Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis: Zur Bedeutung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG in Recht und Wirklichkeit [1 ed.] 9783428465095, 9783428065097

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Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis: Zur Bedeutung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG in Recht und Wirklichkeit [1 ed.]
 9783428465095, 9783428065097

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 543

Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis Zur Bedeutung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG in Recht und Wirklichkeit Von

Vera Slupik

Duncker & Humblot · Berlin

VERA SLUPIK

Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 543

Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis Zur Bedeutung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG in Recht und Wirklichkeit

Von Dr. Vera Slupik

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Slupik, Vera: Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis: z. Bedeutung von Art. 3 Abs. 2 u. 3 GG in Recht u. Wirklichkeit / von Vera Slupik. — Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 543) Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06509-3 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06509-3

Für Manuela von Wüllenweber

Vorwort I n den letzten Jahren sind Arbeiten zu einzelnen Gleichberechtigungsproblemen wieder häufiger geschrieben worden. Gemeinsam ist den meisten dieser Studien das engagierte Bemühen, rechtspolitische Vorschläge zur Verbesserung der Lage der Frauen, als gerade noch vereinbar m i t der hergebrachten Auslegung der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze zu erklären. Dagegen w i r d i n diesem Beitrag versucht, ein dogmatisches M o d e l l für A r t . 3 Abs. 2 u n d 3 G G zu entwickeln, dessen praktischer Anwendungsbereich weiter u n d theoretisch ergiebiger ist. Z w a r ist Vollständigkeit bei diesem Thema illusionär, so daß auch hier die Fülle des präsentierten Materials notwendig exemplarisch bleiben muß; gleichwohl konnten aber aus den historischen Wurzeln der Grundrechtsnormen generelle Impulse für aktuelle Auseinandersetzungen u m die Reichweite v o n Gleichberechtigungsgrundsatz u n d Diskriminierungsverbot gezogen werden. O b w o h l bei sehr strengen Maßstäben wissenschaftlicher Seriosität die zahlreichen Beispiele aus dem Bereich der praktischen Politik eher eine gewisse Reserviertheit auslösen mögen, hat die Hessische Landesregierung die A r b e i t m i t dem Elisabeth-Selbert-Preis 1988 für wissenschaftliche Beiträge ausgezeichnet. Das ist erfreulich, weil die A r b e i t an die Tradition deutscher Rechtskämpfe von Frauen anknüpft, die zu befördern wichtigstes Anliegen v o n Elisabeth Seibert i m Parlamentarischen Rat war. Die Untersuchung wurde i m F r ü h j a h r 1987 a m Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität i n Frankfurt a m M a i n als Dissertation angenommen u n d erscheint jetzt m i t Berücksichtigung v o n Literatur u n d Rechtsprechung bis Herbst 1987. Betreuer war H e r r Professor D r . Spiros Simitis, Zweitgutachter Herr Professor D r . Erhard Denninger. Ihnen gilt mein besonderer D a n k . F ü r Rat u n d Beistand habe ich F r a u Angela Räderscheidt zu danken. Ermutigung u n d K r i t i k verdanke ich H e r r n D r . Wolfgang Heine. B e r l i n / H a m b u r g , i m August 1988

Vera Slupik

Inhaltsverzeichnis I. Einführung

15

1. Problemlage

15

2. Fragestellung und Aufbau der Arbeit

23

II. Grundlagen

25

1. Die organisierten Interessen der Frauen

25

2. Entstehungsgeschichte und gesetzgeberische Motive des Art. 3 Abs. 2 GG

35

3. Die parlamentarische Entwicklung

45

3.1 Erste Verrechtlichungsphase — Familienrecht —

46

3.2 Zweite Verrechtlichungsphase — Familienrecht —

49

3.3 Dritte Verrechtlichungsphase — Sozialrecht —

53

3.4 Vierte Verrechtlichungsphase — Arbeitsrecht —

55

3.5 Fünfte Verrechtlichungsphase — Anti-Diskriminierungsrecht —

57

III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

67

1. Theoretische Ansatzpunkte

67

2. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in seinem Verhältnis zu den Absätzen 2 und 3

71

3. Das soziale Ideal und die Stellung der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze im System der Grundrechte

77

4. Die Herstellung faktischer Gleichheit nach Art. 3 Abs. 2 GG

86

5. Das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG

98

5.1 Die direkte und indirekte Diskriminierung 5.2 Die Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 GG 6. Differenzierungsgründe

99 103 107

10

Inhaltsverzeichnis 6.1 Biologische Unterschiede

108

6.2 Kompensation zugunsten von Frauen

109

6.3 Vorrang anderer Grundrechte

111

6.4 Traditionen

114

6.5 Psychische Unterschiede

115

6.6 „Funktionale" Unterschiede

116

6.7 „Sachgerechteste" Lösung

117

IV. Das Anwendungsbeispiel: Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme zugunsten der Frauen 119 1. Erläuterung des Gegenstandes

119

2. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG zu Lasten von Mitbewerbern

122

3. Verstoß gegen §611 a Abs. 1 Satz 1 BGB zu Lasten von Mitbewerbern 4. Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zu Lasten von Mitbewerbern 5. Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2, 3 und 5 GG zu Lasten von Mitbewerbern 6. Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zu Lasten der Arbeitgeber/innen

124 126 .. 129 131

7. Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG zu Lasten von privaten Unternehmenseigentümer(inne)n 131 8. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG zu Lasten der Unternehmen

132

V. Ergebnis

134

Anhang

138

Literaturverzeichnis

142

Abkürzungsverzeichnis a. Α. A.A. a.a.O. Abg. ABl. Abs. AcP ADGEntW AGB AK-GG Anm. AöR ArbplSchG Art. ASTA Aufl.

= = = = = = = = = = = = = = = =

anderer Ansicht Anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgeordnete / r Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis Entwurf eines Anti-Diskriminierungsgesetzes Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternativkommentar zum Grundgesetz Anmerkung Archiv für öffentliches Recht Arbeitsplatzschutzgesetz Artikel Allgemeiner Studentenausschuß Auflage

BAArb BAGE BB Bd. Bde. BGB BGBAT BGBl. BGHZ

= = = = = = = = =

BKGG BIStSozArbR BMI BMJFG BT-Drs. BVerfGE BVerwGE

= = = = = = =

Bundesanstalt für Arbeit Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Amtliche Sammlung) Der Betriebs-Berater Band Bände Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bundeskindergeldgesetz Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesminister des Innern Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit Bundestagsdrucksachen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung)

CDU CSU

= Christlich-Demokratische Union = Christlich-Soziale Union

DDR ders. Ders. DGB d.h. dies. Dies. DJT

= = = = = = = =

Deutsche Demokratische Republik derselbe Derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt dieselbe/η Dieselbe/η Deutscher Juristentag

Abkürzungsverzeichnis

12 DJZ DÖV DRiZ Drs. DuR DVBl. d. Verf.

= = = = = = =

Deutsche Juristenzeitung Die öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Drucksache Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt die/der Verfasser/in

E Ed. EG Einl. Erg. EuGH e.V.

= = = = = = =

Entscheidung Editor (engl.: Herausgeber/in) Europäische Gemeinschaft Einleitung Ergänzung Europäischer Gerichtshof eingetragener Verein

f. FamRZ ff. FFBIZ Fn.

= = = = =

folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht folgende Frauenforschungs-, Bildungs- und Informationszentrum Fußnote

GG GGK GO GWB

= = = =

Grundgesetz Grundgesetzkommentar Gemeindeordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

H.A. Hg. HiMoN HRG Hrsg.

= Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates = Herausgeber/in / nen = Forschungsschwerpunkt Historische Mobilität und Normenwandel, Universität Gesamthochschule Siegen = Hochschulrahmengesetz = Herausgeber / in / nen

i.V.m.

= in Verbindung mit

JA JuS JZ

= Juristische Ausbildung = Juristische Schulung = Juristenzeitung

KBN KJ KPD Kr Vj sehr

= = = =

M. MüKo m.w.N.

= Main = Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch = mit weiteren Nachweisen

NF NJW No. Nr. N.Y.

= = = = =

Krüger/Breetzke/Nowak, Kommentar zum Gleichberechtigungsgesetz Kritische Justiz Kommunistische Partei Deutschland Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Number (engl.: Nummer) Nummer New York City

Abkürzungsverzeichnis NZA NZWehrr

= Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht = Neue Zeitschrift für Wehrrecht

o.J. o.O.

= ohne Jahr = ohne Ort

Ρ = Page (engl.: Seite) ParlR GS A = Parlamentarischer Rat, Grundsatzausschuß PreußOVGE = Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts RdA RdErl. RdJ Rdnr. RGRK RuG RVO Rz.

= = = = = = = =

Recht der Arbeit Runderlaß Recht der Jugend und des Bildungswesens Randnummer Reichsgerichtsrätekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Recht und Gesellschaft Reichsversicherungsordnung Randzeichen

S. SJZ SPD std. Rspr.

= = = =

Seite Süddeutsche Juristenzeitung Sozialdemokratische Partei Deutschland ständige Rechtsprechung

TUB

= Technische Universität Berlin

u. a.

= und andere

VB1BW Vgl. Vol.

= Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg = Vergleiche = Volume (engl.: Band)

WDStRL

= Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

WRV WSI-Mitt

= Weimarer Reichsverfassung = Mitteilungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes = Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung = zum Beispiel = Zeitschrift für Arbeitsrecht = Zeitschrift für Rechtssoziologie = Zeitschrift für Gesetzgebung = Zeitschrift für Rechtspolitik

WZB ζ. B. ZfA ZfTRSoz ZG ZRP

I. Einführung 1. Problemlage Der Geschlechtsunterschied gehört zu den fundamentalsten sozialen Realitäten in der Gesellschaft. Die Lebenswelten1 von Frauen und Männern sind so verschieden, daß biologisch-konstitutionelle Gründe dafür den geringsten Erklärungswert besitzen dürften. Im Gegenteil wird man davon ausgehen müssen, daß anthropologische und mit der Natur von Frau und Mann argumentierende Ansätze und Alltagstheorien von der legitimatorischen Kraft des Vorurteils zehren, quasi objektive und überzeitliche Letztursachen präsentieren zu können. 2 Die Verfechter einer solchen Auffassung, die soziale Sachverhalte mit Hilfe der Macht des Faktischen zu konservieren suchen, können sich zwar immer wieder von neuem auf die mangelnde Phantasie vieler Zeitgenossen verlassen; der juristischen Betrachtung allerdings ist diese Haltung verwehrt. Denn der Grundsatz der Gleichberechtigung in der bundesrepublikanischen Verfassung präsentiert einen beachtlichen Fortschrittsglauben hinsichtlich der wandelbaren Natur des Menschen, sei er weiblich oder männlich. Schließlich enthält Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 G G die normativ unwiderlegbare 3 Vermutung, daß Gleichheit möglich sei. Das Faktum der Geschlechterdifferenz hat also die Mütter und Väter des Grundgesetzes nicht davon abgehalten, ein egalitäres Menschenbild für Frauen und Männer zu postulieren. Obgleich Anfang der fünfziger Jahre „die totale Emanzipation der Frauen" als „Kennzeichen dieses Jahrhunderts" 4 gesehen, Ende der fünfziger Jahre eine „Angleichung der Geschlechter" 5 konstatiert und zu Beginn der siebziger Jahre 1 Zum Konzept der Lebenswelt vgl. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns. Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, Bd. 2, 2. Aufl., Frankfurt/M. 1982, S. 182. 2 Gegen solche biologistischen Tendenzen vgl. etwa Lowe, Sociobiology and Sex Differences, SIGNS I V / I (1978), S. 118-125; Lambert, Biology and Equality, ebd., S. 97117 m. w.N.; Mackinnon, Feminism, Marxism, Method and the State: Towards Feminist Jurisprudence, SIGNS V I I I / 6 (1983), S. 635 - 658. Zum Verhältnis von Biologie und Recht vgl. auch Rottleuthner, Biologie und Recht, ZfRSoz 1/1985, S. 104-126. 3 „Ob der Geschlechtsunterschied heute noch als rechtlich erheblich anzusehen ist, kann daher nicht mehr gefragt werden; diese Frage überhaupt stellen hieße, in einem circulus vitiosus die vom Grundgesetz bereits getroffene politische Entscheidung in die Hände des einfachen Gesetzgebers zurückzuspielen!, so BVerfGE 3, 240. 4 Dölle, Die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Familienrecht, in: Festschrift für Kaufmann zum 70. Geburtstag, Stuttgart 1950, S. 19. 5 Krüger, KBN, Einl. S. 24, E 27.

16

I. Einführung

„die Stellung der Frau" als „ i n einem revolutionären Wandel begriffen" 6 wurde, mußte noch in den achtziger Jahren ein erheblicher Mangel an Gleichstellung im juristischen Schrifttum 7 festgestellt werden. Denn trotz des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsauftrags und der Nichtdiskriminierungsgewähr ist ein reales Gleichgewicht der Geschlechter weder in der Teilhabe an gesellschaftlichen Chancen vorzufinden, noch im staatlichen oder privat gesetzten Recht, einschließlich seiner Anwendung durch die Praxis. 8 Tatsächlich ist die Diskriminierung von Frauen so selbstverständlich, so üblich und so sehr Bestandteil alltäglicher Gewohnheiten, daß sie in der Regel nicht als Rechtsverletzung wahrgenommen wird. 9 Gerät dies jedoch in dem einen oder anderen Fall in die juristische Diskussion, so beginnt man zu zweifeln, ob die erwähnten Verfassungssätze nicht doch vergebliche Bemühungen einer die „Natur des Mannes" mißachtenden Utopie sind: Schon die sich nur langsam ändernde Tatsache, daß es überwiegend und meist fast ausschließlich Männer sind, die Rechtsetzung, Rechtsanwendung, Rechtswissenschaft und Rechtspolitik betreiben, läßt vermuten, daß das Recht und seine Institutionen männlich geprägt sind und eher auf die Interessen des männlichen Geschlechts eingehen.10 A n dieser Stelle kann gar nicht der Fülle restriktiver Einfalle zu Rechtsfragen des Geschlechterverhältnisses nachgegangen werden, die in Texten männlicher Verfasser zu finden sind. Die Palette reicht von launigem Geplänkel und angestrengtem Charme bis hin zum schnarrenden Kasinoton und schriller Aufgeregtheit. 11 Paradigmatisch etwa ist die Bemerkung, daß es in der 6

Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung von Mann und Frau, Berlin 1970, S. 11. Gitter, Gleichberechtigung der Frau: Aufgaben und Schwierigkeiten, NJW 1982, S. 1567, spricht von einem „unbestreitbaren Defizit". 8 Vgl. dazu z.B. nur Bernadoni/Werner, Der vergeudete Reichtum. Über die Partizipation von Frauen im öffentlichen Leben, Bonn 1983; Voegeli/Willenbacher, Die Ausgestaltung des Gleichberechtigungssatzes im Eherecht, ZfRSoz 2/1984, S. 235-259; Münder/Slupik/Schmitt-Bott, Rechtliche und politische Diskriminierung von Mädchen und Frauen, Opladen 1984; Zenz/Salgo, Die Diskriminierung der Frau im Recht der Eltern-Kind-Beziehung, Stuttgart u.a. 1983; Pfarr/Bertelsmann, Lohngleichheit, Stuttgart u.a. 1981; sowie Materialien der Deutschen Juristentage 1974 und 1982. 7

9 Gerhard, Gleiches oder anderes Recht für Frauen oder: Welchen Sinn hat die Gleichberechtigung für uns?, in: Opitz (Hg.), Weiblichkeit oder Feminismus, Weingarten 1984, S. 87; Klein-Schonnefeld, Recht und Rechtsanwendung. Über den ohnmächtigen Umgang mit Machtstrukturen, in: Gipser / Stein-Hilbers (Hg.), Wenn Frauen aus der Rolle fallen, Weinheim/Basel 1980, S. 231. 10 Vgl. zu den Daten: Fabricius-Brand / Sudhölter/ Berghahn, Juristinnen, Berlin 1982, S. 226-230; siehe auch Limbach, Wie männlich ist die Rechtswissenschaft?, in: Hausen/Nowotny (Hg.), Wie männlich ist die Wissenschaft?, Frankfurt/M. 1986, S. 87107. Voreilig dagegen Lautmann mit der Behauptung einer „Feminisierung der juristischen Profession", die er bereits in einem auf 36% angestiegenen Frauenanteil bei den Jurastudierenden sehen will, Editorial ZfRSoz 2/1984, S. 201-202. 11 Z. B. Giesen, Gleichberechtigungspostulat und Familienschutz im Erwerbsleben, in: Festschrift für Bosch, Bielefeld 1976, S. 311.

1. Problemlage

17

Bundesrepublik „für unabsehbare Zeit noch wichtigere und dringendere Aufgaben" gibt „als die völlige Gleichstellung der Geschlechter". 12 Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Grundgesetzes reduzierten die einen den Gleichberechtigungsgrundsatz völlig auf einen politischen Kampfbegriff und sprachen ihm jede Qualität als Rechtssatz ab 1 3 , während die anderen ihn seiner programmatischen und ordnungspolitischen Bedeutung gänzlich entkleideten und ihn auf ein Verbot der Differenzierung zwischen den Geschlechtern lediglich in Normtexten verkürzten 14 , allerdings mit weiten Freiräumen für Ungleichbehandlung, ζ. B. durch sogenannte verwaltungstechnische oder Ordnungsnormen, in denen angeblich pragmatische Gründe („Ordnung und Klarheit") den Mannesvorzug rechtfertigen sollten. 15 Obgleich eine strikte Anwendung des Prinzips der Gleichberechtigung möglich scheint, wird dessen Legitimität entweder damit bestritten, daß das Grundgesetz sicherlich „keine Umwälzung der Gesellschaft beabsichtigt" 16 oder damit, daß „diese Rollen Veränderung ( . . . ) die Bedeutung einer Kulturrevolution" hätte, „die über die chinesische weit hinausreicht. ( . . . ) Ich glaube auch nicht fehlzugehen, daß der reiche Bildungsstrom, der von der Antike bis in unsere Tage reicht, zu einem Rinnsal austrocknen würde. Pallas Athene könnte ihren Platz in etwa noch behaupten, vielleicht auch Artemis, Zeus und Hera kaum mehr, und ganz gewiß müßte Aphrodite 17 gestrichen werden." 18 12 So Hübner, Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Tübingen 1950, S. 47. Ähnlich der Präsident des Bundeskartellamtes Kartte auf dem 54. DJT 1982, München, Bd. II, Schlußveranstaltung. Eine Erörterung der Überlegungen über ein „Antidiskriminierungsgesetz", 030: „Wenn ich die Sorgen sehe, die wir heute gesamtwirtschaftlich haben, dann kommt mir unsere heutige Diskussion fast gespenstisch vor." 13 Scheuner, in: Dombois / Schumann (Hg.), Familienrechtsreform, Witten-Ruhr 1955, S. 44; Knöpfel, Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, NJW 1960, S. 554ff.; Schneider, Verfassungsrechtliche Vorfragen zur Gleichbereichtigung von Mann und Frau, NJW 1953, S. 889. 14 Ζ. B. Molitor, Zur Frage der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, BB1952, S. 203 f.; Dölle, Die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Familienrecht, JZ 1953, S. 354-362. Vgl. weitere Nachweise bei Krüger, K B N , Einl. S 15. 15 Vgl. für das internationale Privatrecht sowie das eheliche Namensrecht der Frau („In erster Linie ist die Norm über den Familiennamen Ordnungsvorschrift in dem Sinne, daß es der Ordnung halber überhaupt einen Familiennamen geben muß.") Dölle, JZ 1953, S. 357 sowie Knöpfel, NJW 1960, S. 557, wo Legionen von Autoren immer wieder bei jeder Familienrechtsreform den Vorrang des Mannesnamens auf diese Weise zu rechtfertigen suchen. Vgl. auch Voegeli/Willenbacher, ZfRSoz 2/1984, S. 252 sowie Länge-Klein, Alternativkommentar zu § 1355, Rdn. 12. 16 Beitzke, Gleichheit von Mann und Frau, in: Neumann u. a., Die Grundrechte, 2. Bd., Berlin 1954, S. 207 und sodann im folgenden 30 Jahre später Zöllner, Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter, in: Festschrift für Strasser, Wien 1983, S. 228. Ihm offenbar leider zustimmend Köbl, Meine Rechte und Pflichten als berufstätige Frau, 2. Aufl., München 1983, S. 9. 17 Warum eigentlich? Schließlich tat sich Aphrodite mit Hermes zusammen und gebar Hermaphroditos, der — so ist überliefert — als androgyner Vertreter des „dritten

2 Slupik

18

I. Einführung

D a ß m i t solchen Rückzugsgefechten auch vergleichsweise bescheidenen Versuchen zur Verbesserung der Lage der F r a u begegnet w i r d , zeigt sich i n der Gegenwart vor allem an der aktuellen Diskussion über einen kompensatorischen Rechtsbedarf der Frauen, d.h. solche rechtlichen Regelungen u n d praktischen Maßnahmen, die durch Förderpläne, Einstellungsquoten u n d andere Bevorzugungen die Unterrepräsentation v o n Frauen i n verschiedenen staatlichen u n d gesellschaftlichen Bereichen, zuvorderst i m Erwerbsleben, abzubauen suchen. 1 9 Bereits früher warnte m a n schon davor, den Gleichberechtigungsgrundsatz „ d o k t r i n ä r u n d v o k a b e l h a f t " 2 0 anzuwenden u n d auch heute w i r d kritisch der Zeigefinger gehoben, daß „sich bei der Gleichbehandlung nach dem Geschlecht eine M e n t a l i t ä t (entwickelt), die den Buchstaben des Gesetzes wichtiger n i m m t als seinen G e i s t " . 2 1 Solche Bemerkungen fallen immer dann, wenn es gilt, einen gleichberechtigungswidrigen Zustand de lege lata z u m Nachteil der Frauen de lege ferenda fortzusetzen. Ist aber die bloße M ö g l i c h k e i t denkbar, daß ζ. B. aus G r ü n d e n der Herstellung eines zahlenmäßigen Gleichgewichts der Geschlechter M ä n n e r wegen ihres Geschlechts i n der K o n k u r r e n z m i t Frauen schlechtere Chancen haben k ö n n t e n 2 2 , so w i r d eine solche Frauenförderung unter völliger A b s t r a k t i o n v o m Geschlechts" weiblich und männlich zugleich gewesen sein soll. Vgl. aus der Fülle der Literatur dazu nur: Plato, Das Gastmahl (übertragen von Kurt Hildebrandt), Stuttgart 1949, S. 58 und Singer, Androgyny, Towards a New Theory of Sexuality, New York 1976, S. 13 ff. 18 So Zöllner, Gleichberechtigung, S. 228. Zu solchen Äußerungen schon sehr klarsichtig Krüger, KBN, Einl. S. 14, E 15: „Daß dem Juristen die Verfassungswidrigkeit solcher Deduktionen im Hinblich auf den Komplex ,Frau' klar ist, verrät auf sehr beredte Weise jeweils seine Sprache. Sie wird plötzlich anders, nicht selten poetisch und schön, fast immer aber falsch und ungerecht, wenn Verfassungswidrigkeiten in bezug auf die Stellung der Frau begründet werden, und zwar gleichviel, ob es sich um die Sprache im Urteil, in Abhandlungen oder bei Diskussionen im Bundestag handelt." 19

Dazu vgl. bei Säcker, 50. DJT 1974, L 35; Hohmann-Dennhardt, ZRP 1979, S. 247; Simitis, 50. DJT 1974, M 27 f., 37; Wank, Jura 1981, S.402; Dix, Gleichberechtigung durch Gesetz, Baden-Baden 1984, S. 344ff., 350 m.w.N.; sowie die stenographische Niederschrift der Anhörung an 21./22. Januar 1982 zum Thema Anti-Diskriminierungsgesetz (BMI/BMJFG), Bonn 1982; Hoffmann-Riem, Chancengleichheit durch kompensatorische Rechtsanwendung, in: Hoffmann-Riem (Hg.), Bürgernahe Verwaltung? Analysen über das Verhältnis von Bürger und Verwaltung, Neuwied/Darmstadt 1980, S. 70 ff.; Däubler-Gmelin/Pfarr/Weg (Hg.), „Mehr als nur gleicher Lohn!" Handbuch zur beruflichen Förderung der Frauen, Hamburg 1985; Jansen (Hg.), Halbe-Halbe. Der Streit um die Quotierung, Berlin 1986 20

So Dolile, JZ 1953, S. 355 im Hinblick auf Fragen der 1. Familienrechtsreform. Gamillscheg, Frauenarbeitsschutz, Gleichbehandlung und Begünstigung der Frau, Festschrift für Strasser, Wien 1983, S. 207. 22 Beispiele dafür, daß an männliche Schulabsolventen geringere Leistungsanforderungen bei der Einstellung gestellt werden als an weibliche, wenn durchschnittlich von den Mädchen bessere Notendurchschnitte erzielt worden sind, finden sich bei Renger, Gleiche Chancen für Frauen?, Karlsruhe 1977 und Pfarr, Quotierung und Rechtswissenschaft, in: Däubler-Gmelin u.a., S. 86-99. 21

1. Problemlage

19

Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes am strengen Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 GG sowie seiner einfachgesetzlichen, arbeitsrechtlichen Umsetzung in § 611 a BGB gemessen23, ohne auch nur einen Blick auf die sonst so gerne propagierte Methode der teleologischen Auslegung zu verschwenden. 24 Die Bevorzugung von Frauen aus Gründen der Herstellung von Geschlechterparität, die in der Bundesrepublik ja praktisch kaum vorhanden ist 2 5 , wird bereits als „positive Diskriminierung" und — soweit Wirkungen auf das männliche Geschlecht gemutmaßt werden — als „umgekehrte Diskriminierung" bezeichnet.26 23 Während gegen die Bevorzugung von Frauen aus Förderungsgründen mit § 611a BGB argumentiert wird, weil Männer nicht benachteiligt werden dürften, macht sich eine ganze Reihe von Autoren besondere Gedanken darüber, in welchen Fällen, etwa bei der Einstellung, das Geschlecht so unverzichtbar sein könnte, daß § 611 a BGB keine Anwendung findet. In diesem Zusammenhang werden erörtert: Parfümerieverkäuferinnen, Damenoberbekleidung, Animierdamen, Schwulenkneipen, Casanovas, Privatbankiers, die „eher männliche Kassierer schätzen" (Adomeit, DB 1980, S. 2388), Vorgesetzte, die sich Sekretärinnen wünschen, dürften nicht zur Zusammenarbeit mit einem Sekretär gezwungen werden (Eich, NJW 1980, 2331). Ermann-Küchenhoff (7. Aufl., §61 l a Rdnr. 3) sowie Köbl (S. 17) erörtern die Tätigkeit der Amme oder „Nährmutter" mit beachtlichen Gründen. Letztere ist außerdem der Meinung, daß man „kaum einen Mann davon überzeugen müssen" wird, daß er „im bisexuellen Gunstgewerbe nicht den weiblichen Part übernehmen kann". Söllner (Münchener Kommentar, § 611a Rdnr. 3) sorgt sich um den Dressman un meint außerdem, ein Arbeitgeber solle keine Frauen einstellen, wenn in seinem Betrieb Sexualstraftäter und sexuelle Belästiger arbeiten. Mayer-Maly (S. 259) erörtert die Anwendung von §61 l a BGB auf Transsexuelle zustimmend, irrt dabei aber, weil Transsexuelle nicht ihres Geschlechts wegen, sondern wegen eines bevorstehenden oder bereits vollzogenen Geschlechtswandels diskriminiert werden. Diese Benachteiligung verstößt gegen die Menschenwürde. Bei den Bemühungen, den Anwendungsbereich von § 611 a BGB zu Lasten von Frauen weit zu fassen ( = Rechtswidrigkeit der Frauenförderung), ihn aber dort, wo er von der Intention des Gesetzgebers her nicht eingeschränkt werden soll ( = Ausnahmetatbestand der Unverzichtbarkeit des Geschlechts), auszuhöhlen oder ins Lächerliche zu ziehen, werden die Verfasser/innen zumeist von dem Ziel geleitet, den Arbeitgeber /innen eine praktische Anwendung der Gleichbehandlung möglichst zu ersparen. Dabei ist offenbar jeder auch noch so krasse Rückfall in Zeiten der Begriffsjurisprudenz erlaubt. 24 Vgl. Söllner, S. 8, Fn. 23; Schmitt Glaeser, DÖV 1982, S. 384; Gamillscheg, Frauenarbeisschutz, S. 217; Hanau, Die umgekehrte Geschlechtsdiskriminierung im Arbeitsleben, in: Festschrift für Wilhelm Herschel, München 1982, S. 194; Mengel, Maßnahmen „Positiver Diskriminierung" und Grundgesetz, JZ 1982, S. 532. 25 Bei einem der wenigen Beispiele, die von Mengel (Fn. 24) und Hanau, (Fn. 24), herangezogen werden konnten, handelt es sich um einen Beschluß des Akademischen Senats, der eine Förderung von Frauen empfiehlt und der sich faktisch dahingehend auswirkt, daß jede Stellenanzeige mit dem Zusatz versehen wird, daß die FUB bestrebt ist, Wissenschaftlerinnen besonders zu fördern. Seit dieser Beschluß (1980) gilt, hat sich aber die Repräsentation der Frauen im wissenschaftlichen Bereich der FUB nahezu überall verschlechtert. Vgl. dazu: Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung (Hg.), Statistische Angaben zur Forschungsausstellung 1985, Berlin 1985, Tabelle 17 und 18 sowie Dies. (Hg.), Personal- und Studenten/StudentinnenStatistik an der Freien Universität Berlin, Stand: Juli 1984, Tabelle 13, Berlin 1984.

2*

20

I. Einführung

Diese vorweggenommenen Abwehrgefechte könnten zumindest psychologisch verständlich sein, wäre die Behauptung zutreffend, daß „ d i e Gleichberechtigung der M ä n n e r ( . . . ) nicht über den Bereich v o n Stammtischwitzen hinaus gediehen" 2 7 ist. Jenseits v o n K a s i n o t o n u n d Rabulistik hat sich jedoch eine zunehmende Z a h l v o n Beiträgen i n der Literatur etabliert, die die Frage einer etwaigen Benachteiligung v o n M ä n n e r n i m Recht zu beantworten sucht. 2 8 Kennzeichnend für die übrigens vielfach v o n A u t o r i n n e n verfaßten Schriften ist ein fast schon zu ausgeprägtes Empfinden für soziale Gerechtigkeit u n d eine große Behutsamkeit bei der Darstellung spezifischer Probleme des männlichen Geschlechts, eine H a l t u n g , die m a n sich i m umgekehrten F a l l ebenso wünscht. N o c h größere Sensibilität bringt der Gesetzgeber auf, wenn es d a r u m geht, die Rechtsstellung v o n M ä n n e r n i m Vergleich zu der der Frauen zu verbessern. K ü r z l i c h fiel a u f dieser L i n i e das letzte Berufsverbot für M ä n n e r i n der Bundesrepublik, die jetzt auch H e b a m m e 2 9 werden dürfen. I n Anbetracht der üblichen Zögerlichkeit u n d Restriktivität, m i t der die Bundesrepublik ansonsten E G - R i c h t l i n i e n gegen Frauendiskriminierung i n innerstaatliches Recht umsetzt 3 0 , ist hier der seltene F a l l sozusagen vorauseilender Gerechtigkeit zu konstatieren. D e n n sogar der Europäische Gerichtshof, dem die gesetzgeberische Tätigkeit der Bundesrepublik i n Sachen Gleichbehandlung i m Erwerbsle26 „Vergeblich wird die Suche im rechtswissenschaftlichen Schrifttum oder in der Rechtsprechung nach Fundstellen sein, in denen die Verfassungswidrigkeit von Männerquoten, die in den Betrieben und Verwaltungen seit Jahrzehnten praktiziert werden, festgestellt ist. Aber kaum ging es um Förderpläne und Quotierungen zugunsten von Frauen, war die Rechtswissenschaft zur Stelle, um die sogenannte »umgekehrte Diskriminierung 4, also die drohende Benachteiligung von Männern zu geißeln und mit dem Grundgesetz zu bekämpfen", so Pfarr, in: Däubler-Gmelin/Pfarr/Weg, S. 93. 27 So Gamillscheg, Frauenarbeitsschutz, S. 209. Siehe z.B. Dürig, G G K , Rdnr. 15, Fn. 3: „Der Münchner Komiker Weiß Ferdl, selig, meinte immer, er sei schon sehr für die Gleichberechtigung; er möchte auch mal was zu sagen haben." 28 Z.B. Flügge, Kein gemeinsames Sorgerecht ohne Ehe, STREIT 1/1983, S. 24; Zenz/Salgo, I. 1. Fn. 8, S. 58-74; Scholz, Rechtliche Benachteiligung des Mannes im Sozialrecht, ZRP 1984, S. 184-1987. 29 Ausbildungs-und Prüfungsordnung vom 21.12.1981, BGBl. I,S. 1893 ff. Siehe auch Coester-Waltjen, Zielsetzung und Effektivität eines Antidiskriminierungsgesetzes, ZRP 1982, S. 220, Fn. 38, die den Ausschluß des männlichen Geschlechts von diesem Beruf beklagt.Vgl. zur psychischen Problematik der Männeremanzipation: Mitscherlich, Die friedfertige Frau, Frankfurt/M., 1985, S. 161 sowie zur gesellschaftlichen Bewertung: Richter, Der Gotteskomplex, Frankfurt / M. 1983, S. 80: „Der Mann wertet nicht die Frau auf, sondern sich selbst, indem er sich zur eigenen Perfektionierung auch noch denjenigen psychischen Anteil zuführen möchte, den er an die Frau delegiert hat. Es geht um die Vereinnahmung der weiblichen Gefühlsseite, nicht aber darum, auch die eigenen Privilegien in der Bildung, im rechtlichen und ökonomischen Bereich aufzugeben und mit der Frau gleichberechtigt zu teilen. Damit ist aber eine kulturelle Integration der Emotionalität von vornherein unmöglich gemacht." Androgyne Vollkommenheit bleibt demnach ein männliches Privileg. 30 Vgl. für das Arbeitsrecht Bertelsmann, Gleichbehandlung zwischen Frauen und Männern nach bundesdeutschem und EG-Recht, BB 1983, S. 1805-1809.

1. Problemlage

21

ben unzureichend erschien 31 , hat bislang das Berufsverbot für Männer als Hebamme für rechtmäßig erklärt. 32 In der Rechtswissenschaft ist die Behauptung, daß Frauen und Männer vom Recht unterschiedlich betroffen sind und daß sich der Interessenstandpunkt der Männer in der Regel durchsetzt, nicht neu. 33 Zwar lösen gewisse Skurilitäten, wie z. B. die Rauch Warenentscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs 34 , heutzutage nur noch Gelächter aus. Ob solche Rechtsfindung allerdings endgültig der Vergangenheit angehört, kann hier nicht überzeugend prognostiziert werden. Denn es gibt wohl keine andere Verfassungsnorm, deren sozialgestaltende Wirkung so sehr in Zweifel gezogen wird, wie die des Gleichberechtigungsgrundsatzes. Die Rolle des Rechts als sozialer Wandlungsfaktor, als Motor oder Instrument für Veränderungen im Verhältnis zwischen den Geschlechtern wird generell noch skeptischer eingeschätzt als für andere Normenbereiche oder gesellschaftliche Mißstände. 35 Als ursächlicher Faktor für Diskriminierung im sozialen Leben wird Recht zumeist nicht gesehen. Man weist im Gegenteil allen möglichen anderen Faktoren (Mentalitäten, Bewußtsein etc.) eine weit größere, wenn nicht ausschließliche Bedeutung zu. 3 6 Diese gewollte Attitüde der Bescheidenheit, die rechtliche Normen als wirkungsneutral begreifen möchte, spielt die Fähigkeit 31

EuGH, NJW 1984, 201 f. Siehe auch Schulte, Europäisches Gemeinschaftsrecht: Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zum Beruf, JA 1985, S. 660662. Siehe jedoch EuGH, NJW 1985, 2076-2078, wo die Feststellungsklage der EGKommission nach Art. 169 EWGV in nahezu allen Punkten zurückgewiesen wurde. Dazu Bahlmann, Der Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau im Gemeinschaftsrecht, RdA 1984, S. 98-103 und vgl. zur Lage in anderen europäischen und außereuropäischen Staaten auch bei Benda, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, Freiburg 1986, S. 45-103. 32 EuGH-Urteil vom 9.11.1983 in NJW 1985, 539. Ebenso im Ergebnis BVerwGE 40, 17 (24). 33 Vgl. schon Oekinghaus, Die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der deutschen Frau, Jena 1925; Weber, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Stritt, Rechtskämpfe, in: Lange/Bäumer (Hg.), Handbuch der Frauenbewegung II. Teil, Frauenbewegung und soziale Frauentätigkeit in Deutschland nach Einzelgebieten, Berlin 1901, S.134-153. 34 Dort wurde entschieden, daß die geringere Rauchwarenzuteilung für Frauen nicht gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz verstößt, weil normalerweise Frauen weniger rauchen würden als Männer und daher der Schluß gerechtfertigt sei, daß Frauen im allgemeinen ein geringeres Rauchbedürfnis hätten als Männer. Fundstelle bei Beitzke, Die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Bonner Grundgesetz, S. 19, der dieser Auffassung zustimmt. Ablehnend allerdings Dürig, Kommentar, Art. 3 II, Rdnr. 247. Einem Ondit zufolge soll Roxane, die Königin der Amazonen, Kettenraucherin gewesen sein: Vgl. bei Solanas, Society for Cutting up Men, New York 1968. 35 Vgl. ζ. Β. Rudolph-Heger (CDU), Anhörung 1982; Meier, Das Recht der Frau auf gleichen Lohn und gleiche Arbeitbedingungen, in: Renger, Gleiche Chancen für Frauen?, Karlsruhe 1977, S. 106. Vgl. aber die a. A. bei Lautmann, Sozialer Wandel durch Recht, in: Der Bürger im Staat, Dez.1984, S. 249-253. 36 So ζ. B. auch Köbl, Meine Rechte und Pflichten als berufstätige Frau, S. 5.

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I. Einführung

des Rechts als ordnungspolitisches Instrument aber gerade dort herunter, wo ein eindeutiger Gestaltungsauftrag der Verfassung vorliegt. Eigentümlicherweise steht diese Selbstbeschränkung in krassem Gegensatz zu Befunden über Verrechtlichung, Bürokratisierung und Justizialisierung in anderen Lebensbereichen, wo der ordnungspolitische Zugriff, die „Kolonialisierung durch Recht" gerade beklagt werden muß. 3 7 Das geringe Vertrauen in Recht als Instrument gegen Frauendiskriminierung entspricht dem fast nicht vorhandenen Unrechtsbewußtsein sowie dem schwachen Nachteils-, Verfolgungs- und Sanktionsrisiko. Wo aber kein Allgemeininteresse an einem ausgewogenen Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern deutlich wird, ist eine geringe Vergerichtlichung von gleichberechtigungserheblichen Konflikten ebensowenig erstaunlich wie eine unterentwickelte Dogmatik zum Grundrecht aus Art. 3 Abs. 2 und 3 G G . 3 8 Verzicht, Verspätung und Verengung bei Umsetzung von Handlungsaufträgen durch internationale Verbindlichkeiten, Nichtbeachtung des Handlungsauftrags der Verfassung bei Schaffung neuer Normen und Instrumentierung von Anliegen der Gleichbehandlung der Geschlechter lediglich mit individuell durchzusetzenden Diskriminierungsverboten sind weitere Kennzeichen. Im Unterschied zu anderen gesellschaftspolitischen Interessenkonflikten, deren Verschärfung als allgemeines Steuerungs- und Interventionsproblem begriffen wird, was oftmals zu einer Verschärfung von Regelsystemen (Moral, Ethik, Recht) auf der symbolischen wie auch der instrumentellen Ebene führt, fehlt in der Frauenfrage ein derart allgemeines Problembewußtsein. Es fand und findet sich nahezu ausschließlich aufgehoben in der Frauenbewegung, die von Anbeginn an die Frauenfrage immer wieder auch als Rechtsfrage thematisierte. Diese Eingrenzung des Problembewußtseins auf eine spezielle Gruppe hat zur Folge, daß die organisierte Besitzstandspolitik herkömmlicher männlicher Interessengruppen, die ihr Anliegen als Allgemeininteresse formulieren und legitimieren, wesentlich effektiver ist als die viel weniger durchsetzungfähige, weil Sonderinteressen signalisierende Verbandsmacht der Frauen. 39 Dies zu verändern ist das zentrale Anliegen der vorliegenden Arbeit. 37 Vgl. Voigt, Verrechtlichung in Staat und Gesellschaft, in: Ders. (Hg.), S. 16: Während die einen die ,Entschlackung' von Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen (Investitionshemmnisse, „sozialer Ballast") fordern, beklagten die anderen das „Austrocknen sozialer Beziehungen" und meinen damit die zunehmende rechtliche Strukturierung der Handlungsspielräume in eher persönlichen, direkten menschlichen Beziehungen; vgl. auch Habermas, a.a.O.: Die Lebenslage der Frauen bleibt bei dieser Kontroverse ausgeblendet. 38 Säcker, 50. DJT, L145; Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, Stuttgart u.a. 1981, S. 3 andeutend. 39 Kelly-Gadol, The Social Relation of the Sexes: Methodological Implications of Women's History, SIGNS 1/4 (1976), S. 809. Gerade dieser zuletzt genannte Aspekt der Gleichsetzung von männlichen Interessen mit dem Allgemeininteresse, von Mann = Mensch, hat jedoch zur Folge, daß aus der Sicht der Frauen der alte Dualismus von Wissenschaft und Politik (Wertfreiheitsproblem) aufgelöst ist. Denn in der Erörterung

2. Fragestellung und Aufbau der Arbeit

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2. Fragestellung und Aufbau der Arbeit Will man die Interessenwahrnehmung der Frauen effektivieren, das heißt ihr Anliegen als ein für die Allgemeinheit bedeutungsvolles legitimieren, so ist es unerläßlich, eine umfassende Antwort auf die Frage zu geben, was es heißt, die Frauenfrage als Rechtsfrage zu begreifen. Es gibt eine Gruppe, die ein massives Durchsetzungsinteresse im Hinblick auf die Frauenfrage als Rechtsfrage hat. Diese Gruppe — die Frauenbewegung — setzt mit ihren Forderungen an der sozialen Benachteiligung des weiblichen Geschlechts an. 1 Bei der Durchsetzung von Frauenbelangen in der Geschichte der Bundesrepublik hat Recht zwar eine Rolle gespielt; die Interessen der Frauen wurden aber nicht hinlänglich beachtet. Denn ihre Verrechtlichung etwa in Form von Novellierungen bereits bestehender Gesetze, brachte vielfach nur formale Rechtsgleichheit, d.h. Abschaffung solcher Rechtsnormen, die in ihrem Tatbestand ungerechtfertigt zwischen Frauen und Männern unterscheiden. 2 Formale Rechtsgleichheit ist jedoch nicht hinreichend geeignet, soziale Benachteiligung auszugleichen, ja sie verstärkt die Ungleichheit oftmals nur, wie sich beispielhaft gezeigt hat, wenn Frauenberufe für Männer geöffnet werden. 3 Es wäre also auch um eine Bevorzugung der Benachteiligten — der Gruppe der Frauen gegenüber der Gruppe der Männer — gegangen. Insofern besteht nach wie vor ein Vergesetzlichungsdefizit, d. h. ein Mangel an Gesetzen, die Recht als Instrument von Gleichstellung wirksam machen könnten. Bezieht man diese beiden Gesichtspunkte — Verstärkungsfunktion des Rechts für Diskriminierung der Frauen erstens und zweitens Eignung des Rechts als Mittel zum Ausgleich von Benachteiligung — auf den Verfassungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 GG, der einen Imperativ zur Beseitigung sozialer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern enthält, so ergibt sich ein doppeltes:

einer Verteilungsgerechtigkeit zwischen Frauen und Männern gibt es nur Betroffene. Außerdem können sich diejenigen, die in der Gleichung Mann = Mensch nicht vorkommen, die naive, wenn nicht lächerliche Behauptung einer angeblich geschlechtslosen Unparteilichkeit in Wertungsfragen ganz gewiß nicht leisten. Zum Dilemma der Wertung in der juristischen Arbeit vgl. grundsätzlich Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, Frankfurt/M. 1972, S. 116 sowie Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, Tübingen 1968, S. lOff. 1 Vgl. aus der Fülle der Belege nur: Schwarzer, So fing es an!, Köln 1981, S. 13 ff. 2 Vgl. dazu etwa die Öffnung des Hebammenberufes für Männer. Kritisch HomeyerSchücking, Das neue Hebammengesetz, Streit 2/83, S. 13. 3 Münder /Slupik/Schmidt-Bott, Rechtliche und politische Diskriminierung von Mädchen und Frauen, Opladen 1984, S. 90 f., m. w. N. Anschaulich zeigt sich dies auch in der Anatol France zugesprochenen Bemerkung, daß es jedem unbenommen sei, unter den Brücken von Paris zu schlafen oder in dem Ausspruch, den Marie Antoinette getan haben soll, als die Bürger von Paris 1789 nach Versailles zogen und an die Königin appellierten, sie hätten nichts zu essen: „Wenn Ihr kein Brot habt, warum eßt Ihr dann nicht Kuchen?"

24

I. Einführung

— Art. 3 Abs. 2 GG wurde durch die Parlamente im wesentlichen so in einfaches Recht umgesetzt, daß die faktische Benachteiligung der Frau beibehalten und sogar noch verstärkt wurde. — Der verfassungsrechtliche Rahmen ist als Handlungsleitlinie nicht ausgeschöpft worden. Grundlagen (II.): — Unter dem Dach formaler Rechtsgleichheit hat sich die Frauenbewegung nie befunden. Stattdessen lassen sich ihre Ziele als Verteilungsgerechtigkeitskonzeption beschreiben (II.l.). — Verteilungsgerechtigkeit als verfassungspolitisches Ziel der Frauenbewegung hat — vermittelt durch den Parlamentarischen Rat — die Entstehungsgeschichte und die Motive von Art. 3 Abs. 2 GG wesentlich bestimmt (Π.2.). — Der einfache Gesetzgeber hat dieses Ziel als Verfassungsauftrag nicht hinreichend zur Kenntnis genommen (II.3., 3.1 bis 3.5). Weil ein Widerspruch zwischen Verfassungsauftrag und Verfassungswirklichkeit besteht, ergibt sich die Frage, wie aus dem Gleichberechtigungsgrundsatz ein dogmatisches Modell der Geschlechterparität (III.) herauszukristallisieren ist, das dem verfassungspolitischen Ziel Rechnung trägt. Zu diesem Zweck wird das Binnenverhältnis der Absätze 1 bis 3 von Art. 3 GG untersucht, von denen jeder für sich einen spezifischen Regelungsgehalt hat, den die herrschende Meinung weitgehend verkennt: — Absatz 1 enthält kein Präjudiz für die Auslegung der Absätze 2 und 3 (III.2.). — Absatz 2 enthält ein besonderes Förderungsgebot (Anhebungstendenz) zugunsten von Frauen (III.3.). — Dieses Frauengrundrecht orientiert sich an einem spezifischen Sozialideal im Geschlechterverhältnis, dem potentiellen Rollentausch (III.4.). — Der Maßstab für Recht, das die Nachteile von Frauen ausgleichen soll, ergibt sich aus dem Sozialideal (III.4.1). — Absatz 3 enthält ein allgemeines Diskriminierungsverbot zugunsten und zu Lasten beider Geschlechter, welches im Lichte des genannten Sozialideals auszulegen ist (III.5.1). — An einer möglichen Geltung für den Bereich des privaten Rechtsverkehrs wird schließlich die Erweiterung des Diskriminierungsverbots konkretisiert (III.5.2). — Die Begrenzung des Diskriminierungsverbots durch das Förderungsgebot läßt sich an der Zulässigkeit möglicher Differenzierungsgründe aufzeigen (III.6., 6.1 bis 6.7). — An der Forderung nach einer Quotierung von Erwerbsplätzen zugunsten von Frauen läßt sich der Kompensationsbegriff präzisieren (IV.).

II. Grundlagen 1. Die organisierten Interessen der Frauen In diesem Kapitel wird die historische Frauenbewegung in ihren Fraktionen gekennzeichnet und in ihrer Stellung zur Frauenfrage als Rechtsfrage idealtypisch geschildert. Daran läßt sich zeigen, daß „formale Rechtsgleichheit" ein begrifflicher Rahmen ist, der die verschiedenen Aspekte der Frauenfrage als Rechtsfrage nicht hinlänglich erfassen kann bzw. die Perspektiven des aufgeworfenen Problems verengt. Deshalb werden die unterschiedlichen Positionen der Frauenbewegung zu diesem Problem nach einem neuen Klassifikationsschema systematisiert. Dieses Schema erfüllt drei Anforderungen: — Es ist hinlänglich differenziert, um das empirische Substrat — die verschiedenen Sichtweisen der Frauenfrage als Rechtsfrage — zu erfassen. — Es ist hinlänglich allgemein, um das politische Ziel der Frauenbewegung — Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern — auf den Begriff zu bringen. — Es ist geeignet, die konkreten Forderungen der verschiedenen Fraktionen auf ihre rechtliche Umsetzungsqualität hin zu beurteilen. Verfolgt man die Geschichte der deutschen Frauenbewegung bis hin zu ihren Ursprüngen in der 1848er Revolution 1 , so fällt auf, daß die „Frauenfrage" 2 in der Theorie und Praxis dieser politischen Bewegung zuvorderst als Rechtsfrage gestellt und von den Frauen selbst sowie in der Öffentlichkeit auch so begriffen wurde. 3 1 Vgl. Gerhard, Über die Anfänge der deutschen Frauenbewegung um 1848; Frauenpresse, Frauenpolitik und Frauenvereine, in: Hausen (Hg.), Frauen suchen ihre Geschichte, München 1983, S. 196-220; Bäumer, Die Begründung der deutschen Frauenbewegung und ihre Geschichte bis zu den achtziger Jahren, in: Lange /Bäumer, Handbuch der Frauenbewegung, I. Teil, Berlin 1901, S. 33-79. Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Begründung von Gleichberechtigungsforderungen aus dem Naturrecht der Aufklärungszeit, ebenda, S. 22-30. Siehe auch die Festrede von Johanna Lemke, Allgemeiner Deutscher Frauen verein 1865 — Deutscher Staatsbürgerinnen-Verband 1985. Zur 120Jahrfeier des Verbandes in: Die Staatsbürgerin 1 /2/1985 (Beilage). 2

Der Begriff stammt aus der Einleitung von Bebel, Die Frau und der Sozialismus, (1909), Nachdruck Berlin (DDR) 1973, S. 25. Vgl. dazu Bei, Die Frauen und das öffentliche Recht: Zur Konstitution von „Paradigmata" und zentraler Kategorie des rechtsstaatlichen Verfassungsverständnisses, S. 66, Fn. 26. 3 Vgl. etwa Stritt, Das Bürgerliche Gesetzbuch und die Frauenfrage, Vortrag gehalten 1898, Frankenberg i.A., S. 26; Augsburg, Gebt acht, solange noch Zeit ist, in: Die Frauenbewegung 1895, S. 4.

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II. Grundlagen

Die grundlegende und wichtigste historische Forderung nach staatsbürgerlicher Gleichheit, insbesondere das aktive und passive Wahlrecht sowie die Fähigkeit zur Bekleidung politischer Mandate und Ämter, brauchte in dem europäischen Land, das in seiner Entwicklung hin zu Nationalstaat und Demokratie am rückständigsten war, 70 Jahre, bis ihr Erfolg beschieden war. Vorausgegangen war 1908 das Recht auf Mitgliedschaft in politischen Vereinen, einschließlich Parteien, für Frauen. Erst 1919 erfolgte dann die Aufnahme des Rechtsgleichheitsgrundsatzes in der Weimarer Reichsverfassung. 4 In den Jahren zwischen 1848 und 1933 wurden aber auch nahezu alle anderen relevanten Fragen von den verschiedenen Fraktionen der Frauenbewegung zum politischen Gegenstand gemacht, die die Neue Frauenbewegung seit Ende der 60er Jahre wiederum in die öffentliche Diskussion gerückt hat. 5 Wie von Wischermann und Gerhard rekonstruiert 6 , läßt sich am Beispiel der Stimmrechtsfrage aufzeigen, daß in der alten Frauenbewegung unterschiedliche Positionen im Verhältnis zu Staat und Gesellschaft wie auch zum Recht vorhanden waren. Dabei sind drei Hauptrichtungen zu unterscheiden: — Proletarische

Frauenbewegung oder auch Arbeiterinnenbewegung

— Gemäßigte oder auch bürgerliche Frauenbewegung — Radikale Frauenbewegung.

1

Zwar ist bei allen drei Richtungen vom „Grundrecht auf Rechtsgleichheit, Freiheit und Menschenwürde" die Rede, man forderte die „volle soziale, rechtliche und politische Gleichberechtigung" und „Rechtsgleichheit als Vollanerkennung der Frau als gleichwertiges und gleichberechtigtes Rechtssubjekt". 8 Dahinter verbargen sich jedoch Differenzen über die politischen Mittel, Ziele und Hoffnungen, die an die Verwirklichung dieser Forderung geknüpft wurden: 9 4

Vgl. Art. 119 WRV. Vgl. Lange/Bäumer, a.a.O., II. Teil und IV. Teil, Berlin 1901; Twellmann, Die deutsche Frauenbewegung. Ihre Anfange und erste Entwicklung, Meisenheim am Glan 1972; Weiland, Geschichte der Frauenemanzipation, Düsseldorf 1983; Schröder (Hg.), Die Frau ist frei geboren, Texte zur Frauenemanzipation, Bd. II, 1870 bis 1918, München 1981; Greven-Aschoff, Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland (1894-1933), Göttingen 1981. Für die neue Frauenbewegung siehe: Schwarzer (Hg.), So fing es an, Köln 1981; Bei, Die Frauen und das öffentliche Recht, S. 60. 5

6 Wischermann, Die Presse der radikalen Frauenbewegung, in: Feministische Studien 1/1984, S. 39-62; Gerhard, „Bis an die Wurzeln des Übels". Rechtsgeschichte und Rechtskämpfe der Radikalen, S. 77-98. 7 Eine analoge Unterscheidung für die heutige Zeit kann ebenfalls getroffen werden: Traditionelle Frauenbewegung (Deutscher Frauenrat); gewerkschaftlich-sozialistische Frauenbewegung und die Neue bzw. autonome Frauenbewegung. 8 Gerhard, Feministische Studien 1 /1984, S. 78 f. 9 Vgl. auch Stoehr, „Organisierte Mütterlichkeit". Zur Politik der deutschen Frauenbewegung um 1900, in: Hausen (Hg.), S. 221-249; Lüthgen, Das Verhältnis des Grundsatzes der Lohngleichheit von Mann und Frau zu den Bestimmungen des besonderen Frauenar-

1. Die organisierten Interessen der Frauen

27

— Die proletarische Frauenbewegung, die gegen „Frauenrechtlerei" und beschränktes „Damenwahlrecht" 10 polemisierte, verstand sich als Teil sozialistischer Arbeiterbewegung. Sie war unter Bismarck denselben Verfolgungen ausgesetzt, die die Sozialdemokratie traf, die als erste und bis 1918 einzige Partei die Forderung nach einem gleichen Stimmrecht für alle Frauen und Männer gestellt hatte. Bei der Konstituierung des Bundes Deutscher Frauenvereine 1894, einem Dachverband von Frauenorganisationen, wurde aus Angst vor dem Vereinsverbot für politische Gruppierungen der Frauen sowie gegen den Willen der Radikalen den proletarischen Verbänden kein Mitgliedsrecht zugestanden.11 Die Arbeiterinnenbewegung forderte Gleichheit nicht auf Basis der existierenden Männerrechte, die ja damals etwa für Preußen noch das Dreiklassenwahlrecht bedeuteten, und die den Arbeiterinnen auch nichts genützt hätte. Sie orientierte ihre Forderung — über den Rechtsstatus der herrschenden Männer hinaus — an ihren Klasseninteressen. Insofern forderten die proletarischen Frauen mehr als Rechtsgleichheit, denn sie versprachen sich von einem demokratisch-egalitären Stimmrecht einen Fortschritt bei der politischen Repräsentation des Proletariats allgemein bis hin zu einer möglichen politischen Machtübernahme. 12 — Ebenso wie die proletarische Frauenbewegung forderten auch die Radikalen ein egalitäres Stimmrecht für männliche und weibliche Staatsbürger. Sie taten dies — obwohl selbst zumeist bürgerlicher Herkunft — aus einer grundsätzlich menschenrechtlich orientierten, demokratisch-staatsbürgerlichen Einstellung heraus, wie sie auf Louise Otto-Peters zurückgeht. 13 Allerdings verbanden sie besondere und andere Erwartungen für Frauen mit dem Stimmrecht. Die Radikalen gingen davon aus, daß die institutionalisierte Präsenz des weiblichen Geschlechts in der Politik diese qualitativ verändern werden: „ ,Die Frau im Staat' will nicht die von Männern seit Jahrhunderten vertretene Politik übernehmen oder nachahmen, sie will im Gegenteil — deren Mängel und Zweckwidrigkeit erkennend — eigene Wege beitsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland und der „Deutschen Demokratischen Republik", Tübigen 1964, S. 80 irrt, wenn sie meint, „soweit es um politische Rechte ging, bestand kein Unterschied in den Bestrebungen". Dasselbe gilt für Reich-Hilweg, Männer und Frauen sind gleichberechtigt, Frankfurt/Main 1979, S. 44-48, die die Existenz der „Radikalen" zugunsten einer glorifizierenden Darstellung der proletarischen Frauenbewegung unterschlägt. Dagegen teilt Leopold, Gleichheit und Gleichberechtigung — Zur Geschichte der Frauenbewegung, in: Jansen (Hg.), Halbe-Halbe, Berlin 1986, S. 154-165 die Frauenbewegung lediglich in eine „bürgerliche" und eine „proletarische", ohne Verbindungslinien aufzuzeigen. 10

Zetkin, Zur Frage des Frauenwahlrechts, Berlin 1907, S. 12f. Braun-Schwarzenstein, Minna Cauer. Dilemma einer bürgerlichen Radikalen, in: Hausen (Hg.), S. 48. 12 Siehe grundsätzlich dazu Ridebächer, Uns fehlt nur eine Kleinigkeit. Deutsche proletarische Frauenbewegung 1890-1914, Frankfurt 1984 sowie Losseff-Tillmanns (Hg.), Frau und Gewerkschaft, Frankfurt 1982. 13 Lange/Bäumer (Hg.), Handbuch der Frauenbewegung, I. Teil, Berlin 1901, S. 34 ff. 11

II. Grundlagen

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gehen. Sie redet der ganz selbständigen politischen Betätigung der Frauen das Wort, denn nur diese schafft den Staaten neue Werte." 14 Auch die Radikalen forderten demnach mehr als Rechtsgleichheit. Ohne Frauen auf ihre herkömmliche Geschlechterrolle festlegen zu wollen, versprachen sie sich von einem demokratisch-egalitären Stimmrecht einen grundsätzlich positiven Einfluß auf die Politik. — Die Gemäßigten stellten sich — anders als die beiden anderen Richtungen — auf einen Reformstandpunkt und entwickelten den rein frauenrechtlerischen Vorschlag nach „vollen Staatsbürgerrechten für alle Frauen". Damit forderten sie direkte Rechtsgleichheit, jedoch ohne Einbeziehung des egalitären Menschenrechtsstandpunktes. „ . . . Anstatt des Mannes Brutalität nachzuahmen, hatte ich gewollt, daß sie (die Frau, d. Verf.) ihm ebenbürtig werden sollte, für die Kulturaufgabe der Menschheit." 15 Diese Festlegung auf ein Wesen der Frau, auf eine weibliche Eigenart, war charakteristisch für große Teile der damaligen bürgerlich-gemäßigten Frauenbewegung. Kurzum: Die Frau als der bessere Mensch! Dementsprechend sollte das staatsbürgerlich gleiche Recht für Frauen zu einer „harmonischen Ergänzung des Mannes" 16 führen. „Es ging nicht um formale Gleichberechtigung als letztes Ziel 1 7 , sondern um ein reicheres Einströmen spezifischer weiblicher Kräfte in die Gesamtanschauung der Welt." 1 8 Diese Darlegungen zeigen beispielhaft, daß der Topos „formale Rechtsgleichheit" ungeeignet ist, um die spezifischen Ziele und unterschiedlichen sozialen Utopien der alten Frauenbewegung in ihrem Bezug auf die Funktion von Recht angemessen zu beschreiben. Dasselbe gilt auch angesichts der Einhelligkeit, mit der die alte Frauenbewegung den spezifischen Arbeiterinnenschutz, einschließlich weiblicher Fabrikinspektoren, durchgesetzt hat. 1 9 Sie ging nämlich, im

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Die Frau im Staat Nr. 1, 1919, S. 1, Editorial. v. Meysenburg, Memoiren einer Idealistin, 1875, S. 296. Dieser Anknüpfungspunkt in einem „Wesen der Frau" sowie im „Verschiedenheitspostulat" hatte fatale Folgen für die Frauenbewegung zwischen 1933 und 1945. Denn der Nationalsozialismus war der brutalste Versuch, die europäische Aufklärung, die sich in vier Jahrhunderten als gesellschaftliches Prinzip auch für Frauen mehr und mehr durchsetzte, rückgängig zu machen und die demokratische Zivilisation weltweit, mit einem „Großdeutschen Reich" an der Spitze, durch rassistische Herrschaft zu ersetzen. 16 Bäumer, Die Frau und das geistige Leben, 1911, S. 97 f. 17 Die konservative Mehrheit der Frauenbewegung erlag der Gefahr, gerade die Formen der Besonderheit, der Ausgrenzung, die immer Anlaß weiblicher Unterdrückung waren, zum Emanzipationsinhalt zu machen. Der Nationalsozialismus konnte mit seiner NS-Frauenpropaganda anscheinend nahtlos an diese Wesensbestimmung anknüpfen und die Frauen wieder um wesentliche Rechte berauben. Vgl. dazu auch Gerhard, Gleiches oder anderes Recht für Frauen oder: Welchen Sinn hat Gleichberechtigung für uns?, in: Opitz, Weiblichkeit oder Feminismus?, Weingarten 1984. S. 80 ff. 18 Bäumer, Die Frau und das geistige Leben, 1911, S. 97 f. 15

1. Die organisierten Interessen der Frauen

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Unterschied z.B. zu den angelsächsischen Ländern, von einer über den Mutterschutz hinausgehenden, erhöhten Schutzbedürftigkeit der Frau aus. 20 Vor diesem Hintergrund sind auch Äußerungen im juristischen Schrifttum zu verstehen, die sich heutzutage entweder durch die traditionelle oder durch die Neue Frauenbewegung inspiriert fühlen: ,Als ob der Mann das Maß aller Dinge und die vorwiegend von ihm geschaffene und an seinen herkömmlichen Vorstellungen und Bedürfnissen ausgerichtete Arbeitswelt die beste aller Welten und das Ziel der Gleichberechtigung von Mann und Frau sein müßte." 21 Oder: „Zum einen wird deutlich, daß sich die Rechtsforderungen von Frauen nicht nur an dem mehr oder weniger eingeschränkten Rechtsstatus der Männer orientieren dürfen. Bloße Anpassung oder ein Gleichziehen genügen oft nicht, um demokratische Gleichheit herzustellen; Sinn gibt das Einklagen von Frauenrechten nur, wenn diese geeignet sind, die bestehenden Machtverhältnisse in Frage zu stellen, d.h. Geschlechterprivilegien und Klassenvorteile abzubauen und damit den eingeschränkten Status quo von Männer- und Frauenrechten zu verändern." 22 Auch Weber 23 begründet die Forderung mit der gewandelten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Stellung der Frau und mit dem neuen Eheideal, das der Würde und Persönlichkeit der Frau entspricht und die Anerkennung der grundsätzlichen „Gleichwertigkeit" der Geschlechter voraussetzt. Wer „richtiges" Recht schaffen wolle, dürfe sich nicht an formale Gleichberechtigung halten. 24 Ist also „formale Rechtsgleichheit" im Sinne einer Angleichung oder eines Nachholens von Männerrechten 25 untauglich, um die unterschiedlichen Facetten der sozialen Bewegung der Frauen von militanter Gegenwehr, Matriarchats19 Siehe dazu eingehend bei Lüthgen, S. 81 ff., die meint, daß „innerhalb der Frauenbewegung die Frage des Frauenarbeitsschutzes zum Prüfstein dessen wird, was unter Gleichheit und Gleichberechtigung zu verstehen sei". 20 Siehe bei Simon, Arbeiterinnenschutz und bürgerliche Frauenbewegung, in: Soziale Praxis 1901, Nr. 33 sowie „Arbeiterinnenschutz", in: Der Internationale Frauenkongreß in Berlin, hrsg. von Stritt, Berlin 1905, S. 445 f. Erst recht kann Rechtsgleichheit nicht die Problematik der Abtreibungsfrage fassen, wo das schon von Helene Stöcker geltend gemachte Recht auf straffreie Abtreibung ja ausschließlich für Frauen und nicht etwa mit Blick auf etwaige Männerrechte entwickelt wurde. (Stöcker, Strafrechtsreform und Abtreibung, in: Die Neue Generation, 1908, S. 399). 21 Maier, NJW 1974, S. 1686. 22 Gerhard, Feministische Studien 1/1984, S. 92. 23 Vgl. Abg. Weber, Protokolle des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates, S. 538. 24 Eine ganz andere Frage ist es, ob der Auffassung von Gilligan, Die andere Stimme, 2. Aufl., München/Zürich 1985, S. 212, die eine männliche (Ethik der Gerechtigkeit) und eine weibliche Moral (Ethik der Anteilnahme, definiert, zuzustimmen ist. 25 Aus diesem Grunde ist auch die Kategorie „Defizit weiblicher Lebensverhältnisse", wie sie Lautmann, Die Frauenfrage im Kontext einer Soziologie sozialer Probleme, in: Albrecht/ Brüsten (Hg.), Soziale Probleme und soziale Kontrolle, Opladen 1982, S. 78, verwendet, falsch. Ebensogut könne man von männlichen Defiziten sprechen.

systemtranszendierend

symbolisch instrumentell

Auffassung bzgl. polit. System

Schwerpkt. d. Politik

symbolisch

systemkonform

systemtranszendierend

Selbstverwirklichung für beide Grundsätzliche Egalität im offendiSelbstverwirklichung für beide GeGeschlechter als soziale Utopie chen Bereich einer offenen Gesellschlechter als Folge einer klassenloeiner von Herrschaft befreiten schaft; private Gleichwertigkeit der sen Gesellschaft Gesellschaft Geschlechter; allgemeine Chancenb) Frauenherrschaft basierend auf gleichheit, damit weibliche AndersRollentausch artigkeit sich entfalten kann c) Frauenherrschaft basierend auf Überhöhung der Mutterschaft

a)

Klassenlage ist Hauptwiderspruch/Geschlecht ist Neben widerspruch

Soziale Utopie/Ziel

Neben anderen gesellschaftlichen prioritären Differenzierungskriterien auch das Geschlecht

Geschlecht, Männerherrschaft auf Kosten der Frauen

Differenzierungskriterium/Hauptwiderspruch

Politische Gegenwartsbeschreibung

Androgynität Frauen als bessere Menschen Frauen und Männer sind vor dem b) Frauen als bessere Menschen Kapital gleich Patriarchat Moderne westliche IndustriegesellKapitalismus mit quasi feudalen, schaft, in der die Frauen benachteipatriarchalischen Elementen ligt werden

a)

Sozialistische Frauenbewegung

Menschenbild

Traditionelle Frauenbewegung

Autonome bzw. neue Frauenbewegung

Kategorien

30 II. Grundlagen

3 Slupik

Rechtsgleichheit

Strategie/Taktik

Vorparlamentarische und parlaEinbringen der eigenen Anliegen mentarische Lobby; Einhalten von bei gleichzeitiger Loyalität gegenSpielregeln; Verbandsmacht über männl. dominierten Organisationen. Im Zweifel ist Loyalität diesen gegenüber prioritär.

a) ja, auf der Basis anderer Mänja, systemkonform grds. nur als symbol. Hebel für eine ner- und Frauenrechte Erweiterung der Rechte der unterb) Kompensierendes Recht zum drückten Klassen mit systemsprenEindringen in männl. Bereiche gender Tendenz c) Rechtl. Aufwertung der Mutterschaft

gezielter Rechtsbruch; außerparl. Aktionen; kalkulierte Gewalt; Aufbrechen von Tabus; Drohpotential Öffentlichkeit

1. Die organisierten Interessen der Frauen

32

II. Grundlagen

Visionen bis hin zur konservativen Verbandspolitik katholischer Landfrauen zu fassen, so ist sie gleichermaßen untauglich, die Übereinstimmung in den Leitbildern und Forderungen der verschiedenen Fraktionen zu verdeutlichen. Beide Sachverhalte zeigt die Übersicht auf S. 30/31. Andererseits wird an diesem Schaubild, das die Vielfalt von Divergenzen und Konvergenzen offenlegt, aber auch deutlich: Jede Begriffsbildung, die nicht auf einem hohen Abstraktionsniveau ansetzt, läuft Gefahr, jene dilatorischen Formelkompromisse fortzuschreiben, mit denen Differenzen zwischen den verschiedenen Fraktionen nicht ausgetragen, sondern unter Beschwörung weiblicher Geschlechtssolidarität zugedeckt werden. Deshalb wird zur Kennzeichnung der unterschiedlichen Positionen in der Frauenbewegung ein Begriffspaar gewählt, das in idealtypisierender Absicht von den historischen Umständen abstrahiert, dessen jeweilige Elemente den verschiedenen Richtungen auch nicht unmittelbar zugeordnet werden können, das jedoch geeignet ist, die jeweils erhobenen Forderungen in ihren grundsätzlichen Intentionen zu kennzeichnen und sie auf ihre rechtliche Umsetzungsqualität hin zu bewerten: — Es handelt sich einmal um die Position, die von der Auffassung einer grundsätzlichen Gleichheit der Geschlechter aus argumentierend ihr Ziel in einem potentiellen Rollentausch sieht (Austauschgerechtigkeit) 26. — Die zweite Position konstatiert als Basis für Bestrebungen zur Anerkennung einer Gleichwertigkeit von Frau und Mann (Bewertungsgerechtigkeit) eine sozial erhebliche Verschiedenheit 27 der Geschlechter, die auch in Zukunft hingenommen werden soll. Austauschgerechtigkeit und Bewertungsgerechtigkeit unterstellen einen Handlungsbedarf 28 , der sich aus der Auffassung herleitet, daß Frauen bei der Verwirklichung ihrer Lebenschancen ein Gerechtigkeitsdefizit haben. Die Frauenbewegung sieht ihren politischen Ausgangspunkt in einem gesellschaftlichen Mißstand, weil sie die soziale und ökonomische Lage des männlichen Geschlechts faktisch zum Vergleichsmaßstab nimmt. 2 9 Kurzum: Frauen partizi26 Aus der Fülle männlicher Skeptiker ( „ M i t einem Rollentausch allein kann die Diskriminierung der Frau nicht aus der Welt geschafft werden") siehe nur den eben zitierten Klimpe-Auerbach, Diskriminierung der Frauen beim Zugang zu den Berufen, bei Einstellung und Kündigung, in: Posser/Wassermann, Von der bürgerlichen zur sozialen Rechtsordnung, Heidelberg/Karlsruhe 1981, S. 52. 27 Man kann jedoch die begründete Auffassung vertreten (vgl. 1.1. Problemlage), daß jeder Biologismus in prinzipiellem Widerspruch zum Anliegen der Gleichberechtigung oder auch Frauenemanzipation steht (s. dazu auch de Beauvoir, Das andere Geschlecht, Hamburg 1951). Es geht hierbei auch um eine Unterscheidung zwischen „Wesen" und „Sozialcharakter" der Frau und des Mannes. 28 Der Gesichtspunkt des Handlungsbedarfs aufgrund eines sozialen Mißstandes trennt selbst konservative, frauenrechtlerische Positionen von solchen, die an der Erhaltung des Status quo einer Männerdominanz interessiert sind.

1. Die organisierten Interessen der Frauen

33

pieren an gesellschaftlichen u n d staatlichen Besitzständen — gemessen an den sozial üblichen N o r m e n u n d sozialen I n d i k a t o r e n wie soziale Sicherheit, Eigentum, Erwerbsmöglichkeiten, Vermögen, persönliche Freizügigkeit — geringer. 3 0 Die organisierten Interessen der Frauen resultieren also aus ihrer Lebenswirklichkeit. Das Gerechtigkeitsdefizit erhält v o n d o r t seine soziale Sprengkraft. 3 1 Beide Positionen — die Austauschgerechtigkeit wie die Bewertungsgerechtigkeit — stellen demnach immer die existierende Verteilung gesellschaftlicher, staatlicher u n d privater Besitzstände zur Disposition. Beide fordern sie Verteilungsgerechtigkeit. 32

29 Nicht die Vision einer besseren Welt, sondern der erfahrene, spürbare Mißstand auf der Basis des geschlechtsspezifischen Vergleichs ist der Motor der politischen Bewegung. Vgl. Baibus, Das Dreieck der neuen sozialen Bewegung: Feminismus, Ökologie und Basisdemokratie, in: Schäfer (Hg.), Neue soziale Bewegungen: Konservativer Aufbruch in buntem Gewand, Frankfurt 1983, S. 49-61, s. ebenda auch Frankenberg, Thesen zum strategischen Rechtsgebrauch sozialer Bewegungen, S. 107-119. Raschke, Soziale Bewegungen. Ein historisch-systematischer Grundriß, Frankfurt/M./New York 1985, S. 16. Zum Politikbewußtsein alter und neuer Frauenbewegung vgl. Hagemann-White, Zum Verhältnis von Geschlechtsunterschieden und Politik, in: Kulke (Hg.), Rationalität und sinnliche Vernunft. Frauen in der patriarchalischen Realität, Berlin 1985, S. 152. 30

„Die absolute Rechtslosigkeit der Frau auf Straßen und Plätzen, sobald das nächtliche Dunkel jeden Insult gegen sie seitens eines feigen Mannes deckt, ist noch so tief im Volksbewußtsein eingewurzelt und wird durch unsere gesellschaftlichen Zustände ( . . . ) so sehr unterstützt, daß noch Jahrzente vergehen werden, bis man sich daran gewöhnt, der weiblichen Steuerzahlerin auch nächtlicher Weile die ungehinderte Benutzung der öffentlichen Verkehrswege zu überlassen", so über „Die Schutzlosigkeit der Frau", in: Die Frauenbewegung 1898, S. 13. Zutreffend diesbezüglich Zeidler, Festvortrag zum 53. DJT 1980, I I 07, wo er die zunehmende Gewalt auf öffentlichen Straßen als elementare Einschränkung von Freiheitsrechten beklagt und mit der Einschränkung von Freiheitsrechten in einer Diktatur vergleicht. 31 Die geringe Innovationskraft der sozialistischen Frauenbewegung ergab sich daher, daß sie dieses Problem der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern als Bezugspunkt politischer Erkenntnis immer wieder dem Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit zwischen sozialen Schichten / Klassen opferte. 32 Damit wird aber zugleich auch einer angeblichen Naturhaftigkeit und Schicksalsmäßigkeit von weiblicher Bestimmung und Lebenslage eine Absage erteilt. Für Austauschgerechtigkeit erscheint dies selbstverständlich, denn sonst wäre ein potentieller Rollentausch nicht denkbar. Aber selbst extrem biologistische Vertreterinnen der Frauenbewegung oder auch diejenigen, die,Gleichwertigkeit' bei,wesensmäßiger Verschiedenheit der Geschlechter' fordern, haben zumindest — und dies ist legitimationsnotwendig — die Vision eines Gleichgewichts im Geschlechterverhältnis im Auge, wenn auch nicht unbedingt formelle Rechtsgleichheit. Vgl. dazu Slupik, Verrechtlichung der Frauenfrage — Befriedungspolitik oder Emanzipationschance? Die aktuelle Diskussion eines Anti-Diskriminierungsgesetzes, KJ 4/1982, S. 352f.

34

II. Grundlagen

Hieraus resultiert folgendes Schema zur Verteilungsgerechtigkeit. 33 Entwicklung

Bewertungsgerechtigkeit

Sozial (Ist) Recht (Soll) Sozial (Ergebnis) Ziel

Verschiedenheit Ungleichheit Gleichwertigkeit Gleichheit Neubewertung Potentieller Rollentausch Gleichgewicht im Geschlechtsverhältnis

Austauschgerechtigkeit

Dieses begriffliche Raster hat mehrere Eigenschaften: — Es ist ein heuristisches Modell zur Erfassung von Positionen der Frauenbewegung im Hinblick auf ihre rechtliche Umsetzungsqualität. — Es bietet Raum für sämtliche Auffassungen aus den Frauenbewegungen. Damit erfaßt es, als Klassifikationsschema alle logisch denkbaren Meinungen und ist im Unterschied zu Begriffen wie „Rechtsgleichheit" oder „Gleichberechtigung" politisch offen. — Sodann verweisen die Begriffe auf den gesellschaftlichen Charakter der zugrundeliegenden Problematik, d. h. auf ein Verteilungsproblem bzw. einen sozialen Verteilungskampf. Damit wird der Interessencharakter der Frauenfrage (Geschlechterkampf) ins Blickfeld gerückt. Sind die einen der Auffassung, der besondere Frauenarbeitsschutz zementiere die Ungleichheit eher statt sie abzubauen (Austauschgerechtigkeit), bestehen die anderen auf einer sozialen Veschiedenheit der Geschlechter — Hausarbeitsbelastung nur der Frauen — und verlangen Sondergesetze für Frauen (Bewertungsgerechtigkeit). Verlangen die einen einen Lohn für Hausarbeit (Bewertungsgerechtigkeit), wollen die anderen die Hälfte aller qualifizierten Arbeitsplätze (Austauschgerechtgkeit). Verlangen die einen eine eigenständige soziale Sicherung der Hausfrau (Bewertungsgerechtigkeit), wollen die anderen kompensierende Regelungen für Frauen beim Zugang und Aufstieg im Erwerbsbereich (Austauschgerechtigkeit). Wollen die einen Frauen weiterhin nicht zur Bundeswehr lassen (Bewertungsgerechtigkeit), fordern die anderen einen Einbezug (Austauschgerechtigkeit). Das bedeutet in concreto: Zu Wertkollisionen im Rahmen dieses Modells kommt es immer dann nicht, wenn Umstände und Normen zur Diskussion stehen, die sich nur auf ein Geschlecht beziehen können, ζ. B. Abtreibung, Schutz des Samenspenders etc. (biologisch eindeutige Umstände). 34 Dann jedoch, wenn soziale Sachverhalte im 33 Zur Problematik einer Definition sozialer Gerechtigkeit vgl. bei Preuß, Die Internalisierung des Subjekts. Zur Kritik der Funktionsweise des subjektiven Rechts, Frankfurt/M. 1979, S. 282ff. 34 Im übrigen gehört zu den historischen und aktuellen Essentials der Frauenbewegung eine ganze Reihe egalitärer Forderungen etwa im politischen Bereich, die unabdingbar für

2. Geschichte und Motive des Art. 3 Abs. 2 GG

35

Spiel sind, in denen grundsätzlich ein Rollentausch möglich wäre, kann es zu immanenten Wertzusammenstößen kommen. 2. Entstehungsgeschichte und gesetzgeberische Motive des Art. 3 Abs. 2 GG Beide Formen der Verteilungsgerechtigkeit haben in der Entstehung des Gleichberechtigungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 2 GG Eingang gefunden. Dies ist auf die maßgebliche Rolle der Frauenbewegung bei der Konstituierung dieser Verfassungsnorm zurückzuführen und soll im folgenden gezeigt werden. Hieraus läßt sich auch ableiten, daß Art. 3 Abs. 2 GG in seiner Geltung nicht auf bestimmte Rechtsbereiche beschränkt ist und ferner, daß er eine Anhebungstendenz für die Rechtsposition der Frauen beinhaltet. Unabhängig davon, welche der klassischen Methoden der Norminterpretation 1 man bevorzugt, spielen Entstehungsgeschichte, Beweggründe und Auffassungen des Grundgesetzgebers eine zentrale Rolle beim Stiften normativ verfaßter Zusammenhänge durch konstruktive Deutung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. 2 Denn die „lapidaren Formen des Art. 3 Abs. 2 und 3 sind ein Niederschlag jahrhundertelanger geistesgeschichtlicher und politischer Kämpfe um die prinzipielle Gleichberechtigung der Geschlechter ( . . . ) — ein nur mit größter Mühe erreichter und nach wie vor von Rückschlägen bedrohter Fortschritt in der Geschichte gleicher Freiheit". 3 Die Gleichberechtigung der Geschlechter als Ergebnis eines historischen Befreiungsvorgangs wurde schon 1950 als „Schlußstein zur modernen Frauenemanzipation in Deutschland" 4 bezeichnet. Es ist hier ausführlich zur Frage der Methoden bei der Auslegung der Verfassung Stellung zu nehmen, weil die Plazierung von Überlegungen zu Entstehungsgeschichte und gesetzgeberischen Motiven sowie darauf folgend zur Anwendungsgeschichte des Art. 3 Abs. 2 GG bereits an dieser Stelle eine eigene Handlungsmöglichkeiten als politische Organisationen sind und alle auf dem Prinzip der Austauschgerechtigkeit basieren (z.B. Staatsbürgerliche Rechte, wie Zugang zu allen politischen Ämtern). 1 Siehe dazu den Überblick bei AK-GG-Stein, Einleitung I I m.w.N., S. 92ff. sowie Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, NJW 1976, 2089, der eine Priorität des Bundesverfassungsgerichts auf teleologisch-systematischer Auslegung sieht und Ossenbühl, Die Interpretation der Grundrechte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1976, 2106. 2 A . A . offenbar AK-GG-Stein, Art. 3, Rdn. 74, der Entstehungsgeschichte und gesetzgeberische Motive überhaupt nicht erwähnt. Dagegen beklagt Dürig, Art. 3 I I GG — vom verfassungsrechtlichen Standpunkt gesehen, FamRZ 1954, S. 3, schon damals die „völlige ,Geschichtslosigkeit\ mit der der Gleichberechtigungsgrundsatz von seinem verfassungs- und geistesgeschichtlichen Urgrund gelöst" wird. 3 Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: Benda /Maihofer/ Vogel (Hg.), Handbuch des Verfassungsrechts, Berlin/New York 1984, S. 142f. 4 Beitzke, Die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Bonner Grundgesetz, Tübingen 1950, S. 9. 3*

36

II. Grundlagen

Vorentscheidung über die bevorzugte Methode der Verfassungsauslegung enthält. Entstehungs- und Anwendungsgeschichte als „Grundlagen" eines dogmatischen Modells herauszustellen, bedeutet, daß die Auslegung der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze des Grundgesetzes zentral dem Willen des Verfassungsgebers entnommen und im Zusammenhang mit der darauffolgenden legislativen Geschichte erfolgt, also einer — wenn man so will — subjektiven Theorie gefolgt wird. 5 Dieser, in der Tradition von Philipp Heck 6 entwickelte, Ansatz der Interessenjurisprudenz, steht im Gegensatz zur vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung 7 vertretenen objektiven Theorie: „Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können." 8 A u f diese Weise stellt das Bundesverfassungsgericht eine Hierarchie der verschiedenen Auslegungsmethoden auf, wonach die grammatische Auslegung an erster Stelle steht und ihr die systematische, sodann die teleologische und schließlich die historische Auslegung folgen. 9 Zwar setzt sich das Bundesverfassungsgericht vereinzelt sogar über den eindeutigen Wortlaut mit der Bemerkung hinweg, er sei „nicht entscheidend". 10 Der Entstehungsgeschichte, so wird manchmal betont 1 1 , komme jedoch nur eine ergänzende Funktion zu. Aus mehreren Gründen vermag man dieser Auffassung des Bundesverfassungsgerichts mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 und 3 GG nicht zuzustimmen: — Trotz seiner auf die objektive Theorie festgelegten Position in der Methodenfrage und trotz der geäußerten Vorbehalte, stellt das Bundesverfassungsge5 Vgl. Schneider, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, in: Dreier/ Schwegmann, Probleme der Verfassungsinterpretation, 1976, S. 157 und Krüger, Verfassungsauslegung aus dem Willen des Gesetzgebers, DVB1. 1961, S. 685 f. 6 Das Problem der Rechtsgewinnung (1912), Gesetzesauslegung und lnteressenjurisprudenz (1914), Begriffsbildung und lnteressenjurisprudenz (1932), wiederaufgelegt Frankfurt/M. 1968, S. 76: „Meine ganze Schrift will ja den Leitsatz vertreten, daß bei der Auslegung nach den historischen Gebotsvorstellungen des Gesetzgebers und damit nach den historischen Gesetzesbegriffen zu forschen ist." 7 Siehe BVerfGE 1, 299, 312; 8, 274, 307; 11, 126, 129f.; 33, 265, 294; 38, 154, 163. 8 BVerfGE 1, 299, 312. 9 So z.B. BVerfGE 11, 126. 10 BVerfGE 32, 54, 72. 11 BVerfGE 1, 126, 130; 1, 299, 312; 8, 274ff.; 11, 126ff., 131.

2. Geschichte und Motive des Art. 3 Abs. 2 GG

37

rieht die historische Auslegung vielfach gleichgewichtig neben die sprachliche und systematische wie z. B. im § 218-Urteil 12 oder bei der Entscheidung zur allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 G G 1 3 , 1 4 . Man kann also bezogen auf die Praxis—im Unterschied zur Theorie des Bundesverfassungsgerichts — durchaus von einem Methodenpluralismus mit Blick auf das gewollte Ergebnis sprechen. 15 — Überdies ergibt sich, so z.B. die Auffassung von Stein 16 , daß der Entstehungsgeschichte einer Verfassungsnorm für ihre Auslegung eine größeren Bedeutung zukommt, als das Bundesverfassungsgericht es zugestehen will, auch daraus, daß das Gericht — im Unterschied zum Parlament — keine unmittelbare demokratische Legitimation besitzt. Wenn das Bundesverfassungsgericht seine Legitimation aber ausschließlich aus der Verfassung herleitet, deren Geltungskraft lediglich auf dem Verfahren beruht, in dem sie entstanden ist, dann ist die historische Auslegung jedenfalls dann vorrangig und auch für das Bundesverfassungsgericht bindend, wenn es um Fragen geht, die während der Vorarbeiten zum Grundgesetz diskutiert und entschieden worden sind. 17 Dabei kommt der vorausgegangenen Meinungsbildung eine besondere Bedeutung zu. Weil gerade die Materialien zu Art. 3 Abs. 2 GG reichhaltig und für die strittige Frage der Reichweite und Wirkungsrichtung dieser Norm besonders ergiebig sind, stellen sie folgerichtig auch die Basis für eine Interpretation dar. — Die Entscheidung über die Frage, ob nun die objektive oder die subjektive Methode die „Richtige" sei, könnte, wie Dreier bereits anläßlich des Methodenstreits in den siebziger Jahren angemerkt hat 1 8 , nur dann getroffen werden, wenn es eine „konsensfahige" Rechts- und Staatsphilosophie geben würde. Davon kann jedoch nach wie vor nicht die Rede sein. 12

BVerfGE 39, 1, 36, 38 ff. BVerfGE 6, 32, 36 f. 14 Vgl. dazu im einzelnen Müller, Subjektive und objektive Auslegungstheorie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, JZ 1962, S. 471-475. 15 Stein-AK-GG, Einl. Rdnr. 30 meint sogar: „Die methodischen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts decken sich weitgehend mit den methodischen Aussagen von Juristen, die sich nicht näher mit Methodenfragen befaßt haben." Kritisch auch Dreier, Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: Dreier/Schwegmann, S. 26. 13

16

AK-GG, Einl. Rdnr. 46. Dies gilt auch für die Auslegung von einfachem Recht. A . A . offenbar Benda, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, S. 215, der meint, daß die einhellige Auffassung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, § 611 äff. BGB hindere Maßnahmen zur Herstellung von Chancengleichheit für Frauen nicht, bloß unverbindliche „Rechtsmeinung" sei. Dem steht die EG-Richtlinie v. 9. 2.1976 entgegen, die durch dieses Gesetz in innerdeutsches Recht umgesetzt werden sollte, deren Art. 4 Abs. 4 ein solches Förderungsgebot enthält. Nachweise dazu siehe S. 60 ff., 153 ff. 17

18

Dreier, Zur Problematik Dreier/ Schwegmann, S. 24.

und Situation der Verfassungsinterpretation,

in:

38

II. Grundlagen

— Schließlich: „Auch verfassungsrechtliches Denken ist Problemdenken". 19 Wenn durch die gesellschaftliche Entwicklung neue Fragen an das Recht herangetragen werden, wie etwa die Forderung nach einer Bevorzugung von Frauen durch Gesetze zum Zwecke der Herstellung von Chancengleichheit mit dem männlichen Geschlecht, so hat sich das Verfassungsrecht dieser Problematik zu stellen. Da das Verfassungsgericht, im Unterschied zum Supreme Court, das ähnlich gelagerte Fragen bereits entschieden hat 2 0 , damit noch nicht konfrontiert worden ist, dürfte ein Blick auf den Ursprung der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze das dogmatische Defizit erhellen. Das Ziel der Frauenbewegung, Verteilungsgerechtigkeit auf symbolischer und instrumenteller Ebene zwischen Frau und Mann herzustellen, mithin ein Gleichgewicht im Geschlechterverhältnis zu erreichen, bezog sich immer auch auf die Verankerung im normativen Bereich demokratischer Verfassungen. 21 Denn: Aus der Sicht der Frauen sind Menschen- und Bürgerrechte eben stets Männerrecht gewesen. Das Recht Schloß die Frauen gerade nicht ein. 22 Das zeigte sich bereits in der Weimarer Verfassung. Es muß anderen Bemühungen vorbehalten bleiben, Einfluß, Bedeutung und lobbyistisches Geschick der alten Frauenbewegungen bei Schaffung der Gleichberechtigungsformel der Weimarer Reichsverfassung zu ermitteln. Hier kann man sich auf die wesentlichen Ergebnisse beschränken. Art. 109 WRV erkannte Frauen und Männern „grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten" zu. Damit sollte aber lediglich staatsbürgerliche Gleichstellung gewährleistet werden. Art. 119 Abs. 1 Satz 2 WRV sagt, „Sie (d. h. die Ehe, die Verf.) beruht auf der Gleichbereichtigung der Geschlechter". Die damals herrschende Auffassung 23 19

Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, in: Dreier/Schwegmann, S. 172. Vgl. Nachweise bei Benda, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, Freiburg 1986, S. 87 f. 21 Vgl. schon bei Lange / Bäumer (Hg.), Handbuch der Frauenbewegung, I. Teil, Berlin 1901, S. 34 ff. 22 „Gerechtigkeit und Gleichheit als ideologische Leerformeln", so: Schumann/Giesen, Frauen und Recht oder vor dem Gesetz sind alle gleich, in: Dokumentationsgruppe der Sommeruniversität der Frauen e.V. (Hg.), Autonomie oder Institution. Beiträge zur 4. Sommeruniversität der Frauen, Berlin 1981, S. 284ff.; Mackinnon, Commentary: Pornography, Civil Rights and Speech, in: Harvard Civil Rights — Civil Liberties Law Review, Vol. 20, No. 1, Harvard, Winter 1985, S. 26. 23 Siehe: Wieruszowski, Art. 119: Ehe, Familie, Mutterschaft, in: Nipperdey (Hg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung. Kommentar zum 2. Teil der Reichsverfassung. 2. Bd., Berlin 1930, S. 81 f.; Mitteis, Bürgerliches Recht: Familienrecht. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, Bd. X, 2. Aufl., Berlin 1928, S. 2; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 12. Aufl., Berlin 1930, Anm. 2 zu Art. 119; Giese, Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 7. Aufl., Berlin 1926, Anm. 2 zu Art. 119; Lehmann, Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches einschließlich Jugendfürsorgerecht, Bd. IV, Berlin / Leipzig 1929, S. 11; RGRK-Kommentar, Anm. 1 zu § 1634 (Sayn); Cohn, Gleichberechtigung der Geschlechter im künftigen Elternrecht (Reichsverfassung Art. 119), Hamburg 1932, S. 2f. A . A . 20

2. Geschichte und Motive des Art. 3 Abs. 2 G G

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erklärte die Vorschrift — anders als Art. 128 Abs. 2 WRV, der „alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte" beseitigte — zum bloßen Programmsatz und damit nicht als unmittelbar geltendes Recht. Insofern blieb das gesamte Ehe- und Familienrecht dominiert von Männerrechten. Die Verfassungsnorm war hier lediglich Ausdruck symbolischer Politik. Auf diesem historischen Hintergrund ist die Einwirkung der Frauenbewegung auf die Beratungen des Parlamentarischen Rates zum Grundgesetz zu beleuchten. Welche Inhalte waren es, deren Durchsetzung von den Frauen gefordert wurde? Was hat der Verfassungsgeber daraus gemacht? Außerparlamentarische Aktionen aus der Breite aller Strömungen des Frauenengagements begannen ab Mitte 1948. Sie setzten ein, nachdem ein erstmals von der SPD-Fraktion auf der 26. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 30. 11. 1948 eingebrachter Antrag nach seiner 1. Lesung und längeren Diskussionen im Hauptausschuß abgelehnt wurde. 24 Der Antrag hatte den umstrittenen Inhalt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" und sollte die an die Weimarer Reichsverfassung angelehnte Fassung: „Männer und Frauen haben dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten" erweitern. 25 Zahllose Eingaben, Proteste, Resolutionen und andere öffentliche Meinungsäußerungen von Frauengruppen und Frauenorganisationen sind als eindeutiges Votum für diese erweiterte Fassung des Art. 3 Abs. 2 GG zu verstehen, die sich dann letztendlich auch parlamentarisch durchsetzte. 26 Aus der Rückverfolgung der verschiedenen Aktivitäten der Frauen und ihrer Wirkung auf den Entscheidungsvorgang ergeben sich vier Gesichtspunkte: — Die öffentliche Anteilnahme in Form des Frauenprotestes war — angesichts der ansonsten nicht sehr engagierten öffentlichen Meinung — von großer Kröger, die Rechtsstellung der Ehefrau nach der Reichsverfassung, DJZ 1922, S. 601 ff.; zur ähnlichen Entwicklung in der Schweiz vgl. Kaufmann, Die Gleichstellung von Mann und Frau in der Familie gemäß Art. 4 Abs. 2 Bundesverfassung, Basel 1985. 24 Vgl. Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses 1948-1949: 17. Sitzung vom 3.12. 1948, S. 206-208 42. Sitzung vom 18. 1. 1949, S. 538-544 47. Sitzung vom 8. 2. 1949, S. 613 20. Sitzung vom 7.12. 1948, S. 237-238 52. Sitzung vom 22. 2. 1949, S. 691-692 Vgl. auch Reich-Hilweg, Männer und Frauen sind gleichberechtigt, Frankfurt/M. 1979, S. 18-22, die als einzige Verfasserin im juristischen Schrifttum den „Kampf um die Gleichberechtigung der Frau während der Beratungen des Parlamentarischen Rates" (S. 17) auch auf den Sinngehalt von Art. 3 Abs. 2 GG bezieht. 25 Vgl. die bundesdeutschen Landesverfassungen zum Zeitpunkt der Beratungen bei: Beitzke, Die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Bonner Grundgesetz, Tübingen 1950, S. 12 f. und Ramm, Gleichberechtigung und Hausfrauenehe, JZ 1968, S. 42. Die Ablehnung beruhte vor allem auf Argumenten, die „Rechtschaos" durch Außerkraftsetzung zahlloser familienrechtlicher Vorschriften befürchteten. 26 Vgl. Reich-Hilweg, S. 21, Fn. 26, die die Eingaben auflistet sowie 42. Sitzung des Hauptausschusses, S. 544.

II. Grundlagen

40

Bedeutung für die Beratungen. 2 7 M a n bezog sich ausführlich u n d vielfach a u f die Eingaben u n d die Presseresonanz. 28 — D i e einmütige Verabschiedung des Gleichberechtigungsgrundsatzes u n d eine Reihe tendenziell gleichförmiger bzw. unwidersprochener Aussagen zu seinem I n h a l t 2 9 durch Bekenntnisse v o n Politikerinnen aller Parteien kamen erst nach den Frauenprotesten zustande. D e r bewußtseinsbildende Einfluß des Protestes war unverkennbar. — Die breite Fassung v o n A r t . 3 Abs. 2 G G war Konsens zwischen den unterschiedlichen Strömungen der Frauenbewegung, ein gemeinsames politisches K a m p f z i e l . 3 0 — D a A r t . 3 Abs. 2 G G i n der v o n den Frauen geforderten F o r m verabschiedet wurde, waren die Proteste erfolgreich. So gesehen ist der Gleichberechtigungsgrundsatz durch Frauenbewegungen erkämpftes R e c h t . 3 1 I n seiner geltenden Fassung ist er die juristische Zentralnorm der Frauenfrage, das verfassungsrechtliche Eingangstor für das politische Ziel der Verteilungsgerechtigkeit im Geschlechterverhältnis. Neben dem Einfluß der Frauenbewegung a u f die Beratungen des Parlamentarischen Rates spielen für die D e u t u n g des A r t . 3 Abs. 2 G G maßgeblich die Auffassungen der Parlamentarier / innen eine R o l l e . 3 2 D i e ubiquitäre Geltung des 27

Merkel, Die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1965, S. 103. Vgl. Weber, 20. Sitzung, S. 237; Seibert, ebenda, S. 238; Strauß, 42. Sitzung, S. 538 f.; Weber, ebenda, S. 539; Seibert, ebenda; Heuss, ebenda, S. 542, allerdings abwiegelnd: „Denn unser Sinn war von Anfang an so, wie sich die aufgeregten Leute draußen das gewünscht haben." 29 Vgl. die vor der 20. Sitzung des Hauptausschusses stattgefundenen Diskussionen mit denen danach. A u f diesen Befund berufen sich auch die Grünen zur Begründung der politischen Forderung nach einem Anti-Diskriminierungsgesetz, vgl. Die Grünen (Hg.), Vorläufiger Entwurf eines Anti-Diskriminierungsgesetzes, Bonn 1986, S. 14: „Bereits 1948 bedurfte es heftiger Auseinandersetzungen im Parlamentarischen Rat, um den Satz ,Männer und Frauen sind gleichberechtigt' in der Verfassung zu verankern. Außerparlamentarische Aktivitäten von Frauen...". 30 Reich-Hilweg, S. 22; Hofmann-Götting, Emanzipation mit dem Stimmzettel. 70 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland, Bonn 1986, S. 3. 31 Seibert, 42. Sitzung, S. 539: „Die große Zahl von Eingaben beweist immerhin, welches große Interesse diese Lebensfrage der deutschen Frauen draußen in den weitesten Frauenkreisen erregt hat". ( . . . ) Sodann aber leider: „Unsere Forderung auf diese Art Gleichberechtigung entspringt auch nicht frauenrechtlerischen Tendenzen. Ich bin in den 30 Jahren, in denen ich in der politischen Bewegung stehe, nie eine Frauenrechtlerin gewesen und werde es nie sein. Ich bin vielmehr der Meinung, daß auch die Mitarbeit der Frau im Politischen nur unter Einsatz ihrer besonderen Eigenart erfolgen soll." Diese Äußerung, in der sich Seibert persönlich von der Zugehörigkeit zu radikaleren Flügeln der Frauenbewegung distanziert, zugleich aber deren Aktivitäten taktisch für sich vereinnahmt, ist charakteristisch für traditionelle Sozialdemokratinnen, siehe Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. I (1889-1917), Berlin 1957, S.41. Siehe aber auch: Seibert, Interview, in: Fabricius-Brand, u.a., Juristinnen, Berlin 1982, S. 189 zur Funktion des Frauenprotests. 28

2. Geschichte und Motive des Art. 3 Abs. 2 GG

41

Gleichberechtigungsgrundsatzes zeigt sich übergreifend in einer Tendenz zur Anhebung der Frauenposition im Recht und läßt sich darüber hinaus für folgende Einzelfragen belegen: — — — —

Bindung aller Staatsgewalten Geltung für alle Rechts- und Lebensbereiche Lohngleichheit Kein Abbau von Frauenrechten Das bedeutet im einzelnen:

— Die aufgeführten Quellen der Entstehung des Art. 3 Abs. 2 G G werden ergänzt durch die in den Protokollen durchgängig belegbare 33 und von einem Großteil der Literatur 3 4 zustimmend vertretene Anhebungstendenz des Art. 3 Abs. 2 ausschließlich zugunsten des weiblichen Geschlechts. Das wird paradigmatisch deutlich im Plädoyer von Ridder in Sachen des väterlichen Stichentscheids vor dem Bundesverfassungsgericht 1959: Das „Anliegen des Art. 3 Abs. 2 nach dem konstituierenden Impuls der Verfassungsgebung aber ist — durch Materialien und Entstehungsgeschichte und das öffentliche Bewußtsein mehr als hinreichend erhärtet — die rechtliche Anhebung der Frau auf den Stand des Mannes, darunter nicht zuletzt die endgültige Erfüllung dessen, was die Reichsverfassung von Weimar mit der auf Gleichberechtigung der Geschlechter beruhenden Ehe für das Familien- und Eherecht versprochen hatte, durch unmittelbare, nicht bloß programmatische Vollziehung im größeren Rahmen eines Verfassungskompromisses der maßgeblichen und mehrheitlich politischen Kräfte, zu 32

Sicherlich ist es problematisch, die Frauenbewegung als Akteur der Verfassungsgebung zu begreifen. Aber sie stellte organisierte Interessen dar, die über die Mitglieder des Parlamentarischen Rats vermittelt wurden. 33 Seibert (SPD), H . A . 17. Sitzung, S. 206: „Die Frau soll nicht nur in staatsbürgerlichen Dingen gleichstehen, sondern muß auf allen Rechtsgebieten dem Manne gleichgestellt werden." Weber (CDU), ebenda S. 207: „Aber die grundsätzliche Einstellung, daß wir Frauen gleichberechtigt sind und daß die Grundrechte dies zum Ausdruck bringen sollen, hat die C D U schon im Grundsatzausschuß vertreten." Seibert, ebenda, S. 207: „ I n allen Punkten, in denen die Gleichberechtigung nicht besteht, muß das Familienrecht, müssen überhaupt alle gesetzlichen Bestimmungen, die dem Grundsatz entgegenstehen, geändert werden." Schmidt (SPD), ebenda S. 208: „Es geht doch darum, daß die Frau in diesem Jahrhundert den Anspruch erhebt und erheben kann, als ein Wesen gleicher Mündigkeit wie der Mann angesehen zu werden. Die Frau kann den Anspruch erheben, und erhebt den Anspruch, daß ihr zugetraut wird, mit der gleichen Verantwortlichkeit und mit der gleichen Fähigkeit für ihre Interessen zu sorgen und durch das Leben zu schreiten." Weber, ebenda, „Die Artikel ( . . . ) führen genau zu dem, was sie wollen, nämlich zu einer besseren Rechtstellung der Frau." Strauß (CSU), H. A. 42. Sitzung, S. 538: „ ( . . . ) daß wir die Gleichberechtigung der Frau in jeder Beziehung, nicht nur bei den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten, anerkennen und verlangen und, daß, soweit noch juristische Widersprüche bestehen, diese Widersprüche beseitigt werden müssen." 34

Dürig, FamRZ 1954, S. 3; Ramm 1968, S.42; Dürig, G G K , Art. 3 I I Rz. 11: „Verfassungs- und geistesgeschichtliche Agens des Gleichberechtigungsgrundsatzes".

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II. Grundlagen

dem man zu stehen hat, wenn man den Anspruch erheben will, sich verfassungsloyal zu verhalten". 35 — Belegt werden kann weiterhin die ausdrückliche Absicht des historischen Gesetzgebers, alle Staatsgewalten mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz zu binden 36, und zwar über das in Art. 1 Abs. 3 GG für alle Grundrechte normierte Maß hinaus. Art. 1 Abs. 3 GG besagt, daß alle Staatsgewalten an die Grundrechte unmittelbar gebunden sind. Demgegenüber läßt sich die besondere Bindungsmächtigkeit des Art. 3 Abs. 2 G G wie folgt begründen: Aus der Einfügung des Art. 117 Abs. 1 GG („Das dem Art. 3 Abs. 2 entgegenstehende Recht bleibt bis zu seiner Anpassung an diese Bestimmung des Grundgesetzes in Kraft, jedoch nicht länger als bis zum 31. März 1953") und der vorläufigen Annahme des Antrags „Die Gesetzgebung hat dies (nämlich die Gleichberechtigung, d. Verf.) auf allen Rechtsgebieten zu verwirklichen" 37 kann geschlossen werden, daß dem Grundgesetzgeber besonders daran lag, den einfachen Gesetzgeber zur Beachtung der Gleichberechtigungsformel bei der Schaffung neuer Gesetze anzuhalten sowie frauendiskriminierendes Recht zu beseitigen.38 Dürig 3 9 und Benda 40 sprechen in diesem Zusammenhang von einem Gesetzgebungsauftrag, wonach das dem Prinzip der Gleichberechtigung widersprechende Recht anzupassen sei. Der Grundgesetzgeber sah also deutlich, daß de lege lata ein gleichberechtigungswidriger Zustand zu Lasten der Frauen herrschte, der gesetzgeberisch geändert weden sollte. Insofern steht Art. 117 Abs. 1 bezüglich Art. 3 Abs. 2 und 3 GG im Verhältnis der Spezialität, denn er erteilt inzident einen Handlungsauftrag mit ausdrückli35

Ridder, Männer und Frauen sind gleichberechtigt, S. 227. In weiten Teilen der Diskussion im Parlamentarischen Rat war fast ausschließlich davon die Rede, welche Aufgaben auf den zukünftigen Gesetzgeber zukommen werden. Vgl. bei Holtkotten, in: Bonner Kommentar (Erstbearbeitung), Art. 117 GG, S. 1-5. 37 Vgl. H. A. 42. Sitzung Kurzprotokoll Drs. Nr. 540 sowie Friauf, Gleichberechtigung als Verfassungsauftrag, S. 13 f. zur Geschichte dieses Antrags. Friauf interpretiert allerdings den Antrag lediglich als Wiederholung von Art. 1 I I I GG und läßt dabei unbeachtet, daß man im Parlamentarischen Rat einverständlich von einem Gleichberechtigungsdefizit im einfachen Recht zu Lasten von Frauen ausging. Daher war es beileibe nicht zufallig, daß die Parlamentarier /innen gerade bei dieser Verfassungsnorm wegen des dringenden Handlungsbedarfs zunächst an einem speziellen „Verwirklichungsauftrag" dachten. 38 Rupp-v. Brünneck, Verfassung und Verantwortung, Baden-Baden 1983, S. 267 „Das Grundgesetz enthält neben dem allgemeinen Gleichheitssatz eine Spezialvorschrift über die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und hat darüber hinaus — in historisch begründetem Mißtrauen gegenüber dem männlichen Übergewicht in den gesetzgebenden Körperschaften — selbst statuiert, daß entgegenstehendes einfaches Recht auf allen Gebieten nach dem 1. April 1953 in jedem Fall seine Geltung verloren hat (Art. 117 Abs. 1 GG)." 39 Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Art. 117 S. 4. 40 Benda, Positive Aktionen,S. 40, S. 106. 36

2. Geschichte und Motive des Art. 3 Abs. 2 GG

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eher Fristsetzung insofern, als daß grundrechtswidriges Recht nach dem 31. 3. 53 nicht mehr geduldet werden w ü r d e . 4 1 I m Verhältnis zu A r t . 6 Abs. 5 G G , der nur ganz allgemein einen A u f t r a g zur Gleichstellung nichtehelicher m i t ehelichen K i n d e r n enthält, ist die Frist des A r t . 117 Abs. 1 G G eine stärkere Bindung des Gesetzgebers. 42 Z w a r ist A r t . 117 Abs. 1 G G wegen des Fristablaufs bedeutungslos geworden. Z u bedenken bleibt aber, daß m i t A b l a u f des 31.3. 53 genau die Situation eingetreten war, die v o n Mitgliedern des Parlamentarischen Rates befüchtet worden w a r . 4 3 Es war zu keinerlei Anpassungsgesetzgebung gekommen.44 — Die dem Gleichberechtigungsgrundsatz des A r t . 3 Abs. 2 G G innewohnende Tendenz zur A n h e b u n g der Frauenposition bezieht sich auf alle Rechtsgebiete, insbesondere das bürgerliche Recht, j a auf Gleichstellung i n jeder Beziehung. Besonders genannt wurden i n den Beratungen des Parlamentarischen Rates neben dem B G B , das Sozialrecht, das Arbeitsrecht u n d das W a h l r e c h t . 4 5 Explizit festgestellter Konsens war außerdem, daß A r t . 3 Abs. 2 G G den Grundsatz: „Gleicher L o h n für gleiche Arbeit, bzw. gleichwertige A r b e i t bzw. gleiche Leistung" e n t h ä l t . 4 6 41

Nachkonstitutionelles Recht mußte von vornherein diskriminierungsfrei gestaltet

sein. 42

Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GGK,Anm. 6, S. 4 zu Art. 117 GG. Vgl. die Anmerkung d. Abg. Becker bei Holtkotten, Bonner Kommentar, Anm. I A zu Art. 119, S. 2. 44 Man erwog damals, ob Art. 117 GG nicht doch nur als bloße Aufforderung an den Gesetzgeber, ähnlich wie Art. 6 Abs. 5 GG damals verstanden wurde, zu interpretieren sei. Vgl. dazu Schneider, Verfassungsrechtliche Vorfragen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, NJW 1953, S. 889 f. Der deutlich terminierte Verfassungsbefehl wurde sogar als „verfassungswidriges Verfassungsrecht" bezeichnet (dagegen BVerfGE 3, 225, 233). 45 Schon in der 17. Sitzung des H.A., S. 206 nannte Seibert das BGB und dort das Familienrecht. Weber (CDU) 42. Sitzung, S. 539: „Wir haben aber trotzdem auch in diesem Artikel hinzugefügt, daß die Gesetzgebung dies auf allen Rechtsgebieten verwirklichen soll. ( . . . ) nicht nur ( . . . ) BGB ( . . . ) , sondern wir denken an alle Rechtsgebiete. Wir denken an das Arbeitsrecht, an das Sozialrecht..." Seibert (SPD), ebenda, S. 541: „Ich möchte unter allen Umständen, daß die Gleichstellung der Frauen bereits zwingendes, bindendes Recht auf Grund der Verfassung wird, und zwar in der Weise, daß mit der Annahme der Verfassung diese Bindung bereits eingetreten ist. Ich denke zum Beispiel an den Neuabschluß von vielen Tarifverträgen, der jetzt in aller Kürze erfolgt." Wessel, ebenda, S. 542: „Wenn wir jetzt diesen Paragraphen so einmütig — Männer und Frauen — verabschieden, so geht meine Bitte dahin, daß wir dann auch bei den Beratungen des Wahlgesetzes die gleiche Förderung und Unterstützung hinsichtlich der Stellung der Frau im politischen Leben sehen mögen." Fecht (CDU), ebenda, S. 543: „Ich kann das nur unterstützen, weil ich aus Baden komme und das Vorbild der badischen Verfassung habe, in der es heißt, daß die der Familie gewidmete häusliche Arbeit der Frau der Berufsarbeit gleichgeachtet wird. Ich könnte mir denken, daß in einem späteren Arbeitsgesetz auch diese Seite der Gleichberechtigung besonders erwähnt wird." 43

II. Grundlagen

44

— Übereinstimmend war m a n der Auffassung, daß A r t . 3 Abs. 2 keine rechtlichen u n d tatsächlichen Verschlechterungen för Frauen bringen u n d existierende Besserstellung v o n Frauen i m Recht unangetastet bleiben sollten* 1 D i e besondere Sorge galt möglichen Schlechterstellungen v o n Frauen i n der sozialen W i r k l i c h k e i t u n d i m Recht, die v o n einer rigorosen, ohne Blick auf die spezifische Lebenslage der Frauen durchgeführten „ A n g l e i c h u n g an die M a n n e s s t e l l u n g " 4 8 befürchtet wurde. Verschiedene Mitglieder des Parlamentarischen Rates äußerten ein unterschiedliches Verständnis des Gleichberechtigungsgrundsatzes, das verschiedene Aspekte des Gleichberechtigungsbegriffs, bezogen auf Gleichheit u n d Gleich-

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Siebert (SPD), H . A . 17.Sitzung, S. 207: „Sein Gedanke, daß die Frauen bei gleicher Arbeit Anspruch auf gleichen Lohn haben sollen, wird von uns selbstverständlich gleichfalls vertreten. Aber man braucht das nicht noch einmal ausdrücklich zu sagen, da diese Forderung von der von uns vorgeschlagenen Formulierung mit umfaßt wird." Weber (CDU), H.A. 20. Sitzung, S. 237: „Ich hatte damals den Antrag gestellt, bei gleicher Arbeit müsse auch gleicher Lohn gegeben werden. Diesen Antrag habe ich zurückstellen lassen, als mir erklärt wurde ( . . . ) er sei nicht notwendig, denn diese Forderung sei schon in den abgestimmten Artikeln enthalten." Schmidt (Vorsitzender), H . A . S. 543: „Ich kann wohl hier als allgemeine Auffassung des Hauptausschusses feststellen, daß der Satz von der Gleichberechtigung für Mann und Frau beinhaltet, daß Mann und Frau bei gleicher Arbeit gleichen Lohn bekommen. (Zustimmung.) Es ist keine Stimme dagegen." Der Aussage von Dix, S. 314, der von der „Ausklammerung ζ. B. der Lohngleichheitsfrage bei den Vorarbeiten zu Art. 3 I I G G " spricht, kann daher ebenso wenig zugestimmt werden wie Reich-Hilweg, S. 29, die die Lohngleichheit ausschließlich unter dem Stichwort der sozialen Grundrechte abhandelt. Zutreffend dagegen Pfarr / Bertelsmann, Lohngleichheit, S. 28 für den Lohngleichheitsgrundsatz. Zu eng allerdings die Meinung, daß für die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern im Erwerbsleben „aus der Entstehungsgeschichte im wesentlichen nur der Lohngleichheitsgrundsatz direkt ableitbar" ist, Pfarr/ Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, S. 19. 47 So auch Dürig, in Grundgesetzkommentar, zu Art. 3 I I GG, Rz. 3. Siehe Schmidt (SPD), H.A. 17. Sitzung, S. 208: „ ( . . . ) daß die Formulierung ,Männer und Frauen sind gleichberechtigt 4 nicht etwa dazu führen könnte, Schutzbestimmungen des Arbeitsrechts oder des Sozialrechts zu tangieren, die zugunsten der Frau geschaffen worden sind, etwa für stillende Mütter und für ähnliche Fälle." Renner (KPD), ebenda: „Niemand kann doch wohl unterstellen, daß dem das Wort geredet wird, die wenigen Sonderrechte sozialer Natur — sonst kenne ich kein Sonderrecht —, die der Frau aufgrund ihrer körperlichen Konstitution eingeräumt sind, anzutasten." Weber (CDU), 42. Sitzung, S. 539: „ ( . . . ) und wir sind sogar der Meinung, daß auf gewissen Gebieten die Frau Vorrechte besitzen muß, wie zum Beispiel beim Mutterschutz und auf verschiedenen Gebieten der Sozialpolitik." Heuss (FDP), ebenda, S. 542: „Wir sind der Meinung, daß der kommende Gesetzgeber eine sehr diffizile Aufgabe haben wird, damit diese Gleichberechtigung nicht irgendwie zum Nachteil der Frauen interpretiert werden kann, daß wir in der sittlichen und sachlichen Motivierung des Gedankenganges ganz klar sein müssen, daß wir aber ( . . . ) nicht schließlich einem Formalismus verfallen dürfen, bei dem die Frau nachher das Nachsehen hat." 48 Lange Jahre das besondere Anliegen von Dürig, G G K A . A . 33 I I GG, Rz. 11, ähnlich Ramm, 1968, S. 42.

3. Die parlamentarische Entwicklung

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Wertigkeit ausleuchtete.49 Ein Konsens zum Begriff „Gleichberechtigung" wurde nicht erzielt. Im Ergebnis blieb also der auf Recht und Wirklichkeit bezogene Gleichheitsbegriff unklar. Diese Ambivalenz war darauf zurückzuführen, daß mit dem Konzept der Verteilungsgerechtigkeit sowohl die Bewertungsgerechtigkeit wie die Austauschgerechtigkeit assoziiert wurden. Dies wiederum bedeutet, daß die Verfassungsnorm sowohl für die eine wie die andere Position offen geblieben ist. 3. Die parlamentarische Entwicklung Obwohl—wie die Verfassungsgeschichte zeigt—Verteilungsgerechtigkeit als politisches Ziel in Art. 3 Abs. 2 G G eingegangen ist, das nicht identisch mit formaler Rechtsgleichheit ist, erfolgte eine Vergesetzlichung in diesem Sinne bislang nicht. Dies läßt sich anhand von fünf Verrechtlichungsphasen in der Geschichte der Bundesrepublik beschreiben, die teilweise einander überlappen, teilweise aufeinander folgen: — Die erste Verrechtlichungsphase bezieht sich auf das Familienrecht, d. h. auf die Zeit der parlamentarischen Beratungen des Gleichberechtigungsgesetzes vom ersten Antrag der Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag im Jahre 19491 bis zu seinem Inkrafttreten im Jahre 1958.2 — Einen zweiten Vergesetzlichungsschub erlebte der Familienbereich von 1969 bis 1976. Danach trat das 1. Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. 6. 1976 in Kraft. 3

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Schmidt (Vorsitzender), H . A . 20. Sitzung, S. 238 möchte nicht von „Gleichberechtigung", sondern von „Gleichstellung" reden. Seibert (SPD), ebenda, S. 238: „Von ,Gleichheit4 sollte man sowieso nicht reden, denn Männer und Frauen sind nicht gleich, sondern sie sind gleichwertig." Weber (CDU), H.A. 42. Sitzung, S. 539: „Dabei denken wir durchaus auch an den Eigenwert und die Würde der Frau und denken nicht an eine schematische Gleichstellung und Gleichberechtigung." Seibert, ebenda, S. 540: „Es ist ein grundlegender Irrtum, bei der Gleichberechtigung von der Gleichheit auszugehen. Die Gleichberechtigung baut auf der Gleichwertigkeit auf, die die Andersartigkeit anerkennt. Mann und Frau sind nicht gleich." — A u f diese Äußerungen bezieht sich auch das grundlegende Urteil BVerfGE 3, 204f.: „ U m Art. 3 Abs. 2 dem Willen des Grundgesetzes entsprechend zu erkennen und anzuwenden, ist es freilich erforderlich, dem Begriff Gleichberechtigung' den ihm immanenten, präzisen juristischen Sinn abzugewinnen und ihn nicht durch eine Gleichsetzung mit den manchmal polemisch verwendeten, rechtlich kaum faßbaren Vokabeln Gleichwertigkeit' oder ,Gleichmacherei' zu entwerten. Mit Gleichwertigkeit' hat Gleichberechtigung' nämlich nur insofern zu tun, als Gleichberechtigung stets — nicht nur im Verhältnis von Mann und Frau — auf Gleichwertigkeit aufbaut, die die Andersartigkeit anerkennt." 1

Antrag der Fraktion der SPD vom 3.11. 1949, BT-Drs. 1/176. Art. 8 I I 4 des Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 18. 6. 1957 (BGBl. I, S. 609). 3 BGBl. I, S. 1421. 2

46

II. Grundlagen

— Der dritte Verrechtlichungsschub fand im Sozialrecht statt, und zwar konkret bezüglich der Witwerrente. Er wurde initiiert durch das 2. Witwerrentenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 19754. Das Gesetz wurde vom Bundestag am 21. Juni 1985 angenommen.5 — Die vierte Verrechtlichungsphase bewegt sich im Bereich des Arbeitsrechts. Das arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz wurde vom damaligen Bundeskabinett am 13. Juni 1979 in die parlamentarischen Beratungen eingebracht 6 und im August 1980 in das BGB eingefügt. 7 — Der fünfte Vergesetzlichungsschub in der Geschichte der Bundesrepublik bezieht sich auf ein sogenanntes Anti-Diskriminierungsgesetz, d.h. den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Benachteiligung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen, den die Fraktion der Grünen am 9.10. 1986 eingebracht hat. 8 Dieser Gesetzesentwurf befaßt sich mit einer ganzen Reihe von Rechtsgebieten. 3.1 Erste Verrechtlichungsphase

— Familienrecht

—9

Kennzeichnend für diesen ersten Verrechtlichungsschub sind folgende Merkmale: In der Phase des wirtschaftlichen Aufbaus der Bundesrepublik, in der das parlamentarische System noch nicht eingeschliffen und ausschließlich zum Schauplatz der Routiniers geworden war, in dem die „Ungleichheit der Frau ( . . . ) von allen Parteien gesehen"10 wurde, hat man es unterlassen, den diskriminierenden Rechtszustand für Frauen in allen Lebensbereichen abzuschaffen. Wesentliches Charakteristikum des 1. Verrechtlichungsschubes bis zum Ende der 50er Jahre ist das zugrundeliegende Ideal formalrechtlicher Gleichheit mit weiten Ausnahmebereichen, insgesamt eine mühsam an Bewertungsgerechtigkeit orientierte Gesetzgebungstätigkeit. Schon dieser erste Verrechtlichungsschub ist ein Beispiel dafür, daß der Gesetzgeber erst mit erheblicher Zeitverzögerung, ungenügend oder nur nach Intervention des Bundesverfassungsgerichts den Gleichberechtigungsgrundsatz in einfaches Recht umsetzt.

4

BVerfGE 39, 189. Plenarprotokoll 10/7147, Stenographisches Protokoll der 147. Sitzung vom 21. 6. 1985, S. 109 ff. 6 BT-Drs. vom 17. 9. 1979, Nr. 35/79, S. 5. 7 BGBl. I, S. 1308. 8 BT-Drs. 19/6137. 9 Vgl. auch Bosch, NJW 1987, 2617. 10 Reich-Hilweg, S. 13. 5

3. Die parlamentarische Entwicklung

47

Bezeichnend dafür, wie stark zunächst trotz des Inkrafttretens des Gleichberechtigungsgrundsatzes und der Derogationsfrist bis zum 31. März 1953 (Art. 117 I GG) traditionelle Denkweisen fortwirkten, war die vom Bundestag im vorläufigen Beamtengesetz von 1950 beschlossene Beibehaltung der „Zölibatsklausel" des § 63 DBG von 1937. 11 Auch die Diskussion des Deutschen Juristentages 1950, wo eine ganze Palette von Vorschlägen zur Frage gemacht wurden, „in welcher Weise" es sich empfiehlt, „gemäß Art. 117 GG das geltende Recht an Art. 3 Abs. 2 G G anzupassen", führte nicht dazu, daß der Gesetzgeber tatsächlich auf allen Rechtsgebieten tätig wurde. 12 In ihrem ersten diesbezüglichen Antrag forderten die Sozialdemokraten eine umfassende Gleichstellung der Frau in Bezug auf alle Arbeitsbedingungen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Gleichberechtigung im Familien- und Beamtenrecht. 13 Die K P D stellte den Antrag, es solle durch Gesetz bestimmt werden, daß die Frau bei gleicher Qualifikation einen Rechtsanspruch auf gleichen Lohn haben muß, wie er aufgrund tariflicher Vereinbarung den Männern zusteht. 14 Diese Forderung wurde jedoch alsbald mit der Begründung verworfen, die Lohnfrage sei eine Angelegenheit der Tarifvertragsparteien, deren Autonomie der Gesetzgeber nicht antasten dürfe. 15 Im Jahre 1953 brachte dann die Bundesregierung einen Entwurf in den Bundestag ein, der sich ausschließlich auf die Rechtsmaterie des Familienrechts und seine Annexe beschränkte. 16 Im Gegensatz zum Referentenentwurf des Justizministeriums 17 enthielt er nach wie vor das überkommene Letztentscheidungsrecht des Mannes in ehelichen und elterlichen Angelegenheiten. Der überwiegende Teil des rechtswissenschaftlichen Schrifttums hielt den Entwurf, zum Teil sogar unter Bezugnahme auf Erörterungen der Juristen tage 1924 und 1930 für eindeutig verfassungswidrig. 18 Die Befürworter dieser fast ausschließlich zugunsten des Mannes formulierten Rechte begaben sich nicht nur auf „weltanschaulich vermintes Gelände". 19 Sie suchten zwar christliche, insbeson11 Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen vom 17. 5. 1950 (BGBl. I, S. 207). 12 Vgl. dazu Scheffler, Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der Rechtsordnung seit 1918, Berlin 1970, S. 18. 13 Seibert (SPD), Deutscher Bundestag, Sitzung vom 1.12. 1949, Stenographische Berichte, S. 566. 14 Antrag der Fraktion der KPD vom 15.11. 1949 (BT-Drs. 1 /209). 15 So Ileck (FDP), Deutscher Bundestag, Sitzung vom 2.12. 1949, Stenographische Berichte, S. 627. 16 Entwurf vom 23.10. 1953 (BT-Drs. 1/3802). 17 Ebenda, S. 46. 18 Vgl. nur Krüger, Die NichtVerwirklichung der Gleichberechtigung im Regierungsentwurf zur Familienrechtsreform, JZ 1952, S. 613 ff.; Koffka, Zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung über die „Gleichberechtigung von Mann und Frau", JZ 1953, S. 3 ff.; Hagemeyer, Das Familienrecht seit dem 1. April 1953, NJW 1953, S. 602ff. m.w.N. 19 Vgl. dazu Dürig, Ein Trauerspiel in (bisher) 4 Akten, JZ 1953, S. 740.

48

II. Grundlagen

dere katholisch-moraltheologische Argumente für sich zu verwenden, unterstellten aber vor allem den Verfechter/innen der Frauenemanzipation die Absicht, durch „Egoismus" und „Individualismus" die Familie zu zerstören. 20 Die damalige Bundesregierung ließ von ihrem Vorhaben nicht ab und brachte, nachdem in der 1. Legislaturperiode eine Beschlußfassung über das Gleichberechtigungsgesetz nicht zustande gekommen war und der Antrag der Regierung, die Frist des Art. 117 G G zu verlängern scheiterte, den Entwurf sodann in der 2. Legislaturperiode 21 wieder ein. 22 Er wurde dann an den Rechtsund Verfassungsausschuß verwiesen, obwohl von sozialdemokratischer Seite wegen der speziellen Problematik und wegen der Eilbedürftigkeit ein besonderer Ausschuß verlangt worden war. 2 3 Erst 1957 wurde das Gleichberechtigungsgesetz dann endgültig verabschiedet 24, und zwar einschließlich des väterlichen Stichentscheids, der wiederum zwei Jahre später vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. 25 Das Gleichberechtigungsgesetz entsprach also weder zeitlich noch inhaltlich den Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 und 3 G G . 2 6 Denn bis zum 31.3.1953 war kein Anpassungsgesetz zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erfolgt, so daß gemäß Art. 117 Abs. 1 G G keine Rechtsnorm mehr hätte angewendet werden dürfen, die dem Grundsatz der Gleichberechtigung entgegensteht.27 Die Gegnerinnen und Gegner des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 vermochten eine Normierung der geschlechtsspezifischen Rolle und Arbeitsteilung als Leitbild für die Ehe in § 1356 BGB a.F. nicht zu verhindern. In der damaligen Debatte ging es nicht in letzter Konsequenz um einen Rollentausch als radikalen Ausdruck von Gleichheit im Sinne eines „Jedem das Gleiche". Stattdessen kam es im Rahmen der Diskussion um die Gleichwertigkeit der 20

Besonders männerverherrlichend Ziegler, Das natürliche Entscheidungsrecht des Mannes in Ehe und Familie, Heidelberg 1958. Dazu die kritische Rezension von Krüger, AcP 158 (1959/69), N F Bd. 38, S. 47-64. Befürwortend auch Beitzke, Gleichheit von Mann und Frau, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hg.), Die Grundrechte, Bd. II, Berlin 1954, S. 211; Bosch, Gleichberechtigung im Bereich der elterlichen Gewalt, SJZ 1950, S. 62; Strauss, Der Entwurf des Familienrechtsgesetzes, JZ 1952, S. 449ff. Kritisch dazu wiederum Krüger, Κ BN Einl. 7 und Weber, in ihrer Stellungnahme für den Deutschen Juristinnenbund: Juristinnen zur Familienrechtsreform, JZ 1952, S. 505. 21 Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Männern und Frauen auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 29.1. 1954 (BT-Drs. 2/224). 22 Antrag vom 19. 3. 1953 (BT-Drs. 1 /4200) sowie Deutscher Bundestag, Sitzung vom 26. 3. 1953, Stenographischer Bericht, S. 1/2514. 23 Deutscher Bundestag, Sitzung vom 12.2.1954, Stenographischer Bericht, S. 516. 24 Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 (BGBl. I, S. 609). 25 VBerfGE 10, 59 ff. 26 So auch Krüger, a. a. O.; später Reich-Hilweg, S. 30-37 sowie Garbe-Emden, S. 22f. Vgl. zum parlamentarischen Entscheidungsgang Ramm, JZ 1968, S. 41, Fn. 7. 27 Dölle, JZ 1953, S. 353.

3. Die parlamentarische Entwicklung

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Hausfrauentätigkeit mit der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit des Mannes zur Bewertung der Leistungen der Hausfrau und Mutter als Unterhaltsleistung. 28 Zu Recht kritisiert deshalb Reich-Hilweg die Verengung des verfassungsrechtlichen Gleichstellungsauftrages durch den Gesetzgeber auf Besserstellung allein für verheiratete Frauen. 29 Damit wurden geschlechtsspezifische Rollenmuster und soziale Verhaltensweisen als einem Geschlecht quasi natürlich anhaftend belassen. Insofern erklärt sich auch, daß das damals herrschende Gleichberechtigungsverständnis Gleichstellung der Geschlechter auf Rechtsgleichheit im engsten Sinne reduzierte, jedoch weite Ausnahmebereiche zuließ, wie etwa das genannte Leitbild für Ehe und Familie. Diese Begrenzung auf „rein" rechtliche Regelungen im Unterschied zu einem stärker sozial orientierten Verständnis läßt sich erklären durch die Hochkonjunktur der liberalen Auffassung von der Funktion des Rechts, die damals Verfassungsrecht und Zivilistik prägte. Die Vorstellung von Recht als Mittel einer Gleichstellungspolitik im Interesse der Frauen befand sich schon damals in der Minderheitenposition. 30 3.2 Zweite Verrechtlichungsphase

— Familienrecht —

Die bereits am 1. Verrechtlichungsschub zu beobachtende Zögerlichkeit der Legislative bei der Implementation des Gleichberechtigungsgrundsatzes setzte sich in der 2. Verrechtlichungsphase fort. Charakteristisch war auch hier das zugrundeliegende Ideal formalrechtlicher Gleichheit, das sich insbesondere in dem für das eheliche Zusammenleben maßgeblichen Leitbild durchsetzte. Nur wurde damit keine an einem Rollentausch orientierte Austauschgerechtigkeit realisiert. Dies zeigt sich vor allem im Umgang des Familienrechts mit Hausarbeit. Herzstück und eines der wesentlichen Reformwerke der sozialliberalen Koalition der 70er Jahre war die 2. Familienrechtsreform, die die seit den Anfängen der bürgerlichen Gesellschaft tradierte Rollenverteilung zwischen Frau und Mann zugunsten einer offenen Gestaltung aufgab, die den Eheleuten ihr eigenes Beziehungs- und Arbeitsteilungsideal ermöglichen sollte. Der 28

Vgl. bei Scheffler, S. 21. Reich-Hilweg, S. 34. 30 Ein Beispiel für eine solche Auffassung sind die Darlegungen von Krüger zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Abschaffung bzw. der Abbau von Recht, das Frauen gegenüber Männern bevorzugt, vonstatten gehen dürfe. Ihre damaligen Ausführungen lesen sich aus der heutigen Sicht wie eine Begründung kompensatorischer Normierung. Im Falle des Wegfalls des Aussteueranspruchs macht sie dem Gesetzgeber den Vorwurf „es verabsäumt" zu haben, „den Eltern zugleich ein Leitbild dafür zu geben, daß Söhne und Töchter grundsätzlich gleichwertige Ausbildungen zu beanspruchen haben, da die Ausbildung sowohl für den Sohn als auch für die Tochter die Grundlage dafür bildet, die eigene Existenz, gegebenenfalls die des Gatten und der Kinder zu sichern" (KBN, Einl. RZ 306). 29

4 Slupik

II. Grundlagen

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Übergang vom Schuld- zum Zerrüttungsprinzip mit seinen Folgen für das nacheheliche Unterhaltsrecht, aber auch die Teilung von Versorgungsansprüchen durch den Versorgungsausgleich waren wesentliche Inhalte der Reform. 31 Soweit die 2. Familienrechtsreform das soziale Ideal des Geschlechterverhältnisses für die eheliche Arbeitsteilung den Beteiligten selbst in die Hände gab, normierte sie für beide Geschlechter die Chance, ihre Rollen zu tauschen. Dies war das Ergebnis der damals breit geführten Diskussion über die Angemessenheit von Leitbildern, die u. a. durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1957 inspiriert worden war, in der das Gericht dem Ziel, „die Ehefrau ins Haus zurückzuführen" (dem sogenannten Edukationseffekt) eine grundsätzliche Absage erteilt hatte. 32 Anders sah es in der Frage der Gleichstellung von Ehefrauen mit Ehemännern sowie geschiedenen Frauen mit geschiedenen Männern aus. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, daß die 2. Familienrechtsreform erstmals ein „kompensatorisches Modell" für die ökonomische Besserstellung der Ehefrau entwickelt habe. 33 Dies ist jedoch für den Fall einer bestehenden Ehe unzutreffend. Denn in ihr bleibt die Ehefrau nach wie vor auf Unterhaltsansprüche verwiesen. Die juristische Bewertung der Hausfrauentätigkeit in Geld findet nur in wenigen Fällen statt, ζ. B. dann, wenn die Hausfrau die Haushaltsführung als Naturalleistung zum gemäß §§ 1356, 1360 BGB geschuldeten Unterhalt wegen eines schuldhaften Eingriffs eines Dritten nicht erbringen kann. 3 4 Die finanzielle Abhängigkeit der Ehefrau wird nicht ausgeglichen, sondern lediglich die Tatsache, daß eheliche Hausarbeit nicht bezahlt im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages verrichtet wird. Entsprechend wurde im Urteil des BGH vom 26.11. 1968 der Anspruch des Mannes einer getöteten Ehefrau wegen Ausfalls der Haushaltsführung erstmalig nicht mehr als „Ersatz entgangener Dienste", sondern als „Beeinträchtigung des Unterhalts" behandelt. 35 Diese Monetarisierung der Hausarbeit 36 hat jeodch mit einer Gleichstellung zwischen den Geschlechtern nichts zu tun. 3 7 31 Obwohl die Gleichberechtigung im Familienrecht, insbesondere im Eherecht, als verwirklicht gilt, gibt es Kritik an der „Wiedereinführung des Schuldprinzips" quasi durch die Hintertür des nachehelichen Unterhaltsrechts zunächst durch Fallgruppenbildung durch die Rechtsprechung, sodann durch „Reform der Reform" durch den Gesetzgeber, vgl. dazu Limbach, ZRP 1982, S. 61; Dies., ZRP 1984, S. 199. Außerdem ist das eheliche Namensrecht nach wie vor nicht egalitär gestaltet. 32

BVerfGE 6, 80. Voegeli/Willenbacher, S. 238. 34 Vgl. Schacht, Die Bewertung der Hausfrauentätigkeit, FamRZ 1980, S. 107ff. 35 BGHZ 51, 109. 36 Die Bewertung der Leistungen der Hausfrau und Mutter als Unterhaltsleistungen (Vgl. dazu Scheffler, S. 21) ermöglicht es dem Ehemann (im Falle des Todes der Ehefrau) oder der verletzten Hausfrau selbst gegen denjenigen auf Schadenersatz zu klagen, der einen schuldhaften Eingriff begangen hat. 37 Die Berechnung der Unterhaltsleistung ist fiktiv. Sie orientiert sich an dem Gehalt einer den Marktgesetzen außerhäuslicher Erwerbstätigkeit unterliegenden Wirtschafterin 33

3. Die parlamentarische Entwicklung

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Man mag hiergegen einwenden, daß in einer bestehenden Ehe doch beide Eheleute Unterhaltsansprüche aneinander stellen können. Dieser Tatbestand beinhaltet jeodch lediglich die Fiktion einer materiellen Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Ihr liegt das Theorem zugrunde, daß die Hausfrauentätigkeit und die Erwerbstätigkeit des Ehemannes gleichwertig seien. Diese Kompensation der Folgen geschlechtsspezifischer Normen und Rollen durch die Setzung rechtlicher Gleichwertigkeit, hat aber keinerlei ökonomische Konsequenzen im Sinne finanzieller Unabhängigkeit der Ehefrau vom Ehemann. Die organisierten Interessen der Frauen sind also hinsichtlich der materiellen Absicherung der Ehefrau bei bestehender Ehe weder in Form der Austauschgerechtigkeit noch der Bewertungsgerechtigkeit realisiert worden. Etwas anders sieht es in der Frage der ökonomischen Sicherung für geschiedene Frauen aus, also beim Versorgungsausgleich, dem Unterhalt und dem Vermögensausgleich (Zugewinngemeinschaft). Die ökonomische Besserstellung der geschiedenen Frau ergibt sich beim Versorgungsausgleich dadurch, daß materielle Ausgleichsansprüche die Folgen der Nichtbezahlung von Hausarbeit ausgleichen sollen. Denn beim Versorgungsausgleich wird — unabhängig vom Wert der geleisteten Hausarbeit — der addierte Versorgungsanspruch des Paares nach Kriterien des Erwerbs von Rentenanwartschaften geteilt. 38 Es können also auch nur solche Versorgungsansprüche geteilt werden, die entweder durch abhängige Beschäftigung oder durch eigenständige Zahlung (ζ: B. private Lebensversicherung) erworben wurden. Auch der Zugewinnausgleich, als gesetzlich vorgesehener Güterstand, richtet sich ausschließlich nach Kriterien, die mit der Ausübung von Hausarbeit nichts zu tun haben. Gleichermaßen richten sich nacheheliche Unterhaltszahlungen nicht nach dem Wert der ehelichen Hausarbeit, sondern nach dem — durch Vermögenseinkünfte oder Erwerbsarbeit geprägten — Lebensstandard der vorangegangenen Ehe. Folglich kann nicht behauptet werden, daß durch die 2. bzw. Kinderfrau. Ähnliche Berechnungsmodalitäten finden sich im geltenden Recht für die Auslegung von § 3 Abs. 3 S. 1 BKGG, wo bei fehlender Einigung zwischen den Eltern die Person das Kindergeld erhält, die „das Kind überwiegend unterhält". In dem von der Kindergeldkasse ausgegebenen Runderlaß zur Auslegung dieser Vorschrift (RdErl. 375/74 d. BAArb, 9. Erg. 1 /84 zu § 3 BKGG, S. 101 -104) werden als Berechnungsmaßstab die „tariflichen Bruttolöhne bzw. Bruttogehälter für hauswirtschaftliche Arbeitnehmer in Privathaushalten herangezogen". Als Bruttoarbeitsentgelt einer Wirtschafterin werden 1.710.00 D M genannt, für Einzelposten wie „Hilfe bei schulischen Aufgaben", 10,— D M und für „Waschen und Instandsetzen von Berufskleidung" 9,— D M (S. 103 f.). Problematisch ist, daß die Löhne für die sogenannten typischen Frauenarbeiten im besonders starkem Maße der Lohndiskriminierung unterliegen, und diese bei der Berechnung des „Naturalunterhalts" für die Feststellung des überwiegenden Unterhalts im Kindergeldrecht für Frauen nachteilig fortwirken. 38

Eine mögliche rechtspolitische Konsequenz aus dieser Erkenntnis formuliert Simitis, Seminar: Familie und Familienrecht, Bd. 1, S. 329; „Was wirklich not tut, ist eine sozialverischerungsrechtliche Regelung, die jeder Frau, also auch und erst recht der verheirateten, nicht geschiedenen einen Anspruch gewährt, der sie aus ihrer Abhängigkeit vom Mann löst und ihr direkt Sicherheit garantiert." 4*

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II. Grundlagen

Familienrechtsreform im Scheidungsfolgenrecht eine finanzielle Anerkennung von Hausarbeit erreicht worden wäre. Die einschlägigen Normen fingieren geldwerte Hausarbeit lediglich, von der die Hausfrau — läßt sie sich nicht scheiden — keinerlei finanziellen Vorteil hat. Dies hat zwei Konsequenzen: — Die geschiedene Frau hat auch dann Ansprüche auf Versorgungs- und Vermögensausgleich sowie Unterhalt, wenn sie während der Ehe keine einzige Gabel gespült, keinem Kind Geschichten erzählt und nie eine Küche von innen gesehen hat. Oder umgekehrt formuliert: Ob eine Frau als Hausfrau während ihrer Ehe für zwei oder sechs Personen gekocht, gespült, geputzt, Video angestellt und „Streicheleinheiten" gegeben hat, spielt für die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sie die genannten Ansprüche hat, keine Rolle. Die Fiktion einer Gleichwertigkeit von Haus- und Erwerbsarbeit führt zu einer rechtlichen ,Aufwertung' der Hausarbeit, die mit ihren materiellen Bedingungen, ihrem tatsächlichen Wert und ihrer Ausführung im konkreten Fall in keinerlei Zusammenhang steht. Dies ist die Folge der Tatsache, daß man Hausarbeit mit Erwerbsarbeit lediglich abstrakt gleichsetzt und der Mangel einer eigenständigen Bezahlung und sozialen Absicherung der Hausfrau nachehelich am Maßstab der Erwerbsund Vermögenseinkünfte kompensiert wird. Erheblich ins Gewicht fällt dabei der Befund einer vergleichsweise höheren Erwerbsquote und sehr viel höherer Einkünfte der Männer. Damit hat gerade der Vermögens- und Versorgungsausgleich wegen seines starken Bezugs zu Erwerbseinkünften sozial segregierende Funktion, obwohl es eigentlich um die Kompensation einer für alle Hausfrauen gleichen Bedingung gegangen war, nämlich die Nichtentgeldlichkeit von Hausarbeit. 39 — Die stärkste Verrechtlichung der ökonomischen Konsequenzen im Falle des Scheiterns der Ehe durch die 2. Familienrechtsreform 40 , die sich vorwiegend an Bewertungsgerechtigkeit orientiert („jedem das seine"), ist nicht an einem Rollentausch der Geschlechter orientiert. Für die Frau gibt es keinerlei Anreiz dazu, der Anhebungstendenz des Art. 3 Abs. 2 GG folgend, die Verrichtung von Hausarbeit zugunsten von Erwerbstätigkeit zu reduzieren. Ebensowenig ergibt sich für den Mann eine stärkere Beteiligung an der Hausarbeit. Jedoch schafft die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur 39 Insofern — und nur insofern — ist das Argument von Hübner gegen die von der ersten Justizministerin der D D R Hilde Benjamin vorgschlagene „Zugewinngemeinschaft" zutreffend, daß „die Leistungen des einen Gatten als solchen, insbesondere der Frau als Hausfrau und Mutter ( . . . ) im allgemeinen in keinen Beziehungen zu der Höhe der Ersparnisse des anderen Gatten" stehen. Und weiter: „Die Frau des Großverdieners hat als Hausfrau und Mutter nicht mehr, sondern sehr viel weniger zu arbeiten als die Frau des »kleinen Mannes4. Warum soll der geschonten und gepflegten Frau eine viel größere Vergütung für ihre Arbeit gegeben werden als dem abgerackerten und verbrauchten Mütterchen, dessen Arbeit ganz anders Vorbedingung für ein Verdienen ihres Mannes ist als diejenige (durch bezahlte Kräfte ersetzbare) der Frau des wohlhabenden Mannes?" (Hübner, Gleiche Rechte für Mann und Frau, Tübingen 1950, S. 64f.). 40

Münder, RdJB 3/1984, S. 199-215.

3. Die parlamentarische Entwicklung

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groben Unbilligkeit bei nachehelichem Unterhalt (§ 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB) nach der Formel, daß „nur ein schwerwiegendes und auch klar bei einem der Ehegatten liegendes, evidentes Fehlverhalten" geeignet sei, die Voraussetzungen jener Unbilligkeitsklausel zu erfüllen 41 , Zwänge im Falle eines Partnerwechsels möglichst schnell eine neue Ehe anzustreben, es sei denn die Frau ist auf Unterhalt nicht angewiesen.42 3.3 Dritte Verrechtlichungsphase

— Sozialrecht —

Der dritte Verrechtlichungsschub in der Vergesetzlichung der Frauenfrage fand auf dem Gebiet des Sozialrechts statt. Es handelt sich um die sogenannte 84er Reform der Hinterbliebenenrente. Diese Verrechtlichungsphase ist folgendermaßen gekennzeichnet: Die nunmehr bei der Hinterbliebenenrente hergestellte formale Rechtsgleichheit zwischen Witwe und Witwer wurde auf Kosten der Gruppe der Frauen hergestellt, obwohl die Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 2 GG ausdrücklich dafür spricht, daß Frauen nicht schlechter gestellt, sondern ihre Rechtsstellung angehoben werden soll. Ähnlich wie bei der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Elternrecht (Urteil zum väterlichen Stichentscheid), spielt auch hier das Bundesverfassungsgericht mit dem 2. Witwerrentenurteil vom 12. März 1975 die Rolle eines Mobilisators. 43 Die Ausgestaltung der Witwenrenten in der RVO stützt sich seit ihren Anfängen auf das patriarchalische Hausfrauen-Ehemodell im Bürgerlichen Gesetzbuch.44 Entsprechend den Unterhaltsregeln des BGB, nach denen der Ehemann der Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig war (Ehefrau nur im Ausnahmefall), wurde in der RVO als Versicherungsfall der Ausfall dieser Unterhaltsleistung (durch den Tod des Ehemannes) ab 1911 versichert. Die Verpflichtung der Ehefrau zur Hausarbeit im Familienrecht galt nicht als Unterhaltsleistung. Somit trug der Ehemann die Unterhaltslast „allein". Die Hausarbeitsleistung der Ehefrau wurde demzufolge im Rentenrecht auch nicht berücksichtigt. Durch die Änderung des für die Ehe geltenden Unterhaltsrecht mit dem Gleichberechtigungsgesetz von 1957 galt zwar weiterhin die Hausfrauenehe als soziales Ideal, gleichwohl wurde aber die Hausarbeitsleistung der Ehefrau als Unterhaltsbeitrag bewertet. M i t anderen Worten: Seit 1957 gelten die Leistungen der Hausarbeit (Naturalunterhalt) und die der Erwerbsarbeit (Barunterhalt) 41

BGH NJW 79, 1349 und 1452. Vgl. dazu schon S. 61. Unter dem Gesichtspunkt der Benachteiligung der Hausfrau vgl. Wiegmann, Verschuldensprinzip für Hausfrauen?, NJW 1982, 1369 f. 43 BVerfGE 39, 169 ff. 44 Gerhard, Verhältnisse und Verhinderungen, S. 154-180. 42

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II. Grundlagen

als gleichwertige Unterhaltsbeiträge. Nach dem damaligen BGB-Modell sollte der Ehemann in der Regel den Barunterhalt leisten, im Gegenzug dazu die Ehefrau die Hausarbeit. Das bedeutete: Infolge der als soziales Leitbild generell angenommenen Barunterhaltsabhängigkeit der Ehefrau erhielt die Witwe immer auch eine Witwenrente, der Ehemann hingegen, der in der Regel als erwerbstätig angesehen wurde, nur dann, wenn die Ehefrau überwiegend den Barunterhalt leistete. Obwohl das durch die 2. Familienrechtsreform 1977 veränderte Familienrecht die Aufgaben der Hausarbeit und der Erwerbsarbeit seither nicht mehr jeweils einem Geschlecht zuordnet, ergaben sich daraus keine rentenrechtlichen Konsequenzen. Weiterhin wurde im Falle des Todes des Ehemannes nur der Barunterhalt versichert. Die fiktiv gleichwertige Hausarbeit erfuhr keinen Sicherungsschutz. Weder in Form einer eigenständigen Rente für die Hausfrau 45 , noch etwa als Hinterbliebenenrente, für Hausarbeit verrichtende Witwer mit Kindern. Das 1. Witwerrentenurteil aus dem Jahre 1963 40 erachtete die für den Bezug einer Witwenrente geltenden ungleichen Voraussetzungen für mit Art. 2 Abs. 3 GG noch vereinbar. Es wertete jedoch die Hausarbeit rechtlich auf. Danach gebietet Art. 3 Abs. 2 GG, daß bei der Feststellung der überwiegenden Unterhaltsgewährung die Hausarbeit der Ehefrau mit ihrem wirtschaftlichen Wert zu berücksichtigen sei. Seither wurde bei der Prüfung der Voraussetzung der Witwerrente die von der Ehefrau vor ihrem Tode geleistete Hausarbeit wertmäßig berücksichtigt. Diese durch das Bundesverfassungsgericht herbeigeführte rechtliche Aufwertung der Hausarbeit änderte jedoch nichts daran, daß ihre Verrichtung selbst keinen Rentenanspruch auslöst, weder für die Hinterbliebenen der Ehefrau (Ehemann und Kinder) noch für die Hausfrau selbst. Rechtsdogmatisch gesehen blieb es somit im Rentenrecht bei dem patriarchalischen Unterhaltsrecht des BGB vor 1957. Das 2. Witwerretenurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 bestätigte die Grundlinien der Entscheidung aus dem Jahre 1963, ging jedoch nicht mehr von der Hausfrauenehe als allein typischer Eheform für die Rentenversicherung ab 1984 aus. 47 Zum 1. Januar 1986 ist das Gesetz, das der Bundestag am 21. Juni 1985 angenommen hatte 48 , in Kraft getreten. Das Gesetz überträgt das für Witwen geltende Rentenrecht auf die Männer — was bedeutet, daß jetzt der überlebende Ehegatte grundsätzlich immer eine Hinterbliebenenrente erhält — rechnet 45 Schließlich wurde durch das Rentenreformgesetz vom 16.10. 1972 (BGBl. I, S. 1965) die Möglichkeit gegeben, der Rentenversicherung freiwillig beizutreten und sich nachzuversichern, eine Regelung von der insbesondere Hausfrauen Gebrauch machten. 46 BVerfGE 17, 86-99. 47 BVerfGE 39, 169-196. 48 Plenarprotokoll 107147, Stenographisches Protokoll der 147. Sitzung vom 21.6. 1985, S. 109ff. Vgl. dazu Heine, FamRZ 1986, S. 113 und ders., Zeitschrift für Sozialreform 2/1986, S. 82.

3. Die parlamentarische Entwicklung

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allerdings eigenes Erwerbs- oder Alterseinkommen an. Der bis dahin mögliche Doppelrentenbezug ehemals erwerbstätiger und somit eigenständig versicherter Frauen ist damit im Grundsatz entwertet. Insofern handelt es sich um eine Reform zu Lasten der Frauen. Einstmals für Frauen vorteilhaftes Recht wurde durch formale Rechtsgleichheit ersetzt, ohne daß hierdurch die Stellung der hausarbeitleistenden Frau verbessert worden wäre. Zweifellos hat das Prinzip der Kostenneutralität die Reform letztendlich so stark bestimmt, daß die egalitären Bedingungen zugunsten der Witwer auf Kosten einer Verschlechterung der Bedingungen für die Witwenrente solcher Frauen erzielt wurden, die ansonsten besser versorgt wären, weil ihre aus eigener Erwerbstätigkeit erzielte Rente nicht auf den Bezug von Witwenrente angerechnet worden wäre. Hätte man die frühere Witwenrentenrechtsregelung auf die Witwerrente übertragen, so hätte man dem Verschlechterungsverbot des Art. 3 Abs. 2 GG zugunsten von Frauen Genüge getan und die Ungleichbehandlung des Witwers beseitigt. 3.4 Vierte

Verrechtlichungsphase

— Arbeitsrecht —

Charakteristisch für diese Legalisierungsphase ist die Herstellung formaler Rechtsgleichheit auch im Arbeitsrecht. Im vierten Verrechtlichungsschub wurde eine Tendenz des Gesetzgebers deutlich, der Diskriminierung im Erwerbsleben, insbesondere im Bereich der abhängigen Beschäftigung, bei Einzelarbeitsverträgen und im Arbeitsverhältnis insgesamt entgegenzutreten. Zwar hatte das Bundesarbeitsgericht die Frauenlohngruppen für rechtswidrig erklärt und die Tarifvertragsparteien waren als nichtstaatlicher Gesetzgeber nach allgemeiner Ansicht direkt an Art. 3 Abs. 2 und 3 G G gebunden. 49 Herrschende Meinung war aber, daß für den Abschluß des Arbeitsvertrages das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts nicht galt. 5 0 Das änderte sich durch das „Gesetz über die Gleichbehandlung 51 von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang" (arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz). Es wurde am 13. 8. 1980 in das BGB eingefügt und ist am 21. 8. 1980 in Kraft getreten. 52 M i t diesem Gesetz sollte die Richtlinie Nr. 76/207 EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg in innerstaatliches, d.h. deutsches Arbeitsrecht umgesetzt werden. 53 49

Hohmann-Dennhardt, ZRP 10/1979, S. 241 ff. Ebenda. 51 Dieser Begriff verweist im Unterschied zu „Gleichberechtigung" stärker auf den Aspekt der Verwirklichung im Sozialleben hin. 52 BGBl. I, 1308. 53 ABl. EG Nr. L 39, S. 40. 50

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II. Grundlagen

Auch diese Umsetzung erfolgte überaus zögerlich. Obwohl Art. 9 der Richtlinie festlegt, daß bis zum 12. August 1978 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Verwirklichung des Grundsatzes durch die Mitgliedsstaaten der EG erlassen sein sollten, verabschiedete die damalige Bundesregierung erst am 13. Juni 1979 den vom Arbeitsministerium vorgelegten Gesetzesentwurf als Kabinettsbeschluß. 54 M i t dieser Säumigkeit reihte sich die sozial-liberale Bundesregierung und der damalige Bundestag in die Reihe parlamentarischer Akteure ein, die sich zwar nicht durch den Verzicht auf gleichstellende Gesetzgebung generell, jedoch durch eine verzögerte und überdies restriktive Handhabung auszeichnen. Aus der Kritik an dem Regelungswerk der §§61 l a ff. BGB soll hier hervorgehoben werden, daß sich quer durch die juristischen und politischen Auffassungen hindurch Vokabeln wie „Gesetzgebungsdilettantismus"55 und „Portoparagraphen" 56 ziehen. Mehrere Versuche, das Gesetz zu novellieren, schlugen fehl. 57 I m internationalen Vergleich jedenfalls hat die Bundesrepublik das dürftigste Ergebnis vorgelegt. 58 Das arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz hat drei negative Charakteristika: — Es ist lediglich mit individuell durchzusetzenden Verbotssätzen ausgestattet, d. h. die Wirksamkeit des Gesetzes im Arbeitsleben steht und fallt mit der Rechtskompetenz, der Rechtsdurchsetzungsfahigkeit und dem Willen zur Rechtsdurchsetzung der betroffenen Frau in einem möglichen Antidiskriminierungsprozeß. — Der Diskriminierungsbegriff, der § 611 a Abs. 1 S. 1 BGB zugrunde liegt, ist nicht durch eine Aufzählung von Regelbeispielen konkretisiert. Außerdem bleibt die Form der mittelbaren oder auch indirekten Diskriminierung unerwähnt. 59 — Die Benachteiligung der Frau im Erwerbsleben als Angehörige einer Gruppe wurde nicht zum Gegenstand rechtlicher Regelungen gemacht, obwohl die Richtlinie besondere Frauenförderungsmaßnahmen ausdrücklich vorsieht. 60 Auch die von Gamillscheg vertretene Auffassung 61 , das arbeitsrecht54 55 56

Vgl. BT-Drs. v. 17. 8. 1979, Nr. 35/79, S. 5. Palandt-Putzo, 40. Aufl., München 1981, R 73 zu § 611 a BGB. Leitstelle Gleichstellung der Frau Hamburg, Erfahrungsbericht, Hamburg 1982,

S.3. 57

Z.B. SPD im Deutschen Bundestag, BT-Drs. 10/3055. Vgl. Hanau, Die umgekehrte Geschlechtsdiskriminierung im Arbeitsleben, in: Festschrift für Herschel, München 1982, S. 200. 59 Die Vorschläge des 50. Deutschen Juristentages von 1974 gingen dahin, daß man z.B. kartellrechtliche Kriterien bei der Formulierung von Vorschriften gegen die Benachteiligung der Frau im Erwerbsleben heranziehen solle. Man hätte insofern auf die rechtsdogmatische Durchdringung des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots des GWB zurückgreifen können; vgl. 50. DJT 1974, Bd. II, Beschluß Nr. 14, L 242. 58

3. Die parlamentarische Entwicklung

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liehe EG-Anpassungsgesetz erlaube eine Begünstigung der Frauen nicht, kann nur deshalb vertreten werden, weil der Gesetzgeber keine ausdrücklichen Frauenförderungsvorschriften eingeführt hat und im Gesetzestext auch nicht auf die Absicht einer tatsächlichen Gleichstellung der Frau hinweist. Insofern wird es der Kritik leicht gemacht, mit Hinweis auf den Wortlaut des §611a BGB eine Begünstigung der Frauen etwa durch Quotierung von Erwerbsplätzen für unrechtmäßig zu erachten. 62 3.5 Fünfte Verrechtlichungsphase

— Anti-Diskriminierungsrecht



Der fünfte Verrechtlichungsschub der Frauenfrage in der Geschichte der Bundesrepublik steht in unmittelbarer Beziehung zur Kritik am arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz von 1980 und ist geprägt durch die seit Mitte der 70er Jahre geführte Diskussion über ein Anti-Diskriminierungsgesetz zugunsten von Frauen. 63 Vorherrschend ist hier zum ersten Mal nicht der Gesichtspunkt der Herstellung formaler Rechtsgleichheit, sondern es geht darum, die Chancengleichheit für Frauen mittels staatlicher Politik, d. h. vor allem durch das Steuerungsmedium Recht, zu verbessern. Die Thematisierung der Frauenfrage durch die unabhängige Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre weist unablässig auf den Widerspruch zwischen Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit hin. 6 4 Parallel hierzu stellt auch die rechtssoziologische Diskussion auf die effektive Geltung des Rechts ab. 6 5 Im Schnittpunkt dieser beiden Strömungen setzt die Debatte über moderne Rechtsverbesserung zugunsten von Frauen an. Im Jahre 1973 wurde die Enquetekommission „Frau und Gesellschaft" eingesetzt66, deren Grundlage ein Bundestagsbeschluß war, in dem hervorge60

Vgl. II. 3.4 Fn. 53. Gamillscheg, Diskussionsbeitrag, in: Link (Hg.), Der Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat. Symposion zum 80. Geburtstag von Gerhard Leibholz, Baden-Baden 1982. 62 Schmitt Glaeser, Abbau des tatsächlichen Gleichberechtigungsdefizits der Frauen durch gesetzliche Quotierungsregelungen, 1982, S. 62. 63 Vgl. nur: Die Grünen (Hg.), Vorläufiger Entwurf eines Anti-Diskriminierungsgesetzes, Bonn 1985; dies., Materialien zum Kongress über ein Anti-Diskriminierungsgesetz, Bonn 1986; dies., Sachverständigenanhörung zum Entwurf eines grünen Anti-Diskriminierungsgesetzes (Wortprotokoll), Bonn 1986. Aber auch: Friedrich-Naumann-Stiftung (Hg.), Antidiskriminierungsgesetz, Bd. I u. II, Dokumentation, Königswinter 1984 und B M I / BMJFG (Hg.), Sachverständigenanhörung am 21. /22.1.1982 in Bonn zum Thema: „Kann die Situation der Frauen durch ein Antidiskriminierungsgesetz verbessert werden?" (Stenographische Niederschrift), Bonn 1982. 64 So z.B. Spiesmacher, Antidiskriminierungsgesetz, in: Gruppe Frauenarbeit im FFBIZ (Hg.), Weder Brot noch Rosen. Hausarbeit — Arbeitsmarkt — Familienpolitik, Berlin 1979, S. 78 ff. 65 Vgl. z.B. Rehbinder/Schelsky (Hg.), Jahrbuch für RSozRTheorie 3, 1972. 61

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II. Grundlagen

hoben wurde, daß es neben der rechtlichen in Zukunft vor allem um die tatsächliche Gleichstellung gehen müsse.67 Damit wurde ein Sachverhalt bestätigt, der längst schon im öffentlichen Bewußtsein vorhanden war und immer wieder diskutiert wurde. Deshalb setzte man im Jahre 1977 eine zweite Enquetekommission ein, die den Auftrag erhielt, die Arbeit der ersten weiterzuführen und abzuschließen sowie Vorschläge für die Verbesserung der rechtlichen und tatsächlichen Situation der Frauen zu machen. 68 Wegen der Doppelbelastung durch Erwerbsund Hausarbeit als Zentralproblem im Leben von Frauen, befürwortete die Kommission vor allem infrastrukturelle Maßnahmen, ζ. B. familienfreundliche Arbeitszeiten. 69 Ein umfassendes Anti-Diskriminierungsgesetz allerdings hielt sie für überflüssig, wenn es lediglich generalklauselartig die Diskriminierung von Frauen verbiete 70 — wohl motiviert durch die Überlegung, daß die Durchsetzung einer solchen Generalklausel in der Rechtspraxis auf große Schwierigkeiten stoßen würde — und Anti-Diskriminierung deshalb besser in der Novellierung von Einzelgesetzen zu verwirklichen sei. Die Tatsache jedoch, daß letzteres in so geringem Maße geschehen ist 7 1 , beweist, wie wesentlich die Legifizierung eines umfassenden Anti-Diskriminierungsgesetzes wäre. Diese Auffassung wird von der jetzigen Bundesregierung nicht geteilt; sie meint, das geltende arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbot sei besser als sein Ruf. 7 2 Die Regierungsfraktionen halten ein Anti-Diskriminierungsgesetz nicht für ein 66

Beschluß des Bundestages vom 8. 11. 1973, BT-Drs. 7/1148. Ebenda. In ihrem Zwischenbericht vom 11.11. 1979 (BT-Drs. 7/5866) stellte die Kommission fest, daß die angestrebte Wahlfreiheit zwischen Aufgaben im Beruf sowie in Familie und Öffentlichkeit für beide Geschlechter nur in Ausnahmefallen bestehe. Die problematische Doppelbelastung beträfe fast ausschließlich die Frauen. 68 Beschluß vom 25. 5. 1977 (BT-Drs. 8/305). 69 Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft vom 29. 8. 1980, BT-Drs. 8/4461, S. 32. 70 Ebenda. 71 Siehe beispielsweise §2 Abs. 2 H R G (eingefügt durch Gesetz vom 14.11. 1985, BGBl. I, S. 2090): „Die Hochschulen wirken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf die Beseitigung der für Wissenschaftlerinnen bestehenden Nachteile hin." Im Unterschied zum arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz, das ein einfachgesetzliches Diskriminierungsverbot normierte, wird hier ein einfachgesetzlicher Gleichstellungsauftrag formuliert. Nordrhein-Westfalen hat im Jahre 1984 mit §6a Abs. 4 GO eine Rechtsgrundlage geschaffen, die dann in den einzelnen Kommunen nur noch den Organisationsakt zur Schaffung einer jeweiligen „Gleichstellungsbeauftragten" erfordert: „Die Verwirklichung des Verfassungsauftrags der Gleichberechtigung von Frau und Mann ist auch eine Aufgabe der Gemeinde. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe kann die Gemeinde Gleichstellungsbeauftragte bestellen. " 72 Bericht der Bundesregierung über die Erfahrung mit dem die Gleichbehandlung von Männern und Frauen betreffenden Teil des arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes und zu der Frage eventueller Benachteiligung von Frauen außerhalb des Bereichs des Arbeitslebens, BT-Drs. 10/14 vom 31. 8. 1983, S. 18. 67

3. Die parlamentarische Entwicklung

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„geeignetes Instrument zur effizenten Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frau". 7 3 Demgegenüber kommt in den Emfpehlungen der Sachverständigenkommission zur Erstellung des 6. Jugendberichts zu Verbesserung der Chancengleichheit von Mädchen in der Bundesrepublik zum Ausdruck, daß ein „Konzept zur Verwirklichung der Chancengleichheit durch rechtsförmige Absicherungen, durch Sanktionen bei Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und nicht zuletzt durch positive Diskriminierung der Mädchen und Frauen getragen werden muß". 7 4 Dieser Gedanke ist bereits kurz nach Inkrafttreten des arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes vom damaligen Bundeskanzler Schmidt in seiner Regierungserklärung vom 24.11. 1980 aufgegriffen worden, der prüfen wollte, „ob die Situation der Frau durch ein Antidiskriminierungsgesetz verbessert werden kann". 7 5 Diese Intention verfolgte auch ein von der SPD-Fraktion eingebrachter Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz sowie die Initiative des Landes Hessen zum selben Gegenstand.76 Gleichwohl sind diese Regelungswerke aufgrund der gegenwärtigen parlamentarischen Konstellationen umstritten und bislang ohne Konsequenzen geblieben. Auch die Anhörung von Sachverständigen im Dezember 1984 zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 18.12. 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, zu dem erwähnten SPD-Entwurf und zu Empfehlungen der Enquetekommission Frau und Gesellschaft verlief im Sande.77 Dieses Ergebnis ist aber nicht nur ein Resultat der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag, sondern beruht im wesentlichen auch darauf, daß das Anliegen eines Anti-Diskriminierungsgesetzes in der politischen Öffentlichkeit nach wie vor kontrovers diskutiert wird. Die Argumente gegen ein Anti-Diskriminierungsgesetz lauten im wesentlichen wie folgt: — Gesetzgebung sei als Mobilisatorin von Chancengleichheit zugunsten von Frauen nicht geeigent.78 Stattdessen wird der Verrechtlichungsbedarf an

73 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 5. 6. 1986. 74 BT-Drs. 10/1007 vom 15. 2. 1984, S. 16. 75 Bundesregierung (Hg.), Mut und Zukunft, Regierungspolitik 1980-1984, Bonn 1980, S. 10. 76 BT-Drs. 180/83 vom 20.4. 1983. 77 Stenographisches Protokoll der 44. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung / 35. Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit am 12.12. 1984, Bonn (Protokoll Nr. 44A u. S / Protokoll Nr. 35 JFG [10. Wahlperiode]): „Wenn die beiden Ausschüsse, die diese Befragung veranstalten, selbst in dem Katalog der Fragen die geschlechtsneutralen Begriffe nicht verwenden, können sie eigentlich nicht erwarten, daß andere das tun, weder die Arbeitgeberverbände noch sonstige." S. 44/35, 27. 78

Lambert (CDU), Sachverständigenanhörung 1982, S. 37.

II. Grundlagen

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Gerichte 79 , insbesondere das Bundesverfassungsgericht 80, die Exekutive 81 und auch an die Tarifvertragsparteien 82 delegiert. — Ferner werden eventuelle negative Folgen einer zunehmenden Vergesetzlichung prognostiziert. 83 Genannt werden insbesondere die Möglichkeiten einer Verbürokratisierung 84 , die „Zersetzung des politischen und gesellschaftlichen Klimas" 8 5 , und die Angst der Männer vor sogenannter „reverse discrimination" (umgekehrte Diskriminierung). 86 — Schließlich wird behauptet, daß Gesetze kein Bewußtsein verändern könnten, Recht also nicht geeignet sei, sozialen Wandel zu bewirken. 87 — A u f einer ähnlichen Ebene bewegt sich das Argument, daß juristische Gleichstellung der Geschlechter noch lange nicht materielle Chancengleichheit bedeutet. 88 — Nicht nur am Beispiel von Margret Thatcher oder anderer konservativer Politikerinnen wird auf eine begrenzte Reichweite von Anti-Diskriminierungsrecht im Rahmen des existierenden politischen Systems verwiesen. Emanzipation sei unter den derzeitigen ökonomischen und politischen Bedingungen nicht möglich, Gleichberechtigung sei lediglich ein systemimmanenter Begriff. 89 Alle Argumente lassen sich widerlegen: — Wegen der patriarchalischen Prägung der Justiz, in der immer noch viel zu wenig Frauen entscheidende Positionen besetzen90, der Kritik am Bundesverfassungsgericht als Ersatzgesetzgeber 91 und der geringen Möglichkeiten, mit dem Instrument der Verfassungsbeschwerde tatsächlich bis zu diesem Gericht vorzudringen 92 , sowie den hohen Zugangsbarrieren zur Justiz allgemein 93 , erscheint die Delegation an andere staatliche Akteure nicht als chancenreichere Alternative. 94 79

Renger, Gleiche Chancen für Frauen?, Karlsruhe 1977, S. 7 ff. Turowski (Katholische Kirche), Sachverständigenanhörung 1982, S. 120. 81 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 5. 6. 1986, S. 37. 82 Blättel (DGB), Sachverständigenanhörung 1982, S. 58. 83 Wisskirchen (Arbeitgeberverbände), Sachverständigenanhörung 1982, S. 69. 84 Männle (CSU), Sachverständigenanhörung 1982, S.46. 85 Thieme (Deutscher Frauenrat), Sachverständigenanhörung 1982, S. 46. 86 Männle (CSU), ebenda. 87 Spießmacher, S. 80. 88 Klein, Brauchen wir ein Anti-Diskriminierungsgesetz?, in: Vorbereitungsgruppe 4. Frauen-Sommeruniversität (Hg.), Dokumentation, 1981, S. 52. 89 Ebenda. 90 Fabricius-Brand/Berghahn/Sudhölter (Hg.), Juristinnen, Berlin 1982, S. 226. 91 Dopatka, Das Bundesverfassungsgericht und seine Umwelt, Berin 1982, S. 35. 92 Bryde, Verfassungsentwicklung, Baden-Baden 1982, S. 158 f. 80

3. Die parlamentarische Entwicklung

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— Mit der Prognose negativer Folgen von Vergesetzlichung kann jedes politische und rechtliche Reformvorhaben diskrediert werden, das nicht nur die Abschaffung von Rechtsvorschriften intendiert, sondern konstruktive Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen beabsichtigt. Demgegenüber können die negativen Wirkungen gerade dadurch vermindert werden, daß gesetzgebungstechnisch und empirisch abgesicherte Verfahren gewählt werden, die die Kunst des Möglichen beachten.95 Daß im übrigen gesetzliche Regelungen kein Allheilmittel gegen jede Form der Diskriminierung sind, bedarf keiner weiteren Erläuterung. — Soweit atmosphärische Bedenken angeführt werden — insbesondere von Seiten traditioneller Frauenverbände — handelt es sich um bloße Angst vor Gegenreaktionen männlich dominierter Institutionen und Apparate. Diese Angst vor der eigenen Courage läßt sich in jeder politischen Bewegung finden. Das ist aber kein legitimer Grund, ihr nachzugeben. Der Begriff der „umgekehrten Diskriminierung" spielt im Bereich von Frauenförderungsmaßnahmen lediglich ideologisch eine fatale Rolle. Denn wenn man Frauenförderung als Nachteilsausgleich, sozusagen als ausgleichende Gerechtigkeit begreift, kann es prinzipiell zu keiner Benachteiligung der Männer kommen. — Soweit die bewußtseinsbildende Kraft von Gesetz und Recht bestritten wird, übersieht man, daß gerade durch Gesetzgebung auf längere Sicht erhebliche Veränderungen im Rechtsbewußtsein der Bevölkerung bewirkt werden können. Bereits durch die Verabschiedung eines Gesetzes verstärkt sich aller Erfahrung nach die Zustimmung zu diesem Gesetz.96 Eine solche Prägung des Rechtsbewußtseins beruht auf der Autorität des Gesetzgebers. Das Gesetz als Emanation der Sphäre staatlicher Autorität hat zunächst einmal die Vermutung der Richtigkeit für sich. — Die Auffassung, man dürfe Recht und Wirklichkeit nicht miteinander verwechseln, ist zutreffend. I m Hinblick auf ein Anti-Diskriminierungsgesetz verkennt sie jedoch, daß es bei der Gesetzgebung zum Zwecke der Herstellung gleicher Chancen für Frauen um eine Neuverteilung von Besitzständen, Lebens- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten zwischen den Geschlechtern geht, also neben der bewußtseinsbildenden gerade auch die regelnde, gegebenenfalls sanktionierende Funktion des Rechts gefordert ist. 93

Blankenburg, Mobilisierung von Recht, ZfR Soz 1 /80, S. 38. Im übrigen ist gerade die Verschiebung der Handlungsfelder der Staatsgewalten Kennzeichen einer durchaus problematischen Verrechtlichung. So siehe bei Voigt, Verrechtlichung in Staat und Gesellschaft, 1980, S. 21. 95 Siehe Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, Jura 1986, S. 57 - 67; Karpen, Zum gegenwärtigen Stand der Gesetzgebungslehre in der Bundesrepublik Deutschland, Z G 1/86, S. 5-32. 96 Würtenberger, Schwankungen und Wandlungen im Rechtsbewußtsein der Bevölkerung, NJW 1986, S. 2281-2287 (2268). 94

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II. Grundlagen

— Die Ansicht, Gleichstellung der Frauen durch ein Anti-Diskriminierungsgesetz herbeizuführen, sei lediglich „systemimmanente" Maßnahme und müsse daher konsequenzlos bleiben, geht im Grunde genommen davon aus, daß mögliche Rechtsfortschritte keinen qualitativ-emanzipatorischen Entwurf für das Zusammenleben der Geschlechter als soziale Utopie bieten können. Sicherlich: Frauenemanzipation erschöpft sich nicht in juristischen Gleichstellungsbemühungen. Dennoch ist die Verwendung juristischer Paradigmen und ihre gesetzliche Implementation ein Beitrag zur Frauenemanzipation. Dafür sprechen drei Gründe: Der gesellschaftliche Verteilungskampf zwischen den Geschlechtern, den jede Frau zumeist privat austrägt, ist auf gesellschaftlicher Ebene öffentlich geworden. Der Verzicht, diesen sozialen Fortschritt zu kodifizieren, würde bedeuten, den Konflikt zu reprivatisieren. Außerdem verweist ein Anti-Diskriminierungsgesetzesvorhaben in zentraler Weise darauf, daß Frauen als Gruppe ein Gerechtigkeitsdefizit haben, das unter den derzeitigen Lebensbedingungen abgebaut werden muß und nicht mit Verweis auf zukünftige Generationen abgetan werden kann. Schließlich entmystifizieren Bemühungen im Sinne eines Anti-Diskriminierungsgesetzes ideologische oder romantisierende Alltagstheorien, also Emanzipationsideale, die in Frauen das „sanftere" oder gar „bessere" Geschlecht sehen wollen, welches dem Mann, der „versagt" habe, zum Wohle der Menschheit die „Macht" — jedenfalls zur Hälfte — aus den Händen nehmen müsse. Denn solche Argumentationen vernachlässigen die Tatsache, daß Frauen nicht nur in Form unbezahlter Hausarbeits- und Kindererziehungsmonopole durchaus auch an der „Männergesellschaft" partizipieren. 97 Aus diesen genannten Gründen kommt einem Anti-Diskriminierungsgestz maßgebliche Bedeutung bei. Seine derzeitig einzige Ausformulierung findet sich in dem „Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Benachteiligung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen (Anti-Diskriminierungsgesetz)" 98 , das die Grüne Fraktion am 9.10.1986 in den Deutschen Bundestag eingebracht hat. Er enthält: — Eine Generalklausel, die jede Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Gebärfähigkeit, ihrer Lebensform und / oder ihres Alters verbietet (Art. 1 § 1 Abs. 1 u. 2 ADGEntw); — eine Generalklausel, die die Teilhabe von Frauen an der politischen und wirtschaftlichen Macht in allen Bereichen regelt (Art. 1 § 2 Abs. 1 u. 2 ADGEntw); — eine Generalklausel, die auch Frauenverbänden ein eigenständiges Klagerecht gegen gesellschaftliche Diskriminierung einräumt (Art. 1 § 5 S. 2 u. 3 ADGEntw); 97 So ζ. B. Wiegmann, Diskussionsbeitrag, Anhörung am 21. / 22. Januar 1982 in Bonn zum Thema Anti-Diskriminierungsgesetz, Stenographische Niederschrift, Bonn 1982, S. 104. 98 Drs. 10/6137.

3. Die parlamentarische Entwicklung

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— eine Generalklausel, die eine Verpflichtung zur Reinigung von Sexismus in der Amts-, Gerichts- und Gesetzessprache enthält (Art. 1 § 6 S. 1 u. 2 ADGEntw); — ein Quotierungsgesetz, das eindeutig und übergreifend alle Arbeitsgeber/ innen zur Vergabe von mindestens 50 v.H. aller Ausbildungs- bzw. Erwerbsarbeitsplätzen an Frauen verpflichtet (Art. 1 § 3 Abs. 1 u. 2. u. 3 ADGEntw); — ein Frauenbeauftragtengesetz, um ein möglichst lückenloses Netz von Behörden zu schaffen; die Fauenbeauftragte/n soll /en die Durchführung und Durchsetzung des Anti-Diskriminierungsgesetzes auf allen gesellschaftlichen Ebenen kontrollieren und vorantreiben (Art. 1 § 4 S. 1 u. 2 ADGEntw); — Veränderungen bereits bestehender gesetzlicher Vorschriften, ζ. B. ersatzlose Streichung des § 218 StGB, die Sicherung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung durch Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe, Bestrafung auch des erzwungenen Anal- und Oralverkehrs als Vergewaltigung, Aufhebung des „minderschweren Falles" von sexueller Nötigung und Vergewaltigung, darüberhinaus Änderungen im Familienrecht, Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz etc. Beachtlich in diesem Entwurf sind insbesondere folgende Gesichtspunkte: — Art. 1 § 1 Abs. 1 ADGEntw enthält ein Verbot der Diskriminierung von Frauen; Abs. 2 definiert dieses Verbot anhand von Regelbeispielen. In der Tat nimmt die auf diese Weise für den zivilrechtlichen Bereich normierte Drittwirkung der Generalklausel den Charakter einer bloßen Präambel oder eines Programmsatzes. Nur dann, wenn nicht bloß an ein Leitbild gedacht worden, sondern eine Anspruchsgrundlage formuliert ist, würde die Generalklausel über die bisherige Rechtslage hinausgehen und sich als echte Rechts Verbesserung darstellen. Gleichwohl erübrigt sich die Formulierung konkreter Tatbestände, etwa im Mietrecht, für die Darlehensvergabe sowie für andere Lebens- und Geschäftsbereiche keineswegs." Das gilt auch für die Formulierung von restriktiven und klar umrissenen Ausnahmetatbeständen, die der Entwurf außer Betracht läßt. — Dem in Art. 1 § 2 Abs. 1 ADGEntw festgelegten Auftrag an alle staatlichen Gewalten, Frauen in allen Lebensbereichen Chancengleichheit zu gewähren, 99

Diese Novellierung von Einzelgesetzen im originär zivilrechtlichen Bereich fehlt. Insofern bleibt der Entwurf von seiner empirischen Fundierung her und den daraus für das Gesetzesvorhaben gezogenen Schlüssen auf dem Stand der Debatte nach der Sachverständigenanhörung 1982. Mit Regelbeispielen ausgefüllte und sorgfaltig formulierte Tatbestände auf mittlerer Konkretionsebene würden Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für Frauen in diesen Bereichen schaffen und kontraproduktive Wertungseinbrüche weitgehend ausschließen.

II. Grundlagen

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fehlt die Konkretisierung. Die i n Abs. 2 vorgesehene Quotierung aller Erwerbs- u n d Ausbildungsplätze reicht dazu nicht aus. — Herzstück u n d rechtspolitisch wichtigster Teil des Gesetzesentwurfs ist die i n A r t . 1 § 5 S. 1 u. 2 A D G E n t w normierte Verbandsklage zugunsten v o n Frauen verbänden. D e n n damit könnten die engagierten Einsätze v o n Fraueninitiativen gestärkt werden. — Die i n A r t . 1 § 6 S. 1 u. 2 A D G E n t w vorgesehene Generalklausel zur Bereinigung der Rechtssprache v o n patriarchalischen Sprachelementen bringt z u m Ausdruck, daß, solange einseitig Frauen über M ä n n e r sprachlich definiert werden, nicht jedoch M ä n n e r auch über Frauen, eine Gleichbehandlung der Geschlechter i n der Gesetzessprache nicht gegeben i s t . 1 0 0 100

Zaghafte Ansätze in diese Richtung stellt man beim Republikanischen Anwaltsverein e. V. fest, der zu seinem Treffen im September 1986 in Berlin die Einladung so gestaltet hat, daß sich sowohl weibliche wie männliche Juristen angesprochen fühlen können, vgl. dazu die Anzeige in der NJW 1986, Heft 34, IX. Guentherodt, Behördliche Sprachregelungen gegen und für eine sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern, in: Heuser (Hg.), Frauen-Sprache-Literatur, Paderborn u.a. 1982, S. 60 problematisierte als erste die übliche sprachliche Ausdrucksform: „Gleichbehandlung bezogen auf Sprache? Bedeutet nicht jede differenzierende Benennung von Personen in jeder Sprache Ungleichbehandlung? Was ist hier unter sprachlicher Gleichbehandlung zu verstehen? Gemeint ist sprachliche Gleichbehandlung analog zur beruflichen Gleichbehandlung von Männern und Frauen, wie sie die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Februar 1976 u. Artikel 3 unseres Grundgesetzes fordern. Gemeinst ist sprachliche Ungleichbehandlung als sprachliche Manifestation der Minderbewertung, der Benachteiligung und der Nichtbeachtung der Frauen in unserer Gesellschaft als Manifestation im Sprachverhalten und im Sprachsystem." „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Gesetzestexten" lautete auch das Thema einer Anhörung des Hessischen Landtags am 6. März 1986 in Wiesbaden (Informationen für die Frau 3/1986, S. 12). Die Kritik betraf die sprachliche Ausgestaltung von Gesetzes- und Rechtstexten aller Art bis hin zu den Formularen. Kurzerhand schlug Wiegmann in ihrer schriftlichen Stellungnahme eine exemplarische Änderung des § 535 BGB vor: „Durch den Mietvertrag wird die Vermieterin verpflichtet, der Mieterin den Gebrauch der Sache während der Mietzeit zu gewähren. Die Mieterin ist verpflichtet, der Vermieterin den vereinbarten Mietzins zu entrichten" (ebenda). Ob mit einer solchen Formulierung der Diskriminierung von Frauen bei der Wohnungsvergabe, z.B. die Weigerung von Vermietern, mit alleinstehenden Müttern Mietverträge abzuschließen, abgeholfen wird, darf zwar bezweifelt werden. Daran wird allerdings in aller Schärfe das Problem deutlich. Das gilt auch für die Äußerung von Grabrucker bei der Anhörung, die die Meinung vertrat, daß „solange einseitig Frauen über Männer definiert werden, nicht jedoch Männer auch über Frauen ( . . . ) , eine Gleichbehandlung der Geschlechter in der Gesetzessprache nicht gegeben ist." Dies ist ihres Erachtens ein Verfassungsverstoß, weil es „nirgendwo, weder im GG noch bislang in anderen Gesetzestexten, eine allgemeine Bestimmung dergestalt" gibt, „daß der Gesetzesinhalt bei Verwendung männlich bestimmter Begriffe immer auch Frauen mitumfaßt." (Grabrucker, Rechtliche Aspekte einer Frauen nicht diskriminierenden Gesetzessprache, Streit 2/86, S. 59 f.). Soweit ersichtlich, hat sich bislang mit dieser Frage nur das Preußische Oberverwaltungsgericht auseinandergesetzt, das dieser Auffassung in seiner Entscheidung vom 5. Februar 1920 (PreußOVGE 75, 381-393) entgegengetreten ist. Es ging damals um die Rechtsfrage, ob die „Arbeits- und Hilfskräfte weiblicher Personen als ,Vorführer' von Lichtbildern in öffentlichen Lichtbildtheatern ( . . . ) durch Polizeiverordnung" allgemein

3. Die parlamentarische Entwicklung

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— Art. 1 § 3 Abs. 3 ADGEntw verweist auf das Quotierungsgesetz. Das Modell für die sehr umstrittene Frage der Reichweite einer möglichen Quotierung von Erwerbs- und Ausbildungsplätzen hat in diesem Gesetz die entschiedenste, gleichzeitig aber auch unflexibelste Form bekommen, weil es auschließlich die imperative 50%-Quote für Frauen vorsieht. — Das in Art. 1 § 4 S. 2 ADGEntw angesprochene Frauenbeauftragtengesetz regelt die Umsetzung des materiellen Anti-Diskriminierungsrechts in Verwaltungshandeln. Es setzt an Tendenzen an, die zur Zeit sowohl auf kommunaler wie Landesebene in allen Bundesländern vorangetrieben ausgeschlossen oder beschränkt werden darf und zwar wegen ihres weiblichen Geschlechts (Vgl. ebenda, 3. Leitsatz, S. 381). Die dahinterstehende Absicht war, wie der Polizeipräsident offen ebenda, S. 348) zugab, die Frauen nach dem 1. Weltkrieg aus dem Beruf herauszudrängen, um für die heimkehrenden Männer wieder Platz zu machen. Der Oberpräsident als Widerspruchsbehörde beschied die Antragstellerinnen u. a. mit folgender Begründung abschlägig (OVGE S. 386): „Durch § 27 Ziff. 2 der Polizeiordnung betreffend die Sicherheit in Kinematographentheatern vom 6. Mai 1912 sind zwar ohne ausdrückliche Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Personen von der Zulassung als Vorführer nur Personen unter 21 Jahren ausgeschlossen. Daß aber damals nur an männliche Personen gedacht ist, ergibt sich, abgesehen von der besonderen Eigenart des Berufs und den demgemäß zu stellenden Anforderungen persönlicher Natur, aus dem in Ziffer 3 daselbst gebrauchten Ausdrucke ,Der Vorführer 4 . Demgemäß sind auch nach § 1 der Grundsätze für die Prüfung von Kinematographenvorführern vom 10. September 1912 unter dem sich aus § 11 daselbst ergebenden Vorbehalte nur männliche Personen über 21 Jahren zugelassen." Andere Gründe für die Versagung der Erlaubnis waren: „Ruhe, Geistesgegenwart und Besonnenheit zur Verhütung einer Panik beim Ausbruch eines in seinen Folgen so überaus gefahrlichen Filmbrandes zu beweisen, ist eine Eigenschaft, die den weiblichen Personen erfahrungsgemäß mangelt. Im allgemeinen gibt auch die Kleidung der weiblichen Personen vom feuerpolizeilichen Standpunkt aus zu Bedenken Anlaß", (S. 385). Vgl. aus heutiger Zeit Silvana Parodi, Zum „Frauenfeuerwehrdienst" nach dem Grundgesetz, DÖV 19/1984, S. 799 - 804, wo aufgezeigt wird, daß solche Erwägungen noch nicht überholt zu sein scheinen. Dieser Auffassung trat das Preußische Oberverwaltungsgericht mit dem Argument entgegen, daß der allgemeine Sprachgebrauch für eine andere Deutung spreche. Außerdem hätte der Ausdruck „der Vorführer" einer Zulassung von Frauen zu diesem Beruf während des Krieges nicht entgegengestanden. Daß bei Schaffung der Vorschrift nur an männliche Personen gedacht worden sei, so daß Frauen nicht hätten berücksichtigt werden dürfen, wäre schon deshalb nicht ersichtlich (OVGE, S. 388). Was Stellenanzeigen betrifft, in denen lediglich Männer zur Bewerbung aufgefordert werden, so ist eine derartige Ausschreibungspraxis mit der Soll-Vorschrift des § 611 b BGB unvereinbar, die bestimmt, daß Stellen geschlechtsneutral ausgeschrieben werden müssen. Schließlich ist die Vorschrift: „Weibliche Richter und Staatsanwälte führen die Amtsbezeichnung in der weiblichen Form", die in der Anlage I I des Beamtenbesoldungsgesetzes in der Bundesbesoldungsordnung R Nr. 1 unter dem Titel Amtsbezeichnungen steht, analog auf alle Funktions-, Amts- und Berufsbezeichnungen des öffentlichen Dienstes anzuwenden. Problematisch ist hier — ebenfalls in § 611 b BGB—, daß keine sanktionierende Rechtsfolge existiert. Grabrucker, Streit 2/86, S. 59 f. sieht überdies in der üblichen Rechtssprache, die das weibliche Geschlecht umstandslos unter Begriffe in der männlichen Form subsumiert, einen Verstoß gegen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, das am 10. 7.1985 ratifiziert wurde. Siehe zur Diskriminierung durch die Rechtssprache auch Schmidt, DRiZ 1985, S. 98 f. 5 Slupik

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II. Grundlagen

werden, nämlich die Einrichtung sogenannter Gleichstellungsstellen, die jedoch über keinerlei hoheitliche Befugnisse verfügen können. Dem hilft das Frauenbeauftragtengesetz ab. Der Entwurf enthält also eine Reihe von Ansätzen, die durchaus geeignet sind, die Rechtsstellung der Frauen zu verbessern. Er gibt aber keine Antwort auf die Frage, ob und weshalb es von Verfassung wegen geboten ist, die faktisch bestehende Schlechterstellung von Frauen zu beseitigen. Anders formuliert: Geht man davon aus, daß es sich beim Gesetzesentwurf der Gründen um die derzeit avancierteste Form eines Anti-Diskriminierungsgesetzes handelt, so bleibt gleichwohl festzustellen, daß eine Wissenslücke über Inhalt und Bedeutung von Art. 3 Abs. 2 u. 3 GG besteht.

III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität1 1. Theoretische Ansatzpunkte Die Diskrepanz zwischen dem historischen Verfassungsauftrag und seiner Verwirklichung legt es nahe zu sehen, welcher verfassungsrechtliche Handlungsspielraum in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG normiert worden ist. Im Laufe der bundesrepublikanischen Verfassungsgeschichte wurden diese Zentralnormen für die Fundierung der Gleichberechtigung in ganz verschiedener Weise ausgelegt. Schließlich beinhalten Gleichberechtigungsgrundsatz und Diskriminierungsverbot keine gleichsam naturgesetzliche Addition individueller oder kollektiver Möglichkeiten. Insbesondere anläßlich neuer Normierungen in einfachgesetzlichen Bereichen wie Familien-, Sozial- und Arbeitsrecht entbrannte immer wieder die Diskussion um Facetten in der Reichweite der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze. Dieser Teil der Arbeit soll dazu dienen, Informationen zur Diskussion über Gleichberechtigungsgrundsatz und Diskriminierungsverbot zu systematisieren und ein eigenes Auslegungsmodell zu entwickeln. Prinzipiell sind zu diesem Zwecke zwei Herangehensweisen naheliegend: Einmal bietet sich die Darstellung der rechtsdogmatischen Diskussion in ihrer historischen Abfolge in der Geschichte der Bundesrepublik und damit im Geltungszeitraum des Grundgesetzes an. Dagegen spricht jedoch, daß allein die Präsentation von Auffassungen nach einem chronologischen Ordnungsprinzip noch keinen konstruktiven Hintergrund für die Entwicklung eines eigenen Modells enthält, weil Anknüpfungspunkt die historische „Beliebigkeit" wäre, mithin kein sinnvoll begründetes Auswahlkriterium. Deshalb mangelt es bei einem solchen Vorgehen an der theoretischen Folie, auf der sich dann erst einzelne verfassungsrechtliche Probleme diskutieren lassen. Bezugspunkt für die hier gewählte Vorgehensweise sind deshalb einige Arbeiten, die in den letzten Jahren unter der Prämisse verfaßt worden sind, sich Klarheit über das Ausmaß rechtlicher Diskriminierungen von Frauen insgesamt zu verschaffen und gleichzeitig das dogmatische Verständnis vom Gleichberechtigungsgrundsatz und Diskriminierungsverbot systematisch zu erweitern. 2 1 Alexy, Theorie der Grundrechte, Frankfurt am Main 1986, S. 22: „Was eine Theorie zu einer dogmatischen und damit zu einer juristischen macht, ist alles andere als klar." 2 Z.B. erörtern Voegeli und Willenbacher verschiedene Stränge familienrechtlicher Ausgestaltungen auf dem Hintergrund eines Theorems möglicher Alternativen für die Auslegung des Gleichberechtigungssatzes im Eherecht. (Voegli/Willenbacher, Die Ausge-

5*

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Zusammenfassen lassen sich diese neuen Ansätze in dem sogenannten „Stufenmodell 3 der Diskriminierung" 4 , das ursprünglich zum Auffinden von Frauenbenachteiligung in allen Arten von rechtlich relevanten Handlungen oder Texten (Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, Verträgen) entwickelt worden ist. Es kann als heuristisches Schema zur Erfassung von Frauendiskriminierung benutzt werden und bietet zugleich den Ansatzpunkt, um ein dogmatisches Konzept verfassungsrechtlich zu fundieren. Dieses Modell geht von der Prämisse aus, daß aufgrund der feststellbaren gesellschaftlich-sozialen Benachteiligung von Frauen die Beseitigung patriarchalischer Strukturen aus dem Abbau hierarchischer Strukturen resultiert. Das läßt sich für den gesellschaftlich-sozialen Bereich im einzelnen aufschlüsseln: — Beseitigung von Rechtsregelungen im gesellschaftlich-sozialen Bereich, die den Mann bevorzugen (direkte Diskriminierung). — Unterlassung, gegebenenfalls Beseitigung von Regelungen, durch die die patriarchalische Struktur im gesellschaftlich-sozialen Bereich fest- oder fortgeschrieben wird. Dabei wird es sich vornehmlich um solche Normen handeln, die spezifische Auswirkungen jeweils auf ein Geschlecht haben, ohne daß sie durch ihre Formulierung sich unmittelbar stets geschlechtsspezifisch zu erkennen geben (indirekte Diskriminierung). — Schaffung von positiven Regelungen, die dem demokratisch-egalitären Moment des Gleichberechtigungsgrundsatzes verpflichtet sind und deswegen, anknüpfend an bestehende reale Ungleichheiten5 im gesellschaftlichstaltung des Gleichberechtigungssatzes im Eherecht, ZfRSoz 6/1984, S. 235). Sodann ist der Ansatz von Pfarr und Bertelsmann heranzuziehen, die — ausgehend von dem Normenbestand des arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes (Gleichbehandlungsgesetz) — zu einer Konstruktion und dogmatisch-praktischen Ausdifferenzierung des Diskriminierungsbegriffs gekommen sind (Pfarr / Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, Wiesbaden 1985). Damit wurde für das bundesdeutsche Arbeitsrecht erstmalig ein systematischer Zugang zu den Kategorien „direkte", d.h. „unmittelbare" Diskriminierung im Unterschied zu „indirekter", d.h. „mittelbarer" Diskriminierung entwickelt. Diese Begriffe existierten zuvor zwar schon alltagssprachlich und wurden durch ihre Verwendung in ausländischen Rechtstexten (ζ. B. der englische Sex Discrimination Act, Chapter 65, London, Her Majestys Stationary Office, 1975; dazu auch Dix, Gleichberechtigung durch Gesetz, Baden-Baden 1984) und in politischen Forderungen (die erste Ausformulierung von Forderungen nach einem Anti-Diskriminierungsgesetz für die Bundesrepublik siehe bei Humanistische Union (Hg.), Ein Antidiskriminierungsgesetz für die Bundesrepublik, München 1978, S. 5) — übrigens bezogen auf verschiedene Bereiche des Privatrechtsverkehrs — öffentlich diskutierbar. Der Bezug zur Rechtspraxis und die rechtssystematische Durchdringung fehlten jedoch weitgehend. 3 Das Wort „Stufenmodell" rechtfertigt sich, wie noch gezeigt werden wird, durch unterschiedliche und verschieden starke Bindungswirkung der einzelnen Stufen, bezogen auf Diskriminierungsverbot und Gleichberechtigungsgrundsatz, die zueinander in einem Stufenverhältnis stehen. 4 Münder / Slupik, Rechtliche Diskriminierung von Mädchen und jungen Frauen im Sozialisationsbereich, in: Münder/Slupik/Schmitt-Bott, Rechtliche und politische Diskriminierung von Mädchen und Frauen, Opladen 1984, S. 9-139.

1. Theoretische Ansatzpunkte

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sozialen Bereich, diese zugunsten der Frauen ausgleichen. Hier wird es sich weitgehend um neu zu schaffende kompensatorische Normen handeln (Mangel an kompensatorischer Normierung). Aus mehreren Gründen eignet sich dieses Stufenmodell als analytisches Konzept wie auch als Legitimationsmuster für eine verfassungsrechtliche Argumentation: — Es erfaßt wegen seiner Allgemeinheit alle zur Zeit diskutierten Formen rechtlicher Diskriminierung. — Weil dieses Modell auf einem zweispurigen Suchvorgang nach Diskriminierung basiert (empirisch: in der Rechtswirklichkeit; textexegetisch: in Rechtstexten), wird in ihm die Dichotomie von formaler Rechtsgleichheit und sozialer Gleichheit aufgelöst. — Vorteile bietet zudem die Tatsache, daß das Modell an Normenbeständen des einfachen Rechts (Familienrecht, Arbeitsrecht, Schulrecht und Jugendrecht) entwickelt wurde und auch die anderen relevanten Beiträge eher der Formstrenge des zivilrechtlichen Denkens entspringen. Es ist deshalb zum einen an der Verwendbarkeit und Verwertbarkeit für konkrete Normenbestände, die das Leben der Menschen bestimmen, stärker orientiert. Zum anderen können damit die verfassungsrechtlichen Probleme als im Verhältnis zum einfachen Recht wertungsintensive Nahtstellen zur sozialen Wirklichkeit einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Dies ist um so erforderlicher, als von der „Einsicht" ausgegangen werden darf, „daß eine allgemeine Grundrechtstheorie nicht mehr möglich ist". 6 — Ferner enthält das Modell alle drei Elemente der Rechtsdogmatik:7 es ist analytisch, empirisch und normativ zugleich. U m die Erkenntnismöglichkeiten dieses Modells zu nutzen, werden seine einzelnen Stufen — die direkte und die indirekte Diskriminierung und der Mangel an kompensatorischer Normierung — den verfassungsrechtlichen Streitpunkten zugeordnet. Denn nach wie vor besteht Streit über die Wirkungsrichtung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. 8 Es handelt sich dabei um fünf relevante Streitstände, die den Aufbau in diesem Teil der Arbeit bestimmen: 5

Benda, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, Freiburg 1986, S. 7 f. spricht hier von „struktureller Diskriminierung". 6 Ladeur, Klassische Grundrechtsfunktion und „post-moderne" Grundrechtstheorie, KJ 2/1986, S. 206. 7 Alexy, S. 22 zum Begriff der juristischen Dogmatik und den drei Dimensionen der Rechtsdogmatik m.w.N. 8 Die dogmatische Durchdringung der Auseinandersetzung ist jedoch weniger ausgefeilt. Dies ist Indiz für die Notwendigkeit einer „Analyse von Recht als normativer Festschreibung der Nichtexistenz von Frauen" (übersetzt von Verf.), vgl. Mackinnon, Commentary: Pornography, Havard Civil Rights 1985, P. 23.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

— Bei der Debatte um die Wirkungsrichtung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG spielt die zuletzt von Ramm 9 verfochtene These einer unterschiedlichen Bedeutung von Gleichberechtigungsgrundsatz und Diskriminierungsverbot eine Rolle, jedenfalls in rechtskonstruktiver Hinsicht. Zwar geht das Bundesverfassungsgericht 10 von einer Identität der Absätze 2 und 2 des Art. 3 GG im Hinblick auf die Geschlechterproblematik aus, weshalb die Auseinandersetzung über die im Zusammenhang mit Art. 117 Abs. 1 GG diskutierte Bedeutungsverschiedenheit beider Absätze verstummt ist. Gleichwohl kann und darf sich die verfassungsrechtliche Diskussion neuen, rechtlich relevanten Entwicklungen, wie etwa die Forderung nach einer Quotierung von Erwerbsplätzen zugunsten von Frauen, insgesamt nach einem besseren Recht, nicht verschließen. In diesem Kontext wird die Frage nach einem unterschiedlichen Bedeutungsgehalt der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze wieder virulent. — Weiterhin geht es um die Frage, inwieweit Art. 3 Abs. 2 GG einen Auftrag an den Staat bzw. den einfachen Gesetzgeber enthält, reale Chancengleichheit herzustellen. Ein solcher Auftrag würde die Bevorzugung der Frauen verfassungsrechtlich legitimieren. Kompensation wäre demnach Differenzierungsgrund. Die Frage einer positiven Verpflichtung des Staates, also eines Verfassungsauftrages, zielt auf eine der bekannten „Selbstblockaden des bisherigen Rechtssystems", nämlich des „hierarchischen Verhältnisses von Sozialrecht als Ausnahmerecht" und Marktrecht als „Regelrecht" 11 , mithin darauf, ob der Staat nicht nur egalitäres Recht zu schaffen hat, sondern auch „Chancengleichheit als Voraussetzung formaler Gleichheit". 1 2 — Die gleiche Problematik spielt auch beim dritten relevanten Streitstand eine Rolle, nämlich wer Adressat /in von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ist. Konkret würde dies ζ. B. dann, wenn in einem Industriebetrieb die Bewerbungen einer Frau und eines Mannes vorliegen, beide gleich qualifiziert sind und der Mann unter Hinweis auf einen existierenden Frauenförderungsplan, weil alle „Männerplätze" bereits besetzt sind, abgewiesen, die Frau jedoch eingestellt wird. In diesem — zugegebenermaßen theoretischen, weil praktisch noch nicht entschiedenen — Fall, würde der Mann ausschließlich seines Geschlechtes wegen abgelehnt werden. Darin könnte man einen Verstoß nicht nur gegen § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB sehen, sondern auch gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. — Ferner ist die Funktion von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG als Abwehrrecht der Bürger/innen gegenüber dem Staat allgemein anerkannt. Aber wie sind 9

Ramm, JZ 1968, S. 42ff. BVerfGE 3, 225-248, std. Rspr. 11 Ladeur, KJ 2/1986, S. 205. 12 Ebenda, S. 199. 10

2. Art. 3 Abs. 1 G G und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG

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Art. 3 Abs. 2 und 3 GG begrifflich auszulegen? Damit ist die Definition von Diskriminierung und Ungleichbehandlung angesprochen, also auch die Verortung von „direkter" und „indirekter" Diskriminierung als verfassungsrechtliche Begriffe. Zugleich geht es um die Frage formaler Rechtsgleichheit versus „funktionale bzw. organische Interpretation", die die Auseinandersetzung um die Gleichberechtigung im Familienrecht entscheidend geprägt hat. 1 3 In diesem Zusammenhang muß auch die Frage nach rechtmäßigen Differenzierungsgründen für eine Ungleichbehandlung der Geschlechter gestellt werden. — Fraglich und umstritten ist schließlich, ob und in welchen Bereichen und mit welchen Konsequenzen von einer Drittwirkung von Gleichberechtigungsgrundsatz und Diskriminierungsverbot auszugehen ist: Welche Bereiche des Privatrechtsverkehrs, welche Fallgruppen im Rahmen der Normenbestände und welche Konstellationen nach welchen Ordnungskriterien werden erfaßt? Bevor diese einzelnen Punkte abgehandelt werden, ist zunächst mit der Frage zu beginnen, welchen Charakter der allgemeine Gleichheitssatz hat. 2. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in seinem Verhältnis zu den Absätzen 2 und 3 Die vorstehend genannten fünf relevanten Streitstände können in ihrer Tragweite und ihrer Problemstruktur nur dann erhellt werden, wenn zuvor Klarheit darüber besteht, welches Verhältnis zwischen Art. 3 Abs. 1 GG und den Absätzen 2 und 3 besteht. Als Ausprägung der Menschenwürde ist in den Grundrechten die Gleichheit neben der Freiheit gewährleistet. 1 Ihre umfassendste Konkretisierung findet sie im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Daneben enthalten Art. 3 Abs. 2 und 3, Art. 6 Abs. 5, Art. 12 a Abs. 2 Satz 2, Art. 33 Abs. 1 - 3 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG spezielle Gleichheitssätze. Wenn es um eine Thematisierung der Grundrechte „als Verteilungsmaßstäbe"2 geht, stellt sich immer wieder die Frage, welches Gleichheitskonzept Art. 3 Abs. 1 GG enthält und damit das Problem, ob das geltende Verfassungsrecht im allgemeinen Gleichheitssatz lediglich formale Gleichheit vor dem Recht oder auch den Ausgleich von sozialen Unterschieden nach Merkmalsgruppen verlangt. 13 1

Siehe bei Voegeli/Willenbacher, S. 238.

Mackinnon, Harvard Civil Rights 1985, S. 16 sieht in dem Konflikt zwischen Gleichheit und Freiheit keine Auseinandersetzung zwischen abstrakten Kategorien, sondern zwischen Gruppen, wobei die Interessen von Frauen nicht zur Sprache kommen und im Endeffekt die Freiheit von Männern mit der Ungleichheit und insofern relativen Freiheit von Frauen erkauft wird. 2 Entgegen Ossenbühl, NJW 1976, S. 2107.

III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

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Die Gleichheitskonzeption des Liberalismus im 19. Jahrhhundert war gegen den Feudalstaat des 18. Jahrhunderts gerichtet: Der Staat war den Bürgern rechtlich übergeordnet; unter den Gesellschaftsmitgliedern hingegen herrschte Rechtsgleichheit.3 Vor diesem Hintergrund enthielt § 137 des Verfassungsentwurfs der Paulskirche von 1848 eine ganze Reihe staatsbürgerlicher Gleichheitsnormen, unter anderem — in Absatz 2 — auch einen allgemeinen Gleichheitssatz, der in Art. 3 Abs. 1 GG wörtlich übernommen worden ist. Obwohl schon damals das Problem soziale versus formale Gleichheit verhandelt worden war 4 , erwähnt der Paulskirchen-Entwurf die soziale Gleichheit nicht. Dem Art. 3 GG fehlt dagegen der systematische Bezug der allgemeinen zur staatsbürgerlichen Gleichheit. 5 Das bedeutet, daß die verfassungsrechtliche Tradition in diesem Punkt keine Aussage über die Kontinuität eines bestimmten verfassungsrechtlichen Gleichheitsverständnisses zuläßt. In der frühen Geschichte der Bundesrepublik gab es deshalb eine zugespitzte Kontroverse über die Frage, ob das Grundgesetz im allgemeinen Gleichheitssatz nur die formale oder auch die soziale Gleichheit anspricht. Während Forsthoff dezidiert das Rechtsstaatsprinzip in den Vordergrund stellte 6 , forderte Abendroth als sein Gegenspieler eine am Sozialstaatsgedanken orientierte Interpretation. 7 Danach ist die Stellung des Sozialstaatsprinzips im Grundsatz des demokratischen und sozialen Rechtsstaats darauf angelegt, den materiellen Rechtsstaatsgedanken der Demokratie auf die Wirtschafts- und Sozialordnung und das gesellschaftliche Leben auszudehnen. Auf diese Weise wird dem Sozialstaatsgedanken ein materieller Inhalt gegeben. Diese Interpretation, die auf einer engen Verbindung von Sozialstaat und Demokratie beruht, läßt den Gleichheitssatz nicht nur zwischen Einzelpersonen wirken, sondern auch im Verhältnis zwischen sozialen Gruppen, deren Ungleichheit im Zuge einer Demokratisierung der Gesellschaft ausgeglichen wird. Soziale Gleichheit entwickelt sich in der Gesellschaft auch bei Deutung des Gleichheitssatzes als Instrument sozialer Gleichstellung nicht von selbst. Sie bedarf der Durchsetzung durch Akte der Legislative und der Exekutive. Soll das grundgesetzliche Gleichheitsgebot hierzu verpflichten, so müßte Art. 3 Abs. 1 GG einen Verfassungsauftrag zur Herstellung sozialer Gleichheit enthalten. Eine solche Interpretation ließe den allgemeinen Gleichheitssatz als soziales Grundrecht erscheinen und stieße damit auf das Bedenken, sie sei mit dem Inhalt des Art. 1 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. 8 Denn in Art. 1 Abs. 3 GG wird 3

Kritisch dazu Menger, Neue Staatslehre, Jena 1904, S. 64. Denniger, Staatsrecht 1, Reinbek b. Hamburg 1973, S. 91, 135. 5 Gusy, Der Gleichheitsschutz des Grundgesetzes, JuS 1982, S. 30-36 (31) begründet dies mit der Abnahme der faktischen Bedeutung der verfassungsrechtlichen Bedeutung staatsbürgerlicher Gleichheit. 6 Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: Ders., (Hg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, Darmstadt 1968, S. 165 ff. 7 Abendroth, Das Grundgesetz, 7. Aufl., Pfullingen 1978, S. 52ff.; ders. in: Festschrift für Bergsträsser, 1964, S. 288 ff. 4

2. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG

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festgelegt, daß die Grundrechte unmittelbar anwendbares Recht darstellen; dem einzelnen Grundrecht muß explizit oder entstehungsgeschichtlich ein solcher Sozialbezug zu entnehmen sein. I m Text von Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls ist aber nur von der Gleichheit vor dem Gesetz die Rede. Das Problem kann ζ. B. am Wortlaut des Art. 6 Abs. 5 GG deutlich gemacht werden: Gleiche Chancen für nichteheliche Kinder entstehen nicht von selbst, sondern sollen erst durch die Gesetzgebung geschaffen werden. 9 Art. 6 Abs. 5 GG geht also von einem Zustand sozialer Ungleichheit aus, der aufgrund der Verfassung korrigiert, d. h. egalisiert werden soll. Maßstab ist die Lage der ehelichen Kinder. Der Wortlaut des allgemeinen Gleichheitssatzes enthält einen solchen Auftrag nicht. Man kann deshalb — wie es die h. M . tut — durchaus die Auffassung vertreten, daß der allgemeine Gleichheitssatz als unmittelbar anwendbares Recht keinen Verfassungsauftrag zur Schaffung gleicher Chancen enthalte. Diese Auffassung, daß Art. 3 Abs. 1 GG nur formale Rechtsgleichheit bedeute, hat ihre Wurzeln in der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung der Weimarer Zeit. Bereits Art. 109 Satz 1 WRV („Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich") wurde dahin ausgelegt, daß auf der einen Seite die staatsbürgerliche Gleichheit gewährleistet sei und auf der anderen Seite formelle Rechtsgleichheit, nicht aber soziale Gleichheit durch Recht. Ausgangspunkt dieser naturrechtlich fundierten Meinung ist die Herleitung des Gleichheitsgebotes aus dem Ziel einer abstrakten Gerechtigkeit. 10 Damit war die herrschende Interpretation gegen das sozialegalitäre „Jedem das gleiche" auf ein „Jedem das seine" festgelegt. Der Gleichheitssatz wurde in seiner sozialgestaltenden Wirkung auf ein Gebot der Verwirklichung ausschließlich formaler Gerechtigkeit reduziert. Eine so verstandene Gerechtigkeit sollte nicht durch den Gleichheitssatz hergestellt, sondern im Gegenteil, ihr vorausgesetzt sein. Unter der Herrschaft des Grundgesetzes wurde Gerechtigkeit im Sinne eines sozialen Nachteilsausgleichs als Auftrag deshalb auch nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz, sondern dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG entnommen. Gleichwohl kann an dieser Stelle unentschieden bleiben, ob die Gegenmeinung 1 1 , die bis heute in der Minderheit ist, ein fundiertes Gleichheitskonzept für Art. 3 Abs. 1 GG vorlegen kann, das für den gesellschaftlichen Bereich ein Recht auf soziale Gleichheit konstituiert. Denn selbst wenn man der herrschenden Meinung bei der Deutung des Art. 3 Abs. 1 GG folgt und den allgemeinen Gleichheitssatz lediglich als Gebot formaler Gerechtigkeit oder auch absoluter Reichtsgleichheit auslegt, selbst dann ergibt sich daraus noch kein Präjudiz dafür, daß dieselbe Interpretation auch für die speziellen Gleichheitssätze, 8 Vgl. nur Starck, Die Anwendung des Gleichheitssatzes, in: Link (Hg.), Der Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat, Baden-Baden 1982, S. 51-73 (56 ff.). 9 Denninger, Staatsrecht 2, Reinbek b. Hamburg 1979, S. 154ff.; Hesse, AöR 77 (1951/52), S. 178-187. 10 Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Aufl., München/ Berlin 1959 11 Heller, Rechtsstaat und Diktatur?, Tübingen 1930; Neumann, Die soziale Bedeutung der Grundrechte in der Weimarer Verfassung, in: Die Arbeit, Band 9, 1930.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

bezogen auf das Geschlechterverhältnis, Gültigkeit haben muß. Denn warum hätte sich sonst der Verfassungsgeber bemüßigt gefühlt, dem Art. 3 Abs. 1 GG die speziellen Gleichheitssätze hinzuzufügen? Ergibt sich doch umgekehrt gerade aus der Tatsache, daß der Verfassungsgeber die speziellen Gleichheitssätze geschaffen hat, die Vermutung ihrer besonderen Regelungsbedeutung. Entgegen dieser Vermutung wird in der Literatur überwiegend die Auffassung vertreten, daß Art. 3 Abs. 2 GG im Verhältnis zu Abs. 1 lediglich einen speziellen Fall 1 2 , eine bloßen Konkretisierung des Abs. 1 1 3 oder Folgerung aus Abs. 1 darstellt. 14 Diese Auslegung sieht in Art. 3 Abs. 2 GG mehr als eine bloße Wiederholung des allgemeinen Gleichheitssatzes für eine „bestimmte Gleichheitskonstellation". 1 5 Der Gleichberechtigungsgrundsatz sei ein absolutes Differenzierungsverbot 16 und enthalte eine Verstärkung des Art. 3 Abs. 2 GG durch Umkehr der Richtung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. 17 Diese Interpretationsrichtung ist dabei durch zwei Elemente gekennzeichnet: — Die eigenständige Bedeutung des Gleichberechtigungsgrundsatzes gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz wird ebenso unterbewertet wie die selbständige Funktion des Diskriminierungsverbots in Abs. 3. 1 8 — Weil die Gleichheit vor dem Gesetz in Art. 3 Abs. 1 GG vielfach nur als Willkürverbot verstanden wird, in dem Sinne, daß Gleiches gleich, Ungleiches hingegen ungleich behandelt werden soll, und man diesen Ansatzpunkt zu stark zum Leitgedanken für die Deutung des Abs. 2 werden läßt, kommt man im Grunde niemals über eine formale Rechtsgleichheit hinaus. 19

12

So ζ. B. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetzkommentar, 1985, Art. 3, Rdnr. 206. Gubelt, in: Grundgesetzkommentar, 1985, Art. 3, Rdnr. 79. 14 Knöpfel, NJW 1960, S. 553. 15 v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetzkommentar, 1985, Art. 3, Rdnr. 206. 16 Hamann/Lenz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2, Anm. Β 5. 17 So Dürig, FamRz 1954, S. 2ff. 18 In der neuesten Auflage des Verfassungskommentars von v. Mangoldt/ Klein/ Starck wird dies so formuliert, daß Art. 3 Abs. 2 Gleichberechtigung „gebietet" und Abs. 3 Benachteiligungen und Bevorzugungen „verbietet", also eine positive und eine negative „Wendung" offenbar ein und derselben Angelegenheit vorliege. Vgl. dort bei Art. 3, Rdnr. 207. 19 Kritisch Ramm, RuG 1972, S. 101: „Dies hat ( . . . ) Dürig dazu veranlaßt, Art. 3 I I GG als Anweisung an den Gesetzgeber aufzufassen, die Ungleichheit des Geschlechts (die er nach Art. 3 I GG berücksichtigen müßte) rechtlich außer acht zu lassen — bis zu der Grenze, daß hierin Willkür liege. Doch spricht gegen diese Auffassung, daß die willkürliche Berücksichtigung des Geschlechtsunterschiedes vom Diskriminierungsverbot des Art. 3 I I I GG erfaßt ist." Daraus folgt nach Ramms Meinung, daß die Berücksichtigung des Geschlechtsunterschiedes sachgerecht sein kann, denn das Grundgesetz würde sich in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen nicht widersprechen. Auch Gubelt, G G K , 1985 Art. 3, Rdnr. 79, meint, daß Dürig die eigenständige Bedeutung des Art. 3 I I GG verkennt. 13

2. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG

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Gegen diese Interpretation von Art. 3 Abs. 2 GG als bloßem Gebot formaler Rechtsgleichheit spricht folgender Gesichtspunkt: Entscheidendes Argument dagegen ist, daß die Entstehungsgeschichte des Absatz 2, ihr historischer Bezugspunkt, vernachlässigt wird. Gerade die damals dem Absatz 2 zugesprochene Funktion einer Anhebung zugunsten des weiblichen Geschlechts macht plausibel, daß Art. 3 Abs. 2 GG eine besondere und herausgehobene Bedeutung haben soll. Durch die restriktive Auslegung des Gleichberechtigungsgebots wird sein besonderer Bezug zur Gruppe der Frauen im Sinne eines auf sie bezogenen Grundrechts ausgeblendet.20 Demgegenüber spricht gerade die Tatsache, daß die Frauenbewegung den Gleichberechtigungsgrundsatz durch außerparlamentarische Aktionen und Eingaben mit initiiert hat, ebenso für eine Sonderstellung des Absatz 2 gegenüber Absatz 1, wie die Auseinandersetzung bei den Verhandlungen des Grundgesetzgebers. 21 Die Berechtigung dieses Einwandes wird bereits durch die Kodifizierung von Art. 117 Abs. 1 Satz 1 GG belegt. Ohne in Art. 3 Abs. 2 GG einen Auftrag an den einfachen Gesetzgeber zu sehen, gleiches Recht für Fraü und Mann zu schaffen, wäre Art. 117 Abs. 1 Satz 1 GG überflüssig gewesen. Zu Art. 3 Abs. 1 GG dagegen gibt es keine Derogationsfrist. Der Grundgesetzgeber selbst hat nämlich mit dieser Norm inzident einen Gesetzgebungsauftrag verbunden. Stärker formuliert: Der einfache Gesetzgeber sollte unter Druck gesetzt werden, daß egalitäres Recht geschaffen werde. Denn wenn alles nach dem 31. 3. 1953 geltende Recht, insoweit es Art. 3 Abs. 2 GG entgegensteht, unwirksam sein soll, heißt das zugleich, daß der historische Grundgesetzgeber die Derogationsfrist in dem Bewußtsein setzte, daß große Gruppen von Normenbeständen im zuvor existierenden Recht die Frauen benachteiligten.22 Ein weiteres Argument für die eigenständige Bedeutung von Abs. 2 GG ergibt dessen wörtliche Auslegung. Abs. 2 GG formuliert, daß Männer und Frauen gleichberechtigt „sind". Damit ist kein Zustand beschrieben, sondern eine normative Aussage gemeint, die lautet: Die Frauen sollen den Männern gleichberechtigt sein! 23 Wie Gubelt 2 4 und Binder-Wehberg 25 betonen, handelt es sich um „die Bezeichnung für ein politisches Postulat zum Zeitpunkt der 20 Schon Knöpfel, NJW 1960, S. 553; Redmann, FamRZ 1961, S. 409; Schardey, FamRZ 1963, S. 265 ff.; Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung von Mann und Frau, Berlin 1970, S. 12 rügen die „stiefmütterliche" Behandlung der Frage nach dem grundsätzlichen Inhalt und Umfang von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. 21

Vgl. dazu Kapitel II.2. Ebenda. 23 So auch Dürig, FamRZ 1954, S. 3. Α. A. Coester-Waltjen, Zielsetzung und Effektivität eines Antidiskriminierungsgesetzes, ZRP 1982, S. 217 (219), die die Entstehungsgeschichte gegen den Wortlaut ausspielt 24 G G K , Art. 3, Rdnr. 76. 25 Ungleichbehandlung von Mann und Frau, S. 24. 22

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Entstehung des Grundgesetzes". 26 Denn „das Schlagwort,Gleichberechtigung' entstammt als Parole der modernen Frauenbewegung, die diesen Begriff mit konkreten, rechtspolitischen Forderungen zugunsten der Frau ausgestattet hat". 2 7 Die Übernahme des politischen Terminus „Gleichberechtigung" durch den Verfassungsgeber läßt deshalb den Schluß zu, daß er Gleichberechtigung so verwirklichen wollte, wie die geschichtliche Entwicklung diesen Begriff geprägt hatte: Nämlich als einen einseitig auf die Gruppe der Frauen bezogenen und ausschließlich zu ihren Gunsten normierten Verfassungsauftrag zur Anhebung ihrer rechtlichen und tatsächlichen Stellung auf den Status des Mannes. Damit ist die soziale und nicht die formalrechtliche Gleichheit gemeint. Demgegenüber ist Benda 28 der Meinung, daß der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 GG abstrakt auf beide Geschlechter gerichtet und eindeutig sei. „Gegenüber dem Wortlaut" könne „auch das historische Motiv bei der Verfassungsgebung der Norm keinen anderen Inhalt geben". 29 Dieses Argument verkennt drei Gesichtspunkte: — Dort, wo sich der Verfassungsgeber explizit geäußert hat, ist seine Auffassung als ausschlaggebend heranzuziehen. 30 Die frauenpolitische Offenheit des Grundgesetzes aber ist nach den Motiven evident und schließt Bestrebungen zur faktischen Gleichstellung mit ein. 31 — Daß der Wortlaut der Norm abstrakt auf beide Geschlechter gerichtet ist, steht einer historischen Auslegung nicht entgegen. Bezieht man den Gleichberechtigungsgrundsatz auf soziale Sachverhalte und versteht man ihn nicht lediglich formalrechtlich, ergibt sich kein Widerspruch zwischen der wörtlichen und der historischen Auslegung. — Indes besteht auch kein Bedürfnis, die verschiedenen Auslegungsmethoden gegeneinander zu wenden, weil nämlich — wie sogleich gezeigt werden wird — unter verschiedenen Aspekten, die sich aus dem Verhältnis von Art. 3 Abs. 2 GG zu Abs. 3 ergeben, sowohl dem Wortlaut wie den Motiven genüge getan werden kann.

26

Gubelt, G G K , Art. 3, Rdnr. 77. Binder-Wehberg, S. 24. 28 Benda,Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, Freiburg, 1986, S. 115. 29 Ebenda. 30 Siehe dazu schon II. 2. 31 Ebenda. 27

3. Soziales Ideal und Stellung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG

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3. Das soziale Ideal und die Stellung der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze im System der Grundrechte In diesem Kapitel werden die systematischen Unterschiede zwischen Art. 3 Abs. 2 GG und Abs. 3 G G angesprochen. Schließlich erfolgt eine Konkretisierung der „Anhebungstendenz" 1 als kollektives Förderungsgebot im Sinne eines Frauengrundrechts. Zuletzt wird am erkenntnisleitenden Prinzip der Austauschgerechtigkeit als Gleichheitsmaßstab für Art. 3 Abs. 2 GG der Gedanke des potentiellen Rollentausches entwickelt. Eine dem Verhältnis zwischen Absatz 1 und Absatz 2 zum Teil vergleichbare Problematik stellt sich im Hinblick auf das Verhältnis von Abs. 2 zu Abs. 3 des Art. 3 GG. Die heute ganz herrschende Meinung geht von einer Identität beider Absätze aus.2 Begünstigt wird diese Auffassung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die im wesentlichen auf Art. 3 Abs. 2 G G Bezug nimmt. 3 Abs. 3 wird nicht selbständig, sondern nahezu ausschließlich nur als Anhängsel von Abs. 2 genannt. Begründet wird diese unselbständige Bedeutung des Absatz 3 in der Literatur mit dem Hinweis auf den Geschehensablauf während der Entstehungsgeschichte der Absätze 2 und 3. 4 Dieses Argument geht jedoch fehl. Aus der Tatsache, daß das Diskriminierungsverbot des Absatz 3 durch den Parlamentarischen Rat schon formuliert gewesen war, als in Abs. 2 lediglich von staatsbürgerlicher Gleichstellung der Geschlechter die Rede war, kann man noch nicht den Schluß ziehen, daß die Beibehaltung des geschlechtsbezogenen Diskriminierungsverbots in Absatz 3, nachdem der Hauptausschuß die umfassende Gleichberechtigung in Absatz 2 festgelegt hatte 5 , lediglich auf ein Redaktionsversehen zurückzuführen sei.6 Im Gegenteil: Man muß gerade aus der Beibehaltung auf eine besondere Regelungsbedeutung schließen. 1

Vgl. dazu schon Kapitel II. 2. Vgl. die bei Starck, Das Bonner Grundgesetz, Rdnr. 207, Fn. 5 genannten. 3 Seit BVerfGE 3, 225-248 v. 18.12. 1953 (std. Rspr.). Genauer: in den 64 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Gleichberechtigungs- und Diskriminierungsfragen, die sich in der amtlichen Sammlung befinden, bezieht sich das Gericht 101 Mal ausschließlich auf Art. 3 Abs. 2 GG. Dagegen wird Abs. 3 nur dreimal selbständig erwähnt, während beide Absätze zusammen 59 mal genannt werden. Überdies läßt eine introspektive Durchsicht der Entscheidungen zwar den Schluß zu, daß Art. 3 Abs. 2 GG wegen seiner häufigeren Nennung die wichtigere Norm ist. Warum das Bundesverfassungsgericht jedoch im Rahmen einer Argumentation einmal nur Abs. 2, nur Abs. 3 oder beide Absätze erwähnt, scheint sich nach keinem bestimmten System zu richten. Eine Argumentationsstruktur nach Fallgruppen etwa oder anderen Ordnungsgesichtspunkten ist nicht erkennbar, vgl. Tabelle 215 f. 2

4

Dürig, Grundgesetzkommentar, Rdnr. 2 (a) zu Art. 3 II; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 1980, S. 177 f. 5 Vgl. ParlR GSA, 26. Sitzung vom 30.11. 1948. 6 Dies behauptet aber jedenfalls indirekt Wernicke, Bonner Kommentar, Art. 3, S. 33f.: „Nach der Bestimmung des Abs. I I kommt diesem Grund (Geschlecht als

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Außerdem spricht auch der Wortlaut der beiden Absätze dafür, daß ihnen jeweils eine eigene Bedeutung zukommt. So ist Friauf 7 der Ansicht, daß Art. 3 Abs. 2 GG „in seinem Bedeutungsgehalt weiter gespannt" ist als Art. 3 Abs. 3 GG: „»Gleichberechtigung 4 der Geschlechter (Art. 3 I I GG) kann sprachlich mehr bedeuten als bloße Nichtdiskriminierung durch den Staat (Art. 3 I I I GG)." Auch systematisch betrachtet ist die Auffassung, Abs. 3 sei nur Anhängsel von Abs. 2, bei weitem nicht selbstverständlich. Noch in den 60iger Jahren gab es Auseinandersetzungen über die Frage, in welchem Verhältnis beide Absätze zueinander stehen.8 Stellvertretend hierfür seien die Positionen von Ramm 9 und von Knöpfel 1 0 genannt. Die Kontroverse bezog sich im wesentlichen darauf, ob und wie man Recht zugunsten der Frauen aus Art. 3 Abs. 2 GG begründen kann — Ramm vertrat die Auffassung, daß beide Absätze unterschiedlich zu interpretieren sind. Er sieht in Abs. 2 ein „präzisiertes Willkürverbot", dem eine Anhebungstendenz zugunsten von Frauen zugrundeliegt. Deshalb sei jede bereits bestehende rechtliche Bevorzugung der Frau rechtmäßig. Benachteiligungen sollten hingegen an Abs. 3 GG gemessen werden. — Demgegenüber meint Knöpfel, daß „der früheren Entrechtung der Frau Schutzbestimmungen zu ihren Gunsten gegenüberstanden, die einen gewissen Ausgleich verschafften. Würde man die Benachteiligung der Frau beseitigen, aber ihre Privilegien belassen, so würde die bisherige Ungerechtigkeit noch vergrößert anstatt beseitigt. Die Frau wäre dem Manne in Wahrheit nicht gleichberechtigt, sondern bevorrechtigt." 11 Knöpfeis Argumentation geht davon aus, daß man Benachteiligungen der Frauen in dem einen Bereich durch Bevorzugungen in einem ganz anderen Bereich ausgleichen könne, man also ζ. B. Frauen im Elternrecht benachteiligen dürfe, wenn man sie dafür im Wehrrecht bevorzugt. Diese Vorstellung von einer willkürlichen Herstellbarkeit von Äquivalenzen ist abwegig. Existiert in einem Bereich egalitäres Recht nicht, so muß es gerade dort geschaffen werden, weil ansonsten unterschiedliche Lebenslagen umstandslos miteinander gleichgesetzt würden. Diskriminierungsgrund in Abs. 3, die Verf.) ( . . . ) keine größere Bedeutung mehr zu. Die Existenz erklärt sich daraus, daß die Erwähnung des Geschlechts in Abs. I I I während der Entstehung des GG schon zu einem Zeitpunkt bestand, als Abs. I I ( . . . ) erst die bloße staatsbürgerliche Gleichstellung enthielt. ( . . . ) Als dann später der HptA. die Gleichberechtigung der Geschlechter in Abs. I I festlegte, sah man keine Veranlassung, deswegen die Erwähnung des Geschlechtes in Abs. I I I zu streichen." 7 Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, S. 10. 8 Binder-Wehberg, S. 23: „Einige geben dem Abs. 2 und 3 unterschiedliche, selbständige Bedeutung, andere sprechen dem Abs. 3 die Hauptbedeutung zu, wiederum andere ihm jegliche Bedeutung neben Abs. 2 ab." 9 JZ 1968, S. 42 ff. 10 NJW 1960, S. 556. 11 Ebenda, S. 556.

3. Soziales Ideal und Stellung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG

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Wenn man Knöpfeis Vorschlag folgte und existierende Benachteiligungen der Frauen im Recht beseitigte, aber Bevorzugungen beibehielte, würde die von ihm antizipierte Folge, nämlich Vergrößerung der Ungerechtigkeit durch Belassen von Privilegien, nicht eintreten. Denknotwendig hat in diesem Fall keine „Vergrößerung", sondern eine Halbierung der Ungerechtigkeit stattgefunden. Knöpfeis Position ist also inkonsistent. Gegen die Position von Ramm hingegen läßt sich lediglich einwenden, daß es nicht plausibel ist, warum die Anwendungsbereiche nur nach zeitlichen Kriterien differenziert sein sollen. Die Kontroverse darüber, ob die beiden geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze identische Bedeutung haben, und die Frage der jeweiligen Adressaten (Frauen oder Männer bzw. Frauen / Männer) hängen miteinander zusammen. Sie verweist auf das Problem des Gleichheitsmaßstabes für ein soziales Ideal im Geschlechtsverhältnis, das zentral für das Konzept der geschlechterbezogenen Gleichheitssätze ist. Ein Beleg dafür ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 1954, die Art. 3 Abs. 2 GG als eine Art „Frauengrundrecht" statuierte 12 , während sich die Männer mit dem Rechtsschutz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu begnügen hätten. Zwar mußte es sich den Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 GG vorhalten lassen13, der ein Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot zugunsten und zu Lasten beider Geschlechter postuliert. Doch ist eine solche teleologische Reduktion des Diskriminierungsverbots für Männer auf den allgemeinen Gleichheitssatz, wie das BAG sie vornimmt, dann möglich, — wenn man eine Aufspaltung des Art. 3 GG dahingehend vornimmt, daß Abs. 2 ein besonderes kollektives Förderungsgebot 14 ausschließlich zugunsten von Frauen, Abs. 3 hingegen ein individualrechtliches Diskriminierungsverbot zugunsten beider Geschlechter enthält und — eine Kollision des individualrechtlichen Diskriminierungsverbots mit dem kollektivrechtlichen Förderungsgebot zugunsten eines Vorrangs des letzteren gelöst wird. Hinsichtlich eines solchen kollektiven Förderungsverbots setzt sich — wie Hilger ausführt — „zunehmend" die Auffassung durch, die von ihr auf dem 54. Deutschen Juristentag 1982 — unter Bezugnahme auf Friauf und Denninger — vertreten wurde: „Der Gleichberechtigungsartikel der Verfassung ist nicht lediglich als Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen zu verstehen; er fordert auch ein aktives Eingreifen des Staates, also eine positive Förderung der Gleichberechtigung. Wie dies zu geschehen hat, muß grundsätzlich der Gesetzgeber entscheiden."15 Diese Interpretation knüpft an die These an, daß das 12 13 14 15

BAGE 1, 51. Knöpfel, NJW 1960, S. 556. Vgl. dazu S. 44, 107, 126-143. Hilger, 54. DJT 1982, Ο 66.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

weibliche Geschlecht benachteiligt und die faktisch-quantitative Gleichstellung der Frau ein selbständiges Gerechtigkeitserfordernis ist. 1 6 Gegen diese These kann nicht eingewendet werden, wie etwa Zöllner 17 dies tut, daß eine faktisch-quantitative Gleichstellung der Frau kein „ausreichendes Indiz für einen gesellschaftlich gerechten Zustand" sei. Dieser Einwand verkennt: — Formale Rechtsgleichheit hat es in ihrer langjährigen Verfassungsgeschichte bisher nicht erreicht, den Paritätsgrundsatz tatsächlich mit Leben zu füllen. — Der Gleichberechtigungsgrundsatz enthält als soziale Utopie für das Geschlechterverhältnis die Zielvorstellung eines Machtgleichgewichts in der Beziehung zwischen Frau und Mann. Dies ist sein objektivrechtlicher Gehalt, der durch beständige Verstöße in Staat und Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigt wird. — Eine an der sozialen Wirklichkeit orientierte Verbesserung der Stellung der Frau ist meßbar und damit auch bewertbar. — Schließlich: Selbst wenn man die faktische Besserstellung der Frau nicht für ausreichend hält, bedeutet sie in jedem Fall eine Verbesserung des derzeitig ungerechten Zustandes. Zöllner ist zuzugeben, daß bei einer solchen Sichtweise von Art. 3 Abs. 2 GG nicht mehr Gleichberechtigung von Frau und Mann als Individuen einziger Inhalt des Verfassungsgebotes ist, sondern Gleichberechtigung der Gruppen, „hier der Gruppe Mann und der Gruppe Frau". 1 8 Daß es sich hierbei aber um die Einführung einer „neuen politischen Ordnungsvorstellung" handele, „die mit der Idee der Gleichberechtigung von Mann und Frau ebensowenig zu tun hat wie mit dem allgemeinen Gleichheitssatz", ist unzutreffend, sprechen doch neben den genannten Gründen noch andere Aspekte dafür, daß gerade in dieser Norm des Grundrechtskatalogs nicht die liberale Idee der Individualgerechtigkeit enthalten, sondern der Wertungshorizont des Gleichberechtigungsgrundsatzes kollektivrechtlich gefaßt war und ist: — Ebenso wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten „Rasse" oder die „Abstammung" (Art. 3 Abs. 3 GG) ist die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht selbst gruppenbezogen, d.h. eine Eigenschaft, die das Individuum zur oder zum Angehörigen der jeweiligen Geschlechtergruppe macht. 19 Anders als die Zugehörigkeit zur Gruppe etwa der abhängig 16

Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, S. 28. Festschrift für Strasser, S. 227. 18 Ebenda. 19 Hier ergibt sich eine Parallele zur Lage der nichtehelichen Kinder: „ . . . daß Art. 6 Abs. 5 GG nichts anderes darstellt als eine besondere Ausprägung des Grundrechts der Gleichheit, das zu den ältesten und wichtigsten Menschenrechten gehört. So gesehen ist die Reform des Unehelichenrechts eigentlich nur ein Nachholbedarf der Aufklärungszeit und 17

3. Soziales Ideal und Stellung von Art. 3 Abs. 2 und 3 G G

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Beschäftigten oder der Unternehmer, ist diese Eigenschaft durch Geburt erworben und in der Regel unveränderbar. 20 Deshalb rührt die besondere Aggressivität des Gleichberechtigungsgrundsatzes gegenüber einer Disparität zwischen Frau und Mann auch daher, daß ein „individueller Aufstieg", sozusagen vom Tellerwäscher zum Millionär, eben gerade nicht möglich ist. 2 1 — Die geschlechtsbezoenen Rollenfestlegungen sind so stark, daß alle Frauen davon betroffen sind. 22 Insbesondere ist die Gewalttätigkeit gegen Frauen, am deutlichsten im Faktum der Vergewaltigung, ein weibliches Sozialschicksal, das die Trennung der Geschlechter unter patriarchalischen Verhältnissen deutlich dokumentiert. Das soziale Phänomen der Diskriminierung von Frauen ist nicht biologisch bedingt, aber weil die Zugehörigkeit zu einer Geschlechtergruppe über die biologische Naturausstattung definiert ist, wiegt sie für die Einzelperson besonders schwer. — Zieht man den Grundsatz der Grundrechtseffektuierung 23 heran, wonach die Grundrechte untereinander in einer Komplementärfunktion zu sehen sind und die einzelnen Elemente der Grundrechtsdimensionen (teilhaberechtliche, objektivrechtliche, abwehrrechtliche) einander verstärken, so wird durch solche Erwägungen gerade nicht der Abwehrcharakter der geschlechtsbezogenen Gleichheitsrechte betont. Hier ist, neben einer möglichen Verstärkungsfunktion des Sozialstaatsprinzips 24, die Menschenwürde des Art. 1 GG als Stütze für den Grundsatz der Parität im Geschlechterverhältnis zu verstehen. Diese Verstärkung des objektivrechtlichen Gehalts des Art. 3 Abs. 2 GG verweist gleichfalls auf das kollektivrechtliche Element des Gleichberechtigungsgrundsatzes, das sich in diesem Begründungszusammenhang somit vom allgemeinen Gleichheitssatz des Abs. 1 unterscheidet. Wenn Denninger 25 die rechtliche Gleichheit als Bedingung für die Wahrung der Menschenwürde sieht, die in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG und in Art. 6 Abs. 5 G G konkretisiert sei, ist damit gemeint, daß tatsächliche Ungleichheiten, der Zeit der französischen Revolution. Sie ist, wie das Bundesverfassungsgericht hervorhebt, ein Gebot materialer Gerechtigkeit, ganz ebenso wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Diskriminierung einer bestimmten Gruppe von Menschen ohne ihr Verschulden allein wegen eines angeblichen ,Makels4 der Geburt ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schlechterdings unvereinbar", Rupp-v. Brünneck, Verfassung und Verantwortung, Baden-Baden 1983, S. 218. 20 Zur Geschlechtsumwandlung vgl. v. Münch, in: Ders., Grundgesetzkommentar, Art. 1, Rz. 32. 21 Das unterscheidet die Geschlechterfrage von der Klassenfrage. 22 Beauvoir, Das andere Geschlecht, S. 16. 23 Vgl. z.B. BVerfGE 50, 290, 337ff.; 52, 391, 406ff. 24 Vgl. dazu auch Kap. III. 4. 25 AK—GG—Denninger, Vor Art. 1 Abs. 1, Rdnr. 64.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

„über die der Einzelne prinzipiell nicht verfügen kann", nicht zum Anknüpfungspunkt rechtlicher Ungleichheiten geraten dürfen. Dieser Satz bedarf jedoch insofern der Einschränkung, als daß rechtliche Regelungen vorstellbar sind, in denen zum Zweck der Herstellung von Chancengleichheit gerade kompensierendes, formal gesehen also ungleiches Recht erforderlich ist. Denn „zu den aus dem Auftrag des Schutzes der Menschenwürde folgenden Verpflichtungen der Träger aller staatlichen Gewalt gehört es, in der Gesellschaft Bedingungen zu schaffen, die es Frauen ebenso wie Männern und außerehelich Geborenen ebenso wie ehelich Geborenen gestattet, die aus der rechtlichen Gleichheit folgenden Chancen auch tatsächlich wahrzunehmen". 26 Die Ausstrahlungswirkung des Art. 1 Abs. 1 GG auf das Geschlechterbild des Gleichberechtigungsgrundsatzes läßt sich an der — allerdings umstrittenen 27 — Peep-Show-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 28 aufzeigen. Es führt aus, daß Art. 1 Abs. 1 GG den „personalen Eigenwert des Menschen" schützt und daß die Menschenwürde verletzt ist, „wenn die einzelne Person zum Objekt herabgewürdigt wird". Daß der in der PeepShow auftretenden Frau „eine entwürdigende objekthafte Rolle zugewiesen" wird, zeigt sich an folgenden Umständen. „ ( . . . ) die durch die Art der Bezahlung vermittelte Atmosphäre eines mechanisierten und automatisierten Geschäftsvorganges, bei dem der Anblick der nackten Frau wie die Ware eines Automaten durch Münzeinwurf verkauft und gekauft wird; die durch den Fensterklappenmechanismus und den einseitigen Sichtkontakt hervorgehobene verdinglichende Isolierung der als Lustobjekt zur Schau gestellten Frau vor im Verborgenen bleibenden Voyeuren; der durch diesen Geschehensablauf besonders kraß hervortretende Eindruck einer entpersonifizierenden Vermarktung der Frau; die Isolation auch des allein in der Kabine befindlichen Zuschauers und das damit verbundene Fehlen einer sozialen Kontrolle; die durch das System der Einzelkabine bewußt geschaffene 26

AK—GG—Podlech, Art. 1 Abs. 1, Rdnr. 31. A . A . ζ. Β. v. Münch, Rdnr. 32 zu Art. 1, in: v. Münch, G G K , Bd. 1,2. Aufl., 1981; v. Mangoldt/Klein/Starck, GGK, Art. 1, Rdnr. 75; Olshausen, NJW 1982, S. 2221, 2224 meint: „Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist Ausdruck eines letztlich totalitären Werte-Absolutismus". Siehe auch Gusy, DVB1. 1982, S. 984, 988, der hinsichtlich der betroffenen Frauen vom „Schutz ihrer Würde vor ihr selbst" spricht. Die Kritik argumentiert, daß die vorführenden Frauen freiwillig die objekthafte Rolle einnehmen und sich in ihrer Würde nicht verletzt fühlen würden. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit die subjektive Empfindung der Peep-Show-Tänzerinnen zutreffend geschildert ist. Überzeugend jedenfalls das Bundesverwaltungsgericht: „Die Einwilligung des Betroffenen vermag eine Verletzung der Menschenwürde nur auszuschließen, wenn die Verletzung der Menschenwürde gerade und nur durch das Fehlen der Einwilligung des Betroffenen in die in Rede stehende Handlung oder Unterlassung begründet wird. So liegt es im vorliegenden Fall aber nicht, in dem — wie dargelegt — die Menschenwürde der auftretenden Frauen durch die für diese Veranstaltung typische Art und Weise ihrer Zurschaustellung verletzt wird." (E 64, 274 [280]). 27

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BVerwGE 64, 274 (278 f.)

3. Soziales Ideal und Stellung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG

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Möglichkeit der Selbstbefriedigung und deren kommerzielle Ausnutzung. Diese Umstände bewirken in ihrer Gesamtheit, daß die zur Schau gestellte Frau durch den Veranstalter wie eine der sexuellen Stimulierung dienende Sache zur entgeltlichen Betrachtung dargeboten und jedem der in den Einzelkabinen befindlichen, der Frau nicht sichtbaren Zuschauer als bloßes Anregungsobjekt zur Befriedigung sexueller Interessen angeboten wird. Dies rechtfertigt das Urteil, daß die zur Schau gestellte Frau durch diese — die sogenannte Peep-Show als gewerbsmäßige öffentliche Veranstaltung im Sinne von § 33 a GewO in ihrer typischen Eigenart kennzeichnende — Art und Weise der Darbietung erniedrigt und dadurch in ihrer Menschenwürde verletzt wird." Diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts über die Herabwürdigung der „einzelnen Personen zum Objekt" enthalten zwei in diesem Zusammenhang wesentliche Argumente. Zum einen bedeutet der Menschenwürdeverstoß durch Verdinglichung in concreto eine Abstraktion von der individuellen Eigenschaft der Person. Entscheidend ist der Warencharakter der präsentierten Weiblichkeit. Unversehens wird damit aus der einzelnen „Frau auf dem Teller" ein Mitglied einer Gruppe, nämlich der Gruppe der wegen ihres Geschlechts zum Objekt gemachten und damit entwürdigten Frauen. Außerdem: Die Situation ist deutlich ungleichgewichtig. Damit ist nicht das auf Leistung und Gegenleistung beruhende Vertragsverhältnis zwischen dem Peep-Show-Besitzer und dem Kunden, sondern die menschliche Situation zwischen dem Kunden und der „PeepShow-Tänzerin" gemeint. Dieses Verhältnis ist zwar „synallagmatisch", aber nicht konvertierbar, d.h. sozial nicht austauschbar. 29 Bezogen auf den Gleichberechtigungsgrundsatz enthält das Menschenwürdeargument daher zwei Imperative: Die Frau soll Subjekt sein. Es soll ein Gleichgewicht im Geschlechterverhältnis herrschen. Hinzu kommt — und dies ist für die Gestaltung einer Rechtsordnung am Leitprinzip des demokratischen Rechtsstaats, der durch die „Ewigkeitsklausel" mit konstitutiver Bedeutung für alle Zukunft versehen ist, von besonderer Wichtigkeit — daß die Frauen als Gruppe die Mehrheit der Bevölkerung stellen. 30 Anders als andere Gruppen, die in Art. 3 Abs. 3 GG genannt sind, ist die Gruppe der Frauen — subsumiert unter den Begriff „Geschlecht" — eine diskriminierte 29 Es mag eingewendet werden, daß es auch die seltenen Fälle der Peep-Show gebe, wo sich Männer präsentieren würden und überdies der Zugang zu diesen Einrichtungen auch Frauen als Kundinnen möglich sei. Diese Einwände vermögen jedoch aus zwei Gründen nicht zu überzeugen. Die Peep-Show hat sich lediglich als Einrichtung für männliche Kunden durchgesetzt. Die Frau als Kundin dürfte sowohl dort der Ausnahmefall sein, wo Männer die Darbietung vornehmen, wie auch in den üblichen Shows, wo Frauen tanzen. Dieser letzte Fall bezieht sich überdies nicht auf das hier allein zu erörternde Verhältnis zwischen den Geschlechtern. 30 Davon zu unterscheiden, gleichwohl aber ein heranzuziehendes Argument, die die demokratische Legitimation des Gesetzgebers, die soziale Wirklichkeit zu gestalten. Diesen Aspekt hebt Denninger (AG-GG, vor Art. 1, Rz. 30) unter Berufung auf BVerfGE 50, 209, 336 f. hervor.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Mehrheit. Die A b l e i t u n g sämtlicher Diskriminierungsverbote aus der Tradition der Menschenrechte, die, wie R a m m m i t seiner Bemerkung „ K e i n e Diskriminierung des A d e l s " ! 3 1 zutreffend andeutet, benachteiligte u n d nicht bevorzugte Bevölkerungsgruppen i m Auge hat, w i r d durch die Geschlechterproportion zugunsten der Frauen gewichtiger. Ohne aus dem Demokratieprinzip i m einzelnen eine besondere F u n k t i o n für den Gleichberechtigungsgrundsatz entwickeln zu wollen, deutet der M i ß s t a n d der Hintansetzung einer so großen Gruppe der Bevölkerung auch darauf hin, daß Chancengleichheitsprinzip für die Frauen als unmittelbar einleuchtendes Gerechtigkeitsprinzip zu Lasten einer gesellschaftlichen Großgruppe nicht erfüllt i s t . 3 2 Dieses Prinzip der Chancengleichheit gehört nach den aristotelischen Einteilungen z u m Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit. 3 3 D a m i t zieht es, wie andere Wertungen i m Rahmen des justitia commutativa, alle Probleme der Austauschgerechtigkeit bei konkreten Äquivalenzbetrachtungen auf s i c h : 3 4 Was heißt denn nämlich „gleich"? Dieser Frage k o m m t m a n nur bei, wenn m a n a u f Chancengleichheit 3 5 als M ö g l i c h k e i t für Frauen, faktische Gleichheit zu erhalten, abstellt. D a n n 31

JZ 1968, S. 42 ff. Nur auf diesem Hintergrund rechtfertigt sich etwa der Vorschlag von Säcker, Sitzungsberichte, L 34 auf dem 50. DJT 1974, in Anlehnung an § 26 I I GWB das folgende Diskriminierungsverbot ausschließlich zugunsten von Frauen zu formulieren: „Unternehmen dürfen bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Beförderungen Frauen weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber Männern ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln." Eine solche Vorschrift hätte gegenüber dem geltenden arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverbot in § 611 a BGB vier Vorteile: Weil im Rechtsleben nur Bedürfnis für ein frauenbezogenes Diskriminierungsverbot besteht, wäre die Beschränkung auf diese Gruppe folgerichtig. Im Unterschied zu § 611 a BGB werden mittelbare und unmittelbare Diskriminierung ausdrücklich als Rechtsbegriffe genannt. Der Begriff der „unbilligen Behinderung" löst den Diskriminierungstatbestand aus dem ausschließlichen Vergleich mit der Mannesstellung im individualrechtlichen Kontext und verweist auf strukturelle Formen der Benachteiligung. Schließlich hätte das Diskriminierungsverbot parallel zu § 26 I I GWB eine vernünftige Rechtsfolge. Es wäre Schutzgesetz i.S.v. § 823 I I BGB. 33 Das Bundesverfassungsgericht verwendet in Entscheidungsgründen zum Gerechtigkeitsparadigma bislang diese Differenzierung nicht. Siehe lediglich die abweichende Meinung in BVerfGE 35, 41/56 (von Schlabrendorff), die Ausführungen zur aristotelischen Gerechtigkeitslehre enthalten. Dazu auch Robbes, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip. Über den Begriff der Gerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1980, S. 77. 34 So auch Zacher, Zur Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, DÖV 1970, S. 10: „Gleichheit endlich fordert zwar Umverteilung, steuert sie aber nur schwach." 35 Chancengleichheit ist hier nicht mit einer Sachverhaltsgarantie zu verwechseln. Der Staat ist lediglich verpflichtet, Funktionsbedingungen für die Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 2 GG zu schaffen. Er ist nicht gehalten, eine faktische Gleichstellung mit Wirkung gegen jeden Mann und jede Frau durchzusetzen. Denn selbst eine starre imperative Reservierungsquote für Erwerbsplätze oder auch großzügige Beschäftigungs- und Ausbildungsprogramme nur für Frauen, würden noch keinen 32

3. Soziales Ideal und Stellung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG

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nämlich ist der Rollentausch der Geschlechter im Kontinuum möglicher Verhaltensweisen der zu Ende gedachte Grenzfall der Austauschgerechtigkeit. 36 Anders gesagt: Wenn man den Paritätsgrundsatz normativ auf die tatsächliche Ebene bezieht und als sein Ziel die Herstellung eines Gleichgewichts im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis zwischen den Geschlechtern setzt, muß das kollektive Element des Gleichberechtigungsgrundsatzes die Chancen für einen Rollentausch zur Verfügung stellen. Kompensatorisches Recht also muß — gemessen an der Lebenslage der Männer — zumindest eine Erweiterung weiblicher Handlungsmöglichkeiten enthalten, die geeignet ist, an sozialen Indikatoren meßbare Nachteile des weiblichen Geschlechts auszugleichen. Hierfür bedarf es eines handlungsleitenden Maßstabes, eines sozialen Ideals. Anders etwa als im Katellrecht, wo die Konkretisierung des Gleichheitsmaßstabes am Modell des,,vollkommenen Wettbewerbs" möglich ist 3 7 , ist es nämlich bei dem Geschlechterverhältnis ungleich schwieriger, ein soziales Ideal konkret anzugeben. Grundelement aller normativen Gleichbehandlungsgebote ist zwar das Prinzip der „Systemgerechtigkeit" 38 und ebenso wie § 26 Abs. I I 2. Alt. GWB enthält der Gleichberechtigungsgrundsatz generalklauselartig die Pflicht zur Gleichbehandlung. Beim kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot liegt mit dem Vergleichsmarktkonzept aber ein Maßstab vor, der hypothetische Chancengleichheit bei vermarkteten Märkten („Als-Ob-Wettbewerb") ermitteln kann 3 9 , während die Übertragung dieses Maßstabes auf Art. 3 Abs. 2 G G deshalb nicht gelingen kann, weil — jedenfalls in den hochindustrialisierten Staaten — überall eine patriarchalisch strukturierte Gesellschaft existiert. Gleichwohl ist es, ebenso wie beim kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot, auch in Fragen der Herstellung einer Chancengleichheit für Frauen möglich, die Interessenabwägung die gesellschaftlich fortwährend zu ihren Ungunsten stattfindet, mit umgekehrter Zielrichtung — also zugunsten der Frauen — in die rechtlichen Regelungen zu sedieren. Wenn man Gesamtparität mit Hilfe des Rechts ermöglichen will, so besteht die Eignung der Idee vom potentiellen Rollentausch als Chancengleichheitskriterium nicht etwa darin, daß man die bestimmten gesellschaftlichen Sachverhalt gewährleisten, sondern lediglich die Voraussetzungen dafür schaffen, unter denen die der Frau verfassungskräftig zugesagte Gleichberechtigung Wirklichkeit werden kann. Schließlich wäre keine Frau verpflichtet, tatsächlich erwerbstätig zu sein, noch könnte man von einem im übrigen de lege lata auch für Männer nicht existierenden, Recht auf Arbeit sprechen. 36 Es mag der Einwand kommen, daß man als soziales Ideal eines Gleichgewichts im Geschlechterverhältnis die Abschaffung jeglicher Geschlechterrollen sehen könnte, wogegen ein Tausch der Rollen durch Frau und Mann diese noch nicht automatisch bedingen müsse. Dieses Argument definiert das Geschlechterverhältnis jedoch nur negativ in Abgrenzung zu den existierenden Geschlechterrollen und ist daher für eine Konkretisierung des Gleichheitsmaßstabes für positives Staatshandeln — im Unterschied zum Unterlassen von Diskriminierung — nicht tauglich. 37 38 39

Koller, Der Gleichheitsmaßstab im Diskriminierungsverbot, Stuttgart 1972, S. 26. Ebenda, S. 78. Ebenda.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

existierenden Geschlechterrollen äquivalent setzt. Gerade weil sie nicht äquivalent sind, ist der Staat gehalten, Voraussetzungen für ihre Austauschbarkeit zu schaffen. Diese Betrachtungsweise ist aus mehreren Gründen vorteilhaft: — Einmal bietet sie, da auf die Rechtswirklichkeit bezogen, einen empirischen Orientierungspunkt. — Zum anderen ermöglicht sie systemimmanente Austauschgerechtigkeit. Potentieller Rollentausch heißt, für das diskriminierte Geschlecht, also die Frauen, Voraussetzungen zu schaffen, die tatsächlichen Vorteile des bevorzugten Geschlechts in Anspruch zu nehmen. 40 Äquivalenzmaßstab ist daher die Lage der Männer. Damit werden Machtverschiebungen zwischen den Geschlechtern nicht verhindert, sondern begünstigt. Deshalb stellt sich die Frage, wie dieser Gleichheitsmaßstab einer Aufhebung der Geschlechterrollen durch Rollentausch in die verfassungsrechtliche Typologie möglicher Grundrechtsfunktionen eingefügt werden kann. Sie wird in den folgenden Kapiteln erörtert. 4. Die Herstellung faktischer Gleichheit nach Art. 3 Abs. 2 GG Anknüpfungspunkt dieses Kapitels ist die Frage, ob Art. 3 Abs. 2 GG neben seiner objektivrechtlichen auch eine teilhaberrechtliche Komponente enthält und in welcher Beziehung beide zueinander stehen. Der Grundsatz der Geschlechterparität in der Rechts- und Gesellschaftsordnung spricht das Verhältnis von liberalen zu sozialen Grundrechten an. Als Teilhaberecht interpretiert, könnte der verfassungsrechtliche Gleichberechtigungsgrundsatz Ansprüche auf gleiche Teilhabechancen in allen Lebensbereichen für Frauen und Männer eröffnen. Gleichberechtigung zielt in diesem Sinne nicht nur negativ auf das Unterlassen von formalrechtlicher Ungleichbehandlung (status negativus), wie es eine Auslegung in liberaler Tradition nahe legt, sondern zusätzlich auf positive Regelungen zur Überwindung gesellschaftlicher Benachteiligung von Frauen (status positivus). 1 40 In BAGE 1,51 (Hausarbeitstagsgesetz NRW, Urteil vom 14. 7.1954) wird vertreten, daß gesetzliche Begünstigungen der Frau nur dann verfassungswidrig seien, wenn sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstießen. Diese teleologische Reduktion des Benachteiligungsverbots des Art. 3 Abs. 3 GG zu Lasten von Männern auf den allgemeinen Gleichheitssatz ist aber nur dann zulässig, wenn das betreffende Gesetz die Erweiterung weiblicher Handlungsmöglichkeit in Richtung eines potentiellen Rollentausches ermöglicht. Die Freistellung zum Zwecke der Hausarbeit zielt, gerade im Gegenteil, darauf, daß Frauen die weibliche Rolle erfüllen. In seiner Entscheidung vom 25. 3. 1960 hat das BAG diese Rechtsprechung — allerdings aus anderen Gründen — aufgegeben, vgl. BAG, Ehe und Familie 1960, S. 270, 272. Vgl. den Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 52, 369-379. Dazu Sachs, Die Folgen der Unvereinbarkeit des Hausarbeitstagsanspruchs für Frauen mit dem Grundgesetz, FamRZ 1982, S. 981-985. 1 Denninger, Schriftliche Stellungnahme, Sachverständigenanhörung vom 21./22.1. 1982 zum Thema: „Kann die Situation der Frauen durch ein Anti-Diskriminierungsgesetz verbessert werden?", herausgegeben vom B M I und BMJFG, Bonn o.J., S. 107.

4. Die Herstellung faktischer Gleichheit nach Art. 3 Abs. 2 GG

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In der neueren Diskussion hat als erster Friauf 2 eine Begründung dafür vorgelegt, daß der Staat zur Durchsetzung der Gleichberechtigung verfassungsrechtlich verpflichtet sei. Er knüpft an positive Schutz- und Förderungspflichten zugunsten grundrechtlich geschützter Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit 3 sowie an die Staatszielbestimmung des Sozialstaatsprinzips an. 4 Unter Verweis auf positive Einstandspflichten zur Grundrechtsverwirklichung aus Art. 6 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 5 GG zieht er eine Parallele zu Art. 3 Abs. 2 GG. Aus dessen Sinngehalt i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und unter Hinweis auf die Hausarbeitstagsentscheidung des B A G 5 sowie die Dürig'sche Anhebungstendenz6 schließt er auf eine Pflicht zur „positiven Förderung der Gleichberechtigung" im Sinne eines Verfassungsauftrags. Gleichwohl bleibt Friauf dem individuellen Rechtsanspruchsdenken verhaftet. Er sieht die kollektive Problematik der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nicht. Das zeigt sich an zwei Punkten: — Unter Abstraktion von der Tatsache einer Männergesellschaft, die Frauen zum diskriminierten Geschlecht macht, spricht er vom „jeweils benachteiligten Geschlecht"7 und hat damit offenbar auch die Ausnahmefälle im Auge, in denen einzelne Männer gegenüber einzelnen Frauen benachteiligt werden. 8 — Stärker noch zeigt sich die Vernachlässigung der kollektivrechtlichen Sichtweise in seiner Ansicht, daß nur die „Bevorzugung einer Person, weil sie selbst aus geschlechtsbezogenen Gründen in ihrer Ausbildung oder ihrem bisherigen beruflichen Werdegang Nachteile erlitten hat und deshalb nicht über die Qualifikation verfügt, die sie andernfalls erworben hätte", zulässig sein soll. 9 Eine Diskriminierung des anderen Geschlechts liege darin nicht, weil hier die „Kompensation Rechtsfolge persönlich erlittener Benachteiligung" sei. Die Zugehörigkeit zu einem „früher" benachteiligten Geschlecht, das heute in bestimmten Berufsgruppen ζ. B. unterrepräsentiert ist, sei unter 2

Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, Stuttgart u.a. 1981. Ebenda, S.29ff. 4 Die sozialpolitisch zu begreifende Staatszielbestimmung wurde geprägt von Ipsen, Über das Grundgesetz, 1964, S. 14 und theoretisch fundiert durch Schneuner, in: Festschrift für Forsthoff, München 1972, S. 325 ff. 5 BAGE 1, 51. 6 Dürig, FamRZ 1954, S. 4, „Wichtiger aber ist, daß die Forderung nach Gleichberechtigung der Geschlechter seit jeher eine gegen männliche Besserstellungen gerichtete Forderung der Frau auf Angleichung an die Mannesstellung ist." 7 Ebenda. 8 In einem Schluß a majore ad minus wäre es allerdings auch möglich gewesen, den Förderungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 GG ausschließlich auf Frauen zu beziehen. Denn wenn sogar für die Minderheit der nichtehelichen Kinder ein Gleichstellungsauftrag gesehen wird, um wieviel mehr kommt er dann nicht auch den Frauen zu. 9 Friauf, Schriftliche Stellungnahme zu dem Fragenkatalog für die Anhörung am 21./22.1. 1982, S. 10, auch die folgenden Zitate. 3

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

gleichheitsrechtlichen Aspekten kein kompensationsfahiger Tatbestand. Hier würde „allein wegen der Geschlechtszugehörigkeit privilegiert", „lediglich die statistischen Verhältnisse" würden verschoben. Friauf sieht also Gleichstellung in diesem Zusammenhang nur als mechanisches Austarieren eines Partnerungleichgewichts. Er verkennt, daß der meßbare und gruppenbezogene Ausgleich von Nachteilen keine Privilegierung, sondern Gleichstellung ist. 1 0 Daß dagegen eine Verpflichtung des Staates besteht, die Gleichstellung der Frau mit dem Mann auch gesellschaftlich durchzusetzen, und daß Unternehmen, die dem Staat bei diesem Vorhaben helfen, nicht gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz verstoßen, sondern ihn im Gegenteil mit Leben füllen, wird nicht gesehen. Deshalb ist die Abteilung von Friauf für einen Förderungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 GG auch nur begrenzt brauchbar. Indem er ihn aus seinem Bezug auf das weibliche Geschlecht löst und auf beide Geschlechter bezieht, neutralisiert er seine soziale und historische Basis. Ergiebiger ist es, einen Verfassungs- oder auch Gesetzgebungsauftrag zugunsten von Frauen nach Art. 3 Abs. 2 GG aus der Theorie der sozialen Grundrechte 11 oder aus der Vorstellung von den Grundrechten als Teilhaberechte 12 abzuleiten. Die Theorie der Teilhaberechte im engeren Sinne geht von konkreten Grundrechtsverbürgungen aus und bezieht daraus den Anspruch auf ihre tatsächliche Wahrnehmung. Dagegen setzt die Lehre von den sozialen Grundrechten bei empirisch festgestellten Mängellagen an, um aus ihnen lebensbereichsbezogene Ansprüche zu entwickeln, die eine Teilhabe „am gesellschaftlichen Leben und damit in der Rechtsordnung sozial ermöglichen sollen". 13 Zur Theorie der Teilhaberechte: — Aus der Garantenstellung des Staates für die Transformation des grundrechtlichen Wertsystems in die Verfassungswirklichkeit kann man den Schluß ziehen, daß jedes Grundrecht auch eine soziale, leistungsbezogene Seite enthält. 14 Dieser status positivus auf Schaffung der tatsächlichen Grundlagen für die Ausübung des Grundrechts ist seine teilhaberechtliche Komponente. Dieses Element ist für den Gleichberechtigungsgrundsatz durch die Besonderheit der Eigenschaft, einer bestimmten diskriminierten Gruppe zugehörig zu sein, gekennzeichnet.

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Aus diesem Grunde geht es bei der verfassungsrechtlichen Legitimation zur Gleichstellung um „ausgleichende Gerechtigkeit". 11 Siehe dazu Böckenförde, Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge, in: Böckenförde/Jekewitz/Ramm (Hg.), a.a.O., Heidelberg/Karlsruhe 1981, S. 9. 12 Siehe dazu Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30, (1972), S. 43 ff. 13 Kittner, A K - G G , Art. 20, Rdnr. 64. 14 Vgl. die Zusammenstellung der Einwände bei Starck, JuS 1981, S. 241, m.w.N.

4. Die Herstellung faktischer Gleichheit nach Art. 3 Abs. 2 G G

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Das M e r k m a l „ W e i b l i c h k e i t " unterscheidet sich nämlich v o n allen anderen unter A r t . 3 Abs. 3 G G zu subsumierenden Eigenschaften dadurch, daß Frauen diskriminierte Mehrheit u n d zugleich eine über ein i . d . R . unveränderbares M e r k m a l definierte Gruppe sind. Diese K o m b i n a t i o n v o n Eigenschaften unterscheidet sie einerseits v o n den Minderheiten wie ζ. B. „Rassen", andererseits v o n anderen Mehrheiten, wie etwa sozialen Schichten. Deshalb ist der Staat gehalten, ihre Nachteile i m Vergleich zur männlichen, privilegierten Minderheit a b z u g l e i c h e n . 1 5 D a die Zugehörigkeit zu dieser diskriminierten Gruppe unveränderbar — weil biologisch bedingt — ist, bezieht sich die Kompensationspflicht des Staates gerade a u f das weibliche Geschlecht 1 6 als gruppenbezogenes K r i t e r i u m . 1 7 I n ähnlicher Weise läßt sich die Theorie der sozialen Grundrechte heranziehen: — Problematisch für die Betrachtung des A r t . 3 Abs. 2 G G als soziales Grundrecht ist es nicht, i m Vergleich zur Gruppe der M ä n n e r frauenspezifische Mängellagen nach jeweils verschiedenen Sach- u n d Lebensbereichen zu bechreiben. I m Gegenteil: Dieser Sachverhalt ist gerade der G r u n d für die Forderung nach kompensatorischer N o r m i e r u n g zugunsten v o n F r a u e n . 1 8 F ü r die als klassische soziale Grundrechte bezeichneten Rechte auf A r b e i t , auf Bildung, auf Gesundheit u n d W o h n u n g 1 9 dürften gelten, daß sie — quer 15 Es handelt sich hier — um ein Mißverständnis auszuschließen — allein um die Frage, ob das Mehrheitsargument im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip und den anderen genannten Aspekten geeignet ist, ein Teilhaberecht, also einen Verfassungsauftrag zur Herstellung faktischer Gleichheit zwischen den Geschlechtern, herzuleiten. Insoweit der Staat an das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG gebunden ist, spielt die Frage, welches Geschlecht sich zahlenmäßig in der Mehrheit befindet, keine Rolle. 16

Damit erweist sich das Argument von Schmitt Glaeser, Abbau des tatsächlichen Gleichberechtigungsdefizits der Frauen durch gesetzliche Quotenregelungen, S. 34, dem sich Starck, Kommentar, Art. 3, Rdnr. 210 angeschlossen hat, daß ein Anspruch auf faktische Gleichstellung für Frauen aus Art. 3 Abs. 2 GG zu einer entsprechenden Herleitung für alle „übrigen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 G G " führen würde — „ein Kompensationspuzzle" — als unzutreffend. 17 Dieses kollektivrechtliche Element des Art. 3 Abs. 2 GG selbst wird durch das Sozialstaatsprinzip verstärkt, das ein Strukturprinzip der Rechtsordnung in der Bundesrepublik ist und für die Auslegung des ganzen Grundgesetzes Bedeutung hat, d.h. alle Bestimmungen des Grundgesetzes sind sozialstaatskonform auszulegen (Ständige Rspr. des BVerfG seit BVferfGE 1, S. 97ff., 105). Im teilhaberechtlichen Sinne enthält es einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber, d.h. die Parlamente sind zu sozialer Aktivität verpflichtet. 18 Z.B. Gerhard/Lautmann, S. 66: „Das Recht wird sexische Verhältnisse erst dann nicht mehr statuieren oder tolerieren, wenn es entschiedene Schritte zugunsten von Frauen unternimmt. Die Rechtstechniken dazu sind hinlänglich bekannt und erprobt: mit kompensatorischen Normen wird die soziale Position eines benachteiligten Bevölkerungsteiles gestärkt, so lange bis er im Rahmen der allgemeinen Gleichbehandlung seine Teilhaberechte selber angemessen durchzusetzen vermag." 19

Diese nennt Kittner, AK-GG, Art. 20, Abs. 1-3 IV, Rdnr. 65.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

durch die gesellschaftlichen Schichten hindurch — als Sachbereiche einer sozialstaatlichen Verpflichtung zum Abbau der dort vorhandenen ungerechtfertigten Benachteiligungen besonders prädestiniert sind. Auf diese Weise könnte man auch dem Gleichberechtigungsgrundsatz interpretativ leistungsrechtliche Komponenten abgewinnen. Man kann also aus beiden Theorien Bedingungen entnehmen, die die Herstellung faktischer Gleichheit zwischen den Geschlechtern verfassungsrechtlich begründen 20 ; genauer: Der Staat ist legitimiert zur Kompensation, zum Nachteilsausgleich zugunsten von Frauen als diskriminierte Gruppe, wobei sowohl an soziale wie an andere Nachteile gedacht werden kann. 2 1 Über die Frage der bloßen Legitimation des Staates zur Kompensation hinaus, stellt sich auch das Problem, ob eine verfassungsrechtliche Anweisung existiert, die die Legislative zu gesetzgeberischem Handeln verpflichtet, also einen verbindlichen Auftrag zur Herstellung von Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern enthält. Lücke 2 2 weist darauf hin, daß Gesetzgebungsaufträge „meist zu einer konkreten Gesetzesinitiative verpflichten". Ihre größere Verpflichtungskraft im Gegensatz zu den Staatszielbestimmungen erkläre sich daraus, daß ihnen „ein präziser, auf ganz spezielle Normen gerichteter Gehalt" zu eigen ist. Ein solcher Gesetzgebungsauftrag zugunsten der Verwirklichung eines Gleichgewichts im Geschlechterverhältnis könnte präzisiert werden, wenn er sich aus dem Sozialstaatsprinzip herleitet, das komplementär zu der Absicht des Art. 3 Abs. 2 GG darauf gerichtet ist, Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu schaffen. Dabei ergeben sich zwei Aspekte: — Einmal die Qualität des Sozialstaatsprinzips als subjektives Recht, d. h. ihre positive Justizialität. Unstreitig ist diese auf seltene Ausnahmefalle beschränkt. Ebensowenig wie die Verfassungsordnung ein Recht auf Arbeit im Sinne eines einklagbaren Anspruchs auf einen bestimmten Arbeitsplatz kennt, so können unter Berufung auf das Sozialstaatsprinzip ζ. B. Arbeitsplatzbeschaffungsprogramme eingeklagt werden. Die positive Justiziabilität von Teilhaberechten ist nur möglich, „ wenn der Gesetzgeber (seine Pflicht) willkürlich, d.h. ohne sachlichen Grund, versäumt." 23 20 Wipfelder, Die verfassungsrechtliche Kodifizierung sozialer Grundrechte, ZRP 1986, S. 140. 21 Sonderrecht, das Nachteile von Frauen aufgrund biologisch bedingter Umstände auszugleichen sucht, findet man beispielsweise im Recht des Mutterschutzes. Demgegenüber orientiert sich ein kompensatorischer Rechtsbedarf der Frauen, von dem hier die Rede sein wird, an seiner Eignung, patriarchalische Strukturen aufzubrechen. Beim Mutterschutz spielt nicht etwa das Prinzip der faktischen Gleichheit die Rolle eines Grundes für ein Recht auf rechtliche Ungleichbehandlung mit Männern, sondern ein Umstand, nämlich die Schwangerschaft, der beim männlichen Geschlecht gar nicht auftreten kann. 22 Soziale Grundrechte als Staatszielbestimmungen und Gesetzgebungsaufträge, 1981, S. 23. 23 Ständige Rechtsprechung des BVerfG seit BVerfGE 1, 97ff., 107.

4. Die Herstellung faktischer Gleichheit nach Art. 3 Abs. 2 GG

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— Außerdem führt die Interpretation der Grundrechte durch das Bundesverfassungsgericht in der ersten Numerus-Clausus-Entscheidung nur zur Bejahung eines Anspruchs auf einen Studienplatz in den bestehenden Einrichtungen unter Ausnutzung vorhandener Kapazitäten und unter Berücksichtigung des Gleichheitsgebotes, d. h. „wenn Auswahl und Verteilung der Bewerber nach sachgerechten Kriterien mit einer Chance für jeden an sich hochschulreifen Bewerber und unter möglichster Berücksichtigung der individuellen Wahl des Ausbildungsortes erfolgen." 24 Die in der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung dargelegte Bedeutung der Ausbildung für junge Menschen mag Schmitt Glaeser 25 und Starck 26 dazu bewogen haben, eine hoheitliche Verpflichtung der Privatwirtschaft, durch Quotenregelung die vorhandenen Ausbildungsplätze gerecht auf Mädchen und Jungen zu verteilen, unter bestimmten Voraussetzungen für verfassungsmäßig zu halten, weil es um den Zugang zu einem für die Persönlichkeitsentwicklung entscheidenden Bereich geht. Unter dem Gesichtspunkt, daß gerade im Ausbildungsbereich die stete Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken jedem Jugendlichen eine Chance verschaffen sollte, dürfte sich dann sogar eine gesetzgeberische Pflicht zum Handeln ergeben, wenn über Jahrzehnte ganze Berufsgruppen dem weiblichen Geschlecht faktisch verschlossen bleiben. Dabei geht es nicht um die Frage, wie der Staat, sondern lediglich, ob er einzugreifen hat. Wenn die Chancen für mehrere Generationen junger Frauen, eine Ausbildung in bestimmten Berufen erwerben zu können, faktisch gegen Null geht, so wird die Absicht des Grundgesetzgebers, mit den geschlechtsbezogenen Gleichheitssätzen die Stellung der Frauen zu verbessern, in ihr Gegenteil verkehrt. 27 Hinzu kommt, daß der faktische Ausschluß von Frauen über Generationen in besonders krassem Widerspruch zu den zeitlichen Vorstellungen des Grundgesetzgebers steht, der das Ziel einer benachteiligungsfreien Rechtsgestaltung und ihrer Verwirklichung in Staat und Gesellschaft als Aufgabe der ersten Legislaturperiode in der Geschichte der Bundesrepublik sah. 28 Eine solche Lage dürfte daher eine verfassungsrechtliche Pflicht zum Handeln nahelegen. Darüber hinausgehend ist der Spielraum des Gesetzgebers zwischen dem verfassungsrechtlich Erlaubten und dem verfassungsrechtlich Gebotenen recht groß. Die Direktivenseite des Grundrechts, die quasi eine Garantenpflicht des Staates für die Verwirklichung des Grundrechts darstellt, ist in der Regel sehr viel schwächer ausgeprägt, als die bloße verfassungsverträgliche Handlungsmöglichkeit. 24

Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 18. 7. 1972, Leitsatz 3 b, BVerfGE 33,

303 ff. 25 26 27 28

DÖV 1982, S. 381, 387. Bonner Kommentar zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, Rz. 225. Vgl. II. 2. und III. 2. Ebenda.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Im Ergebnis ist also zunächst festzuhalten, daß zwar ein Handlungsauftrag an den Gesetzgeber aus dem Sozialstaatsprinzip auch in Sachen Frauenförderung begründet werden kann. Die derzeitige Entwicklung der Rechtsdogmatik zum Sozialstaatsprinzip setzt für eine positivrechtliche Verpflichtung des Parlaments — wie dargetan — jedoch enge Grenzen. Indes ist aus einem sozialstaatlichen Gründen verpflichteten Handlungsgebot zwar auch das Recht des Staates zu positiven Förderungsmaßnahmen mitenthalten, aber diese Frage bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Denn die verfassungsrechtliche Legitimation von Maßnahmen zur Herstellung von Chancengleichheit erwächst nicht erst aus dem Sozialstaatsprinzip, sondern ist der objektiv-rechtlichen Komponente des Art. 3 Abs. 2 GG zu entnehmen, die bereits unter dem Gesichtspunkt seines sozialen Ideals und der Stellung der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze im System der Grundrechte entwickelt worden ist (III. 2.). Dafür sprechen: — die Anhebungstendenz des Art. 3 Abs. 2 GG ausschließlich zugunsten des weiblichen Geschlechts, wie sie durch die Entstehungsgeschichte vorgegeben ist 2 9 , — die frauen- bzw. geschlechterpolitische Offenheit des Grundgesetzes, die das Ziel einer faktischen Gleichstellung der Geschlechter miteinschließt 30 , — die Sonderstellung des Absatz 2 gegenüber Absatz 1 und Absatz 3 von Art. 3 GG31, — Die Gründe, die der historische Gesetzgeber hatte, Art. 3 Abs. 2 G G mit dem fristgebundenen Gesetzgebungsauftrag des Art. 117 Abs. 1 GG auszustatten 32 , — das soziale Ideal der Geschlechterparität als ein Machtgleichgewicht zwischen Frau und Mann, indiziert durch die Chance zum potentiellen Rollentausch 33 , — der kollektivrechtliche Charakter des Art. 3 Abs. 2 GG, der sich aus dem gemeinsamen Sozialschicksal der Gruppe der Frauen herleitet, von denen jede einzelne, obwohl Angehörige der gesellschaftlichen Mehrheit, der strukturellen Benachteiligung nicht ausweichen kann. 3 4 Der Konstruktion einer Argumentation kann man auch nicht dadurch entgehen, daß man — wie das Bundesverfassungsgericht es namentlich in seinen 29 30 31 32 33 34

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Ebenda. II. 2. II. 2. und III. 2. Ebenda. III. 3. III. 3. und III. 4.

4. Die Herstellung faktischer Gleichheit nach Art. 3 Abs. 2 G G

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rentenversicherungsbezogenen Entscheidungen t u t 3 5 — auf die Vergleichbarkeitsformel in Verbindung mit „typisierenden Merkmalen" abstellt. Dies könnte nicht nur — wie es Sachs36 befürchtet — zur Legitimationsgrundlage für andernfalls verbotene Unterscheidungen nach dem Geschlecht werden, sondern ist vor allem wegen der begrifflichen Vagheit abzulehnen. Materiale Gerechtigkeit 3 7 verlangt demgegenüber klare Wertentscheidungen. Das zeigt sich deutlich am Beispiel der jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des vorgezogenen Altersruhegeldes für Frauen, das diese im Unterschied zu Männern bereits mit Vollendung des sechzigsten Lebensjahres beziehen können. 38 Das Gericht hat mit folgender Begründung entschieden, daß diese Regelung rechtmäßig sei: „Ob und inwieweit der Gesetzgeber aus Art. 3 I I G G i. V. mit dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet sein könnte, die Voraussetzungen für eine faktische Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu schaffen, bedarf indessen hier keiner Entscheidung. Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist ein Fall, in dem der Gesetzgeber bereits dadurch gehandelt hat, daß er faktische Nachteile, die im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung typischerweise Frauen treffen, durch eine Regelung kompensiert hat, die unter bestimmten Voraussetzungen Frauen zeitlich früher als Männer die Möglichkeit bietet, Altersruhegeld zu beziehen. Demgemäß ist lediglich zu prüfen, ob der Gesetzgeber zu diesem Handeln berechtigt war. Insoweit gibt das Ausgangsverfahren Anlaß, die bisherige Rechtsprechung zu Art. 3 I I G G dahingehend zu ergänzen, daß der Gesetzgeber zu einer Ungleichbehandlung auch dann befugt ist, wenn er einen sozialstaatlich motivierten typisierenden Ausgleich von Nachteilen anordnet, die ihrerseits auch auf biologische Unterschiede zurückgehen. Darin liegt keine Ungleichbehandlung ,wegen des Geschlechts4 wie bei den Entscheidungen zum Hausarbeitstag, sondern eine Maßnahme, die auf eine Kompensation erlittener Nachteile zielt." 3 9

Das vorgezogene Altersruhegeld für Frauen als durch Art. 3 Abs. 2 GG legitimierte Kompensationsmaßnahme zu begreifen, verkennt mehrere Gesichtspunkte: — Die faktischen Nachteile von Frauen in ihrer Berufsbiographie beruhen nicht auf biologischen Unterschieden, sondern auf struktureller Diskriminierung. — Die Bevorzugung der Frauen hat auch nicht zum Ziel, diese Diskriminierung abzubauen. Sämtliche tatsächlichen Gesichtspunkte, wie sie von den Verbänden ins Spiel gebracht worden sind und wie sie vom Gericht zustimmend gewertet wurden, beziehen sich auf Sach- und Regelungsberei35

Vgl. die Nachweise ausführlich bei Sachs, Grenzen des Diskriminierungsverbots, 1987, S. 461 ff. 36 Ebenda. 37 Vgl. dazu Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip. Über den Begriff der Gerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1980, S. 28. 38 NJW 1987, S. 1541 ff. 39 Ebenda, S. 1542.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

che, die ihrerseits frauenfördernden Regelungen mit dem Ziel der Herstellung von Parität zugänglich sind. Durch das vorgezogene Altersruhegeld wird an diesen Fakten jedoch nichts geändert. — Fraglich ist, ob Art. 3 Abs. 2 GG eine Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip insoweit zuläßt, als daß unter Zuhilfenahme des Typisierungsarguments soziale Lebenslagen zuvorderst der Frauen gegenüber dem Abwehrrecht der Männer stärker gewichtet werden dürfen, wenn damit keine paritätsbezogene Absicht verfolgt wird. 4 0 Dieser letzte Punkt trifft und spielt auch als Einwand gegen eine Argumentation von Benda eine Rolle. Denn Benda vertritt die Auffassung 41 , daß es gerade die Sozialstaatsklausel sei, die die Befugnis enthalte, Frauen mit gezielten Maßnahmen zu fördern. Er benutzt dabei die Sozialstaatsklausel als Mittel zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Art. 3 Abs. 2 GG als individuellem Grundrecht und der auf Herstellung faktischer Gleichheit gerichteten objektiven Wertentscheidung der gleichen Verfassungsnorm. 42 Dagegen kann aus der Sicht des hier vertretenen Modells zur Auslegung der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze nicht schon eingewendet werden, daß Art. 3 Abs. 2 GG der kollektivrechtliche, Art. 3 Abs. 3 GG dagegen der individuellrechtliche Aspekt der Gleichstellung zugewiesen ist. Denn wenn sich das Problem der Kollision zwischen Grundrechtspositionen damit auch nicht in der gleichen Verfassungsnorm stellt, so ist mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung auch hier von Bedeutung, welcher Verfassungsbestimmung das höhere Gewicht zukommt. 43 Wenn aber Benda 44 meint, es bedürfe keiner abschließenden Klärung, ob das Sozialstaatsprinzip von außen her auf Art. 3 Abs. 2 GG modifizierend einwirkt, oder ob der gleiche Gedanke aus einer sozialstaatlich geprägten Auslegung des Grundrechts des Art. 3 Abs. 2 GG in der objektivrechtlichen Dimension zu entnehmen sei, so hat dies Folgen: 45 Damit versteht er nämlich Frauenförderung als Sozialpolitik und leitet deren verfassungsrechtliche Legitimität folgerichtig aus dem Sozialstaatsprinzip ab. Konsequenterweise muß er deshalb auch die soziale Förderungsbedürftigkeit z.B. männlicher Bewerber um einen Erwerbsplatz mit ins Spiel bringen 46 und demzufolge das Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellen. 47 Es sei daher auch 40

Inwieweit etwa die Typisierungsformel imstande wäre, in den seltenen Fällen, in denen das Abwehrrecht der Männer gegenüber dem Teilhaberecht der Frauen der Vorrang gebührt, weil der Paritätsgrundsatz nicht immer imstande ist, das Ziel faktischer Chancengleichheit ausreichend zu legitimieren, kann hier dahinstehen. 41 Benda, Positive Aktionen, S. 152. 42 Ebenda, S. 153. 43 Vgl. dazu III. 5.1 und III. 6. 44 Vgl. III. 5.1. 45 Ebenda. 46 Vgl. IV. 3.

4. Die Herstellung faktischer Gleichheit nach Art. 3 Abs. 2 G G

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nur eine solche gesetzliche Regelung der Frauenförderung im öffentlichen Dienst verfassungsrechtlich unbedenklich, „die grundsätzlich bei gleicher Qualifikation den Vorrang der Frauen festlegt, aber zugleich aus gewichtigen Gründen Ausnahmen zuläßt". 48 Demnach müßten die Umstände des Einzelfalles darüber entscheiden, welcher Gesichtspunkt das größere Gewicht hat. Diese Ableitung der Frauenförderung ausschließlich aus dem Sozialstaatsprinzip und demgegenüber die Unentschiedenheit in der Frage, ob Art. 3 Abs. 2 GG dadurch modifiziert wird oder diese Auslegung der objektiv-rechtlichen Dimension zu entnehmen sei, hat zwei kontraproduktive Konsequenzen: — Auch Benda bleibt dem individualrechtlichen Denken insoweit verhaftet, als daß er die Entscheidung, wem der Vorrang — z. B. bei einer Einstellung in den öffentlichen Dienst — gebührt, letztlich zu einer Frage der Abwägung individueller Bedürftigkeiten macht. Wenn die Frau nicht auf das zusätzliche Einkommen angewiesen sei, „während der männliche Bewerber dringliche soziale Gründe anführen" 49 kann, müsse eben zugunsten des Mannes entschieden werden. — Damit setzt er das Anliegen der Verfassung, Geschlechterparität herstellen zu wollen, gleich mit anderen sozialen Belangen. Dies aber hat zur Folge, daß es keinen verfassungsrechtlich einsehbaren Grund mehr dafür gibt, warum „eine Quotierung zugunsten von Frauen mit Quotierungen zugunsten anderer ,Minderheiten'" 50 gerade nicht in Konkurrenz treten soll, mithin ein „Quotierungspuzzle" 51 nicht zu erwarten ist. Dagegen entspricht die Ableitung der Frauenförderung aus der objektivrechtlichen Dimension des Art. 3 Abs. 2 GG dem Bedürfnis nach einer kollektivrechtlichen Lösung. Wenn Schmitt Glaeser behauptet, daß „unlösbare Präferenzfragen" auftreten, wenn der „katholische Zigeuner unehelicher Abstammung" mit der „protestantischen Frau aus adeligem Hause" 52 konkurriert, so weist der kollektivrechtliche Ansatz als eindeutige Lösung der Frau den Vorrang zu. Dies entspricht der herausgehobenen Bedeutung des Art. 3 Abs. 2 GG, der sich eben nur auf die Geschlechterparität bezieht. Die Individualisierung ebenso wie die Gleichsetzung des Gleichberechtigungsanliegens mit anderen sozialen Belangen verkennt, daß die faktische Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau selbständiges Gerechtigkeitserfordernis ist, das sich aus dem gemeinsamen Sozialschicksal der Gruppe der Frauen herleitet. 53 47

Ebenda. Ebenda. 49 Ebenda. 50 Schmitt Glaeser, Abbau des tatsächlichen Gleichberechtigungsdefizits der Frauen durch gesetzliche Quotenregelungen, S. 34. 48

51 52 53

Ebenda, S. 47. Ebenda. Vgl. dazu schon III. 3.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Läßt sich also ein Handlungsauftrag i. S. einer Verpflichtung des Staates zur Frauenförderung aus dem Sozialstaatsprinzip nur in engen Grenzen entwickeln, so ist eine wertordnungstheoretische Interpretation des Art. 3 Abs. 2 GG in der Lage, den Nachteilsausgleich zugunsten der Frauen objektiv-rechtlich zu begründen. Dabei ist Grund für die rechtliche Ungleichbehandlung durch solches kompensatorisches Recht die Herstellung faktischer Gleichheit, deren Maßstab der potentielle Rollentausch, mithin die Erweiterung weiblicher Handlungschancen ist. In diesem Zusammenhang ergeben sich zwei Fragen. Einmal muß geklärt werden, ob diese Leitregel für Kompensation in einzelnen Rechtsgebieten unterschiedlich zu präzisieren ist. Zum anderen ist das Sozialideal des potentiellen Rollentausches rechtskonstruktiv auf den Kompensationsbegriff zu beziehen. Wenn man die Leitbildfunktion des liberalen Sozialmodells bestreitet, ist jedes Rechtsgebiet für eine nachteilsausgleichende Normierung grundsätzlich geeignet:54 — Das soziale Schuldrecht des BGB (Arbeitsrecht, Mietrecht, Verbraucherschutz und dort das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) dient dem Ausgleich von Über- und Unterlegenheit und seine Instrumente sollen Vertragsparität herstellen. Bestandsschutz von Verträgen soll vor Willkür und Machtmißbrauch schützen. Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und arbeitsrechtliche Vertragsanpassungen sollen der Herstellung von Parität durch Bekämpfung von Machtmißbrauch und Willkür dienen. Sie knüpfen — in Grenzen — an die faktische Unterlegenheit von Arbeitnehmer/innen und Mieter/innen an. 5 5 — Arbeitsrecht insgesamt enthält weitgehend Normenbestände, die dem Ausgleich der Interessengegensätze von Beschäftigten und Arbeitgebern dienen sollen. 56 54

Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher. Systemkonforme Weiterentwicklung oder Schrittmacher der Systemveränderung?, Berlin 1983, führt aus, daß Parität im Sinne des liberalen Sozialmodells eben nicht Gleichgewichtigkeit ökonomischer und sozialer Positionen beinhaltet. 55 Α. A. von Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts. Die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern und Wohnungsmietern, Berlin 1982, S. 304. Er kommt zu dem Ergebnis, daß durch die Schutznormen des Arbeits- und Mietrechts „kein Machtgleichgewicht zwischen den Geschützten und ihren Kontrahenten, sondern im Gegenteil Disparität und Privilegierung, ein sozial motivierter Mindeststandard zugunsten der Geschützten, bewirkt wird." Dagegen Limbach, KrVjschr 1/1986, S. 182: „Die individualisierte Interpretation, die von Stebut der Vorstellung von dem Machtungleichgewicht gibt, verkennt, daß es hierbei um ein gesellschaftliches Verhältnis, d.h. um strukturell oder institutionell angelegte Konflikte geht, nicht aber um individuelle Akte einer antisozialen Gesinnung oder bedenkenlosen Mutwilligkeit." 56

Kittner, a.a.O.

4. Die Herstellung faktischer Gleichheit nach Art. 3 Abs. 2 G G

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— Sozialrecht ist per se kompensatorisches Recht. 57 — Auch im Umweltschutzrecht werden kompensatorische Gesichtspunkte diskutiert. 58 Wenn in solchen Rechtsbereichen Einzelregelungen vorhanden sind, die aus dem Gedanken des sozialen Ausgleichs resultieren, ergibt sich die Aufgabe zur egalitären Einbeziehung schon aus der Regelung selbst. 59 Bei allen anderen Regelungen ist die spezifisch frauenbezogene Zielrichtung aus der kollektivrechtlichen Komponente des Gleichberechtigungsgrundsatzes als legitimierendem Handlungsauftrag zu entnehmen. Bezieht man diesen Auftrag auf soziale Indikatoren 60 für einzelne Lebensbereiche wie ζ. B. Löhne und Gehälter, Erwerbsplätze, Eigentum an Unternehmen, Kreditvergabe, so ist die mangelnde Gleichverteilung von Besitzständen auf beide Geschlechter Indiz im soziologischen Sinne. Ferner ergibt sich aus diesem Mangel an Gleichstellung zugleich auch die Interpretationsmaxime, nämlich die Orientierung an einem statistisch meßbaren Gleichgewicht im Geschlechterverhältnis, dort wo Frauen bislang benachteiligt waren. 61 Rechtskonstruktiv gesehen können weibliche Handlungschancen mit Zielrichtung eines potentiellen Rollentausches auf zweifache Weise verwirklicht werden: — Zum einen ist eine Lebenslagenkonzeption denkbar, die an Strukturmerkmalen des weiblichen Lebenszusammenhangs62 ansetzt, aber im Gesetzestext geschlechtsneutral formuliert ist. — Gleichermaßen möglich sind auch Regelungen, die bei nachgewiesenen kompensatorischem Rechtsbedarf Frauen vor Männern bevorzugen, jedoch geschlechtsspezifisch ausgestaltet sind. 57

Zacher, Zur Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, DÖV 1970, S. 3. Z.B. Marburger, Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts, in: 56. DJT 1986, Bd. I, München 1986, C 93-100, der einen Umweltschutzbeauftragten erörtert. 59 Das Bundesverfassungsgericht hat in BVerfGE 57, 335-346, die Unvereinbarkeit von § 32 Abs. 4 b des Angestellten Versicherungsgesetzes, der rentenberechtigten Frauen niedrigere Verdienste zugeordnet hat als Männern, mit Art. 3 Abs. 2 GG auch damit begründet, daß die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung auf dem fürsorgerischen Prinzip beruhen und die beanstandete Regelung eine aus dem Gedanken des sozialen Ausgleichs abgeleitete Vergünstigung der Versicherten ist: „Sie selbst hat eine Korrektur der sozialen Wirklichkeit zum Ziel" (S. 345 f.). 60 Zapf, Soziale Indikatoren, Frankfurt/New York 1974. 61 BVerfGE 57, 345-346: „ I m übrigen verlöre das Verfassungsgebot seine Funktion, für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen ( . . . ) , wenn es inhaltlich darauf reduziert würde, die vorgefundene gesellschaftliche Wirklichkeit, etwa die vorhandenen Lohnunterschiede bei Männern und Frauen, hinzunehmen." Implizit orientiert sich das Gericht hier also an einem sich in Lohngleichheit ausdrückenden Gleichgewicht im Geschlechterverhältnis. 62 Prokop, Weiblicher Lebenszusammenhang, Frankfurt/M. 1979. 58

7 Slupik

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Eine Lebenslagenkonzeption ist schon deshalb in jeder Hinsicht verfassungsrechtlich unbedenklich, weil darin auch Männer einbezogen sind, die sich in denselben Lebenslagen befinden wie die Frauen. Größere verfassungsrechtliche Probleme bereitet die Beurteilung ausschließlich auf Frauen bezogener bevorzugender Regelungen. 63 Dabei ist zu unterscheiden zwischen solchen Akten staatlichen Handelns, insbesondere im Wege der Leistungsverwaltung, deren Inanspruchnahme freiwillig ist, z.B. Zuschüsse, Kreditzusagen, Auftragszusagen, Steuervergünstigungen etc., die als Bedingung einen Frauenförderungsplan enthalten, und solchen, die den Adressaten zu einer Bevorzugung von Frauen verpflichten (ζ. B. Quotierungsgesetz). Nach allgemeiner Ansicht ist eine freiwillige Frauenförderung verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenlich. 64 Quotierung durch Gesetz dagegen, ebenso wie die freiwillige Bevorzugung von Frauen bei der Einstellung durch die Unternehmen 65 , wird — vorzugsweise wegen einer behaupteten Diskriminierung der Männer — teilweise für verfassungswidrig erachtet. 66 Ob diese Auffassung zutreffend ist, wird später erörtert. Zunächst muß nämlich gefragt werden, wie — im Unterschied zur kollektivrechtlichen Komponente der Gleichberechtigung in Art. 3 Abs. 2 GG — die individualrechtliche in Absatz 3 ausgestaltet ist. 5. Das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG Der Abwehr- und Ausgrenzungscharakter der Grundrechte, ihr sogenannter „status negativus", verleiht ihnen eine staatsmachtlimitierende, eingriffsabwehrende Funktion und dient damit dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Mißbrauch staatlicher Gewalt. Diese negatorische, auf Unterlassung staatlichen Eingriffs gerichtete Funktion schränkt staatliches Handeln ein und eröffnet zugleich dem einzelnen einklagbare, subjektiv-öffentliche Rechte, mit deren Hilfe er den Staat zurückdrängen, eben: abwehren kann. Im System der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze wird die Abwehrkomponente durch das Diskriminierungsverbot des Absatzes 3 repräsentiert, der — im Gegensatz zur teilhaberechtlichen Ausgestaltung des Absatz 2 — individualrechtlich strukturiert ist. 63 Die auch vom Verfassungsgericht für legal gehaltene Bevorzugung der Hausfrau gegenüber anderen Zeugen und Zeuginnen ohne Verdienstausfall bei der Zeugnispersonenentschädigung (BVerfGE 49, 280) hält wegen der damit vorliegenden Intention gegen eine „Unterbewertung der Hausfrauentätigkeit" auch v. Mangoldt/Klein/Starck, das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Rz. 211 zu Art. 3 I I GG für legitim: „Freilich wird ein erwiesenermaßen als Hausmann tätiger Ehemann wegen Art. 3 Abs. 2 als Hausfrau i. S. d. gesetzlichen Regelung zu behandeln sein." 64 65 66

v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 63), Rz. 211; Mengel, JZ 1982, S. 532. Vgl. dazu IV. 2. Siehe ζ. B. die in III. 4., Fn. 58, genannten Verfasser.

5. Das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG

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Die Kennzeichnung des Absatz 3 als sedes materiae des Diskriminierungsverbots ist nicht selbstverständlich und wenig thematisiert. Die verfassungsrechtliche Diskussion wird von der Frage beherrscht, ob der Staat berechtigt, gar verpflichtet sei, der Benachteiligung von Frauen mit kompensatorischen Maßnahmen entgegenzutreten. Demgegenüber ist der Streit um die Reichweite der — durch das Diskriminierungsverbot bezeichneten — formalen Rechtsgleichheit zwischen Frauen und Männern derzeit (außer im Arbeitsrecht) 1 in den Hintergrund getreten. Die quantitativ und qualitativ unterentwickelte verfassungsrechtliche Dogmatik zur Gleichberechtigung zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie keine präzisen Kriterien für die von der h.M. vertretene Auffassung angeben kann, das „absolute Differenzierungsverbot" sei in Absatz 2 von Art. 3 GG normiert und werde in Absatz 3 der Vorschrift lediglich wiederholt. 2 Dem steht entgegen, daß eine Verortung dieses Verbots in Absatz 3 exakt dessen Wortlaut entspricht: Im Unterschied zu Absatz 2, der das soziale Ideal des Geschlechtsverhältnisses normiert, bringt Absatz 3 zum Ausdruck, daß eine Person ihres Geschlechtes wegen weder bevorzugt noch benachteiligt werden darf. 5.1 Die direkte und indirekte

Diskriminierung

Dieses Diskriminierungsverbot hat zwei Aspekte. Denkbar sind zum einen Rechtsregelungen, deren Wortlaut unmittelbar an ein bestimmtes Geschlecht anknüpft (direkte Diskriminierung); denkbar sind zum anderen Rechtsregelungen, die zwar geschlechtsneutral bzw. egalitär formuliert sind, aber sozial unterschiedliche Folgen für die beiden Geschlechter zeitigen (indirekte Diskriminierung). Das Verbot direkter Diskriminierung unterscheidet sich also von demjenigen einer indirekten Diskriminierung dadurch, daß bei direkter Diskriminierung die geschlechtsspezifische Formulierung untersagt wird, während bei indirekter Diskriminierung eine geschlechtsneutrale Ausgestaltung vorliegt und deshalb nicht der Wortlaut, wohl aber die im Einzelfall empirisch konstatierbare ungleichgewichtige Betroffenheit von Angehörigen eines Geschlechts zum Bezugspunkt der verfassungsrechtlichen Sanktion geraten muß. Im einzelnen bedeutet das: — Eine direkte Diskriminierung 3 liegt vor, wenn in einer Rechtsregelung eine Person des einen Geschlechts ungünstiger behandelt wird als eine des anderen Geschlechts. Das ist der Fall, wenn die Regelung — etwa durch 1

Vgl. dazu Pfarr/ Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, Wiesbaden 1985, S. 96; Pfarr, Mittelbare Diskriminierung von Frauen, N Z A 18/1986, S. 585 f. Gegen das Rechtsinstitut der mittelbaren Diskriminierung im Arbeitsrecht, ζ. B. Gamillscheg, in: Link (Hg.), Der Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat, S. 80 f. 2 Gubelt, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3, Rz. 77; Hamann/Lenz, Grundgesetz-Kommentar, Anm. Β 5 zu Art. 3 Abs. 3. Vgl. zu der Argumentation, die auf die Entstehungsgeschichte gestützt ist, schon III. 9. 3 Zu optimistisch Benda, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, Freiburg 1986, S. 163, der meint: „Mindestens auf 7*

100

III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

unterschiedliche Zuweisung an sie bzw. unterschiedlich angeordnete Rechtsfolgen für Frau und Mann - eine Bevorzugung oder Benachteiligung des jeweils einen Geschlechts vorsieht. Dabei kommt es weder auf das Motiv der unterschiedlichen Behandlung, noch auf die Kausalität des Geschlechts für dessen Diskriminierung an: Jede objektive Differenzierung zwischen Frau und Mann ist verfassungswidrig, sofern nicht besondere Gründe ihre Ungleichbehandlung rechtfertigen. Bei der direkten Diskriminierung als Ausdruck der Forderung nach strikter Rechtsgleichheit zwischen den Geschlechtern geht es auch nicht darum, ob bei einer Regelung, die einen rechtlichen Vorteil an die Mannes- oder Fraueneigenschaft bindet, das jeweils andere Geschlecht dadurch generell schlechter gestellt wird. Bezüglich der direkten Diskriminierung bedeutet also verfassungsrechtlich gebotene Rechtsgleichheit: Parität im Wortlaut der rechtlichen Regelung selbst. Er ist der Maßstab für ein ausgewogenes Kräfteverhältnis zwischen Frau und Mann. Darum muß bei einer in der Rechtsregelung formulierten Ungleichheit auf die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der diskriminierenden Norm geschlossen werden. Die Herauspräparierung der Interpretationsgrundlinie bei direkter Diskriminierung erfaßt aber nicht alle Formen rechtswidriger Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern. Selbst wenn man nicht nur die offene unmittelbare Diskriminierung, sondern auch verdeckte Diskriminierungsformen und solche, wo andere Gründe vorgeschoben werden, miteinbezieht, ist positivrechtlich nicht erfaßt, daß ein ausgewogenes Kräfteverhältnis zwischen den Geschlechtern auch noch durch andere rechtliche Gestaltungen verhindert wird. Deswegen bietet es sich an, Disparitätsfeststellungen im geltenden Recht empirisch dingfest zu machen: — Eine indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine Rechtsregelung geschlechtsneutralen Inhalts bei einer Person eines bestimmten Geschlechts faktische, empirisch kontatierbare Nachteile erzeugt. Empirischer Bezugspunkt ist die stärkere bzw. überwiegende Betroffenheit eines bestimmten Geschlechts, wobei diese Betroffenheit lediglich mit dem Geschlecht oder der Geschlechtsrolle der betroffenen Person — und nicht mit anderen individuellen oder situativen Umständen — erklärt werden kann. Verfassungsrechtlich bedenklich sind demnach auch Normen, die so ausgestaltet sind, daß sie das eine gegenüber dem anderen Geschlecht faktisch benachteiligen, es sei denn, es liegen besondere Gründe vor, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit ergibt sich hier aus der Wirklichkeit selbst. Bezüglich der indirekten Diskriminierung bedeutet also verfassungsrechtlich gebotene Rechtsgleichheit: faktische Parität. Ihre Störung erschließt sich dadurch, daß man eine rechtliche direkte und offene Diskriminierung dürften die jungen Frauen nicht mehr stoßen, die heute in den öffentlichen Dienst streben oder ihm seit einiger Zeit angehören."

5. Das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG

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Regelung an einem — faktischen operationalisierenden — Richtigkeitsmaßstab mißt und daraus auf ein ungleichgewichtiges Kräfteverhältnis zwischen Frau und Mann schließen kann. Eine.indirekte Diskriminierung von Frauen ist also dann gegeben, wenn durch eine Maßnahme oder Regelung zwar beide Geschlechter erfaßt, real aber wesentlich mehr Frauen als Männer nachteilig betroffen sind. 4 Beispiele dafür sind Höchstaltersgrenzen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst, die für Frauen mit Kindern i. d. R. nicht einzuhalten sind, aber auch Dienstalterbestimmungen oder Mindestzeiten der Betriebszugehörigkeit als Voraussetzung für Beförderungen, der Ausschluß von Teilzeitbeschäftigten bei der Betriebsrente usw. 5 Da Art. 3 Abs. 3 GG ein individuelles Abwehrgrundrecht ist, bedarf es sowohl bei direkter wie bei indirekter Diskriminierung einer individuellen Nachteilsfeststellung. Nur ist sie bei direkter Diskriminierung einfacher zu leisten als bei indirekter, weil sie sich dort aus dem Wortlaut ergibt. Der empirische Anknüpfungspunkt für mittelbare Diskriminierung — überwiegende Betroffenheit — ist derselbe, der — wie bereits gezeigt6 — die kompensatorische Funktion des kollektiven Gleichstellungsrechts nach Abs. 2 legitimiert. Stärkere bzw. überwiegende Betroffenheit ist insofern das verbindliche Glied zwischen dem kollektiv- und dem individualrechtlichen Aspekt eines Gleichgewichts im Geschlechterverhältnis. 7 Weil aber das betroffene Individuum kraft seiner Geschlechtlichkeit immer zugleich Mitglied seines Kollektivs ist, muß — verfassungsrechtlich gesehen — das geschlechtsbezogene Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot des Absatz 3 immer im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Absatz 2 interpretiert werden. Das hat zwei Konsequenzen: 4 Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 13. 5.1986, N Z A 1986, S. 599; EuGH, Urt. v. 14.10. 1986, N Z A 1987, 445; BAG AP Nr. 3 zu Art. 119 EWG-Vertrag; Wank, RdA 1985, S. 20ff.; Pfarr, N Z A 1986, S. 586, m.w.N. Vgl. auch die Zusammenstellung bei Münder/Slupik / Schmitt-Bott, Rechtliche und politische Diskriminierung von Mädchen und Frauen, Opladen 1984, S. 111-119, zusammenfassend für das Familienrecht, die schulische und berufliche Ausbildung und die Jugendhilfe. 5 Vgl. für den öffentlichen Dienst: Langkau-Herrmann / Langkau /Weinert/Nejedlo, Frauen im öffentlichen Dienst, Bonn 1983, S. 17f., 56ff., 78ff. 6 S. 113 f. Vgl. dagegen EuGH NJW 87, 1138 ff. (Lohnstufen und körperliche Beanspruchung). 7 Ähnlich aus Wank, Verteilungsgerechtigkeit im Arbeitsrecht, Jura 1981, S. 393, 400 für das Arbeitsrecht. Vgl. für das Arbeitsrecht zur Unterscheidung zwischen indirekter Diskriminierung und „Kompensation" bei Pfarr, N Z A 18/1986, S. 588: „Die vom Rechtsinstitut der mittelbaren Diskriminierung gebotene bloße Unterlassung einer solchen Übertragung gesellschaftlicher Ungleichheiten ist wohl nur schwerlich als ,Kompensation' zu begreifen oder jedenfalls nur in dem Sinne, wie das Arbeitsrecht allgemein. So wie arbeitsrechtliche Schutzgesetze verhindern sollen, daß die Ungleichheiten in sozialer Macht von abhängig Beschäftigten auf der einen und Unternehmern auf der anderen Seite ihren Ausdruck in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen finden können, so soll das Gleichberechtigungsgebot den Frauen von Rechts wegen das geben, was sie allein nicht durchsetzen können, da ihnen Marktmacht und eine mit den Männern vergleichbare durchsetzungsfahige Vertretung ihrer spezifischen Interessen fehlen."

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

— Zum einen sind die — noch zu erörternden — legitimierenden Gründe für eine Bevorzugung oder Benachteiligung des einen oder anderen Geschlechts grundsätzlich restriktiv auszulegen, weil sonst die Chancen zum Rollentausch eingeengt würden. — Zum anderen ist eine Benachteiligung von Männern immer dann gerechtfertigt, wenn auch durch sie das Kompensationsgebot des Absatz 2 realisiert werden soll. Dies gilt aber nur in dem Maße und so lange, wie eine de-factoGleichberechtigung von Mann und Frau nicht erreicht ist. 8 Gleichwohl kann daraus nicht der Einwand hergeleitet werden: Das Verbot einer indirekten Diskriminierung von Männern lasse sich dann nicht auf Absatz 3 stützen, wenn dieser im Lichte des Absatz 2 auszulegen sei, denn Absatz 2 sehe ausschließlich eine Anhebungstendenz zugunsten der Frauen vor. Dem stehen zwei Gesichtspunkte entgegen: — Zum einen wird die Reichweite des Verbots indirekter Diskriminierung zugunsten der Männer über die Bezugnahme auf Absatz 2 eingeengt, wenn legitimierender Differenzierungsgrund der Ausgleich von Nachteilen zugunsten der Frauen ist. 9 — Zum anderen ist — wie bereits dargelegt 10 — die Anhebungstendenz zugunsten der Frauen zwar das wesentlichste, doch nicht einzigste Element des Absatz 2. Seinem objektiv-rechtlichen Gehalt nach impliziert Absatz 2 das soziale Ideal der Geschlechterparität, realisiert im Rollentausch. Während die Anhebungstendenz — und damit Absatz 2 als „Frauengrundrecht" — auf die nach wie vor patriarchalische Verfaßtheit von Gesellschaft und Staat zielt und diese aufzubrechen nötigt, zielt das Ideal der Geschlechterparität auf die Chance zum Rollentausch auch für Männer, denen insofern Rechtsgleichheit zusteht. Aus diesem Grunde kann sich ζ. B. ein männlicher Beschäftigter, der einen qualifizierten Arbeitsplatz deshalb nicht erhält, weil er wegen seiner Familien8 Auch Art. 4 des von der Bundesrepublik ratifizierten UN-Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (BT-Drs. Nr. 10/955 vom 2. 2. 1984) spricht in Art. 4 davon, daß solche Anti-Diskriminierungsmaßnahmen aufzuheben seien, „sobald die Ziele der Chancengleichheit und Gleichbehandlung erreicht sind." 9 Das Problem einer mittelbaren Diskriminierung der Männer ist aus der Sicht der bisherigen Verfassungspraxis wohl eher marginal. Subsumiert man nämlich die Sachverhalte der 64 — bis 1985 — relevanten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichberechtigung (aus der amtl. Sammlung) unter die Rechtsbegriffe „direkte" und „indirekte Diskriminierung", so ergibt sich nahezu dieselbe Anzahl direkter Diskriminierungen für Frauen und Männer (14/15). Anders hingegen bei indirekter Diskriminierung: dort finden sich nur zwei Fälle zum Nachteil des männlichen Geschlechts, während Rechtsstrukturen zu Lasten von Frauen in 16 Fällen festgestellt werden mußten. Dies belegt auch — wie unter 1.1. dargelegt —, daß Recht nicht nur vorwiegend von Männern gemacht wird, sondern diese auch strukturell bevorzugt (vgl. Tabelle 2 im Anhang). 10

Siehe unter III. 1.

5. Das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG

103

pflichten nicht bereit ist, Überstunden zu leisten, auch auf das Verbot der mittelbaren Diskriminierung nach § 611a Abs. 1 S. 1 BGB berufen. 11 5.2 Die Drittwirkung

des Art. 3 Abs. 3 GG

Das individualrechtliche Diskriminierungsverbot von Art. 3 Abs. 3 GG gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern wird im gesellschaftlichen Bereich durch das Prinzip der Privatautonomie begrenzt. Im Rahmen seiner Kommentierung des Grundgesetzes stellte Beitzke 1950 12 fest, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung „insbesondere durch die Privatautonomie, welches er ermöglicht, Verträge mit Männern oder Frauen beliebig zu schließen oder abzulehnen", eingeschränkt wird. 1 3 Diese Auffassung, die der Privatautonomie grundsätzlich Vorrang vor dem Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot gibt, wurde jedenfalls für die Rechtssetzungsmacht der Tarifvertragsparteien durchbrochen. Demgegenüber wurde der einzelvertraglichen Abrede der Vorrang eingeräumt, und es war nach damals bestehender Rechtslage zumindest umstritten, ob Frauen bei der Einstellung, bei arbeitsvertraglichen Individualabreden, bei Weisungen und Kündigungen einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Gleichbehandlung haben. 14 Generell steht jedoch die Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 G G für das Arbeitsrecht seit Einführung des arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes fest, die vorher schon für kollektivrechtliche Regelungen galt. Denn das Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts in § 611 a BGB geht über das von 1980 geltende Recht insofern hinaus 15 , als damit klargestellt wird, daß die Abschlußfreiheit des Arbeitgebers durch das Diskriminierungsverbot begrenzt wird. 1 6 Ganz unstreitig ist ferner, daß der Gesetzgeber das gesamte nichtdispositive Recht, z.B. das Familienrecht, egalitär zu gestalten hat. Umstritten ist lediglich die drittwirkende Geltung von Grundrechten im Bereich des dispositiven Rechts. Die Drittwirkung ist nämlich auch dort von Bedeutung, wo etwa im privaten Rechtsverkehr — also in originär zivilrechtlichen Bereichen wie Wohnungs- und Kreditvergabe und den entsprechenden Verträgen, aber auch privates Versicherungsrecht, also ganz allgemein im Geschäftsverkehr — diskriminierende Ausgestaltungen vorgenommen werden. Eine Benachteiligung von Frauen wurde in der nun schon mehr als zehnjährigen Diskussion zu einem 11

Pfarr/Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, S. 37. Beitzke, Die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Bonner Grundgesetz, Tübingen 1950, S. 15. 13 Ders., ebenda: „Ebenso ist die private Verbandsautonomie erhalten. Es ist auch künftig möglich, Frauen die Mitgliedschaft im Männergesangverein zu versagen oder Frauenkränzchen zu bilden, zu denen Männer keinen Zutritt haben." 14 Hohmann-Dennhardt, ZRP 1979, S. 242. 15 Siehe für den internationalen Vergleich Hanau, Der gleiche Zugang zur Beschäftigung in der Privatwirtschaft nach deutschem Recht, 1981, S. 472. 16 So auch Dix, Gleichberechtigung durch Gesetz, Baden-Baden 1984, S. 340. 12

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Anti-Diskriminierungsgesetz dort gesehen, wo man den Abschluß eines Vertrages mit einer Frau wegen ihres Geschlechts entweder ganz unterließ oder nur zu Bedingungen dazu bereit war, die man bei vergleichbarer Sachlage männlichen Geschäftspartnern nicht zumutet oder nicht zumuten würde. 17 Der Streit über die Frage, ob Grundrechte Drittwirkung entfalten können, wird zwischen den Vertretern einer „unmittelbaren" und einer „mittelbaren" Wirkungsrichtung geführt: 18 — Nach der Theorie der mittelbaren Drittwirkung, deren Hauptvertreter Dürig 1 9 und das Bundesverfassungsgericht 20 sind, beeinflussen die Grundrechte als Wertentscheidungen, objektive Normen oder Grundrechtswerte, also als objektive Prinzipien, die Auslegung des Privatrechts. Dies konkretisiert sich vor allem bei der Auslegung der privatrechtlichen Generalklauseln 21 , aber auch bei jeder Auslegung anderer Normen des Privatrechts. — Die Theorie der unmittelbaren Drittwirkung, deren Hauptvertreter Nipperdey 22 und der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts 23 waren, beinhaltet, daß sich die Grundrechte als Abwehrrechte im klassischen Sinne zuvorderst gegen den Staat richten, aus ihnen allerdings unter Umständen „auch unmittelbar subjektive private Rechte des einzelnen fließen können". 2 4 Während die Theorie der mittelbaren Drittwirkung die Grundrechte als Auslegungsgesichtspunkte im Zivilrecht heranzieht 25 , sind nach der Theorie der 17

Vgl. dazu Garbe-Emden, Gleichberechtigung durch Gesetz, Hannover 1984, S. 114 ff. 18 Vgl. zum Streitstand: Dürig, Grundrechte und Zivilrechtsprechung, NawiaskyFestschrift, München 1956, S. 157; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960; Echterhölter, Grundrechte und Privatrecht, BB 1973, S. 393ff.; v. Mangoldt/Klein/Stark, G G K , Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 200; Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetzkommentar, Art. 3 Abs. 3, Rdnr. 256; v. Münch, Rdnr. 29-34 zu Art. 1-19 Vorb., in: v. Münche, GGK, 3. Aufl., München 1985, m.w.N. Siehe auch den Beitrag von Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, S. 16ff., 154ff.; ders., Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 213. Zur zivilrechtlichen Diskussion vgl. Canaris, AcP 184 (1984), S. 201 ff. Siehe auch die im folgenden genannten Verfasser. 19

Grundgesetzkommentar, Art. 1, Rdnr. 130. BVerfGE 7, 198, 203; 52, 138, 166; std. Rspr. 21 BVerfGE 7, 198, 206. 22 Nipperdey, Freie Entfaltung der Persönlichkeit, S. 15 ff. 23 BAGE 1, 185, 191. 24 Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 17 ff. 25 Alexy, S. 484 stellt vier Gemeinsamkeiten der Theorien zusammen. „Keine der drei (zur dritten Theorie vgl. Schwabe, a.a.O.) Theorien überträgt die Grundrechte als staatsgerichtete Rechte durch einen bloßen Austausch des Adressaten auf die Bürger / Bürger-Relation. ( . . . ) Alle Theorien erlauben, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß in der Bürger/Bürger-Relation beide Seiten Grundrechtsträger sind. Jede von ihnen läßt Abstufungen der Wirkungsstärke zu. Für alle ist das Maß der grundrechtlichen Wirkung auf die Bürger /Bürger-Relation letztlich eine Frage der Abwägung." 20

5. Das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG

105

unmittelbaren Drittwirkung die Grundrechte unter bestimmten Bedingungen mit direkter Wirkung im Verhältnis zwischen Bürger/innen ausgestattet. Konsequent lehnen deshalb die Vertreterinnen und Vertreter der ganz überwiegend befürworteten Lehre von der mittelbaren Drittwirkung die unmittelbare Geltung des speziellen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 3 GG im Rechtsverkehr zwischen Privaten ab, lediglich über Generalklauseln des Zivilrechts könne in Fällen der Diskriminierung wegen des Geschlechts bei Wohnungs-, Kredit- und Versicherungsverträgen eine Bestimmung unwirksam sein. Demzufolge läßt sich nach dieser Auffassung aus Art. 3 Abs. 3 GG auch kein Kontrahierungszwang ableiten. Wenngleich also die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung die Grundrechte — und damit Art. 3 Abs. 3 GG — als Anspruchsgrundlage unter Privaten verneint, kommen doch nach verbreiteter Ansicht als Sanktion gegen die Verletzung dieses Grundrechts privatrechtliche Ansprüche in Betracht. Salzwedel hat bereits 1964 die These entwickelt, daß die Diskriminierung wegen eines in Art. 3 Abs. 3 GG aufgeführten Differenzierungsmerkmals den Tatbestand einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfülle. 26 Bei Verweigerung eines Miet- oder Kreditvertrages aus Gründen des Geschlechts ist deshalb an eine zivilrechtliche Wiedergutmachung der Verletzung des Ehrgefühls analog § 847 BGB — unter Umständen in Geld — zu denken. Solche deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche könnten eventuell eine Sicherung des Zugangs zu Kreditvergabe und Wohnungsmarkt für Frauen erreichen, also als faktischer Kontrahierungszwang wirken. 27 Diese Zuspitzung der Problematik einer Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 GG auf die Frage des Kontrahierungszwanges ist deshalb gerechtfertigt, weil sich alle anderen Probleme — nämlich die eines geschlechtsdiskriminierenden Vertragsinhalts und die einer ebensolchen Aufhebung — über die mittelbare Drittwirkung des Abs. 3, d.h. die Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere die Sittenwidrigkeit) lösen lassen. Gleichwohl: Ob man den Kontrahierungszwang — unmittelbar — aus Art. 3 Abs. 3 GG oder — mittelbar — aus § 826 BGB herleitet, gegen beide Ableitungen können schwerwiegende Bedenken geltend gemacht werden: — Zum einen beeinträchtigen beide Lösungen die durch Art. 2 Abs. 1 G G gewährleistete Privatautonomie erheblich. — Zum anderen stellt sich die Frage, ob die hierdurch bewirkte Einschränkung der Privatautonomie überhaupt erforderlich und verhältnismäßig ist oder ob es nicht mildere Mittel gibt, um beiden kollidierenden Grundrechten zu optimaler Wirksamkeit zu verhelfen.

26

Salzwedel, in: Festschrift für Jahrreiss, Köln u.a. 1964, S. 352. Siehe dazu auch Kühner, Das Recht auf Zugang zu Gaststätten und das Verbot der Rassendiskriminierung, NJW 1986, S. 1401. 27

106

III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Hinzu kommt, daß nach verbreiteter Ansicht aus den Gleichheitssätzen allein eine Beschränkung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit nicht hergeleitet werden kann. 2 8 Danach kommt ein Kontrahierungszwang allenfalls dann in Betracht, wenn zur Verletzung des Gleichheitssatzes weitere Faktoren 29 — wie etwa die von Larenz 30 hervorgehobene Monopolstellung des Anbieters bzw. der Anbieterin 31 — hinzutreten. Fragt man also, wie für den privaten Rechtsverkehr ein auf Art. 3 Abs. 3 GG gestützter Kontrahierungszwang begründet werden kann, betritt man eine terra incognita, denn die zivilrechtliche Diskussion der Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 GG hat sich im wesentlichen auf solche Fälle wie etwa Rassendiskriminierung beschränkt. 32 Fälle einer Diskriminierung von Frauen bei der Kredit- und Wohnungsvergabe sowie dem Abschluß von Versicherungsverträgen wurden bislang nicht erörtert. 33 Lediglich für das Arbeitsverhältnis finden sich in diesem Zusammenhang weitergehende Überlegungen. 34 Diese Überlegungen können für eine Verallgemeinerung des gestellten Problems fruchtbar gemacht werden: Anknüpfungspunkt für einen Kontrahierungszwang im Arbeitsrecht ist die Auffassung, daß Betriebe und Unternehmen kraft unmittelbarer Drittwirkung der Grundrechte dann zu einer diskriminierungsfreien Einstellungspolitik verpflichtet sind, wenn sie soziale Macht repräsentieren. Denn in diesem Fall ist die einzelne Bewerberin dem Arbeitgeber in ähnlicher Weise ausgeliefert wie dem an die Grundrechte gebundenen Staat. Bei einer solchen erheblichen sozialen Ungleichheit führt Rechtsgleichheit, auf der Privatautonomie ja basiert, zur Unterdrückung des schwächeren Teils. 35 In Konsequenz dieses Ansatzes sieht Otto 3 6 — übereinstimmend mit der allgemeinen Ansicht 37 — auch Monopol und Monopolmißbrauch auf der Anbieterseite als drittwirkungsfähigen Sachverhalt an. Hierzu gehört auch die Bedeutung der Rechtsbeziehung für die Lebensführung; von je existenziellerer Bedeutung ein Vertragsabschluß für die individuelle Lebensgestaltung ist, desto einschneidender wirkt die soziale Machtstellung des Anbieters. Dieser Ansatz stimmt mit dem von Bydlinski 38 28

Larenz, BGB AT, § 4 III. Vgl. Beispiele bei Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), S. 33ff. 30 s.o. Fn. 28, S. 68. 31 Vgl. dazu für das Arbeitsrecht Rust, BlStSozArbR 1982, S. 338. 32 Vgl. Übersicht bei Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung: Zur Kontrolle und Gewährleistung personal motivierten Verhaltens im Privatrecht, 1978, S. 140 ff. 33 Dies ist auf die mangelnde Justitialisierung gleichberechtigungserheblicher Konflikte zurückzuführen. Vgl. dazu Slupik, KJ 4/1982, S. 348. 34 Vgl. Dürk/ Heilmann /Trümner, Rechtliche und politische Aspekte der Frauendiskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung, WSI-Mitteilungen 2/86, S. 86-96, 91. 35 So schon Ramm, Die Gleichberechtigung der Frau, R U G 1972, S. 103. 36 Otto, Personale Freiheit, S. 142, 150. 37 Nachweise bei Otto, ebenda. 38 Bydlinski, Kontrahierungszwang, S. 34. 29

6. Differenzierungsgründe

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überein, der als Gesichtspunkt für die Begründung bzw. Begrenzung eines allgemeinen Kontrahierungszwangs u. a. „die Funktionsfahigkeit der Wettbewerbsordnung, also, rechtlich formuliert, der Rechtsgeschäftsordnung" nennt 39 , und als Beispiel für die Schwächung oder den Ausschluß der „Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlußmechanismus" die „krasse und gar dauernde Verhandlungsübermacht eines Beteiligten"* 0 anführt. Wenn in solchen Fällen „sachfremde Erwägungen, etwa persönliche Vorlieben oder Abneigungen" 4 1 durchgriffen, könnten „harte Folgen" ( . . . ) „vom Verlust am Einkommen bis zum wirtschaftlichen Zusammenbruch drohen". 42 Unter solchen Umständen sei eine negative Vertragsentscheidung kontroll- und gegebenenfalls korrekturbedürftig. In diesen Zusammenhang gehört auch das Drittwirkungskriterium der „Öffentlichkeit der Diskriminierung". 43 Wenn in Fällen der Rassendiskriminierung bei der Wohnungsvermittlung oder beim Zugang zu Gaststätten Voraussetzungen für einen sich aus § 826 BGB herleitenden Kontrahierungszwang 44 gegeben sind, so muß dies erst recht in allen Fällen der Geschlechtsdiskriminierung gelten. So wie das Verbot der Rassendiskriminierung einen Minderheitenschutz beinhaltet, so muß sich die Schutzfunktion der Rechtsordnung erst recht auf die großen Geschlechterkollektive erstrecken; dem einen oder dem anderen anzugehören, wird hier vor aller Augen — und daher in hohem Maße ehrverletzend — negativ sanktioniert. Steht somit fest, daß das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG nicht nur für den Bereich staatlichen Handelns gilt, sondern auch im Privatrechtsverkehr Wirkung entfaltet, bleibt zu erörtern, welche Gründe eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im öffentlichen, aber auch im privaten Bereich rechtfertigen. 6. Differenzierungsgründe Die Gerichte nennen Kriterien für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zwischen den Geschlechtern zumeist nur bezogen auf den Einzelfall. Auch in der Literatur finden sich vor allem Stellungnahmen zu einzelnen Sachgebieten. Gleichermaßen werden in den Kommentaren zum Grundgesetz zumeist Einzelfragen anhand von Fällen erörtert. Um Anhaltspunkte dafür zu finden, wann eine verfassungsrechtlich zulässige oder unzulässige Ungleichbehandlung vorliegt, werden im folgenden sämtliche Kriterien erörtert, die generell geeignet 39 40 41 42 43 44

Ebenda, S. 33 f. Ebenda, S. 34. Ebenda, S. 35. Ebenda. Otto, Personale Freiheit, S. 150. Ebenda.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

wären, Differenzierungen zwischen Frau und Mann zu begründen. 1 Hierbei handelt es sich um folgende Kriterien: — — — — — — —

Biologische Unterschiede Kompensation zugunsten der Frauen Vorrang anderer Grundrechte Traditionen Psychische Unterschiede „Funktionale" Unterschiede „Sachgerechteste Lösung. 6.1 Biologische Unterschiede

Biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die wissenschaftlich belegt sind, können einen beachtlichen Differenzierungsgrund abgeben.2 Es ist dabei sowohl an solche Merkmale zu denken, die sich ausschließlich auf ein Geschlecht beziehen, wie z.B. Schwangerschaft, Geburt, Kindeszeugung u.ä. 3 , wie auch solche körperlichen Beschaffenheiten, die zwar auf beide Geschlechter bezogen sind, aber Unterschiede in der jeweiligen Ausprägung bei dem einen oder anderen Geschlecht haben (Körperkraft, Fingerfertigkeit u.ä.). Physische Merkmale, die sich ausschließlich auf ein Geschlecht beziehen, sind immer ein legitimer Grund rechtlicher Differenzierung zwischen den Geschlechtern. Etwas anderes gilt bei auf beide Geschlechter bezogene Merkmalen. In Anbetracht der Tatsache, daß Ziel des Gleichberechtigungsgrundsatzes die Geschlechterparität ist und dieses Ziel auch auf die Ausnahmen vom Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG einwirkt, können diese Merkmale nicht beachtlich sein. Sonst stünde zu befürchten, daß das Anliegen, die biologische Beschaffenheit der Geschlechter als nicht mehr konstitutiv für ihre Rollen im gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und privaten Leben zu begreifen, nie erreicht wird. Liegen also zweigeschlechtliche Merkmale vor, die 1

In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob man der Auffassung folgt, wonach der Inhalt des Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbots nach Art. 3 Abs. 3 GG gewisse Differenzierungen zwischen den Geschlechtern erlaube oder ob man eine Differenzierung zwischen den Geschlechtern dann für zulässig erachtet, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbots nicht vorliegen. Denn beide Auslegungen führen zum selben Ergebnis. Gusy, JuS 1982, S. 33, entwickelt am Beispiel des Hebammengesetzes von 1938, wonach gemäß § 4 Abs. 1 nur Frauen zum Hebammenberuf zugelassen waren, die Auffassung, daß die besonderen Gleichheitssätze die Vornahme von Differenzierungen nicht untersagen würden, sondern nur verbieten, eine ungleiche Behandlung „mit diesen Merkmalen zu begründen". Damit schrumpft das absolute DifTerenzierungsverbot auf ein Begründungsverbot zusammen. Vgl. dagegen die Zusammenstellung von Parodi, Zum „Frauenfeuerwehrdienst" nach dem Grundgesetz, DÖV 19/1984, S. 801, die vom absoluten Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 GG drei Ausnahmen zulassen möchte. 2 So auch BVerfGE 6, 389, 422f.; 31, 1, 4f.; vgl. dazu auch Parodi, DÖV 19/1984, S. 801. 3 Ebenda.

6. Differenzierungsgründe

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beim Mann und bei der Frau unterschiedlich ausgeprägt sind, muß für die rechtliche Regelung ein Bezugspunkt gewählt werden, der geeignet ist, beiden Geschlechtern in möglichst hohem Maße die Entfaltung ihrer Fähigkeiten, insbesondere solcher, für die sie physisch weniger disponiert sind, zu ermöglichen. Dieser Maßstab ist grundlegend für die Frage, inwieweit ein spezieller Frauenarbeitsschutz gerechtfertigt sein könnte. 4 Die Tendenz zu einer Individualisierung des Arbeitsschutzes, die lediglich die individuelle Konstitution und physische Leistungsfähigkeit berücksichtigt, ist hierfür richtungsweisend.5 6.2 Kompensation zugunsten von Frauen Ob soziale und gesellschaftliche Nachteile für Frauen vorliegen, ergibt der Vergleich mit der Lebenslage der Männer. Dieser Maßstab bezieht sich nicht auf richterliche oder gesetzgeberische Alltagstheorien, sondern auf soziale Indikatoren, also sozialstatistische Befunde über die Lage der Geschlechter. Kommt man zu dem Ergebnis, daß Frauen — soziologisch meßbar—unterrepräsentiert sind, dürfen diese Nachteile zu ihren Gunsten ausgeglichen werden. Solches Recht, das Positionen der Frauen in dieser Gesellschaft mit der Zielrichtung eines potentiellen Rollentausches6 verbessert, ist ein beachtlicher Differenzierungsgrund nach Art. 3 Abs. 3 GG. Denn Ausnahmen von der formalen Rechtsgleichheit müssen zugelassen werden, um gleiche Chancen für Frauen als dem benachteiligten Geschlecht zu ermöglichen. Daher reduziert kompensatorisches Recht zugunsten von Frauen die Anwendung des Benachteiligungsverbotes für Männer auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dies ist eine Konsequenz aus der Gruppenbezogenheit der geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze. Kompensation zugunsten von Frauen ist zulässig in Form von Regelungen, die Frauen im Normtext explizit bevorzugen, ζ. B. Beschäftigungsprogramme ausschließlich für Frauen in Branchen, Berufen, Tätigkeiten und dergleichen, wo sie bislang unterrepräsentiert waren, aber auch durch Lebenslagenkonzeptionen, die geschlechtsneutral formuliert sind, z.B. Programme zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben für haushaltsführende Personen. 7 Solche, 4

Vgl. dazu schon Lüthgen, Tübingen 1964, S. 82: „Das liberale Verständnis von Gleichberechtigung als gleicher rechtlicher Freiheit für Mann und Frau mußte eine besondere Schutzgesetzgebung für Frauen ausschließen. Das sozialdemokratische Verständnis der Gleichberechtigung dagegen, das von einer Ausgleichung der tatsächlichen Lebensverhältnisse, d. h. vor allem der ökonomischen Verhältnisse ausging, mußten die Schutzgesetzgebung befürworten, da es offensichtlich war, daß innerhalb des Arbeiterstandes zwischen Arbeitern und Arbeiterinnen die Lasten ungleich verteilt waren und diese ungleiche Verteilung vorläufig nur durch Schutzgesetze gemildert werden konnte." 5 Denn anders kommt man dem Problem nicht bei, daß es Arbeitsschutzvorschriften zugunsten von Frauen gibt, die sie von bestimmten Tätigkeiten ausschließen und die eine gewisse tatsächliche Sperrwirkung auf dem Arbeitsmarkt ihnen gegenüber erzeugen. 6 Vgl. III. 3. 7 Vgl. III. 4.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

ausdrücklich auf die Verbesserung der weiblichen Position hin orientierten Rechtsnormen, stellen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung dar. Dagegen kann nicht eingewendet werden, daß das Bundesverfassungsgericht 8 dem sogenannten Edukationseffekt, also der Absicht des Gesetzgebers, Ehefrauen von Erwerbstätigkeit fernzuhalten, eine klare Absage erteilt hat und daher eine zwar in die umgekehrte Richtung gehende, frauenbevorzugende, gleichwohl edukative Gesetzgebung, ebenfalls verfassungswidrig sei. Denn dabei wird verkannt, daß es gerade auf die unterschiedlichen Ziele und Absichten, gemessen am Paritätsmodell, ankommt. Denn es steht dem Gesetzgeber eben nicht frei, ob er die herkömmliche Geschlechterrollenaufteilung, insbesondere die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung unterstützt oder im Interesse einer Aufhebung der Geschlechterrollen wirkt. Das Recht zur aktiven Gestaltung steht ihm nur für solche Maßnahmen zu, die das Sozialideal des potentiellen Rollentausches befördern, und zwar nur in dem Maße und so lange, wie eine de-facto-Gleichstellung von Mann und Frau nicht erreicht ist. Für die hier vertretene Auffassung läßt sich — allerdings nur hinsichtlich der Verhältnisse im Erwerbsleben — auch die Entscheidung des Obersten Bundesgerichts der Vereinigten Staaten vom 25. 3. 19879 heranziehen. Wie Coen zutreffend anmerkt 10 , hat sich die Diskussion in der Bundesrepublik bisher auf die Frage beschränkt, ob Frauen bei gleicher Qualifikation gegenüber Männern bevorzugt werden dürfen. 11 Darüber hinausgehend hat der Supreme Court entschieden, daß Frauen unter bestimmten Voraussetzungen auch bei geringerer Eignung gegenüber männlichen Mitbewerbern bevorzugt werden dürfen. 12 Der Civil Rights Act von 1964 13 , den der Kläger ins Feld führte, enthält explizit ein Diskriminierungsverbot u. a. wegen des Geschlechts, dessen Reichweite von der US-amerikanischen Rechtsprechung sowohl auf Tatbestände direkter wie indirekter Diskriminierung bezogen wurde. 14 Man erkannte also schon vor der Entscheidung des Supreme Court von 1987 an, daß Diskriminierung ein systematischer Prozeß ist und daß die Unterrepräsentation der Frauen Beweis für ihre Benachteiligung wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ist (mittelbare Diskriminierung). Deshalb war es für den Supreme Court auch 8

BVerfGE 6, 55-84 (80 f.). Johnson v. Transportation Agency, Santa Clara County, California Nr. 85-1129, veröffentlicht bisher in 55 — LAW WEEK (LW) — 4379. 10 Gleichberechtigung durch Ungleichbehandlung? — Beschäftigungsvorteile zu Gunsten benachteiligter Gruppen am Beispiel der USA —, DB 1987, S. 2041. 11 Überblick bei Dix, Gleichberechtigung durch Gesetz, S. 380. 12 Johnson v. Transportation Agency, III. 6.2 Fn. 9. 13 32 U.S.C, g. 200 e et seq. 703. 14 Griggs v. Duke Power Co., 401 U.S. 424 (1971). 9

6. Differenzierungsgründe

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folgerichtig, einen freiwilligen Frauenförderungsplan zu akzeptieren, aufgrund dessen dem Kläger, trotz besserer Prüfungsleistungen, eine Frau für die Position vorgezogen worden war. Das Gericht vertrat zwar die Meinung, daß eine Interpretation des Benachteiligungsverbots des Art. V I I der Civil Rights von 1964 nach dem Wortlaut dafür spreche, daß der besser qualifizierte Kläger durch eine solche Auswahlentscheidung benachteiligt werde. Bei einem deutlichen Ungleichgewicht allerdings und wenn männliche Mitbewerber nicht grundsätzlich ausgeschlossen seien, müsse nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Grundlage entschieden werden, die aufgrund ihrer Geschichte eben zweifellos den Zugang zu beruflichen Bereichen und dort den Aufstieg von Minderheiten und Frauen befördern will. 1 5 Auch der Supreme Court gibt damit dem kollektivrechtlichen Ansatz — jedenfalls grundsätzlich — Vorrang vor dem individualrechtlichen Diskriminierungsverbot. 6.3 Vorrang anderer Grundrechte Wenn andere Grundrechte dies vorsehen, tritt Art. 3 Abs. 2 GG ausnahmsweise zurück. Eine Ungleichbehandlung von Frau und Mann widerspricht auch dann nicht Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, wenn sie auf übergreifende, d. h. auf dem Gleichberechtigungsgebot gegenüber sich durchsetzende verfassungsrechtliche Wertentscheidungen gestützt werden kann. 1 6 In Betracht kommen solche Grundrechte, in deren Wortlaut entweder nur das eine oder das andere Geschlecht erwähnt wird. Ein solches Grundrecht ist Art. 6 Abs. 4 GG. Es spricht jeder Mutter einen „Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft" zu. Damit sind insbesondere Schwangerschaft, Geburt, Stillzeit etc. gemeint. Die gesamte Mutterschutzgesetzgebung, die — anders als der Frauenarbeitsschutz — auf biologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern beruht, kann sich auf Art. 6 Abs. 4 GG stützen. Eine ganz andere Problematik liegt in der Frage, ob man den Vätern unter Hinweis auf diese Verfassungsnorm einen Erziehungsurlaub versagen darf. Dies ist zu verneinen, weil der Erziehungsurlaub aus dem Sozialstaatsprinzip resultiert 17 , das gleichermaßen für beide Geschlechter gilt. 15

Johnson v. Transportation Agency, a.a.O. BVerfGE 9, 59, 76. 17 Das Bundesarbeitsgericht (BAG, N Z A 4 /1986, S. 138 f.) erwägt nicht einmal, ob die Versagung von Mutterschaftsurlaub für Väter nach der Geburt ihres Kindes nicht eine Diskriminierung dieser Männer darstellen könne. Das Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz vom 6. Dezember 1985, BGBl. I, S. 2154) enthält zwei mittelbare Diskriminierungen, eine zu Lasten von Frauen und eine zu Lasten von Männern: Von den seltenen Fällen einer Hausmannsehe abgesehen, steht das Erziehungsgeld in der Einverdienerehe oder Hausfrauenehe nur der Mutter zu, da der erwerbstätige Elternteil, d.h. der Vater, keinen Anspruch auf Erziehungsurlaub hat (§15 Abs. 2 Nr. 2). In den sogenannten Hausfrauenehen ist somit ein Rollentausch nicht möglich, es sei denn, daß der nichterwerbstätige Elternteil 16

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Die beiden weiteren Beispiele für gleichrangige Grundrechte, die eine Ausnahme von Art. 3 Abs. 3 GG vorsehen, sind Art. 12 a Abs. 1 GG, der die Wehrpflicht auf Männer beschränkt, und Art. 12 a Abs. 4 Satz 2 GG, wonach Frauen vom Dienst mit der Waffe uneingeschränkt ausgeschlossen sind. Das in Art. 12 a Abs. 4 Satz 2 G G normierte Verbot, Dienst mit der Waffe zu leisten, geht auf das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 zurück. 18 Es hat das bis dahin in Art. 12 Abs. 3 Satz 2 G G 1 9 festgelegte Verbot in Art. 12 a Abs. 4 Satz 2 GG übernommen, ohne daß eine sachliche Änderung beabsichtigt war. 2 0 Die Formulierung des Art. 12 Abs. 3 Satz 22 GG a.F. geht auf einen Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages zurück. Zur Begründung hat die Ausschußvorsitzende Dr. Schwarzhaupt in der 132. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 6. März 1956, in der der Gesetzentwurf in 2. und 3. Lesung beraten wurde, folgendes ausgeführt: „ . . . Es kam dem Rechtsausschuß darauf an, daß mit programmatischem Nachdruck im Grundgesetz ausgesprochen wird, daß unsere Auffassung von der Natur und der Bestimmung der Frau einen Dienst mit der Waffe verbietet. Das steht in keinem Widerspruch zu der Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Art. 3 Abs. 2 ausspricht, wie wir sie in der Bundesrepublik verstehen.Wir glauben, diese Grundauffassung ausdrücklich festlegen zu müssen, gerade in Gedanken an die militärischen Dienste, in die Frauen unseres Volkes in der Vergangenheit und jetzt noch jenseits der Zonengrenzen hineingezogen wurden." 21

Diese Begründung für ein Waffenprivileg des Mannes steht jedoch in diametralem Gegensatz zum sozialen Ideal des Geschlechterverhältnisses, das — um im Bild zu bleiben — dem Mann die Rolle des mütterlichen Hausmannes ebenso ermöglichen will, wie der Frau die Rolle der waffenstarrenden Amazone. Insofern stellt sich die Frage, ob Art. 12 a Abs. 4 Satz 2 GG nicht verfassungswidriges Verfassungsrecht ist. 2 2 Dafür spricht, daß seit Einfügung dieser Vorschrift in das Grundgesetz mehr als 30 Jahre vergangen sind, in denen sich nicht nur die Auffassung über das arbeitslos oder in der Ausbildung ist oder die Betreuung des Kindes nicht sichergestellt ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3). Sind dagegen beide Eltern berufstätig, wird der mit dem Erziehungsurlaub verbundene völlige oder teilweise Verzicht auf Erwerbseinkommen denjenigen Elternteil treffen, der ds geringere Einkommen hat. Das sind überwiegend die Frauen. Das gilt wegen der Einkommensgrenzen nach § 5 Abs. 3 auch bei der noch zulässigen Teilzeitarbeit nach § 18 Abs. 5 und § 2 Abs. 1. Ein Rollentausch wird somit aus rein ökonomischen Überlegungen auch in der Zweiverdienerehe selten sein. 18 BGBl. I, S. 709. 19 In der Fassung des Gesetzes vom 19. März 1956, BGBl. I, S. 111. 20 Vgl. Schriftlichen Bericht des BT-Rechtsausschusses, BT-Drs. V/2873, S. 4ff. 21 Niederschrift, S. 6819 f. Vgl. auch Protokoll der 106. Sitzung des Bundestagsrechtsausschusses vom 6. Februar 1956, S. 3 ff. 22 Α. A. Grimm, Freiwilliger Waffendienst für Frauen?, ZRP 1987, S. 394.

6. Differenzierungsgründe

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Geschlechterverhältnis geändert haben, sondern auch das Argument, daß die physische Konstitution der Frau einem Waffendienst nicht gewachsen sei, weil „der Kriegsdienst" zu den „männlichsten und körperlich anstrengendsten Berufen" 23 gehören würde, ist obsolet geworden. Insoweit steht Art. 12 a Abs. 4 Satz 2 GG, wonach Frauen keine Waffen in den Streitkräften bedienen dürfen, in Widerspruch zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Auch die Beschränkung der Wehrpflicht durch Art. 12 a Abs. 1 G G ist weder auf biologische Gegebenheiten zu stützen noch darauf, daß hierdurch eine etwaige Benachteiligung von Frauen kompensiert werden müsse. Die auf Männer beschränkte Wehrpflicht bevorzugt die Frauen insofern, als sie nicht verpflichtet sind, der Bundeswehr ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Andererseits führt die ausschließlich auf Männer bezogene Wehrpflicht in Verbindung mit dem Waffenverbot für Frauen dazu, daß Frauen in der Bundeswehr nur sehr begrenzte Laufbahnmöglichkeiten und Tätigkeiten eröffnet sind. 24 Beruft sich im übrigen ein weiblicher Soldat auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs. 3 GG), kommt die Durchführung eines Verfahrens auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin schon deshalb nicht in Betracht, weil Frauen nicht wehr- bzw. waffendienstpflichtig sind (Art. 12 a Abs. 1 GG). Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob angesichts des Verbotes des Waffendienstes in Art. 12a Abs. 4 Satz 2 GG überhaupt noch Raum für eine Gewissensentscheidung nach Art. 4 Abs. 3 GG bleibt. Die Erklärung eines weiblichen Soldaten, aus Gewissensgründen keinen Dienst mehr als Soldat leisten zu können, wird als Antrag auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis behandelt. Ein weiblicher Soldat ist dann wegen besonderer Härte nach § 46 Abs. 3 oder § 55 Abs. 3 Soldatengesetz zu entlassen.25 Das Bundesverfassungsgericht hat zu Art. 12 Abs. 3 Satz 2 GG a. F. erklärt, daß das Verbot der Wehrpflicht als Ausnahmeregelung gerechtfertigt sei. Durch die grundsätzliche Entscheidung des Verfassungsgebers sei die Wehrgesetzgebung dem Einfluß von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG entzogen. Insofern spricht das Bundesverfassungsgericht davon, daß Art. 3 Abs. 2 u. 3 GG und Art. 12 Abs. 3 a.F. GG „gleichen verfassungsrechtlichen Rang" hätten. 26 23 So Hübner, Gleiche Rechte für Mann und Frau, Tübingen 1950, S. 46. Ähnlich ideologisch Weber (CDU), Parlamentarischer Rat, S. 539: „Dabei denken wir durchaus auch an den Eigenwert und die Würde der Frau und nicht an eine schematische Gleichstellung und Gleichberechtigung, wie mir neulich entgegengehalten wurde, als man mich fragte, ob man darunter versteht, daß die Frau vielleicht Kriegsdienste leisten soll. Nein, sagte ich, dies soll sie ebensowenig leisten, wie wir vom Mann etwas erwarten, was dem Eigenwert der Frau allein entspricht." Vgl. auch Dürig, FamRZ 1954, S. 3. 24 Siehe dazu bei Berg, Zum grundgesetzlichen Verbot eines uneingeschränkten Dienstes von Frauen in den Streitkräften. NZWehrr. 1979, S. 81-90. 25 Ebenda, S. 85. 26 BVerfGE 12, 45, 52. Aber: Seifert, in: Seifert/Hömig, Grundgesetzkommentar, Art. 3, Rz. 14: „ I n starkem Gegensatz zu der strengen Auslegung, die Art. 3 Abs. 2 sonst

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

Eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau in bezug auf die Verpflichtung zum Dienst in den Streitkräften und in bezug auf den Dienst mit der Waffe, läßt sich deshalb nur aus den weltanschaulichen Gründen rechtfertigen, die der historische Verfassungsgeber hatte. 6.4 Traditionen In der Geschichte der Bundesrepublik wurde in verschiedenen Rechtsbereichen immer wieder die Auffassung vertreten, daß traditionsbedingte Gegebenheiten, soziale Normen, hergebrachtes Verhalten und Gewohnheiten, die eine Vorrangstellung des Mannes zum Inhalt haben, Differenzierungsmerkmal nach Art. 3 Abs. 3 GG sein können. So war etwa Hübner in seinem 1950 veröffentlichten Gutachten über gleiche Rechte für Mann und Frau der Auffassung, daß in der Ehe zwar eine Gewaltenteilung angebracht sei, dort aber, „wo solche Teilung nicht möglich ist, ist nach uralter Kultursitte fast der ganzen Menschheit, jedenfalls des ganzen Abendlandes, grundsätzlich der Mann Entscheider und Richtungsweiser in der Ehe. ( . . . ) Sie (die Frau, d. Verf.) teilt die natürliche Auffassung des Volkes, daß der Mann ohne Männlichkeit und Würde ist, der nicht in den wichtigsten Fragen des Familienlebens die letzte Entscheidung hat." 2 7 Auch die Bevorzugung des männlichen Geschlechts bei der gesetzlichen Hoferbenfolge wurde u.a. mit dem Hinweis auf Brauchtum begründet. 28 Dasselbe gilt für den derzeit noch geltenden Vorrang des Mannes beim ehelichen Namensrecht für den Fall, daß die Eheleute keinen gemeinsamen Ehenamen ausdrücklich bestimmt haben; auch dies wurde mit der traditionellen Auffassung in der Bevölkerung gerechtfertigt. 29 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch klargestellt, daß die Rechtmäßigkeit von Differenzierungen zwischen den Geschlechtern nicht von der traditionellen Überzeugung der Betroffenen abhängig ist. 3 0 Der in die Zukunft gerichtete Auftrag, Chancengleichheit für Frauen mit den Männern herzustellen, bricht mit veralteten Rechtsauffassungen und strahlt in seiner Zukunftsbezogenheit auch auf das Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot aus. Gerade das Verbot, zwischen den Geschlechtern zu differenzieren, enthält die widerlegliche Vermutung, daß die Geschlechter im Prinzip gleichbehandelt werden müssen. Traditionsbedingte Gesichtspunkte zwischen den Geschlechtern als gefunden hat, steht die einseitige Belastung des Mannes mit öffentlichen Dienstpflichten ( . . . ) in Art. 12a." 27 Hübner, Gleiche Rechte für Mann und Frau, Tübingen 1950, S. 48. 28 Vgl. Nachweise in BVerfGE 15, 337, 345. 29 Vgl. dazu MünchKomm-Wacke, § 1355 Abs. 2 Satz 2, Rdnr. 12 f. 30 BVerfGE, a.a.O., S. 145, Fn. 19. Siehe hingegen BayVerfGH, Entsch. v. 27. 2.1987, in: NJW 1987, 1543 f., wo sogar der „Wandel gesellschaftlicher Verhältnisse" als Rechtsbegriff so eng ausgelegt wird, daß Art. 131 IV BayVerf., wonach nur für Mädchen Säuglingspflege-, Kindererziehungs- und Hauswirtschaftsunterricht in der Schule vorgeschrieben wird, für verfassungsgemäß erklärt werden kann.

6. DifTerenzierungsgründe

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Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung beizubehalten, vernachlässigt zudem den Gesichtspunkt, daß das Recht auf diese Weise zum Hemmschuh für die Veränderung gesellschaftlicher Gegebenheiten wird. Eben aber solchen Veränderungen gegenüber, die — entgegen Tradition und herkömmlichem Verhalten neue Umgangsformen, Arbeitsteilung und — Machtverschiebungen zwischen den Geschlechtern begünstigen, kann traditionelle Üblichkeit nicht entgegengehalten werden. 31 Im Gegenteil: Diese Veränderungen entsprechen in besonderer Weise dem sozialen Ideal des Geschlechterverhältnisses als einem Rollentauschmodell, das auch auf mögliche Differenzierungsgründe ausstrahlt. 6.5 Psychische Unterschiede Insbesondere in der älteren Rechtsprechung wird teilweise argumentiert, daß es zwischen den Geschlechtern Unterschiede in ihrer seelischen Beschaffenheit und Ausdrucksweise gebe, die möglicher Grund für eine zulässige Differenzierung seien. Die Heranziehung von psychischen Unterschieden als beachtliche Differenzierungskriterien ist jedoch nicht nur deshalb problematisch, weil das Wissen über unterschiedliche Charakter- und Wesenszüge der Geschlechter stark geprägt ist durch den männlichen Blick der Forschung 32 , sondern auch deshalb, weil empirische Befunde über unterschiedliche Verhaltensweisen, seelische Befindlichkeiten und psychische Geschlechterunterschiede oftmals eine quasi biologische Fundierung der sozialen Rollen enthalten. 33 Damit wären grundlegende Veränderungen im Geschlechterverhältnis schon a priori ausgeschlossen.34'35 Psychische Geschlechterunterschiede, sollten sie denn nachweisbar sein, sind daher unbeachtlich. 31

Ebenda. Vgl. dazu die Beiträge bei Hausen/Nowotny (Hg.), Wie männlich ist die Wissenschaft?, Frankfurt/M. 1986. 33 So auch Zenz, Gleichberechtigung und Emanzipation, RuG 1972, S. 109. 34 Vgl. schon die Auseinandersetzung zwischen Krüger, AcP 158 (1959/60) N F Bd. 38, S. 55 u. Ziegler, Das natürliche Entscheidungsrecht des Mannes in Ehe und Familie, Heidelberg 1958, S. 144, der den Mann für „befehlsbegabt" und die Frau für „gehorsamsgeeignet" hält. Dazu Krüger: „Daß wir zu wenig Neinsager hatten, wurde durch das 1000jährige Reich bewiesen", AcP 158, S. 54. 35 Die Ausführung von Limbach, ZRP1985, S. 289 zur Vergewaltigung von Ehefrauen, zogen eine Leserbriefsuada alltagstheoretischer Behauptungen über männlichen Hormonhaushalt und Psyche nach sich: „Für gewöhnlich, und auch jetzt noch, geht das Verlangen nach ehelichem Umgang vom Manne aus; denn der Mann wird durch die zuweilen bewußt zur Schau getragenen Reize der Frau zuerst angeregt. ( . . . ) Ist der bestimmte und hartnäckige Widerstandswille der Frau dem werbenden Manne erkennbar? Kann er das Widerstreben seiner Frau eindeutig im Laufe seines eigenen zudringlichen und des hinhaltenden Verhaltens der Frau unverkennbar feststellen, zumal im Zustande geschlechtlicher Erregung, die möglicherweise durch den Widerstand der Frau noch gesteigert wird?" Dohmann, ZRP 1986, S. 126 f. „Der Hormonhaushalt des Mannes ist der Auslöser dafür, daß meist zuerst er den Willen zum Geschlechtsverkehr hat und je nach Temperament, diesen auch versucht, auszuleben. Es ist auch biologisch durchaus nor32

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

6.6 „Funktionale ' Unterschiede Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Differenzierung zwischen Frau und Mann auch dann gerechtfertigt, wenn sich „funktionale", d. h. arbeitsteilige Unterschiede ergeben, die aus der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung im häusüchen und familiären Bereich resultieren. Argumentiert wird damit, daß „die Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses eine besondere Regelung notwendig macht". 3 6 Allerdings wurde die Berücksichtigung solcher Unterschiede schon in den 50er Jahren als „pseudo-verfassungsrechtliche Einbruchsteile" für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Frau und Mann angesehen.37 Gegen ihre Berücksichtigung spricht vor allem, daß damit die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, wie sie in der sozialen Wirklichkeit existiert, nicht abgeschafft, vielmehr zementiert wird. Eine angebliche Eignung und Neigung der Frauen zu Hausarbeit, wie auch die früher gesetzlich festgelegte Funktions- und Pflichtenteilung in der Ehe nach §§ 1356 ff. BGB a.F. unterstellt, wurde so gerechtfertigt. 38 Die erste Entscheidung zum Hausarbeitstag durch das Bundesarbeitsgericht legitimierte die Gewährung eines Hausarbeitstages ausschließlich für Frauen damit, daß es die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gebe. 39 Dem ist entgegenzuhalten, daß die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung nach dem Auftrag des Grundgesetzes zugunsten der Möglichkeit neuer Formen des Zusammenlebens zwischen den Geschlechtern doch gerade in Frage gestellt werden soll; so spricht das Bundesverfassungsgericht 40 davon, daß die Verrichtung von Hausmal, daß die Frau erst auf einen diesbezüglichen Anstoß des Mannes reagiert — wie auch immer. Reagiert die Frau negativ, hat der Mann nur zwei Möglichkeiten: Entweder er begeht eine ,eheliche Vergewaltigung 4 ( . . . ) oder er unterläßt den Geschlechtsverkehr ( . . . ) . Viele Ehemänner sind der aus o. g. Gesichtspunkten auch nachvollziehbaren Auffassung, Geschlechtsverkehr mit der Frau sei ihr ureigenstes Recht und legitimiere sie insbesondere bei Verweigerung der Vereinigung zu deren gewaltsamer Herbeiführung. Diesen Standpunkt hat das bisherige Recht — je älter, desto eindeutiger — auch immer unterstützt. ( . . . ) Denn wo ist denn die kriminelle Energie, die den Täter bei einer Vergewaltigung nach heutigem Strafrecht auszeichnet und die allein das Verwerfliche der Tat ausmacht? Es ist doch eine auch für Frauenrechtlerinnen einsehbarer Unterschied, ob ein Mann irgendeine ihm nicht bekannte Frau zum Geschlechtsverkehr zwingt, oder ob ein Ehemann das zumindest von den Ursprüngen der Ehe her ihm zustehende Recht auf Geschlechtsverkehr wahrnimmt und erzwingt, wenn dies auch rein objektiv mit denselben Mitteln geschehen mag. Zur Ehrenrettung des Verfassers muß hier angemerkt werden, daß mit diesen Ausführungen keineswegs der Gewalt die Fahne gehalten werden soll. Es wird lediglich für etwas Verständnis für den seiner Biologie unterworfenen Mann geworben", so Gnau, ZRP 1986, S. 127 f. 36 37 38 39 40

BVerfGE 3, 225, 242; 6, 289, 422; 31, 1, 4f. Baur, JZ 1959, S. 444. Nachweise bei Binder-Wehberg, S. 42 f. BAG 1, 56; siehe jetzt aber BAG vom 26.1. 1978, BB 1979, S. 477. BVerfGE 52, 362-379.

6. Diferenzierungsgründe

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arbeit nicht zu den geschlechtsbedingten Eigenheiten von Frauen gehöre und insbesondere zwischen der Lebenssituation von alleinstehenden Frauen und Männern kein so gravierender Unterschied bestehe, als daß ein ausschließlich den Frauen gewährter Hausarbeitstag rechtmäßig sein könnte. Allerdings kann auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur im Ergebnis zugestimmt werden. Die Begründung, wonach es auf die konkreten Lebensumstände von Männern und Frauen ankomme, ist unzutreffend. Denn die vorgenommene Typisierung der Lebenssituation von alleinstehenden Frauen und Männern ist bei der Frage, ob eine Ausnahme von dem Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot gemacht werden kann, nur dann zu berücksichtigen, wenn die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Recht nicht fortgeschrieben, sondern aufgelöst werden soll. Der nur den Frauen zugesprochene Hausarbeitstag sollte sie aber gerade an ihrer Rolle festhalten. 41 Funktionale Unterschiede sind deshalb nur zu berücksichtigen, wenn sie nachteilsausgleichenden Charakter zugunsten von Frauen auf weisen können, die einem möglichen Rollentausch der Geschlechter nicht entgegenstehen, sondern im Gegenteil dazu geeignet sind, ihn zu befördern. 6.7 „Sachgerechteste"

Lösung

In den 50er und 60er Jahren spielte bei der Diskussion über die Frage möglicher Differenzierungsgründe bzw. Ausnahmen vom Benachteiligungsund Bevorzugungsverbot die Frage eine Rolle, was zu tun sei, wenn sich „zwei Gruppen, hier Mann und Frau, gegenüberstehen, die nicht beide gleichmäßig berücksichtigt werden können". 42 Damals wurde argumentiert, daß bei der Wahl eines einheitlichen Anknüpfungspunktes im internationalen Privatrecht für die Staatsangehörigkeit des Kindes sowie für die Letztentscheidung in Ehe und Familie eine Ungleichbehandlung der Geschlechter zulässig sei, wenn damit die „beste und sachgerechteste Lösung" erzielt werden könne. In diesem Zusammenhang wurden Drittinteressen wie Belange der übergeordneten Gemeinschaft der Ehe und Familie, Kindeswohl und öffentliches Interesse am Erhalt derartiger Institutionen und Werte angeführt, die bei einer Abwägung der Interessen zwischen den Geschlechtern als entscheidendes Kriterium berück41 Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum GG, Art. 3, Rdnr. 60, ist der Auffassung, daß der Hausarbeitstag ausschließlich für Frauen eine diskrete Freistellung von der Erwerbstätigkeit sei, damit die Frauen während ihrer Menstruation Arbeitbelastungen nicht so stark ausgesetzt sein sollen. Ein solcher Menstruationsurlaub, der auf biologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern beruht, wäre rechtmäßig. Was den Frauenfeuerwehrdienst betrifft, so kommt Parodi, a.a.O., S. 804 zu dem zutreffenden Ergebnis, daß die Beschränkung der Feuerwehrpflicht auf Männer weder durch biologische, noch durch funktionale Unterschiede zu rechtfertigen sei. 42 Knöpfel, NJW 1960, S. 557f.; vgl. dazu heute: v. Bar/Ipsen, Die Durchsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes im internationalen Ehegüterrecht, NJW 1985, S. 28492856 und Basedow, Die Neuregelung des internationalen Privat- und Prozeßrechts, NJW 1986, S. 2971-2979.

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III. Das dogmatische Modell der Geschlechterparität

sichtigt werden müßten. 43 Auf diese Weise wird der Mangel an gesetzgeberischer Phantasie zum verobjektivierten, quasi überpositiven Rechtssatz ohne jeglichen Bezug zur sozialen Realität. Wie bereits von Binder-Wehberg ausgeführt, ist die Bezugnahme auf ein Geschlecht bei ,reinen Ordnungsnormen" 44 , die als Zweckmäßigkeitsregelungen rechtstechnischer Art ohne Wertbetonung bezeichnet worden sind, Umgehung des Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbots allein schon deshalb, weil sie vorwiegend an das männliche Geschlecht anknüpft. Der Blick in andere Staaten und Gesellschaften zeigt nicht nur, daß ebenso gut entgegengesetzte Regelungen zugunsten von Frauen möglich sind, sondern auch, daß Bezugspunkte für eine rechtliche Regelung gefunden werden können, die sich eben gerade nicht auf das Geschlecht beziehen.45 Das verkennt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. 7. 1972 46 , wo es in § 45 Abs. 4 B K G G um die Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes geht. Diese — nach wie vor geltende — Regelung verweist auf § 19 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Fassung.47 Darin heißt es unter Nr. 1: „Hätten Vater und Mutter eines ehelichen oder eines gemeinsamen an Kindes Statt angenommenen Kindes für dieses Kind Kinderzuschlag zu erhalten, so wird der Kinderzuschlag dem Vater allein (Hervorhebung d. Verf.), auf Antrag eines Anspruchsberechtigten jedem von ihnen zur Hälfte gewährt." Der Vater kann also unter Ausschluß der Mutter den vollen Kinderzuschlag erhalten, aber die Mutter kann nicht unter gleichen Voraussetzungen wie der Vater, also unter Ausschluß des Vaters, den vollen Kinderzuschlag bekommen. Diese direkte Diskriminierung der Mutter wurde vom Bundesverfassungsgericht mit folgendem Argument weggeschoben: „Bis zu dieser Erklärung wird der Kinderzuschlag, weil es offensichtlich im konkreten Fall dem beiderseitigen Interesse entspricht und ein Problem der Gleichberechtigung unter den Ehegatten insoweit nicht besteht, insbesondere der Kinderzuschlag im Familienhaushalt nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Ehegatten zweckentsprechend verwendet wird, an den Vater ausgezahlt." 48 Das Bundesverfassungsgericht übersieht hier, daß der Gesetzgeber — unabhängig von den vom Gericht überdies unterstellten Interessen der Beteiligten — verpflichtet ist, Frauen und Männer durch egalitäre Ausgestaltung des Normtextes, die gleichen Chancen zur Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen zu geben.

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Knöpfel, S. 557 f. Binder-Wehberg, S. 62ff. Vogel, Equality between Women and Men, Straßburg 1986, S. 28. BVerfGE 34, 48-52. Diese Vorschrift ist im Rahmen der Verweisung ebenfalls geltendes Recht. BVerfGE 34, 51.

IV. Das Anwendungsbeispiel: Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme zugunsten der Frauen 1. Erläuterung des Gegenstandes „ Q u o t i e r u n g " bedeutet begrifflich nichts anderes als die zahlenmäßige Festlegung eines Anteils, bezogen a u f eine Gesamtheit. I n der juristischen Diskussion 1 werden Quoten vorzugsweise als M i t t e l z u m A b b a u der Unterrepräsentation der Frauen i n den verschiedenen Berufsbereichen — u n d dort für alle Hierarchiestufen — diskutiert. Insofern sind sie ein M i t t e l zur Herstellung v o n Geschlechterproporz u n d d a r u m besonders geeignet, die i n den vorangegangenen K a p i t e l n erfolgten Ausführungen zu den Absätzen 2 u n d 3 des A r t . 3 G G zu exemplifizieren. Ausländische Erfahrungen, insbesondere i n den U S A u n d Schweden, zeigen die prinzipielle Eignung v o n Quoten als Instrument kompensatorischer N o r m i e rung i m Beschäftigungsbereich. 2 Sie dienen der Erweiterung v o n Handlungs1

Schon in den 50er und 70er Jahren wurde eine mögliche Quotierung juristisch diskutiert, vgl. z.B. Beitzke, Die Gleichberechtiung der Geschlechter und das Bonner Grundgesetz, S. 19f.: „Es bedeutet aber nicht etwa, daß im Ergebnis nun ebensoviel Männer wie Frauen zu den gleichen Berufen zugelassen werden müßten, etwa ebensoviel Rechtsanwältinnen wie Rechtsanwälte, ebensoviel weibliche wie männliche Beamte." Molitor, BB 1952, S. 203: „Bei einer systematischen Behandlung der Frage wird man davon ausgehen müssen, daß, soweit ersichtlich, bisher noch niemals behauptet worden ist, die in Art. 3 GG vorgeschriebene Gleichbehandlung erfordere, daß jeder Arbeitgeber auf eine bestimmte Anzahl Männer oder Frauen eine bestimmte Anzahl Angehöriger des anderen Geschlechtes in seinem Betriebe oder Haushalt einstelle. Eine derartige Auffassung ( . . . ) erscheint zu formal und verbietet sich für die deutsche Praxis schon dadurch, daß ( . . . ) typische Frauen- und typische Männerarbeit die Regel ist und es keinem Arbeitgeber zugemutet werden kann, unabhängig von ihrer Eignung für eine bestimmte Arbeit Männer und Frauen einzustellen." Binder-Wehberg, S. 76 f.: „ U m die Wettbewerbschancen der Frau zu heben, könnte durch Gesetz eine Pflicht des Arbeitgebers festgesetzt werden, wonach er einen gewissen Prozentsatz von Arbeitnehmerinnen zu beschäftigen hätte, wie dies für Schwerbeschädigte sowie für Witwen und Ehefrauen der Kriegs- und Arbeitsopfer geschehen ist. ( . . . ) Wäre der Arbeitgeber verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz dieser (gemeint sind verheiratete Frauen und Mütter, d. Verf.) Frauen einzustellen, würde den dadurch zurückgesetzten Männern, besonders den Familienvätern, ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen, da sie nicht wie die meisten Ehefrauen durch den Verdienst des anderen Ehepartners einen gewissen finanziellen Halt haben. Diese Nachteile sind mit der begrüßenswerten Absicht der Gleichstellung von Mann und Frau als Arbeitsplatzsuchende nicht zu rechtfertigen." In diesen Äußerungen wird der entscheidende Gesichtspunkt für Kompensation, nämlich die Erweiterung weiblicher Handlungschancen in durch Männer dominierten Bereichen zu ermöglichen, verkannt.

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IV. Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme

chancen der Frauen beim Zugang zum Erwerbsmarkt, ein Lebensbereich, wo das weibliche Geschlecht nach wie vor wesentlich geringer vertreten ist, wesentlich weniger verdient und sehr viel schlechtere Aufstiegs- und Selbstverwirklichungschancen hat als das männliche Geschlecht.3 Quotierung ist denkbar auf freiwilliger Ebene durch Arbeitgeber bzw. Unternehmer der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst. Ebenfalls wird diskutiert, eine Quotierung von Erwerbsplätzen durch Gesetz vorzuschreiben. 4 Zweifellos wird dabei die Eigenschaft, dem weiblichen Geschlecht anzugehören, zum Auswahlkriterium für die Besetzung von Arbeitsplätzen gemacht. Bei freiwilliger Quotierung tun dies die Unternehmen selbst — etwa in Form von betrieblichen Frauenförderungsplänen. Bei hoheitlich angeordneter Festlegung eines Frauenanteils erfolgt dies kraft staatlicher Anordnung. Das geltende Recht kennt bereits Quoten zugunsten anderer Gruppen, die allerdings im Unterschied zu den Frauen gesellschaftliche Minderheiten sind: — Gemäß § 32 Abs. 1 und 2 H R G sind bis zu 3Ao der Studienplätze sozialen Härtefallen, Ausländern etc. vorbehalten. — Nach § 4 Abs. 1 des Schwerbehindertengesetzes haben private und öffentliche Arbeitgeber mindestens 6% der Arbeitsplätze an Schwerbehinderte zu vergeben. — Auch bei der Wiedereingliederung von Vertrieben und beim Lastenausgleich werden Quoten verwendet. 5 — Auch § 11 a ArbplSchG bestimmt, daß, wenn sich ein Soldat oder ein entlassener Soldat bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Grundwehrdienstes um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewirbt, er Vorrang vor anderen Bewerber(inne)n gleicher Eignung hat. 2

Vgl. dazu Ziegert, Frauenemanzipation via Gesetzgebung? Quotenregelung und Effektivität des Rechts, H i M o N DB 85/86. 3 Vgl. dazu Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Gleichstellungspolitik im Aufwind, Bonn 1986. Krebsbach-Gnath/Schmidt-Jörg, Wissenschaftliche Begleituntersuchung zu Frauenförderungsmaßnahmen, Frankfurt/M. 1984, S. 15-18. 4 Schmitt Glaeser, Abbau des tatsächlichen Gleichberechtigungsdefizits der Frauen durch gesetzliche Quotenregelungen, S. 9, unterscheidet influenzierende (keine hoheitlichen Zwänge, sondern Anreize) von imperativen Quoten (Sanktionen bei Nichterfüllung, weil hoheitlich, etwa durch Gesetz). Vgl. ζ. B. Thesen zum Referat von Simitis, 52. DJT, 1978 Β II, M 57: „Der Diskriminierung von Frauen ist mit Hilfe einer gesetzlich abgesicherten, an Quoten orientierten Beschäftigungspflicht entgegenzuwirken"; Kleemann, a.a.O., M 123 (detaillierte Auwahlrichtlinien); ebenso Klimpe, a.a.O., M 137. Siehe auch im Entwurf der Grünen zu einem Anti-Diskriminierungsgesetz 1986, S. 40. Zu den Erfahrungen bei der Durchführung freiwilliger Förderungspläne für Frauen, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, IV. 1. Fn. 3, für Commerzbank AG, S. 61, für Bayer AG, S. 44, Dresdener Bank, S. 75, Deutsche Bank, S. 77, Henkel KGaA, S. 53. 5

Bei Art. 74 Nr. 6, Art. 131 GG (Kriegsfolgenbeseitigung) treten gegenüber Art. 3 Abs. 3 GG (Bevorzugung wegen der Herkunft) ähnliche Probleme auf.

1. Erläuterung des Gegenstandes

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In der juristischen Diskussion werden Quoten unter verschiedenen Aspekten systematisiert: — Garbe-Emden unterscheidet starre Quoten, wonach der Arbeitgeber eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen mit Frauen besetzen muß, von Leistungsquoten, die bei gleicher Qualifikation Frauen solange bevorzugen, bis die Quote erfüllt ist. 6 — In der Terminologie von Hohmann-Dennhardt würde die starre Quote als absolute Reservierungsquote zu bezeichnen sein.7 Denn den Frauen bleibe diese Zahl von Erwerbsplätzen allein vorbehalten, so daß sie folglich auch nur für Frauen ausgeschrieben werden müßten. Vor allem für den Bereich der Ausbildungsplätze werden solche starren Quoten befürwortet. 8 — Die als Leistungsquote bezeichnete Kompensationsform würde dagegen in diesem Sprachgebrauch als relative Reservierungsquote mit Leistungsvorbehalt zu bezeichnen sein.9 Denn die Bevorzugung der Frau bei der Vergabe von Stellen stände unter dem Vorbehalt der gleichen Leistung. Anders aber als bei der starren Quote, die auch mit leistungsmäßigen Mindestvoraussetzungen kombiniert werden kann, würde weiterhin ein Wettbewerb zwischen Stellenbewerbern und Stellenbewerberinnen möglich sein. Deshalb müßten solche Stellen auch für beide Geschlechter ausgeschrieben werden. Diese Formen der Quotierung können auch nach ihrem Regelungszustand und ihrer rechtlichen Bindungswirkung unterschieden werden: 10 — Starre Quoten, die für Frauen eine bestimmte Zahl von Ausbildungs- und Erwerbsplätzen reservieren, sind zugleich auch Ergebnisquoten, die also dem Arbeitgeber die Beschäftigung eines bestimmten Anteils von Frauen auf allen Hierarchiestufen vorschreiben. Jedoch bleibt der Wettbewerb jeweils auf ein Geschlecht beschränkt: Die Gruppe der Frauen konkurriert untereinander um einen Arbeitsplatz, ebenso wie die Gruppe der Männer untereinander. — Dagegen stellen Leistungsquoten auf den Entscheidungsvorgang bei der Einstellung ab und sind daher Entscheidungsquoten. n 6

Garbe-Emden, Gleichberechtigung durch Gesetz, Hannover 1984, S. 147. Hohmann-Dennhardt, ZRP 1979, S. 247. 8 Sojedenfalls Pfarr / Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, Wiesbaden 1985, S. 54; Hohmann-Dennhardt, ZRP 1979, S. 247; insoweit auch Zöllner, 52. DJT, Bd. 1 D 166; Enquetekommission Frau und Gesellschaft des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 8 /4461. Erwägend auch Schmitt Glaeser, DÖV 1982, S. 386, der im übrigen Quoten für unzulässig hält. Er erachtet wegen des Rechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten von Mädchen eine Quotierung nur „bei schwerwiegenden und dauernden Benachteiligungen, die den Zugang zu bestimmten Berufen für Frauen praktisch unmöglich machen", für verfassungsrechtlich unbedenklich. 9 Hohmann-Dennhardt, ZRP 1979, S. 247. 10 Vgl. dazu Raasch, DuR 3/1985, S. 328-334. 7

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IV. Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme

Das gewichtigste Argument gegen eine freiwillige wie eine gesetzlich vorgeschriebene Quotierung lautet, daß sie eine Bevorzugung der Frauen enthalte, die gegen das absolute Differenzierungsverbot von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG verstieße, das auch Männer für sich in Anspruch nehmen dürften. Zusätzlich wird ein Verstoß zu Lasten der Männer gegen das einfachgesetzliche arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts in § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB behauptet. Außerdem sei die Berufsfreiheit der Männer nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Ferner dürfe beim Zugang zum öffentlichen Dienst das Geschlecht wegen Art. 33 Abs. 2 GG nicht als Einstellungskriterium benutzt werden. Bei einem gesetzlichen Quotierungszwang würde überdies das Eigentumsrecht der Unternehmer nach Art. 14 GG tangiert und ein Eingriff in die Berufsfreiheit durch Beeinträchtigung der unternehmerischen Betätigung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG zu beklagen sein. Auch ein Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit zu Lasten der Arbeitgeber wird postuliert. Diese Argumente sollen im folgenden geprüft werden: 2. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG zu Lasten von Mitbewerbern Wenn durch Gesetz oder einen betrieblichen Frauenförderungsplan eine Anzahl von Arbeitsplätzen für Frauen festgelegt wird, um eine gleichgewichtige Verteilung der Arbeitsplätze des gesamten Betriebes auf Frauen und Männer zu erzielen (Ergebnisquote), könnten nur dann die Rechte der Männer verletzt sein, wenn das individuelle Diskriminierungsverbot des Art. 2 Abs. 3 GG zugunsten beider Geschlechter dem kollektivrechtlichen Gleichberechtigungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 GG zugunsten der Frauen vorgeht. Denn dann würde eine direkte Diskriminierung im Text der Quotierungsvorschriften bzw. durch die Nichtberücksichtigung einer möglichen Bewerbung eines Mannes durch den Arbeitgeber vorliegen. 12 Im Gleichstellungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 GG ist jedoch das Recht zur Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts im Interesse des Nachteilsausgleichs zugunsten der Frauen auch im Einzelfall mitenthalten (Kompensationsgebot). Das gilt sogar dann, wenn vorübergehend die Einstellungschancen der betroffenen Männer unter die der Frauen sinken würden. Quoten zugunsten von 11 Zwangsläufig hat jedoch auch jede starre (Reservierungs-)Quote ein Leistungselement. Denn zweifellos spielt bei der Einstellung auf einem Arbeitsplatz die Qualifikation dafür in Frage kommender Personen eine Rolle. Es kann hier dahingestellt bleiben, daß die Leistungsbeurteilung nicht voll objektivierbar ist, da Leistung ein hochkomplexer Faktor ist, der sich aus vielen Einzelelementen zusammensetzt. 12 So Mengel, JZ 1982, S. 532; Schmitt Glaeser, DÖV 1982, S. 381; Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Art. 3 Abs. 2, Rz. 211.

. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG zu Lasten von M i t b e w e r b e r n 1 2 3

Frauen haben den Abbau von unter geschlechtsdiskriminierenden Bedingungen erworbenen Positionen, also den Abbau von Ungleichheit, zum Ziel. Nur die Durchsetzung des Gleichberechtigungsgebots auf gesellschaftlicher Ebene, als Abschaffung gruppenbezogener Diskriminierungsstrukturen zum Nachteil der Frauen, ermöglicht überhaupt erst die volle Anwendung der Rechtsgleichheit, also auch individuelle Gleichbehandlung. Dieser Vorrang der kollektivrechtlichen vor der individualrechtlichen Komponente des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ergibt sich aus dem Gedanken, daß egalitäre Strukturen in der Gesellschaft Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Individualgerechtigkeit sind. Auf diesem Hintergrund einer Chance zu sozialer Gleichheit erhält die Rechtsgleichheit für beide Geschlechter erst ihren Sinn. Art. 3 Abs. 2 GG ist tatsächlich ein „Supergrundrecht" zugunsten der Frauen, weil es der Effektivierung des gesamten Grundrechtskatalogs zugunsten dieser Mehrheit der Bevölkerung dient und speziell im Falle der Quotierung nach Art. 12 Abs. 1 GG die Berufsfreiheit für Frauen erst wirksam werden läßt. Im Falle einer gesetzlichen Ergebnisquote, wonach ζ. B. die Ausbildungsplätze eines Betriebes je zur Hälfte mit weiblichen und männlichen Bewerbern besetzt werden müßten, würde man dem Verfassungsauftrag auf Herstellung von Geschlechterparität dadurch gerecht werden, daß die vorhandenen Ausbildungsplätze auf beide Geschlechter gleichmäßig verteilt werden. 13 Ein solches Gesetz wäre daher unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 3 GG zugunsten der Männer unbedenklich. Vielmehr würde es dem Paritätsgedanken in besonders hohem Maße entsprechen. Auch wenn in einer konkreten Einstellungssituation ein Arbeitgeber einen womöglich besser qualifizierten oder gleich qualifizierten männlichen Bewerber ablehnen müßte, weil die „Männerquote" bereits erfüllt ist, wäre dies kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Bei einer solchen Fallgestaltung würde das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG auf Art. 3 Abs. 1 GG teleologisch reduziert sein: Der abgelehnte Bewerber könnte sich lediglich auf Gleichbehandlung im Rahmen der Männerquote und daher auf den allgemeinen Gleichheitssatz berufen. Weil zum Zwecke der gleichen Beteiligung der Frauen und Mädchen an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen durch die Ausschaltung der individuellen Konkurrenzsituation geschlechtsspezifische Märkte geschaffen werden, bleibt kein Raum für die Anwendung des individualrechtlichen Diskriminierungsverbots. Demgegenüber meint Schmitt Glaeser 14 , daß Quotierung nicht zu „umgekehrter Diskriminierung" führen dürfe; die Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots zu Ungunsten der Männer sei nur zulässig, wenn die faktische Ungleichheit zwischen den Geschlechtern so groß ist, daß rechtliche Gleichbehandlung zur „reinen Theorie" wird. Die „gewichtige 13

Hohmann-Dennhardt, Ungleichheit und Gleichberechtigung, Heidelberg 1982,

S. 51. 14

DÖV 1982, S. 381.

124

IV. Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme

WirklichkeitsVerzerrung", die er damit für erforderlich hält, ist aber im Grunde nichts anderes als eine Übertragung des Willkürkriteriums des Art. 3 Abs. 1 GG auf dessen Absatz 2: Wenn Gleichbehandlung quasi willkürlich wäre, darf quotiert werden. Damit wird jedoch Art. 3 Abs. 2 GG in seiner Wirkungsrichtung umgedreht und gegen seine Intention gekehrt. 15 Entscheidungsquoten, die eine Bevorzugung von Frauen bei gleicher Leistung intendieren, werden in der Literatur schon deshalb für verfassungsmäßig erachtet, weil sie gegenüber den Ergebnisquoten das mildere Mittel darstellen. 16 Diese Auffassung trägt dem Befund Rechnung, daß durch Schaffung geteilter Beschäftigungsmärkte ein Leistungswettbewerb zwischen den Geschlechtern nicht verhindert wird. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn es sich nicht um eine Mindestqualifikationsquote handelt, die etwa lediglich das Abschlußzeugnis einer bestimmten Schulstufe als Zugangsbedingung voraussetzt. Zwar benachteiligen echte Leistungsquoten hinwiederum den gleich qualifizierten männlichen Bewerber beim Zugang zur Beschäftigung oder beim beruflichen Aufstieg und sind daher unter dem Gesichtspunkt des individualrechtlichen Diskriminierungsverbots zweifellos relevant; denn der Bewerber kann mit Recht einwenden, daß er lediglich wegen seines Geschlechts abgelehnt wird, sei es durch Gesetz vorgeschrieben oder durch freiwilligen Frauenförderungsplan des Unternehmens normiert. Aber wenn Frauen nicht schon mindestens hälftig an allen Positionen beteiligt sind und eine gesetzliche Leistungsquote auch ansonsten rechtmäßig ist bzw. die Voraussetzungen für einen betrieblichen Frauenförderungsplan vorliegen, ist der Arbeitgeber von dem Gleichbehandlungsgebot ebenso befreit wie der Gesetzgeber. Kurzum: Eine Bevorzugung der Frauen ist zulässig, wenn der Verfassungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 GG leer liefe, weil geschlechtsspezifische Ungleichgewichte in der Verteilung der Erwerbschancen in Betrieben und Behörden durch die Anwendung formaler Rechtsgleichheit zementiert würden. 3. Verstoß gegen § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB zu Lasten von Mitbewerbern Eine Quotierung könnte gegen § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen, weil sich darin dem Wortlaut nach beide Geschlechter auf das Benachteiligungsverbot berufen können. 17 Diese Auslegung wird noch gestützt durch den Zusammenhang zu § 611b BGB (geschlechtsneutrale Arbeitsplatzausschreibung). Diese Vorschrift schließt eine begünstigende Auslegung für Frauen aus, weil es darin heißt, daß eine Ausschreibung weder „nur für Männer" noch „nur für Frauen" erfolgen soll. 15

Ähnlich Dix, Gleichberechtigung durch Gesetz, S. 376. Garbe-Emden, S. 161. 17 Schmitt Glaeser, Abbau des tatsächlichen Gleichberechtigungsdefizits der Frauen durch gesetzliche Quotenregelungen, S. 62. 16

. Verstoß gegen Art.

Abs.

G

zu Lasten von Mitbewerbern

125

Eine Bevorzugung der Frau stelle automatisch eine Benachteiligung des männlichen Geschlechts dar und sei daher verboten. 18 Würde man dieser Argumentation folgen, wäre weder eine gesetzliche, noch eine freiwillige Quotierung durch den Arbeitgeber möglich. Jedwede Bevorzugung von Frauen bei der Einstellung wäre ihm untersagt, selbst wenn die Frau bei der Einstellung oder Beförderung deshalb bevorzugt würde, weil in dem speziellen Arbeitsbereich nur wenige oder keine Frauen tätig sind, also starke Männerdominanz herrscht. Dem steht entgegen, daß § 611 äff. BGB Bestandteil des 1980 verabschiedeten Gesetzes über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz ist. Wie bereits ausgeführt 19 , sollte dieses Gesetz u.a. zwei Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft zur Lohngleichheit und zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen in innerstaatliches Recht umsetzen. Ausdrücklich stellt die EG-Richtlinie 76/207/EWG — Gleichbehandlungsrichtlinie — 2 0 auf die Verwirklichung gleicher Chancen beim Zugang zur Berufsbildung und Berufstätigkeit ab. §§ 611 äff. BGB transformieren also nicht nur das individualrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG, sondern auch das Paritätsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG einschließlich der Anhebungstendenz zugunsten von Frauen in den Bereich des Arbeitsrechts. Die teleologische Reduktion des Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbots nach Art. 3 Abs. 2 GG in kompensatorisch relevanten Fallgestaltungen muß demnach auch auf den Bereich des Arbeitsrechts übertragen werden. Zwar können sich auf § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB beide Geschlechter berufen. Art. 4 Abs. 4 der „Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen" vom 9. 2. 1976 bestimmt jedoch, daß Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen — insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten — mit Sinn und Zweck der Richtlinien vereinbar sind. Man kann also aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus dem systematischen Zusammenhang der einzelnen Vorschriften keinen Schluß dahingehend ziehen, daß die Angehörigen des männlichen Geschlechts nicht 18

Gamillscheg, Frauenarbeitsschutz, Gleichbehandlung, Begünstigung der Frau, S. 217. 19 Vgl. II. 3.4. 20 Die EG-Richtlinie, die Veranlassung für die 1980 verabschiedete Gleichbehandlungsregelungen war, hat in Art. 4 IV ausdrücklich geregelt, daß das in der Richtlinie enthaltene strikte Diskriminierungsverbot gerade nicht Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die Chancen der Frauen beeinträchtigen, entgegenstehen soll. Anknüpfend an die Richtlinie ist im Gesetzgebungsverfahren von 1980 ausdrücklich betont worden, daß vom Diskriminierungsverbot des § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB die Zulässigkeit von Frauenförderungsmaßnahmen unberührt bleiben soll, vgl. dazu Knigge, BB 1980, S. 1273.

126

IV. Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme

benachteiligt werden dürfen. Geht es doch gerade um die Herstellung von Chancengleichheit für Frauen, also um den Abbau bestehender Unterrepräsentation. Rechtskonstruktiv kann man dem Rechnung tragen, indem man § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB hinsichtlich des zu schützenden Geschlechts in Fällen einer Kollision mit der Kompensationsmaxime teleologisch auf Frauen reduziert. Damit wäre eine konsequente Lösung erreicht, die im Einklang mit demselben Modell des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG steht. Unzutreffend ist bereits im Ansatz die Auffassung von Hanau 2 1 , der von einer „umgekehrten Geschlechtsdiskriminierung" spricht, „wenn die Angehörigen des einen Geschlechts in bestimmten Situationen benachteiligt werden, um eine frühere Benachteiligung des anderen Geschlechts abzugleichen". Es handelt sich bei kompensatorischem Recht zugunsten von Frauen nicht um eine ausgleichende Gerechtigkeit zugunsten der Enkelinnen für das Unrecht, das man den Großmüttern angetan hat, sondern um den Ausgleich einer durch sozialstatistische Befunde belegten, fortdauernden Benachteiligung der Gruppe der Frauen. Bezogen auf die betriebliche Praxis hat der Arbeitgeber daher drei Möglichkeiten, dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgesetz gerecht zu werden, wenn sich mehrere gleichqualifizierte männliche und weibliche Bewerber um Arbeits- und Ausbildungsplätze bemühen: — Er erweitert die Auswahlkriterien über die fachliche Qualifikation hinaus auf andere Gesichtspunkte, die ihrerseits geschlechtsneutral sind (z.B. Losen). — Er stellt Männer und Frauen in dem Verhältnis ein, in dem sie zahlenmäßig unter den Bewerbungen vertreten sind. — Schließlich hat er die Möglichkeit, die Frauen den Männern dann vorzuziehen, wenn in dem Arbeitsbereich bzw. im Gesamtbetrieb oder in diesem Berufsfeld die Frauen generell unterrepräsentiert sind. Alle drei Alternativen zeigen rechtmäßige Verhaltensmöglichkeiten auf. Das heißt, der Arbeitgeber kann wählen, welche Möglichkeiten er wahrnimmt. Entschließt er sich allerdings, die zuletzt genannte kompensatorische Alternative nicht wahrzunehmen, ist er verpflichtet, entweder die erste oder zweite Variante für die Personalauswahl zu wählen. 4. Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zu Lasten von Mitbewerbern In Art. 12 Abs. 1 GG ist die berufliche Entfaltungsfreiheit des Mannes ebenso wie die der Frau geschützt. Entscheidungs- und Ergebnisquoten schränken die Möglichkeit für männliche Bewerber ein, einen Ausbildungsplatz zu erhalten 21

Die umgekehrte Geschlechtsdiskriminierung im Arbeitsleben, in: Festschrift für Herschel, S. 191, 193, 21 Iff.

. Verstoß gegen Art.

Abs.

GG zu Lasten von Mitbewerbern

127

und tangieren daher die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte autonome Chancengleichheit. Dieses Recht, ohne staatliche Behinderung im Erwerbsleben miteinander in Wettbewerb zu treten, kann aber nach Art. 12 Abs. 1 GG durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden. Ein solcher Eingriff in die Freiheit der Berufswahl ist nach den Grundsätzen der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Stufentheorie 22 zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig. Im Falle einer Entscheidungsquote, die die Hälfte aller Ausbildungsplätze für männliche Bewerber reserviert, geht es um die freie Wahl der Ausbildungsstelle. Für den Zugang zu einem bestimmten Beruf würde kein Hindernis aufgestellt sein, sich um einen der eigenen Wahl und Neigung entsprechenden Ausbildungsplatz zu bewerben. Die freie Wahl wäre lediglich betroffen, wo aus Gründen der Quotierung die Bewerbung eines Jungen (oder eines Mädchens) um einen bestimmten Ausbildungsplatz in einem von ihm oder ihr gewählten Betrieb abgelehnt würde. Die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Geschlechter ist jedoch ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, bedenkt man, daß der Mißstand der Mädchendiskriminierung beim Zugang zum Erwerbsleben nach wie vor besteht und sich in wirtschaftlichen Krisenzeiten noch verstärkt. 23 Deshalb ist im Interesse der Regelung eines egalitären Zugangs zum Berufsleben an der Peripherie der freien Berufswahl eine solche Regelung zulässig. A n der Peripherie der freien Berufswahl würde ein solcher Eingriff deshalb liegen, weil selbst im Falle der Ablehnung eines Bewerbers durch einen Betrieb aus Gründen der Quotierung dem Kandidaten dadurch ja nicht generell die Möglichkeit genommen wird, sich für den gewünschten Beruf im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses zu qualifizieren, sondern ihm lediglich der Ausbildungsplatz in einem bestimmten Betrieb versagt bliebe. Gering wäre der Eingriff deswegen, weil bei einer solchen Entscheidungsquote die Prozentzahl der für junge Männer reservierten Ausbildungsplätze ungefähr ihrem Anteil an der natürlichen Geschlechterproportion entsprechen müßte. Vorausgesetzt also, es werden durch Wirtschaft und Staat insgesamt genügend Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen, dürfte praktisch ein Zugriff des einzelnen auch möglich sein. Sollten aber insgesamt zu wenig Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen, darf dies nicht zu Lasten einer Verwirklichung faktischer Geschlechterparität im Ausbildungsbereich gehen. Die ergebnisbezogene wie auch die entscheidungsbezogene Quotierung sind aber auch Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Berufsausübungsregelungen zulässig, wenn sie sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls entsprechen und zudem verhältnismäßig, d.h. zur Erfüllung 22 23

BVerfGE 7, 377; 11, 30ff., std. Rspr. Siehe dazu 6. Deutscher Jugendbericht, BT-Drs. 10/1007 vom 15. 2. 1984, S. 19ff.

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IV. Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme

dieses Zieles geeignet, erforderlich und den Grundrechtsadressaten zumutbar sind. 24 Bei der Definition legitimer öffentlicher Interessen in diesem Sinne kommt dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu. 2 5 Das Ziel, Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu kompensieren und zu erreichen, daß Frauen auf allen Stufen der beruflichen Hierarchie tätig sein können, ist zweifellos ein legitimes öffentliches Interesse, denn es entspricht dem Gleichstellungsauftrag nach Art. 3 Abs. 2 GG. Ausländische Erfahrungen zeigen zudem, daß Quoten ein geeignetes Mittel zur Verfolgung dieses Zwecks sind. 26 Da das individualrechtliche Diskriminierungsverbot sich in der Geschichte der Bundesrepublik weitgehend als wirkungslos erwiesen hat 2 7 , ist eine Quotierung auch erforderlich. Hinsichtlich der Grundrechtsposition der Männer ist ihnen gegenüber die Quotierung auch zumutbar, da weniger neue Härten entstehen als vielmehr eine Umverteilung stattfindet. Allerdings wären Quoten, deren praktische Wirkung dazu führte, Männern den Zugang zu bestimmten Berufen für längere Zeit völlig unmöglich zu machen, unverhältnismäßig und verletzten daher Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Wesensgehalt.28 Bei Quoten im Ausbildungsbereich sind solche Folgen allerdings nicht zu erwarten, weil Ausbildungsplätze nach kurzer Zeit frei werden. Bei entsprechend hoch angesetzten Arbeitsplatzquoten in Kleinbetrieben und dort, wo Frauen bislang fast gar nicht tätig waren und eine geringe Personalfluktuation stattfindet, bedarf dieses Problem der näheren Betrachtung. Denn dort könnte es gegebenenfalls zu einem Bewerberstau kommen. Allerdings sind Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung nur dann beachtlich, wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit nicht mehr gewahrt ist. 2 9 Was die Quotierung in Kleinbetrieben betrifft, so könnte die Freiheit der Berufsausübung dann unzumutbar verletzt sein, wenn der einzelne Bewerber in einem Beruf tätig sein möchte, für den der Stellenmarkt auf der Anbieterseite ausschließlich Kleinbetriebe zur Verfügung stellt, die alle durch ein hohes Defizit an weiblichen Mitarbeitern geprägt sind und die deswegen, um die Quote zu erfüllen, langfristig nur Frauen einstellen würden. Vergleichbar wäre die 24

BVerfGE 7, 392. Ebenda, 398. 26 Raasch, DuR 3/1985, 319ff. 27 Bertelsmann, Gleichbehandlung zwischen Frauen und Männern nach bundesdeutschem und EG-Recht, BB 1983, S. 1805, 1809. 28 So auch Raasch, Stellungnahme zum Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes der Grünen 1986, Hamburg 1986, S. 6. 29 BVerfGE 30, 292 (316f.); BVerfGE 36, 47 (59); 43, 79 (92). 25

5. Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2, 3 und 5 GG zu Lasten von Mitbewerbern

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Situation des Bewerbers dann der oft erwähnten Interessentin an einem Arbeitsplatz als Tierpflegerin, die im gesamten norddeutschen Raum über Jahre hinaus unter Hinweis auf ihr weibliches Geschlecht keinen Arbeitsplatz erhalten hatte. Erst in einem solchen Fall, wo man wegen der Quotierung einem Mann in vergleichbarer Weise eine berufliche Tätigkeit quasi unmöglich macht, würde die Quotierung unzumutbar tief in die Berufsausübungsfreiheit eingreifen. Auch dabei wären jedoch die Umstände sehr genau abzuwägen, weil die Existenz solcher Fälle ja doch gerade zeigen würde, daß ein „unerträgliches Wirklichkeitsdefizit" 30 von Gleichheit bzw. Freiheit für weibliche Bewerber in diesem Berufsmarktsegment bestanden haben muß, hätte sonst die Einführung der Quotierung doch nicht zu einer nahezu lückenlosen Sperre für männliche Bewerber führen können. Was die Frage der geringen Personalfluktuation etwa in Hochschulen betrifft, so dürfte das Problem der „reverse discrimination" beim wissenschaftlichen Personal nur im Zusammenhang mit Lebenszeitprofessuren von Bedeutung sein, da dort der Anteil der Frauen äußerst gering ist 3 1 und eine Quote entsprechende Ausschlußwirkung für männliche Bewerber haben könnte. Ansonsten werden in der Regel zeitlich befristete Stellen vergeben, so daß ζ. B. im Mittelbau das Problem der geringen Personalfluktuation gar nicht auftauchen könnte. Auch hier ist auf den sachlichen und regionalen Markt abzustellen sowie die üblichen Gepflogenheiten und Bedingungen. Für Professuren dürfte erfahrungsgemäß die gesamte Bundesrepublik als Stellenmarkt und dort alle fachlich einschlägigen Fakultäten in Betracht kommen. Abzustellen ist in diesem Zusammenhang auch auf die übliche Zahl fruchtloser Bewerbungen und die Zeitdauer, die normalerweise verstreicht, bis aus entsprechend qualifizierten Privatdozenten Professoren werden. Nur dann also, wenn durchgängiger Ablehnungsgrund bei einer beträchtlichen Anzahl von Bewerbungen an verschiedenen Hochschulen über einen längeren Zeitraum die Existenz der Quote wäre und tatsächlich die Professuren dann auch an weibliche Bewerber vergeben würden, also auch kein anderer männlicher Mitbewerber vorrangig zu piazieren wäre, wird man sagen müssen, daß die Quotierung von Professuren in diesem spezifischen Fach zu einem unzumutbaren Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit männlicher Kandidaten im Berufungsverfahren führen würde. 32 5. Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2, 3 und 5 GG zu Lasten von Mitbewerbern Durch freiwillige oder durch gesetzlich angeordnete Quotierung könnten ferner der Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und das Leistungsprinzip 30 Schmitt Glaeser, Abbau des tatsächlichen Gleichberechtigungsdefizits der Frauen durch gesetzliche Quotenregelungen, S. 34. 31 Vgl. I. 1., Fn. 25. 32 Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken auch bei Hoffmann, Das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG in Rechtsprechung und Lehre, Berlin 1986, S. 98.

9 Slupik

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IV. Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme

als Bestandteil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG verletzt sein. Da Art. 33 Abs. 2 GG einen individuellen Gleichbehandlungsanspruch jeder Frau und jedes Mannes enthält 33 , wäre dieser möglicherweise durch Entscheidungs- oder Ergebnisquoten betroffen. 34 Bei Ergebnisquoten liegt schon deshalb keine Durchbrechung des Leistungsprinzips vor, weil ein Leistungsvergleich wegen der verschiedenen Geschlechterkontingente gar nicht möglich ist. Die Einstellungsbehörde käme gar nicht in die Situation, die Leistung von Kandidatinnen und Kandidaten vergleichen zu müssen.35 Außerdem wiederholt Art. 33 Abs. 2 GG lediglich das individuelle Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 G G 3 6 und kann daher, wie bereits dargelegt 37 , durch Art. 3 Abs. 2 G G eingeschränkt werden, wenn eine ansonsten rechtmäßige Kompensationsnorm oder Maßnahme zugunsten von Frauen vorliegt. 38 Im Zusammenhang mit dem Sozialstaatsprinzip ist der Staat gerade berechtigt, auch Stellen zu vergeben, bei denen der Leistungsaspekt hinter dem sozialen Nachteilsausgleich sogar gänzlich zurücktritt, wie es ζ. B. beim Schwerbehindertengesetz der Fall ist. 3 9 Bei Entscheidungsquoten ist ebenfalls zu berücksichtigen, daß Art. 3 Abs. 2 GG einen staatsgerichteten Auftrag zur Herstellung realer Gleichberechtigung enthält. Die Durchführung dieses Auftrags durch Kompensationsmaßnahmen zugunsten der Beteiligung der Frauen im öffentlichen Dienst würde der Vorbildfunktion des Staates in besonders starkem Maße Rechnung tragen. Im Rahmen der hergebrachten Grundsätze des Berufungsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG steht der Leistungsgrundsatz neben der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Die Fürsorgepflicht erstreckt sich auch auf das Auswahl verfahren bei Einstellung und Beförderung. In diesem Zusammenhang kann man, wie es ζ. Β. § 11 a ArbplSchG für die bevorzugte Einstellung von ehemaligen Soldaten tut, der Fürsorgepflicht Vorrang vor dem Leistungsprinzip geben. Aus diesen Gründen sind Quoten auch im öffentlichen Dienst zulässig. 33

Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, G G K , Rdnr. 24 zu Art. 33; Ridder, in: AK-GG, Art. 33, Rd. 43. 34 So Mengel, JZ 1982, S. 532 ff. 35 Raasch, Stellungnahme, S. 8 vertritt die Aufassung, daß Entscheidungsquoten, die an das Merkmal der „Eignung" anknüpfen, in einer Situation deutlicher Unterrepräsentanz der Frauen, verfassungsrechtlich zulässig sind. Denn die aus der Männerdominanz resultierenden Mängel können nur durch Einstellung und Beförderung von Frauen ausgeglichen werden. 36 Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, G G K , Rdnr. 24 zu Art. 33. 37 Vgl. III. 4. 38 Zur Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung im Zusammenhang mit dem Parlamentsvorbehalt, vgl. Benda, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, S. 227. 39 Vgl. dazu Kap. IV. 5.

7. Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG

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6. Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zu Lasten der Arbeitgeber /innen Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG zum Nachteil der Arbeitgeber infolge eines Quotierungsgesetzes 40 kommt nur für den Bereich von Erwerbspätzen in privaten Unternehmen in Betracht. Öffentliche Arbeitgeber können die Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht für sich in Anspruch nehmen. 41 Die Freiheit der Berufswahl der Arbeitgeber ist allerdings schon deshalb nicht verletzt, weil durch keine Form der Quotierung verhindert wird, daß die Unternehmer weiterhin ihren Beruf ausüben.42 Jedoch ist die Freihheit der Berufsausübung tangiert, die auch die freie Personalplanung als Bestandteil der unternehmerischen Auswahlfreiheit umfaßt, soweit es sich nicht um Ausbildungsplätze handelt. Wenn Ausbildungsplätze über Quoten bei Vorlage einer Mindestqualifikation nach Schulabschlüssen vergeben werden, ist die unternehmerische Berufsfreiheit schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil eine wirtschaftliche Verwertung 43 der vorhandenen Qualifikation weder Sinn und Zweck der Ausbildung, noch Gegenstand des Ausbildungsvertrages ist. Eine solche Qualifikation soll ja doch gerade erst erworben werden. Der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist jedoch gerechtfertigt. Wie bereits dargelegt 44 , entspricht die gesetzliche Schaffung von Quoten vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls, nämlich der Herstellung eines Gleichgewichts von Frauen und Männern bei der Beteiligung an Erwerbsmöglichkeiten und Berufschancen für abhängig Beschäftigte in allen Bereichen der Wirtschaft. Sie ist auch, im angegebenen Maße 4 5 verhältnismäßig. 7. Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG zu Lasten von privaten Unternehmenseigentümer(inne)n Art. 14 Abs. 1 GG schützt vor Beeinträchtigung bei der eigentumsrechtlichen Nutzung wirtschaftlicher Güter, mithin vor Eingriffen in die Substanz des Gewerbebetriebes. 46 Hier könnte lediglich daran gedacht werden, daß gegebenenfalls eine solche erhöhte Kostenbelastung den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG berührt, die mit einer Umstellung der Personalverwaltung wegen der Neueinführung der 40

Scholz, ZfA 1981, 265 ff. (284f.). Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, G G K , Rdnr. 100 zu Art. 12 GG. 42 Das verlangt aber BVerfGE 7, 377, 407. 43 Raasch, Stellungnahme, S. 7. 44 Vgl. IV. 4. 45 Ebenda. 46 BVerfGE 30, 292, 335; Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, G G K , Rdnr. 130 zu Art. 12 GG. 41

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IV. Quotierung von Erwerbsplätzen als Kompensationsmaßnahme

Quotierung verbunden wäre. Ob jedoch diese Belastung überhaupt die durch frühere Leistung erworbenen Vermögenswerte beeinträchtigt 47 , ist zweifelhaft. Geht es hier doch eher um die Einschränkung zukünftiger Betätigungsmöglichkeiten im Rahmen der Personalauswahl. Sollte man dennoch zu einer Beeinträchtigung des Grundrechts durch eine eventuell entstehende Kostenbelastung kommen, wäre sie jedenfalls durch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 I I GG) gedeckt. 8. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG zu Lasten der Unternehmen Teilweise werden in der Literatur Bedenken dahingehend geäußert, daß gesetzlich angeordnete Quoten die Vertragsfreiheit der Arbeitgeber verletzen würden. 48 Quoten seien ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Vertragsfreiheit 4 9 und überhaupt nur bei einer vom Arbeitgeber mißbrauchten Monopolstellung zulässig.50 Die Vertragsfreiheit enthält auch die Freiheit zu selbstverantwortlicher unternehmerischer Disposition als Wettbewerbsfreiheit. 51 Sie wird durch die Frauenquoten betroffen. Ihr Schutz nach Art. 2 Abs. 1 G G findet jedoch in verfassungsmäßigen Rechtsnormen seine Grenze. Der Gleichstellungsantrag aus Art. 3 Abs. 2 GG und seine Konkretisierung für den Zugang zum Beruf und einen beruflichen Aufstieg, wie sie in einem möglichen Quotierungsgesetz festgelegt sein könnten, ist eine solche verfassungsmäßige Begrenzung. Allerdings ist Art. 2 Abs. 1 GG auch als Übermaßverbot gegenüber belastenden gesetzlichen Maßnahmen zu verstehen. 52 Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit muß auf die Intensität des Eingriffs in Relation zum angestrebten Ziel abgestellt werden. Bei der Vergabe von Erwerbsplätzen nimmt die Intensität des Eingriffs in das Grundrecht um so stärker zu, je mehr nachteilige Wettbewerbsbeeinträchtigungen als Nachteile gegenüber Konkurrenten zu verzeichnen sind. D. h., je stärker ein Unternehmen gezwungen ist, eine weniger qualifizierte Frau statt eines qualifizierten Mannes einzustellen, desto stärker wird seine Wettbewerbsposition gegenüber Konkurrenzunternehmen geschwächt: — Entscheidungsquoten, die bei gleicher Qualifikation einen Vorzug der Bewerberinnen normieren, sind unbedenklich, weil sie keinen negativen Wettbewerbseffekt haben können. 47

So aber BVerfGE, 30, 292, 335. Löwisch, 50. DJT, Gutachten, 1974, D 62; Schmitt Glaeser, DÖV 1982, S. 386. Bedenken auch bei Denninger, Stellungnahme A D G , 1982, S. 8. 49 Löwisch, 50. DJT, Gutachten, 1974, D 62. 50 Schmitt Glaeser, DÖV 1982, S. 386. 51 BVerfGE 20, 150, 159; 32, 373, 379; 34, 238, 246; 35, 5, 10-19. 52 BVerfGE 48, 102, 115ff.; 46, 120, 148. 48

8. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG zu Lasten der Unternehmen

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— Ergebnisquoten können bei größeren Unternehmen den Wettbewerbsnachteil dadurch ausgleichen, daß auch die Konkurrenz Vorgaben unterliegt, ein größeres Beschäftigungspotential trotz Quotierung ausreichende personalpolitische Flexibilität erlaubt und den Unternehmen der Entscheidungsspielraum bei der Umsetzung der Quote belassen bleibt. Lediglich bei sehr kleinen Beschäftigtenzahlen kann sich die Verpflichtung zur Einstellung oder Beförderung einer hinreichend qualifizierten Frau statt des besser qualifizierten Mannes als gravierender Wettbewerbsnachteil niederschlagen, die Quotierung insoweit als unverhältnismäßiger Eingriff wirken. — Bei Entscheidungsquoten nach Mindestqualifikation liegt grundsätzlich ein stärkerer Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG vor. Doch zumindest bei größeren Unternehmen ist ein solcher Eingriff zur Erfüllung des Gleichstellungsauftrags verhältnismäßig. 53 Die Anwendung des dogmatischen Modells der Geschlechterparität auf die Grundtypen einer möglichen Quotierung vor Erwerbs- und Ausbildungsplätzen hat ergeben, daß gegen diese derzeit rechtspraktisch zugunsten der Frauen diskutierte Kompensationsmaßnahme keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Die Herstellung eines Gleichgewichts im Geschlechterverhältnis durch Bevorzugung der Frauen im gesellschaftlichen und sozialen Bereich ist daher verfassungsverträglich.

53

Vgl. dazu Kap. IV. 4.

V. Ergebnis Die Forderungen, die die Frauenbewegung im Laufe ihrer Geschichte gestellt hat, beziehen sich vielfach auf das Medium Recht. Solche Rechtsforderungen lassen sich durch den Begriff „formale Rechtsgleichheit" — lediglich geschlechtsneutrale Formulierungen von Gesetzestexten oder schematische Gleichbehandlung beider Geschlechter in der Rechtspraxis — nicht hinlänglich erfassen. Ihre grundsätzlichen Intentionen in Hinblick auf die rechtliche Umsetzungsqualität beschreibt zum einen das Gleichheitspostulat (Austauschgerechtigkeit), zum anderen das Verschiedenheitspostulat (Bewertungsgerechtigkeit ) : — Ausgehend von der grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen hat Austauschgerechtigkeit (Jedem Menschen das Gleiche) einen potentiellen Rollentausch der Geschlechter zum Ziel. — Dagegen geht Bewertungsgerechtigkeit (Jeder das Ihre/Jedem das Seine) von einer grundsätzlichen Verschiedenheit der Geschlechter aus und zielt auf eine Neubewertung der Geschlechterrollen. Beide Auffassungen stellen die existierende Verteilung gesellschaftlicher und staatlicher Besitzstände zur Disposition und fordern Verteilungsgerechtigkeit, d. h. — im weitesten Sinne — ein Gleichgewicht im Geschlechterverhältnis. Von ihrer Entstehung her gesehen, sind die geschlechtsbezogenen Gleichheitssätze der Verfassung sowohl für die eine wie für die andere Gerechtigkeitsform offen. Denn das Grundgesetz fordert — wie historisch belegt — ebenfalls ein Gleichgewicht im Geschlechterverhältnis. Aus den Motiven zu Art. 3 Abs. 2 GG ergibt sich überdies, daß eine Schlechterstellung der Frauen durch Anwendung „formaler Rechtsgleichheit" nicht beabsichtigt, sondern — im Gegenteil — eine Anhebung der Rechtsposition des weiblichen Geschlechts vorgesehen war. Der damals von der Frauenbewegung erkämpfte, für alle drei Staatsgewalten geltende Handlungsimperativ der Verteilungsgerechtigkeit wurde — trotz des Gesetzgebungsauftrages des Art. 117 Abs. 1 GG, der dem einfachen Gesetzgeber eine Anpassungsfrist bis zum 31. März 1953 setzte — vom Deutschen Bundestag nicht erfüllt. Wenn überhaupt, so stellte man lediglich formalrechtliche Gleichheit durch die Novellierung von Einzelgesetzen her, die wiederum eine Vielzahl von Ausnahmen enthielten. Damit wurde in erster Linie dem Verschiedenheitspostulat der Frauenbewegung Rechnung getragen, das an Bewertungsgerechtigkeit orientiert ist. Erst in den letzten Jahren, vor allem materialisiert in dem Vorhaben eines Anti-Diskriminierungsgesetzes zugunsten der Frauen, läßt sich — im Gegensatz zu bloß „formaler Rechtsgleichheit" — zunehmend eine

135

V. Ergebnis

Tendenz verzeichnen, die den Blick auf die gesellschaftlich-soziale Benachteiligung der Frauen richtet. Gleichgewicht im Geschlechterverhältnis, d. h. Parität, resultiert unter Bedingungen einer gesellschaftlich-sozialen Benachteiligung der Frauen aus dem Abbau patriarchalisch-hierarchischer Strukturen, und zwar aus der — Beseitigung von Rechtsregelungen, die Männer bevorzugen (direkte Diskriminierung) — Unterlassung rechtlicher Regelungen, die patriarchalische Strukturen fortschreiben, aber geschlechtsneutral formuliert sind (indirekte Diskriminierung) — Schaffung nachteilsausgleichender Regelungen zugunsten der Frauen (Kompensation). Dieses „Stufenmodell der Diskriminierung" dient nicht nur als Prüfungsschema zum Auffinden von Diskriminierungssachverhalten, sondern eignet sich auch dazu, das Gleichheitspostulat der Frauenbewegung — also die Austauschgerechtigkeit — das bislang in der gesetzgeberischen Tätigkeit zu kurz gekommen ist, verfassungsrechtlich zu fundieren. Wie, zeigt folgendes Schema zum „dogmatischen Modell der Geschlechterparität": Gleichgewicht im Geschlechterverhältnis Ausgleichende Gerechtigkeit

Verteilende Gerechtigkeit

= Kompensation von Benachteiii· gung

= Unterlassen unterschiedlicher Behandlung von Individuen (direkte Diskriminierung)

= Bevorzugung der Benachteiligten als Gruppe (Rechtsgrundlage: Kollektivrechtl. Element des Art. 3 I I GG; Verfassungsauftrag und Legitimation zur Besserstellung der Frauen; objektivrechtlicher Gehalt des Art. 3 I I GG = Soziales Ideal der Geschlechterparität, realisiert im potentiellen Rollentausch)

(Rechtsgrundlag: individualrechtliches Diskriminierungsverbot von Art. 3 I I I GG) = Unterlassen formal gleicher Behandlung von Individuen bei geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Bedingungen (indirekte Diskriminierung) (Rechtsgrundlage: individualrechtliches Diskriminierungsverbot des Art. 3 I I I GG; objektivrechtlicher Gehalt des Art. 3 I I GG = Soziales Ideal der Geschlechterparität)

Mit dem Ziel eines Gleichgewichts im Geschlechterverhältnis läßt sich das Gleichheitspostulat dogmatisch an der justitia commutativa (ausgleichende Gerechtigkeit) in einer kollektivrechtlichen Dimension und an der justitia

136

V. Ergebnis

distributiva (verteilende Gerechtigkeit) in einer individualrechtlichen Dimension konkretisieren. Dem Art. 3 Abs. 2 G G ist die kollektivrechtliche Dimension, die Gruppenbezogenheit des Geschlechts als menschliche Eigenschaft, zugeordnet, Art. 3 Abs. 3 GG die individualrechtliche Dimension, d. h. die Personenbezogenheit des Geschlechts. — Die kollektivrechtliche Dimension des Art. 3 Abs. 2 GG enthält einen Verfassungsauftrag zur Gleichstellung des weiblichen Geschlechts. Dieses Teilhaberecht gründet sich auf den — durch die Intentionen der Frauenbewegung geprägten — Willen des Gesetzgebers, sowie darauf, daß Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft als Geschlecht die benachteiligte Mehrheit der Bevölkerung sind und diesem Schicksal nicht entrinnen können. Deshalb fordert Art. 3 Abs. 2 GG eine rechtliche Anhebung der sozialen Stellung der Frauen, einen Nachteilsausgleich durch Recht, dessen Reichweite lediglich von dem sozialen Ideal der Geschlechterparität — realisiert im potentiellen Rollentausch — begrenzt wird. Dieses Sozialideal ist der zu Ende gedachte Grenzfall der Austauschgerechtigkeit, mithin objektivrechtlicher Gehalt des Abs. 2. Frauen dürfen demnach rechtlich bevorzugt werden, wenn hierdurch ihre Handlungschancen — gemessen an der Lebenslage und den Möglichkeiten des männlichen Geschlechts — erweitert werden. Diese Erweiterung läßt sich entweder über eine Lebenslagenkonzeption realisieren oder dadurch, daß zugunsten von Frauen rechtliche Vorteile explizit formuliert werden. — Die individualrechtliche Dimension des Art. 3 Abs. 3 GG enthält ein Verbot der „direkten" Diskriminierung wegen des Geschlechts. Denn direkte Diskriminierung ist Benachteiligung oder Bevorzugung durch unterschiedliche Behandlung der Geschlechter im Recht. Insoweit fordert Art. 3 Abs. 3 GG Parität in geltendem Recht selbst. Die „indirekte" Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 3 GG verbindet individualrechtliche Elemente des Diskriminierungsverbots des Abs. 3 mit dem objektivrechtlichen Gehalt des Abs. 2. Denn indirekte Diskriminierung heißt Aufrechterhaltung der Diskriminierung trotz formal gleicher Behandlung. Insoweit fordert Art. 3 Abs. 3 GG Parität in der sozialen Wirklichkeit, materialisiert im Recht. Eingeschränkt wird die individualrechtliche Dimension lediglich durch die biologisch unterschiedliche Beschaffenheit der Geschlechter sowie durch gleichrangige Grundrechte. Diese Differenzierungsgründe können zugunsten und zu Lasten beider Geschlechter wirken. Sie müssen aber im Interesse einer Parität zwischen Frau und Mann, realisiert im Rollentausch, restriktiv ausgelegt werden. Dieses Sozialideal rechtfertigt auch die Ausnahme vom Diskriminierungsverbot zu Lasten der Männer, nämlich: Kompensation zugunsten der Frauen. Sowohl die kollektivrechtliche als auch die individualrechtliche Dimension der geschlechterbezogenen Grundrechte haben jeweils eine staatsgerichtete Zielrichtung und eine das Verhältnis zwischen Privaten betreffende.

V. Ergebnis

Die staatsgerichtete

137

Zielrichtung läßt sich folgendermaßen konkretisieren:

— Der Gesetzgeber ist im Interesse des Ausgleichs gesellschaftlich-sozialer Nachteile berechtigt, Frauen als Gruppe zu bevorzugen, wenn sie in einem Bereich nachgewiesenermaßen schlechter repräsentiert sind als die Gruppe der Männer. Der Nachteilsausgleich wird z.B. ermöglicht über eine Quotierung von Erwerbsplätzen, eine Kompensationsform, die Frauen im Recht explizit bevorzugt. Zulässig wäre ebenfalls eine geschlechtsneutral formulierte Lebenslagenkonzeption. — Der Gesetzgeber ist verpflichtet, Frauen und Männer im Recht und in der sozialen Wirklichkeit, soweit er diese zum Gegenstand rechtlicher Regelungen macht, gleich zu behandeln. Normtexte müssen nicht nur geschlechtsneutral formuliert sein, sondern auch so, daß die soziale Betroffenheit des jeweiligen Geschlechts, insbesondere die der Frauen, nicht zu einer rechtlichen Benachteiligung führt. Dieses zuletzt genannte Rechtsinstitut der „indirekten Diskriminierung" muß stärker durch die Rechtsprechung berücksichtigt werden. 1 Überdies hat der Staat organisatorische (administrative) und verfahrensrechtliche (prozessuale) Vorkehrungen zu treffen, die der Gefahr einer Verletzung des Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbots entgegenwirken. 2 Die das Verhältnis bestimmen:

zwischen Privaten

betreffende Zielrichtung läßt sich so

— Im Interesse der Kompensation sozialer und gesellschaftlicher Nachteile sind auch Private berechtigt, Frauen als Gruppe zu bevorzugen, wenn das weibliche Geschlecht in einem bestimmten Bereich schlechter repräsentiert ist als die Gruppe der Männer. Unternehmen, Betriebe, also Arbeitgeber/innen können z.B. Erwerbsplätze quotieren, um eine Gleichverteilung beider Geschlechter in allen Unternehmensbereichen, bei jeder Tätigkeit, auf allen Hierarchiestufen und in jedem Beruf zu erzielen. Ebenso zulässig wäre es, die Nachteile von Frauen, wie sie etwa in der typisch weiblichen Berufsbiographie zutage treten, durch eine Lebenslagenkonzeption abzugleichen. — Auch Private sind an Art. 3 Abs. 3 GG gebunden und müssen deshalb die Benachteiligung oder Bevorzugung wegen des Geschlechts in jeder Form unterlassen. Im Privatrechtsverkehr entfaltet das individualrechtliche Diskriminierungsverbot seine Wirkungen bis hin zum Kontrahierungszwang, dann nämlich, wenn aufgrund sozialer Übermacht einer natürlichen oder juristischen Person die Diskriminierung wegen des Geschlechts erst ermöglicht wird. Solche Träger sozialer Übermacht können auch durch einfachgesetzliche Diskriminierungsverbote zur Einhaltung des Art. 3 Abs. 3 GG im Privatrechtsverkehr gezwungen werden. 1 Vgl. dazu Tabelle 2 im Anhang, aus der hervorgeht, daß Sachverhalte in den relevanten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die unter den Tatbestand der indirekten Diskriminierung zum Nachteil der Frauen fallen, die größte Fallgruppe stellen. 2 So auch für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, BVerfGE 65, 1-71, (S. 1 Leitsatz Nr. 2, S. 4) — Volkszählungsurteil —.

Anhang Tabelle 1 Bezieht sich das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen ausschließlich auf Art. 3 Abs. 2 GG oder auf Art. 3 Abs. 3 GG oder werden beide Absätze gemeinsam genannt? Entscheidung

3,225 4,110 5,9 6,55 6,389 10,59 10,129 11,50 11,277 12,45 13,290 13,318 15,337 17,1 17,38 17,86 17,99 17,168 18,18 18,97 19,76 19,177 19,268 21,329 22,93 22,349 25,167 26,44 26,265 31,1 31,58 31,194

Art. 3 Nur Abs. 2

Art. 3 Nur Abs. 3

18









3 —



2 3 9 10











1



3

— —

1 1

Art. 3 — Beide Absätze werden genannt

2 2























3 2 2 1 1 1



4 1 —

— — —

2 1

— —

















4 —

1



1 1 1





2 1

— —

























1 10 7 —











139

Anhang

Entscheidung

32,296 34,48 36,41 36,120 36,237 37,124 37,217 38,137 38,213 39,1 39,169 39,196 43,213 44,211 47,1 48,327 48,346 49,280 52,357 52,369 53,257 55,114 56,363 57,335 57,361 60,68 63,88 63,188 64,180 66,324 68,384 Nicht erwähnt: 24

Art. 3 Nur Abs. 2

2

Art. 3 Nur Abs. 3

Art. 3 — Beide Absätze werden genannt





























11





























4 —

6 4

4 1 2

— —





















2

1 2



1 4 —

6 3





































3 —

1 2 101





















3

59

Anhang

140

Tabelle 2 Einordnung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nach „direkter" und „indirekter" Diskriminierung (w = weiblich, m = männlich) Entscheidung

3,225 4,110 5,9 6,55 ό,389 10,59 10,129 11,50 11,277 12,45 13,290 13,318 15,337 17,1 17,38 17,86 17,99 17,168 18,97

direkt w

direkt m

indirekt m

Sonstige

+ + + -Ι+ + + + + + + + + + +

+ + +

+ +

18,18

18,257 19,76 19,268 21,329 22,93 22,349 25,167 26,44 26,265 31,1 31,58 31,194 32,296 34,48 36,41 36.120 36,237 37.121 37,117 38,187 38,213 39,1

indirekt w

+

+

+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +

Anhang

Entscheidung

direkt w

direkt m

141

indirekt w

indirekt m

Sonstige

+

39,196 43,213 44,211 47,1 48,327 48,346 49,280 52,357 52,369 53,257 55,114 56,363 57,335 57,361 60,68 63,88 63,181 64,180 66,324 68,384

+

Summe 66

14

+ + + + + + + + + + + + + + + + + +

13

16

2

19

Schema zum Auswahlermessen der Arbeitgeber/innen nach verschiedenen Formen gesetzlicher Quoten und nach § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB

Auswahlermessen der Arbeitgeber/innen

Ergebnisquote

Entscheidungsquote

Starre Quote Reservierungsquote

nach Mindestvor- Vorrang der aussetzungen Frauen bei gleicher Qualifikation

Geschlecht als mögliches Auswahlkriterium wird — bezogen auf die Gesamtzahl der bestehenden Arbeitsplätze — der Disposition der Arbeitgeber/innen entzogen.

Weibliches Geschlecht hat Auswahlkriterium zu sein. Qualifikation als Auswahlkriterium wird eingeschränkt.

Weibliches Geschlecht hat Auswahlkriterium zu sein.

§ 61îa I Satz 1 BGB

Geschlecht darf kein Auswahlkriterium sein.

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