichte des Königreichs Bayern, II. Lieferung 1875, als Beilage Nr. V, S. 11 ff.; im Folgen­ den: Bancoordnung von 1621. 98  Umfangreiche Untersuchungen zum Banco Publico bei Denzel, Der Nürnber­ ger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr; Fuchs. 99  Fuchs, S. 11; Liebstädter, S. 28. 100  Vgl. dazu die Einleitung der Bancoordnung von 1621. Zur Münzverschlechte­ rung in Europa siehe auch Fuchs, S. 9; Denzel, Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr, S. 81. 101  Roth, S. 306; Denzel, Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr, S. 15; Endres, in: Im Zeichen der Waage, S. 37; Sachs, S. 154. 102  Ratserlass vom 31. März 1624, abgedruckt in: Poschinger, Bankgeschichte des Königreichs Bayern, II. Lieferung 1875, als Beilage Nr. XII, S. 22 f.; im Folgenden: Ratserlass vom 31. März 1624.

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zwei Juristen zu, die sie bei der Rechtsprechung unterstützten103. Weitere Bestimmungen, etwa in welcher Zusammensetzung das Bancoamt beschluss­ fähig war, sind nicht auffindbar. b) Zuständigkeit Die Aufgaben des Bancoamtes umfassten zwei verschiedene Bereiche: Die Aufsicht über die Geschäftsgänge des Banco Publico und die Entscheidung von Streitigkeiten, die den Geld- und Zahlungsverkehr betrafen. Da die Ban­ coordnung primär die Einrichtung des Banco Publico und dessen Abläufe regelte, gab es nur wenig Vorschriften zur Ordnung des Bancoamtes. Art. 15 der Bancoordnung: „Ihme auch bey den verordneten Deputirten Herrn vnd Marcksvorgehern (. alss allda alle vom Bancho herrührendte strittigkeiten sollen erörtert vnd ein Ehrnvester Rhat damit verschonet werden.) […].“

Zuständig war das Bancoamt in seiner rechtsprechenden Funktion also für die Entscheidung in allen Streitigkeiten, die vom Banco Publico herkamen. Da dieser Wortlaut der Bancoordnung relativ ungenau war, traten bald Zu­ ständigkeitsstreitigkeiten mit dem Stadtgericht auf104. Der bereits oben ange­ sprochene Ratserlass von 1624 enthielt eine Passage zur Zuständigkeit, die die Voraussetzungen konkretisierte: „[…] ob dieselbe [Parteien] entweder beyderseits oder doch der Beklagte ein Han­ delsmann, Krämer oder negotiirender Handwerker seye; […] ob dieselben [Klagen] von Kaufmannswaaren, vom Kaufen und Verkaufen derselben, von praetendirten unbilligen Schäden, von Rechnungen Bilanzen strittigen Handelsbüchern und der­ selben Beweisung, […] und was dergl. etc. insonderheit aber von solchen Strittig­ keiten herrühren, deren Entscheidung mehr aus denen Handelsbüchern, Gesell­ schafts-Verschreibungen, und vernünftigen Marktsgewohnheiten, als den beschrie­ benen scharfen Rechten genommen werden muss.“

Der Ratserlass enthielt verschiedene Kriterien zur Zuständigkeit. So musste zumindest der Beklagte ein Handelsmann, Kramer oder handelnder Hand­ werker sein. In sachlicher Hinsicht wurde vorausgesetzt, dass die strittige Angelegenheit zu den Kaufmannssachen zählte, welche beispielhaft aufge­ führt wurden. Ferner konnte das Bancoamt herangezogen werden, wenn sich die Entscheidung nicht aus dem geschriebenen Recht, sondern eher aus Han­ delsbüchern, Gesellschaftsverschreibungen oder den Marktgewohnheiten er­ gab. Ob die sachlichen und personellen Voraussetzungen zwingend gleichzei­ 103  Ergibt sich aus der später zu untersuchenden Merkantil- und Bancogerichtsord­ nung vom 21. Oktober 1697; vgl. auch Denzel, Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr, S. 90; Heerdegen, S. 16. 104  Liebstädter, S. 30, Dirr, S. 26. Zur Abgrenzung der Zuständigkeit gegenüber dem Stadtgericht siehe auch Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S.  86 ff.



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tig vorliegen mussten, lässt sich weder dem Ratserlass noch der einschlägigen Sekundärliteratur entnehmen105. c) Verfahren Aus diesem Ratserlass von 1624 ergibt sich im Ansatz die Verfahrensweise am Bancoamt in seiner rechtsprechenden Funktion: „Und da sie [Nürnberger Ämter und Gerichte] dergleichen [Vorliegen von unter Zuständigkeit genannten Kriterien] befinden, so sollen Sie die Parheyen alsobald an das Banco Ambt dergestalt remittiren, und verweisen, damit daselbst derglei­ chen Strittigkeiten durch summarische Cognition entweder abgeholfen, oder, da die Sachen in der Güte nicht verglichen werden könnte, oder auch auf Zeugschaften, Compass-Briefen und andere weitläufigere Ausführungen […] beruhen sollte, von dannen an das ordentliche Stadtgericht verwiesen, […].“

Die ordentlichen Gerichte konnten Streitigkeiten, falls die genannten Vor­ aussetzungen vorlagen, an das Bancoamt verweisen. Dass die Klagen direkt beim Bancoamt selbst eingereicht werden konnten, ist nicht ersichtlich. Es sollte summarisch verfahren und auf eine gütliche Einigung zwischen den Parteien abgezielt werden. Wenn eine solche Einigung scheiterte oder Zeu­ genvernehmungen bzw. ähnlich weitreichende Untersuchungen des Sachver­ haltes nötig waren, erfolgte eine Verweisung der ganzen Sache an das Stadt­ gericht, bei dem dann weiter verfahren wurde. Ebenso verhielt es sich bei schwierigen Rechtsfragen. Das Bancoamt wurde nicht mit den gleichen Befugnissen ausgestattet wie die Gerichte der Stadt. Vielmehr war es bloß eine Art Schlichtungsstelle, die nur auf eine gütliche Einigung hinarbeiten, aber keine eigene Entscheidung treffen konnte106. 3. Das Merkantil- und Bancogericht seit 1697 Problematisch am Verfahren vor dem Bancoamt war die oftmals auftre­ tende Verschleppung107. Insbesondere bei den Prozessen, bei denen die Streitsachen wieder an das Stadtgericht zurückgeschickt wurden, da bei­ 105  Bei Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 90 f. deutet sich möglicherweise an, dass beide Kriterien erfüllt sein mussten. 106  Für den Handel Nürnbergs, aber nicht für die vorliegende Untersuchung bedeu­ tend war die Banco- und Wechselordnung vom 8. September 1654, da diese hinsicht­ lich der Gerichtsbarkeit des Bancoamtes keine wesentlichen Veränderungen mit sich brachte. Abgedruckt in: Poschinger, Bankgeschichte des Königreichs Bayern, II. Lie­ ferung 1875, als Beilage Nr. XXIV, S. 37 ff. 107  Rehm, S. 10.

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spielsweise Zeugenvernehmungen nötig waren, war die Schnelligkeit im Verfahren nicht gewährleistet. Das umständliche Verfahren widersprach dem Ziel des Privilegs von 1508108. Deshalb wurde am 21. Oktober 1697 eine Merkantil- und Bancogerichtsordnung erlassen, die das bestehende Banco­ amt neu strukturierte, um Schnelligkeit und Effizienz für die Klärung von handelsrechtlichen Streitigkeiten herzustellen109. Die Ordnung benannte in ihrer Einleitung das Bancoamt in Merkantil- und Bancogericht um. Damit die genannten Ziele erreicht werden konnten, erhielt es die gleichen Befugnisse wie die anderen Nürnberger Gerichte und wurde in der Einleitung der Ordnung ausdrücklich zu einer eigenen Gerichtsinstanz erklärt. Damit konnte es insbesondere selbst Zeugen verhören, Eide abneh­ men und sonstige Prozesshandlungen vornehmen. Es sollte vermieden wer­ den, dass Prozesse an das Stadtgericht zurückverwiesen werden mussten. Vielmehr konnte das gesamte Verfahren beim Merkantil- und Bancogericht stattfinden. a) Besetzung Hinsichtlich der Besetzung wurden keine wesentlichen Veränderungen vorgenommen, vgl. Art. I der Merkantil- und Bancogerichtsordnung. Auch der umgewandelte Spruchkörper war nicht nur mit Kaufleuten besetzt. Viel­ mehr blieb es gemäß Art. I bei der gemischten Einsetzung von zwei Juristen neben zwei deputierten Ratsmitgliedern und den vier Marktvorstehern. Auch in der Merkantil- und Bancogerichtsordnung wurden keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Beschlussfähigkeit oder die Anforderungen an die kaufmännischen Mitglieder getroffen. b) Zuständigkeit Die Zuständigkeit des Merkantil- und Bancogerichts richtete sich gemäß Art. II nach personellen und sachlichen Kriterien, die gleichzeitig erfüllt sein mussten110.

108  Vgl. dazu die Einleitung „Des zu Nürnberg angerichteten Mercantil- und Banco-Gerichtsordnung anno 1697“. Im Folgenden: Merkantil- und Bancogerichts­ ordnung. Zur Geschichte dieser Ordnung siehe Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S.  90 ff. 109  So die Begründung in der Einleitung der Merkantil- und Bancogerichtsord­ nung. 110  Darstellung der Regeln der Merkantil- und Bancogerichtsordnung zu Zustän­ digkeit und Verfahren auch bei Rehm, S.  11 ff.; Liebstädter, S.  32 ff.



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In personeller Hinsicht wurde vorausgesetzt, dass eine Streitigkeit vorlag, bei der zumindest der Beklagte einer der folgenden Berufsgruppen angehörte: Art. II der Merkantil- und Bancogerichtsordnung: „[…] entweder zwischen beeder­ seits Kauff- und Handelsleuten, oder da der Beklagte all ein Handelsmann, Krämer, oder einer mit seiner Manufactur auswendig negotiirender Handwerksmann, oder in gewissen Fällen, ein Fuhrmann ist […].“

Das sachliche Kriterium lies folgende Streitgegenstände zu: Art. II der Merkantil- und Bancogerichtsordnung: „[…] entstandene und entstehen­ de Spann- und Irrungen, so von Käufen und Verkäufen, auch Trocciren und Tausch der Waren und Handelseffecten, von prätendierten unbilligen Schäden, ungerechten Vervortheilungen und Läsionen, von Buchhalten, Rechnungen, Bilanzen, strittigen Handels-Büchern, und Beweisungen mit selbigen, Wechseln und Gegen-Wechseln, deren Briefacceptationen, oder derselben Versagung und Protesten, oder üblen Be­ zahlung, Verpflichtung oder verlaste Schuldigkeit der Factoren und Handels-Be­ dienten […] in Summa von Kauffmanns Handel und Wandel herrühren und darin bestehen.“

Auf sachlicher Ebene war die Norm sehr weit gefasst, sodass nahezu alle Zivilprozesse aufgezählt wurden, die ein Kaufmann im Zuge der Ausübung seines Berufes zu führen hatte111. Die Zuständigkeit des Gerichts in Handels­ sachen war gemäß Art. II der Ordnung nicht ausschließlicher Natur, sodass die genannten Streitgegenstände auch weiterhin alternativ vor das Stadtge­ richt gebracht werden konnten. Dass das Merkantil- und Bancogericht noch die Aufsicht über den Banco Publico hatte, ist nicht ersichtlich. Die Zuständigkeit teilte sich das Merkantil- und Bancogericht auch teil­ weise mit den Marktvorstehern im Marktgewölbe. So stand es gemäß Art. V den Parteien frei, Streitigkeiten in Handelssachen, insbesondere wenn die Angelegenheit schnell erledigt werden sollte, anstatt vor dem Merkantil- und Bancogericht im Marktgewölbe bei den Marktvorstehern anzubringen112. Allerdings konnten die Parteien im Laufe des Prozesses nicht einfach vom Marktgewölbe an das Merkantil- und Bancogericht wechseln, vgl. Art. V der Ordnung. Vielmehr erfolgte gemäß dieser Vorschrift die Entscheidung im Marktgewölbe, es sei denn, die Marktvorsteher stimmten auf Wunsch der Parteien dem Wechsel zu oder sie kamen bei Betrachtung der Sachlage zu dem Entschluss, dass aufgrund der Beschaffenheit des Falles eine Verwei­ sung an das Merkantil- und Bancogericht nötig war. Durch diesen Artikel der Ordnung wurde die Gerichtsbarkeit des Marktgewölbes in Handelssachen erstmalig vom Stadtrat anerkannt113. Es ermöglichte die außergerichtliche 111  Rehm,

S. 12; Liebstädter, S. 34. Zuständigkeit war identisch mit der beim Merkantil- und Bancogericht, ebd., S. 50. 113  Ebd., S. 50. 112  Die

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Beilegung von Handelsstreitigkeiten, ohne eine ordentliche Gerichtsinstanz zu sein114. c) Verfahren Die Ordnung enthielt ein eigenständiges, vom Zivilprozess abweichendes Verfahren, das auf Schnelligkeit ausgelegt war und sich insofern von diesem unterschied, wie die folgenden Beispiele belegen: Gemäß Art. VI wurde nach Einlegen der Klage die Sache grundsätzlich in der nächsten ordentlichen Sitzung verhandelt. Daneben konnte gemäß dieser Vorschrift, sofern die Beschaffenheit des Streits dies verlangte, bereits vorher eine außerordentliche Sitzung einberufen werden. Sofern mündlich verhandelt wurde, musste der Kläger oder sein Anwalt gemäß Art. VII die Forderung kurz und förmlich darlegen. Nachdem im An­ schluss der Beklagte eine Stellungnahme abgeben konnte, waren die Richter angehalten, die Parteien zu einer gütlichen Einigung zu bewegen, damit die Streitigkeit in Kürze, also ohne langen, schriftlichen Prozess, erledigt werden konnte, vgl. Art. VII. Sofern die Beweiserhebung durch Urkunden oder Zeugen erfolgte, hatte das Merkantil- und Bancogericht gemäß Art. IX vor der Aufnahme der ­Beweise prüfen, ob solche überhaupt notwendig waren, um eine unnötige ­Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden. Die Parteien konnten sich gemäß Art. IV der Ordnung vor dem Gericht von einem Anwalt vertreten lassen, sofern sie das wollten. Es gab jedoch keinen Anwaltszwang. Ausnahmsweise konnte gemäß Art. VIII der Merkantil- und Bancoge­ richtsordnung schriftlich verfahren werden. Das war gemäß dieser Vorschrift möglich, wenn die Sache keine Nürnberger Kaufleute betraf oder schlicht­ weg die Parteien so verfahren wollten. Auch das schriftliche Verfahren war auf Schnelligkeit ausgelegt, vgl. Art. VIII. So sollten die Parteien bzw. deren Anwälte gemäß Art. VIII kurze und summarische Schriftsätze abfassen, wo­ bei höchstens zwei Schriftsätze gewechselt werden konnten. Das Einlegen einer Appellation gegen ein Urteil des Merkantil- und Ban­ cogerichts war gemäß Art. XVI grundsätzlich zulässig115. Erstaunlicherweise finden sich hier keine Beschränkungen. Es wurde keine kurze Einlegungsfrist bestimmt. Ferner wurde die Appellation nicht für Streitigkeiten mit geringen Streitsummen ausgeschlossen. So konnte theoretisch die erstinstanzlich un­ 114  Über das Verfahren beim Marktgewölbe ist bis zum Beginn des 19. Jahrhun­ derts wenig bekannt, vgl. ebd., S. 50. 115  Zum Streit, welches Gericht für Appellationen des Merkantil- und Bancoge­ richts zuständig war, siehe Rehm, S. 15.



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terlegene Partei, um das Verfahren in die Länge zu ziehen, uneingeschränkt Appellation einlegen. 4. Wechselordnung von 1722 In der Wechselordnung von 1722 finden sich Bestimmungen zum Merkan­ til- und Bancogericht116, die allerdings lediglich die Vorschriften der Mer­ kantil- und Bancogerichtsordnung bestätigten. So normierte Kapitel 10 § 1 der Wechselordnung erneut die Gerichtsbarkeit der Marktvorsteher im Marktgewölbe, die grundsätzlich auf eine gütliche Einigung abzielte. Statt der Marktvorsteher konnten gemäß Kapitel 10 § 1 aber auch andere, unpar­ teiische Kaufleute zu Schiedsrichtern ernannt werden. Die Wechselordnung konstatierte in Kapitel 10 § 1 nochmals, dass beim Merkantil- und Bancoge­ richt summarisch verfahren und die gerichtliche Entscheidung schnellstmög­ lich herbeigeführt werden sollte. 5. Resümee Mit dem Merkantil- und Bancogericht wurde in Nürnberg ein selbständi­ ges, staatliches Gericht geschaffen, das den restlichen Gerichten der Stadt gleichgestellt war. Allerdings war dessen Einrichtung keine Neugründung, sondern lediglich eine Erweiterung der Befugnisse des vormaligen Bancoam­ tes. Die Ordnung der Handelsgerichtsbarkeit in Nürnberg blieb bis zum aus­ gehenden 18. Jahrhundert in dieser Form bestehen. Erst im Jahr 1804 erfolgte eine Reform117.

II. Württemberg (Stuttgart) Im Vergleich zu Nürnberg entstand in Württemberg erst deutlich später ein besonderes Gericht für Handelssachen. So wurde aufgrund einer Wechselund Wechselgerichtsordnung in der Hauptstadt Stuttgart 1759 ein Wechselge­ richt eröffnet118. Es blieb die einzige besondere Einrichtung für Handels­ sachen in Württemberg. Die Ordnung bestand aus neun Kapiteln, wobei die ersten vier Kapitel dem materiellen Wechselrecht gewidmet waren und die restlichen Kapitel prozessuale Regelungen für das Wechselgericht enthielten. 116  Abgedruckt bei Meißner, Band 1, S. 250 ff. Im Folgenden: Wechselordnung von 1722. 117  Siehe S. 175 ff. 118  Vgl. dazu das Kapitel 5 der Wechsel- und Wechselgerichtsordnung vom 24. März 1759, abgedruckt bei Reyscher, S. 529 ff. Im Folgenden: Wechsel- und Wechselgerichtsordnung von 1759.

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1. Besetzung Das Wechselgericht war gemäß Kapitel 5 §§ 2, 3 der Wechsel- und Wech­ selgerichtsordnung mit einem Präsidenten und acht Beisitzern besetzt119. Der Präsident sowie drei der Beisitzer waren Ratsmitglieder120. Zwei weitere Beisitzer waren höhere Beamte121. Die restlichen drei Beisitzer wurden dem Gericht aus dem Handelsstand zugewiesen. Es finden sich keine Hinweise, nach welchen Kriterien diese aus dem Handelsstand ausgewählt wurden. Gleiches galt für die Anforderungen an die Ratsmitglieder. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob sie vom Kaufmannsstand selbst gewählt wurden. Ferner enthielt die Ordnung keine Bestimmungen zur Beschlussfähigkeit122. Mit dem Merkantil- und Bancogericht hatte das Wechselgericht teilweise Ähnlichkeiten. Nach beiden Ordnungen wurden Ratsmitglieder eingesetzt. Ferner beteiligte man Kaufleute, um den Sachverstand aus der Praxis einzu­ bringen. 2. Zuständigkeit Gemäß Kapitel 5 § 5 der Wechsel- und Wechselgerichtsordnung konnte vor dem Gericht jeder verklagt werden, der einen Wechselbrief ausgestellt hatte. Um die Eigenheiten des Wechselgerichts zu verstehen, muss kurz be­ trachtet werden, was unter einem Wechsel verstanden wurde123: „Der Wechsel ist eine Verschreibung, durch welche der Aussteller gegen eine darin bezeichnete Person (den Nehmer) sich verpflichtet, ihr oder demjenigen, welcher durch den Gang des Wechselgeschäfts an ihrer Stelle dazu berechtigt sein wird, eine gewisse Summe zu einer bestimmten Zeit an einem gewissen Orte, entweder durch eine dritte Person zahlen zu lassen oder selbst zu bezahlen, und welche durch ihre Fassung sich als ein Dokument ausweist, aus welchem das Wechselverfahren erfolgt.“

Der Wechsel ermöglichte bargeldlose Zahlungen und wurde überwiegend im Handelsverkehr als Zahlungsmittel eingesetzt124. So konnte einerseits im Zweipersonenverhältnis vereinbart werden, dass der Wechselbrief wie ein 119  Im restlichen Gebiet Württembergs wurden keine selbständigen Gerichte ge­ gründet, sondern lediglich Kommissionen eingesetzt, die nur mit Beamten besetzt wurden, aber für Wechselstreitigkeiten zuständig waren und nach der Wechsel- und Wechselgerichtsordnung verfahren sollten, vgl. Kapitel 5 §§ 7, 8. 120  Gemäß Kapitel 5 §§ 2, 3 der Wechsel- und Wechselgerichtsordnung Ratsmit­ glieder des Herzoglichen Regierungsrates bzw. des Ober-Hof-Marchaln-Amtes. 121  Der sogenannte Ober-Auditor und der Statt-Ober-Amtmann, vgl. ebd. 122  Es findet sich auch keine Sekundärliteratur zu den aufgeworfenen Fragen. 123  Noback, S.  38 f. 124  Ebd., S.  5 ff.



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verstärkter Schuldschein wirken sollte, indem er nicht abgetreten werden konnte125. Andererseits konnte eine Wechselurkunde auch mehrere Beteiligte umfassen126. Es konnten Wechselbriefe durch Weitergabe in Umlauf gebracht werden, wodurch die Zahlungsansprüche des Gläubigers gegen den Schuld­ ner an eine andere Person übertragen werden konnten. Ein solcher Wechsel­ brief war somit als bargeldloses Zahlungsmittel für ein weiteres Rechtsge­ schäft eines Kaufmanns einsetzbar. Wechsel waren ein ganz elementarer Bestandteil des Handelsverkehrs im 18. Jahrhundert. Wechselstreitigkeiten waren damit ein Teilbereich der Han­ delsstreitigkeiten, wie bereits die Nürnberger Wechselordnung von 1722 ge­ zeigt hatte127. Es lassen sich in der Württembergischen Ordnung allerdings keine Regelungen auffinden, nach denen das Wechselgericht für sonstige Handelsstreitigkeiten zuständig war. Die Einrichtung ist damit als reines Wechselgericht und nicht als allgemeines Handelsgericht zu klassifizieren. Darin zeigt sich ein ganz wesentlicher Unterschied zum Merkantil- und Ban­ cogericht in Nürnberg, dessen Zuständigkeit weiter gefasst war. Übereinstim­ mend war lediglich, dass auch dort Streitigkeiten in Wechselsachen verhan­ delt wurden128. 3. Verfahren Das Wechselgericht erhielt eine eigenständige Prozessordnung. Auch am Wechselgericht war das Verfahren auf Schnelligkeit ausgelegt, wie folgende Beispiele zeigen. Mit dem Verfahren beim Merkantil- und Bancogericht ist der Wechselprozess letztendlich dennoch kaum vergleichbar, da letzterer nicht so vielfältig war, indem er nur ein Teilbereich der Handelsstreitigkeiten umfasste. Kennzeichnend für den Wechselprozess waren kurze Fristen, etwa bei der Klageerhebung. Der Kläger musste gemäß Kapitel 6 § 1 die Streitsache schriftlich oder mündlich beim Wechselgericht einlegen und eine beglaubigte Abschrift des Wechsels vorlegen. Daraufhin wurde gemäß Kapitel 6 § 2 in­ nerhalb kürzester Zeit ein Gerichtstermin angesetzt129. Das Verfahren war einfacher als in sonstigen Handelsstreitigkeiten. So kam es nicht wirklich zu einer Verhandlung, da der Beklagte entweder die eigener Wechsel, vgl. Schierlinger, S. 43, 51 f. gezogener Wechsel, hierzu und zum Folgenden vgl. ebd., S. 43 ff. 127  Vgl. S. 51. 128  Siehe ebd. 129  In der Stadt innerhalb von drei Tagen, auf dem Land innerhalb von acht Tagen, vgl. Kapitel 6 § 2 der Wechsel- und Wechselgerichtsordnung. 125  Sog. 126  Sog.

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Forderung anerkennen oder alternativ eidlich schwören konnte, dass er das Dokument (den Wechselbrief) nicht geschrieben bzw. unterschrieben hatte, vgl. Kapitel 6 § 5 der Ordnung. In letzterem Fall war er dann gemäß dieser Vorschrift von der Forderung befreit. Sofern er diese anerkannt hatte, bestand noch die Möglichkeit, durch den Beweis mit Urkunden eine Einrede/Einwen­ dung geltend zu machen, die dann vom Gericht auf ihre Richtigkeit geprüft wurden, vgl. Kapitel 6 § 8 ff. der Ordnung130. Den Großteil der Prozessvor­ schriften bildeten deshalb die potentiellen Einreden und Einwendungen. Hinsichtlich der Beweiserhebung schränkte die Wechselgerichtsordnung die Möglichkeiten der Parteien ein. So konnten die beiden Parteien gemäß Kapitel 6 § 21 grundsätzlich nur Urkunden vorlegen. Der Zeugenbeweis oder andere, ausführliche Formen der Untersuchung, waren beim Wechselgericht ausgeschlossen. Es waren damit weniger Beweismittel zugelassen als beim Merkantil- und Bancogericht. Das ist auf den Charakter des Wechselprozes­ ses zurückzuführen, da Beweismittel neben den Urkunden nicht förderlich waren. Aufgrund des einfachen Prozesses war auch keine anwaltliche Vertre­ tung vorgesehen. Sofern der Kläger dennoch in Wechselsachen eine genauere Untersuchung wünschte, wurde das Verfahren an die ordentlichen Gerichte verwiesen, vgl. Kapitel 6 § 5. 4. Resümee Das Wechselgericht in Stuttgart war ein reines Wechselgericht, da es ledig­ lich für Streitigkeiten in Wechselsachen zuständig war. Es kann nicht als allgemeines Handelsgericht eingestuft werden, da ihm die Zuständigkeit für sonstige Handelsstreitigkeiten fehlte. Da die Wechselgeschäfte jedoch einen Teil des Handels bildeten und deshalb überwiegend Streitigkeiten zwischen Kaufleuten vor dem Gericht entschieden werden mussten, ist es für die vor­ liegende Arbeit relevant, da es die Vielfältigkeit der deutschen Handelsge­ richtsbarkeit aufzeigt. Was die Befugnisse des Gerichts anbelangt, insbeson­ dere in Angelegenheiten der Beweiserhebung, erinnert es teilweise an das Nürnberger Bancoamt, das den ordentlichen Gerichten nicht gleichgestellt war. Anders als in Nürnberg, wo die Kompetenzen durch die Umwandlung zum Merkantil- und Bancogericht erweitert wurden, blieb es bei den darge­ stellten Regeln für das Wechselgericht. Das Gericht in Stuttgart blieb bis zum Ende des 18. Jahrhunderts das einzige Gericht seiner Art in Württem­ berg131. Es wurde nicht zu einem allgemeinen Handelsgericht umgewandelt. 130  Zur Möglichkeit der Wiederklage siehe Kapitel 8 der Wechsel- und Wechselge­ richtsordnung.



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III. Bayern (München) Auch in Bayern wurde erst deutlich später als in Nürnberg ein besonderer Spruchkörper gegründet. In München wurde 1776 ein Wechselgericht einge­ richtet, das 1785 bestätigt und zu einem Wechsel- und Merkantilgericht er­ weitert wurde. Hintergrund war der Erlass einer Wechselordnung zusammen mit einer Wechselgerichtsordnung durch den bayerischen Kurfürsten am 1. Juli 1776132. Als Begründung wurde angeführt, dass die Kaufleute eine Sonderbehandlung verdienten, indem deren Streitigkeiten schneller als vor den ordentlichen Ge­ richten geklärt werden sollten133. Nachdem bereits beispielshaft das Wechsel­ gericht in Württemberg dargestellt wurde und der bayerische Gesetzgeber knapp zehn Jahre später das Gericht umwandelte, wird es bloß in Grundzügen beschrieben. Der Spruchkörper zeigt ansatzweise Parallelen zu dem Wechsel­ gericht in Württemberg. So wurden wie in Württemberg gemäß Titel 1 § 2 Kaufleute als Richter hinzugezogen134. Diese wurden auch ernannt und nicht gewählt135. Anders als das Wechselgericht in Württemberg hatte der Spruchkörper in München allerdings zunächst drei Stufen, in der Ordnung Instanzen genannt, vgl. Ti­ tel 1 § 2, Titel 2 § 1, Titel 3, wobei sich die zweite und dritte Instanz inner­ halb kürzester Zeit auflösten, wie das nachfolgende Kapitel zeigen wird. Die Zuständigkeit beschränkte sich gemäß dem Titel 1 § 1 der Ordnung auch auf Streitigkeiten in Wechselsachen. Sonstige Handelssachen waren nicht erfasst. Das Verfahren war summarisch (Titel 1 § 9). Um Prozesse nicht in die Länge zu ziehen, mussten Appellationen gemäß Titel 1 § 2 innerhalb von acht Ta­ gen eingelegt werden. Die am 24. November 1785 erlassene Wechsel- und Merkantilgerichtsord­ nung136 bestätigte die bestehenden Regeln der Wechselgerichts-Ordnung von 131  Ein vergleichbares, reines Wechselgericht gab es auch in der Churpfalz (Mann­ heim), vgl. Artikel 65 der Churpfälzischen Wechselordnung von 1726; abgedruckt bei Siegel, S.  392 ff. 132  Abgedruckt bei Zimmerl, 1. Band 1. Abteilung, S. 188 ff. im Folgenden: Wech­ sel- und Wechselgerichts-Ordnung von 1776. Vgl. zur Entstehung der Handels- bzw. Wechselgerichtsbarkeit in Bayern insbesondere auch Silberschmidt, Die dt. Sonderge­ richtsbarkeit, S.  32 ff. 133  Vgl. dazu die Einleitung Wechsel- und Wechselgerichts-Ordnung von 1776. 134  Den Vorsitz hatte ein Bürgermeister, vgl. die Verordnung vom 20. September 1776, abgedruckt in der Sammlung der Wechselgesetze für das Königreich Bayern, S.  116 ff. 135  Ebd. 136  Abgedruckt bei Meißner, Bd. 1, S. 197 ff. Im Folgenden: Wechsel- und Mer­ kantilgerichtsordnung von 1785.

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1776 überwiegend und modifizierte sie an einigen Stellen. Auffallend ist die Umbenennung des Wechselgerichts in Wechsel- und Merkantilgericht. Doch war das Gericht fortan auch für allgemeine Handelssachen zuständig? 1. Besetzung Hinsichtlich der Richter zeigen sich personell kaum Unterschiede zur Ord­ nung von 1776. Allerdings wurde der Vorsitzende in der ersten Instanz statt Wechselrichter nun Wechsel- und Merkantilrichter genannt, vgl. Kapitel 2 § 1 der Ordnung von 1785137. Das Gericht war gemäß Kapitel 8 § 1 in erster Instanz beschlussfähig, wenn neben diesem Vorsitzenden vier Beisitzer an­ wesend waren, die auch ein Stimmrecht hatten. Insgesamt hatte das Gericht fünf Beisitzer und zwei Ersatzpersonen, die alle dem Münchener Kaufmanns­ stand entnommen wurden, vgl. Kapitel 2 § 1. Die Kaufleute wurden nicht gewählt, sondern vom Landesherrn bestimmt, wie sich aus der gleichen Vorschrift ergibt138. Eine Beteiligung von Juristen war nicht vorgesehen139. Das Wechsel- und Merkantilgericht zweiter Instanz, das 1801 wieder aufge­ hoben wurde, bestand hingegen für die kurze Zeit seiner Existenz aus Kauf­ leuten und Juristen140. Die dritte Instanz war nicht von Bedeutung, da sie bereits 1787 und damit nur zwei Jahre nach Erlass der Wechsel- und Mer­ kantilgerichtsordnung aufgehoben wurde141. 2. Zuständigkeit Die Ordnung bestätigte das Gericht als Wechselgericht: So sollten alle Streitigkeiten dort geführt werden, die Wechselbriefe betrafen oder eine sonstige Verbindung zu Wechselgeschäften hatten, vgl. Kapitel 1 § 1. Die Regelung differenzierte in Wechselsachen weder zwischen Kaufleuten und Privaten noch zwischen Fremden und Einheimischen. Die Zuständigkeit in Wechselsachen war somit zunächst durch sachliche Kriterien bestimmt. Kurze Zeit später reduzierte man die Wechselfähigkeit allerdings auf Kauf­ 137  Vgl.

die Verordnung vom 20. September 1776. die Ernennungen ebd. 139  Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Vorsitzende Jurist sein musste. 140  Beteiligt waren als Richter unter anderem Justizräte, vgl. Titel 2 § 1 der Wech­ sel- und Wechselgerichts-Ordnung von 1776. Die Aufhebung erfolgte durch Verord­ nung vom 27. Mai 1801, abgedruckt in Sammlung der Wechselgesetze für das König­ reich Bayern, S. 133. Hierzu und zum Folgenden auch Silberschmidt, Die dt. Sonder­ gerichtsbarkeit, S. 33. 141  Durch Verordnung vom 11. Mai 1787, abgedruckt in Sammlung der Wechsel­ gesetze für das Königreich Bayern, S. 126 f. 138  Vgl.



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leute142. Damit konnten auch nur noch solche vor dem Gericht wegen Wech­ selgeschäften verklagt werden. Ferner deutete sich in der Ordnung an, dass neben Wechselstreitigkeiten auch andere Handelsstreitigkeiten vor das Gericht gebracht werden konnten: Kapitel 1 § 2 Wechsel- und Merkantilgerichtsordnung von 1785: „[Streitigkeiten,] die sich zwischen allen in Unsern gedachten Ländern und Herrschaften ansässigen berechtigten oder tolerirten sowohl, als in den Jahrmärkten hier anwesenden frem­ den Kaufleuten, Negotianten oder Gewerbern in Mercantilsachen ergeben können […] untersucht und verbescheidt werden sollen.“

Das personelle Zuständigkeitskriterium war die Zugehörigkeit zu einer der genannten Berufsgruppen143. In sachlicher Hinsicht musste eine Merkantil­ sache vorliegen. Die Ordnung bestimmte diesen Begriff nicht weiter. Deshalb definierte der Gesetzgeber den Begriff der Handelsstreitigkeit nur kurze Zeit später genauer, da es vielfach Streitigkeiten144 aufgrund der Auslegung dieser Vorschrift gegeben hatte145: Verordnung vom 18. Mai 1789: „Unter Merkantil-Sachen sind nur diejenigen Sa­ chen zu verstehen, welche nicht soviel aus allgemeinen Rechts-Prinzipien, als nur unter Handelsleuten allein üblichen Sätzen und Gebräuchen entschieden werden.“

Auch bei dieser Bestimmung handelte es sich um eine recht ungenaue Definition der Merkantilsache, da nur schwer greifbar war, welche Sachen nicht durch Normen, sondern kaufmännische Gewohnheiten zu entscheiden waren. Deshalb erließ man Anfang des 19. Jahrhunderts weitere Verordnun­ gen, um die Zuständigkeit genauer zu bestimmen146. Aus einer Verordnung vom 5. März 1804 lässt sich entnehmen, dass das Wechsel- und Merkantil­ gericht zum Ende des 18. Jahrhunderts keinesfalls ein allgemeines Handels­ gericht war, wie etwa das Merkantil- und Bancogericht in Nürnberg. Viel­ mehr sollten ausschließlich folgende Geschäfte erfasst sein147: „Irrungen aus Konten, Beschwerden über die Quantität und Qualität gelieferter Waaren, Speditions-Differenzen, und Streitsachen, welche aus Societäts-Verträgen in Handlungsgeschäften entstehen.

142  Auch in dieser Verordnung vom 11. Mai 1787. Ferner in der Verordnung vom 19. Juli 1787, die den Kreis der Wechselfähigkeit etwas erweiterte. Die letztgenannte Verordnung ist abgedruckt bei Moritz, S.  41 f. 143  Siehe hierzu auch Kletke, S.  18 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbar­ keit, S. 37 ff.; ausführlich auch Henle. 144  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 37 ff.; Henle. 145  Verordnung vom 18. Mai 1789, abgedruckt bei Moritz, S. 71. 146  Siehe dazu ausführlich dazu S. 183 ff. Zu den Zuständigkeitsproblemen vgl. auch Rehm, S.  195 f.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 38 ff.; Henle. 147  Verordnung vom 5. März 1804, abgedruckt bei Moritz, S.  71 f.; Kletke, S.  18 f.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

Die Kompetenz des Wechselgerichts in Merkantilsachen ist daher blos auf diese Gegenstände beschränkt […].“

Beide Absätze belegen, dass die Hauptaufgabe des Gerichts die Entschei­ dung in Wechselstreitigkeiten war. Der erste Absatz, der die Handelssachen nannte, die im Streitfall verhandelt werden konnten, umfasste nur einen klei­ nen Teil der Geschäfte, die im Handelsverkehr auftraten148. Auch die Be­ zeichnung im zweiten Absatz als „Wechselgericht“ ist diesbezüglich auffal­ lend und verdeutlicht, dass der Spruchkörper kein allgemeines Handelsgericht sein sollte. Es handelte sich also um ein Wechselgericht, das neben Wechselsachen in einem kleinen, abgrenzbaren Umfang auch Streitigkeiten in sonstigen Han­ delssachen entscheiden konnte. Aufgrund dieses lediglich kleinen Zuständig­ keitsbereichs kann das Wechsel- und Merkantilgericht als eine Mischform eingestuft werden, weshalb es zwischen dem Merkantil- und Bancogericht und dem Württemberger Wechselgericht einzuordnen ist. Es war für mehr Streitigkeiten im Handelsverkehr zuständig als das Stuttgarter Gericht. Den­ noch hatte es nicht die gleichen Befugnisse wie die Nürnberger Einrichtung. 3. Verfahren Wie auch bei den beiden zuvor untersuchten Gerichten enthielt die Ord­ nung ein eigenständiges Prozessrecht. Bei den Verfahrensvorschriften wird erneut deutlich, dass der Spruchkörper im Wesentlichen ein Wechselgericht war. So gab es in der Ordnung nur Regeln zum Prozess in Wechselsachen, nicht jedoch zu dem in allgemeinen Handelssachen. Insofern ähnelte sie der Württembergischen Ordnung. Zur Beschleunigung des Verfahrens bediente man sich ähnlicher Hilfsmittel wie in Stuttgart, beispielsweise durch kurze Fristen bei der Klageerhebung, vgl. Kapitel 3 § 1149. Die Vorschriften zum Wechselprozess konnten allerdings nicht wirklich für die wenigen Handels­ sachen, die vor dem Gericht verhandelt werden durften, angewendet werden, weil sie hierfür vollkommen unpassend waren150. Insbesondere war auch nach dieser Ordnung beispielsweise kein Beweis durch Zeugen oder Han­ delsbücher, die für den allgemeinen Handelsprozess elementar waren, vorge­ 148  Vgl. dazu etwa den Katalog der Merkantil- und Bancogerichtsordnung in Nürnberg, S. 48. 149  Auf einen ausführlichen Vergleich wird vorliegend verzichtet, da schon bei der Darstellung des Stuttgarter Wechselgerichts Vorschriften zum Wechselprozess erläu­ tert wurden, vgl. S. 53 und die Arbeit keinen Schwerpunkt auf die Wechselgerichts­ barkeit legen möchte. 150  Henle, S. 34.



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sehen151. Insofern unterschied sich die Ordnung von den Prozessvorschriften für das Nürnberger Merkantil- und Bancogericht. 4. Resümee Durch die Ordnung von 1785 wurde in München das vormalige Wechsel­ gericht in großen Teilen beibehalten. Die Bezeichnung „Wechsel- und Mer­ kantilgericht“ erweckt zwar den Eindruck, der Spruchkörper wäre gleicher­ maßen für Wechselsachen und allgemeine Handelssachen zuständig. Das Gericht kann jedoch hinsichtlich der Befugnis, in allen Handelssachen Recht zu sprechen, keinesfalls mit Handelsgerichten, wie etwa dem Merkantil- und Bancogericht, gleichgestellt werden. Zum einen wird das deutlich bei der sehr eingeschränkten Zuständigkeit in allgemeinen Handelssachen. Zum an­ deren zeigt sich diese Erkenntnis auch bei den fehlenden Vorschriften zum Verfahren. Trotzdem kann das Gericht aufgrund seines Charakters nicht voll­ ständig mit dem Wechselgericht in Stuttgart gleichgestellt werden, da ihm zumindest in geringem Maße Befugnisse in allgemeinen Handelssachen zu­ gesprochen wurden152.

IV. Regensburg In Regensburg findet sich mit dem Hansgrafenamt eine weitere Einrich­ tung, die einen vollkommen anderen Charakter hatte als die dargestellten Gerichte. 1. Anfänge des Hansgrafenamts Das Hansgrafenamt war nicht nur ein Spruchkörper für gewisse Handels­ streitigkeiten, sondern bis zu seiner Auflösung 1811 eine Behörde für den gesamten Handelsverkehr. Seine Anfänge sind umfassend, dennoch teils wi­ dersprüchlich erforscht153. Einigkeit besteht darüber, dass das Amt zumindest ab dem Ende des 12. Jahrhundert bestand154. Ursprünglich war der Hansgraf 151  Ebd.,

S. 34. ist vergleichbar mit dem Handelskollegium und Wechselgericht in Hanau, das in dessen Ordnung teilweise Handels- und Wechselgericht genannt wurde, vgl. dazu die Ordnung des Hochfürstlichen Hanauischen Wechselgerichts von 1737, abge­ druckt bei Meißner, S.  511 ff. 153  Zu den Anfängen siehe insbesondere Plato; Koehne, S.  7 ff.; Lößl, VHVO 1897, 11 ff.; Jäger, Jur. Magazin für die dt. Reichsstädte 1791, 30 ff. 154  Klebel, Jahresbericht IHK Regensburg 1952, 51; Koehne S. 7; Knapp, S.  60 f.; Jäger, Jur. Magazin für die dt. Reichsstädte 1791, 33. 152  Es

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der Vorstand der Fernhandelskaufleute bei deren Reisen zu größeren Märk­ ten, wo er sie umfassend vertrat155. Seine Befugnisse beschränkten sich auf die Leitung der aus den Großkaufleuten bestehenden Kaufmannsgenossen­ schaft, also der Hanse156. Die Kompetenzen wurden im Laufe der Zeit immer mehr erweitert, wodurch sich das Amt von einem Selbstverwaltungsorgan der Kaufleute hin zu einer städtischen Institution für den gesamten Handel der Stadt, insbesondere zu einer Polizeibehörde, einem Aufsichtsorgan und einem Spruchkörper in Streitsachen für Handel und Handwerk entwickelte157. Aufgrund der erlangten Befähigung, rechtsprechend tätig zu werden, entstand die Bezeichnung „Hansgericht“, die deckungsgleich mit Hansgrafenamt ver­ wendet wird158. 2. Methodisches Problem Eine umfassende Gerichtsordnung ist für das Hansgericht nicht auffindbar. Lediglich in einem Zeitungsartikel von 1791 finden sich wenige Vorschriften zum Verfahren beim Hansgericht, die allerdings keine vollständige Ordnung darstellen159. Problematisch an dieser Version ist zudem, dass sie keine Jah­ reszahl enthält. Dennoch spricht einiges dafür, dass die Vorschriften am Ende des 18. Jahrhunderts galten: So ist der Auszug in einem Aufsatz mit dem Titel „Ursprung und Verfassung des Regensburgischen Hansgrafenamtes“ im Juristischen Magazin von 1791 abgedruckt. Die Formulierungen im Artikel selbst, die alle im Präsens verfasst wurden, lassen darauf schließen, dass die beigefügte Ordnung zur Zeit der Veröffentlichung des Artikels noch bestand. Hinweise über die Zuständigkeit des Hansgerichts bietet die „Allgemeine erneuerte gerichtliche Prozessordnung der Stadt Regensburg“ aus dem Jahre 1741160 und teilweise die Wachtgedingsordnung von 1746161. Die Besetzung ist allerdings keiner der Ordnungen zu entnehmen. An dieser Stelle kann der erste Unterschied zu den zuvor untersuchten Gerichten aufgezeigt werden. Das Merkantil- und Bancogericht, das Wech­ selgericht und das Wechsel- und Merkantilgericht wurden jeweils ausdrück­ 155  Knapp,

S. 61; Lößl, VHVO 1897, 36; Plato, S.  19 f.; Schönfeld, S. 44. S.  12 ff. 157  Brennauer, Mitteilungen der IHK Regensburg 1968, 11; Lößl, VHVO 1897, 38; Plato, S. 20; Koehne, S.  18 f. 158  Knapp, S. 61; Brennauer, Mitteilungen der IHK Regensburg 1968, 11; Lößl, VHVO 1897, 60, 65. 159  abgedruckt bei Jäger, Jur. Magazin für die dt. Reichsstädte 1791, 38 ff. 160  „Des Heil. Röm. Reychs Freyen Stadt Regenspurg Erneuerte Gerichtliche Process-Ordnung“. Im Folgenden: Prozessordnung von 1741. 161  Abgedruckt bei Schugraf, VHVO 1845, 89 ff. Im Folgenden: Wachtgedingsord­ nung von 1746. 156  Koehne,



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lich durch den Stadtrat bzw. den Landesherren gegründet. Dafür erstellte man eigenständige Gerichtsordnungen, die Regelungen zur Besetzung, Zu­ ständigkeit und dem Verfahren der Spruchkörper enthielten. Das Hansgrafen­ amt hingegen wurde nicht ad hoc gegründet und mit einer entsprechenden Ordnung versehen. Vielmehr hatte es sich durch die Tätigkeit der Kaufleute und Handwerker selbst entwickelt. 3. Besetzung Der Hansgraf als Vorsitzender war, wie bei nahezu allen untersuchten Ge­ richten dieses Kapitels üblich, Ratsmitglied162. Ab dem Ende des 17. Jahr­ hunderts waren die Hansgrafen überwiegend Juristen163. Aufgrund der Aus­ dehnung der Aufgabenfelder wurde der Hansgraf von zwölf Beisitzern unter­ stützt, den „Ratsherren der Hans“ oder auch „Herren der Hans“164. Wie genau die Einsetzung des Hansgrafen erfolgte, ist nicht mit Gewissheit zu sagen. Es wird in der Literatur insbesondere die Ansicht vertreten, dass die Wahl durch ein Gremium erfolgte, das aus Ratsmitgliedern und Mitgliedern eines Bürger­ ausschusses bestand165. Die Hanseherren wurden gewählt166. Die Positionen besetzten nicht nur Fernhandelskaufleute, sondern Berufsträger aus allen Bereichen des Handels. So waren kleinere Händler, aber auch Brauer, Wirte oder Apotheker als Han­ seherren tätig167. Die Hanseherren repräsentierten damit den gesamten Re­ gensburger Handels- und Handwerkerstand. Nicht ersichtlich ist, in welcher Besetzung das Hansgrafenamt rechtsprechend tätig bzw. wann es beschluss­ fähig war. 4. Zuständigkeit Die ursprüngliche Zuständigkeit, die sich auf die Vertretung der Genossen­ schaft der Fernhandelskaufleute beschränkte, wurde erweitert, sodass das Hansgrafenamt ab dem 15. Jahrhundert für all das zuständig war, was zum Handel und Handwerk gehörte, wie folgende Beispiele zeigen168: 162  Klebel,

Jahresbericht IHK Regensburg 1952, 52 f. 52 f. 164  Lößl, VHVO 1897, 39; Koehne, S. 14; Klebel, Jahresbericht IHK Regensburg 1952, 51. 165  Koehne, S. 27; Klebel, Jahresbericht IHK Regensburg 1952, 53. 166  Ebd., 53. 167  Ebd., 52. 168  Brennauer, Mitteilungen der IHK Regensburg 1968, 11; Jäger, Juristisches Magazin für die dt. Reichsstädte 1791, 37. 163  Ebd.,

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

So war es Marktpolizei für die Wochen- und Jahrmärkte169. Es war für die Erhaltung und Verbesserung der Polizei-Ordnung zuständig170. Daneben war es als zentrale Wirtschaftsstelle der Stadt mit allgemeinen Dingen des Han­ dels und des Handwerks, wie dem Bau von Verkaufs- bzw. Lagerhallen171 oder der Festlegung von Preisen beauftragt172. Ferner hatte das Hansgericht legislative Aufgaben, etwa den Erlass von Ordnungen für die einzelnen Handwerke, die allerdings die Zustimmung des Rats voraussetzten173. Ge­ rade in diesen Punkten unterschied sich das Hansgrafenamt von den zuvor untersuchten Einrichtungen, die lediglich rechtsprechend tätig waren. Ledig­ lich das Bancoamt hatte zeitweise noch die Aufsicht über den Banco Pub­ lico174. Die für die vorliegende Untersuchung wichtige Funktion des Hansgerichts war die des Spruchkörpers in Streitigkeiten, die Handel und Handwerk betra­ fen175. So bestimmte Titel I § 4 der Prozessordnung von 1741, dass Streitig­ keiten, die beim Kauf und Verkauf von Waren auf dem Markt entstanden, vom Hansgericht entschieden werden sollten, sofern dies ohne besondere Weitläufigkeit und eidliches Zeugenverhör möglich war. Die Zuständigkeit war damit beschränkt auf Marktstreitigkeiten, die summarisch entschieden werden konnten. Für sonstige Streitigkeiten, die außerhalb von Märkten in Handelssachen entstanden oder nicht summarisch geklärt werden konnten, selbst wenn beide Parteien Kaufleute waren, war das Stadtgericht zuständig, vgl. Titel I § 4 dieser Prozessordnung176. Eine wichtige Aufgabe des Hans­ gerichts war außerdem die Klärung von Streitigkeiten, die das Handwerk betrafen177. Die Zuständigkeit des Hansgerichts in der Judikative war damit auf Markt­ streitigkeiten beschränkt, die ohne große prozessuale Hilfsmittel geklärt werden konnten. Damit kann es, selbst wenn man lediglich auf die rechtspre­ chende Tätigkeit abstellt, nicht als allgemeines Handelsgericht bezeichnet werden, da es als Spruchkörper nur für einen kleinen Teil der Handelsstrei­ 169  Lößl,

VHVO 1897, 65. Juristisches Magazin für die dt. Reichsstädte 1791, 42. 171  Lößl, VHVO 1897, 77; Klebel, Jahresbericht IHK Regensburg 1952, 52. 172  Kapitel IV § 3 der Wachtgedingsordnung von 1746. 173  Siehe Lößl, VHVO 1897, 90 ff. 174  Vgl. S. 46 f. 175  Zur Zuständigkeit auch Lößl, VHVO 1897, 116 ff. 176  Davon ausgenommen waren Auseinandersetzungen zwischen Kaufleuten und Krämern, die lediglich durch Anwendung der Kramer-Bruderschafts-Ordnung zu klä­ ren waren, wofür auch das Hansgericht zuständig war, vgl. Titel 1 § 4 der Prozessord­ nung von 1741. 177  Rehm, S. 207. 170  Jäger,



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tigkeiten zuständig war. Insbesondere war es nicht befugt, über Wechselsa­ chen zu entscheiden. 5. Verfahren Das Verfahren des Hansgerichts war, wie auch bei den anderen besonderen Spruchkörpern des 18. Jahrhunderts für den Handel üblich, auf Schnelligkeit ausgelegt. So sollte es zweimal pro Woche tagen, wobei in dringenden Fällen außerordentliche Sitzungen einberufen werden konnten178. An den Gerichts­ tagen mussten vorrangig die eiligen Sachen entschieden werden, was der Hansgraf aufgrund der von ihm aufgezeichneten Tagesordnung nach seinem Ermessen beschloss179. Wie bei der Darstellung der Zuständigkeit schon er­ läutert, war das Verfahren summarisch. Das Hansgrafenamt hatte aber nicht die gleichen Befugnisse wie die or­ dentlichen Gerichte der Stadt. Wenn bei einer Streitsache bereits zu Beginn des Verfahrens erkannt wurde, dass eine eidliche Vernehmung von Zeugen vorzunehmen war, musste das gesamte Verfahren gemäß Titel I § 6 der Pro­ zessordnung von 1741 an das Stadtgericht verwiesen werden. Diese Vor­ schrift regelte auch, dass sofern sich erst im Laufe des Prozesses vor dem Hansgericht herausstellte, dass Zeugen als Beweismittel nötig waren bzw. dass von einer Partei beantragt wurde, die Sache nur für die Ablegung des Eids an das Stadtgericht zu bringen und dann wieder an das Hansgericht zurück zu führen war. Aus Titel I § 6 der Prozessordnung von 1741 ergibt sich ferner, dass das Verfahren schriftlich oder mündlich geführt werden konnte. Weitere Verfahrensgrundsätze, insbesondere bezüglich Punkten wie der anwaltliche Vertretung, können der Prozessordnung und auch der Sekundär­ literatur nicht entnommen werden180. 6. Resümee Das Kapitel hat gezeigt, dass das Hansgericht kein reiner Spruchkörper in Handelssachen war. Vielmehr war es eine Behörde für den Handel und hatte auch Befugnisse außerhalb der Rechtsprechung. In der rechtsprechenden Tätigkeit war es nicht selbständig, sondern teilweise auf das Stadtgericht 178  Jäger,

Jur. Magazin für die dt. Reichsstädte 1791, 39. 42 f. 180  Insbesondere galt Titel I § 8 der Prozessordnung von 1741, der Verfahrensvor­ schriften enthielt, nur für das Stadtgericht, wie sich aus der Überschrift dieses Titels ergibt. 179  Ebd.,

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

angewiesen. Es hatte damit weniger Befugnisse als dieses. Vergleichbar mit dem Hansgericht war lediglich ansatzweise das Bancoamt, bevor es zum Merkantil- und Bancogericht umgewandelt wurde. Dieses hatte ebenfalls Aufgaben außerhalb der Rechtsprechung und war auch nicht berechtigt, weitgehendere Prozesshandlungen wie Zeugenvernehmungen durchzuführen. Auch die beiden Wechselgerichte waren hierzu nicht befugt, jedoch aus an­ derem Grund. Der Zeugenbeweis war in Wechselsachen überwiegend unnö­ tig, da sich der Beweis aus der Wechselurkunde selbst ergab. Das Hansgericht entwickelte sich aber, bis es 1811 aufgelöst wurde, nicht zu einem selbstän­ digen Gericht, das die gleichen Befugnisse wie die sonstigen Gerichte der Stadt hatte.

V. Resümee zu den Staaten/Städten ohne Messen Die Untersuchung der Handelsgerichtsbarkeit in Handelsstädten ohne Messen zeigt, dass es eine Vielzahl verschiedener Einrichtungen gab, die in Handelssachen oder zumindest in Teilen davon rechtsprechend tätig waren. 1. Entstehung von Sondergerichten Sondergerichte oder Handelsbehörden waren eher die Ausnahme. In den meisten Städten war die Handelsgerichtsbarkeit innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit verankert, so beispielsweise in Augsburg181. Eigenständige Gerichtsinstanzen für Handelssachen waren in diesem Stadttypus regelmäßig nicht nötig. Im Fernhandel löste man die Streitigkeiten typischerweise außer­ gerichtlich im Rahmen von Schiedsverfahren, um durch eine gütliche Eini­ gung zwischen den Parteien die Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten. Für Stadtmärkte gab es Marktpolizisten oder vergleichbare Beamte, die für die Einhaltung der Marktordnung zuständig waren. Streitigkeiten wurden noch auf dem Markt geklärt. Das war beispielsweise auch in Köln der Fall, wo der Handel auf Kaufhäuser aufgeteilt war, in denen Ratsmitglieder sofort sum­ marisch Streitigkeiten zwischen den Marktbesuchern klärten182. Die Schieds­ gerichte bestanden neben den ordentlichen Gerichten und wurden höchstens staatlich anerkannt, wie in Nürnberg, ohne jedoch die gleichen Befugnisse zu erhalten wie etwa die Stadtgerichte. Selbst die untersuchten Sondergerichte bzw. Behörden waren überwiegend nicht auf einer Stufe mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit. So konnten das Augsburger Prozessordnung von 1771; abgedruckt bei Brinhauser. hierzu: Haertel, Geschichte in Köln 2007, 27 ff.; Ratjen, S. 52; Beemelmane, Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 1935, 11. 181  Vgl.

182  Ausführlich



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Hansgrafenamt oder das Wechselgericht in Stuttgart beispielsweise nicht selbst Zeugenvernehmungen oder ähnliche, weiterführende Mittel zur Wahr­ heitsfindung verwenden. Auch in Nürnberg war das Bancoamt zunächst diesbezüglich vom Stadtgericht abhängig und erlangte erst durch den Erlass der Merkantil- und Bancogerichtsordnung 1697 Selbständigkeit. Sonderge­ richte in Handelssachen waren also eher die Ausnahme und selbständige, von der ordentlichen Gerichtsbarkeit losgelöste Spruchkörper eine Seltenheit. 2. Besetzung Auch hinsichtlich der Besetzung kann kein einheitliches System heraus­ gearbeitet werden, das für Sondergerichte in Handelssachen in Städten und Staaten ohne Messen als typisch angesehen werden könnte. Einerseits gab es Gerichte, die mit Juristen und Kaufleuten besetzt waren, wie etwa das Mer­ kantil- und Bancogericht, andererseits existierten Gerichte ohne Beteiligung von Juristen, beispielsweise das Wechselgericht und das Wechsel- und Mer­ kantilgericht erster Instanz. Gemeinsam haben die meisten Gerichte die Ab­ hängigkeit vom Stadtrat bzw. dem Landesherrn. So waren die Vorsitzenden in der Regel Ratsmitglieder. Üblich war die Beteiligung von Kaufleuten, die als Richter und nicht nur als sachverständige Beisitzer agierten. Sie wurden eher ernannt als gewählt, was wiederum den staatlichen Einfluss zeigt. Le­ diglich in Regensburg und Nürnberg gab es ein Mitspracherecht des Kauf­ mannsstandes. Keinerlei Regelungen enthalten die Ordnungen zur Beschluss­ fähigkeit der Gerichte oder zu den Anforderungen an die Kaufleute. Diese beiden Punkte werden im Laufe der Arbeit, genauer gesagt nach Inkrafttreten des Code de commerce, noch von Bedeutung sein. 3. Zuständigkeit Der unterschiedliche Charakter der verschiedenen Einrichtungen zeigt sich beim Vergleich der Zuständigkeitsregeln am deutlichsten. So gab es mit dem Merkantil- und Bancogericht ein allgemeines Handelsgericht und mit dem Wechselgericht in Stuttgart ein reines Wechselgericht. Das Wech­ sel- und Merkantilgericht hingegen war ein Wechselgericht, das für eine kleine, begrenzte Zahl an allgemeinen Handelssachen zuständig war. Hin­ sichtlich der Befugnisse stand es damit zwischen den zwei erstgenannten, da es weder ein reines Wechselgericht, noch ein allgemeines Handelsgericht war. Das Hansgericht hingegen hatte einen vollkommen anderen Charakter, da es neben der Rechtsprechung in prozessual leichten Fällen auch noch andere Befugnisse im Handelsverkehr ausübte, die über die Judikative weit hinausgingen. Darüber hinaus war es lediglich ein Marktgericht und damit nur für einen Teil des Handels zuständig. Außerdem entschied es über An­

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

gelegenheiten des Handwerks, was bei den restlichen Gerichten nicht der Fall war. Die einzelnen Regelungen zur Zuständigkeit unterscheiden sich sowohl inhaltlich als auch systematisch. Nicht zwingend mussten sowohl personelle als auch sachliche Voraussetzungen erfüllt sein. Eine entsprechende Rege­ lung war nur beim Merkantil- und Bancogericht gegeben. Es wurde deutlich, dass gerade in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Wechselprozesse zugenommen hatten. Sie machten wohl zu dieser Zeit den Großteil der Streitigkeiten im Handelsverkehr aus. Das zeigt sich da­ durch, dass keine allgemeinen Handelsgerichte mehr gegründet wurden, sondern Wechselgerichte. 4. Verfahren Die untersuchten Einrichtungen erhielten alle ein eigenständiges Prozess­ recht, das vom Zivilverfahren abwich. Es lässt sich eine ganz wesentliche Gemeinsamkeit herausarbeiten: Die Schnelligkeit des Prozesses. In allen Streitigkeiten, die den Handel betrafen, sollte möglichst zügig eine Entschei­ dung getroffen werden, damit die Kaufleute nicht lange von ihren Geschäften abgehalten wurden und nicht zu lange wegen eines Prozesses in einer frem­ den Stadt verweilen mussten. Deshalb sollte das Verfahren diesbezüglich von dem Prozess bei den restlichen Gerichten, insbesondere den Stadtgerichten, abweichen. Hierfür bediente man sich teilweise der gleichen Mittel. Es wurde summarisch verfahren. Ferner musste grundsätzlich in der nächsten ordent­ lichen Sitzung über die Sache entschieden werden. Allerdings bestand die Möglichkeit, in dringenden Fällen auch außerordentliche Sitzungen einzube­ rufen. Ein weiteres Beispiel dafür ist, dass überwiegend kurze Fristen bei der Vorladung der Beklagten galten. Dennoch zeigen sich auch Abweichungen, die auf den unterschiedlichen Charakter der Gerichte zurückzuführen sind. So lief ein Wechselprozess gänzlich anders ab als ein Verfahren in sonstigen Handelssachen, da es nicht wirklich zu einer mündlichen Verhandlung kam. Deshalb waren auch weni­ ger Beweismittel zugelassen. Davon abzugrenzen waren wiederum einfache Marktstreitigkeiten, weshalb das Marktgewölbe oder auch das Hansgericht weniger Befugnisse hatten als die anderen Spruchkörper, da typischerweise keine tiefgreifenden juristischen Herausforderungen auftraten. Damit kann hinsichtlich des Verfahrens nur festgehalten werden, dass bei allen untersuchten Spruchkörpern schnelle Entscheidungen gewollt waren. Nur ansatzweise bediente man sich dafür vergleichbarer Verfahrensgrund­ sätze. So gab es beispielsweise bei Punkten wie der anwaltlichen Vertretung, die teilweise zugelassen und teilweise ausgeschlossen war, Abweichungen.



C. Seehandelsstädte67

Gleiches gilt für die Form des Verfahrens. So war dieses beispielsweise bei den Wechselgerichten zwingend mündlich, beim Hansgericht und Merkantilund Bancogericht auch schriftlich möglich.

C. Seehandelsstädte Nachdem sich bei den Staaten und Städten ohne Messen kein typisches Sondergericht für Handelssachen entwickelt hatte, stellt sich die Frage, ob es in Seehandelsstädten eine charakteristische Einrichtung gab. Eine besondere Gerichtsbarkeit in Handelssachen war für die Kaufleute aus den Seestädten bereits früh ein zentrales Thema, da sie durch die Schifffahrt Handel in vie­ len verschiedenen Ländern und Städten trieben, die weitgehend unterschied­ liche Gerichtsverfahren hatten183. Hierfür ließen sie sich regelmäßig unter Aufwendung erheblicher Ressourcen machtvolle Privilegien erteilen, die ih­ nen ein schnelles und gerechtes Verfahren in fremden Gebieten sicherte184. So hatte beispielweise Hamburg in Spanien und Portugal eine eigene Konsu­ largerichtsbarkeit185. Die Sonderbehandlung der Gerichtsbarkeit in See- bzw. Handelssachen war aber auch in den Seehandelsstädten selbst von Bedeu­ tung. Es werden die Städte Hamburg, Lübeck, Bremen und beispielhaft nord­ deutsche Städte in Preußen herausgegriffen, deren wirtschaftliche Entwick­ lung vom Seehandel geprägt war und deren Handelsgerichtsbarkeit analy­ siert. Es wird untersucht, ob und wie sich in diesen Städten bis Ende des 18. Jahrhunderts eine Sondergerichtsbarkeit für (See-)Handelssachen etabliert hat, die als für diese Art von Städten typisch angesehen werden kann.

I. Hamburg Zunächst wird die Entstehung einer Handelsgerichtsbarkeit in der Hanse­ stadt Hamburg dargestellt. Mit der Eröffnung des Admiralitätsgerichts im Jahre 1623 wurde erstmals eine eigenständige Gerichtsbarkeit in Seesachen etabliert. Die Behörde hatte eine Vielzahl von Aufgaben, die die Seefahrt der Stadt betrafen. Die Rechtsprechung in Seehandelssachen war nur ein Teil­ bereich davon. Die Zuständigkeit, das Verfahren und die Besetzung der Be­ hörde in ihrer rechtsprechenden Funktion haben sich im Laufe der Zeit ent­ wickelt, insbesondere durch veröffentlichte und unveröffentlichte Ratserlässe oder auch durch interne Anordnungen und Regelungen. Es existiert eine ausführlich: Cordes, in: Eine Grenze in Bewegung. S. 39. 185  Frentz, S. 283; Scherner, in: Eine Grenze in Bewegung, S. 130. 183  Hierzu 184  Ebd.,

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umfassende, aktuelle Untersuchung des Admiralitätsgerichts von Frentz, die die Vielzahl vorhandener Quellen eingehend aufgearbeitet hat, weshalb hier­ auf zurückgegriffen werden kann. Ferner besteht eine zeitgenössische Auf­ zeichnung des Schiff- und Seerechts von Langenbeck aus dem Jahre 1740, die sich auch über die Abläufe beim Admiralitätsgericht äußert. 1. Zuständigkeit vor Eröffnung des Admiralitätsgerichts Bevor man mit dem Admiralitätsgericht ein besonderes Organ schaffte, wurden die Handelsstreitigkeiten entweder bei den ordentlichen Gerichten entschieden oder außergerichtlich durch Vergleiche geklärt: Das Niederge­ richt war die unterste Instanz im Zivilrecht für Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 100 Mark186. Es war „für Handels- und Wechselsachen, Schiffs-, Fracht-, Versicherungs- und lange Zeit auch für Konkurssachen zuständig“187. Insbesondere erstreckte sich seine Zuständigkeit auf alle See­ handelsstreitigkeiten188. Das Verfahren war mündlich und öffentlich189. Daneben war in Seehandelsstreitigkeiten das Schiedsgerichtswesen von großer Bedeutung190. So war ganz allgemein ein Güteverfahren eine zwin­ gende Voraussetzung vor Erhebung einer Klage bei einem Hamburger Ge­ richt, sofern der Streitwert unter 30 Mark lag. In Seehandelssachen wurde das Schiedsverfahren „Dielenverfahren“ genannt und fand vor zwei Gerichts­ verwaltern, den Prätoren, statt. Es entstammte dem Gewohnheitsrecht und wurde erst 1724 gesetzlich geregelt. Die Ergebnisse des Schiedsverfahrens waren genauso durchsetzbar wie die Urteile der ordentlichen Gerichte. 2. Hamburger Admiralitätsgericht Vor Eröffnung des Admiralitätsgerichts191 war bereits eine Admiralschafts­ ordnung192 erlassen worden, deren Regeln allerdings nicht den Prozess der Einrichtung in ihrer rechtsprechenden Funktion ordneten.

186  Frentz,

S. 283; Scherner, in: Eine Grenze in Bewegung, S. 129. in: Eine Grenze in Bewegung, S. 129. 188  Frentz, S. 283. 189  Hierzu und zum Folgenden Scherner, in: Eine Grenze in Bewegung, S. 130. 190  Hierzu und zum Folgenden Frentz, S.  36 f., 69 f. 191  Zur Gründungsgeschichte siehe ebd., S. 277 ff. 192  Abgedruckt bei Langenbeck, S. 330 ff. Im Folgenden: Admiralschaftsordnung. 187  Scherner,



C. Seehandelsstädte69

a) Hintergrund Die Neuorganisation der Admiralität im Jahre 1623 beruhte zunächst nicht auf dem Gedanken, eine neue, selbständige Gerichtsinstanz zu etablieren. Vielmehr wurde der Seehandel Anfang des 17. Jahrhunderts durch Kaperun­ gen gehemmt, weshalb auf Vorschlag der Kaufleute der Rat die Einrichtung einer ständigen Admiralschaft veranlasste, die für die Sicherheit der Seekauf­ leute sorgen sollte193. Darüber hinaus erteilte der Rat gemäß § 2 der Admiral­ schaftsordnung dieser Einrichtung eine eingeschränkte Rechtsprechungs­ kompetenz. Die Admiralität war gemäß dieser Vorschrift nicht im eigenen, sondern im Namen des Hamburger Rates rechtsprechend tätig. Da diese Eingrenzung der Jurisdiktion hinderlich war, wurde von der Admiralität noch im selben Jahr eine vollständige Rechtsprechungskompetenz gefordert und vom Rat auch gebilligt194. So erfolgte die Gründung des Admiralitätsgerichts. Welche Prozessordnung für das Gericht galt, lässt sich nicht genau beantwor­ ten. Geordnet wurden die Abläufe insbesondere durch publizierte Gerichts­ ordnungen von 1603, 1622, 1632 und 1645, bzw. nicht publizierten Gerichts­ ordnungen von 1656, 1668 und 1711 oder auch von gemeinen Bescheiden des Admiralitätsgerichts selbst195. b) Besetzung Hinsichtlich der Besetzung werden im Folgen nur die Positionen darge­ stellt, die mit richterlichen Aufgaben betraut waren. Den Vorsitz über das Admiralitätsgericht hatte der Präses, der einer der Bürgermeister des Ham­ burger Rates war196 und im Jahrestakt neu eingesetzt wurde197. Typischer­ weise waren die Bürgermeister studierte Juristen198. Daneben wies man dem Gericht gemäß § 2 der Admiralschaftsordnung noch vier Ratsherren zu. Zwei 193  Vgl. dazu die Einleitung der Admiralschaftsordnung; zu den administrativen Aufgaben siehe Wehrmann, Lübeckische Blätter 1900, 620. 194  Frentz, S. 292. 195  Eine umfassende Auswertung der Quellen liefert Frentz, S. 12 ff. Die Gerichts­ ordnungen von 1622, 1632, 1645 und der Entwurf der Gerichtsordnung von 1711 sind abgedruckt bei Anderson, Hamburgisches Privatrecht. Auch die unveröffentlich­ ten Gerichtsordnungen, insbesondere diejenige von 1711, sind von Relevanz, da sie in den Prozessen beim Admiralitätsgericht dennoch, teilweise sogar unmittelbar, an­ gewendet wurden, vgl. Frentz, S. 26. 196  § 2 der Admiralschaftsordnung. Entweder der 2. oder 3. Bürgermeister der Stadt, die insgesamt 4 Bürgermeisterstellen hatte, vgl. Frentz, S. 43 f. Darstellung der Besetzung auch bei Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 142. 197  Langenbeck, S. 311 f.; häufiger dauerte die Amtszeit auch länger, vgl. Frentz, S. 43. 198  Ebd., S.  43 f.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

davon waren studierte Juristen und die anderen zwei Kaufleute mit Erfah­ rung im Seehandel199. Ferner wurden sechs Bürger der Hamburger Kauf­ mannschaft zusammen mit zwei sogenannten Schifferalten, die erfahrene Seefahrer sein mussten, berufen200. Das Gericht bestand also aus Juristen und Kaufleuten. Man nahm bei der Bestimmung der Kaufleute Rücksicht darauf, dass der Handel der Stadt von der Seefahrt dominiert war, indem die kauf­ männischen Vertreter des Rates und die Schifferalten diesbezüglich Erfah­ rung haben mussten. Auch an die sechs Vertreter der Kaufmannschaft stellte man die Anforderung, dass sie „redliche und des See-Handels wohl erfahrne Bürger“201 waren. Weitere Voraussetzungen, etwa das Erreichen eines gewis­ sen Alters oder ein besonderes Ansehen im Handelsstand waren nicht vor­ gegeben. In welcher Besetzung das Gericht beschlussfähig war, war nicht genauer bestimmt. c) Zuständigkeit Da für das Admiralitätsgericht verschiedenste Gerichtsordnungen bestan­ den, die teilweise veröffentlicht wurden, teilweise aber auch unveröffentlicht blieben, gab es mehrere Zuständigkeitsregelungen. Dennoch belegt folgendes Beispiel, dass es in seiner rechtsprechenden Funktion für alle See- und Ad­ miralitätssachen zuständig war202: Titel 16 Art. 14 der unveröffentlichten Gerichtsordnung von 1711: „Es sollen aber in dieses Gericht keine andere, als See- und Admiralitäts-Sachen, die wegen See­ gel, Leccagie, Gefahr der See, des Schiffers und See-Volks Versehen und Untreue bey dem Schiff und Gütern, des Schiffes Zustand, Gefahr, Nach- oder Vortheil, Bodmerey, Fracht-Gelder, Rheder und Rhederey, Assecuranzen, Werfung der Güter, Averien und dergleichen directe aus obigen Quellen entspringende Sachen, priva­ tive in eerster Instanz gebracht werden.“

Die Zuständigkeit des Untergerichts in Seesachen hatte das Admiralitäts­ gericht damit abgelöst203. Beteiligte Personen an den Streitigkeiten waren regelmäßig folgende204: „Diesemnach gehören alle See-Sachen vor das Admiralitäts-Gericht, einfolglich alle Streitigkeiten dieserwegen entstehende zwischen Einlader und Schiffern, Einla­ der und Boots-Gesellen, Schiffer und Schiffer, Schiffer und Boots-Gesellen, BootsGesellen und Boots-Gesellen, Einlader und Piloten, Piloten und Schiffern, Einlader 199  Langenbeck,

S. 312. Zur Bestimmung der Ratsherren siehe Frentz, S.  44 ff. der Admiralschaftsordnung. Siehe hierzu auch Frentz, S.  46 ff. 201  § 2 der Admiralschaftsordnung. 202  Langenbeck, S. 310. Zur Zuständigkeit siehe auch Frentz, S. 29 ff. Diese ver­ wendet die folgende Definition. 203  Langenbeck, S. 322. 204  Ebd., S. 322. 200  § 2



C. Seehandelsstädte71 und Einlader, Rheder und Rheder, Rheder und Einlader, Rheder und Boots-Gesel­ len, Schiffer und Rheder, Schiffer und Schiffs-Zimmerleute […].“

Es gab keine Beschränkung bezüglich der Höhe des Streitwerts205. Das Gericht war allerdings neben den genannten See- und Admiralitätssachen nicht für allgemeine Handelssachen zuständig. Die Zuständigkeit beschränkte sich damit auf einen Teilbereich des Handels. d) Verfahren Bevor ein Verfahren vor dem Admiralitätsgericht entschieden werden konnte, musste obligatorisch die Schiedsgerichtsbarkeit der Prätoren wahrge­ nommen werden206. Allerdings konnten die Parteien gleich zu Beginn eine Verweisung an das Admiralitätsgericht verlangen, wofür der älteste Gerichts­ verwalter die Sache für ein gerichtliches Verfahren freigeben und der Präses des Admiralitätsgerichts dessen Zuständigkeit durch eine Verfügung begrün­ den musste207. Die Vorschriften der Gerichtsordnung von 1711 zeigen, dass ein schnelles Verfahren gewünscht war208. Das Admiralitätsgericht hatte ein eigenes Pro­ zessrecht, das von demjenigen bei den anderen Gerichten der Stadt losgelöst war. Zu Beginn der Tätigkeit war das Verfahren noch mündlich, bis ab circa 1700 die Schriftlichkeit den Prozess dominierte209. Die anwaltliche Vertre­ tung wurde zugelassen210. Hinsichtlich der Beweismittel gab es keine Einschränkungen. Taugliche Beweismittel waren der Urkundenbeweis, der Zeugenbeweis sowie der Be­ weis durch kaufmännische Rechtsgutachten (Parere)211. Verweisungen an das Stadtgericht waren nicht nötig, da das Admiralitätsgericht selbst die Befugnis hatte, eigenständig eine tiefgreifende Beweiserhebung durchzuführen212. Die Parteien hatten die Möglichkeit, verschiedene Rechtsbehelfe einzule­ gen213. Hier zeigt sich der Grundsatz des schnellen Verfahrens, das darauf 205  Ebd.,

S. 323. Güteverfahren in Handelssachen siehe Frentz, S.  69 f. 207  Ebd., S. 73. 208  Vgl. etwa Titel 16 Art. 9, 10, 11 der Gerichtsordnung von 1711. Zu der gesam­ ten Darstellung des Verfahrens siehe Frentz, S. 69 ff., die dieses umfassend aufgear­ beitet hat. 209  Ebd., S.  78 f. 210  Siehe die Darstellung bei ebd., S. 61 ff. 211  Ebd., S.  95 ff. 212  Siehe ebd., S. 95 ff. 213  Zur Möglichkeit der Restitution, bei der eine erneute Entscheidung durch das Admiralitätsgericht beantragt werden konnte, siehe Ebd., S. 111 f.; Langenbeck, S. 327. 206  Zum

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

abzielte, nicht in jeder Streitsache und auch nicht unbegrenzt lange gegen erstinstanzliche Urteile vorzugehen. Voraussetzung war zwingend, dass die Rechtsbehelfe innerhalb von zehn Tagen ab Verkündung des Urteils eingelegt wurden214. Insbesondere konnte eine Appellation an das Obergericht bean­ tragt werden215. Voraussetzung hierfür war jedoch, dass neben der Einhaltung der genannten Frist die Streitsache einen gewissen Streitwert (200 Mark) hatte216. Das Obergericht war für Appellationen zuständig, insbesondere für Urteile des eingangs dargestellten Niedergerichts217. Ein besonderes Hinzu­ ziehen von Kaufleuten als Richter bei den Verfahren vor den Obergerichten in Seehandelssachen ist nicht ersichtlich. 3. Resümee Mit dem Admiralitätsgericht entstand Anfang des 17. Jahrhunderts eine Behörde, die für eine Vielzahl von Belangen der Hamburger Seefahrt zustän­ dig war. Darunter fielen insbesondere Aufgaben der Administrative und der Rechtsprechung. In letzterer Funktion war es nur ein Seehandelsgericht und kein allgemeines Handelsgericht, da lediglich Handelsstreitigkeiten, die eine Verbindung zur Seefahrt hatten, dort entschieden werden konnten. Allerdings war es selbständig und auch zu tiefergehenden Untersuchungen befugt, wes­ halb keine Verweisungen an die ordentlichen Gerichte, etwa zur Beweismit­ telerhebung, nötig waren. Zwar war grundsätzlich ein schnelles Verfahren gewünscht. Die einschlägigen Vorschriften nahmen dennoch nur an wenigen Stellen, etwa bei der Beschränkung der Appellation, darauf Rücksicht. Insbe­ sondere durch die Zulassung der anwaltlichen Vertretung kam es zu Verzöge­ rungen, da die Vertreter die Verfahren, teilweise vorsätzlich, in die Länge zogen218. Das Admiralitätsgericht bestand bis 1811219. Bis dahin wurde kein allge­ meines Handelsgericht in Hamburg eröffnet. 214  Frentz,

S. 110. Appellation siehe ebd., S. 112 ff. 216  Vgl. Langenbeck, S. 328. 217  Ferner war es in erster Instanz zuständig für Streitsachen, die nicht vor dem Niedergericht anzubringen waren, Titel 46 Art. 1 der Gerichtsordnung von 1711. Vgl. zur Zuständigkeit des Niedergerichts auch S. 68 oder Titel 12 Art. 1 der Gerichts­ ordnung von 1711. 218  Baasch, S. 203. Typischerweise wurden zwischen den Mandanten und ihren Vertretern Dauerschuldverhältnisse geschlossen, die eine feste Jahresbesoldung vorsa­ hen, weshalb für die anwaltlichen Vertreter ein finanzieller Anreiz bestand, die Pro­ zesse in die Länge zu ziehen, vgl. Oestmann, ZRG GA 132 (2015), 206; siehe zu den Anwaltskosten außerdem ebd., ZRG GA 133 (2016), 191 ff. 219  Frentz, S. 19. 215  Zur



C. Seehandelsstädte73

II. Lübeck Auch die Hansestadt Lübeck war vom Seehandel geprägt. Im Mittelalter blühte die Wirtschaft, weshalb sich die Stadt zu einem wichtigen Umschlags­ platz entwickelte220. Die Hochzeit der Stadt war allerdings bereits Ende des 16. Jahrhunderts allmählich beendet221. Einige lübische Kaufleute erkannten Anfang des 17. Jahrhunderts, dass die Stadt in ihrem Gerichtsverfahren für Handelssachen zu langsam und deshalb nicht mehr konkurrenzfähig war222. Sie bemerkten, dass das Fehlen eines speziellen Gerichts für Seehandelssachen einer der Gründe war, weshalb der Handel der Stadt stagnierte223. Deshalb begehrte der Handelsstand ein Ge­ richt mit einem beschleunigten Verfahren, das aus Juristen, Kaufleuten und Schiffern zusammengesetzt werden sollte, vergleichbar mit dem Admirali­ tätsgericht in Hamburg in dessen rechtsprechender Funktion224. Allerdings wehrte sich der Stadtrat für eine lange Zeit dagegen, da ein solcher Spruch­ körper einen Eingriff in seine Jurisdiktionsgewalt bedeutet hätte225. Dennoch wurde 1655 durch Erlass einer Seegerichtsprozessordnung ein Seegericht eröffnet226. Die Hamburger Admiralität war zwar das Vorbild des Lübecker Gerichts227. Es finden sich aber nur vereinzelt Übereinstimmungen. 1. Besetzung Die Seegerichtsprozessordnung bestimmte nicht ausdrücklich, wie das Gericht besetzt wurde. Aus Art. 6, der die Appellation regelte, ergibt sich aber, dass ein studierter Jurist, der zugleich Berater des Stadtrats war, als Präsident des Gerichts fungierte. Ferner waren gemäß dieser Vorschrift vier

220  Hoffmann,

Lübeck, in: Lübeckische Geschichte, S. 171. in wirtschaftlicher als auch juristischer Hinsicht, vgl. Graßmann, in: Lübeckische Geschichte, S. 445; Oestmann, ZVLBA 2000, 259. 222  Krause, S. 180; Graßmann, in: Lübeckische Geschichte, S.  484; Bruns, ZVLGA 1951, S. 48. 223  Wehrmann, Lübeckische Blätter 1900, 620; Graßmann, Lübeckische Ge­ schichte, S. 484. Die Bestrebungen gingen insbesondere von den Kaufleuten aus, die in Spanien Handel trieben und von dort Sondergerichte für Handelssachen kannten, vgl. Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 12 ff. 224  Wehrmann, Lübeckische Blätter 1900, 620; Graßmann, Lübeckische Ge­ schichte, S. 484; Krause, S.  180 f. 225  Graßmann, Lübeckische Geschichte, S. 484. 226  Die Seegerichtsprozessordnung von 1655 ist abgedruckt bei Bunge, S.  234 ff.; im Folgenden: Seegerichtsprozessordnung. 227  Krause, S. 182. 221  Sowohl

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

Ratsmitglieder als weitere Richter beteiligt, die Kaufleute sein mussten228. Weitere Ausführungen, etwa zur Beschlussfähigkeit oder den Anforderungen an die Beisitzer, sind nicht ersichtlich. Wie beim Admiralitätsgericht war eine Abhängigkeit vom Stadtrat erkennbar. Abweichend von der Hamburgi­ schen Einrichtung wurden jedoch nicht weitere Vertreter des Kaufmanns­ standes, die nicht Ratsmitglieder waren, zu Beisitzern berufen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens war von den Kaufleuten noch gefordert wor­ den, dass aus ihren Reihen Personen mit Erfahrung im Seehandel an der Rechtsprechung beteiligt werden sollten229. Auf diese Forderung musste der Handelsstand jedoch verzichten, da der Rat die Rechtspflege nicht teilen wollte und sonst der Einrichtung des Seegerichts nicht zugestimmt hätte. 2. Zuständigkeit Eine Streitigkeit musste personelle und sachliche Kriterien erfüllen, damit das Seegericht zuständig war: Art. 4 der Seegerichtsprozessordnung: „Die Sachen, für dieses Gericht gehörend, sollen seyn: Alle Streitigkeiten zwischen Redern, Befrachtern, Schiffern und Schiffsvolck, Sie seyn wegen Erbauung der Schiffe; Wegen eingeladener Güter; Von geworffe­ nem Gute; Ueber Schiffbruch; Von Schiffen, Boten und Pramen; Von Schiff und Gute, welches von Seeräuben benommen; Auch von Schiffs-Frachten; Victualien auff dem Schiffe; Der Schiffer Rechnungen, und darzu gehörige Wechselbrieffe und Attestationen; Schiffer Versäumnuß; Cognoscementen; Certe Parteyen; Bode­ mereyen; Pilotagen; Havereyen; Und des Schiffsvolcks Heuerung und Führung, auch dessen Wol- oder Uebels-Verhalten und dergleichen; Welche alle für diesem See-Gerichte sollen erörtert und daselbst […] entschieden und geurtheilet werden.“

Beide Parteien mussten einer der genannten Berufsgruppen angehören und es musste einer der normierten Streitgegenstände vorliegen. Die Berufsgrup­ pen, die unter die Gerichtsbarkeit fielen, stimmen überwiegend mit denen beim Admiralitätsgericht überein230. Gleiches gilt für die Streitsachen, für die die Gerichte jeweils zuständig waren. Für das Seegericht findet sich aber keine Generalklausel, nach der alle Streitigkeiten in Seesachen unter die Gerichtsbarkeit fielen231.

228  Ebd.,

S. 182. und zum Folgenden ebd., S. 181. 230  Vgl. S. 70. 231  Vgl. dazu die Hamburgische Regelung ebd. 229  Hierzu



C. Seehandelsstädte75

Handelsstreitigkeiten außerhalb der Seefahrt konnten nicht vor das Gericht gebracht werden. Der größte Unterschied zum Admiralitätsgericht war, dass das Seegericht nur rechtsprechend tätig war. Es war damit keine Behörde, die noch andere Aufgaben, etwa solche der Administrative, für die Seefahrt der Stadt ausübte. 3. Verfahren Wie beim Admiralitätsgericht hatte das Seegericht ein eigenständiges, von den restlichen Gerichten der Stadt losgelöstes Verfahren. Es war auch sum­ marisch, vgl. Art. 1 der Seegerichtsprozessordnung232. Dennoch zeigen sich einige Unterschiede zwischen den einzelnen Verfahrensvorschriften: Beim Prozess in Lübeck war gemäß Art. 1 jede Schriftlichkeit verboten. Die an­ waltliche Vertretung war ausgeschlossen, vgl. Art. 3. Die Parteien mussten vielmehr nach dieser Vorschrift selbst erscheinen und wurden angewiesen, ihre Sache sachlich, ohne persönliche Ausschweifungen vorzutragen. Selbst wenn Zeugen angehört werden mussten, wurden deren Aussagen gemäß Art. 2 nicht schriftlich mitgeschrieben. Durch diese Regelungen sollte es den Parteien nicht ermöglicht werden, die Verfahren in die Länge zu ziehen. Ins­ besondere war im Vorfeld befürchtet worden, dass das durch die Beteiligung von Anwälten geschehen könnte, da diese durch die Vereinbarung von Jah­ reshonoraren in langen Prozessen hohe Einnahmen erzielen konnten233. Hinsichtlich der Beschränkung der Appellation bediente man sich hinge­ gen der gleichen Mittel wie in Hamburg, indem man sie auf vergleichbare Weise einschränkte. So musste die relevante Streitsache einen gewissen Wert (über 1000 Marck Lübisch) aufweisen, vgl. Art. 5 der Seegerichtsprozessord­ nung. Die Partei musste das Einlegen des Rechtsmittels gemäß Art. 6 inner­ halb von zehn Tagen dem Präsidenten des Seegerichts mitteilen und die Gründe hierfür vortragen. Die Frist entsprach derjenigen beim Admiralitäts­ gericht234. Die zweite Instanz war, wie in Hamburg, das vergleichbare Ober­ gericht, vgl. Art. 6.

232  Darstellung des Verfahrens auch bei Krause, S. 183 f.; lediglich überblicksartig bei Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 143. 233  Krause, S. 183; vgl. dazu auch die Ausführungen in der Fn. 218 in diesem Teil; ausführlich zu den Anwaltskosten in der frühen Neuzeit Oestmann, ZRG GA 132 (2015), 152 ff.; ebd., ZRG GA 133 (2016), 191 ff. 234  Siehe S. 71.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

4. Weitere Entwicklung Allerdings stellte die Finanzierung des Gerichts ein großes Problem dar, da dessen Kosten ausschließlich von den Kaufleuten selbst getragen wur­ den235. Ferner kam es durch die knappe und damit lückenhafte Gerichtsver­ fassung häufig zu Verzögerungen, weshalb die Verfahren deutlich länger dauerten, als ursprünglich geplant war236. Deshalb wurde die Tätigkeit des Seegerichts relativ früh wieder beendet. Eine genaue Jahreszahl ist der Quel­ lenlage nicht zu entnehmen. Vermutlich stellte das Seegericht wohl 1664 seine Tätigkeit ein237. Dieses schnelle Ende des Seegerichts hinderte den Kaufmannsstand allerdings nicht, eine erneute Einrichtung eines solchen Spruchkörpers zu fordern, was jedoch erfolglos blieb238. 5. Resümee In Lübeck bestand somit nur für eine kurze Zeit ein Seegericht, das sich nicht dauerhaft durchsetzen konnte. Das Gericht war selbständig und hatte die gleichen Befugnisse wie die ordentlichen Gerichte. So konnten vor dem Gericht sogar Zeugen vernommen werden. Wie das Admiralitätsgericht war es kein allgemeines Handelsgericht, da die Zuständigkeit auf Seehandels­ streitigkeiten begrenzt war. Auch bei den bereits angesprochenen, späteren Forderungen der Kaufmannschaft, das Seegericht wiederherzustellen, konnte man sich nicht über dessen Finanzierung einigen239. Es stellte sich weiterhin die Frage, ob der Handelsstand oder die Stadt die Kosten für die Einrichtung tragen sollte240. Deshalb bestand bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts kein Handelsgericht in Lübeck.

III. Bremen Auch in Bremen existierte zeitweise ein Seegericht, welches jedoch einen vollkommen unterschiedlichen Charakter hatte als das Pendant in Lübeck. Es lassen sich hierzu keine Primärquellen finden. Insbesondere ist die Einrich­ 235  Krause, S. 184; Graßmann, Lübeckische Geschichte, S. 484; Wehrmann, Lü­ beckische Blätter 1900, 619. 236  Hierzu ausführlich Krause, S.  184 f. 237  Vgl. Bruns, ZVLGA 1951, S. 48; Graßmann, Lübeckische Geschichte, S. 484; Krause, S. 185; anders: Funk, ZRG GA 26 (1905), 86: Bis zum Anfang des 18. Jahr­ hunderts. 238  Graßmann, Lübeckische Geschichte, S. 484 f.; Wehrmann, Lübeckische Blätter 1900, 619. 239  Krause, S. 186, der auf Vorschläge aus den Jahren 1756 und 1785 verweist. 240  Vgl. ebd., S. 186.



C. Seehandelsstädte77

tung nicht in die Gerichtsordnung von 1751 für Bremen aufgenommen wor­ den241. Es gibt über das Gericht lediglich wenige Erwähnungen in der Se­ kundärliteratur, die allerdings teilweise etwas widersprüchlich sind242. In diesen Quellen finden sich keine Jahreszahlen, weshalb nicht ersichtlich ist, wann das Gericht gegründet wurde bzw. dann wieder aufgelöst wurde. Für die vorliegende Untersuchung ist es dennoch interessant, da es beweist, dass es in den Seestädten verschiedene Spruchkörper für Seehandelssachen gab. 1. Besetzung Als Richter dieses Seegerichts fungierten zwei Ratsherren, die im Rat für die Schiffergilde bzw. das Seerecht zuständig waren243. Typischerweise war einer davon ein Kaufmann und der andere ein Rechtsgelehrter244. Wie bei den entsprechenden Einrichtungen in Hamburg und Lübeck zeigt sich auch hier die Abhängigkeit vom Rat, der die Rechtspflege nicht aus seinen Hän­ den geben wollte. Neben den Ratsmitgliedern urteilten zwei Bürger, die zur Kaufmannschaft der Stadt gehörten und zwei Vertreter der Schiffergilde245. Besondere Anforderungen an die kaufmännischen Vertreter oder wie sie be­ stimmt wurden, etwa durch Wahlen, sind nicht erkennbar. Ferner scheint es keine Bestimmung gegeben zu haben, in welcher Besetzung der Spruchkör­ per beschlussfähig war. 2. Zuständigkeit Das Gericht hatte lediglich einen schiedsrichterlichen Charakter. Die Par­ teien konnten frei entscheiden, ob sie einschlägige Streitigkeiten vor dem Seegericht prozessieren wollten246. Zuständig war dieses nach Deneken für Streitigkeiten, die Personen aus der Schiffergilde betrafen247. Nach Roller konnte es angerufen werden, wenn die Streitsache die Seefahrt betraf248. Es stand dem Beklagten aber frei, auf eine Vorladung des Gerichts zu erschei­ 241  So auch Hiemsch, S. 45; die Gerichtsordnung von 1751 ist in Auszügen abge­ druckt bei Achelis, Bremisches Jahrbuch 1935, 243 ff. 242  Frentz, S. 91, 11; Deneken, Hanseatisches Magazin Bd. 4 1800, 300; Roller, S. 64; Hiemsch, S. 45. 243  Hiemsch, S. 45; Deneken, Hanseatisches Magazin Bd. 4 1800, 300. 244  Roller, S. 65. 245  Hiemsch, S. 45; Roller, S. 65; Deneken, Hanseatisches Magazin Bd. 4 1800, 300. 246  Ebd., 300. 247  Ebd., 300. 248  Roller, S. 65.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

nen249. Vielmehr konnten die Parteien den Prozess auch vor den ordentlichen Gerichten führen250. Damit hatte das Gericht noch weniger Befugnisse als das Seegericht in Lübeck. Diesbezüglich unterscheidet es sich insbesondere deutlich vom Admiralitätsgericht, das eine ausschließliche Zuständigkeit in Seehandelssachen hatte251. 3. Verfahren Der Charakter eines Schiedsgerichts zeigt sich auch im Verfahren, weshalb mit dem jeweiligen Prozess beim Admiralitätsgericht und Lübecker See­ gericht keine Gemeinsamkeiten bestanden. Da es vom Willen der Parteien abhing, ob sie die Sache vor dem Seegericht verhandelten, waren sie an Entscheidungen des Gerichts nur dann gebunden, wenn sie zu Beginn der mündlichen Verhandlung gegenüber den Richtern bestätigten, dass sie sich deren Gerichtsbarkeit unterwerfen wollten252. Das Seegericht sollte vorran­ gig auf eine gütliche Einigung hinarbeiten253. Die Parteien mussten in der Verhandlung ihre Sache selbst mündlich vortragen254. Wenn die gütliche Ei­ nigung scheiterte, musste die Entscheidungsverkündung unmittelbar am Ende der ersten mündlichen Verhandlung erfolgen255. Die Parteien konnten keine Appellation einlegen256. 4. Resümee Das Seegericht in Bremen hatte also einen vollkommen anderen Charakter als die entsprechenden Einrichtungen in Hamburg und Lübeck, indem es le­ diglich ein Schiedsgericht war. Ein Seegericht oder allgemeines Handels­ gericht, das den ordentlichen Gerichten der Stadt gleichgestellt war, wurde bis zum Anfang des 19. Jahrhundert nicht etabliert.

249  Deneken,

Hanseatisches Magazin Bd. 4 1800, 300. S. 45; Deneken, Hanseatisches Magazin Bd. 4 1800, 300. 251  Vgl. S. 70. 252  Deneken, Hanseatisches Magazin Bd. 4 1800, 301. 253  Roller, S. 65. 254  Deneken, Hanseatisches Magazin Bd. 4 1800, 300. 255  Ebd., 301. 256  Ebd., 290, 301. 250  Hiemsch,



C. Seehandelsstädte79

IV. Einrichtungen für die Seefahrt in Preußen Besondere Einrichtungen, die nicht ausschließlich rechtsprechend tätig waren, finden sich noch vereinzelt in preußischen Seestädten, die beispielhaft dargestellt werden. Auf sie wird auch an späterer Stelle noch eingegangen257. So gab es Wettegerichte, etwa in Königsberg in Preußen, die neben der Rechtsprechung in gewerblichen, seerechtlichen und handelsrechtlichen Streitigkeiten auch als Handelspolizei tätig waren258. Sie bestanden aus Rats­ mitgliedern, Richtern des Stadtgerichts und Vertretern der Kaufmannschaft259. Die Prozesse sollten schnell abgeschlossen werden, weshalb das Verfahren mündlich und eine anwaltliche Vertretung ausgeschlossen war260. Als weiteres Beispiel sei das 1787 in Pillau gegründete See- und Hafen­ gericht genannt261. Dieses hatte neben Aufgaben der Polizei und Verwaltung in Seesachen auch die Befugnis, „Streitigkeiten zwischen den Kaufleuten, den Reedern und Schiffskapitänen hinsichtlich der Schiffsfracht und einigen sonstigen, dringend der Beschleunigung bedürftigen Angelegenheiten“262 zu klären. Ferner gab es Kommerz- und Admiralitätskollegien. 1783 wurde in Kö­ nigsberg eine entsprechende Einrichtung geschaffen, die mit einem Vorsit­ zenden und fünf Stadträten besetzt war263. Im Zuge dessen wurde das dortige Wettegericht aufgelöst264. Von den Stadträten waren drei Personen Kaufleute und zwei Rechtsgelehrte265. Da es sich um Behörden handelte, finden sich keine Prozessordnungen, die im Rahmen ihrer Gründungen erlassen wurden. Die Verfahrensgrundsätze hatten sich wohl auch jeweils behördenintern entwickelt. Das zeigt sich vor allem in der „Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten“ von 1793/1795. Darin wurde festgelegt, dass die speziellen Einrichtungen für den Handel bzw. die Seefahrt nach ihren eigenen Grundsätzen weiter verfahren sollten, vgl. Titel 30 § 2 der Ordnung. Da die Einrichtungen zu Beginn des 257  Zur Entwicklung zu Beginn des 19. Jahrhunderts siehe S. 192 ff. Die Einrich­ tungen sind noch nicht umfassend untersucht. Auch an dieser Stelle ist das nicht möglich, weil es den Zweck der Arbeit verfehlen würde. 258  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 83 f.; zur Wettegerichtsbarkeit in Königsberg siehe das Werk von Frommer. 259  Zur Besetzung siehe ebd., S. 19 ff. 260  Ebd., S.  21 f. 261  Weitere Beispiele bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 85. 262  Ebd., S. 85. 263  Ebd., S. 89; Frommer, S.  24 ff. 264  Ebd., S.  24 ff. 265  Ebd., S.  24 ff.

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2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

19. Jahrhunderts reformiert wurden, werden sie im 3. Kapitel ausführlicher beleuchtet266. An dieser Stelle wird ebenso darauf verzichtet, auf die übrigen Vorschriften der Allgemeinen Gerichtsordnung zum Prozess in Handelssa­ chen einzugehen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der allgemeinen preußischen Handelsgerichtsbarkeit erfolgt im 3. Kapitel der Arbeit267.

V. Resümee zu den Seestädten In Seestädten hatten zum Ende des 18. Jahrhunderts nur diejenigen Ein­ richtungen dauerhaft Bestand, die nicht lediglich rechtsprechend tätig waren. Sie hatten mehrere Befugnisse, die zur Seefahrt und dem entsprechenden Handel gehörten. Untere Gerichte, wie etwa Wettegerichte, hatten den Zweck, neben ihren Tätigkeiten als Polizei und Verwaltungsbehörden auch Streitig­ keiten, die vom Seehandel herrührten, zügig zu entscheiden. Die Admirali­ tätsgerichte bzw. -kollegien hatten zusätzlich auch noch die Aufgabe, für die Sicherheit der Seefahrt zu sorgen. Insofern sind Parallelen zwischen Preußen und Hamburg auffindbar. Die Einrichtungen hatten auch gemeinsam, dass Juristen und Kaufleute als Richter eingesetzt wurden, die zumindest teilweise aus Mitgliedern des jeweiligen Stadtrats bestanden und von diesem bestimmt wurden. Reine Seegerichte hingegen, die lediglich rechtsprechend tätig und dabei den ordentlichen Gerichten gleichgestellt waren, konnten sich nicht durchset­ zen, wie die misslungene Gründung in Lübeck beispielhaft zeigt. Das beruhte auch auf den Besonderheiten des Seehandels, der mit einem hohen Verwal­ tungsaufwand verbunden war, welcher am besten durch Vertreter des Kauf­ mannsstandes wahrgenommen werden konnte. So mussten beispielsweise gemeinsame Fahrten koordiniert werden268 oder die Sicherheit der Seefahrt gewährleistet werden, etwa zur vereinten Abwehr von Piraten269. Deshalb waren Behörden für die Schifffahrt praktischer als reine Gerichte. Es gab damit kein typisches Seehandelsgericht. Dennoch ähnelten sich die Einrichtungen in Preußen teilweise mit der in Hamburg. Sie waren nicht le­ diglich zur Entscheidungsfindung als Gerichte befugt, sondern hatten auch Aufgaben der Polizei und Verwaltung. Charakteristisch für die Handelsge­ richtsbarkeit in Seestädten im ausgehenden 18. Jahrhundert waren damit Be­ hörden, die eine Vielzahl an Befugnissen für die Seefahrt und den Handel hatten. 266  Siehe

S. 192 ff. S. 189 ff. 268  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 86. 269  Ebd, S. 86. 267  Siehe



D. Gesamtschau der deutschen Handelsgerichtsbarkeit am Ende des 18. Jh.81

D. Gesamtschau der deutschen Handelsgerichtsbarkeit am Ende des 18. Jahrhunderts Es gab am Ende des 18. Jahrhunderts in den deutschen Staaten und Städ­ ten keine einheitlichen Spruchkörper für Handelssachen270. Es kann keine der untersuchten Einrichtungen als typisch deutsches Handelsgericht festge­ macht werden. Der Kontrast war so weitreichend, dass sogar in zwei der dargestellten Stadttypen kein einheitliches System erkennbar war.

I. Errichtung selbständiger Gerichte Die Errichtung eigenständiger Gerichte für Handelssachen war in den deutschen Staaten und Städten eher die Ausnahme. Regelmäßig waren die ordentlichen Gerichte für Handelsstreitigkeiten zuständig, beispielsweise im gesamten Staatsgebiet Preußens außerhalb der wenigen Seestädte mit beson­ deren Einrichtungen271. Problematisch daran war, dass das Verfahren über­ wiegend schriftlich war. Deshalb war es im Handelsverkehr üblich, Streitig­ keiten außergerichtlich im Rahmen von mündlichen Schiedsverfahren zu klären. Nur vereinzelt wurden derartige Schiedsgerichte vom Stadtrat aner­ kannt, etwa das Marktgewölbe in Nürnberg durch die Regelung der Zustän­ digkeit in der Merkantil- und Bancogerichtsordnung272. Sofern tatsächlich besondere Gerichte gegründet wurden, waren es regelmäßig die Kaufleute der Stadt, die diese forderten273. Ihr Wunsch nach besonderen Spruchkörpern ging so weit, dass beispielsweise in Lübeck die Kaufleute bereit waren, die Kosten für das Gericht selbst zu tragen274. Problematisch an der Gründung von Sondergerichten war, dass die Rechtsprechung in den deutschen Städten typischerweise in den Händen der Stadträte lag, die dann in ihren Kompeten­ zen beschränkt wurden275.

II. Besetzung Aus diesem Grund setzte man bei nahezu allen Einrichtungen für Handels­ streitigkeiten Ratsmitglieder als Richter ein. Bei der Besetzung weisen die untersuchten Gerichte die meisten Gemeinsamkeiten auf. So wurden bei der auch Windel, in: FS Graf-Schlicker, S. 155 f. Titel der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten. Aus­ führlich zur preußischen Handelsgerichtsbarkeit siehe S. 189 ff. 272  Vgl. S. 47 ff.; nicht hingegen in Bremen, vgl. S. 76 ff. 273  So beispielsweise in Nürnberg, vgl. S. 43 ff.; Leipzig, S. 27 ff. 274  Siehe S. 73 ff. 275  Vgl. dazu den Entstehungsprozess in Leipzig bei Moltke. 270  So

271  30.

82

2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

Mehrzahl, insbesondere bei denjenigen, die eine eigene Gerichtsinstanz dar­ stellten, Juristen und Kaufleute eingesetzt, wobei letztere hauptsächlich als Richter und nicht lediglich als Berater fungierten. Dieses gemischte System überwog bei den untersuchten Spruchkörpern276. Dass dabei stets Ratsmit­ glieder nominiert wurden, zeigt, dass die Stadträte ihre Befugnisse in der Rechtsprechung hinsichtlich der Handelssachen nicht vollständig verlieren wollten. Die Ordnungen hatten gemeinsam, dass es üblicherweise keine Be­ stimmungen gab, in welcher Konstellation die Beschlussfähigkeit gegeben war. Bei der Auswahl der Kaufleute gab es zwei verschiedene Möglichkeiten. Nur in wenigen Fällen wurden sie durch Wahlen des Kaufmannsstandes be­ stimmt, wie teilweise beim Kaufgericht oder dem Hansgericht. Typischer­ weise wählte sie der Stadtrat aus seinen eigenen Reihen aus, wie beim ­Handelsgericht in Leipzig, dem Admiralitätsgericht in Hamburg oder dem Wechselgericht in Stuttgart. An die Kaufleute stellten die jeweiligen Ordnungen keine genaueren An­ forderungen. Insbesondere finden sich keine Bestimmungen zum Mindest­ alter oder eine gewisse Vorgabe, wie lange sie schon im Handelsverkehr tätig sein mussten. Die Sondergerichte hatten überwiegend nur eine Stufe. In zweiter Instanz entschieden die ordentlichen Gerichte. Dass auch dort in Handelsprozessen Kaufleute als Richter hinzugezogen wurden, um den nötigen Sachverstand aus der Praxis einzubringen, ist nicht ersichtlich. Lediglich das Braunschwei­ ger Kaufgericht hatte eine mit Kaufleuten besetzte zweite Stufe, die in der Ordnung als Instanz bezeichnet wurde, obwohl sie beim gleichen Gericht angesiedelt war277. In München hingegen wurden die zwei höheren Ebenen innerhalb kürzester Zeit nach ihrer Gründung aufgelöst278.

III. Zuständigkeit Bei den Vorschriften zur Zuständigkeit zeigt sich der vielfältige Charakter der deutschen Handelsgerichtsbarkeit des 18. Jahrhunderts am deutlichsten. Dennoch können die Einrichtungen durch die Bestimmung ihrer Befug­ nisse relativ strikt getrennt werden. Zum einen gab es (reine) Gerichte, die als solche lediglich rechtsprechend tätig waren, beispielsweise das Kaufge­ richt in Braunschweig, das Handelsgericht in Leipzig oder das Merkantilund Bancogericht in Nürnberg. Daneben gab es Institutionen, die neben der Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 162. S. 33. 278  Siehe S. 55 ff. 276  Anders: 277  Siehe



D. Gesamtschau der deutschen Handelsgerichtsbarkeit am Ende des 18. Jh.83

Rechtsprechung auch noch andere Aufgaben hatten, etwa als Polizei oder Verwaltungsbehörde für den städtischen Handel bzw. Seehandel, und damit eher den Charakter einer Handelsbehörde aufwiesen. Insbesondere in Messestädten gab es nur reine Gerichte. Sie hatten keine anderen Kompetenzen außerhalb der Rechtsprechung. In den Seehandels­ städten hingegen dominierten Behörden für den Handel bzw. die Schifffahrt. Die reinen Seehandelsgerichte konnten sich nicht durchsetzen. Innerhalb der reinen Gerichte kann nochmals differenziert werden in allge­ meine Handelsgerichte, Wechselgerichte und Messegerichte. Lediglich in zwei deutschen Städten, nämlich Leipzig und Nürnberg, setzten sich Gerichte durch, die für alle Handelsstreitigkeiten zuständig waren. Die Wechselge­ richte hingegen waren nur für einen Teil der handelsrechtlichen Streitigkeiten bestellt. Gleiches galt für Messegerichte, die nur für entsprechende Streitig­ keiten zuständig waren. Auch bei den Handelsbehörden zeigen sich Unterschiede. So gab es sie, etwa in Regensburg, für den allgemeinen Handel und das Handwerk. In der Rechtsprechung war das Hansgericht hingegen nur für Marktstreitigkeiten zuständig. In den norddeutschen Seestädten hingegen waren die Behörden überwiegend für Seehandel und Schifffahrt zuständig. Die rechtsprechenden Befugnisse beschränkten sich dann auch auf Streitigkeiten, die darin ihren Ursprung hatten. Vergleicht man nun die einschlägigen Vorschriften zur Zuständigkeit der beiden allgemeinen Handelsgerichte, zeigen sich inhaltlich und systematisch Parallelen279. So mussten beim Merkantil- und Bancogericht und beim Han­ delsgericht in Leipzig personelle und sachliche Kriterien erfüllt sein. In per­ soneller Hinsicht musste zumindest der Beklagte einer Berufsgruppe angehö­ ren, die im Handelsverkehr tätig war, was weit gefasst wurde. Als sachliche Voraussetzung musste die Streitsache eine Handelssache sein. Die unter die Gerichtsbarkeit fallenden Handelsgeschäfte wurden in beiden Ordnungen beispielhaft aufgeführt und stimmten nur teilweise überein. Sie waren aller­ dings nicht abschließend, da es in beiden Ordnungen Generalklauseln gab, die bestimmten, dass es ausreichte, dass die Streitsache vom Handelsverkehr herkam. Es deutete sich somit an, dass in der deutschen Handelsgerichtsbar­ keit das Vorliegen von personellen und sachlichen Kriterien die Zuständigkeit der Handelsgerichte bestimmte280. Allerdings hatte sich diese Systematik 279  Vgl. hierzu und zum Folgenden S. 29  f. und S. 48  f. Ähnlich auch beim Kaufgericht, vgl. S. 34. 280  Zu weit geht an dieser Stelle Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsge­ richts, S. 163, der dieses System als dasjenige des frühen deutschen Handelsgerichts ansieht.

84

2. Teil: Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland bis zum Beginn des 19. Jh.

noch keinesfalls ausgebreitet, wie die entsprechenden Vorschriften der ande­ ren Einrichtungen zeigen.

IV. Verfahren Die untersuchten Ordnungen haben gemeinsam, dass sie jeweils ein eigen­ ständiges, von den Zivilgerichten losgelöstes Prozessrecht enthielten. Mit den Sondervorschriften sollte erreicht werden, dass die Prozesse schneller waren als diejenigen vor den Zivilgerichten der Stadt281. Teilweise zeigen sich bei den Mitteln, durch die man eine Beschleunigung erreichen wollte, Parallelen: So war in nahezu allen Ordnungen ein summa­ risches Verfahren angeordnet. Die Richter waren typischerweise angewiesen, primär auf eine gütliche Einigung hinzuarbeiten. Appellationen wurden fast bei allen Sondergerichten zugelassen. Sie wurden dann aber auf ähnliche Weise beschränkt. So konnte nur innerhalb kürzester Zeit das Rechtsmittel eingelegt werden, wobei sich die Anzahl der Tage unterschied. Ferner muss­ ten die Streitsachen einen gewissen Wert haben, damit in geringwertigen Angelegenheiten nicht appelliert werden konnte. Auch hier weichen die Vor­ schriften logischerweise aufgrund der verschiedenen Währungen voneinander ab. Dennoch zeigt sich bei den Prozessvorschriften eine Vielzahl von Abwei­ chungen: So war das Verfahren teilweise mündlich, teilweise schriftlich. Die anwaltliche Vertretung wurde bei einigen Spruchkörpern zugelassen, bei an­ deren ausgeschlossen. Auch hinsichtlich der Beweiserhebung ergeben sich große Gegensätze, indem manche Gerichte selbst tiefgreifende Untersuchun­ gen vornehmen konnten und andere hingegen stark beschränkt waren. So war die Möglichkeit, selbst Zeugen zu vernehmen, ein Privileg, das nur we­ nige Gerichte erlangten. Bei den meisten deutschen Spruchkörpern für den Handel musste das Verfahren dann an die ordentlichen Gerichte verwiesen werden.

V. Resümee Als Gesamtergebnis der deutschen Handelsgerichtsbarkeit zur Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts ist festzuhalten, dass es eine Vielzahl verschie­ dener Einrichtungen gab, die zur Entscheidung von Streitigkeiten in Han­ delssachen oder zumindest eines Teils davon befugt waren. Es gab kein ein­ heitliches Gericht oder eine einheitliche Behörde, die sich über die verschie­ 281  Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 161 sieht zu Recht darin den Entstehungsgrund bzw. den Zweck der Handelsgerichte.



D. Gesamtschau der deutschen Handelsgerichtsbarkeit am Ende des 18. Jh.85

denen Staaten bzw. Städte ausgebreitet hat. Es finden sich nur wenige Paral­ lelen, wie etwa die Beteiligung von Kaufleuten und Ratsmitgliedern als Richter oder die Schnelligkeit des Verfahrens, die häufig in der Praxis nicht umsetzbar war. Insbesondere die Gegenüberstellung der Zuständigkeiten ver­ deutlichte aber den Kontrast zwischen den Einrichtungen, der erst im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgelöst wurde. Die Gegensätzlichkeit lässt sich darauf zurückführen, dass jede einzelne Stadt bzw. jeder Staat für seine Gerichtsverfassung selbst verantwortlich waren. Das heute zu Deutschland zählende Gebiet war geprägt von vielen kleinen Reichsständen, die zwar zum Heiligen Römischen Reich gehörten, aber dennoch unabhängig waren282. Bestrebungen, die Rechtsordnungen auf­ einander abzustimmen, sind im 18. Jahrhundert noch nicht auffindbar283.

hierzu Süßmann, S.  17 ff. Vereinheitlichung des materiellen Handelsrechts im 19. Jahrhundert siehe

282  Ausführlich 283  Zur

S. 219 ff.

3. Teil

Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877 Im Folgenden ist zu untersuchen, ob es einen Einfluss des französischen Rechts auf die Entwicklung der deutschen Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert gab. Dafür wird zunächst die französische Handelsgerichts­ barkeit, genauer gesagt die Napoleonische Gesetzgebung aus dem Jahre 1807, vorgestellt. Diese enthielt eine einheitliche Gerichtsverfassung sowie ein einheitliches Prozessrecht für allgemeine Handelsgerichte in ganz Frank­ reich. Es wird geklärt, inwiefern sich diese Spruchkörper von den gerade dargestellten deutschen Einrichtungen der damaligen Zeit unterschieden. Im darauffolgenden Kapitel wird ermittelt, in welchen deutschen Staaten und Städten während der Vormachtstellung Frankreichs in Europa und der damit verbundenen Besetzung deutscher Gebiete zu Beginn des 19. Jahrhunderts französische Handelsgerichte gegründet wurden. Im Anschluss daran wird erarbeitet, ob und inwiefern das französische Recht bei den nach Ende der Besatzungszeit (1814) bis zum Erlass des GVGs (1877) in den deutschen Staaten und Städten neu eröffneten Handelsgerichten berücksichtigt wurde, um so einen Einfluss aufzuzeigen.

A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit I. Überblick über die Geschichte Die Untersuchung beginnt mit einem kurzen Überblick über die Geschichte der Handelsgerichtsbarkeit in Frankreich bis zur französischen Revolution 1789, um darauf aufbauend das Recht zum Zeitpunkt der Ausbreitung Frank­ reichs in Europa darstellen zu können1. Die Entstehung der Handelsgerichts­ barkeit in Frankreich beruhte im Wesentlichen auf drei im Mittelalter ent­ standenen Einrichtungen, die ursprünglich nebeneinander für die Rechtspre­ chung in Handelssachen bzw. für Teilbereiche davon zuständig waren und 1  Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den Anfängen der Handelsge­ richtsbarkeit, insbesondere auch der geschichtlichen Umstände in Frankreich, findet man bei Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts Teil A, S. 211 ff.



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit87

dann im Laufe der Zeit miteinander verschmolzen, was zur Entstehung ein­ heitlicher Handelsgerichte in ganz Frankreich führte2. 1. Messegerichte Die erste Gruppe waren Messegerichte, die bereits im frühen Mittelalter von den Königen für die Streitigkeiten unter Messebesuchern errichtet wur­ den3. Sie bestanden lediglich während der Messezeiten4. Als Richter fungier­ ten königliche Beamte5. Die Gerichte wurden eingeführt, um eine schnelle Entscheidungsfindung und Vollstreckung bis zum Ende der Messe gewähr­ leisten zu können6. Deshalb war das Verfahren summarisch7. Die Zuständig­ keit war auf Streitigkeiten der Messebesucher, die beim Handel auf den Messen entstanden, beschränkt8. Sie erinnern an das Kaufgericht in Braun­ schweig, da sie auch nur während der Messezeiten tagten9. Allerdings wur­ den in Frankreich bereits Mitte des 14. Jahrhunderts derartige Gerichte durch königliche Anordnung eröffnet10, wohingegen in Deutschland die vergleich­ bare Einrichtung erst ab dem 17. Jahrhundert zu finden war11. Selbständige Messegerichte entstanden in Deutschland also viel später als in Frankreich. Dort wurden die wenigen Messegerichte, die Ende des 18. Jahrhunderts noch bestanden, im Rahmen der Revolution 1790 aufgehoben12. 2. Admiralität Die zweite Einrichtung waren seit dem 15. Jahrhundert die Admiralitäten, die unter anderem über Seehandelssachen Recht sprachen13. Ursprünglich handelte es sich um Verwaltungsbehörden einzelner Seestädte, die vom je­ 2  Creizenach, 3  Bereits

S. 12. ab 1349, vgl. hierzu Marschner, S. 431; ausführlich auch Brewer,

S.  204 ff. 4  Ebd., S. 431. 5  Knatz, S. 13; Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 14. 6  Vgl. hierzu etwa Rosenberg, in: Handbuch des gesamten Handelsrechts Erster Band, S. 452; Creizenach, S. 14; Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsge­ richts, S. 14. 7  Creizenach, S. 14. 8  Ebd., S. 15. 9  Siehe S. 32 ff. 10  Marschner, S. 431. 11  Siehe S. 32 ff. 12  Brewer, S. 219. 13  Hoock, in: La ville, la bourgeoisie et la genèse de l’état moderne, S. 231; Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 15.

88

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

weiligen Admiral eröffnet wurden und die Seefahrt schützen und fördern sollten14. Da aber die Trennung zwischen Verwaltung und Justiz noch nicht sauber ausgeprägt war, fungierten die Behörden auch als Gerichte für die bei der Seefahrt auftretenden Streitigkeiten15. Im Rahmen der französischen Re­ volution übertrug man zunächst 1790 die Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten des Seehandels auf allgemeine Handelsgerichte, bevor die Admiralitäten 1791 ganz aufgehoben wurden16. Sie sind mit dem Admiralitätsgericht in Hamburg und auch mit den vereinzelt in Preußen bestehenden Kommerzund Admiralitätskollegien vergleichbar17. Auch hier entstanden die entspre­ chenden Einrichtungen deutlich später als in Frankreich18. Sie haben gemein­ sam, dass die Rechtsprechung in Seehandelssachen nur ein Teil ihrer Auf­ gaben war. 3. „Juge et consuls“ Die dritte und wichtigste Einrichtung für die spätere Bildung von allge­ meinen Handelsgerichten waren die Schiedsgerichte der Kaufmannsgilden („juge et consuls“)19. Diese entwickelten sich entweder aus Messegerichten oder wurden selbständig durch die Handelsgilden oder Behörden bzw. ab 1563/1565 durch Verfügungen der Könige gegründet20. Teilweise bestanden sie anfangs neben den Messegerichten, die ihnen dann aber überwiegend einverleibt wurden. Die Zuständigkeit der Gerichte umfasste zunächst nur die Streitigkeiten der Mitglieder untereinander. Für die Mitglieder der Gilden bestand die Pflicht, bei auftretenden Streitigkeiten die Schiedsgerichte wahr­ zunehmen. Als Richter fungierten andere Gildenmitglieder21. Die Schiedsge­ richte waren besetzt mit einem vorsitzendenden Richter („juge“) und, je nach Gilde, mehreren Beisitzern („consuls“)22. Die Beteiligung von Beamten einer Staatsbehörde war nicht vorgesehen23. Die Gerichte konnten Urteile fällen, 14  Creizenach,

S. 26. S. 26; Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 15. 16  Brewer, S. 540. 17  Siehe S. 79. 18  Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsgerichts, S. 15. 19  Rosenberg, in: Handbuch des gesamten Handelsrechts Erster Band, S. 452. Die Konsularorganisation der Gilden war stark geprägt durch den Einfluss der in Frank­ reich lebenden, italienischen Kaufleute bzw. durch den regen Handel mit den italieni­ schen Städten, vgl. Schepp, S. 84; Silberschmidt, Die Entstehung des dt. Handelsge­ richts, S. 13. 20  Hierzu und zum Folgenden Creizenach, S.  15 ff. 21  Marschner, S. 431. 22  Ebd., S. 431; Duschkow-Kessiakow, S. 29. 23  Brewer, S. 167. 15  Ebd.,



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit89

waren aber, anders als die Messegerichte, zunächst zur Vollstreckung nicht befugt, weshalb sie hierfür die obsiegende Partei an die ordentlichen Ge­ richte verweisen mussten24. Die Jurisdiktionsbefugnisse waren örtlich auf die Stadt beschränkt, in der das Gericht seinen Sitz hatte25. Einige Spruchkörper sahen sich allerdings auch zuständig, wenn die streitenden Parteien nicht in der Stadt selbst, sondern lediglich in der näheren Umgebung wohnten, sofern sie übereinstimmend die Entscheidung durch das Gericht herbeiführen woll­ ten26. Die „juge et consul“ wurden ab der Mitte des 16. Jahrhunderts staatlich anerkannt27. Insbesondere durch die königlichen Edikte von 1563 und 1565 wurden bestehende Einrichtungen an bestimmten Orten, zunächst in Paris, später auch in anderen großen Handelsstädten, in ordentliche, allgemeine Handelsgerichte umgewandelt bzw. solche Spruchkörper neu gegründet28. Die oben beschriebene Umgehung der streng territorialen Zuständigkeit war nicht mehr nötig, als durch königliche Verfügung 1565 der Gerichtsstand des Vertrages in Handelssachen anerkannt wurde29. Damit war es nicht mehr erforderlich, dass die Parteien der ortsansässigen Zunft angehörten bzw. in der betroffenen Stadt wohnhaft waren, solange sie Franzosen waren30. Die Gerichte waren neben Prozessen zwischen ansässigen Kaufleuten nun auch für Streitigkeiten zuständig, bei denen am Ort des Gerichts der Vertrags­ schluss stattfand (forum contractus)31. Ferner fielen Handelssachen darunter, bei denen dieser Ort der Erfüllungsort war, unabhängig davon, ob die Leis­ tung (Ablieferung der Ware) oder Gegenleistung (Zahlung) dort erbracht werden musste, sogenanntes forum traditionis und forum solutionis32. Durch diese Regelung war die Gerichtsbarkeit der vormaligen Zunftgerichte weiter­ hin territorial auf die jeweilige Stadt beschränkt. Die Zuständigkeit wurde dennoch etwas ausgedehnt, sodass alle Streitigkeiten aus Handelsgeschäften, die einen Bezug zu der jeweiligen Stadt aufwiesen, vor den Gerichten ver­ handelt werden konnten. Die vormaligen „juge et consul“ verloren damit ihre

S.  174 f.; Creizenach, S. 23. S. 18; Marschner, S. 431. 26  Sogenannte causes de campagne. Entscheidend war, dass die Parteien in dem Amtsbezirk wohnten, in der das Zunftgericht seinen Sitz hatte. Diese Umgehung der streng ortsbezogenen Zuständigkeit war nicht allgemein anerkannt und wurde auch nicht von allen Handelsgerichten praktiziert; vgl. hierzu Creizenach, S.  19 f. 27  Marschner, S. 431. 28  Creizenach, S. 18; Marschner, S. 431; Duschkow-Kessiakow, S. 29. 29  Creizenach, S. 20; Marschner, S. 431. 30  Creizenach, S.  20 f.; Marschner, S. 431. 31  Creizenach, S. 21; Duschkow-Kessiakow, S. 29. 32  Creizenach, S. 21; Duschkow-Kessiakow, S. 29. 24  Ebd.,

25  Creizenach,

90

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Eigenschaft als örtliche Zunftgerichte und wurden Handelsgerichte für alle französischen Kaufleute. Die Regeln der genannten königlichen Verfügung wurden in die Ordon­ nance du commerce Ludwigs XIV. von 167333 aufgenommen34. Diese ord­ nete überwiegend das materielle Handelsrecht, aber enthielt auch Vorschriften für das Verfahren in Handelssachen35. Ende des 16. Jahrhunderts hatten sich in etwa 40 Städten solche Gerichte, nun auch „jurisdictions consulaires“ be­ zeichnet, gebildet36. Ende des 18. Jahrhunderts bestanden circa 75 Handels­ gerichte in Frankreich37. 4. Veränderungen durch die Revolution Die Handelsgerichtsbarkeit änderte sich erst im Zuge der französischen Revolution, als die Justizorganisation 1790 neu geregelt wurde38. Danach sollte in jedem Departement ein Handelsgericht, „tribunal de commerce“ genannt, eröffnet werden, sofern die Verwaltung des jeweiligen Departements einen Bedarf hierfür erkannte39. Ein Gericht war mit fünf Richtern besetzt, wobei bei jeder Entscheidung mindestens drei davon anwesend sein muss­ ten40. Die Kaufleute der jeweiligen Stadt wählten die Handelsrichter auf zwei Jahre41. Allerdings waren die Regeln, die im Zuge der französischen Revolution aufgestellt wurden, sowohl was das Handelsprozessrecht als auch die rest­ lichen Rechtsgebiete anbelangt, von vielen einzelnen Verordnungen geprägt und deshalb unstrukturiert bzw. undurchsichtig. Aus diesem Grund wurde bereits Anfang des 19. Jahrhunderts erstmalig vollumfassend das französi­ sche Recht in fünf Gesetzbüchern geordnet42. Für die Entwicklung der deutschen Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert können lediglich die 33  Vgl.

Tit. 12, Art. 17 der Ordonnance du commerce (1673). leichten Veränderung des Wortlauts der Klausel, der aber letztendlich un­ bedeutend war und nur klarstellende Funktion hatte siehe Creizenach, S. 20, 22. 35  Hier wird auf Brewer, S. 163 f., 151 verwiesen. An dieser Stelle wird nicht weiter in die Tiefe gegangen, da es für das Forschungsziel der Arbeit von eher unter­ geordneter Bedeutung ist bzw. sich die Vorschriften teilweise im Code de commerce wiederfinden. 36  Hoock, in: La ville, la bourgeoisie et la genèse de l’état moderne, S. 229. 37  Auflistung der Handelsgerichte inklusive einer Karte ebd., S. 240 f. 38  Vgl. Schubert, Französisches Recht, S. 22. Dekret „sur l’organisation judiciare“ vom 16. August 1790. 39  Brewer, S. 165. Dekret vom 16. August 1790, Tit. 12 Art. 1. 40  Wilhelm, S. 19. 41  Ebd., S. 19; Brewer, S. 165. 42  Siehe dazu S. 92. 34  Zur



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit91

Vorschriften dieses Gesetzgebungswerks und nicht diejenigen von 1790 rele­ vant sein, da das neue Handelsgesetzbuch nach Inkrafttreten in den deutschen Gebieten galt, die von Frankreich besetzt waren43. Deshalb wird nicht näher auf die undurchsichtige Gesetzeslage von 1790 zur Errichtung von Handels­ gerichten eingegangen, da sich ohnehin die Vielzahl der Vorschriften im Napoleonischen Gesetzeswerk wiederfindet44. 5. Vergleich mit der Entstehung der Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich bei den französischen Gerich­ ten deutlich leichter eine Teilung in drei verschiedene Arten von Spruchkör­ pern vornehmen lässt, die darauf Rücksicht nahmen, wie der Handel der Stadt gestaltet war. In Frankreich bildeten sich bereits früh einheitliche Einrichtungen für Handelsstreitigkeiten. Erst zum Ende des 17. Jahrhunderts entstanden hinge­ gen in den deutschen Staaten und Städten die ersten Sondergerichte für Han­ dels- bzw. Messesachen, die vollkommen unterschiedliche Gerichtsordnun­ gen hatten45. Bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert änderte sich die Situation nicht, wohingegen in Frankreich Regelungen für das ganze Land erlassen wurden, um eine Einheitlichkeit herzustellen. Die Gründe für die abwei­ chende Entstehung der Handelsgerichtsbarkeiten liegen in der jeweiligen Landesstruktur. Frankreich war ein Königreich, das zentralistisch organisiert war, weshalb einheitliche Regeln erlassen werden konnten. Durch diese Or­ ganisation waren die Könige in der Lage, flächendeckend auf das ganze Land einzuwirken. In Deutschland war die Ausgangslage mit den vielen verschiedenen Reichsständen eine ganz andere, da diese zwar alle zum Hei­ ligen Römischen Reich deutscher Nation gehörten, aber diese Zugehörigkeit sich nicht auf Verwaltung, Gesetzgebung und vor allem nicht auf den ­Gerichtsaufbau auswirkte46. Deshalb waren jeder Landesherr bzw. jede Reichsstadt diesbezüglich für sich selbst verantwortlich, was zu derart gro­ ßen Unterschieden führte.

43  Siehe

ebd.

finden sich hierzu Ausführungen in der Literatur, etwa bei Brewer, S.  161 ff.; Wilhelm, S. 19. 45  Siehe S.  81 ff. 46  Siehe hierzu ausführlich S. 107 ff. 44  Teilweise

92

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

II. Die Regeln der Napoleonischen Gesetzgebung (1807) Aufgrund der unzugänglichen Gesetzeslage, die von vielen einzelnen Ver­ ordnungen geprägt war, die nach der Revolution erlassen wurden, bestand das Bedürfnis nach einem abgeschlossenen Gesetzgebungswerk. Ein solches lieferte Napoleon Bonaparte, der 1799 die Macht in Frankreich erlangt hatte und sich 1804 zum Kaiser ernennen ließ47. Das Handelsrecht regelte der Code de commerce, der am 15. September 1807 beschlossen wurde und am 1. Januar 1808 in Kraft trat. Als Handelsgesetzbuch war er Teil eines Gesetz­ gebungswerks mit fünf Bänden, das noch den Code civil (1804), den Code de procédure civile (1806), den Code d’instruction criminelle (1808) und den Code penal (1810) umfasste48. Die Gesetzbücher enthielten in großen Teilen die Grundgedanken der französischen Revolution49. Dazu zählt etwa der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit50. Ein weiterer Grundgedanke der Revolu­ tion, der auch für die vorliegende Untersuchung relevant ist, war die strikte Trennung von Verwaltung und Justiz51. Die Vorschriften zu den Handelsgerichten waren im 4. Buch des Code de commerce verankert. Zwar gilt auch heute noch der Code de commerce in Frankreich. Jedoch weicht die heutige Version insbesondere systematisch und teilweise auch inhaltlich von der Originalversion ab52. Der aktuelle Ge­ setzestext ist für die vorliegende Untersuchung nicht relevant. Deshalb wird lediglich auf die ursprüngliche Fassung von 1807 zurückgegriffen. Eine vollständige Handelsgerichtsordnung, wie das bei den deutschen Handels­ gerichten des 18. Jahrhunderts üblich war, wurde nicht erlassen. Vielmehr enthielt das 4. Buch des Code de commerce, in dem grundsätzlich die ma­ teriellen Handelsgesetze abgedruckt waren, auch Regeln zum Handelspro­ zess. 1. Besetzung Gemäß Art. 617 des Code de commerce war jedes Handelsgericht mit ei­ nem vorsitzenden Richter („juge-président“) und weiteren einfachen bzw. 47  Süßmann,

S. 126; Botzenhart, S. 26. Rechtsgeschichte, S. 221. 49  Klein, in: Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, S. 118; zum französi­ schen Privatrecht im 19. Jahrhundert siehe etwa Bürge. 50  Ebd., S. 118. 51  Ebd., S. 120. 52  Aus diesem Grund wird im Folgenden auch die Vergangenheitsform verwendet. In den Grundzügen bestehen die Handelsgerichte aber auch heute noch in ähn­licher Form. 48  Oestmann,



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit93

beisitzenden Handelsrichtern, sowie deren Stellvertretern („suppléans“) be­ setzt53. a) Keine Beteiligung von Juristen Der wohl größte Unterschied zu den deutschen Einrichtungen für Handels­ streitigkeiten zeigt sich bei der Bestimmung der Richter, die jede Beteiligung von Juristen ausschloss. Art. 620 Code de commerce: „Tout commercant pourra être nommé juge ou suppléant, s’il est âgé de trente ans, s’il exerce le commerce avec honneur et distinction depuis cinq ans.“ „Jeder Handelsmann kann zum Richter oder Suppleanten ernannt werden, wenn er dreyßig Jahr alt ist, und seit fünf Jahren mit Ehre und Auszeichnung Handlung treibt.“54

Gemeint waren damit nur die beisitzenden Richter bzw. deren Vertreter (Suppleanten). Der Präsident hingegen musste gemäß Art. 620 Code de com­ merce 40 Jahre alt sein und bereits Erfahrung als (beisitzender/sonstiger) Handelsrichter gesammelt haben55. Bei den französischen Handelsgerichten war die Richterbank also nur von Kaufleuten besetzt, wohingegen sich in den deutschen Staaten und Städten überwiegend die gemischte Besetzung und damit die Beteiligung von Juristen durchgesetzt hatte56. Erstmals finden sich mit dem Mindestalter und der Erfahrung im Handelsverkehr in Art. 620 konkrete Voraussetzungen für die kaufmännischen Richter, die es im deut­ schen Recht zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Hinsichtlich der Auswahl wurde Art. 620 Code de commerce, genauer ge­ sagt die Voraussetzung, dass die Richter „in den letzten fünf Jahren als Kauf­ 53  Darstellung der Besetzung der französischen Handelsgerichte ohne Vergleich zum deutschen Recht bei Frey, S.  79 ff.; Paraquin, Band 1, S. 53 ff.; Wilhelm, S.  90 f.; Merzbacher, S.  11 f. 54  Für die nachfolgenden Darstellungen wird, sofern nicht anders bezeichnet, die Übersetzung von Daniels in der dritten Auflage von 1811 verwendet. Es wird bewusst diese Version gewählt, da man sich (wie sich später zeigen wird) bei der Einführung des Code de commerce in den hanseatischen Departements aus mehreren Möglichkei­ ten für die Übersetzung von Daniels entschieden hat. Weitere gute Übersetzungen liefern Erhard, Handelsgesetzbuch (1808) oder auch Cramer, der 1843 die fünf fran­ zösischen Gesetzbücher kompakt in einem Buch veröffentlicht hat. 55  Problematisch war das bei der ersten Besetzung des Gerichts. Hierfür wurde bestimmt, dass diejenigen Personen Präsident werden konnten, die entweder bei den „juge et consul“ oder bei den Handelsgerichten, die zwischen Revolution und Code de commerce existierten, bereits Handelsrichter waren, vgl. Art. 620 Code de com­ merce. 56  Siehe dazu das Ergebnis auf S. 81.

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leute tätig sein mussten“, in einem Gutachten vom 26. Januar 1808, das von Napoleon am 2. Februar 1808 genehmigt und in den Code de commerce aufgenommen wurde, durch Auslegung genauer bestimmt57. Es wurde er­ kannt, dass für diese Passage die falsche Zeitform gewählt worden war. Be­ gründet wurde das mit dem Ziel der Vorschrift. Sie sollte Anforderungen aufstellen, die gewährleisteten, dass nur solche Personen als Handelsrichter tätig sein konnten, die den Nachweis erbrachten, dass sie über die nötige Erfahrung im Handelsverkehr verfügten. Im Gutachten wurde festgestellt, dass es dafür nicht zwingend war, dass sie noch aktiv Handel trieben. Dem­ nach konnten neben aktiven Kaufleuten auch solche Personen zu einfachen Richtern gewählt werden, die irgendwann in der Vergangenheit für mindes­ tens fünf Jahre Handel getrieben hatten und sich zum Zeitpunkt der Wahl bereits vom Handelsverkehr zurückgezogen hatten. Voraussetzung war je­ doch, dass sie kein anderes Gewerbe aufgenommen hatten. Da die Präsiden­ ten aus dem Kreis der ehemaligen Handelsrichter bestimmt wurden, galt für sie die gleiche Bestimmung, sodass sie auch konsequenterweise nicht mehr aktiv als Kaufleute tätig sein mussten. Die Anzahl der einfachen Handelsrichter, den Präsidenten und die Supple­ anten ausgenommen, lag zwischen zwei und acht Personen, vgl. Art. 617 Code de commerce. Wie viele stellvertretende Richter eingesetzt wurden, hing allein vom Bedarf beim jeweiligen Gericht ab, was die Regierung für jedes Gericht gesondert entschied (Art. 617 Code de commerce). b) Beschlussfähigkeit Im Code de commerce findet sich auch eine Regel zur Beschlussfähigkeit, die den untersuchten deutschen Ordnungen im 18. Jahrhundert fehlte58. So waren die Handelsgerichte gemäß Art. 626 Code de commerce nur dann in der Lage ein Urteil zu fällen, wenn mindestens drei Richter anwesend waren. Um diese Zahl zu vervollständigen, konnten die stellvertretenden Richter eingesetzt werden, vgl. Art. 626 Code de commerce. c) Wahl der Richter Die Auswahl der Richter erfolgte durch Wahlen bei einer Versammlung der sogenannten „Notabeln“, Art. 618 Code de commerce. Gemäß dieser Vorschrift fielen die angesehensten Kaufleute und die Vorsteher der ehrwür­ 57  Das Gutachten ist bei Daniels, Code de commerce, 3. Auflage 1811, in der Fuß­ note beigefügt auf S. 145 f. Siehe hierzu und zum Folgenden ebd. 58  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 81.



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit95

digsten, traditionsreichsten Handelshäuser darunter. Diese Gruppe ernannte der jeweilige Präfekt, also der oberste Verwaltungsbeamte eines Departe­ ments, aus den Kaufleuten des jeweiligen Bezirkes (arrondissement), vgl. Art. 619 Code de commerce59. In den Städten mit einer Bevölkerung unter 15.000 Menschen bestand die Liste der Notabeln gemäß dieser Vorschrift aus mindestens 25 Personen. In bevölkerungsreicheren Städten erweiterte sich die Anzahl der Notablen um jeweils eine Person pro tausend Einwohner, vgl. Art. 619 Code de commerce. Die Richter wurden auf zwei Jahre ernannt und konnten auch nicht länger im Amt bleiben (Art. 622 Code de commerce). Erst nach einem Jahr Pause war eine Wiederwahl des Präsidenten bzw. der Richter möglich, vgl. Art. 623 Code de commerce. Lediglich bei der ersten Wahl des jeweiligen Handelsge­ richts nach Erlass des Code de commerce wurde gemäß Art. 622 eine Hälfte der Richter und Suppleanten nur für ein Jahr, der Präsident und die andere Hälfte aber ganz normal für zwei Jahre ernannt. Dadurch schaffte man eine Rotation, nach der stets nach einem Jahr die Hälfte der Mitglieder neu ge­ wählt wurde. d) Vergleich mit der deutschen Handelsgerichtsbarkeit Die Besetzung der französischen Handelsgerichte wich von derjenigen der deutschen Handelsgerichte, die zu dieser Zeit bestanden, ganz wesentlich ab. Auffallend ist insbesondere, dass die Vorschriften im Code de commerce zum Aufbau der Gerichte umfangreicher und gleichzeitig präziser waren. Das zeigt sich beispielsweise bei den genauen Anforderungen an die Richter, bei der Beschlussfähigkeit oder auch der Amtszeit. Anders als im deutschen Recht hatte sich im Code de commerce die rein kaufmännische Besetzung etabliert. Dabei handelte es sich aber nicht um eine Neuregelung. Vielmehr war diese Besetzung in Handelsprozessen histo­ risch durch die „juge et consuls“ gewachsen60. Mit den Vorschriften zur Wahl schaffte man ein wirkliches Mitsprache­ recht der Kaufleute bei der Auswahl der Handelsrichter. Eine derartige Rege­ lung war dem deutschen Recht noch fern. Dennoch wurde eine grobe Vor­ auswahl durch die Verwaltung vorgenommen, indem die Liste der Notablen nicht durch die Kaufleute selbst erstellt wurde. Trotzdem war der Einfluss 59  Zur territorialen Aufteilung siehe bspw. Wedekind, S. 79 f. So waren die franzö­ sischen Departements in verschiedene Bezirke, arrondissements, unterteilt, die wiede­ rum aus Kantonen oder Friedensgerichten bestanden. Der Präfekt ist der oberste Verwaltungsbeamte eines Departements und residiert im Hauptort eines Kantons. 60  Siehe S. 88 f.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

der Kaufleute bei der Bestimmung der kaufmännischen Richter viel stärker als in den deutschen Staaten und Städten, bei denen diese nicht gewählt, sondern üblicherweise vom Stadtrat eingesetzt wurden. Darüber hinaus waren die Richter bei den französischen Handelsgerichten von der Obrigkeit losgelöst, wohingegen bei den deutschen Pendants nahezu flächendeckend Ratsmitglieder eingesetzt wurden und auch die sonstigen Richter von den jeweiligen Stadträten oder Landesfürsten bestimmt wur­ den61. Hier zeigt sich mit der Gewaltentrennung ein Grundsatz der französi­ schen Revolution, der auch die Entwicklung der Gerichtsbarkeit im 19. Jahr­ hundert in den deutschen Staaten und Städten beeinflusste62. 2. Zuständigkeit Die Zuständigkeit der Handelsgerichte regelten die Art. 631 bis 641 Code de commerce63. Es gab eine Grundnorm und weitere spezielle Zuständig­ keitsvorschriften. a) Grundnorm Die allgemeine Vorschrift zur Zuständigkeit der Handelsgerichte war Art. 631 Code de commerce zu entnehmen: „Les tribunaux de commerce connaîtront, 1. De toutes contestations relatives aux engagemens et transactions entre négocians, marchands et banquiers; 2. Entre toutes personnes, des contestations relatives aux actes de commerce.“ „Die Handlungs-Gerichte haben das Recht zu erkennen, 1. Ueber alle Streitigkeiten, die sich auf Verbindlichkeiten und Verträge zwischen Handelsleuten, Kaufleuten und Banquiers (jenen, die Wechsel-Geschäfte treiben) beziehen; 2. Ueber Streitigkeiten, die auf Handlungs-Geschäfte Beziehung haben, die Perso­ nen mögen Handelsleute seyn, oder nicht.“

Vorausgesetzt wurden hier keine sachlichen und personellen Kriterien, die gleichzeitig vorliegen mussten, wie das teilweise bei den deutschen Handels­ gerichten des 18. Jahrhunderts gemacht wurde64. Vielmehr konnte es ausrei­ 61  Vgl.

dazu das Ergebnis auf S. 81. S.  124 ff. 63  Darstellung der Grundzüge der Zuständigkeit ohne Vergleich zum Recht der deutschen Staaten auch bei Frey, S.  81 f.; Paraquin, Band 1, S. 64 f.; Wilhelm, S.  90 ff. 64  Vgl. S. 82. 62  Vgl.



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit97

chen, dass eine Streitigkeit vorlag, die sich aus einer Verbindung zwischen Personen bestimmter Berufsgruppen ergab, die dem Handelsverkehr zuzu­ ordnen waren. Damit konnte allein durch das Vorliegen personeller Voraus­ setzungen die Zuständigkeit begründet sein. Alternativ konnten die Streitig­ keiten auch aus einem Handelsgeschäft herkommen. Dann mussten die Par­ teien nicht zwingend einer der Berufsgruppen der ersten Alternative angehö­ ren. Die zweite Alternative ermöglichte, dass sich die Zuständigkeit ganz objektiv bzw. sachlich anhand des Streitgegenstandes ergab. aa) Rein personelle Voraussetzung (1. Alternative) Bei den Berufsgruppen der ersten Variante zeigen die verschiedenen Über­ setzungen Unterschiede auf. Im französischen Originaltext wurden „nègo­ cians, marchands et banquiers“65 aufgezählt. Bei Erhard fallen Kaufleute, Kramer und Banqiers darunter66. Cramer übersetzt die Berufe mit Handel­ treibende, Kaufleute und Wechsler67. Insbesondere die Abgrenzung zwischen Kaufleuten und Handelsleuten bzw. zwischen Kramern und Kaufleuten scheint also nicht wirklich ausgeprägt gewesen zu sein. bb) Rein sachliche Voraussetzung (2. Alternative) Die Übersetzung von Daniels ist hinsichtlich Art. 631 Alt. 2 Code de com­ merce etwas unverständlich. Mit dem Ausdruck „die Personen mögen Han­ delsleute seyn, oder nicht“ ist gemeint, dass alle Personen erfasst waren, egal welchen Beruf sie ausübten. Insbesondere mussten sie nicht unter eine der drei Berufsgruppen von Art. 631 Alt. 1 Code de commerce fallen. Zum Ver­ ständnis kann die leicht abweichende Übersetzung von Erhard beitragen68: „Zweytens, über die sich auf Handelsgeschäfte beziehenden Rechtsstreitigkeiten zwischen Personen jeder Art.“

Die Art. 632 und 633 Code de commerce69 führten ausführlich aus, was der Gesetzgeber als Handelsgeschäft, im Original „actes de commerce“70, 65  Version bei Erhard, Handelsgesetzbuch, S. 288. Bei Erhard wird deine andere Nummerierung verwendet als üblich. Nach seiner Zählweise ist das der Art. 17 im 4. Buch des Handelsgesetzbuches. Positiv an der Übersetzung ist allerdings, dass eine direkte Gegenüberstellung der deutschen Version zum französischen Originaltext er­ folgt. 66  Erhard, Art. 17 im 4. Buch des Handelsgesetzbuches, S. 289. 67  Cramer, Art. 631 des Handelsgesetzbuches, S. 62. 68  Erhard, Art. 17 im 4. Buch des Handelsgesetzbuches, S. 289. 69  Wieder in der Nummerierung von Daniels, Code de commerce. 70  So etwa bei Erhard, Art. 17 im 4. Buch des Handelsgesetzbuches, S. 288.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

anerkannte. Wie gerade festgestellt, war der Begriff des Handelsgeschäfts lediglich für Art. 631 Alt. 2 Code de commerce relevant. Art. 632 Code de commerce: „La loi répute actes de commerce, Tout achat de denrées et marchandises pour les revendre, soit en nature, soit après les avoir travaillées et mises en oeuvre, ou même pour en louer simplement l’usage; Toute entreprise de manufactures, de commission, de transport par terre ou par eau; Toute entreprise de fournitures, d’agences, bureaux d’affaires, établissemens de ventes à l’encan, de spectacles publics; Toute opération de change, banque et courtage; Toutes les opérations des banques publiques; Toutes obligations entre négocians, marchands et banquiers; Entre toutes personnes, les lettres de change, eu remises d’argent faites de place en place.“ „Das Gesetz sieht als Handlungs-Geschäfte an, Jeden Ankauf von Lebensmitteln und Waaren, um sie, entweder so wie sie wirklich sind, oder verarbeitet, und in eine andere Form umgeschaffen, wieder zu verkaufen, oder auch selbst zum bloßen Gebrauche zu vermiethen; Jede Unternehmung von Manufacturen, von Commissions-Geschäften, von Versen­ dung zu Wasser und zu Lande; Jede Unternehmung von Lieferungen, von Agentschaften, von Geschäfts-Büreaux, von öffentlichen Versteigerungs-Anstalten, von öffentlichen Schauspielen; Jedes Wechsel- Bank- und Mäkler-Geschäft; Alle Geschäfte öffentlicher Bänke; Alle Verbindlichkeiten unter Handelsleuten, Kaufleuten und Banquiers; Die Wechselbriefe, oder von einem Orte zum andern gemachten Geld-Remessen, die betheiligten Personen mögen Handelsleute seyn oder nicht.“

Daneben zählte man Streitsachen zu den Handelsgeschäften, die mit dem Seehandel im weitesten Sinne in Verbindung standen. Art. 633 Code de commerce: „La loi répute pareillement actes de commerce, Toute entreprise de construction, et tous achats, ventes et reventes de bâtimens pour la navigation intérieure et extérieure; Toutes expéditions maritimes; Tout achat ou vente d’agrès, apparaux et avitaillemens; Tout affrétement ou nolissement, emprunt ou prêt à la grosse; toutes assurances et autres contrats concernant le commerce de mer; Tous accords et conventions pour salaires et loyers d’équipages;



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit99 Tous engagemens de gens de mer, pour le service de bâtimens de commerce.“ „Das Gesetz sieht ebenfalls als Handlungs-Geschäfte an, Jede Unternehmung eines Schiffbaues, und alle Käufe, Verkäufe, und Wiederver­ käufe von Schiffen, die für die innere und äußere Schifffahrt bestimmt sind; Alle See-Expeditionen; Jeden Kauf oder Verkauf von Tackelwerk, Schiff-Geräth und Schiff-Proviant; Jede Miethung oder Befrachtung eines Schiffes, jedes Darlehen oder Anlehen auf Bodmerey, alle Assecuranzen, und sonstige die See-Handlung betreffende Contrac­ te; Alle Verträge oder Uebereinkünfte über Besoldung und Lohn der zum Schiff gehö­ rigen Personen; Jede Annahme von Seeleuten zum Dienste eines Kauffahrthen-Schiffes.“

Die Art. 632, 633 belegen, dass der Code de commerce nicht zwischen Handelsgerichten in Seestädten und sonstigen Städten differenzierte. Ferner wird deutlich, dass die Gerichtsbarkeit der Admiralitäten in Seehandels­ sachen aufgelöst worden war, da diese Streitgegenstände den Handelsgerich­ ten übertragen waren. b) Zuständigkeit in anderen Fällen In den Art. 634 bis 638 Code de commerce wurden noch weitere Fälle aufgezählt, für die die Handelsgerichte zuständig waren: Art. 634 Code de commerce: „Les tribunaux de commerce connaîtront également, 1)  Des actions contre les facteurs, commis de marchands ou leurs serviteurs, pour le fait seulement du trafic du marchand auquel ils sont attachés; […].“ „Die Handlungs-Gerichte sind gleichfalls befugt, zu erkennen: 1) Ueber Klagen, die gegen Handlungs-Vorsteher, Commis, oder Kaufmann-Die­ ner, jedoch bloß in Beziehung auf dasjenige, womit der Kaufmann, in dessen Dienste sie stehen, Handlung treibt, angestellt werden; […].“ Art. 635 Code de commerce: „Ils connaîtront enfin, 1)  Du dépôt du bilan et des registres du commercant en faillite, de l’affirmation et de la vérification des créances; […].“ „Sie erkennen endlich 1)  Ueber die Hinterlegung der Bilanz und der Handelsbücher eines fallirten Han­ delsmannes, über die Untersuchung und eidliche Bekräftigung der Forderungen; […].“

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Eine vergleichbare Vorschrift war den deutschen Ordnungen des 18. Jahr­ hunderts fremd. Erfasst waren Streitigkeiten, die einen Bezug zum Handels­ verkehr aufwiesen und dennoch nicht unter die Grundnormen der Art. 632 f. Code de commerce fielen. Dabei handelte es sich um die Fälle, bei denen der Beklagte nicht unter eine der drei Berufsgruppen des Art. 631 Alt. 1 Code de commerce fiel und die Streitsache keine Handelssache im Sinne des Art. 632 Code de commerce oder Art. 633 darstellte. c) Zuständigkeit der Zivilgerichte in Handelssachen Die örtliche Zuständigkeit der Handelsgerichte bestimmte sich gemäß Art. 616 Code de commerce nach dem Gerichtsbezirk des Zivilgerichts, in dessen Bereich (arrondissement) es bestand. Sofern sich im Bezirk eines ­Zivilgerichts mehrere Handelsgerichte befanden, wurden diesen besondere, eigene Bezirke zugewiesen. In den Bezirken (arrondissemens), in denen es keine Handelsgerichte gab, übten gemäß Art. 640 die Richter der Zivilge­ richte die Handelsgerichtsbarkeit aus, weshalb sie dann für die Streitigkeiten zuständig waren, die eigentlich bei den Handelsgerichten entschieden wur­ den. Allerdings wurde das Verfahren vor den Zivilgerichten in solchen Fällen modifiziert, indem man die Grundsätze des Handelsprozesses anwendete, vgl. Art. 641 Code de commerce. Dennoch war im Code de commerce nicht vorgesehen, dass sich dann die Besetzung bei den Zivilgerichten änderte, indem etwa Kaufleute hinzugezogen werden sollten. d) Vergleich mit der deutschen Handelsgerichtsbarkeit Vergleicht man die Vorschriften des Code de commerce zur Zuständigkeit der Handelsgerichte mit den deutschen Gerichtsordnungen des 18. Jahrhun­ derts, ergeben sich elementare Unterschiede: So bestand in Frankreich nur eine Form des besonderen Spruchkörpers für Handelssachen, nämlich allge­ meine Handelsgerichte. Diese waren für alle Bereiche der Rechtsprechung in Handelssachen zuständig und nicht nur für Teilbereiche, wie etwa die deut­ schen Wechselgerichte, Messegerichte oder die Spruchkörper für Seehandels­ sachen71. Ferner waren sie aufgrund der in der französischen Revolution entwickelten Gewaltenteilung nur rechtsprechend tätig72. Damit gab es keine Einrichtungen mehr, die neben Aufgaben der Polizei oder Verwaltung auch die der Rechtsprechung in Handelssachen, oder zumindest Teilen davon, wahrgenommen haben. 71  Siehe 72  Vgl.

dazu S. 82 f. S. 90.



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit101

Aus diesem Grund können die Vorschriften letztendlich nur mit denjenigen des Handelsgerichts in Leipzig und des Nürnberger Merkantil- und Bancoge­ richts verglichen werden. Auch dabei zeigen sich keine Parallelen. Der Code de commerce verfolgte in Art. 631 ein anderes System, indem nicht das gleichzeitige Vorliegen von personellen und sachlichen Kriterien gefordert wurde. Vielmehr standen die beiden Kriterien in einem alternativen Verhält­ nis. Die Streitgegenstände betreffend ergeben sich nicht wirklich Gemein­ samkeiten, zumal nach dem Code de commerce sogar Seehandelssachen er­ fasst waren. 3. Verfahren Die Verfahrensgrundsätze waren nur ansatzweise in den Art. 642 ff. des Code de commerce geregelt, da Art. 642 Code de commerce auf Titel 25 (Art. 414 bis 442) des 2. Buches im 1. Teil des Code de procédure civile, also dem französischen Zivilprozessbuch, verwies73. Rein von der Gesetzes­ systematik her zeigt sich wiederum ein Unterschied zu den entsprechenden deutschen Ordnungen des 18. Jahrhunderts, bei denen das Verfahren umfas­ send in einer eigenen Ordnung geregelt worden war74. Ein Verweis auf den Zivilprozess wurde bei keiner deutschen Einrichtung für Handelssachen vorgenommen. Die Verfahrensvorschriften für die Handelsgerichte waren in dem Teil des Code de procédure civile (2. Buch) verankert, der das Verfahren vor den Untergerichten regelte75. Die Untergerichte waren die erste Instanz der or­ dentlichen Gerichtsbarkeit76. Titel 25 des 2. Buches normierte Sonderrege­ lungen für die Handelsgerichte, die von den Vorschriften für die Unterge­ richte abwichen. Der Prozess bei den Handelsgerichten sollte zügiger und einfach verlaufen. Insofern stimmte dieses Ziel mit den Verfahrensvorschrif­

73  Vgl. die Überschrift zum Titel. Verwendet wird für die folgenden Ausführun­ gen die Übersetzung von Erhard, Civilgerichtsordnung des Französischen Reichs, 2. Auflage 1813. Es wird ganz bewusst diese Übersetzung herangezogen, da man sich bei der Einführung des Code de procédure civile in den hanseatischen Departements für die Übersetzung von Erhard entschieden hat; allerdings wurde die 1. Auflage von 1808 verwendet, siehe unten. Bei dieser Übersetzung verwendet Erhard, anders als bei seiner Übersetzung zum Code de commerce, die Originalnummerierung. 74  Siehe S. 84. 75  Darstellung des handelsgerichtlichen Verfahrens in Grundzügen auch bei Paraquin, Band 4, S. 67 ff.; eine überblicksartige Darstellung von allgemeinen Grundsät­ zen des Code de procédure civile findet sich bei Ahrens, S.  50 ff. 76  Zur Zuständigkeit der Untergerichte (Tribunale erster Instanz) siehe Frey, S.  89 ff.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

ten der deutschen Sondergerichte überein77. Bei den einschlägigen Normen wird jedoch erneut ersichtlich, dass die französischen Gerichte allgemeine Handelsgerichte waren, weshalb im Code de commerce nicht zwischen den Verfahren in Wechselsachen, Seehandelssachen, Messesachen und sonstigen Handelssachen differenziert werden musste78. Da die Verfahrensvorschriften in den untersuchten deutschen Ordnungen konträr waren, ist ein tiefgreifen­ der Vergleich nicht wirklich möglich, da nur teilweise ähnliche Mittel zur Beschleunigung der Verfahren eingesetzt wurden. Dennoch werden im Fol­ genden einige Verfahrensgrundsätze, die bei den deutschen Handelsgerichten des 18. Jahrhunderts noch sehr unterschiedlich geregelt waren, herausgegrif­ fen und dargestellt, um bei den im 19. Jahrhundert eröffneten deutschen ­Gerichten bis zum GVG mögliche Einflüsse aufzeigen zu können. a) Vorladung Bereits bei den Verfahrensgrundsätzen zur Vorladung wird bemerkbar, dass in Handelssachen der gerichtliche Prozess beschleunigt wurde, weshalb im Vergleich zum Verfahren bei den Zivilgerichten erster Instanz die Fristen verkürzt wurden. Gemäß Art. 416 Code de procédure civile musste dem Be­ klagten grundsätzlich lediglich eine Frist von mindestens einem Tag gewährt werden, um vor Gericht zu erscheinen, wohingegen sonst im Zivilprozess diesem gemäß Art. 72 Code de procédure civile mindestens acht Tage einge­ räumt wurden. Die Art. 417 und 418 Code de procédure civile eröffneten Möglichkeiten, in besonders dringenden Fällen, beispielsweise durch Be­ schlagnahme des Mobiliarvermögens des Beklagten, ein schnelles Erscheinen vor Gericht zu gewährleisten. So ermächtigte die Vorschrift des Art. 417 Code de procédure civile den Präsidenten auch, unter Umständen den Be­ klagten von einem Tag auf den nächsten, also ohne Pausentag oder sogar von einer Stunde auf die nächste vorladen zu lassen. Nach erfolgreicher Ladung fand eine mündliche und öffentliche Verhand­ lung (Audienz) statt79. Anschließende Schriftwechsel, wie bei den Unterge­ richten, gab es beim summarischen Verfahren der Handelsgerichte nicht80.

77  Siehe 78  Ebd.

das Ergebnis auf S. 84.

79  Paraquin, 80  Ebd.,

Band 4, S. 68. S. 68; vgl. auch Art. 95 ff. Code de procédure civile.



A. Die französische Handelsgerichtsbarkeit103

b) Anwaltliche Vertretung Bei den deutschen Einrichtungen für den Handel wurde die Möglichkeit der anwaltlichen Vertretung kontrovers gehandhabt81. Die Prozesse vor den französischen Handelsgerichten hingegen wurden ohne die Beteiligung von sogenannten „avoués“ geführt, vgl. Art. 414 des Code de procédure civile. Um die Vorschrift bzw. die Tätigkeit zu verstehen, muss dieser Beruf des Sachwalters82 bzw. Anwalts83 in den französischen Zivilprozess eingeordnet werden. Grundsätzlich mussten sich Parteien vor den Zivilgerichten zwin­ gend von solchen vertreten lassen84. Sie waren studierte Juristen85. Der Aus­ schluss der anwaltlichen Vertretung vor den Handelsgerichten war damit eine Ausnahme im französischen Prozessrecht86. Allerdings waren die Parteien gemäß Art. 421 Code de procédure civile grundsätzlich nicht verpflichtet, persönlich zu erscheinen, sondern konnten sich durch einen Spezialbevollmächtigten vertreten lassen. Die Vorschrift stellte keine besonderen Anforderungen an diese Person. So konnten die Parteien theoretisch das in Art. 414 Code de procédure civile geregelte An­ waltsverbot umgehen, indem sie einen studierten Juristen bzw. einen Anwalt bevollmächtigten87. Das Gericht konnte aber gemäß Art. 428 Code de procé­ dure civile individuell anordnen, dass die Parteien in Person vernommen werden, entweder im öffentlichen Verhör oder im Beratschlagungszimmer des Gerichts. c) Beweis Auch die Vorschriften des Code de commerce zum Beweis förderten die Schnelligkeit der Handelsprozesse. Die Handelsgerichte waren befugt, selb­ ständig alle Beweise aufzunehmen, weshalb Verweisungen an die Zivilge­ richte nicht nötig waren. Ferner schaffte man Möglichkeiten zur Beschleuni­ gung der Beweisaufnahme, die dem deutschen Prozessrecht des 18. Jahrhun­ derts fremd waren: So konnten die Gerichte gemäß Art. 429 Abs. 1 Code de procédure civile beispielsweise bei Bedarf einen oder drei Schiedsrichter („arbitres“) ernen­ nen, wenn Rechnungen, Urkunden und Bücher untersucht werden mussten. 81  Vgl.

das Ergebnis auf S. 84. in der Übersetzung von Erhard. 83  So in der Übersetzung von Cramer. 84  Siehe hierzu Frey, S. 278 ff., der auch den Begriff „Anwalt“ verwendet. 85  Ebd, S. 279. 86  Zu den weiteren Ausnahmen siehe ebd., S. 279. 87  Paraquin, Band 1, S. 54. 82  So

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Diese sollten gemäß dieser Vorschrift versuchen, die Parteien im Zuge dessen außerhalb der mündlichen Gerichtsverhandlung zu einem Vergleich zu bewe­ gen und nur wenn dies scheiterte, ein entsprechendes Gutachten über die Beweislage anfertigen. Diese Schiedsrichter waren streng abzugrenzen von Schiedsrichtern, die die Parteien ernennen konnten, um sich als Alternative zum Gerichtsprozess außergerichtlich in der Güte zu einigen (Art. 1003 ff. Code de procédure civile). Sofern die Besichtigung oder Abschätzung von Waren vorzunehmen war, wurden vom Gericht ein oder drei Sachverständige („experts“) bestimmt (Art. 429 Abs. 2 Code de procédure civile). Mit der Einsetzung der Schiedsrichter sowie der Sachverständigen zur Beweisfin­ dung wurde gewährleistet, dass weitreichendere Untersuchungen außerhalb des mündlichen Gerichtsprozesses stattfanden. Ferner schaffte es die Mög­ lichkeit, auch nachdem sich der Kläger für das Einlegen einer Klage ent­ schieden hatte, außerhalb des Gerichts eine gütliche Einigung herbeizufüh­ ren. Taugliche Beweismittel waren beispielweise auch Zeugen. Hierfür legte Art. 432 Code de procédure civile fest, dass die Formalitäten beachtet wer­ den sollten, die für den summarischen Zeugenbeweis galten (Art. 407–413 Code de procédure civile). Interessant am Zeugenbeweis war vor allem die Unterscheidung, ob ein Protokoll aufgenommen wurde oder nicht. Sofern eine Streitsache einen niedrigen Streitwert hatte und deshalb eine Appellation bereits im Vorfeld ausgeschlossen war88, wurde kein Protokoll aufgenom­ men, vgl. Art. 410 Code de procédure civile. Wenn allerdings eine Appella­ tion gestattet war, mussten gemäß Art. 432 Code de procédure civile die Aussagen vom Gerichtsschreiber („greffier“) mitgeschrieben und anschlie­ ßend vom Zeugen unterzeichnet werden. Der Verzicht der Aufnahme im Protokoll war eine Besonderheit des Handelsprozesses, da vor den Zivilge­ richten stets die Aussagen mitgeschrieben und unterzeichnet werden mussten, vgl. Art. 273 f. Code de procédure civile. d) Säumnis Sofern der Kläger unentschuldigt fehlte, fällte das Gericht gemäß Art. 434 Code de procédure civile ein Urteil wegen Säumnis und sprach den Beklag­ ten von der Klage los. Wenn der Beklagte ausblieb, erging ebenso ein solches Urteil und zusätzlich wurde dem Kläger das zugesprochen, was er in der Klage beantragt hatte, sofern das Gericht die Forderung für begründet hielt, vgl. Art. 434 Code de procédure civile. Diese beiden Möglichkeiten des Ge­ richts bei Säumnis einer Partei galten ganz allgemein im französischen Zivil­ prozess bei einem unentschuldigten Fehlen auf eine gerichtliche Vorladung 88  Siehe

S. 105.



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hin. Allerdings wurden die Fristen für die Handelsgerichte verkürzt. So war bei diesen das Urteil bereits einen Tag nach Zustellung vollstreckbar, bei den Zivilgerichten (Untergerichten) hingegen erst nach acht Tagen, vgl. Art. 435 mit Art. 155 Code de procédure civile. Innerhalb von acht Tagen nach Zustellung konnte gemäß Art. 436 Code de procédure civile „opposition“ gegen ein Urteil wegen Säumnis eingelegt werden. Sofern die Einlegung vor der Vollstreckung erfolgte, konnte zunächst bis zur Entscheidung nicht vollstreckt werden, vgl. Art. 435 Code de procé­ dure civile. Die „opposition“ war ein Rechtsbehelf, der nach modernem Verständnis wohl als Einspruch oder Gegenrede zu definieren ist89 und den Aufschub der Vollstreckung bewirkte, vgl. Art. 643 Code de commerce i. V. m. Art. 159 Code de procédure civile. Bei der Erhebungsfrist findet sich keine Verkürzung für die Handelsgerichte, vgl. Art. 436 Code de procédure civile mit Art. 157 Code de procédure civile. e) Appellation Wie bei den meisten deutschen Sondergerichten für Handelssachen war die Appellation („appel“) gegen erstinstanzliche Urteile grundsätzlich mög­ lich, vgl. Art. 644 Code de commerce90. Allerdings wurde diese auch nach französischem Recht eingeschränkt. Das Rechtsmittel konnte deshalb gemäß Art. 639 lit. a, 646 Code de commerce in Streitsachen mit Streitwert unter 1.000 Francs nicht eingelegt werden91. Andererseits war es ausgeschlossen, wenn sich die Parteien vor dem erstinstanzlichen Prozess einvernehmlich auf einen Verzicht geeinigt hatten (Art. 639 Code de commerce). Insbesondere die Beschränkung des Streitwerts, die den untersuchten deutschen Gerichts­ ordnungen gleichfalls nicht fremd war92, machte deutlich, dass nicht bei je­ dem Prozess ein Rechtsmittel eingelegt werden sollte, da dies zu Verzögerun­ gen führte. Die Ermächtigung, die Appellation gleich zu Beginn auszuschlie­ ßen, konnte den Parteien die Sicherheit der schnellen Streitentscheidung auch bei höheren Streitwerten liefern. Die Appellationen waren gemäß Art. 644 Code de commerce an die „Cours d’appel“ (Appellationsgerichte) zu richten, in deren Gerichtsbezirk sich die Handelsgerichte befanden. Der Gerichtsbezirk eines Appellationsgerichts umfasste regelmäßig das Gebiet von zwei bis vier Departements93. Bei den 89  Erhard,

Civilgerichtsordnung des Französischen Reichs, S. XVII. das Ergebnis auf S. 84. 91  Das entsprach jedoch dem Wert, der auch bei den Untergerichten galt, vgl. Frey, S. 90. 92  Siehe S. 84 f. 93  Frey, S. 103. Zu den Departements siehe S. 107 ff. 90  Siehe

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Appellationsgerichten wurde bei der Besetzung kein Unterschied zwischen Verfahren nach erstinstanzlichen Urteilen der Handelsgerichte und solchen der Untergerichte gemacht94. Somit entschieden in der zweiten Instanz in Handelssachen nur Juristen und keine Kaufleute. Keine vom Zivilprozess abweichende Einschränkung gab es auch bei der Frist. So musste sowohl nach Urteilen der Untergerichte (Art. 443 Code de procédure civile) als auch nach Urteilen der Handelsgerichte (Art. 645 Code de commerce) grundsätzlich innerhalb von drei Monaten die Appellation eingelegt werden. Die Frist begann nach den jeweiligen Vorschriften am Tag der Klageverkündung. Die Frist war deutlich länger als bei den untersuchten deutschen Gerichtsordnungen95. Für das Gerichtsverfahren bei den Appellationsgerichten selbst fanden ge­ mäß Art. 648 Code de commerce die Vorschriften des 3. Buches des 1. Teiles des Code de procédure civile (Art. 443 ff.) Anwendung, die für die Appella­ tionen von Urteilen der Untergerichte galten. Lediglich das Einlegen des Rechtsmittels wurde über Art. 648 Code de procédure civile in Handelspro­ zessen erleichtert96. Demnach reichte es aus, dass die Appellationen gemäß Art. 463 Code de procédure civile durch einen „bloßen Satz“, also ohne Be­ gründung, eingereicht wurde. Es fand dann die mündliche Verhandlung statt, ohne dass davor, wie bei den Zivilsachen, ein schriftliches (Vor-)Verfahren zwischen den Parteien erfolgen musste, vgl. Art. 463 Code de procédure ­civile97. Die Appellation wurde also an einigen Stellen erleichtert, damit das Ver­ fahren in zweiter Instanz zügiger ablaufen konnte. Festzuhalten ist aber auch, dass die Einlegungsfrist und die Streitwertgrenze die gleichen waren wie bei Appellationen gegen Urteile der Zivilgerichte. 4. Resümee Wir haben gesehen, dass die französischen Handelsgerichte sich in vielen Punkten von den deutschen Einrichtungen für den Handel des 18. Jahrhun­ 94  Schlink,

Gerichtssaal 1850 1.Bd, 147; Frey, S. 104. lediglich wenige Tage, vgl. S. 84 f. 96  Hierfür verwies Art. 648 Code de procédure civile auf Appellationen von Urtei­ len, die in summarischen Verfahren erlassen werden, vgl. das 15. Kapitel des 2. Buchs des Code de procédure civile. 97  Die Vorschrift verweist diesbezüglich auf Art. 405 Code de procédure civile. Cramer übersetzt die Stelle mit „bloßen Akt“. Gemeint war damit, dass der Appellant (bzw. dessen Sachwalter) nicht vorher eine Begründung liefern musste, auf die die andere Partei noch vor der mündlichen Verhandlung zu antworten hatte, vgl. Art. 462 Code de procédure civile. 95  Dort



B. Einführung der franz. Handelsgerichtsbarkeit in dt. Staaten107

derts unterschieden. Gerade bei der Besetzung und der Bestimmung der ­Zuständigkeit zeigen sich erhebliche Gegensätze. Auch bei der Regelung des Verfahrens wurde eine vollkommen andere Systematik verwendet. Die wohl größte Abweichung war allerdings die Einheitlichkeit der Gerichte. Für die nachfolgende Untersuchung der deutschen Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert wird relevant werden, ob der Gesetzgeber Grundsätze des französischen Rechts aufgenommen hat, die dem deutschen Recht des 18. Jahrhunderts noch fremd waren.

B. Einführung der französischen Handelsgerichtsbarkeit in deutschen Staaten bzw. Städten Es stellt sich nun die Frage, ob diese Vorschriften des französischen Rechts zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch unmittelbare Übertragung in deutschen Staaten und Städten eingeführt wurden.

I. Geschichtlicher Hintergrund Die Zeit der Besetzung deutscher Gebiete durch Frankreich umfasste die Jahre zwischen ca. 1794 und 181498. Die Ausdehnung des französischen Herrschaftsgebiets basierte auf der französischen Revolution ab 1789 und den darauffolgenden Kriegen Frankreichs in ganz Europa ab 179299. Sie führten zu einer Umstrukturierung des deutschen Territoriums, das bis dahin in viele kleinere Reichsstände gegliedert war, die zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörten100. Die ersten deutschen Gebiete, die von Frankreich besetzt wurden, waren ab 1794 diejenigen links des Rheins101. Sie wurden 1798 nach französischem Vorbild neu organisiert und in vier Departements, also Gebietskörperschaften, eingeteilt102. Geschaffen wurden die Departements Roër mit der Hauptstadt Aachen, Saar mit der Hauptstadt Trier, Rhein-Mosel mit der Hauptstadt Koblenz und Donnersberg mit der 98  Im Hinblick auf das Forschungsziel der Arbeit wird im Folgenden lediglich ein Überblick geschaffen, der für das weitere Verständnis des 3. Teils notwendig ist; zu einer ausführlichen Darstellung der geschichtlichen Ereignisse dieses Zeitraums siehe bspw. Süßmann; Demel; Hahn/Berding. 99  Vgl. hierzu etwa Botzenhart, S. 14 ff. Vollumfassende Darstellung der Kriege bei Rothenberg. 100  Ausführlich hierzu Süßmann, S.  17 ff. 101  Engelbrecht, in: Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien, S. 79. Ausführliche Untersuchung auch von Conrady. 102  Grilli, S. 27.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Hauptstadt Mainz103. In den rheinischen Departements richtete man schritt­ weise nach französischem Vorbild Verwaltungs- und Gerichtsbehörden ein104. Im Rahmen des Friedensvertrags von Luneville 1801 gingen sie völkerrecht­ lich durch Abtretung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation an Frankreich über und wurden in der Folge 1802 endgültig den übrigen franzö­ sischen Departements gleichgestellt105. Im Jahre 1803 wurden die betroffe­ nen deutschen Fürsten für den Verlust ihrer linksrheinischen Gebiete entschä­ digt106. Hierfür wurden rechts des Rheins kirchliche Herrschaften säkulari­ siert bzw. einer großen Zahl von Reichsstädten ihre Selbständigkeit genom­ men (Mediatisierung) und mittelgroßen Staaten wie Bayern, Württemberg und Baden eingegliedert107. Als Frankreich 1805 weitere Gebiete eroberte, hatten sich Bayern, Würt­ temberg und Baden bereits mit dem französischen Kaiser verbündet108. Im Jahre 1806 entstand so der Rheinbund, der zum Zeitpunkt seiner größten Bedeutung (1808) ein Zusammenschluss der meisten Staaten des rechtsrhei­ nischen Deutschlands mit Ausnahme der österreichischen und preußischen Gebiete, Schwedisch-Vorpommern und dem mit Dänemark verbundenen Holstein, war109. Die Mitglieder des Bundes waren bereits Verbündete Frank­ reichs110 bzw. schlossen sich nun an und traten in der Folge geschlossen 1806 aus dem Heiligen Römischen Reich aus, das im gleichen Jahr aufgelöst wurde111. Durch diese Ereignisse änderte sich die territoriale Aufteilung in Deutschland erneut, indem die restlichen kleinen Reichsstände des vorma­ ligen Heiligen Römischen Reichs aufgelöst und den Mitgliedsstaaten des Rheinbundes einverleibt wurden112.

103  Demel,

S. 317; Grilli, S. 27; siehe auch die Karte bei Knemeyer, S. 26. hierzu insbesondere Engelbrecht, in: Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien, S. 79 ff.; oder auch Grilli, S. 25 ff.; bezüglich der Schaffung von Handelsgerichten nach französischem Vorbild siehe die nachfolgenden Kapitel. 105  Süßmann, S. 131; Demel, S. 317. 106  Botzenhart, S. 27. Das erfolgte durch den sogenannten „Reichsdeputations­ hauptschluss“. Darunter versteht man den Abschlussbericht einer reichsständischen Versammlung (Ausschuss), bestehend aus Vertretern verschiedenster Mitgliedsstaaten des Heiligen Römischen Reiches, vgl. etwa Demel, S.  324 f. 107  Vgl. Aretin, S.  90 ff.; Botzenhart, S. 28. 108  Fenske, S. 105; Botzenhart, S. 26, 30; Süßmann, S. 126. 109  Demel, S.  349 f.; Fenske, S. 105. 110  Wie etwa Bayern, Württemberg und Baden, vgl. Demel, S.  344 f. 111  Die Auflösung erfolgte durch die Niederlegung der Krone durch Kaiser Franz II. von Österreich, vgl. Süßmann, S. 103; Fenske, S. 103; Demel, S.  351 f.; Aretin, S. 102. 112  Botzenhart, S.  27 f. 104  Vgl.



B. Einführung der franz. Handelsgerichtsbarkeit in dt. Staaten109

Im 18. Jahrhundert gab es also noch viele kleine, selbständige Reichs­ stände, die jeweils einen eigenen Verwaltungs- und Gerichtsaufbau hatten. Durch die Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es weniger selbständige Staaten, die dann allerdings größere Territorien hatten. Jedoch war der Rheinbund lediglich ein Militärbündnis unter dem Schutz Frank­ reichs, aufgrund dessen die betroffenen Staaten außenpolitisch eingeschränkt wurden113. Im Übrigen blieben sie souverän und die Innenpolitik und das Rechtssystem wurden nicht dem französischen Modell angepasst114. Im Zuge der Auflösung des Reiches und anschließender Kriegseroberun­ gen entstanden die sogenannten Satelliten- bzw. Modellstaaten115. Dazu zählten das Herzogtum Berg (1806) mit der Hauptstadt Düsseldorf, später das Königreich Westfalen (1807) mit der Hauptstadt Kassel und das Groß­ herzogtum Frankfurt mit der Hauptstadt Frankfurt am Main (1810)116. Sie werden auch dem Rheinbund zugeordnet117. Allerdings unterschieden sie sich als Satellitenstaaten von den restlichen Mitgliedsstaaten des Rheinbun­ des insofern, dass sie zwar formal selbständig, aber in Wirklichkeit von Frankreich abhängig waren118. Man bezeichnete sie als Modellstaaten, da sie von Frankreich gegründet wurden, um sie als Vorzeigestaaten nach französi­ schem Vorbild zu organisieren119. Auch Preußen musste große Gebietsverluste hinnehmen. So wurden im Frieden von Tilsit 1807 Gebiete, insbesondere westlich der Elbe, den Mo­ dellstaaten zugewiesen120. Preußen wurde 1812 in eine Allianz gegen Russ­ land gezwungen, aber darüber hinaus nicht weiter in das System Napoleons eingebunden121. Im Jahre 1806 wurden große Gebiete der Nordseeküste, insbesondere die Mündungsgebiete von Ems, Weser und Elbe, von Frankreich okkupiert und 1810 annektiert122. Das führte zur Gründung von drei hanseatischen Departe­ ments, dem Departement der Elbmündung mit Hauptsitz Hamburg123, dem 113  Fenske,

S. 105; Demel, S.  349 f.; Aretin, S.  115 f. S. 31. Bezüglich der Schaffung von Handelsgerichten nach franzö­ sischem Vorbild kann auf die folgenden Kapitel verwiesen werden. 115  Zur Abhängigkeit der Staaten siehe insbesondere Hahn/Berding, S.  57 ff. 116  Fenske, S. 105; Hahn/Berding, S. 56. 117  So etwa Fenske, S. 105. 118  Ebd., S. 105. 119  Botzenhart, S. 38; Hahn/Berding, S. 57. So entwarf Napoleon selbst eine Ver­ fassung für Westfalen, siehe Aretin, S. 117. 120  Hahn/Berding, S. 54; Aretin, S. 106; Botzenhart, S. 33. 121  Hahn/Berding, S. 96; 122  Schubert, Französisches Recht, S. 154; Hahn/Berding, S. 56. 123  In diesem Departement war auch Lübeck. 114  Botzenhart,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Departement der Wesermündung mit Hauptsitz Bremen, dem Departement der Ober-Ems mit Hauptsitz Osnabrück und dem anderen nordwestdeutschen Departement der Lippe mit Hauptsitz Münster124. Es gab somit verschiedene Konstellationen, wie vormalige deutsche Staa­ ten und Städte in der relevanten Zeitspanne mit Frankreich in Verbindung standen. Als erstes sind die annektierten Gebiete zu nennen, die von Frank­ reich einverleibt und damit französisches Hoheitsgebiet wurden. Dazu gehör­ ten insbesondere die linksrheinischen Gebiete und Teile der Nordseeküste bis hin zu den hanseatischen Departements. Die zweite Gruppe waren die alliier­ ten Gebiete des Rheinbundes, die grundsätzlich von Frankreich losgelöst waren. Zum Bund gehörten als dritte Gruppe auch die Satelliten- bzw. Mo­ dellstaaten, die allerdings wegen ihrer starken Abhängigkeit von Frankreich von den übrigen Rheinbundstaaten getrennt betrachtet werden müssen. Le­ diglich die restlichen Teile Preußens, überwiegend rechts der Elbe, wurden nie Teil des Rheinbundes und auch nicht von Frankreich annektiert. Nach der Niederlage Frankreichs war der Krieg in Europa beendet, was zu einem Zusammenbruch der französischen Herrschaft in Europa und damit zur Auflösung des Rheinbunds führte125. Im Frieden von Paris 1814 wurden die Grenzen Frankreichs so gelegt, wie sie 1792 waren126. Die endgültige Neuordnung Europas erfolgte beim Wiener Kongress 1814/1815127. Dabei war vor allem problematisch, wie mit den annektierten Gebieten und den Satellitenstaaten verfahren werden sollte128. Letztendlich wurden große Teile, insbesondere das nördliche Rheinland und Westfalen, Preußen zugeteilt. Die vormaligen Reichsstände wurden, mit Ausnahme der Städte Bremen, Ham­ burg, Lübeck und Frankfurt am Main, nicht wieder selbständig. Andere Teile wies man den bestehenden, mittelgroßen Staaten zu129. Um zu untersuchen, ob in der relevanten Zeitspanne französische Handels­ gerichte in deutschen Gebieten eröffnet wurden, bietet sich eine Aufteilung in Departements, Modellstaaten und sonstige Rheinbundstaaten an, da diese auf unterschiedlichste Weise, von französischem Herrschaftsgebiet bis hin zu bloßem Militärbündnis mit Frankreich, in Verbindung standen.

124  Siehe

dazu die Karte bei Knemeyer, S. 42. S. 78; zum Ende der Napoleonischen Herrschaft siehe auch Aretin,

125  Botzenhart,

S.  156 ff. 126  Hahn/Berding, S. 101; Botzenhart, S. 79. 127  Botzenhart, S. 79. 128  Hierzu und zum Folgenden: Hahn/Berding, S.  106 ff. 129  So etwa Ansbach, Bayreuth, Würzburg und Aschaffenburg und die linksrheini­ sche Pfalz an Bayern, die dafür Gebiete an Österreich abtreten mussten; vgl. Hahn/ Berding, S.  106 ff.



B. Einführung der franz. Handelsgerichtsbarkeit in dt. Staaten111

II. Departements Zunächst wird die Einführung von französischen Handelsgerichten in den linksrheinischen Gebieten erläutert, da diese Gebiete bereits vor der Macht­ ergreifung Napoleons von Frankreich einverleibt worden waren. Es folgen dann die hanseatischen Departements und das Departement Lippe. 1. Linksrheinische Departements In der Zeit nach der Besetzung der linkrheinischen Gebiete 1794 durch Frankreich bestand eine gewisse Rechtsunsicherheit, die 1798 teilweise auf­ gehoben wurde130. Im Jahre 1797 betraute man den Juristen Franz Rudler mit der Aufgabe, das Rheinland nach französischem Vorbild zu organisie­ ren131, was zur Gründung der vier Departements links des Rheins führte132. Die Departements teilte er, wie auch in Frankreich, wiederum in Bezirke (arrondissements) und Kantone ein133. Die Hauptstädte der Departements erhielten jeweils ein Zivilgericht (tribunal civil) und Strafgericht (tribunal criminel) erster Instanz134. Es wurde festgelegt, dass die Amtssprache bei Gericht und in der Verwaltung auch in den linksrheinischen Gebieten franzö­ sisch sein sollte135. Im Zuge dessen führte er auch allmählich durch Dekrete die Verwaltung und Justiz nach französischem Vorbild ein136. Die endgültige Gleichstellung der rheinischen mit den restlichen französischen Departements erfolgte erst durch die völkerrechtliche Anerkennung 1802137, weshalb erst danach die französische Gesetzgebung umfassend übertragen werden konn­ te138. a) Handelsgerichte vor Einführung des Code de commerce Bereits am 1. April 1798 wurden in Mainz und Köln durch Beschluss des Direktoriums (Directoire exécutif) provisorisch Handelsgerichte einge­ etwa Langen, S. 49 ff. für Köln. S. 28; Schubert, Französisches Recht, S. 83. 132  Siehe S. 107 ff.; Zur Organisation der Justiz nach französischem Modell siehe Grilli, S.  25 ff. 133  Ebd., S. 27. 134  Ebd., S. 27. 135  Ebd., S. 27. Originaltext des Dekrets bei Bormann/Daniels, Bd. 6, S. 635. Zur Einführung des Französischen als Gerichtssprache siehe Grilli, RhVjbll Jg. 57, 227 ff. 136  Vgl. Langen, S. 59; Schubert, Französisches Recht, S. 84. 137  Siehe S. 107 ff. 138  Schubert, Französisches Recht, S. 85; Knemeyer, S. 36. 130  Vgl.

131  Knemeyer,

112

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

führt139. Dabei handelte es sich um das aus fünf Personen bestehende Gre­ mium, das nach der französischen Revolution bis zur Machtübernahme ­Napoleons die vollziehende Gewalt ausübte140. Die Richter der Handelsge­ richte wurden gemäß Art. 3 des Beschlusses nicht gewählt, sondern von Franz Rudler aus dem Kreis der ortsansässigen Händler, Bankiers, Kaufleu­ ten und Fabrikanten ernannt141. Sie waren für alle Streitigkeiten in Handels­ sachen des jeweiligen Departements zuständig, vgl. Art. 2 des Beschlusses. Allerdings nahmen die Gerichte nicht unmittelbar ihre Tätigkeit auf. Viel­ mehr dauerte es beispielsweise in Mainz bis Januar 1800, bis das Handels­ gericht die erste Sitzung abhielt142. Die beiden Handelstribunale blieben nach 1802 zunächst die Ausnahme in den linksrheinischen Departements. Sie wurden eingeführt, um den linksrheinischen Handel wiederherzustellen und zu fördern143. In dem oben genannten Beschluss des Direktoriums ordnete dieses auch an, dass Rudler die entsprechenden, in Frankreich zur Handels­ gerichtsbarkeit bestehenden Gesetze bezüglich der Errichtung und Zuständig­ keit der Handelsgerichte für die neuen Departements erlassen sollte144. Die Übertragung des Handelsrechts erfolgte durch das Dekret vom 25. ­April 1798, das zugleich eine Vielzahl anderer französischer Gesetze für das Rhein­ land enthielt145. Die französischen Gesetze mussten als Dekrete in den rheini­ schen Departements eingeführt werden und galten nicht selbstverständlich mit Besetzung der Gebiete, da bis 1802 noch die völkerrechtliche Anerkennung fehlte146. In den Departements, in denen es noch keine Handelsgerichte gab, sollten weiterhin die Zivilgerichte erster Instanz, die bereits zuvor nach fran­ zösischem Vorbild eröffnet worden waren, über Streitigkeiten in Handelssa­ chen entscheiden147. Allerdings brachten die Neuerungen zunächst, wie auch im restlichen Frankreich, keine Rechtssicherheit in den rheinischen Departe­ ments, da die Gesetzeslage undurchsichtig war148. Am 27. Februar 1805 folgte

139  Bockenheimer, S. 164; Der Beschluss vom 1. April 1798 zur Errichtung beson­ derer Handelsgerichte ist abgedruckt bei Bormann/Daniels, Bd. 6, S. 637 f. 140  Sammlung Großherzoglicher Hessischer Gesetze, Bd. 1, S. VI. 141  Siehe auch Grilli, S. 31. 142  Bockenheimer, S. 164. Zur provisorischen Besetzung siehe ebd. 143  Vgl. dazu die Einleitung des Beschlusses vom 1. April 1798, Bormann/Da­ niels, Bd. 6, S. 637 f. 144  Art. 4 des Beschlusses vom 1. April 1798, ebd., S. 637 f. 145  Das Dekret vom 25. April 1798 ist abgedruckt ebd., S. 646 ff.; die Bestimmun­ gen zu den Handelsgerichten ab S. 665 ff. 146  Siehe S. 107 ff. 147  Ergibt sich auch aus einem Dekret vom 25. April 1798, vgl. Bormann/Daniels, Bd. 6, S. 646 ff. 148  Schubert, Französisches Recht, S. 31. Vgl. dazu auch die Erkenntnis auf S. 90.



B. Einführung der franz. Handelsgerichtsbarkeit in dt. Staaten113

die Eröffnung eines französischen Handelsgerichts in Aachen149. Die Mitglie­ der wurden nicht gewählt, sondern von Napoleon ernannt150. Es gab somit in den linksrheinischen Departements seit 1798 Handelsge­ richte. Die Richter wurden ausgewählt und zwar zunächst von Franz Rudler, später, nach seiner Machtergreifung, von Napoleon. Problematisch war ge­ rade für die neuen Departements in dieser Zeit noch die undurchsichtige Gesetzeslage der Revolution, die erst durch die Reformen Napoleons besei­ tigt werden konnte. b) Handelsgerichte nach Einführung des Code de commerce Als Napoleon die fünf Gesetzbücher veröffentlichte, führte er sie in allen französischen Departements und deshalb auch in den vormaligen deutschen Gebieten links des Rheins ein. Dafür wurde am 6. Oktober 1809 ein entspre­ chendes Dekret erlassen151. Fortan galten die Regeln des Code de commerce auch in den linksrheinischen Departements152. Für die bereits bestehenden Handelsgerichte in Aachen, Köln und Mainz bestimmte das Dekret die An­ zahl der Richter153. So wurde angeordnet, dass jeweils ein Präsident, vier Richter und vier Suppleanten eingesetzt werden sollten154. In diesem Dekret wurde auch festgelegt, dass in Krefeld ein entsprechen­ des Gericht mit einem Präsidenten, drei Richtern und zwei Beisitzern eröff­ net wird155. In neu einzurichtenden Handelsgerichten in Trier und Koblenz sollten jeweils ein Präsident, vier Richter und vier Suppleanten tätig sein156. Schlussendlich wurde bestimmt, dass die Handelsgerichte in Aachen, Krefeld und Köln dem Appellationsgericht in Lüttich unterstanden, die Gerichte in Trier und Koblenz dem Appellationsgericht in Trier157.

149  Schubert, Französisches Recht, S. 93. Zur Anordnung vgl. Duvergier, Bd. 15, S. 184. 150  Graumann, S. 189. 151  In Auszügen abgedruckt bei Gräff, Bd. 1, S. 685 und Bormann/Daniels, Bd. 5, S. 418 ff. Vollständige Darstellung bei Duvergier, Bd. 16, S. 459. 152  Graumann, S. 189. 153  Vgl. dazu die tabellarische Darstellung bei Bormann/Daniels, Bd. 5, S. 419 und Duvergier, Bd. 16, S. 460 ff.; Graumann, S. 189. 154  Vgl. dazu die tabellarische Darstellung bei Bormann/Daniels, Bd. 5, S. 419 und Duvergier, Bd. 16, S. 460 ff.; Graumann, S. 189. 155  Vgl. dazu die tabellarische Darstellung bei Bormann/Daniels, Bd. 5, S. 419 und Duvergier, Bd. 16, S. 460 ff.; Graumann, S. 189. 156  Vgl. die tabellarische Darstellung bei Bormann/Daniels, Bd. 5, S. 419. 157  Siehe dazu die Einleitung des Dekrets vom 6. Oktober 1809 bei Gräff bzw. die Darstellung bei Bormann/Daniels, Bd. 5, S. 419.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Keine Probleme ergaben sich bei der Frage, ob und welche Übersetzungen der französischen Gesetzbücher verwendet werden sollten, da ohnehin bereits zuvor Französisch als Gerichtssprache eingeführt worden war158. Deshalb wendeten die Gerichte die Gesetzbücher in ihrer Originalversion an. Die Handelsgerichte in den linksrheinischen Departements entsprachen damit ohne jegliche Abweichungen dem französischen Modell. 2. Hanseatische Departements Doch wurden auch in den hanseatischen Departements französische Han­ delsgerichte errichtet? Als die Hansestädte 1806 besetzt wurden, konnte zu­ nächst verhindert werden, dass das französische Recht unmittelbar übertragen wurde159. Allerdings wurde Ende 1809 eine Kommission aus französischen Gesandten und Vertretern der Hansestädte eingesetzt, die über die Übernahme verhandelte, aber bis zur vollständigen Einverleibung im Dezember 1810 keinen Erfolg hatte160. Erst eine neue Regierungskommission, die den Auf­ trag hatte, die neuen Departements nach dem französischen Vorbild zu ord­ nen, brachte Veränderungen161. Die Kommission ermöglichte Vertretern der drei großen Hansestädte (Hamburg, Lübeck, Bremen) Stellungnahmen abzu­ geben, in denen sie Auskunft über ihre bisherigen Rechtsordnungen bzw. Gerichtsverfassungen geben und hinsichtlich der Einführung der französi­ schen Gesetzeswerke Änderungsvorschläge äußern konnten162. In Bezug auf die Handelsgerichtsbarkeit hielten die Vertreter die Einrichtung von selbstän­ digen Handelsgerichten für sinnvoll163. Die Vertreter aus Lübeck und Bremen erklärten, dass es zweckmäßig wäre, dabei einen studierten Juristen als Prä­ sidenten einzusetzen, da sich das französische Recht von den heimischen Handelsrechten stark unterschied164. Zum 20. August 1811 erfolgte die Einführung aller fünf französischen Gesetzbücher165. Es wurde festgelegt, dass die französische Originalfassung auch in den hanseatischen Departements als offizielle Version galt166. Um eine leichtere Anwendung in der Praxis gewährleisten zu können, entscheid sich die Kommission allerdings zuvor bereits dafür, deutsche Übersetzungen 158  Siehe

S. 111 f. Französisches Recht, S. 153 f.; siehe auch Kähler, S.  46 ff. 160  Schubert, Französisches Recht, S. 154; Kähler, S.  62 ff. 161  Schubert, Französisches Recht, S. 155; Kähler, S. 69. 162  Schubert, Französisches Recht, S. 156; Kähler, S.  70 ff. 163  Kähler, S. 76 ff., der die entsprechenden Archivmaterialien verarbeitet hat. 164  Ebd., S. 78. 165  Ebd., S. 82; Sutor, S. 23. 166  Wedekind, Jahrbuch 1812, S. 149. 159  Schubert,



B. Einführung der franz. Handelsgerichtsbarkeit in dt. Staaten115

auszuwählen, die bei den Gerichten in den hanseatischen Departements ver­ wendet werden sollten167. In den deutschsprachigen Exemplaren, die man den Gerichten zur Verfügung stellte, wurden auf Deutsch Anmerkungen hin­ zugefügt, um gewisse Gesetzesstellen verständlicher zu gestalten168. Insofern wich die Einführung in den hanseatischen Departements von der Übertragung auf die linksrheinischen Departements ab, da dort die Gesetzbücher in Origi­ nalfassung galten und die Gerichtssprache nur französisch war. Allerdings ordnete der französische Gesetzgeber auch für die hanseatischen Departe­ ments an, dass im Zweifelsfall der französische Originaltext herangezogen werden sollte, sofern bei Verwendung der deutsche Übersetzungen Probleme auftraten169. Der Code de commerce wurde dann in der zweiten Auflage von 1810 der deutschen Übersetzung von Daniels verwendet, der Code de procé­ dure civile in der ersten Auflage von 1808 der Übersetzung von Erhard170. Die genaue Übernahme regelte ein Dekret vom 4. Juli 1811 (in den Art. 45 bis 147), das vorsah, dass in Hamburg, Bremen, Lübeck, Osnabrück und Travemünde Handelsgerichte eröffnet werden171. Ein Appellationsgericht für die Departements sollte in Hamburg sitzen172. Anders als in den linksrheini­ schen Gebieten konnte neben der offiziellen Gerichtssprache Französisch auch auf Deutsch verfahren werden173. Den Aufbau der Gerichte regelte man differenziert174. Das hamburgische Handelsgericht wurde gemäß Art. 64 des Dekrets mit einem Präsidenten, acht Richtern und sechs unterstützenden Richtern besetzt, die Gerichte in Bremen und Lübeck hingegen mit dem Präsidenten, sechs Richtern und vier Suppleanten. Das Dekret teilte das Ge­ richt in Hamburg in zwei verschiedene Sektionen auf (Art. 65). Bei den Ge­ richten in Osnabrück und Travemünde sollten jeweils ein Präsident, vier Richter und zwei Suppleanten angestellt werden, vgl. Art. 64 und 65 des Dekrets. 167  Kähler,

S. 82. Jahrbuch 1812, S. 149; Kähler, S. 82. 169  Schubert, Französisches Recht, S. 156; Wedekind, Jahrbuch 1812, S. 149. 170  Wedekind, Jahrbuch 1812, S. 149. Deshalb wurde bei der Vorstellung des fran­ zösischen Rechts diese Übersetzungen verwendet, vgl. Fn. 57 und 73 in diesem Teil. 171  Schubert, Französisches Recht, S.  159; Sutor, S. 22. Dekret „concernant l’organisation generale des departemens anseatiques“ vom 4. Juli 1811, abgedruckt bei Duvergier, Bd. 17, S. 463 ff. Zu den Handelsgerichten siehe Art. 63 des Dekrets ebd. S. 470. 172  Schubert, Französisches Recht, S. 159. 173  Ebd., S. 159; Kähler, S. 98. 174  Die Einführung der französischen Handelsgerichte in den Hanseatischen De­ partements ist auch dargestellt bei Wedekind, Jahrbuch 1812, S. 176. Es fehlt jedoch jeglicher Vergleich zu den restlichen französischen Handelsgerichten, insbesondere denen des Rheinlands. 168  Wedekind,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Die Wahl der Richter und Suppleanten erfolgte wie bei den Handelsgerich­ ten in den übrigen, französischen Departements175. Auch hinsichtlich der Verfahrensgrundsätze und der Regeln zur Zuständigkeit finden sich keine Abweichungen176. Jedoch wurde für die hanseatischen Handelsgerichte be­ züglich der Auswahl der Präsidenten eine Sonderregelung geschaffen. So konnte Präsident werden, wer mindestens 40 Jahre alt war und entweder studierter Jurist war oder bereits in Handelssachen als Richter fungiert hatte177. Die letztgenannte Voraussetzung und auch die Altersgrenze waren keine Neuerung, sondern im Code de commerce so festgelegt178. Allerdings bestand bei den französischen Handelsgerichten nicht die Möglichkeit, dass ein Rechtsgelehrter zum Präsidenten gewählt werden konnte. Vielmehr zeichneten sie sich dadurch aus, dass sie nur mit Kaufleuten besetzt waren179. Für die Abwendung von dieser Form der Besetzung bei den hanseatischen Handelsgerichten sprachen mehrere Punkte. So wurde beispielsweise in Hamburg bereits Jahre vor der Einrichtung des französischen Handelsgerichts über die Eröffnung eines allgemeinen Handelsgerichts diskutiert180. In den verschiedenen Vorschlägen wurde ein Gericht mit gemischter Besetzung ge­ wünscht181. Ferner kannten die Kaufleute im hanseatischen Raum eine ge­ mischte Besetzung bereits durch das Admiralitätsgericht182. Außerdem war das französische Recht unbekannt. Für Juristen war es aber leichter, sich in eine neue Rechtsordnung einzuarbeiten. Durch die Besetzung war dennoch gewährleistet, dass der kaufmännische Sachverstand bzw. die kaufmännische Praxis durch die Handelsrichter eingebracht wurden. Außerdem konnten die Kaufleute im Zweifel den juristischen Vorsitzenden überstimmen. In Hamburg erfolgte die Einsetzung des Handelsgerichts erst am 11. Fe­ bruar 1813183. Bis dahin waren, wie auch im Code de commerce für diese Fälle vorgeschrieben, die Zivilgerichte erster Instanz für Streitigkeiten in Handelssachen zuständig184. Gleiches galt für Bremen, wo das neue Handels­

175  Vgl. ebd., S. 176. Insoweit verweist Art. 67 des Dekrets vom 4. Juli 1811 auf die entsprechenden Vorschriften im Code de commerce, Duvergier, Bd. 17, S. 463 ff. 176  Sutor, S. 23. Auch diesbezüglich verweist Art. 67 des Dekrets vom 4. Juli 1811 auf den Code de commerce, Duvergier, Bd. 17, S. 463 ff. 177  Wedekind, Jahrbuch 1812, S. 176. Siehe auch Art. 137 des Dekrets vom 4. Juli 1811, Duvergier, Bd. 17, S. 463 ff. 178  Siehe S. 92 ff. 179  Siehe S. 92 ff. 180  Ausführlich hierzu: Sutor, S.  1 ff. 181  Siehe beispielsweise ebd., S. 5, 16. 182  Siehe S. 69. 183  Sutor, S. 25. 184  Ebd., S. 23. Vgl. auch Art. 640 des Code de commerce.



B. Einführung der franz. Handelsgerichtsbarkeit in dt. Staaten117

gericht bereits am 16. November 1812 tagte185. Das beabsichtigte Lübecker Handelsgericht hielt bis zum Ende der französischen Besetzung nicht eine Sitzung ab, da die Finanzierung nicht geklärt werden konnte und man kein passendes Gerichtsgebäude fand186. Das geplante Handelsgericht in Trave­ münde wurde nie installiert187. Dass das vorgesehene Handelsgericht in Os­ nabrück tatsächlich eröffnet wurde, ist auch nicht ersichtlich188. Die hanseatischen Departements erhielten die französische Handelsge­ richtsbarkeit im Wege der unmittelbaren Übertragung. Im Hinblick auf das Verfahren und die Zuständigkeit entsprachen sie dem französischen Original. Lediglich die Besetzung der Gerichte wich davon ab. Hier trat das gemischte System auf, bestehend aus Juristen und Kaufleuten, das man bereits vor der Zeit der französischen Besatzung in den deutschen Städten und Staaten kannte189. Das französische Dekret, das die Einführung regelte, enthielt aller­ dings keine Motive, warum man sich für diese Abweichung vom französi­ schen Recht entschieden hatte. 3. Departement Lippe Auch im Departement Lippe, das erst 1811 gegründet wurde, galten die französischen Gesetze unmittelbar190. Die Gerichtsverfassung wurde entspre­ chend dem französischen Vorbild eingerichtet. Es wurde angeordnet, dass in Münster ein Handelsgericht eröffnet werden sollte191. Eine Abweichung hin­ sichtlich Verfahren, Besetzung und Zuständigkeit ist nicht ersichtlich. 4. Resümee In den deutschen Gebieten, die zu Departements wurden, führte der fran­ zösische Gesetzgeber Handelsgerichte ein. Das französische Recht wurde unmittelbar übertragen. Lediglich in den hanseatischen Departements wich er dabei von der originalen Version der französischen Handelsgerichte in zwei relevanten Punkten ab: Als erstes ist die Zulassung von Deutsch als Gerichtssprache zu nennen. Warum aber musste im Rheinland auf Französisch verfahren werden? Ver­ 185  Bippen,

Bremisches Jahrbuch 1911, 168 f.; Hiemsch, S. 57. S. 120 Fn. 729. 187  Siehe ebd., S. 120. 188  So auch Schwarting, S. 35. 189  Vgl. dazu S. 81 f. 190  Hierzu und zum Folgenden vgl. Schubert, Französisches Recht, S. 152 f. 191  Ob das Gericht tatsächlich tagte, ist nicht ersichtlich. 186  Kähler,

118

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

mutlich bestand ein größeres Interesse, die linksrheinischen Gebiete an Frankreich zu binden als die erst später eroberten norddeutschen Gebiete192. Ferner waren die Grundsätze des Verfahrens in Handelssachen zu berück­ sichtigen, nach denen eine schnelle, einfache Streitentscheidung gewollt war. Bei der Einführung der Einrichtungen in Norddeutschland hatten die franzö­ sischen Entscheidungsträger allerdings bereits die Erfahrung gemacht, dass bei der Bevölkerung im Rheinland die Wahl von Französisch als Gerichts­ sprache nicht zu positiven Resonanzen führte193, da sprachliche Missver­ ständnisse vor Gericht den reibungslosen Ablauf der Prozesse verhinderten194. Zur Vorbeugung und um die ortsansässigen Richter und die Bevölkerung hinsichtlich der Veränderungen begeistern zu können, war man in den hanse­ atischen Departements, was die deutsche Sprache anbelangt, kompromissbe­ reiter. Deshalb versuchte man mit den deutschen Versionen der Gesetzes­ bücher die Vorschriften auf gemäßigte Weise näher zu bringen. Die zweite Abweichung war die Berufung von Juristen zu Präsidenten der Handelsgerichte. Hier erkannten die Mitglieder der französischen Kommis­ sion wohl an, dass man auf örtliche Forderungen und Besonderheiten Rück­ sicht nehmen musste, vor allem auf die der einflussreichen, ortsansässigen Kaufmannschaft, damit eine möglichst reibungslose Übertragung des franzö­ sischen Handelsrechts möglich war. Darüber hinaus war es förderlich, einen Juristen zu beteiligen, da das französische Handelsrecht viele Neuerungen für den Handelsstand brachte. Im Ergebnis blieb es allerdings bei diesen beiden Abweichungen. Die restlichen Vorschriften des französischen Rechts zu den Handelsgerichten wurden auch in den hanseatischen Departements vollumfassend eingeführt. Damit entstanden im hanseatischen Raum und im Rheinland erstmals all­ gemeine Handelsgerichte. Da diese auch für Seehandelssachen zuständig waren, wurde das Admiralitätsgericht in Hamburg in seiner rechtsprechenden Funktion hinfällig, weshalb es 1811 aufgelöst wurde195.

III. Modellstaaten Nachdem der französische Gesetzgeber in den Departements französische Handelsgerichte eingeführt hatte, stellt sich im Anschluss die Frage, inwie­ fern sich die Vorschriften des Code de commerce auf die Modellstaaten, die nach französischem Vorbild aufgebaut werden sollten196, ausgewirkt haben. begehrten Integration der Rheinlande an Frankreich siehe Grilli, S. 62. ebd., S. 60 ff.; 75 ff.; 111; 138. 194  Ebd., S. 75. 195  Frentz, S. 19. 196  Siehe hierzu S. 107 ff.; zu Begriff und Bedeutung auch Döge, Bd. 1, S. 19 ff. 192  Zu

193  Siehe



B. Einführung der franz. Handelsgerichtsbarkeit in dt. Staaten119

1. Westfalen Im Königreich Westfalen wurde zunächst eine neue Verfassung197, in der Folge 1808 der Code civil198 und 1809 eine Zivilprozessordnung erlassen. Diese basierte auf der originalen, französischen Version des Code de procé­ dure civile, war aber formal unabhängig und auf die örtlichen Verhältnisse angepasst worden199. Ein Dekret vom 27. Februar 1808 regelte die Gerichts­ verfassung, die überwiegend dem französischen Vorbild entsprach200. Aller­ dings ist diesem keine Anweisung zu entnehmen, dass Handelsgerichte er­ richtet werden201. Vielmehr wurde das Bestehen von Gerichten für Handels­ sachen vorausgesetzt202. Man ordnete an, dass die entsprechenden Spruch­ körper, die im Hoheitsgebiet bereits existierten, bis auf weitere Anweisungen im gleichen Umfang wie zuvor verfahren sollten203. Die Vorschrift nahm Bezug auf das Handelsgericht in Braunschweig und das Handelskollegium in Kassel, das allerdings später aufgehoben wurde204. An den restlichen Orten, an denen es kein Handelsgericht gab, entschieden die ordentlichen Ge­ richte205. Der Code de commerce wurde nicht eingeführt, bevor sich das Königreich im Zuge der Niederlage Frankreichs wieder auflöste206. Zur Ein­ führung von französischen Handelsgerichten kam es, anders als in den De­ partements, nicht. 2. Berg Auch im Großherzogtum Berg wurde bereits früh nach der Besetzung da­ rüber diskutiert, inwiefern die Gesetze und Gerichtsorganisation an das fran­ zösische Vorbild angepasst werden konnten207. Der Code civil trat 1810 in Verfassung von 1807 siehe Oestmann, Rechtsgeschichte, S. 224 ff. Code civil wurde ohne Veränderungen eingeführt, vgl. Fehrenbach, S. 34. 199  Döge, Bd. 1, S. 26; Schubert, Französisches Recht, S. 105, 578; siehe auch Ahrens, S.  68 ff. 200  Das Dekret vom 27. Februar 1808 ist abgedruckt bei Bulletin, 1807/1808 Bd. 1, S. 283 ff.; zu den Abweichungen siehe Schubert, Französisches Recht, S. 532. 201  Vgl. auch Bauer, S. 110. 202  Ergibt sich aus Tit. 3 Art. 3 des Dekrets vom 27. Februar 1808, Bulletin 1807/1808 Bd. 1, S. 293 und Art. 7 der allgemeinen Verfügungen desselben Dekrets, ebd., S. 311. 203  Art. 7 der allgemeinen Verfügungen, ebd., S. 311; Wiesner, Braunschweiger Geschichtsverein 1992, 75. 204  Vgl. Bauer, S. 111. Zur Auflösung des Kollegiums in Kassel siehe Dekret vom 26. August 1809, abgedruckt bei Bulletin 1809 Bd. 3, S. 283. 205  Bauer, S. 110. 206  Döge, Bd. 1, S. 27. 207  Schmidt, S.  163 ff. 197  Zur

198  Der

120

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Kraft, der Code de procédure civile und der Code de commerce erst 1812208. Zur Eröffnung von französischen Handelsgerichten kam es zunächst nicht209. Erst nach dem Ende der französischen Zeit wurde 1814 in Elberfeld210 ein Handelsgericht eröffnet, das an späterer Stelle untersucht wird211. 3. Frankfurt am Main Nach der Gründung des Großherzogtums als Modellstaat212 wurde 1811 der Code civil mit leichten Anpassungen eingeführt213. Man entschied sich allerdings bewusst dagegen, den Code de commerce zu übernehmen, da es in Frankfurt selbst bereits seit 1800 Bestrebungen gab, ein Handelsgesetzbuch zu erlassen. Der entsprechende, 1811 erschienene Entwurf eines Handelsge­ setzbuches214 enthielt aber keine Vorschriften über die Handelsgerichtsbarkeit und wurde darüber hinaus nie in Kraft gesetzt215. Auch der Code de procé­ dure civile wurde nicht in seiner originalen Version übernommen216. Viel­ mehr wurden 1812 eine Gerichtsverfassungs- und Prozessordnung erlassen, die jeweils Vorschriften zur Zivil- und Strafgerichtsbarkeit beinhalteten217. Gemäß Art. 46 der Frankfurter Gerichtsverfassung (GV) waren die ordent­ lichen Zivilgerichte erster Instanz für Wechsel- und Handelsstreitigkeiten zuständig218. Selbständige Handelsgerichte wurden also nicht errichtet. Die Gerichte erster Instanz waren gemäß Art. 34 der Frankfurter GV grundsätz­ lich lediglich mit Juristen besetzt. Die Gerichtsverfassung sah allerdings vor, dass in Handels- und Wechselsachen zwei Mitglieder des Handelsstandes hinzugezogen bzw. deren Gutachten berücksichtigt werden konnten (Art. 47 der Frankfurter GV). Das war gemäß dieser Vorschrift möglich, wenn unge­ 208  Ebd., S. 172, 182 ff., 424. Vgl. das entsprechende Dekret vom 17. Dezember 1811, abgedruckt bei Bormann/Daniels, Bd. 7, S. 174 ff. 209  Schubert, Französisches Recht, S. 533. 210  Schön, S. 107. 211  Siehe S. 130 ff. 212  Hierzu ausführlich Döge, Bd. 1, S. 10 ff. 213  Hierzu und zum Folgenden siehe auch ebd., S. 25. 214  Zu Text und Materialien siehe ebd., Bd. 2. 215  Zum Schicksal des Entwurfs siehe ebd., Bd. 1, S. 55 ff. 216  Ebd., S. 26. 217  Beschlossen am 5. und 7. Oktober 1812 und in Kraft getreten am 1. Januar 2013, vgl. ebd., S. 156. Das Dekret zur Einführung inklusive der Gerichtsverfassung selbst ist abgedruckt in: Großherzoglich frankfurtisches Regierungsblatt, Bd. 2, 1812, S. 121 ff. Im Folgenden: Frankfurter GV. Das entsprechende Dekret und die Vor­ schriften der Prozessordnung sind abgedruckt ebd., S. 169 ff. 218  Darstellung dieser Grundsätze auch bei Döge, Bd. 1, S. 157; in Auszügen Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 52.



B. Einführung der franz. Handelsgerichtsbarkeit in dt. Staaten121

schriebene Handelsverhältnisse bzw. Gewohnheiten für die Entscheidung re­ levant waren. Die Kaufleute wurden befragt, sofern das von einer der Par­ teien beantragt wurde bzw. der Vorsitzende es für zweckmäßig hielt, vgl. Art. 47 der Frankfurter GV. Allerdings wurden die Kaufleute nicht als Rich­ ter, sondern lediglich als beratende Sachverständige genutzt, weshalb sich ihre Funktion von der der Kaufleute bei französischen Handelsgerichten maßgeblich unterschied219. Es wurden gemäß Art. 48 der Frankfurter GV sechs Mitglieder vom ört­ lichen Handelsstand ausgewählt, die dem Gericht zur Verfügung standen. Vorher mussten sie allerdings vom Justizminister bestätigt werden (Art. 48 der Frankfurter GV). Zwei dieser Vertreter der Kaufmannschaft waren bei jedem Prozess in Handels- oder Wechselsachen verpflichtend anwesend, vgl. Art. 48 der Frankfurter GV. Gemäß Art. 49 berief sie der Vorsitzende des Gerichts für jede Sitzung neu und abwechslungsweise. Genauere Anforde­ rungen, wie etwa das Mindestalter oder die Erfahrung im Handelsverkehr, waren der Ordnung nicht zu entnehmen. Im Hinblick auf die Handelsgerichte berücksichtigte man in Frankfurt die französischen Vorschriften nicht220. Die Handelsgerichtsbarkeit wich viel­ mehr erheblich vom französischen Original ab, indem im relevanten Zeit­ raum keine selbständigen Handelsgerichte eröffnet wurden. Hinsichtlich der Kaufleute, die hinzugezogen wurden, gab es keine spezifischen Anforderun­ gen. Sie hatten auch nur eine beratende statt einer entscheidenden Stimme. Zusammengefasst sind keinerlei Gemeinsamkeiten erkennbar. 4. Resümee In den Modellstaaten, die nach französischem Vorbild eingerichtet werden sollten, wurden die französischen Gesetzbücher nicht umfassend rezipiert. Lediglich in Berg erfolgte eine überwiegend unveränderte Übertragung der Vorschriften, wobei auch hier keine französischen Handelsgerichte vorgese­ hen waren. Der Code civil wurde in allen drei Staaten ohne Abweichungen übernommen, wohingegen die für die vorliegende Untersuchung relevante Zivilprozessordnung und das Handelsgesetzbuch nicht unmittelbar bzw. teil­ weise überhaupt nicht eingeführt wurden. Zur Eröffnung von Handelsgerich­ ten nach französischem Vorbild kam es in keinem der Staaten. Das lag vor allem daran, dass die Modellstaaten nur für eine kurze Zeit bestanden, da nach der Niederlage Frankreichs eine territoriale Neugliederung stattfand221. 219  Vgl.

S. 92 ff. Bd. 1, S. 157. 221  Siehe S. 107 ff.; vgl. dazu auch Ahrens, S. 47. 220  Döge,

122

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

In dieser kurzen Zeit war die Verbreitung des Code civil im Fokus, der in allen Modellstaaten schnell eingeführt wurde. Die Ausbreitung der französi­ schen Gerichtsverfassung war vergleichsweise unbedeutend bzw. im Hinblick auf die Handelsgerichte schlicht nicht existent.

IV. Rheinbundstaaten Es stellt sich deshalb die Frage, ob in den restlichen Rheinbundstaaten, die noch weniger von Frankreich abhängig waren als die Modellstaaten, in der hier relevanten Zeitspanne ebenso keine französischen Handelsgerichte ge­ gründet wurden. Obwohl diese nur militärisch mit Frankreich verbunden waren, beschäftigte man sich mit den fünf französischen Gesetzbüchern, in­ tensiv vor allem mit dem Code civil und der Frage, ob eine Vereinheitlichung des Zivilrechts für den Rheinbund auf Grundlage dieses Gesetzes sinnvoll wäre222. Anders als in den neuen Departements bzw. in Abstrichen auch in den Modellstaaten konnte aber nicht einseitig von Frankreich vorgegeben werden, dass die französischen Gesetze übertragen werden sollten, da die Rheinbundstaaten grundsätzlich selbständig blieben223. Es bestand für sie keine Verpflichtung, Gesetzesneuerungen im eigenen Staat zu veranlassen. Es gab zwar Bestrebungen Napoleons, die Rheinbundstaaten zu einer Über­ nahme des Code civil zu bewegen224. Allerdings wurde dieses Ziel nicht mit der nötigen Intensität verfolgt225. Bei diesen Überlegungen spielten die für die vorliegende Untersuchung relevante Gerichtsverfassung und auch das Handelsgesetzbuch keine Rolle226. Eine Ausnahme unter den Rheinbundstaaten bildete das Großherzogtum Baden, das den Code civil in modifizierter Form und Übersetzung unter der Bezeichnung „Badisches Landrecht“ einführte227. Der Code de commerce wurde modifiziert unter der Bezeichnung „Anhang von den Handelsgeset­ zen“ dem Badischen Landrecht beigefügt228. Allerdings wurde in Baden überwiegend die bereits bestehende Gerichtsverfassung beibehalten und nicht die französische Justizverfassung eingeführt229. In Bezug auf die Handelsge­ richte zeigt sich das schon allein dadurch, dass der Anhang mit den anzu­ wendenden Handelsgesetzen des badischen Landrechts, im Gegensatz zum Fehrenbach; Schöler, S.  46 ff. S. 107 ff. 224  Schubert, Französisches Recht, S. 41 ff.; Schöler, S. 48. 225  Ebd., S. 49. 226  Ebd., S.  63 ff.; Schubert, Französisches Recht, S. 530 f. 227  Siehe zur Übernahme des französischen Rechts in Baden ebd., S. 541. 228  Döge, Bd. 1, S. 35 f. 229  Schubert, Französisches Recht, S. 541. 222  Siehe 223  Siehe



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit123

originalen Code de commerce, keine Vorschriften zu Handelsgerichten enthielt230. Somit kann festgehalten werden, dass zur Zeit des Bestehens des Rhein­ bundes in den Mitgliedsstaaten die französische Handelsgerichtsbarkeit nicht übertragen wurde. Es entstanden keine Handelsgerichte nach französischem Vorbild. Dennoch beschäftigte man sich in der Zeit gerade in der Rechtswis­ senschaft zunehmend mit dem Gedanken, einheitliche Gesetze für die Staaten zu schaffen, was jedoch zunächst zu keinem Ergebnis führte231.

V. Resümee Die Ausführungen haben ergeben, dass in der Zeit der französischen Vor­ machtstellung in Europa lediglich in den Departements Handelsgerichte nach französischem Recht eingerichtet wurden. In den rheinischen Departements wurde die Handelsgerichtsbarkeit ohne Abweichungen übertragen. In den hanseatischen Departements hingegen entstanden Handelsgerichte, die vom Verfahren und der Zuständigkeit dem französischen Original entsprachen und nur im Hinblick auf die Besetzung davon abwichen. Die Modellstaaten und auch die restlichen Rheinbundstaaten hingegen gründeten in dieser Zeit­ spanne keine französischen Handelsgerichte.

C. Berücksichtigung des französischen Rechts in der deutschen Handelsgerichtsbarkeit von 1814 bis zum GVG (1877) Nach diesem Ergebnis stellt sich jedoch die Frage, ob und gegebenenfalls wie das französische Handels- bzw. Handelsprozessrecht nach Ende der fran­ zösischen Vormachtstellung in Europa die Entwicklung der Handelsgerichts­ barkeit in Deutschland beeinflusst hat. Bestanden die Handelsgerichte der ehemaligen Departements auch nach der Besatzungszeit in dieser Form wei­ ter? Und wie entwickelte sich die Handelsgerichtsbarkeit in den restlichen deutschen Staaten und Städten im 19. Jahrhundert? Problematisch ist dabei der Aufbau des nachfolgenden Kapitels. Eine sta­ tische Teilung zwischen den Gebieten, die von Frankreich besetzt waren und den restlichen Staaten bietet sich nicht an. Problematisch daran wäre ins­ besondere, in welche Kategorie die Modellstaaten fallen müssten. Vielmehr wird sich in den nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass bei einigen neu 230  Vgl.

dazu das Badische Landrecht nebst Handelsgesetzen. S.  46 ff.

231  Schöler,

124

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

gegründeten Handelsgerichten zwischen 1815 und dem Beschluss des ADHGB 1861 die französischen Vorschriften des Code de commerce und des Code de procédure civile als Grundlage genommen wurden bzw. man in den linksrheinischen Gebieten die französische Handelsgerichtsbarkeit beibe­ halten hatte. Dennoch ist auch eine vermeintlich gegensätzliche Entwicklung in deutschen Staaten, beispielsweise in Preußen und zunächst auch in Bay­ ern, erkennbar. Aus diesem Grund bietet es sich an, diese zwei verschiedenen Stränge aufzuzeigen: Zunächst die französisch beeinflussten Gerichte bis zum ADHGB und anschließend die vermeintlich gegensätzliche Entwick­ lung. Inzident soll untersucht werden, ob sich diesbezüglich Unterschiede zwischen den vormals besetzten und unbesetzten Gebieten ergeben. Das ADHGB wird als zeitliche Grenze gewählt, da nach dessen Beschluss die in der Folge neu gegründeten Gerichte sich vom französischen Recht weiter entfernten und Elemente aufwiesen, die die Entwicklung hin zu den bei den Landgerichten etablierten Kammern für Handelssachen des GVGs erklären.

I. Französisch beeinflusste Gerichte bis zum ADHGB Der im Folgenden dargestellte Zeitraum umfasst die Zeitspanne zwischen dem Rückzug Frankreichs (ca. 1814), aufgrund dessen die Grenzen wieder so gelegt wurden, wie sie 1792 waren232, und dem Beschluss des ADHGB von 1861. 1. Rheinland (Preußische Rheinprovinz) Zunächst wird untersucht, ob im Rheinland an den französischen Handels­ gerichten festgehalten wurde. Territorial umfasst dieses Kapitel vor allem die linksrheinischen Gebiete, die bis 1814 als Departements zum französischen Hoheitsgebiet gehörten. Sie wurden nach der Niederlage Frankreichs über­ wiegend von Preußen annektiert und zur preußischen Rheinprovinz erklärt233. Es handelt sich um die Regierungsbezirke Düsseldorf, Köln, Aachen, Ko­ blenz und Trier. Die Stadt Mainz und Umgebung gingen an das Großherzog­ tum Hessen. Das Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Berg mit der Großstadt Düsseldorf, das als Modellstaat rechts des Rheins lag, wurde auch

232  Vgl.

hierzu die Ausführungen auf S. 107 ff. hierzu und zum Folgenden die gute Darstellung mit entsprechender Er­ klärung auf der Karte von Wagner, in: Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, S. 99, 107 ff. zur endgültigen Aufteilung des Gebiets auch Kockerols, S. 51 ff. Gebiete im Süden wurden Bayern zugeschrieben, siehe ebd. 233  Siehe



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit125

von Preußen einverleibt und wird in diesem Kapitel mitbehandelt, da die Entwicklung mit den linksrheinischen Gebieten nahezu identisch war. Mit der Arbeit von Schön über „Die Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland im 19. Jahrhundert unter Berücksichtigung des Rheinlandes“ gibt es bereits eine Dissertation, die sich mit diesem Abschnitt intensiver beschäftigt hat234. Schön nimmt eine Dreiteilung der Gerichte vor und gliedert in Handelsge­ richte französischer Art (mit rein kaufmännischer Besetzung), Landgerichte, die als Handelsgerichte fungierten und dem Handelsgericht Elberfeld, das für eine gewisse Zeit aus einem Juristen und zwei Kaufleuten als weiteren Rich­ tern bestand. Diese Einteilung erscheint sinnvoll und kann deshalb auch auf die vorliegende Arbeit übertragen werden. Allerdings setzt Schön einen ande­ ren Schwerpunkt als diese Schrift. Die Autorin konzentriert sich auf die Be­ setzung und vergleicht, ob und gegebenenfalls wie sich die unterschiedliche Besetzung der verschiedenen handelsrechtlichen Spruchkörper im Rheinland auf die Rechtsprechung auswirkte, wofür die Urteile des Rheinischen Appel­ lationsgerichtshof zu Köln herangezogen werden und als Beurteilungsgrund­ lage dienen. Ferner geht sie auf die Resonanz der Gerichte und die Stellung des Gerichtsschreibers ein, die in der vorliegenden Arbeit keine Rolle spie­ len. Schön lässt allerdings offen, ob sich Grundsätze des französischen Rechts veränderten oder die Vorschriften vollständig beibehalten wurden. Deshalb ist es geboten, die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit im Rheinland trotz der Arbeit von Schön ausführlich zu beleuchten. Auch die lediglich kurze Darstellung von Silberschmidt verfolgt einen anderen Zweck235. So enthält das einschlägige Kapitel statistische Aufzeich­ nungen zu den einzelnen Gerichten, die den Erfolg der rheinischen Handels­ gerichte belegen sollen236. Darüber hinaus gibt es noch diverse Schriften, die sich mit dem sogenannten „Rheinischen Recht“ auseinandergesetzt haben237. Bei diesen Untersuchungen liegt der Schwerpunkt jedoch auf dem materiel­ len Recht, insbesondere auf dem Zivilrecht238. Die Handelsgerichtsbarkeit wird darin nicht genauer beleuchtet.

hierzu und zum Folgenden Schön, S.  99 ff. Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 96 ff. 236  Ebd., S.  99 ff. 237  So beispielsweise Conrad, in: Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, S.  78 ff.; Schumacher. 238  Klein, in: Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, S. 113 ff. beleuchtet zwar das rheinische Justizwesen; erwähnt die Handelsgerichte allerdings nur. 234  Vgl.

235  Silberschmidt,

126

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

a) Handelsgerichte französischer Art Mit Ende der französischen Besatzung bestanden in den vormaligen r­heinischen Departements sechs Handelsgerichte, nämlich in Mainz, Köln, ­Aachen, Trier, Krefeld und Koblenz239. Bis auf Mainz, das an das Großher­ zogtum Hessen fiel, wurden alle anderen Städte mit Handelsgerichten von Preußen annektiert und fielen als königlich preußische Rheinprovinz folglich auch unter die preußische Gerichtsbarkeit240. aa) Königlich Preußische Rheinprovinz Um eine dauerhafte Angliederung zu gewährleisten, sollte möglichst zügig die preußische Gesetzgebung auf die neue Provinz übertragen werden241. Für das materielle Recht galt in Preußen seit 1794 das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten, für den Zivilprozess hingegen die Allgemeinen Ge­ richtsordnung für die Preußischen Staaten von 1793242. Die Versuche der Gesetzesübertragung scheiterten allerdings am Widerstand der Rheinländer, da diese die Grundsätze der französischen Revolution kennen und schätzen gelernt hatten, die in Preußen bis dahin keinen Einklang gefunden hatten243. Damit blieb es grundsätzlich in der Rheinischen Provinz zunächst bei der Aufrechterhaltung der französischen Gerichtsverfassung und des entspre­ chenden Rechts, das fortan „Rheinisches Recht“ bezeichnet wurde244. In Bezug auf die Handelsgerichte bedeutete das, dass die Gerichte weiterhin bestanden und nach dem französischen Recht in der Originalversion urteil­ ten. (1) Bestehende Handelsgerichte Mit Verfügung vom 7. Juli 1821245 wurde die Tätigkeit der rheinischen Handelsgerichte bestätigt bzw. teilweise geregelt246. Die Regelung umfasste aber keine prozessualen Vorschriften. Es wurde lediglich die örtliche Zustän­ digkeit der Gerichte festgelegt. So sollte sich etwa die Zuständigkeit der 239  Siehe

S. 111 ff. von Wagner, in: Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, S. 99. 241  Vgl. etwa Becker, JUS 1985, 340 ff.; Landsberg, S. 151. 242  Conrad, in: Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, S. 83. 243  Becker, JUS 1985, 342; Conrad, in: Recht und Rechtspflege in den Rheinlan­ den, S.  83 ff. 244  Becker, JUS 1985, 342; Landsberg. 245  Lottner, Bd. 2, Nr. 429, S. 133 f. 246  Strauch, S. 105. 240  Karte



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit127

Handelsgerichte zu Köln, Aachen, Koblenz und Trier in Folge der Verfügung nach den Landgerichtsbezirken richten, in denen sie saßen, was letztendlich lediglich eine Anwendung des Art. 616 Code de commerce247 auf die neue, territoriale Gliederung war. Der Code de commerce galt zunächst weiterhin in seiner französischen Originalfassung, allerdings unter der Bezeichnung „rheinisches Handelsgesetzbuch“248. Im Jahre 1835 erschien ein Werk mit dem Titel „Handelsgesetzbuch für die Königlich Preußischen Rheinprovinzen“249, in dem die Vorschriften des Code de commerce übersetzt und mit Anmerkungen bzw. Erläuterungen ver­ sehen wurden, die gleichzeitig auch kleinere Verordnungen beinhalteten, die vom preußischen Gesetzgeber für die rheinischen Handelsgerichte erlassen worden waren. Hinsichtlich der Besetzung gab es keine Neuerungen. Aller­ dings hat der preußische Gesetzgeber eine Taxordnung zur Besoldung der Gerichtsschreiber erlassen250. Auch die Zuständigkeitsvorschriften zeigen bei einem Vergleich des Code de commerce und des Handelsgesetzbuches für die Preußischen Rheinprovinzen keine Unterschiede. Die Erläuterungen der Autoren lassen Rückschlüsse darüber ziehen, wie die Vorschriften in der Praxis angewendet wurden251. Hinsichtlich des Verfahrens zeigt sich, dass trotz des Verbots der anwaltlichen Vertreter teilweise Anwälte vor Gericht aktiv waren252. Das erfolgte durch die oben bereits genannte Umgehungs­ möglichkeit, indem man einen Anwalt als Bevollmächtigten einsetzte253. Diese Erkenntnis ergibt sich aus einem Beschluss vom 14. November 1825, nach dem die Anwälte bei Tätigkeiten vor den Handelsgerichten lediglich einen geringeren Lohn als üblich fordern durften254.

247  Lottner,

Bd. 2, Nr. 429, S. 133 f. Handels-Gesetzbuch nach der bei der Entstehung desselben von dem französischen Gouvernement angeordneten officiellen deutschen Uebersetzung, nebst den, einige Artikel dieses Gesetzbuchs abändernden und ergänzenden Gesetzen und Verordnung des Königl. Preuß. Gouvernements.“ 249  Broicher/Grimm. 250  Zur Taxordnung für die Handelsgerichtsschreiber vom 17. November 1826 siehe Anmerkung lit. a Nr. 1 zu Art. 624 des Handelsgesetzbuches ebd., S. 222 ff. 251  Ebd., S.  226 ff. 252  Siehe ebd., S. 266 ff. 253  Siehe S. 103. 254  Vgl. Anmerkung lit. a Nr. 2 zu Art. 624 des Handelsgesetzbuches bei Broicher/ Grimm, S.  224 f. 248  „Rheinisches

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

(2) Neugründung in Gladbach Die erste Neugründung eines Handelsgerichts im Rheinland nach Ende der Besatzung war in Gladbach255. Die Initiative hierfür ging von der orts­ ansässigen Handelskammer aus, die die Einrichtung eines entsprechenden Gerichts für die Stadt selbst und die umliegenden Gemeinden beantragte256. Diesem Begehren wurde durch Kabinettsorder vom 11. Dezember 1845 stattgegeben257. Das neue Handelsgericht in Gladbach bestand aus einem Präsidenten, fünf ordentlichen und drei stellvertretenden Richtern258. Ferner bestimmte die Order den Gerichtsbezirk259. Weitere Erläuterungen zu den Abläufen bei diesem Gericht finden sich nicht. Es galten damit auch dort die französischen Vorschriften zur Handelsgerichtsbarkeit als rheinisches Han­ delsgesetzbuch. bb) Exkurs: Mainz (Hessen) Einer differenzierten Betrachtung bedarf das von Frankreich eingerichtete Handelsgericht in Mainz, da die Stadt nicht an Preußen, sondern an das Großherzogtum Hessen fiel260. Allerdings bestand das Handelsgericht in Mainz auch nach Ende der Besatzungszeit weiter und verhandelte nach den Vorschriften des rheinischen Handelsgesetzbuches, was durch eine Verhand­ lung der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen vom 11. März 1836 belegt werden kann261. Aus dieser Verhandlung geht ferner hervor, dass das Gericht zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich mit Kauf­ leuten besetzt war. Es war das einzige Handelsgericht im Großherzogtum Hessen. Die Bevölkerung war zufrieden mit dem Spruchkörper, weshalb das Gericht nicht abgeschafft wurde, obwohl es noch aus der Zeit der französi­ 255  Zur Entstehung des Gerichts siehe Maser/Goertz, Rheydter Jahrbuch für Ge­ schichte und Kultur der Stadt Mönchengladbach 2016, 35 ff. 256  Strauch, S. 106; Bär, S. 411. 257  Die Kabinettsorder vom 11. Dezember 1845 ist abgedruckt bei Lottner, Bd. 9, Nr. 38, S. 62. 258  Kabinettsorder vom 11. Dezember 1845. 259  Zur ausführlichen Aufzählung der Gemeinden, die zum Gerichtsbezirk des Handelsgericht Gladbach gehören sollten, siehe Kabinettsorder vom 11. Dezember 1845; später wurde der Gerichtsbezirk noch um die Gemeinde Boisheim im Kreis Kempen erweitert, siehe Lottner, Bd. 9, Nr. 179, S. 349. 260  Franz/Hofmann/Schaab, S. 229. 261  128. Sitzung in dem Sitzungssaale der zweiten Kammer der Landstände; Darmstadt, den 11. März 1836; abgedruckt bei: Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen (1835/36). Hierzu und zum Folgenden ebd.; ferner Franz/ Hofmann/Schaab, S. 229.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit129

schen Besatzung stammte. Es galt das rheinische Handelsgesetzbuch und damit das französische Recht262. b) Als Handelsgerichte fungierende Landgerichte Eine Besonderheit der Handelsgerichtsbarkeit im Rheinland findet sich beispielsweise im Regierungsbezirk Düsseldorf, wo es zunächst zwei Han­ delsgerichte (Elberfeld und Krefeld) gab. Allerdings umfasste deren Ge­ richtsbarkeit nicht den rechtsrheinischen, sondern nur den linksrheinischen Teil des Regierungsbezirkes. Eine Verfügung vom 7. Juli 1821 bestätigte die bisherige Situation, sodass das Landgericht Düsseldorf auch weiterhin die Handelsgerichtsbarkeit in diesem Gebiet ausüben sollte, wie es das bisher tat263. Die Anordnung entsprach Art. 642 HGB in Verbindung mit Art. 414 Code de procédure civile, wonach die Zivilgerichte zuständig waren, sofern es für den Bezirk kein spezielles Handelsgericht gab. Die Situation änderte sich mit Gründung des Handelsgerichts in Düssel­ dorf, das für den Gerichtsbezirk zuständig war, in dem vormals das Landge­ richt in Handelssachen Recht gesprochen hatte. Die Errichtung erfolgte erst im Jahre 1861, weshalb sie an einer späteren Stelle der Arbeit beleuchtet wird264. Allerdings gab es auch andere Landgerichte, die als Handelsgerichte tätig waren, wie beispielsweise das Landgericht Kleve265. Auch in Saarbrü­ cken fungierte das Landgericht in Handelsstreitigkeiten, da es zu keiner Er­ öffnung eines Handelsgerichts kam, obwohl das von ortsansässigen Kaufleu­ ten und Bürgermeistern beantragt worden war266. Die Ablehnung dieser An­ träge führt Schön darauf zurück, dass es in Saarbrücken, anders als in Glad­ bach und Düsseldorf, keine Handelskammer gab, die die Interessen des Handelsstandes bündeln konnte und damit einen größeren Einfluss hatte als einzelne Personen267.

262  Ergibt sich aus dem Einführungsgesetz zum ADHGB (insb. Art. 36) vom 29. September 1862, abgedruckt bei Lutz, S.  109 ff. 263  Lottner, Bd. 2, Nr. 429, S. 133 f. Zum Folgenden siehe ebd. 264  Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 222 ff. 265  Ergibt sich aus einer Anordnung des Justizministers vom 4. August 1834, ab­ gedruckt bei Lottner, Bd. 4, Nr. 1213, S. 107; siehe dazu auch Bär, S. 410; Schön, S. 104; Strauch, S. 106. 266  Hierzu ausführlich: Schön, S.  105 f. 267  Ebd., S. 106.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

c) Das Handelsgericht Elberfeld Einen Sonderfall stellte das Handelsgericht in Elberfeld von 1813 dar, da es zunächst gemischt besetzt war und die Kosten von der Stadt selbst getra­ gen wurden. Ferner wurde es weder während des französischen Einflusses errichtet, noch nach der Einverleibung durch Preußen. Vielmehr ist es ein Produkt aus der Übergangszeit zwischen diesen beiden Zeiträumen. aa) Entstehung Die Stadt Elberfeld gehörte bis 1813 zum Großherzogtum Berg, in dem 1812 in großen Zügen die französische Gerichtsverfassung eingeführt wor­ den war268. Allerdings erhielt Elberfeld kein Handelsgericht, da solche in der in Berg geltenden Gerichtsverfassung nicht vorgesehen waren269. Noch wäh­ rend der von Frankreich dominierten Zeit schlossen sich die ortsansässigen Kaufleute zusammen, um gemeinschaftlich in Form einer Eingabe am Ende des Jahres 1812 vom französischen Statthalter in Düsseldorf die Einrichtung eines Handelsgerichts nach französischem Muster zu fordern270. Die Bemü­ hungen der Kaufleute Elberfelds waren jedoch zunächst erfolglos. Mit dem endgültigen Abzug Frankreichs aus Berg am 7. November 1813 entstand für sie eine neue Möglichkeit bezüglich der Errichtung eines Han­ delsgerichts271. Das Gebiet des vormaligen Großherzogtums Berg wurde von Russland, Österreich und Preußen in Besitz genommen. Für die Übergangs­ zeit bis zur endgültigen Neuordnung nannten sie es „Generalgouvernement Berg“. Es wurde von einem preußischen Beamten als Generalgouverneur verwaltet. Die Elberfelder Kaufleute beantragten bei diesem die Eröffnung eines Handelsgerichts. Problematisch daran war, dass während der Zeit des Generalgouvernements noch die für den Modellstaat Berg geltenden, modi­ fizierten französischen Vorschriften galten, die keine Handelsgerichte vor­ sahen. Damit gab es keine rechtliche Grundlage für Handelsgerichte in Berg. Dennoch stimmte der Generalgouverneur dem Anliegen zu, ohne auf die Rechtslage Rücksicht zu nehmen. Problematisch war die Frage, wer die Kosten des neuen Gerichts zu tragen hatte272. Da die Gerichtsverfassung keine Handelsgerichte vorgesehen hatte, gab es im Haushaltsplan keine Kostenstelle für derartige Gerichte. Deshalb 268  Eine ausführliche und schlüssige Untersuchung liefert Schweitzer, Historische Beiträge 1991, 57 ff. 269  Siehe S. 119. 270  Hierzu und zum Folgenden Schweitzer, Historische Beiträge 1991, 57 ff. 271  Siehe hierzu und zum Folgenden ebd., 57 ff. 272  Hierzu und zum Folgenden ebd., 59 f.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit131

erklärten sich die Städte Elberfeld und Barmen, das zunächst auch zum Ge­ richtsbezirk des neuen Handelsgerichts zählte, bereit, für die Kosten selbst aufzukommen. Nachdem die Kostenfrage geklärt war, gab der Generalgouverneur am 10. Dezember 1813, also nur einen Monat nach dem Abzug Frankreichs aus Berg, die finale Zustimmung273. Die tatsächliche Einrichtung des Gerichts erfolgte innerhalb kürzester Zeit, was verdeutlicht, wie sehr die Elberfelder Kaufmannschaft ein Handelsgericht begehrt hatte. So wurde schnell eine entsprechende Räumlichkeit gefunden und am 16. Dezember 1813 das Ge­ richt dort installiert. Die erste Verhandlung fand am 29. Dezember 1813 statt. bb) Einschlägige Vorschriften Da während der Zeit des Generalgouvernements keine Gesetzesneuerung für Berg gemacht wurden, galten für das Handelsgericht die französischen Gesetze, die zur Besatzungszeit übertragen worden waren274. Hinsichtlich der Zuständigkeit des Gerichts und des Verfahrens ist nicht ersichtlich, dass es Abweichungen gab275. Allerdings entschied man sich für eine andere Be­ setzung als bei den französischen Gerichten276. Ferner wurden die Richter anders gewählt. Statt der rein kaufmännischen Besetzung der Richterbank wählte man in Elberfeld eine gemischte Besetzung. So wurde ein studierter Jurist in Form einer hauptberuflichen Tätigkeit zum Präsidenten des Han­ delsgerichts bestimmt. Er wurde auf unbestimmte Zeit berufen und nicht von den Kaufleuten der Stadt gewählt. Die gemischte Besetzung in Kombination mit den französischen Vorschriften war jedoch keine Neuerung, sondern schon bei den Handelsgerichten der hanseatischen Departements so üblich277. Möglicherweise lag es daran, dass rein kaufmännisch besetzte Handelsge­ richte den Einwohnern in Berg fremd waren und befürchtet wurde, dass ein vorsitzender Kaufmann nicht die gleiche Unparteilichkeit aufbringen könnte wie ein studierter Jurist278. Dem Präsidenten wurden zwölf angesehene Kaufleute als Richter bzw. Stellvertreter zugeteilt, die ehrenamtlich tätig waren279. Die kaufmännischen Richter wurden auch nicht von Vertretern der örtlichen Kaufmannschaft ge­ 273  Hierzu

und zum Folgenden ebd., 60. 60 f. 275  In Berg wurde ja der Code de commerce und der Code de procédure civile eingeführt, vgl. S. 119. 276  Vgl. hierzu und zum Folgenden: Schweitzer, Historische Beiträge 1991, 60 f. 277  Siehe hierzu S. 114 ff. 278  Schön, S. 107; Schubert, Französisches Recht, S. 146. 279  Hierzu und zum Folgenden: Schweitzer, Historische Beiträge 1991, 60 f. 274  Ebd.,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

wählt, sondern staatlich bestimmt. Mit den französischen Vorschriften über­ einstimmend war die Position der stellvertretenden Richter (Suppleanten), die es bei den deutschen Gebieten vorher nicht gab. cc) Entwicklung nach der Einverleibung durch Preußen Die Übergangszeit in Berg endete mit dem Wiener Kongress am 5. April 1815, in dessen Folge das vormalige Großherzogtum an Preußen fiel280. Im Zuge dessen wurde untersucht, inwiefern das Rechtssystem Bergs aufrecht­ erhalten werden sollte, wofür eine „Immediat-Justiz-Kommission“ eingesetzt wurde. Diese kam zum Entschluss, dass die französischen Gesetze überwie­ gend beibehalten und solange gelten sollten, bis es in Preußen zu einer all­ gemeinen Justizreform kam. Hinsichtlich des Handelsgerichts in Elberfeld bemerkte man, dass die Errichtung rechtlich fragwürdig war, allerdings eine Aufhebung wohl nicht nötig war. So entschieden auch die zuständigen preußischen Minister im Januar 1817, dass das Gericht weiterhin tätig sein sollte, bis es zu einer allgemeinen Justizreform kam. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Existenz des Spruchkörpers für den Handel des Gebiets von großem Nutzen war. Obwohl die Entscheidung letztendlich bloß einen Schwebezustand herbeiführte, wurde das Gericht nicht mehr abge­ schafft und war bis 1879 tätig. Allerdings änderte sich 1823 die Besetzung, indem sie den anderen, im Rheinland bestehenden französischen Handelsgerichten angepasst wurde281. Schön führt hierzu an, dass wohl die Kosten der Besoldung des Präsidenten ausschlaggebend waren282. So fragte der Oberbürgermeister aus Elberfeld 1823 beim preußischen König an, ob fortan der Staat anstelle der Gemeinden die Bezahlung des Präsidenten übernehmen könnte. Der zuständige preußi­ sche Justizminister hingegen ordnete an, dass künftig auch der Präsident aus dem örtlichen Kaufmannsstand auszuwählen war, was die Kostenfrage ge­ klärt hätte, da die Kaufleute ehrenamtlich tätig waren. Diese Anordnung wurde allerdings in den Folgejahren zunächst nicht umgesetzt. Wann genau die Anpassung an die französischen Gerichte erfolgte, ist nicht herauszufin­ den. Es kann jedoch mit Gewissheit festgehalten werden, dass bereits vor dem Jahr 1837 ein Kaufmann als Präsident des Handelsgerichts in Elberfeld tätig war. Dies ergibt sich aus dem Jahrbuch für die preußische Gesetzge­ bung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung von 1837, in der die erneute

280  Hierzu

und zum Folgenden: Ebd., 60 f. dazu Schön, S. 108. 282  Vgl. hierzu und zum Folgenden ebd., S. 109 f. 281  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit133

Wahl des Kaufmanns „von Carnap“ zum Handelsgerichtspräsidenten bestä­ tigt wurde283. dd) Resümee Das Gericht in Elberfeld hatte zunächst eine Sonderstellung im Rheinland inne, da es nicht vollständig den übrigen Handelsgerichten französischen Ursprungs entsprach. Dass sich die Besetzung nachträglich veränderte, hatte wohl zwei Gründe: Zum einen war die ausschließliche Besetzung mit ehren­ amtlichen Fachrichtern deutlich kostengünstiger. Zum anderen erreichte man eine Einheitlichkeit hinsichtlich der rheinischen Handelsgerichte. d) Resümee zum Rheinland Im Rheinland zeigt sich der Einfluss der französischen Handelsgerichts­ barkeit auf die Entwicklung in Deutschland unmittelbar. So hielt man an den französischen Handelsgerichten inklusive der einschlägigen Vorschriften nach Ende der Besatzungszeit bis zur Einführung des GVGs fest. Die rheini­ schen Kaufleute setzten sich dafür ein, da sie mit den französischen Handels­ gerichten sehr zufrieden waren. Das führte dazu, dass sogar neu gegründete Handelsgerichte nach französischem Recht verfuhren, obwohl die Gebiete zu Preußen gehörten und sie theoretisch das preußische Recht hätten anwenden müssen. Lediglich in die örtliche Zuständigkeit griff der preußische Gesetz­ geber ein. Das war jedoch notwendig, da nach der Einverleibung durch Preußen die territoriale Einteilung des Gebiets reformiert werden musste. 2. Norddeutschland Aber wurden die französischen Handelsgerichte auch in Norddeutschland in den ehemaligen hanseatischen Departements beibehalten? Oder finden sich zumindest die Grundsätze des französischen Rechts zu den Handelsge­ richten in der Entwicklung nach der Besatzungszeit wieder? Als am 8. Juni 1815 der Deutsche Bund gegründet wurde, wurden die drei großen hanseatischen Städte Hamburg, Bremen und Lübeck zu vollberechtig­ ten und souveränen Staaten des Bundes284. Damit waren die Städte für ihre Gerichtsverfassung wieder selbst verantwortlich.

283  Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechts­ verwaltung, Band 49, S. 601. 284  Hiemsch, S. 57.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

a) Anfängliche Ablehnung in Lübeck und Bremen Lübeck reformierte unmittelbar nach Ende der Besatzungszeit die Ge­ richtsverfassung der Stadt285. Bereits am 1. Juni 1814 trat eine Gerichtswe­ sensverordnung in Kraft, die überwiegend die alten Zustände wiederherstellte und daher keine französischen Einflüsse enthielt. Ein Handelsgericht war nicht vorgesehen. Das überrascht aus zwei Gründen nicht: Zum einen wurde während der Besatzungszeit ein französisches Handelsgericht nur angeord­ net, aber in der Folge nicht eröffnet. Zum anderen bestand vor der Einverlei­ bung durch Frankreich kein selbständiger Spruchkörper für Handelssachen. Damit kannte man in Lübeck die Vorzüge eines selbständigen Handelsge­ richts nicht. In Bremen hingegen wurde nach Ende der Besatzung bestimmt, dass die französischen Gerichte zunächst provisorisch weiter verfahren sollten, bis eine neue Gerichtsverfassung fertiggestellt war286. Nach der neuen Gerichts­ verfassung, die zum 1. September 1814 in Kraft trat und die französischen Zustände aufhob, bestand in Bremen kein Sondergericht für Handelssachen mehr287. Das Handelsgericht aus französischer Zeit wurde aufgelöst und kein Pendent eröffnet288. Zuvor hatten sich in der Diskussion um die Zukunft der Handelsgerichts­ barkeit die Mitglieder der Bremer Verfassungsdeputation, also der Kommis­ sion, die für die Neuregelung der Gerichtsverfassung eingesetzt worden war, überwiegend für die Abschaffung des französischen Handelsgerichts ausge­ sprochen289. Für dessen Fortbestand sprach ihrer Auffassung nach lediglich die Tatsache, dass Streitigkeiten in Handelssachen durch eine solche Einrich­ tung schnell entschieden werden konnten290. Das hätte die circa eineinhalbjährige Existenz gezeigt291. Ferner wurde zur Kenntnis genommen, dass sich Vertreter des Handelsstandes für die Beibehaltung des französischen Gerichts ausgesprochen hatten292. Dagegen wurde argumentiert, dass für handelsge­ richtliche Prozesse ein Handelsgesetzbuch und eine Handelsgerichtsordnung 285  Hierzu und zum Folgenden: Kähler, S. 276 ff. Ausführlich zur Gerichtsverfas­ sung von 1814 inklusive eines Vergleichs des neuen Justizwesens der drei großen Hansestädte auch bei Krause, S.  322 ff. 286  Hiemsch, S. 60; Kähler, S.  280 ff.; Bippen, Bremisches Jahrbuch 1911, 170. 287  Kähler, S.  281 ff. 288  Bippen, Bremisches Jahrbuch 1911, 162. 289  Kähler, S. 283. 290  Zur Anzahl der erledigten Prozesse siehe Bippen, Bremisches Jahrbuch 1911, 171. 291  Kähler, S. 283. 292  Hierzu und zum Folgenden: ebd., S. 283 f., der auf ein nicht auffindbares Gut­ achten über die Frage: „Ob es sich empfehle um bey der neuen Ordnung der Gerichte



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit135

existieren müssten. Die Mitglieder stellten fest, dass man nicht auf die fran­ zösischen Vorschriften zurückgreifen konnte, da sie diese als fehler- und lü­ ckenhaft einstuften. Ein Kritikpunkt am französischen Modell war beispiels­ weise die kurze Amtsdauer der Richter. Es wurde angeführt, dass es deshalb bei französischen Handelsgerichten keine beständige Rechtsprechung gab. Ferner hätte es während der Besatzungszeit Zuständigkeitsprobleme mit den untersten Zivilgerichten gegeben. Deshalb entschied man sich bei Erlass der neuen Gerichtsverfassung gegen die Einführung eines Handelsgerichts bzw. gegen die Fortführung der französischen Einrichtung. Den Mitgliedern des unzufriedenen Kaufmannsstands erklärte man, dass durch die neue Gerichts­ verfassung die Verfahren generell beschleunigt werden würden und sie alter­ nativ die Möglichkeit hätten, die Streitigkeiten außergerichtlich im Rahmen von Schiedsverfahren zu klären. b) Handelsgericht in Hamburg In Hamburg wurde das französische Recht unmittelbar nach der Befreiung abgeschafft und die alten Gesetze wieder eingeführt293. Zum 24. Februar 1816 trat die „Verordnung wegen veränderter Organisation der Behörden und Gerichte“ vom 29. Dezember 1815 in Kraft, die im Wesentlichen die Ge­ richtsorganisation wiederherstellte, die vor der französischen Besatzung be­ stand294. Bereits vor den allgemeinen Reformen der Gerichtsverfassung beschäftigte man sich in Hamburg mit der Eröffnung eines Handelsgerichts, das man während der Besatzungszeit schätzen gelernt hatte295. Ferner kannte man mit dem Admiralitätsgericht, das im Zuge der Übertragung der französischen Gerichtsverfassung abgeschafft worden war, bereits ein Sondergericht, das in Seehandelssachen entschieden hatte. Deshalb überrascht es nicht, dass am 15. Dezember 1815 eine Handelsgerichtsordnung (HHGO) veröffentlicht wurde, die bereits am 3. August 1815 beschlossen worden war296. Bezüglich der Wirkung des Hamburgischen Handelsgerichts auf die Entwicklung der auf ein Handelsgericht, oder wenigstens auf ein Surrogat desselben Bedacht zu neh­ men“ verweist. 293  Die Wiedereinführung erfolgte durch Erlass zum 1. Juni 1814, vgl. Kähler, S. 286. 294  Ebd., S. 291. Die „Verordnung wegen veränderter Organisation der Behörden und Gerichte“ vom 29. Dezember 1815 ist abgedruckt bei Anderson, Verordnungen, S.  270 ff. 295  Vgl. hierzu etwa Sutor, S.  37 ff.; Kähler, S. 291. 296  Die Handelsgerichtsordnung ist abgedruckt bei Anderson, Verordnungen, S. 207 ff.; im Folgenden HHGO.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

deutschen Handelsgerichtsbarkeit schreibt Silberschmidt ohne weitere Be­ gründung297: „Die Entscheidung gegen die französischen Handelsgerichte ist in Hamburg gefal­ len.“

Bisher gibt es in der Sekundärliteratur lediglich überblicksartige Darstel­ lungen der Grundsätze der HHGO298. Es fehlt allerdings ein Vergleich mit den entsprechenden französischen Vorschriften. Daher stellt sich die Frage, ob der Hamburgische Gesetzgeber Elemente des französischen Rechts über­ nommen hat. Im Zuge dessen muss erarbeitet werden, ob der pauschalen und nicht weiter konkretisierten Aussage Silberschmidts gefolgt werden kann. aa) Diskussion um die Organisation des Gerichts In der Diskussion um die Einrichtung eines neuen Handelsgerichts traten mehrere Streitpunkte auf299. Dass die Existenz eines solchen Spruchkörpers sinnvoll war, darüber war man sich in Hamburg überwiegend einig. Das Werk von Sutor über die Errichtung des Handelsgerichts in Hamburg setzt seinen Schwerpunkt auf die Frage der Organisation, die kontrovers be­ handelt wurde300. Zunächst gab es die Überlegung, das ehemalige Admirali­ tätsgericht wieder aufleben zu lassen und es durch Erweiterung der Befug­ nisse zu einem allgemeinen Handelsgericht umzuwandeln. Alternativ hätte man auch das französische Gericht beibehalten können. Die Weiterführung dieses Spruchkörpers wurde jedoch kritisch betrachtet, da es kein Produkt der Rechtsentwicklung Hamburgs war, sondern im Rahmen der Fremdherr­ schaft eingeführt worden war. Die dritte vorgeschlagene Möglichkeit, die sich durchsetzen konnte, war die der Gründung eines neuen Handelsgerichts. Im Zuge dessen wurde kontrovers diskutiert, ob ein Jurist als vorsitzender Richter eingesetzt werden sollte und ob das Verfahren mündlich oder schrift­ lich sein sollte. Einigkeit bestand darüber, dass sich die Zuständigkeit nicht nur auf Seehandelssachen beschränken sollte. Auf die verschiedenen Lösungen dieser Grundsatzfragen wird nicht weiter eingegangen, da sie von Sutor ausgiebig aufgearbeitet wurden und sich das 297  Silberschmidt, Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht 3. Jahrgang (1969), 167. 298  Beispielsweise bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S.  147  ff.; Kähler, S.  293 ff. 299  Vgl. hierzu und zum Folgenden Sutor, S. 28 ff. In diesem Werk werden die relevanten Schriften, Reden und Entwürfe zur Entstehung des Hamburgischen Han­ delsgerichts dargestellt. Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 140 ff. und Kähler, S. 293 f. fassen lediglich die Ausführungen Sutors zusammen. 300  Vgl. hierzu und zum Folgenden Sutor, S.  28 ff.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit137

Ergebnis der Diskussionen ohnehin aus der nachfolgenden Analyse ergibt. Allerdings beschränkt sich die Arbeit von Sutor auf die Darstellung der un­ terschiedlichen Ansichten zu diesen Punkten. Es fehlt dem Werk ein detail­ lierter Vergleich der französischen Vorschriften mit denen der HHGO301. Insbesondere wird aus der Abhandlung des Autors nicht deutlich, welche Normen genau dem französischen Recht entnommen wurden und welche der hamburgische Gesetzgeber selbst geschaffen hat. Die Vorschriften, die über die Kernfragen hinausgingen, wie beispielsweise die Anforderungen an die Richter oder deren Wahl, bleiben bei Sutor unberücksichtigt. An diesem Punkt setzen die nachfolgenden Ausführungen an. Die HHGO sah die Errichtung eines Handelsgerichts vor. Eine dem Art. 640 Code de commerce entsprechende Regelung, nach dem die ordent­ lichen Gerichte an die Stelle der Handelsgerichte traten, wenn an einem Ort kein Bedarf für ein selbständiges Gericht bestand, war in Hamburg als selb­ ständige Stadt nicht nötig, da der Gerichtsbezirk das gesamte Stadtgebiet umfasste. bb) Besetzung Art. 1 der HHGO legte fest, dass das Gericht aus einem Präsidenten, ei­ nem Vizepräsidenten, neun Richtern, einem Gerichtsschreiber und dessen Gehilfen bestand. Es wurde, wie zur Besatzungszeit, in zwei Kammern ge­ teilt, wobei in einer der Präsident und in der anderen der Vizepräsident den Vorsitz hatte, vgl. Art. 1 HHGO. (1) Gemischte Besetzung Der Präsident und der Vizepräsident waren gemäß Art. 2 HHGO mindestens 30 Jahre alt und studierte Juristen. Sie wurden für ihre Tätigkeit bezahlt und sollten sie lebenslang ausführen (Art. 2 HHGO). Es handelte sich um Berufs­ richter. Andere Anforderungen gab es an die neun kaufmännischen Richter: Art. 3 HHGO: „Die vom Handelsgericht Vorzuschlagenden müssen über 30 Jahre alt, und in gutem Rufe stehende Kaufleute seyn.“

Die Voraussetzung der Vollendung des 30. Lebensjahres und das Element, dass die Kaufleute in ihrem Beruf angesehen sein mussten, stammten aus Art. 620 Code de commerce. Der Gesetzgeber verzichtete jedoch auf die Voraussetzung dieser Vorschrift, dass sie seit fünf Jahren die Tätigkeit aus­ üben mussten302. bei Kähler, S. 293. hierzu S. 93.

301  Ansatzweise 302  Vgl.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Man entschied sich wieder gegen das französische Modell der rein kauf­ männischen Besetzung, da man mit dem gemischten System zur Zeit der Besatzung gute Erfahrungen gemacht hatte. Der Gesetzgeber argumentierte dafür, dass auch in Handelssachen überwiegend nach Gesetzen und nur sub­ sidiär nach Gewohnheiten des Handelsverkehrs geurteilt wurde303. Deshalb führte ein Rechtsgelehrter den Vorsitz. Die ausdrückliche Nennung der Position der Suppleanten, also der Ersatz­ richter, wurde aufgegeben. Zumindest findet sich hierzu keine Vorschrift in der Ordnung. Dass nicht alle Richter gleichzeitig anwesend sein mussten und es deshalb doch Vertreter gab, ergibt sich aus der Beschlussfähigkeit. Gemäß Art. 8 HHGO waren die Kammern des Handelsgerichts jeweils nur dann beschlussfähig, wenn mindestens drei Richter anwesend waren. Benötigt wurden ein vorsitzender Jurist und mindestens zwei kaufmännischen Richter. Da es neun beisitzende Handelsrichter gab, für die zwei Kammern aber lediglich insgesamt vier davon benötigt wurden, damit sie beschlussfähig ­ ­waren, blieben fünf Personen übrig. Die Richter wechselten sich in ihrer Tätigkeit monatsweise ab304. Sofern ein Richter ausfiel, wurde auf diejenigen zurückgegriffen, die gerade pausierten305. Das neue Handelsgericht verkörpert mit der Einführung des Berufsrichter­ tums der Vorsitzenden eine wesentliche Neuerung, die sich im Rahmen der Revolution herausgebildet hatte und damit die französische Gerichtsverfas­ sung prägte306. Allerdings war das zu diesem Zeitpunkt eine Ausnahme in Hamburg, da nach der Befreiung bei den restlichen Gerichten eine Gewalten­ teilung noch nicht vollzogen worden war307. Außerdem gehörten die Vorsit­ zenden damit nicht mehr dem Stadtrat an, wie das im deutschen Recht des 18. Jahrhunderts (auch beim Admiralitätsgericht) noch üblich war308. Lediglich an einer Stelle zeigt sich, dass der Handel in Hamburg von der Seefahrt dominiert war. So konnten die Kammern, sofern es bei der Ent­ scheidung nur auf Gebräuche bzw. Gepflogenheiten der Seefahrt ankam, er­ fahrene Schiffer als Gutachter berufen, die allerdings keine entscheidende Stimme hatten (Art. 3 HHGO). Ansonsten zeigte sich bei den Anforderungen an die Richter bereits, dass das Gericht ein Spruchkörper für alle Handels­

und zum Folgenden Sutor, S. 86. von 1816 über den Dienst beim Handelsgericht, abgedruckt bei Sutor, S.  147 ff. 305  Ebd., S.  147 ff. 306  So auch Hiemsch, S. 77. 307  Ebd., S. 77. 308  Vgl. S. 69 f. 303  Hierzu

304  Reglements



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit139

sachen und nicht lediglich für den Seehandel sein sollte, wie es das Admira­ litätsgericht war309. In Bezug auf die Besetzung und die Anforderungen an die Richter ent­ sprach die HHGO damit nahezu identisch der Gesetzeslage, die zur Zeit der Besatzung beim französischen Handelsgericht bestand. Die reine Laienge­ richtsbarkeit des Code de commerce wurde allerdings auch bei der Schaffung der HHGO für unpassend empfunden. (2) Wahl der Richter Bei der Wahl der Richter wurde nicht das französische Recht kopiert, son­ dern die örtlichen Verhältnisse berücksichtigt. Im Zuge dessen war nach der HHGO zu unterscheiden zwischen der erstmaligen Installation des Gerichts und dem anschließenden Wahlprozedere: (a) Erste Wahl Bei der ersten Wahl des Präsidenten schlug gemäß Art. 3 HHGO die Commerz-Deputation (die spätere Handelskammer) der „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns“ vier Personen vor, aus denen diese zwei auswählte und dem Senat zur letzten Entscheidung und Ernennung vorschlug. Der „Ehrbare Kaufmann“ war der Zusammenschluss der hamburgischen Kauf­ leute310, der wiederum die Mitglieder der Commerz-Deputation, also den Vorstand der Kaufmannschaft, wählte311. Das gleiche Prozedere wurde bei der Bestimmung des Vizepräsidenten verwendet, vgl. Art. 3 HHGO. Hier zeigt sich eine Abweichung von den Abläufen zur Besatzungszeit, in der die beiden Vorsitzenden von der französischen Verwaltung ausgewählt worden waren. In der HHGO hingegen hatten die Kaufleute ein Vorschlagsrecht und dem Staat oblag nur die Auswahl zwischen zwei Personen. Die kaufmännischen Richter wurden indessen ausschließlich von der Kaufmannschaft ausgewählt. So schlug gemäß Art. 3 HHGO die CommerzDeputation für jede der neun Richterstellen dem „Ehrbahren Kaufmann“ zwei Personen vor, der sich dann jeweils für eine Person entscheiden musste. Eine Bestätigung durch den Senat der Stadt war nicht nötig, weshalb dieser bei der Bestimmung der Laienrichter keinen Einfluss hatte312.

309  Vgl.

ebd. Gründung siehe Grobecker, S.  19 ff. 311  Ebd., S. 32. 312  Bertram, S. 64. 310  Zur

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

(b) Wahl nach der erstmaligen Errichtung Nach der Gründung des Gerichts ging die Initiative für die Bestimmung der Nachfolge des ausgeschiedenen Präsidenten von den verbleibenden Mit­ gliedern des Handelsgerichts selbst aus. Diese schlugen gemäß Art. 3 HHGO im Zuge einer anonymen Wahl dem Ehrbaren Kaufmann vier Personen vor, der zwei davon auswählte und dem Senat die endgültige Entscheidung über­ ließ. Genauso wurde für das Amt des Vizepräsidenten verfahren, vgl. Art. 3 HHGO. Die Ersetzung der ausscheidenden kaufmännischen Richter erfolgte ähn­ lich: Die Mitglieder des Handelsgerichts schlugen durch geheime Wahl für jede Richterstelle zwei Personen vor, von denen der „Ehrbare Kaufmann“ eine auswählte (Art. 3 HHGO). Ein solches Vorschlagsrecht gab es in den französischen Vorschriften nicht. Die kaufmännischen Richter, nicht hingegen der Präsident und Vizepräsi­ dent, waren gemäß Art. 4 HHGO verpflichtet, das Amt anzunehmen, wenn sie ausgewählt wurden. Eine vergleichbare Vorschrift existierte im Code de commerce nicht. (c) Der Einfluss bzgl. der Wahl der Handelsrichter Die Vorschriften zur Wahl selbst erwecken den Eindruck, dass der hambur­ gische Gesetzgeber sich in diesem Punkt vom französischen Recht gänzlich abgewendet hatte. Allerdings zeigen die Vorschriften, die nicht direkt das Wahlprozedere betreffen, aber damit eng in Verbindung stehen, Parallelen auf, wie etwa bei der Amtszeit und Wiederwahl313: Art. 623 Code de commerce: „Der Präsident und die Richter können nicht länger als zwey Jahre in ihrem Amte bleiben, und nicht eher als nach dem Zwischenraum eines Jahres wieder gewählt werden.“ Art. 5 HHGO: „Die Richter werden auf 3 Jahre gewählt, und können nicht anders, als nach einem Zwischenraume von einem Jahr wieder gewählt werden.“

Nach beiden Ordnungen war die Amtszeit der Kaufleute auf wenige Jahre beschränkt und eine unmittelbare Wiederwahl ausgeschlossen. Die Jahresfrist zwischen zwei Amtszeiten wurde in der HHGO übernommen. Art. 622 Code de commerce: „Bey der ersten Wahl wird der Präsident und die eine Hälfte der Richter und Suppleanten, aus denen das Gericht besteht, für zwey Jahre; 313  Es wird bewusst nur die deutsche Übersetzung von Daniels verwendet, da man diese in Hamburg während der Besatzungszeit kennengelernt hatte. Ein Vergleich der HHGO mit der französischen Fassung des Code de commerce erscheint hier nicht sinnvoll, weshalb diese an dieser Stelle und im Folgenden nicht mehr zitiert wird.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit141 die andere Hälfte der Richter und Suppleanten für ein Jahr ernannt; bey den nach­ herigen Wahlen geschehen alle Ernennungen auf zwey Jahre.“ Art. 5 Abs. 2 HHGO: „Von der zur ersten Besetzung des Handels-Gerichts erwähl­ ten neun Richtern, treten nach Verlauf eines Jahres drey, und nach Verlauf des zweyten Jahres wieder drey ab. Das Loos wird bestimmen, welche von diesen neun Richtern dies Amt auf ein, und welche es auf zwey Jahre verwalten.“

Die HHGO übernahm das Rotationsprinzip des Code de commerce, das gewährleistete, dass nicht alle Richterstellen gleichzeitig neu besetzt werden mussten. Eine solche Überlegung gab es bei den untersuchten deutschen Ordnungen nicht314. Es handelt sich damit um ein Produkt des französischen Rechts. (3) Resümee Damit ist festzuhalten, dass bei der Besetzung wesentliche Elemente der französischen Handelsgerichtsbarkeit inhaltlich übernommen wurden, bei­ spielsweise bei der Rotation der Richterstellen. Andere Punkte, etwa die Anforderungen an die Richter, finden sich nahezu wortwörtlich in der HHGO. Bei der gemischten Besetzung besann man sich auf die Gesetzes­ lage, die während der Besatzungszeit speziell für die hanseatischen Departe­ ments galt. Nur bei der Wahl der Richter wurde auf die ortsbezogenen Ge­ wohnheiten, also auf die Vertretung des Handelsstandes, zurückgegriffen. Man entschied sich gegen das französische Konzept der Notablen. Mit dem Admiralitätsgericht hatte das Handelsgericht bis auf die gemischte Besetzung keine Gemeinsamkeiten mehr. Auffallend ist, dass die HHGO deutlich präziser und umfassender war als die Regeln des Admiralitätsge­ richts, bei denen noch viele relevante Informationen, wie etwa die Beschluss­ fähigkeit, gefehlt hatten315. All diese Punkte übernahm man aus dem fran­ zösischen Recht. Das Handelsgericht in Hamburg war das erste deutsche Handelsgericht, bei dem keine Ratsmitglieder oder Verwaltungsbeamten als Richter fungierten316. Damit war es der erste deutsche Spruchkörper in Handelssachen, der das Prinzip der Gewaltenteilung berücksichtigte.

314  Siehe

S. 81 f. S. 69. 316  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 81. 315  Siehe

142

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

cc) Zuständigkeit Der zweite Abschnitt der HHGO regelte die Zuständigkeit des Gerichts. Die HHGO differenzierte wie der Code de commerce zwischen einer Grund­ norm und der Zuständigkeit in anderen Fällen: (1) Grundnorm Art. 9 HHGO: „Das Handelsgericht erkennt über alle Streitigkeiten, die Handelsge­ schäfte betreffen, oder auf solche unmittelbaren Bezug haben, die Personen mögen Handelsleute seyn oder nicht.“

Die Zuständigkeit des Handelsgerichts war grundsätzlich lediglich vom Streitgegenstand (Handelsgeschäft) und damit von sachlichen Kriterien ab­ hängig. Diese Vorschrift wurde nahezu wörtlich aus Art. 631 Code de com­ merce (Alt. 2) übernommen317. Es gab allerdings in der HHGO keine Regelung, nach der die Zuständig­ keit begründet sein konnte, wenn eine Streitigkeit zwischen Personen be­ stimmter Berufsgruppen des Handelsstandes vorlag. Der Gesetzgeber hatte somit auf die Aufnahme von Art. 631 Alt. 1 Code de commerce verzichtet, der Privatklagen zwischen Kaufleuten normierte. Eine Begründung ist in den Gesetzgebungsunterlagen nicht auffindbar. Vermutlich lag es daran, dass das allgemeine Handelsgericht in Frankreich, nicht jedoch der Hamburgische Spruchkörper, aus der Gildengerichtsbarkeit hervorging318. Im Anschluss daran wurden in beiden Ordnungen Geschäfte genannt, die unter den Begriff des Handelsgeschäfts fielen: Art. 10 HHGO: „Für Handelsgeschäfte werden ausdrücklich erklärt: Jeder Ankauf von Erzeugnissen und Waaren, um sie entweder, so wie selbige wirk­ lich sind, oder verarbeitet, und in eine andere Form umgeschaffen, wieder zu ver­ kaufen. Jede Unternehmung von Fabriken, Manufacturen, Lieferungen und Factoreyen; all Commisssions-, Speditions- und Fracht-Geschäfte, sowie alle Geld-Wechsel-, Ban­ quier- und Makler-Geschäfte; von letzteren jedoch diejenigen, welche Grundstücke betreffen, ausgenommen. Alle Verbindlichkeiten unter Kaufleuten, Detail-Händlern und Banquiers, die aus Handelsgeschäften herrühren, als welches im zweifelhaften Falle präsumiert wird. Alle Wechselbriefe, Assignationen und kaufmännische Geld-Uebermachungen, […].“ dazu S. 97 ff.; so auch Kähler, S. 296. dazu die Ausführungen zur Geschichte der französischen Handelsgerichts­ barkeit auf S. 88 ff. 317  Vgl. 318  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit143

Art. 10 HHGO entsprach inhaltlich Art. 632 Code de commerce319. Teil­ weise waren die Vorschriften sogar vom Wortlaut her nahezu identisch mit der deutschen Übersetzung des Code de commerce von Daniels, die man während der Besatzung kennengelernt hatte, beispielsweise jeweils Abs. 1320. Auch in Bezug auf die Nummerierung hielt man sich nah an die Übersetzung des Code de commerce von Daniels. Die Geschäfte, die zum Seehandel bzw. der Schifffahrt gehörten, wurden ebenso in beiden Ordnungen ähnlich geregelt, wie der Vergleich von Art. 11 HHGO mit Art. 633 des Code de commerce ergibt: Art. 11 HHGO: „Ferner sind als Handelsgeschäfte namentlich anzusehen: Jede Unternehmung eines Schiffbaues und alle Käufe und Verkäufe und Reparatu­ ren von Schiffen, sowie die auf denselben gemachten Expeditionen; jede SchiffsRhederei, jeder Einkauf oder Verkauf von Schiffs-Takelwerk, Schiffs-Geräthe oder Schiffs-Proviant; jede Befrachtung oder Miethung eines Schiffes; alle von Passa­ gieren in Betreff ihrer Ueberfahrt auf Schiffen geschlossenen Contracte; – jedes An- oder Darlehn auf Bodmerey, alle Schiffs-Bodmerey-Fracht- und WaarenAssecuranzen und alle sonstige, die Handels-Schifffahrt betreffenden Privatverträ­ ge.“

Diese Aufzählung in Art. 11 HHGO entsprach inhaltlich, teilweise sogar wörtlich dem Art. 633 des Code de commerce in der Übersetzung von ­Daniels321. Der Begriff des Handelsgeschäfts wurde damit nahezu wortwört­ lich, jedenfalls aber inhaltlich aus dem Code de commerce übernommen. (2) Zuständigkeit in weiteren Fällen Neben der Grundnorm des Art. 9 HHGO wurden wie in Art. 634 Code de commerce Streitigkeiten aufgezählt, die das Handelsgericht entschied, ob­ wohl sie nicht als Handelsgeschäfte angesehen wurden: Art. 13 HHGO: „Das Handelsgericht hat gleichfalls zu erkennen: Über alle Streitigkeiten in Betreff von Societäts-Verbindungen zu Handelsgeschäf­ ten, und über Klagen, die gegen Geschäfts-Vorsteher, Buchhalter, Commis, Lehr­ burschen, oder sonstige von Kaufleuten, Detail-Händlern, Banquiers und Maklern, in ihren Handels-, Banquiers- und Makler-Geschäften adhibirte Personen, oder auch von diesen in directem Bezug auf diese Geschäfte angestellt werden […].“

Die Vorschrift entsprach Art. 634 Nr. 1 Code de commerce, der ebenso Klagen von Kaufleuten gegen Personen normierte, die ihnen bei ihren Ge­

diesem Ergebnis kommt auch Kähler, S. 296. dazu das wörtliche Zitat auf S. 98. 321  Siehe S.  98 f. 319  Zu

320  Vgl.

144

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

schäften behilflich waren322. Auch hier übernahm der Hamburgische Gesetz­ geber die Normen des Code de commerce. (3) Resümee Die Grundsätze, die beim Admiralitätsgericht galten, blieben vollkommen unberücksichtigt323. Die Zuständigkeitsvorschriften belegen, dass man sich von dieser Einrichtung getrennt hatte. Ein maßgebliches Indiz dafür ist, dass das Handelsgericht nicht nur in Streitigkeiten des Seehandels, sondern des allgemeinen Handels zuständig war. Darüber hinaus beschränkte sich die Befugnis des Gerichts auf die Rechtsprechung. Es nahm keine anderen Auf­ gaben, etwa der Verwaltung der Seefahrt, wahr. Vielmehr wurde die HHGO auf Grundlage des französischen Rechts er­ stellt. Nur an wenigen Stellen nahm der Gesetzgeber Veränderungen vor. Nicht nur systematisch und inhaltlich orientierte man sich am französischen Original. Vielmehr verwendete man an einigen Stellen sogar den identischen Wortlaut der Übersetzung von Daniels, die bereits während der Besatzungs­ zeit herangezogen worden waren. dd) Verfahren Nachdem hinsichtlich der Besetzung und Zuständigkeit Parallelen zwi­ schen den beiden Ordnungen aufgewiesen werden konnten, stellt sich noch die Frage, ob ein Vergleich der Verfahrensvorschriften die gleiche Erkenntnis liefert. Rein gesetzessystematisch ergibt sich der Unterschied, dass im fran­ zösischen Recht das Verfahren für die Handelsgerichte in Code de commerce und dann überwiegend im Code de procédure civile geregelt war. Es basierte damit auf dem Zivilprozess und wich in gewissen Punkten zur Beschleuni­ gung davon ab. Die HHGO enthielt umfassend alle Verfahrensvorschriften für das Handelsgericht, weshalb ein Rückgriff auf das allgemeine Zivilpro­ zessrecht nicht nötig war. Das wäre auch nicht sinnvoll gewesen, da der Zi­ vilprozess in Hamburg noch aus dem 18. Jahrhundert stammte und damit von den Grundsätzen des französischen Handelsprozesses erheblich abwich324. So war das Verfahren beispielsweise lediglich schriftlich325. Doch transfe­ rierte der Gesetzgeber Vorschriften aus dem Code de procédure civile in die HHGO? Oder wurde ein gänzlich neues Prozessrecht geschaffen? auch Kähler, S. 296, der diese Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen nennt. hierzu und zum Folgenden S. 68 ff. 324  Zum Zivilprozess in Hamburg siehe Kähler, S.  304 f.; Bertram. 325  Kähler, S.  304 f. 322  So

323  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit145

(1) Mündliches Verfahren In Abweichung zum Zivilprozess waren gemäß Art. 19 HHGO die Streit­ sachen mündlich in öffentlichen Sitzungen zu verhandeln, sofern das Gericht nicht ein schriftliches Verfahren bestimmte oder auf Antrag der Parteien ak­ zeptierte. Dabei handelte es sich um eine Kompromisslösung. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde teilweise am Verfahren des französi­ schen Rechts kritisiert, dass in komplexeren Streitsachen mündliche Ver­ handlungen nicht ausreichen würden326. Ein Argument war, dass die Streitsa­ chen eventuell nicht umfassend untersucht werden könnten oder andere eilige Angelegenheiten aufgehalten werden würden, indem die Sitzungen zu lange dauerten327. Problematisch war auch, dass das mündliche und öffentliche Verfahren dem hamburgischen Prozessrecht des 18. Jahrhunderts fremd war. Durch die Übertragung des französischen Rechts wurden diese Grundsätze nicht als heimisches Recht, sondern als ein Produkt der Fremdherrschaft ge­ sehen, weshalb ein Misstrauen bestand328. Dennoch sollte gemäß Art. 19 HHGO das mündliche Verfahren der Regel­ fall sein, um weiterhin eine schnelle Entscheidung in Handelsstreitigkeiten herbeiführen zu können. Im Gesetzgebungsverfahren begründete man diese Lösung damit, dass im mündlichen und öffentlichen Verfahren ein wesent­ licher Zweck der Handelsgerichte lag329. Gerade deshalb hatte das französi­ sche Handelsgericht während der Besatzungszeit so viel Anerkennung erhal­ ten330. Es handelte sich also um ein Element des französischen Rechts, das auf das neue Handelsgericht in Hamburg übertragen wurde. (2) Vorladung Es zeigen sich bei der Vorladung wenig unmittelbare Gemeinsamkeiten, die eine Übernahme des französischen Gesetzestextes belegen können. Kennzeichnend war nach der HHGO eine kurze Frist. So musste dem Be­ klagten gemäß Art. 22 HHGO eine Frist von zwei vollen Tagen anstatt der eintägigen Frist in Art. 416 Code de procédure civile ab Zustellung der Vor­ ladung gewährt werden, um bei Gericht zu erscheinen331. Die HHGO war 326  Sutor,

S. 115. S. 115. 328  Bertram, S.  76 f. 329  Senatsbeschluss vom 28. Juni 1815, abgedruckt bei Sutor, S. 114. 330  Sutor, S. 116. 331  Eine Ausnahme hiervon stellten Wechselstreitigkeiten dar, bei denen auch die eintägige Frist galt, vgl. vgl. Art. 22 HHGO. 327  Ebd.,

146

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

insofern großzügiger und auch präziser, indem bei der Fristberechnung Sonnund Feiertage ausgeschlossen wurden332. Dennoch findet sich eine Passage, die dem französischen Recht ent­ stammte: Art. 417 Code de procédure civile: „In Fällen, welche schleunige Beförderung er­ heischen, kann der Handelsgerichtspräsident verstatten, daß man auf den nächst kommenden Tag, und auf die nächste Stunde vorlade, […].“ Art. 22 HHGO: „In Fällen, welche die größte Beschleunigung und schnelle provi­ sorische Maßregeln erheischen, kann jedoch der Präses […] von Tag zu Tag oder ganz besonderen Umständen nach, selbst von Stunde zu Stunde vorladen lassen […].“

Zumindest ansatzweise wurde also das französische Recht herangezogen. (3) Vertretung und Bevollmächtigung Gemäß Art. 20 HHGO (und Art. 414 Code de procédure civile) war die anwaltliche Vertretung vor dem Handelsgericht ausgeschlossen. Die Parteien, die grundsätzlich persönlich erscheinen mussten, konnten gemäß diesen Vor­ schriften allerdings eine Person bevollmächtigen, im mündlichen Verfahren das Wort zu führen, was formlos möglich war. Gemeinsamkeiten finden sich in diesem Punkt nur inhaltlich, nicht jedoch sprachlich. Allerdings konnte gemäß beiden Gerichtsordnungen angewiesen werden, dass die Parteien zumindest persönlich angehört wurden, auch wenn sie das Verfahren nicht selbst führen wollten: Art. 428 Code de procédure civile: „In jedem Falle kann das Gericht, selbst Amts­ wegen, anbefehlen, daß die Partheyen im öffentlichen Verhör oder im Berathschla­ gungszimmer in Person gehört werden sollen; und, wenn ein rechtmäßiges Hinder­ niß eintritt, ein Mittglied des Gerichts […] zur Haltung des Verhörs beauftragen, von welchem dann ihre Erklärungen zu Protokoll genommen werden.“ Art. 25 HHGO: „Das Gericht kann in jedem Falle, selbst von Amtswegen, verfü­ gen, daß die Partheyen in Person im Audienzsaal, oder im Berathschlagungszimmer vernommen werden, und falls die Partheyen selbst zu erscheinen rechtsgültig ver­ hindert seyn sollten, einem der Richter committiren, sie […] zu vernehmen und über ihre Erklärungen […] ein Protocoll aufnehmen zu lassen.“

Es finden sich also auch bei den Vorschriften zur Bevollmächtigung inhalt­ liche Übereinstimmungen, die eine Übernahme des französischen Rechts belegen.

332  Auch

diese Regelung galt nicht für Wechselstreitigkeiten, vgl. Art. 22 HHGO.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit147

(4) Beweis Darüber hinaus wurden bei der Erhebung von Beweismitteln in den Art. 27 ff. HHGO wesentliche Grundsätze der französischen Vorschriften übernommen: Art. 429 Code de procédure civile: „Ist es erforderlich, die Partheyen an Schieds­ richter zu verweisen, um Rechnungen, Urkunden und Bücher zu untersuchen, so ernennt man einen oder drey Schiedsrichter, um die Partheyen zu hören, und sie, wo möglich, zu vergleichen, nach vergeblich versuchter Güte aber ihr Gutachten zu erstatten.“ Art. 27 HHGO: „Findet das Gericht es für dienlich zu Untersuchungen von Rech­ nungen, Documenten, Handelsbüchern und andern Schriften die Partheyen an Handelsverständige über die Punkte zu verweisen, so ernennt dasselbe zu diesem Behuf, falls nicht die Partheyen in der Audienz sich selbst darüber vereinigen, von Amtswegen einen, oder drey Handelsverständige, welche dabey die Parteyen zu hören, falls möglich zu vergleichen, im Fall aber letzteres nicht zu bewirken ist, ihren Bericht schriftlich zu erstatten, und auf Erfordern des Gerichts zu beeidigen haben.“

Die Aufnahme strittiger Beweismittel in Form von Urkunden wurde damit inhaltlich identisch geregelt. Der einzige Unterschied lag darin, dass die be­ auftragen Personen in der HHGO Handelsverständige, im Code de procédure civile Schiedsrichter genannt wurden. Rezipiert wurde das Pendant, wenn Handelsgegenstände, wie Waren oder Arbeiten (Werke), besichtigt werden mussten. Hierfür bestimmte man gemäß Art. 28 HHGO bzw. Art. 429 Code de procédure civile, dass ein oder drei Sachverständige eingesetzt wurden. An dieser Stelle wich die HHGO nicht einmal begrifflich vom Code de procédure civile ab. Ein kleiner Unterschied zu den französischen Verfahrensgrundsätzen ergibt sich beim Zeugenbeweis. Nach Art. 407 Code de procédure civile wurden die Zeugen während der mündlichen Verhandlung vernommen und es hing von der Appellationsfähigkeit der Sache ab, ob ein Protokoll anzufertigen war. In Hamburg hingegen war gemäß Art. 31 HHGO einer der Richter da­ mit beauftragt, den Zeugen außerhalb der Verhandlung zu vernehmen. Der Gerichtsschreiber fertigte dann ein Protokoll über die Aussage an, das vom Zeugen unterschrieben und in der nächsten mündlichen Verhandlung verwen­ det wurde (Art. 31 HHGO). (5) Säumnis Die Vorschriften der HHGO für unentschuldigtes Fehlen zeigen Abwei­ chungen vom französischen Recht. So wies das Gericht gemäß Art. 23 HHGO bei Ausbleiben des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht

148

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

sofort die Klage ab333. Vielmehr hatte dieser lediglich die Gerichtskosten zu tragen und musste eine Strafe zahlen, vgl. Art. 23 HHGO. Auch bei Ausblei­ ben des Beklagten war die Hamburger Ordnung deutlich großzügiger. So hatte gemäß Art. 23 HHGO dieser bei Ausbleiben auch die Kosten zu tragen und es wurde angedroht, bei einem Fehlen in der nächsten Sitzung ein „Contumacial-Urteil“ zu erlassen. Sofern der Beklagte dann tatsächlich in der zweiten, anberaumten mündlichen Verhandlung fehlte, erging ein solches Urteil, in dem das Gericht, sofern es die Punkte des Klägers für begründet hielt, auch in der Hauptsache entscheiden konnte (Art. 23 HHGO). Hier war das französische Verfahren deutlicher auf Schnelligkeit ausgelegt, da nach Art. 434 Code de commerce bereits beim erstmaligen Fehlen des Beklagten ein solches Urteil ergehen konnte. (6) Appellation Die Parteien konnten gegen Urteile des Handelsgerichts Appellation einle­ gen334. Wie auch in Frankreich war sie gemäß Art. 36 HHGO durch das Festlegen einer Streitsumme begrenzt335. Sie war ausgeschlossen, wenn der Streitwert unter dieser Mindestgrenze lag oder wenn die Parteien, auch wenn die Streitsumme über diesem Wert lag, vor Prozessbeginn einvernehmlich die Möglichkeit der Appellation ausgeschlossen hatten, vgl. Art. 36 HHGO. Des Weiteren gab es jeweils eine zeitliche Beschränkung, wobei die Fris­ ten in Hamburg deutlich kürzer waren. So musste gemäß Art. 38 HHGO be­ reits innerhalb von zehn Tagen nach Veröffentlichung des Urteils angezeigt werden, dass eine Appellation begehrt wurde, wohingegen bei den französi­ schen Handelstribunalen die Frist drei Monate betrug. Innerhalb von 20 Ta­ gen musste gemäß Art. 38 HHGO bei der Appellation eines Urteils bereits beim Obergericht, das für die Appellationen von handelsrechtlichen Streitig­ keiten zuständig war, schriftlich die Gründe für die Einlegung vorgebracht werden. An dieser Stelle zeigt sich erstmals ein Element, das vom Admirali­ 333  Siehe

S. 104. Rechtsbehelf der Restitution, der in inappelablen Fällen eingelegt werden konnte und keinen Devolutiveffekt hatte, sondern von der Kammer entschieden wurde, die das 1. Urteil nicht erlassen hat, bleibt hier unberücksichtigt. Siehe diesbe­ züglich Art. 36 HHGO. Einen vergleichbaren Rechtsbehelf gab es in Frankreich nicht, siehe S. 105. 335  625 Mark Courant. Die Summe entsprach in etwa der im Code de procédure civile festgesetzten Grenze von 1000 Francs, vgl. Kähler, S. 296 (Fn. 2153). Aller­ dings war die Summe nicht höher als bei den Hamburgischen Zivilgerichten voraus­ gesetzt wurde, vgl. Art. 37, 40 der Verordnung in Betreff des vor den verschiedenen Justiz-Behörden zu beobachtenden Verfahrens vom 29. Dezember 1815, Anderson, Verordnungen, S.  301 f. 334  Der



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit149

tätsgericht übernommen wurde. Auch dort galt für Appellationen eine Frist von zehn Tagen336. Generell war die Einschränkung auf diese Weise kein Produkt des französischen Rechts, sondern bei den deutschen Spruchkörpern für den Handel im 18. Jahrhundert üblich337. Das Obergericht war mit einem Vorsitzenden und zehn Mitgliedern des Senats besetzt, wovon fünf studierte Juristen und fünf Kaufleute sein muss­ ten338. Es war nach der neuen Justizverfassung überwiegend für Appellatio­ nen zuständig339. Die Besetzung galt damit nicht nur speziell für Verfahren in zweiter Instanz in Handelssachen. Durch den Einsatz von Ratsmitgliedern wird deutlich, dass sich der Grundsatz der Gewaltenteilung und das Berufs­ richtertum in Hamburg noch nicht vollständig ausgebreitet hatten340. Im Ge­ gensatz zum französischen Instanzenzug waren jedoch auch in der Rechts­ mittelinstanz Kaufleute als Richter an der Entscheidung in Handelssachen beteiligt. ee) Resümee Das Handelsgericht in Hamburg entsprach in vielen Punkten dem Spruch­ körper, der bereits zur Zeit der Besatzung bestand. Gerade bei der Besetzung wurden einige Gesetzespassagen wörtlich in die HHGO aufgenommen. Le­ diglich die Wahl der Richter wurde modifiziert und auf die örtlichen Verhält­ nisse angepasst. Dadurch hatte der lokale Handelsstand in Form seiner Ver­ tretungen ein größeres Mitspracherecht, da die ortsansässigen Kaufleute selbst die Mitglieder des ehrbaren Kaufmanns wählten, wohingegen die No­ tablen des französischen Rechts von einem Verwaltungsbeamten und damit von staatlicher Seite aus vorgeschlagen wurden. Genauso deutlich zeigt sich der Einfluss der französischen Gerichtsbarkeit bei den Vorschriften der HHGO zu Zuständigkeit und Verfahren, weil man auch hier Teile der französischen Regeln übernommen hatte. Diese Lösung überrascht einerseits, da man bei den Entwürfen bzw. Gutachten vor Erlass der HHGO bewusst ein neues Gericht schaffen wollte, das sich vom franzö­ sischen Vorgänger unterschied, um den Kritikern, die es als Produkt der Fremdherrschaft betrachteten, entgegenzuwirken. Andererseits lässt sich die Vorgehensweise des Gesetzgebers doch relativ leicht erklären. So verwendete 336  Siehe

S. 71 f. dazu das Ergebnis auf S. 84 ff. 338  Art. 15 der Verordnung wegen veränderter Organisation der Behörden und Ge­ richte vom 29. Dezember 1815, Anderson, Verordnungen, S.  270 ff. 339  Vgl. Art. 30 ebd. 340  Insbesondere wurde beim Stadtrat nicht sauber zwischen Verwaltungs- und Rechtsprechungssektion getrennt, vgl. Kähler, S. 292. 337  Siehe

150

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

man Vorschriften, die die Richter und Kaufleute bereits aus der Besatzungs­ zeit kannten und die sich als tauglich herausgestellt hatten. Damit war garan­ tiert, dass das neue Handelsgericht funktionsfähig werden würde. Letztend­ lich war es auch die ökonomischste Weise, ein neues Handelsgericht zu schaffen. Da man sich nach der Befreiung in der Situation eines Neuanfanges wiederfand, in der man eine Vielzahl an Gesetzen schaffen musste, konnte man einfach auf existierende Vorschriften zurückgreifen. Dem eingangs angeführten Zitat kann damit, zumindest im Hinblick auf Hamburg selbst, nicht zugestimmt werden. In Hamburg entschied man sich nicht gegen das französische Handelsgericht. Vielmehr entschied man sich für diesen Spruchkörper, jedoch nur in einer modifizierten Besetzung. Vergleicht man die Grundsätze des Handelsgerichts nun mit der Situation in Hamburg im ausgehenden 18. Jahrhundert, lassen sich keinerlei Gemein­ samkeiten mehr erkennen. Das aufgegebene Admiralitätsgericht hatte das spätere Handelsgericht nicht beeinflusst. Vielmehr ist das Handelsgericht eine Mischung aus französischem Recht und neu entwickelten Grundsätzen der hamburgischen Gesetzgeber, wobei das erstgenannte Elemente überwog. Anders als beim Admiralitätsgericht war das Handelsgericht in seiner Beset­ zung vollständig vom Senat getrennt. Hinsichtlich der Zuständigkeit handelte es sich gerade nicht mehr nur um einen Spruchkörper für Seehandelsstreitig­ keiten, sondern ganz allgemein für alle Handelssachen. Ferner war die neue Einrichtung ein Gericht nach modernem Verständnis, indem es nur rechtspre­ chend tätig war, wohingegen der Vorgänger aus dem 18. Jahrhundert auch administrative und organisatorische Kompetenzen für den Seehandel hatte. Außerdem zeigen sich beim Verfahren keine Parallelen, da dieses beim Ad­ miralitätsgericht im 18. Jahrhundert überwiegend schriftlich war341. Betrach­ tet man das Forschungsergebnis des 2. Teils, so stellt man fest, dass man aufgrund des Charakters des Handelsgerichts nicht mehr ableiten kann, dass Hamburg vom Seehandel geprägt war. Durch den Einfluss des französischen Rechts hatte sich die Handelsgerichtsbarkeit in Hamburg vollauf verändert. c) Handelsgericht in Bremen Bereits im Jahre 1817, also lediglich drei Jahre nach der Befreiung, nach der man sich gegen ein Handelsgericht ausgesprochen hatte342, beschäftigte man sich in Bremen erneut mit der Frage, ob die Einrichtung eines Handels­ gerichts sinnvoll wäre, wofür eine Deputation eingesetzt wurde343. 341  Siehe

S. 71 f. Mit Ausnahme der Appellationsfrist. S. 134. 343  Hierzu und zum Folgenden: Kähler, S. 284 f. Dieser wertet die Sitzungsproto­ kolle, Zwischenberichte und den Abschlussbericht (27. August 1817) der aus vier 342  Siehe



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit151

Ein rein kaufmännisch besetztes Gericht, das den ordentlichen Gerichten gleichstand, wurde von einigen Vertretern mit der Begründung abgelehnt, dass die Entscheidungen von Kaufleuten willkürlicher wären als die von Ju­ risten, weshalb so gegen eine Vielzahl der Entscheidungen appelliert werden würde. Sie führten weiter aus, dass sofern es doch zu einer Sondereinrich­ tung käme, kein selbständiges Handelsgericht zu gründen war. Vielmehr wurde die Eröffnung eines Handels- und Seegerichts mit schiedsrichterlichem Status vorgeschlagen, das freiwillig von den Parteien angerufen werden konnte und von dem keine Einlegung von Rechtsbehelfen an andere Gerichte möglich sein sollte. Das Verfahren sollte grundsätzlich mündlich bzw. aus­ nahmsweise, bei komplexeren Sachverhalten, schriftlich sein. Andere Vertreter hingegen argumentierten für ein gemischt besetztes Ge­ richt, das mit den gleichen Befugnissen wie die Zivilgerichte ausgestattet werden sollte. Somit bestand im Ergebnis auch zu diesem Zeitpunkt, wie bereits unmittelbar nach der Besatzungszeit344, keine Einigkeit darüber, in welcher Form ein Gericht für Handelssachen entstehen sollte. Aus diesem Grund erfolgte zunächst keine Neugründung. Es dauerte bis 1845, ehe ein Handelsgericht etabliert werden konnte, was auf einen Aufschwung des Handels der Stadt zurückzuführen war345. Um den Handel weiter zu fördern, waren sich die Mitglieder des Senats, als ein ent­ sprechender Antrag eingereicht wurde, einig, dass ein Handelsgericht eröff­ net werden sollte, das nicht lediglich mit schiedsrichterlichen Befugnissen ausgestattet, sondern mit den Zivilgerichten gleichgestellt werden sollte346. Um eine auf Bremen zugeschnittene Handelsgerichtsordnung aufzustellen, wurde erneut eine Kommission eingesetzt, die einen Entwurf erarbeitete, der später mit kleinen Änderungen angenommen wurde347. Hiemsch dar348. Der HHGO, an tung eines

stellt die Grundzüge der Vorschriften für das Handelsgericht Autor erwähnt allerdings nur an den Stellen die Parallelen zur denen der „Bericht der gesetzgebenden Deputation, die Errich­ Handelsgerichts betreffend“, ausdrücklich die Übernahme von

bürgerlichen und drei senatorischen Mitgliedern bestehenden Deputation aus. Siehe hierzu auch Hiemsch, S. 97. 344  Siehe S. 134 ff. 345  Hierzu insbesondere Hiemsch, S.  99 ff. 346  Ebd., S. 99, der auf ein Senatsprotokoll vom 14. Februar 1844 verweist. 347  Ebd., S. 99 f. Dieser nimmt Bezug auf den „Bericht, die Errichtung eines Han­ delsgerichts betreffend“, gelesen im Bürgerkonvent am 28. März 1845. 348  Ebd., S. 99 ff. Ebenso Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 156 ff.; Kähler, S. 283 f., beschränkt sich auf die überblicksartige Darstellung der Verhand­ lungen direkt nach der Besatzungszeit. Das Handelsgericht von 1845 bleibt unberück­ sichtigt.

152

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Grundsätzen der HHGO benennt349. Das Werk nimmt aber keinen umfas­ senden Vergleich der Handelsgerichtsordnung der Hansestadt Bremen von 1845350 (BHGO) mit der HHGO vor351. Außerdem bleibt vollkommen unbe­ rücksichtigt, ob Elemente des französischen Rechts auffindbar sind. Da der „Bericht der gesetzgebenden Deputation, die Errichtung eines Handels­ gerichts betreffend“ selbst nur an wenigen Stellen auf die HHGO verweist, stellt sich die Frage, ob tatsächlich kaum Elemente rezipiert wurden. aa) Besetzung Der Bericht der Deputation, die die BHGO entworfen hatte, enthält keine Hinweise darauf, dass bei den Vorschriften zur Besetzung auf die Regeln des Code de commerce und der HHGO zurückgegriffen worden war. Doch fin­ den sich diesbezüglich dennoch Grundsätze des französischen und hamburgi­ schen Rechts in der BHGO? (1) Gemischtes System Man entschied sich für die gemischte Besetzung, die man bereits aus der Zeit der französischen Besatzung352 und vom Gericht in Hamburg kannte. So bestand das Bremer Handelsgericht gemäß § 1 BHGO aus zwei Rechtsge­ lehrten und sieben ortsansässigen Kaufleuten. Allerdings wurde in Bremen das Prinzip der Gewaltenteilung nicht durch­ geführt, sodass das Gericht vom Senat abhängig war. Die zwei Rechtsgelehr­ ten, von denen je einer den Vorsitz führte, waren Mitglieder des Senats, von dem sie auch ernannt wurden, vgl. §§ 1, 2 BHGO. Die Kaufleute hatten hierauf auch keinerlei Einfluss. Insbesondere fehlt eine dem Art. 3 HHGO vergleichbare Regelung, nach der die Kaufmannschaft dem Senat diesbezüg­ lich einen Vorschlag unterbreiten konnte. Ein weiterer Unterschied zur HHGO war, dass man sich gemäß § 1 BHGO ausdrücklich dafür entschied, vier Ersatzrichter einzusetzen. An dieser Stelle zeigt sich, dass sich der Gesetzgeber auch mit den französischen Vorschriften zu den Handelsgerichten auseinandergesetzt haben muss. So war die Stellung von Ersatzrichtern keine besondere Neuerung des Bremer Handelsgerichts. Vielmehr entsprechen sie den „suppléans“ bei den französischen Handelsge­ 349  Hiemsch.,

S.  99 ff.

350  Handelsgerichts-Ordnung

der freien Hansestadt Bremen. Im Folgenden BHGO. Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 156 ff., der keinerlei Parallelen aufzeigt bzw. Rückschlüsse zieht. 352  Siehe S. 114 ff., 137. 351  Genauso



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit153

richten353, die die kaufmännischen Richter bei Verhinderung vertreten sollten. Man wählte für die Stelle nicht die französische Bezeichnung („suppléant“), die die deutsche Übersetzung von Daniels, die während der Besatzungszeit auch in Bremen gegolten hatte, verwendete. Vielmehr nannte der Gesetzge­ ber sie kaufmännische Stellvertreter. Das lag wohl daran, dass das allgemeine Handelsgericht kein Produkt der Bremer Gesetzesentwicklung war und man vielleicht nicht zu offensichtlich die französischen Begrifflichkeiten benutzen mochte354. Aus dem Code de commerce rezipierte man die Anforderungen an die kaufmännischen Richter. Wie gemäß Art. 620 Code de commerce mussten diese gemäß § 5 BHGO 30 Jahre alt sein und seit mindestens fünf Jahren in Bremen mit ihren Geschäften etabliert sein. Derartige Vorschriften tauchten erstmals im französischen Recht auf. Dem deutschen Recht zu diesem Zeit­ punkt waren sie fremd. Daher wurden sie übernommen, obwohl der Bericht der Deputation keinen Hinweis darauf gibt. Man nahm die Voraussetzung der fünfjährigen Tätigkeit im Handelsverkehr auf, die es in Art. 620 Code de commerce gab, nicht jedoch in der HHGO. Dafür verzichtete man auf das in Art. 620 Code de commerce niedergeschriebene Element, dass die wählbaren Kaufleute einen guten Ruf haben mussten, was in Art. 3 HHGO aufgenom­ men worden war. Wie in Hamburg entschied man sich also, das Mindestalter, dann aber nur eine der weiteren zwei Voraussetzungen, die der Code de commerce für die Handelsrichter aufstellte, zu übernehmen. Das „Ansehen“ der wählbaren Kaufleute war zum einen ein sehr unpräzises Kriterium. Des Weiteren war es auch ohne Mehrwert, da ohnehin zu erwarten war, dass die Kaufleute nur Berufsgenossen mit einem guten Ruf zu ihren Richtern wähl­ ten. Bei den Vorschriften zum Aufbau des Gerichts und den Anforderungen an die kaufmännischen Richter wird bereits deutlich, dass die Gesetzgeber Teile des französischen und hamburgischen Rechts übernommen hatten, obwohl der Bericht der Kommission hierzu keine Angaben macht. (2) Bestimmung/Wahl der Richter Die Wahl der kaufmännischen Richter inklusive deren Stellvertreter oblag der Kaufmannschaft, wobei die Vorschläge vom Senat bestätigt wurden, vgl. § 3 BHGO355. Die Personengruppe, die aus den eigenen Kreisen die Richter bestimmte, wurde nicht vom Staat vorgegeben. 353  Vgl.

Art. 617, 626 Code de commerce. dazu die kritischen Stimmen in Hamburg, S. 145. 355  Zur genauen Zusammensetzung des Wahlkollegiums und den Mindestanforde­ rungen siehe § 4 BHGO. 354  Vgl.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Das Wahlprozedere selbst entsprach teilweise dem Code de commerce und teilweise der HHGO356. Man entschied sich gegen das Verfahren in Ham­ burg, nach dem ab der erstmaligen Installation die Vorschläge vom Gericht selbst ausgingen. Vielmehr waren, wie im französischen Recht, die späteren Wahlen eine Angelegenheit des Kaufmannsstandes und nicht des Gerichts. Von den sieben ordentlichen Richtern schied jährlich die Person aus, die be­ reits am längsten bei Gericht tätig war, die dann wiederum durch Wahlen ersetzt wurde, vgl. § 11 BHGO357. Diese Rotation war ein Produkt des Code de commerce, das auch in der HHGO Berücksichtigung gefunden hatte358. Die gewählten Kaufleute mussten die Richterstellen annehmen, wenn sie gewählt wurden, vgl. § 8 BHGO und Art. 4 HHGO. Nach beiden Vorschrif­ ten konnte das Amt nur ausgeschlagen werden, wenn der betroffene Kauf­ mann bereits zuvor als Richter beim Handelsgericht tätig war. § 8 BHGO schaffte darüber hinaus noch die Möglichkeit, die Tätigkeit zu verweigern, sofern die Person über 60 Jahre alt war. Dabei handelt es sich um ein Bei­ spiel der deutschen Rechtsentwicklung. Es ist eine der wenigen Vorschriften, die bei Schaffung der HHGO neu aufgenommen wurden und nicht dem französischen Recht entstammten. (3) Beschlussfähigkeit Gemäß § 29 BHGO war es grundsätzlich ausreichend, dass ein Vorsitzen­ der und zwei kaufmännische Richter anwesend waren, um ein rechtskräftiges Urteil zu erlassen. Diese Mindestbesetzung, die heute bei den Kammern für Handelssachen existiert und erstmals bei den norddeutschen Handelsgerich­ ten zur Zeit der Besatzung aufkam, etablierte sich. Ferner wird deutlich, dass die Kaufleute die studierten Juristen überwiegen sollten. Es bestand die Möglichkeit, das Gericht bei starker Auslastung in zwei Kammern aufzutei­ len, die dann jeweils wirksam verhandeln konnten359. Auch diese Vorschrift war keine Neuerung, sondern lediglich aus der HHGO übernommen wor­ den360. Die Regeln der BHGO zur Besetzung waren eine Mischung aus französi­ schem und hamburgischen Recht. Es überwogen die Vorschriften des Code de commerce, die auch in der HHGO aufgenommen worden waren. Gerade bei den Anforderungen an die kaufmännischen Mitglieder zeigt sich der Ein­ 356  Siehe § 6 der BHGO und Art. 621 Code de commerce, wobei die bremische Regelung konkreter war. 357  Bei den stellvertretenden Richtern alle zwei Jahre, vgl. § BHGO. 358  Siehe S. 140 f. 359  Hiemsch, S. 100. 360  Vgl. S. 137.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit155

fluss des französischen Rechts unmittelbar, da der Code de commerce teil­ weise wörtlich rezipiert wurde. Darüber hinaus wurden Abweichungen der HHGO übernommen. Die BHGO enthielt aber kaum Regelungen, die vom Bremischen Gesetzgeber stammten. Wie in Hamburg ist erkennbar, dass bei der Wahl der kaufmännischen Mitglieder auf die örtlichen Verhältnisse Rück­ sicht genommen wurde und das Konzept der Notablen nicht überzeugte. bb) Zuständigkeit Bei den Vorschriften zur Zuständigkeit (§§ 16 ff. BHGO) orientierte man sich an den entsprechenden Normen der HHGO361, die größtenteils die Be­ stimmungen der Code de commerce enthielten362. § 16 Abs. 1 BHGO: „Das Handelsgericht bildet in Ansehung aller Handelssachen für das Bremische Staatsgebiet die zuständige Behörde […].“ § 17 BHGO: „Als Handelssachen sind alle Civilstreitigkeiten anzusehen, welche in Handelsverhältnissen ihre Grund haben, oder darauf unmittelbar sich beziehen, die Parteien mögen dem Handelsstande angehören oder nicht.“

§ 17 entsprach nahezu wortgenau Art. 9 HHGO bzw. Art. 631 Alt. 2 Code de commerce. Wie in Art. 9 HHGO wurde auf Art. 631 Alt. 1 Code de com­ merce verzichtet, der die Zuständigkeit der Handelsgerichte nach rein perso­ nellen Kriterien ermöglichte. Eine Begründung findet sich im Bericht der gesetzgebenden Deputation nicht. § 17 knüpfte die Zuständigkeit damit nur an sachliche Kriterien. Die einzige Abweichung war, dass HHGO und Code de commerce den Überbegriff der Handelssachen nicht kannten und den Begriff „Handels­ geschäft“363 statt „Handelsverhältnis“ verwendeten. § 18 BHGO zählte ein­ zelne Geschäfte auf, die Handelsverhältnisse waren: „Namentlich sind dahin zu rechnen: a) Ankäufe von rohen oder verarbeiteten Stoffen, um sie, so wie sie sind, oder in veränderter Beschaffenheit wieder zu verkaufen; b)  Unternehmungen von Fabriken oder Manufacturen, Commissions-, Speditionsund Frachtgeschäfte, wie auch Wechsel-, Bankier und Mäklergeschäfte; c)  Klagen aus Wechselbriefen und Assignationen, sowie kaufmännische Geldüber­ machungen;

361  So auch Hiemsch, S. 99 f. Im Bericht der Deputation, die Errichtung eines Han­ delsgerichts betreffend, wird auf S. 99 ganz offen angesprochen, dass die HHGO he­ rangezogen worden war. 362  Vgl. S. 142 ff. 363  Siehe S. 96 ff.; S.  142 ff.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

d)  Societätsverträge in Bezug auf Handelsgeschäfte, Streitigkeiten zwischen Kauf­ leuten, Detailhändlern, Bankiers oder Mäklern einerseits und ihren Geschäftsvor­ stehern, Buchhaltern, Commis, Lehrburschen oder sonstigen in ähnlichen Verhält­ nissen zu ihnen stehenden Personen andrerseits, wogegen solche Streitigkeiten, welche zwischen Fabrikanten oder Handwerkern und ihrem Arbeitspersonal über dessen Dienstverhältnisse vorfallen, nicht dahin gehören; e)  Versicherungen von Schiffen oder Waaren gegen Feuersgefahr; f) alle die Handelsschifffahrt betreffende Verträge, namentlich Unternehmungen eines Schiffsbaues oder einer Schiffsreparatur, Käufe von Schiffen, von Takelwerk, Geräthen oder Proviant für ein Schiff, Rhedereien, Verträge zwischen Schiffer und Schiffsvolk und zwischen diesen und dem Rheder, Passagierverträge, Bodmereiver­ träge, Schiff-, Bodmerei-, Fracht- und Waaren-Versicherungen gegen Gefahren auf Flüssen oder zu See, ferner auch Streitigkeiten wegen Lootsgelder, so wie wegen Havariefälle und Beschädigung eines Schiffs durch An- oder Uebersegelung oder durch ähnliche Unfälle.“

Die Ordnungen unterschieden sich an dieser Stelle lediglich in der Syste­ matik. So nannte die BHGO die Handelsverhältnisse komprimiert in einer Vorschrift, sogar diejenigen, die die Schiffsfahrt betrafen. In HHGO und Code de commerce hingegen wurde das auf mehrere Vorschriften verteilt364. Es wird jedoch deutlich, dass die französischen Vorschriften über die HHGO auch noch die BHGO beeinflussten. So stimmen die Absätze über große Teile inhaltlich und sprachlich überein. Im Rahmen des Gesetzgebungs­ verfahrens wurde die Aufzählung von der gesetzgebenden Deputation ganz bewusst an die hamburgischen Regeln angelehnt365. Dass die Aufzählung der HHGO aber derjenigen des Code de commerce entsprach, offenbart der Be­ richt der gesetzgebenden Kommission nicht. Wie in der HHGO (Art. 10) stellte § 19 BHGO die Vermutung auf, dass Verbindlichkeiten, bei denen beide Parteien Kaufleute waren, im Zweifel Handelsgeschäfte bzw. Handels­ verhältnisse waren. Es gab in der BHGO keine spezielle Vorschrift, die gewisse Streitigkeiten an die Handelsgerichte verwies, ohne dass es sich dabei um Handelsgeschäfte bzw. Handelsverhältnisse handelte, beispielsweise Klagen gegen eigene Mit­ arbeiter366. Die BHGO verzichtete auf solche spezielle Zuständigkeitsvor­ schriften neben der Grundnorm, indem sie diese Geschäfte als Handelsver­ hältnisse anerkannte, vgl. dazu § 18 lit. d BHGO mit Art. 13 HHGO bzw. Art. 624 Code de commerce367. Der Begriff des Handelsverhältnisses der BHGO war weiter gefasst als der des Handelsgeschäfts in HHGO und Code de commerce. Er umfasste neben Handelsgeschäften solche Verbindungen, 364  Vgl.

dazu S. 97 ff.; S.  142 ff. der Deputation, die Errichtung eines Handelsgerichts betreffend, S. 99. 366  Vgl. dazu S. 97 ff.; S.  142 ff. 367  Vgl. dazu S. 97 ff.; S.  142 ff. 365  Bericht



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit157

die einfach nur dem Handelsverkehr entsprangen und deshalb vor den Han­ delsgerichten geklärt werden sollten. Die Zuständigkeitsvorschriften der BHGO basierten also, wie auch die der HHGO, auf dem französischen Recht. Es sind lediglich kleinere Abweichun­ gen erkennbar. cc) Verfahren Bezüglich des Verfahrens wandte man sich systematisch von der HHGO, in der alle Verfahrensvorschriften abschließend speziell für das Handelsge­ richt festgelegt waren, ab, indem § 26 BHGO auf die allgemeine Gerichts­ ordnung von 1820 (Gerichtsordnung der freien Hansestadt Bremen) ver­ wies368. Der Zivilprozess war vom französischen Recht beeinflusst369. Es wurden gemäß § 26 BHGO die Vorschriften der Bremischen Gerichtsordnung von 1820 auf das Handelsgericht angewendet, die für das unterste Zivilge­ richt (sogenanntes Untergericht) galten, soweit die BHGO keine spezielleren Vorschriften enthielt. Die speziellen Vorschriften zum Verfahren in Handelssachen normierten die §§ 25 bis 63 BHGO. Hinsichtlich der Systematik zeigt sich eine Parallele zur französischen Handelsgerichtsbarkeit. Auch bei den französischen Han­ delsgerichten galten Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (Code de com­ merce) und des Zivilprozessbuchs (Code de procédure civile) gemeinsam und es gab keine abgeschlossene Ordnung. Dennoch unterschied sich die Systematik darin, dass in Frankreich die besonderen Verfahrensvorschriften, die vom ordentlichen Prozess abwichen, in einer eigenen Abteilung im Zivil­ prozessbuch (Code de procédure civile) standen. In Bremen hingegen waren die speziellen Vorschriften ein eigenes Kapitel in der BHGO, was darauf zurückzuführen ist, dass diese erst nach der allgemeinen Gerichtsordnung erlassen wurde. Das Verfahren des Handelsgerichts basierte damit auf dem allgemeinen Zivilprozessrecht. Es variierte aber in einigen Punkten, um den Handelspro­ zess zügiger zu machen. Die Beschleunigung der Verhandlung und auch der Entscheidung wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens als Haupt­ zweck des Gerichts angegeben370. Es stellt sich nun die Frage, ob nach den Vorschriften der BHGO in gleicher Weise vom ordentlichen Zivilprozess 368  Die Gerichtsordnung für die freie Hansestadt Bremen von 1820 war die ver­ besserte Version der Gerichtsordnung von 1814, die unmittelbar nach Ende der Besat­ zungszeit erlassen wurde, vgl. Hiemsch, S. 89. 369  Vgl. Kähler, S. 305. 370  Bericht der Deputation die Errichtung eines Handelsgerichts betreffend, S. 93.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

abgewichen wurde wie nach Code de procédure civile/Code de commerce. Damit einhergehend ist zu klären, ob Parallelen zur HHGO bestehen. Das Verfahren war mündlich, vgl. § 34 BHGO371. Allerdings konnte ge­ mäß dieser Vorschrift ausnahmsweise vom Gericht ein schriftliches Verfahren angeordnet werden, vgl. dazu auch Art. 19 HHGO. Der Bericht der gesetzge­ benden Deputation sprach die Probleme des mündlichen Verfahrens an, die bereits in Hamburg erhoben wurden, wie etwa die Gefahr, dass möglicher­ weise die Streitsachen nichts gründlich genug untersucht werden könnten372. Sie kennt jedoch an, dass das mündliche Verfahren die Grundlage für die Berechtigung eines Sondergerichts in Handelssachen war. Außerdem wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zur Zeit der französischen Besatzung und auch in Hamburg damit gute Erfahrungen gemacht worden waren. Es finden sich aber auch Punkte, die in der BHGO nicht besonders gere­ gelt wurden, beispielsweise bei der Vorladung. Gleiches galt für die Säumnis einer Partei. So gab es diesbezüglich keine Vorschriften zur Fristverkürzung, die vom normalen Zivilprozess abwichen373. In Bezug auf die Beweiserhe­ bung enthielt die BHGO selbständige Vorschriften, vgl. §§ 41 ff. Ein unmit­ telbarer Einfluss des französischen oder hamburgischen Rechts ist nicht er­ kennbar. Auch anhand der Vertretung lässt sich beispielhaft zeigen, dass sich die Verfahrensgrundsätze voneinander unterschieden. So war die Vertretung durch sogenannte Sachführer zugelassen (§ 32 BHGO). Die Tätigkeit als Sachführer war nur möglich, wenn eine Person Rechtskenntnisse hatte, wo­ für ein dreijähriges Studium der Rechtswissenschaften nachgewiesen werden musste, vgl. §§ 55, 56 der Gerichtsordnung von 1820. Eine Vertretung durch einen Rechtsbeistand war somit beim Handelsgericht erlaubt, aber nicht zwingend. Nach den französischen und hamburgischen Vorschriften war dies grundsätzlich ausgeschlossen374. Eine Begründung für diese Abweichung ist dem Bericht der Kommission nicht zu entnehmen. Gemeinsamkeiten mit der HHGO und dem französischen Recht, aber auch mit den untersuchten Gerichtsordnungen des 18. Jahrhunderts, zeigen sich hingegen bei den besonderen Vorschriften der BHGO zum Einlegen von Rechtsbehelfen, vgl. §§ 55 ff. BHGO. Gerade die Appellation wurde ebenso 371  Auch vor dem untersten Zivilgericht konnte seit der Gerichtsordnung für die freie Hansestadt Bremen von 1820 mündlich verfahren werden (§§ 66 ff.); jedoch war dort das schriftliche Verfahren die Regel, vgl. Hiemsch, S. 101. 372  Hierzu und zum Folgenden: Bericht der Deputation, die Errichtung eines Han­ delsgerichts betreffend, S. 101. 373  Zu den verkürzten Fristen in HHGO und Code de procédure civile siehe S. 145. 374  Siehe S. 146.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit159

in zeitlicher Hinsicht und der Streitwerthöhe eingeschränkt, vgl. § 57 BHGO375. So musste sie gemäß § 57 BHGO innerhalb von acht Tagen ange­ zeigt werden376 und war auch erst ab einer gewissen Streitsumme zulässig377. dd) Resümee und weitere Entwicklung In der BHGO sind wesentliche Grundsätze des französischen Rechts er­ kennbar. Man entschied sich zwar gegen die rein kaufmännische Besetzung des Gerichts. Dennoch basierte die BHGO auf der französischen Handelsge­ richtsbarkeit. Hinsichtlich der Besetzung orientierte sich der Gesetzgeber an den Regelungen, die für Bremen während der Besatzungszeit gegolten hatten. Als Beispiele können die Position der Ersatzrichter, das Rotationsprinzip und die Anforderungen an die Kaufleute genannt werden. Allerdings wurde, wie in der HHGO, gerade bei der Wahl der kaufmännischen Richter auf die ört­ lichen Verhältnisse Rücksicht genommen, weshalb an diesen Stellen vom französischen Recht abgewichen wurde. Außerdem nahm man bei den Vor­ schriften zur Zuständigkeit des Gerichts Punkte der HHGO auf, die wiede­ rum die Normen des Code de commerce häufig wortgenau übernommen hatte. Da einige Parallelen ganz offensichtlich sind, überrascht es, dass in dem Bericht der gesetzgebenden Deputation, der teilweise Motive zum Ge­ setzesentwurf enthält, nur an einzelnen Stellen die Übernahme der hamburgi­ schen Regeln bestätigt und eine Übernahme des französischen Rechts gänz­ lich geleugnet wird. Die speziellen Verfahrensvorschriften der BHGO hingegen weisen weni­ ger Einfluss der HHGO oder der französischen Vorschriften auf. Vielmehr wurde das Verfahren vor dem Bremischen Handelsgericht in das bereits be­ stehende bremische System eingebaut, das allerdings französisch beeinflusst war. Von der Systematik erinnert das an das Zusammenspiel der Normen aus Code de commerce und Code de procédure civile für die französischen Han­ delsgerichte. Inhaltlich lassen die Vorschriften der BHGO, bis auf den Grundsatz der Schnelligkeit des Verfahrens, aber keine wesentlichen Paralle­ len erkennen, die einen unmittelbaren Einfluss des französischen Rechts be­ legen könnten.

375  Vergleiche

dazu die Ergebnisse auf S. 148. innerhalb von 14 Tagen bei den Appellationen im Zivilprozess, vgl. § 507 der Gerichtsordnung für die freie Hansestadt Bremen von 1820. 377  Ab 300 Reichsthaler. Für allgemeine Zivilstreitigkeiten war das Obergericht bei solchen Streitwerten als erste Instanz tätig, vgl. § 8 der Gerichtsordnung für die freie Hansestadt Bremen von 1820. 376  Statt

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Es wurde bereits kurz nach Einsetzung des Handelsgerichts im Zuge der Revolution von 1848 ganz allgemein die Gerichtsverfassung erneuert378. Reformen der Verfassung von 1849379 waren vor allem die Trennung der Justiz von der Verwaltung380 und die Einführung des Berufsrichtertums381. Damit wurde dem Senat die Macht genommen, durch seine Mitglieder recht­ sprechend tätig zu werden und dessen Befugnisse dementsprechend auf die Staatsverwaltung beschränkt382. Für das Handelsgericht bedeutete das kon­ kret, dass die Vorsitzenden keine Senatsmitglieder mehr waren. Es wurde ein Richterkollegium für alle bremischen Gerichte eingesetzt, das aus 12 Mit­ gliedern bestand, die jeweils das Richteramt gegen Bezahlung auf Lebenszeit ausführten, ohne eine Nebenbeschäftigung ausüben zu dürfen383. Die Richter mussten die bremische Staatsbürgerschaft besitzen, mindestens 30 Jahre alt sowie studierte Juristen sein und für wenigstens drei Jahre in Bremen als Juristen praktiziert haben384. Zwei Personen des Richterkollegiums wurden zu den beiden Vorsitzenden des Handelsgerichts bestimmt385. Die restlichen Vorschriften für das Handelsgericht änderten sich nicht. Vergleicht man nun die Gesetzeslage mit derjenigen im ausgehenden 18. Jahrhundert, ergibt sich ganz offensichtlich, dass in Bremen erstmals ein dauerhafter Spruchkörper für Handelssachen entstanden war386. Es können keine Gemeinsamkeiten mit dem Seegericht, das für eine kurze Zeit bestand, festgestellt werden. Das Handelsgericht spiegelt auch nicht wider, dass der Handel in Bremen von der Seefahrt geprägt war. Den Anstoß für die Errich­ tung eines allgemeinen Handelsgerichts gab die Erfahrung, die während der Besatzungszeit gemacht worden war und das Hamburgische Handelsge­ richt387. Das Bremer Gericht war im Grunde in vielen Punkten lediglich eine modifizierte Fortführung des französischen sowie des hamburgischen Han­ delsgerichts.

Hiemsch, S.  105 ff. des Bremischen Staats vom 21. März 1849, abgedruckt in: Gesetz­ blatt der freien Hansestadt Bremen 1849, S. 38 ff. 380  Art. 4, 71 ff. der Verfassung des Bremischen Staats vom 21. März 1849. 381  Art. 75 ff. der Verfassung des Bremischen Staats vom 21. März 1849. 382  Hiemsch, S. 107. 383  Art. 77, 79, 80 der Verfassung des Bremischen Staats vom 21. März 1849. 384  Art. 76 (§ 134) der Verfassung des Bremischen Staats vom 21. März 1849. 385  Hiemsch, S.  111 f. 386  S. 76 ff. 387  Siehe dazu den Bericht der Deputation, die Errichtung eines Handelsgerichts betreffend, S. 101. 378  Vgl.

379  Verfassung



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit161

d) Braunschweig Auch in Braunschweig wurde noch vor Einführung des ADHGBs ein all­ gemeines Handelsgericht gegründet. Die westfälische Gesetzgebung388 wurde nach dem Rückzug Frankreichs sofort wieder außer Kraft gesetzt und die davor geltende Rechtslage wiederhergestellt389. Bis zur Mitte des 19. Jahr­ hundert bestand das Kaufgericht, das als Messegericht gegründet worden war und sich auch später nicht zu einem allgemeinen, permanenten Handelsge­ richt entwickelt hatte390. Das Konzept des reinen Messegerichts hatte einige Schwächen, was sich beispielsweise bei der Besetzung mit fremden Kaufleu­ ten zeigte, die in der Praxis schwer umzusetzen war391. Die Braunschweiger Handelsgerichtsbarkeit änderte sich im Jahre 1850 durch die Gründung eines allgemeinen Handelsgerichts392. Dieses ist für die vorliegende Untersuchung interessant, da bisher lediglich kurze, überblicks­ artige Darstellungen der Vorschriften bestehen393. Es fehlt jedoch ein Ver­ gleich mit dem französischen Recht und der HHGO und der BHGO. Es existiert ein Bericht der Justizkommission, die den Gesetzesentwurf erarbei­ tet hat, an die Landes-Abgeordnetenversammlung, die das Gesetz verab­ schiedete394. Darin werden die Motive zu den wichtigsten Vorschriften der Ordnung genannt. Der Bericht enthält nur an einer Stelle, nämlich der Auf­ zählung, welche Sachen als Handelsverhältnisse betrachtet wurden, einen kurzen Hinweis auf entsprechende Gesetze anderer Staaten395: „Sie sind möglichst speciell zusammengestellt, um alle Fälle zu umfassen und ent­ sprechen im wesentlichen ähnlichen Bestimmungen der Handelsgerichts-Ordnungen anderer Staaten.“

Es stellt sich nun die Frage, ob tatsächlich nur an dieser Stelle auf die ­älteren Handelsgerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts eingegangen worden 388  Vgl.

S. 119. ZRG GA 94 (1977), 140 ff. 390  Siehe S. 37. Beendet wurde die Einrichtung am 30. April 1852, vgl. Wiesner, Braunschweiger Geschichtsverein 1992, 76. 391  Hierzu ausführlich ebd., 69 f. 392  Das Gesetz vom 28. Dezember 1850, die Errichtung eines Handelsgerichts betreffend, ist abgedruckt bei: Gesetz- und Verordnungs-Sammlung für die herzoglich Braunschweigischen Lande 38. Jahrgang 1851, S. 7 ff. Im Folgenden: Gesetz von 1850. 393  Etwa bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 125 ff. und auch bei Wiesner, Braunschweiger Geschichtsverein 1992, 81 ff. 394  Commissions-Bericht über den Gesetz-Entwurf, die Errichtung eines Handels­ gerichts betreffend, abgedruckt als Anlage 2 zum Protokoll Nr. 151 bei Verhandlun­ gen der Landes-Abgeordneten-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, S. 6. 395  Ebd., S. 6. 389  Schubert,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

ist. In diesem Kontext ist zu untersuchen, ob das Handelsgericht lediglich eine modifizierte Fortführung des Kaufgerichts war oder ob es auch auf dem französischen Recht basierte. Braunschweig war zur Besatzungszeit kein Departement, sondern lediglich Teil des französischen Modellstaates König­ reich Westfalen, weshalb man dort die Grundsätze der französischen Revolu­ tion kennengelernt hatte396. Allerdings war das französische Recht nicht (wie in Hamburg und Bremen) über weite Strecken nahezu unverändert eingeführt worden. Bezüglich der Organisation und Verfassung des Gerichts zeigen die For­ mulierung in der Einleitung und § 1 des Gesetzes von 1850, dass rein formal nicht das Kaufgericht erweitert, sondern ein neues Gericht geschaffen wurde. Das Kaufgericht wird an keiner weiteren Stelle erwähnt. Es kann also davon ausgegangen werden, dass man grundsätzlich mit dem Handelsgericht einen vom Kaufgericht unabhängigen Spruchkörper schaffen wollte. aa) Besetzung (1) Gemischte Besetzung Das Handelsgericht bestand aus fünf Mitgliedern. Zwei davon waren rechtsgelehrte Richter des Kreisgerichts Braunschweig und die restlichen drei „kaufmännische Sachverständige“, vgl. § 2 des Gesetzes von 1850. Da­ neben gab es noch kaufmännische Stellvertreter, die man in Verhinderungs­ fällen hinzuzog (§ 6). Wie auch in § 1 BHGO verzichtete man in § 6 des Gesetzes von 1850 auf die französische Bezeichnung „suppléant“, obwohl das Amt des kaufmännischen Ersatzrichters erstmals im Code de commerce aufgetaucht war. Der Gesetzgeber übernahm die gemischte Besetzung von HHGO und BHGO. Die rein kaufmännische Besetzung, die das französische Recht vor­ schreibt, fand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den deutschen Staaten und Städten keinen Anklang. Allerdings waren die Anforderungen an die Beschlussfähigkeit in Braunschweig anders als in der HHGO und der BHGO. So konnte das Gericht lediglich ein wirksames Urteil fällen, wenn alle fünf Richter anwesend waren, vgl. §§ 2, 38 des Gesetzes von 1850. Warum nicht wie in Hamburg und Bremen drei Richter ausreichten, darüber finden sich im Kommissionsbericht über den Gesetzesentwurf keine Mo­ tive.

396  Siehe

hierzu S. 119.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit163

(2) Bestimmung/Wahl der Richter Der Staat bestimmte die rechtsgelehrten Mitglieder, vgl. § 4 des Gesetzes von 1850 bzw. § 2 BHGO, die vom Wortlaut her nahezu identisch waren397. Das Gericht war von den anderen Gewalten, nicht jedoch von den Zivil­ gerichten, losgelöst, da die Richter dem Kreisgericht entnommen wurden. Allerdings wurden die rechtsgelehrten Richter nur für drei Jahre vom Kreis­ gericht an das Handelsgericht berufen, vgl. § 4 des Gesetzes von 1850. Die ortsansässige Kaufmannschaft wählte die kaufmännischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter, wobei die Wahl dann von der Regierung bestätigt wurde, vgl. dazu § 6 des Gesetzes. Hinsichtlich der Wahlberechtigung und der Wählbarkeit berücksichtigte der Gesetzgeber, wie auch in Hamburg und Bremen, die ortsbezogenen Besonderheiten. In Braunschweig gab es mit dem Kaufmannsverein ein Vertretungsorgan für den örtlichen Kaufmannsstand, dessen Mitglieder unter anderem zum wahlberechtigten Personenkreis gehör­ ten, vgl. § 7 des Gesetzes398. Man entschied sich wieder gegen das Konstrukt der Notablen. Die Kaufleute hatten demnach in Braunschweig mehr Einfluss auf die Wahl der kaufmännischen Mitglieder des Gerichts als in Frankreich. Mit dem Wahlrecht beim ehemaligen Kaufgericht hatte das Gesetz von 1850 keine Parallelen. Insbesondere wurden beim Kaufgericht nur die fremden, nicht jedoch die einheimischen Kaufleute gewählt399. Bei der Wählbarkeit war, wie in den französischen, hamburgischen und bre­ mischen Vorschriften, vorausgesetzt, dass die Kaufleute mindestens 30 Jahre alt waren, vgl. § 8 des Gesetzes400. Der Gesetzgeber in Braunschweig verzich­ tete jedoch auf die Voraussetzung, dass die zu wählenden Kaufleute seit fünf Jahren in der Stadt ein Handelsgeschäft betreiben mussten, vgl. § 4 BHGO und Art. 620 Code de commerce. Außerdem mussten die Kaufleute nicht aus­ drücklich in gutem Ruf stehen bzw. im Handelsstand als besonders ehrenhaft gelten, vgl. Art. 620 Code de commerce bzw. Art. 3 HHGO. In Braunschweig stellte man gemäß § 8 des Gesetzes von 1850 vielmehr darauf ab, dass die potentiellen Richter Kaufleute waren, deren Handelsgeschäfte eine gewisse Größe bzw. einen bestimmten Umfang hatten. Es wurden im Rahmen der Besetzung weitere, neue Regelungen geschaf­ fen, die den drei zuvor untersuchten Ordnungen des 19. Jahrhunderts fremd waren. So waren die Voraussetzungen für die Wahlberechtigung geringer als 397  In Bremen erfolgte die Bestimmung durch den Senat, in Braunschweig durch das Staatsministerium. 398  Eine genaue Auflistung, welche Kaufleute wahlberechtigt waren, ist in § 7 des Gesetzes zu finden. 399  Siehe S. 33. 400  Zur Wahlfähigkeit siehe die Voraussetzungen in § 8 des Gesetzes.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

die der Wahlfähigkeit401. Es reichte aus, dass die Wähler 25 Jahre alt waren, vgl. § 7. Derartige Abweichungen von den verglichenen Ordnungen waren jedoch die Ausnahme. Die Vielzahl der Vorschriften zur Besetzung belegen, dass über große Strecken die Regeln den zwei hanseatischen Gesetzbüchern ent­ nommen und der Gedanke der jeweiligen Vorschrift durch Modifikationen fortgeführt worden war. Ein Beispiel hierfür war die Pflicht, die Wahl anzu­ nehmen. Diese Regelung wurde von Ordnung zu Ordnung präziser und aus­ gereifter: Art. 4 HHGO: „[…] ist jeder erwählte Richter das Amt […] anzunehmen, und un­ entgeldlich zu verwalten schuldig.“ § 8 BHGO: „Der zum kaufmännischen Theilnehmer Erwählte ist nach erfolgter Bestätigung der Wahl durch den Senat zur Annahme derselben verpflichtet, sofern er nicht bereits das sechszigste Jahr seines Alters vollendet hat oder schon einmal ordentliches Mitglied des Handelsgerichts gewesen ist.“ § 13 des Gesetzes von 1850: „Die auf obige Weise Gewählten sind zur Annahme des ihnen übertragenen Amtes verpflichtet. Nur diejenigen, welche bereits das 60ste Lebensjahr vollendet haben, oder wegen körperlicher Gebrechen unfähig sind, sind für immer, und diejenigen, welche bereits ordentliche Mitglieder des Handelsgerichts gewesen sind, für das nächste Jahr nach ihrem Ausscheiden aus demselben, zur Ablehnung der Wahl berechtigt.“

Vereinzelt zeigen sich noch unmittelbare Einflüsse des französischen Rechts. So hielt man, wenn auch die Amtszeit verlängert wurde, an dem erstmals im Code de commerce aufgetretenen Rotationsprinzip fest, nach dem jährlich ein Teil der kaufmännischen Richter ausschied und durch Neu­ wahlen ersetzt wurde: Art. 622 Code de commerce: „Bey der ersten Wahl wird der Präsident und die eine Hälfte der Richter und Suppleanten […] für zwey Jahre; die andere Hälfte der Richter und Suppleanten für ein Jahr ernannt; bey den nachherigen Wahlen gesche­ hen alle Ernennungen auf zwey Jahre.“ § 9 des Gesetzes von 1850: „Die kaufmännischen Mitglieder und deren Stellvertre­ ter werden auf 3 Jahre gewählt, jedoch so, daß nach Ablauf eines Jahrs ein Mitglied und ein Stellvertreter austreten und durch Neuwahl ersetzt werden. Die Reihenfolge hinsichtlich des Austretens der wirklichen Mitglieder und der Stellvertreter wird das erste Mal durch Loos bestimmt.“

Selbst bei dieser offensichtlichen Übernahme (eine vergleichbare Regelung gab es am Ende des 18. Jahrhunderts in den deutschen Ordnungen nicht) gibt es sprachlich keine unmittelbaren Übereinstimmungen mehr. Auch der Kom­ missionsbericht äußert sich nicht zur Rezeption der Vorschriften aus dem

401  Vgl.

§ 7 mit § 8 des Gesetzes.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit165

Code de commerce. Inhaltlich ist aber noch der Gedanke des französischen Rechts ersichtlich. (3) Resümee Die Vorschriften §§ 1 bis 19 des Gesetzes zur Verfassung des Gerichts er­ innern inhaltlich und teilweise auch sprachlich an die §§1 bis 15 BHGO, die eine Weiterführung der Regeln der Code de commerce und der HHGO wa­ ren. Man passte allerdings an Stellen die Vorschriften der BHGO an die ört­ lichen Verhältnisse in Braunschweig an. Eine unmittelbare Übernahme des französischen Rechts ist nur an wenigen Stellen noch ansatzweise erkennbar. Im Gegensatz zur BHGO und HHGO waren in der Braunschweiger Ordnung kaum Normen auffindbar, deren Wortlaut mit dem Code de commerce iden­ tisch war. Auch wenn es nicht viele wörtliche Übereinstimmungen mit dem Code de commerce gab, zeigt das Gesetz einige Elemente, die den deutschen Ge­ richtsordnungen des 18. Jahrhunderts und damit insbesondere auch der Ord­ nung von 1686 für das Kaufgericht fremd waren und erstmals im Code de commerce auftauchten. Dazu gehören Punkte wie konkrete Anforderungen an die rechtsprechenden Kaufleute sowie zu ihrer Wahl, zur Beschlussfähig­ keit, zur Rotation und zum Ausschluss der Richter. Diese Vorschriften haben über HHGO und BHGO ihren Platz auch in der Braunschweiger Gerichts­ ordnung gefunden. Erst seit der Ausbreitung des französischen Rechts hatten sich deutsche Gesetzgeber mit diesen Punkten beschäftigt. Sie haben damit ihre Wurzeln im französischen Recht. Der Aufbau hatte mit demjenigen des Kaufgerichts keinerlei Übereinstim­ mungen402. Insbesondere waren die beteiligten Juristen nun Berufsrichter, wohingegen sie beim Kaufgericht Ratsmitglieder waren. Das neue Gericht hatte auch nur eine Instanz. Außerdem waren keine fremden Kaufleute als Richter beschäftigt. bb) Zuständigkeit Wie in der BHGO trug der 2. Abschnitt des Gesetzes, der die Zuständig­ keit regelte, den Titel „Wirkungskreis des Handelsgerichts“. § 20 des Gesetzes von 1850: „Das Handelsgericht bildet in allen Handelssachen für den Kreis Braunschweig die zuständige Behörde, insofern der Streitgegenstand ei­ nen Werth von mehr als 50 [Thalern] erreicht.“

402  Vgl.

zum Folgenden die Ausführungen auf S. 33 f.

166

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Der erste Halbsatz entsprach wörtlich dem ersten Halbsatz in § 16 BHGO. Dennoch übernahm man die Regeln der BHGO nicht vollkommen unverän­ dert. So war das Handelsgericht in Braunschweig erst ab einem gewissen Streitwert zuständig. Begründet wurde die Einschränkung der Zuständigkeit damit, dass nur Handelssachen von gewisser Bedeutung vor dem Handels­ gericht verhandelt werden sollten403. Diesbezüglich differenzierte § 21 des Gesetzes von 1850 nochmals: „Auf den Antrag des einen oder des anderen Theiles können auch Streitigkeiten in Handelssachen aus den übrigen Kreisen des Landes vor das Handelsgericht ge­ bracht werden, wenn der Streitgegenstand den Werth von 200 [Thalern] übersteigt.“

Es gab eine Unterscheidung, ob eine Klage aus der Stadt selbst oder aus einem anderen Kreis des Landes vor das Gericht gebracht wurde. Letzterer Fall war höheren Anforderungen ausgesetzt. Es handelte sich um eine Prob­ lematik, die in den Städten Hamburg und Bremen, bei denen es nur einen Gerichtsbezirk gab, nicht aufgetreten war. Die Differenzierung zwischen Streitigkeiten aus der Stadt selbst und Streitigkeiten aus anderen Teilen des Landes rechtfertigte man damit, dass so ermöglicht werden konnte, in bedeu­ tenden Sachen bei dem entfernteren Handelsgericht zu prozessieren, sofern eine Partei das wünschte404. In geringeren Streitsachen wäre das nicht zweckmäßig bzw. der anderen Partei nicht zumutbar405. Die Definition der Handelssache hingegen übernahm der Gesetzgeber wortgenau aus § 17 BHGO, der seinerseits auf dem Code de commerce bzw. der HHGO basierte406: § 23 des Gesetzes von 1850: „Als Handelssachen sind alle Civilstreitigkeiten anzu­ sehen, welche in Handelsverhältnissen ihren Grund haben oder sich unmittelbar darauf beziehen, die Parteien mögen dem Handelsstande angehören oder nicht.“

Die Zuständigkeit wurde nur durch das Vorliegen der sachlichen Voraus­ setzung des Handelsverhältnisses bestimmt. Begrifflich orientierte man sich an der BHGO und nicht am Code de commerce oder der HHGO, die von Handelsgeschäften sprachen407. Auch hier verzichtete man auf die Aufnahme von Art. 631 Alt. 1 Code de commerce, der die Zuständigkeit der Handelsge­ 403  Commissions-Bericht über den Gesetz-Entwurf, die Errichtung eines Handels­ gerichts betreffend, abgedruckt als Anlage 2 zum Protokoll Nr. 151 bei Verhandlun­ gen der Landes-Abgeordneten-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, S. 6. 404  Ebd., S. 6. 405  Ebd., S. 6. Sofern auch die zweite Partei in geringeren Streitsachen (50–200 Tha­ ler) am eigentlich örtlich unzuständigen Handelsgericht verfahren wollte, konnten die Parteien das im Einvernehmen beantragen. 406  Siehe das Ergebnis auf S. 155 f. 407  S. 155 f.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit167

richte nach rein personellen Kriterien, nämlich der Ausübung eines kaufmän­ nischen Berufs, ermöglichte408. Wie in § 18 BHGO, Art. 10 HHGO und Art. 632 Code de commerce folgte eine Aufzählung, für welche Geschäfte das Gericht sachlich zuständig war: § 24 des Gesetzes von 1850: „Zu den Handelssachen gehören unter andern: „1)  Ankäufe von rohen oder verarbeiteten Stoffen, welche gekauft sind, um sie, so wie sie sind oder in veränderter Beschaffenheit, wieder zu verkaufen; 2)  jede Unternehmung im Manufacturen-, Colonialwaaren- und Producten-Handel; 3)  Unternehmungen von Fabriken oder Manufacturen, Commissions-, Speditionsund Lieferungs-Geschäften; 4) Wechsel-, Bank- und Maklergeschäfte, sowie Wechsel-, Bank- und andere Agenturen; 5) Handels-Societätsverhältnisse und Ein- und Verkäufe, sowie Unternehmungen jeder Art in Actien und Staatspapieren; 6)  Versicherungen von Handelsgütern zu Wasser und Lande; 7)  Transportverhältnisse in Beziehung auf Frachten, Posten und Eisenbahnen und Ablieferung zwischen Versendern, Empfängern, Spediteuren, Bestätern, Güter­ schaffnern, Fuhrleuten, Post- und Eisenbahn-Anstalten; 8)  Klagen aus Tratten und Assignationen, sowie kaufmännische Geldübermachun­ gen, jedoch nur in den Sachen, für welche das Kreisgericht Braunschweig compe­ tent sein würde; 9) Streitigkeiten zwischen Kaufleuten, Detailhändlern, Banquiers oder Maklern einerseits und ihren Geschäftsvorstehern, Buchhaltern, Commis, Lehrlingen oder sonstigen in ähnlichen Verhältnissen zu ihnen stehenden Personen andererseits, in­ sofern dieselben aus Dienst- oder Geschäftsverhältnissen entstehen; 10) Streitigkeiten aus Messhandelsgeschäften und aus anderen kaufmännischen Geschäften, im letzteren Falle, wenn die Parteien in der Messe hier anwesend sind; 11) Streitigkeiten aus Verträgen, welche sich auf Schiffe, Schiffstransport, Han­ delsschifffahrt und Seegeschäfte beziehen.“

Der Katalog entsprach im Wesentlichen demjenigen der BHGO, der wie­ derum auf Grundlage des Code de commerce und HHGO geschaffen worden war409. Insofern ist dem eingangs vorgestellten Zitat aus dem Kommissions­ bericht über den Gesetzesentwurf zuzustimmen. Einige der Geschäfte des § 24 waren sogar wortwörtlich dem Pendent der bremischen Ordnung ent­ nommen worden, so etwa § 24 Nr. 1 des Gesetzes dem § 18 lit. a BHGO410. Teilweise wurden die Geschäfte bloß in einer anderen Reihenfolge angeord­ 408  Vgl.

409  Ebd.

dazu etwa S. 155.

410  Siehe

S. 155.

168

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

net, sodass beispielsweise § 24 Nr. 3, Nr. 4 Hs. 1 des Gesetzes von 1850 dem § 18 lit. b BHGO entsprach. Gleiches galt etwa für § 24 Nr. 5 Hs. 1, Nr. 9 des Gesetzes von 1850 und § 18 lit. d BHGO. Inhaltlich finden sich einige Elemente, die erstmals im Katalog des Code de commerce aufgenommen worden waren und über HHGO und BHGO auch in Braunschweig Berück­ sichtigung fanden411. Die Aufzählung in § 24 des Gesetzes zeigt aber auch, dass man sich auf die Fortschritte des Handels eingelassen hatte und deshalb die unter den Be­ griff des Handelsverhältnisses bzw. Handelsgeschäfts fallenden Punkte zeit­ gemäß anpasste. So waren beispielsweise in § 24 Nr. 7 des Gesetzes erstmals Streitigkeiten aufgeführt, die mit Eisenbahnanstalten entstanden. Ferner modifizierte man im Detail die Vorschriften auf die örtlichen Ver­ hältnisse, sodass etwa in Braunschweig die Nr. 11, die sich auf die Schifffahrt bzw. den Seehandel bezog, komprimierter war als in Hamburg und Bre­ men412. Eine ausführlichere Darstellung war wohl nicht nötig, da Braun­ schweig keine Seehandelsstadt war. In Abweichung zu HHGO und BHGO wurden hingegen Messestreitigkeiten (Nr. 10) in den Katalog aufgenommen. Das ist aber das einzige Element der Ordnung, bei dem noch erkennbar ist, dass der Handel der Stadt für viele Jahre von Messen dominiert war. Bei der Zuständigkeit ist also ein französischer Einfluss nachweisbar. Sys­ tematisch und auch inhaltlich basierte das Braunschweiger Gesetz in dieser Hinsicht auf dem französischen Recht. Allerdings hatte sich der Gesetzestext vom Code de commerce in der Version von Daniels schon deutlicher ent­ fernt, als das noch bei der HHGO oder teilweise der BHGO der Fall war. Inhaltlich sind dennoch Übereinstimmungen erkennbar. Identische Gesetzes­ passagen belegen, dass der Gesetzgeber sich überwiegend an der BHGO orientiert hatte. Dennoch führte er Vorschriften ein, die dem französischen Recht fremd waren. Beispielsweise die Entscheidung, die Zuständigkeit von einem gewissen Streitwert abhängig zu machen. Diese Regelung wird die Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert begleiten. Von den Zuständigkeitsvorschriften des ehemaligen Kaufgerichts hatte man sich getrennt. Es sind keine Parallelen erkennbar. So war das Handels­ gericht ein Spruchkörper für alle Handelssachen. Messestreitigkeiten waren damit nur ein Teilbereich der Zuständigkeit. Nur im Katalog der Handelsver­ hältnisse zeigt sich noch der Charakter der Messestadt.

411  Inhaltlich stimmten die Nr. 1, 3, 4 mit § 632 Nr. 1, 2, 4 Code de commerce überein. 412  § 18 lit. f BHGO und Art. 11 f. HHGO.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit169

cc) Verfahren Das Kapitel zum Verfahren leitete § 35 des Gesetzes folgendermaßen ein: „Das Handelsgericht hat nach den bestehenden Gesetzen, Rechten und rechtlichen Gewohnheiten zu entscheiden.“

Der 3. Abschnitt des Gesetzes begann wie der 3. Abschnitt der BHGO. Auch in Braunschweig wurde auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung verwiesen, die vom Handelsgericht anzuwenden waren (§ 37 des Gesetzes)413. Die §§ 38 ff. des Gesetzes stellten Sonderregeln für das Verfahren in Han­ delssachen auf. Eine vollumfassende Darstellung des Verfahrens, wie in den Art. 19 ff. HHGO, gab es in dem Gesetz von 1850 auch nicht. Das Verfahren beim Handelsgericht baute wie in Frankreich und Bremen auf dem Prozess der Zivilgerichte auf, anstatt ein vollkommen isoliertes Prozessrecht aufzu­ stellen. Für die vorliegende Untersuchung ist relevant, inwiefern die beson­ deren Vorschriften des Gesetzes vom Zivilprozess abwichen. Das Verfahren war auf Schnelligkeit ausgelegt (summarisch)414. Es wurde angeordnet, dass in Messhandelssachen das Verfahren nochmals schleuniger ablaufen sollte, vgl. § 37 Abs. 2 des Gesetzes. In diesen Fällen mussten die Termine spätestens 24 Stunden nach Eingang der Klage angesetzt werden. Diese Anweisung entsprach Art. 4 der Marktgerichtsbarkeit- und Wechsel­ ordnung von 1686415. Allerdings ist das die einzige Stelle, an der sich ein Element des Kaufgerichts zeigt. Insbesondere tagte das neue Gericht dauer­ haft und nicht bloß während der Messezeiten. Ansonsten ist auffällig, dass es nur sehr wenige Sondervorschriften für das Verfahren vor den Handelsgerichten gab416. So fehlen beispielsweise Ausfüh­ rungen zur Säumnis der Parteien, dem Beweis oder auch zu den Rechtsbe­ helfen, die im französischen Recht, der HHGO und teilweise auch in der BHGO noch gesondert geregelt wurden417. Eine weitere, ganz maßgebliche Abweichung vom französischen Recht war die anwaltliche Vertretung. Diese war gemäß § 39 des Gesetzes aus­ drücklich zugelassen. Im Code de commerce und der HHGO war sie nicht

413  Wie

in Bremen, siehe S. 157. verwies § 37 auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über das ab­ gekürzte Verfahren: 3. Teil Tit. 2 der Civilprozessordnung von 1850, abgedruckt bei: Die größeren Justizorganisationsgesetze für das Herzogthum Braunschweig, 1. Band, S.  113 ff. 415  Vgl. hierzu und zum Folgenden S. 35 f. 416  Lediglich die § 35 bis § 42 des Gesetzes von 1850. 417  Siehe S. 101 ff., 144 ff., 157 ff. 414  So

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

vorgesehen, in der BHGO allerdings bereits möglich418. Auch hier enthält der Kommissionsbericht keine Begründung. Damit ist festzuhalten, dass es insgesamt viel weniger besondere Verfah­ rensvorschriften gab als in den anderen drei Ordnungen. Das Verfahren war deutlicher dem Zivilprozessrecht angepasst. Eine Neuerung war das Handels­ register, das beim Handelsgericht geführt werden sollte, vgl. § 34 des Geset­ zes. In diesem wurden jegliche Informationen zu den ortsansässigen Han­ delsunternehmen, wie etwa die Gesellschaftsverträge oder Vollmachten, auf­ genommen419. dd) Resümee Vergleicht man das Gesetz von 1850 mit der Handelsgerichtsbarkeit in Braunschweig im 18. Jahrhundert, stellt sich heraus, dass das Kaufgericht vollständig aufgegeben worden war. Es wurde ein neues Gericht geschaffen, das nicht auf dem vormaligen Messegericht, sondern auf dem französischen Handelsgericht aufbaute. Gerade bei der Bestimmung zu den kaufmänni­ schen Richtern nahm man Punkte des Code de commerce auf, die im 18. Jahrhundert beim Kaufgericht noch keine Rolle gespielt hatten, wie etwa die Anforderungen an die Kaufleute oder das Rotationsprinzip. Die Vor­ schriften der Zuständigkeit waren nahezu identisch mit denen der BHGO, die ihrerseits wieder auf der HHGO und dem Code de commerce basierten. Die streitwertabhängige Zuständigkeit war die einzige nennenswerte Abweichung davon. Beim Verfahren setzte sich der Trend fort, der durch den Code de com­ merce/Code de procédure civile begründet wurde und lediglich in der HHGO unberücksichtigt blieb. Anders als bei den untersuchten deutschen Gerichts­ ordnungen des 18. Jahrhunderts, die eigenständige, umfassende Prozessvor­ schriften enthielten, war das Verfahren an den Prozess der Zivilgerichte an­ gelehnt und nur in wenigen Punkten zur Beschleunigung verändert worden. e) Resümee zu den norddeutschen Gerichten Die Entwicklung in Norddeutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­ derts zeigt die Bedeutung der französischen Handelsgerichtsbarkeit ganz deutlich. Durch die Ausbreitung des französischen Rechts während der Be­ 418  Siehe

S. 146. genauere Aufzählung in § 34 des Gesetzes. Es wird jedoch darin erklärt, dass die Einrichtung des Handelsregisters in einem eigenen Gesetz näher geregelt werden sollte. 419  Eine



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit171

satzungszeit veränderte sich die Gerichtslandschaft in Handelssachen. Im Zuge dessen verbreitete sich eine Form von Handelsgericht, dessen Wurzeln in Frankreich lagen. Beim Aufbau der selbständigen Gerichte fand lediglich die rein kaufmän­ nische Besetzung, die in Frankreich noch heute gilt, keine Berücksichtigung. Das liegt daran, dass man selbst während der Besatzungszeit in Bremen und Hamburg ein gemischt besetztes Gericht erhielt. Dennoch berücksichtigte man erstmals Grundsätze, die dem deutschen Recht des 18. Jahrhunderts fremd waren. So gab es beispielsweise Vorschriften zu den Anforderungen an die Richter, deren Wahl, zur Beschlussfähigkeit, zu Ergänzungsrichtern. All diese Punkte fehlten den Ordnungen der deutschen Einrichtungen zur Ent­ scheidung von Handelssachen bis dahin. Sie sind ein Produkt französischen Rechts. Gerade der Gedanke, die Wahl der kaufmännischen Richter dem Handelsstand selbst zu überlassen oder auch die Gewaltentrennung entstan­ den erst durch die Revolution, weshalb sie erstmals in das Gesetzgebungs­ werk Napoleons aufgenommen worden waren. Auch wenn einzelne Punkte in den deutschen Handelsgerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts von den Vorschriften des Code de commerce abwichen, beruhten sie im Grundsatz darauf. Noch deutlicher beeinflusste das französische Recht die Zuständigkeit der Handelsgerichte. Als einzige Ausnahme ist zu nennen, dass in den hanseati­ schen Städten die Zuständigkeit nur nach dem Streitgegenstand, also sach­ lichen Kriterien, bestimmt wurde. Eine personelle Zuständigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe (Kaufmannschaft) gab es nicht mehr. Allerdings wurde nach allen Ordnungen widerlegbar vermutet, dass in solchen Fällen ein Handelsgeschäft vorlag. Bei der Frage, was als Handelsgeschäft anzusehen war, zeigten sich selbst bei dem Braunschweiger Gesetz von 1850 inhaltlich nur wenige Neuerungen im Vergleich zu den französischen Normen. Die beispielshaft aufgezählten Geschäfte entsprachen inhaltlich und teilweise auch sprachlich dem französischen Gesetzestext. Abweichungen finden sich lediglich in kleineren Punkten. Mit den deutschen Zuständigkeitsregeln des 18. Jahrhunderts hatten die Gerichte keine Gemeinsamkeiten mehr. Zum einen beschränkten sich die Befugnisse der damaligen Einrichtungen zur Entscheidung von Handelssa­ chen überwiegend auf Teilbereiche, wohingegen vom französischen Recht ausgehend nur noch allgemeine Handelsgerichte gegründet wurden. Gerade in Hamburg, wo das ehemalige Admiralitätsgericht nur für den Seehandel zuständig war, oder in Braunschweig, wo das vormalige Kaufgericht ledig­ lich Messestreitigkeiten entschied, zeigte sich das ganz deutlich. Darüber hinaus waren die neu geschaffenen Spruchkörper des 19. Jahrhunderts nur noch rechtsprechend tätig.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Was das Verfahren anbelangt, ist zwischen Systematik und Inhalt der ent­ sprechenden Vorschriften zu differenzieren. Systematisch wich nur die HHGO vom französischen Recht ab. Das lag daran, dass die hamburgischen Gesetzgeber das Verfahren nicht auf Grundlage des Zivilprozesses gestalten konnten, da dieser aus dem 18. Jahrhundert stammte und damit mit den für die Handelsprozesse wichtigen Grundsätzen der Schnelligkeit und Einfach­ heit nicht in Einklang zu bringen war. Deshalb wurden die französischen Vorschriften nahezu vollständig übernommen. Bei den anderen Gerichten setzte sich das im Code de commerce/Code de procédure civile entstandene Prinzip durch, dass das Verfahren der Handelsgerichte auf dem Zivilprozess basierte, um keine zu großen Differenzen im Prozessrecht zu haben. Die untersuchten deutschen Gerichte für den Handel des 17. und 18. Jahrhundert hingegen enthielten stets eine eigene, abschließende Prozessordnung. Hier ist erneut der Einfluss des französischen Rechts nachweisbar. Dennoch entfernten sich nach und nach die norddeutschen Gerichtsord­ nungen vom französischen Original. So wurden ansatzweise in der BHGO und insbesondere dann im Braunschweiger Gesetz von 1850 immer weniger Sonderregeln für das Verfahren des Handelsgerichts normiert. Es fand damit eine stärkere Anpassung an den allgemeinen Zivilprozess statt. 3. Resümee zu den französisch beeinflussten Gerichten bis zum ADHGB In den ehemaligen Departements beherrschte das französische Recht die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit. Das Rheinland, in dem Gebiete teilweise 20 Jahre französische Departements waren, behielt die französi­ schen Regeln bei. Es galt bis zum ADHGB von 1861 das französische Recht in seiner ursprünglichen Version unter der Bezeichnung rheinisches Recht. Neben der Aufrechterhaltung der französischen Handelsgerichte kam es so­ gar zu Neugründungen nach Ende der Besatzungszeit. Das zeigt, wie sehr die ortsansässigen Kaufleute mit dieser Einrichtung zufrieden waren, weshalb sie sich gegenüber Preußen für die Beibehaltung und Fortführung dieser Han­ delsgerichtsbarkeit einsetzten. In den norddeutschen Städten hingegen wurden die französischen Gesetze nach Ende der Besatzungszeit sofort abgeschafft. In der Folge richtete man jedoch in wichtigen Handelsstädten bzw. -staaten Handelsgerichte nach fran­ zösischem Vorbild unter Ablehnung der rein kaufmännischen Besetzung ein. Allerdings geschah das nicht in allen ehemaligen Departements. Insbeson­ dere in Lübeck wurde erst zeitgleich mit dem ADHGB ein Handelsgericht eröffnet420. Indes entstanden mit jedem neu gegründeten Gericht Modifika­ 420  Zu

den Gründen für die spätere Einrichtung siehe S. 228 ff.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit173

tionen, die vom französischen Original abwichen. Daraus ergibt sich ein einheitlicher Entwicklungsstrang, da die späteren Gesetzgeber sich der älte­ ren Vorschriften bedienten und nach eigenen Vorstellungen veränderten. So orientierte sich die HHGO inhaltlich und sprachlich am Code de commerce/ Code de procédure civile, die BHGO an der HHGO und das Braunschweiger Gesetz an der BHGO. Überwiegend in den ehemaligen Departements beeinflusste das französi­ sche Recht die Entwicklung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den vormaligen Modellstaaten wurde in diesem Zeitraum mit dem Handelsgericht in Braunschweig nur ein entsprechender Spruchkörper gegründet.

II. Vermeintlich gegensätzliche Entwicklung Eine vermeintlich gegensätzliche Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet sich in den vormaligen Rheinbundstaaten und den restlichen Modellstaaten, was beispielhaft anhand von Bayern und Preußen dargestellt wird. So wurde in Preußen, sofern man die (französischen) Regelungen für die königlich preußischen Rheinprovin­ zen außer Acht lässt, kein selbständiges, allgemeines Handelsgericht eröffnet. Da die Handelsgerichtsbarkeit im restlichen Teil vollkommen anders verlief als im Rheinland, muss die Rechtslage in Preußen differenziert untersucht werden. Betrachtet man lediglich die reine Gesetzeslage, zeigt sich in der untersuchten Zeitspanne eine gänzlich andere Entwicklung als in den gerade untersuchten Staaten und Städten. Insbesondere gab es keine selbständigen Handelsgerichte, sondern lediglich vereinzelt besondere Abteilungen für Seeund Handelssachen bei den ordentlichen Gerichten, wo Kaufleute als Berater ohne Stimmrecht tätig waren. Und dennoch gab es ab Mitte des 19. Jahrhun­ derts selbst in Preußen Gesetzesentwürfe zu Handelsgerichten, deren Vor­ schriften überwiegend auf dem französischen Recht basierten. Auch wenn es nicht zur Einführung dieser Gesetze kam, ist erkennbar, dass man sich mit der französischen Handelsgerichtsbarkeit auseinandergesetzt hatte und diese die Grundlage preußischer Handelsgerichte bilden sollte. In diesem Kontext wird, bevor auf Preußen eingegangen wird, zunächst die Entwicklung in Bayern betrachtet. In der ersten Hälfte wurden dort Wechselgerichte und Wechsel- und Merkantilgerichte gegründet, die man bei den ordentlichen Gerichten verortete. Da es in Frankreich keine derartige Zweiteilung der Handelsgerichtsbarkeit gab, die Handelsgerichte selbständig waren und das Wechselgericht ein Produkt der deutschen Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts war, scheint auch in Bayern die Entwicklung der Handels­ gerichtsbarkeit gegensätzlich zu der in den oben genannten Staaten bzw. Frankreich verlaufen zu sein.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

1. Bayern In Bayern entwickelten sich verschiedene Einrichtungen, bis im Zuge der Prozessordnung vom 29. April 1869 eine einheitliche Gerichtsverfassung geschaffen wurde. Silberschmidt geht davon aus, dass die Entwicklung in Bayern ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts von der französischen Handels­ gerichtsbarkeit beeinflusst war. So schreibt er421: „Was speziell Bayern betrifft, so war es in der Rheinbundszeit zu sehr mit dem Schicksal Napoleons verknüpft, als daß nicht die Einrichtungen seines Reiches zur Nachahmung hätten dienen müssen.“

Allerdings wird nicht weiter beleuchtet, in welchen Punkten der Einfluss nachvollzogen werden kann bzw. die französischen Gerichte nachgeahmt wurden. Die Aussage wird nicht genauer begründet. Die folgenden Ausführungen greifen die Thematik an dieser Stelle auf und untersuchen, ob tatsächlich ein Einfluss des französischen Rechts erkennbar ist. Zum einen ist auf Nürnberg einzugehen, das am Anfang des 19. Jahrhun­ derts von Bayern einverleibt wurde. Ferner muss die 1776 in München ge­ gründete Einrichtung für Wechselsachen betrachtet werden, um anschließend die Entwicklung in ganz Bayern herauszuarbeiten422. a) Nürnberg Im ausgehenden 18. Jahrhundert bestanden in Nürnberg zwei Einrichtun­ gen, in denen Streitigkeiten in Handelssachen entschieden wurden: Das Merkantil- und Bancogericht und das Marktgewölbe423. Allerdings waren die Kaufleute mit dem Verfahren vor dem Merkantil- und Bancogericht unzufrie­ den, da die Prozesse relativ lange dauerten424. Problematisch war insbeson­ dere die Beteiligung der Ratskonsulenten als juristisch geschulte Richter, die noch eine Vielzahl anderer Tätigkeiten ausführten, weshalb die Beschäfti­ gung am Merkantil- und Bancogericht für sie nur eine untergeordnete Bedeu­ tung hatte. Das Gericht konnte deshalb nicht viele Verfahren annehmen bzw. dauerte es sehr lange, bis die Gerichtssachen abgearbeitet waren. Außerdem war die Rechtsprechung der Marktvorsteher im Marktgewölbe nicht als ei­ genständige Gerichtsinstanz anerkannt. Damit hatte sie zunächst bloß den Charakter eines Schiedsgerichts, was die Unzufriedenheit der Kaufleute för­ derte. 421  Silberschmidt,

Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 51. bleiben in diesem Kapitel hingegen die linksrheinischen Ge­

422  Unberücksichtigt

biete der Pfalz. 423  Vgl. dazu S. 43 ff. 424  Hierzu und zum Folgenden Rehm, S.  22 ff.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit175

aa) Handelsgericht von 1804 Um die Situation zu verbessern, erließ man eine „Ordnung des Handels­ gerichts in der Stadt Nürnberg“ (NHGO)425. Nach der NHGO sollte das bis­ herige Merkantil- und Bancogericht fortan die Bezeichnung Handelsgericht tragen, vgl. Abs. 1 NHGO426. (1) Besetzung Die Besetzung änderte sich im Vergleich zum Merkantil- und Bancogericht nicht427. Es wurden zwei Mitglieder des Stadtrats, nun Senatoren genannt, zwei rechtsgelehrte Berater des Stadtrates (Ratskonsulenten) und die vier Vorsteher des Handelsstandes (vormals Marktvorsteher) zu Richtern berufen, vgl. Abs. 1 NHGO. Mehr Vorschriften zur Besetzung sind der Ordnung nicht zu entnehmen. Insbesondere regelte sie weder die Beschlussfähigkeit noch richtete sie An­ forderungen an die kaufmännischen Richter. Die von den Kaufleuten kriti­ sierte Hinzuziehung von Ratskonsulenten änderte sich nicht. (2) Zuständigkeit Die Zuständigkeit richtete sich weiterhin nach sachlichen und personellen Kriterien, die beide erfüllt sein mussten: Abs. 8 NHGO: „Die Gerichtsbarkeit des Handelsgerichts ist ausschliessend fundiret in allen Streitsachen, welche aus Handlungs-Geschäften und Verhältnissen, aus Waarentransporten, Frachtirungen, kaufmänischen Wechseln, u.  s.  w. entstanden sind, und sich entweder zwischen Kaufmann und Kaufmann verhalten, oder in welchen doch der Beklagte ein Handelsmann, oder ein, mit seinen Manufacten auswärts Handelschaft treibender, Professionist, oder resp. ein Furhmann, Schaff­ ner, Hausknecht, oder deren Stellvertreter, u. ist.“

Es musste sachlich eine der in Abs. 8 aufgezählten Streitsachen vorliegen und zumindest der Beklagte Kaufmann im weitesten Sinne sein. Bezüglich 425  Die Ordnung vom 1. Januar 1804 ist abgedruckt bei Zimmerl, 2. Band 2. Ab­ teilung, S. 86 ff. Im Folgenden: NHGO. 426  Die eher unübliche Bezeichnung „Absatz“ wird gewählt, da die Ordnung selbst bei Verweisen innerhalb der Ordnung von „Absätzen“ spricht, so etwa in Abs. 56 NHGO auf Abs. 13 NHGO. Diese Bezeichnung wird auch von Rehm gewählt. Anders hingegen Heerdegen (Artikel) und Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit (Para­ graphen). 427  Darstellung der Grundsätze zu Besetzung, Zuständigkeit und Verfahren bspw. auch bei Rehm, S.  29 ff.; Kletke, S.  146 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbar­ keit, S.  21 ff.; Liebstädter, S.  38 ff.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

des sachlichen Kriteriums war die Ordnung nicht detailliert. Insbesondere war nicht genauer definiert, was unter dem Begriff des Handelsgeschäfts zu verstehen war. Die Zuständigkeit des Handelsgerichts war ausschließlicher Natur, vgl. Abs. 8 NHGO. So durfte das Stadtgericht keine Handelsstreitigkeiten anneh­ men. Insofern unterschied sich die NHGO von der Merkantil- und Bancoge­ richtsordnung, nach der die Zuständigkeit des Gerichts nicht ausschließlicher Natur war428. Lediglich das Marktgewölbe konnte alternativ angerufen wer­ den429. (3) Verfahren Das Verfahren hatte keine Parallelen mit den französischen Vorschriften430. Vielmehr wich es in relevanten Punkten erheblich davon ab, wie die nachfol­ genden Beispiele zeigen. So enthielt die NHGO ein eigenes, vom Zivilpro­ zess losgelöstes Prozessrecht. Das Verfahren vor dem Handelsgericht war in aller Regel schriftlich, vgl. Abs. 12 NHGO. Das Gericht selbst tagte nur alle 14 Tage (Abs. 2 NHGO) und nicht öffentlich431. Gemäß Abs. 12 der NHGO konnte sich eine Partei während des ganzen Verfahrens anwaltlich vertreten lassen. Allerdings bestand kein Anwaltszwang432. Ein weiterer Unterschied war auch, dass der Vollzug der Urteile gemäß Abs. 51 NHGO dem Handels­ gericht selbst überlassen war. Mündlich konnte nur in absoluten Ausnahmefällen verfahren werden, vgl. Abs. 52 ff. NHGO. Eine Möglichkeit war, dass nach Auffassung des Gerichts für die konkrete Streitsache das Verfahren beschleunigt werden musste, vgl. Abs. 52 NHGO. Die zweite, in dieser Vorschrift vorgesehene Variante war, dass die Parteien das Handelsgericht im Vorfeld einvernehmlich um die Durchführung eines mündlichen Verfahrens gebeten hatten. Voraussetzung war jedoch, dass das Gericht diese Verfahrensweise im konkreten Fall für sinnvoll erachtete. Gemäß Abs. 53 NHGO wurden dann außerordentliche Gerichtstermine anberaumt, in denen nicht zwingend das ganze Plenum an­ 428  Vgl.

S. 48. dazu S. 178 f. 430  Eine ausführliche Darstellung des Verfahrens liefert Rehm, S.  33 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 21 ff. 431  Die NHGO enthält hierzu keine Hinweise. Allerdings war das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten in Nürnberg grundsätzlich auch geheim, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass auch das Verfahren vor dem Handelsgericht geheim sein sollte, vgl. Rehm, S. 41. 432  Zur Differenzierung zwischen den Berufen Prokurator und Advokat siehe Rehm, S.  31 f. 429  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit177

wesend sein musste, sondern die Besetzung mit lediglich drei Richtern, nämlich einem Konsulenten und zwei Kaufleuten, ausreichte. Gegen die Urteile des Handelsgerichts konnte Berufung an das Ober- und Appellationsgericht in Nürnberg eingelegt werden, vgl. Abs. 56, 13 NHGO. Erstmals in der Geschichte der deutschen Handelsgerichtsbarkeit wurde der Begriff der Berufung und nicht der Appellation verwendet. Die Bedeutung war aber die Gleiche. Sie war lediglich in zeitlicher Hinsicht beschränkt. Sie musste innerhalb von zehn Tagen angezeigt und innerhalb von maximal 20 Tagen begründet werden, vgl. Abs. 57 NHGO. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Berufung erst ab einem gewissen Streitwert eingelegt werden konnte433. Damit bestand theoretisch die Möglichkeit, in eher unbedeutenden Streitigkeiten ein Verfahren durch ein solches Rechtsmittel in die Länge zu ziehen. Vermutlich war eine entsprechende Regelung nicht nötig, da die Kaufleute wohl handelsrechtliche Streitigkeiten mit geringen Streitsummen eher im Marktgewölbe und nicht beim Handelsgericht prozessierten. Die Verfahrensvorschriften zeigen nur wenige Unterschiede zum Verfahren beim Merkantil- und Bancogericht. Insbesondere wurden nicht wirklich Ele­ mente geschaffen, die die Dauer der Prozesse verkürzt hätten, obwohl das das Ziel des neuen Gesetzes war. Aus diesem Grund verbesserte sich das anfangs genannte Problem der Verschleppung der Prozesse nach Einführung der NHGO nicht434. (4) Resümee Die Vorschriften der NHGO hatten mit dem französischen Recht keinerlei Parallelen. Vielmehr erinnern sie an die untersuchten Ordnungen des 18. Jahr­ hunderts435. Hinsichtlich der Besetzung war das Handelsgericht noch immer vom Stadtrat abhängig. Die Zuständigkeit wurde anders geregelt, indem personelle und sachliche Voraussetzungen kumulativ und nicht alternativ vorliegen mussten. Das Verfahren unterschied sich grundlegend. Allerdings verwundert das nicht. Zur Zeit der Verkündung der NHGO bestand in Frank­ reich noch die undurchsichtige Gesetzeslage nach der Revolution436. Der Code de commerce und Code de procédure civile wurden erst kurze Zeit später erlassen. Außerdem wurde auch der Rheinbund erst zwei Jahre danach geschlossen, durch den eine Verbindung zwischen Bayern und Frankreich entstand. 433  Das beweist erneut, dass die deutschen Ordnungen vor dem Kontakt mit dem französischen Recht sehr unterschiedlich waren, vgl. die Erkenntnis auf S. 84. 434  Rehm, S.  61 ff. 435  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 81 ff. 436  Vgl. hierzu und zum Folgenden S. 107 ff.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

bb) Verhältnis zum Marktgewölbe Die Tätigkeit des Marktgewölbes blieb von den Neuerungen der NHGO, die lediglich drei Absätze dazu enthielt437, größtenteils unberührt438. Die Zuständigkeit war auf sachlicher Ebene mit der des Handelsgerichts iden­ tisch439. Die Einrichtungen bestanden damit nebeneinander. Insbesondere gab es keine Regelung, nach der Streitigkeiten mit höherem Streitwert beim Handelsgericht und solche mit niedrigerem Wert beim Marktgewölbe prozes­ siert werden mussten. Es wurde in Abs. 60 der Ordnung bestimmt, dass Verfahren vor dem Marktgewölbe nicht einfach einseitig von einer Partei an das Handelsgericht verschoben werden konnten. Eine Verweisung erfolgte nur, wenn dies nach Ansicht der Marktvorsteher nötig war, was allerdings nur in Ausnahmefällen sein sollte, sofern wichtige Gründe vorlagen, vgl. Abs. 60 NHGO. Die Urteile des Marktgewölbes erlangten Rechtskraft, sofern keine Beru­ fung eingelegt wurde (Abs. 61 NHGO). Das Handelsgericht war gemäß die­ ser Vorschrift für die Vollstreckung zuständig. Obwohl die Urteile des Markt­ gewölbes so anerkannt wurden, hatten die Marktvorsteher nicht die gleichen Befugnisse wie die ordentlichen Gerichte. So war es ihnen gemäß Abs. 61 NHGO nicht erlaubt, Prozesshandlungen, wie beispielsweise Zeugenverhöre, Eidesauflagen oder Eidesabnahmen vorzunehmen. In diesen Fällen mussten die Streitsachen an das Handelsgericht verwiesen werden, vgl. Abs. 61 NHGO. Eine Rückverweisung ist nicht ersichtlich, weshalb das Handelsge­ richt dann in der Streitsache das Urteil fällte. Abs. 62 der NHGO legte fest, dass das Verfahren vor den Marktvorstehern weiterhin mündlich war. Die Vorschrift enthielt nur wenige formale Anforde­ rungen, etwa die Anfertigung eines Protokolls oder die Belehrung über Rechtsmittelfristen. Der Ablauf der Verhandlungen war den Marktvorstehern selbst überlassen440. Die beiden Einrichtungen bestanden nebeneinander in einem alternativen Verhältnis. Kläger hatten die freie Wahl zwischen den beiden Spruchkörpern. Das Marktgewölbe hatte allerdings weniger Befugnisse als das Handelsge­ richt. Die Urteile hatten dennoch die gleiche Qualität.

437  Abs. 60

bis 62 der NHGO. auch Liebstädter, S. 52. 439  Ebd., S. 53. Abs. 60 NHGO: „[…] Streitigkeiten in Handelssachen […].“ 440  Liebstädter, S. 53; Rehm, S. 51. 438  So



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit179

cc) Veränderungen im Jahre 1809 Die Inbesitznahme der vormaligen freien Reichsstadt Nürnbergs durch das Königreich Bayern am 15. September 1806 führte zunächst zu keiner Än­ derung der Gesetzeslage der Stadt441. Entscheidend für die nachfolgende Entwicklung in Nürnberg war eine Anordnung des Justizministeriums vom 18. Mai 1809442. (1) Handelsgericht Darin wurden übergangsweise Vorkehrungen für das Nürnberger Handels­ gericht getroffen. Es bestand zu diesem Zeitpunkt bereits die Überlegung, für ganz Bayern eine einheitliche Gerichtsverfassung für Handelssachen zu er­ lassen, was zunächst nicht umgesetzt wurde443. Die Verordnung bestätigte einerseits das Nürnberger Handelsgericht. Andererseits ordnete sie ein Han­ delsgericht zweiter Instanz an. Interessant ist die Anordnung für die vorlie­ gende Untersuchung deshalb, weil sie aus einer Zeit stammt, in der der Code de commerce bereits länger bestand und auch die französischen Handelsge­ richte sowohl in Frankreich, als auch teilweise in den Rheingebieten, schon für eine gewisse Dauer existierten. Außerdem gab es den Rheinbund schon drei Jahre und Bayern war somit bereits mit Frankreich verbündet444. In erster Instanz bestand das Handelsgericht aus einem (Handels-)Richter, einem rechtskundigen Assessor, zwei Vertretern der Kaufmannschaft und zwei kaufmännischen Ersatzrichtern445. Zum Handelsrichter wurde ein Jurist, der vormals als Richter beim Ober- und Appellationsgericht angestellt war, ernannt. Die Besonderheit dieser Stelle war, dass er Berufsrichter und damit lediglich für das Handelsgericht tätig war446. Als kaufmännische Richter wurden fortan nicht mehr nur die Marktvorsteher berufen447. Vielmehr wur­

dazu Heerdegen, S. 37; Rehm, S. 69. öffentliche Bekanntgabe erfolgte am 18. Mai 1809; die Anordnung ist ab­ gedruckt im Königlich-Baierischen Regierungsblatt (1809), S. 797 f. Hierzu und zum Folgenden siehe Einleitung der Anordnung. 443  Hierzu und zum Folgenden siehe Einleitung der Anordnung, ebd. 444  Vgl. S. 107 ff. 445  Siehe hierzu und zum Folgenden die Anordnung vom 18. Mai 1809, KöniglichBaierisches Regierungsblatt (1809), S. 797 f. Siehe hierzu und zum Folgenden auch die Darstellungen bei Liebstädter, S. 43; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 23; Rehm, S.  77 ff. 446  Liebstädter, S. 43. 447  Anordnung vom 18. Mai 1809, Königlich-Baierischen Regierungsblatt (1809), S.  797 f. 441  Vgl. 442  Die

180

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

den diese nun dem gesamten Handelsstand entnommen448. Es finden sich keine genaueren Anforderungen hierzu, etwa an das Mindestalter oder die Erfahrung im Handelsverkehr. Das Gericht war damit weiterhin gemischt besetzt, wobei die Anzahl an Kaufleuten und Juristen identisch war, da die Ersatzrichter nur bei Verhinderung die beiden Kaufleute vertreten sollten449. Die sonstigen Vorschriften, insbesondere zu Zuständigkeit und Verfahren, wurden gemäß Nr. 6 der Anordnung nicht verändert, da man auf die allge­ meine Erneuerung der Gerichtsverfassung in ganz Bayern warten wollte. In der neu eingeführten zweiten Instanz (auch Handelsappellationsgericht genannt) war die Besetzung auch gemischt450. Allerdings waren im Verhält­ nis mehr Juristen als Kaufleute an der Entscheidung beteiligt. Den Vorsitz führte ein Direktor, der auch Richter beim Stadtgericht war. Daneben gab es drei Räte, die jeweils Juristen waren. Ferner wurden drei Kaufleute zu or­ dentlichen Richtern und zwei weitere zu Ersatzrichtern ernannt. Hier griff man sowohl auf die Marktvorsteher als auch auf sonstige Kaufleute Nürn­ bergs zurück. Die zweite Instanz war eine reine Berufungsinstanz für Urteile der ersten Instanz des Handelsgerichts bzw. des Marktgewölbes. Hinsichtlich der Besetzung zeigen sich keine nennenswerten Parallelen zu den rein kaufmännisch besetzten französischen Handelsgerichten. Insbeson­ dere die zweite Instanz, in der ein deutlicher Überschuss an Juristen festzu­ stellen ist, kann in keiner Weise mit den französischen Regelungen verglichen werden, da es in Frankreich keine Handelsgerichte in zweiter Instanz gab. Die einzige Stellung, die so zuvor in der Nürnberger Handelsgerichtsbarkeit nicht vorkam, war die des Ersatzrichters. Die Position könnte aus dem fran­ zösischen Recht stammen, da es sie bei den deutschen Gerichten des 18. Jahrhunderts noch nicht gab. In Bezug auf das Verfahren und die Zustän­ digkeit behielt man die Regeln der NHGO von 1804 bei, die noch vor Erlass des Code de commerce in Kraft getreten waren. (2) Marktgewölbe Das Marktgewölbe wurde in Folge der bayerischen Besetzung Nürnbergs 1809 in Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht umbenannt451. In dieser Form existierte es bis zur Einführung des GVGs. auch Heerdegen, S. 39; Dirr, S. 61. Assessoren“, vgl. Anordnung vom 18. Mai 1809, Königlich-­ Baierisches Regierungsblatt (1809), S. 797 f. 450  Hierzu und zum Folgenden siehe Anordnung vom 18. Mai 1809, ebd. Zum Handelsgericht zweite Instanz siehe auch Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbar­ keit, S. 23; Liebstädter, S. 43. 451  Liebstädter, S. 54; Heerdegen, S. 40; Dirr, S. 61; Knatz, S. 19. 448  So

449  „Supplirende



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit181

Die wenigen Vorschriften (Abs. 60 ff.) der NHGO reichten nicht aus, um den Prozess bei diesem Gericht zu regeln. Allerdings gibt es eine schriftliche Aufzeichnung für das Verfahren, die den Namen „Prozess bei dem Merkan­ til-, Friedens- und Schiedsgericht“ trägt und wohl einen offiziellen Charakter hatte452. Auch die Abdrücke bei Liebstädter und bei Kletke enthalten keine Zeitangabe. Die Prozessordnung muss erst nach 1809 verfasst worden sein muss, da sie die Einrichtung „Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht“ und nicht „Marktgewölbe“ nennt und auch das Handelsappellationsgericht er­ wähnt. Weiterhin ist auffällig, dass die Ordnung an einigen Stellen lediglich die Vorschriften der NHGO von 1804 und der genannten Verordnung vom 17. Mai 1809 bestätigt. Das Gericht bestand weiterhin aus den vier Vorstehern des Handelsstan­ des453. Sie wurden vom König zu Gerichtsassessoren ernannt und zum Rich­ teramt verpflichtet454, was zeigt, dass das Gericht nach der Neugliederung durch die Verordnung vom 17. Mai 1809 offiziell anerkannt worden war. Den Vorsitz führte der älteste Kaufmann455. In Abgrenzung zum Nürnberger Handelsgericht war es demnach weiterhin nur mit juristischen Laien besetzt. Eine genauere Definition der Zuständigkeit des Gerichts findet sich nicht456. So war es für alle Handelsstreitigkeiten jeglicher Art zuständig. Welche Streitigkeiten genau darunter fielen, wurde nicht bestimmt. Sofern weitgehendere Prozesshandlungen, wie Zeugenverhöre, Eide usw. nötig wa­ ren, mussten die anhängigen Sachen an das Handelsgericht verwiesen wer­ den. Diese Vorschrift entsprach Abs. 61 der NHGO. Auch die Prozessordnung des Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht bestätigte in § 1 nochmals, dass eine anhängige Klage durch die Parteien nicht ohne Zustimmung des Ge­ richts an das Handelsgericht gebracht werden konnte. Das Verfahren wich in einigen Punkten von demjenigen beim Handelsge­ richt ab. Die Prozesse verliefen schneller, wie die folgenden Beispiele zei­ gen: So fanden die Sitzungen wöchentlich statt457. Zur Klageerhebung reichte 452  Diese Ordnung ist nicht offiziell gedruckt worden. Es gibt jedoch einen voll­ ständigen Abdruck im Werk von Liebstädter, S. 54 ff., der auf das Archiv des Mer­ kantil-, Friedens und Schiedsgericht (No.219) verweist. Einen weiteren (identischen) Abdruck, jedoch ohne Nennung der Quelle, liefert Kletke, S. 203 ff.; überblicksartige Darstellung auch bei Heerdegen, S.  42 f. 453  § 2 des Prozesses bei dem Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht, Liebstädter, S.  54 ff. 454  § 2 des Prozesses bei dem Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht. 455  § 2 des Prozesses bei dem Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht. 456  Hierzu und zum Folgenden § 1 des Prozesses bei dem Merkantil-, Friedensund Schiedsgericht. 457  Hierzu und zum Folgenden § 3 des Prozesses bei dem Merkantil-, Friedensund Schiedsgericht.

182

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

es aus, wenn der Kläger bei einem Gerichtsmitglied die Klage anmeldete. Sie wurde dem Beklagten schriftlich zugestellt. Die Ladung erfolgte auf die nächste Gerichtssitzung. Der Kläger erhielt damit zügig einen Audienzter­ min. Ein schriftliches Vorverfahren, wie beim Handelsgericht, war nicht nö­ tig. Der größte Unterschied zu diesem war wohl die Art der Verhandlung. Sie war beim Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht nahezu ausschließlich mündlich. In der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger zunächst seine Klage vorbringen und der Beklagte darauf antworten458. Daraufhin konnten sie jeweils noch einmal (Replik und Duplik) erwidern. Das Gericht analy­ sierte anschließend die Sachlage, insbesondere durch Fragen an die Parteien. Das konnte auch durch die Befragung von Personen erfolgen, die von Par­ teien zur Sachverhaltsaufklärung mit zur Verhandlung gebracht wurden, ohne dabei als Zeugen auszusagen. Abschließend versuchte das Gericht, die Par­ teien zu einer gütlichen Einigung zu bewegen. Da das Verfahren mündlich war, wurde ein Protokoll verfasst. Das beim Handelsgericht übliche schriftli­ che Verfahren hingegen war nur in absoluten Ausnahmefällen zugelassen. Eine anwaltliche Vertretung war beim Merkantil-, Friedens- und Schiedsge­ richt ausgeschlossen. Sofern der Sühneversuch scheiterte, verfassten die Richter unter Abwesen­ heit der Parteien sofort das Urteil459. Falls umfassendere Untersuchungen nötig waren, wurde die Sache an das Handelsgericht verwiesen. Die Parteien konnten, wie gegen Urteile des Handelsgerichts erster Instanz, Appellation an das Handelsappellationsgericht einlegen460. Es scheinen die gleichen Ein­ schränkungen gegolten zu haben wie beim Handelsgericht461. Bis zur Vereinheitlichung blieb die Gerichtsbarkeit unangetastet. Somit gab es weiterhin eine echte Alternative zum Handelsgericht, da sich die Zu­ ständigkeit der Einrichtungen deckte. Ein Einfluss der französischen Han­ delsgerichtsbarkeit ist beim Marktgewölbe nicht zu erkennen. Insbesondere wurden in der NHGO, der Verordnung vom 17. Mai 1809 und auch der Prozessordnung für das Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht keine we­ sentlichen Neuerungen geschaffen. Vielmehr wurde das Prozessrecht, das sich gewohnheitsrechtlich entwickelt hatte, schriftlich normiert. Es gibt Pa­ rallelen, wie etwa die rein kaufmännische Besetzung und die Mündlichkeit des Verfahrens. Allein daraus lassen sich aber keine Rückschlüsse ziehen, da 458  Hierzu und zum Folgenden § 4 des Prozesses bei dem Merkantil-, Friedensund Schiedsgericht. 459  Hierzu und zum Folgenden § 5 des Prozesses bei dem Merkantil-, Friedensund Schiedsgericht. 460  § 6 des Prozesses bei dem Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht. 461  Vgl. Abs. 61 NHGO.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit183

die Gerichtsbarkeit des vormaligen Marktgewölbes schon deutlich früher entstand als der Code de commerce. dd) Resümee Damit lässt sich als Gesamtergebnis für die Handelsgerichtsbarkeit in Nürnberg festhalten, dass ein Einfluss der französischen Handelsgerichtsbar­ keit nicht nachzuweisen ist. Vielmehr entwickelte sich die Handelsgerichts­ barkeit in Nürnberg selbständig fort. Am 11. September 1825 wurde ein Gesetz erlassen, durch das die Wechselordnung und die Wechsel- und Mer­ kantilgerichtsordnung in ganz Bayern zur Anwendung kommen sollte462. Allerdings war die Stadt Nürnberg davon ausgenommen. b) München Es stellt sich nun die Frage, ob sich bei der Entwicklung in München ein Einfluss des französischen Rechts nachweisen lässt. Seit seiner Gründung war beim Wechsel- und Merkantilgericht, das in einschlägigen Verordnungen nur Wechselgericht genannt wurde463, die Zuständigkeit in allgemeinen ­Handelssachen unklar464. Auch diverse Verordnungen konnte keine Abhilfe schaffen465. Im Jahr 1804 umfasste die Zuständigkeit des Gerichts neben Wechselsachen nur einen kleinen, abgrenzbaren Kreis an Handelssachen466. Eine Verordnung vom 31. Januar 1806 dehnte die Zuständigkeit des Ge­ richts in Handelssachen etwas aus467. Es wurde festgelegt, dass zum einen Handelsschulden zwischen Kaufleuten untereinander, die aufgrund des Han­ dels mit Waren entstanden, beim Gericht angebracht werden konnten. Außer­ dem war die Zuständigkeit begründet, wenn es sich um Schuldsachen han­ delte, die auf Geschäften basierten, bei denen sich die Parteien im Vorfeld auf die Gerichtsbarkeit des Wechsel- und Merkantilgerichts geeinigt hatten. Dennoch blieben Konflikte hinsichtlich der Zuständigkeit bestehen468. Im Vergleich zu anderen Gerichtsordnungen, wie etwa dem Code de commerce 462  Kletke, 463  So

S. 2. beispielsweise in der Verordnung vom 5. März 1804, abgedruckt bei Moritz,

S.  71 f. 464  Siehe dazu S. 56 f. 465  Ebd.; ausführlich auch bei Rehm, S.  196 ff. 466  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 56 f. 467  Hierzu und zum Folgenden die Verordnung vom 31. Januar 1806, abgedruckt bei Moritz, S. 72. Vgl. auch die Ausführungen bei Rehm, S. 196; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 41; Henle, S.  48 ff. 468  Siehe insbesondere Kletke, S.  19 ff.

184

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

oder der HHGO, wurden die unter die Gerichtsbarkeit fallenden Geschäfte nicht aufgezählt. Im Jahre 1811 wurde die Selbständigkeit des Gerichts in erster Instanz aufgehoben, indem es dem Stadtgericht München zugewiesen wurde469. Es war damit nur noch ein eigenständiger Bereich des Stadtgerichts. Lediglich die Besetzung änderte sich, indem der Direktor des Stadtgerichts zum Vorsit­ zenden berufen wurde. Dem Spruchkörper wurden zwei weitere rechtsge­ lehrte Richter zugeordnet, die beim Stadtgericht tätig waren. Daneben er­ nannte man noch sieben Personen des Kaufmannstandes zu Richtern. Alle Mitglieder des Gerichts hatten gleiches Stimmrecht. Aus der Verordnung ist nicht ersichtlich, dass bezüglich der Kaufleute eine Teilung in ständige Rich­ ter und Ersatzrichter stattfand. Sie wurden nicht gewählt, sondern ernannt. Daneben fehlen Vorschriften wie etwa zur Beschlussfähigkeit. Zur Rhein­ bundzeit wurden also zunächst keine Veränderungen vorgenommen, die durch die französische Handelsgerichtsbarkeit beeinflusst waren. Vielmehr blieb es im Wesentlichen bei den Vorschriften, die schon im 18. Jahrhundert existierten. c) Weitere Wechsel- und Merkantilgerichte in Bayern Nach Ende der Rheinbundzeit nahm der bayerische Gesetzgeber Verände­ rungen vor, die in gewisser Weise mit der Situation in Frankreich vergleich­ bar sind. Regensburg erhielt 1825 ein Wechsel- und Merkantilgericht, das mit einem Vorstand und zwei weiteren Richtern, die allesamt Juristen waren, und daneben mit vier Kaufleuten als ordentlichen Richtern und zwei Kauf­ leuten als Ersatzrichter besetzt war470. Anzuwenden war die Wechsel- und Merkantilgerichtsordnung von 1785 zusammen mit den in der Folge erlasse­ nen Verordnungen bzw. Bestimmungen471. Mit Verordnung vom 12. Dezember 1825 wurde in Straubing und Passau jeweils ein Wechsel- und Merkantilgericht erster Instanz eröffnet472. Die Verordnung entsprach inhaltlich der Verordnung für Regensburg. Damit blieb es im Grunde bei den Vorschriften aus dem 18. Jahrhundert, die man ledig­ lich leicht modifizierte. 469  Vgl. hierzu und zum Folgenden Art. 1, 2, 8 der Verordnung vom 30. Mai 1811, abgedruckt im Königlich-Baierischen Regierungsblatt (1811), S. 733 ff.; siehe auch die Darstellungen bei Rehm, S. 197. 470  Verordnung vom 6. November 1825; abgedruckt bei Moritz, S. 151 ff.; hierzu auch Rehm, S.  210 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 56 f. 471  Insbesondere auch die Zuständigkeitsregelungen der Verordnungen aus den Jahren 1804 und 1806, vgl. S. 183. 472  Regierungs- und Intelligenzblatt für das Königreich Baiern (1825), S. 961 ff.; Moritz, S. 154 ff.; dazu auch Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 56 f.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit185

Es zeigt sich dennoch ein Gedanke, der sich in Frankreich schon viel frü­ her entwickelt hatte: Die flächendeckende Ausbreitung von Handelsgerich­ ten. Nur das Einrichten einer Vielzahl von Gerichten ermöglichte den Kauf­ leuten, zügig eine gerichtliche Entscheidung zu erhalten, ohne weite Wege aufnehmen zu müssen. Allerdings sind bei der Umsetzung keine Parallelen erkennbar, da die bayerischen Einrichtungen nicht zwingend identisch gere­ gelt wurden. So gab es beispielsweise kein einheitliches Prozessrecht. Ferner wurde die Besetzung bei den drei neuen Gerichten anders bestimmt als beim Münche­ ner Gericht. Gemeinsam haben die Einrichtungen, dass sie gemischt besetzt waren und die Richter dem ordentlichen Gericht entnommen wurden. Aller­ dings setzte man bei den neuen Gerichten die Ersatzrichter anders ein. So mussten diese bei jeder Sitzung anwesend sein und ihre Stimme abgeben473. Ihre Stimme war dann bei der Entscheidung relevant, wenn ein ordentlicher (kaufmännischer) Richter verhindert und damit nicht anwesend war. Ansons­ ten wurden die Stimmen der Ersatzrichter als lediglich beratend angesehen. Dieses System der dauernden Anwesenheit und auch der beratenden Stimme war dem Code de commerce fern, wenn auch die Stellung der Ersatzrichter (Suppleanten) französisch beeinflusst sein musste, da es diese Position davor bei deutschen Handelsgerichten nicht gab. d) Reine Wechselgerichte in ganz Bayern Außerdem bestanden in Bayern unterschiedliche Einrichtungen und nicht lediglich allgemeine Handelsgerichte. So wurde in Augsburg 1807 ein Wech­ selgericht gegründet474. Es wurde besetzt mit einem ehemaligen Stadtge­ richtsrat als Vorsitzendem und zwei Vertretern aus dem Handelsstand475. Dabei handelte es sich aber um ein reines Wechselgericht und nicht um ein Wechsel- und Merkantilgericht, weshalb sich die Zuständigkeit auf Wechsel­ streitigkeiten beschränkte. 1820 folgte ein ebenfalls gemischt besetztes Wechselappellationsgericht als zweite Instanz476.

473  Hierzu

156 f.

und zum Folgenden § 4 der jeweiligen Verordnung, Moritz, S. 153,

474  Vgl. die Verordnung vom 26. Januar 1807, abgedruckt bei Moritz, S. 32 f.; dazu auch Rehm, S. 183; Kletke, S. 107; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S.  45 f. 475  Nr. 1 und 2 der Verordnung vom 26. Januar 1807; ausführlich hierzu Rehm, S.  181 ff. 476  Verordnung vom 3. Oktober 1820, abgedruckt bei Moritz, S. 33 ff.; vgl. dazu auch Rehm, S. 188; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 46.

186

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

1825 wurden weitere Wechselgerichte in Würzburg und Aschaffenburg477, Memmingen478, Ansbach479 und Bamberg480 geschaffen481. Die Regeln zur Besetzung, insbesondere zur Rolle der Ergänzungsrichter, entsprachen den Gerichten in Regensburg, Passau und Straubing. Auch hier stellt sich eine vollkommen andere Situation dar als in Frankreich, wo keine Unterscheidung zwischen Wechselgerichten und Wechsel- und Merkantilgerichten gemacht wurde, sondern lediglich allgemeine Handelsgerichte bestanden, die unter anderem für Wechselsachen zuständig waren. e) Weitere Entwicklung bis zum ADHGB Von Relevanz für die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in Bayern war die Verordnung vom 12. August 1857482. Darin wurde zunächst die strikte Trennung zwischen reinen Wechselgerichten und Wechsel- und Mer­ kantilgerichten, die fortan als Handelsgerichte bezeichnet wurden, beibehal­ ten483. Der Gesetzgeber ordnete an, dass Handelsgerichte erster Instanz in Mün­ chen, Deggendorf, Landshut, Passau, Straubing, Amberg, Regensburg und Weiden bei den jeweiligen ordentlichen Gerichten gebildet werden sollten484. Diese traten, soweit in den jeweiligen Gerichtsgebieten bereits Wechsel- und Merkantilgerichte bestanden hatten, an deren Stelle. Die Besetzung entsprach der der vormaligen Wechsel- und Merkantilgerichte. Wie in den Verordnun­ gen, in denen die Errichtung der früheren Wechsel- und Merkantilgerichte angeordnet worden waren, sollte die Wechsel- und Merkantilgerichtsordnung von 1785 und alle in der Folge erschienenen Verordnungen und Beschlüsse angewendet werden485. Auch bezüglich der Abstimmung und vor allem der Berücksichtigung der Stimmen der Ersatzrichter entsprach sie den früheren Verordnungen. Letzt­ vom 26. Oktober 1825, abgedruckt bei Moritz, S.  18 ff. vom 26. Oktober 1825, abgedruckt ebd., S. 22 ff. 479  Verordnung vom 29. Oktober 1825, abgedruckt ebd., S. 25 ff. 480  Verordnung vom 29. Oktober 1825, abgedruckt ebd., S. 28 ff. 481  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 56 f. 482  Hierzu und zum Folgenden siehe Verordnung vom 12. August 1857, abge­ druckt im Regierungsblatt für das Königreich Bayern (1857), S. 1033 ff.; Darstellung der Verordnung auch bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 66. 483  Übersicht über die einzelnen Gerichte und deren Gerichtsbezirke bei Kletke, S.  377 ff. 484  Hierzu und zum Folgenden siehe Verordnung vom 12. August 1857, abge­ druckt im Regierungsblatt für das Königreich Bayern (1857), S. 1033 ff. 485  Insbesondere auch das Gesetz vom 11. September 1825 und die Vorschriften in III § 27 des Landtagsabschiedes vom 1. Juli 1856. 477  Verordnung 478  Verordnung



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit187

endlich brachte die Verordnung nur insoweit eine Neuerung, als dass die bisherigen Gerichte fortan unter einem anderen Namen tätig waren („König­ lich Bayerisches Handelsgericht“) und die Gerichtsbezirke festgelegt wur­ den486. Anstelle des bisherigen Wechsel- und Merkantilgerichts zweiter In­ stanz trat ein Handelsappellationsgericht („Königlich Bayerisches Handels­ appellationsgericht zu München“). Lediglich das Handelsgericht und das Handelsappellationsgericht sowie das Merkantil-, Friedens- und Schiedsge­ richt in Nürnberg, blieben unverändert bestehen. Die Verordnung enthielt darüber hinaus Vorschriften zur Beibehaltung und auch zur Neugründung einer Vielzahl von reinen Wechselgerichten und Wechselappellationsgerichten, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegan­ gen wird487. Das zeigt, dass in Bayern auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch eine Zweiteilung in der Handelsgerichtsbarkeit bestand. f) Resümee In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Bayern keine Handels­ gerichte französischen Ursprungs gebildet, wie etwa in Norddeutschland oder dem Rheinland488. Vergleicht man die Einrichtungen mit dem französi­ schen Gegenstück, ergeben sich keine Gemeinsamkeiten. Die bayerischen Einrichtungen basierten auf dem ehemaligen Münchener Wechsel- und Mer­ kantilgericht, das fortgeführt wurde. Anders als etwa in Hamburg löste man sich nicht von der eigenen Einrichtung des 18. Jahrhunderts los. Auch bei den neu errichteten Gerichten galt die Wechsel- und Merkantilgerichtsord­ nung von 1785. Die danach erlassenen Verordnungen, die die Ordnung hin­ sichtlich Zuständigkeit und Besetzung modifizierten, enthielten keine Vor­ schriften, bei denen französischer Einfluss nachgewiesen werden könnte. Das überrascht aber nicht, da Bayern lediglich ein Rheinbundstaat war und des­ halb nicht unmittelbar mit dem französischen Recht in Berührung kam. Im Zuge dessen entsprachen auch die neu gegründeten Gerichte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem Münchener Modell. Auch die Wechselgerichte ba­ sierten auf der bayerischen Einrichtung. Die Umbenennung der Wechsel- und Merkantilgerichte in allgemeine Handelsgerichte änderte die Situation nicht. Vielmehr ist insofern sogar eine vollkommen gegensätzliche Entwicklung zum französischen Handelsgericht erkennbar, da die bayerischen Einrichtun­ gen besondere Abteilungen bei den ordentlichen Gerichten bildeten, wohin­ gegen die französischen Spruchkörper selbständig waren. 486  Hierzu und zum Folgenden siehe Verordnung vom 12. August 1857, Regie­ rungsblatt für das Königreich Bayern (1857), S. 1033 ff. 487  Ebd.; siehe hierfür die Übersicht bei Kletke, S.  379 ff. 488  Vgl. S. 133 ff.; S.  128.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Damit könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass in der bayerischen Handelsgerichtsbarkeit der untersuchten Zeitspanne kein französischer Ein­ fluss nachweisbar ist. Der Gedanke wird verstärkt, wenn man lediglich den Charakter der Einrichtungen und die einschlägige Gesetzeslage betrachtet, da es in Frankreich eine Zweiteilung in Messegerichte und allgemeine Handels­ gerichte zu keiner Zeit gab. Allerdings ist doch eine Parallele erkennbar, die wohl französischen Ur­ sprungs ist: Die Überlegung, im Staatsgebiet mehrere Gerichte zur Klärung von Handelsstreitigkeiten zur Verfügung zu stellen. Eine flächendeckende Eröffnung solcher Einrichtungen war den deutschen Staaten und Städten im 18. Jahrhundert fremd. In Frankreich hingegen breiteten sich Handelsgerichte bereits zu dieser Zeit im ganzen Land aus. Verstärkt wurde die Einheitlich­ keit der Spruchkörper durch die Napoleonische Gesetzgebung. Deshalb scheint es nicht abwegig, dass der Bayerische Gesetzgeber die französischen Abläufe zumindest in dieser Hinsicht als Vorbild herangezogen hatte, als er ab 1825 eine Vielzahl an Gerichten im gesamten Staatsgebiet gründete. Glei­ ches gilt für die Position des Ersatzrichters, die erstmals im französischen Recht auftauchte, allerdings in Bayern grundverschieden umgesetzt wurde. Damit kann der eingangs aufgeworfenen These Silberschmidts im Hinblick auf diese zwei Punkte zugestimmt werden. 2. Preußen (ohne königlich preußische Rheinprovinz) Doch wie war die Situation in Preußen außerhalb des Rheinlands? Wie zu Beginn des Kapitels bereits angedeutet, erweckt die Gesetzeslage in der ers­ ten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst den Eindruck, dass sich die Han­ delsgerichtsbarkeit in Preußen in eine vollkommen gegensätzliche Richtung entwickelte als in ihrer Rheinprovinz oder den norddeutschen Städten und Staaten. Insbesondere scheint kein französischer Einfluss erkennbar zu sein, da grundsätzlich noch die „Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten“ von 1793 galt, nach der keine allgemeinen Handelsgerichte für ganz Preußen vorgesehen waren489. Ferner gab es keine Einheitlichkeit in der Handelsgerichtsbarkeit und die wenigen, besonderen Gerichte der Seestädte variierten stark voneinander490.

489  Einen guten Überblick über die Gerichtsverfassung Preußens zum Jahre 1839 gibt Starke. 490  Siehe S. 79.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit189

a) Allgemeine Gerichtsordnung für die preußischen Staaten Unterschiede zum französischen Recht zeigen sich in den Vorschriften der „Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten“ (AllGOPrS), die im 30. Titel ganz allgemein die Handelsgerichtsbarkeit regelte491. Demnach war grundsätzlich zwischen allgemeinen Handelsstreitigkeiten und solchen auf Märkten bzw. Messen mit Beteiligung fremder Kaufleute zu unterschei­ den492. Es sind keine Gemeinsamkeiten zum französischen Recht auffindbar. Vielmehr waren die Vorschriften konträr zum Code de commerce. aa) Allgemeine Handelsstreitigkeiten Gemäß Titel 30 § 3 AllGOPrS waren die ordentlichen Gerichte für die Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit zuständig. Allerdings konnte in Pro­ zessen, die Handelssachen zum Gegenstand hatten, unter Umständen Kauf­ leute als Berater bzw. Sachverständige ohne Stimmrecht hinzugezogen wer­ den, sofern es bei der gerichtlichen Entscheidung auf besondere Kenntnisse des Handels ankam, die ein ordentlicher Richter nicht hatte, vgl. Titel 30 § 3 AllGOPrS493. Die Anforderung an einen Sachverständigen war gemäß dieser Vorschrift lediglich, dass er ein erfahrener Kaufmann war, der als Solcher einen ausge­ zeichneten Ruf genoss. Ob dauerhaft ein gewisser Personenkreis auf Abruf zur Verfügung stand oder ob für jeden Fall eine Person aus dem Kreis der örtlichen Kaufmannschaft neu ausgewählt wurde, hing von den örtlichen Gegebenheiten ab, vgl. Titel 30 § 4 AllGOPrS. Die Auswahl der Kaufleute war nicht genauer bestimmt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie ge­ wählt wurden oder, vergleichbar mit dem französischen Recht, ein Mindest­ alter haben mussten. Die Sachverständigen gaben gemäß Titel 30 § 5 AllGOPrS nach der Unter­ suchung der Streitsachen eine Beurteilung ab, die vom Richter bei der Ent­ scheidung berücksichtigt werden musste. Sofern gegen ein Urteil in Handels­ sachen appelliert wurde, wurde in der zweiten Instanz ein Kaufmann hinzu­ 491  Die „Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten“ wurde in der Version von 1822 verwendet. Im Folgenden: AllGOPrS; zur Entstehung der ­AllGOPrS siehe das Werk von Busch; siehe auch Ahrens, S.  129 ff. 492  Darstellung der im Folgenden vorgestellten Grundsätze des 30. Titels der Allge­ meinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten ohne Vergleiche zum französi­ schen Recht beispielsweise bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 103 ff.; Lewald, S.  31 ff. 493  Eine genaue Aufzählung der Fälle, wann ein solcher Sachverständiger hinzuge­ zogen werden muss findet sich in Titel 30 § 3 der Ordnung.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

gezogen, allerdings nur, wenn weiterhin Punkte strittig waren, bei deren Klärung kaufmännischer Sachverstand nötig war (Titel 30 § 7 AllGOPrS). Wann überhaupt eine Handelsstreitigkeit vorlag und damit die Vorschriften des 30. Titels der Ordnung Anwendung fanden, regelte Titel 30 § 1. Erfasst waren Prozesse zwischen Kaufleuten, deren Gegenstand Handelsgeschäfte waren, vgl. § 1. Die Zuständigkeit war also nach personellen und sachlichen Kriterien bestimmt. Allerdings wurde der Begriff des Handelsgeschäfts nicht genauer bestimmt. Es fehlte eine entsprechende Aufzählung an Geschäften, wie das im französischen Recht gemacht wurde. Die ordentlichen Gerichte verfuhren gemäß Titel 30 § 1 AllGOPrS grund­ sätzlich auch in Handelssachen nach den Vorschriften der allgemeinen Ge­ richtsordnung. Es gab diesbezüglich keine Abweichungen vom allgemeinen Zivilprozess, etwa zur Beschleunigung der Verfahren. Die preußischen Sondergerichte, die mit Kaufleuten als Beisitzern Handels­ streitigkeiten behandelten, hatten ihre eigenen Vorschriften, weshalb die All­ gemeine Gerichtsordnung nicht herangezogen werden musste, vgl. Titel 30 § 2 AllGOPrS. Die Vorschrift nannte die Spruchkörper beispielhaft „Handels-, Wett-, oder Seegerichte“. Erfasst waren kleinere Einrichtungen, wie etwa das Kommerz-/Admiralitätskollegium in Königsberg oder das See- und Hafenge­ richt in Pillau, deren weitere Entwicklung im Anschluss noch genauer be­ leuchtet wird494. bb) Streitigkeiten auf Messen und Märkten (Merkantilprozesse) Bei Bedarf konnten in Städten mit Messen oder Märkten besondere Depu­ tationen der ordentlichen Gerichte eingesetzt werden, die aufkommende Streitigkeiten unter Kaufleuten entschieden (sogenannten Merkantilprozesse), vgl. Titel 30 §§ 9, 10 AllGOPrS. Die Deputationen bestanden dann gemäß Titel 30 § 10 dieser Ordnung aus Mitgliedern des ordentlichen Gerichts, des Polizeimagistrats und erfahrenen Kaufleuten. Die Zuständigkeit war auf Handelsstreitigkeiten begrenzt, die auf der Messe bzw. dem Markt entstan­ den und bei denen ein fremder Kaufmann beteiligt war, sei es als Kläger oder als Beklagter, vgl. Titel 30 §§ 9, 11 AllGOPrS. Erfasst waren damit Streitigkeiten zwischen fremden Händlern untereinander oder zwischen einem fremden und einem einheimischen Kaufmann (Titel 30 §§ 9, 11 ­ ­AllGOPrS). Es waren also Spruchkörper für Fremde, da keine Klagen dort eingelegt werden konnten, bei denen beide Parteien ortsansässige Kaufleute

494  So Schön, S. 27.; siehe auch S. 79 ff.; zur Entwicklung der restlichen spezi­ ellen Einrichtungen siehe S. 192 ff.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit191

waren. Deshalb konnten diese Einrichtung nur für die Dauer des Marktes bzw. der Messe eingesetzt werden (Titel 30 § 10 AllGOPrS). Das Verfahren vor den Deputationen war, anders als das in gewöhnlichen Handelssachen, auf Schnelligkeit ausgelegt, wie Titel 30 § 9 und §§ 13 ff. AllGOPrS verdeutlichen. Es mussten gemäß Titel 30 § 13 die Termine und Fristen, die für den ordentlichen Prozess galten, so verkürzt werden, dass die Streitsachen noch in der Zeit entschieden wurden, in denen die fremden Kaufleute oder ihre bevollmächtigten Angestellten wegen der Messe oder des Marktes noch vor Ort waren. Der Versuch, das Verfahren zu beschleunigen, zeigt sich noch an weiteren Stellen. So musste das Gericht gemäß Titel 30 § 27 AllGOPrS vorrangig darauf hinarbeiten, dass sich die Parteien im Rah­ men eines Vergleichs gütlich einigten. Grundsätzlich sollten die Kaufleute zum mündlichen Termin persönlich erscheinen, vgl. Titel 30 § 19 AllGO­ PrS. Beim Ausbleiben einer Partei erging ein Versäumnisurteil („Kontumazi­ alurteil“), gegen das allerdings innerhalb von 24 Stunden, anstatt der bei den ordentlichen Gerichten üblichen zehn Tage, ein Rechtsbehelf eingelegt wer­ den konnte (Titel 30 §§ 20 f. AllGOPrS). cc) Anwendung der Vorschriften des Merkantilprozesses auf allgemeine Handelsstreitigkeiten Eine Besonderheit konnte sich noch in Zeiten ergeben, „[…] wo wegen des Ab- und Zugangs fremder Handelsleute, oder Schiffe, ein vorzüglich lebhaftes Verkehr getrieben wird“495. In solchen Fällen konnten die gerade aufgezeigten Vorschriften des Merkantilprozesses ausnahmsweise außerhalb von Messen und Märkten bei gewöhnlichen Streitigkeiten unter Kaufleuten angewendet werden, vgl. Titel 30 § 44 AllGOPrS. Es wurde dann gemäß Ti­ tel 30 § 45 der Ordnung vom örtlichen Gericht ein Richter ausgewählt und eingesetzt, dem man ein und mehrere Kaufleute als Sachverständige zuord­ nete. Sie waren verpflichtet, die entstandenen Handelsstreitigkeiten auf der Stelle zu entscheiden, vgl. Titel 30 § 45 AllGOPrS. Vor allem die Sachver­ ständigen sollten gemäß Titel 30 § 46 dieser Ordnung durch Vermittlung zwischen den Parteien darauf hinwirken, dass diese sich zügig gütlich einig­ ten. Sofern ein Sühneversuch scheiterte, bestimmte sich das Verfahren nach den Vorschriften zum Merkantilprozess, vgl. Titel 30 § 46 AllGOPrS.

495  Titel 30

§ 44 AllGOPrS.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

dd) Resümee Die Vorschriften belegen, dass die preußische Handelsgerichtsbarkeit nach der Allgemeinen Gerichtsordnung keine Gemeinsamkeiten mit dem französi­ schen Recht hatte. Es gab nur wenige, permanente Sondereinrichtungen in den Seestädten, die allerdings nicht nur rechtsprechend tätig waren496. Sie hatten keine einheitliche Gerichtsordnung, sondern verhandelten nach ihren eigenen Vorschriften. Dadurch hatten sie mit den französischen Handels­ gerichten, die im ganzen Land gleich aufgebaut waren, keine Berührungs­ punkte. Im restlichen Staatsgebiet waren die ordentlichen Gerichte für ­Handelsstreitigkeiten zuständig. Selbst in Merkantilsachen war die Handels­ gerichtsbarkeit bei den ordentlichen Gerichten verankert. In Frankreich hin­ gegen sollten die Zivilgerichte nur in Ausnahmefällen als Spruchkörper in Handelssachen fungieren497. Zwar erkannte man auch in Preußen, dass eine Beteiligung von Kaufleuten in solchen Prozessen sinnvoll war. Allerdings unterschied sich deren Rolle ganz maßgeblich von der der französischen Handelsrichter, da die Kaufleute weder bei den besonderen Spruchkörpern noch bei den ordentlichen Gerich­ ten als Richter, sondern nur beratend als Sachverständige fungierten. In Frankreich hingegen waren alle Richter bei den Handelsgerichten Kauf­ leute498. Ferner zeigt sich dieser Kontrast beim Verfahren. Denn in Preußen wurde es lediglich während der Markt- und Messezeiten oder vergleichbaren Situa­ tionen beschleunigt. In allen anderen Prozessen in Handelssachen gab es keine Abweichungen vom Zivilverfahren. b) Veränderungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die Erkenntnis, dass sich die Entwicklung der preußischen Handelsge­ richtsbarkeit und das französische Recht nicht überschnitten, wird verstärkt, wenn man die Veränderungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts be­ züglich der besonderen Einrichtungen für den Handel betrachtet499. Für die 496  Vgl.

dazu S. 79. S. 92 ff. 498  Schön, S. 28. 499  Zu den Spruchkörpern siehe die Übersicht von Graeff, S. 155. Nicht berück­ sichtigt wird in der folgenden Darstellung die Schifffahrtskommission in Swine­ münde, da es sich um eine Einrichtung handelte, die bloß für Streitigkeiten zuständig war, die der Seefahrt entsprangen. Es war kein allgemeines Handelsgericht. Gleiches gilt für das Seeglerhaus in Colberg. Vgl. dazu die Darstellung der Zuständigkeit bei Starke, S.  401 ff. 497  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit193

preußischen Sondergerichte sind keine aussagekräftigen Quellen auffindbar. Daniels führt das darauf zurück, dass Regelungen teilweise nur als Ge­ schäftsanweisungen den Behörden gegenüber erklärt und deshalb nicht in öffentliche Sammlungen aufgenommen wurden500. Das gilt für alle Sonder­ einrichtungen, die im Folgenden dargestellt werden. Eine relativ umfassende, nicht jedoch abschließende Untersuchung liefert das zeitgenössische Werk von Starke, auf das zurückgegriffen wird501. Ein deutlicher Unterschied zu Frankreich ist zunächst, dass es keine einheitlichen Sondergerichte, sondern mehrere, verschiedene Spruchkörper gab. aa) Kommerz- und Admiralitätskollegien in Königsberg und Danzig So gab es in Königsberg und Danzig Kommerz- und Admiralitätskolle­ gien. Das Kollegium in Königsberg war durch ein Reglement vom 30. Okto­ ber 1813, das in Danzig durch ein Reglement vom 17. September 1814 neu geordnet worden502. Zu dieser Zeit breitete sich der Code de commerce ge­ rade aus und hatte deshalb im Rheinland und den norddeutschen Hansestäd­ ten bereits Bedeutung gewonnen. Dennoch kann für die Reglements für Kö­ nigsberg und Danzig kein Einfluss des französischen Rechts nachgewiesen werden. Im Gegensatz zum Code de commerce/Code de procédure civile galten die Reglements nur für die jeweilige Stadt. Außerdem wurden derar­ tige Kollegien nicht in weiteren Orten eingerichtet. Da sich die beiden Einrichtungen stark ähnelten, können sie zusammenge­ fasst werden: Sie bestanden aus einem Juristen als Vorsitzenden sowie juris­ tischen und kaufmännischen Mitgliedern503. Die Kaufleute hatten grundsätz­ lich eine beratende Funktion und beurteilten wie nach der Allgemeinen Ge­ richtsordnung nur gutachterlich den Streit. Lediglich in Ausnahmefällen hat­ ten sie bei der Abstimmung auch ein Stimmrecht. Voraussetzung hierfür war allerdings, dass es um eine Streitsache ging, bei der die Entscheidung allein auf dem kaufmännischen Gutachten basierte und die Beurteilung nur durch ihren kaufmännischen Sachverstand möglich war. 500  Daniels,

Handbuch der Preußischen Rechtspflege, S. 228. S. 399 ff. Die vorliegende Arbeit kann nicht umfassend die preußischen Schifffahrts- und Handelsgerichte untersuchen, da es deren Zweck verfehlen würde. Es geht vorliegend darum, die Entwicklung in Preußen darzustellen und dabei aufzu­ zeigen, dass zunächst kein Einfluss des französischen Rechts erkennbar ist. Hierfür reichen die Ausführungen von Starke aus. 502  Graeff, S. 155. 503  Hierzu und zum Folgenden Starke. Auf dessen Ausführungen kann vertraut werden, da insbesondere die zeitgenössische Literatur auf sein Werk verweist, so etwa Ziehm, S.  1 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 91 ff.; Lewald, S.  22 ff. 501  Starke,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Die Gerichte waren für alle Handels- und Schifffahrtssachen zuständig, wovon letztere eine wichtigere Rolle spielten504. Ferner waren die Kollegien als eine Art Polizei für die Untersuchung von Verstößen gegen Handels- und Schifffahrtsgesetze zuständig, was eher strafrechtlichen Charakter hatte. Ver­ fahrensvorschriften sind nicht auffindbar. Die Berufungen mussten jeweils an das Oberlandesgericht gehen, wobei keine Einschränkungen ersichtlich sind. bb) Schifffahrts- und Handelsdeputationen Die im Jahre 1811 gegründeten Schifffahrts- und Handelsdeputationen in Memel und Stettin sind noch konträrer zu den französischen Handelsgerich­ ten505. Die Deputationen traten die Nachfolge der in beiden Städten bis dahin existierenden, selbständigen Einrichtungen an, die neben polizeilichen Be­ fugnissen auch in begrenztem Umfang Streitigkeiten in Handels- bzw. See­ sachen entschieden hatten506. Beispielhaft werden die Regeln der Deputation in Memel dargestellt507. Es handelte sich nicht um einen eigenständigen Spruchkörper, sondern lediglich um permanente besondere Abteilungen beim ordentlichen Gericht508. Der Unterschied zu Titel 30 § 3 der AllGOPrS, der auch die Beteiligung von Kaufleuten vorsah, bestand darin, dass nach der Ordnung bei den ordentlichen Gerichten keine dauerhaften Abteilungen ge­ gründet wurden, sondern lediglich bei Bedarf Kaufleute hinzugezogen wer­ den konnten. Die Deputation in Memel war besetzt mit Richtern des ordentlichen Ge­ richts und vier, auf Dauer ernannten kaufmännischen Mitgliedern (Kommer­ zienräte). Die Kaufleute hatten, wie bei den Kommerz- und Admiralitätskol­ legien, ausschließlich eine beratende Funktion. In Abgrenzung zu diesen konnte davon nicht einmal in Ausnahmefällen abgewichen werden. Die Kaufleute hatten in dieser Einrichtung damit noch weniger Befugnisse als bei denjenigen in Danzig und Königsberg. Bei Starke findet sich eine Auflistung, was zur Kompetenz der Deputation in Memel gehörte. Sie war nicht nur rechtsprechend tätig, sondern hatte da­ neben auch administrative Tätigkeiten im Seehandel, etwa die Ausstellung von Zertifikaten, die für die Seefahrt nötig waren. Die Befugnisse bezogen 504  Hierzu und zum Folgenden Starke, S. 399 ff. Daneben hatten sie auch adminis­ trative Aufgaben. 505  Übersicht bei Graeff, S. 155. 506  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 85. 507  Zu Stetin, wo die Deputation in ihrer rechtsprechenden Funktion lediglich über Versicherungssachen und kaufmännische Wechsel entschied siehe Starke, S.  402 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 92, Lewald, S. 24. 508  Hierzu und zum Folgenden Starke, S.  402 ff.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit195

sich überwiegend auf die Seefahrt. Allerdings war sie in ihrer rechtsprechen­ den Funktion auch für allgemeine Dinge des Handelsverkehrs, beispielsweise für Prozesse in Wechselsachen, zuständig. Der Großteil der Streitsachen, für die die Deputation als Spruchkörper zuständig war, konnte nur dann entschieden werden, wenn nach Auffassung des Vorsitzenden im konkreten Fall eine Beschleunigung des Prozesses nötig war. Dazu zählten509: „Die Verhandlung und Entscheidung von Streitigkeiten, zu deren Entscheidungen kaufmännische Kenntnisse erforderlich sind, ferner von Streitigkeiten zwischen Kaufleuten und Schiffern und deren Leuten, endlich von Prozessen, die aus Ge­ schäften der See- und Stromschifffahrt im weitesten Sinn, aus dem Bau der Schiffe, und dem Kauf derselben entstehen; so wie die gewöhnliche Untersuchung und Bestrafungen der Handels-Kontraventionen. Diese […] aufgeführten Gegenstände nur insofern, als sie nach der Ueberzeugung des Dirigenten in einzelnen Fällen eine besondere Beschleunigung erfordern.“

Die Deputation in Memel war damit lediglich eine Weiterführung von Ti­ tel 30 § 3 der AllGOPrS. Davon wich sie nur insofern ab, dass sie dauerhaft bestand, die Anzahl der kaufmännischen Beisitzer erhöht und die Zuständig­ keit einerseits konkretisiert und andererseits auf Angelegenheiten der Schiff­ fahrt erweitert wurde. Vermutlich traten in Memel (und Stettin) häufig Strei­ tigkeiten auf, bei denen der kaufmännische Sachverstand gefordert war, so­ dass es sinnvoll war, dauerhafte Unterabteilungen des Gerichts zu gründen. Ferner bestand jeweils das Bedürfnis nach einer Seefahrtsbehörde, die auch administrative Aufgaben wahrnahm. Den Einrichtungen fehlte aber die Selb­ ständigkeit, weshalb sie mit den französischen Handelsgerichten nicht ver­ gleichbar sind, da insbesondere auch in der konkreten Ausgestaltung der Spruchkörper keine Parallelen zu finden sind. cc) Sonderregelungen in Elbing und Tilsit In Elbing und Tilsit hingegen wurden keine dauerhaften Deputationen ge­ gründet, sondern lediglich Sonderregelungen getroffen, nach denen man ei­ nige Kaufleute dem Gericht fest zuteilte510. Sie wurden nur in Handels- und Schifffahrtssachen hinzugezogen und hatten eine beratende Funktion und keine entscheidende Stimme. Letztendlich entsprach das dem Titel 30 § 4 der Allgemeinen Prozessordnung, nach dem Kaufleute dauerhaft als Beisitzer bei den ordentlichen Gerichten ernannt werden konnten. Jedoch mit zwei Abwei­ chungen: Die Möglichkeit, in Schifffahrtssachen Kaufleute hinzuzuziehen, 509  Ebd.,

S. 403. und zum Folgenden ebd., S. 403 f.; Silberschmidt, Die dt. Sonderge­ richtsbarkeit, S. 93. Die jeweiligen Reglements stammen von 1824 bzw. 1830. 510  Hierzu

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

gab es bei den ordentlichen Gerichten nach der Allgemeinen Gerichtsord­ nung sonst nicht. Außerdem wurden, wenn der Fall eintrat, in der Verhand­ lung nicht nur ein Kaufmann, sondern in Elbing vier, in Tilsit zwei Kaufleute hinzugezogen. dd) Naumburg In Naumburg existierte ein Handelsgericht, das über Streitigkeiten auf den dortigen Messen entschied511. Nachdem die Stadt ab 1819 zu Preußen ge­ hörte, erkannt der Gesetzgeber, dass eine Sondereinrichtung nötig war. Aller­ dings entschied man sich dafür, ähnlich wie in Memel und Stettin, das Ge­ richt als Deputation für Messestreitigkeiten beim Land- und Stadtgericht einzugliedern. Dieser Deputation wurden die Funktionen des vormaligen Spruchkörpers übertragen und sie war unter dem Namen „Handelsgericht“ tätig, obwohl es sich nicht um ein selbständiges Gericht handelte. Die Zu­ ständigkeit umfasste nicht alle Handelsstreitigkeiten512, sondern war auf Messestreitigkeiten begrenzt513: „Vor dieses Handelsgericht gehören alle Streitigkeiten, welche während der beiden jährlichen Messen in Naumburg nicht blos über eigentliche Handlungs- oder Wech­ selgeschäfte, welche sich auf die Messe beziehen, oder damit in Verbindung stehen, sondern auch über die andern, auf die Handlung oder Messe Bezug habenden Ge­ schäfte entstehen und angebracht werden.“

In den Fällen, in denen es auf die kaufmännische Beurteilung ankam, konnten drei Kaufleute hinzugezogen werden514. Sie waren dauerhaft dem Gericht zugewiesen. Es wurden also nicht für jeden Prozess neue Vertreter aus der Kaufmannschaft bestimmt. ee) Schiedsgerichte Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit gab es in vielen größeren Handels­ städten für die Kaufleute Möglichkeiten, sich außergerichtlich im Rahmen von festen Schiedsverfahren zu einigen515. Diese erfolgten durch die kauf­ männischen Vereinigungen der jeweiligen Städte, beispielsweise bei der und zum Folgenden Starke, S. 406. S. 37. 513  Starke, S. 406. 514  Hierzu und zum Folgenden: ebd., S. 406; Lewald, S.  25 f.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 96. 515  Einige Städte werden ebd., S. 106 f., 115 f. genannt; allerdings in einem ande­ ren Zusammenhang. Ausführlich zur Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen Lewald, S.  40 ff. 511  Hierzu

512  Lewald,



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit197

Korporation der Berliner Kaufmannschaft516: In dieser Korporation gab es eine Kommission von sieben Mitgliedern, die unter anderem dafür zuständig war, Streitigkeiten in Handelssachen durch Vergleiche zu klären517. Sie konnte von Kaufleuten freiwillig angerufen werden518. Zur Anwendung ka­ men die Vorschriften der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten für Schiedsverfahren519. Es handelte sich aber nicht um anerkannte Gerichte, sondern lediglich um Schlichtungsstellen. ff) Resümee Betrachtet man die preußische Handelsgerichtsbarkeit außerhalb der Rheinprovinz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zeigt sich nicht nur, dass es keinerlei französischen Einfluss gab520. Vielmehr entwickelte sie sich in eine vollkommen andere Richtung als das französische Pendant: Während die französischen Handelsgerichte von Beginn an selbständige Sondergerichte waren und auch solche blieben, wurden den wenigen selb­ ständigen Handels-, See- und Wettgerichten in Preußen, die sowieso nur in Seestädten bestanden, ihre Selbständigkeit genommen, indem sie größtenteils in die ordentliche Gerichtsbarkeit als besondere Abteilungen eingegliedert wurden521. Darüber hinaus schaffte man es nicht, flächendeckend für das ganze Staatsgebiet einheitliche Spruchkörper für Handelssachen zu etablie­ ren. So unterschieden sich die Zuständigkeiten der jeweiligen Einrichtungen deutlich, wohingegen nach dem Code de commerce alle französischen Han­ delsgerichte identisch waren. Ferner waren sie teilweise nicht ausschließlich rechtsprechend tätig. In der rechtsprechenden Tätigkeit waren sie überwie­ gend nur für einen Teilbereich des Handels zuständig. Solche Spezialgerichte mit begrenzter Zuständigkeit in Handelssachen waren dem Code de com­ merce hingegen fremd. Ein großer Kontrast zeigt sich bei der Besetzung, da bei den französischen Handelsgerichten lediglich Kaufleute in Handelssachen entschieden, wohin­ gegen diese in den preußischen Einrichtungen zumeist nur als Berater ohne 516  Siehe hierzu und zum Folgenden das Statut für die Kaufmannschaft zu Berlin vom 2. März 1820. Dieses Statut ist abgedruckt in der Gesetzessammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1820, S. 46 ff. 517  § 36 des Statuts für die Kaufmannschaft zu Berlin vom 2. März 1820, S. 51. 518  Ebd., S. 51. 519  Titel 2 §§ 167 bis 176 der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten von 1778. 520  Ebenso Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 95. 521  So etwa auch bei der oben unberücksichtigten Kommission Swanemünde, vgl. Starke, S.  401 ff.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Stimmrecht tätig waren. Die Position der Kaufleute war schwächer als in Frankreich oder auch bei den französisch-beeinflussten norddeutschen Han­ delsgerichten. Ferner gab es keine besonderen Anforderungen an die Kauf­ leute, wie etwa ein Mindestalter. Ein weiteres, abschließendes Beispiel für die Gegensätzlichkeit zum französischen Recht zeigt sich in einer Order vom 22. Juni 1830, nach der die kaufmännischen Beisitzer in Königsberg, Danzig, Stettin, Memel und Naumburg in dem Moment ihre Tätigkeit bei Gericht beenden mussten, in dem sie aufhörten, selbst Handel zu treiben522. In Frank­ reich hingegen waren Kaufleute, die nicht mehr aktiv den Beruf ausübten, ganz ausdrücklich als Handelsrichter gewünscht, wofür die entsprechenden Vorschriften des Code de commerce durch Anmerkungen nachträglich kon­ kretisiert worden waren523. c) Unausgeführtes Gesetz von 1847 Es stellt sich nun die Frage, ob das französische Recht in Preußen außer­ halb des Rheinlands tatsächlich vollkommen unberücksichtigt blieb. Es gab im Verlauf bis Mitte des 19. Jahrhundert stets Bestrebungen, flächendeckend selbständige Handelsgerichte zu eröffnen524. Diesbezüglich holte sich der Gesetzgeber insbesondere von den preußischen Gerichten und den kaufmän­ nischen Vereinigungen Gutachten ein525. Am 3. April 1847 erschien ein Ge­ setz, das die Eröffnung von Handelsgerichten in Preußen vorsah526. Silberschmidt sieht in den geplanten Gerichten bloß eine Fortführung der rheini­ schen (und damit französischen) Handelsgerichte527: „Das Gesetz, welches im ganzen eine Ausdehnung der rheinischen Handelsgerichte mit juristischer Beimischung auf den ganzen Staat darstellte […].“

522  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 96. Die Kabinettsorder vom 22. Juni 1830 ist abgedruckt in der Gesetzessammlung für die Königlich-Preußischen Staaten von 1830, S. 110. 523  Vgl. dazu S. 92 ff. 524  Einen Entwurf liefert Ziehm, der einige Gutachten verarbeitet hat. Diesbezüg­ lich kann auf die bestehende Literatur verwiesen werden, da eine genauere Darstel­ lung für das Forschungsziel irrelevant ist. Eine gute Zusammenfassung liefert Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 109 ff., der sich insbesondere mit dem Werk von Ziehm auseinandergesetzt hat. 525  Vgl. Ziehm; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 109 ff. 526  „Gesetz über die Errichtung von Handelsgerichten in denjenigen Theilen der Monarchie, in welchen das Allgemeine Landrecht und die Allgemeine Gerichtsord­ nung Gesetzeskraft haben“ vom 3. April 1847, abgedruckt in Gesetzessammlung für die Königlich-Preußischen Staaten von 1847, S. 182 ff. Im Folgenden: Gesetz von 1847. 527  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 117.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit199

Problematisch an dieser Aussage ist, dass sie vom Autor pauschal aufge­ stellt und nicht weiter begründet wird528. Insbesondere wird nicht deutlich, auf welche einzelnen Bereiche sich die Aussage bezieht. Silberschmidt stellt in der Folge die Besetzung des Gerichts dar, ohne dabei Bezug auf die rhei­ nischen bzw. französischen Vorschriften zu nehmen und Parallelen aufzuzei­ gen. Außerdem bleiben die Vorschriften zur Zuständigkeit und dem Verfahren gänzlich unberücksichtigt. Im Folgenden ist deshalb einerseits zu untersu­ chen, ob bezüglich der geplanten Besetzung der Aussage zuzustimmen ist. Andererseits stellt sich die Frage, ob auch bei den Zuständigkeits- und Ver­ fahrensvorschriften Parallelen zum französischen bzw. rheinischem Recht erkennbar sind. Obwohl das Gesetz nicht ausgeführt wurde529, ist es für die vorliegende Arbeit relevant: Sofern sich der Aussage Silberschmidts anzuschließen ist, würde das Gesetz belegen, dass man selbst in Preußen, wo bis zum GVG keine allgemeinen Handelsgerichte gegründet wurden, entsprechende Ein­ richtungen nach französischem Vorbild einführen wollte. Mittelbar wäre so ein Einfluss des französischen Rechts nachweisbar. Motive des Gesetzgebers, die einzelne Passagen begründen, sind zu diesem Gesetz nicht auffindbar530. Nach dem Gesetz von 1847 sollten selbständige Handelsgerichte eröffnet werden, sofern dafür ein Bedürfnis bestand und ein entsprechender Antrag der Kaufmannschaft bzw. der Handelskammer des Bezirkes vorlag. Die be­ stehenden Sondereinrichtungen, wie etwa die Kommerz- und Admiralitäts­ kollegien, konnten gemäß § 2 zu Handelsgerichten umgewandelt werden. aa) Besetzung Jedes Gericht sollte aus drei juristischen Richtern und mindestens vier kaufmännischen Mitgliedern (§ 5), die gleiches Stimmrecht hatten, bestehen (§ 16)531. Für letztere sollte gemäß § 6 III dieselbe Anzahl an Stellvertretern ernannt werden. Verwendet wurde, wie auch in den norddeutschen Städten, nicht die Bezeichnung Suppleant, sondern Stellvertreter, obwohl die Position

528  Vgl.

hierzu und zum Folgenden ebd., S. 116 f. Begründung siehe S. 203. 530  Der Vergleich soll nur überblicksartig erfolgen, um herauszufinden, wie der preußische Gesetzgeber zu den französischen/rheinischen Handelsgerichten stand. Eine intensivere Analyse wird im nächsten Kapitel zum Entwurf des ADHGB vorge­ nommen, da hier Motive des Gesetzgebers auffindbar waren und er für die weitere Entwicklung in den deutschen Staaten relevant war. 531  Darstellung der Grundsätze dieses Gesetzes ohne Vergleich mit den französi­ schen Vorschriften auch bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 116 f. 529  Zur

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

aus dem französischen Recht stammte532. Das Gericht war gemäß § 31 be­ schlussfähig, wenn drei Mitglieder anwesend waren. Ob davon zwingend zwei Personen Kaufleute sein mussten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Bezüglich der Wahlfähigkeit der kaufmännischen Richter entsprach § 8 nahezu vollständig Art. 620 Code de commerce, der in allen oben bereits dargestellten deutschen Handelsgerichten mit französischem Einfluss heran­ gezogen worden war. Demnach sollten die Kaufleute mindestens 30 Jahre alt sein und für mindestens fünf Jahren Handelsgeschäfte getrieben haben. Wie auch nach dem nachträglichen Gutachten vom 26. Januar 1808 zu Art. 620 Code de commerce reichte es aus, dass sie in der Vergangenheit mindestens fünf Jahre als selbständige Kaufleute tätig waren, vgl. § 8 des Gesetzes von 1847533. Auf die Voraussetzung des Art. 620 Code de commerce, dass die Kaufleute einen besonders guten Ruf haben mussten, wurde verzichtet. Bezüglich der Wahl der kaufmännischen Richter orientierte sich § 9 stär­ ker am französischen Original als die dargestellten norddeutschen Handels­ gerichte mit französischem Einfluss. So sollte die Wahl nicht selbständig durch die Handelskammer oder eine kaufmännische Vertretung erfolgen, sondern wie in Frankreich und der Rheinprovinz (Art. 619 Code de com­ merce) durch Notablen, die in § 9 des Gesetzes als „angesehenste Handeltrei­ bende des Bezirks“ definiert wurden534. Diese Vertreter des Handelsstandes sollten von der Regierung ernannt und nicht selbst durch die Kaufmannschaft gewählt werden, wie das bei den norddeutschen Handelsgerichten praktiziert wurde535. Auch die restlichen Vorschriften zur Wahl (§ 9) entsprachen Art. 621 Code de commerce. Übernommen wurde das erstmals im Code de commerce aufgetretene Ro­ tationsprinzip für die kaufmännischen Mitglieder und deren Stellvertreter, vgl. § 11536. Allerdings erhöhte man deren Amtsdauer in der genannten Vor­ schrift von zwei auf sechs Jahre. Ferner gab es die Festlegung, dass die Ausscheidenden wiedergewählt werden konnten. Ob jedoch wie im französi­ schen Recht eine Pause eingelegt werden musste oder ob eine Annahmeplicht bestand, ist nicht ersichtlich. Bezüglich der Besetzung ist demnach tatsächlich der eingangs genannten These Silberschmidts zuzustimmen. Die einzig nennenswerte Abweichung vom französischen Recht war die Abkehr von der rein kaufmännischen Be­ 532  Vgl.

dazu etwa die Erkenntnis für Bremen auf S. 152 f. S. 92 ff. 534  Auch die Anzahl an Notablen wurde nahezu gleich bestimmt, vgl. § 9 des Ge­ setzes von 1847 mit Art. 621 Code de commerce. 535  Vgl. etwa in Bremen S. 153. 536  Vgl. die folgenden Ausführungen insbesondere mit S. 94. 533  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit201

setzung. Hinsichtlich der restlichen Vorschriften in Bezug auf die kaufmänni­ schen Richter entsprach der preußische Entwurf inhaltlich und teilweise auch sprachlich mit kleineren Ausnahmen dem französischen bzw. rheinischen Recht. bb) Zuständigkeit Doch wurden auch die Zuständigkeitsvorschriften des Code de commerce übernommen? Die Zuständigkeit war in § 18 des Gesetzes von 1847 folgen­ dermaßen geregelt: „Zur Kompetenz der Handelsgerichte gehören alle Streitigkeiten aus Handelsge­ schäften, welche zwischen Handelstreibenden geschlossen sind.“

Die Zuständigkeit wurde also nach sachlichen und personellen Kriterien bestimmt, nach denen grundsätzlich sogar beide Parteien Kaufleute sein mussten. Gemäß § 21 sollten jedoch bei Handelsgeschäften, die zwischen einem Kaufmann und einem Nichtkaufmann geschlossen wurden, Klagen gegen erstgenannte auch bei den Handelsgerichten erhoben werden können. Es musste damit zumindest der Beklagte ein Kaufmann sein. Damit ist bezüglich dieser allgemeinen Regelung die Aussage Silberschmidts nicht richtig, da sich die Zuständigkeit bei den rheinischen und französischen Handelsgerichten entweder nach sachlichen oder alternativ nach personellen Kriterien richtete537. Man entschied sich systematisch für die kombinierte Zuständigkeitsregelung, die man als in Deutschland als vor­ herrschend betrachtete538. So war eine derartige Regelung keine Neuerung, sondern bereits in der LHGO von 1682, beim Nürnberger Handelsgericht und auch in der preußischen Gesetzgebung so festgelegt worden539. Ein weiterer Unterschied zum französischen Recht war, dass der Begriff des Handelsgeschäfts im Gesetz von 1847 nicht genauer, beispielsweise durch die Nennung einzelner Geschäfte, erläutert wurde. Vielmehr verzich­ tete die Ordnung auf eine Definition des Handelsgeschäfts. Neben der allgemeinen Zuständigkeitsregelung wurden in den §§ 19 f. des Gesetzes von 1847 Rechtsverhältnisse aufgezählt, die vor die Handelsge­ richte gehören sollten, sofern sich aus solchen eine Streitigkeit ergab. In diesen Fällen sollten die Spruchkörper zuständig sein, unabhängig davon, ob die Parteien Kaufleute waren oder nicht, vgl. §§ 19 f. des Gesetzes. Normiert waren in den Vorschriften Geschäfte, die von ihrem Inhalt her einen starken 537  Vgl.

dazu S. 96. im Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Motive), S. 539. 539  Siehe ebd, S. 539. 538  So

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Bezug zum Handel aufwiesen und deshalb thematisch vor die Handelsge­ richte gehörten, aber nicht zwingend von Kaufleuten abgeschlossen wurden. Der Großteil der Verhältnisse bezog sich auf die Schifffahrt. Eine Übernahme des französischen/rheinischen Rechts oder der norddeutschen Handelsge­ richtsordnungen ist nicht belegbar. Bezüglich der Zuständigkeit ist damit die Aussage Silberschmidts nicht richtig. cc) Verfahren Auch hinsichtlich des Verfahrens ist die Schlussfolgerung Silberschmidts nicht zutreffend. So weicht schon die Systematik vom französischen bzw. rheinischen Handelsgesetzbuch ab, in welchem auf die Zivilprozessordnung (Code de procédure civile) verwiesen wurde, die ein eigenes Kapitel für das Verfahren in Handelssachen hatte540. § 25 des Gesetzes von 1847 bestimmte hingegen, dass die Verfahrensvorschriften angewendet werden sollten, die ganz allgemein für die ordentlichen Gerichte galten, insbesondere auch eine Verordnung über das Verfahren in Zivilprozessen vom 21. Juli 1846541. Diese enthielt ein summarisches Verfahren, das allerdings nicht nur für den Prozess in Handelssachen galt542 und deshalb keinesfalls mit den Vorschriften des Code de procédure civile für die Handelsgerichte vergleichbar ist, da keine Besonderheiten für Handelsprozesse normiert waren. In den §§ 26 ff. des Gesetzes von 1847 finden sich noch einzelne Bestim­ mungen für das Verfahren bei den Handelsgerichten. Von der Systematik entsprach das den §§ 25 ff. der BHGO, die erst zwei Jahre vorher veröffent­ licht worden war543. Allerdings enthielt das Gesetz von 1847 viel weniger besondere Vorschriften. Insbesondere fehlen Sondernormen für die Beschleu­ nigung des Handelsprozesses, beispielsweise zur Ladung, anwaltlichen Ver­ tretung oder den Rechtsmitteln. Relevant ist letztendlich bloß § 26, der be­ stimmte, dass die Gerichte primär auf Vergleiche hinarbeiten sollten. Eine derartige Anweisung war dem französischen/rheinischen Recht fern.

540  Siehe

S. 101 ff. Verfahren in Zivilprozessen vom 21. Juli 1846 ist abgedruckt in der Geset­ zessammlung für die Königlich-Preußischen Staaten 1846, S. 291 ff. 542  Das in dem Gesetz vorgesehene summarische Verfahren galt beispielsweise auch für bestimmte Miet- oder Bausachen, vgl. § 13 des Verfahrens in Zivilprozessen vom 21. Juli 1846, ebd. S. 295. 543  S. 157 ff. 541  Das



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit203

dd) Resümee In Bezug auf den geplanten Aufbau der Handelsgerichte ist tatsächlich der eingangs dargestellten Aussage Silberschmidts zuzustimmen. Bei den Vor­ schriften zur Zuständigkeit wendete man sich hingegen von den rheinischen bzw. französischen Vorschriften ab. Hinsichtlich des Verfahrens sind kaum Parallelen erkennbar. Damit kann keinesfalls behauptet werden, dass die Vorschriften eine bloße Fortführung der rheinischen bzw. französischen Han­ delsgerichtsbarkeit waren. Dennoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass große Teile des Code de commerce übernommen wurden. Das Gesetz von 1847 kam in der Folge nicht zur Ausführung. Bei den Verhandlungen darüber wurden einige Vorschriften als unzweckmäßig ange­ sehen544. Des Weiteren befürchtete man, dass allgemeine Handelsgerichte erst dann erfolgreich das preußische Gerichtswesen bereichern könnten, wenn ein neues Handelsgesetzbuch für das materielle Handelsrecht erlassen werden würde, was zu diesem Zeitpunkt bereits in Aussicht gestellt wurde545. Die Ausführungen haben aber gezeigt, dass man sich mit dem Code de com­ merce auseinandergesetzt hatte und Teilbereiche der französischen/rheini­ schen Handelsgerichte auch die preußischen Gesetzgeber der damaligen Zeit überzeugten. d) Der Entwurf eines HGB für die Preußischen Staaten Da die Einführung der Handelsgerichte vor allem am Fehlen eines umfas­ senden materiellen Handelsgesetzbuchs scheiterte, sollte ein entsprechendes Gesetzeswerk für ganz Preußen geschaffen werden. Das führte zu zwei Ent­ würfen, bei deren Fassung insbesondere auch die Kaufleute der bedeutenden Handelsstädte beteiligt waren546. Der zweite preußische Entwurf eines Handelsgesetzbuchs von 1857 (PEHGB) diente später auch als Grundlage für die Erstellung eines Allge­ meinen Handelsgesetzbuches (ADHGB) für alle Einzelstaaten des deutschen Bundes547. Das letzte (6.) Buch des preußischen Entwurfs sah die Einrich­ tung von Handelsgerichten vor548. Eine Beratung über diesen Teil fand aber 544  Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Mo­ tive), S.  526 f. 545  Ebd., S.  526 f. 546  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 117 f. 547  Entwurf eines Handelsgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1. Teil. Im Folgenden: PEHGB. 548  Vgl. dazu Entwurf eines Handelsgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1. Teil, S. 185 ff. bzw. die nachfolgenden Ausführungen.

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im Rahmen der entsprechenden Konferenz zum ADHGB nicht statt, weshalb er auch nicht in das ADHGB aufgenommen wurde, wie die Ausführungen im nächsten Kapitel zeigen werden549. Die Untersuchung des 6. Buches des preußischen Entwurfs von 1857 ist aus zwei Gründen interessant: Zum einen stellt sich die Frage, inwiefern man die Vorschriften des Gesetzes von 1847, die anderen deutschen Gerichtsord­ nungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und das in der Rheinprovinz geltende Recht berücksichtigt hat. Noch konkreter gefragt: Basierte der Ent­ wurf auch auf dem französischen Recht? Zum anderen ist die Darstellung wichtig, um herauszuarbeiten, ob die Handelsgerichte, die in deutschen Staa­ ten zwischen der Ausführung des ADHGB und dem GVG neu errichtet wurden und im nächsten Kapitel untersucht werden, auf dem Entwurf auf­ bauten, obwohl das 6. Buch des PEHGB später nicht in das ADHGB auf­ genommen wurde. Der Gesetzesentwurf enthält Motive zu den einzelnen Vorschriften und gibt deshalb Auskunft darüber, an welchen Stellen man sich an bestehenden Normen orientiert hatte und welche eigenen Vorstellungen Berücksichtigung fanden550. aa) Besetzung Die Organisation der Handelsgerichte nach dem PEHGB basierte auf den französischen Handelsgerichten. In den Motiven zum Entwurf wird an den einschlägigen Stellen allerdings stets auf die rheinischen Vorschriften (rhei­ nisches HGB) verwiesen, die exakt dem französischen Original entspra­ chen551. Eine Begründung dieser Vorgehensweise gibt es nicht. Vermutlich sträubte man sich dagegen, ganz offen die französischen Vorschriften zu ver­ wenden, da die Ordnung sonst deutlich als eine modifizierte Nachahmung dieses Systems gegolten hätte, was den Beschluss des Entwurfes erschwert hätte, da man es dann möglicherweise als kein preußisches Produkt angese­ hen hätte. Wie in Art. 615 Code de commerce sollte auch gemäß Art. 971 des PEHGB nicht starr für jeden Bezirk der ordentlichen Gerichte ein Handelsgericht er­ öffnet werden552. Vielmehr hing die Einrichtung selbständiger Handelsge­ richte von dem Bedürfnis des jeweiligen Gerichtsbezirkes ab, vgl. Art. 971 PEHGB. Ein Antrag der Kaufmannschaft bzw. der Handelskammer, wie das 549  Vgl.

S. 219 f. eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Mo­ tive), S.  526 ff. 551  Ebd., S.  526 ff. 552  Ebd., S. 527. 550  Entwurf



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im Gesetz von 1847 vorgesehen war, war nicht mehr nötig553. Die Entschei­ dung, in welchen Bezirken Handelsgerichte eingerichtet werden sollten, ob­ lag wie in Frankreich ausschließlich dem Staat. In den Gerichtsbezirken, in denen ein solches Bedürfnis fehlte, sollten ebenso die ordentlichen Zivilge­ richte an die Stelle der Handelsgerichte treten554. Die Sondergerichtsbarkeit in Handelssachen sollte auf die erste Instanz beschränkt bleiben und in zweiter Instanz die ordentlichen Gerichte entschei­ den, vgl. Art. 973 des Entwurfs. Insbesondere war nicht vorgesehen, dass in zweiter Instanz Kaufleute als Richter hinzugezogen werden sollten555. Be­ gründet wurde das beispielsweise damit, dass im Rheinland zu keinem Zeit­ punkt ein entsprechendes Bedürfnis aufgetreten war. Ferner würde die Sach­ verhaltsaufklärung, zu der die Einschätzung der Kaufleute relevant war, in erster Instanz schon erfolgen. (1) Entscheidung gegen die rein kaufmännische Besetzung Wie bei den in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründeten Han­ delsgerichten in Deutschland sah Art. 975 PEHGB eine gemischte Richter­ bank mit mindestens einem Juristen (Vorsitzender) und mindestens vier Kaufleuten (Handelsrichter) vor. Das entsprach dem sogenannten deutschen System, das sich mittlerweile bei den deutschen Sondergerichten in Handels­ sachen durchgesetzt hatte. Die Motive zum Entwurf geben Auskunft darüber, was gegen das franzö­ sische System (Art. 617 ff. Code de commerce), also die rein kaufmännische Besetzung der Gerichte, sprach556: Es wird angeführt, dass nur durch die Verbindung kaufmännischer Sachkunde mit Rechtskenntnissen die Aufgabe eines Handelsgerichts erfüllt werden könnte. Insbesondere würde es den Kaufleuten an der Fähigkeit fehlen, Fragen des Zivilrechts, mit dem das Handelsrecht eng verknüpft sei, zu klären. Gleiches gelte für prozessuale Fragen bzw. die Prozessführung, die nur von einem rechtskundigen Richter als Vorsitzenden gehandhabt werden könnte. Dass das in Frankreich nicht unbedingt nötig war, wurde darauf zurückgeführt, dass dort das Handelsrecht bereits vor dem Code de commerce in relativ ähnlicher Verfassung bestanden 553  Diese Abhängigkeit von einem Antrag schien dem Gesetzgeber unpraktisch, siehe ebd., S. 527. 554  Vgl. dazu Art. 975 PEHGB mit Art. 640 Code de commerce. 555  Diesbezüglich wollte man die Entwicklung bei den dann eröffneten Handelsge­ richten außerhalb des Rheinlands abwarten, siehe Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Motive), S. 528 f. Siehe zum Folgenden auch ebd., S.  528 f. 556  Vgl. hierzu und zum Folgenden ebd., S. 529 ff.

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hatte und deshalb „[…] im Volke längst Wurzel gefaßt und die Rechtsbildung im Handelstand verbreitet [war]“557. Darüber hinaus sei das französische Zivilrecht einfacher, die französischen Gerichte mit der Prozessführung we­ niger betraut und ferner für die Vollstreckung der Urteile nicht kompetent558. Dennoch ordnete Art. 975 des Entwurfs an, dass ebenso eine rein kauf­ männische Besetzung zugelassen werden konnte. Auf diese Weise sollte ge­ währleistet werden, dass die Handelsgerichte der Rheinprovinz auch weiter­ hin in der Besetzung des französischen Systems fortbestehen könnten559. Ferner wurde so die Möglichkeit eröffnet, bei Bedarf die rheinische bzw. französische Besetzung auch außerhalb des Rheinlands einzuführen. Das zeigt, dass der preußische Gesetzgeber das französische System nicht als grundsätzlich schlecht oder falsch bewertete, aber dennoch nicht bevorzugte. (2) Beschlussfähigkeit Die Gerichte sollten gemäß Art. 975 PEHGB mit drei Richtern beschluss­ fähig sein, wobei zwei davon Kaufleute sein mussten. Alle Richter sollten gemäß dieser Vorschrift ein gleiches Stimmrecht haben. Hinsichtlich der Vorschrift zur Beschlussfähigkeit berief sich der Gesetzgeber auf die guten Erfahrungen, die in Hamburg und Bremen mit dieser Besetzung gemacht wurden, wo man wiederum die Anzahl der nötigen Richter dem französi­ schen Recht entnommen hatte560. Man entschied sich gegen die höhere An­ zahl von fünf Personen, die beim Braunschweiger Handelsgericht galt561. Durch die höhere Beteiligung würden zu viele Kaufleute für die Richterpos­ ten in Anspruch genommen werden und es würde damit eine zu hohe Belas­ tung für die ortsansässige Kaufmannschaft entstehen562. Diese Argumentation scheint schlüssig, da die Kaufleute die Tätigkeit als Handelsrichter überwie­ gend neben ihrem Beruf ausübten. Wie sich im Entwurf von 1847 bereits angedeutet hatte, entfernte sich der preußische Gesetzgeber von seiner bishe­ rigen Rechtslage zur Beteiligung von Kaufleuten bei Gericht, da diese bis dahin bei den besonderen Einrichtungen lediglich beratend tätig waren. Bei den Gerichten sollten gemäß Art. 978 des Entwurfes stellvertretende kaufmännische Richter ernannt werden, auf die zurückgegriffen werden sollte, um unter Umständen die erforderliche Mindestanzahl herstellen zu 557  Ebd.,

S. 531. S. 531. 559  Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 531. 560  Ebd., S. 532. Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 137 und S. 152. 561  Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 162. 562  Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Mo­ tive), S. 532. 558  Ebd.,



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können. Man verzichtete, wie in Bremen und Braunschweig, auf die Be­ zeichnung „Suppleant“ für die aus dem französischen Recht kommende Po­ sition. (3) Wahlfähigkeit der Kaufleute Die Wahlfähigkeit der Kaufleute wurde nahezu vollständig dem französi­ schen Recht übernommen: Art. 977 PEHGB: „Aus dem Handelsstande kann zum Richter nur bestellt werden, wer am Sitze des Handelsgerichts wohnt, mindestens dreißig Jahre alt ist, sich im Vollgenusse der bürgerlichen Ehrenrechte befindet, und entweder seit mindestens fünf Jahren ein Handelsgeschäft selbständig betreibt, oder ein solches früher min­ destens fünf Jahre lang selbständig betrieben hat und zur Zeit kein anderes Gewer­ be betreibt.“

Die Anforderungen an die wählbaren Kaufleute entsprachen Art. 620 Code de commerce563. Der Gesetzgeber schloss sich der bisherigen Gesetzgebung im Rheinland an, ohne das genauer zu begründen564. Die einzige Vorausset­ zung, die dem PEHGB im Vergleich zum französischen Recht fehlte, war das besonders gute Ansehen der potentiellen Richter im örtlichen Kaufmanns­ stand. Dass die Aufnahme dieses Kriteriums keinen Mehrwert brachte, wurde bereits an anderer Stelle erörtert565. Dass die Übernahme der Voraussetzungen zur Wahlfähigkeit nicht weiter begründet wird, überrascht dennoch, wenn man sich die Rechtslage in Preu­ ßen mit Ausnahme des rheinischen Rechts betrachtet. So galt bis dahin bei den Sondereinrichtungen der Seestädte, dass Kaufleute mit Ende ihrer kauf­ männischen Tätigkeit auch bei Gericht ausschieden566. In den Motiven zum PEHGB hingegen wird die Zweckmäßigkeit der Berücksichtigung von ehe­ maligen Kaufleuten als „von selbst einleuchtend“ angesehen567. Die Rege­ lungen standen also bis dahin im Kontrast. Das zeigt jedoch, dass der ­preußische Gesetzgeber bereit war, zumindest teilweise eigene Regelungen preußischen Ursprungs für die Übernahme des rheinischen Rechts mit fran­ zösischer Herkunft gänzlich aufzugeben. Dadurch wäre eine vollkommen gegensätzliche Rechtslage geschaffen worden.

563  Siehe

das wörtliche Zitat auf S. 94 f. eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Mo­ tive), S. 533. 565  Vgl. dazu die Ausführungen zur BHGO auf S. 153. 566  Vgl. S. 197 f. 567  Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Mo­ tive), S. 533. 564  Entwurf

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

(4) Wahl der Handelsrichter Auch die Vorschriften zur Wahl der Handelsrichter basierten auf dem f­ranzösischen Recht und wurden nur vereinzelt modifiziert. Wahlberechtigt waren die angesehensten Kaufleute des Bezirks (Notabeln), vgl. Art. 979 PEHGB und Art. 618 Code de commerce. Lediglich hinsichtlich der Anzahl der Wähler wurde in Art. 979 des Entwurfs eine im Vergleich zum französi­ schen Recht flexiblere Regelung geschaffen, die darüber hinaus noch dem Handelsstand mehr Befugnisse verlieh. Während die französische Vorschrift die Zahl der Wähler ohne Obergrenze streng anhand der Einwohner des je­ weiligen Bezirkes bestimmte, regelte Art. 979 PEHGB, dass die Wählerschaft zwischen 25 und 100 Notabeln liegen sollte. Die tatsächliche Anzahl sollte dann für jeden Bezirk individuell bestimmt werden. Damit würde vermieden werden, dass die Anzahl in großen Städten in unvernünftige bzw. unnötige Höhe getrieben werden würde bzw. in kleineren Städten mit starkem Han­ delsverkehr zu wenig Wähler zur Verfügung stünden568. Die Wählerschaft setzte sich gemäß Art. 979 PEHGB wie folgt zusammen: „Wahlberechtigt sind die Vorsteher und Ältesten der Kaufmannschaft, sowie die Mitglieder der Handelskammer. Die übrigen Wähler ernennt die Bezirksregierung auf den Vorschlag der Vorsteher der Kaufmannschaft oder der Handelskammer.“

Die Vorschrift zeigt eine Abweichung zur französischen Regelung, die die Auswahl der Wähler der Regierung überlies569. Wer zu den angesehensten Kaufleuten (Notablen) gehörte, wurde nach dem PEHGB überwiegend vom Kaufmannsstand selbst und nicht von der Regierung entschieden. Begründet wurde die dem Kaufmannsstand gewährte Mitwirkung bei der Aufstellung der Wähler damit, dass man den ortsansässigen Kaufleuten eine bessere Kenntnis zusprach, welche Personen aus ihrem Berufsstand geeignet wa­ ren570. Dennoch würde der Staat durch diese Regelung nicht vollkommen die Aufsicht über die Bestimmung der Handelsrichter verlieren571. Die Vorschriften zum Wahlprozedere beruhten auf Art. 621 Code de com­ merce572. Ganz bewusst verzichtete der Gesetzgeber auf die erstmals in Art. 3 HHGO und dann auch in § 9 BHGO festgelegte Regelung, nach der die ge­ wählten Personen grundsätzlich das Amt zwingend annehmen mussten. Das 568  Ebd.,

S.  533 f. S. 94. 570  Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Mo­ tive), S. 534. 571  Ebd., S. 534. 572  Sie waren lediglich etwas detaillierter, vgl. Art. 979 f. PEHGB. Siehe hierzu und zum Folgenden den Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staa­ ten, 2. Teil (Motive), S. 534. 569  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit209

Motiv hinter dieser Entscheidung war, dass von einem Kaufmann, der kein Interesse an der Tätigkeit als Handelsrichter hatte, keine fruchtbare Arbeit als solches zu erwarten war bzw. Ablehnungen ohnehin nicht abzusehen waren, da das Richteramt als ehrenhafte Auszeichnung galt573. Die Amtszeit der gewählten Richter und deren Stellvertreter sollte gemäß Art. 982 PEHGB vier Jahre und damit zwei Jahre mehr als im französischen Recht betragen (Art. 622 f. Code de commerce). Gerechtfertigt wurde die Erhöhung damit, dass die Kaufleute so mehr Erfahrung als Richter sammeln konnten574. Das Rotationsprinzip des Code de commerce wurde übernom­ men, sodass alle zwei Jahre die Hälfte der kaufmännischen Richter ausschei­ den und neu gewählt werden sollte, vgl. Art. 982 PEHGB. Eine Wiederwahl war gemäß dieser Vorschrift unmittelbar möglich. Von der Beschränkung des Code de commerce, nach dem eine solche erst nach einem Pausenjahr gestat­ tet war, wurde bewusst Abstand genommen575. Dem preußischen Gesetzge­ ber erschien es sinnvoller, Kaufleute, die bereits Erfahrung als Handelsrichter gesammelt hatten und in dieser Position das Ansehen der ortsansässigen Kaufleute besaßen, ohne Pausen möglichst lange im Amt zu halten, auch um eine beständige Rechtsprechung gewährleisten zu können. (5) Einrichtungen bei den ordentlichen Gerichten Art. 985 PEHGB enthielt eine Regelung, die die anschließend eintretende Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland ganz maßgeblich beeinflussen wird. Die Vorschrift nahm Bezug auf Art. 974 PEHGB, wonach an den Orten, an denen es keine selbständigen Handelsgerichte gab, die or­ dentlichen Gerichte für Handelsstreitigkeiten zuständig sein sollten. Damit stimmte die Gesetzeslage noch mit der AllGOPrS und dem französischen Recht überein. Die Besonderheit des Art. 985 PEHGB lag darin, dass eigene Abteilungen für Handelssachen gegründet werden konnten, bei denen ein Kaufmann oder mehrere Kaufleute als Richter mit unbeschränktem Stimmrecht fungierten. Für deren Bestellung galten die Vorschriften für die Handelsrichter bei den Handelsgerichten. Das beruhte einerseits auf der Überlegung, auf diese Weise auch ohne selbständige Handelsgerichte auf die Besonderheiten des Handels­ prozesses eingehen zu können576. Andererseits sollten die Abteilungen unter Umständen an Orten, an denen Sondergerichte für Handelssachen fremd 573  Ebd.,

S. 534. S. 535. 575  Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 535. 576  Ebd., S. 537. 574  Ebd.,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

waren, den Übergang zu solchen selbständigen Spruchkörpern vermitteln bzw. vorbereiten können577. Diese Einrichtungen stellen möglicherweise den Ursprung der heutigen Kammern für Handelssachen dar, was im weiteren Verlauf der Arbeit noch erörtert werden muss. So wären sie, falls der Entwurf umgesetzt worden wäre, die ersten besonderen Abteilungen bei ordentlichen Gerichten gewe­ sen, bei denen Kaufleute als Richter mit Stimmrecht hinzugezogen worden wären. Zuvor gab es zwar schon besondere Abteilungen für Handelssachen, beispielsweise in Preußen. Allerdings waren die Kaufleute dort nur als Bera­ ter ohne Stimmrecht tätig578. Dennoch sollten diese Abteilungen des Entwur­ fes nicht identisch mit den heutigen Kammern für Handelssachen sein. Ins­ besondere war im PEHGB nicht die Besetzung mit zwei Kaufleuten und ei­ nem Juristen, sondern eine flexiblere Ausgestaltung hinsichtlich der Anzahl der Handelsrichter vorgesehen. Es kann jedoch an dieser Stelle festgehalten werden, dass diese Vorschrift möglicherweise den Grundstock für die spätere Entwicklung hin zu den Kammern für Handelssachen gesetzt hat. (6) Resümee Die Vorschriften des PEHGB zur Besetzung basierten auf dem französi­ schen Recht, was sich anhand des Gesetzestextes und der Motive der Gesetz­ geber eindeutig darstellen lässt. Mit Ausnahme der Ablehnung der rein kaufmännischen Besetzung für die Gerichtsbezirke außerhalb des Rheinlands wurde nur an wenigen Stellen vom Code de commerce abgewichen. Derar­ tige Modifikationen finden sich insbesondere dort, wo sich in der Praxis des Rheinlands und in Frankreich gezeigt hatte, dass einzelne Regelungen einer Verbesserung unterzogen werden mussten. Es wird aber auch einmal mehr deutlich, dass die französischen Handelsgerichte an vielen Stellen der Maß­ stab für die Handelsgerichtsbarkeit der einzelnen deutschen Staaten waren, selbst in solchen, die nicht einmal zum Rheinbund gehört hatten. So sollten in Preußen erstmals Kaufleute als Richter und nicht lediglich als Berater fungieren. Ferner finden sich Vorschriften zur Besetzung, die dem preußi­ schen Recht bis dahin fremd waren und dem französischen Recht entstam­ men, wie etwa die Wahl der Handelsrichter, besondere Anforderungen an diese oder auch die Rotation. An dieser Stelle ist also ein französischer Ein­ fluss deutlich nachweisbar. Teilweise ähnelten die Vorschriften dem französi­ schen Original sogar mehr als in den norddeutschen Handelsgerichtsordnun­ gen. 577  Vgl. 578  Vgl.

ebd., S. 537. dazu S. 192 ff.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit211

bb) Zuständigkeit Auch die Begründungen des Gesetzgebers zur Zuständigkeit belegen, dass man sich nicht nur mit den französischen bzw. rheinischen Vorschriften aus­ einandergesetzt hatte, sondern vielmehr diese und teilweise auch die franzö­ sisch-beeinflussten deutschen Handelsgerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts als Grundlage für den Entwurf verwendet und lediglich modifiziert hatte579. (1) Grundprinzip Auf diesen Ordnungen aufbauend wurden Normen geschaffen, die teil­ weise vom französischen Gesetz abwichen, was bereits die Grundvorschrift zur Zuständigkeit belegt: Art. 987 PEHGB: „Zur Kompetenz der Handelsgerichte gehören alle Klagen gegen Kaufleute aus Handelsgeschäften derselben.“

Die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte sollte gemäß Art. 987 des Entwurfes grundsätzlich durch ein sachliches (Klagen aus Handelsgeschäf­ ten) und ein personelles Kriterium (Klagen gegen Kaufleute) bestimmt wer­ den. Ganz bewusst wandte sich der Gesetzgeber von Art. 631 Code de com­ merce ab, nach dem die Zuständigkeit entweder durch das Vorliegen einer sachlichen oder alternativ einer personellen Voraussetzung begründet war580. Er entschied sich auch gegen die Zuständigkeitsvorschriften der HHGO, BHGO und des Gesetzes von Braunschweig, die nur sachliche Kriterien auf­ stellten. Gegen die weit gefasste französische Regelung und diejenigen der nord­ deutschen Städte bzw. Staaten wurden vom Gesetzgeber vor allem praktische Bedenken vorgebracht581. Deshalb fasste er die Zuständigkeit grundsätzlich enger, indem er zumindest die Kaufmannseigenschaft des Klagegegners for­ derte. Wer nach dem PEHGB als Kaufmann galt, bestimmte ein Katalog in Art. 2, wobei Handelsgesellschaften sowie Aktiengesellschaften, die Handel betrieben, Kaufleuten gleichgestellt waren, vgl. Art. 3 PEHGB. Es wurde in den Motiven zur Grundnorm der Zuständigkeit angeführt, dass Handelsge­ richte Spezialgerichte waren und damit grundsätzlich nur die Streitigkeiten entscheiden sollten, bei denen die Besonderheiten des Handelsverkehrs be­ rücksichtigt werden mussten. Durch eine zu weit gesteckte Zuständigkeits­ regelung würden auch Streitigkeiten vor die Handelsgerichte kommen, bei 579  Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Mo­ tive), S.  537 f. 580  Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 537 f. 581  Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 537 f.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

denen die Expertise der kaufmännischen Richter nicht nötig wäre. Dies hätte aber zur Folge, dass die ehrenamtlichen Handelsrichter, die unentgeltlich tätig waren und durch das Amt Einbußen für ihr eigenes Geschäft hinnehmen mussten, unnötigerweise zu stark eingespannt werden würden, beispielsweise bei Klagen gegen Nichtkaufleute, die ausnahmsweise ein einzelnes Handels­ geschäft abschlossen. Für die Aufnahme der personellen Voraussetzung wurde weiterhin argumentiert, dass es dem Charakter der Handelsgerichte entsprechen würde, wenn grundsätzlich nur Kaufleute vor diesen verklagt werden könnten, da die Handelsrichter, die bei der Entscheidung die Mehr­ zahl der Richter bilden sollten, nur vom Kaufmannsstand gewählt wurden. Die kombinierte Zuständigkeitsregelung war keine Neuerung in den deut­ schen Staaten, sondern bestand beispielsweise bereits in der LHGO oder der bayerischen Gesetzgebung. In der Rheinprovinz hingegen sollte laut der Gesetzesbegründung die Zuständigkeitsvorschrift des französischen Rechts aufrechterhalten werden. (2) Begriff des Handelsgeschäfts Der Code de commerce und die Handelsgerichtsordnungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmten den Begriff des Handelsgeschäfts im Kapitel der Zuständigkeit anhand eines Kataloges, so beispielsweise in Art. 632 ff. Code de commerce oder Art. 10 ff. HHGO582. Der PEHGB wen­ dete sich von dieser Systematik ab, indem er in den Art. 211 ff. die Handels­ geschäfte in einem eigenen Buch (3. Buch) im materiellen Teil des PEHGB normierte. Gerechtfertigt wurde die Abweichung vom französischen Recht damit, dass der Begriff nicht nur prozessuale, sondern auch materiell-recht­ liche Relevanz hätte, indem die Anwendung der Regeln des Handelsgesetz­ buchs ganz allgemein vom Vorliegen eines Handelsgeschäfts abhängen sollte583. Die Handelsgeschäfte definierte Art. 211 Abs. 1 PEHGB sehr allge­ mein: „Als Handelsgeschäfte sind alle einzelnen Geschäfte eines Kaufmanns anzusehen, in welchen entweder sein Gewerbe besteht, oder durch welche dasselbe möglich gemacht oder befördert wird.“

Eine derart unkonkrete Regelung sahen weder der Code de commerce noch die entsprechenden Vorschriften für die Handelsgerichte in den nord­ deutschen Städten vor. Die größte Diskrepanz von den genannten Gesetzen lag insbesondere darin, dass durch die Vorschrift erstmals auch die Verkäufe

582  Vgl.

dazu die S. 97 f.; S.  142 f. eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Mo­ tive), S. 101. 583  Entwurf



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit213

von Waren eines Kaufmanns an Konsumenten erfasst waren584. Damit konnte ein Konsument einen Kaufmann wegen eines solchen Geschäfts vor dem Handelsgericht verklagen. Der Gesetzgeber verzichtete im Anschluss darauf, in einem Katalog ein­ zelne Geschäfte aufzuzählen, die unter die Definition fallen sollten, da es sich seiner Meinung nach regelmäßig aus der Natur des Geschäfts selbst er­ geben würde, ob es zum Gewerbe eines Kaufmanns gehörte oder nicht585. Damit brach man mit der Systematik, die im Code de commerce und zahlrei­ chen deutschen Handelsgerichtsordnungen dominiert hatte586. Für die Fälle, in denen nicht offensichtlich war, ob sie zum Gewerbe eines Kaufmanns gehörten, wurde in Art. 211 Abs. 2 PEHGB die Vermutung aufgestellt: „Die von einem Kaufmann geschlossenen Verträge gelten in Beziehung auf ihn für Handelsgeschäfte, wenn nicht das Gegentheil erwiesen wird.“

Bis dahin erwecken die Vorschriften zum Begriff des Handelsgeschäfts den Eindruck, dass sich der preußische Gesetzgeber diesbezüglich vom fran­ zösischen bzw. rheinischen Recht vollkommen abwandte. Dennoch finden sich auch bewusst rezipierte Normen587: So entsprach beispielsweise Art. 211 PEHGB ausdrücklich Art. 638 Hs. 2 Code de com­ merce, nach denen Geschäfte für den Privatgebrauch eines Kaufmanns, bei­ spielsweise der Kauf von Waren, nicht zu den Handelsgeschäften zählten. Abschließend normierte Art. 212 PEHGB noch Handelsgeschäfte, die nicht zwingend von Kaufleuten stammten. In Bezug auf die Zuständigkeit der Handelsgerichte verdeutlicht die Vorschrift das Zusammenspiel des PEHGB aus Übernahme französischer Vorschriften und eigener gesetzgeberischer Leistung: „Handelsgeschäfte sind auch in Betreff von Nichtkaufleuten: der Kauf und die Miethe beweglicher Sachen, um sie weiter zu verkaufen oder zu vermiethen; die Uebernahme einer Lieferung von Waaren oder andern beweglichen Sachen, welche der Uebernehmer zu diesem Zweck anschafft; die durch das Wechselrecht bestimmten Geschäfte; die Versicherung gegen Prämie.“

584  Ebd.,

S. 102. S. 102. 586  Vgl. zum französischen Recht S.  97; zu Hamburg S.  142; zu Bremen S. 155. 587  Hierzu und zum Folgenden Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußi­ schen Staaten, 2. Teil (Motive), S. 102. 585  Ebd.,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Die genannten Geschäfte entsprachen einzelnen Nummern in Art. 632 Code de commerce, Art. 10 HHGO und auch § 18 BHGO, die ebenso Han­ delsgeschäfte definierten. Es lässt sich jedoch an dieser Stelle beispielhaft aufzeigen, dass die Zuständigkeit bei den preußischen Gerichten enger ge­ fasst sein sollte. So wurden die aufgezählten Geschäfte nach den französi­ schen bzw. norddeutschen Ordnungen unabhängig der Kaufmannseigenschaft der Parteien vor dem Handelsgericht prozessiert. In Preußen hingegen sollten die genau gleichen Geschäfte gemäß Art. 986 PEHGB nur dann vor den Handelsgerichten verhandelt werden, wenn im konkreten Fall der Beklagte Kaufmann war. (3) Zuständigkeit in weiteren Fällen Die Art. 987, 988 des Entwurfes nannten Rechtsgeschäfte bzw. „Rechtsan­ gelegenheiten“, die unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzung der Grund­ norm des Art. 986 von den Handelsgerichten entschieden werden sollten. Erfasst waren überwiegend Streitigkeiten, die zwischen Personen auftraten, die den Handelsverkehr ausmachten, beispielsweise Streitigkeiten von Kauf­ leuten gegen ihre Angestellten (Art. 987 Nr. 2 PEHGB), Streitigkeiten unter Gesellschaftern einer Handelsgesellschaft (Art. 987 Nr. 1 PEHGB) oder auch Streitigkeiten aus den Rechtsverhältnissen der Reeder, Schiffer und der Schiffsmannschaft untereinander, vgl. Art. 987 Nr. 6. In diesen Fällen waren die Beklagten typischerweise keine Kaufleute bzw. es lag in sachlicher Hin­ sicht kein Handelsgeschäft vor. Sie sollten dennoch vor den Handelsgerichten verhandelt werden, da sie „[…] ausschließlich dem Gebiete des Handels an­ gehören und schon an und für sich so eigenthümlich gestaltet sind oder so eng mit dem Betreibe des Handelsgewerbes zusammenhängen, daß ihre ­Ueberweisung an die Handelsgerichte, ohne Rücksicht auf die persönliche Qualität der Betheiligten, sich als ein Bedürfnis darstellt“588. Systematisch waren solche Ausnahmen von einer Grundvorschrift zur Zu­ ständigkeit bereits im Code de commerce (Art. 634 f.) oder der HHGO (Art. 13) verankert. Inhaltlich zeigen sich teilweise Unterschiede: So wurden beispielsweise Streitigkeiten unter Handelsgesellschaftern aus dem Gesell­ schaftsvertrag nach französischem Recht ausschließlich vor Schiedsgerichten entschieden, vgl. Art. 51 ff. Code de commerce589. Dennoch sind auch Ge­ meinsamkeiten erkennbar, etwa die Klagen eines Kaufmanns gegen seine Angestellten590.

588  Ebd.,

S. 541. Entscheidung des preußischen Gesetzgebers siehe ebd., S. 541. 590  Vgl. dazu Art. 634 Code de commerce. 589  Zur



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit215

(4) Resümee Die Vorschriften des PEHGB zur Zuständigkeit bestätigen erneut die Ge­ genwärtigkeit des französischen Rechts in Preußen. So wurde in den Motiven bei nahezu jeder Norm erläutert, warum man sich überwiegend für oder ge­ gen eine Übernahme entschied. Im Gegensatz zur Besetzung zeigen sich aber deutlich mehr Abweichungen vom französischen Original591. Die Normen waren ein Zusammenspiel aus französischem und deutschem Recht. Die Voraussetzung, dass der Beklagte ein Kaufmann sein musste, entstammte ­ dem deutschen Recht. Allerdings bediente man sich bei der konkreten Aus­ gestaltung der Zuständigkeit ebenso an Elementen des Code de commerce. Außerdem ist zu beachten, dass in Abgrenzung zu den bestehenden Ein­ richtungen der Seestädte die neuen Spruchkörper lediglich rechtsprechend tätig sein sollten. Außerdem sollten sie nicht mehr nur für Teilbereiche, son­ dern allgemein für alle Handelsstreitigkeiten zuständig sein. Dabei war ge­ plant, dass die Handelsgerichtsbarkeit in Preußen, mit Ausnahme kleinerer Abweichungen für die Rheinprovinz, wie in Frankreich durch einheitliche Handelsgerichte ausgeübt werden würde. Auch diese gesetzgeberischen Ziele wurden erstmals im Code de commerce aufgenommen und hatten sich von dort aus nun auch in Preußen ausgebreitet. Unberücksichtigt blieb die erstmals in Braunschweig aufgekommene Be­ schränkung hinsichtlich des Streitwerts592. Es sollten damit auch Streitigkei­ ten mit geringem Wert vor die Handelsgerichte gebracht werden können. Als Hauptargument wurde vorgebracht, dass auch in eher unbedeutenden Streit­ sachen komplexe Fragen des Handelsrechts bzw. Handelsverkehrs auftreten könnten593. Ferner würde man sonst Kaufleute mit kleineren Geschäften be­ nachteiligen. cc) Verfahren Der Preußische Gesetzgeber entschied sich, keine eigenständige Prozess­ ordnung für die Handelsgerichte zu schaffen, sondern als Grundlage die Vorschriften der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten heranzuziehen594. Anders als beispielsweise in der HHGO war das möglich, 591  Die Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit waren davon ausgenommen. Hier zeigen sich überwiegend Parallelen, vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Motive), S. 546. 592  Vgl. S. 165 f. 593  Hierzu und zum Folgenden Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußi­ schen Staaten, 2. Teil (Motive), S. 559. 594  Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 549.

216

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

da das Verfahren in Preußen zum Zeitpunkt der Erstellung des Entwurfs be­ reits mündlich und öffentlich war. Man erkannte jedoch, dass dennoch an einzelnen Stellen Anpassungen für die Handelsgerichte notwendig waren, um den Eigenheiten des Handelsverkehrs und der Streitigkeiten in Handels­ sachen Rechnung zu tragen. Die modifizierte Eingliederung des Handelsver­ fahrens in den Zivilprozess war ein aus dem französischen Recht stammender Gedanke, wie an einigen Stellen dieser Arbeit bereits deutlich wurde595. Systematisch orientierte man sich an der BHGO und dem untersuchten Braunschweiger Gesetz, indem man die Allgemeine Gerichtsordnung unan­ getastet ließ und in den Art. 1000 ff. des Entwurfes spezielle Regelungen für den Prozess in Handelssachen aufstellte, die vom Zivilprozess abwichen596, um das Verfahren zu beschleunigen, vgl. auch Art. 1002 PEHGB. (1) Gemeinsamkeiten zum französischen Recht In den Motiven zum Entwurf wird ausdrücklich dargelegt, dass für den Entwurf einige Bestimmungen des französischen bzw. rheinischen Handels­ prozesses übernommen wurden597. Dazu gehörte beispielsweise Art. 1003 PEHGB, nach dem die Parteien nicht zwingend selbst erscheinen, sich dann allerdings durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen mussten. Eine an­ waltliche Vertretung war grundsätzlich nicht vorgesehen. Ein weiteres Bei­ spiel für die bewusste Übernahme französischen Rechts stellt Art. 1004 des Entwurfes dar, nach dem das Gericht jederzeit anordnen konnte, dass die Parteien persönlich vor Gericht zu erscheinen hatten, vgl. Art. 428 Code de procédure civile oder Art. 26 HHGO. Ferner basierten die Vorschriften zum Schiedsverfahren (Art. 1046 ff. PEHGB) auf dem rheinischen bzw. französi­ schen Recht, das der Gesetzgeber lediglich an einigen Stellen veränderte598. Ein weiterer Gedanke, der nicht in den Entwurf aufgenommen wurde, sondern erst im entsprechenden Einführungsgesetz geregelt werden sollte, waren besondere Bestimmungen zur Appellation599. Darin sollten in gleicher Weise wie im rheinischen bzw. französischen Recht Spezialbestimmungen aufgenommen werden, die die Anmeldefrist der Appellation verkürzen, das Verfahren in zweiter Instanz beschleunigen und besondere Anforderungen an die Zulässigkeit der Einlegung stellen sollten. 595  So

beispielsweise in Bremen auf S. 157 f. hierzu die Ausführungen auf S. 157, S. 169. 597  Hierzu und zum Folgenden siehe Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 2. Teil (Motive), S. 549 ff. 598  Vgl. hierzu ausführlich ebd., S. 587 ff. Auf die freiwillige Schiedsgerichtsbar­ keit soll in der vorliegenden Arbeit nicht weiter eingegangen werden. 599  Hierzu und zum Folgenden ebd., S. 562. 596  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit217

(2) Abweichungen vom französischen Recht Der Großteil der speziellen Vorschriften des PEHGB zum Prozess zeigt allerdings keine Gemeinsamkeiten zu den französischen Regeln. Das lag einfach daran, dass sich der allgemeine preußische Zivilprozess und das fran­ zösische Pendant deutlich unterschieden. So waren beispielsweise im franzö­ sischen Recht Spezialvorschriften für das Rechtsmittel gegen Versäumnis­ urteile („Kontumazial-Erkenntnisse“) nötig600. Der Gesetzgeber stellte fest, dass diese auf den Eigenheiten des französischen bzw. rheinischen Rechts basierten, weshalb sie sich für den PEHGB nicht eigneten. Als weiteres Beispiel kann das in Art. 1012 ff. normierte Mandatsverfahren genannt werden, das dem französischen Recht fremd war. Es handelte sich um ein vom normalen Verfahren abzugrenzendes, abgekürztes Verfahren, das verhindern sollte, dass unstreitige Sachen vor Gericht verhandelt werden mussten601. Ob ein Mandatsverfahren stattfinden sollte, oblag allein der Ent­ scheidung des Gerichtsvorsitzenden, vgl. Art. 1012. Gedacht war es vor al­ lem für Zahlungsansprüche, die zwar offensichtlich bestanden, aber vom Schuldner aus irgendwelchen Gründen nicht beglichen wurden (Art. 1012 PEHGB). Der Vorsitzende sollte dann gemäß dieser Norm ohne mündliche Verhandlung einen Zahlungsbefehl erlassen602. Eine bestimmte Streitwert­ grenze war für diese Art des Verfahrens nicht vorgesehen. Es wurde deutlich, dass sich der preußische Gesetzgeber bezüglich des Verfahrens bei den Handelsgerichten mit dem französischen bzw. rheinischen Abläufen beschäftigt hatte. Es ist aber in der konkreten Ausgestaltung eine noch weitere Diskrepanz als bei den Vorschriften zur Zuständigkeit erkenn­ bar. Das liegt daran, dass man die Handelsgerichte in das bestehende, preu­ ßische Prozessrecht integrieren wollte, das vom französischen Zivilverfahren aber abwich. Deshalb war es notwendig, an anderen Stellen als der französi­ sche Gesetzgeber das Verfahren zu modifizieren. Und dennoch darf nicht verkannt werden, dass der Rückgriff auf das Zivil­ verfahren bei selbständigen Handelsgerichten ein Gedanke des französischen Rechts war. So hatten die deutschen Sondereinrichtungen des 18. Jahrhun­ derts für den Handel, insbesondere auch die preußischen Spruchkörper, ein eigenes abgeschlossenes und deshalb vom Zivilverfahren losgelöstes Pro­ zessrecht603. Wie bei den restlichen deutschen Handelsgerichten des 19. Jahr­ hunderts mit französischem Einfluss griff der preußische Gesetzgeber nicht 600  Hierzu

und zum Folgenden ebd., S. 561. S. 560. 602  Zu den Anforderungen an den Zahlungsbefehl siehe Art. 1013 des Entwurfes. 603  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 84. 601  Ebd.,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

auf diesen Grundsatz zurück und entschied sich damit gegen die deutsche und für die französische Systematik. dd) Resümee Die Ausführungen zum PEHGB haben gezeigt, dass der preußische Ge­ setzgeber beim Erstellen des Entwurfes das französische Recht berücksich­ tigte. Das ging sogar so weit, dass ein Teil des Entwurfs, nämlich die Vor­ schriften zur Besetzung und zur Zuständigkeit, auf dem Code de commerce basierten und teilweise lediglich angepasst wurden. Hinsichtlich des Verfah­ rens war die Grundlage das allgemeine preußische Prozessrecht und es wur­ den nur vereinzelt französische Grundsätze eingebaut, was sich bereits bei den norddeutschen Handelsgerichten gezeigt hatte604. Es mag verwundern, dass das französische Recht sogar hier Berücksichti­ gung fand, obwohl Preußen während der französischen Vormachtstellung in Europa nicht einmal zum Rheinbund gehörte. Jedoch beschäftigte sich der Gesetzgeber bei der Erstellung des PEHGB zum einen mit den deutschen Handelsgerichtsordnungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (HHGO, BHGO und Braunschweiger Gesetz von 1850). Diese waren geschlossen auf Grundlage des französischen Recht erlassen worden605. Zum anderen galt das französische Recht in seiner herkömmlichen Version in der preußischen Rheinprovinz und so ist es nicht verwunderlich, dass man sich an den Vor­ schriften, die bereits in einem Teil des Staates galten, orientierte. Einerseits um die Rechtsordnung zu vereinheitlichen. Andererseits waren die rheini­ schen Kaufleute mit ihrem Prozessrecht derart zufrieden, dass sie im Laufe des 19. Jahrhunderts immer wieder die Eröffnung weiterer Handelsgerichte forderten606. Die positiven Erfahrungen mit dem französischen Recht fanden im Gesetzgebungsverfahren Anerkennung. Dennoch bekannte man sich nicht offen dazu, dass man sich so intensiv an diesem orientierte. So stellte der Gesetzgeber in den Motiven stets auf das „rheinische Recht“ ab. Dass teil­ weise die direkte Übernahme des französischen Rechts verleugnet wurde, war bereits an anderen Stellen der Arbeit erkennbar607.

604  Vgl.

das Ergebnis auf S. 170. dazu auch das Ergebnis auf S. 170. 606  Siehe beispielshaft die Neugründung in Gladbach auf S. 128. 607  So beispielsweise in Hamburg, S. 136 oder Bremen, S. 152 ff. 605  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit219

e) Resümee zur Entwicklung in Preußen Betrachtet man nun die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit in Preu­ ßen außerhalb der Rheinprovinz im Laufe des 19. Jahrhunderts bis zu diesem Zeitpunkt, muss zwingend zwischen der reinen Gesetzeslage und den gesetz­ geberischen Bestrebungen differenziert werden: Die Gesetzeslage zeigt kei­ nen französischen Einfluss, da nicht einmal im Anschluss an die Einführung des ADHGB Handelsgerichte gegründet wurden, wie das nachfolgende Kapi­ tel zeigen wird608. Vielmehr wurden im untersuchten Zeitraum Veränderun­ gen vorgenommen, die mit dem französischen Recht in Kontrast standen, etwa die Eingliederung der selbständigen Gerichte bei den ordentlichen Ge­ richten. Die Vorschriften zu diesen Einrichtungen sowie die zur allgemeinen Handelsgerichtsbarkeit stammten im Wesentlichen aus dem 18. Jahrhundert. Deshalb fanden Elemente, die erstmals im Code de commerce aufgenommen worden waren, wie etwa die Wahl der kaufmännischen Vertreter oder deren Anforderungen, keine Berücksichtigung. Nimmt man jedoch die nicht ausgeführten Gesetze in die Betrachtung mit auf, wird deutlich, dass es in Preußen ganz konkret Bestrebungen gab, flä­ chendeckend Handelsgerichte zu eröffnen, die einige Elemente des Code de commerce beinhalteten. Deshalb kann ein Einfluss des französischen Rechts nachgewiesen werden, obwohl es tatsächlich nie zur Gründung entsprechen­ der Einrichtungen kam. In Preußen verlief die Entwicklung also nur ver­ meintlich in eine gegensätzliche Richtung als diejenige in den norddeutschen Städten bzw. Staaten und der Rheinprovinz.

III. Veränderungen und Neugründungen zwischen ADHGB und GVG Für die deutsche Handelsgerichtsbarkeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts ergibt sich folgendes Bild: Im Rheinland bestanden Handelsgerichte, die identisch mit denjenigen in Frankreich waren. In norddeutschen Staaten und Städten gab es einige Spruchkörper, die auf Grundlage des französischen Rechts gegründet worden waren, sich jedoch in ihrer konkreten Ausgestal­ tung nach und nach von diesem entfernten. In Preußen beabsichtigte man die Eröffnung von Einrichtungen, die auf den französischen Handelsgerichten basierten und damit wichtige Grundsätze des Code de commerce enthielten. In Bayern hingegen bestanden Wechsel- und Handelsgerichte, bei denen bloß bedingt ein französischer Einfluss nachgewiesen werden konnte. Lediglich in den restlichen Staaten bestanden zum Großteil keine selbständigen, allgemei­ 608  Siehe

dazu ausführlich S. 221.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

nen Handelsgerichte. Der Überblick macht deutlich, dass die deutsche Han­ delsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert von der Rezeption des französischen Rechts geprägt war. Es stellt sich nun aber die Frage, ob die Einführung des ADHGBs diese Situation veränderte oder ob weiterhin Handelsgerichte nach französischem Vorbild eröffnet wurden. Die im Folgenden untersuchte Zeitspanne umfasst den Beschluss des ADHGB 1861 bis zur Einführung des GVG 1877. Dieser Zeitraum muss von den Entwicklungen bis zur Hälfte des 19. Jahrhunderts getrennt betrachtet werden. Bis zum ADHGB gab es nämlich keine Vereinheitlichung des Han­ delsrechts und damit auch des Handelsprozessrechts in den deutschen Staa­ ten. Mit dem ADHGB wurde das materielle Recht in Deutschland vereinheit­ licht. Doch führte das auch zu einer Angleichung der Handelsgerichtsbarkeit? Wie oben bereits angesprochen wurde, basierte das ADHGB auf dem preu­ ßischen Entwurf eines HGB (PEHGB) von 1857. Im Rahmen der Konferen­ zen zum ADHGB wurde über das 6. Buch dieses PEHGB, das die Eröffnung von Handelsgerichten vorsah, nicht diskutiert, da die bisherigen Regelungen in den einzelnen Staaten zu große Unterschiede aufwiesen und damit eine Einigung aussichtslos schien609. Deshalb wurde der Vorschlag zurückgenom­ men und das ADHGB 1861 ohne Bestimmungen zu Handelsgerichten erlas­ sen und in der Folge in den einzelnen Staaten eingeführt610. Dennoch enthielt Art. 3 ADHGB eine indirekte Aufforderung an die Staa­ ten, Handelsgerichte zu errichten: „Wo dieses Gesetzbuch von dem Handelsgerichte spricht, tritt in Ermangelung ei­ nes besonderen Handelsgerichts das gewöhnliche Gericht an dessen Stelle.“

Die Ersteller gingen also davon aus, dass in den deutschen Staaten Han­ delsgerichte bereits bestanden oder im Anschluss an die Einführung des ADHGBs neu gegründet werden. Es war jedoch den einzelnen Staaten selbst überlassen, wie sie das ADHGB einführen wollten und deshalb auch, ob sie Handelsgerichte eröffneten oder nicht. Die nachfolgenden Ausführungen werden zeigen, dass in der Folgezeit tatsächlich auch einige Handelsgerichte neu etabliert wurden611. Es ist zunächst zu überprüfen, inwiefern die Einführung des ADHGB die Abläufe bei den bereits bestehenden Handelsgerichten veränderte. Deshalb werden im ersten Teil des Kapitels diejenigen Gerichtsbarkeiten dargestellt, bei denen das ADHGB nur zu kleinen Modifikationen führte. Im Anschluss daran sind die Handelsgerichte zu untersuchen, die zwischen dem ADHGB und der Einführung des GVG neu gegründet wurden. Problematisch ist die 609  Makower,

S. XV; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 118. ADHGB ist abgedruckt bei Makower. 611  Siehe S.  228 ff. 610  Das



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit221

Verortung von Bayern und Sachsen. Zwar gab es in beiden Staaten ein oder mehrere Handels- bzw. Wechselgerichte. Allerdings wurden durch die Ein­ führung des ADHGB nicht nur kleinere Veränderungen an den bestehenden Einrichtungen vorgenommen. Vielmehr löste der Gesetzgeber in München die alten Spruchkörper auf und gründete neue, allgemeine Gerichte612. In Sachsen traten Handelsgerichte neben die Einrichtung von 1682, mit der sie nur wenige Gemeinsamkeiten hatten613. Deshalb sind die Staaten im zweiten Teil des Kapitels verankert. 1. Veränderungen bei den bestehenden Handelsgerichten durch das ADHGB Das ADHGB von 1861 war kein verpflichtendes Handelsgesetzbuch für die deutschen Staaten614. Es konnte nicht unmittelbar in den Staaten einge­ führt werden, da die hierfür nötige Staatsgewalt fehlte. Somit verblieb es bei einem Entwurf eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, der von den einzelnen Staaten selbst in Form von Einführungsgesetzen verkündet werden musste. Sie waren insbesondere in der Lage, an dem Entwurf noch Veränderungen vorzunehmen. Wie oben bereits angesprochen, schaffte das ADHGB kein einheitliches Handelsprozessrecht. Deshalb konnte jeder ein­ zelne Staat selbst entscheiden, wie er die Handelsgerichtsbarkeit gestaltete. a) Preußen ohne Rheinprovinz In das Einführungsgesetz zum ADHGB für Preußen vom 24. Juni 1861615 wurde erstaunlicherweise der 6. Teil des PEHGB, der die Eröffnung von Handelsgerichten normierte, nicht aufgenommen616. In Art. 73 dieses Geset­ zes war jedoch die spätere Errichtung vorgesehen. Gemäß der Vorschrift waren bis dahin weiterhin die Zivilgerichte bzw. die bestehenden Sonderein­ richtungen für die Entscheidungen in Handelssachen zuständig: „Die Errichtung und Organisation von Handelsgerichten in allen Landestheilen der Monarchie wird einem besonderen Gesetze vorbehalten. 612  Vgl.

S. 236 ff. S. 232 ff. 614  Hierzu und zum Folgenden Wächter, S.  5 ff.; Winkler, S. 18 f.; zur Einführung des ADHGB siehe auch Goldschmidt, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht, 204 ff. 615  Das preußische Einführungsgesetz vom 24. Juni 1861 ist abgedruckt bei Makower, S.  565 ff. 616  Zur Einführung des ADHGB in Preußen siehe auch Goldschmidt, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 1862, 516 ff. 613  Vgl.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Bis zum Erlaß desselben treten in den Landestheilen, in welchen nicht bereits be­ sondere Handelsgerichte bestehen, die Kreisgerichte und Stadtgerichte an die Stelle der Handelsgerichte. Die Kommerz- und Admiralitätskollegien zu Königsberg und Danzig, sowie die für die Handelssachen bestehenden Gerichtsabtheilungen zu Stettin, Memel und Elbing bleiben vorläufig in ihren bisherigen Einrichtungen und mit ihrer bisherigen Zuständigkeit bestehen.“

Zunächst veränderte sich die Handelsgerichtsbarkeit nicht. Abs. 1 der Vor­ schrift erweckt den Eindruck, dass die Gründung von Handelsgerichten schon konkret geplant war617. Dazu kam es bis zum GVG allerdings nicht618. Die preußische Staatsregierung verhinderte dies, da sie eine Gründung von allgemeinen Handelsgerichten erst dann für möglich bzw. sinnvoll erachtete, wenn das gesamte Zivilprozessrecht reformiert werden würde619. b) Preußische Rheinprovinz Das preußische Einführungsgesetz enthielt ein eigenes Kapitel für die Rheinprovinz620. Im Art. 47 wurden die Art. 631 bis 634 des Rheinischen Handelsgesetzbuchs, dessen Vorschriften deckungsgleich mit dem Code de commerce waren, beseitigt und durch neue Zuständigkeitsregeln ersetzt: „Die Handelsgerichte sind zuständig: 1)  für alle Rechtsstreitigkeiten über Verbindlichkeiten eines Kaufmanns aus seinen Handelsgeschäften; 2) für alle Rechtsstreitigkeiten über Verbindlichkeiten eines Nichtkaufmanns aus einem Handelsgeschäfte, wenn das Geschäft auf Seiten dieses Nichtkaufmanns ein Handelsgeschäft ist; 3) für alle Rechtsstreitigkeiten über die im Artikel 2 Ziffer 2 bis 7 aufgeführten Handelssachen ohne Unterschied der Personen; 4)  für alle Rechtsstreitigkeiten über Wechselverbindlichkeiten. Die Artikel 636 und 637 sind aufgehoben.“

Art. 47 Nr. 2 bestimmte die Zuständigkeit nur nach sachlichen Kriterien, wie das im Code de commerce und damit im rheinischen Handelsgesetzbuch zuvor normiert war. Es war damit nicht zwingend nötig, dass der Beklagte Kaufmann war, was im PEHGB als Abweichung zum französischen Recht 617  So

auch die Gesetzgeber, vgl. ebd., 569. gab lediglich Gesetzesentwürfe, die nicht Wirkung entfalteten. Diesbezüg­ lich kann auf Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 119 ff. verwiesen wer­ den, der die Ergebnisse zusammengefasst hat. 619  Hierzu ausführlich Goldschmidt, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 1862, 573. 620  4. Abschnitt des Einführungsgesetzes mit dem Titel: „Bestimmungen für den Bezirk des Appellationsgerichtshofes zu Köln“. 618  Es



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit223

noch gefordert worden war621. Es reichte aus, dass das Rechtsverhältnis für diesen ein Handelsgeschäft darstellte. Insofern verblieb es bei den Grundsät­ zen des französischen Rechts. Was unter Handelsgeschäften zu verstehen war, war in Art. 271 ff. ADHGB normiert. Die Vorschriften entsprachen im Wesentlichen Art.  211 ff. PEHGB. In Art. 2 Nr. 2–7 des Einführungsgesetzes, auf den Art. 47 Nr. 3 verwies, waren diejenigen Handelssachen aufgezählt, die keine Handelsgeschäfte dar­ stellten und dennoch vor die Handelsgerichte gehörten, da sie dem Handels­ verkehr entsprangen. Sie entsprachen den Rechtsverhältnissen, die in Art. 987, 988 PEHGB als Zuständigkeit in denjenigen Fällen normiert war, die nicht unter die Grundnorm des Art. 986 PEHGB fielen622. So waren bei­ spielsweise die Rechtsverhältnisse zwischen den Mitgliedern einer Handels­ gesellschaft oder Klagen gegen Prokuristen oder andere Mitarbeiter erfasst, wie auch Verhältnisse des Seerechts, etwa die Rechte und Pflichten eines Reeders, vgl. Art. 2 Nr. 2 bis 7 des preußischen Einführungsgesetzes. Eine derartige Vorschrift wurde erstmals in das französische Handelsgesetzbuch aufgenommen und dann in fast allen deutschen Handelsgerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts berücksichtigt623. Für die rheinischen Handelsgerichte änderte sich die Zuständigkeit damit nicht erheblich. Voraussetzung war weiterhin, dass entweder ein Handels­ geschäft vorlag, wofür auf das ADHGB verwiesen wurde. Alternativ konnte auch ein sonstiges, aus dem Handelsverkehr entsprungenes Rechtsverhältnis gegeben sein. Diese Verhältnisse waren abschließend in Art. 2 Nr. 2–7 gere­ gelt. Die Gerichte waren bereits zuvor für Streitigkeiten aus Wechselgeschäf­ ten zuständig gewesen624. Der einzig nennenswerte Unterschied zur alten Gesetzeslage war, dass sich die Zuständigkeit nicht mehr nur nach rein per­ sonellen Kriterien ergeben konnte, vgl. Art. 631 Code de commerce. Es reichte damit nicht mehr aus, dass eine Streitigkeit zwischen zwei Kaufleuten vorlag, ohne dass ein Handelsgeschäft betroffen war. Hinsichtlich der Beset­ zung der Gerichte und des Verfahrens blieb es bei der bisherigen Rechtslage. Es gab zwischen Ausführung des ADHGB und Erlass des GVG noch zwei Neugründungen in der Rheinprovinz: Düsseldorf erhielt durch Erlass vom 16. Dezember 1861 ein selbständiges Handelsgericht nach französischem bzw. rheinischem Muster625. Mit Errichtung dieses Spruchkörpers endete die 621  Vgl.

dazu S. 211 ff. dazu die Ausführungen auf S. 214 f. 623  Der französische Einfluss konnte etwa für Art. 987, 988 PEHGB oben nachge­ wiesen werden, vgl. S. 214 f. 624  Vgl. dazu S. 96 ff. 625  Der Erlass vom 16. Dezember 1861 ist abgedruckt bei Lottner, Bd. 12, Nr. 135, S. 339. 622  Vgl.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Tätigkeit des Landgerichts Düsseldorf in seiner handelsgerichtlichen Funk­ tion626. Der Bezirk, für den das Landgericht vormals als Handelsgericht fungiert hatte, wurde der Gerichtsbezirk des neuen Handelsgerichts627. Es wurde bestimmt, dass das Gericht aus einem Präsidenten, fünf Richtern und drei stellvertretenden Richtern bestand, die alle Kaufleute waren628. Es folgte ein entsprechendes Handelsgericht in Barmen im Jahre 1865629. c) Hessen Das Einführungsgesetz zum ADHGB vom 29. September 1862 für das Großherzogtum Hessen630 veränderte die Zuständigkeit des Handelsgerichts in Mainz. Dieses verfuhr noch nach dem rheinischen Handelsgesetzbuch und damit dem Code de commerce631. Deshalb bestimmte sich die Zuständigkeit insbesondere nach sachlichen Kriterien632. Es musste also ein Handelsge­ schäft vorliegen und dabei war es irrelevant, ob der Beklagte ein Kaufmann war oder nicht. Art. 36 des Einführungsgesetzes setzte Art. 632 des rheini­ schen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce), der in einem Katalog Han­ delsgeschäfte aufzählte, außer Kraft. An die Stelle traten gemäß Art. 36 die­ ses Einführungsgesetzes die Art. 271 ff. des ADHGB, die selbst den Begriff der Handelsgeschäfte definierten. Wie im preußischen Einführungsgesetz für die Rheinprovinz wurde die aus dem französischen Recht stammende Mög­ lichkeit, dass die Zuständigkeit alleine durch das Vorliegen der Kaufmanns­ eigenschaft beider Parteien begründet sein konnte, aufgehoben. Art. 37 des hessischen Einführungsgesetzes beinhaltete einen Katalog, der Rechtsverhältnisse aufzählte, deren Streitigkeiten vor Handelsgerichte ge­ bracht werden konnten, obwohl kein Handelsgeschäft vorlag. Gleichzeitig wurden die Art. 633 f. des rheinischen Handelsgesetzbuches, die inhaltlich dessen Pendant darstellten, aufgehoben633. Art. 37 des hessischen Einfüh­ rungsgesetzes war identisch mit Art. 2 Nr. 2 bis 7 des preußischen Einfüh­ rungsgesetzes. 626  Siehe

S. 129. vom 16. Dezember 1861, Lottner, Bd. 12, Nr. 135, S. 339. 628  Ebd., S. 339. 629  Bär, S. 411 f., der auf St.-A. Koblenz, Abt. 582 Nr. 78 verweist. 630  Das Einführungsgesetz zum ADHGB für das Großherzogtum Hessen vom 29. September 1862 ist abgedruckt bei Lutz, S. 109 ff. Der Spruchkörper in Mainz blieb das einzige Handelsgericht in Hessen, vgl. Franz/Hofmann/Schaab, S. 229. 631  Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 128. 632  Vgl. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen zum französischen Recht auf S. 96 ff. 633  Vgl. dazu die Zitate auf S. 99 f. 627  Erlass



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit225

Damit deckte sich die Zuständigkeit der Handelsgerichte in der Rheinpro­ vinz wieder mit derjenigen des Mainzer Spruchkörpers, da auf die gleiche Definition des Handelsgeschäfts zurückgegriffen wurde und auch die sonsti­ gen, unter die Gerichtsbarkeit fallenden Rechtsverhältnisse identisch waren. d) Braunschweig Das Einführungsgesetz zum ADHGB für Braunschweig stammt vom 14. September 1863634. Es änderte sich lediglich, dass das Braunschweiger Handelsgericht fortan nach den Vorschriften des ADHGB zu urteilen hatte. Hinsichtlich der Besetzung, Zuständigkeit und des Verfahrens wurden im Zuge dessen keine Anpassungen vorgenommen. Anders als in den preußi­ schen und hessischen Einführungsgesetzen glich man die Zuständigkeit auf die Definition des Handelsgeschäfts in den Art. 271 ff. ADHGB nicht an. Das war allerdings nicht nötig, da das Braunschweiger Gesetz von 1850 auf die­ sen Begriff verzichtet hatte635. In einem Gesetz vom 4. April 1867 modifizierte der Gesetzgeber kleinere Punkte, um auf Neuerungen des ADHGBs einzugehen636. So gab es im ADHGB und deshalb auch im entsprechenden Einführungsgesetz eine Viel­ zahl von Vorschriften zum Handelsregister637, für dessen Führung die Han­ delsgerichte in allen deutschen Staaten jeweils zuständig waren. Deshalb än­ derte der Gesetzgeber § 7 des Gesetzes von 1850 dahingehend, dass hinsicht­ lich der Wahlberechtigung nicht mehr auf die Mitgliedschaft im Braunschwei­ ger „Kaufverein“, sondern darauf abgestellt wurde, ob eine Person als Inhaber/ Mitinhaber einer Firma bzw. als Vorsteher einer Aktiengesellschaft in das Handelsregister eingetragen war, vgl. § 1 des Gesetzes vom 4. April 1867638. Auch die Wahlfähigkeit wurde in § 2 dieses Gesetzes entsprechend angepasst, sodass fortan jeder gewählt werden konnte, der im Handelsregister eingetra­ gen war, allerdings nur, sofern er das 30. Lebensjahr vollendet hatte. Weiterhin mussten grundsätzlich bei den Sitzungen alle Richter anwesend sein. Gemäß § 6 des Gesetzes vom 4. April 1867 konnte jedoch der Vorsit­ bei Lutz, S.  232 ff. dazu die Ausführungen auf S. 165 f. 636  Das Herzoglich Braunschweig’sches Gesetz vom 4. April 1867, betreffend Ab­ änderung des Gesetzes vom 28. Dezember 1850, wegen der Errichtung eines Han­ delsgerichts ist abgedruckt bei Löhr, S. 315 ff. Darstellung der Neuerungen des Geset­ zes auch bei Wiesner, Braunschweiger Geschichtsverein 1992, 87 f.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 126 f. 637  Siehe dazu die §§ 4 f. des Einführungsgesetzes zum ADHGB für Braunschweig, bei Lutz, S.  233 ff. 638  Außerdem mussten sie die zu den staatsbürgerlichen Ehrenämtern erforder­ lichen Eigenschaften besitzen. 634  Abgedruckt 635  Vgl.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

zende unter Umständen alleine provisorische Verfügungen erlassen. Diese Vorschrift sah ferner vor, dass die rechtsgelehrten Richter jeweils alleine Prozesshandlungen, beispielsweise Kostenfestsetzungsbescheide, erlassen konnten. Diese Möglichkeit für die juristischen Mitglieder des Gerichts war bis dahin bei den Handelsgerichten nicht auffindbar. Sie wurde jedoch bei den Neugründungen zwischen ADHGB und GVG beachtet, wie das nächste Kapitel zeigen wird639. Die Regelung wurde aufgenommen, da durch die Beteiligung der kaufmännischen Mitglieder das Einberufen einer Sitzung des Handelsgerichts aufwendiger war als bei den Zivilgerichten640. So schaffte man eine Entlastung für Kaufleute, da sie für einfache, prozessuale Handlun­ gen, bei denen ihre Sachkenntnis irrelevant war, nicht hinzugezogen werden mussten. Ein Gesetz vom 10. August 1867 hob den gesamten ersten Abschnitt des Gesetzes von 1850, der die Verfassung des Handelsgerichts regelte, auf und ersetzte ihn durch neue Vorschriften641. Der Spruchkörper wurde in die or­ dentliche Gerichtsbarkeit eingegliedert, indem er dem Braunschweiger Ober­ gericht untergeordnet und den Kreisgerichten gleichgestellt wurde, vgl. § 1 des Gesetzes vom 10. August 1867. Man behielt allerdings die für die deut­ sche Handelsgerichtsbarkeit untypische Besetzung mit fünf Richtern bei642. Abgesehen von kleineren Änderungen waren die Vorschriften im Wesent­ lichen relativ ähnlich zu denen der ursprünglichen Fassung von 1850. Hin­ sichtlich der Wahlberechtigung und Wählbarkeit wurde auf das Gesetz vom 4. April 1867 abgestellt. Auch weiterhin waren Elemente des französischen Rechts, etwa bei den Anforderungen an die Handelsrichter oder auch deren Rotation erkennbar. Die Zuständigkeit des Gerichts und das Verfahren wurde nach Einführung des ADHGB nicht verändert. Diesbezüglich blieb es bei den Vorschriften von 1850. Damit ist weiterhin festzuhalten, dass das Gericht auf dem französischen Recht basierte. Wie bereits im Kapitel zur Gründung des Braunschweiger Handelsgerichts festgestellt worden war, hatte die­ ses weniger unmittelbare Parallelen zur französischen Einrichtung als die Spruchkörper in Hamburg und Bremen643. Die Erkenntnis wird durch die beiden, nach dem ADHGB erlassenen Gesetze verstärkt.

639  Vgl.

hierzu S. 228 ff. Braunschweiger Geschichtsverein 1992, 88. 641  Das Herzoglich Braunschweig’sche Gesetz vom 10. August 1867, betreffend Abänderungen des Gesetzes vom 28. Dezember 1850, über die Errichtung des Han­ delsgerichts, ist abgedruckt bei Löhr, S. 316 ff. Darstellung der Neuerungen auch bei Wiesner, Braunschweiger Geschichtsverein 1992, 89 f.; Silberschmidt, Die dt. Sonder­ gerichtsbarkeit, S.  127 f. 642  § 2 des Gesetzes vom 10. August 1867. 643  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 170. 640  Wiesner,



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit227

e) Bremen Die Einführungsverordnung zum ADHGB für die Freie und Hansestadt Bremen vom 6. Juni 1864644 veränderte den Handelsprozess nicht. Insbeson­ dere sollte gemäß § 28 der Einführungsverordnung die Zuständigkeit des Handelsgerichts „[…] keine Abänderung erleiden“. Damit blieb es bei den Grundsätzen der BHGO. Das Handelsgericht hatte lediglich künftig das ma­ terielle Recht des ADHGB anzuwenden. f) Hamburg In Hamburg wurde am 22. Dezember 1865 das Einführungsgesetz zum ADHGB veröffentlicht645. Problematisch war, welche Definition des Begriffs des Handelsgeschäfts verwendet werden sollte. Gemäß Art. 9 HHGO begrün­ dete ein solches die Zuständigkeit des Handelsgerichts. Die Art. 10 f. defi­ nierten die Handelsgeschäfte anhand der Nennung einzelner Geschäfte. Demgegenüber stand die entsprechende Aufzählung in Art. 271 ff. ADHGB. Die beiden Definitionen wiesen einige Gemeinsamkeiten auf, auch wenn sie nicht vollständig deckungsgleich waren. Man löste den Konflikt, indem man in § 29 des Einführungsgesetzes für die Begründung der Zuständigkeit insbe­ sondere auf die Vorschriften der HHGO abstellte: „Die in den Art. 271 bis 275 [ADHGB] enthaltene Feststellung des Begriffes von Handelsgeschäften kommt für die Beurtheilung der Competenz des Handelsgerichts nicht in Betracht. Vielmehr behält es in dieser Beziehung bei den Bestimmungen der Handelsgerichts-Ordnung vom 15. December 1815 Art. 10–13 und des § 2 der Verordnung vom 5. März 1849 in Bezug auf die Einführung der Allgemeinen Deut­ schen Wechsel-Ordnung in Hamburg sein Bewenden.“

Das Einführungsgesetz in Hamburg trug damit wie das Pendant für Bre­ men, anders als in der Rheinprovinz und Hessen, nicht zur Vereinheitlichung der bestehenden Handelsgerichte bei. Auch sonst enthielt es keine Verände­ rungen der Abläufe des Handelsgerichts. Es blieb damit in prozessualer Hinsicht bei den Bestimmungen, die vor der Einführung des ADHGB galten. g) Resümee Die Gerichtsverfassung der deutschen Handelsgerichte veränderte sich nur an wenigen Stellen, überwiegend bei der Zuständigkeit. Es blieb grundsätz­ 644  Die Einführungsverordnung zum ADHGB für die Freie und Hansestadt Bre­ men vom 6. Juni 1864 ist abgedruckt bei Lutz, S.  247 ff. 645  Das Einführungsgesetz zum ADHGB für die Freie und Hansestadt Hamburg vom 22. Dezember 1865 ist abgedruckt ebd., S. 261 ff.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

lich beim bestehenden Gerichtsaufbau bzw. der Gerichtsverfassung. Die Ge­ richte zeigen weiterhin viele Elemente des französischen Rechts, gerade bei den Anforderungen an die kaufmännischen Richter oder bei der durch sach­ liche Kriterien definierten Zuständigkeit. Besonders deutlich wird der unver­ änderte Aufbau beispielsweise bei den rheinischen Spruchköpern, bei denen weiterhin die Richter nur aus dem Kaufmannsstand genommen wurden. Das ADHGB schaffte es nicht, die Zuständigkeitsvorschriften der bestehenden Gerichte noch weiter aneinander anzupassen, da man für die norddeutschen Gerichte nicht auf die Definition des Handelsgeschäfts aus dem ADHGB zurückgriff. 2. Neugründungen nach Einführung des ADHGB Es stellt sich nun die Frage, in welchen Staaten man der in Art. 3 ADHGB festgesetzten Aufforderung, Handelsgerichte zu gründen, nachgekommen war. Ferner ist zu untersuchen, wie diese aufgebaut waren. Die zwischen ADHGB (1861) und GVG (1877) neu errichteten Gerichte waren eine Mischung aus französisch beeinflussten Gerichten und den heuti­ gen Kammern für Handelssachen. Sie wandten sich bereits in größeren Teilen von dem französischen Original ab, sodass im Vergleich zu den norddeut­ schen Handelsgerichten, die vor dem ADHGB erlassen worden waren, selte­ ner ein unmittelbarer Einfluss des französischen Rechts deutlich wird. Es sind meist nur noch Elemente erkennbar, die erstmals im Code de commerce aufgetreten waren, dann jedoch von den deutschen Gesetzgebern inhaltlich abgeändert wurden. Die Gerichte gliedern sich überwiegend in die ordent­ liche Gerichtsbarkeit ein, sodass sie nur Unterabteilungen der Zivilgerichte darstellten und deshalb das Zivilverfahren ohne Modifikationen zur Anwen­ dung kam. Ferner werden die nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass sich die erstmals in Braunschweig aufgetretene Überlegung, die Zuständigkeit der Sondereinrichtungen für Handelssachen erst ab einem gewissen Streitwert zu eröffnen, etabliert hatte. Darüber hinaus wurde teilweise die Möglichkeit aufgenommen, dass der Vorsitzende ohne die kaufmännischen Richter provi­ sorische Verfügungen, kleinere Entscheidungen oder Prozesshandlungen vornehmen konnte. a) Lübeck In Lübeck dauerte es deutlich länger als in den beiden anderen hanseati­ schen Städten, bis ein Handelsgericht etabliert wurde. Möglicherweise lag es daran, dass man ein solches weder aus der Zeit der französischen Besatzung noch aus der Zeit davor kannte646. Die Eröffnung eines Handelsgerichts ba­



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit229

sierte auf der Reform des Gerichtswesens647. Darüber wurde in Lübeck dis­ kutiert, seit in einer neuen Verfassung von 1848 Grundsätze der französischen Revolution, nämlich die Trennung von Justiz und Verwaltung und die Ge­ währleistung eines öffentlichen und mündlichen Verfahrens festgelegt wor­ den waren648. Es dauerte bis zum 17. Dezember 1860, ehe ein Gesetz über die Gerichtsverfassung (LGV)649 beschlossen wurde. Am 28. April 1862 folgte eine Zivilprozessordnung (LZPO)650. Beide Ordnungen traten neben anderen Gesetzen, insbesondere dem ADHGB, zum 1. März 1864 in Kraft651. Das Einführungsgesetz zum ADHGB für den Lübeckischen Freistaat vom 26. Oktober 1863652 enthielt deshalb keine Regeln für das Handelsgericht. Anhand des Spruchkörpers in Lübeck lässt sich die Entwicklung der fran­ zösisch beeinflussten Spruchkörper in Norddeutschland gut darstellen. Wie bereits bei HHGO, BHGO und dann vor allem in Braunschweig erkennbar war, zeigt das Gericht noch Parallelen zum französischen Recht. So sind ei­ nige Vorschriften auffindbar, die aus dem Code de commerce stammten und in den deutschen Ordnungen rezipiert wurden. Es ist jedoch die Abweichung vom französischen Recht in seiner ursprünglichen Form noch deutlicher zu erkennen als bei den anderen genannten Gerichten. aa) Besetzung Um den Aufbau bzw. die Besetzung des Gerichts vorstellen zu können, muss das geschaffene Handelsgericht kurz in die neue Gerichtsverfassung eingeordnet werden. Gemäß § 10 LGV wurde die Lübecker Gerichtsbarkeit ausgeübt durch verschiedene Abteilungen des Untergerichts, durch das Ober­ 646  Siehe

S. 134. hierzu auch Krause, S. 452 ff., der allerdings auf das Handelsgericht nur oberflächlich eingeht. 648  Vgl. ebd., S. 434. 649  Das Gesetz über die Gerichtsverfassung der Freien und Hansestadt Lübeck vom 17. Dezember 1860 ist abgedruckt in: Sammlung der lübeckischen Verordnun­ gen und Bekanntmachungen (1860), S. 89 ff. Im Folgenden: LGV. Kurz darauf wurde noch ein Nachtrag erlassen, abgedruckt in: Sammlung der lübeckischen Verordnun­ gen und Bekanntmachungen (1862), S. 48. 650  Die lübeckische Zivilprozessordnung vom 28. April 1862 ist abgedruckt in: Sammlung der lübeckischen Verordnungen und Bekanntmachungen (1862), S. 14 ff.; im Folgenden: LZPO. 651  Die Gesetze, die Einführung der neuen Gerichtsverfassung betreffend, sind abgedruckt in: Sammlung der lübeckischen Verordnungen und Bekanntmachungen (1863), S. 239 ff. zur Liste der anderen Gesetze, die in Kraft traten, aber für die vor­ liegende Untersuchung nicht relevant sind siehe ebd. 652  Das Einführungsgesetz zum ADHGB für den Lübeckischen Freistaat vom 26. Oktober 1863 ist abgedruckt bei Lutz, S.  349 ff. 647  Vgl.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

gericht und das Ober-Appellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands. Das Untergericht teilte sich in die Abteilungen Stadt- und Landgericht, Han­ delsgericht und Untersuchungsgericht, vgl. § 19 LGV. Das Handelsgericht war demnach nicht selbständig, sondern bloß eine besondere Abteilung des Untergerichts, weshalb ihm ein studierter Jurist des Untergerichts zugewie­ sen wurde (§ 10 LGV). Bezüglich der Richter wich die LGV in ähnlichen Punkten vom französi­ schen Recht ab wie die restlichen deutschen Handelsgerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts. Man entschied sich gegen die rein kaufmännische Beset­ zung. Das Gericht war gemäß § 21 LGV in der Besetzung von einem rechts­ gelehrten Richter und zwei kaufmännischen Richtern, die sich in den ­deutschen Handelsgerichten als vorherrschend herauskristallisiert hatte, be­ schlussfähig. Die rechtsgelehrten Richter in Lübeck waren Berufsrichter und gemäß § 16 LGV auf Lebenszeit ernannt. Ein Unterschied zeigt sich in der Berufungsinstanz. Das Obergericht, das in Handelssachen in zweiter Instanz zuständig war, war grundsätzlich mit einem Vorsitzenden und drei Richtern besetzt, die alle Juristen waren (§ 23 LGV). In Handelssachen wurden allerdings noch zwei kaufmännische Rich­ ter hinzugezogen653. Eine entsprechende Regelung, dass in zweiter Instanz kaufmännische Fachrichter hinzugezogen werden, entstammte dem deutschen und nicht dem französischen Recht. Die Anzahl der kaufmännischen Richter beim Handelsgericht und beim Obergericht wurde gemäß § 29 LGV auf jeweils vier Personen festgelegt, von denen jeweils zwei für sechs aufeinanderfolgende Monate tätig waren. Eine vergleichbare Regelung ist weder dem französischen Recht noch den anderen deutschen Gerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts zu entnehmen. Entsprechend dem Code de commerce waren die Kaufleute für die Wahl der kaufmännischen Richter selbst verantwortlich. So schlug die Handels­ kammer dem Senat 16 Mitglieder aus der ortsansässigen Kaufmannschaft vor, die acht Personen auswählte und auf sechs Jahre ernannte, vgl. § 29 LGV. Die LGV enthielt keine dem Art. 620 Code de commerce, Art. 3 HHGO, § 5 BHGO vergleichbare Regelung, nach der die Handelsrichter ein gewisses Alter haben bzw. besonders angesehen sein mussten. Vielmehr war die Auswahl ganz der Handelskammer überlassen. Bereits an anderer Stelle wurde diese Regelung für obsolet erklärt, da die ortsansässigen Kaufleute sowieso ein Interesse daran hatten, dass die Handelsrichter erfahrene, ange­ sehene Kaufleute mit Lebenserfahrung waren. Deshalb war eine entspre­ chende Vorschrift nicht nötig. Allerdings findet sich auch keine Regelung zur Rotation bzw. Neuwahl der Handelsrichter. 653  Vgl.

§ 23 LGV.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit231

Bereits ein Jahr nach Inkrafttreten der LGV ergänzte ein Nachtrag vom 20. Juli 1865 den § 29 LGV, der das Handelsgericht und das Obergericht jeweils um zwei weitere kaufmännische Ergänzungsrichter erweiterte654. Die Wahl erfolgte entsprechend derjenigen der ordentlichen Handelsrichter, die sie in Verhinderungsfällen vertraten655. Bereits die Besetzung verdeutlicht die Entwicklung, die sich bei den ande­ ren deutschen Handelsgerichten des 19. Jahrhunderts abgezeichnet hatte. Der Spruchkörper war als bloße Abteilung des Untergerichts stärker an die Zivil­ gerichte angelehnt als in Frankreich oder auch Hamburg, wo sie vollkommen selbständig waren. Man wandte sich also von der Struktur ab, dass das Ge­ richt vollkommen selbständig war und näherte die Handelsgerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit an. Auch bei der konkreten Gestaltung der Besetzung zeigen sich weniger unmittelbare Parallelen zum französischen Recht. Neben der Ablehnung der rein kaufmännischen Besetzung fehlen Vorschriften, die ihren Ursprung im Code de commerce hatten, etwa die besonderen Anforderungen an die kauf­ männischen Richter oder Bestimmungen zur Widerwahl. bb) Zuständigkeit Dass das Lübecker Handelsgericht dennoch zumindest teilweise eine ­ odifizierte Weiterentwicklung des französischen Handelsgerichts war, zeigt m sich bei der Zuständigkeit. § 10 LZPO: „Das Handelsgericht ist zuständig für alle Handelssachen, d. h. für diejenigen Civilstreitigkeiten, welche in Handelsverhältnissen ihren Grund haben oder auf solche unmittelbar sich beziehen, die Parteien mögen dem Handelsstande angehören oder nicht.“

Die Vorschrift entsprach nahezu wortgenau § 17 BHGO bzw. § 23 des Braunschweiger Gesetzes von 1850. Man verzichtete wie in Bremen, Braun­ schweig und Hamburg auf Art. 631 Alt. 1 Code de commerce. Die Zustän­ digkeit richtete sich lediglich nach sachlichen Kriterien. Es wurde nur das Vorliegen einer Handelssache gefordert. Die Kaufmannseigenschaft des Be­ klagten war nicht nötig. § 10 LZPO nannte die Handelssachen. Inhaltlich stimmte die Vorschrift mit § 18 BHGO überein. Der Katalog wurde lediglich anders strukturiert und 654  Der Dritte Nachtrag (publiziert am 20. Juli 1865) zu der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1860, das Gesetz über die Gerichtsverfassung der Freien und Hanse­ stadt Lübeck betreffend, ist abgedruckt in: Sammlung der lübeckischen Verordnungen und Bekanntmachungen (1865), S. 71 f. 655  Siehe ebd., S. 71 f.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

vereinzelt wurden sprachliche Änderungen vorgenommen. An einigen Stellen verwendete der Lübeckische Gesetzgeber allerdings sogar den Wortlaut der BHGO, wie folgende Ausschnitte belegen: § 10 Nr. 4 LZPO: „[…] alle sonstigen die Handelsschiffahrt betreffenden Verträge, namentlich: Unternehmungen eines Schiffsbaues oder einer Schiffsreparatur, Käufe von Schiffen, von Takelwerk, Geräthen oder Proviant für ein Schiff, Rhedereien, Verträge zwischen Schiffer und Schiffsvolk […].“ § 18 f) BHGO: „alle die Handelsschifffahrt betreffenden Verträge, namentlich Un­ ternehmungen eines Schiffsbaues oder einer Schiffsreparatur, Käufe von Schiffen, von Takelwerk, Geräthen oder Proviant für ein Schiff, Rhedereien, Verträge zwi­ schen Schiffer und Schiffsvolk […].“

Für § 18 BHGO wurde bereits an anderer Stelle herausgearbeitet, dass die Vorschrift dem französischen Recht entstammte656. Insofern ist auch für das Lübeckische Handelsgericht mittelbar ein französischer Einfluss festzustel­ len. cc) Verfahren Die Verfahrensvorschriften für das Handelsgericht ergaben sich aus der LZPO. Diese enthielt keine besonderen Grundsätze für das Handelsgericht. Vielmehr galt ohne Ausnahme der allgemeine Zivilprozess. Dass das Verfah­ ren bei den Handelsgerichten immer mehr dem Zivilverfahren angenähert wurde, war bereits in der BHGO und dem Braunschweiger Gesetz von 1850 erkennbar. Eine Ausnahme dazu war lediglich in Wechselstreitigkeiten gegeben, die gemäß § 10 Nr. 8 LZPO beim Handelsgericht zu verhandeln waren. In diesen Fällen fand ein abgekürztes Verfahren nach §§ 69 ff. LZPO statt. So gab es beispielsweise statt des üblichen Austausches von Schriftsätzen vor der mündlichen Verhandlung lediglich einen mündlichen Gerichtstermin, vgl. § 69 LZPO. b) Sachsen Das Handelsgericht in Leipzig von 1682 war das älteste deutsche Handels­ gericht657, weshalb hier ganz besonders interessant ist, ob sich die Handels­ gerichtsbarkeit durch die Ausbreitung der französischen Handelsgerichte verändert hatte oder ob man die alten Vorschriften aufrechterhielt. Die Ab­ läufe bei diesem Spruchkörper richteten sich nach der Handelsgerichtsord­ 656  Vgl.

S. 155 f. dazu das Ergebnis auf S. 27 ff.

657  Siehe



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit233

nung von 1682. Die Ordnung wurde bis zum Einführungsgesetz zum ADHGB nicht durch eine neuere Version abgelöst. Im Wesentlichen blieb es also während und nach der Zeit der Vormachtstellung Frankreichs in Europa bei diesen Regeln. Problematisch war beim Leipziger Handelsgericht die Verschleppung des Verfahrens. Zwar war der Prozess grundsätzlich summarisch. Sofern eine Streitigkeit rechtlich bedenklich war, musste ein Gutachten des Schöppen­ stuhls, dem in Straf- und Zivilsachen zuständigen Spruchkörper, eingeholt werden658. Dieses Prozedere zog allerdings die Prozesse in die Länge659. Deshalb strebte man durch ein Gesetz vom 21. September 1833 an, das Ver­ fahren in Handelssachen bei dem Handelsgericht in Leipzig zu beschleuni­ gen660. Hierfür wurden insbesondere Fristen verkürzt. Es ist kein Einfluss der französischen Handelsgerichtsbarkeit erkennbar, weshalb an dieser Stelle auf eine ausführliche Darstellung verzichtet werden kann. Dennoch entstand zu dieser Zeit die Überlegung, in Sachsen weitere Handelsgerichte einzurich­ ten661. Das sächsische Einführungsgesetz zum ADHGB vom 30. Oktober 1861662 nahm die Problematik um die Handelsgerichte gleich auf und bestimmte in § 5, dass an Orten, an denen das Bedürfnis bestand, Handelsgerichte gegrün­ det werden sollten663. Die genauere Darstellung erfolgte in einer Verordnung vom 30. Dezember 1861 (SVOADHGB) zur Ausführung des ADHGBs und dessen Einführungsgesetzes664. aa) Besetzung Gemäß § 1 SVOADHGB wurden an den Orten, an denen sich Bezirksge­ richte befanden, Handelsgerichte als Abteilungen der Bezirksgerichte errich­ tet665. Sie waren beschlussfähig, wenn ein juristischer Richter und zwei 658  Siehe

dazu S. 30. derartige Verfahren nahm wohl im 18. Jahrhundert stark zu, vgl. Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 128 ff.; Gensel, S. 8. 660  Das Gesetz vom 21. September 1833 ist abgedruckt in der Sammlung der Ge­ setze und Verordnungen für das Königreich Sachsen 1833, S. 109 ff. 661  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 132. 662  Das sächsische Einführungsgesetz zum ADHGB vom 30. Oktober 1861 ist abgedruckt bei Lutz, S. 67 ff. Hierzu auch Gensel, S. 6. 663  Siegmann, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 1863, 76 ff. 664  Die Verordnung vom 30. Dezember 1861 ist abgedruckt bei Lutz, S. 75 ff. Im Folgenden: SVOADHGB. 665  Eine überblicksartige Darstellung der Grundsätze der Verordnung ohne Verglei­ che zum französischen Recht findet sich bei Siegmann, Zeitschrift für das gesamte 659  Das

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

kaufmännische Richter anwesend waren, die gleiches Stimmrecht hatten, vgl. §§ 2, 7 SVOADHGB. Es finden sich einige Elemente französischen Ursprungs, die aber in der konkreten Ausgestaltung vom Code de commerce abwichen. So hatte der Kaufmannsstand in Sachsen gemäß Art. 4 SVOADHGB erstmals ein Vor­ schlagsrecht bezüglich der kaufmännischen Richter und deren Stellvertreter. Konkrete Vorschriften zur Wahl sind nicht erkennbar. Es mussten gemäß § 4 SVOADHGB doppelt so viele Personen vorgeschlagen werden, als dann konkret für das Gericht benötigt wurden. Der König traf gemäß dieser Vor­ schrift schließlich die finale Auswahl. Zwar war die Amtszeit mit sechs Jahren doppelt so lange wie in Frankreich (§ 4). Übernommen wurde in dieser Norm aber das Rotationsprinzip des Code de commerce, nach dem alle zwei Jahre ein Teil der Richter ausschied. Die ausscheidenden Handels­ richter konnten sofort wiedergewählt werden, vgl. § 4. Übereinstimmungen mit dem französischen Recht zeigen sich ferner bei den Anforderungen an die kaufmännischen Richter, da sie ein Mindestalter vorweisen und seit einer gewissen Zeit eine Firma besessen haben mussten666. Übereinstimmend war das Mindestalter von 30 Jahren. Es zeigen sich aber auch inhaltliche Abwei­ chungen. So mussten in Sachsen die Firmeninhaber nur für drei Jahre ein Geschäft betrieben haben, im Code de commerce hingegen fünf Jahre lang. All diese Grundsätze waren in der Handelsgerichtsordnung von 1682 nicht verankert. Sie fanden durch die Ausbreitung des französischen Rechts erst­ mals Berücksichtigung in Sachsen. Nun zeigt die Verordnung aber ebenso Grundsätze deutscher Gesetzge­ bung. So konnte der vorsitzende Richter (Jurist) gemäß § 7 SVOADHGB als Abweichung zur gewöhnlichen Beschlussfähigkeit unter Umständen ohne die kaufmännischen Mitglieder tätig sein. Der vorsitzende Richter wurde befugt, insbesondere Sachen mit geringem Streitwert oder solche, die schleunigst entschieden werden mussten (z. B. Wechselsachen), alleine zu verhandeln bzw. sogar zu entscheiden, vgl. § 7 SVOADHGB. Gleiches galt gemäß die­ ser Norm für Angelegenheiten, die lediglich die Prozessführung betrafen. bb) Zuständigkeit Der Aufbau der Zuständigkeitsvorschrift (§ 8 SVOADHGB) erinnert an das PEHGB. Gefordert wurde im Grundsatz das Vorliegen von sachlichen und personellen Kriterien: Handelsrecht 1863, 76 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 133 ff.; teilweise auch bei Gensel, S.  7 ff. 666  Vgl. hierzu und zum Folgenden § 4 SVOADHGB, der auf § 114 des Gewerbe­ gesetzes vom 15. Oktober 1861 verweist.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit235 Art. 8 SVOADHGB: „Vor die Handelsgerichte gehören: 1) Ansprüche gegen Kaufleute (Art. 4 des Handelsgesetzbuches) aus Handelsge­ schäften (Art. 271.–276. des Handelsgesetzbuches) […].“

Die Vorschrift brach damit mit der von der HHGO ausgehenden Entwick­ lung, dass bei den deutschen Gerichten des 19. Jahrhunderts die Zuständig­ keit im Grundsatz nur durch das Vorliegen eines Handelsgeschäfts eröffnet war, unabhängig von der Kaufmannseigenschaft des Beklagten. Das über­ rascht aber nicht, da zu dieser Zeit in Leipzig noch das Handelsgericht von 1682 bestand, bei dem ebenso verlangt wurde, dass der Beklagte ein Kauf­ mann war667. Dieses System hatte sich wohl in Sachsen durch die Jahrhun­ derte lange Existenz des Handelsgerichts etabliert, sodass wieder darauf zu­ rückgegriffen wurde. In Art. 8 Nr. 2 bis 11 SVOADHGB wurden Rechtsverhältnisse bzw. Strei­ tigkeiten aufgeführt, die vor die Handelsgerichte gehörten, obwohl kein Handelsgeschäft vorlag bzw. der Beklagte kein Kaufmann war. Die Vorschrift erinnert an Art. 987 f. PEHGB bzw. Art. 2 Nr. 2 bis 7 des preußischen Ein­ führungsgesetzes, für die bereits zumindest teilweise ein Einfluss des franzö­ sischen Rechts nachgewiesen werden konnte668. Es handelt sich um diejeni­ gen Handelssachen, die ohne die Voraussetzung des Art. 8 Nr. 1 SVOADHGB zu erfüllen, dem Handelsverkehr entsprangen und deshalb thematisch vor die Handelsgerichte gehörten. cc) Verfahren Beim Verfahren war zu differenzieren zwischen dem Spruchkörper in Leip­ zig und den neu zu errichtenden Handelsgerichten, vgl. § 11 SVOADHGB. Beim Ersteren galten weiterhin gemäß § 11 lit. a dessen besondere Vorschrif­ ten, also die Handelsgerichtsordnung von 1682 und das Gesetz vom 21. Sep­ tember 1833. Für die neuen Handelsgerichte verwies § 11 lit. b SVOADHGB auf die allgemeinen Prozessgesetze Sachsens. Wie in Lübeck gab es keine Abweichungen für die Handelsgerichte, etwa zur Beschleunigung. Der Zivil­ prozess in Sachsen war zu dieser Zeit allerdings noch schriftlich669. Dass die aus dem französischen Recht stammenden Grundsätze des öffentlichen und mündlichen Verfahrens noch nicht berücksichtigt waren, wurde vor allem für die Handelsgerichtsbarkeit kritisch betrachtet670.

667  Gensel,

S. 18. dazu S. 214 f. 669  Vgl. zum Zivilprozess Gensel, S.  7 ff. 670  Ebd., S.  19 ff. 668  Vgl.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

c) Bayern In Bayern trat das ADHGB mit dem 1. Juli 1862 in Kraft671. Im Einfüh­ rungsgesetz beschäftigt sich Kapitel 9 mit den Handelsgerichten und dem Verfahren in Handelssachen672. aa) Einführungsgesetz zum ADHGB Art. 56 des Einführungsgesetzes legte fest, dass für Streitigkeiten in Han­ delssachen Handelsgerichte eingerichtet werden sollten. Anzahl, Gerichts­ bezirke und Sitze bestimmte eine Verordnung vom 19. April 1862673. Im Wesentlichen wurden in den Städten, in denen zuvor Wechselgerichte und Handelsgerichte bestanden, neue Handelsgerichte bestellt674. Die existieren­ den Spruchkörper löste man auf675. (1) Besetzung Der Aufbau der Gerichte zeigt in der konkreten Ausgestaltung wenig Ge­ meinsamkeiten mit dem französischen Recht. Vielmehr war es eine Fortfüh­ rung der bayerischen Handelsgerichtsbarkeit. Die einzige Parallele war, dass nun für ganz Bayern einheitliche Handelsgerichte geschaffen wurden und es insbesondere nicht mehr die Unterscheidung zwischen Wechsel- und Han­ delsgerichten gab. Selbst die Einrichtung in Nürnberg, die bis dahin eine gesonderte Behandlung erfahren hatte, war fortan den restlichen Spruchkör­ pern in Bayern gleichgestellt. Lediglich das Mercantil-, Friedens- und Ban­ cogericht ließ man als Ausnahme bestehen, vgl. Art. 61 des Einführungsge­ setzes. Es blieb bei der gemischten Besetzung der Gerichte, die in der bayerischen Handelsgerichtsbarkeit bis dahin üblich war. Sie waren beschlussfähig, wenn drei rechtsgelehrte Richter und zwei Beisitzer aus dem Handelsstand, die alle 671  Das Einführungsgesetz zum ADHGB für das Königreich Bayern vom 10. No­ vember 1861 ist abgedruckt bei Lutz, S. 43 ff.; zur Einführung siehe auch Goldschmidt, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 1863, 388 ff.; Merzbacher, S. 18. 672  Zur Frage der Handelsgerichte siehe beispielsweise die Auseinandersetzungen bei Regelsberger und Leue, S. 115 ff., zusammengefasst bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S.  68 f.; Merzbacher, S.  18 ff. 673  Die Verordnung vom 19. April 1862 ist abgedruckt im Regierungsblatt für das Königreich Bayern 1862, S. 569 ff. Im Folgenden: Verordnung von 1862. 674  Vgl. dazu die Auflistung ebd., S. 574 ff.; auch bei Silberschmidt, Die dt. Son­ dergerichtsbarkeit, S. 73. 675  Verordnung vom 19. April 1862, Regierungsblatt für das Königreich Bayern 1862, S. 580.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit237

gleiches Stimmrecht hatten, anwesend waren, vgl. Art. 57 des Einführungs­ gesetzes bzw. § 13 der Verordnung von 1862676. Die Position der Ergän­ zungsrichter, die sich durch die französische Gesetzgebung verbreitet hatte, wurde gemäß diesen Vorschriften beibehalten. Die Spruchkörper hatten nicht die Selbständigkeit der französischen Einrichtungen, da sie bei den ordent­ lichen Gerichten gebildet wurden677. Bei Bedarf konnten gemäß Art. 58 des bayerischen Einführungsgesetzes als zweite Instanz Handelsappellationsgerichte eröffnet werden. Auch diese Einrichtung, die der französischen Handelsgerichtsbarkeit fremd war, gab es bereits zuvor in Bayern. Die Beschlussfähigkeit sollte in der Besetzung von vier rechtsgelehrten Richtern und drei Beisitzern aus der Kaufmannschaft gegeben sein, vgl. Art. 58 des Einführungsgesetzes. In der Verordnung von 1862 wurde ein solches Gericht für Nürnberg angeordnet678. Die Ablehnung gegen die rein kaufmännische Besetzung der Handelsge­ richte des französischen Rechts zeigt sich beispielsweise in der gewählten Formulierung „Beisitzer“ anstatt „Richter“ für die Kaufleute. Bei der Be­ stimmung der Beisitzer für beide Instanzen orientierte man sich teilweise an bereits bestehenden Vorschriften, etwa Art. 3 HHGO. So sollten nun auch in Bayern erstmals die Vertreter der Kaufmannschaft des jeweiligen Gerichtssit­ zes (Fabrik- und Handelsrat) für jede der Stellen zwei Kaufleute als Kandi­ daten vorschlagen, die dann vom König ernannt wurden (Art. 60 des Einfüh­ rungsgesetzes). Allerdings waren weder im Einführungsgesetz noch in der entsprechenden Verordnung von 1862 genauere Ausführungen hierzu be­ schrieben. So ist beispielsweise nicht ersichtlich, wie die kaufmännischen Vertreter die Beisitzer wählten, wie lange sie im Amt waren oder ob sie er­ neut ernannt werden konnten. Ferner normierten die Gesetze keine Anforde­ rungen an die Kaufleute. Es fehlen letztendlich all die detaillierten Vorschrif­ ten zur Besetzung der Gerichte bzw. insbesondere zu den kaufmännischen Mitgliedern, die erstmals im französischen Recht festgelegt worden waren und von dort ausgehend in den anderen deutschen Handelsgerichtsordnungen bzw. entsprechenden Gesetzen des 19. Jahrhunderts Berücksichtigung gefun­ den hatten. Der bayerische Gesetzgeber nahm diese Grundsätze zur Beset­ zung, die in die deutsche Handelsgerichtsbarkeit dieser Zeit allmählich ein­ gedrungen waren und sich fest etabliert hatten, bis auf die Beteiligung der Kaufleute bei der Wahl der Handelsrichter und die Position der Ergänzungs­ 676  Darstellung der Grundsätze zur Besetzung ohne Vergleich zum französischen Recht bei Hauff, S.  28 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 71 f.; Pfister, 57 f.; Goldschmidt, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 1863, 400 ff. 677  Verordnung vom 19. April 1862, Regierungsblatt für das Königreich Bayern 1862, S. 577. 678  Vgl. ebd., S. 570 ff.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

richter nicht auf. In diesem Punkt unterschieden sich die bayerischen Vor­ schriften von denjenigen der anderen deutschen Staaten. (2) Zuständigkeit Das Einführungsgesetz enthält ferner Regelungen zur sachlichen Zustän­ digkeit der Handelsgerichte, die sich gemäß Art. 62 auf alle Handelssachen erstreckte679. In Art. 63 wird beispielhaft aufgeführt, was unter einer Han­ delssache zu verstehen war. Dazu gehörten gemäß Art. 63 Nr. 1: „Die Rechtsverhältnisse, welche aus Handelsgeschäften (Art. 271–277 des allge­ meinen deutschen Handelsgesetzbuches) zwischen den Betheiligten entstehen.“

Hier zeigt sich eine Annäherung der deutschen Prozessvorschriften, da wie in Preußen, Hessen und Sachsen auf den Begriff des Handelsgeschäfts aus dem ADHGB zurückgegriffen wurde. Ferner waren in beiden Einführungsge­ setzen grundsätzlich Klagen aus Handelsgeschäften gegen Kaufleute er­ fasst680. Jedoch konnten jeweils Klagen gegen Nichtkaufleute vor das Han­ delsgericht gebracht werden, sofern es für diese ein Handelsgeschäft war. Art. 64 des bayerischen Einführungsgesetzes: „Klagen gegen Nichtkaufleute aus den in Artikel 63. Ziffer. 1 erwähnten Handelssachen gehören nur dann zur Zustän­ digkeit der Handelsgerichte, wenn das Geschäft, aus welchem geklagt wird, auf Seite des Beklagten ein Handelsgeschäft war […].“

Diese rein nach sachlichen Kriterien bestimmte Zuständigkeit war dem deutschen Recht des 18. Jahrhundert fremd und über das französische Recht schleichend in die Gerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts aufgenommen worden. Ein weiterer, mittelbarer Einfluss des Code de commerce lässt sich bei den weiteren Zuständigkeitsvorschriften herausarbeiten. So nannte Art. 63 Nr. 2 bis 11 Rechtsverhältnisse, die ebenso Handelssachen darstellten. Bei diesen Verhältnissen war es im Falle der Klage irrelevant, ob der Beklagten Kauf­ mann war oder nicht. Aufgezählt waren beispielsweise Klagen zwischen Handelsgesellschaftern, solche zwischen dem Kaufmann und seinen Ange­ stellten oder Rechtsverhältnisse des Seerechts, vgl. Art. 63. Es handelte sich um die Geschäfte, die dem Handelsverkehr entstammten und deshalb thema­ tisch vor die Handelsgerichte gehörten, unabhängig von der Qualität der be­ teiligten Parteien681. Der Katalog entsprach größtenteils Art. 2 Nr. 2 bis 7 des 679  Darstellung der Grundsätze zur Zuständigkeit, ohne dabei jegliche Parallelen aufzuzeigen, bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 72 ff. 680  Vgl. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen auf S. 222 f. 681  Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen auf S. 214 zur Begründung in den Motiven zum PEHGB.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit239

preußischen Einführungsgesetzes zum ADHGB und damit Art.  987  f. PEHGB682. Für die in letzterer Vorschrift aufgenommen Rechtsverhältnisse konnte bereits an einer anderen Stelle der Arbeit teilweise die Übernahme französischen Rechts nachgewiesen werden683. Indem nun der bayerische Gesetzgeber die Vorschriften des preußischen Entwurfes übernommen hatte, schlichen sich Elemente des französischen Rechts in den bayerischen Han­ delsprozess ein. Die Streitigkeiten aus Wechselsachen, die zuvor bei besonderen Wechsel­ gerichten entschieden wurden, waren nur noch ein Teilbereich der Zuständig­ keit der neuen Spruchkörper, vgl. Art. 67 des bayerischen Einführungsgeset­ zes. Die vormaligen Wechselgerichte wurden gemäß dieser Vorschrift durch die neuen, allgemeinen Handelsgerichte ersetzt. bb) Prozessordnung von 1869 In Bayern fehlte allerdings eine einheitliche Prozessordnung684. Das zeigte sich vor allem in der Handelsgerichtsbarkeit, deren Prozess von vielen ver­ schiedenen Gesetzen und Verordnungen geprägt war685. Ferner gab es noch lokale Unterschiede. So wurde beispielsweise in dem linksrheinischen Teil des Staates (Regierungsbezirk der Pfalz) noch nach den französischen Vorschriften verfahren686. Eine abgeschlossene Prozessordnung für ganz Bayern (BayPO) erließ der Gesetzgeber erst am 29. April 1869687. Im An­ schluss an den Erlass der BayPO wurden nun auch in der Pfalz Handels­ gerichte eröffnet und darüber hinaus ein Handelsappellationsgericht gegrün­ det688. Im Jahre 1871 wurden ferner in München, Augsburg und Nürnberg solche Gerichte zweiter Instanz etabliert689. 682  Vgl. das Ergebnis auf S. 222. Zu diesem Ergebnis kommt auch Goldschmidt, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 1863, 403. 683  Vgl. dazu S. 214 f. 684  Zur Komplexität des bayerischen Wechselverfahrens und des allgemeinen Han­ delsprozesses siehe Hauff, S.  50 ff. 685  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 74 ff. 686  Vgl. dazu die Sonderregelungen in Kapitel 10 des bayerischen Einführungsge­ setzes zum ADHGB. 687  „Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bay­ ern“ von 1869. Im Folgenden: BayPO; vgl. dazu auch die Darstellungen von Ahrens, S.  543 ff. 688  Verordnung vom 12. Juni 1870, abgedruckt im Regierungsblatt für das König­ reich Bayern 1870, S. 865 ff. Vgl. auch Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S.  76 f. 689  Verordnung vom 16. September 1871, abgedruckt im Regierungsblatt für das Königreich Bayern 1871, S. 1585 ff. Vgl. auch Silberschmidt, Die dt. Sondergerichts­ barkeit, S.  76 f.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

(1) Besetzung Die Besetzung der Handelsgerichte wurde im Einführungsgesetz zur Pro­ zessordnung von 1869 neu aufgefasst690. Im Grunde behielt man den Aufbau, der durch das Einführungsgesetz zum ADHGB und die Ordnung von 1862 geschaffen worden war. Man erweiterte lediglich den wählbaren Personen­ kreis für die Position der kaufmännischen Beisitzer: So konnten erstmals im deutschen Recht neben Kaufleuten auch Prokuristen, Handelsbevollmächtigte oder kaufmännisch gebildete Beamte von Handelsgesellschaften ernannt werden. Wahlfähig waren ebenso Kaufleute, die nicht mehr aktiv Handel trieben. Diese Regelung entstammte dem französischen Recht691. Personen, die nicht direkt am Gerichtssitz wohnten, konnten nun gewählt werden, so­ lange gewährleistet war, dass sie dennoch den Gerichtssitzungen beiwohnen konnten und die Entfernung nicht zu Verhinderungen führte. Hintergrund der Vorschriften war die in den Jahren zuvor gemachte Erfahrung, dass es ohne die Erweiterung des Personenkreises in kleineren Orten schwierig bzw. teil­ weise sogar unmöglich war, eine ausreichende Anzahl an Handelsrichtern zu finden692. (2) Zuständigkeit Die Zuständigkeit der Handelsgerichte richtete sich weiterhin nach den Art. 62 ff. des bayerischen Einführungsgesetzes und wurde in Art. 7 BayPO lediglich eingegrenzt. Es zeigt sich eine, erstmals 1850 in Braunschweig aufgetretene Überlegung, die die weitere Entwicklung der deutschen Han­ delsgerichtsbarkeit beeinflussen wird. So konnte die Mehrzahl der Handels­ sachen (Art. 63 Ziff. 1, 4, 6, 8, 9, 10 des bayerischen Einführungsgesetzes zum ADHGB) nur dann vor die Handelsgerichte gebracht werden, wenn der Streitwert der Klage einen gewissen Betrag (150 Gulden) überstieg. Eine derartige Beschränkung war bei den französischen Handelsgerichten nicht vorgesehen693. Die Streitigkeiten mit einem niedrigeren Streitwert wurden 690  Vergleiche hierzu und zum Folgenden Art. 127 des Einführungsgesetzes zur Bayerischen Prozessordnung von 1869, abgedruckt bei: Neue Gesetze, Verordnungen etc. für das Königreich Bayern, 16. Bändchen 2. Abteilung (1870), S. 2 ff. Darin sind auch Bemerkungen und Motive zu einzelnen Vorschriften enthalten. Eine reine Dar­ stellung der Grundsätze der Prozessordnung, ohne jegliche Vergleiche, findet sich bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 76 ff. 691  Vgl. die nachträgliche Verordnung zum Code de commerce auf S. 92 ff. 692  Vgl. dazu die Motive zu Art. 127 des Einführungsgesetzes zur bayerischen Prozessordnung von 1869. 693  Die weitere Einschränkung des Art. 7 Abs. 2 BayPO brachte keine Neuerung, sondern war bereits in Art. 64 des bayerischen Einführungsgesetzes zum ADHGB verankert.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit241

vor den sogenannten Einzelngerichten prozessiert, vgl. Art. 3 BayPO. Dabei handelte es sich um die erste Instanz der Zivilgerichtsbarkeit. Die Einzelnge­ richte waren ganz allgemein für Zivilsachen bis zu 150 Gulden zuständig694. Für sonstige Zivilstreitigkeiten, insbesondere diejenigen mit einem Streitwert über 150 Gulden, waren gemäß Art. 2 BayPO die sogenannten Bezirksge­ richte zuständig. (3) Verfahren Es gab in den Art. 499 ff. BayPO einen Abschnitt für das Verfahren bei den Handelsgerichten, welches das bisher bestehende, unübersichtliche Prozess­ recht für Handelssachen beseitigte. Diese Verfahrensvorschriften galten aber nicht nur für die Handelsgerichte, sondern gemäß Art. 499 BayPO ebenso für die Einzelngerichte. Die Handelsgerichte waren damit in Bezug auf die streitwertabhängige Zuständigkeit den Bezirksgerichten, jedoch hinsichtlich des Prozessrechts den Einzelngerichte gleichgestellt. Sie standen im Ge­ richtsaufbau als Sondergerichte zwischen den Zivilgerichten erster und zwei­ ter Instanz. Das Verfahren war auf Schnelligkeit ausgelegt, vgl. dazu die Art. 499 ff. BayPO. Der bayerische Zivilprozess war demjenigen Frankreichs nachgebil­ det695, sodass insofern mittelbare Parallelen auch für die Handelsgerichtsbar­ keit nachgewiesen werden können. d) Baden In Baden wäre es 1845 durch ein Gerichtsverfassungsgesetz696, das aber nicht ausgeführt wurde, beinahe zur Gründung von allgemeinen Handelsge­ richten gekommen697. In erster Instanz wären diese gemäß § 5 des Gesetzes bei der Anwesenheit von einem juristischen Richter und zwei kaufmänni­ schen Mitgliedern beschlussfähig gewesen. Gemäß dieser Vorschrift sollte für letztere Stellvertreter berufen werden. Bei den konkreten Bestimmungen zu den kaufmännischen Richtern griff der Gesetzgeber in vielen Punkten auf Vorschriften zurück, die ihren Ursprung im französischen Recht hatten. So war gemäß § 29 des Gesetzes von 1845 wählbar, wer ein Mindestalter von 694  Zur

streitwertunabhängigen Zuständigkeit siehe Art. 6 BayPO. S.  640 ff.; Ahrens, S.  553 f.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichts­ barkeit, S. 81. 696  Der Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes für Baden von 1845 ist als Bei­ lage abgedruckt im Großherzoglich Badischen Regierungsblatt 1845, S. 135 ff. 697  Überblicksartig dargestellt auch bei Hahn, Laiengerichtsbarkeit in Baden, S.  55 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 171 f. 695  Schwartz,

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

25 Jahren aufwies und seit mindestens fünf Jahren selbständig Handels­ geschäfte betrieben hatte. Gemäß dieser Norm sollten die ortsansässigen Kaufleute die Handelsrichter wählen, von denen nach einem Jahr die Hälfte ausschied und neu gewählt werden sollte. Das Gesetz kam jedoch nicht zur Ausführung. Auch das Einführungsgesetz zum ADHGB für Baden vom 6. August 1862 enthielt zunächst keine Bestimmung, nach der erstmalig Handelsgerichte eingerichtet wurden698. Die Amtsgerichte sollten zunächst gemäß Art. 48 des Einführungsgesetzes die Aufgaben übernehmen, die nach den Vorschriften des ADHGBs eigentlich Handelsgerichte wahrnehmen sollten699. Das änderte sich mit dem Gesetz über die Gerichtsverfassung von 1864 (BadGVG)700, nach dessen § 4 an Orten, an denen Bedarf bestand, Handels­ gerichte eröffnet werden konnten. Die Vorschriften zeigen teilweise Ele­ mente, die französischen Ursprungs waren. Allerdings beinhalten sie auch Grundsätze, die der französischen Handelsgerichtsbarkeit fremd waren bzw. sich bei den deutschen Handelsgerichten des 19. Jahrhunderts selbst entwi­ ckelt hatten. aa) Besetzung Zur genaueren Regelung der Handelsgerichte erließ man 1865 eine „Ver­ ordnung, die Errichtung von Handelsgerichten betreffend“701. Gemäß § 3 dieser Verordnung handelte es sich um selbständige Gerichte, die neben die Zivilgerichte traten. Es wurde in der von Hamburg ausgehend in ganz Deutschland ausgebreiteten Besetzung von einem Berufsrichter und zwei Kaufleuten geurteilt, vgl. § 34 BadGVG702. Hinsichtlich der Vorschriften zu den kaufmännischen Richtern zeigen sich in der BadGVG einige Elemente des französischen Rechts, beispielsweise bei den Anforderungen an die Wahlfähigkeit. So mussten die Kaufleute ge­ mäß § 34 BadGVG (und Art. 620 Code de commerce) mindestens 30 Jahre 698  Das Einführungsgesetz zum ADHGB für Baden vom 6. August 1862 ist abge­ druckt bei Lutz, S.  129 ff. 699  Zur Einführung des ADHGB siehe Regensburger, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 1863, 452 ff. 700  Das Gesetz über die Gerichtsverfassung vom Oktober 1864 ist abgedruckt in: Die neue Civilgesetzgebung des Großherzogtums Baden, S. 693 ff.; im Folgenden: BadGVG. 701  Die Verordnung vom 24. November 1865 ist abgedruckt in: Die neue Civilge­ setzgebung des Großherzogtums Baden, S. 707 ff. 702  Darstellung der Besetzung ohne Vergleiche bei Hahn, Laiengerichtsbarkeit Ba­ den, S. 110; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 173.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit243

alt sein und seit mehr als fünf Jahren Handel als Kaufmann oder Prokurist einer Handelsgesellschaft getrieben haben. Verzichtet wurde auf die Bedin­ gung des Art. 620 Code de commerce bzw. Art. 3 HHGO, dass sie ein beson­ deres Ansehen haben mussten. Dieses Kriterium konnte sich, ganz im Ge­ gensatz zum Mindestalter und der nachweisbaren Beschäftigung im Handels­ verkehr, in den deutsche Staaten nicht durchsetzen. Die Position der stellver­ tretenden Richter („suppléans“), die dem französischen Recht entstammte, findet sich auch bei den badischen Gerichten wieder, vgl. § 34 f. BadGVG. Berücksichtigt wurde ferner, dass Kaufleute, die ihr Handelsgeschäft bereits aufgegeben hatten, wahlfähig waren, sofern sie die restlichen Voraussetzun­ gen erfüllten, vgl. § 7 der Verordnung von 1865. Die kaufmännischen Richter und deren Stellvertreter wurden durch den Handelsstand gewählt. Das Wahlprozedere wurde an die Bestimmungen des ADHGB angepasst. So waren die im Handelsregister eingetragenen Kauf­ leute befugt703, eine dreifache Anzahl an benötigten Personen zu bestimmen, vgl. § 35 BadGVG. Aus der vorgeschlagenen Gruppe suchte der König die Richter aus, die für vier Jahre ehrenamtlich tätig waren (§ 23 der Verordnung von 1865 über die Handelsgerichte bzw. § 36 BadGVG). In § 36 BadGVG war ein Rotationsprinzip vorgesehen, wie das seit In­ krafttreten des Code de commerce auch bei den deutschen Handelsgerichten des 19. Jahrhunderts üblich war. So schieden gemäß dieser Vorschrift alle zwei Jahre die Hälfte der Richter und deren Stellvertreter aus, wobei eine erneute Berufung möglich war. Dass entsprechend dem französischen Recht eine Pause zwischen Ausscheiden und Wiederwahl nötig war, ist nicht er­ sichtlich. bb) Zuständigkeit Hinsichtlich der Zuständigkeit verwiesen § 2 der Verordnung von 1865 und § 37 der BGVG auf die §§ 11 ff. der bürgerlichen Prozessordnung vom 18. März 1864 (BadBPO)704. § 11 BadBPO: „In Handelssachen treten, wo Handelsgerichte sind, diese für den Umfang ihres Bezirkes an die Stelle der Kreisgerichte, sofern der Werth des Streit­ gegenstandes über zweihundert Gulden beträgt.“ 703  Siehe hierzu die genaue Aufzählung in § 5 der Verordnung die Handelsgerichte betreffend bzw. in § 6 die möglichen Ausschlussgründe. Der genaue Ablauf ist in §§ 8 ff. geregelt. Besonders: Wähler werden nicht von Kaufleuten vorgeschlagen (§ 8.). 704  Die Bürgerliche Prozessordnung vom 18. März 1864 ist abgedruckt in: Die neue Civilgesetzgebung des Großherzogtums Baden, S. 713  ff.; im Folgenden: BadBPO.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

An dieser Stelle zeigt sich erneut die streitwertabhängige Zuständigkeit in Handelssachen, die sich in der deutschen Handelsgerichtsbarkeit etablierte. Welche Streitigkeiten unter den Begriff der Handelssachen fielen, wurde durch eine Aufzählung in § 12 BadBPO bestimmt. Dazu gehörten insbeson­ dere: „1. Streitigkeiten aus Geschäften, welche in Art. 271 bis 274 des Handelsgesetz­ buchs als Handelsgeschäfte bezeichnet sind […].“

Da auf die Handelsgeschäfte des ADHGBs verwiesen wurde, sorgte auch die BadBPO für eine Angleichung der Zuständigkeit der deutschen Handels­ gerichte. Ferner enthielten § 12 BadBPO in den Nr. 2 bis 7 weitere Streitig­ keiten, die Handelssachen darstellten, ohne Handelsgeschäfte zu sein. Erfasst waren gemäß dieser Vorschrift beispielsweise Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern einer Handelsgesellschaft oder Klagen zwischen dem Eigen­ tümer eines Handelsgeschäfts und seinen Angestellten. Der Katalog entsprach überwiegend denjenigen des PEHGB und des preußischen, bayerischen und hessischen Einführungsgesetzes zum ADHGB, die zumindest teilweise auf den französischen Zuständigkeitsvorschriften basierten705. Die Zuständigkeit war nur nach diesem sachlichen Kriterium der Handels­ sache bestimmt. Es war nicht erforderlich, dass der Beklagte Kaufmann war. Sofern für beide Parteien eine Handelssache gegeben war, war die Sache vor die Handelsgerichte zu bringen. Wenn die Angelegenheit lediglich für den Beklagten, nicht jedoch für den Kläger eine Handelssache darstellte, hatte der Kläger ein Wahlrecht zwischen dem Zivilgericht und dem Handelsge­ richt, vgl. § 13 BadBPO. Wie bei den nach Einführung des ADHGB errich­ teten Handelsgerichten üblich, waren die Handelsgerichte gemäß dieser Vor­ schrift nicht zuständig, wenn für den Beklagten keine Handelssache vorlag. Dann war die Klage bei den Zivilgerichten einzulegen. cc) Verfahren Auch in Baden hatten die Grundsätze der Trennung von Verwaltung und Justiz sowie die Gewährleistung eines öffentlichen und mündlichen Verfah­ rens Berücksichtigung in der neuen Prozessordnung gefunden706. Hinsicht­ lich des Verfahrens gab es keine Sondervorschriften für die Handelsgerichte. Es galt die BadBPO. Insbesondere wurde der Handelsprozess nicht beschleu­ nigt.

705  Vgl.

dazu etwa S. 214 f. Laiengerichtsbarkeit Baden, S. 107 f.

706  Hahn,



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit245

e) Württemberg In Württemberg gab es Anfang des 19. Jahrhunderts mit dem Wechselge­ richt in Stuttgart zwar eine besondere Wechselgerichtsbarkeit, nicht jedoch eine allgemeine Handelsgerichtsbarkeit707. Seit 1822 bestand bei den ordent­ lichen Gerichten für jede Instanz die aus der preußischen Handelsgerichts­ barkeit stammende Möglichkeit, einen Kaufmann hinzuzuziehen, sofern es sich bei dem Sachverhalt um eine komplexe Sache handelte, bei der kauf­ männischer Sachverstand nötig war708. Unausgeführt blieb ein Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das König­ reich Württemberg von 1839709, der die Eröffnung von gemischt besetzten, allgemeinen Handelsgerichten vorsah710. Bei den Vorschriften zu den kauf­ männischen Mitgliedern zeigen sich Elemente des französischen Rechts, die es beim Wechselgericht in Stuttgart zuvor nicht gegeben hatte711. Beispiels­ weise sollte der Handelsstand selbst die Handelsrichter wählen, die auf be­ grenzte Zeit als solche tätig sein sollten. Ferner war eine Rotation vorgese­ hen, nach der jedes Jahr die Hälfte der Handelsrichter ausschied bzw. neu gewählt wurde. Ein weiteres Beispiel für die Übernahme französischen Rechts zeigt sich bei der Wählbarkeit, die erst gegeben war, wenn eine ­Person mindestens fünf Jahre lang ein Handelsgewerbe mit gutem Ruf be­ trieben hatte. Mit dem Wechselgericht in Stuttgart hingegen sind keine Ge­ meinsamkeiten erkennbar. Da der Entwurf nicht ausgeführt wurde, der Handelsstand jedoch Bedarf für Sondereinrichtungen erkannte, gründete der Württembergische Handels­ verein 1843 selbständig vier Schiedsgerichte für Handelssachen, nämlich in Stuttgart, Heilbronn, Ulm und Reutlingen712. aa) Errichtung von Handelsgerichten Erst im Zuge des Einführungsgesetzes zum ADHGB für das Königreich Württemberg vom 13. August 1865713 wurden Handelsgerichte errichtet, 707  Siehe

dazu auch das Ergebnis auf S. 54. Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 162 ff. 709  Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg mit Moti­ ven von 1839. 710  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 163. 711  Vgl. hierzu und zum Folgenden Art. 808 ff. des Entwurfs eines Handelsgesetz­ buches für das Königreich Württemberg mit Motiven von 1839. 712  Hierzu Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 164 ff. 713  Das Einführungsgesetz zum ADHGB für das Königreich Württemberg vom 13. August 1865 ist abgedruckt bei Lutz, S.  1 ff. 708  Hierzu

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

wofür man am gleichen Tag eine Handelsgerichtsordnung (WHGO) erließ714. Gemäß Art. 1 dieser Ordnung wurden in den vier Städten, in denen es zuvor die Schiedsgerichte gab, selbständige Handelsgerichte gebildet. Die Spruch­ körper konnten allerdings auch als selbständige Abteilung des jeweiligen Bezirksgerichts eingerichtet werden (Art. 5 WHGO). (1) Besetzung Der Gesetzgeber entschied sich für die in den deutschen Staaten übliche gemischte Besetzung mit rechtsgelehrten und kaufmännischen Richtern (Handelsrichtern), vgl. Art. 2 WHGO715. Ungewöhnlich war die Anzahl der Richter, die für die Beschlussfähigkeit notwendig waren. In erster Instanz war diese gegeben, wenn zwei rechtsgelehrte und drei kaufmännische Rich­ ter anwesend waren, vgl. Art. 4 WHOG. Eine vergleichbare Abweichung von der in Deutschland üblichen Anzahl von drei Personen findet sich sonst nur beim Handelsgericht in Braunschweig und in Bayern716. Es zeigen sich einige Elemente des französischen Rechts bei den Vor­ schriften zu den Handelsrichtern: So gab es gemäß Art. 2 WHGO bei jedem Gericht kaufmännische Ersatzrichter. Eine Person war zum Handelsrichter oder Stellvertreter wählbar, wenn sie seit fünf Jahren ein Handelsgewerbe betrieb, vgl. Art. 11 WHGO. Es reichte gemäß dieser Norm aus, wenn die Person nicht mehr aktiv im Handelsverkehr tätig war, so lange sie die Vo­ raussetzung zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit erfüllt hatte. Die Han­ delsrichter waren gemäß Art. 12 WHGO für zwei Jahre berufen, konnten aber wiedergewählt werden. Der Kaufmannsstand hatte ein Mitspracherecht für die Handelsrichter und deren Stellvertreter, vgl. Art. 9 WHGO. Bei einer genaueren Betrachtung finden sich in der WHGO einige inhalt­ liche Abweichungen vom französischen Recht. So wurde die Wählerschaft gemäß Art. 9 WHGO aus dem jeweiligen Handelsregister des Gerichtsbezir­ kes genommen, was sich bei den Gerichten nach Einführung des ADHGB durchgesetzt hatte. Ferner hatten die kaufmännischen Vertreter gemäß dieser Norm nur ein Vorschlagsrecht, indem sie die doppelte Anzahl an nötigen Richtern und Stellvertretern vorschlugen und die finale Entscheidung dem König überließen. Bei den Anforderungen an diese wurde auf das Mindest­ alter von 30 Jahren verzichtet, das bei nahezu allen deutschen Handelsge­ 714  Das Gesetz vom 13. August 1865, die Errichtung von Handelsgerichten und das Verfahren vor denselben betreffend, ist abgedruckt im Regierungsblatt für das Königreich Württemberg 1865, S. 235 ff. 715  Isolierte Darstellung der Grundsätze zur Besetzung bei Geßler, Deutsche Ge­ richtszeitung 1865, 204; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 167 f. 716  Vgl. dazu S. 162 ff. bzw. S. 239 ff.



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richten des 19. Jahrhunderts rezipiert worden war. Gewählt werden konnten auch ehemalige Prokuristen, die nicht mehr berufstätig waren, vgl. Art. 11 WHGO. Deutschen Ursprungs war darüber hinaus auch die Bildung eines Oberhan­ delsgerichts als zweite Instanz, vgl. Art. 15 WHGO. Bei diesem wurden Kaufleute als Richter hinzugezogen. Es war gemäß Art. 17 WHGO be­ schlussfähig, wenn vier rechtsgelehrte und drei kaufmännische Richter anwe­ send waren. (2) Zuständigkeit Die Zuständigkeit umfasste insbesondere Rechtsstreitigkeiten aus Handels­ geschäften, vgl. Art. 20 Nr. 1 WHGO717. Da keine abweichenden Regeln erkennbar sind, wurde hinsichtlich des Begriffs „Handelsgeschäft“ auf die Art. 271 ff. ADHGB zurückgegriffen. Insofern trug die WHGO zu einer Ver­ einheitlichung der deutschen Handelsgerichtsbarkeit nach Erlass des ADHGB bei. Allerdings forderte Art. 20 Nr. 1 WHGO die Kaufmannseigenschaft des Beklagten. Wenn diese Voraussetzung nicht vorlag, musste die Sache vor die Zivilgerichte gebracht werden. Wenn hingegen nur der Kläger kein Kauf­ mann war, hatte er die Wahlmöglichkeit, ob er die Sache beim Zivilgericht oder Handelsgericht einlegen wollte (Art. 21 WHGO). Wie in den meisten Handelsgerichtsordnungen seit Einführung des ADHGB folgte in Art. 20 Nr. 2 bis 16 WHGO eine Aufzählung von Rechts­ verhältnissen, Ansprüchen und Verbindlichkeiten, die zwar keine Handelsge­ schäfte waren, aber dennoch von der Zuständigkeit des Handelsgerichts um­ fasst waren. Inhaltlich zeigen sich wiederum Parallelen zu den Katalogen der anderen Handelsgerichtsordnungen dieser Zeit bzw. den Einführungsgesetzen zum ADHGB. Tatsächlich näherte sich die Zuständigkeit der einzelnen deut­ schen Handelsgerichte in diesem Punkt allmählich an. Gemäß Art. 22 WHGO waren die Handelsgerichte in Württemberg nur zuständig, soweit ein gewisser Streitwert (mindestens 50 Gulden) vorlag. Streitigkeiten, die zwar in der Sache vor die Handelsgerichte gehörten, aber eine geringere Streitsumme aufwiesen, waren gemäß dieser Vorschrift bei den untersten Zivilgerichten zu verhandeln. Allerdings konnten die Parteien eine Prorogation vereinbaren, damit auch in geringwertigen Sachen im Falle der Klage das Handelsgericht zuständig war, vgl. Art. 22 WHGO.

717  Isolierte Darstellung der Zuständigkeit bei Geßler, Deutsche Gerichtszeitung 1865, 204.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

(3) Verfahren Das Verfahren war fast umfassend in der WHGO in den Art. 40 bis 137 geregelt. Nur sofern dort keine speziellen Regeln getroffen wurden, sollte auf die allgemeine Prozessordnung der ordentlichen Gerichte zurückgegriffen werden, vgl. Art. 40 WHGO. Das eigentliche Gerichtsverfahren war gemäß Art. 42 ff. WHGO mündlich und öffentlich, wie sich das seit der französi­ schen Revolution verbreitet hatte. Insofern wich es vom damaligen Zivilpro­ zess in Württemberg ab718. Das Verfahren in Handelssachen war zwar nicht summarisch. Allerdings wurde den Handelsgerichten zur Pflicht gemacht, das Verfahren möglichst zu beschleunigen (Art. 48). Hierfür sollten sie ge­ mäß dieser Vorschrift Fristen innerhalb der ihnen zustehenden Möglichkeiten möglichst kurz ansetzen. Der Handelsprozess der WHGO wurde zum Vorbild für die drei Jahre später erlassene allgemeine Zivilprozessordnung in Würt­ temberg, weshalb er ab diesem Zeitpunkt mit dem Zivilverfahren identisch war719. bb) Veränderungen bis zum GVG Die WHGO wurde bereits drei Jahre später durch das Gerichtsverfassungs­ gesetz vom 13. März 1868 (WGVG) außer Kraft gesetzt720. Die WGVG enthielt noch weniger Elemente französischen Ursprungs. Vielmehr wurde die Handelsgerichtsbarkeit in eine Richtung verändert, die den Kammern für Handelssachen ähnelt. Die selbständigen Handelsgerichte wurden aufgehoben und die Zuständig­ keit in Handelssachen den Zivilgerichten übertragen, vgl. Art. 2 WGVG721. Die WGVG sah generell eine Beteiligung von Schöffen bei den Gerichten vor. Für die Streitigkeiten in Handelssachen wurden konsequenterweise Kaufleute als Schöffen hinzugezogen, sodass in allen Instanzen die Mitwir­ kung von Kaufleuten in Handelsstreitigkeiten nicht verloren ging722. Die kaufmännischen Schöffen wurden teilweise vom Handelsstand gewählt723. 718  Ebd.,

203. 203.; Schwartz, S. 633. 720  Das Württemberger Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. März 1868 ist abge­ druckt im Regierungsblatt für das Königreich Württemberg 1868, S. 61 ff.; zur Besei­ tigung der WHGO siehe Art. 35 der WGVG. 721  Darstellung der Grundsätze auch bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbar­ keit, S.  169 f. 722  Zur Besetzung vgl. Art. 7 III WGVG für das Oberamtsgericht; Art. 15 I für die Kreisgerichte; Art. 22 II WGVG für die Obertribunale. 723  So bspw. Art. 65 für das Obertribunal oder Art. 54 für die Kreisgerichtshöfe. 719  Ebd.,



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Die Anforderungen an diese zeigen zu denjenigen für die Handelsrichter nach der WHGO kaum Veränderungen, vgl. Art. 48 Abs. 3 WGVG. Wann überhaupt eine Handelssache vorlag, war in Art. 32 des WGVG ge­ regelt, der auf Art. 9 der Württembergischen Zivilprozessordnung (WZPO) vom 3. April 1868724 verwies. Dieser Art. 9 enthielt eine Aufzählung, die nahezu wörtlich Art. 20 der WHGO entsprach725. Abgewandelt wurde bei­ spielsweise, dass nach Art. 32 Nr.1 der WGVG in Streitigkeiten, die aus Handelsgeschäften stammten, sowohl Kläger als auch Beklagter Kaufleute sein mussten726. Die WHGO hingegen hatte gemäß Art. 20 Nr. 1 nur die Kaufmannseigenschaft des Beklagten gefordert. Das Verfahren in Handelssachen entsprach dem allgemeinen Prozessrecht der WZPO, das nun auch ein öffentliches und mündliches Verfahren vor­ sah727. Für die Verfahren in Handelssachen änderte sich wenig, da die WHGO (Art. 40 bis 137) bereits die Grundzüge der WZPO enthalten hatte728. Die Prozessvorschriften der WHGO für die vormaligen Handelsge­ richte waren die Vorläufer der WZPO, nach denen diese dann allgemein für den Zivilprozess galten729. Durch die Eingliederung der Handelsstreitigkei­ ten bei den Zivilgerichten gab es keine Privilegierung mehr, etwa zur Be­ schleunigung der Prozesse. 3. Resümee Als Folge der Einführung des ADHGBs kam es zu einer Reihe von Neu­ gründungen in Deutschland. Die dem ADHGB zugrundeliegende Idee, in allen deutschen Staaten allgemeine Handelsgerichte zu eröffnen, die nach gleichem materiellen Recht urteilten, hatte ihren Ursprung im französischen Recht und über die einzelnen deutschen Staaten (etwa in Bayern) nun end­ lich auch staatenübergreifend Berücksichtigung gefunden. Prozessual führte das bei den bereits bestehenden Handelsgerichten nur teilweise zu kleineren Veränderungen bei der Zuständigkeit. Der Aufbau der Gerichte wurde nicht angerührt. Bei den Neugründungen hingegen lässt sich eine Mischform herausarbeiten, da sie einige Charakterzüge des französi­ schen Rechts, aber ebenso Elemente der deutschen Gesetzgebung enthielten. 724  Die Württembergischen Zivilprozessordnung (WZPO) vom 3. April 1868 ist mit Erläuterungen abgedruckt bei Fecht, S.  1 ff. 725  Zu den Abweichungen siehe ebd., S. 65. 726  So auch ebd., S. 66. 727  Geßler, Deutsche Gerichtszeitung 1865, 203. 728  Fecht, S. 9. 729  Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 169.

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3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

Die rein kaufmännische Besetzung fand auch bei den Handelsgerichten nach Einführung des ADHGB keine Beachtung. Allerdings setzte sich die von der französischen Regierung für die hanseatischen Departements ange­ ordnete Besetzung von einem juristischen Richter und zwei kaufmännischen Richtern mit gleichem Stimmrecht überwiegend durch. Bei den Vorschriften für die Handelsrichter wurde auf Elemente des französischen Rechts zurück­ gegriffen. So hatte der Handelsstand bei der Auswahl der kaufmännischen Mitglieder ein Mitspracherecht. Diese mussten üblicherweise ein Mindestal­ ter haben und für eine gewisse Dauer als selbständige Kaufleute tätig gewe­ sen sein. Übernommen wurde auch, dass sie nur für wenige Jahre berufen waren und eine Rotation stattfand, sodass nicht alle Mitglieder gleichzeitig ausschieden. Gleiches galt für die Position der stellvertretenden Richter. Al­ lerdings passte man Regelungen des französischen Rechts an das ADHGB an. So wurde beispielsweise das Konstrukt der Notablen nicht übernommen. Vielmehr griff man für den Wahlkreis auf die im örtlichen Handelsregister eingetragenen Kaufleute zurück. Die Vorschriften des Code de commerce wurden auch kritisch hinterfragt. Ein Beispiel hierfür ist etwa, dass ausschei­ dende Handelsrichter teilweise sofort wiedergewählt werden konnten, ohne dass sie ein Pausenjahr einlegen mussten. In diesem konkreten Fall wurde die Abweichung damit begründet, dass so eine konstantere Rechtsprechung gewährleistet werden würde. Eine weitere Erkenntnis dieses Kapitels ist die Eingliederung in die Zivil­ gerichtsbarkeit, die sich auch im GVG wiederfindet730. So wurden die neuen Handelsgerichte seit der Einführung des ADHGB regelmäßig als Abteilungen der Zivilgerichte gegründet. In Frankreich und der ersten Hälfte des 19. Jahr­ hunderts waren sie selbständig. Auch bei den Vorschriften zur Zuständigkeit lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum französischen Recht herausarbeiten. Ähnlichkeiten zeigen sich insbesondere in der Systematik. So wurden überwiegend nur sachliche Kriterien (Handelssache) vorausgesetzt. Die Kaufmannseigenschaft des Beklagten wurde nur in Sachsen und Württemberg verpflichtend gefor­ dert. Bei der Bestimmung der Handelssachen zeigen die Ordnungen Paralle­ len. So waren Streitigkeiten erfasst, die auf Handelsgeschäften basierten, wofür einheitlich auf die Art. 271 ff. ADHGB zurückgegriffen wurde. Ferner enthielten alle Ordnungen einen Katalog mit sonstigen Rechtsverhältnissen, die ihrer Natur nach vor den Handelsgerichten entschieden werden sollten, auch wenn es sich nicht um Handelsgeschäfte handelte. Dieser Katalog war jeweils sehr ähnlich. Einige der Rechtsverhältnisse waren erstmals im fran­ zösischen Recht genannt worden. Und doch setzte sich bei der Zuständigkeit allmählich eine Voraussetzung fest, die ein Produkt deutscher Gesetzgebung 730  Vgl.

dazu die Ausführungen auf S. 284 ff.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit251

des 19. Jahrhunderts, insbesondere seit dem ADHGB, war: Die streitwert­ abhängige Zuständigkeit. Nur Streitigkeiten mit einer gewissen Streitsumme konnten vor die Handelsgerichte gebracht werden. Hintergrund war die Überlegung, dass nur für bedeutende Streitsachen die Expertise der Kauf­ leute herangezogen werden sollte, da ansonsten eine zu große Anzahl an Fällen vor die Handelsgerichte kommen würde. So würde das Amt des Han­ delsrichters für Kaufleute unattraktiv werden, da es zu viele Einbußen für den eigenen Betrieb mit sich bringen würde. Für das Verfahren gab es bei den untersuchten Gerichten, anders als im französischen Recht und den Gerichten bis zum ADHGB, überwiegend keine Sondervorschriften mehr. Es wurde auf den allgemeinen Zivilprozess zurück­ gegriffen. Insbesondere sollte das Verfahren im Vergleich zu diesem nicht mehr beschleunigt werden, was gerade im 18. Jahrhundert noch einer der Hauptgründe für die Schaffung von Sondereinrichtungen für den Handel war. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Grundsätze des öffentlichen und mündlichen Verfahrens ab der Hälfte des 19. Jahrhunderts im deutschen ­Zivilprozess berücksichtigt wurden. Ferner ist es auf die Eingliederung der Handelsgerichtsbarkeit bei den Zivilgerichten zurückzuführen. Da es sich in einigen Staaten nur noch um Unterabteilungen von diesen handelte, sollte auch das Verfahren identisch sein. Eine Neuerung, die im weiteren Verlauf interessant sein wird, war die Möglichkeit für den Vorsitzenden, selbständig tätig zu werden. Damit sollten die kaufmännischen Mitglieder entlastet wer­ den. Diese Befugnisse beschränkten sich überwiegend auf die prozessualen Handlungen, bei denen die Expertise der Kaufleute nicht nötig war.

IV. Resümee zum Einfluss des französischen Rechts auf die deutsche Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert bis zum GVG Vergleicht man nun die deutsche Handelsgerichtsbarkeit vor Erlass des GVG mit der Situation im 18. Jahrhundert, erkennt man deutlich einen Ein­ fluss des französischen Rechts. So gab es vor dem Kontakt mit dem Code de commerce in den deutschen Staaten und Städten nur wenige Sondereinrichtungen für den Handel, die typischerweise Spezialgerichte mit rechtsprechenden und gleichzeitig admi­ nistrativen Befugnissen waren, etwa für See-, Messe- oder Wechselsachen731. Im 19. Jahrhundert übernahmen die deutschen Gesetzgeber die Idee, flä­ chendeckend allgemeine Handelsgerichte zu eröffnen. Ferner fand der in der französischen Revolution aufgenommene Grundsatz der Gewaltentren­ 731  Vgl.

S. 82.

252

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

nung732 Berücksichtigung, sodass die neu gegründeten Spruchkörper (wie in Frankreich) nur noch rechtsprechend tätig waren. Im Gegensatz dazu hatten die deutschen Einrichtungen des 18. Jahrhunderts, insbesondere in Seestäd­ ten, eher behördlichen Charakter, da sie noch andere Aufgaben neben der Entscheidung von Streitigkeiten hatten733. 1. Besetzung Die Trennung von Justiz und Verwaltung zeigt sich auch bei der Beset­ zung der Gerichte. So wurden im 18. Jahrhundert die kaufmännischen und juristischen Richter noch aus der Mitte des jeweiligen Stadtrats bestimmt734. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Berufsrichtertum, das dazu führte, dass die Gerichte nicht mehr mit Mitgliedern des Stadtrats besetzt wurden. Nach französischem Vorbild hatten die Kaufleute nun ein Mitspracherecht bezüglich der kaufmännischen Richter, auch wenn die rein kaufmännische Besetzung der französischen Handelsgerichte nicht übernommen wurde. Die Ordnungen des 18. Jahrhunderts enthielten zur Besetzung keine genauen Be­ stimmungen. Durch den Code de commerce verbreitete sich das Aufstellen detaillierter Regeln für die Position der Handelsrichter735. Die deutschen Ge­ richtordnungen übernahmen bis zum GVG diesbezüglich die Elemente des französischen Rechts. Gerade die Voraussetzungen zum Mindestalter und der Erfahrung als selbständige Kaufleute, wie auch die begrenzte Amtszeit und der Wechsel durch Rotation, fanden Berücksichtigung. Die Grundsätze waren selbst in den Gerichtsordnungen, die nach dem ADHGB erlassen wurden, nicht wegzudenken. Sie hatten sich im deutschen Recht fest eta­ bliert. Dennoch hat sich die Übernahme dieser Grundsätze französischen Ur­ sprungs im Laufe der Zeit inhaltlich verändert. Hier kann einerseits zwischen verschiedenen Zeitspannen differenziert werden: Die Gerichte, die vom Ende der Besatzungszeit bis zum ADHGB gegründet bzw. beibehalten wurden, waren dem Code de commerce sehr ähnlich bzw. teilweise sogar identisch736. Die später errichteten Spruchkörper zeigen inhaltlich schon deutlichere Ab­ weichungen und sprachlich sind nahezu keine Parallelen mehr erkennbar737. 732  Frey,

S.  15 f. S. 82 f. 734  Vgl. zur typischen Besetzung der deutschen Spruchkörper für Handelssachen des 18. Jahrhunderts S. 81 f. 735  Vgl. die Ergebnisse auf S. 170 und S. 249. 736  Vor allem diejenigen in der Rheinprovinz; aber auch in Bremen und Hamburg, vgl. S. 172. 737  Vgl. S. 249 f. 733  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit253

Andererseits kann zwischen den Teilen Deutschlands differenziert werden, die während der Vormachtstellung Frankreichs in Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts besetzt waren und denjenigen, die nicht besetzt waren: In den besetzten Gebieten, in denen man das französische Handelsrecht unmit­ telbar kennengelernt hatte, wurden die Einrichtungen aus der Zeit der Fremd­ herrschaft entweder beibehalten oder überwiegend bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts neue Handelsgerichte gegründet. Dabei hielt man sich bis zum GVG relativ nah am französischen Gesetzestext, was durch (wört­ lich) identische Vorschriften nachgewiesen werden konnte738. In den unbe­ setzten Staaten, in denen überwiegend erst nach Erlass des ADHGB Han­ delsgerichte eröffnet wurden, waren mehr Modifikationen erkennbar739. Elemente des französischen Rechts wurden kritischer hinterfragt. Ganz be­ sonders deutlich konnte das für den PEHGB durch die umfangreiche Geset­ zesbegründung herausgearbeitet werden740. Außerdem etablierten sich bei diesen Einrichtungen als Abweichung zum Code de commerce, dass auch in zweiter Instanz Kaufleute als Richter hinzugezogen wurden. Gleiches gilt für die Möglichkeit des vorsitzenden Richters, ohne die kaufmännischen Richter tätig zu werden, was sich zur gleichen Zeit in der deutschen Handelsgerichts­ barkeit teilweise festsetzte741. Diese Regelung war dem französischen Han­ delsprozessrecht fern, weshalb es sich auch um ein Produkt deutscher Ge­ setzgebung handelt. Sie wird die weitere Entwicklung der Handelsgerichts­ barkeit in Deutschland beeinflussen742. 2. Zuständigkeit Auch bezüglich der Zuständigkeit der deutschen Handelsgerichte des 19. Jahrhunderts lässt sich ein Einfluss des französischen Rechts belegen. Wie eingangs bereits erörtert wurde, beschränkte sich die Gerichtsbarkeit der im 18. Jahrhundert eröffneten Spruchkörper überwiegend auf Teilgebiete des Handels, was dem französischen Recht fremd war. Seit dem Kontakt der deutschen Staaten mit dem französischen Recht zur Zeit der Vormacht­ stellung Frankreichs in Europa wurden mit Ausnahme Bayerns nur noch allgemeine Handelsgerichte gegründet. Selbst in Staaten, wo Gerichte für Teilbereiche des Handels bestanden, wie etwa in Preußen oder Württem­ berg, sollten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allgemeine Handels­ gerichte etabliert werden, die die existierenden Einrichtungen ablösen soll­ 738  Vgl.

das Ergebnis auf S. 133 und auf S. 170. hierzu und zum Folgenden S. 249 f. 740  Vgl. S. 204 ff. 741  Vgl. S. 249 ff. 742  Vgl. dazu die Ausführungen zu den Kammern für Handelssachen auf S. 289 f. 739  Vgl.

254

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

ten743. Es scheiterte jeweils lediglich an der Ausführung der Gesetzesent­ würfe. Auch bei der konkreten Ausgestaltung der Zuständigkeitsvorschriften bei den deutschen Handelsgerichten konnte ein französischer Einfluss nach­ gewiesen werden. Zwar lehnten die deutschen Gesetzgeber Art. 631 Alt. 1 Code de commerce ab, der die Zuständigkeit nur durch das Vorliegen der Kaufmannseigenschaft beider Parteien eröffnete. Vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte sich jedoch entsprechend Art. 631 Alt. 2 Code de commerce, dass die Zuständigkeit durch rein sachliche Krite­ rien bestimmt wurde, was den deutschen Sondereinrichtungen des 18. Jahr­ hunderts noch fremd war744. So musste entweder ein Handelsgeschäft oder ein sonstiges, aus dem Handelsverkehr stammendes Rechtsverhältnis vorlie­ gen, was durch Kataloge bestimmt wurde. Später wählte man für diese bei­ den Alternativen den Begriff der Handelssache745. Ab dem ADHGB wurden die Zuständigkeiten der Spruchkörper angenähert, indem man überwiegend auf die Definition des Begriffs des Handelsgeschäfts aus diesem Gesetzbuch zurückgriff746. Hinsichtlich des genannten Kataloges ist ein französischer Einfluss nachweisbar. So wurden einige der Rechtsverhältnisse erstmals im Code de commerce aufgezählt und fanden dann über die norddeutschen Han­ delsgerichtordnungen bzw. den PEHGB in den Ausführungsgesetzen bzw. den Gerichtordnungen nach 1861 Berücksichtigung. Die Gesetzgeber wendeten sich damit insbesondere bis zum ADHGB ge­ gen die im 18. Jahrhundert bestehende Regelung, dass der Beklagte ein Kaufmann sein musste, die als für die deutschen Gerichte vorherrschend betrachtet wurde747. Bis dahin hatte also die französische Vorschrift das deut­ sche Recht verdrängt. Erst im PEHGB und in den Gerichten nach dem ADHGB wurde die deutsche Systematik teilweise wiederaufgenommen748. Der wohl größte Unterschied zum französischen Recht war die streitwert­ abhängige Zuständigkeit der Handelsgerichte, die erstmals im Braunschwei­ ger Gesetz von 1850 vorzufinden war749. Von dort ausgehend wurde der Gedanke bei einer Vielzahl von Handelsgerichten, die seit dem ADHGB ge­ gründet wurden, aufgegriffen750. Bei dieser, später im GVG berücksichtigten 743  Vgl.

hierzu und zum Folgenden S. 198 ff. bzw. S. 245 f. hierzu und zum Folgenden S. 170 ff. 745  Erstmals in Bremen, vgl. S. 155 ff. 746  Vgl. hierzu und zum Folgenden das Ergebnis auf S. 249 f. 747  Vgl. dazu S. 82. 748  Vgl. dazu S. 228 ff. 749  Vgl. S. 165 ff. 750  Vgl. das Ergebnis auf S. 249 f. 744  Vgl.



C. Berücksichtigung franz. Rechts in der dt. Handelsgerichtsbarkeit255

Regelung handelt es sich ganz deutlich um ein Produkt deutscher Gesetzge­ bung. 3. Verfahren Auch die Grundsätze zum Verfahren bei den Handelsgerichten wiesen zu­ mindest mittelbar einen französischen Einfluss auf. Die deutschen Handels­ gerichtsordnungen des 18. Jahrhunderts enthielten ein umfassendes, abge­ schlossenes Prozessrecht, das vom Zivilverfahren losgelöst war751. Der da­ malige Zivilprozess war schriftlich und langsam. Durch die Verfahrensvor­ schriften sollten schnellere Entscheidungen möglich sein, wofür nur teilweise ein mündliches Verfahren angeordnet wurde. Erst durch den Kontakt mit dem französischen Recht veränderte sich die Gesetzessystematik. Bei den deutschen Handelsgerichten bis zum ADHGB basierte das Verfahren (wie im Code de commerce bzw. Code de procédure civile) überwiegend auf dem Zivilprozess und wurde nur an einigen Stellen modifiziert, um die Prozesse zu beschleunigen752. Das war insbesondere möglich, da sich die Grundsätze der Mündlichkeit und Öffentlichkeit allmählich auf das deutsche Zivilverfah­ ren ausgebreitet hatten. Die Gerichte nach Einführung des ADHGB hingegen verfügten über keine Sondervorschriften für die Handelsgerichte mehr753. Das lag vor allem da­ ran, dass sie seitdem überwiegend bei den Zivilgerichten angesiedelt wurden, teilweise nur als Unterabteilungen, wodurch sich eine Sonderbehandlung nicht mehr rechtfertigen ließ. Die Eingliederung in die Zivilgerichtsbarkeit hatte sich ab dem ADHGB angedeutet. Diese Organisation stellte einen der größten Unterschiede zu den selbständigen französischen Handelsgerichten dar. Und trotz dieser Unterschiede darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass erst durch den Einfluss des französischen Rechts auch in Handelssachen auf das Zivilverfahren zurückgegriffen wurde und darüber hinaus die Handels­ gerichte zu ordentlichen Gerichtsinstanzen wurden. So hatten die deutschen Spruchkörper des 18. Jahrhunderts zumeist nur beschränkte Befugnisse und waren eher Schlichtungsstellen754. Insbesondere waren sie beispielsweise überwiegend nicht berechtigt, selbst Zeugen zu vernehmen oder vergleich­ bare Prozesshandlungen vorzunehmen. Sie waren noch auf die ordentlichen Gerichte angewiesen und diesen fast ausschließlich nicht gleichgestellt. Erst 751  Vgl.

hierzu und zum Folgenden das Ergebnis auf S. 84. S. 170 f. 753  Vgl. S. 249 ff. 754  Vgl. hierzu und zum Folgenden das Ergebnis auf S. 84 f. 752  Vgl.

256

3. Teil: Der Einfluss des französischen Rechts bis zum GVG von 1877

seit dem Kontakt mit dem französischen Recht wurden die Handelsgerichte in Deutschland mit den gleichen Befugnissen wie die Zivilgerichte ausgestat­ tet. Ferner muss beachtet werden, dass Grundsätze des französischen Zivil­ verfahrens im deutschen Zivilprozess des 19. Jahrhunderts teilweise Berück­ sichtigung gefunden hatten, sodass so zumindest mittelbar ein Einfluss des französischen Rechts auf das Verfahren in Handelssachen nachgewiesen werden kann755.

755  Für

Bayern und Preußen siehe etwa Schwartz, S.  640 ff.

4. Teil

Elemente des französischen Rechts bei den Kammern für Handelssachen (GVG) Trotz des ADHGBs waren die Handelsgerichtsbarkeiten der einzelnen deutschen Staaten noch unterschiedlich. So gab es selbständige Gerichte, Sonderabteilungen bei den Zivilgerichten und teilweise keine speziellen Spruchkörper1. Es hatte sich jedoch bereits im Rahmen der Schaffung des ADHGB gezeigt, dass ein Wille der einzelnen Staaten bestand, die Handels­ gerichtsbarkeiten anzugleichen. Die Umsetzung erfolgte nach Gründung des Deutschen Reichs, welches alle deutschen Staaten umfasste und für das 1877 ein einheitliches Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) geschaffen wurde2. Um die Entwicklung bis zu den im GVG festgelegten Kammern für Han­ delssachen aufzeigen zu können, wird zunächst dargestellt, wie aus Sicht der Vertreter der Rechtswissenschaft und des Handelsstands die Handelsge­ richtsbarkeit gestaltet werden sollte. Im Anschluss daran werden die Vor­ arbeiten zum GVG untersucht. Darauf aufbauend wird analysiert, welche Elemente des französischen Rechts in den Vorschriften zur Handelsgerichts­ barkeit noch aufzufinden sind.

A. Zur Frage der Handelsgerichtsbarkeit bei den deutschen Handels- bzw. Juristentagen I. Deutsche Handelstage Die noch bestehenden Unterschiede in der Handelsgerichtsbarkeit führten dazu, dass auf den deutschen Handelstagen das Thema aufgegriffen wurde. Vertreter der Kaufmannschaft aus den einzelnen deutschen Staaten sollten hier zusammenkommen, um über Angelegenheiten des Handelsverkehrs zu beratschlagen und über die Staatsgrenzen hinweg gemeinsame Grundprinzi­ pien festzulegen3. Diesbezüglich kann auch auf die Zusammenfassung von 1  Zu den unterschiedlichen Bewertungen in der zeitgenössischen juristischen Literatur siehe beispielsweise Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 195 ff.; Creizenach; Leonhardt; Lewald; Götting; Eckstein; Marschner. 2  Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 263 ff. 3  Verhandlungen des ersten deutschen Handelstages, S. 1.

258

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

Schön verwiesen werden, die allerdings für die vorliegende Arbeit kaum Er­ kenntnisse bringt4. Eine zu erschöpfende Darstellung, insbesondere der ein­ zelnen Reden der Mitglieder der Handelstage, erscheint an dieser Stelle nicht sinnvoll. Es sollen bloß die wichtigsten Erkenntnisse im Hinblick auf das Forschungsziel der Arbeit erläutert werden. Bereits vor dem ersten deutschen Handelstag 1861 gab es eine Vorkom­ mission, die sich mit der Vereinheitlichung der Handelsgerichtsbarkeit be­ schäftigte. Sie kam zu dem Ergebnis, dass in allen deutschen Staaten im Zuge der Einführung des ADHGB Handelsgerichte eröffnet werden sollten5: Die Gerichte sollten mit einem rechtsgelehrten Vorsitzenden und einer unbe­ stimmten Anzahl kaufmännischer Richter besetzt werden. Der Entwurf sah vor, dass in zweiter Instanz Kaufleute als Richter hinzugezogen werden. Das Verfahren sollte summarisch, mündlich und öffentlich sein. Die Zuständig­ keit hingegen wurde nicht geregelt. Bei dem abschließenden Bericht der Kommission handelte es sich nicht um eine detaillierte Darstellung einer Gerichtsordnung, sondern es wurden lediglich Leitsätze aufgestellt6. Eine Umsetzung erfolgte im Rahmen der Ausführung des ADHGB nicht, wie die Ausführungen oben gezeigt haben7. Allerdings beriet man auf dieser Grund­ lage bei den folgenden deutschen Handelstagen. Der erste deutsche Handelstag diskutierte im Wesentlichen über die mög­ liche Besetzung8. Die Teilnehmer waren sich einig, dass Handelsgerichte notwendig waren. Bei der Besetzung ging es um die Frage, ob das deutsche oder das französische System zu bevorzugen sei. Allerdings gingen die Dis­ kussionen nicht in die Tiefe, sodass Ausführungen zu wichtigen Punkten, wie beispielsweise der Wahl der Richter, gänzlich fehlten. Die Teilnehmer des ersten deutschen Handelstages präferierten überwiegend die gemischte Be­ setzung. Lediglich die Vertreter aus den Rheinlanden bzw. Westfalen wünsch­ ten sich die rein kaufmännische Besetzung, die sie von ihren Handelsgerich­ ten gewohnt waren. Darüber hinaus sollte der Gerichtsschreiber, wie das in Frankreich zur damaligen Zeit bereits üblich war, ein Jurist sein, der die Kaufleute in Rechtsfragen beratend unterstützte. Das französische Modell 4  Schön, S.  157  ff.; ansatzweise Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S.  191 f. 5  Hierzu und zum Folgenden Schön, S.  157 f.; Schubert, Deutsche Gerichtsver­ fassung, S. 188 f.; Das Gutachten der Vorkommission ist abgedruckt bei: Verhandlun­ gen des ersten deutschen Handelstages, S. 100 ff. siehe zum ersten Deutschen Han­ delstag auch Goldschmidt, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht 1862, 180 ff. 6  So auch im Gutachten der Vorkommission, S. 102. 7  Vgl. dazu S. 219 ff. 8  Hierzu und zum Folgenden siehe Schön, S. 157 ff.; Verhandlungen des ersten deutschen Handelstages, S. 57 ff.



A. Handelsgerichtsbarkeit bei den deutschen Handels- bzw. Juristentagen259

fand bei den restlichen Mitgliedern keine Zustimmung. Deshalb einigte man sich auf die Grundsätze, die die Vorkommission aufgestellt hatte. Beim dritten deutschen Handelstag 1865 wurde erneut über die Handels­ gerichte beraten9. Hintergrund war einerseits, dass sie im Gegensatz zum ADHGB nicht in allen deutschen Staaten eingeführt worden waren. Anderer­ seits war ein Antrag mehrerer rheinischer Handelskammern eingereicht wor­ den, der für alle deutsche Staaten die Errichtung rein kaufmännisch besetzter Handelsgerichte forderte und die gemischte Besetzung nur in Ausnahmefäl­ len zuließ. Ein weiterer Punkt in diesem Antrag war, dass sich die Zuständig­ keit auf alle Handelssachen beziehen sollte, unabhängig von der Kaufmanns­ eigenschaft der Parteien. Diese Forderung wandte sich gegen die im PEHGB sowie dem sächsischen Gesetz festgelegte Regelung, dass die Handels­gerichte nur dann zuständig waren, wenn zumindest der Beklagte Kaufmann war. Da der rheinische Kaufmannsstand mit seiner nach rein sachlichen Kriterien festgelegten Zuständigkeitsregel zufrieden war, versuchte man diese beizube­ halten und der Entwicklung in den anderen Staaten entgegenzuarbeiten. Der rheinische Antrag nahm ferner die seit dem ADHGB aufgetretene Regelung der streitwertabhängigen Zuständigkeit auf, die er ablehnte, da sie im rheini­ schen Handelsrecht nicht existierte. Es wird deutlich, dass man in der Rhein­ provinz auch während der Einheitsbestrebungen versuchte, die französischen Vorschriften möglichst beizubehalten10. In der anschließenden Diskussion des Handelstages, die im Wesentlichen wieder nur die Besetzung thematisierte, sprachen sich weiterhin nur die Kaufleute aus dem Rheinland für die ausschließliche Besetzung mit Kaufleu­ ten aus. Die restlichen Mitglieder des Handelstages hielten weiterhin die gemischte Besetzung für vorzugswürdig. Im Ergebnis wurde dem Antrag der rheinischen Handelskammern nicht stattgegeben11. Es blieb bei den Be­ schlüssen des ersten Handelstages. Auch bei der Zuständigkeit wurde der rheinische Antrag nicht unterstützt. Beim vierten deutschen Handelstag 1868, der sich nochmal mit Handelsgerichten beschäftigte, wurde auf die Be­ schlüsse des dritten Handelstages verwiesen und diese bestätigt12. Damit kann festgehalten werden, dass nach dem ADHGB der Kaufmanns­ stand in allen deutschen Staaten selbständige Handelsgerichte begehrte. Er­ staunlicherweise wollten die Kaufleute, mit Ausnahme des Rheinlands, eine gemischte Besetzung dieser Gerichte. Das überrascht insofern, dass rein 9  Hierzu und zum Folgenden Schön, S. 160 f.; Verhandlungen des dritten deut­ schen Handelstages, S. 77 ff. 10  Zu diesem Ergebnis kommt auch Schön, S. 160. 11  Vgl. hierzu und zum Folgenden die Zusammenfassung der einzelnen Be­ schlüsse der Verhandlungen des dritten deutschen Handelstages, S. 90 f. 12  Schön, S. 162; Verhandlungen des vierten deutschen Handelstages, S. 63 ff.

260

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

kaufmännisch besetzte Gerichte dem Kaufmannsstand mehr Einfluss ver­ schafft hätten. Die Handelstage geben darüber hinaus nur wenig Auskunft, wie die Handelsgerichte konkret gestaltet werden sollten. Insbesondere ist nicht erkennbar, ob bei der konkreten Gestaltung der Spruchkörper noch Elemente französischen Ursprungs berücksichtigt werden sollten. Das war aber zu erwarten, da die Handelstage nur Leitsätze aufstellten.

II. Deutsche Juristentage Auch bei den deutschen Juristentagen beschäftigte man sich mit der Han­ delsgerichtsbarkeit. Sinn und Zweck dieser Veranstaltungen war der Mei­ nungsaustausch zwischen den Juristen der einzelnen deutschen Staaten zur Förderung der Vereinheitlichung des Rechts13. Beim fünften Juristentag von 1864 wurde überwiegend über die Besetzung der Gerichte diskutiert. Auch dort spielte die französische Handelsgerichtsbarkeit noch eine Rolle, indem teilweise darauf verwiesen wurde14. Die einzelnen Vertreter spra­ chen sich für verschiedenste Formen der Besetzung aus: für eine gemischte Besetzung, eine rein juristische Besetzung und auch für eine rein kaufmänni­ sche Besetzung15. Schlussendlich wurde bei der finalen Abstimmung fest­ gelegt, dass die gemischte Besetzung mit Kaufleuten und Juristen vorzuzie­ hen war und auch in zweiter Instanz Kaufleute mitwirken sollten16. Beim neunten Juristentag im Jahre 1870 kam eine neue Überlegung zur Organisation auf, die zuvor in der Diskussion um die Handelsgerichtsbarkeit noch nicht zu finden war17. Es wurde vorgeschlagen, dass für Zivilsachen das Konstrukt der Jury eingeführt werden sollte. Im Zuge dessen sollte auch in Handelssachen eine Jury anstatt der Handelsrichter eingesetzt werden. Im Unterschied zu diesen wären die Kaufleute dann nur noch für die Entschei­ dung hinzugezogen worden. Es wurde damit argumentiert, dass die Kaufleute nicht mit Verfahrensproblemen belastet werden würden und somit bloß bei der Entscheidung ihren Sachverstand aus der Praxis einbringen würden. Der Kaufmannsstand würde so entlastet werden. Des Weiteren wäre dadurch die 13  § 1 des Statuts des Deutschen Juristentages, abgedruckt in den Verhandlungen des fünften deutschen Juristentages, 2. Band, 1864. 14  Siehe bspw. die Verhandlungen des fünften deutschen Juristentages, 2. Band, S.  10 ff. 15  Vgl. dazu auch die Zusammenfassung bei Schön, S.  163 ff.; Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 192; Hinsichtlich der einzelnen Gutachten und Reden siehe Verhandlungen des fünften deutschen Juristentages, 2. Band, S. 10 ff. 16  Schön, S. 166; Verhandlungen des fünften deutschen Juristentages, 2. Band, S. 184. 17  Hierzu und zum Folgenden Schön, S. 166 ff.; Verhandlungen des neunten deut­ schen Juristentages, 2. Band, S. 329 ff.



B. Vorarbeiten zum GVG261

Parteilichkeit einzelner Kaufleute, die sich durch bestimmte Entscheidungen Vorteile für das eigene Geschäft erhofften, erschwert, da durch das System der Jury die Anzahl der am Urteil beteiligten Kaufleute erhöht werden würde, wodurch die einzelne Stimme weniger wert wäre. Man hätte damit ein Sys­ tem geschaffen, das insbesondere mit den französisch beeinflussten Handels­ gerichten im Kontrast stehen würde. Die Jury ist eine Einrichtung, die ihren Ursprung in England bzw. den USA hatte. Zur Umsetzung dieses Systems kam es allerdings in den deutschen Staaten nicht. Insbesondere sprach man sich auf dem zwölften Juristentag 1874 gegen die Jury in Handelsstreitigkei­ ten aus18. Als Argumente wurden vorgebracht, dass das ADHGB dafür nicht geeignet war und außerdem Verfahren mit einer Jury relativ langsam wären, was dem Interesse der Kaufleute widersprach19.

III. Resümee Die Darstellung zu den Handels- und Juristentagen hat gezeigt, dass die Vertreter aus beiden Berufsgruppen die Einrichtung von identischen Handels­ gerichten in allen deutschen Staaten forderten. Überwiegend sprachen sie sich für die Besetzung mit Juristen und Kaufleuten aus. Die Kaufleute sollten ein Stimmrecht haben. Auch in zweiter Instanz sollten Kaufleute als Richter mitwirken. Die Beschlüsse der Versammlungen geben allerdings keine Aus­ kunft darüber, wie die kaufmännischen Mitglieder zu bestimmen waren bzw. welche Anforderungen an sie gestellt wurden. Auch die Zuständigkeit und das Verfahren definierte man nicht genauer. Die Diskussion wurde also nur oberflächlich geführt. Im Hinblick auf das Forschungsziel ergeben sich keine neuen Erkenntnisse, da auch schon zuvor lediglich das Rheinland seine rein kaufmännisch besetzten Gerichte behalten wollte. In den restlichen deutschen Staaten wurden diese im gesamten 19. Jahrhundert abgelehnt und die ge­ mischte Besetzung vorgezogen.

B. Vorarbeiten zum GVG Es stellt sich nun die Frage, ob die Vorstellungen der Juristen- und Han­ delstage umgesetzt wurden. Die weitere Entwicklung der Handelsgerichts­ barkeit, die 1877 mit der Einführung des GVG endete, beruhte auf der ­Vereinigung der deutschen Staaten. Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes schloss sich Preußen 1867 mit einer Vielzahl deutscher Staaten zu­ 18  Schön, S. 170 schreibt fehlerhaft vom 13. Juristentag; Verhandlungen des zwölf­ ten Juristentages, 1. Band, S. 111 ff. 19  Ebd., S.  111 ff.

262

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

sammen20. Ausgenommen waren die großen süddeutschen Staaten Baden, Bayern, Württemberg und Hessen, die diesem Bund zunächst nicht beitra­ ten21. Im Jahre 1869 wurde für den Norddeutschen Bund ein mit Juristen besetztes Oberhandelsgericht (sog. Bundesoberhandelsgericht) eröffnet22. Der Spruchkörper trat in den einzelnen Staaten in Handelssachen an die Stelle des jeweiligen obersten Gerichts23. Eine entsprechende Einrichtung war der französischen Gerichtsverfassung fern. Deshalb handelte es sich um eine Einrichtung deutschen Ursprungs24.

I. Entwurf einer Prozessordnung für den Norddeutschen Bund Zur Vereinheitlichung der Rechtsordnung wurde 1870 ein Entwurf einer Prozessordnung für den Norddeutschen Bund erstellt25. Der Entwurf ba­ sierte auf der Annahme, dass es vor seinem Erlass eine einheitliche Gerichts­ verfassung geben würde26. Man ging davon aus, dass in dieser Ordnung allgemeine Handelsgerichte für den gesamten Bund angeordnet werden würden, bei denen zwei Kaufleute mit einem Juristen als vorsitzenden Rich­ ter tätig waren27. Genauer war die Besetzung jedoch nicht bestimmt. Die in § 7 des Entwurfs für den Norddeutschen Bund geregelte Zuständig­ keit entsprach den Vorschriften, die im preußischen Einführungsgesetz zum ADHGB für die rheinischen Handelsgerichte getroffen wurden28. Sie sollte gegeben sein, wenn Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen vorlagen, welche auf beiden Seiten ein Handelsgeschäft im Sinne des ADHGB war, vgl. § 7 Nr. 1 des Entwurfs. Wenn nur auf Seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft vorlag, hatte der Kläger ein Wahlrecht zwischen den Handelsgerichten und zur Gründung bspw. Frotscher/Pieroth, S.  196 ff.; Hähnchen, S.  322 ff. S.  196 ff.; Hähnchen, S.  322 ff. 22  Eine ausführliche Untersuchung liefert Winkler. Siehe § 1 des Gesetzes vom 12. Juni 1869, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssa­ chen, abgedruckt als Anhang bei Winkler, S. 275 ff. Darstellung der Quellen auch bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 259 ff. 23  Winkler, S. 52 bzw. § 12 des Gesetzes vom 12. Juni 1869, betreffend die Er­ richtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen. 24  Eine weitergehende Untersuchung des Oberhandelsgerichts würde an dieser Stelle zu weit gehen bzw. das Forschungsziel aus dem Auge verlieren. Insofern kann also auf das Werk von Winkler verwiesen werden. 25  Entwurf einer Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Norddeutschen Bund von 1870. Vgl. hierzu auch Schwartz, S.  646 ff. 26  Vgl. dazu die Vorbemerkungen zum Entwurf einer Prozessordnung in bürger­ lichen Rechtsstreitigkeiten für den Norddeutschen Bund. 27  Ebd. 28  Vgl. dazu S. 222 f. 20  Siehe

21  Frotscher/Pieroth,



B. Vorarbeiten zum GVG263

den Landgerichten (§ 8). Gemäß § 7 Nr. 2 waren außerdem Wechselstreitig­ keiten von der Zuständigkeit erfasst. In § 7 Nr. 3 lit. a bis lit. g waren die Rechtsverhältnisse genannt, die weder Handelsgeschäfte noch Wechselge­ schäfte waren und dennoch vor die Handelsgerichte gebracht werden sollten, wie etwa Streitigkeiten zwischen Mitgliedern einer Handelsgesellschaft oder die Veräußerung eines Handelsbetriebs. Sie entsprachen wörtlich den Vor­ schriften im preußischen Einführungsgesetz29. Es zeigt sich dennoch ein ganz entscheidender Unterschied zu diesem: So sollten die Handelsgerichte gemäß §§ 9, 3 Abs. 1 des Entwurfs für den Norddeutschen Bund generell nur dann zuständig sein, wenn die Streitsache einen gewissen Wert (150 Thaler) überstieg. Streitigkeiten, deren Wert unter dieser Grenze lag, sollten vor den Amtsgerichten, die für alle Zivilsachen bis zu 150 Thalern zuständig waren, geklärt werden, vgl. § 3 Abs. 1 des Entwurfes. Das verdeutlicht, dass die streitwertabhängige Zuständigkeit auch in Preußen für sinnvoll erachtet wurde, da der Entwurf im Wesentlichen aus Preußen stammte. Er enthielt keine besonderen Vorschriften zum Verfahren bei den Handelsgerichten. Der Entwurf trat in der Folge nicht in Kraft, da 1871 in Folge des Beitritts von Baden, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt zum Bund das Deutsche Reich gegründet wurde30. Damit wandelte sich auch das Bun­ desoberhandelsgericht zum Reichsoberhandelsgericht um, bevor es später vom Reichsgericht abgelöst wurde31.

II. Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes für das Deutsche Reich Zur Vereinheitlichung der Rechtsordnung sollte für das Deutsche Reich ein Gerichtsverfassungsgesetz geschaffen werden. Im Zuge dessen war geplant, eine einheitliche Handelsgerichtsbarkeit für das ganze Reich zu formen. Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes an sich kann in der vorliegenden Arbeit nicht vollständig dargestellt werden. Diesbezüglich wird auf die Literatur verwiesen32. Im Folgenden werden speziell die Beratungen und die Beschlüsse zur Handelsgerichtsbarkeit dargestellt. Die Auswertung der verschiedenen Entwürfe und Diskussionen in Bundesrat, Reichstag und 29  Vgl.

ebd.

30  Frotscher/Pieroth,

S.  199 ff.; Hähnchen, S.  324 ff. S. 13. 32  Protokolle, insbesondere bis zum Verfahren beim Reichstag, sind teilweise dar­ gestellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 322 ff.; die Entwürfe und Pro­ tokolle der gesetzgebenden Kommissionen sind abgedruckt bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt.; Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 2. Abt.; zur Entstehungsge­ schichte siehe Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 1 ff. 31  Winkler,

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4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

deren jeweiligen Kommissionen wird ergeben, dass nur noch an wenigen Stellen Parallelen zur französischen Handelsgerichtsbarkeit erkennbar sind. Dennoch war diese für den Gesetzgeber (Bundesrat und Reichstag) von Re­ levanz. 1. Verfahren bis zur Vorlage beim Bundesrat im November 1873 a) Preußischer Entwurf vom September 1872 Der erste „Entwurf eines Gesetzes über die Verfassung und Einrichtung der Gerichte im Deutschen Reich“ wurde im September 1872 von Preußen fertiggestellt33, nach dem bei Bedarf Handelsgerichte errichtet werden konnten, vgl. § 223. Der preußische Gesetzgeber schlug vor, dass sie als selbständige Einrichtungen neben den Amtsgerichten und Landgerichten be­ stehen und die ihnen zugewiesenen Sachen in erster Instanz entscheiden sollten. Sofern es in einem Gerichtsbezirk kein Handelsgericht gab, sollten je nach Streitwert die Amts- bzw. Landgerichte über die Handelssachen ent­ scheiden. Der Entwurf sah vor, dass die Handelsgerichte, wie sich bei den Handelsund Juristentagen abgezeichnet hatte, mit Kaufleuten und Juristen besetzt werden (§ 227). § 230 des Entwurfes: „Die Berathungen und Beschlußfassungen der Handelsgerich­ te erfolgen durch einen rechtsverständigen Richter und zwei Handelsrichter. Als erkennende Gerichte bestehen die Handelsgerichte aus einem rechtsverständi­ gen Richter und vier Handelsrichtern, wenn der Gegenstand des Rechtsstreits an Geld oder Geldeswerth die Summe von dreihundert Mark Reichsmünze übersteigt, bei minderem Werth aus einem rechtsverständigen Richter und zwei Handelsrich­ tern.“

Nicht ganz klar wird anhand des Gesetzestextes, was unter den Beschluss­ fassungen in § 230 Abs. 1 zu verstehen ist. Die anschließenden Konferenzen erklären dies aber genauer34. Gemeint waren damit prozessleitenden Be­ schlüsse als Abgrenzung zu den (Sach-)Urteilen der Gerichte35. Für diese ­reinen Prozesshandlungen hatte sich seit dem ADHGB der Grundsatz entwi­ ckelt, dass sie alleine durch den Juristen als Vorsitzenden entschieden wurden. Deshalb verwundert die preußische Regelung, die die Beteiligung von zwei 33  Der von F. Foerster stammende Entwurf ist abgedruckt ebd., S. 338 ff. Leider gibt es keine Motive zu diesem Entwurf. Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, lässt diesen Entwurf vollkommen unberücksichtigt. Schön, S. 174 geht nur grob auf die Besetzung ein. 34  Zu den Konferenzen allgemein siehe S. 270 ff. 35  Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 440.



B. Vorarbeiten zum GVG265

Kaufleuten vorsah. Die Vorschrift wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren jedoch abgelehnt, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden36. § 230 Abs. 2 des Entwurfs bezog sich auf die Besetzung des Gerichts bei der Sachentscheidung. Erstmalig in der Geschichte der deutschen Handelsge­ richtsbarkeit sollte sich die Anzahl der Handelsrichter bei der Urteilsfindung nach dem Streitwert bemessen. Da es leider keine Motive zum Entwurf gibt, kann der Gedanke hinter der Regelung nur erahnt werden. Man erhoffte sich wohl, dass durch eine höhere Anzahl an Kaufleuten in den wichtigeren Fäl­ len die kaufmännische Praxis eine größere Rolle spielen würde. Problema­ tisch an diesem Abs. 2 ist jedoch, dass nicht so strikt zwischen den Beschlüs­ sen und Urteilen getrennt werden kann, da prozessuale Entscheidungen häu­ fig in der mündlichen Verhandlung und damit vor dem erkennenden Gericht auftreten37. Deshalb fand dieser Vorschlag in der weiteren Beratung keine Berücksichtigung. Die Position der stellvertretenden Handelsrichter wurde im preußischen Entwurf aufgegeben. Damit sollte ein Element der französischen Handelsge­ richtsbarkeit verschwinden, das bei fast allen deutschen Handelsgerichten des 19. Jahrhunderts berücksichtigt worden war38. Ein gegensätzliches Bild zeigt sich bei den Bestimmungen zu den Handelsrichtern, insbesondere hin­ sichtlich deren Wahlfähigkeit und Wahlberechtigung. So findet sich in den entsprechenden Regelungen (§ 233 f. des preußischen Entwurfes) die Voraus­ setzung der Vollendung des 30. Lebensjahres. Bezüglich der Wahlberechti­ gung ist zusätzlich das Erfordernis normiert, dass die Kaufleute seit mindes­ tens fünf Jahren Handel getrieben haben mussten, vgl. § 233 f. Die beiden Kriterien entstammen dem französischen Recht39. Die Wahl von ehemali­ gen Kaufleuten wurde zugelassen, vgl. § 233 des Entwurfes. Der Entwurf enthält auch einzelne Vorschriften zum Wahlablauf, vgl. § 235 ff. Was das Prozedere nach der erfolgten Wahl anbelangt, orientierte man sich wiederum am französischen Vorbild. So wurde dem Staat nicht, wie teilweise bei den deutschen Gerichten, die finale Auswahl zwischen mehreren Kandidaten ge­ lassen40. Damit war der Staat bei der Bestimmung der Handelsrichter aus­ geschlossen. Übernommen wurde das aus dem französischen Recht stam­ mende Rotationsprinzip, wonach alle zwei Jahre die Hälfte der Handelsrich­ ter ausschied, vgl. § 241 des preußischen Entwurfes. 36  Vgl.

dazu S. 270 f. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen auf S. 270 f. 38  Vgl. für die Norddeutschen Handelsgerichte S.  170  f.; für die Handelsge­ richte nach dem ADHGB S. 249 f. 39  Vgl. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen zum französischen Recht auf S. 93 ff. 40  Insbesondere bei den Handelsgerichten nach dem ADHGB, vgl. S. 228 ff. 37  Vgl.

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4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

Die Zuständigkeit (§ 224 des Entwurfes) entsprach im Wesentlichen der­ jenigen des preußischen Einführungsgesetzes, die bereits beim Entwurf der Prozessordnung für den Norddeutschen Bund herangezogen worden war41. In Abgrenzung zum Entwurf für den Norddeutschen Bund ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Handelsgerichte nach Vorstellung des Gesetzgebers erst ab einem gewissen Streitwert zuständig sein sollten. Für eingelegte Rechtsmittel von den Handelsgerichten, wie auch von den Landgerichten, waren Oberlandesgerichte vorgesehen, vgl. § 250 des Ent­ wurfes. Statt eines Bundesoberhandelsgerichts sollte ein deutsches Reichsge­ richt geschaffen werden, das als höchste Instanz für Zivil- und Strafsachen geplant war, vgl. § 277 ff. des Entwurfes. b) Gegenentwürfe 1872 Diesem Grundentwurf Preußens folgten im Jahre 1872 Gegenentwürfe aus Bayern, Württemberg und Sachsen. aa) Bayerischer Entwurf Auch im bayerischen Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes war ge­ plant, dass in erster Instanz selbständige Handelsgerichte neben den Amtsund Landgerichten eingerichtet werden, vgl. § 142. Gemäß dieser Vorschrift sah der Entwurf weiterhin ein Bundesoberhandelsgericht vor. Anders als im preußischen Entwurf sollten Handelsgerichte gemäß § 3 des bayerischen Entwurfs nur an Handelsplätzen bestehen. Dieser Begriff wurde aber nicht genauer definiert. Die Beschlussfähigkeit der Gerichte sollte in der Beset­ zung von einem juristischen Vorsitzenden und zwei kaufmännischen Richtern gegeben sein, vgl. § 16 des bayerischen Entwurfes zum GVG. Eine Differen­ zierung der Besetzung nach dem Streitwert, die im preußischen Entwurf vorgeschlagen wurde, gab es also nicht. Weitere Vorschriften zur Organisa­ tion, insbesondere zu den Anforderungen und der Wahl der Handelsrichter, sind dem bayerischen Entwurf nicht zu entnehmen. Die Zuständigkeit entsprach § 224 des preußischen Entwurfes, vgl. § 25 des bayerischen Entwurfes. Es ist nicht ersichtlich, dass die Zuständigkeit des Gerichts erst ab einem gewissen Streitwert eröffnet sein sollte.

41  Vgl.

dazu S. 262 f. Mit Ausnahme der Wechselsachen. bayerische Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes ist abgedruckt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 385 ff. 42  Der



B. Vorarbeiten zum GVG267

bb) Württembergischer Entwurf Etwas anders gestaltete sich die Vorstellung Württembergs von der Han­ delsgerichtsbarkeit im deutschen Reich43: § 1 des württembergischen Entwurfs: „Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten und in Strafsachen wird ausgeübt durch: 1. Die Amtsgerichte, 2. die Landgerichte, 3. die Obergerichte, 4. die Oberlandesgerichte und das Bundesober­ handelsgericht. Wo das Bedürfniß solches erheischt, können Handelsgerichte er­ richtet werden.“

Wie nach dem preußischen Entwurf sollten bei Bedarf Handelsgerichte eingerichtet werden. Die Formulierung, nach der die Handelsgerichte nicht auf einer Ebene mit den restlichen Gerichten genannt wurden, erweckt je­ doch den Eindruck, als sollten die besonderen Spruchkörper eher die Aus­ nahme darstellen44. Identisch mit dem bayerischen Entwurf ist die Vorschrift des § 15 Abs. 1 des württembergischen Entwurfes, wonach streitwertunabhängig in der Be­ setzung von einem Juristen als Vorsitzenden und zwei kaufmännischen Rich­ tern entschieden werden sollte. Anders als beim bayerischen Entwurf gab es hinsichtlich der Handelsrichter Bestimmungen, die allerdings auch nicht umfassend waren. Die Anforderungen (Vollendung des 30. Lebensjahres und mindestens fünfjährige kaufmännische Tätigkeit) entsprachen den Grundsät­ zen, die sich vom französischen Recht ausgehend bei den deutschen Han­ delsgerichten des 19. Jahrhundert etabliert hatten, vgl. § 15 des württember­ gischen Entwurfes45. Hinzu kam die in Hamburg und Bremen entstandene Regelung, dass ein Handelsrichter die Berufung nicht ablehnen durfte, vgl. § 15 des Württembergischen Entwurfes46. Hinsichtlich der Zuständigkeit verwies der Entwurf auf § 13 Nr. 1 bis 3 des Gesetzes vom 12. Juni 1869. Dabei handelte es sich um die Zuständig­ keitsvorschriften des Gesetzes, das zur Zeit des Norddeutschen Bundes das Bundesoberhandelsgericht regelte, welches durch die Gründung des Deut­ schen Reiches zum Reichsoberhandelsgericht umgewandelt wurde47. An­ ders als nach den Entwürfen Preußens und Bayerns waren deshalb grundsätz­ lich Klagen aus Handelsgeschäften nur erfasst, wenn der Beklagte Kaufmann war:

43  Der württembergische Entwurf ist abgedruckt bei Schubert, Deutsche Ge­ richtsverfassung, S.  397 ff. 44  Leider waren auch hier keine Motive zum Entwurf auffindbar. 45  Vgl. S. 252. 46  Vgl. dazu S. 170 ff. 47  Vgl. S.  262 ff.

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4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

§ 13 des Gesetzes vom 12. Juni 1869: „Handelssachen im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch 1) gegen einen Kaufmann (Art. 4 des ADHGBs) aus dessen Handelsgeschäften (Art. 271–276 des ADHGBs), 2)  aus dem Wechsel im Sinne der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 3) aus einem der nachstehend bezeichneten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird: a)  aus dem Rechtsverhältnisse zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft, […].“

Für Klagen gegen Nichtkaufleute aus Handelsgeschäften sollten demnach aus Sicht des württembergischen Gesetzgebers die Handelsgerichte nicht zuständig sein48. Der Katalog in Nr. 3 hingegen entsprach wörtlich demjeni­ gen im bayerischen und preußischen Entwurf. Die in Nr. 2 normierten Wech­ sel waren in diese beiden Entwürfe nicht aufgenommen worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Zuständigkeit des Handelsgerichts erst ab einem gewis­ sen Streitwert eröffnet sein sollte. cc) Sächsischer Entwurf Auch der sächsische Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes sah selb­ ständige Handelsgerichte erster Instanz vor49. Anders als das württembergi­ sche Pendant ging der sächsische Entwurf davon aus, dass überwiegend Handelsgerichte eröffnet werden und nur ausnahmsweise die Landgerichte deren Funktion übernehmen konnten, vgl. die Formulierungen in §§ 1, 2. Wie in den bayerischen und württembergischen Entwürfen sollte die Be­ schlussfähigkeit in der Besetzung von einem Berufsrichter (Jurist) und zwei kaufmännischen Richtern gegeben sein, vgl. § 14 des Sächsischen Entwurfes. Auch der sächsische Gesetzgeber nahm die streitwertabhängige Besetzung des preußischen Entwurfs nicht auf. Der sächsische Entwurf enthielt keine Bestimmungen zur Wahl bzw. den Anforderungen an die Handelsrichter. Die Zuständigkeit umfasste gemäß § 4 Nr. 1 des Entwurfs grundsätzlich Klagen aus Handelsgeschäften gegen einen im Handelsregister eingetragenen Kaufmann. Der Entwurf forderte also im Grundsatz ein personelles und ein sachliches Kriterium, wie das in Sachsen seit dem Handelsgericht von 1682 üblich war und auch im württembergischen Entwurf gefordert wurde50. Fer­ dazu auch die Ausführungen von Winkler, S.  57 ff. sächsische Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes ist abgedruckt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 402 ff. 50  Vgl. S. 29 f. bzw. für die Gerichte nach dem ADHGB S. 234. 48  Vgl. 49  Der



B. Vorarbeiten zum GVG269

ner waren Streitigkeiten aus Wechselgeschäften erfasst, vgl. § 4 Nr. 2 des Entwurfs. Bezüglich der Rechtsverhältnisse, die keine Handelsgeschäfte wa­ ren und dennoch vor die Handelsgerichte gehörten, verwies § 4 Nr. 3 auf den Katalog des Art. 13 des Gesetzes vom 12. Juni 1869 für das Bundes- bzw. Reichsoberhandelsgericht. Dass dieser Katalog denjenigen in den Entwürfen für Preußen und Bayern entsprach, wurde bereits gerade beim württembergi­ schen Entwurf erläutert51. Darüber hinaus nahm der Gesetzgeber ebenso den Grundsatz der streit­ wertabhängigen Zuständigkeit auf. Die Handelsgerichte sollten nur dann zu­ ständig sein, wenn der Streitwert über 500 Mark lag, vgl. § 4 des sächsischen Entwurfes. Klagen mit einem geringeren Streitwert hätten gemäß § 4 i. V. m. § 3 Abs. 1 bei den Amtsgerichten eingelegt werden müssen. Die Handelsge­ richte wären gemäß § 7 des Entwurfs in diesen Fällen als zweite Instanz für die Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte in Handelssachen zuständig gewesen. Streitwertunabhängig sollte sich gemäß § 4 Nr. 4 des sächsischen Entwur­ fes die Zuständigkeit noch auf folgende Verhältnisse beziehen: „[…] Die nach den Gesetzen über das Urheberrecht von Schriftwerken, Abbildun­ gen, musicalischen Compositionen und dramatischen Werken zu entscheidenden bürgerlichen und strafrechtlichen Angelegenheiten.“

Dass die Handelsgerichte in Angelegenheiten des Urheberrechts zuständig sein sollten, wurde vorher in keinem Entwurf oder Gesetz des 19. Jahrhun­ derts geregelt. Für Berufungen von den Handelsgerichten sollten die Oberlandesgerichte zuständig sein, vgl. § 8 des sächsischen Entwurfes. Das Bundes- bzw. Reichshandelsgericht würde nach diesem Entwurf abgeschafft werden. Aller­ dings sollte die Besetzung des Oberlandesgerichts in Handelssachen modifi­ ziert werden, sodass an der Entscheidung zwei Berufsrichter und drei kauf­ männische Richter beteiligt sein sollten (§ 15 des sächsischen Entwurfes). Als oberster Gerichtshof für alle Zivil- und Strafsachen war ein Reichsgericht vorgesehen, vgl. § 10 des Entwurfs. dd) Resümee Die vier Entwürfe geben Auskunft darüber, über welche Punkte im Rah­ men des Gesetzgebungsverfahrens intensiver diskutiert werden musste und in welchen Punkten schon überwiegend Einigkeit bestand: Nach allen Entwür­ fen waren selbständige Handelsgerichte mit einer gemischten Besetzung ge­ plant. Es zeichnete sich ab, dass die Beschlussfähigkeit in der Besetzung von 51  Vgl.

S. 266 f.

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4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

einem Juristen und zwei kaufmännischen Mitgliedern gegeben sein sollte, wie das bei den Handelsgerichten der damaligen Zeit üblich war. Die streit­ wertabhängige Besetzung, die der preußische Entwurf noch vorgesehen hatte, fand in den anderen Entwürfen und auch in der folgenden Gesetzgebung keine Berücksichtigung. Bei den Anforderungen an die Handelsrichter ist problematisch, dass sich nur zwei der Entwürfe darüber äußerten. Allerdings deutete sich an, dass in einzelnen Punkten (mindestens 30 Jahre alt und fünf Jahre Erfahrung im Handelsverkehr) auf Elemente des französischen Rechts zurückgegriffen werden sollte. Möglicherweise hatten sich diese Voraussetzungen bereits als selbstverständlich herauskristallisiert, sodass der bayerische und sächsische Gesetzgeber jeweils auf die Aufnahme verzichtete. Hinsichtlich der Zuständigkeit bestand keine Einigkeit darüber, ob bei Klagen aus Handelsgeschäften der Beklagte zwingend ein Kaufmann sein musste oder ob es ausreichte, dass auf Seiten des Beklagten ein Handelsge­ schäft vorlag. Sofern die Kaufmannseigenschaft des Beklagten gefordert wurde, war ferner fraglich, ob dieser im Handelsregister eingetragen sein musste. Bei den jeweils in einem Katalog aufgeführten Rechtsverhältnissen, die keine Handelsgeschäfte waren und dennoch thematisch vor die Handels­ gerichte gehörten, weil bei der Entscheidung die Eigentümlichkeiten des Handelsverkehrs zu berücksichtigen waren, deckten sich die jeweiligen Ent­ würfe. Ferner war zu klären, ob die Gerichte erst ab einem gewissen Streit­ wert zuständig sein sollten. Eine offene Frage war ebenso, wie Berufungen von den Handelsgerichten zu behandeln waren. Teilweise wurde die Beibehaltung des Bundes- bzw. nun Reichsoberhandelsgericht vorgeschlagen. Im preußischen Entwurf hin­ gegen war keine besondere Einrichtung vorgesehen. Eine dritte, vermittelnde Alternative war die Modifikation der Besetzung der Oberlandesgerichte durch die Beteiligung von Kaufleuten. c) Protokolle der „Conferenzen zur Besprechung der Reichgerichtsverfassung“ Dezember 1872 Im Dezember 1872 fanden mehrere Konferenzen der Justizminister der einzelnen Staaten statt, bei denen auf Grundlage der Entwürfe, insbesondere demjenigen Preußens, über ein Gerichtsverfassungsgesetz für das Reich be­ raten wurde52. Ziel dieser Konferenzen war es, Grundsatzfragen zu klären. Darauf aufbauend sollte durch eine Kommission ein Entwurf ausgearbeitet 52  Die Protokolle sind dargestellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S.  406 ff.



B. Vorarbeiten zum GVG271

werden, der dann dem Bundesrat übergeben werden sollte53. In der Konfe­ renz vom 13. Dezember 1872 wurde von allen Justizministern der Vorschlag des preußischen Entwurfs gebilligt, nach dem die Staaten die freie Wahl hatten, Handelsgerichte zu gründen bzw. jeweils selbst bestimmen konnten, ob diesbezüglich ein Bedarf bestand54. Erst in der Konferenz vom 17. Dezember 1872 beschäftigten sich die Jus­ tizminister ausgiebig mit der Handelsgerichtsbarkeit55. Die Sinnhaftigkeit selbständiger Handelsgerichte wurde nicht angezweifelt. Offen blieben be­ züglich der sachlichen Zuständigkeit zwei ganz grundsätzliche Fragen: einer­ seits, ob Klagen gegen Nichtkaufleute (wie nach dem württembergischen und sächsischen Entwurf) ganz auszuschließen waren; andererseits, wenn Klagen aus Handelsgeschäften tatsächlich nur gegen Kaufleute zugelassen wurden, ob diese im Handelsregister eingetragen sein mussten. Es wurde nicht darü­ ber diskutiert, ob die Handelsgerichte erst ab einem gewissen Streitwert zu­ ständig sein sollten. All diese Themen sollten von der Kommission geklärt werden. Zentraler Streitpunkt bei dieser Konferenz war die Vorschrift zur Beset­ zung des preußischen Entwurfes, die zwischen prozessualen Beschlüssen und Sachurteilen differenzierte und bei letzteren die Anzahl der kaufmännischen Richter (zwei oder vier Personen) vom Streitwert abhängig machte56: Hinsichtlich des ersten Absatzes zu den reinen Prozessentscheidungen wurde angemerkt, dass diese häufig in der mündlichen Verhandlung selbst entschieden wurden und dann dem erkennenden Gericht zufallen würden57. Ferner waren sich die anwesenden Vertreter einig, dass dabei die Mitwirkung der Handelsrichter nicht nötig wäre. Daher beschlossen sie, dass der § 230 Abs. 1 des preußischen Entwurfes folgendermaßen lauten sollte58: „Die Beschlußfassungen der Handelsgerichte erfolgen durch den Vorsitzenden.“

§ 230 Abs. 2 des preußischen Entwurfes59, der die streitwertabhängige Besetzung beim Fällen des Sachurteils regelte, wurde von einigen Ministern 53  Vgl. dazu § 1 des Protokolls der Konferenz vom 12. Dezember 1872, darge­ stellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 407. Überblicksartige Zusam­ menfassung der Konferenzen bei Schön, S.  175 f. 54  Vgl. § 3 des Protokolls der Konferenz vom 13. Dezember 1872, dargestellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 408. 55  § 23 des Protokolls der Konferenz vom 17. Dezember 1872, dargestellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 413 ff. 56  Vgl. dazu die Ausführung und das Zitat auf S. 264 ff. 57  Hierzu und zum Folgenden: § 23 des Protokolls der Konferenz vom 17. De­ zember 1872, dargestellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 414. 58  Ebd. 59  Vgl. dazu die Ausführungen und das Zitat auf S. 264 ff.

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4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

kritisiert und für sinnlos erklärt60. Es wurde beispielsweise angeführt, dass eine höhere Anzahl an Handelsrichtern keine Garantie für eine bessere Rechtsprechung bieten könnte. Ferner bemängelten Vertreter aus Bayern und Württemberg, dass die Vorschrift zu Komplikationen führen würde, wenn der Streitwert nicht ganz klar wäre. Allerdings hielt Preußen an der Vorschrift fest. Begründet wurde das damit, dass die Regelung zur Konformität mit den Landgerichten beitragen würde. Ferner wurde argumentiert, dass die Abgren­ zung nach dem Streitwert im Zivilverfahren ganz üblich wäre, etwa bei der Bestimmung der Zuständigkeit von Amts- bzw. Landgerichten und dass es dort keine Bedenken gäbe. Hinsichtlich der Wahl der Handelsrichter wurde der anschließenden Kom­ mission die Frage überwiesen, ob die Landesherren bzw. die Justizverwal­ tung ein Mitspracherecht haben sollte61. So sollte geprüft werden, ob der Handelsstand für jede Stelle zwei Kandidaten zu wählen hatte, zwischen denen dann entschieden werden konnte. Die Alternative war, dass die Wahl dem Handelsstand alleine überlassen wurde und es dann keine staatliche Bestätigung gab. Dass über diese Punkte diskutiert wurde, überrascht nicht, da er bei den Handelsgerichten des 19. Jahrhunderts kontrovers behandelt wurde62. Der Kommission wurde auch überlassen, darüber zu entscheiden, ob die Handelsrichter die Wahl haben sollten, ihre Berufung abzulehnen63. Eine weitere, die Handelsgerichtsbarkeit betreffende Frage war, ob das Reichsoberhandelsgericht bei der Umstrukturierung der Gerichtsverfassung beibehalten werden sollte64. Es wurde darüber diskutiert, ob die obersten Landesgerichtshöfe und das Reichsoberhandelsgericht aufgelöst und durch ein deutsches Reichsgericht als letzte Instanz ersetzt werden sollte. Man kam zu dem Entschluss, dass das Reichsoberhandelsgericht zu einem Deutschen Reichsgericht umzuwandeln bzw. zu erweitern war, welches die oberste In­ stanz in Zivil- und Strafsachen sein sollte. d) Entwurf zur Gerichtsverfassung vom 4. Januar 1873 Am Ende der letzten Konferenz der Justizminister (18. Dezember 1872) wurde festgelegt, dass auf Grundlage der Beschlüsse von preußischen Juris­ 60  Siehe hierzu und zum Folgenden § 23 des Protokolls der Konferenz vom 17. Dezember 1872. 61  Vgl. hierzu und zum Folgenden ebd. 62  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 252 ff. 63  § 23 des Protokolls der Konferenz vom 17. Dezember 1872. 64  Siehe hierzu und zum Folgenden § 26 des Protokolls der Konferenz vom 17. Dezember 1872, dargestellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 416 ff. bzw. die Konferenz vom 18. Dezember 1872, abgedruckt ebd., S. 419 ff.



B. Vorarbeiten zum GVG273

ten ein revidierter Entwurf zu gestalten war65. Dieser sollte im Anschluss dann von einer weiteren Kommission, die sich aus Vertretern Preußens, Bay­ erns, Sachsens, Badens und Württembergs zusammensetzte, beraten werden. Der neue „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die zur Einführung der Deutschen Civil- und Strafprozeßordnung erforderliche Einrichtung der Ge­ richte im Deutschen Reich“ (Entwurf II) stammte vom 4. Januar 187366. Er wich systematisch vom ersten Entwurf Preußens etwas ab, sodass das Kapitel für die Handelsgerichte nun die §§ 150 ff. umfasste. Hinsichtlich der Besetzung wurde der ursprüngliche Entwurf dahingehend geändert, dass die Prozessleitung und die damit einhergehenden Beschlüsse dem rechtsgelehrten Richter alleine zustehen sollten, vgl. § 155 Entwurf II. Die streitwertabhängige Besetzung bei der Sachurteilsfindung wurde aufge­ geben. Man entschied sich gemäß § 155 Entwurf II für die Besetzung mit einem Juristen und zwei kaufmännischen Handelsrichtern. Damit wurde ins­ besondere den Forderungen Bayerns, Sachsens und Württembergs, die bei den Konferenzen der Justizminister vorgebracht wurden, nachgegeben67. Die Bestimmungen zur Position der Handelsrichter wurde nicht verändert68. Da­ mit sollte weiterhin lediglich der Kaufmannsstand für die Wahl zuständig sein. Bei den Anforderungen an die Kaufleute bzw. der Wahlfähigkeit blieb es bei den Vorschriften, die ihre Wurzeln im französischen Recht hatten. Veränderungen gab es allerdings bei der Zuständigkeit. Gemäß § 151 Nr. 1 Entwurf II wurde § 224 Nr. 2 des ersten preußischen Entwurfes beseitigt, nach dem aus Handelsgeschäften auch gegen einen Nichtkaufmann geklagt werden konnte. Für Streitigkeiten, die sich aus Handelsgeschäften ergaben, sollten die Handelsgerichte nur zuständig sein, wenn der Beklagte ein in das Handelsregister eingetragener Kaufmann war, vgl. § 151 Nr. 1 Entwurf II. Somit forderte dieser Entwurf das Vorliegen von sachlichen und personellen Kriterien. Dieses System hatte sich zwar in der Handelsgerichtsbarkeit des 18. Jahrhundert gezeigt, wurde jedoch bei den Gerichten des 19. Jahrhunderts aufgrund des französischen Einflusses nur ausnahmsweise berücksichtigt69. Die restlichen Vorschriften zur Zuständigkeit entsprachen dem ersten Ent­ wurf Preußens. 65  Hierzu und zum Folgenden: Schlussbestimmung der Konferenz vom 18. De­ zember 1872. 66  Der „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die zur Einführung der Deutschen Civil- und Strafprozeßordnung erforderliche Einrichtung der Gerichte im Deutschen Reich“ vom 4. Januar 1873 ist abgedruckt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfas­ sung, S. 423 ff. Übernommen wird die von Schubert verwendete Kurzbezeichnung „Entwurf II“. 67  Vgl. S. 270 f. 68  Vgl. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen auf S. 264 ff. 69  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 253 ff.

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4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

e) Kommissarische Beratung im Februar/März 1873 und der Entwurf vom März 1873 Im Anschluss erfolgte eine kommissarische Beratung des gerade bespro­ chenen Entwurfs durch Vertreter der bedeutendsten Mitgliedsstaaten (Preu­ ßen, Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden)70. Ergebnis dieser Ver­ handlungen war ein weiterer „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die zur Einführung der Deutschen Civil- und Strafprozeßordnung erforderliche Ein­ richtung der Gerichte im Deutschen Reich“ im März 1873 (Entwurf III)71. In der 6. Sitzung (25. Februar 1873) beschäftigte sich die Kommission mit der Handelsgerichtsbarkeit72. Im Folgenden sollen die wesentlichen Diskus­ sionspunkte aufgezeigt und gleichzeitig erklärt werden, wie diese im Entwurf vom März 1873 (Entwurf III) umgesetzt wurden. Hinsichtlich der Zuständigkeit stellte sich zunächst die Frage, ob eine Streitwertgrenze aufgenommen werden sollte73. Der entsprechende Antrag wurde jedoch abgelehnt. Die Gerichte wären demnach auch für geringwer­ tige Handelssachen zuständig gewesen. Sie sollten damit lediglich in erster Instanz tätig sein, vgl. § 82 Entwurf III. Die zweite wichtige Zuständigkeitsfrage bestand weiterhin darin, ob Kla­ gen gegen Nichtkaufleute vor die Handelsgerichte gebracht werden konnten, sofern das Geschäft für den Beklagten ein Handelsgeschäft war oder ob Klagen aus Handelsgeschäften lediglich gegen Kaufleute die Zuständigkeit begründeten. Man einigte sich darauf, dass nur die Klagen aus Handelsge­ schäften zugelassen waren, bei denen der Beklagte ein Kaufmann war, vgl. § 83 Nr. 1 Entwurf III. Die restlichen Vorschriften zur Zuständigkeit, insbe­ sondere der Katalog des § 83 Nr. 3, blieben gleich. In § 84 des Entwurf III wurde die Möglichkeit aufgenommen, dass durch Landesgesetze seerecht­ liche Angelegenheiten, die nicht unter die Zuständigkeitsvorschrift des § 83 fielen, den Handelsgerichten übertragen werden konnten.

70  Die Protokolle der kommissarischen Beratung des Entwurfs II, die zwischen dem 13. Februar und dem 4. April 1873 stattfand, sind dargestellt bei Schubert, Deut­ sche Gerichtsverfassung, S. 433 ff. 71  Der „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die zur Einführung der Deutschen Civil- und Strafprozeßordnung erforderliche Einrichtung der Gerichte im Deutschen Reich“ von März 1873 ist abgedruckt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 482 ff. Auch hier wird die von Schubert verwendete Kurzbezeichnung „Entwurf III“ verwendet. 72  Das Protokoll der 6. Sitzung vom 25. Februar 1873 ist dargestellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 458 ff. 73  Siehe hierzu und zum Folgenden das Protokoll der 6. Sitzung vom 25. Fe­bruar 1873.



B. Vorarbeiten zum GVG275

Bezüglich der Beschlussfähigkeit blieb es gemäß § 87 Entwurf III bei der Besetzung mit einem Juristen und zwei Handelsrichtern. Gemäß dieser Vor­ schrift sollte der Vorsitzende allerdings alleine Prozesshandlungen vorneh­ men können. Eine Beteiligung von Kaufleuten bei den Oberlandesgerichten, die für Beschwerden gegen Entscheidungen der Handelsgerichte zuständig sein sollten, war gemäß § 96 Entwurf III nicht vorgesehen. Die Auswahl der Handelsrichter betreffend entfernten sich die Vorschriften vom französischen Recht: So wurde in § 90 Entwurf III bestimmt, statt der Wahl durch den Kaufmannsstand, wie das bei den bisherigen Entwürfen ge­ regelt war, eine staatliche Ernennung der Richter festzulegen. Die Ernennung sollte auf gutachterlichen Vorschlag des zur Vertretung des Handelsstandes berufenen Organes erfolgen, vgl. § 90 Entwurf III. Die finale Entscheidung würde den Kaufleuten allerdings dadurch entzogen werden. Das Amt war auf drei Jahre befristet, wobei eine erneute Ernennung nicht ausgeschlossen war (§ 90 Entwurf III). Alles Weitere sollten gemäß dieser Vorschrift Landesge­ setze bestimmen. Die zweite Veränderung ist den Anforderungen an die Handelsrichter zu entnehmen: So wurde auf die aus dem französischen Recht stammende An­ forderung verzichtet, dass die Richter für mindestens fünf Jahren als Kauf­ leute tätig gewesen sein mussten. Diese Voraussetzung fand in vielen Han­ delsgerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts und deshalb auch in den vorheri­ gen Entwürfen Berücksichtigung74. Dennoch sind auch in diesem Entwurf noch Elemente erkennbar, die ihren Ursprung im französischen Recht haben, beispielsweise die Voraussetzung bzgl. des Mindestalters (30 Jahre) oder die Bestimmung, dass Kaufleute, die bereits im Ruhestand waren, zu Handels­ richtern ernannt werden konnten, vgl. § 91 Entwurf III. 2. Verfahren beim Bundesrat bis zur Vorlage beim Reichstag im Oktober 1874 a) Entwurf vom November 1873 (Bundesratsvorlage) Die Bestimmungen des Entwurfs vom März 1873 wurden nahezu iden­ tisch, zumindest hinsichtlich des Kapitels für die Handelsgerichte, als „Ent­ wurf eines Gesetzes über die Verfassung der Gerichte im Deutschen Reich für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen“ (Bundesratsvorlage) im November 1873 dem Bundesrat vorgelegt75. Es gab nur eine relevante Ab­ 74  Vgl.

etwa das Ergebnis auf S. 269. bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 543 ff. Im Folgen­ den: Bundesratsvorlage. Kleinere Änderungen gab es bei der Anordnung der Vor­ schriften. 75  Abgedruckt

276

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

weichung: Gemäß § 93 dieser Bundesratsvorlage sollten die Handelsgerichte als Kollegien, bestehend aus einem rechtsverständigen Richter als Vorsitzen­ den und vier Handelsrichtern, entscheiden. Diese Vorschrift verwundert, da im bisherigen Gesetzgebungsverfahren stets von einer anderen Besetzung, nämlich einem juristischen Vorsitzenden und zwei Kaufleuten ausgegangen worden war. Dieser aus Preußen stammende Vorschlag wurde noch vor Be­ ginn der Verhandlung im anschließenden Justizausschuss des Bundesrats zu­ rückgenommen76. Deshalb wurde im darauffolgenden Entwurf des Justiz­ ausschusses, der im nächsten Kapitel besprochen wird, wieder auf die ur­ sprüngliche Besetzung mit drei Richtern zurückgegriffen. b) Justizausschuss des Bundesrates mit anschließendem Entwurf vom 12. Mai 1874 und die Reichstagsvorlage Der Justizausschuss des Bundesrates beriet daraufhin über den unterbreite­ ten Vorschlag. Die Vorschriften zu den Handelsgerichten waren Gegenstand der 7. Sitzung vom 24. April 187477. Die maßgeblichen Streitpunkte waren im Wesentlichen die gleichen wie bei der im vorherigen Kapitel dargestellten kommissarischen Beratung der Mitgliedsstaaten. Die Verhandlungen des Jus­ tizausschusses brachten im Ergebnis am 12. März 1874 einen neuen Entwurf hervor, für den erstmals die noch heute bestehende Bezeichnung „Gerichts­ verfassungsgesetz“ verwendet wurde78. Dieser Entwurf wich nur leicht von der Bundesratsvorlage ab. Zum einen wurde die Anzahl der Richter wieder auf drei Personen reduziert, sodass die Handelsgerichte in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei Handels­ richtern beschlussfähig sein sollten, vgl. § 92 dieses Entwurfs. Darüber hin­ aus wurde die Vorschrift (§ 87 des Entwurfs), die die Anforderungen an die Handelsrichter nannte, verschlankt. So sollten Prokuristen nicht zu Handels­ richtern ernannt werden können79. Auch weiterhin sollte die Zuständigkeit Bagatellsachen umfassen und in zweiter Instanz (bei den Oberhandelsgerich­ ten) keine Kaufleute als Richter hinzugezogen werden80.

76  Schubert,

Deutsche Gerichtsverfassung, S. 193. entsprechende Protokoll ist ebd., S. 634 ff. dargestellt. 78  Der Entwurf des Gerichtsverfassungsgesetzes in der vom Justizausschuss des Bundesrates verabschiedeten Fassung vom 12. März 1874 ist abgedruckt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 741 ff. 79  Vgl. § 87 des Entwurfes des Justizausschusses des Bundesrates zum GVG mit § 88 der Bundesratsvorlage. 80  Zu den Diskussionen zu diesen Punkten vgl. Schubert, Deutsche Gerichtsver­ fassung, S.  193 f. 77  Das



B. Vorarbeiten zum GVG277

Der Entwurf des Justizausschusses wurde im Plenum des Bundesrates in Bezug auf die Handelsgerichte unverändert gebilligt und dem Reichstag vor­ gelegt81. 3. Verfahren beim Reichstag bis zur Verabschiedung des GVG Bis zu diesem Zeitpunkt war die Existenz und die Selbständigkeit der Handelsgerichte während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens nicht ange­ zweifelt worden. Die grundlegenden Fragen waren geklärt und lediglich über einzelne Punkte waren sich die Vertreter der verschiedenen Staaten noch nicht vollkommen einig. Vor dem Reichstag wurden jedoch alle festgelegten Grundsätze in Frage gestellt. Es wurde eine Justizkommission eingesetzt, die sich mit dem Ent­ wurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes auf Grundlage der Reichstagsvorlage beschäftigte. Die Kommission lehnte die Einrichtung von Handelsgerichten ab82. Sie begründete das damit, dass sich das Bedürfnis nach besonderen Spruchkörpern für Handelsstreitigkeiten mit der Kodifikation des Handels­ rechts erledigt habe. Damit sei das Handelsrecht für jedermann zugänglich und nicht mehr nur dem Kaufmannsstand bekannt. Es wurde angeführt, dass im Rheinland, wo noch französische Handelsgerichte bestanden, bei der ­Urteilsfindung hauptsächlich die Meinung der juristisch gelehrten Gerichts­ schreiber und nicht der kaufmännischen Richter maßgeblich sei. Weiterhin würden durch die Einsetzung von Handelsgerichten Zuständigkeitsschwierig­ keiten mit den Zivilgerichten entstehen. Es wurde argumentiert, dass der Handelsstand unberechtigterweise bevorzugt werden würde, wofür es keinen driftigen Grund gäbe, da auch andere Privilegien, wie etwa die der Standes­ herren, abgeschafft worden waren. Ein weiteres Argument war, dass die In­ stitution der Handelsgerichte nicht auf deutscher Rechtsanschauung beruhe, sondern vielmehr seinen Ursprung in Frankreich habe und von dort aus in die deutschen Staaten transferiert wurde83.

81  Anm. 1 ebd., S. 741 bzw. Protokolle ebd. auf S. 741 ff. Der Entwurf, der dem Reichstag übergeben wurde, ist abgedruckt bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 1 ff. Im Folgenden: Reichstagsvorlage. Motive zur Reichstagsvorlage in Bezug auf die Handelsgerichte ebd., S. 108 ff. 82  Vgl. hierzu und zum Folgenden den Beschluss vom 26. April 1875, abge­ druckt bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 287 ff. Kurze Darstellung auch bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 199; Schön, S. 180; Merzbacher, S.  23 ff. 83  Dieses Argument findet sich im späteren Bericht der Justizkommission des Reichstages nach der 2. Lesung, vgl. Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 2. Abt., S. 933.

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4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

a) Fassung der Justizkommission des Reichstags 1. Lesung Nach der Fassung des Gerichtsverfassungsgesetz-Entwurfs der Justizkom­ mission des Reichstages erster Lesung84 sollten also keine Handelsgerichte bestehen. Die Entscheidung gegen die Handelsgerichte fand jedoch bei den Kaufleuten, beim Bundesrat und auch dessen Justizkommission keinen An­ klang85. Man verständigte sich deshalb im Plenum des Bundesrates und in dessen Justizkommission darauf, die Justizkommission des Reichstages zu unterrichten, dass nach ihrer Auffassung Handelsgerichte nicht ausgeschlos­ sen werden konnten86. Zumindest sollte die Kommission des Reichstages, sofern sie trotzdem an der Abschaffung festhalten wollte, eine eigenständige Beratung über die Vorschriften der Reichstagsvorlage zu den Handelsgerich­ ten durchführen87. So hätte man für den Fall, dass der Reichstag die Auf­ nahme von Handelsgerichten in das GVG wünschte, eine Version, die diesem vorgelegt werden könnte88. Die Justizkommission des Reichstags kam diesem Wunsch nach, indem sie von einer Subkommission auf Grundlage der Reichstagsvorlage einen Even­ tualentwurf für ein Kapitel des GVG zu Handelsgerichten erstellen ließ89. Der Entwurf wurde dann in der Justizkommission des Reichstages beraten und abschließend auch gebilligt90. Es sind einige Abweichungen zu der Reichstagsvorlage erkennbar: So sollte die Grundnorm zur Zuständigkeit (§ 83) dahingehend geändert werden, dass wegen eines Handelsgeschäfts nur geklagt werden konnte,

84  Fassung des Gerichtsverfassungsgesetz-Entwurfs der Justizkommission des Reichstages 1. Lesung ist abgedruckt bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 2. Abt., S.  1650 ff. 85  Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 195 f.; Silberschmidt, Die dt. Son­ dergerichtsbarkeit, S. 200; Schön, S.  181 f.; Strauch, S. 145. 86  Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 195 f.; Silberschmidt, Die dt. Son­ dergerichtsbarkeit, S. 200. 87  Anmerkung 1 zur Sitzung der Justizkommission des Reichstages vom 4. Ok­ tober 1875, bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 290; Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 198. 88  Anmerkung 1 zur Sitzung der Justizkommission des Reichstages vom 4. Ok­ tober 1875, bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 290. 89  Kurze Darstellung bei Schön, S. 184; Die Beschlüsse der Subkommission für den Fall der Beibehaltung der Handelsgerichte sind abgedruckt bei Schubert, Deut­ sche Gerichtsverfassung, S. 812 ff. Die Vorschriften sind inklusive der Protokolle der anschließenden Diskussion in den Sitzungen der Justizkommission des Reichstages vom 4. und 5. Oktober 1875, bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 290 ff. abgedruckt. 90  Vgl. hierzu und zum Folgenden ebd.



B. Vorarbeiten zum GVG279

wenn sowohl der Kläger als auch der Beklagte Kaufleute waren91. Bis dahin hatte sich im Gesetzgebungsverfahren abgezeichnet, dass in diesen Fällen nur der Beklagte ein Kaufmann sein musste. Die Zuständigkeit wurde also in personeller Hinsicht weiter beschränkt. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Handelsrichter nur in Streitigkeiten zwischen zwei Kaufleu­ ten den Berufsrichter mit ihrem Praxiswissen unterstützen können. Bei Pro­ zessen zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten wäre das äußerst zweifel­ haft. Den Handelsrichtern wäre es nicht möglich, sich in die Position der Nichtkaufleute hineinzudenken. Deshalb würden sie dann die Streitigkeit nur aus Sicht des Kaufmanns beurteilen. In diesen Fällen würde die kaufmänni­ sche Partei bevorzugt werden. Ferner sollten Klagen aus einem Wechsel im Sinne der Wechselordnung ausgeschlossen sein92. Damit erhoffte man sich, dass bezüglich der Wechsel­ streitigkeiten keine Zuständigkeitsprobleme mit den Zivilgerichten auftreten würden. Außerdem wurde folgendes Argument vorgebracht: Bei Wechsel­ sachen handle es sich im Regelfall um schwierige Rechtsfragen, die vor den Amts- bzw. Landgerichten besser entschieden werden könnten. Zwar komme der Wechsel ursprünglich aus dem Handelsverkehr. Jedoch gäbe es mittler­ weile schon viele Wechsel, die nicht auf Handelsgeschäften beruhen. Auf­ genommen wurden gemäß § 83 a Nr. 3 dieser Fassung Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen, die sich auf den Markenschutz beziehen. Der restliche Katalog des § 83 der Reichstagsvorlage sollte identisch bleiben. Die Zuständigkeit der Handelsgerichte sollte erst ab einem gewissen Streitwert (300 Mark) begründet sein93. Streitigkeiten mit einer geringeren Summe sollten vor dem Amtsgericht verhandelt werden. Auch in dieser Hin­ sicht wandte sich die Kommission von den Ergebnissen des Verfahrens beim Bundesrat ab, nach denen das Handelsgericht auch für geringwertige Strei­ tigkeiten zuständig sein sollte. Begründet wurde das mit der Tatsache, dass, wenn Bagatellsachen in erster Instanz vor das Handelsgericht gebracht wer­ den dürften, aufgrund des Instanzenzuges selbst in solchen unbedeutenden Sachen eine Revision beim Reichsgericht als oberstem Gericht eingelegt werden könnte94. Außerdem gebe es keine Unterschiede zwischen Bagatell­ sachen im Handelsrecht und im bürgerlichen Recht95. Ferner wäre es, wie 91  Hierzu

und zum Folgenden ebd. und zum Folgenden ebd. 93  Hierzu und zum Folgenden ebd. 94  Beschluss vom 26. April 1875, abgedruckt bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 287 ff. 95  Vgl. hierzu und zum Folgenden die Protokolle der Sitzungen der Justizkommis­ sion des Reichstages vom 4. und 5. Oktober 1875, abgedruckt bei Hahn, Mate­rialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 290 ff. 92  Hierzu

280

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

auch in bürgerlichen Sachen, unverhältnismäßig, geringwertige Streitsachen vor drei Richtern zu verhandeln. Nach Vorstellung der Subkommission war für den Fall, dass sich der Reichstag für Handelsgerichte aussprach, in der Zivilprozessordnung fest­ zulegen, dass für das Verfahren vor den Handelsgerichten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten zur Anwendung kommt96. Damit würde bei den Handelsgerichten Anwaltszwang herrschen97. b) Beratung über diese Fassung in der Justizkommission des Bundestages Über die beiden Beschlüsse der Justizkommission des Reichstags wurde dann in der Justizkommission des Bundestages beraten98. Der Hauptantrag, die Ablehnung der Handelsgerichte, fand keine Zustimmung99. Auch be­ züglich des Eventualantrages stimmte die Justizkommission des Bundestages nicht allen Änderungen zu100. Insbesondere bei der Zuständigkeitsregelung des § 83 Nr. 1 sollte weiterhin der Kläger nicht zwingend Kaufmann sein müssen und die Wechselstreitigkeiten beim Handelsgericht verbleiben101. Zustimmung zum Vorschlag der Justizkommission des Reichstages gab es lediglich hinsichtlich der Streitwertgrenze, nach der geringwertige Handels­ sachen (unter 300 Deutsche Mark) den Amtsgerichten zugewiesen werden sollten102. Das war im Wesentlichen der einzige Punkt, bei dem die Justiz­ kommission des Bundestages von ihren Forderungen absah. Neben dieser Kommission sprachen sich auch zahlreiche Vertreter der Kaufmannschaft, insbesondere in Form von Handelskammern und kaufmännischen Vereini­ gungen, für die Aufnahme von Handelsgerichten in das GVG und damit ge­ gen den Vorschlag der Kommission des Reichstages aus103. 96  Ein entsprechender Entwurf für den Abschnitt der Zivilprozessordnung für die Handelsgerichte nach Vorstellung der Kommission des Reichstages 1. Lesung ist ab­ gedruckt in den Protokollen der Sitzung der Justizkommission des Reichstages vom 4. Oktober 1875, bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 291 f. 97  Ebd. 98  Vgl. Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 198. Das entsprechende Pro­ tokoll der Sitzung der Justizkommission des Bundesrates vom 4. April 1876 ist abge­ druckt ebd., S. 837 ff. 99  Ebd., S. 198. 100  Protokoll der Sitzung der Justizkommission des Bundesrates vom 4. April 1876 bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 837 ff. Die Anträge der einzelnen Staaten und Städte als Anlage zu diesem Protokoll ebd., S. 842 ff. 101  Protokoll der Sitzung der Justizkommission des Bundesrates vom 4. April 1876. 102  Ebd. 103  Siehe hierzu das Protokoll der anschließenden Sitzung der Justizkommission des Reichstages vom 11. Mai 1876, abgedruckt bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1.  Abt., S.  705 ff.



B. Vorarbeiten zum GVG281

Als Zwischenergebnis kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass es zu diesem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens zwei konträre Standpunkte gab. Einerseits den Bundesrat, dessen Justizkommission sowie den Kauf­ mannsstand, die sich für selbständige Handelsgerichte entsprechend den deutschen Einrichtungen des 19. Jahrhunderts aussprachen. Andererseits die Justizkommission des Reichstages, die Handelsgerichte ablehnte. Zusätzlich bestand noch keine Einigkeit, wie die Zuständigkeit, falls es Handelsgerichte geben sollte, zu bestimmen war. Die Besetzung und alle weiteren Punkte, die damit zusammenhingen, waren kein Gegenstand der Diskussionen mehr. Gleiches galt für das Verfahren. Dieses sollte demjenigen der Landgerichte entsprechen. Eine Beschleunigung für Handelssachen war nicht vorgesehen. c) Fassung der Justizkommission des Reichstags 2. Lesung In der Sitzung des Justizausschusses des Reichstages vom 11. Mai 1876 fand man mit den heute bestehenden Kammern für Handelssachen einen Kompromiss zwischen den zwei Lagern104. Im Folgenden werden die Mo­ tive der Justizkommission für diese Lösung und die darauffolgende Auffas­ sung der Justizkommission des Bundestages dargestellt. Darauf aufbauend wird im nächsten Kapitel untersucht, welche Elemente des französischen Rechts bei den Kammern für Handelssachen noch erkennbar sind. In der Sitzung des Justizausschusses des Reichstages vom 11. Mai 1876 wurde über zwei verschiedene Anträge diskutiert105. Der eine forderte die Aufnahme von selbständigen Handelsgerichten. Der andere zielte auf Kam­ mern für Handelssachen ab, die lediglich besondere Abteilungen bei den Landgerichten in der Besetzung mit einem Juristen und zwei Kaufleuten waren. Für Handelsgerichte wurde angeführt, dass Kammern für Handelssa­ chen von den Kaufleuten wohl nicht die gleiche Anerkennung bzw. das gleiche Vertrauen genießen würden wie selbständige Gerichte. Ferner wurde kritisiert, dass es vorkommen könnte, dass es an Orten, an denen zwar kein Landgericht bestehe, aber viel Handel getrieben würde, keine entsprechende Einrichtung geben würde. Durch selbständige Handelsgerichte wäre man flexibler und nicht auf die Gerichtsbezirke der Landgerichte angewiesen. Ein Argument, warum Kammern für Handelssachen selbständigen Handels­ gerichten vorzuziehen seien, war beispielsweise, dass durch die Einführung ein Anschluss der Handelsprozesse an das Verfahren vor den Landgerichten erfolgen würde. Damit wäre insbesondere beim Verweis von Klagen ein leichter Übergang zwischen den verschiedenen Kammern gewährleistet. Zu­ 104  Ebd.

105  Hierzu

und zum Folgenden: ebd.

282

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

ständigkeitsprobleme wären so größtenteils ausgeschlossen bzw. könnten zumindest schneller geklärt werden. Einigkeit bestand darin, dass an der Fassung der 1. Lesung aufgrund der negativen Resonanz zur Abschaffung der Handelsgerichte nicht festgehalten werden konnte106. Dennoch gab es auch Mitglieder der Justizkommission, die grundsätzlich nach wie vor den Beschluss der 1. Lesung für vorzugswür­ diger hielten. Selbst diese Mitglieder waren nun kompromissbereit107. Insbe­ sondere wurde befürchtet, dass durch die Ablehnung spezieller Einrichtungen für die Streitigkeiten in Handelssachen das gesamte Gesetzgebungswerk in einem schlechten Licht stehen würde108. Diese Erkenntnis spiegelt sich in folgendem Ausschnitt der Rede des Abgeordneten Dr. Wolffson wider109: „Die eigentliche Lage der Sache sei doch die, daß der Kommission alles daran liegen müsse, ihre Beschlüsse im Reichstag durchzubringen und mit denselben Anklang im deutschen Volke zu finden. Dieses Ziel könne aber nur durch Annahme der Handelsgerichte oder doch der Handelskammern erreicht werden. Welchen Eindruck werde auf die deutsche Nation machen, wenn die 27 Juristen der Kom­ mission, weil sie der Geltendmachung kaufmännischer Standesinteressen entgegen zu treten sich für verpflichtet halten, selbstgenügsam die Mitwirkung von Laien an der Rechtsprechung prinzipiell ausschließen würden?“

In der anschließenden Abstimmung wurde die Aufnahme von selbständi­ gen Handelsgerichten mit deutlicher Mehrheit, nämlich mit 23 gegen fünf Stimmen, abgelehnt110. Es wurden die Kammern für Handelssachen ange­ nommen. Dass diese lediglich ein Kompromiss waren und nicht alle Abge­ ordneten mit der Lösung einverstanden waren, zeigt sich darin, dass der Antrag nur mit einer knappen Mehrheit, nämlich 16 zu 12 Stimmen, ange­ nommen wurde. Nachdem geklärt war, dass nach der Vorstellung der Justizkommission des Reichstages Kammern für Handelssachen gegründet werden sollten, gab es noch einzelne Fragen, insbesondere zur Zuständigkeit, die beraten werden mussten111. Ansonsten sollten die Vorschriften der Fassung 1. Lesung zu Handelsgerichten, die die Zustimmung des Bundesrates hatten, beibehalten 106  Hierzu

und zum Folgenden: ebd. etwa die Rede des Abgeordneten Struckmann im Protokoll der Sitzung der Justizkommission des Reichstages vom 11. Mai 1876, bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 705 ff. 108  Ebd. 109  Rede von Dr. Wolffson in der Sitzung vom 11. Mai 1876, Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 713 f. 110  Vgl. hierzu und zum Folgenden die Abstimmung in der Sitzung vom 11. Mai 1876, ebd., S. 714. 111  Die Beratung erfolgte in der Sitzung vom 12. Mai 1876, deren Protokoll ebd., S. 715 ff. abgedruckt ist. 107  Vgl.



B. Vorarbeiten zum GVG283

und lediglich auf die Kammern für Handelssachen übertragen werden112. Die Ergebnisse und die endgültigen Vorschriften werden im folgenden Kapitel dargestellt113. Die Lösung der Justizkommission des Reichstages fand beim Bundesrat und dessen Justizkommission jedoch nicht nur Zustimmung, da sie weiterhin für die selbständigen Handelsgerichte plädierten114. Die Justizkommission des Reichstages ließ sich jedoch von der Einsetzung von Kammern für Han­ delssachen nicht abbringen115. Ferner zeigte sie sich hinsichtlich der streit­ wertabhängigen Zuständigkeit, die handelsrechtliche Bagatellsachen vor die Amtsgerichte verwies, nicht kompromissbereit. Hinzugefügt wurde noch eine Passage, dass an Orten des Landgerichtsbezirks, an dem das Landgericht nicht seinen Sitz hat, dennoch eine Kammer für Handelssachen eingerichtet werden konnte, wenn Bedarf bestand116. Die Version der 2. Lesung zu den Kammern für Handelssachen wurde zusammen mit der gerade dargestellten Erweiterung vom Plenum des Reichstags im Wesentlichen bestätigt117. Dar­ aufhin gab der Bundesrat den Widerspruch bzw. sein Drängen auf die Auf­ nahme selbständiger Handelsgerichte auf und akzeptierte den Vorschlag des Reichstages118. Deshalb konnten im GVG vom 27. Januar 1877 die Vorstel­ lungen des Reichstags zu den Kammern für Handelssachen vollständig be­ rücksichtigt werden119.

112  Ebd. 113  Vgl.

S.  284 ff. bspw. im Justizausschuss des Bundesrates, Protokoll vom 19. Oktober 1876, dargestellt bei Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 900 ff. Ferner im an­ schließenden Bericht an den Bundesrat, ebd., S. 913 f. Beschlossen auch in der Sit­ zung des Bundesrates vom 31. Oktober 1876, ebd., S. 916 ff. 115  Siehe hierzu und zum Folgenden die Sitzung vom 9. November 1876, abge­ druckt bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 2. Abt., S. 933. 116  Die Vorschrift sollte als § 81 II in die Version der 2. Lesung eingefügt werden; in der späteren, finalen Version § 101 II, vgl. auch die Gegenüberstellung der ver­ schiedenen Entwürfe bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 2. Abt., S. 1711. 117  Die Beratung im Plenum des Reichstags vom 17. November 1876 ist abge­ druckt ebd., S. 1063 ff. Der Beschluss ist auf S. 1110 zu finden. Darstellung einzelner Reden auch bei Schön, S. 194 ff.; Kleinere Veränderungen von untergeordneter Rele­ vanz wurden in der Sitzung vom 23. November 1876 beschlossen, vgl. Hahn, Mate­ rialien GVG, 1. Bd., 2. Abt., S. 1307 ff. bzw. S. 1711 ff. 118  Schubert, Deutsche Gerichtsverfassung, S. 200. 119  Das GVG in der Version vom 27. Januar 1877 ist abgedruckt bei Hahn, Ma­ terialien GVG, 1. Bd., 2. Abt., S. 1781 ff. 114  So

284

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

C. Die Vorschriften des GVG Mit den Kammern für Handelssachen endete die Entwicklung der Han­ delsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert. Es erfolgte ein klarer Schnitt, bei dem viele Elemente des französischen Rechts verloren gingen, die sich im 19. Jahrhundert bei den deutschen Handelsgerichten etabliert hatten. Es sind nur noch wenige Vorschriften erkennbar, die ihren Ursprung in der französi­ schen Handelsgerichtsbarkeit hatten. Ein Unterschied zum französischen Recht findet sich zunächst in der Geset­ zessystematik120. So befinden sich die Regeln zu den Handelsgerichten im Handelsgesetzbuch (Code de commerce) und dem Zivilprozessbuch (Code de procédure civile). In Deutschland hingegen enthält das Handels­gesetzbuch keine Vorschriften zur Handelsgerichtsbarkeit. Die Regeln sind im Wesent­ lichen in den §§ 100 ff. GVG (1877) bzw. §§ 93 ff. GVG aktuelle Fassung121 und in der Zivilprozessordnung (ZPO) festgesetzt. Das lässt sich damit erklä­ ren, dass das deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB/heute HGB) zu einer Zeit in Kraft trat, in der es noch keine einheitliche Gerichtsbarkeit in den deutschen Staaten gab, da diese noch unabhängig waren. Außerdem ist die deutsche Sys­ tematik klarer, da eine strikte Trennung zwischen dem materiellen Handels­ recht und der Gerichtsverfassung bzw. dem Prozessrecht besteht. Vergleicht man zunächst die Organisation, ergibt sich als wesentlichster Unterschied, dass in Frankreich die Spruchkörper selbständig sind, während die Kammern für Handelssachen bei den Landgerichten und damit in der Zivilgerichtsbarkeit verankert sind, vgl. § 100 GVG (1877) bzw. § 93 GVG aktuelle Fassung. Bei der Frage, wo Handelsgerichte bzw. Kammern für Handelssachen gegründet werden, ähneln sich die entsprechenden Vorschrif­ ten. Es sollen nicht zwingend in jedem Gerichtsbezirk besondere Einrichtun­ gen für Handelssachen bestehen. Vielmehr wird jeweils auf das Bedürfnis abgestellt (vgl. § 100 des GVG von 1877 mit Art. 615 Code de commerce), was durch die Landesjustizverwaltung bzw. Regierung beurteilt werden soll122. Der Gesetzgeber griff bewusst auf die Regelung aus dem Code de commerce zurück, wie sich aus den Motiven zur Reichstagsvorlage ergibt123. 120  Darstellung der Grundsätze zu den Kammern für Handelssachen ohne Vergleich zum französischen Recht bei Silberschmidt, Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 206 ff.; Knatz, S.  37 ff.; Merzbacher, S.  35 ff.; Windel, in: FS Graf-Schlicker, S. 156 ff.; Rosenberg, in: Handbuch des gesamten Handelsrechts Erster Band, S. 458 ff.; DuschkowKessiakow, S.  42 ff. 121  Die Gesetzeslage zum Stand April 2020 stellt die aktuelle Fassung dar. 122  § 93 GVG aktuelle Fassung enthält die Voraussetzung des „Bedürfnisses“ nicht mehr. 123  Vgl. dazu die Motive zur Reichstagsvorlage, Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1.  Abt., S.  112 ff.



C. Die Vorschriften des GVG285

I. Besetzung Hinsichtlich der Besetzung wurden im GVG überwiegend die Grundsätze aufgenommen, die sich im 19. Jahrhundert als Abweichung vom französi­ schen Recht entwickelt hatten. Auch nach dem GVG ist keine rein kaufmän­ nische Besetzung vorgesehen. Gemäß § 109 GVG (1877) bzw. § 105 GVG aktuelle Fassung entscheiden die Kammern für Handelssachen in der Beset­ zung von einem vorsitzenden Richter, der Mitglied des Landgerichts ist, und zwei Handelsrichtern, die gleiches Stimmrecht haben. Diese Besetzung hat­ ten nahezu alle entsprechenden deutschen Handelsgerichtsordnungen des 19. Jahrhunderts gemeinsam124 und sie stammte aus der Zeit der französi­ schen Besatzung, in der sie erstmals für die Hanseatischen Handelsgerichte so festgelegt worden war125. Bei den Vorschriften zur Bestimmung der Handelsrichter entschied man sich gegen die Regelung des französischen Rechts, die Wahlen des Kauf­ mannsstandes vorsah und bei vielen deutschen Handelsgerichten bis zum GVG berücksichtigt worden war126. So werden die kaufmännischen Mitglie­ der der Kammern für Handelssachen nicht gewählt. Vielmehr werden sie gemäß § 112 GVG (1877) bzw. § 108 GVG aktuelle Fassung für eine ge­ wisse Dauer auf gutachtlichen Vorschlag des zur Vertretung des Handelsstan­ des berufenen Organs ernannt. Gemäß § 112 GVG (1877) betrug die Amts­ zeit zunächst drei Jahre, bevor sie auf fünf Jahre (§ 108 GVG aktuelle Fas­ sung) erhöht wurde. Das zur Vertretung des Handelsstandes berufene Organ (§ 112 des GVG von 1877) ist heute gemäß § 108 GVG aktuelle Fassung die Industrie- und Handelskammer. Bei den Anforderungen an die Handelsrichter bestätigt sich die Tendenz, dass nur noch wenige Elemente Parallelen zum französischen Recht aufwei­ sen: § 113 I GVG (1877): „Zum Handelsrichter kann jeder Deutsche ernannt werden, welcher als Kaufmann oder als Vorstand einer Aktiengesellschaft in das Handels­ register eingetragen oder eingetragen gewesen ist, das dreißigste Lebensjahr voll­ endet hat und in dem Bezirke der Kammer für Handelssachen wohnt.“

In § 109 GVG aktuelle Fassung wird der Kreis lediglich erweitert, sodass neben Kaufleuten und Vorständen nun auch Prokuristen oder Geschäftsführer von juristischen Personen wahlfähig sind. Lediglich die Anforderung der Vollendung des 30. Lebensjahres hat ihre Wurzeln im französischen Recht127. 124  Vgl.

dazu die Ausführungen auf S. 251 f. S. 114 ff. 126  Vgl. S. 252 f. 127  Vgl. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen auf S. 94 f. 125  Vgl.

286

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

Weitere Elemente, beispielsweise die Voraussetzung, dass die Handelsrichter seit mindestens fünf Jahren als Kaufleute tätig sein mussten, die in den meis­ ten deutschen Handelsgerichten des 19. Jahrhunderts aus dem Code de com­ merce rezipiert worden waren, sind dem GVG fremd. Dieses berücksichtigt auch die Position des Ersatzrichters („suppléant“) nicht. Es stellt sich nun die Frage, ob auch das GVG als Abweichung zum fran­ zösischen Recht vorsieht, dass der Vorsitzende in begrenztem Umfang allein tätig werden kann. § 109 Abs. 3 GVG (1877) gewährte das nur in folgenden Fällen: „In Streitigkeiten, welche sich auf das Rechtsverhältniß zwischen Rheder oder Schiffer und Schiffsmannschaft beziehen, kann die Entscheidung durch den Vorsit­ zenden allein erfolgen.“

Die Möglichkeit, selbständig Prozesshandlungen durchzuführen, war we­ der in der ZPO von 1877128 noch im GVG von 1877 zu finden. § 109 Abs. 3 GVG (1877) fiel später weg. Die Befugnisse des Vorsitzenden wurden aller­ dings erweitert. § 105 Abs. 1 GVG aktuelle Fassung: „Die Kammern für Handelssachen entschei­ den in der Besetzung mit einem Mitglied des Landgerichts als Vorsitzenden und zwei Handelsrichtern, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozeßgesetze an Stelle der Kammer der Vorsitzende zu entscheiden hat.“

Der zweite Halbsatz verweist auf die 1974 eingeführte Vorschrift des § 349 ZPO aktuelle Fassung129: „Abs. 1: In der Kammer für Handelssachen hat der Vorsitzende die Sache so weit zu fördern, dass sie in einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer erledigt werden kann. Beweise darf er nur insoweit erheben, als anzunehmen ist, dass es für die Beweiserhebung auf die besondere Sachkunde der ehrenamtlichen Richter nicht ankommt und die Kammer das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Abs. 2: Der Vorsitzende entscheidet 1. über die Verweisung des Rechtsstreits; 2. über Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, soweit über sie abgeson­ dert verhandelt wird; 3. über die Aussetzung des Verfahrens […]

128  Die Zivilprozessordnung in der Version vom 30. Januar 1877 ist abgedruckt bei Schubert, Civilprozessordnung, S. 903 ff.; die aktuelle Fassung stellt die Gesetzes­ lage zum Stand April 2020 dar. 129  Eingeführt durch das Gesetz zur Entlastung der Landgerichte und zur Verein­ fachung des gerichtlichen Protokolls vom 20. Dezember 1974, abgedruckt im Bun­ desgesetzblatt Teil I 1974, S. 3651. Vgl. zur Einführung der Vorschrift auch Schön, S.  206 f.



C. Die Vorschriften des GVG287 Abs. 3: Im Einverständnis der Parteien kann der Vorsitzende auch im Übrigen an Stelle der Kammer entscheiden.“

§ 349 ZPO aktuelle Fassung dient der Vereinfachung der Prozesse bei den Kammern für Handelssachen. Durch den Abs. 1 der Vorschrift wird gewähr­ leistet, dass in der mündlichen Verhandlung, in der die Kaufleute anwesend sind, keine Punkte, die im Vorfeld hätten vorbereitet werden können, geklärt werden müssen. Eine Entlastung der Kaufleute bietet auch § 349 Abs. 2 ZPO aktuelle Fassung, wonach der Vorsitzende gewisse Punkte, die überwiegend rein juristischer Natur sind130 bzw. wo keine Fragen der handelsrechtlichen Praxis auftreten können, alleine entscheiden kann. Gleiches gilt für die Rege­ lung des § 349 Abs. 3 ZPO aktuelle Fassung, auf die zurückgegriffen werden kann, wenn zu Beginn des Prozesses bereits feststeht, dass in der mündlichen Verhandlung keine unnormierten Fragen des Handelsverkehrs auftreten wer­ den, für die der Sachverstand der kaufmännischen Mitglieder nötig wäre. Dass die Besetzung so flexibel gestaltet werden konnte, war den deutschen Handelsgerichten des 19. Jahrhunderts noch fremd. Bei der Besetzung der Handelsgerichtsbarkeit zweiter Instanz entschied man sich gegen den Aufbau, der bei den Handelsgerichten nach Einführung des ADHGB gewählt wurde. Die zweite Instanz (Oberlandesgerichte) für Handelssachen wird lediglich von Juristen ausgeübt, vgl. §§ 119 ff. GVG (1877) bzw. §§ 115 ff. GVG aktuelle Fassung. Dieser Aufbau entsprach dem französischen Recht131. Bei einer Vielzahl deutscher Handelsgerichte des 19. Jahrhunderts hingegen waren in zweiter Instanz Handelsrichter berufen worden, mit der Begründung, dass es widersprüchlich wäre, nur in der ersten Instanz deren Sachverstand zu berücksichtigen132. Der Gesetzgeber des GVG orientierte sich also nicht an der deutschen Gesetzgebung, sondern an dem aus dem französischen Recht stammenden System.

II. Zuständigkeit Die Vorschriften des GVG zur Zuständigkeit zeigen inhaltlich nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit dem französischen Recht. Art. 101 GVG (1877): „Vor die Kammern für Handelssachen gehören nach Maß­ gabe der folgenden Vorschriften diejenigen den Landgerichten in erster Instanz zugewiesenen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch: 130  Eine Ausnahme dazu stellt lediglich § 349 Abs. 2 Nr. 8 GVG aktuelle Fassung dar, wonach der Vorsitzende über Wechsel- und Scheckprozesse entscheidet. So auch Windel, in: FS Graf-Schlicker, S. 164. 131  So etwa Hahn, Laiengerichtsbarkeit Baden, S. 110. 132  Vgl. dazu S. 252 ff.

288

4. Teil: Elemente franz. Rechts bei den Kammern für Handelssachen

1.  gegen einen Kaufmann (Art. 4 des Handelsgesetzbuchs) aus Geschäften, welche auf Seiten beider Kontrahenten Handelsgeschäfte (Art. 271–276 des Handelsgesetz­ buchs) sind; 2.  [aus einem Wechsel im Sinne der Wechselordnung]; 3. aus einem der nachstehend bezeichneten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird; a) […].“

In § 101 Nr. 1 GVG (1877) entschied sich der Gesetzgeber, die Zuständig­ keit grundsätzlich an sachliche („Handelsgeschäft auf beiden Seiten“) und personelle („Kaufmannseigenschaft des Beklagten“) Kriterien zu knüpfen. Es setzte sich damit das System der deutschen Rechtsentwicklung durch und nicht die aus dem französischen Recht stammenden Regelungen, die die Zuständigkeit nur an das Vorliegen eines Handelsgeschäfts oder alternativ allein an die Kaufmannseigenschaft beider Parteien knüpften133. Der Katalog in § 101 Nr. 3 GVG (1877) bzw. § 95 Nr. 4 GVG aktuelle Fassung beinhaltet die Rechtsverhältnisse, die zwar keine Handelsgeschäfte sind, aber dennoch vor die Kammern für Handelssachen gebracht werden, sofern ein Anspruch aus einem solchen Verhältnis geltend gemacht wird134. Es ist genau der Katalog, der sich erstmals im PEHGB angedeutet hatte und sich dann in allen Handelsgerichtsordnungen nach Einführung des ADHGB (meist sogar wortgenau) wiederfindet135. Für diesen Katalog wurde bereits bei der Darstellung des PEHGB zumindest teilweise ein französischer Ein­ fluss nachgewiesen136. Der wohl größte Unterschied zum französischen Recht ist die streitwertab­ hängige Zuständigkeit. Demnach müssen geringwertige Streitigkeiten in Handelssachen in erster Instanz vor den Amtsgerichten verhandelt werden, vgl. §§ 23 Nr. 1, 70, 101 GVG (1877). Im GVG von 1877 betrug die Grenze 300 Mark137. Gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 I, 94 GVG aktuelle Fassung muss die Klage heutzutage einen Streitwert von über 5000 Euro aufweisen. Der Ge­ danke, in Bagatellsachen Handelsstreitigkeiten den untersten Zivilgerichten zuzuweisen, entwickelte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts und ist damit deutschen Ursprungs138.

133  Vgl.

S. 253 f. GVG aktuelle Fassung enthält auch Veränderungen, die für die vorlie­ gende Untersuchung nicht weiter relevant sind. 135  Vgl. S. 249 ff. 136  Vgl. S. 214 f. 137  1909 erfolgte eine Erhöhung auf 600 Mark, vgl. Heinze, DJZ 14 (1909), 684; Silberschmidt, Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht 3. Jahrgang (1969), 167. 138  Vgl. S. 253 f. 134  § 95



C. Die Vorschriften des GVG289

Eine Neuerung des GVGs, die nachträglich eingeführt wurde, ist, dass die Kammern für Handelssachen unter Umständen in zweiter Instanz zuständig sein können, vgl. § 72 GVG aktuelle Fassung mit § 71 des GVG von 1877139. Das ist in den Streitigkeiten möglich, in denen eine Klage thema­ tisch vor die Kammern gehört, jedoch die Streitwertgrenze nicht erreicht und deshalb bei den Amtsgerichten verhandelt wird. Die Kammern für Handels­ sachen sind dann gemäß § 72 GVG aktuelle Fassung für die Berufungen bzw. Beschwerden zuständig.

III. Verfahren Die bei der Besetzung und der Zuständigkeit gewonnene Erkenntnis, dass sich überwiegend die Grundsätze der deutschen Gesetzgebung des 19. Jahr­ hunderts durchgesetzt haben, wird bestätigt, wenn man die Verfahren vor den Kammern für Handelssachen und den französischen Handelsgerichten vergleicht. Das französische Recht beschleunigt das Verfahren vor den Han­ delsgerichten im Vergleich zum Zivilprozess140. Dennoch wird im Grundsatz auf das Zivilverfahren zurückgegriffen und dementsprechend angepasst. Der Gedanke, dass die Prozesse in Handelsstreitigkeiten zügiger erledigt werden müssen, gab es bereits bei den entsprechenden deutschen Gerichten des 18. Jahrhunderts141. Die Handelsgerichte, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet worden waren, übernahmen teilweise diese Grundsätze142. Gleiches galt noch für den PEHGB143. Bei den nach Einfüh­ rung des ADHGB errichteten Spruchkörpern deutete sich aber schon an, dass das Verfahren in Handelssachen dem Zivilverfahren angeglichen wurde144. Die Entwicklung ging einher mit der allmählichen Eingliederung der Handelsgerichtsbarkeit in die Zivilgerichtsbarkeit, die mit den Kammern für Handelssachen endgültig vollzogen wurde. Dadurch, dass sie nur eine besondere Abteilung darstellen, gelten die Verfahrensvorschriften für die Landgerichte.

139  Heinze, DJZ 14 (1909), 684; Silberschmidt, Rheinische Zeitschrift für Zivilund Prozeßrecht 3. Jahrgang (1969), 167; Strauch, S. 146. 140  Siehe die Darstellungen auf S. 101 ff. 141  Vgl. S. 84 f. 142  Vgl. S. 170 ff. 143  Vgl. S. 215 ff. 144  Vgl. S. 249 ff.

5. Teil

Schlussüberlegungen Der Vergleich des französischen Rechts mit den Vorschriften des GVG hat ergeben, dass sich kaum unmittelbare Übereinstimmungen mehr finden. In­ sofern könnte man möglicherweise folgender Aussage Silberschmidts zustim­ men1: „[…] gerade hinsichtlich der Handelsgerichte dürfte dieser Einfluß [Frankreichs] überschätzt worden sein.“

Die Ansicht wird bestärkt, wenn man lediglich auf die Besetzung der Kammern für Handelssachen abstellt2: „Der Einfluß des französischen Rechts auf die Entwicklung des deutschen Handels­ gerichts mußte um so geringer sein, als sich in Deutschland gerade im Gegensatz zum französischen System eine ganz andere Art der Besetzung herausstellte.“

Sofern man isoliert die Vorschriften des GVG betrachtet, scheinen die Aussagen ihre Richtigkeit zu haben. Mit Einführung der Kammern für Han­ delssachen folgte ein klarer Schnitt, bei dem viele Elemente französischen Ursprungs verloren gingen. Bei den Anforderungen an die Kaufleute wurde mit dem Mindestalter nur noch eine Voraussetzung aufgenommen, die aus dem französischen Recht stammt. Ferner entschied man sich gegen die Wahl der kaufmännischen Mitglieder. Die rein kaufmännische Besetzung der Ge­ richte wurde in Deutschland zu keinem Zeitpunkt übernommen. Auch die Zuständigkeit in Streitigkeiten mit Bezug auf Handelsgeschäfte wird im GVG nicht wie bei einer Vielzahl der ehemaligen deutschen Handelsgerichte, die jeweils auf Art. 631 Alt. 2 Code de commerce zurückgegriffen hatten, nach rein sachlichen Kriterien bestimmt. Vielmehr muss nach dem GVG neben der sachlichen Voraussetzung des Handelsgeschäfts gleichzeitig zu­ mindest der Beklagte ein Kaufmann sein. Darüber hinaus fand Art. 631 Alt. 1 Code de commerce, nach dem die Zuständigkeit der Handelsgerichte eröffnet war, wenn beide Parteien Kaufleute waren, generell in Deutschland im 19. Jahrhundert keine Berücksichtigung. Das Verfahren entspricht demjeni­ gen bei den Landgerichten und es gibt, anders als im französischen Recht, keine Beschleunigung. 1  Silberschmidt, 2  Ebd.,

S. 241.

Die dt. Sondergerichtsbarkeit, S. 240.



5. Teil: Schlussüberlegungen291

Dennoch kann den Aussagen Silberschmidts nur bedingt zugestimmt wer­ den. Der Autor vergleicht die Kammern für Handelssachen mit dem franzö­ sischen Recht zu isoliert und auch zu oberflächlich, wobei er sich dabei zu sehr auf den Unterschied zwischen der reinen Laiengerichtsbarkeit Frank­ reichs und der gemischten Besetzung der Kammern in Deutschland stützt3. Er lässt die Entwicklung im 19. Jahrhundert bis zum GVG und die Position der Handelsrichter unberücksichtigt. So ist die Geschichte der deutschen Handelsgerichtsbarkeit vielmehr geprägt durch die Rezeption des französi­ schen Rechts4. Vor dem Kontakt mit diesem zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in den deutschen Staaten keine ausgebildete Handelsgerichtsbarkeit5. Erst danach begann sich die Einrichtung der allgemeinen Handelsgerichte zu verbreiten, wofür auf das französische Recht zurückgegriffen worden war. Die deutschen Gesetzgeber gaben ihre eigene Rechtslage auf und schufen Handelsgerichte, die mit Ausnahme der gemischten Besetzung auf dem fran­ zösischen Modell basierten. Gerade bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es überwiegend entweder allgemeine Handelsgerichte, die noch aus der franzö­ sischen Zeit stammten, oder solche, die unter Ablehnung der rein kaufmänni­ schen Besetzung eine Vielzahl der einschlägigen Gesetze Frankreichs über­ nommen hatten6. Selbst in Staaten, in denen es bis zur Einführung des ADHGBs nicht zur Gründung von allgemeinen Handelsgerichten kam, gab es entsprechende Entwürfe und Gesetze, für die eine Übertragung französi­ scher Vorschriften nachgewiesen werden konnte7. Erst durch die Verbrei­ tung des französischen Rechts wurde in den deutschen Staaten erkannt, dass besondere Spruchkörper für alle Handelssachen sinnvoll waren. Nur dadurch konnte es später überhaupt zur Aufnahme von Kammern für Handelssachen im GVG kommen. Silberschmidt lässt insbesondere ganz wesentliche Punkte außer Acht, die den deutschen Einrichtungen des 18. Jahrhunderts fremd waren und erst durch den Einfluss des Code de commerce in die deutschen Handelsgerichts­ ordnungen aufgenommen worden waren. Dazu zählt beispielsweise das Mit­ spracherecht des Kaufmannsstandes bei der Auswahl der kaufmännischen Mitglieder und das Aufstellen von präzisen Anforderungen an diese8. Diese Elemente französischen Ursprungs hatten sich im Laufe der Zeit derart 3  Vgl.

ebd., S. 241. die Zeit bis zum GVG siehe das Ergebnis auf S. 251 ff. 5  Vgl. das Ergebnis auf S. 81 ff. 6  Vgl. zu den Gerichten der Rheinprovinz und der norddeutschen Städte die Aus­ führungen auf S. 172 f. 7  Siehe für Preußen die Ausführungen zum Gesetz von 1847 und das PEHGB, S. 198 ff.; für das nicht ausgeführte Gesetz in Baden S. 241; gleiches für den würt­ tembergischen Entwurf von 1839 auf S. 245. 8  Vgl. dazu das Ergebnis auf S. 251 ff. 4  Für

292

5. Teil: Schlussüberlegungen

in der deutschen Handelsgerichtsbarkeit etabliert, dass sie sogar noch im GVG auffindbar sind. Gerade bis zum Erlass des GVGs konnte bei allen deutschen Handelsge­ richten, neben den Regeln zu den Handelsrichtern vor allem auch bei der Zuständigkeit, ein französischer Einfluss herausgearbeitet werden. Wie prä­ sent die Handelsgerichtsbarkeit Frankreichs selbst bei den Gesetzgebungs­ arbeiten zum GVG noch war, verdeutlichen die Motive der Reichstagsvor­ lage. Darin wird an einigen Stellen Bezug auf die französischen Handelsge­ richte genommen9. So sieht auch der Gesetzgeber des GVGs die Ausstrahlung des französischen Rechts während der Zeit der Vormachtstellung Frankreichs in Europa als einen der elementaren Gründe für die Verbreitung von allge­ meinen Handelsgerichten in den deutschen Staaten an. Dennoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die deutschen Han­ delsgerichte bis zum GVG in ihrer konkreten Ausgestaltung bereits teilweise von den Einrichtungen Frankreichs entfernt hatten. So konnten lediglich bis zur Einführung des ADHGB noch wörtliche Parallelen nachgewiesen wer­ den, beispielsweise beim Handelsgericht in Hamburg, das das französische Handelsgericht mit Ausnahme der Besetzung nahezu vollständig kopiert hatte10. Die danach errichteten Gerichte zeigen nur noch durch inhaltliche Übereinstimmungen, dass sie auf dem französischen Gericht basierten. Ne­ ben der Ablehnung der rein kaufmännischen Besetzung der Handelsgerichte entwickelten die Gesetzgeber der einzelnen deutschen Staaten außerdem ei­ gene Ideen zur Handelsgerichtsbarkeit, etwa die streitwertabhängige Zustän­ digkeit oder die Eingliederung in die Zivilgerichtsbarkeit. Zusammenfassend kann man somit festhalten, dass der Einfluss des fran­ zösischen Rechts im Laufe des 19. Jahrhunderts sehr stark war. Allerdings wiesen nach und nach immer weniger Vorschriften eine unmittelbare Paral­ lele zum französischen Recht auf. Nichtsdestotrotz waren die Vorläufer der Kammern für Handelssachen Handelsgerichte mit französischem Ursprung, auch wenn das bei einer isolierten Betrachtung der Vorschriften des GVGs nicht deutlich wird. Mit der Einführung des GVGs endete die Entwicklung der deutschen Han­ delsgerichtsbarkeit. Nachträglich wurden nur an einzelnen Stellen noch Ver­ änderungen vorgenommen. Bedeutend war vor allem die im vorherigen Ka­ pitel dargestellte Einführung von § 349 ZPO, wodurch die Vorsitzenden mehr Befugnisse erhielten11. Von der in § 100 GVG (1877) bzw. § 93 GVG ak­ 9  Siehe hierzu und zum Folgenden die Motive der Reichstagsvorlage, abge­ druckt bei Hahn, Materialien GVG, 1. Bd., 1. Abt., S. 108 ff. 10  Vgl. S. 135 ff. 11  Vgl. S. 285 ff.



5. Teil: Schlussüberlegungen293

tuelle Fassung normierten Möglichkeit, durch Rechtsverordnungen bei den Landgerichten Kammern für Handelssachen zu gründen, wurde von den Landesregierungen in ganz Deutschland Gebrauch gemacht, sodass heutzu­ tage an nahezu allen Landgerichten eine oder sogar mehrere solcher Kam­ mern eingerichtet sind12. Gerade von Seiten der Richter wird die Beteili­ gung von Kaufleuten in Handelsstreitigkeiten noch immer für unabdingbar gehalten13. Erst in den letzten Jahren wurden die Einrichtungen wieder Gegenstand des rechtswissenschaftlichen Diskurses. So besteht die Überle­ gung, Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, bei denen die Gerichtssprache Englisch sein soll, um auf die Herausforderungen des globa­ len Handels eingehen zu können14. Weiterhin gibt es Stimmen, die eine Nachahmung der Kammern fordern, beispielsweise für Bau- oder Arzthaf­ tungssachen15. Auf das Auseinandersetzen mit diesen aktuellen Themen muss an dieser Stelle jedoch verzichtet werden, da es den Umfang der Arbeit überschreiten würde und für das vorliegende Forschungsziel nicht relevant ist. Diesbezüglich muss auf die einschlägige Literatur verwiesen werden, die noch Raum für eine weitreichendere Forschung zulässt16.

12  Schulz, JuS 2005, 909; MüKo ZPO/Zimmermann, GVG § 93 Rn. 2; Froehner, NZI 2016, 1; Fleischer/Danninger, RIW 2017, 553. 13  Vgl. Lotz, DRiZ 2014, 20; Czycholl, Unternehmensjurist 3/2016, 64  ff.; für eine Zuteilung nach Fachkenntnissen siehe Fleischer/Danninger, RIW 2017, 556; kritisch Wolf, NJW 2015, 1659. 14  Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen; Hoffmann, DRiZ 2009, 329; Calliess/Hoffmann, ZRP 2009, 1; zum Gesetzgebungsverfahren siehe den Beschluss des Bundesrats vom 2. März 2018, BR-Drucksache 53/18. 15  So etwa Fleischer/Danninger, ZIP 2017, 212 ff.; Lotz, DRiZ 2014, 21. 16  So bspw. Hoffmann, DRiZ 2009, 329 ff.; Calliess/Hoffmann, ZRP 2009, 1 ff.; Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen; Fleischer/Danninger, RIW 2017, 549 ff.; Fleischer/Danninger, ZIP 2017, 205 ff.

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Stichwortverzeichnis Abteilung  23, 173, 187, 194, 197, 209 f., 228 ff., 246, 250 f., 257, 281, 289 Admiralität  69 f., 73, 87 Admiralitätsgericht  67 ff., 73 ff., 80, 82, 88, 116, 118, 135 f., 138 f., 141, 144, 150, 171 Admiralitätskollegien  79, 88, 193 f., 199, 222 Anwaltliche Vertretung  36, 54, 63, 71, 75, 79, 84, 103, 146, 169, 182, 216 –– Anwaltskosten  72, 75 –– Anwaltszwang  50, 176, 280 Appellation  31, 33 f., 36 f., 43, 50 f., 55, 72 f., 75, 78, 84, 104 ff., 113, 115, 125, 147 ff., 158 f., 177, 179 f., 181 f., 185 ff., 216, 230, 237, 239 Augsburg  29, 64, 185, 239 Beamte  52, 64, 87 f., 95, 130, 141, 240 Behörde  44, 59, 63 f., 67, 72, 75, 79 f., 83 f., 87 f., 108, 135, 148, 155, 165, 193, 195, 240 Beisitzer  52, 56, 61, 65, 74, 88, 93, 113, 138, 141 Berater  73, 82, 121, 173, 175, 185, 189 ff., 206, 210, 258 Beruf  35, 97, 103, 137, 198, 206 –– Berufsgruppe  30, 42, 49, 57, 61, 74, 83, 97, 100, 142, 153, 167, 171, 208, 261 –– Berufsrichter  137 f., 149, 160, 165, 179, 230, 242, 252, 268 f., 276, 279 Berufung  118, 177 f., 180, 194, 230, 243, 267, 269 f., 272, 289 Besatzung  86, 117, 123, 126, 128 f., 131, 133 ff., 137 ff., 140 f., 143 ff., 149 ff., 157 ff., 162, 171 f., 228, 252, 285

Beschlussfähigkeit  29, 40, 46, 48, 52, 56, 61, 65, 70, 74, 77, 82, 94 f., 138, 141, 154 f., 162, 165, 171, 175, 184, 200, 206, 230, 233 f., 236 f., 241, 246 f., 266, 268 f., 275 Beweiserhebung  54, 58, 64, 71, 103 f., 147, 169 –– Urkunden  31, 36, 40, 50, 53 f., 64, 71, 103, 147 –– Zeugen  31, 36, 47 ff., 54, 58, 62 ff., 71, 75 f., 84, 104, 147, 178, 181 f., 255 Bozen  34 Bundesrat  263 f., 271, 275 ff., 293 Bürgermeister  33, 40, 55, 69, 129, 132 Contumacial-Urteil  148, 191, 217 Departement  90, 93, 95, 101, 105, 107 ff., 111 ff., 122 ff., 126, 131, 133, 141, 162, 172 f., 250 Deutsches Reich  263 Dreißigjähriger Krieg  28, 32 Ehrenamt  131 ff., 212, 225, 243, 286 Einführungsgesetz  129, 216, 221 ff., 227, 229, 233, 235 ff., 242, 244 ff., 247, 262 f., 266   Fernhandel  25, 42, 60 f., 64 Französische Revolution  24, 86 ff., 90, 92, 96, 100, 107, 112 f., 126, 138, 160, 162, 171, 177, 229, 248, 251 Gerichtsschreiber  104, 125, 127, 137, 147, 258, 277   Gewaltenteilung  96, 100, 138, 141, 149, 152, 163, 171, 251   Gildengerichtsbarkeit  88, 142

Stichwortverzeichnis309 Gütliche Einigung  30, 36, 40, 42, 47, 50 f., 64, 78, 84, 104, 182, 191 Handelsappellationsgericht  180 ff., 187, 237, 239 Handelsdeputation  194 Handelsdeputierte  28 f., 34 Handelskammer  34, 128 f., 139, 199 f., 204, 208, 230, 259, 280, 282, 285 Handelsregister  170, 225, 243, 246, 250, 268, 270 f., 273 Handelsstand  52, 70, 73 ff., 118, 120 f., 129, 134, 141 f., 149, 155, 163, 166, 171, 175, 180 f., 185, 200, 207 f., 231, 236, 243, 245, 248, 250, 257, 272, 275, 277, 285 Handelsverkehr  30, 35, 41 ff., 52 f., 58 f., 65 f., 81 ff., 93 f., 97, 100, 121, 138, 153, 157, 180, 195, 208, 211, 214 ff., 223, 235, 238, 243, 246, 254, 257, 270, 279, 287 Handwerk  35, 46, 49, 60 ff., 66, 83, 156   Jury   260 f. Kammern f. Handelssachen  23, 124, 154, 210, 228, 248, 253, 257, 281 ff., 284 ff.   Kaufmannseigenschaft  211, 214, 224, 231, 234, 247, 249 f., 254, 259, 260, 288 Köln  64, 111, 113, 124 ff., 222 Laiengerichtsbarkeit  139, 291 Landgericht  23, 124, 127, 129, 224, 230, 236 f., 266 ff., 272, 279 ff., 285 ff., 290, 293 Mandatsverfahren  217 Marktgewölbe  44, 49 ff., 66, 81, 174, 176 f., 178 ff. Marktpolizei  62, 64 Marktstreitigkeiten  44, 62, 66, 83 Messebesucher  32 ff., 37, 87 Messegericht  30, 33 ff., 37 ff., 41, 83, 87 ff., 100, 161, 170, 188

Messestreitigkeiten  29 ff., 37 ff., 168, 171, 196 Messezeit  29, 34 ff., 40 f., 87, 169, 192 Modellstaaten   109 f., 118 ff., 122 ff., 130, 162, 173 Napoleon Bonaparte  86, 91 f., 94, 109, 111 ff., 122, 171, 174, 188 Norddt. Bund  261 ff., 266 f. Notabeln  94 f., 141, 149, 155, 163, 200, 208, 250 Obergericht  32, 72, 75, 148 f., 159, 226, 230 f., 267 Oberlandesgericht  194, 266 f., 269 f., 275, 287 Ordonnance du commerce  90 Polizei  60, 62, 79 f., 83, 100, 194   Privileg  27, 32, 38, 41, 43 f., 48, 67, 84, 249, 277 Prokurist  223, 240, 243, 247, 276, 285 Prozessführung  205 f., 234 Prozesshandlung  48, 64, 178, 181, 226, 228, 255, 264, 275, 286 Ratsmitglied  33 f., 36, 45, 48, 52, 61, 64 f., 74, 77, 79, 81 f., 85, 96, 141, 149, 165 Reformation   39 ff. Reichsgericht  263, 266, 269, 272, 279 Reichsoberhandelsgericht  263, 267, 269, 272 Reichstag   263 f., 275 ff. Rheinbund  108 ff., 122 f., 173, 174, 177, 179, 184, 187, 210, 218 Rheinisches HGB  127 f., 204 Richter (Jur.)   23, 29, 31, 39, 41, 46, 48, 56, 60 f., 65, 69, 73, 80, 82, 93, 106, 114, 116 ff., 120, 125, 131, 136, 137 ff., 154, 160, 165, 174, 179 ff., 184, 193, 199, 205, 210, 226, 230, 233 f., 241, 250, 252, 260 f., 262, 264, 266 ff., 270, 273, 276, 281, 287

310 Stichwortverzeichnis –– Präsident  52, 73, 75, 114 ff., 131 f., 137, 139 f., 146, 224 Richter (Kfm.)   –– Ablehnung  164, 209 –– Amtsdauer  69, 95, 135, 140, 164, 200, 209, 230, 234, 243, 246, 252, 285 –– Anforderungen  30, 41, 48, 52, 65, 70, 74, 77, 82, 94 f., 103, 121, 137 ff., 141, 153 f., 159, 162, 165, 170 f., 175, 180, 198, 207, 210, 219, 226, 228, 231, 234, 237, 243, 246, 249, 261, 266 ff., 270, 273, 275 f., 285, 290 f. –– Auswahl  29, 33, 41, 52, 55, 56, 61, 65, 77, 82, 90, 93 ff., 112 f., 116, 121, 131, 137, 139 ff., 149, 153 ff., 159, 163 f., 165, 171, 184, 189, 200, 207 ff., 212, 219, 225 f., 230 f., 234, 237, 240 ff., 250, 258, 265 f., 272 f., 275, 285, 290 f. –– Mitspracherecht  41, 65, 95, 149, 246, 250, 252, 272, 291 –– Präsident  93 ff., 102, 113, 128, 132 f., 164 –– Rotationsprinzip  95, 141, 154, 159, 164 f., 170, 200, 209 f., 226, 230, 234, 243, 245, 250, 252, 265 –– Stellvertreter  93 ff., 113, 115 f., 128, 131 f., 138, 140 f., 152 f., 162 ff., 171, 175, 180, 185 f., 199 f., 206 f., 209, 224, 231, 234, 237, 241, 243, 246, 250, 265, 286 –– Stimmrecht  33, 56, 173, 184, 189, 193, 198 f., 206, 209 f., 234, 237, 250, 261, 285 Sachverstand  41, 52, 65, 82, 104, 116, 121, 147, 162, 189 ff., 245, 260, 287 Schiedsgericht  44, 64, 68, 71, 78, 81, 88, 174, 180 ff., 187, 196 f., 214, 216, 245 f. Schiedsrichter  38, 51, 103 f., 147, 151 Schiedsverfahren  27, 38, 40, 64, 68, 81, 135, 196 f., 216 Schifffahrt  67 f., 70 f., 73 f., 77, 79 f., 83, 99, 143, 156, 167 f., 191, 194 f., 202, 214, 232, 286

Schlichtungsstelle  47, 197, 255 Schöffe  38, 248 Schöffengericht   38 f. Schöffenrat   39 f. Seehandel  67 ff., 87 f., 98, 143 f., 150, 168, 171, 194 Seehandelsgericht  26, 72, 80, 83 Seehandelssachen   67 f., 72 f., 77 f., 87 f., 99, 100 f., 102, 118, 135 f., 139 Seehandelsstreitigkeiten  68, 76, 150 Stadtgericht  27 ff., 42, 46 ff., 62 ff., 79, 176, 180, 184, 196, 222 Stadtmarkt  25, 42, 64 Stadtrat  28 f., 34, 41, 44, 49, 61, 65, 73 f., 79 ff., 96, 138, 149, 175, 177, 252 Streitgegenstand  49, 74, 97, 99, 101, 142, 165 f., 171, 243 Streitwert  23, 31, 36, 39 ff., 68, 91, 104 ff., 148, 159, 166, 168, 170, 177 f., 215, 217, 228, 234, 240 f., 247, 251, 254, 259, 263 ff., 279, 280, 283, 288 f., 293 Untergericht  32, 70, 101 f., 105 f., 157, 229 ff. Verfahren –– Beschleunigung  42, 58, 73, 79, 84, 102 f., 135, 144, 146, 157, 170, 176, 190 ff., 195, 202, 216, 233, 235, 244, 248 ff., 255, 281, 289 f. –– Fristen  37, 50, 53, 58, 66, 72, 102, 105 f., 140, 145 ff., 158, 178, 191, 216, 233, 248, 275 –– Klageerhebung  53 f., 58, 68, 105, 181 –– Mündlichkeit  30 f., 38 ff., 50, 53, 63, 66 ff., 71, 78 f., 81, 84, 102, 104, 106, 136, 145 ff., 151, 158, 176, 178, 182, 191, 216 f., 229, 232, 235, 244, 248 ff., 255, 258, 265, 271, 286 f. –– Öffentlichkeit  38, 68, 102 f., 145 f., 148, 176, 216, 229, 235, 244, 248 f., 251, 255, 258 –– Säumnis  104 f., 147 f., 158, 169, 191, 217

Stichwortverzeichnis311 –– Vorladung  66, 77, 102, 104, 145 f., 158 Wechselgericht  51 ff., 55 ff., 60, 64 ff., 82 ff., 100, 173, 183, 185 ff., 221, 236, 239, 245 Wechselrecht  51, 213 Wechselsache  53 ff., 58 f., 63 f., 68, 102, 120 f., 174, 183, 186, 195, 234, 239, 251, 266, 279 Wechselstreitigkeit   52 f., 57 f., 145 f., 185, 232, 263, 279 f.

Wettegericht   79 f. Wiederverkäufer  27, 42 Wiener Kongress  110, 132 Zivilgericht  23, 84, 100, 102 ff., 111 f., 116, 129, 135 f., 148, 151, 157 f., 163, 169 f., 192, 205, 221, 226, 228, 231, 241 ff., 247 ff., 255 f., 257, 277, 279, 284, 288 f., 292 Zivilverfahren  30, 66, 192, 217, 228, 232, 248, 255 f., 272, 289