Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht [1 ed.] 9783428499953, 9783428099955

Die Aufgabe des IPR besteht darin, das für Sachverhalte mit Auslandsberührung maßgebliche Recht zu bestimmen. Der deutsc

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Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht [1 ed.]
 9783428499953, 9783428099955

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STEPHAN GEISLER

Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht

Schriften zum Internationalen Recht Band 122

Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht

Von Stephan Geisler

Duncker & Humblot · Berlin

Gefördert mit Hilfe von Forschungsmitteln des Landes Niedersachsen

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Geisler, Stephan:

Die engste Verbindung im internationalen Privatrecht / Stephan Geisler. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum Internationalen Recht ; Bd. 122) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-09995-8

Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddateniibeniahrne und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3 428 09995 8 Gedruckt auf aJterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9 706 θ

Für Heidrun

Vorwort Diese Arbeit lag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen im Wintersemester 1998/1999 als Dissertation vor und wurde im Sommersemester 1999 angenommen. Das Manuskript war im wesentlichen im September 1998 fertiggestellt. Für die Druckfassung wurden Rechtsprechung und Literatur bis Anfang 2000 berücksichtigt. Dabei habe ich in Grundzügen auch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21. 05. 1999 eingearbeitet. Eine vollständige Untersuchung der von der Neuregelung betroffenen Rechtsgebiete war indes nicht mehr möglich. Mein Dank gilt an dieser Stelle zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Erwin Deutsch M.C.L., für die Aufnahme in den Kreis seiner Mitarbeiter und die damit verbundene Möglichkeit, Einblicke in die Anwendung des Internationalen Privatrechts in der Praxis zu gewinnen. Diese Beschäftigung mit der Rechtsanwendungspraxis hat auch die vorliegende Arbeit in vielfältiger Weise beeinflußt. Bedanken möchte ich mich weiter bei Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler für die Übernahme des Koreferats. Besonderen Dank schulde ich daneben aber auch Herrn Prof. Dr. Andreas Spickhoff sowie Herrn Prof. Dr. Gerfried Fischer, die durch ihre Anregungen und ihre stets vorhandene Diskussionsbereitschaft in erheblichem Maße zur Entstehung der Arbeit beigetragen haben. Schließlich danke ich dem Land Niedersachsen für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Göttingen, im Frühjahr 2000

Stephan Geisler

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

27

Erster Teil Geschichtliche Entwicklung

28

§ 1 Statutentheorie

28

I. Vorläufer

28

II. Entwicklung und Methode

29

§ 2 Überwindung der Statutentheorie

32

I. Wilhelm Schaeffner

33

II. Carl Georg v. Wächter

§ 3 Begründer des modernen Kollisionsrechts I. Friedrich Carl v. Savigny

36

41 41

1. Allgemeine Rechtslehre

41

2. Kollisionsrecht

45

3. Bewertung

49

II. Carl Ludwig v. Bar

52

III. Otto v. Gierke

§4 EGBGBv. 18.8. 1896

55

56

nsverzeichnis

Zweiter Teil Funktionen der engsten Verbindung

§ 5 Anknüpfungsprinzip

59

59

I. Abgrenzung zwischen Rechtsnorm und Rechtsprinzip

59

II. Der Gedanke der engsten Verbindung als Rechtsprinzip

61

III. Eignung als übergeordnetes Anknüpfungsprinzip

62

IV. Maßgeblichkeit des Prinzips

64

1. Internationales Schuldvertragsrecht

64

2. Personalstatut

66

3. Familien- und Erbstatut

69

V. Überlagerung des Prinzips 1. Materiellrechtliche Wertungen

71 71

a) Alternative Anknüpfung

72

b) Subsidiäre Anknüpfung

74

c) Kumulative Anknüpfung

76

d) Schutz der schwächeren Vertragspartei

77

2. Zulassung der Parteiautonomie

78

a) Internationales Schuldvertragsrecht

78

b) Internationales Namens-, Familien- und Erbrecht

80

3. Zusammenfassung

§ 6 Anknüpfungsnorm I. Hauptanknüpfung

81

81 82

1. Art. 2811 EGBGB

82

2. Art. 71 Trust-Übereinkommen

82

II. Hilfsanknüpfung

83

1. Art. 4 III 2 EGBGB

83

2. Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB

85

3. Art. 141 Nr. 3 EGBGB

86

nsverzeichnis § 7 Ausweichklausel

11 86

I. Begriffsbestimmung

86

II. Anwendungsfälle

88

1. Art. 28 V EGBGB

88

2. Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB

89

3. Art. 41 EGBGB

90

4. Art. 46 EGBGB

92

III. Methodologische Einordnung der Ausweichklausel

92

1. Kollisionsrechtliche Beweislastnormen

93

2. Gesetzgewordene teleologische Reduktion

95

a) Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion

96

b) Konsequenzen für das Kollisionsrecht

96

c) Vergleich mit der Rechtslage in der Schweiz

98

d) Vergleich mit der Rechtslage in Österreich

101

e) Ergebnis

103

3. Gesetzliche Konkretisierung als Regelbeispiel der engsten Verbindung . 104

Dritter Teil Konkretisierung der engsten Verbindung

107

Erstes Kapitel Personalstatut § 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 I 1 EGBGB I. Gewöhnlicher Aufenthalt als engste Verbindung II. Problemfälle

107 108 108 111

1. Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Drittstaat

111

2. Fehlender oder mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt

111

3. Geplante Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts

114

4. Besonderheiten bei minderjährigen Mehrstaatern

116

nsverzeichnis III. Lösungsmöglichkeiten

117

1. Feste subsidiäre Anknüpfungsstufen

118

2. Gesamtabwägung der Lebensumstände

119

a) Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Heimatstaat

120

b) Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Drittstaat

121

3. Ergebnis

122

IV. Ersatzanknüpfungen bei Versagen der objektiven Effektivitätsprüfung

124

1. Kumulation der Heimatrechte

124

2. Das dem deutschen Recht näher stehende Heimatrecht

125

3. Das dem Aufenthaltsrecht näher stehende Heimatrecht

126

4. Übergang zum Aufenthaltsrecht

127

5. Eigener Lösungsvorschlag

129

a) Präferenz des Mehrstaaters

129

b) Letzter gewöhnlicher Aufenthalt in einem Heimatstaat

132

c) Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips

133

d) Ergebnis

134

§ 9 Inländische Mehrstaater, Art. 5 1 2 EGBGB I. Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit II. Durchbrechung des Art. 5 I 2 EGBGB? III. Ergebnis

135 135 136 138

Zweites Kapitel Familienstatut § 10 Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB I. Anwendungsbereich des Art. 141 Nr. 3 EGBGB II. Methode der Konkretisierung

138 139 139 140

nsverzeichnis III. Abwägungskriterien 1. In Art. 141 Nrn. 1 und 2 EGBGB genannte Anknüpfungspunkte

13 141 141

a) Berücksichtigung einer nach Art. 5 I EGBGB unbeachtlichen Staatsangehörigkeit 141 b) Gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten im Heimatstaat des anderen 142 c) Früher gemeinsame Staatsangehörigkeit

143

d) Früher gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt

144

e) Vor der Ehe bestehender gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt

146

2. Gemeinsame Zukunftspläne der Ehegatten

146

3. Durch gemeinsame Kinder vermittelte Verbindungen

148

4. Gemeinsame soziale und kulturelle Verbindungen

149

5. Ort der Eheschließung

150

a) Eheschließung erfolgt im Heimatstaat eines Gatten

151

b) Eheschließung erfolgt im Aufenthaltsstaat eines Gatten

152

c) Gemeinsamer schlichter Aufenthalt am Eheschließungsort

152

6. Ergebnis

§11 Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung I. Offenlassen der Rechts wähl

153

154 155

1. Grundsätzliche Zulässigkeit

155

2. Besonderheiten bei Art. 141 Nr. 3 EGBGB

156

II. Übereinstimmende Präferenz der Ehegatten

157

III. Grundsatz des schwächeren Rechts

158

IV. Lex fori als Ersatzrecht

160

V. Das der lex fori näher stehende Heimatrecht VI. Das materiell „bessere" Heimatrecht VII. Eigener Lösungsvorschlag

163 164 166

nsverzeichnis § 12 Exkurs: Charakter der ausgesprochenen Verweisung I. Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB

168 168

II. Art. 141 Nr. 3 EGBGB

169

Drittes Kapitel Interlokale Unteranknüpfung (Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB) § 13 Unteranknüpfung bei mehreren Anknüpfungssubjekten I. Entsprechende Anwendung des Art. 141 EGBGB

170 170 170

1. Gemeinsame Teilstaatsangehörigkeit

170

2. Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in einem Teilstaat

172

3. Sonstige gemeinsame engste Verbindung

173

a) Gewöhnlicher Aufenthalt einer Anknüpfungsperson im Teilstaat der anderen 173 b) Zukunftspläne der Anknüpfungspersonen

173

c) Gemeinsame soziale Verbindungen

174

d) Ort der Eheschließung

174

II. Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung

175

1. Offenlassen der Rechtswahl

175

2. Günstigeres oder schwächeres Recht

176

3. Wahrscheinlicheres Recht

176

4. Das der lex fori näher stehende Teilrecht

177

5. Recht der Landeshauptstadt

178

6. Übergang zum Aufenthaltsrecht

179

7. Stellungnahme und Ergebnis

180

§ 14 Unteranknüpfung bei einem Anknüpfungssubjekt

181

I. Teilstaatsangehörigkeit als engste Verbindung

181

II. Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Einzelstaat

181

nsverzeichnis III. Nichtfeststellbarkeit einer engsten Verbindung

15 182

1. Offenlassen der Rechtswahl

183

2. Präferenz der Anknüpfungsperson

183

3. Letzter gewöhnlicher Aufenthalt in einem Einzelstaat

184

4. Keine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips

184

5. Recht der Landeshauptstadt

185

Viertes Kapitel Schuldvertragsstatut § 15 Art. 281 EGBGB I. Unanwendbarkeit des Art. 28 I I EGBGB

186 186 186

1. Tausch

187

2. Kompensationsgeschäfte

189

3. Vereinbarung gegenseitiger Vertriebspflichten

191

4. Lizenztausch

192

5. Swap-Geschäfte

193

6. Kooperationsverträge (joint ventures)

195

7. Vergleich

197

8. Spiel und Wette

198

9. Ausgleichspflicht unter Gesamtgläubigern

199

10. Mehrere Schuldner der charakteristischen Leistung

200

II. Unanwendbarkeit des Art. 28 III EGBGB

201

III. Unanwendbarkeit des Art. 28 IV EGBGB

202

1. Lufttransport

203

2. Seetransport

204

3. Straßen- und Eisenbahntransport

206

IV. Zusammenfassung

207

nsverzeichnis

16 § 16 Art. 28 II, V EGBGB I. Fahrniskauf 1. Regelanknüpfung

208 208 210

a) Isoliertheit des Käuferrechts

210

b) Einfluß von Vertragssprache und -Währung

210

c) Verkaufsveranstaltungen am ausländischen Urlaubsort

211

2. Eingreifen der Ausweichklausel

213

a) Verkaufsveranstaltungen am ausländischen Urlaubsort

213

b) Gesteigerte Bedeutung des Abschlußortes

215

aa) Börsenkäufe

215

bb) Öffentliche Versteigerungen

216

cc) Käufe auf Messen und Märkten

217

c) Auftreten des Verkäufers im Käuferstaat

218

d) Vertragsabschlüsse im Internet

220

e) Vertragsgegenstand weist eindeutig auf das Käuferrecht

221

II. Dienst- und Geschäftsbesorgungsverträge

223

1. Regelanknüpfung

223

2. Eingreifen der Ausweichklausel

224

a) Arzt- und Anwaltsvertrag

224

b) Management- und Consultingvertrag

225

III. Werkverträge

227

1. Regelanknüpfung

227

2. Eingreifen der Ausweichklausel

227

a) Bauvertrag

227

b) Industrieanlagenvertrag

229

c) Architektenvertrag

229

d) Subunternehmervertrag

230

IV. Darlehen

231

1. Regelanknüpfung

231

2. Eingreifen der Ausweichklausel

232

a) Gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien

232

b) (Rück-)Abwicklung im Staat des Darlehensnehmers

233

nsverzeichnis

17

c) Feriendarlehen

234

d) Realkredit

234

V. Bürgschaft und Garantie

235

1. Regelanknüpfung

235

2. Eingreifen der Ausweichklausel

236

a) Enger Zusammenhang mit einem anderen Vertrag

236

b) Bestätigte Garantie und Rückgarantie

238

c) Besonderes Interesse des Begünstigten an einem bestimmten Statut . 239 VI. Handelsvertreter- und Vertragshändlervertrag 1. Regelanknüpfung

241

2. Eingreifen der Ausweichklausel

242

a) Auseinanderfallen von Niederlassung und Tätigkeitsort

242

b) Verlegung der Niederlassung

244

c) Sonstige Verbindungen zum Recht des Unternehmers

248

VII. Lizenz- und Urheberrechts Verträge 1. Regelanknüpfung

250 250

a) Einfache Lizenz- und Urheberrechtsverträge

251

b) Ausübungs-oder Verwertungspflicht des Rechtsnehmers

252

c) Ausschließliche Lizenzvergabe

254

2. Eingreifen der Ausweichklausel

254

a) Recht des Schutzlandes

254

b) Ausschließliche Lizenzvergabe

256

VIII. Fälle gemeinschaftlicher Schulderfüllung

257

1. Regelanknüpfung

257

2. Eingreifen der Ausweichklausel

258

IX. Angelehnte Verträge und akzessorische Anknüpfung

2 Geisler

241

260

1. Regelanknüpfung

260

2. Eingreifen der Ausweichklausel

261

nsverzeichnis § 17 Art. 28 ΠΙ, V EGBGB I. Grundstückskaufvertrag

264 264

1. Regelanknüpfung

264

2. Eingreifen der Ausweichklausel

265

a) Isoliertheit des Anknüpfungspunktes

265

b) Vorrang des gemeinsamen Heimat- oder Aufenthaltsrechts?

265

c) Gleichzeitig geschuldete Bebauung des Grundstücks

267

II. Grundstücksmiete und -pacht

267

1. Regelanknüpfung

267

2. Eingreifen der Ausweichklausel

268

a) Verträge mit gewerblichen Ferienhausanbietern

268

b) Kurzfristige Mietverträge

272

III. Timesharingverträge

273

1. Regelanknüpfung

273

2. Eingreifen der Ausweichklausel

276

§ 18 Art. 28 IV, V EGBGB I. Regelanknüpfung II. Eingreifen der Ausweichklausel

276 276 277

1. Entladeort als zusätzliches Anknüpfungsmoment

277

2. Verladeort als zusätzliches Anknüpfungsmoment

277

3. Hauptniederlassung des Absenders als zusätzliches Anknüpfungsmoment 278

§ 19 Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel

279

I. Anwendungsfälle des Art. 28 V EGBGB

279

1. Isoliertheit der Regelanknüpfung

279

2. Vertragsabwicklung erfolgt ganz überwiegend in einem anderen Staat .. 280 3. Schützenswertes Interesse einer Partei an einem bestimmten Statut

282

Inhaltsverzeichnis

19

II. Bedeutung einzelner Anknüpfungsmomente

283

1. Niederlassung bzw. gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien

283

2. Staatsangehörigkeit der Parteien

283

3. Abschlußort des Vertrages

284

4. Vertragssprache und -Währung

284

5. Mitwirkung staatlicher Stellen

285

6. Zusammenhang mit einem anderen Vertrag

285

7. Nach Vertragsschluß eintretende Umstände

285

III. Zusammenfassung

286

Fünftes Kapitel Arbeitsvertragsstatut § 20 Art. 30 EGBGB I. Regelanknüpfungen des Art. 30 II EGBGB

288 288

1. Gewöhnlicher Arbeitsort (Art. 30 II Nr. 1 EGBGB)

290

2. Einstellende Niederlassung (Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB)

292

3. Streitfälle

295

a) Flugpersonal

295

b) Schiffsbesatzungen

296

II. Eingreifen der Ausweichklausel

2*

288

302

1. Primäre und sekundäre Abwägungskriterien

302

2. Gewichtung in Einzelfällen

304

a) Flugpersonal

304

b) Schiffsbesatzungen

306

c) Ortskräfte

308

d) Entsandte Mitarbeiter

311

aa) Arbeitnehmer ohne doppeltes Arbeitsverhältnis

312

bb) Arbeitnehmer mit doppeltem Arbeitsverhältnis

314

nsverzeichnis § 21 Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel I. Anwendungsfälle des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB

317 317

1. Isoliertheit der Regelanknüpfung

317

2. Staatsangehörigkeit als Einstellungsvoraussetzung

318

3. Anwerbung im Heimatstaat des Arbeitnehmers

318

4. Schützenswertes Interesse an der kollisionsrechtlichen Selbständigkeit einer Zusatzvereinbarung 319 II. Bedeutung einzelner Anknüpfungsmomente

319

1. Niederlassung bzw. gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien

319

2. Staatsangehörigkeit der Parteien

319

3. Abschlußort des Vertrages

320

4. Vertragssprache und -Währung

320

5. Sonstige sekundäre Abwägungskriterien

320

III. Zusammenfassung

321

IV. Vergleich mit der Handhabung des Art. 28 V EGBGB

321

Sechstes Kapitel Außervertragliches Schuld- und Sachenrecht § 22 Internationales Bereicherungsrecht I. Regelanknüpfungen, Art. 38 EGBGB II. Eingreifen der Ausweichklausel

§ 23 Geschäftsführung ohne Auftrag im IPR I. Regelanknüpfungen, Art. 39 EGBGB II. Eingreifen der Ausweichklausel

323 323 323 324

326 326 326

nsverzeichnis § 24 Internationales Deliktsrecht

21 328

I. Regelanknüpfungen, Art. 40 EGBGB II. Eingreifen der Ausweichklausel

§ 25 Internationales Sachenrecht

328 329

332

I. Regelanknüpfungen, Artt. 43-45 EGBGB II. Eingreifen der Ausweichklausel

§ 26 Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklauseln

332 333

335

Vierter Teil Zusammenfassung

337

Literaturverzeichnis

341

Sachwortverzeichnis

362

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

a. a. 0 .

am angegebenen Ort

abl.

ablehnend

Abs.

Absatz

A.C.

Law Reports, Appeal Cases

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

a.E.

am Ende

a.F.

alte Fassung

AG

Amtsgericht

AiB

Arbeitsrecht im Betrieb

Anh.

Anhang

Alt.

Alternative

Am. J. Comp. L.

American Journal of Comparative Law

Am. J. Leg. Hist.

The American Journal of Legal History

Anm.

Anmerkung

Anw.Bl.

Anwaltsblatt

AP

Arbeitsrechtliche Praxis

ArbG

Arbeitsgericht

ArbR

Arbeitsrecht

ArbR-Blattei

Arbeitsrecht-Blattei

ArbuR

Arbeit und Recht

Art.

Artikel

AWD

Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BauR

Baurecht

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayObLGZ

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen

BB

Betriebsberater

Bd. BerDGesVR

Band

Bespr.

Besprechung

Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGE

Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts

Abkürzungsverzeichnis

BGer

23

Schweizerisches Bundesgericht

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksachen

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

Β VerfGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

CR

Computer und Recht

DB

Der Betrieb

ders.

derselbe

dies.

dieselbe(n)

DNotZ

Deutsche Notarzeitschrift

dt.

deutsch

DtZ

Deutsch-deutsche Rechtszeitschrift

ebda

ebenda

EGBGB

Einführungsgesetz zum BGB

Einf.

Einführung

Einl.

Einleitung

ErbR

Erbrecht

ES

Entscheidungssammlung

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGVÜ

Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen

EuR

Europarecht

EVÜ

Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

EzA

Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

f.

folgende

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

ff.

fortfolgende

finn.

finnisch

Fn.

Fußnote

FSchr.

Festschrift

GBO

Grundbuchordnung

Gedächtnisschr.

Gedächtnisschrift

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

grds.

grundsätzlich

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

24 GRUR Int.

Abkürzungsverzeichnis Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil

Halbs.

Halbsatz

HandelsGer

Handelsgericht (schw.)

Harv. L. Rev.

Harvard Law Review

Hrsg.

Herausgeber

i.d.F.

in der Fassung

i.d.R.

in der Regel

int.

international

IntGesR

Internationales Gesellschaftsrecht

IPG

Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht

IPR

Internationales Privatrecht

IPRax

Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts

IPRG

Gesetz zum Internationalen Privatrecht

IPRspr.

Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts

i. S. d.

im Sinne der/des

i.S.v.

im Sinne von

i.V.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JB1

Juristische Blätter (öst.)

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

Jur. Diss.

juristische Dissertation

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

K.B.

Law Reports, King's Bench Division

KG

Kammergericht

LAG

Landesarbeitsgericht

lat.

lateinisch

LG

Landgericht

m.

mit

m.a.W.

mit anderen Worten

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MünchArbR

Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht

MünchKomm

Münchener Kommentar

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n.F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungsreport

Nr.

Nummer

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht

Abkürzungsverzeichnis obj.

objektiv

ÖJZ

Österreichische Juristenzeitung

öst.

österreichisch

OGH

(öst.) Oberster Gerichtshof

OLG

Oberlandesgericht

25

poln.

polnisch

RabelsZ

Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

RdA

Recht der Arbeit

Rdnr

Randnummer

Ree. des Cours

Recueil des Cours de l'Académie de Droit International

Rev. crit. dr. i. pr.

Revue critique de droit international privé

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGRK

Reichsgerichtsrätekommentar

RGZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft

s.

siehe

S.

Seite

s.a.

siehe auch

SAE

Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen

schw.

schweizerisch

SchweizAG

Schweizerische Aktiengesellschaft

SJZ

Schweizerische Juristen-Zeitung

s.o.

siehe oben

sog.

sogenannt

span.

spanisch

StAZ

Das Standesamt, Zeitschrift für Standesamtswesen

StGB

Strafgesetzbuch

st.Rspr.

ständige Rechtsprechung

s.u.

siehe unten

tschech.

tschechisch

TranspR

Transportrecht

türk.

türkisch

TzWiG

Teilzeit-Wohnrechtegesetz

u.

und

u. a.

unter anderem

Ufita

Archiv für Urheber-, Film- und Theaterrecht

ungar.

ungarisch

UrhG

Urheberrechtsgesetz

u.U.

unter Umständen

v.

von/vom

Abkürzungsverzeichnis

26 VerlG

Gesetz über das Verlagsrecht

VersR

Versicherungsrecht

VertragsR

Vertragsrecht

VerwR

Verwaltungsrecht

vgl. Vorbem.

vergleiche Vorbemerkung

VuR

Verbraucher und Recht

wbl

Wirtschaftsrechtliche Blätter (öst.)

WM

Wertpapier-Mitteilungen

z.B.

zum Beispiel

ZEuP

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht

ZfA

Zeitschrift für Arbeitsrecht

ZfRV

Zeitschrift für Rechtsvergleichung (öst.)

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZIR

Zeitschrift für internationales Recht

ZPO

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Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung Die Aufgabe des Internationalen Privatrechts besteht bekanntlich darin, das für Sachverhalte mit Auslandsberührung maßgebliche Recht zu bestimmen, vgl. Art. 3 I 1 EGBGB. Dabei wird die Rechtsfolge der Kollisionsnorm, nämlich die Anwendung eines bestimmten materiellen Rechts, häufig durch konkrete Anknüpfungsmomente bezeichnet, etwa die Staatsangehörigkeit oder den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person. Der deutsche Reformgesetzgeber hat indes in nicht wenigen Fällen eine andere Regelungstechnik gewählt und den Rechtsanwender selbst zur Konkretisierung des Verweisungsbefehls ermächtigt. Dies geschieht immer dann, wenn das Gesetz diejenige Rechtsordnung für anwendbar erklärt, mit welcher der Sachverhalt am engsten verbunden ist. Ähnlich stellt sich die Situation dar, falls die Kollisionsnorm zwar konkrete Anknüpfungsmomente enthält, die dadurch ausgesprochene Verweisung aber für den Fall nicht gelten soll, daß engere Verbindungen zu einem anderen Staat bestehen. Die vorliegende Arbeit hat es sich vor allem zur Aufgabe gemacht, die Anknüpfungskriterien herauszuarbeiten, mittels derer die Praxis die engste bzw. engere Verbindung konkretisiert. In diesem Zusammenhang wird auch darauf eingegangen, in welchem Umfang subjektive Momente zur Ermittlung der engsten Verbindung herangezogen werden können. Zudem sollen die Fälle rechtsmethodisch erfaßt werden, in denen es wegen des Bestehens einer engeren Verbindung mit einem anderen Staat zu einer Durchbrechung des ordentlichen Verweisungsbefehls kommt. Einen weiteren Schwerpunkt bildet schließlich die Frage, wie bei der Anknüpfung zu verfahren ist, wenn sich eine engste Verbindung im Einzelfall nicht feststellen läßt. Anhand der dabei jeweils gewonnenen Ergebnisse kann dann auch entschieden werden, in welchen Bereichen des geltenden Kollisionsrechts sich die Wahl eines derart unbestimmten Anknüpfungspunktes tatsächlich als sinnvoll erweist. Ebenso gilt es umgekehrt die Konstellationen aufzuzeigen, in denen der Gesetzgeber besser selbst eine ausdrückliche Regelung getroffen hätte, weil dem Rechtsanwender eine vorhersehbare Konkretisierung der engsten Verbindung nur schwer möglich ist.

Erster Teil

Geschichtliche Entwicklung Der Gedanke der engsten Verbindung hat für das moderne Internationale Privatrecht große Bedeutung erlangt. Um das hinter diesem Grundgedanken stehende, allgemeine Prinzip des Kollisionsrechts vollständig erfassen zu können, bietet sich ein Blick auf dessen historischen Ursprung an. Den Ausgangspunkt der Untersuchung soll dabei die Statutentheorie bilden, welche Ende des 12. Jahrhunderts in den oberitalienischen Städten entwickelt wurde und später das gesamte mittelalterliche Rechtsanwendungsrecht in Kontinentaleuropa beherrschte1.

§ 1 Statutentheorie I. Vorläufer Im frühen Mittelalter galt überwiegend das sog. System der persönlichen Rechte, wonach für jede Person das Recht des Volkes, dem sie angehörte bzw. ihr angeborenes Stammesrecht (lex originis) maßgeblich war2. Infolge der Konsolidierung Europas und der fortschreitenden Vermischung der Bevölkerung wurde der Gedanke der Personalität des Rechts im 12. Jahrhundert jedoch durch den der Territorialität verdrängt. Das anwendbare Recht folgte jetzt nicht länger der Stammeszugehörigkeit, sondern vielmehr dem Gebiet, dessen Obrigkeit der einzelne unterworfen war 3. Der Begriff der Territorialität des Rechts besagte nun aber noch nichts darüber, welches Gebietsrecht im Falle eines grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs zwischen Menschen aus verschiedenen Territorien zur Anwendung kommen sollte. Das Prinzip der Territorialität wurde sogar weitgehend zur Exklusivität gesteigert, so daß ein fremdes Recht grundsätzlich nicht anzuerkennen war4. Genau wie zu Zeiten des Personalitätsprinzips konnte deshalb von einem Internationalen Privatrecht im eigentlichen Sinne noch keine Rede sein, da ein solches stets die Existenz 1

Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 9; Niemeyer, Vorgeschichte, S. 26; Kegel/Schurig, IPR, § 3 III, S. 149; Melchior, Grundlagen, § 2, S. 2. 2 Gierke, Deutsches PrivatR I, § 25, S. 211; L. v. Bar, Theorie und Praxis I, § 14, S. 27. 3 Niemeyer, Vorgeschichte, S. 25; Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 8; Kropholler, § 212, S. 11. 4 v. Bar, IPR I, Rdnr 421; Schwind, IPR, Rdnr 6.

IPR,

§

Statutentheorie

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und wechselseitige Anerkennung verschiedener Rechtsordnungen zur Voraussetzung hat. II. Entwicklung und Methode

Der Grundstein für ein internationales oder besser zwischenstädtisches Privatrecht wurde deshalb in Oberitalien gelegt, wo sich seit Mitte des 11. Jahrhunderts aus dem örtlichen Gewohnheitsrecht kodifizierte Stadtrechte entwickelt hatten5. Die enge wirtschaftliche Verflechtung dieser Stadtstaaten zwang die Praxis nun sehr bald, über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht nachzudenken, wenn Angehörige verschiedener Rechtsgebiete vor demselben Richter einen Rechtsstreit führten. Wie sich aus der im Jahre 1228 veröffentlichten „Glossa Ordinaria" des Accursius ergibt, ging man dabei zunächst überwiegend von der Geltung der lex fori aus: „ iura et statuta illius loci, ubi agitur iudicium, sunt conservanda " 6 . Auc Azo hat zu Beginn des 13. Jahrhunderts in einer Glosse zum Ausdruck gebracht, daß im Konfliktfall das Recht am Ort des Richters zu befolgen sei7.

Allerdings hatte sich früher schon ein Vertreter der Rechtswissenschaft ausdrücklich gegen die strikte Geltung der lex fori und für die Anwendung fremden Rechts ausgesprochen. Es war dies Magister AIdricus (erwähnt für die Jahre 1154 und 1169), demzufolge der Richter die consuetudo anzuwenden habe, „quae potior et utilior videtur; debet enim iudicare secundum quod melius ei visum fuerit " 8 . von Aldricus gewählten Formulierungen müssen indes im Sinne ihres Jahrhunderts verstanden werden und sind deshalb nicht ohne weiteres in die moderne Dogmatik des IPR zu übertragen. Oftmals findet sich eine Interpretation, wonach der Richter laut Aldricus diejenige Gewohnheit anzuwenden habe, „die stärker und nützlicher erscheint"9. Der Richter müsse folglich nach dem Recht urteilen, welches er als besser bzw. als zweckmäßiger erkannt habe10, weshalb insoweit von manchen eine Parallele zu den neueren funktionalen Theorien des IPR (better-law-approach) gezogen wird 11 . Andererseits finden sich in der Literatur aber auch Stimmen, die ausdrücklich darauf hinweisen, daß Aldricus bei der Ermittlung des besseren Rechts gerade nicht zwischen Inhalt und Nähe zum Sachverhalt unterschieden habe12. Wäre letztere Ansicht zutreffend, so hätte sich bereits Aldricus - zumindest auch 5 Kegel/Schurig, IPR, § 3 III, S. 149; von Hoffmann, IPR, § 2, Rdnr 9. 6 Zitiert nach: v. Bar, IPR I, Rdnr 423. 7 Neumeyer, Gemeinrechtliche Entwicklung II, S. 59; Kegel/Schurig, IPR, § 3 III, S. 149. 8

Zitiert nach: Neumeyer, Gemeinrechtliche Entwicklung II, S. 67. 9 Kegel/Schurig, IPR, § 3 III, S. 149; v. Bar, IPR I, Rdnr 423. 10 Yntema, Fschr. Rabel I, S. 513, 519; Schurig, Kollisionsnorm, S. 111; Gutzwiller, schichte des IPR, S. 14; Neumeyer, Gemeinrechtliche Entwicklung II, S. 68. » Schwind, IPR, Rdnr 9; von Hoffmann, IPR, § 2, Rdnr 10. 12 Kropholler, IPR, § 2 II 1, S. 12; Schwander, IPR, Rdnr 730; vgl. auch Gutzwiller, schichte des IPR, S. 14, der darauf hinweist, daß neben der Tauglichkeit auch das Schwergewicht des anzuwendenden Rechts beachtet werden müsse.

Ge-

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

darüber Gedanken gemacht, welchem der beteiligten (Gewohnheits-)Rechte der Sachverhalt schwerpunktmäßig zuzuordnen ist. Der Gedanke der engsten Verbindung ließe sich dann bereits bis ins 12. Jahrhundert hinein zurückverfolgen. Für ein Abstellen auf den Inhalt des Rechts spricht jedoch, daß die Schlußworte des Aldricus, die er als Begründung für seine Theorie anführt, dem Richtereid der Novelle 8 des Corpus iuris civilis entstammen, wonach der Richter so zu entscheiden hat, wie es ihm als das Gerechte erscheinen wird 13 .

Die Lehre des Aldricus kehrt wieder bei Hugolinus 14, aber die lex-fori-Epoche war erst dann endgültig überwunden, als Accursius seiner „Glossa Ordinaria" einen Zusatz anfügte, in dem es hieß: „argumentum quod si Bononiensis conveniatur Mutinae, non debet iudicari secundum statuta Mutinae, quibus non subest" 15 Nunmehr war man also zu der Einsicht gelangt, daß die verschiedenen Stadtrechte nur für die jeweiligen Untertanen verbindlich sein können. Zur Begründung stützten sich sowohl Accursius als auch vor ihm schon Hugolinus 16 auf die erste Bestimmung des Codex Justinians17, aus der hervorgeht, daß (selbst) der Herrschaftsanspruch des römischen Kaisers sich nur auf dessen Untertanen erstreckte18. Mit diesem Umkehrschluß allein war allerdings noch nichts darüber ausgesagt, welches Recht anstelle der lex fori zur Anwendung kommen sollte. Die Aufgabe der Wissenschaft, die sich bisher vor allem mit der Auslegung des Corpus iuris civilis befaßt hatte19, bestand deshalb in der Folgezeit darin, den Geltungsbereich der einzelnen Satzungen (statuta) zu ermitteln. Grundlegend für die kollisionsrechtliche Methode der Statutenlehre ist dabei die Abhandlung von Bartolus de Saxoferrato (1314-1357) zum Internationalen Privatrecht geworden, die dieser gleichfalls als Erläuterung zur lex cunctos populos20 verfaßt hat. Bartolus setzte sich in diesem Zusammenhang mit zwei Problemkreisen auseinander: Einerseits warf er die Frage auf, ob ein Statut auch auf Fremde anzuwenden ist, und andererseits untersuchte er, ob ein Statut auch außerhalb des Territoriums des Gesetzgebers Wirkungen entfalten kann21. 13 Kegel/Schurig, IPR, § 3 III, S. 149; Neumeyer, Gemeinrechtliche Entwicklung II, S. 68; Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 15; vgl. auch Deutsch, JZ 1971, S. 732. 14 v. Bar, IPR I, Rdnr 423; Neumeyer, Gemeinrechtliche Entwicklung II, S. 71; Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 15. 15 „Wird ein Bologneser in Modena verklagt, so darf er nicht nach den Statuten von Modena beurteilt werden, denen er nicht unterliegt", zitiert nach: Neumeyer, Gemeinrechtliche Entwicklung II, S. 76; Übersetzung bei Kegel/Schurig, IPR, § 3 III, S. 150. 16 Dazu: Neumeyer, Gemeinrechtliche Entwicklung II, S. 74; Kegel/Schurig, IPR, § 3 III, S. 149. 17 Codex Justiniani 1,1,1: Cunctos populos. is Nussbaum, Deutsches IPR, S. 20; Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 16; v. Bar, IPR I, Rdnr 423. 19 Daher wird auch von der Zeit der Glossatoren gesprochen, vgl. glossa (lat.): Erklärung einer Textstelle. 20 Codex Justiniani 1,1,1.

§

Statutentheorie

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Bei der Beantwortung der ersten Frage erörterte Bartolus im Anschluß an die

Glosse des Accursius eingehend, wessen Recht das Gericht auf einen Fremden anzuwenden hätte, wenn dieser der lex fori nicht unterfiele. Ausgangspunkt für Bartolus war also insoweit nicht etwa ein Statut, sondern vielmehr ein bestimmtes Rechtsverhältnis, für welches das anzuwendende Recht ermittelt werden sollte22. Da es sich hierbei nicht nur um die Abgrenzung des Geltungsbereichs des eigenen Rechts (Statuts) handelte, hat Bartolus also im ersten Teil seines Werkes versucht, ein System allseitiger Kollisionsnormen zu entwickeln23. Angesichts der Tatsache, daß Bartolus von einer universalen Geltung des Kollisionsrechts ausging24, erscheint es nun aber verwunderlich, warum die zweite Frage überhaupt noch einer Untersuchung zugeführt wurde. Wenn nämlich entschieden worden ist, unter welchen Voraussetzungen der inländische Richter das Heimatrecht des Fremden anzuwenden hat, dann ist damit zugleich die Frage beantwortet, wann das Statut (des Fremden) auch außerhalb des eigenen Territoriums wirken kann. Indes wechselte Bartolus im zweiten Teil seiner Abhandlung die Betrachtungsweise und bemühte sich darum, den Anwendungsbereich der einzelnen Statuten (Sachnormen) zu bestimmen, ohne sich allerdings dazu zu äußern, wie er das auszulegende Statut überhaupt ermittelt hat 25 . Im neueren Schrifttum hat Egon Lorenz den Versuch unternommen, diesen Widerspruch aufzulösen, indem er darauf hinweist, daß der von Bartolus im ersten Teil seines Werkes entwickelte Grundbestand allseitiger Kollisionsnormen jeweils stillschweigend in die Aussagen zum Geltungsbereich eines bestimmten Statuts mit einzubeziehen sei 26 . Dieser Ansicht ist allerdings, wie Gamillscheg überzeugend dargelegt hat 27 , eher mit Skepsis zu begegnen, da sich viele der allseitigen Kollisionsnormen, auf die angeblich Bezug genommen wird, im ersten Teil des Werkes gar nicht finden lassen. Überwiegend wird deshalb davon ausgegangen, daß Bartolus nicht eindeutig zwischen der Fragestellung vom Sachverhalt und der vom Gesetz her unterschieden hat 28 . Letztlich braucht diese Streitfrage aber in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht abschließend entschieden zu 21 Primo , utrum statutum porrigatur extra territorium ad non subditos? Secundo utrum effectus statui porrigatur extra territorium statuentium?, zitiert nach: Me ili, ZIR 4 (1894), S. 258, 262. Das erste „extra territorium" ist dabei ein Versehen und muß deshalb entweder ersatzlos gestrichen (Smith, 14 (1970) AmJ.Leg.Hist., S. 174) oder durch „intra territorium" ersetzt werden (Gamillscheg, Dumoulin, S. 54). 22 Gamillscheg, Dumoulin, S. 73; E. Lorenz, Struktur, S. 27; ν Bar, IPR I, Rdnr 427. 23 E. Lorenz, Struktur, S. 27; Gamillscheg, Fschr. Wieacker, S. 235, 240. 24 Keller/Siehr, IPR, § 5 II, S. 30; Nussbaum, Deutsches IPR, S. 20; Schurig, Kollisionsnorm, S. 111. 25 Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 35; v. Bar, IPR I, Rdnr 429. 26 E. Lorenz, Struktur, S. 29; ders., RabelsZ 45 (1981), S. 806,810.

27 Gamillscheg, Fschr. Wieacker, S. 235, 242; zustimmend Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), S. 4, 8. 28 Schurig, Kollisionsnorm, S. 114; Gamillscheg, Dumoulin, S. 74; v. Bar, IPR I, Rdnr 431.

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

werden, weil die Anhänger der Statutentheorie in der Folgezeit ganz überwiegend damit beschäftigt waren, eine Einteilung der Statuten vorzunehmen29 und deren Geltungsbereich zu ermitteln30. Selbst wenn sie dabei, was Egon Lorenz auch noch an den Arbeiten von Johan Nikolaus Hert (1651 -1710) 3 1 nachzuweisen versucht hat 32 , stillschweigend auf Rechtsverhältnisse bezogene Kollisionsnormen mitgedacht haben sollten, so wurde doch zu deren weiterer Entwicklung nichts Entscheidendes beigetragen. Ein maßgeblich vom Rechtsverhältnis her gestaltetes Kollisionsrecht wäre aber die notwendige Voraussetzung dafür gewesen, den Gedanken der engsten Verbindung auch schon in der Zeit der Statutentheorie zur vollen Entfaltung kommen zu lassen.

§ 2 Überwindung der Statutentheorie Mit der Entwicklung eines vom Rechtsverhältnis ausgehenden Internationalen Privatrechts konnte allerdings solange nicht begonnen werden, wie die Rechtswissenschaft noch den statutentheoretischen Denkstrukturen verhaftet blieb. Zur endgültigen Abkehr von der Statutenlehre haben dabei besonders zwei deutsche Autoren entscheidend beigetragen, deren Arbeiten nahezu zeitgleich erschienen, nämlich Wilhelm Schaeffiier 33 einerseits und Carl Georg v. Wächter 34 andererseits. Obwohl Wächter heutzutage gemeinhin als der große Überwinder der Statutentheorie gilt 35 , darf doch nicht übersehen werden, daß sein Aufsatz in der damaligen Zeit zunächst weniger Aufmerksamkeit fand als die Abhandlung Schaeffners 36.

29 So die schon bei Baldus de Ubaldis (1327-1400) anklingende und von Bertrand d'Argentré (1519-1590) erstmals ausdrücklich durchgeführte Dreiteilung der Statuten in „statuta personalia", „statuta realia" und „statuta mixta" (Kegel/Schurig, IPR, § 3 IV, S. 156; Nussbaum, Deutsches IPR, S. 21; v. Bar, IPR I, Rdnr 439). 30 Zu Charles Dumoulin (1500-1566) finden sich umfassende Hinweise bei Gamillscheg, Dumoulin, S. 17-48. Zu Johan Nikolaus Hert (1651-1710) siehe vor allem Herrmann, Johan Nikolaus Hert, S. 73-81. Auch die drei Hauptvertreter der niederländischen Schule, nämlich Paul Voet (1619-1667), Ulricus Huber (1636-1694) und Johannes Voet (16471714) waren im wesentlichen noch um eine Abgrenzung der Statuten bemüht, siehe dazu Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 136-153 und Horst Müller, Wohlerworbenes Recht, S. 95-101. 31 Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 201 und Gamillscheg, Dumoulin, S. 167 geben als Geburtsjahr 1652 an, wie hier aber Kegel/Schurig, IPR, § 3 VI, S. 158; v. Bar, IPR I, Rdnr 443 und Herrmann, Johan Nikolaus Hert, S. 68 m. w. N. 32

E. Lorenz, Struktur, S. 34-38. Entwicklung des internationalen Privatrechts (1841). 34 Ueber die Collision der Privatrechtsgesetze verschiedener Staaten, in: AcP 24 (1841), S. 230-311, AcP 25 (1842), S. 1 - 6 0 , 161 -200, 361 -419. 35 Nussbaum, Deutsches IPR, S. 24; Gamillscheg, Dumoulin, S. 252; Kegel/Schurig, IPR, § 3 IX, S. 166; v. Bar, IPR I, Rdnr 467. 36 Darauf weist Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 84 hin. 33

§ 2 Überwindung der Statutentheorie

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I. Wilhelm Schaeffner Der Frankfurter Anwalt Wilhelm Schaef/her (geb. 1815)37 durch den der Begriff des „internationalen Privatrechts" in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt wurde 38, hat in seiner Abhandlung alle bis dato vertretenen kollisionsrechtlichen Theorien einer kritischen Würdigung unterzogen. In diesem Zusammenhang bemängelte er vor allem, daß kein Rechtsprinzip je so mißverstanden worden sei wie der Satz: „lex non valet extra territorium. " 3 9 Es gebe nämlich sehr häufig Fallkonstellationen, bei denen sich die Anwendung ausländischen Rechts im Inland schlicht nicht umgehen ließe. Schaeffner lehnte es dabei aber scharf ab, die Anwendbarkeit fremden Rechts lediglich mit politischen Rücksichten bzw. mit dem höflichen Entgegenkommen diesen Rechten gegenüber begründen zu wollen, wie dies die Lehre von der Comitas tue 40 . Dieser auf Paul Voet zurückgehenden41 und von Ulricus Huber weiterentwickelten42 Lehre, die sich ausgiebig mit der Frage nach dem Grund für eine Berücksichtigung ausländischen Rechts beschäftigte und eine entsprechende Rechtspflicht verneinte, kam in der damaligen Zeit nicht zuletzt deshalb große Bedeutung zu, weil sie auch von dem Amerikaner Joseph Story (1779-1845) geteilt wurde 43. In seinem äußerst umfangreichen Werk, welches sich vor allem mit der Sammlung und Auswertung der vorhandenen Rechtsprechung beschäftigte 44, hat Story die Comitas-Doktrin allerdings insoweit verändert, als er den Gedanken der »justice" in sie einfließen ließ 45 , was an seiner grundsätzlich befürwortenden Haltung ihr gegenüber aber nichts zu ändern vermochte46. Schaeffner betonte hingegen, daß die „abenteuerliche Idee von der comitas gentium" nicht in der Lage sei, „den allereinfachsten Fall des internationalen Privat37

In der biographischen Literatur fehlt sein Name, weshalb die genauen Lebensdaten nicht bekannt sind, Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 83, Fn. 1, S. 331, Fn. 1; Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 66. 38 Maridakis, Fschr. Lewald, S. 309, 311; v. Bar, IPRI, Rdnr 15. 39 Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 29, S. 36. 40 Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 30, S. 37. Gutzwiller, Geschichte des IPR, S. 312; Keller/Siehr, IPR, § 8 I, S. 42; v. Bar, IPR I, Rdnr 446. 42 Horst Müller, Wohlerworbenes Recht, S. 116; Wichser, Wohlerworbenes Recht, S. 9; Kegel/Schurig, IPR, § 3 V, S. 157. 43 Story, Commentaries, § 38, S. 42: „It is not the comity of the courts, but the comity of the nation, which is administered, and ascertained in the same way, and guided by the same reasoning, by which all other principles of the municipal law are ascertained and guided." 44 Nadelmann, 5 (1961) Am.J.Leg.Hist., S. 230, 237 hat in der 1. Auflage des Werkes 506 Urteile gezählt, davon 216 aus England, 8 aus Schottland und 282 aus den USA. 45 Story, Commentaries, § 38, S. 42: „The doctrine of Huberus would seem, therefore, to stand upon just principles." ders., Commentaries, § 306, S. 429: „The repose and common interest of all nations, therefore, require each to observe towards all others the principle of reciprocal justice and comity."

« Kegel, RabelsZ 43 (1979), S. 609,626. 3 Geisler

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

rechts ... auch nur annäherungsweiserichtigzu entscheiden"47. Insgesamt verwarf Schaeffner die Comitas-Lehre, weil er sie für zu unbestimmt und zu unjuristisch hielt, um mit ihr verläßliche und vorhersehbare Ergebnisse erzielen zu können. Ähnliche Vorwürfe erhob er auch gegen die Statutentheorie. So seien zwar zahllose Kontroversen über die Subsumtion der Fälle unter die verschiedenen Klassen der Statute entstanden, der Lehre sei es aber nicht gelungen, einheitliche und feststehende Kriterien für die Statuteneinteilung zu entwickeln. Vielmehr habe am Ende doch wieder jeder sagen können: „tel est mon plaisir" 4*. Deshalb wären die Anhänger der Statutentheorie, obwohl sie scheinbar ein gemeinsames Prinzip angewendet hätten, im Einzelfall doch nicht selten zu unterschiedlichen Resultaten gelangt. Die Kritik Schaeffners richtetesich demnach nicht in erster Linie gegen die statutentheoretische Methode als solche49, sondern vielmehr gegen die mit dieser Theorie in der Praxis erzielten Ergebnisse. „Eine Hauptaufgabe für den Theoretiker" bleibe nun aber „immer die, zu untersuchen, in welchen Punkten sich eine feste Praxis gebildet " habe50. Sollte sich eine solche praktische Geltung für bestimmte Rechtsregeln beweisen lassen, sah Schaeffner diese als „positives Recht" an. Dieses nationale positive Recht hatte seiner Auffassung nach in erster Linie über Kollisionsfragen zu entscheiden, und zwar unabhängig davon, ob es „auf einem ausdrücklichen Gesetze, oder auf einer Rechtsgewohnheit" beruhte51. Allerdings war sich auch Schaeffner darüber im klaren, daß Mitte des 19. Jahrhunderts nur vereinzelt (bruchstückhafte) gesetzliche52 oder gewohnheitsrechtliche Kollisionsnormen existierten. Besonders bedeutsam ist deshalb, auf welche Weise Schaeffner das anwendbare Recht bestimmen wollte, wenn auf solche Normen nicht zurückgegriffen werden konnte. Hierzu führt er aus53: „In Ermanglung positiver Gesetze kann nur die Natur der Sache entscheiden. Und dieser entspricht gewiß folgender Grundsatz am meisten: Jedes Rechtsverhältniß ist nach den Gesetzen desjenigen Ortes zu beurtheilen, wo es existent geworden ist. Hierin liegt zugleich die Rücksicht auf diejenigen Gesetze, deren ganzer Inhalt dahin geht, ein Rechtsverhältniß nur dann als solches anzuerkennen, wenn es ihnen gemäß. "

* Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 30, S. 38; den begrenzten Wert als Maßstab für Einzelfallentscheidungen räumt auch Story, Commentaries, § 38, S. 42 ein. «« Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 15, S. 24. 49 Vgl. dazu auch Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 81, der hervorhebt, daß Schaeffner die Statutentheorie zwar abgelehnt aber nicht widerlegt hat. » Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 21, S. 27. Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 31, S. 39. 52 Als Beispiele seien der Abschnitt „Collidierendes Recht oder Gesetz" in Teil 1 Kap. 2 § 17 Satz 2 des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 oder auch Art. 3 des napoleonischen Code Civil von 1804 genannt, vgl. dazu v. Bar, IPR I, Rdnr 457-463; Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 94-95; Niemeyer, Vorgeschichte, S. 43-44 jeweils m. w. N. 53 Schaeffner,

Entwicklung des IPR, § 32, S. 40.

§ 2 Überwindung der Statutentheorie

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Dieser von Schaeffner entwickelte Grundsatz macht nun aber deutlich, daß der Autor die Statutentheorie auch in methodischer Hinsicht überwunden hat. Er fragt nämlich nicht mehr nach dem Geltungsbereich eines bestimmten Gesetzes, sondern geht vom „Rechtsverhältnis" aus54, für welches dann diejenigen Gesetze gesucht werden, die der,»Natur der Sache" am ehesten entsprechen. Es ist häufig kritisiert worden, Schaeffner habe seine Anknüpfungsmaxime lediglich postuliert aber eben gerade nicht bewiesen55. Außerdem sei der von ihm aufgestellte Grundsatz inhaltlich nicht bestimmt genug und damit zur Lösung von Einzelfragen nicht geeignet56. Trotzdem darf aber Schaeffners Bestreben nicht übersehen werden, ein differenziertes System von Kollisionsnormen aufzubauen, welche sich alle auf ein gemeinsames Grundprinzip zurückführen lassen. Dadurch sollte es ermöglicht werden, die für die Beurteilung des konkreten Falls bzw. des in Rede stehenden Rechtsverhältnisses jeweils am geeignetsten erscheinende Rechtsordnung zu ermitteln. Die Tatsache, daß Schaeffner dabei grundsätzlich auf das Recht des Entstehungsortes eines jeden Rechtsverhältnisses zurückgreift, legt die Vermutung nahe, es sei vorwiegend auf geographische Aspekte abgestellt worden. Indes ist in diesem Zusammenhang (auch) der juristische Entstehungsort der Rechtsverhältnisse gemeint57. So äußert sich Schaeffner bezüglich der Rechtsfähigkeit einer Person zur Vornahme einzelner Handlungen wie folgt 58: „Es entscheiden hier vielmehr folgende Momente: Einestheils ist zu berücksichtigen das an dem Orte, wo eine Handlung vorgenommen wird, geltende Recht. Denn diesem muß entsprochen werden, damit eine Handlung, als solche, rechtlich entstehe. "

Auch bei der Frage nach dem auf das Vermögen als Ganzen anzuwendenden Recht wird deutlich, daß es ihm maßgeblich auf die rechtliche Existenz ankommt: „Das Vermögen als Ganzes ist nach den Gesetzen desjenigen Ortes zu beurtheilen, wo der Eigenthümer seinen dauernden Aufenthalt hat. Es wird jedoch hiebei vorausgesetzt, daß einestheils die Gesetze dieses Aufenthalts jene Einheit des Vermögens aussprechen, anderntheils daß diese Einheit, als dieselbe Einheit, in Bezug auf Immobilien von dem Gesetze des Ortes anerkannt steht, wo sie liegen." 59

Nun mag es allerdings im Einzelfall schwierig und vielleicht sogar unmöglich sein, den Ort zu ermitteln, wo das Rechtsverhältnis rechtlich entstanden ist. Auch muß der an Schaeffner geübten Kritik zugegeben werden, daß er tatsächlich an keiner Stelle seines Werkes begründet, warum gerade der von ihm entwickelte Grund54 Sturm, lus Commune VIII, S. 92, 107; Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), S. 4, 23; Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 83. 55 Wächter, AcP 25 (1842), § 18, S. 32-33; Savigny, System VIII, § 361, S. 131; Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 84. 56 L. v. Bar, Theorie und Praxis I, S. 68; Niemeyer, Vorgeschichte, S. 29. 57 Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 89; vgl. auch E. Lorenz, Struktur, S. 42; Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), S. 4, 7. 58 Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 32, S. 40. 59 Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 32, S. 41. 3*

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

satz der „Natur der Sache" entspreche und darum Geltung beanspruchen könne. Nichtsdestotrotz ist Schaeffners Abhandlung aber für den hier zu behandelnden Gedanken der engsten Verbindung aus zweierlei Gründen von nicht unerheblicher Bedeutung. Zum einen klingt nämlich in der Frage nach dem Entstehungsort eines Rechtsverhältnisses schon die Frage an, wohin ein solches eigentlich gehört60. Zum anderen liegt in Schaeffners kollisionsrechtlichem System allen speziellen Kollisionsnonnen im wesentlichen ein einheitliches, allgemeines Anknüpfungsprinzip zugrunde, auch wenn es sich dabei eben noch nicht um den Gedanken der engsten Verbindung handelt. Die Parallelen indes sind bereits unverkennbar.

II. Carl Georg v. Wächter Die Aufsatzreihe Carl Georg v. Wächters (1797-1880) sollte die Kodifikation eines württembergischen BGB vorbereiten 61. Aus diesem Grund ist der Verfasser auch darum bemüht gewesen, das bestehende, nichtkodifizierte gemeinrechtliche IPR umfassend zu analysieren. Den Ausgangspunkt seiner Untersuchung bildete dabei folgende Frage 62: ,,[N]ach welchen Rechtsnormen hat der Richter unseres Staates über ein vor ihn gebrachtes Rechtsverhältniß zu entscheiden, welches entweder im Auslande begründet wurde, oder bei welchem Ausländer betheiligt sind, oder welches sonst mit dem Auslande in einer Beziehung steht."

Wie vor ihm schon Schaeffner hielt er es aber für unmöglich, diese Frage mit Hilfe der Statutentheorie einer adäquaten Beantwortung zuzuführen. Diese Theorie sei zwar in Einzelfällen zufällig zumrichtigenErgebnis gelangt, ihre drei Hauptsätze, nämlich die Einteilung der Statuten in personalia, realia und mixta, seien jedoch „unbestimmt, vieldeutig, unsicher und schwankend" und stünden sich genaugenommen „zum Theil ... geradezu feindlich" entgegen, weshalb sie auch „nur durch eine durchgreifende Willkühr in Vereinigung gebracht werden könnten"63. Die Ablehnung der Statutenlehre wird auch schon daraus ersichtlich, daß Wächter vom Rechtsverhältnis und nicht vom Gesetz her gedacht und argumentiert hat 64 . Seine Kritik richtete sich nun aber nicht ausschließlich gegen die Statutentheorie. Auch die Comitas-Lehre hielt er nur insoweit für richtig,als daß diese den Gesetzgeber verpflichten könne, bei der Normsetzung auf fremde Gesetzgebung 60 Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 84, Fn. 3; Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 89; Sturm, lus Commune VIII, S. 92, 107. Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 179; Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65,79. « Wächter, AcP 24 (1841), § 2, S. 236-237. 63 Wächter, AcP 24 (1841), § 11, S. 286. 64 v. Bar, IPR I, Rdnr 465; Gamillscheg, Dumoulin, S. 252; Niemeyer, Vorgeschichte, S. 29; Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 88.

§ 2 Überwindung der Statutentheorie

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Rücksicht zu nehmen, und zwar insbesondere dann, wenn es um den Abschluß völkerrechtlicher Verträge gehe65. Ein solches „legislatives Princip" dürfe indes nicht zu einem Grundsatz ausgebaut werden, „nach welchem der Richter die Anwendung des fremden Rechts halb zulassen, halb ausschließen könne"66. Der Gedanke der politischen Rücksichtnahme sei nämlich nicht in der Lage zu begründen, in welchem Umfang das geltende Recht eine Berücksichtigung ausländischen Rechts gebiete67. Aus ähnlichen Erwägungen heraus lehnte Wächter auch die aus der ComitasLehre hervorgegangene68 Theorie vom Schutz wohlerworbener Rechte69 ab: Zum einen beruhe es auf einer „petitio principii", wenn man die Frage nach der Anwendbarkeit fremden Rechts danach entscheide, ob ein nach ausländischen Gesetzen erworbenes Recht auch im Inland zu schützen sei. Wer so argumentiere, setze „etwas voraus, was erst zu erweisen wäre, nämlich, daß jenes Rechtsverhältniß nach fremden und nicht nach einheimischen Gesetzen zu beurtheilen sey"70. Zum anderen fürchtete Wächter aber auch einen erheblichen Verlust an staatlicher Souveränität, falls nicht jede Rechtsordnung selbst darüber entschiede, in welchen Fällen sie ein zu schützendes wohlerworbenes Recht anerkenne71. Diese Kritik macht bereits deutlich, welch hohen Stellenwert Wächter den nationalen Gesetzen einräumt. Auch wenn er seine eigene Ansicht „nur sehr schüchtern" mitteilt72, so läßt er doch keinen Zweifel daran, daß die eingangs aufgeworfene Frage nach dem auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis anzuwendenden Recht von dem Richter in erster Linie „aus den in seinem Staate geltenden Gesetzen" zu beantworten sei 73 . Insgesamt hat Wächter drei kollisionsrechtliche Grundsätze aufgestellt, wobei der erste wie folgt lautet: „Es hat somit... bei der Entscheidung unserer Frage der Richter zunächst darauf zu sehen, ob nicht das positive Recht seines Landes eine ausdrückliche Entscheidung der Frage enthalte. Entscheidet dasselbe die Frage: so ist für ihn ein Zweifel gehoben; er hat... somit auf die concreten Fälle die Gesetze, sey es des Auslandes oder des Inlandes, anzuwenden, deren Anwendung sein Landesrecht gebietet."74 « Wächter, AcP 24 (1841), § 2, S. 240. 66 Wächter, AcP 25 (1842), § 16, S. 13, Fn. 192. 67 Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 77. 68 Vgl. zur Geschichte Horst Müller, Wohlerworbenes Recht, S. 298-307; v. Bar, IPR I, Rdnr 144-149. 69 Vgl. zum Inhalt der Theorie Wichser, Wohlerworbenes Recht, S. 88-89 m. w. N. 70 Wächter, AcP 25 (1842), § 14, S. 4/5. 71 Wächter, AcP 25 (1842), § 14, S. 5: „Wohin würde auch jenes Princip des wohlerworbenen Rechts, consequent durchgeführt, am Ende führen! In der That zu Grundsätzen, durch welche Freiheit und Selbstständigkeit der Gesetzgebung des Staates, gegenüber vom Auslande, ganz aufgehoben würde. Unser Staat müßte geradezu zugeben, daß seine Gesetze durch Gesetze des Auslandes gebrochen werden." 72 Wächter, AcP 24 (1841), § 1, S. 235. 73 Wächter, AcP 24 (1841), § 2, S. 237.

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

Als Beispiele solcher landesrechtlicher Regeln führte Wächter die Kollisionsnormen im preußischen ALR, im österreichischen ABGB und im bayerischen Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis an 75 . Allerdings konnte in diesen vereinzelten Kodifikationen noch keine umfassende Regelung der kollisionsrechtlichen Problematik gesehen werden. Deshalb untersuchte Wächter im folgenden, ob die insoweit notwendigerweise auftretenden Lücken mit Hilfe des römischen Rechts, des deutschen Rechts oder eines verfestigten Gewohnheitsrechts geschlossen werden könnten. Im Ergebnis hielt er alle drei Rechtsquellen für ungeeignet, diese Funktion zu erfüllen 76. Folglich mußte er dem ersten Anwendungsgrundsatz noch einen weiteren zur Seite stellen: „Der Richter hat bei jedem einzelnen Gesetze seines Landes, das von dem vor ihn gebrachten Rechtsverhältnisse handelt, zunächst zu untersuchen, ob es dem Sinne des Gesetzes gemäß ist, daß es unbedingt, sollte auch das Verhältniß im Auslande begründet worden, oder ein Ausländer daran betheiligt seyn, angewendet werde oder nicht, und wenn er jenes findet, es unbedingt zur Anwendung zu bringen." 77

Die kollisionsrechtlichen Regelungslücken sollten nach Ansicht Wächters also durch richterliche Interpretation der geltenden nationalen Gesetze geschlossen werden. Das Ziel dieser Auslegung war dabei, den tatsächlich vom Gesetzgeber gewollten Rechtsanwendungsbefehl zu ermitteln78, weshalb der Richter insoweit auch auf die Rechtsanwendung beschränkt blieb und nicht etwa zur Rechtsgestaltung oder -fortbildung legitimiert wurde. Allerdings findet sich keine ausdrückliche Stellungnahme dazu, ob die Normen, welche es auszulegen bzw. analog anzuwenden galt, dem Sach- oder dem Kollisionsrecht zu entnehmen waren. Die von ihm zur Erklärung angeführten Beispiele79 zeigen jedoch, daß Wächter das nationale Sachrecht als Quelle der Kollisionsnormen angesehen hat 80 . In der Folgezeit könnte er diesen Standpunkt aber möglicherweise revidiert haben, weil sein zweiter Grundsatz in einer späteren Abhandlung in anderer Formulierung erscheint: Der Richter müsse beim Fehlen ausdrücklicher Kollisionsnormen die Entscheidung über das anzuwendende Recht „aus dem Geist unseres Rechts und aus seinen allgemeinen Principien und der Natur des Verhältnisses zu finden suchen"81. Während Wächter zunächst ausdrücklich den Sinn und Geist eines jeden Gesetzes bestimmen wollte, stellte er nunmehr bei der Ermittlung des 74 Wächter, AcP 24 (1841), § 2, S. 239-240. 75 Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 89. 76 Wächter, AcP 24 (1841), § 6, S. 251; § 7, S. 252; § 8, S. 261; Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 92. 77 Wächter, AcP 24 (1841), § 9, S. 263. 78 Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 101. 79 Wächter, AcP 24 (1841), § 9, S. 262-263. so v. Bar, IPR I, Rdnr 465; Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 101; Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 79. 8i Wächter, Pandekten I, § 31, S. 147.

§ 2 Überwindung der Statutentheorie

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anwendbaren Rechts die Natur des Rechtsverhältnisses oder anders gesprochen die Natur der Sache in den Vordergrund. Eine inhaltliche Änderung seiner Theorie 82 kann sich daraus aber nur dann ergeben, wenn er die ,»Natur der Sache" nicht mit dem Sinn und Zweck des eigenen Rechts gleichgesetzt hat. Tatsächlich räumte Wächter nun dem Rechtsprinzip der Natur der Sache im Bereich des Kollisionsrechts eine eigenständige Bedeutung ein, erkannte es aber nur als „legislatives Princip" an, dem der Gesetzgeber möglichst folgen sollte83. Für den Richter hingegen könne es nicht verbindlich sein. Dieser habe folglich die Natur der Rechtsverhältnisse nach dem Sinn der lex fori zu beurteilen84, so daß der zweite Anwendungsgrundsatz durch seine Umformulierung sachlich nicht verändert worden ist 85 . Schließlich hat Wächter auch seinen dritten Grundsatz aus der von ihm angenommenen besonderen „Natur (!) des positiven Rechtes" und der bereits oben erwähnten strikten Bindung des Richters an „das vom Staate festgesetzte oder sonst anerkannte Recht" abgeleitet86: „Wenn aber aus Richtung, Sinn und Geist des betreffenden besonderen Gesetzes eine Entscheidung über die Frage nicht mit Bestimmtheit sich entnehmen läßt: so hat der Richter im Zweifel das Recht seines Landes in Anwendung zu bringen."

Dieser Satz ist häufig so interpretiert worden, daß der Richter nach Wächters Auffassung bei allen tatsächlichen oder rechtlichen Zweifeln auf das inländische materielle Recht zurückzugreifen habe87. Das ausländische Recht wäre dann nur zur Anwendung gekommen, wenn das nationale Recht dies ausdrücklich geboten hätte. In der Tat ist die Anwendung fremden Rechts von Wächter selbst als „Ausnahme" bezeichnet worden88. Eine solche einseitig auf die lex fori abstellende Betrachtung könnte nun aber zum Gedanken der engsten Verbindung nichts Entscheidendes beitragen, da die engste Verbindung nur dann Bedeutung erlangen kann, wenn man sich darum bemüht, vom eigenen Sachrecht unabhängige Kriterien für die Zuordnung der einzelnen Rechtsverhältnisse zu entwickeln. Allerdings hat Sandmann in seiner umfassenden Untersuchung nachgewiesen, daß Wächter in der praktischen Ausführung Zweifelsfalle gerade nicht durch die 82 Dafür Neuhaus, Grundbegriffe, § 10 III 3 e, S. 93, Anm. 272; Kropholler, S. 13, Fn. 7.

IPR, § 2 I I 5,

83 Wächter, Pandekten I, § 31, S. 147. 84 Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 121. 85 Vgl. auch Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 79. 86 Wächter, AcP 24 (1841), § 10, S. 265. 87 Sturm, lus Commune VIII, S. 92, 98; Niemeyer, Vorgeschichte, S. 30; Kropholler, IPR, § 2 II 5, S. 13; v. Bar, IPR I, Rdnr 467; Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), S. 4, 23. 88 Wächter, AcP 24 (1841), § 10, S. 267; vgl. auch ders., Pandekten I, § 31, S. 147: „Unser gemeines Recht schreibt nur in wenigen Fällen die Anwendung fremden Rechts ausdrücklich vor... ; auch sind es nur wenige andere Fälle, bei denen es im Sinn und Geist unseres gemeinen Rechts liegt, sie nach fremdem Rechte zu entscheiden."

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

Anwendung des eigenen Sachrechts löste89. Vielmehr beschränkte er seinen dritten Grundsatz im wesentlichen auf einen Teil des inländischen zwingenden Rechts, wobei er zur Begründung auf den ordre public-Charakter der leges cogentes verwies90. Ansonsten löste Wächter etwaige Zweifelsfälle, indem er nach dem „Sitz des Rechtsverhältnisses" suchte und das dort geltende Recht anwandte91: , J)ie genannten Verhältnisse Fremder interessieren ihn nicht und berühren ihn nicht unmittelbar, und es kann ihm nicht leicht einfallen, über solche Verhältnisse Bestimmungen treffen zu wollen, welche gleichsam ihren Sitz und Heerd im fremden Lande haben und sich vom Kreise unsrer Gesetzgebung von selbst ausschließen."92

Auch bei der Erörterung der ehelichen Güterverträge fragte er danach, wo „der Sitz der eigentlichen Wirksamkeit des Vertrages" liege93. Von besonderer Bedeutung ist außerdem, daß Wächter die meisten positiven Gesetzesbestimmungen zur Disposition der Parteien stellte. Fehle es an einer ausdrücklichen Parteivereinbarung, so gelte „im Zweifel" der Grundsatz locus regit actum 94. Wächters kollisionsrechtliche Theorie kann daher nur dann richtig gewürdigt werden, wenn man untersucht, was er mit dem Begriff des „Sitzes" eines Rechtsverhältnisses gemeint hat. Für Wächter war in diesem Zusammenhang nicht ausschlaggebend, „in welchem Lande nach der Natur der Sache der Sitz der Rechtsverhältnisse ist", sondern vielmehr, „wo dieser Sitz nach den Bestimmungen unseres positiven Rechtes liegt"95. Wenn er demnach auch nicht die subsidiäre Allzuständigkeit des eigenen materiellen Rechts vertreten hat, so war Wächter aber andererseits auch nicht bereit, vom nationalen Sachrecht unabhängige Wertungen über die Anwendung des ausländischen Rechts entscheiden zu lassen. Das maßgebliche Abstellen auf den „Sitz des Rechtsverhältnisses" suggeriert zwar eine große inhaltliche Nähe zu dem Gedanken der engsten Verbindung. Die ausschließlich von der lex fori ausgehende Konkretisierung des Begriffes führt indes dazu, daß Wächter zur Entwicklung dieses Gedankens deutlich weniger beigetragen hat als Schaeffners Suche nach dem Entstehungsort eines jeden Rechtsverhältnisses.

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Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 110-113; zustimmend Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 80; Keller/Siehr, IPR, § 9 II, S. 55. 90 Wächter, AcP 24 (1841), § 10, S. 266: „Der Grund ihres Gebots stützt sich hauptsächlich theils auf die vom positiven Rechte anerkannte oder bestimmte Natur gewisser Rechtsverhältnisse, theils auf politische und Staatspolizeiliche, theils auf sittliche und religiöse Beziehungen und Rücksichten." 91 Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. I l l \ Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 80. 9 2 Wächter, AcP 25 (1842), § 23, S. 185. » Wächter, AcP 25 (1842), § 21, S. 47. 94 Wächter, Pandekten I, § 31, S. 148. 95 Wächter, Pandekten I, § 31, S. 147.

§ 3 Begründer des modernen Kollisionsrechts

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§ 3 Begründer des modernen Kollisionsrechts I. Friedrich Carl v. Savigny Das moderne Kollisionsrecht hat seine grundsätzliche Prägung durch Friedrich Carl v. Savigny (1779-1861) erfahren, dessen Werk oftmals als „kopernikanische Wende"96 bezeichnet worden ist. Die Aufgabe des Internationalen Privatrechts hat Savigny dahingehend formuliert, „daß bei jedem Rechtsverhältniß dasjenige Rechtsgebiet aufgesucht werde, welchem dieses Rechtsverhältniß seiner eigenthümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist, (worin dasselbe seinen Sitz hat)." 97

Dies ist seine berühmt gewordene Lehre vom „Sitz der Rechtsverhältnisse". Wie schon die Ausführungen zu Wächters kollisionsrechtlicher Theorie gezeigt haben, wäre es indes verfehlt, hierin ohne weiteres einen Vorläufer des Gedankens der engsten Verbindung zu sehen. Vielmehr muß zunächst untersucht werden, welche Stellung dem Sitz der Rechtsverhältnisse innerhalb des Kollisionssystems Savignys zukommt. Diese Frage wiederum kann nur unter Berücksichtigung der allgemeinen Rechtslehre Savignys beantwortet werden, weil in methodischer Hinsicht ein enger Zusammenhang zwischen dieser Rechtsentstehungstheorie und seiner internationalprivatrechtlichen Lehre besteht98.

1. Allgemeine Rechtslehre Savigny gliederte den allgemeinen Privatrechtsstoff in zwei Bereiche, denen er jeweils eigene Funktionen zuwies, nämlich das „reine Rechtsgebiet" einerseits und das „anomalische Recht" andererseits. Ersteres definierte er als ein Gebiet unabhängiger Herrschaft des individuellen Willens, in welchem die Rechtsregeln keine eigenen materialen, sozial- oder wirtschaftsgestaltenden Ziele verfolgen, sondern sich darauf beschränken, die Freiheitsräume der einzelnen Personen formal abzugrenzen99. Diese Haltung erklärt sich aus der Tatsache, daß es nach Savigny nicht die Aufgabe des Rechts ist, selbst die Gebote der Sittlichkeit zu verwirklichen 100.

96 Der Begriff geht zurück auf Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), S. 364, 366. 97

Savigny, System VIII, § 360, S. 108. Ohne den letzten Zusatz findet sich die Formulierung auch noch in System VIII, § 348, S. 28. 98 Bucher, Grundlagen, S. 9; Maridakis, Fschr. Lewald, S. 309, 315; Coing, Eranion Mandatas III, S. 19, 27; Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 129; Sakurada, Wirkungsbereich und Funktion, S. 127, 131. 99 Savigny, System I, § 52, S. 332: „Die Regel, wodurch jene Gränze und durch sie dieser freye Raum bestimmt wird, ist das Recht." 100 Savigny, System I, § 52, S. 332: „Das Recht dient der Sittlichkeit, aber nicht indem es ihr Gebot vollzieht, sondern indem es die freye Entfaltung ihrer, jedem einzelnen Willen

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

Das Recht soll dem Einzelnen vielmehr lediglich die erforderlichen Freiräume sichern, damit dieser durch den Gebrauch der Freiheit seine sittliche Natur entfalten kann 101 . Auch wenn sich die Bedeutung der Rechtsregeln im Bereich des reinen Rechts somit auf eine formale Ordnungsfunktion reduzierte, bleibt aber trotzdem festzuhalten, daß Savigny die insoweit bestehende Trennung von Recht und Sittlichkeit ethisch begründet hat, da seine sehr konstruktive und systematische Rechtslehre ihre philosophische Grundlage in außerrechtlichen sittlichen Überzeugungen fand 102 . Das Zusammenspiel von positivem Recht und überpositiven Erwägungen spiegelt sich auch in dem von Savigny entwickelten Begriffspaar „Rechtsverhältnis" und„Rechtsinstitut" wieder. Das Rechtsverhältnis wurde dabei als ein rechtlich geregeltes Lebensverhältnis definiert, welches aus zwei Elementen bestand. Neben dem „materiellen Element", das die tatsächliche Beziehung der beteiligten Personen zueinander kennzeichnet, existierte nach Auffassung Savignys auch noch ein „formelles Element", durch welches das Verhältnis seine rechtliche Gestalt erhält 103 . Diesem Rechtsverhältnis schrieb er nun eine „organische Natur" 104 zu, die sich zum einen in dem Gesamtzusammenhang seiner Bestandteile und zum anderen in seiner fortschreitenden Entwicklung und Veränderung zeige. Das einzelne subjektive Recht wollte er demgegenüber nicht zur Grundlage seines Privatrechtssystems machen, weil dieses nur als „eine besondere, durch Abstraction ausgeschiedene Seite" des jeweils zu beurteilenden Rechtsverhältnisses erscheine105. Dem Verhältnis von subjektivem Recht und Rechtsverhältnis entspricht auf objektivrechtlicher Seite die Beziehung der einzelnen Rechtsnorm zu den Rechtsinstituten, denen Savigny ebenfalls eine „organische Natur" zuschrieb. Jede Rechtsregel habe nämlich „ihre tiefere Grundlage in der Anschauung des Rechtsinstituts", welches dem Rechtsverhältnis gleichsam als abstrakter „Typus" zugrundeliege106. Daraus zog Savigny nun den Schluß, daß jedes Rechtsverhältnis unter einem entsprechenden Rechtsinstitut stehe und von diesem beherrscht werde 107. Deshalb sind Rechtsinstitute im Sinne Savignys auch mehr als die bloße Summe der positiinwohnenden, Kraft sichert."; vgl. dazu auch Coing , lus Commune VIII, S. 9, 18; Bucher, Grundfragen, S. 8. 101 Insoweit wird oft eine Anlehnung an die formale Freiheits- und Pflichtenethik Kants angenommen, vgl Kiefner, Fschr. Coing I, S. 149, 167; Patocchi, Règles de rattachement, S. 203; Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 127; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 375; a. A. Avenarius, Intertemporales Recht, S. 42, Fn. 102; Riickert, Idealismus. S. 365. 102 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 353; Sakurada, Wirkungsbereich und Funktion, S. 127, 130; Bucher, Grundfragen, S. 16; Coing, Eranion Maridakis III, S. 19, 26. 103 Savigny, System I, § 52, S. 333. 104 Savigny, System I, § 4, S. 7. 105 Savigny, System I, § 4, S. 7. 106 Savigny, System I, § 5, S. 9. 107 Larenz, Methodenlehre, S. 14; Avenarius, Intertemporales Recht, S. 42; Rückert, Idealismus, S. 343.

§ 3 Begründer des modernen Kollisionsrechts

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ven Rechtsregeln. Letztere werden vielmehr erst im Wege der „Abstraction"108 aus der Totalanschauung der Rechtsinstitute herausgelöst109, was auch daran deutlich wird, daß Savigny bei der Gesetzesauslegung ausschließlich auf den organischen Zusammenhang des (reinen) Rechts110 abgestellt und nicht etwa nach einem eigenständigen Sinn und Zweck der einzelnen Rechtsnormen gefragt hat 111 . Mithin gestalten die bestehenden Rechtsregeln zwar einerseits das jeweilige Rechtsinstitut konkret aus, können aber andererseits ohne dieses begrifflich gar nicht zur Entstehung gelangen. Die über dem positiven Recht angesiedelten Rechtsinstitute sind damit eindeutig Ausdruck einer systematisch und ganzheitlich gedachten Rechtsordnung, obwohl Savigny diesen schillernden Begriff nicht konkret auszugestalten vermochte112. Verallgemeinernd läßt sich das Rechtsinstitut jedoch als ein wandelbares juristisches Gebilde beschreiben, das in den als typisch verstandenen Grundverhältnissen des sozialen Lebens (wie ζ. B. Ehe, Familie, Eigentum und Kauf) wurzelt 113. Die zentrale Bedeutung der Rechtsinstitute zeigt sich nun aber vor allem bei der Ermittlung der auf den Einzelfall anzuwendenden Rechtsregei. Savigny stellte in diesem Zusammenhang nämlich nicht auf den Lebenssachverhalt in „seiner concreten Zusammensetzung und Verwicklung" 114 ab, sondern ordnete vielmehr das zu beurteilende Rechtsverhältnis einem bestimmten Rechtsinstitut zu, um dann diejenigen Rechtsregeln anzuwenden, die ihm als Ausprägung des entsprechenden Rechtsinstituts erschienen115. Auch dieses Vorgehen wird wiederum nur dann verständlich, wenn man sich Savignys rechtsphilosophische Grundhaltung vor Augen führt, wonach den Rechtsregeln im Gebiet des reinen Rechts ausschließlich die Aufgabe zukommt, die für die Entfaltung des individuellen Willens erforderlichen Freiheitsräume abzugrenzen116. In einem Gemeinwesen sind der Verwirklichung der Freiheit und Sittlichkeit des Einzelnen aber durch dessen Mitmenschen not"» Savigny, System I, § 6, S. 11. 109 Vgl. insoweit auch Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, § 7, S. 75: „Die Bildung des gesetzlichen Tatbestandes erfolgt durch Abstraktion, dadurch, daß aus der Fülle der angeschauten Lebensverhältnisse diejenigen, für welche dasselbe Gebot gelten soll, durch Hervorhebung der gemeinsamen relevanten Merkmale demselben gesetzlichen Tatbestande untergeordnet werden." 110 Savigny, System I, § 33, S. 215: Der Erfolg der Auslegung hänge davon ab, daß „wir die Anschauung des historisch-dogmatischen Ganzen, woraus dieses Einzelne allein Licht erhalten kann, in hinlänglicher Bereitschaft haben." 111 Bucher, Grundfragen, S. 8; Larenz, Methodenlehre, S. 14; Rückert, Idealismus, S. 352. 112 Rückert, Idealismus, S. 344; Coing, lus Commune VIII, S. 9, 20; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 398. 113

Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 398; Coing, Eranion Maridakis III, S. 19, 26; Larenz, Methodenlehre, S. 14. 114 Savigny, System I, § 5, S. 10. 115 Larenz, Methodenlehre, S. 15; Coing, Eranion Maridakis III, S. 19, 26; ders., lus Commune VIII, S. 9,20; Rückert, Idealismus, S. 346. 116 Savigny, System I, § 52, S. 332; vgl. auch Patocchi, Règles de rattachement, S. 204.

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

wendigerweise Grenzen gesetzt. Folglich ging Savigny auch davon aus, daß für jedes denkbare Rechtsverhältnis „eine Regel ... längst vorhanden, also jetzt erst zu erfinden weder nötig noch möglich" sei 117 . Vielmehr gelte es, die Rechtsregei im Wege der Abstraktion aus den vorgegebenen Rechtsinstituten zu ermitteln. Die lebendige Anschauung der Rechtsinstitute in ihrem organischen Zusammenhang sah Savigny nun aber im Volk, weshalb er auch das „gemeinsame Bewußtsein des Volkes"118 bzw. den „Volksgeist"119 für den eigentlichen Sitz der Rechtserzeugung hielt 120 . Allerdings diente ihm das Volk letztlich nur als abstrakter Denkansatz 121 , denn die „leibliche Gestalt der geistigen Volksgemeinschaft" sei der „Staat", dessen Erzeugung als „die höchste Stufe der Rechtserzeugung überhaupt" erscheine122. Im Staat trete dann zur ursprünglichen Rechtserzeugung noch die Gesetzgebung hinzu, wobei Savigny den Gesetzgeber als den „wahren Vertreter des Volksgeistes"123 angesehen hat. Deshalb habe auch die staatliche Gesetzgebung nur den einen Zweck, bei der formalen Abgrenzung der individuellen Freiheitssphären für Klarheit und Rechtssicherheit zu sorgen, während davon unabhängige staatswirtschaftliche Zielsetzungen nicht anzuerkennen seien124. Die soeben gemachten Ausführungen betreffen jedoch allesamt nur das von Savigny sog. „reine Rechtsgebiet". Auch er war sich aber der Tatsache bewußt, daß im Privatrecht auch Rechtsregeln existieren, die in gestaltender Weise 125 materielle Ziele und Zwecke verfolgen 126. Dieses „anomalische Recht" hatte nach Ansicht Savignys seinen Entstehungsgrund nicht in der Freiheit des Individuums, sondern beruhte vielmehr auf Gründen des öffentlichen Wohls und der Sitte 127 . In diesem „rein positiven" Recht, das sich zumeist auf den Willen eines bestimmten Gesetzgebers zurückführen lasse, sei aber das „Wesen der Sache" gerade nicht enthalten, da es zu einer bewußten Ungleichbehandlung bestimmter Klassen von Personen, Sachen oder Rechtsgeschäften führe 128. Durch die eintretende Privilegierung bzw. Benachteiligung einzelner Gruppen würden die reinen Grundsätze des Rechts moU7 Savigny, System I, § 7, S. 14. ne Savigny, System I, § 7, S. 16. 119 Savigny, System I, § 8, S. 19. 120 Patocchi, Règles de rattachement, S. 205; Maridakis, renz, Methodenlehre, S. 13.

Fschr. Lewald, S. 309, 310; Lo-

121 Bucher, Grundfragen, S. 8; Rückert, Idealismus, S. 313. 122 Savigny, System I, § 9, S. 22. 123 Savigny, System I, § 13, S. 39. 124 Savigny, System I, § 15, S. 53; vgl. auch Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 126; Bucher, Grundfragen, S. 8. 125 Savigny, System I, § 34, S. 218: „Bey dem anomalischen Recht (lus singulare) ist dagegen vorherrschend die Beziehung auf das, was in der Zukunft erreicht werden soll." 126 Schwander, Sonderanknüpfung, S. 131; Bucher, Grundfragen, S. 9; Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 128. 127 Savigny, System I, § 16, S. 61. 128 Savigny, System I, § 16, S. 63.

§ 3 Begründer des modernen Kollisionsrechts

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difiziert, weshalb das anomalische Recht insofern „contra rationem juris" gehe129. Andererseits hielt Savigny das (reine) Recht aber für fähig, das ursprünglich fremde Prinzip im Laufe der Zeit in sich aufzunehmen 130. Hierin kommt deutlich das Bemühen Savignys zum Ausdruck, auch das von ihm als „Ausnahme" bezeichnete anomalische Recht in sein ganzheitlich gedachtes Rechtssystem einordnen zu können. 2. Kollisionsrecht Im Rahmen seiner internationalprivatrechtlichen Abhandlung beschäftigte Savigny sich dann eingehend mit der zwischen den Rechtsregeln und den Rechtsverhältnissen bestehenden Verbindung. Er wollte deshalb die „Gränzen der Herrschaft eines jeden positiven Rechts"131 abstecken, um so die für die Beurteilung des streitigen Rechtsverhältnisses maßgeblichen Rechtsnormen ermitteln zu können. Grundsätzlich war es für Savigny aber auch denkbar, die Fragestellung umzukehren und nach dem Anwendungsbereich der einzelnen Rechtsregeln zu fragen, wie es die Statutentheorie tue 132 . Beide Arten, die Frage aufzuwerfen, seien nur im Ausgangspunkt verschieden, so daß die Entscheidung in beiden Fällen nicht unterschiedlich ausfallen könne 133 . Indes hat Savigny die Statutenlehre an anderer Stelle aufgrund ihrer Unvollständigkeit und Vieldeutigkeit als „völlig ungenügend" bezeichnet134, weshalb er im Rahmen seiner kollisionsrechtlichen Darstellung auch ganz überwiegend vom Rechtsverhältnis ausgegangen ist 135 . Die Statutentheorie wurde damit von ihm nicht wirklich widerlegt, sondern schlicht durch einen anderen gedanklichen Ansatz ersetzt. Dem Kollisionsrecht Savignys lag nun dasselbe Verständnis vom Rechtsverhältnis zugrunde wie seinem allgemeinen Privatrecht, so daß das Rechtsverhältnis auch in diesem Zusammenhang begriffsnotwendig über ein formelles, seine rechtliche Gestalt festlegendes Element verfügen mußte136. Da aber im IPR immer auch Bezugspunkte zu ausländischen Rechten bestehen, konnte dieses formelle Element nicht ohne weiteres aus den eigenen Rechtsregeln und -instituten entnommen werden. Vielmehr galt es zunächst, die zur Entscheidung berufene Rechtsordnung zu bestimmen. Savigny wiederholte nun an dieser Stelle seine bereits bekannte Aussage, wonach der Sitz der Rechtserzeugung im Staat liege, da der Wille der Einzel129 Savigny, System I, § 16, S. 61. 130 Savigny, System I, § 16, S. 64; vgl. dazu auch Bucher, Grundfragen, S. 9. 131 Savigny, System VIII, § 344, S. 3. »32 Kegel/Schurig, IPR, § 3 IX, S. 166; Gutzwiller, Fschr. Vischer, S. 131, 135; Schurig, Kollisionsnorm, S. 116; v. Bar, IPR I, Rdnr 470; Coing, Eranion Maridakis III, S. 19, 20.

1 33 Savigny, System VIII, § 344, S. 3; vgl. auch Patocchi, Règles de rattachement, S. 206. i " Savigny, System VIII, § 361, S. 123. 135 Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), S. 364, 370; Bucher, Grundfragen, S. 10. 1 36 Maridakis, Fschr. Lewald, S. 309, 310; Baum, Alternativanknüpfungen, S. 208; Coing, Eranion Maridakis III, S. 19, 24.

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

nen nur hier in einen Gesamtwillen aufgehe und das Volk demnach auch nur im Staat „wahre Realität" habe 137 . Wenn aber einerseits der Sitz des Rechts im Staat liegt, und andererseits das Rechtsverhältnis zwingend über einen rechtlichen Bestandteil verfügen muß, dann ist es nur konsequent, für das zu beurteilende Rechtsverhältnis dasjenige Rechtsgebiet aufzusuchen, „welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigenthümlichen Natur nach angehört", worin dasselbe also m.a.W. seinen Sitz hat 138 . Genau wie seine Rechtsentstehungstheorie ist also auch Savignys kollisionsrechtliche Lehre dadurch gekennzeichnet, daß er vom einzelnen Rechtsverhältnis und nicht etwa vom konkreten Lebenssachverhalt ausging. Bei der Fragestellung nach dem jeweiligen „Sitz des Rechtsverhältnisses" handelte es sich seiner Ansicht nach allerdings lediglich um einen „formellen Grundsatz"139. Zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts wurden die Rechtsverhältnisse deshalb in folgende „Klassen" eingeteilt140: I. Π. ΙΠ. IV. V.

Zustand der Person an sich. (Rechtsfähigkeit, Handlungsfähigkeit.) Sachenrecht. Obligationenrecht. Erbrecht. Familienrecht. A. Ehe. B. Väterliche Gewalt. C. Vormundschaft.

Für jede dieser Klassen sollte dann diejenige Regel festgestellt werden, „nach welcher die Collision verschiedener örtlicher Rechte zu entscheiden ist", wobei Savigny den Wohnsitz, den Belegenheitsort, den Handlungsort und den Ort des Gerichts als mögliche Anknüpfungspunkte angesehen hat 141 . Die jeweilige Anknüpfungsregel wurde also nicht für ein bestimmtes Rechtsverhältnis, sondern vielmehr für eine ganze Klasse von Rechtsverhältnissen entwickelt. Diese Klassen nahmen daher innerhalb der intemationalprivatrechtlichen Lehre Savignys eine ähnliche Funktion wahr wie die Rechtsinstitute im Bereich des allgemeinen Privatrechts. Sowohl die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsnorm als auch die Ermittlung der maßgeblichen Rechtsordnung erfolgte nämlich durch eine Analysierung und anschließende Zuordnung 142 des Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten Rechtsinstitut bzw. zu einer bestimmten Klasse von Rechtsverhältnissen143. Die - vorge137 Savigny, System VIII, § 346, S. 14. 138 Savigny, System VIII, § 360, S. 108. 139 Savigny, System VIII, § 361, S. 121; vgl. auch Bucher, Grundfragen, S. 13; Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), S. 364, 373. 140 Savigny, System VIII, § 361, S. 120. 141 Savigny, System VIII, § 361, S. 121. 142 Savigny, System VIII, § 349, S. 32 spricht insoweit von einer „freien Behandlung". 143 Coing, Eranion Maridakis III, S. 19, 27; Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), S. 364, 371.

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gebene - Verbindung von Rechtsinstitut und Rechtsregel einerseits, sowie von einzelner Klasse und Rechtsordnung andererseits, war dabei jeweils Ausdruck der dem „reinen Recht" zugewiesenen Aufgabe, die individuellen Freiheitsräume voneinander abzugrenzen144. Folglich sollte auch das Kollisionsrecht Savignys die Verwirklichung der dem Menschen innewohnenden sittlichen Bestimmung gewährleisten. Diese philosophische Grundlage seiner Rechtstheorie mußte nun aber ihrer Natur nach überall Geltung beanspruchen145, weshalb es mit ihr auch nur schwer vereinbar gewesen wäre, ein bestimmtes Rechtsverhältnis in jedem der beteiligten Staaten unterschiedlich zu behandeln. Savigny strebte im Gegenteil einen internationalen Entscheidungseinklang an 1 4 6 und wollte erreichen, daß „die Rechtsverhältnisse, in Fällen einer Collision der Gesetze, dieselbe Beurtheilung zu erwarten haben, ohne Unterschied, ob in diesem oder jenem Staate das Urteil gesprochen werde." 147

Diese Zielsetzung basierte auf der Idee einer „völkerrechtlichen Gemeinschaft der mit einander verkehrenden Nationen"148, deren Verwirklichung Savigny als „Grundlage und letztes Ziel" 1 4 9 seiner gesamten Lehre bezeichnet hat. Er hoffte auf eine immer weitergehende Annäherung der nationalen Kollisionsrechte, die letztlich zu einer „völlig übereinstimmenden Behandlung"150 in allen Staaten führen sollte151. Die insoweit angestrebte internationale Vereinheitlichung des IPR konnte nach Ansicht Savignys sowohl durch den Abschluß von Staatsverträgen152 als auch auf dem Wege der Wissenschaft 153 vorangetrieben werden 154, wobei er m Patocchi, Règles de rattachement, S. 204; Maridakis, Fschr. Lewald, S. 309, 311; Bücher, Grundfragen, S. 12; Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 132; Baum, Alternativanknüpfungen, S. 209. 145 Savigny, System I, § 15, S. 55: Die sittliche Natur des Rechts wird wirksam in der »Anerkennung der überall gleichen sittlichen Würde und Freyheit des Menschen". 146 Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 84; v. Bar, IPR I, Rdnr 471; Sakurada, Wirkungsbereich und Funktion, S. 127, 134; Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), S. 364, 372; Schurig, Kollisionsnorm, S. 120. 147 Savigny, 148 Savigny, 149 Savigny, 150 Savigny,

System VIII, System VIII, System VIII, System VIII,

§ 348, S. 27. § 348, S. 27. § 360, S. 117. § 360, S. 114.

151 Aus dem Gedanken der völkerrechtlichen Gemeinschaft folgerte Savigny deshalb nur das Ideal der Entscheidungsgleichheit, nicht aber seinen Hauptsatz vom Sitz der Rechtsverhältnisse, Gutzwiller, Savignys Einfluß, S. 44; Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), S. 4, 15; E. Lorenz, Struktur, S. 49; a.A. Sakurada, Wirkungsbereich und Funktion, S. 127, 132, Fn. 24. 152 Savigny, System VIII, § 348, S. 30. 153 Savigny, System I, § 15, S. 50: Dem Volksrecht sind „in dem Gesetz und der Wissenschaft zwey Organe gegeben, deren jedes zugleich sein eigenes Leben für sich führt". 154 Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 222; Bucher, Grundfragen, S. 13; Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 135; Sakurada, Wirkungsbereich und Funktion, S. 127, 133; Baum, Alternativanknüpfungen, S. 205.

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

letzteres Vorgehen angesichts des weitgehenden Fehlens gesetzlicher Kollisionsnormen sogar für erfolgversprechender gehalten hat 155 . Das Bemühen um kollisionsrechtliche Gleichbehandlung war also eindeutig Folge seiner rechtstheoretischen Grundvorstellung, die Entwicklung allen Rechts auf eine homogene, kulturell-geistige Gemeinschaft zurückführen zu können. Von diesem Standpunkt aus machte es dann aber auch keinen wesentlichen Unterschied mehr, ob es die Kollision verschiedener Territorialrechte unabhängiger Staaten oder die verschiedener Partikularrechte desselben Staates zu beurteilen galt. Das internationale und das interlokale Privatrecht wurden vielmehr weitgehend nach denselben Grundsätzen behandelt156. Savigny hielt es dabei für möglich, diese Gleichstellung des fremden und des eigenen Rechts „als freundliche Zulassung unter souveränen Staaten" zu bezeichnen157, so daß er die Comitas-Lehre jedenfalls im Ausgangspunkt gebilligt hat 158 . Allerdings dürfe „diese Zulassung nicht gedacht werden als Ausfluß bloßer Großmuth oder Willkür", sondern müsse im Zusammenhang mit der fortschreitenden Vereinheitlichung der nationalen Kollisionsrechte gesehen werden 159. Die Vorstellung einer völkerrechtlichen Gemeinschaft der miteinander verkehrenden Nationen setzte nun aber gerade die Bereitschaft der einzelnen Staaten zur Anwendung ausländischen Rechts voraus, weshalb Savigny sich auch deutlich gegen eine ausschließliche Geltung der lex fori ausgesprochen hat 160 . Indes konnte diese gleichberechtigte Anwendung fremder Gesetze nicht ausnahmslos durchgeführt werden, da Savigny auch die Existenz bestimmter Arten von Gesetzen zugestand, „deren besondere Natur einer so freien Behandlung der Rechtsgemeinschaft unter verschiedenen Staaten" widerstrebe 161. Im einzelnen unterschied er zwei Klassen von Ausnahmen, nämlich zum einen „Gesetze von streng positiver, zwingender Natur" und zum anderen „Rechtsinstitute eines fremden Staates, deren Dasein in dem unsrigen überhaupt nicht anerkannt ist" 162 . Dabei nahm er die zwingende Geltung eines bestimmten Gesetzes dann an, wenn es vom Gesetzgeber aus sittlichen Gründen 163 oder aus Gründen des öffentlichen Wohls 164 155 Savigny, System VIII, § 360, S. 114. 156 Savigny, System VIII, § 348, S. 27. 157 Savigny, System VIII, § 348, S. 28. iss Gutzwiller, Fschr. Vischer, S. 131, 137; Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), S. 364, 368; Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 86; von Hoffmann, IPR, § 2, Rdnr 30. 159 Savigny, System VIII, § 348, S. 28; vgl. auch Sturm, lus Commune VIII, S. 92, 106. 160 Savigny, System VIII, § 361, S. 129: „Dieser Grundsatz stört und hindert sogar die wünschenswerthe und annäherungsweise zu erreichende Uebereinstimmung der Entscheidung von Collisionsfällen in verschiedenen Staaten."; ders., System VIII, § 348, S. 26: „Eine solche Vorschrift ist aber in der Gesetzgebung keines bekannten Staates zu finden". 161 Savigny, System VIII, § 349, S. 32; vgl. auch Baum, Alternativanknüpfungen, S. 209; Patocchi, Règles de rattachement, S. 204. 162 So seien die Rechtsinstitute des bürgerlichen Todes und der Sklaverei im Inland nicht anerkennungswürdig, Savigny, System VIII, § 349, S. 37.

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erlassen worden ist, so daß sich dessen Zweck nicht darin erschöpfte, die Rechtsanwendung im Interesse der jeweiligen Rechtsträger durch feste Regeln zu sichern. Diese »Ausnahmen", welche sich nicht mit Savignys Lehre vom Sitz der Rechtsverhältnisse in Einklang bringen lassen, sollten nun „in Folge der natürlichen Rechtsentwicklung der Volker" fortwährend vermindert werden 165 und der Ganzheitlichkeit seiner internationalprivatrechtlichen Theorie damit nicht mehr im Wege stehen. 3. Bewertung Bei der Bewertung des von Savigny entwickelten Kollisionsrechtssystems ist zu berücksichtigen, daß dieser viele Vorschriften dem soeben behandelten „anomalischen Recht" zugeordnet hat 166 , so ζ. B. auf dem Gebiet der Handlungs- und Rechtsfähigkeit 167, des Erbrechts 168 und des Eherechts169. Weiterhin wurde das gesamte Deliktsrecht aufgrund seiner Nähe zum Strafrecht zu den streng positiven, zwingenden Normen gerechnet170, weshalb sich hier das Ideal des internationalen Entscheidungseinklangs ebenfalls von vornherein nicht verwirklichen konnte. Außerdem mußten auch nach Ansicht Savignys ausdrückliche gesetzliche Kollisionsnormen von dem inländischen Richter unbedingt angewandt werden 171. Bei der Lösung des Einzelfalls gelangte er daher häufig zu ähnlichen Ergebnissen wie Wächter 172, obwohl dieser doch vorrangig auf die lex fori abstellte, was Savigny ausdrücklich für unzulässig gehalten hat 173 . Erklären läßt sich die weitgehende Übereinstimmung damit, daß Savigny seinen obersten Anknüpfungsgrundsatz in der praktischen Anwendung eben gerade nicht konsequent durchführte 174. Trotzdem hat er für seine Betrachtungen aber einen deutlich anderen Ausgangspunkt gewählt als Wächter, da er den maßgeblichen Sitz der Rechtsverhältnisse nicht nach 163 Savigny, System VIII, § 349, S. 36: ,»Dahin gehört jedes Ehegesetz, welches die Polygamie ausschließt." 164 Savigny, System VIII, § 349, S. 36: „Dahin gehören manche Gesetze, welche den Erwerb des Grundeigenthums von Seiten der Juden einschränken." 165 Savigny, System VIII, § 349, S. 38. 166 Schwander, Sonderanknüpfung, S. 132-135; Sturm, lus Commune VIII, S. 92, 101; Schurig, Kollisionsnorm, S. 119; Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), S. 364, 369; Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 131.

167 Savigny, System VIII, § 365, S. 160-163. 168 Savigny, System VIII, § 376, S. 305-308: Sonderregeln gelten für Lehen, Fideicommisse sowie Bauern- und Adelsgüter. 169 Savigny, System VIII, § 379, S. 326: Ehehindernisse; a. a. O.. S. 337: Ehescheidung. 170 Savigny, System VIII, § 374, S. 278. πι Savigny, System VIII, § 348, S. 26. 172 Savigny, System VIII, § 361, S. 130; vgl. auch Sandmann, Grundlagen und Einfluß, S. 227. 173 Savigny, System VIII, § 361, S. 129. 174 Schnitzer, RabelsZ 38 (1974), S. 317, 325; v. Bar, IPR I, Rdnr 558. 4 Geisler

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

den Wertungen der lex fori, sondern mittels der überpositiven, sittlichen Ziele des Rechts zu bestimmen versuchte. Der „Sitz der Rechtsverhältnisse" konnte dann allerdings auch nicht mehr sein als ein „formeller Grundsatz"175. Vielmehr bedurfte es zu seiner Konkretisierung stets der rechtsphilosophischen Grundlagen der allgemeinen Rechtslehre Savignys, wonach die Aufgabe des gesamten (reinen) Rechts darin bestand, die Freiheitsräume der Individuen voneinander abzugrenzen. Dieses Vorgehen ist nun sicherlich einigen grundsätzlichen Einwänden ausgesetzt. So ist bemängelt worden, daß Savignys Rechtssystem aufgrund seines formalen Charakters die Grundlage für die rein systematische Betrachtungsweise der Pandektenwissenschaft gebildet habe 176 . Diese Entwicklung sei dabei Folge der Unmöglichkeit gewesen, die von Savigny vorausgesetzte Verbindung der Rechtsregeln mit der Anschauung der Rechtsinstitute auch wissenschaftlich zu erfassen 177. Ebensowenig habe er den aus der sittlichen Funktion des Rechts abgeleiteten Sitz der Rechtsverhältnisse hinreichend konkretisieren können178. Außerdem sei es auch unzutreffend, daß bestimmte Lebensverhältnisse überall auf der Welt Rechtsverhältnisse bildeten, die noch dazu denselben Schwerpunkt besäßen. Dies zeigten allein schon die Savigny noch unbekannten Probleme der Qualifikation, Angleichung und Rückverweisung179. Schließlich könne von einem Rechtsverhältnis überhaupt erst dann gesprochen werden, wenn man vorab ermittelt habe, nach welchem Recht der in Rede stehende Sachverhalt zu beurteilen sei 180 . Nichtsdestotrotz hat Savignys Lehre jedoch die endgültige Überwindung der Statutentheorie und damit eine grundlegende Umkehr der Fragestellung bewirkt 181. Auf diese Weise wurde letztlich erst der Weg für eine differenzierte Behandlung der kollisionsrechtlichen Problematik geebnet182. An dieser Stelle soll nun aber keine umfassende Beurteilung der kollisionsrechtlichen Theorie Savignys erfolgen. Es ist vielmehr herauszuarbeiten, inwieweit er zur Entwicklung des Gedankens der engsten Verbindung im IPR beigetragen hat. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, daß Savigny vom Rechtsverhältnis und nicht vom konkreten Lebenssachverhalt ausging. Er bemühte sich deshalb auch nicht darum, diejenige Rechtsordnung zu ermitteln, mit welcher der jeweilige 175 Bucher, Grundfragen, S. 13; Neuhaus, RabelsZ 15 (1949/50), S. 364, 373. 176 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 400; Coing, lus Commune VIII, S. 9, 21. 177 Lorenz, Methodenlehre, S. 15; Bucher, Grundfragen, S. 16. 178 Gutzwiller, Savignys Einfluß, S. 45; Coing, Eranion Maridakis III, S. 19, 28; Keller/ Siehr, IPR, § 9 Π, S. 58. 179 Zweigert, RabelsZ 37 (1973), S. 435,437; Sturm, lus Commune VIII, S. 92,107. 180 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 107. 181 Gamillscheg, Dumoulin, S. 255; Kegel/Schurig, IPR, § 3 IX, S. 166; Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), S. 4, 8; Baum, Alternativanknüpfungen, S. 201; v. Bar, IPR I, Rdnr 470. 182 Nussbaum, Deutsches IPR, S. 24; Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 88; Schurig, Kollisionsnorm, S. 117.

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Sachverhalt am engsten verbunden gewesen ist. Die anzuwendende Rechtsordnung konnte nach seiner Lehre nämlich nur mittels der verschiedenen Klassen der Rechtsverhältnisse bestimmt werden, wobei die Verbindung zwischen einzelner Klasse und maßgeblichem Anknüpfungspunkt die Verwirklichung der dem Menschen immanenten sittlichen Bestimmung gewährleisten sollte. Diese Verbindung mußte nun aber ihrer Natur nach überall Geltung beanspruchen. War sie erst einmal festgestellt, dann galt es nur noch, das vorliegende Rechtsverhältnis zu analysieren und in eine bestimmte Klasse der Rechtsverhältnisse einzuordnen. Die tatsächlichen Beziehungen zu den beteiligten Rechtsordnungen blieben demgegenüber für diese Einordnung gänzlich außer Betracht. Insbesondere hat insoweit keine vergleichende Gewichtung stattgefunden. Da zur Ermittlung des anwendbaren Rechts unterschiedliche Erwägungen angestellt werden, wäre es verfehlt, den „Sitz der Rechtsverhältnisse" mit dem Gedanken der engsten Verbindung schlicht gleichzusetzen. Das hinter jedem dieser Begriffe stehende kollisionsrechtliche Prinzip ist jedoch durchaus vergleichbar. Beide Male geht es nämlich darum, vom eigenen Sachrecht unabhängige Kriterien für die Bestimmung der im Einzelfall maßgeblichen Rechtsordnung zu entwickeln. Ein ähnliches Anliegen verfolgte aber schon Schaeffner, als er jedes Rechtsverhältnis nach dem Recht des Ortes beurteilen wollte, an dem es existent geworden ist 183 . Überraschenderweise erkannte Savigny diese Parallelität nicht an und bezeichnete den Grundsatz Schaeffners als „willkürlich", weil der Entstehungsort nicht über das anzuwendende Recht entscheiden könne und mithin auch bloß „den Schein eines materiellen Grundsatzes" besäße184. Indes ist der Entstehungsort bei Schaeffner gerade kein rein geographischer, sondern zugleich auch ein juristischer 185. Obwohl Savigny also unzweifelhaft grundlegendere Überlegungen angestellt hat, weicht seine internationalprivatrechtliche Theorie im Ausgangspunkt nicht entscheidend von der Schaeffners ab 1 8 6 . Savignys Rechtslehre übte jedoch in der Folgezeit einen ungleich stärkeren Einfluß aus und erlangte sowohl in der Wissenschaft 187 als auch in der Rechtsprechung188 große Bedeutung. Der Sitz des Rechtsverhältnisses wurde dabei allerdings teilweise nicht mehr als formeller Grundsatz, sondern als greifbares Merkmal verstanden. Erst im Laufe der Zeit

183 Schaeffner, Entwicklung des IPR, § 32, S. 40. 184 Savigny, System VIII, § 361, S. 131. 185 Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 89; vgl. auch Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), S. 4, 7; E. Lorenz, Struktur, S. 42. 186 Kegel, Fschr. Rechtswiss. Fak. Univ. Köln, S. 65, 89: „Er (Schaeffner) fährt ein starkes Motorrad, Savigny einen großen Reisewagen." 187 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, § 34, S. 141: Für die Frage der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts ist entscheidend, ob „das zu beurteilende Rechtsverhältnis diesem Räume angehört."; vgl. auch Regelsberger, Pandekten I, § 39, S. 163. 188 RGZ 4,242,246: Es „ist festzustellen, in welchem Rechtsgebiete die durch das Rechtsgeschäft geschaffenen Rechtsverhältnisse ihren Sitz haben."; so auch RGZ 14, 235, 239; 20, 333, 335. 4*

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setzte sich die Erkenntnis durch, daß die Suche nach dem Sitz des Rechtsverhältnisses das Ziel des Weges, nicht aber der Weg selbst sein kann 189 . Entsprechendes gilt aber auch für den Gedanken der engsten Verbindung.

Π. Carl Ludwig v. Bar Die kollisionsrechtliche Lehre Savignys und damit auch sein Satz vom Sitz der Rechtsverhältnisse sind jedoch nicht unkritisiert geblieben. Herausragende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Arbeiten Carl Ludwig v. Bars (1836-1913) zu, die alle anderen kritischen Beiträge der damaligen Zeit in den Schatten stellten190. Allerdings hielt v. Bar in der ersten Auflage seines internationalprivatrechtlichen Lehrbuchs191 den Hauptsatz Savignys lediglich für konkretisierungsbedürftig, erkannte ihn aber jedenfalls im Ausgangspunkt an 1 9 2 . Im Falle des Fehlens einer ausdrücklichen Kollisionsnorm sei es nämlich zutreffend, über die Frage der Anwendbarkeit ausländischen Rechts die Ansicht des Gesetzgebers, oder aber, was gleichbedeutend sei, mit Savigny dasjenige Recht entscheiden zu lassen, welchem das zu beurteilende Rechtsverhältnis seiner Natur nach unterworfen ist 193 . Seine eigene Aufgabe sah v. Bar deshalb darin, durch Detailuntersuchungen festzustellen, warum der „Geist und Sinn eines Gesetzes" im jeweiligen Einzelfall tatsächlich die Anwendung fremden Rechts gebiete194. Folglich hat er ursprünglich durchaus an die internationalprivatrechtliche Theorie Savignys angeknüpft 195, zumal die von diesem gefundenen Ergebnisse oftmals seine Zustimmung fanden 196. In der zweiten Auflage seines Werkes 197 richtete sich v. Bars Kritik indes auch gegen den Savigny'sehen Hauptsatz selbst, dem „ein wirklicher Fehler der Auffassung" zugrundegelegen habe 198 . Im Bereich des IPR könne ein bestimmtes Rechtsverhältnis nämlich nur äußerst selten einer der beteiligten Rechtsordnungen ausschließlich zugewiesen werden, da meistens Beziehungen zu mehreren Rechtsgebieten bestünden. Folglich dürfe man allenfalls davon sprechen, daß ein

189 Staudinger/Raape 9, Einl. IPR, S. 57. 190

Gutzwiller, Savignys Einfluß, S. 60. Das internationale Privat- und Strafrecht, Hannover 1862. 192 L v. Bar, Int. Priv.- u. StrafR, § 25, S. 54: „Gegen die Richtigkeit dieses Satzes ... lässt sich gewiss Nichts einwenden." 193 L v. Bar, Int. Priv.- u. StrafR, § 26, S. 58. 194 L v. Bar, Int. Priv.- u. StrafR, § 26, S. 58. 195 Gutzwiller, Savignys Einfluß, S. 62. 196 L v. Bar, Int. Priv.- u. StrafR, § 25, S. 54. 197 Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts, Zweite umgearbeitete Auflage des internationalen Privat- und Strafrechts, Band I+II, Hannover 1889. 198 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 25, S. 77. 191

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Rechtsverhältnis seine „Wurzel" bzw. seinen „Stamm" in einem der Rechtsgebiete habe, mit seinen „ Z w e i g e n " erstrecke es sich aber notwendigerweise auch in andere 199. Außerdem beruhe es ohnehin auf einem Zirkelschluß, bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts vom Rechtsverhältnis auszugehen, da über dessen Vorliegen erst nach Ermittlung der maßgeblichen Rechtsnormen entschieden werden könne 200 . Richtigerweise müßten deshalb die „reinen Thatsachen" oder solche Rechtsverhältnisse als Ausgangspunkt gewählt werden, die „schon durch das Völkerrecht im eigentlichen Sinne" existierten201. Hierzu zählte v. Bar den Aufenthaltsort einer Person oder Sache sowie die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz (Domicil) einer Person. Bei jedem Sachverhalt mit Auslandsberührung sei folglich zu ermitteln, in welchem Territorium sich die zu beurteilenden Sachen oder Personen befanden bzw. welche Staatsangehörigkeit oder welchen Wohnsitz die Personen besaßen, als sich die jeweils rechtserheblichen Tatsachen verwirklichten202. Im Falle einer Ortsveränderung sollte dann nach Ansicht v. Bars aber grds. diejenige Rechtsordnung zur Entscheidung berufen sein, welcher die Sache bzw. die Person zuletzt territorial unterworfen gewesen ist, da es im Prozeß immer um die Beurteilung des gegenwärtigen Rechtszustandes gehe. Prinzipiell müsse dabei allerdings die rechtliche Einordnung anerkannt werden, die die im Zeitpunkt des Eintritts der jeweils zu beurteilenden Tatsache maßgebliche Rechtsordnung vorgenommen habe 203 . Deshalb sei es auch verfehlt, diese in einem konkreten Rechtsfall möglicherweise auftretende „ganze Kette der Vorfragen" ohne weiteres „dem territorialen Rechte der Schlußfrage" zu unterwerfen 204. Auch insoweit sah v. Bar das von Savigny entwickelte Bild vom Sitz der Rechtsverhältnisse als wenig hilfreich an und bezeichnete es sogar als „unpassend und verwirrend". Die Aufgabe des IPR bestand seiner Ansicht nach vielmehr darin, die der „Natur der Sache" entsprechende Einwirkung jeder Rechtsordnung auf die in Betracht kommende Person oder Sache zu untersuchen205. Das Internationale Privatrecht war dabei für v. Bar nicht nur ein Produkt der nationalen Gesetzgebung der einzelnen Staaten, sondern auch „der mit einer gewissen Notwendigkeit sich geltend machenden Natur der Sache"206. Als Ausprägun199 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 25, S. 78. 200 L V. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 107; Kegel, Fschr. Raape, S. 13, 22; vgl. aber auch Gierke, Deutsches PrivatR I, § 25, S. 218, Fn. 33; Beitzke, Fschr. Smend, S. 1,7. 201 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 107. 202 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 110; vgl. dazu auch Kahn, Abhandlungen I, S. 93. 203 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 112 spricht insoweit von dem „rechtlichen Stempel", den das Ausland einer Person oder Sache gegeben habe. 204 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 112. 205 L. v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 113; StaudingerIRaape 9, Einl. IPR, S. 57; Kegel/Schurig, IPR, § 3 IX, S. 166. 206 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 106.

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gen dieses allgemeinen Prinzips nannte v. Bar in diesem Zusammenhang die „Bedürfnisse des Verkehrs" und die dadurch erforderlich werdende gegenseitige Anerkennung der verschiedenen Rechtsordnungen207. Außerdem setzte er die „Natur der Sache" mit der „innerefn] Vernunftmässigkeit" des Rechts208 sowie mit dem 209 „ Z w e c k der Gesetze" bzw. der „Consequenz der Rechtsinstitutionen"210 gleich. Die „Natur der Sache" war für v. Bar das „materielle Princip" seiner kollisionsrechtlichen Lehre, das aus sich selbst heraus Geltung beanspruchen, in einzelnen Punkten aber auch durch Gewohnheitsrecht oder besondere Staatsverträge modifiziert werden konnte211. Dabei hielt er jedoch den Abschluß internationaler Verträge nur in begrenztem Maße für sinnvoll, da schlecht gefaßte oder inhaltlich unrichtige staatsvertragliche Regelungen zwangsläufig zu einer Entscheidung gegen die Natur der Sache führten 212. Auch die nationale Gesetzgebung hatte sich nach Ansicht v. Bars an dem allgemeingültigen Prinzip der Natur der Sache zu orientieren, wobei er allerdings einräumte, daß die einzelnen Staaten faktisch durchaus in der Lage seien, diesem Prinzip widersprechendes Recht zu setzen. Ein solches Vorgehen sei aber genausowenig gestattet wie sonstige „Abweichungen von dem eigentlichen Völkerrecht" auch 213 . Obwohl v. Bar sein System des Internationalen Privatrechts, wie an anderer Stelle ausdrücklich hervorgehoben 214, nicht aus den Normen des Völkerrechts ableiten wollte, so hat er die Maßgeblichkeit der Natur der Sache doch zu einer auch für den Einzelstaat verbindlichen völkerrechtlichen Pflicht erhoben215. Nach seiner Ansicht konnte den Interessen des internationalen Rechtsverkehrs nur auf diese Weise Genüge getan werden. Savigny folgerte hingegen aus dem Gedanken der völkerrechtlichen Gemeinschaft nur das Ideal des internationalen Entscheidungseinklangs, nicht aber seinen Hauptsatz vom Sitz der Rechtsverhältnisse oder gar dessen Verbindlichkeit216. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß v. Bar in seinen späteren Abhandlungen versucht hat, sich deutlich von der kollisionsrechtlichen Lehre Savignys abzugrenzen. Im Gegensatz zu Savigny wollte er den zu beurteilenden Rechtsfall nicht einem einheitlichen Recht unterstellen, was in seinem Bild vom Stamm des Rechtsverhältnisses, das mit seinen Zweigen noch in andere Rechtsgebiete hinein207 208 209 cher,

Gutzwiller, Savignys Einfluß, S. 68. L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 106. L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 34, S. 117; StaudingerIRaape 9, Einl. IPR, S. 57; BuGrundfragen, S. 18.

210 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 114. 211 L. v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 106. 212 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 114. 213 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 106. 214 L v. Bar, Enzykl. d. Rechtswiss. II, § 5, S. 232. 215 Bucher, Grundfragen, S. 19; Gutzwiller, Savignys Einfluß, S. 63. 216 Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), S. 4, 15; E. Lorenz, Struktur, S. 49.

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ragt, zum Ausdruck kommt. Außerdem finden sich auch Parallelen zur internationalprivatrechtlichen Lehre Wächters, der bereits davon gesprochen hatte, das anzuwendende Recht „aus dem Geist [des] Rechts" und der „Natur des Verhältnisses" zu bestimmen217. Damit ist jedoch fraglich, ob v. Bar insoweit auch die Entwicklung des Gedankens der engsten Verbindung vorangetrieben hat. Genau wie nämlich aus der sittlichen Natur des Rechts nur ein einziger Sitz des Rechtsverhältnisses folgen kann 218 , so entspricht auch nur die Anwendung eines bestimmten Rechts der Natur der Sache 219 . Folglich war v. Bar gleichfalls nicht darum bemüht, die zu den beteiligten Rechtsordnungen bestehenden Beziehungen zu gewichten, um sich sodann für die stärkste von ihnen zu entscheiden. Mit dem von ihm gewählten Bild wollte er lediglich ausdrücken, daß bei einem internationalprivatrechtlichen Sachverhalt auch „Vorfragen" auftauchen können, die einem anderen Recht unterliegen als die Hauptfrage selbst. Das Hauptprinzip v. Bars weicht jedoch im wesentlichen nicht von dem Savignys ab. Beide Male handelt es sich um ein allgemein gefaßtes Prinzip 220, welches keine konkreten Antworten geben, sondern vielmehr die im Internationalen Privatrecht zu stellende Frage formulieren soll 221 . Außerdem finden sich sowohl bei Savigny 222 als auch bei v. Bar 223 nur räumliche Anknüpfungsmomente. Die Lehre v. Bars weist allerdings mehr Bezugspunkte zum Völkerrecht und zu dem Sinn und Zweck des inländischen materiellen Rechts auf, das ebenfalls zur Konkretisierung der Natur der Sache herangezogen wird. Savignys kollisionsrechtliche Theorie steht dem Gedanken der engsten Verbindung damit näher als v. Bars Lehre von der Natur der Sache.

ΙΠ. Otto v. Gierke Einen Fortschritt brachte indes die Abhandlung Otto v. Gierkes (1841-1921) zum Internationalen Privatrecht. Dieser betonte zunächst, daß die Anwendung 217 Wächter, Pandekten I, § 31, S. 147. 218 Baum, Alternativanknüpfungen, S. 213. 219 Dabei konnte v. Bar allerdings häufig nicht nachweisen, warum gerade die von ihm gefundene Lösung der Natur der Sache entsprechen soll; vgl. Gutzwiller, Savignys Einfluß, S. 69. 220 Insoweit bedeutet es keinen entscheidenden Unterschied, ob man mit Savigny von einem ,»formellen" oder mit v. Bar von einem „materiellen" Prinzip spricht. 221 Kahn, Abhandlungen I, S. 95; Staudinger/Raape 9, Einl. IPR, S. 57; Kegel/Schurig, IPR, § 3 IX, S. 166. 222

Savigny, System VIII, § 361, S. 121 nennt den Wohnsitz, den Belegenheitsort, den Handlungsort und den Ort des Gerichts. 22 3 L v. Bar, Theorie und Praxis I, § 32, S. 107: Aufenthaltsort einer Person oder Sache sowie Staatsangehörigkeit und Wohnort einer Person.

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

fremden Rechts ein Gebot der Gerechtigkeit und nicht etwa Folge einer bloßen gegenseitigen Gefälligkeit der Volker sei 224 . Dabei seien die einzelnen Staaten zwar völkerrechtlich zur wechselseitigen Anerkennung ihrer Rechtsordnungen verpflichtet, die maßgeblichen Kollisionsnormen müßten aber, abgesehen von staatsvertraglichen Regelungen, dennoch dem nationalen Recht entnommen werden 225. Sollte es insoweit an einer ausdrücklichen gesetzlichen Rechtsanwendungsnorm fehlen, so sei im Zweifel das Recht desjenigen Gebietes anzuwenden, in das „der Schwerpunkt der räumlichen Beziehungen des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses" falle 226 . Gierke wollte deshalb das jeweils in Rede stehende Rechtsverhältnis daraufhin untersuchen, mit welchem Rechtsgebiet es durch seine räumlichen Beziehungen überwiegend verbunden ist. Er ging somit wie Savigny vom Rechtsverhältnis aus und hielt auch dessen Hauptsatz vom Sitz der Rechtsverhältnisse für zutreffend, sofern dieser als „dehnbares und unbestimmtes Entscheidungsprinzip" verstanden werde 227 . Im Unterschied zu Savigny sprach Gierke jedoch deutlich aus, daß die verschiedenen Rechtsverhältnisse in vielfältiger Weise mit den beteiligten Rechtsordnungen verknüpft sind. Deshalb galt es für ihn, eine Gewichtung der Beziehungen vorzunehmen. Allerdings wollte Gierke lediglich die Verbindung „mit dem Raum" 228 untersuchen, so daß auch er nur auf räumliche Anknüpfungsmomente abstellte. Nichtsdestotrotz ist die Entwicklung des Gedankens der engsten Verbindung aber durch Gierkes Lehre wesentlich vorangetrieben worden, da erstmals ausdrücklich eine gewichtende Bewertung der zu den einzelnen Rechtsordnungen bestehenden Verbindungen stattgefunden hat.

§ 4 E G B G B v. 18.8.1896 Im Einführungsgesetz zum BGB vom 18. 8. 1896 229 findet sich keine Gesetzesbestimmung, die ausdrücklich auf den Sitz des Rechtsverhältnisses oder den Schwerpunkt der räumlichen Beziehungen abstellt. Der badische Ministerialrat Gebhard legte seinen beiden Gesetzesentwürfen hingegen, wie aus den jeweiligen Motiven ersichtlich 230, die Lehre Savignys zugrunde, wobei er den Sitz des Rechts224 Gierke, Deutsches PrivatR I, § 25, S. 212. 225 Gierke, Deutsches PrivatR I, § 25, S. 213. 226 Gierke, Deutsches PrivatR I, § 25, S. 217. 227 Gierke, Deutsches PrivatR I, § 25, S. 218. Das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses wollte er dabei nach den Vorschriften des einheimischen Rechts beurteilen, so daß das Ausgehen vom Rechtsverhältnis für ihn keinen Zirkelschluß darstellte. 228 Gierke, Deutsches PrivatR I, § 25, S. 219. 229 RGBl. S. 604. 230 Die Motive zu den Gebhard'schen Entwürfen sind abgedruckt bei Niemeyer, Zur Vorgeschichte des internationalen Privatrechts im Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, München/Leipzig 1915.

§ 4 EGBGB v. 18. 8. 1896

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Verhältnisses allerdings in Anlehnung an Wächter aus den Wertungen des nationalen (Sach-)Rechts bestimmen wollte 231 . Obwohl Gebhard die Arbeit der beiden Gesetzgebungskommissionen auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts maßgeblich geprägt hat, sind seine Grundgedanken aber bei der endgültigen Kodifizierung durch völkerrechtliche, außenpolitische und nationalstaatliche Erwägungen überlagert worden 232. Infolgedessen fanden sich in dem Gesetz häufig sog. einseitige Kollisionsnormen und viele besondere ordre public-Klauseln zugunsten der Anwendung des deutschen Rechts233. Außerdem fehlten auch gesetzliche Regelungen für das internationale Schuldvertrags- und Sachenrecht sowie das Recht der juristischen Personen234. In diesen Bereichen mußte die Entscheidung über das jeweils anzuwendende Recht deshalb aus den Grundprinzipien des Internationalen Privatrechts hergeleitet werden. Dabei wurde häufig auf den „Schwerpunkt"235 des Rechtsverhältnisses abgestellt oder danach gefragt, zu welchem Recht die „wichtigste örtliche Beziehung" 236 besteht. Ausschlaggebend waren folglich zunächst ausschließlich räumliche Anknüpfungsmomente 237. Erst im Laufe der Zeit setzte sich die Einsicht durch, daß bei der Ermittlung des Schwerpunkts eines Rechtsverhältnisses auch die persönlichen238 und sachlichen239 Beziehungen zu berücksichtigen sind. Allerdings finden sich diese Ausführungen zumeist im Zusammenhang mit der Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens im internationalen Schuldvertragsrecht. Maßgeblich waren dabei aber nicht die subjektiven Vorstellungen der Parteien. Vielmehr ging es darum, die Interessen der Beteiligten auf objektiver Grundlage abzuwägen und zu ermitteln, wo sich objektiv der Schwerpunkt des Vertragsver-

231

Niemeyer, Vorgeschichte, S. 41. 232 Umfassend zur Entstehungsgeschichte der Art. 7 - 3 1 EGBGB a.F. Hartwieg/Korkisch, Die geheimen Materialien, S. 27 ff. 233 Vgl. Artt. 12, 25 S. 2 EGBGB a.F. 234 BT-Drucks. 10/504, S. 23; Kegel/Schurig, IPR, § 4 I 1, S. 184; v. Bar, IPR I, Rdnr 494. 235 BGH NJW 1952, S. 540, 541: Der Erfüllungsort sei der Schwerpunkt des Schuldverhältnisses; vgl. auch RGZ 66, 73, 75; 74, 171, 173 sowie BGH L M (1958), Art. 27 EGBGB Nr. 3. 236 RGZ 73, 379, 387. 237 So wurde im internationalen Schuldrecht der Vertragssprache und der vereinbarten Währung zunächst keine ausschlaggebende Bedeutung zuerkannt, vgl. BGHZ 19, 110, 112; OLG Hamburg IPRspr. 1958/59 Nr. 164 = NJW 1958, S. 1919. 238 BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 28 = NJW 1961, S. 25: Deutsches Recht sei anwendbar, weil die Parteien mit dessen Anwendung „rechnen mußten und gerechnet haben"; ähnlich OLG Stuttgart IPRspr. 1960/61 Nr. 25 = AWD 1960, S. 246,247: Bedeutsam sei, „daß die Beklagte in einer für die Klägerin erkennbaren Weise entscheidenden Wert darauf gelegt ha[be], das Vertragsverhältnis innerhalb des deutschen Rechtsgebietes abgewickelt zu wissen". 239 BGH IPRspr. 1977 Nr. 12 = NJW 1977, S. 1586: Hier hat es der BGH nicht beanstandet, daß die Vorinstanz bei der Bestimmung des Vertragsstatuts maßgeblich auf die Vertragssprache und die vereinbarte Währung abgestellt hat.

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1. Teil: Geschichtliche Entwicklung

hältnisses befindet 240. Da insoweit alle Umstände des Einzelfalls in die Abwägung mit einbezogen wurden, kann hierin ein direkter Vorläufer des Gedankens der engsten Verbindung gesehen werden 241.

240 BGHZ 19, 110, 112; 61, 221, 223; Deutsch, AcP 158 (1959/60), S. 223,242; Soergel/ Kegel 11, vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 352. 241 Zu der weiteren Entwicklung des internationalen Schuldvertragsrechts in Europa siehe unten § 5. IV 1.

Zweiter Teil

Funktionen der engsten Verbindung Die engste Verbindung übt im heutigen Kollisionsrecht mehrere Funktionen aus. So bezeichnet sie zunächst den Grundgedanken des Internationalen Privatrechts und liegt deshalb, wenn auch meist unausgesprochen, vielen Kollisionsnormen als Anknüpfungsprinzip zugrunde. Der Gesetzgeber hat die engste Verbindung aber mitunter auch selbst zur Anknüpfungsnorm erhoben. Schließlich dient die engste Verbindung auch dazu, in bestimmten Bereichen ein Abweichen von der Regelanknüpfung zu ermöglichen. In diesen Fällen nimmt sie die Funktion einer Ausweichklausel wahr.

§ 5 Anknüpfungsprinzip I· Abgrenzung zwischen Rechtsnorm und Rechtsprinzip Unsere Rechtsordnung besteht nach allgemeiner Auffassung nicht nur aus der Summe der kodifizierten oder gewohnheitsrechtlich anerkannten Gesetzesbestimmungen (Rechtsnormen), sondern vielmehr auch aus den hinter diesen Normen stehenden allgemeinen Rechtsprinzipien1. Unter einem Rechtsprinzip wird dabei ein konstitutiver Rechtsgedanke verstanden, der die Grundlage für eine Reihe von Einzelbestimmungen oder für einen gesamten Normenkomplex bildet, dem aber der rechtssatzmäßige Charakter fehlt, so daß sich unter ihn nicht ohne weiteres subsumieren läßt2. Rechtsprinzipien sind deshalb durch einen hohen Grad von Allgemeinheit ihres normativen Gehalts gekennzeichnet und können somit nicht unmittelbar auf den Einzelfall angewendet werden3. Allerdings existieren auch sehr allgemein gefaßte (meist ungeschriebene) Rechtsnormen, die ein bestimmtes Rechtsgebiet grundlegend prägen4. Im Unterschied zu den Rechtsprinzipien kön1 Grundlegend /. Esser, Grundsatz und Norm, Tübingen 1956; vgl. auch Larenz, Fschr. Nikisch, S. 275, 300; ders., Richtiges Recht, S. 23; J. Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 106; Canaris, Lücken, § 84, S. 93. 2 Larenz, Methodenlehre, S. 421; Canaris, Lücken, § 85, S. 94; Penski, JZ 1989, S. 105, 107. 3 Esser, Grundsatz und Norm, S. 51 nennt insoweit als Unterscheidungskriterium die „Bestimmbarkeit der Anwendungsfälle".

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

nen letztere aber, sofern sie nicht nur eingeschränkt oder modifiziert gelten, doch auch direkt auf den einzelnen Fall angewendet werden. Hierzu zählen beispielsweise der Satz „pacta sunt servanda", die Vertragsfreiheit im Schuldrecht5, die Formfreiheit schuldrechtlicher Verträge oder die Testierfreiheit im Erbrecht6. Rechtsprinzipien hingegen fordern nur allgemein die Verwirklichung eines bestimmten Zieles, sie sind nicht selbst „Weisung", sondern Grund, Kriterium und Rechtfertigung der Weisung7. Deshalb wird auch nicht genauer festgelegt, in welcher Weise und in welchem Umfang das angestrebte Ziel erreicht werden soll8. Insoweit wird auch von „Optimierungsgeboten" gesprochen9. Die Rechtsprinzipien sind deshalb sowohl vom Gesetzgeber als auch vom Rechtsanwender bei der Gewinnung der im jeweiligen Einzelfall maßgeblichen Rechtsregel zu berücksichtigen, ohne daß sie allerdings zwingend auf eine bestimmte Entscheidung verpflichten. Als Beispiele lassen sich das Vertrauensprinzip im Rechtsverkehr und das Prinzip des Minderjährigenschutzes10 anführen. Ein weiterer Unterschied zwischen Rechtsnormen und Rechtsprinzipien besteht hinsichtlich ihrer Entstehung. Rechtsnormen werden vom Gesetzgeber erlassen oder durch eine von der Rechtsüberzeugung der befaßten Verkehrskreise getragene langdauernde Übung erzeugt. Demgegenüber können Rechtsprinzipien nicht einfach gesetzt werden, da sie sich mit „objektiver Erkenntnisgewißheit"11 auf das Gerechtigkeitsprinzip zurückführen lassen. Ihre Rechtfertigung ergibt sich daher „aus der Natur der Sache oder der betreffenden Institution"12. Die sich ausbildenden Rechtsprinzipien sind deshalb Ausdruck einer voranschreitenden Rechtsentwicklung, die sich zunächst im allgemeinen Rechtsbewußtsein geltend macht, um sodann auch Gesetzgebung und Rechtsprechung zu beeinflussen 13. Mithin wird ein 4

Larenz, Fschr. Nikisch, S. 275, 300 bezeichnet diese als „Grundsätze" des Rechts, die er von den Rechtsprinzipien unterscheiden will. 5 Esser, Grundsatz und Norm, S. 70 betont hingegen, daß dem Prinzip der Vertragsfreiheit keine selbständige oder abtrennbare Weisung für den Einzelfall zu entnehmen sei. Trotzdem kann aber aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit folgen, daß die im konkreten Fall von den Parteien gewählte Vertragsgestaltung zulässig ist. 6

Weitere Beispiele bei Larenz, Fschr. Nikisch, S. 275,300 und bei Canaris, Lücken, § 85, S. 94. Esser, Grundsatz und Norm, S. 51. 8 Penski, JZ 1989, S. 105, 107. 9 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 76; Dreier, Rechtsbegriff und Rechtsidee, S. 30; Bydlinski, Recht, Methode und Jurisprudenz, S. 31. 10 Hier zeigt sich auch der Unterschied zu dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Die Anerkennung des Prinzips des Minderjährigenschutzes besagt nämlich noch nichts darüber, wie genau dieser Schutz im Einzelfall auszugestalten ist. Die Übergänge zwischen „Grundsätzen" und „Prinzipien" des Rechts sind freilich fließend. 7

h Wolff/ Bachof/Stober, VerwR I, § 25, Rdnr 2. ι 2 Esser, Grundsatz und Norm, S. 5. ι 3 Larenz, Richtiges Recht, S. 24 macht darauf aufmerksam, daß ein bestimmtes Prinzip von der Rechtsprechung zunächst oftmals nicht erkannt oder zumindest durch eine Scheinbegründung verdeckt wird.

§ 5 Anknüpfungsprinzip

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Rechtsprinzip nicht durch den Gesetzgeber geschaffen, sondern die gesetzte Norm ist umgekehrt Ausdruck eines bestimmten Prinzips. Andererseits bedarf es aber auch gerade dieser rechtssatzmäßigen Spezialisierung, damit das Rechtsprinzip überhaupt auf den konkreten Einzelfall Anwendung finden kann.

II. Der Gedanke der engsten Verbindung als Rechtsprinzip In seiner grundlegenden Untersuchung hat Esser die Anknüpfungsregeln des IPR ausdrücklich als Rechtsprinzipien bezeichnet14. Deshalb fänden sich bei der Anknüpfung auch häufig allgemeine Rechtsgedanken anstelle fixierter Einzelanwendungen einer ratio 15. Selbst die bestehenden Kollisionsnormen wurden mehr als „Leitsätze" verstanden, deren Tragweite und Bedeutung im einzelnen immer näher aufgeklärt werden müsse16. Diese Ansicht resultiert allerdings aus einer Zeit, in der das IPR nur bruchstückhaft kodifiziert war. Deshalb konnte der jeweils zu entscheidende Fall oftmals nicht durch die schlichte Anwendung einer bestimmten Verweisungsnorm, sondern nur dadurch gelöst werden, daß auf den Sinnzusammenhang der Kollisionsnormen zurückgegriffen wurde 17. Demgegenüber bestehen heute an dem Rechtsnormcharakter der Anknüpfungsregeln keine ernsthaften Zweifel mehr 18, auch wenn es nicht an Versuchen gefehlt hat, die Starrheit des Verweisungssystems aus Gründen der materiellrechtlichen Gerechtigkeit zu durchbrechen19. Trotz dieses Rechtsnormcharakters könnte der Gedanke der engsten Verbindung jedoch den verbindlichen Verweisungsnormen als allgemeines Rechtsprinzip zugrunde liegen. Dies wäre der Fall, wenn der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung der Anknüpfungsregel festgelegt hätte, wodurch jeweils die engste Verbindung mit einem Recht vermittelt werden soll. Die entsprechenden Verweisungsnormen könnten dann als Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung verstanden werden, welches umgekehrt als ratio legis in der ausgesprochenen (Ver-)Weisung enthalten wäre 20. In der Tat hat nun der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich betont, 14

Esser, Grundsatz und Norm, S. 108. Esser, Grundsatz und Norm, S. 222. 16 Neuner, Sinn, S. 132; zustimmend Esser, Grundsatz und Norm, S. 274. 17 Esser, Grundsatz und Norm, S. 102 betont ausdrücklich, daß es die „Vergleichung der Institutionsziele jenseits der dogmatischen Struktur" sei, die das Internationale Privatrecht fördere; vgl. auch Heck, Begriffsbildung und lnteressenjurisprudenz, § 7, S. 75, wonach es bei der Rechtsgewinnung entscheidend auf die »Anschauung und Wertung der normenbedürftigen Lebens Verhältnisse und Interessenkonflikte" ankommt. 15

is Vgl. nur Keller, SJZ 1972, S. 85, 89; Schurig, Kollisionsnorm, S. 181. 19 So hat Zweigert, RabelsZ 37 (1973), S. 435-452 die „Armut des IPR an sozialen Werten" beklagt; vgl. auch die namentlich von E. Lorenz, FamRZ 1987, S. 645, 648 vertretene sog. Zweistufentheorie, die auf einer zweiten Anknüpfungsstufe materiellrechtliche Wertungen berücksichtigen will. 20 Vgl. dazu Esser, Grundsatz und Norm, S. 52; Larenz, Fschr. Nikisch, S. 275, 300, Fn. 68.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

daß sich der Inhalt der Kollisionsnormen als Konkretisierung des Gedankens verstehe, auf einen Sachverhalt mit Auslandsberührung das diesem am nächsten stehende Recht anzuwenden21. Obwohl dieser Grundsatz, wie noch darzustellen sein wird, nicht ausnahmslos gilt, sieht der Gesetzgeber den Gedanken der engsten Verbindung aber doch offenbar als übergeordnetes Anknüpfungsprinzip an. Die Maßgeblichkeit dieses Prinzips ist zudem nicht etwa auf eine willkürliche gesetzgeberische Entscheidung, sondern vielmehr auf die voranschreitende Entwicklung des Internationalen Privatrechts zurückzuführen, wie schon ein Blick auf die Geschichte des modernen Kollisionsrechts zeigt. Allerdings sind Rechtsprinzipien auch dadurch gekennzeichnet, daß sich unter sie nicht unmittelbar subsumieren läßt, da ihnen der rechtssatzmäßige Charakter fehlt 22. Einige Normen des EGBGB stellen nun aber bei der Anknüpfung direkt auf die engste Verbindung ab, so daß insoweit eine Anwendung auf den konkreten Einzelfall nicht nur möglich, sondern sogar notwendig ist. In allen anderen Fällen kann der Gedanke der engsten Verbindung aber allenfalls das Leitmotiv der gesetzgeberischen Entscheidung gewesen sein, so daß er lediglich allgemein die Aufgabe des Internationalen Privatrechts und das mit der Anknüpfung zu verwirklichende Ziel umschreibt. Dies spricht eindeutig für eine Charakterisierung als allgemeines Rechtsprinzip. Nur unter besonderen, noch näher zu untersuchenden Voraussetzungen wird das Rechtsprinzip selbst zur (ausfüllungsbedürftigen) Norm erhoben und dem Rechtsanwender die Konkretisierung der engsten Verbindung überlassen.

I I I . Eignung als übergeordnetes Anknüpfungsprinzip Das Prinzip der engsten Verbindung wird in weiten Teilen des internationalen Schrifttums als die tragende Grundregel des Internationalen Privatrechts angesehen23. Zur Ermittlung der engsten Verbindung wird dabei allerdings grundsätzlich keine Bewertung der beteiligten materiellrechtlichen Interessen vorgenommen, sondern vielmehr danach gefragt, welche Rechtsordnung den zu beurteilenden Sachverhalt am angemessensten regeln kann. Deshalb wird eine gewichtende Bewertung der vorhandenen Partei-, Verkehrs- und Ordnungsinteressen vorgenommen 24 , um so die Verwirklichung der sog. internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit25 zu gewährleisten. 21 BT-Drucks. 10/504, S. 29. Zudem wird auf S. 35 ausgeführt, daß „die Regelungen des Entwurfs insgesamt vom Grundsatz der engsten Verbindung ausgehen". 22 Canaris, Lücken, § 85, S. 94; Larenz, Methodenlehre, S. 421. 23 Vgl. nur Lagarde, Ree. des Cours 196 (1986 I), S. 9, 26; Patocchi, Règles de rattachement, S. 3; v. Bar, IPR I, Rdnr 556; von Overbeck, Ree. des Cours 176 (1982 III), S. 9, 75; Kropholler, IPR, § 4 II 1 a, S. 25; Schwind, RabelsZ 54 (1990), S. 251, 259. 24 Grundlegend Kegel, Fschr. Lewald, S. 259, 270; ders., IPR, § 2 II, S. 108 ff.; Lüderitz, Fschr. Kegel (1977), S. 31, 35; Schurig, Kollisionsnorm, S. 136; vgl. auch Spickhoff, Ordre public, S. 142 ff.

§ 5 Anknüpfungsprinzip

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In jüngerer Zeit hat allerdings Flessner aus interessenjuristischer Sicht Kritik an der Eignung der engsten Verbindung als oberstes Anknüpfungsprinzip geübt. Die internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit könne nämlich nicht durch die Honorierung räumlicher oder sonstiger Beziehungen zwischen Sachverhalten und Rechtsordnungen, sondern nur dadurch verwirklicht werden, daß eine Bewertung der durch die Internationalität hervorgerufenen Interessen erfolge und sodann entschieden werde, welchen dieser Interessen der Vorzug gebühre26. Im geltenden Recht würden nun aber die Verkehrs- und Ordnungsinteressen zu stark betont und auch die Parteiinteressen seien lediglich vermutete Interessen des Durchschnittsmenschen27. Die „realen" Parteiinteressen seien vielmehr i.d.R. auf eine Anwendung der lex fori gerichtet28. Auf dieser Annahme gründet sich die Theorie eines „fakultativen Kollisionsrechts", wonach die Kollisionsnormen nur dann zu beachten sind, wenn sich eine Partei auf die Anwendung fremden Rechts beruft 29. Abgesehen davon, daß diesem Ansatz de lege lata nicht gefolgt werden kann30, bestehen gegen ein solches Verständnis durchgreifende Bedenken. Zunächst einmal ist nicht einzusehen, warum die einseitige Bevorzugung der lex fori 31 den Parteiinteressen besser gerecht werden soll als eine Anknüpfung nach dem Prinzip der engsten Verbindung. Die lex fori stellt nämlich keineswegs immer das sachnächste Recht dar 32. Wäre dies tatsächlich der Fall, könnte man letztlich den Sinn des Kollisionsrechts überhaupt in Frage stellen, da die Parteien dann ja froh sein müßten, nach der „guten" lex fori behandelt zu werden33. Zudem führt die Lehre vom fakultativen Kollisionsrecht in erheblichem Umfang zur Ausbildung relativer Rechtslagen, die von der Praxis kaum zu bewältigen sein dürften.

25 RGRK/ Wengler, Bd. V I /1, § 7, S. 62; E. Lorenz, Struktur, S. 60 wollen dagegen nicht zwischen materiellrechtlicher und internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit trennen und bezeichnen daher den allgemeinen Gleichheitssatz als Kern des IPR. Indes kann eine Bewertung der Erheblichkeit des Auslandsbezugs nur anhand inhaltlicher Kriterien erfolgen, die der formale Gleichheitssatz gerade nicht zu liefern vermag. 26 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 79. 27 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 45. 28 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 199. 29 Flessner, RabelsZ 34 (1970), S. 547, 559; ders., lnteressenjurisprudenz, S. 121; Sturm, Fschr. Zweigert, S. 329, 345; Müller-Graf, RabelsZ 48 (1984), S. 289, 310; Reichert-Facilides, Fakultatives KollisionsR, S. 57 ff. 30 Vgl. nur BT-Drucks. 10/504, S. 26; Einsele, RabelsZ 60 (1996), S. 417, 421; Junker, RIW 1998, S. 741, 742. Die Pflicht des Richters zur Ermittlung des anwendbaren Rechts von Amts wegen betonen auch BGHZ 118, 151,162; BGH IPRspr. 1995 Nr. 1 = NJW 1996, S. 54; BGH IPRspr. 1995 Nr. 61 = NJW 1995, S. 2097. 31 Eine Abwahl der lex fori zugunsten einer ausländischen Rechtsordnung kommt auch nach der Fakultativitätsthese nicht in Betracht, Wagner, ZEuP 1999, S. 6,42. 52 So mit Recht Körner, Fakultatives KollisionsR, S. 124. 33

Schurig, RabelsZ 59 (1995), S. 229, 240.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

Vor allem aber zwingen die Ausführungen Flessners nicht zu einer Abkehr vom Prinzip der engsten Verbindung. Aus seiner abweichenden Gewichtung der Parteiinteressen kann nicht im Umkehrschluß gefolgert werden, daß bei der Ermittlung der engsten Verbindung keine Interessenbewertung stattfinden würde 34. Unterschiede bestehen lediglich hinsichtlich des Ergebnisses der Abwägung. Damit sind aber auch aus interessenjuristischer Sicht keine Gründe dafür vorhanden, die Grundlage des Internationalen Privatrechts neu zu bestimmen. Vielmehr ist der Gedanke der engsten Verbindung als oberstes Anknüpfungsprinzip anzusehen.

IV. Maßgeblichkeit des Prinzips Allerdings gilt das Prinzip der engsten Verbindung nicht uneingeschränkt. Aufgabe der vorliegenden Arbeit kann es jedoch nicht sein, die Maßgeblichkeit dieses Anknüpfungsprinzips anhand der geschriebenen und ungeschriebenen Kollisionsnormen im einzelnen darzustellen. Vielmehr geht es vor allem darum, zu untersuchen, wie die engste Verbindung vom Rechtsanwender konkretisiert wird, wenn ihr die Funktion einer Anknüpfungsnorm oder Ausweichklausel zukommt. Trotzdem soll aber im folgenden kurz aufgezeigt werden, in welchen Rechtsgebieten sich der Gesetzgeber entscheidend vom Prinzip der engsten Verbindung hat leiten lassen.

7. Internationales

Schuldvertragsrecht

Im internationalen Schuldvertragsrecht gilt zunächst der Grundsatz der Parteiautonomie (Art. 27 EGBGB). Danach können die Parteien das Vertragsstatut im Wege der Rechtswahl selbst bestimmen35. Mangels Rechtswahl findet gemäß Art. 28 I 1 EGBGB das Recht des Staates Anwendung, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Die engste Verbindung ist vom deutschen Reformgesetzgeber also zur Anknüpfungsnorm erhoben worden. Aber bereits vor der Neuregelung des IPR hat eine Bewertung der zu den betroffenen Rechtsordnungen bestehenden Beziehungen stattgefunden, wenn im Rahmen des hypothetischen Parteiwillens auf den objektiven Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses abgestellt wurde 36.

34 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 79; Schurig, RabelsZ 59 (1995), S. 229, 235; vgl. auch BT-Drucks. 10/504, S. 30, wo im Rahmen des Personalstatuts ausdrücklich auf das Parteiinteresse abgestellt wird; zustimmend Mansel, Personalstatut, Rdnr 55. 35 BGHZ 52, 239, 241; 73, 391, 393; Palandt/Heldrich, Art. 27 EGBGB, Rdnr 1; Erman/ Hohloch, Art. 27 EGBGB, Rdnr 7; v. Bar, IPR II, Rdnr 412. Zu den insoweit geltenden Einschränkungen ausführlich Einsele, RabelsZ 60 (1996), S. 417,425 ff. 36 So die vor der Reform h.M., vgl. Soergd / Kegel", vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 352; BGHZ 19, 110, 112; 61,221,223.

§5 Anknüpfungsprinzip

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Auch das Schweizerische Bundesgericht stellt seit 1934 bei Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten Rechtswahl auf den „engsten räumlichen Zusammenhang" des Vertrags ab 37 . In der Schweiz wurde aber in der Folgezeit die Beschränkung auf räumliche Beziehungen aufgegeben 38, weshalb Art. 117 I des neuen schw. IPR-Gesetzes auch weitgehend dem Art. 28 IEGBGB entspricht39. Deutliche Parallelen finden sich weiterhin zur englischen Gerichtspraxis, welche im internationalen Vertragsrecht mangels Rechtswahl die „dosest and most real connection" maßgebend sein läßt40. Auch die französische Rechtsprechung bevorzugt eine objektive Anknüpfung des Vertrags und wendet das Recht des Landes an „avec lequel le contrat présente le rapport le plus étroit" 41. Aufgrund dieser weitgehenden Übereinstimmung innerhalb der einzelnen Rechtsordnungen Europas42 hat der Begriff der engsten Verbindung dann auch Eingang in das Römische EWGÜbereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. 06. 198043 gefunden 44, dessen Vorschriften mit gewissen redaktionellen Änderungen in das EGBGB übernommen wurden. Unabhängig davon, wie der Rechtsanwender die engste Verbindung jeweils zu konkretisieren hat, bleibt damit festzuhalten, daß es im internationalen Schuldvertragsrecht nicht darum geht, das mangels Rechtswahl anzuwendende Recht vorab und abstrakt zu bestimmen45. Vielmehr findet eine konkrete Bewertung der beteiligten Interessen statt. Daher wird das internationale Vertragsrecht also nicht nur vom Grundsatz der Parteiautonomie, sondern eindeutig auch vom Prinzip der engsten Verbindung beherrscht46. 37 BGE 60 II, 294, 301; 78 II, 74, 85. 38 Der Sache nach schon in BGE 81 II, 391, 393, wo darauf abgestellt wird, daß eine Leistung in italienischer Wahrung geschuldet ist. Dabei handelt es sich indes nicht um eine räumliche, sondern vielmehr um eine tatsächliche Beziehung des Vertrags zum italienischen Recht; so auch Gamillscheg, AcP 157 (1958/59), S. 303, 337. 39 Art. 117 I schw. IPRG lautet: Bei Fehlen einer Rechtswahl untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt; vgl. dazu Keller/Kren Kostkiewicz, in: IPRG-Kommentar, Art. 117, Rdnr 13. 40 Boissevain v. Weil [1949] 1 K.B. 482, 490; Bonython v. Commonwealth of Australia [1951] A.C. 201, 219; vgl. dazu auch Dicey/Morris, Conflict of Laws II, S. 1189. Der Begriff geht zurück auf Westlake, Treatise on Private International Law 2 , § 212. 4 1 Cour d@* appel de Paris, Rev. crit. dr. i. pr. 44 (1955), S. 330, 331; hagarde, Ree. des Cours 196 (1986 I), S. 9, 35. 42 Auch in Österreich ist das internationale Schuldrecht vom „Prinzip der stärksten Beziehung" (§ 1 I IPRG) geprägt, Schwind, ZfRV 12 (1971), S. 161, 240; Rummel ISchwimann, § 36 IPRG, Rdnr 2. 4 3 BGBl. 1986 II, S. 810. 44

Guiliano/Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 51-52; König, EuR 10 (1975), S. 289, 301; Juenger, RabelsZ 46 (1982), S. 57, 70. 45 So noch Savigny, wenn er - unabhängig vom jeweiligen Einzelfall - das Erfüllungsortsrecht maßgeblich sein lassen wollte. 46 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 103; hagarde, Ree. des Cours 1% (1986 I), S. 9, 33; Kropholler, IPR, § 52 III, S. 415. 5 Geisler

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

2. Personalstatut Der Begriff „Personalstatut" wird im Internationalen Privatrecht nicht einheitlich verwendet47. Herkömmlicherweise soll damit jedoch diejenige Rechtsordnung bezeichnet werden, die für alle persönlichen Rechtsverhältnisse eines Menschen maßgeblich ist, wobei das anwendbare Recht durch die Anknüpfung an ein mit der Person eng verbundenes Merkmal ermittelt wird 48 . Als Anknüpfungspunkte kommen insoweit die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz oder der (gewöhnliche) Aufenthalt in Betracht49. Der deutsche Gesetzgeber hat sich in Art. 5 I 1 EGBGB im Grundsatz zum Staatsangehörigkeitsprinzip bekannt50. Fraglich ist nun aber, inwieweit diese Regelung Ausdruck des Prinzips der engsten Verbindung ist. Von einigen Stimmen in der Literatur wird die Ansicht vertreten, daß das Personalstatut grds. nicht vom Gedanken der engsten Verbindung geprägt sein könne, da der Gesetzgeber immer nur die Möglichkeit habe, sich im voraus und ohne Berücksichtigung des Einzelfalls entweder für das Staatsangehörigkeitsprinzip oder aber das Aufenthalts- bzw. Wohnsitzprinzip zu entscheiden51. Die jeweils gewählte Anknüpfung sei vielmehr i.d.R. historisch bedingt und Ausdruck des Souveränitätsgedankens52. Dem ist zuzugeben, daß die Maßgeblichkeit des Staatsangehörigkeitsprinzips im Kollisionsrecht eng mit dem nationalen Souveränitätsdenken des 19. Jahrhunderts verknüpft ist 53 . Danach führte die Personalhoheit des Staates unmittelbar zur Anwendung des inländischen Rechts auf die personenrechtlichen Verhältnisse der eigenen Staatsangehörigen54. So verstanden leistet das Staatsangehörigkeitsprinzip in der Tat keinen Beitrag zur Verwirklichung des Prinzips der engsten Verbindung. Andererseits wird durch die Staatsangehörigkeit aber auch der Bezug zu einer Rechtsordnung vermittelt, da eine Person typischerweise in ihrem Heimatstaat verwurzelt ist 55 . Ebenso bestehen allerdings auch starke, im Einzelfall vielleicht sogar 47

Zu den unterschiedlichen Bedeutungen im einzelnen vgl. Mansel, Personalstatut, Rdnr 36; Kegel/Schurig, IPR, § 13 II 2, S. 385; v. Bar, IPR I, Rdnr 22. 4 8 BT-Drucks. 10/504, S. 30; Neuhaus, Grundbegriffe, § 26 I, S. 201; Mansel, Personalstatut, Rdnr 36; Raape/Sturm, IPR, § 7 II 2, S. 105. 49 Kegel/Schurig, IPR, § 13 II 2, S. 385; MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR, Rdnr 604; Staudinger/Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 15. 50 Allerdings wird das Staatsangehörigkeitsprinzip im deutschen Kollisionsrecht verschiedentlich durchbrochen, vgl. dazu Mansel, Personalstatut, Rdnr 75 - 80. Lagarde, Ree. des Cours 196 (1986 I), S. 9, 31: „Une telle règle résulte le plus souvent de considérations historiques et ne peut se réclamer du principe de proximité qui précisément ne permet pas de choisir, a priori et abstraitement, entre le rattachement à la nationalité et le rattachement au domicile." 52

Vgl. Batiffol/Lagarde, Droit internationale privé, Nr. 268. Zur Geschichte des Staatsangehörigkeitsprinzips im Kollisionsrecht vgl. Korkisch, Fschr. Dölle II, S. 87 ff.; Grasmann, Fschr. Neumayer, S. 249, 252. 54 Zitelmann, IPR I, S. 119: »Jeder Staat herrscht kraft seiner Personalhoheit über die ihm angehörigen Personen." 53

§ 5 Anknüpfungsprinzip

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stärkere 56 Beziehungen zum Wohnsitzrecht. Will der Gesetzgeber nun mit der Anknüpfung des Personalstatuts dem Gedanken der engsten Verbindung Rechnung tragen, so muß er entscheiden, wodurch im allgemeinen die engste Verbindung vermittelt wird, durch das Heimat- oder das Wohnsitzrecht. Diese Entscheidung fällt schon deshalb nicht leicht, weil sowohl das Staatsangehörigkeits- als auch das Wohnsitzprinzip weite Verbreitung gefunden haben57, so daß nicht ohne weiteres vom Vorrang eines dieser Prinzipien ausgegangen werden kann. Das Rechtsprinzip der engsten Verbindung verpflichtet indes nicht auf eine bestimmte Entscheidung, sondern umschreibt nur das mit der Anknüpfung zu verwirklichende Ziel 58 . Ein allgemeines Rechtsprinzip ist nämlich gerade dadurch gekennzeichnet, daß es den Gesetzgeber bei dem Erlaß einer (Kollisions-)Norm zwar maßgeblich beeinflußt, ohne dabei allerdings eine konkrete (Ver-)Weisung auszusprechen oder zu gebieten 59 . Art. 5 I 1 EGBGB ist deshalb dann Ausdruck des Prinzips der engsten Verbindung, wenn sich der Gesetzgeber beim Erlaß der Regelung maßgeblich von diesem Prinzip hat leiten lassen. Demgegenüber kann allein die Tatsache, daß im Ergebnis grds. an die Staatsangehörigkeit der Person angeknüpft wird, zur Beantwortung dieser Frage nichts beitragen60. Der deutsche Reformgesetzgeber hat seine Entscheidung zugunsten des Staatsangehörigkeitsprinzips vor allem aus folgenden Erwägungen heraus getroffen 61: Der Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit sei stabiler, schwieriger zu manipulieren und leichter feststellbar als der des gewöhnlichen Aufenthalts. Weiterhin werde der internationale Entscheidungseinklang gefördert, da das Staatsangehörigkeitsprinzip auch in den meisten Heimatstaaten der in Deutschland lebenden Ausländer gelte. Außerdem trage die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit auch der Heimatverbundenheit der Person Rechnung. Dabei zeige sich die anhaltende Bindung zum Herkunftsland besonders daran, daß ein Großteil der Ausländer die Rückkehr in den Heimatstaat beabsichtige. Schließlich könne ein Vorrang des Aufenthaltsprinzips auch nicht mit der dann eintretenden häufigeren Anwendung deut55 BVerfGE 31, 58, 78; StaudingerIBlumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 18; Kegel/Schurig, IPR, § 13 II 3, S. 390; BT-Drucks. 10/504, S. 30. Demgegenüber betont Kropholler, IPR, § 38 I 2, S. 248, daß der Erwerb der Staatsangehörigkeit unabhängig von der tatsächlichen Verbindung des Betreffenden zu einer Rechtsordnung erfolge, weshalb eine starre Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit dem Prinzip der engsten Verbindung widerspreche. 56 So u.U. dann, wenn sich eine Person über Jahre hinweg ständig in einem ausländischen Staat aufhält. 51 Das Staatsangehörigkeitsprinzip gilt in den meisten kontinental-europäischen Staaten, namentlich in Frankreich, Belgien, Italien, Spanien, Portugal und Österreich. Dem Wohnsitzprinzip folgen u. a. England, Irland, die USA, Dänemark, Norwegen und die Schweiz, vgl. Kegel/Schurig, IPR, § 13 II 3, S. 387; Raape/Sturm, IPR, § 8 II, S. 115 m. w. N. 58 Siehe oben § 5. II. 59 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm, S. 52; Larenz, Fschr. Nikisch, S. 275, 300. 60 Vgl. von Overbeck, Ree. des Cours 176 (1982 III), S. 9, 75.

61 BT-Drucks. 10/504, S. 31; Mansel, Personalstatut, Rdnr 55. Der Gesetzgeber ist insofern weitgehend dem Entwurf von Kühne gefolgt, vgl. dens., IPR-Entwurf, S. 64 - 66. 5*

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

sehen Sachrechts durch deutsche Gerichte gerechtfertigt werden, da dieser Aspekt bei der internationalprivatrechtlichen Interessenabwägung grds. außer acht bleiben müsse. Bewertet man die Gesetzesmotive, so fällt auf, daß der Gesetzgeber nicht nur aus Tradition am Staatsangehörigkeitsprinzip festgehalten hat. Vielmehr wurde in nicht unerheblichem Maße auf die beteiligten Parteiinteressen abgestellt. Allerdings ist die Staatsangehörigkeit auch aus Gründen der Rechtssicherheit als Anknüpfungspunkt gewählt worden62. Teilweise werden diese Erwägungen sogar als ausschlaggebend für die Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips angesehen, da nur der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit es rechtfertigen könne, das Prinzip der engsten Verbindung so unvollkommen zu verwirklichen, wie dies mit einer starren Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit geschehe63. Wer so argumentiert, vertritt letztlich die Ansicht, daß das Prinzip der engsten Verbindung eine Anknüpfung an den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person fordert 64. Dem ist zuzugeben, daß die Staatsangehörigkeit in der Tat nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben und damit unabhängig von den tatsächlich bestehenden Beziehungen zu einer bestimmten Rechtsordnung erworben wird. Eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit kann daher im Einzelfall zu einem Ergebnis führen, welches dem Prinzip der engsten Verbindung nicht mehr vollständig entspricht. Andererseits kann aber auch eine seit Jahren im Ausland lebende Person noch deutlich stärker in ihrem Heimatrecht verwurzelt sein. Folglich vermag auch eine Anknüpfung an den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt nicht zu gewährleisten, daß der Grundsatz der engsten Verbindung stets vollständig verwirklicht wird. Dies ist indes schon deshalb nicht möglich, weil der Gesetzgeber immer dann, wenn er die Konkretisierung der engsten Verbindung nicht dem Rechtsanwender überläßt, darum bemüht sein muß zu bestimmen, wodurch im allgemeinen die engste Verbindung vermittelt wird 65 . Eine solche allgemeine Interessenbewertung kann durchaus zugunsten des Staatsangehörigkeitsprinzips ausfallen 66, obwohl sich sicher auch ein anderes Ergebnis rechtfertigen ließe67. Falls der Gesetzgeber aber, wie beim Personalstatut geschehen, eine solche Interessenabwägung vornimmt, hat er sich bei seiner Entscheidung vom Prinzip der engsten Verbindung leiten lassen68. Eine ganz andere Frage ist allerdings, wie die Fälle zu behandeln « Staudinger/Blumenwitz* Art. 5 EGBGB, Rdnr 18. « Kropholler, IPR, § 38 I 2, S. 248. 64 Vgl. Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 44 (1980), S. 326, 335; Lagarde, Ree. des Cours 196 (1986 I), S. 9, 66; Samtleben, RabelsZ 42 (1978), S. 456,472. Auch Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 77 ist der Ansicht, daß für im Inland lebende Ausländer das Wohnsitzprinzip gelten müsse. Für Inländer will er hingegen weiterhin das Heimatrecht maßgeblich sein lassen. 65 von Overbeck, Ree. des Cours 176 (1982 III), S. 9, 87. 66 Kegel 1 y IPR, § 13 II 3, S. 323-327; Jayme, Fschr. Müller-Freienfels, S. 341, 363. 67 Vgl. insoweit die von Grasmann, Fschr. Neumayer, S. 249, 253 ff. vorgenommene Interessenabwägung.

§ 5 Anknüpfungsprinzip

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sind, bei denen tatsächlich eine (wesentlich) engere Beziehung zum Aufenthaltsstaat besteht. Hier stellt sich dann das Problem, ob es im Wege der Rechtsfortbildung möglich ist, vom Staatsangehörigkeitsprinzip abzuweichen69. Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, daß im Rahmen des Personalstatuts auch eine gesetzlich angeordnete Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit dem Gedanken der engsten Verbindung entsprechen kann.

3. Familien- und Erbstatut Bei der Entscheidung des Reformgesetzgebers zugunsten des Staatsangehörigkeitsprinzips handelt es sich um eine Grundsatzentscheidung, die auch Auswirkungen auf das internationale Familien- und Erbrecht gehabt hat 70 . Die in Art. 14 I Nr. 1 EGBGB und Art. 25 I EGBGB statuierte Anknüpfung an die (gemeinsame) Staatsangehörigkeit war insoweit „vorgezeichnet"71. In diesem Zusammenhang ist nun kritisiert worden, daß die erforderliche Grundsatzdiskussion um das maßgebliche Anknüpfungsprinzip gerade nicht geführt worden sei 72 und folglich die interessenjuristische Argumentation bei der Gesetzesvorbereitung nur eine marginale Rolle gespielt habe73. In der Tat hat sich die im Deutschen Rat für IPR für das Arbeitsgebiet „Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?" zuständige Abteilung im Jahre 1961 aufgelöst, ohne konkrete Ergebnisse vorzulegen74. Trotzdem finden sich aber in den Vorschlägen und Gutachten zur IPR-Reform einige Stellungnahmen zu dieser Grundsatzfrage. So hat Kegel den Vorrang des Staatsangehörigkeitsprinzips im Eherecht mit dem Bestehen eines entsprechenden Parteiinteresses gerechtfertigt 75. Auch auf dem Gebiet des Erbrechts sind nach Ansicht der IPR-Kommission die Beziehungen zum Heimatstaat selbst bei länger dauernder Wohnsitznahme im Ausland zumeist stärker als zum Aufenthaltsstaat 76. Mithin sind also auch im inter68 Mansel, Personalstatut, Rdnr 55; Staudinger/Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 18. 69 Genauer gesagt geht es um die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion im IPR. Auch diese Fragestellung wird noch zu erörtern sein. 70 Kühne, IPR-Entwurf, S. 91 (Familienstatut) und S. 157 (Erbstatut); BT-Drucks. 10/ 504, S. 74 (Erbstatut); Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 41.

71 Ferid, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Erbrecht (1969), S. 24; Vorschläge und Gutachten zum int. Personen-, Familien- und Erbrecht (1981), S. 38. 72 Kropholler, IPR, § 38 IV 1, S. 252. 73 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 42. 74 Neuhaus, FamRZ 1962, S. 415,418. 75 Kegel, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Eherecht (1962), S. 106; ders., in: Vorschläge und Gutachten zum int. Personen-, Familien- und Erbrecht (1981), S. 120-122. 76 Ferid, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Erbrecht (1969), S. 26; vgl. auch Firsching, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Personen-, Familien- und Erbrecht (1981), S. 209.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

nationalen Ehe- und Erbrecht die beteiligten (kollisionsrechtlichen) Interessen bei der Entscheidung des Gesetzgebers nicht gänzlich außer Betracht geblieben. Damit ist jedoch noch nicht abschließend entschieden, inwieweit die gewählte Anknüpfung das Prinzip der engsten Verbindung verwirklicht. Der Reform Vorschlag der IPR-Kommission in der Fassung vom 05. 05. 1979 spricht ausdrücklich davon, daß sich die Kommission im Bereich des internationalen Eherechts darum bemüht hat, die im Regelfall engste Verbindung eines Ehepaars mit einer Rechtsordnung zu ermitteln 77. Der Gesetzgeber selbst war bei seiner Reform bestrebt, die »jeweils am weitesten reichende gemeinsame Anknüpfung" zu finden 78. Dieses Bestreben kommt auch in der Anknüpfungsleiter des Art. 14 I EGBGB zum Ausdruck, welche in Ermangelung einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit und eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts auf das Recht des Staates abstellt, mit dem die Ehegatten auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind, Art. 14 I Nr. 3 EGBGB. Daraus läßt sich entnehmen, daß Art. 14 I Nrn. 1 und 2 EGBGB als gesetzliche Konkretisierungen der engsten Verbindung zu verstehen sind. Außerdem werden die allgemeinen Ehewirkungen in Art. 141 EGBGB auch nicht unwandelbar angeknüpft 79. Aus den genannten Gründen hat sich der Gesetzgeber im Bereich des Familienstatuts maßgeblich vom Prinzip der engsten Verbindung leiten lassen. Demgegenüber wird im internationalen Erbrecht der Aspekt der Rechtssicherheit deutlich stärker betont. So ist das Festhalten am Staatsangehörigkeitsprinzip nicht zuletzt damit gerechtfertigt worden, daß die tatsächliche Aufklärung von Wohnsitzverhältnissen im Erbrecht viel schwieriger möglich sei als im Familienrecht, da der Erblasser ja als Beweismittel wegfalle 80. Auch sprächen Praktikabilitätserwägungen hinsichtlich der Nachlaßabwicklung für eine Anknüpfung an die letzte Staatsangehörigkeit des Erblassers81. Der Reformgesetzgeber führt in diesem Zusammenhang die Rechtsklarheit, die Übereinstimmung mit dem Personalstatut und die Beibehaltung eines bewährten Rechtsgrundsatzes als Gründe an 82 . Der drohende Verlust an Rechtssicherheit war auch ausschlaggebend dafür, daß die Bundesrepublik Deutschland das Haager Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht vom 01. 08. 1989 83 bisher 77

Vorschläge und Gutachten zum int. Personen-, Familien- und Erbrecht (1981), S. 38. * BT-Drucks. 10/504, S. 54. 79 Anders aber Art. 15 I EGBGB, der für das Güterrechtsstatut auf den Zeitpunkt der Eheschließung abstellt. so Ferid, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Erbrecht (1969), S. 25. Auch Firsching, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Personen-, Familien- und Erbrecht (1981), S. 209 betont ausdrücklich den Aspekt der Rechtssicherheit. 7

81 Kühne, IPR-Entwurf, S. 157. 82 BT-Drucks. 10/504, S. 74. 83 Text in Rev. crit. dr. i. pr. 77 (1988), S. 807 ff. Das Übereinkommen sieht in Art. 3 eine dreifach gestufte Anknüpfung vor: (1) Es gilt das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes, wenn der Erblasser auch die Staatsangehörigkeit dieses

§ 5 Anknüpfungsprinzip

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nicht gezeichnet hat 84 . Aber auch schon früher ist ausdrücklich das Festhalten an einer starren Anknüpfung befürwortet worden85. Mithin geht es im deutschen internationalen Erbrecht zwar darum, eine mit dem Erblasser eng verbundene Rechtsordnung86 zur Anwendung zu bringen, die Geltung des Staatsangehörigkeitsprinzips ist jedoch in diesem Bereich auch nicht zuletzt deshalb angeordnet worden, um hinsichtlich der Nachlaßabwicklung eine klare und vorhersehbare Entscheidung gewährleisten zu können. Die Regelung des Art. 25 I EGBGB kann deshalb nur bedingt als Ausdruck des Gedankens der engsten Verbindung verstanden werden.

V. Überlagerung des Prinzips Bereits die Ausführungen zum Erbstatut haben gezeigt, daß nicht alle Verweisungsnormen ausschließlich dem Zweck dienen, dasjenige Recht zu ermitteln, mit welchem der Sachverhalt am engsten verbunden ist. Allerdings werden nicht nur aus Gründen der Rechtssicherheit Abstriche bei der Verwirklichung der internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit gemacht. Der Gesetzgeber hat vielmehr beim Erlaß zahlreicher Kollisionsregeln ein anderes Ziel verfolgt als die Suche nach dem angemessensten Recht, weshalb das Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung insoweit überlagert oder sogar verdrängt wird.

1. Materiellrechtliche

Wertungen

So kann es das Bestreben des Gesetzgebers sein, die Erzielung eines bestimmten materiellrechtlichen Ergebnisses zu ermöglichen oder zu verhindern. Deshalb genügt es in einigen Fällen bereits, daß nur eines der beteiligten Rechte die gewünschte Rechtsfolge ausspricht, während in anderen Fällen der materiellrechtliche Erfolg nur dann eintritt, wenn die Voraussetzungen mehrerer Sachrechte erfüllt sind. Schließlich finden sich auch Kollisionsnormen, die ausdrücklich den Schutz der schwächeren Vertragspartei bezwecken. Staates besaß; (2) Bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem fremden Staat gilt dessen Recht, wenn sich der Erblasser dort unmittelbar vor seinem Tod wenigstens fünf Jahre lang aufgehalten hat; (3) Ansonsten ist das letzte Heimatrecht des Erblassers maßgeblich, es sei denn, im Todeszeitpunkt haben engere Verbindungen zu einem anderen Staat bestanden. m Kunz, ZRP 1990, S. 212, 214; v. Bar, IPR II, Rdnr 355. Dagegen ist in den Niederlanden am 01. 10. 1996 eine gesetzliche Regelung in Kraft getreten, die das o.g. Haager Übereinkommen in wesentlichen Teilen umsetzt (vgl. Staatsblad 1996,458). w Ferid, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Erbrecht (1969), S. 27, Fn. 25: „Der Gedanke, daß sich das anzuwendende Recht nicht mehr aus einer starren, ein für allemal geltenden Anknüpfung... ergeben könne, ist jedenfalls auf absehbare Zeit irreal." 86 So betonen Kegel/Schurig, IPR, § 211 1, S. 853, daß das Personalstatut des Erblassers (auch) im Parteiinteresse als Anknüpfung gewählt werde.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

a) Alternative Anknüpfung Bei der alternativen Anknüpfung handelt es sich um eine Form der Mehrfachanknüpfung, bei welcher der Rechtsanwender die maßgebliche Rechtsordnung anhand einer materiellrechtlichen Ergebnisvorgabe zu bestimmen hat, wobei die zur Wahl stehenden Rechtsordnungen genau bezeichnet werden87. Die Auswahl erfolgt dann nach dem Günstigkeitsprinzip88, da das Recht zur Anwendung kommt, das die erstrebte, abstrakt vorformulierte Rechtsfolge gewährt89. Daher wird auch von einer ,Anknüpfungshäufung mit materiellem Stichentscheid" gesprochen90. Bei der alternativen Anknüpfung ist die kollisionsrechtliche Entscheidung über das anwendbare Recht folglich eindeutig von den jeweiligen sachrechtlichen Zielvorstellungen abhängig91. Das wohl bekannteste Beispiel einer alternativen Anknüpfung bildet Art. 11 I EGBGB, der es für die Formwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts genügen läßt, daß entweder die Formerfordernisse des Geschäftsstatuts oder des Rechts des Vornahmeortes erfüllt sind (favor negotii). Mit dieser Regelung soll den Bedürfnissen des internationalen Geschäftsverkehrs Rechnung getragen werden, da die Formvorschriften einer fremden lex causae für die Parteien oftmals nur schwer zu ermitteln sind92. Die alternative Anwendbarkeit des Ortsrechts führt daher zu einer erheblichen Verkehrserleichterung. Zudem werden auf diese Weise die Erwartungen der Vertragsparteien geschützt, die i.d.R. auf die Formgültigkeit eines Rechtsgeschäfts vertrauen, wenn sie die am Abschlußort geltenden Formerfordernisse eingehalten haben93. Auch eine Verfügung von Todes wegen soll nicht an Formmängeln scheitern, wenn die Verfügung dem Recht eines Staates genügt, mit dem der Erblasser hinreichend eng verbunden gewesen ist (favor testamenti)94. Art. 26 I 1 EGBGB nennt daher nicht weniger als zehn Rechte, nach denen eine letztwillige Verfügung formgültig sein kann95. Unabhängig vom jeweiligen Erbstatut dienen die Formerforder87 Baum, Alternativanknüpfungen, S. 58; Kropholler, IPR, § 20 II 1, S. 125. 88 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 81; v. Bar, IPR I, Rdnr 564; Bucher, Grundfragen, S. 63. 89 Baum, Alternativanknüpfiingen, S. 58. 90 Schurig, Kollisionsnorm, S. 206. 91 Siehr, RabelsZ 37 (1973), S. 466,471. 92 BT-Drucks. 10/504, S. 48; MünchKomm ! Spellenberg, Art. 11 EGBGB, Rdnr 1; v. Bar, IPR I, Rdnr 565; Neuhaus, Grundbegriffe, § 17 I, S. 142. 93 Kegel/Schurig, IPR, § 2 II 2, S. 120: Baum, Alternativanknüpfungen, S. 110. 94 MünchKomm/Birk, Art. 26 EGBGB, Rdnr 38; Keller/Siehr, IPR, § 23 V 3 a, S. 281; Kropholler, IPR, § 51IV 3, S. 396. 95 Art. 26 I 1 EGBGB entspricht weitgehend dem Art. 1 I des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 05. 10. 1961 (BGBl. 1965 II, S. 1145). Danach wird alternativ an acht Rechte angeknüpft. Zusätzlich beruft Art. 2611 Nr. 5 EGBGB noch das tatsächliche sowie das hypothetische Erbstatut.

§ 5 Anknüpfungsprinzip

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nisse nämlich dem Zweck, den wahren Erblasserwillen mit Gewißheit feststellen zu können. Deshalb ist es für die kollisionsrechtliche Behandlung auch unerheblich, in welcher Art und Weise eine Rechtsordnung die Echtheit einer letztwilligen Verfügung gewährleisten will 96 . Die Einhaltung der Formvorschriften einer bestimmten Rechtsordnung führt daher nur dann nicht zur Formgültigkeit der Verfügung von Todes wegen, wenn zu diesem Recht überhaupt keine vernünftige Beziehung besteht. Alternative Anknüpfungen begegnen im Kollisionsrecht allerdings auch außerhalb des Formstatuts, und zwar insbesondere im internationalen Familienrecht. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die bisherigen Art. 19 bis 21 EGBGB durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz 97 eine wesentliche Änderung erfahren haben98. Im Hinblick auf die zahlreichen Altrechtsfälle ist hier aber auch noch auf die bis zum Ol. 07. 1998 geltende Rechtslage einzugehen99. Gemäß Art. 20 I 3 EGBGB a.F. kann die Feststellung der Vaterschaft bei nichtehelichen Kindern nicht nur nach dem von Art. 2011 EGBGB berufenen Heimatrecht der Mutter zur Zeit der Geburt erfolgen, sondern vielmehr auch nach dem Recht des Staates, dem der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes angehört, sowie nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die alternative Anknüpfung bezweckt hier eine Begünstigung des Kindes, dem mehrere Möglichkeiten offenstehen sollen, die Vaterschaft feststellen zu lassen 100 . Deshalb entscheidet auch das Kindeswohl darüber, welche der in Betracht kommenden Rechtsordnungen im konkreten Fall für die Vaterschaftsfeststellung maßgebend ist 101 . Auch die Neufassung des Art. 19 EGBGB soll die Begründung bzw. Feststellung der Abstammung begünstigen102. Weiterhin läßt Art. 19 I 4 EGBGB a.F. die Ehelichkeitsanfechtung durch das Kind auch nach dem Recht an seinem gewöhnlichen Aufenthalt zu, um auf diese Weise das Interesse des Kindes an der Feststellung seiner tatsächlichen Abstammung (favor naturalis originis) zu fördern 103. Diese Anknüpfung ist dabei alternativ neben dem allgemeinen Anfechtungsstatut (Art. 1911 und 2 EGBGB a.F.) berufen 104. 96 v. Bar, IPR II, Rdnr 392. 97 BGBl. 1997 I, S. 2942. Das Gesetz ist am 01. 07. 1998 in Kraft getreten. 98 Vgl. dazu Henrich, StAZ 1998, S. 1 - 6 . 99 Die entsprechenden Vorschriften werden dabei mit EGBGB a.F. gekennzeichnet. 100 Staudinger/ Kropholler, Art. 20 EGBGB, Rdnr 54; Kegel 7, IPR, § 20 X I 1 b, S. 712; MünchKomm / Klinkhardt, Art. 20 EGBGB, Rdnr 22. ιοί BT-Drucks. 10/5632, S. 43; OLG Hamm IPRspr. 1990 Nr. 139 = StAZ 1991, S. 195; KG IPRspr. 1994 Nr. 112 = FamRZ 1994, S. 986, 988; Palandt/Heldrich, Art. 20 EGBGB, Rdnr 8; zweifelnd Soergel/Kegel, Art. 20 EGBGB, Rdnr 11. 102 MünchKomm/Klinkhardt, Art. 19 EGBGB n.F., Rdnr 14. 103 BGH IPRspr. 1994 Nr. 99 = NJW 1994, S. 2360, 2361; Kropholler, IPR, § 48 III 3, S. 365; BT-Drucks. 10/504, S. 66.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

Schließlich wird auch in Art. 21 I 2 EGBGB a.F. eine alternative Anknüpfung statuiert105: Grundsätzlich unterliegt die Legitimation durch nachfolgende Ehe gemäß Art. 2111 EGBGB a.F. dem gesetzlichen Ehewirkungsstatut im Zeitpunkt der Eheschließung. Gehören die Ehegatten nun verschiedenen Staaten an, so kann das Kind allerdings nicht nur nach dem Recht des Staates legitimiert werden, in dem beide Ehegatten bei der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder mit dem sie auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind (Art. 14 I Nrn. 2 und 3 EGBGB). Die Regelanknüpfung wird vielmehr durch Art. 21 I 2 EGBGB a.F. durchbrochen, der alternativ das Heimatrecht jedes der beiden Ehegatten beruft. Diese Durchbrechung ist im Interesse der Förderung der Legitimation (favor legitimationis) angeordnet worden 106. Mithin hat sich der Gesetzgeber auch bei dem Erlaß dieser Regelung maßgeblich von materiellrechtlichen Erwägungen leiten lassen.

b) Subsidiäre Anknüpfung Die subsidiäre Anknüpfung ist dadurch gekennzeichnet, daß im Tatbestand der Kollisionsnorm hilfsweise ein weiteres Anknüpfungsmoment zur Verfügung gestellt wird, sofern das gewünschte materiellrechtliche Ergebnis nach der primär berufenen Rechtsordnung nicht eintritt 107. Im Gegensatz zur alternativen Anknüpfung stehen die berufenen Rechtsordnungen aber nicht gleichberechtigt nebeneinander. Der Rechtsanwender muß vielmehr zunächst ermitteln, ob das an sich maßgebliche Statut die gewünschte Rechtsfolge tatsächlich ausspricht. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf auf das subsidiär berufene Recht zurückgegriffen werden 108. Ziel der subsidiären Anknüpfung ist jedoch genau wie bei der alternativen Rechtsanwendung die Begünstigung einer bestimmten sachrechtlichen Entscheidung. Deshalb sollten auch die sog. Anknüpfungsleitern nicht als subsidiäre Anknüpfungen bezeichnet werden 109. Bei diesen wird nämlich für verschieden gelagerte Sachverhalte auf jeweils andere Anknüpfungsmomente abgestellt110, während im 104 Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB, Rdnr 163; MünchKomm/Klinkhardt, Art. 19 EGBGB, Rdnr 11; Palandt/Heldrich, Art. 19 EGBGB, Rdnr 5. 105 Lüderitz, IPR, Rdnr 379; Staudinger/Henrich, Art. 21 EGBGB, Rdnr 16; Erman/tfo/iloch, Art. 21 EGBGB, Rdnr 12. 106 OLG Hamm IPRspr. 1987 Nr. 93 = NJW-RR 1988, S. 323; BayObLG IPRspr. 1994 Nr. 187 = StAZ 1994, S. 284, 285; BT-Drucks. 10/504, S. 70; Soergel/ Lüderitz, Art. 21 EGBGB, Rdnr 7; v. Bar, IPR I, Rdnr 566. 107 von Hoffmann, IPR, § 5, Rdnr 118; Keller/Siehr, IPR, § 23 V 4, S. 283. Kropholler, IPR, § 2012 c, S. 124 spricht insoweit von einer „korrigierenden" Anknüpfung. io» Lüderitz, IPR, Rdnr 69; Keller /Siehr, IPR, § 23 V 4, S. 283. 109 So aber Kropholler, IPR, § 20 III, S. 127. no Vgl. Art. 141 Nr. 1 - 3 EGBGB: Das Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. am Ort der gemeinsamen engsten Verbindung ist nur dann zur Anwendung berufen, wenn die Ehegatten über keine gemeinsame Staatsangehörigkeit (mehr) verfügen.

§ 5 Anknüpfungsprinzip

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Falle einer subsidiären Anknüpfung auf den identischen Sachverhalt nacheinander mehrere Rechtsordnungen zur Anwendung kommen, um so eine materiellrechtliche Begünstigung zu ermöglichen. Kann beispielsweise eine Ehe nach dem Scheidungsstatut des Art. 17 I 1 EGBGB nicht geschieden werden, so unterliegt die Scheidung gemäß Art. 17 I 2 EGBGB dem deutschen Recht, wenn der die Scheidung begehrende Ehegatte in diesem Zeitpunkt Deutscher ist oder dies bei der Eheschließung war. Durch diese Exklusivnorm111 soll für deutsche Ehegatten eine Scheidungsmöglichkeit auch dann gewährleistet werden, wenn nach dem Primärstatut im konkreten Fall die Scheidungsvoraussetzungen nicht oder jedenfalls zur Zeit nicht erfüllt sind 112 . Eine subsidiäre Anknüpfung wird auch in Art. 16 Π EGBGB angeordnet, wonach bei Vorliegen eines ausreichenden Inlandsbezuges Dritte in ihrem guten Glauben an die Maßgeblichkeit des deutschen Rechts als Ehewirkungs- bzw. Güterrechtsstatut dadurch geschützt werden, daß bestimmte Vorschriften des deutschen Familienrechts sinngemäß Anwendung finden, soweit diese für Dritte günstiger sind als das fremde Recht (favor tertii) 113 . Allerdings wird nicht immer nur subsidiär an das deutsche Recht angeknüpft. So kommt gemäß Art. 18 I 2 EGBGB 114 das gemeinsame Heimatrecht von Unterhaltsgläubiger und Unterhaltsschuldner zur Anwendung, wenn der Berechtigte nach dem Unterhaltsstatut des Art. 18 I 1 EGBGB keinen Unterhalt verlangen kann. Voraussetzung für ein Eingreifen des Art. 1812 EGBGB ist jedoch, daß dem Berechtigten überhaupt kein Unterhaltsanspruch gegen den Verpflichteten zusteht115. Die genannten Beispiele machen deutlich, daß sich alternative und subsidiäre Anknüpfung letztlich nur hinsichtlich der Rechtsfindung unterscheiden, da der Rechtsanwender bei letzterer zunächst ermitteln muß, zu welchem Ergebnis das primär berufene Recht gelangt. Dieser Unterschied kann indes durchaus von praktischer Bedeutung sein, wie der Meinungsstreit zu Art. 19 I 2 EGBGB a.F. zeigt, der teils als subsidiäre116, teils als alternative117 Anknüpfung verstanden wird. In

m Kegel/Schurig, IPR, § 20 VII 2 a cc, S. 746; v. Bar, IPR II, Rdnr 250. 112 OLG Celle IPRspr. 1986 Nr. 71 = FamRZ 1987, S. 159,160; Palandt/Heldrich, Art. 17 EGBGB, Rdnr 9; Erman/Hohloch, Art. 17 EGBGB, Rdnr 23. 113 MünchKomm/Siehr, Art. 16 EGBGB, Rdnr 26; BT-Drucks. 10/504, S. 59; Kropholler, IPR, § 2012 c, S. 124. 114 Die Vorschrift entspricht Art. 5 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 02. 10. 1973 (BGBl. 1986 II, S. 837). 115 Nicht ausreichend ist deshalb, wenn das Primärstatut den Unterhaltsanspruch lediglich in geringerer Höhe oder mit kürzerer Laufzeit gewährt, OLG Karlsruhe IPRspr. 1990 Nr. 104 = FamRZ 1990, S. 1351, 1352; KG IPRspr. 1987 Nr. 70 = FamRZ 1988, S. 167, 169; Lüderitz, IPR, Rdnr 70; PalandtIHeldrich, Art. 18 EGBGB, Rdnr 9. 116 BGH IPRspr. 1994 Nr. 99 = NJW 1994, S. 2360; Erman/Hohloch, Art. 19 EGBGB, Rdnr 15.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

beiden Fällen ist aber das Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung eindeutig aufgrund materiellrechtlicher Zielvorstellungen verdrängt worden.

c) Kumulative Anknüpfung Will der Gesetzgeber hingegen den Eintritt einer materiellen Rechtsfolge hemmen, so bedient er sich der kumulativen Anknüpfung. Bei einer solchen werden auf denselben Anknüpfungsgegenstand mehrere Rechte in der Weise angewendet, daß ein bestimmter materiellrechtlicher Erfolg nur dann eintritt, wenn dies nach allen beteiligten Rechtsordnungen der Fall ist 118 . Teilweise wird insoweit vom „Grundsatz des schwächeren Rechts" gesprochen119. Diese Kumulierung von Rechten erfolgt nicht selten zum Schutz bestimmter Personen120. So ordnet Art. 23 S. 1 EGBGB an, daß die Zustimmung zu statusändernden Rechtsvorgängen zusätzlich zum jeweiligen Grundstatut noch dem Heimatrecht des betroffenen Kindes unterliegt. Auf diese Weise sollen die Interessen des Kindes wenigstens in ihrem Kernbereich geschützt werden, auch wenn die Statusänderung ansonsten elternbezogen angeknüpft wird 121 . Außerdem erhöht sich so auch die Anerkennungsfähigkeit des Rechtsaktes im Ausland, insbesondere im Heimatland des Kindes. Ein weiteres Beispiel für eine kumulative Anknüpfung findet sich in Art. 17 III 1 Halbs. 2 EGBGB. Danach kann ein Versorgungsausgleich, der grds. dem Scheidungsstatut nach Art. 17 I 1 EGBGB unterliegt, nur durchgeführt werden, wenn ihn das Recht eines der Staaten kennt, denen die Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören. Der Zweck dieser Kumulation liegt darin, Rechtsfolgen aus der Anwendung des Aufenthaltsrechts (Art. 17 I 1 i.V.m. Art. 14 I Nr. 2 EGBGB) zu vermeiden, die nach den Heimatrechten beider Ehegatten nicht zu erwarten wären 122. Einen Sonderfall der kumulativen Anknüpfung stellt Art. 13 I EGBGB dar. Dieser statuiert, daß sich die Ehefähigkeit jedes Verlobten nach seinem Heimatrecht i n Staudinger/Henrich, Art. 19 EGBGB, Rdnr 36; SotxgtM Kegel, Art. 19 EGBGB, Rdnr 14; MünchKomm /Klinkhardt, Art. 19 EGBGB, Rdnr 10. us Neuhaus, Grundbegriffe, § 19 II 4 b, S. 156; Baum, Alternativanknüpfungen, S. 78; Keller/Siehr, IPR, § 23 V 2, S. 278. 119 Kegel/Schurig, IPR, § 20 II, S. 683; v. Bar, IPR I, Rdnr 553; Schurig, Kollisionsnorm, S. 206. Kritisch hierzu Kropholler, IPR, § 20 IV, S. 128; Baum, Alternativanknüpfungen, S. 78, Fn. 186. 120 Auch eine kumulative Anknüpfung kann daher Ausdruck des Günstigkeitsprinzips sein, Baum, Alternativanknüpfungen, S. 93. 121 BT-Drucks. 10/504, S. 72; Palandt/Heldrich, Art. 23 EGBGB, Rdnr 1; SocrgcULüderitz, Art. 23 EGBGB, Rdnr 3. 122 BT-Drucks. 10/504, S. 62; MünchKomm/Winkler von Mohrenfels, Art. 17 EGBGB, Rdnr 195; Kropholler, IPR, § 20IV, S. 128.

§ 5 Anknüpfungsprinzip

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beurteilt. Folglich müssen die Eheschließenden nicht nach beiden Rechten ehefähig sein. Eine Kumulation der Rechte findet vielmehr nur dann statt, wenn Ehehindernisse gerade aus der Beziehung zwischen den Verlobten resultieren oder wenn ein zweiseitiges Ehehindernis vorliegt. Deshalb wird insoweit von „gekoppelter" 123 oder „distributiver" 124 Anknüpfung bzw. von „unechter Kumulation"125 gesprochen. Der Gesetzgeber hat aber auch bei Erlaß des Art. 13 I EGBGB unzweifelhaft ein materiellrechtliches Ziel verfolgt, da es ihm vor allem darum ging, das Entstehen sog. hinkender Ehen zu verhindern 126.

d) Schutz der schwächeren Vertragspartei Einige Kollisionsnormen tragen materiellrechtlichen Erwägungen auch dadurch Rechnung, daß sie bei der (objektiven) Anknüpfung den Schutz der schwächeren Vertragspartei in den Vordergrund stellen. So etwa die Vorschrift des Art. 29 I I EGBGB, die für Verbraucherverträge nicht das Aufenthaltsrecht des Erbringers der charakteristischen Leistung (Axt. 28 Π EGBGB), sondern vielmehr das des Verbrauchers zur Anwendung beruft. Durch diese Anknüpfung soll erreicht werden, daß der Schutz des Verbrauchers durch verbraucherrechtliche Normen zwar nicht größer, aber auch auf keinen Fall geringer ist als bei Inlandsgeschäften 127. Eine Spezialvorschrift zu Art. 29 EGBGB stellt § 12 AGBG dar 128 , dessen Neufassung der Umsetzung der EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 05. 04. 1993 129 dient. Nach dieser einseitig gefaßten Sonderanknüpfung finden trotz ausländischen Vertragsstatuts unter bestimmten Voraussetzungen dennoch die Vorschriften des AGBG Anwendung130. Auch § 12 AGBG dient damit eindeutig dem Schutz des Verbrauchers als der schwächeren Vertragspartei und verhindert zum Teil die Anwendung des an sich sachnächsten Rechts. Darin liegt aber eine klare Durchbrechung des Prinzips der engsten Verbindung 131 , auch wenn § 12 AGBG für sein Eingreifen einen „engen Zusammenhang"

123 Kropholler, IPR, § 20 V, S. 129. 124 Lüderitz, IPR, Rdnr 67. 125 Keller/Siehr, IPR, § 23 V 2 b, S. 279. 126 BT-Drucks. 10/504, S. 52; Erman/Hohloch, Art. 13 EGBGB, Rdnr 15; v. Bar, IPR I, Rdnr 553. 127 BT-Drucks. 10/504, S. 80; MünchKommIMartiny, Art. 29 EGBGB, Rdnr 40; Soergel / von Hoffmann, Art. 29 EGBGB, Rdnr 38. 128 Heinrichs, NJW 1996, S. 2190, 2195; Junker, IPRax 1998, S. 65, 71. 129 Abgedruckt in NJW 1993, S. 1838-1841. 130 Näher dazu MünchKomm IMartiny, Art. 31 EGBGB, Rdnr 24. 131 So mit Recht Junker, IPRax 1998, S. 65, 66; vgl. auch von Overbeck, Ree. des Cours 176(1982 III), S. 9, 77.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

mit dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fordert 132. Mit dieser Formulierung soll indes nur der Anwendungsbereich der Sonderanknüpfung umschrieben und begrenzt werden 133, während es bei der Suche nach der engsten Verbindung um eine Gesamtbewertung der zu den einzelnen Rechtsordnungen bestehenden Beziehungen geht. Bei Art. 29 I I EGBGB und § 12 AGBG dominieren demgegenüber erkennbar materiellrechtliche Überlegungen.

2. Zulassung der Parteiautonomie Schließlich bleibt noch zu klären, inwieweit sich eine Rechtswahl der Parteien mit dem Prinzip der engsten Verbindung vereinbaren läßt. Zur Beantwortung dieser Frage muß zunächst untersucht werden, welche Grundlage die Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht jeweils hat.

a) Internationales Schuldvertragsrecht Im internationalen Schuldvertragsrecht folgen die meisten Rechtsordnungen dem Grundsatz der Rechtswahlfreiheit 134. Die Wahl des maßgeblichen Sachrechts (Art. 4 Π EGBGB) 135 wird dabei von einer Kollisionsnorm der lex fori gestattet136, weshalb nach heute ganz herrschender Auffassung auch keine logischen Bedenken mehr gegen die Zulassung der Parteiautonomie bestehen137. Begründet wird die Rechtswahlfreiheit herkömmlicherweise damit, daß auf diese Weise eine „Anknüpfungsverlegenheit" des objektiven Rechts beseitigt138 und die materiellrechtliche Vertragsfreiheit sinnvoll in das Kollisionsrecht verlängert werde 139. Außerdem rechtfertige sich die vorrangige Anknüpfung an den Parteiwillen auch aus den Bedürfnissen des internationalen Rechtsverkehrs, da der Verzicht auf eine starre Anknüpfung des Vertrages (ζ. B. an den Erfüllungsort) notwendigerweise zu einer 132 Eine entsprechende Formulierung findet sich auch in Art. 6 II der o.g. Klauselrichtlinie vom 05. 04. 1993. 133 Trotz des „engen Zusammenhangs" mit dem deutschen Recht besteht nämlich die engste Verbindung mit einem anderen Recht M Vischer, Int. VertragsR, S. 39 ff.; Sandrock/Steinschulte, Handbuch I, Rdnr A 263 ff.; Staudinger/Firsching, Vorb. zu Art. 27-37 EGBGB n.F., Rdnr 13 ff. 135 Kritisch dazu Schröder, IPRax 1987, S. 90, 92. 136 Neuhaus, Grundbegriffe, § 33 III 1, S. 256; Dölle, RabelsZ 17 (1952), S. 161, 170; Gamillscheg, AcP 157 (1958/59), S. 303,306; MünchKomm/Martiny, Art. 27 EGBGB, Rdnr 7. 137 Solche finden sich noch bei Lewald, IPR, S. 201; L v. Bar, Theorie und Praxis II, S. 5; vgl. auch Mincke, IPRax 1985, S. 313, 314. 138 Kühne, Parteiautonomie, S. 33; Kegel/Schurig, IPR, § 18 I 1 c, S. 569; Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 434.

139 Lüderitz, Fschr. Kegel (1977), S. 31, 49; v. Bar, IPR II, Rdnr 415; Kropholler, § 40 III 2, S. 271; Giuliano /hagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 47.

IPR,

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nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit führe 140. Unabhängig vom jeweiligen Begründungsversuch besteht aber insoweit Einigkeit, als daß die Parteiautonomie als eigenständiger Anknüpfungspunkt verstanden wird, der neben die objektive Anknüpfung des Vertrages tritt. Demgegenüber beurteilt ein Teil der Literatur die Zulassung der Parteiautonomie weitaus kritischer, da ein subjektives Gestaltungsrecht im Kollisionsrecht nicht anerkannt werden könne 141 . Die Parteien hätten folglich nur die Möglichkeit, den Vertrag durch Erklärung räumlich einzuordnen142. Diese „Ortswähl" sei im internationalen Schuldvertragsrecht deshalb zulässig, weil der Vertrag nur einen schwachen räumlichen Bezug besitze143. Nach dieser Ansicht besteht deshalb kein wertungsmäßiger Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Vertragsanknüpfung. Vielmehr wird die Erklärung der Parteien über das anzuwendende Recht als eine im Rahmen der objektiven Anknüpfung zu berücksichtigende Tatsache aufgefaßt. Bei einem solchen Verständnis würde die Zulassung der Parteiautonomie also ausschließlich der Verwirklichung des Prinzips der engsten Verbindung dienen. Die zuletzt genannte Auffassung beachtet indes nicht ausreichend, daß die Parteien bei der Bestimmung des maßgeblichen Rechts nach Art. 27 I EGBGB grds. frei sind. Eine Rechtswahl ist sogar dann möglich, wenn der gesamte Sachverhalt nur mit einem Staat verbunden ist 144 . Jedenfalls bei Konstellationen dieser Art läßt sich nicht begründen, warum der schlichten Erklärung der Parteien im Rahmen einer objektiven Anknüpfung größere Bedeutung zukommen soll als den tatsächlichen (räumlichen) Beziehungen des Vertrages, die allesamt auf eine andere Rechtsordnung weisen. Außerdem wollen die Parteien die zuständige Rechtsordnung durch ihre Erklärung unmittelbar bestimmen und nicht etwa nur eine Lokalisierung des Schuldverhältnisses vornehmen145. Schließlich spricht das Gesetz auch ausdrücklich von einer „Rechtswahl" und nicht etwa von einer „Ortswahl". Mithin sind objektive und subjektive Vertragsanknüpfung eindeutig voneinander zu trennen. Dies gilt selbst dann, wenn das objektive Vertragsstatut den Standard setzt, den die Parteien nicht unterschreiten dürfen, wie etwa im Rahmen des Art. 29 EGBGB. Richtig ist allerdings, daß die Parteien i.d.R. das Recht wählen werden, das ihnen als das angemessenste erscheint146. Daher muß durch die Ausübung der Partei140 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 46; Keller/Siehr, IPR, § 28 V 1, S. 386. 141 Batiffol, Contrats, S. 38 ff.; Mincke, IPRax 1985, S. 313, 315. 1 42 Batiffol, Contrats, S. 38 spricht insoweit von der „localisation" des Vertrages. 143 Mincke, IPRax 1985, S. 313, 316. 1 44 E. Lorenz, RIW 1987, S. 569, 571. Allerdings bleiben die zwingenden Bestimmungen des Rechts dieses Staates von der Rechtswahl unberührt, Art. 27 III EGBGB. 145 Gamillscheg, AcP 157 (1958/59), S. 303, 315; Kühne, Parteiautonomie, S. 27; Flessner, Interessenjurisprudenz, S. 101. 146 Siehr, Fschr. Keller, S. 485, 498; Roth, Versicherungsvertragsrecht, S. 435; Wischer, Int. VertragsR, S. 25; Reithmann /Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 45.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

autonomie nicht notwendigerweise ein Widerspruch zu dem Gedanken der engsten Verbindung entstehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beziehungen des Vertrages zu den beteiligten Rechtsordnungen in etwa gleichgewichtig sind. Andererseits kann ein Vertrag aber von den Parteien auch dem Recht eines Staates unterstellt werden, obwohl er deutlich enger mit dem Recht eines anderen Staates verbunden ist. Die Parteiautonomie verwirklicht mithin keineswegs immer das Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung. Damit ist jeoch noch nicht gesagt, daß nicht auch subjektive Elemente zur Konkretisierung der engsten Verbindung im internationalen Schuldvertragsrecht herangezogen werden können. Eine schlichte Erklärung der Parteien über das anzuwendende Recht, die in keiner Weise objektiviert worden ist, genügt indes nur deshalb, weil Art. 27 I EGBGB eine Rechtswahlmöglichkeit eröffnet. Machen die Parteien von der ihnen insoweit eingeräumten Rechtsmacht Gebrauch, bleibt für eine objektive Vertragsanknüpfung kein Raum mehr. Die Zulassung der Parteiautonomie im internationalen Schuldvertragsrecht stellt daher eine Durchbrechung des Prinzips der engsten Verbindung dar 147 , auch wenn die Parteien nicht selten das Recht wählen werden, zu dem tatsächlich die stärksten Beziehungen bestehen. b) Internationales Namens-, Familien- und Erbrecht Das soeben Gesagte muß grds. auch für die anderen Rechtsgebiete gelten, wo der Gesetzgeber den Parteien die Befugnis eingeräumt hat, das anwendbare Recht selbst zu bestimmen. Allerdings ist außerhalb des internationalen Vertragsrecht lediglich eine beschränkte Rechtswahl möglich, da den Parteien jeweils nur bestimmte Rechte zur Auswahl gestellt werden. So kann im Bereich der allgemeinen Ehewirkungen nur unter engen Voraussetzungen das Heimatrecht eines der beiden Ehegatten gewählt werden, vgl. Art. 14 Π und ΙΠ EGBGB. Eine Rechtswahl ist aber von vornherein ausgeschlossen, wenn die Eheleute über eine gemeinsame (effektive) Staatsangehörigkeit verfügen. Die gesetzgeberische Entscheidung, daß die engste Verbindung durch das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten vermittelt wird, ist folglich nicht zur Disposition der Parteien gestellt148. Auch im Ehegüterrecht kann nur das Heimatrecht oder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines der Ehegatten sowie für unbewegliches Vermögen das Recht des Lageortes gewählt werden, Art. 15 II Nrn. 1 - 3 EGBGB. Art. 25 II EGBGB gestattet es dem Erblasser lediglich, für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht zu wählen149. Schließ147 Von Overbeck, Ree. des Cours 176 (1982 III), S. 9, 87; Lagarde, Ree. des Cours 196 (1986 I), S. 9, 62; Kropholler, IPR, § 4 II 3, S. 28; Baum, Alternativanknüpfungen, S. 241; Bucher, Grundfragen, S. 64. 148 Kühne, IPRax 1987, S. 69, 70; Lüderitz, IPR, Rdnr 342; v. Bar, IPR II, Rdnr 198. 149 Staudinger/ Dörner, Art. 25 EGBGB, Rdnr 406; MünchKomm /Birk, Art. 25 EGBGB, Rdnr 21 ; Siehr, IPRax 1987, S. 4, 7.

§ 6 Anknüpfungsnorm

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lieh stehen auch im Namensrecht nur bestimmte Rechte zur Wahl, vgl. Art. 10 Π und m EGBGB 1 5 0 . Trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung im einzelnen vermag eine Rechtswahl deshalb in allen genannten Fällen nichts daran zu ändern, daß ein Recht zur Anwendung kommt, zu dem typischerweise eine enge Verbindung besteht151. Außerdem ist die Zulassung der Parteiautonomie hier vor allem von dem Bestreben getragen, die objektive Anknüpfung dann zu ergänzen, wenn diese nicht zu einem befriedigenden Ergebnis gelangt152. Das Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung wird daher auch nicht gänzlich durchbrochen, sondern lediglich im Parteioder Verkehrsinteresse aufgelockert.

3. Zusammenfassung Die obigen Ausführungen haben gezeigt, daß das Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung aus mehreren Gründen durchbrochen wird. Zunächst kann dem Gesetzgeber daran gelegen sein, den Eintritt eines materiellrechtlichen Erfolges zu begünstigen oder zu verhindern. Dazu wird nicht selten im Wege der Mehrfachanknüpfung (einseitig) das deutsche Recht berufen, vgl. Artt. 16Π, 1712,1811 und 23 S. 2 EGBGB. Insoweit stehen bei der Anknüpfung also eindeutig die sachrechtlichen Wertungen der lex fori im Vordergrund 153. Weiterhin kann der Zweck der Kollisionsnorm darin liegen, daß zum Schutz bestimmter Personen deren Heimatoder Aufenthaltsrecht berufen wird, vgl. Artt. 20 I 3 EGBGB a.F. und 23 S. 1 EGBGB. Entsprechende Bestrebungen liegen auch Art. 29 Π EGBGB sowie § 12 AGBG zugrunde. Das Prinzip der engsten Verbindung wird schließlich auch dann verdrängt bzw. überlagert, wenn den Parteien eine Rechtswahlmöglichkeit eröffnet ist.

§ 6 Anknüpfungsnorm Die engste Verbindung ist vom Gesetzgeber in einigen Fällen selbst zur Anknüpfungsnorm erhoben worden. Dabei begegnet sie in zwei unterschiedlichen Erscheinungsformen: So kann die engste Verbindung einerseits das allein maßgebliche Anknüpfungsmoment darstellen (Hauptanknüpfung), andererseits aber auch erst 150 Ausführlich dazu Henrich, StAZ 1996, S. 129 ff. 151 Siehr, Fschr. Keller, S. 485, 489; Kropholler, IPR, § 40 IV 3 b, S. 274; Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 108. 152 Dies gilt indes uneingeschränkt nur für die allgemeinen Ehewirkungen, BT-Drucks. 10/504, S. 51; V. Stoll, Rechtswahl, S. 42. Demgegenüber spielt die privatautonome Gestaltungsfreiheit im Ehegüter- und Namensrecht eine etwas größere Rolle, während im Erbrecht Verkehrsinteressen im Vordergrund stehen, vgl. zum Ganzen Kühne, IPRax 1987, S. 69, 70. 153 Lagarde, Ree. des Cours 196 (1986 I), S. 9, 49 spricht in diesem Zusammenhang davon, daß das „principe de proximité" vom „principe de souveraineté" überlagert wird. 6 Geisler

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

dann zur Anwendung berufen sein, wenn eine andere Anknüpfung ausfällt (Hilfsanknüpfung). Von einer „Ausweichklausel" sollte hingegen nur in den Fällen gesprochen werden, wo die Regelanknüpfung wegen des Vorliegens einer (wesentlich) engeren Verbindung durchbrochen wird 154 . I. Hauptanknüpfung 1. Art. 2811 EGBGB Gemäß Art. 28 11 EGBGB unterliegt ein Schuldvertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist, sofern die Parteien nicht nach Art. 27 EGBGB eine Rechtswahl vorgenommen haben. Strenggenommen wird deshalb in diesen Fällen erst dann auf die engste Verbindung abgestellt, wenn der Parteiwille nicht als Anknüpfungspunkt in Frage kommt. Allerdings hat der Gesetzgeber nicht verbindlich festgelegt, wodurch bei einer objektiven Anknüpfung im allgemeinen die engste Verbindung des Vertrages vermittelt wird, in Art. 28 ΠIV EGBGB finden sich insoweit lediglich widerlegbare Vermutungen155. Folglich muß im Bereich des internationalen Schuldvertragsrechts die Konkretisierung der engsten Verbindung trotz bestimmter gesetzgeberischer Vorgaben156 immer durch den Rechtsanwender erfolgen. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, bei Art. 28 I 1 EGBGB von einer Hauptanknüpfung an die engste Verbindung zu sprechen. Hieran vermag auch der Vorrang der Parteiautonomie nichts zu ändern, weil das Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung durch das Zulassen einer Rechtswahl ja gerade durchbrochen wird. Sofern das Prinzip aber zur Anwendung kommt, ist die engste Verbindung selbst das primär maßgebliche Anknüpfungsmoment. 2. Art. 71 Trust-Übereinkommen Außerhalb des internationalen Schuldvertragsrechts findet sich diese Form der Anknüpfung noch in Art. 7 I des Haager Übereinkommens über das auf trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung vom Ol. 07. 1985 157 , das für die Bundesrepublik Deutschland allerdings noch nicht in Kraft getreten ist. In Art. 7 Π 154 So u. a. auch Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168, 169; Kropholler, IPR, § 4 II 1 b, S. 27; MünchKomm/ Sonnenberger, Einl. IPR, Rdnr 628. Demgegenüber spricht Kegel 1, IPR, § 6 1 4 b, S. 231 auch dann von einer ,Ausweichklausel", wenn der Gesetzgeber auf die engste Verbindung als Anknüpfungsmoment abgestellt hat. 155 Giuliano/ hagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 52; Kegel/Schurig, IPR, § 18 I 1 d, S. 576; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 15; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 16. 156

Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393, 403 spricht insoweit von einer Beweislastverteilung. Kritisch hierzu u. a. v. Bar, IPR II, Rdnr 491; Lüderitz. IPR, Rdnr 280. Ausführlich zu dieser Streitfrage s.u. § 7. III 1. 157 Text in RabelsZ 50 (1986), S. 698-713.

§ 6 Anknüpfungsnorm

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des Übereinkommens werden dann verschiedene Umstände genannt, die bei der Bestimmung des Rechts, mit dem der trust die engsten Verbindungen aufweist, „insbesondere zu berücksichtigen" sind 158 . Aus der Formulierung des Gesetzes läßt sich entnehmen, daß keiner dieser Umstände notwendigerweise die engste Verbindung vermittelt. Vielmehr sollen dem Rechtsanwender auch hier nur bestimmte Leitlinien für die Ermittlung der engsten Verbindung vorgegeben werden. Eine Hauptanknüpfung an die engste Verbindung verfolgt mithin das Ziel, bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts den Besonderheiten des konreten Einzelfalls gerecht werden zu können. Ob eine derartig flexible Anknüpfungsnorm wirklich sinnvoll ist, oder ob es sich nicht vielmehr um eine Leerformel, eine „non-rule" 159, handelt, kann allerdings erst dann entschieden werden, wenn feststeht, in welcher Art und Weise der Begriff der engsten Verbindung vom Rechtsanwender jeweils konkretisiert wird. IL Hilfsanknüpfung 1. Art. 4 III 2 EGBGB Die engste Verbindung dient jedoch häufig auch lediglich als Hilfsanknüpfung. Wird beispielsweise auf eine interlokal oder interreligiös gespaltene Rechtsordnung verwiesen, so entscheidet diese gemäß Art. 4 ΠΙ 1 EGBGB grds. auch darüber, welche ihrer Teilrechtsordnungen anwendbar ist 160 . Dies gilt allerdings nach dem Wortlaut der Vorschrift dann nicht, wenn die deutschen Kollisionsnormen die maßgebende Teilrechtsordnung selbst bezeichnen. Eine solche unmittelbare Bezeichnung der anzuwendenden Teilrechtsordnung liegt nach der wohl h.M. vor, sofern die Kollisionsnorm räumlich bzw. ortsbezogen anknüpft 161, etwa an den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person, den Ort einer Handlung oder den Belegenheitsort einer Sache. Auch in diesen Fällen soll es aber möglich bleiben, einen Renvoi des im bezeichneten Teilrechtsgebiet geltenden Kollisionsrechts oder interlokalen Privatrechts zu beachten162. !58 Dies sind im einzelnen: (1) Der vom Begründer bezeichnete Ort der Verwaltung des trust; (2) die Belegenheit des Vermögens des trust; (3) der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Niederlassung des trustee; (4) die Zwecke des trust und die Orte, an denen sie erfüllt werden sollen. 159 Ehrenzweig, Harv. L. Rev. 80 (1966/67), S. 377, 381. Kritisch gegenüber einer Anknüpfung an die engste Verbindung auch Kegel 1, IPR, § 6 I 4 b cc, S. 234; Juenger, RabelsZ 46 (1982), S. 57, 72. 160 Anders Art. 35 II EGBGB für die räumliche Rechtsspaltung im internationalen Schuldrecht. Danach gilt jede Gebietseinheit als Staat. 161 BT-Drucks. 10/504, S. 40; Palandt/Heldrich, Art. 4 EGBGB, Rdnr 14; ErmanÌHohloch, Art. 4 EGBGB, Rdnr 22; Ferid, IPR, Rdnr 2 - 3 8 ; Stoll, Fschr. Keller, S. 511, 517; Ebenroth/Eyles, IPRax 1989, S. 1,6. 162 Kegel/Schurig, IPR, § 11 II, S. 364; Kropholler, IPR, § 29 II 2, S. 185; Palandt/Heldrich, Art. 4 EGBGB, Rdnr 15; a.A. Otto, IPRax 1994, S. 1, 2. 6*

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

Die Gegenauffassung hält die Regelung des Art. 4 ΠΙ 1 EGBGB dagegen für rechtspolitisch verfehlt und bemüht sich daher um eine Korrektur 163. Insoweit ist vorgeschlagen worden, den einschränkenden Nebensatz des Art. 4 III 1 EGBGB in den zweiten Satz der Vorschrift hineinzulesen164. Dies hätte zur Folge, daß immer zuerst das gesamtstaatliche interlokale Privatrecht des ausländischen Mehrrechtsstaates über die lokale Rechtszuordnung entschiede. In dieselbe Richtung zielt der Vorschlag, den Vorbehalt zugunsten des eigenen Kollisionsrechts zumindest auf Fälle der Sachnormverweisung zu beschränken165. Ist indes auch das Kollisionsrecht des Mehrrechtsstaates räumlich gespalten166, so beruft Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB diejenige Teilrechtsordnung, mit welcher der Sachverhalt 167 die engsten Verbindungen aufweist. Unabhängig vom obigen Meinungsstreit kommt mithin eine Anknüpfung an die engste Verbindung erst dann in Betracht, wenn die maßgebliche Teilrechtsordnung weder durch räumliche Anknüpfung unmittelbar bezeichnet noch durch ein einheitliches interlokales Recht des berufenen Staates bestimmt wird. Die Anknüpfung an die engste Verbindung stellt daher bei Art. 4 ΠΙ EGBGB in jedem Fall eine autonome Vervollständigung der Kollisionsnorm und damit eine Hilfsanknüpfung dar. Zu einem anderen Ergebnis kann man allenfalls dann gelangen, wenn man auch die Berufung der (gemeinsamen) engsten Verbindung als eine räumliche Anknüpfung betrachtet168, welche die maßgebliche Teilrechtsordnung unmittelbar bezeichnet. Letzteres ist indes bisher noch nicht vertreten worden 169, so daß bei der Verweisung auf einen Mehrrechtsstaat nach keiner Ansicht primär an die engste Verbindung angeknüpft wird. Hilfsanknüpfungen an die engste Verbindung im Zusammenhang mit der Verweisung auf einen Mehrrechtsstaat finden sich auch in einigen Haager Übereinkommen. Dort wird jedoch stets vorrangig das interlokale Recht des Mehrrechtsstaates berufen, so daß sich kein einschränkender Zusatz wie in Art. 4 ΙΠ 1 EGBGB findet, vgl. Art. 1 Π des Haager Übereinkommens über die Form letztwilliger Verfügungen 170, Art. 14 des Haager Übereinkommens über den Mindeijähri163 Dafür wohl auch MünchKomm /Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 98. 164 v. Bar, IPR I, Rdnr 281; Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 337. 165 Rauscher, IPRax 1987, S. 206, 208; Staudinger /Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 324; ähnlich Otto, IPRax 1994, S. 1, 2. 166 Dies trifft u. a. für die USA, Kanada und Australien zu, vgl. Keller/Siehr, IPR, §161 2, S. 168. 167 Die Gesetzesformulierung wird nicht selten für mißglückt gehalten, da es nicht auf den Sachverhalt, sondern auf die Bezugspersonen ankommen soll, MünchKomm /Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 100; Stoll, Fschr. Keller, S. 511, 521. 168 So für Art. 14 I Nr. 3 EGBGB Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 337, der aber selbst nicht vom Vorrang einer räumlichen Anknüpfung im Rahmen des Art. 4 III 1 EGBGB ausgeht. 169 Vgl. Palandt / Heldrich, Art. 4 EGBGB, Rdnr 14. 170 BGBl. 1965 II, S. 1145. Art. 1 II des Übk. geht dabei Art. 4 III EGBGB vor, Staudinger/Dörnen Art. 26 EGBGB, Rdnr 22; Erman/Hohloch, Art. 26 EGBGB, Rdnr 14.

§ 6 Anknüpfungsnorm

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genschutz171 sowie Art. 26 I lit. a des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens 2. Art. 511 Halbs. 2 EGBGB Gehört eine Person mehreren Staaten an, so kann das Personalstatut nicht allein durch eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ermittelt werden. Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB statuiert deshalb, daß in derartigen Fällen das Recht desjenigen dieser Staaten zur Anwendung kommt, mit dem die Person am engsten verbunden ist, insbesondere durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens. Insoweit wird deshalb an die sog. effektive Staatsangehörigkeit angeknüpft 173. Der Gesetzgeber geht also auch bei Mehrstaatern grds. vom Staatsangehörigkeits- und nicht etwa vom Aufenthaltsprinzip aus. Das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts kommt nämlich nur dann zur Anwendung, wenn der Betreffende diesem Staat auch angehört. Folglich kann man gerade nicht davon sprechen, daß die engste Verbindung im Rahmen des Personalstatuts nach Ansicht des Gesetzgebers i.d.R. durch den gewöhnlichen Aufenthalt der betroffenen Person indiziert wird 174 . Vielmehr stellt die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit eindeutig die gesetzgeberische Konkretisierung der engsten Verbindung dar. Diese Regelanknüpfung bedarf nun aber bei Mehrstaatern der Verfeinerung, um den Vorrang einer Staatsangehörigkeit ermitteln zu können175. Genau zu diesem Zweck wird dann auch in Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB hilfsweise auf die engste Verbindung als Anknüpfungsnorm zurückgegriffen. Dabei nennt die Vorschrift selbst mit dem gewöhnlichen Aufenthalt der Person und dem Verlauf ihres Lebens zwei Umstände, die bei der insoweit vorzunehmenden Konkretisierung von Bedeutung sind 176 . Der Rechtsanwender wird also zur Unteranknüpfung berufen, weil die Regelanknüpfung an die Staatsangehörigkeit allein nicht weiterführt. Dies gilt indes nach dem Willen des Gesetzgebers dann nicht, wenn die Person auch Deutscher ist, weil diese Rechtsstellung nach Art. 5 1 2 EGBGB immer vorgehen soll 177 . πι BGBl. 1971 II, S. 219. Zu Art. 14 des MSA vgl. StaudingerIKropholler, Vorb. zu Art. 19 EGBGB, Rdnr 536. 172 BGBl. 1990 II, S. 220. 173 BGHZ 75, 32, 39; Pa\*ndt Ï Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2; v. Bar, IPR I, Rdnr 563; Staudinger / Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 419. 174 So aber Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 79, der daraus den Umkehrschluß zieht, daß der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts eine besondere Ausprägung des Prinzips der engsten Verbindung darstellt. 175 Mansel, Personalstatut, Rdnr 175. 176 Dabei wird noch zu untersuchen sein, welcher Grad an Verbindlichkeit den genannten Umständen zukommt. 177 Kritisch gegenüber dieser Regelung u. a. MünchKomm / Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rdnr 12; Kropholler, IPR, § 37 II 1 a, S. 244; vgl. auch BGH IPRspr. 1980 Nr. 126 = NJW 1980, S. 2016, 2017.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

3. Art. 141 Nr. 3 EGBGB Eine weitere Hilfsanknüpfung an die engste Verbindung findet sich schließlich in Art. 14 I Nr. 3 EGBGB. Im Rahmen der familienrechtlichen Anknüpfungsleiter hat der Gesetzgeber in Art. 14 I Nrn. 1 und 2 EGBGB festgelegt, wodurch die gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten hergestellt wird. Danach kommt das Recht des Staates zur Anwendung, dem beide Ehegatten während der Ehe (zuletzt) angehörten oder in dem sie ihren (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen diesem Staat noch angehört bzw. dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sollten diese Voraussetzungen nicht vorliegen, so erklärt Art. 141 Nr. 3 EGBGB hilfsweise das Recht für anwendbar, mit dem die Ehegatten auf andere Weise am engsten verbunden sind. Im Gegensatz zu Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB hat der Gesetzgeber an dieser Stelle aber darauf verzichtet, ausdrücklich zu bestimmen, durch welche Umstände diese sonstige engste Verbindung i.d.R. vermittelt sein kann. Entsprechende Kriterien werden allerdings in der Gesetzesbegründung genannt178. Auf diese wird noch einzugehen sein 179 .

§ 7 Ausweichklausel I. Begriffsbestimmung Eine Ausweichklausel dient der Korrektur der Regelanknüpfung 180. Allerdings kann die starre Geltung der Kollisionsnorm aus unterschiedlichen Gründen als nicht angemessen erscheinen. Wenn jedoch die engste Verbindung als Anknüpfungskorrektiv dient, dann muß eine Fallgestaltung vorliegen, bei der die Regelanknüpfung das Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung nicht zu verwirklichen vermag. Das an sich berufene Recht kommt mithin deshalb nicht zur Anwendung, weil (wesentlich) engere Verbindungen zu einem anderen Staat bestehen. Folglich geht es um eine Korrektur der kollisionsrechtlichen Verweisung selbst. Demgegenüber bleiben materiellrechtliche Erwägungen insoweit grds. außer Betracht, da die Ausweichklausel nicht etwa ein bestimmtes, als untragbar empfundenes Anwendungsergebnis verändern, sondern vielmehr das kollisionsrechtlich angemessenste Recht zur Anwendung bringen soll 181 . na BT-Drucks. 10/504, S. 55; BT-Drucks. 10/5632, S. 41. 179 Ausführlich zur Anknüpfung des Personalstatuts s.u. § 8. 180 Weitgehend synonym wird der Begriff,Ausnahmeklausel" gebraucht, Dubler, Clauses d'exception, S. 33-36; von Overbeck, Ree. des Cours 176 (1982 III), S. 9, 187; vgl. auch Art. 15 I schw. IPRG. Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168, 169 spricht insoweit von „Berichtigungsklauseln". lei Lagarde, Ree. des Cours 196 (1986 I), S. 9, 98; Dubler, Clauses d'exception, S. 30; Knoepfler, Rev. crit. dr. i. pr. 81 (1992), S. 488, 489; Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168, 183; teilweise a. A. offenbar Rauscher, IPR, S. 71.

§ 7 Ausweichklausel

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Im Rahmen der Diskussion über die Einführung einer Ausweichklausel in das EGBGB ist allerdings nicht selten vertreten worden, daß es auch aus anderen Erwägungen heraus erlaubt sein müsse, von der gesetzlich angeordneten Verweisung abzuweichen. So sollte die Regelanknüpfung dann nicht gelten, wenn die Anwendung der danach maßgebenden oder die Nichtanwendung anderer Vorschriften zu einem Ergebnis führen würde, das wesentliche Grundsätze des inländischen Rechts oder besonders schutzwürdige Belange in unerträglicher Weise verletzt 182. Eine so verstandene Ausweichklausel hätte daher der Verwirklichung des ordre public gedient 183 . Zudem ist vorgeschlagen worden, den international zwingenden Normen des ausländischen Rechts über eine Ausweichklausel Geltung zu verschaffen 184. Das an sich berufene Recht sollte schließlich auch dann nicht maßgeblich sein, wenn seine Anwendung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit und/ oder Kosten verbunden wäre oder den Verlust des gerichtlichen Rechtsschutzes zur Folge hätte 185 . In allen soeben genannten Fällen läßt sich aber das Abweichen von der ordentlichen Anknüpfung nicht mit dem Gedanken der engsten Verbindung rechtfertigen, da materiellrechtliche und teilweise sogar pragmatische Erwägungen im Vordergrund stehen. Daneben wird als Korrektiv aber auch stets des Bestehen eines noch engeren Zusammenhangs mit einer anderen Rechtsordnung genannt186. Die Verschmelzung der verschiedenen Korrekturmechanismen zu einer allgemeinen Ausnahmebestimmung wurde dabei damit gerechtfertigt, daß es sich jeweils um Elemente der kollisionsrechtlichen Rechtsfindung handele, die zueinander in einem „komplementären Verhältnis" stünden187. Trotzdem bestehen aber hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen und der Rechtsfolgen erhebliche Unterschiede, was sich schon daran zeigt, daß die kollisionsrechtliche Verweisung auch bei Vorliegen eines Verstoßes gegen den ordre public sehr wohl beachtet wird 188 . Korrigiert wird lediglich das materiellrechtliche Ergebnis. Eine umfassende Ausnahmeklausel würde diese Unterschiede hingegen weitgehend einebnen189. Auch der Gesetzgeber ist den entsprechenden Reformvor182 Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 44 (1980), S. 326, 336. 183 Dafür auch Dietzi, Festgabe Schweiz. Juristentag (1973), S. 49, 68; Bucher, Grundfragen, S. 251. 184 Wischer, ZSR 90 (1971 II), S. 1,77, Fn. 63; Bucher, Grundfragen, S. 251. 185 Kreuzer, Fschr. Zajtay, S. 295, 328-329. 186 Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 44 (1980), S. 326, 337; Kreuzer, Fschr. Zajtay, S. 295, 324; Bucher, Grundfragen, S. 251; Wischer, ZSR 90 (1971 II), S. 1, 76; Dietzi, Festgabe Schweiz. Juristentag (1973), S. 49,66. 187 Bucher, Grundfragen, S. 250. 188 Ausführlich zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen den ordre public Spickhoff, Ordre public, S. 103-111. 189 Dubler, Clauses d'exception, S. 31; von Overbeck, Ree. des Cours 176 (1982 III), S. 9, 187; Lagarde, Ree. des Cours 196 (1986 I), S. 9, 124. Für eine Trennung auch Schwander, Sonderanknüpfung, S. 63; Heßler, Sachrechtliche Generalklausel, S. 74.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

Schlägen nicht gefolgt 190. Wenn deshalb im folgenden von einer Ausweichklausel gesprochen wird, dann ist damit stets eine solche Norm gemeint, die unter Berufung auf eine (wesentlich) engere Verbindung eine Korrektur der Regelanknüpfung gestattet191.

Π. Anwendungsfalle 1. Art. 28 VEGBGB Nach Art. 28 I 1 EGBGB unterliegt ein Schuldvertrag in Ermangelung einer Rechtswahl dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. In Art. 28 II-IV EGBGB werden dann bestimmte Vermutungen für das Bestehen der engsten Verbindung aufgestellt. Diese Vermutungen gelten allerdings nach Art. 28 V EGBGB nicht, wenn sich „aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist". Art. 28 V EGBGB wird deshalb in der Rechtsprechung192 sowie im kollisionsrechtlichen Schrifttum 193 ganz überwiegend zu Recht die Funktion einer Ausweichklausel zuerkannt 194. Die Anknüpfung an die engste Verbindung ist insoweit ein „sekundäres" Korrektiv 195, das im Einzelfall ein Abweichen von den allgemein gefaßten Vermutungen ermöglicht 196. Die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB dient deshalb als „letzte Stufe der Anknüpfung" 197. Umstritten ist allerdings, ob zwischen Art. 28 II-IV EGBGB und der Ausweichklausel des Abs. 5 ein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht198 oder ob für die objektive Anknüpfung des Vertrages stets eine Gesamtabwägung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu erfolgen hat 199 . Die zuletzt genannte Ansicht darf

190

Dies gilt auch für den Schweizerischen Gesetzgeber, vgl. Keller/Girsberger, in: IPRGKommentar, Art. 15, Rdnr 18 m. w. N. 191 So jetzt auch Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168,183. 192 OLG Stuttgart NJW-RR 1990, S. 1081, 1082; LG Düsseldorf IPRspr. 1990 Nr. 43 = NJW 1991, S. 2220; vgl. auch BGHZ 109, 29, 36 = NJW 1990, S. 317, 319. 193 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 96; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 148; Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168, 175; Kropholler, IPR, § 52 III 4, S. 419; v. Bar, IPR II, Rdnr 487; Juenger, RabelsZ 46 (1982), S. 57, 78; Hohloch, JuS 1989, S. 81, 88. 194 A.A. nur Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393, 408. 195 Ferid, IPR, Rdnr 6 - 54. 196 Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 300, 319; Giuliano / hagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 54. 197 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 148; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 65. 198 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 18; ErmanIHohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 17; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 300, 319. 199 v. Bar, IPR II, Rdnr 488; vgl. auch Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 148.

§ 7 Ausweichklausel

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indes nicht dahin mißverstanden werden, daß immer eine freie Bewertung aller in Betracht kommenden Anknüpfungsmomente vorgenommen werden müßte. Vielmehr wird der Rechtsanwender häufig zu dem Ergebnis gelangen, daß keine engere Verbindung mit einem anderen Staat besteht. Dann kann es bei der Regelanknüpfung verbleiben. Prüfen muß er das Eingreifen bzw. Nichteingreifen des Art. 28 V EGBGB aber strenggenommen in jedem Fall.

2. Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB Eine gesetzliche Ausweichklausel findet sich weiterhin bei der objektiven Anknüpfung von Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen. Nach Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB unterliegen diese in erster Linie dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Fehlt es an einem gewöhnlichen Arbeitsort, ist an das Recht des Staates anzuknüpfen, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB. Allerdings gelten die Regelanknüpfungen nach Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB nicht („es sei denn"), wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB ermöglicht also eine Durchbrechung der Regelanknüpfung, weshalb diese Norm in Rechtsprechung200 und Literatur 201 als Ausweichklausel angesehen wird. Trotz der auffälligen Parallelität zu Art. 28 V EGBGB findet sich aber häufig der Hinweis, daß Art. 30 I I EGBGB anders als Art. 28 EGBGB keine Vermutungstatbestände, sondern vielmehr feste Regelanknüpfungen enthalte202. Andere Stimmen betonen hingegen, daß die Verbindlichkeit der Regelanknüpfungen des Art. 30 I I EGBGB nicht größerer sein könne als bei Art. 28 EGBGB 203 . Der Gang der Untersuchung wird zeigen, welche Rolle es tatsächlich für die ΒindungsWirkung der Regelanknüpfungen spielt, daß der Gesetzestext in Art. 28 II-IV EGBGB von bloßen „Rechtsvermutungen"204 spricht.

200 BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407, 409; BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127. 201 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 190; Magnus, IPRax 1991, S. 382, 384; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 223; Mankowski, IPRax 1994, S. 88, 92; PalandtIHeldrich, Art. 30 EGBGB, Rdnr 8; Soergel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 45; MünchArbR/Birk, § 19, Rdnr 49. 202 Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 41; Mankowski, RabelsZ 53 (1989), S. 487, 490; ders., Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 459; Hönsch, NZA 1988, S. 113, 114; Eßlingen Heuervertrag, S. 51 \Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393,408. 203 Basedow, NJW 1986, S. 2971, 2978; Hohloch, JuS 1989, S. 81, 88. 204 Dieser Begriff wird verwandt von Lüderitz, IPR, Rdnr 280; v. Bar, IPR II, Rdnr 492; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 27; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 148.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

Ein Teil des kollisionsrechtlichen Schrifttums betrachtet Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB nun aber nicht nur als Ausweichklausel, sondern sieht darin eine eigenständige dritte Anknüpfungsalternative 205. Auch die Rechtsprechung hat das Arbeitsvertragsstatut in einigen Entscheidungen unmittelbar über Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB bestimmt206. Die Gegenauffassung betont hingegen, daß Art. 30 Π Nrn. 1 und 2 EGBGB ein geschlossenes Regelungssystem enthielten und deshalb jeden denkbaren Sachverhalt erfassen würden 207. Nach diesem Verständnis stehen die beiden Regelanknüpfungen des Art. 30 Π EGBGB also im Verhältnis der strikten Alternativität. Auf diesen Meinungsstreit muß indes an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da der Vorschrift des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB jedenfalls (auch) die Funktion einer Ausweichklausel zukommt. Im Rahmen der ausführlichen Darstellung des Arbeitsvertragsstatuts wird aber auf diese Streitfrage zurückzukommen sein.

3. Art. 41 EGBGB Gesetzliche Ausweichklauseln finden sich schließlich auch in dem Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen, das am 01. 06. 1999 in Kraft getreten ist 208 . So wurde zunächst die Anknüpfung der Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 38 EGBGB n.F.), aus Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 39 EGBGB) sowie aus unerlaubter Handlung (Art. 40 EGBGB) nicht starr ausgestaltet. Besteht nämlich eine wesentlich engere Verbindung mit einem anderen Recht, so ist dieses nach Art. 411 EGBGB anstelle der Regelanknüpfungen der Artt. 38 bis 40 Π EGBGB anzuwenden. Eine wesentlich engere Verbindung kann sich dabei insbesondere aus einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis (Art. 41 I I Nr. 1 EGBGB) oder in den Fällen des Art. 38 Π und ΠΙ EGBGB und des Art. 39 EGBGB aus dem gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten in demselben Staat im Zeitpunkt des rechtserheblichen Geschehens ergeben (Art. 41 Π Nr. 2 EGBGB). Anders als in Art. 28 V und Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB wird also in Art. 41 I I EGBGB näher umschrieben, unter welchen Voraussetzungen eine Durchbrechung der Regelanknüpfung erfolgen kann.

205 Drobnig, BerDGesVR 31 (1990), S. 31, 62; Puttfarken, See-ArbR, S. 11; ders., RIW 1995, S. 617, 624; Lagoni, JZ 1995, S. 499, 502; wohl auch Hauschka/Henssler, NZA 1988, S. 597, 599. 206 BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407, 409; BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418. 207 Mankowski, RabelsZ 53 (1989), S. 487, 491; ders., Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 460; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 186; Eßlingen Heuervertrag, S. 51; Kühl, TranspR 1989, S. 89, 93; Franzen, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 3, S. 15; Rüthers/Heilmann, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 1, S. 19. 208 BGBl. 19991 S. 1026 = IPRax 1999, S. 285-286.

§ 7 Ausweichklausel

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Die Benennung der Beispielsfalle soll nach dem Willen des Gesetzgebers zur Erleichterung der Rechtsanwendung beitragen 209. Vereinzelt ist nun aber aus der Regelungstechnik des Art. 41 Π EGBGB der Schluß gezogen worden, bei dieser Vorschrift handele es sich gerade nicht um eine gesetzliche Ausweichklausel. Vielmehr sei die akzessorische Sonderanknüpfung des Art. 41 I I Nr. 1 EGBGB von vornherin vorrangig gegenüber den Regelanknüpfungen der Artt. 38 bis 40 Π EGBGB, insbesondere auch gegenüber der in Art. 40 I EGBGB verankerten Tatortregel 210. Dieses Verständnis überzeugt indes nicht. Zunächst einmal hat der Gesetzgeber selbst den Art. 41 EGBGB in Anlehnung an Art. 28 V EGBGB eingeführt und diese Vorschrift zudem ausdrücklich als „Ausweichklausel" bezeichnet211. Weiterhin kommt in Art. 411 EGBGB eindeutig zum Ausdruck, daß bei Vorliegen einer wesentlich engeren Verbindung eine Verdrängung des an sich maßgebenden Rechts erfolgen soll. Dies ist aber der klassische Fall einer gesetzlichen Ausweichklausel212. Eine entsprechende Einordnung wurde auch schon für Art. 41 des RefE 1993 vertreten 213. Fraglich kann allenfalls sein, ob sich aus der Anführung der Beispielsfälle Unterschiede hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel ergeben. Insoweit findet sich der Vorschlag, bei Nichtvorliegen einer (nachträglichen) Rechtswahl zunächst nach einer im Verhältnis zur Regelanknüpfung wesentlich engeren Verbindung zu suchen214. Allerdings führten die in Art. 41 Π EGBGB genannten Beispiele nicht notwendig zu einer Abweichung von der Regelanknüpfung, sondern nur möglicherweise. Dem Wortlaut nach seien die Beispiele daher nicht einmal Regelbeispiele, wiesen aber annäherungsweise denselben Charakter auf 215 . Diese Ansicht darf jedoch nicht so verstanden werden, daß die Bestimmung des maßgeblichen Rechts in einigen Fällen direkt über Art. 41 Π EGBGB erfolgen könne, ohne zuvor die einschlägige Regelanknüpfung zu ermitteln. Letzteres ist vielmehr schon deshalb unerläßlich, weil eine wesentlich engere Verbindung zwingend den Vergleich mit den zu einem anderen Recht bestehenden Beziehungen verlangt. Der Unterschied zu Art. 28 V und Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB besteht mithin lediglich darin, daß der Gesetzgeber in Art. 41 Π EGBGB dem Rechtsanwender selbst beispielshaft zwei Konstellationen genannt hat, in denen eine Durchbre209 BT-Drucks. 13/343, S. 13. 210 Koch VersR 1999, S. 1453, 1457. 211 BT-Drucks. 13/343, S. 13. 212 So im Ergebnis auch von Hoffmann, IPR, § 2, Rdnr 54; PalandtIHeldrich, Art. 41 EGBGB, Rdnr 1; Wagner, IPRax 1998, S. 429, 434; dersIPRax 1999, S. 210, 211; Λ. Staudinger, DB 1999, S. 1589; 5. Lorenz, NJW 1999, S. 2215, 2216; Th. Pfeiffer, NJW 1999, S. 3674, 3675; P. Huber, JA 2000, S. 67,69. 213 von Hoffmann, IPRax 1996, S. 1, 6; Schlechtriem, IPRax 1995, S. 65, 70. 214 Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2211; kritisch insoweit Junker, RIW 2000, S. 241, 245, Fn. 38. 215 Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2211; ders., IPRax 2000, S. 1, 2; vgl. auch Palandt/ Heldrich, Art. 41 EGBGB, Rdnr 4; 5. Lorenz, NJW 1999, S. 2215,2216.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

chung der Regelanküpfung möglicherweise in Betracht kommt. Von einem Automatismus kann aber insoweit keine Rede sein, ansonsten hätten nämlich die in Art. 41 Π EGBGB genannten Beispiele selbst zur Regelanknüpfung erhoben werden müssen. Richtig ist allerdings, daß das Nichteingreifen der Ausweichklausel dann einen erhöhten Begründungsaufwand erfordert, wenn eines der Beispiele des Art. 41 Π EGBGB erfüllt ist 216 . Dies liegt aber nicht in erster Linie an der Benennung dieser Beispiele im Gesetz. Ausschlaggebend ist vielmehr die Tatsache, daß in diesen Konstellationen auch gewichtige Verbindungen zu einem anderen Recht bestehen, die gegeneinander abzuwiegen sind. Ähnlich kann sich die Ermittlung des anwendbaren Rechts auch in anderen Sachverhaltsgestaltungen vollziehen, die der Gesetzgeber nicht ausdrücklich erwähnt hat 217 . Schließlich darf nicht übersehen werden, daß es auch im Bereich des außervertraglichen Schuldrechts dann bei der Regelanknüpfung verbleibt, wenn die zu einem anderen Recht bestehenden Verbindungen zwar gleichwertig sind, aber nicht eindeutig überwiegen. Daran vermag auch die Benennung der Beispielsfälle in Art. 41 Π EGBGB nichts zu ändern.

4. Art. 46 EGBGB Auch die Anknüpfungen des internationalen Sachenrechts in Artt. 43 bis 45 EGBGB sollen dann nicht anwendbar sein, wenn eine wesentlich engere Verbindung mit dem Recht eines anderen Staates besteht, Art. 46 EGBGB. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber für solche Fälle eine flexible Regelung schaffen, in denen die gesetzlich festgeschriebene Anknüpfung ausnahmsweise zur Anwendung extrem sachferner Rechtsordnungen führen würde 218. Art. 46 EGBGB ist daher ebenso wie Art. 41 EGBGB als gesetzliche Ausweichklausel zu qualifizieren 219 . Mögliche Anwendungsfälle dieser Ausweichklauseln werden am Ende der Arbeit in einem gesonderten Abschnitt behandelt werden 220.

ΠΙ. Methodologische Einordnung der Ausweichklausel Nur wenige Stellungnahmen finden sich zu der Frage, wie das Institut der Ausweichklausel methodologisch einzuordnen ist. Ohne eine genaue methodische Verankerung lassen sich aber auch die Voraussetzungen für ein Abweichen von der Regelanknüpfung nicht sicher bestimmen. In diesem Zusammenhang gilt es insbe216 Insoweit zutreffend Spickhoff, IPRax 2000, S. 1, 2. 217 In BT-Drucks. 14/343, S. 13 wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die Beispielsfälle in Art. 41 II EGBGB „nicht abschließend gedacht" seien. 218 BT-Drucks. 14/343, S. 19. 219 Palandt IHeldrich, Art. 46 EGBGB, Rdnr 1; Wagner, IPRax 1998, S. 429, 437; Λ. Staudinger, DB 1999, S. 1589,1594; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2214. 220 Siehe unten §22-26.

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sondere zu klären, ob und wenn ja welche Unterschiede insoweit zu den Fällen bestehen, bei denen es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ausweichklausel fehlt.

7. Kollisionsrechtliche

Beweislastnormen

Im kollisionsrechtlichen Schrifttum hat sich Hepting für eine beweisrechtliche Interpretation solcher Normen ausgesprochen, die neben einer Regelanknüpfung auch eine Durchbrechung derselben vorsehen. Deshalb handele es sich etwa bei Art. 28 II-IV EGBGB um kollisionsrechtliche Beweislastnormen221. Jede Partei, die sich auf die Geltung eines bestimmten Vertragsstatuts berufe, müsse nämlich die für eine entsprechende Anknüpfung erforderlichen Tatsachen vortragen und beweisen. Dabei liege die konkrete Beweislast im Rahmen des Art. 28 I EGBGB zunächst gleichzeitig bei beiden Parteien 222. Sobald nun aber eine der in Art. 28 IIIV EGBGB festgelegten Vermutungen eingreife, konzentriere sich die Beweislast bei derjenigen Partei, die ein anderes als das vermutete Recht angewendet wissen wolle. Ihr allein obliege es, die Rechtsvermutung durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen 223. Die Anwendung des Art. 28 V EGBGB sei deshalb nichts anderes als die Widerlegung einer gesetzlichen Vermutung analog § 292 ZPO 2 2 4 . Art. 28 V EGBGB spreche aber keine eigenständige Rechtsfolgenanordnung aus und könne deshalb auch nicht als „echte" Ausweichklausel angesehen werden 225. Die Bedeutung der Abs. 2 bis 5 des Art. 28 EGBGB beschränke sich vielmehr darauf, die Anknüpfungsgeneralklausel der „engsten Verbindung" beweisrechtlich zu strukturieren. Hepting ist zuzugeben, daß die objektive Anknüpfung des Vertragsstatuts der Konkretisierung einer Generalklausel vergleichbar ist, da die engste Verbindung in Art. 28 I EGBGB selbst als Anknüpfungsnorm dient. Der Gedanke der engsten Verbindung liegt aber einer Vielzahl von Kollisionsnormen als (ungeschriebenes) Anknüpfungsprinzip zugrunde. Die Besonderheit des Art. 28 EGBGB besteht nun darin, daß der Gesetzgeber keine verbindliche Konkretisierung der engsten Verbindung vornimmt, sondern dem Rechtsanwender über Art. 28 V EGBGB die Möglichkeit einräumt, im Einzelfall eine abweichende Bewertung vorzunehmen. Insoweit enthält Art. 28 V EGBGB aber sehr wohl einen eigenständigen Verweisungsbefehl.

221 Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393, 398. Dagegen soll es sich bei Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB um eine „echte" Ausweichklausel handeln, Hepting a. a. O., S. 408. 222 Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393,404. 223 Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393,405; ähnlich OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, S. 567, 568: „Der Vortrag der Bekl. ist nicht geeignet, die Vermutung des Art. 28 II EGBGB zu widerlegen." 224 Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393,406. 225 Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393,408.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

Zudem berücksichtigt Hepting nicht ausreichend, daß der Richter das anwendbare Recht von Amts wegen ermitteln muß 226 . Das Gericht hat deshalb auch bei unstreitigem Tatsachenvortrag darüber zu entscheiden, ob die bestehenden tatsächlichen Beziehungen ausreichendes Gewicht besitzen, um eine andere als die gesetzlich vermutete Anknüpfung vornehmen zu können. Insoweit handelt es sich eindeutig nicht um eine Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage. Die objektive Beweislast entscheidet hingegen darüber, welche Partei die Nachteile der Nichtfeststellbarkeit einer rechtsbegründenden Tatsache zu tragen hat 227 . Allerdings kann bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts auch die Begründungs-228 und Beweislast eine Rolle spielen. Dies gilt jedoch auch außerhalb des Anwendungsbereichs einer Ausweichklausel. So ist es beispielsweise in der Praxis keineswegs selten, daß sich das an sich maßgebliche Anknüpfungsmoment, etwa die Staatsangehörigkeit einer Person, nicht mit hinreichender Sicherheit ermitteln läßt 229 . Selbst ein übereinstimmender Parteivortrag entbindet den Richter nämlich insoweit nicht von seiner Ermittlungspflicht. Da nun aber auch in solchen Konstellationen eine Anknüpfung zu erfolgen hat, muß sich der Rechtsanwender einer Hilfsanknüpfung bedienen230. Entsprechende Probleme hinsichtlich der Tatsachenfeststellung können ebenso im Zusammenhang mit einer Ausweichklausel auftreten. Eine Besonderheit besteht hier nur darin, daß die Regelanküpfung in jedem Fall möglich bleibt, weil deren Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind. Vermag daher eine Partei das Vorliegen von Umständen, die ein Abweichen von der Regelanknüpfung rechtfertigen würden, nicht zu beweisen, so bleibt es bei dieser Regelanknüpfung 231. Dies kann indes nichts daran ändern, daß Art. 28 V EGBGB die Abänderung des Verweisungsbefehls überhaupt erst ermöglicht. Aus den genannten Gründen können die Abs. 2 bis 5 des Art. 28 EGBGB nicht lediglich als Beweislastregeln angesehen werden 232. Eine solche Interpretation wä226 BGHZ 118, 151, 162 = NJW 1992, S. 2026, 2029; BGH IPRspr. 1993 Nr. 103 = NJW 1993, S. 2305, 2306; BGH IPRspr. 1995 Nr. 61 = NJW 1995, S. 2097; BGH IPRspr. 1995 Nr. 1 = NJW 1996, S. 54; SoergelIKegel, Vorb. zu Art. 3 EGBGB, Rdnr 166 m. w. N. 227 BGH NJW 1991, S. 1052, 1053; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZivilprozeßR, § 117 I 2, S. 670; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Anh. zu § 286 ZPO, Rdnr 1. 228 Ausführlich hierzu Krebs, AcP 195 (1995), S. 171 -211. 229 Beruft sich aber eine Partei auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat, so muß sie diesen Umstand darlegen und beweisen. Gleiches gilt etwa dann, wenn der Niederlassungsort einer Partei (Art. 28 II EGBGB) streitig ist, Staudinger /Magnus, Art. 28 EGBGB, Rdnr 138. 230 Kegel 1, IPR, § 15 V 1, S. 371 will in erster Linie auf die „wahrscheinlichste Anknüpfung" zurückgreifen. Kann die Staatsangehörigkeit einer Person nicht festgestellt werden, wird an ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, mangels eines solchen, an ihren schlichten Aufenthalt angeknüpft, Art. 5 I I EGBGB. 231 Hohloch, RIW 1987, S. 353, 356; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 223; vgl. auch Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 189; Soergel / von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 46. 232 v. Bar, IPR II, Rdnr 491; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 107; Kropholler, IPR, § 52 III 1, S. 416; Lüderitz, IPR, Rdnr 280; Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 92.

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re zudem nicht mit dem in Art. 36 EGBGB verankerten Gebot konventionsfreundlicher Auslegung zu vereinbaren 233. Schließlich vermag Hepting auch nicht ausreichend zu begründen, worin der Unterschied zur Regelungstechnik des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB bestehen soll. Insoweit lehnt nämlich auch er eine beweisrechtliche Interpretation ausdrücklich ab.

2. Gesetzgewordene teleologische Reduktion Von anderen Stimmen in der Literatur wird eine gesetzliche Ausweichklausel dagegen als „ausdrückliche Ausformung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes" angesehen, daß »jeder Rechtssatz dem Normzweck unterworfen und damit durch ihn begrenzt ist" 234 . Andere Stimmen sprechen insoweit von einer „gesetzgewordenen teleologischen Reduktion"235. Nach dieser Ansicht soll es also methodisch keinen Unterschied machen, ob die Abänderung des Verweisungsbefehls auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung beruht oder nicht. Folglich wird auch dann von dem Anwendungsfall einer Ausweichklausel gesprochen, wenn die Rechtsprechung eine bestehende (ungeschriebene) Kollisionsnorm unter Berufung auf eine noch engere Verbindung weiterentwickelt. Als Beispiele werden insoweit vor allem die verschiedenen Durchbrechungen des Tatortprinzips im internationalen Deliktsrecht genannt236. Eine ausführliche dogmatische Begründung dieser These findet sich indes nicht. Aber auch sonst sind gegen ein solches Begriffsverständnis einige Zweifel angebracht. Zunächst einmal darf nämlich nicht übersehen werden, daß das Richterrecht einer erheblich freieren Behandlung zugänglich ist als das Gesetzesrecht237. Trotz des Grundsatzes der Anknüpfungskontinuität kann daher von einer ungeschriebenen Kollisionsnorm leichter abgewichen werden als von einer geschriebenen. Außerdem wird der Rechtsanwender im Falle einer gesetzlichen Ausweichklausel ausdrücklich dazu ermächtigt, die Regelanknüpfung unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu befolgen und die engste Verbindung selbst zu konkretisieren. Deshalb gilt es zu fragen, ob sich dieser Umstand nicht doch auf die Verbindlichkeit des Verweisungsbefehls auswirkt.

233 Dies räumt letztlich auch Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393,411 ein. 234 Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168, 184; ders., Fschr. Zajtay, S. 295, 317; vgl. auch von Hoffmann, IPR, § 2, Rdnr 54; Wischer, SchwJblntR 14 (1957), S. 43,59; Mansel, Personalstatut, Rdnr 578. 235 G. Fischer, Diskussionsbeitrag, in: Lausanner Kolloquium, S. 55; zustimmend Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 93, Fn. 278. 236 Kreuzer, Fschr. Zajtay, S. 295, 307; ders., ZfRV 33 (1992), S. 168, 178, Fn. 88; Schnabel, in: Kokkini-Iatridou (Hrsg.), Exception Clauses, S. 47,53. 237 Larenz, Methodenlehre, S. 430; Bydlinski, Methodenlehre, S. 503; Esser, Vorverständnis, S. 186; Fikentscher, in: Blaurock (Hrsg.), Bedeutung von Präjudizien, S. 11,15.

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a) Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion Gesetzliche Ausweichklauseln könnenrichtigerweise überhaupt nur dann als gesetzgewordene teleologische Reduktion bezeichnet werden, wenn die jeweils bestehenden Anwendungsvoraussetzungen übereinstimmen würden. Eine teleologische Reduktion setzt dabei voraus, daß es der Gesetzgeber versäumt hat, der Norm eine nach deren Sinn und Zweck gebotene Ausnahmeregelung hinzuzufügen 238. Zur Aufdeckung einer solchen verdeckten oder planwidrigen Gesetzeslücke muß daher immer zuerst eine genaue Ermittlung der ratio legis erfolgen 239. Dagegen rechtfertigt allein die rechtspolitische Verfehltheit der Vorschrift noch keine Einschränkung derselben240. Insoweit besteht vielmehr lediglich die Möglichkeit einer Rechtsfindung contra legem 241 . In Betracht kommt eine teleologische Reduktion in erster Linie bei AusnahmeVorschriften 242. So wurden etwa solche Insichgeschäfte vom Anwendungsbereich des § 181 BGB ausgenommen, die dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen 243. Auch die Vorschrift des § 400 BGB, wonach die Abtretung einer der Pfändung unterworfenen Forderung unzulässig ist, hat eine Einschränkung für den Fall erfahren, daß der Berechtigte Unfallrentenansprüche gegen den Schädiger an einen Dritten abtritt, der ihm, ohne dazu verpflichtet zu sein, die entsprechenden Beträge gewährt 244. In den genannten Fällen wird die Norm durch eine fest umschriebene Ausnahmeregelung ergänzt. Es soll daher nicht das Rechtsanwendungsergebnis im Einzelfall korrigiert, sondern vielmehr für eine bestimmte Gruppe von Fällen eine der ratio legis entsprechende Regelung geschaffen werden 245 . Die teleologische Reduktion erfolgt also m.a.W. deshalb, weil für eine bestimmte Fallgruppe, die der an sich einschlägigen Norm unterfällt, eine andere Interessenlage besteht als vom Gesetzgeber vorausgesehen. Damit beschränkt sich aber der Anwendungsbereich einer teleologischen Reduktion immer auf jeweils klar umrissene Fallkonstellationen. b) Konsequenzen für das Kollisionsrecht Führt man sich die soeben genannten Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion vor Augen, so bestehen erhebliche Unterschiede zur gesetzlichen Aus238

Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 35; Larenz, Methodenlehre, S. 391. 239 Bydlinski, Methodenlehre, S. 570; Canaris, Lücken, § 76, S. 83; Engisch, Jur. Denken, S. 141. 240 Canaris, Lücken, § 77, S. 86; Larenz, Methodenlehre, S. 374. 241 Vgl. dazu BVerfGE 35, 263, 280; J. Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 139 ff.; Bydlinski, JB1 1997, S. 617,620. 242

Darauf weist zu Recht Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 68 hin. 243 BGHZ 59, 236, 240. 244 BGHZ 4, 153, 154; 13, 360, 368. 245 Canaris, Lücken, § 75, S. 83; Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 70.

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weichklausel. Letztere macht die Durchbrechung der Regelanknüpfiing nämlich davon abhängig, daß eine (wesentlich) engere Verbindung mit dem Recht eines anderen Staates besteht. Die Ausweichklausel ist folglich am Einzelfall orientiert und damit zwangsläufig unscharf gefaßt 246. Es sollen also gerade nicht nur bestimmte Fallgruppen von dem Anwendungsbereich der Regelanknüpfung ausgenommen werden. Somit wird die Kollisionsnorm durch die Ausweichklausel nicht um eine fest umschriebene Ausnahmeregelung ergänzt. Ein der teleologischen Reduktion entsprechendes methodisches Vorgehen wäre es dagegen beispielsweise, kurzfristige Mietverträge generell nicht dem Art. 28 ΠΙ EGBGB zu unterstellen, sondern statt dessen über Art. 28 Π EGBGB anzuknüpfen 247. Mit der gesetzlichen Ausweichklausel erhält der Rechtsanwender demgegenüber eine Korrekturmöglichkeit im Einzelfall. Schon aus diesem Grund ist es nur schwerlich denkbar, insoweit von einer gesetzgewordenen teleologischen Reduktion zu sprechen. Zudem verleitet eine solche Interpretation dazu, ein Abweichen von der Regelanknüpfung auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung immer dann für möglich zu halten, wenn eine eindeutig oder offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Recht auszumachen ist. Bei einem solchen Verständnis wären nun aber sämtliche Verweisungsnormen als bloße Vermutungen ausgestaltet248. Dies hätte zur Folge, daß ζ. B. bei inländischen Mehrstaatern trotz der Regelung des Art. 5 12 EGBGB in Ausnahmefällen eine Durchbrechung des strikten Vorrangs der deutschen Staatsangehörigkeit erfolgen könnte249. Nimmt man dagegen eine klare Trennung zwischen teleologischer Reduktion und gesetzlicher Ausweichklausel vor, so spricht mehr dafür, allein die wesentlich engere Verbundenheit der Person mit ihrem ausländischen Heimatstaat nicht für eine Durchbrechung der Regelanknüpfung genügen zu lassen250. Eine methodologische Einordnung der gesetzlichen Ausweichklausel als gesetzgewordene teleologische Reduktion könnte also eine dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufende 251 Aufweichung der Kollisionsnormen zur Folge haben. Dies

246 So auch ausdrücklich Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168, 188: „Eine schärfere Tatbestandsfassung ist für eine General-Ausweichklausel nicht möglich." 247 Dafür Kegel/Schurig, IPR, § 18 I 1 d, S. 580; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 164. Zur Notwendigkeit dieser teleologischen Reduktion in Anbetracht der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB s.u. § 17. II 2 b. 248 Vgl. Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168, 188: „Grundsätzlich ist von der Vermutung auszugehen, daß die Verweisungsvorschrift den Normzweck verwirklicht." 249 Dafür Mansel, Personalstatut, Rdnr 272; MünchKomm / Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rdnr 14; ders., BerDGesVR 29 (1988), S. 9, 21. 250 So im Ergebnis Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 3; Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 6; v. Bar, IPR I, Rdnr 563; v. Mangoldt, StAZ 1990, S. 245, 246; Martiny, JZ 1993, S. 1145, 1147; Pitschas, in: Jayme/Mansel, Nation und Staat im IPR, S. 93, 97. Ausführlich zu diesem Meinungsstreit s.u. § 9. II. 251 Vgl. BT-Drucks. 10/504, S. 29: Bei der Neuregelung des EGBGB wurde aus Gründen der Rechtssicherheit auf eine allgemeine gesetzliche Ausweichklausel verzichtet. 7 Geisler

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

gilt ungeachtet der Tatsache, daß auch das Internationale Privatrecht einer Rechtsfortbildung zugänglich sein muß. Trotzdem hat der deutsche Gesetzgeber den einzelnen Verweisungsvorschriften aber ein bestimmtes Maß an Verbindlichkeit zuerkannt. Insoweit etwa bestehende Unterschiede dürfen vom Rechtsanwender keinesfalls eingeebnet werden. Daß ein Verstoß gegen diesen Grundsatz auch praktische Konsequenzen für die Rechtsanwendung hätte, läßt sich anschaulich durch einen Blick auf die Rechtslage in der Schweiz und in Österreich verdeutlichen. Die dortigen Kollisionsrechte sehen ebenfalls gesetzliche Ausweichklauseln vor, diese sind aber anders ausgestaltet als im deutschen Recht 252 .

c) Vergleich mit der Rechtslage in der Schweiz Nach Art. 151 schw. IPRG findet das Recht, auf das dieses Gesetz verweist, ausnahmsweise keine Anwendung, wenn nach den gesamten Umständen offensichtlich ist, daß der Sachverhalt mit diesem Recht in nur geringem, mit einem anderen Recht jedoch in viel engerem Zusammenhang steht. Eine Abänderung des Verweisungsbefehls ist allerdings nach Art. 15 Π schw. IPRG ausgeschlossen, sofern die Parteien eine Rechtswahl getroffen haben. Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird deutlich, daß es sich bei Art. 15 I schw. IPRG um eine der Verwirklichung der kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit dienende gesetzliche Ausweichklausel handelt253. Nur vereinzelt wird im schweizerischen Schrifttum dafür plädiert, Art. 15 I schw. IPRG auch zur Korrektur des materiellrechtlichen Ergebnisses der Verweisung zu benutzen254. Aufgrund der systematischen Stellung im Allgemeinen Teil des Gesetzes kann Art. 15 I schw. IPRG als sog. generelle Ausweichklausel bezeichnet werden 255. Ein Abweichen von der Regelanknüpfung ist mithin nicht nur dort möglich, wo die Kollisionsnorm selbst auf den engsten oder engeren Zusammenhang abstellt, wie etwa in Art. 48 Π oder Art. 117 I schw. IPRG. Trotzdem wird aber ausdrücklich betont, daß der Charakter der Verweisungsvorschriften durch die Ausweichklausel des Art. 15 I schw. IPRG keine Änderung erfahre 256. Diese seien nämlich prinzipiell strikt ausgestaltet, weshalb der Rechtsanwender in der großen Mehrzahl 252 Länderberichte zur Rechtslage in anderen europäischen Staaten sowie den USA finden sich bei Kokkini-Iatridou, D. (Hrsg.), Exception Clauses in Conflicts of Laws and Conflicts of Jurisdictions (1994). 253 Keller/Girsberger, in: IPRG-Kommentar, Art. 15, Rdnr 5; Schnyder, IPR-Gesetz, § 5 IV, S. 34; Honseil/Vogt/ Schnyder/ Mächler-Erne, Art. 15 IPRG, Rdnr 8; Knoepfler, Rev. crit. dr. i. pr. 81 (1992), S. 488, 489; R. Meyer, in: Kokkini-Iatridou (Hrsg.), Exception Clauses, S. 299, 320.

Daftir aber wohl Schwander, IPR, Rdnr 382. 255 Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168,171. 256 Knoepfler, Rev. crit. dr. i. pr. 81 (1992), S. 488,489: „L'article 15 LDIP ne modifie pas la nature des règles de conflit de lois."; vgl. auch BGE 118 II, 79, 82; 121 III, 246,247.

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der Fälle nicht von der gesetzlichen Konkretisierung des engsten Zusammenhangs abweichen könne 257 . In der Tat wird der Ausnahmecharakter des Art. 15 I schw. IPRG nicht zuletzt dadurch hervorgerufen, daß für sein Eingreifen mehrere Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen. Neben dem offensichtlich geringen Zusammenhang mit dem an sich maßgeblichen Recht muß nämlich zusätzlich ein viel engerer Zusammenhang mit einem anderen Recht bestehen258. Quantitativ gesehen wird Art. 15 I schw. IPRG damit in vergleichsweise wenigen Fällen zur Anwendung kommen. Dies ändert indes nichts daran, daß diese Vorschrift eine Durchbrechung der Regelanknüpfung überhaupt erst ermöglicht 259. Die Kollisionsnormen sind eben nicht mehr generell strikt gefaßt. Vielmehr hat der Rechtsanwender den gesetzlich angeordneten Verweisungsbefehl nur noch im Prinzip oder in aller Regel zu befolgen 260 . Zumindest in methodischer Hinsicht liegt somit aber ein entscheidender Unterschied zum deutschen Recht vor. Aber auch im Hinblick auf den Rechtsanwendungsbefehl ergeben sich, wenn auch nur in zahlenmäßig wenigen Fällen, deutliche Abweichungen von solchen Kollisionsrechten, die auf eine allgemeine oder generelle Ausweichklausel (bewußt) verzichtet haben. Veranschaulichen läßt sich dies etwa an der zentralen Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) zu Art. 15 I schw. IPRG aus dem Jahre 1991 261 : Zwei US-amerikanische Staatsbürger heiraten 1962 in Texas, wo sie auch ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. In den nächsten 17 Jahren wechselten die Parteien ihren Wohnsitz elfmal und lebten in fünf Ländern auf drei Kontinenten zusammen. Von 1979 an bestand dann für fünf Jahre ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in der Schweiz. Aufgrund ehelicher Spannungen zog die Ehefrau 1984 zu ihren Eltern nach Deutschland, während der Ehemann in der Schweiz verblieb, wo er wenig später Scheidungsklage erhob. Noch vor Ausspruch des erstinstanzlichen Urteils im August 1990 kehrte auch die Ehefrau in die Schweiz zurück.

Da beide Ehegatten US-amerikanische Staatsbürger waren und im Zeitpunkt des Scheidungsantrags nur der Ehemann seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte, wäre auf die Ehescheidung nach Art. 61 Π schw. IPRG an sich das gemeinsame Heimatrecht der Parteien anzuwenden gewesen. Das BGer unterstellte die Scheidung aber über Art. 15 I schw. IPRG dem schweizerischen Recht, weil zu diesem wegen des ehemaligen gemeinsamen Wohnsitzes und des jetzigen gemeinsamen Aufenthalts erheblich engere Beziehungen bestünden262. Insoweit war für das BGer neben dem 257 Knoepfler, a. a. O. 258 Dubler, Clauses d'exception, S. 30; Keller/ Girsberger, in: IPRG-Kommentar, Art. 15, Rdnr 48. 259 Ebenso Schnyder, IPR-Gesetz, § 5 IV, S. 34. 260 Auf die Gefahr einer Ausuferung des Anwendungsbereichs des Art. 15 I schw. IPRG weisen mit Recht Honseil /Vogt/Schnyder/Mächler-Erne, Art. 15 IPRG, Rdnr 16 hin. 261 BGE 118 II, 79 = Rev. crit. dr. i. pr. 81 (1992), S. 484. 7*

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

vergleichsweise langen Zusammenleben in der Schweiz wohl auch von Bedeutung, daß es Zweifel hinsichtlich der richtigen interlokalen Unteranknüpfung in den USA hatte. Schließlich dürfte auch der Aspekt des „Heimwärtsstrebens" eine Rolle gespielt haben. Allerdings erscheint es schon sehr zweifelhaft, ob in diesem Fall wirklich ein deutlich engerer Zusammenhang mit dem schweizerischen und ein nur ganz unwesentlicher Zusammenhang mit dem US-amerikanischen Recht bestanden hat 263 . Dies gilt vor allem deshalb, weil die Ehegatten während der Ehe auch mehrfach einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem US-Bundesstaat hatten. Die Beziehungen zu den USA sind also keineswegs unbedeutend264. Zudem haben die Ehegatten während ihrer 28-jährigen Ehe nur ganze fünf Jahre zusammen in der Schweiz gelebt. Wäre ein entsprechender Sachverhalt vor ein deutsches Gericht gelangt, so hätte dieses unzweifelhaft über Art. 17 I i.V.m. Art. 14 I Nr. 1 EGBGB das gemeinsame Heimatrecht der Eheleute angewendet. Selbst in Fällen interlokaler Rechtsspaltung bleibt es nämlich jedenfalls dann bei der Anknüpfung an die übereinstimmende Staatsangehörigkeit, wenn während der Ehe ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt im Heimatstaat bestanden hat 265 . Während also ein deutscher Richter keine Veranlassung gehabt hätte, über eine Durchbrechung der Regelanknüpfung nachzudenken, sah sich das BGer zu einem Abweichen von Art. 61 I I schw. IPRG veranlaßt. Dies zeigt deutlich, wie sich die generelle Ausweichklausel des Art. 15 I schw. IPRG auf die Verbindlichkeit der Kollisionsnormen auswirkt. Mittels dieser Vorschrift werden eben nicht nur gänzlich untragbare Verweisungsbefehle korrigiert. Von einem Versagen der Staatsangehörigkeitsanknüpfung könnte nämlich allenfalls dann gesprochen werden, wenn beide Ehegatten keinerlei Verbindungen zu ihrem Heimatland hätten und die Staatsangehörigkeit somit lediglich als formales Anknüpfungsmoment erschiene266. Für ein Eingreifen des Art. 15 I schw. IPRG genügt dagegen in der Praxis eine im Einzelfall engere Beziehung zu einem anderen Recht, wobei man jeweils darüber streiten kann, ob es sich insoweit wirklich um einen offensichtlich engeren Zusammenhang handelt. Auch das BGer lehnt eine Durchbrechung der Regelanknüpfung aber jedenfalls dann ab, wenn die scheidungswilligen Ehegatten demselben ausländischen Staat angehören und eine der Parteien in diesem Staat ihren Wohnsitz hat 267 . 262 BGE 118 II, 79, 83 = Rev. crit. dr. i. pr. 81 (1992), S. 484,488. 263 Honseil/Vogt/Schnyder/Mächler-Erne, Art. 15 IPRG, Rdnr 11. 264 Darauf weist zu Recht Knoepfler, Rev. crit. dr. i. pr. 81 (1992), S. 488,491 hin. 265 Ausführlich zur interlokalen Unteranknüpfung in solchen Fällen s.u. § 13.1. 266 Auch insoweit wäre allerdings zu bedenken, daß immerhin beide Ehegatten demselben Staat angehören. 267 BGE 121 III, 246, 247; zustimmend Siehr, SJZ 92 (1996), S. 65, 66. In diesem Fall bestehen aber ohnehin eindeutig engere Beziehungen zu dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten, weil lediglich der Wohnsitz eines Gatten für die Anwendung des schweizerischen Rechts spricht.

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Die aufweichende Tendenz des Art. 15 I schw. IPRG verstärkt noch, wer diese Vorschrift sogar auf solche Kollisionsnormen anwendet, denen (auch) materiellrechtliche Überlegungen zugrunde liegen 268 . Jedenfalls dann läßt sich aber die gesetzliche Ausweichklausel nicht mehr als gesetzgewordene teleologische Reduktion bezeichnen, weil die ratio legis insoweit eine andere ist. Aber auch sonst hat sich gezeigt, daß das Vorhandensein einer allgemeinen gesetzlichen Ausweichklausel durchaus praktische Konsequenzen für das Kollisionsrecht hat. Man mag der damit einhergehenden höheren Flexibilität positiv269 oder negativ gegenüberstehen, die vorhandenen Unterschiede hinsichtlich der Regelungstechnik lassen sich indes nicht leugnen.

d) Vergleich mit der Rechtslage in Österreich Auch in Österreich hat es in jüngerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung über Sinn und Zweck einer generellen Ausweichklausel gegeben. Ausgangspunkt dieser Diskussion ist die Vorschrift des § 1 öst. IPRG. Nach dessen Abs. 1 sind Auslandssachverhalte in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen, zu der die stärkste Beziehung besteht. Die besonderen Regelungen über die anzuwendende Rechtsordnung sind dabei nach § 1 Π öst. IPRG als Ausdruck dieses Grundsatzes anzusehen. Im österreichischen Schrifttum ist seit jeher umstritten, ob § 1 I öst. IPRG als allgemeine Ausweichklausel angesehen werden kann 270 oder ob nicht vielmehr aus § 1 I I öst. IPRG zu entnehmen ist, daß die besonderen Kollisionsnormen das Leitprinzip zwingend und unwiderlegbar konkretisieren 271. Die Rechtsprechung hat die Generalklausel des § 1 I öst. IPRG zunächst nur zur Auslegung und Lükkenfüllung herangezogen272. So hat sich der OGH beispielsweise geweigert, auf die Scheidung zweier Jugoslawen anstelle des von § 20 öst. IPRG berufenen gemeinsamen Heimatrechts das gemeinsame österreichische Wohnsitzrecht anzuwenden273. Dies geschah, obwohl die Parteien in Österreich geheiratet und dort gemeinsam gelebt hatten274. 268 Dafür etwa Keller/Girsberger, in: IPRG-Kommentar, Art. 15, Rdnr 36; a.A. mit Recht Honseil/ Vogt/Schnyder/Mächler-Erne, Art. 15 IPRG, Rdnr 7. 269 So Girsberger, SJZ 95 (1999), S. 209, 217. 270 Schwind, IPR, Rdnr 145; ders., ZfRV 32 (1991), S. 255, 260; Hoyer, Fschr. Ferid (1988), S. 187, 189; Rummel/Schwimann, § 1 IPRG, Rdnr 5; Kreuzer, ZfRV 33 (1992), S. 168, 173 m. w. N. zum Streitstand. 271 Mänhardt/Posch, IPR, S. 13; Matscher, ÖJZ 1989, S. 705, 708; Edlbacher, ÖJZ 1976, S. 530; W. Lorenz, IPRax 1995, S. 329, 331; vgl. auch Schwind, StAZ 1979, S. 109,110. 272 Vgl. nur OGH ÖJZ 1985, S. 724; OGH ÖJZ 1989, S. 119. 273 OGH ÖJZ 1989, S. 119; zustimmend Rummel/Schwimann, § 1 IPRG, Rdnr 5. 274 Der Sachverhalt weist damit deutliche Parallelen zur abweichenden Entscheidung BGE 118 II, 79 = Rev. crit. dr. i. pr. 81 (1992), S. 484 auf.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

Eine Änderung der Rechtsprechung schien sich dann allerdings im Jahre 1989 anzudeuten. Der OGH sprach nämlich nunmehr in einem obiter dictum aus, daß die einzelnen Verweisungsnormen den Grundsatz der stärksten Beziehung nur konkretisierten und ihm daher untergeordnet seien275. Mithin müsse dieser Grundsatz auch bei der Auslegung der Verweisungsvorschriften berücksichtigt werden. Schwind hat diesen Richterspruch als „goldene Worte" bezeichnet276 und als eindeutiges Indiz für eine Interpretation des § 1 I öst. IPRG als generelle Ausweichklausel gewertet 277. Nicht zuletzt auch aufgrund der insoweit bestehenden Unsicherheit sah sich der OGH im Jahre 1994 veranlaßt, ausführlich auf die Funktion des § 1 I öst. IPRG einzugehen278. Dieser Entscheidung, der für den vorliegenden Zusammenhang zentrale Bedeutung zukommt, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine GmbH mit Geschäftssitz in Deutschland führte Ende der 80er Jahre im Auftrag der Beklagten an zwei in Wien gelegenen Gebäuden Bauarbeiten aus. Dabei kam es zwischen den Parteien zum Streit über den Betrag der Schlußabrechnungen. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl ist nicht erfolgt.

Nach § 36 öst. IPRG sind gegenseitige Verträge, nach denen eine Partei einer anderen zumindest überwiegend Geld schuldet, nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. der Niederlassung der anderen Partei zu beurteilen 279. § 36 öst. IPRG würde damit im vorliegenden Fall auf deutsches Recht verweisen. Dieses Ergebnis könnte nun aber deshalb zweifelhaft sein, weil der Unternehmer seine Leistung nicht im Land seiner geschäftlichen Niederlassung, sondern vielmehr im Staat des Auftraggebers erbracht hat. Mithin wäre es denkbar, eine stärkere Beziehung zum Recht dieses Staates anzunehmen280. Eine entsprechende Abänderung des Verweisungsbefehls des § 36 öst. IPRG ließe sich aber nur über § 11 öst. IPRG erreichen. Der OGH sprach sich indes eindeutig dagegen aus, § 11 öst. IPRG die Funktion einer allgemeinen Ausweichklausel zuzuerkennen. Zwar könne aus dieser Grundnorm des Kollisionsrechts die gesetzgeberische Wertung für alle Fälle der Schließung von Gesetzeslücken entnommen werden 281. Deshalb sei es durchaus denkbar, sich erst neu entwickelnde schuldrechtliche Vertragstypen, an die der Gesetzgeber naturgemäß nicht habe denken können, vom Anwendungsbereich des § 36 IPRG auszunehmen. Hingegen müsse bei bekannten und geläufigen Vertragstypen wie 275 OGH ZfRV 32 (1991), S. 305, 309 = IPRax 1991, S. 194, 196. 276 Schwind; IPRax 1991, S. 201,202. 277 Zweifelnd insoweit aber W. Lorenz, IPRax 1995, S. 329, 330. 278 OGH ZfRV 36 (1995), S. 36 = IPRax 1995, S. 326. 279 Am 01. 12. 1998 ist nunmehr aber auch in Österreich des EVÜ in Kraft getreten, vgl. dazu Helmberg, wbl 12 (1998), S. 465 ff. 280 Dafür Rummel / Schwimann, § 36 IPRG, Rdnr 5. 281 OGH ZfRV 36 (1995), S. 36, 39 = IPRax 1995, S. 326, 328.

§ 7 Ausweichklausel

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dem Werkvertrag der klare und eindeutige Gesetzeswortlaut beachtet werden 282. In einem solchen Fall könne man „nicht in die Interessenprüfung eintreten, als gebe es die positive Norm noch gar nicht" 283 . Ansonsten würde es nämlich zu einer untragbaren Gefährdung der Rechtssicherheit kommen. Vielmehr müsse für eine Durchbrechung der Regelanknüpfung erst das „Trägheitsprinzip im Kollisionsrecht" 284 überwunden werden. Die Entscheidung des OGH verdient in vollem Umfang Zustimmung285 und ist auch für das deutsche Recht von erheblicher Bedeutung. Der OGH hat nämlich nicht nur zur Funktion des § 11 öst. IPRG Stellung bezogen, sondern zugleich darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen in Ermangelung einer gesetzlichen Ausweichklausel vom ordentlichen Verweisungsbefehl abgewichen werden kann. Allein die Tatsache, daß im Einzelfall eine engere oder stärkere Beziehung zu einem anderen Recht besteht, genügt hierfür indes nicht. Vielmehr muß die Befolgung der Regelanknüpfung auch zu einem Verlust an Rechtssicherheit führen. Sollte dies der Fall sein, so besteht auch kein schützenswertes Interesse an einer Kontinuität der Anknüpfung 286. Ein Beispiel bildet insoweit etwa der ausländische Mehrstaater, der mit keinem seiner Heimatrechte in nennenswerter Weise verbunden ist und (nahezu) sein gesamtes Leben in ein und demselben Drittstaat verbracht hat. Hier bestehen nicht nur deutlich engere Verbindungen mit dem Aufenthaltsstaat, sondern das Festhalten am Staatsangehörigkeitsprinzip zwingt den Rechtsanwender auch noch dazu, sich zwischen zwei äußerst schwachen Verbindungen (willkürlich) zu entscheiden. In einem derartigen Fall kann daher richtigerweise auch ohne gesetzliche Ausweichklausel eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips erfolgen 287. Eine solche teleologische Reduktion ist jedoch an erheblich strengere Voraussetzungen geknüpft als das Abweichen von der Regelanknüpfung mittels einer gesetzlichen Ausweichklausel288.

e) Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß das Vorhandensein einer gesetzlichen Ausweichklausel zu einer spürbaren Aufweichung der Kollisionsnormen 282 283 284 285

OGH ZfRV 36 (1995), S. 36, 39 = IPRax 1995, S. 326, 328. OGH a. a. O. unter Berufung auf Schurig, Kollisionsnorm, S. 201. Der Begriff stammt von Schurig, Kollisionsnorm, S. 202. So auch W. Lorenz, IPRax 1995, S. 329, 331.

286 Schurig, Kollisionsnorm, S. 202: Ein Abrücken von der bisherigen Regelanküpfung komme in Betracht, „wenn (und soweit) ein Interesse des potentiell beteiligten Rechtsverkehrs an der Kontinuität der Anknüpfung mit Rücksicht auf die konkreten Fallumstände nicht schützenswert erscheine". 287 Siehe unten § 8. IV 5 c. 288 Dies betont mit Recht auch OGH ZfRV 36 (1995), S. 36, 39 = IPRax 1995, S. 326, 328.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

führt. Die Ausweichklausel sollte aus diesem Grund als eigenständiges Institut behandelt und nicht mit den Methoden derrichterlichen Rechtsfortbildung vermischt werden. Eben dies geschieht aber, wenn man die Ausweichklausel als gesetzgewordene teleologische Reduktion bezeichnet. Zwar ist eine Durchbrechung des ordentlichen Verweisungsbefehls in engen Grenzen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung möglich. Dafür gilt es aber stets das aus Gründen der Rechtssicherheit bestehende Trägheitsprinzip im Kollisionsrecht zu überwinden. Wenn der Gesetzgeber eineflexiblere Behandlung der Kollisionsnormen wünscht, so muß er, wie in Art. 15 I schw. IPRG geschehen, eine generelle gesetzliche Ausweichklausel schaffen. Tut er dies aber ganz bewußt nicht, wie etwa der deutsche Gesetzgebei 2 8 9 . so hat der Rechtsanwender diese Entscheidung zu respektieren und den Verweisungsbefehl auch dann zu befolgen, wenn im Einzelfall engere Verbindungen mit dem Recht eines anderen Staates bestehen. 3. Gesetzliche Konkretisierung

als Regelbeispiel der engsten Verbindung

Faßt man die bisherigen Ausführungen kurz zusammen, so läßt sich festhalten, daß es sich bei den gesetzlichen Konkretisierungen der engsten Verbindung im Normalfall um unwiderlegbare Vermutungen handelt, während diese Vermutung im Falle einer gesetzlichen Ausweichklausel widerlegt werden kann. So hat der Gesetzgeber etwa in Art. 28 Π-IV EGBGB den obersten Anknüpfungsgrundsatz der engsten Verbindung selbst konkretisiert, es dem Rechtsanwender aber andererseits auch gestattet, unter Berufung auf eben diesen Grundsatz eine Durchbrechung der Regelanknüpfung vorzunehmen. Entsprechendes gilt für Art. 30 II EGBGB, obwohl hier nicht ausdrücklich von einer Vermutung gesprochen wird. Die Methode der Rechtsfindung weist damit in beiden Fällen deutliche Parallelen zu der bei der Konkretisierung einer Generalklausel290 auf 291 , die auch aus anderen Bereichen des Rechts bekannt ist. Das Verhältnis von Generalklausel und gesetzlicher Konkretisierung kann dabei unterschiedlich ausgestaltet sein. So ist es zunächst denkbar, die Generalklausel als subsidiär zurücktreten zu lassen, wenn eine speziellere Vorschrift tatbestandlich erfüllt ist. Dies gilt etwa für § 9 AGBG, dem die Verbotskataloge der 10 und 11 AGBG vorgehen. Ist also eine Vertragsklausel nach 10 oder 11 AGBG unwirksam, so kann dieses Ergebnis nicht dadurch korrigiert werden, daß man anschließend eine Prüfung nach Maßgabe des § 9 AGBG anstellt und die Klausel danach als im Ganzen angemessen und daher wirksam beurteilt 292. Weiterhin kann die General289 Vgl. BT-Drucks. 10/504, S. 29. 290 Art. 28 I EGBGB wird in BT-Drucks. 10/504, S. 79 ausdrücklich als Generalklausel bezeichnet. 291 Ähnlich Heßler, Sachrechtliche Generalklausel, S. 73. 292 Wolf/Horn/Lindacher, vor 10, 11 AGBG, Rdnr 9; Palandt ! Heinrichs, § 9 AGBG, Rdnr 1; MünchKomm IKötz, § 9 AGBG, Rdnr 1; Soergel /Stein, § 9 AGBG, Rdnr 2.

§ 7 Ausweichklausel

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klausel aber auch neben gesetzlichen Sondervorschriften Anwendung finden, wie beispielsweise § 1 U W G 2 9 3 . Schließlich hat der Gesetzgeber die Anwendbarkeit seiner gesetzlichen Konkretisierungen in einigen Fällen noch zusätzlich davon abhängig gemacht, daß die von der Generalklausel geforderte Beurteilung zutrifft 294. Hauptanwendungsfall sind insoweit die Regelbeispiele des § 243 StGB 295 . Im folgenden soll nun untersucht werden, ob und inwieweit sich die dort statuierte Rechtsfindungsmethode auf eine Kollisionsnorm mit gesetzlicher Ausweichklausel übertragen läßt. Die Regelbeispiele im Strafrecht unterscheiden sich von festen gesetzlichen Tatbeständen in zweifacher Weise: Zunächst einmal kann der Richter einen besonders schweren Fall i. S. d. § 243 Π StGB auch dann annehmen, wenn keines der dort genannten Regelbeispiele verwirklicht ist 296 . Auf der anderen Seite stellt das Vorliegen eines Regelbeispiels aber nur ein Indiz für einen besonders schweren Fall des Diebstahls dar 297 . Der Richter kann die Indizwirkung daher verneinen, wenn eine Gesamtbetrachtung von Tat und Täter ergibt, daß der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat trotz Verwirklichung des Regelbeispiels nicht wesentlich vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle der betreffenden Deliktsart abweicht 298 . Das Vorliegen eines Regelbeispiels begründet mithin nur „eine widerlegliche gesetzliche Vermutung" für die besondere Schwere des Falles 299 . Methodisch handelt es sich dabei „um das bekannte Phänomen, die Strenge des generalisierenden Gesetzes durch individualisierende Betrachtung zu lockern" 300. Die soeben gemachten Ausführungen lassen sich in ihrem Kernbereich ohne weiteres auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts mittels einer gesetzlichen Ausweichklausel übertragen. Ebenso wie nämlich bei Vorliegen eines Regelbeispiels des § 243 Π StGB nur grundsätzlich von einem besonders schweren Fall ausgegangen werden kann, bezeichnen etwa die Art. 28 II-IV EGBGB nur grundsätzlich, aber eben nicht immer, mit welchem Staat der Vertrag am engsten verbunden ist. Vielmehr kann der Rechtsanwender in beiden Fällen aufgrund einer Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände eine abweichende Beurteilung vornehmen. Die Starrheit des Rechtsanwendungsbefehls wird also jeweils kraft gesetzlicher Anordnung aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit gelockert. Sofern also eine 293 BGHZ 11, 260, 269; BGH GRUR 1957, S. 491, 493; BGH GRUR 1962, S. 45, 48; Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rdnr 1. Ausführlich zur Funktion des § 1 UWG Teubner, Standards und Direktiven, S. 50 ff. 294 Haubelt, Konkretisierung von Generalklauseln, S. 115. 295 Aus dem Bereich des öffentlichen Rechts läßt sich etwa § 17 IV BJagdG als Beispiel nennen. 296 Vgl. nur Jescheck, StrafR Allgemeiner Teil, § 26 V 2, S. 271; Wessels, Fschr. Maurach, S. 295, 302; Milletat, Besonders schwere Fälle, S. 31. 297 Arzt, JuS 1972, S. 385, 390; Wessels, Fschr. Maurach, S. 295, 301. 298 BGHSt 20,121, 125; 23, 254, 257; BGH JZ 1987, S. 366. 299 Wahle, Besonders schwere Fälle, S. 57. 300 Maiwald, Fschr. Gallas, S. 137, 154; vgl. auch Noll, JZ 1963, S. 297, 301.

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2. Teil: Funktionen der engsten Verbindung

Verweisungsnorm mit einer gesetzlichen Ausweichklausel versehen ist, sind die gesetzlichen Konkretisierungen der engsten Verbindung als bloße Regelbeispiele anzusehen301. Diese methodische Einordnung hat den Vorzug, daß sie die eingeschränkte Verbindlichkeit des Verweisungsbefehls klar zum Ausdruck bringt. Damit wird einer generellen Aufweichung des Kollisionsrechts und dem damit einhergehenden Verlust an Rechtssicherheit vorgebeugt. Schließlich macht die hier vorgeschlagene methodische Verankerung auch deutlich, daß eine allgemeine Ausweichklausel auf erhebliche Vorbehalte stößt. Es vermag nämlich nicht zu überzeugen, die Kollisionsnormen generell nur als bloße Regelbeispiele auszugestalten. Dies gilt vor allem deshalb, weil sich der Anwendungsbereich einer allgemeinen Ausweichklausel auch bei noch so enger Fassung derselben nicht sicher begrenzen läßt 302 . Der Rechtsanwender sollte folglich nur dort zur Durchbrechung der Regelanknüpfung ermächtigt werden, wo ein besonderes Bedürfnis nach Offenheit und Beweglichkeit des Anknüpfungssystems besteht. Der Gang der Untersuchung wird zeigen, inwieweit der deutsche Reformgesetzgeber diesen Grundsatz beherzigt hat.

301 Angedeutet wird diese Lösung bei v. Bar, IPR II, Rdnr 491. 302 Ein deutliches Beispiel hierfür bildet BGE 118 II, 79 = Rev. crit. dr. i. pr. 81 (1992), S. 484; vgl. auch Honseil/Vogt/Schnyder/Mächler-Erne, Art. 15 IPRG, Rdnr 16.

Dritter Teil

Konkretisierung der engsten Verbindung An dieser Stelle soll nun dargestellt werden, wie die engste Verbindung in den verschiedenen Bereichen des Kollisionsrechts von der Praxis konkretisiert wird. Dabei wird zunächst auf die Anknüpfung des Personal- und Familienstatuts eingegangen. Im Anschluß werden Fragen der interlokalen Unteranknüpfung erörtert. Den Abschluß bildet schließlich eine eingehende Untersuchung des internationalen Schuld- und Arbeitsvertragsrechts.

Erstes Kapitel

Personalstatut Bei der Anknüpfung des Personalstatuts muß der Rechtsanwender nicht selten selbst bestimmen, mit welcher Rechtsordnung die Person am engsten verbunden ist. Der deutsche Gesetzgeber hat sich allerdings in Art. 5 11 EGBGB zum Staatsangehörigkeitsprinzip bekannt und damit zugleich entschieden, daß die engsten Verbindungen im allgemeinen zum Heimatrecht des Betroffenen bestehen1. Diese gesetzgeberische Konkretisierung der engsten Verbindung ist für den Rechtsanwender bindend. Sie versagt jedoch, wenn die Person mehreren Staaten angehört. Insoweit ist eine Verfeinerung der Regelanknüpfung erforderlich, um den Vorrang einer Staatsangehörigkeit ermitteln zu können2. Konkurrieren dabei mehrere ausländische Staatsangehörigkeiten miteinander (ausländische Mehrstaater), so ist der Rechtsanwender nach Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB zur Unteranknüpfung berufen: Er muß die sog. effektive Staatsangehörigkeit bestimmen. Anders hingegen, sofern die Person auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (inländische Mehrstaater). Die Rechtsstellung als Deutscher geht nämlich nach dem Willen des Gesetzgebers immer vor, Art. 5 12 EGBGB.

ι Siehe oben § 5. IV 2. 2 Siehe oben § 6. II 2.

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 1 1 EGBGB Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB nennt selbst zwei Umstände, die bei der Feststellung der effektiven Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen sind. Zur Konkretisierung der engsten Verbindung eines ausländischen Mehrstaaters zu einem seiner Heimatrechte soll nämlich insbesondere auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Person sowie den Verlauf ihres Lebens zurückgegriffen werden. Schon vor der IPR-Reform war der gewöhnliche Aufenthalt des Mehrstaaters das wichtigste Kriterium im Rahmen der Effektivitätsprüfung 3. Fraglich ist nun allerdings, welche Anforderungen im Internationalen Privatrecht an das Bestehen eines gewöhnlichen Aufenthalts zu stellen sind4. Weiterhin gilt es, die Fallkonstellationen aufzuzeigen, in denen zusätzliche Gesichtspunkte herangezogen werden müssen, um die engste Verbindung des Mehrstaaters ermitteln zu können. Dabei wird auch darauf einzugehen sein, inwieweit der Lebensverlauf des Betroffenen für die nach Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmende Unteranknüpfung von Bedeutung ist.

I. Gewöhnlicher Aufenthalt als engste Verbindung Relativ wenig Probleme bereitet die Bestimmung des Personalstatuts i.d.R. dann, wenn der ausländische Mehrstaater seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem seiner Heimatstaaten hat. Hier wird häufig die engste Verbindung zum Recht des Aufenthaltsstaates bestehen5. Dies erklärt sich daraus, daß der gewöhnliche Aufenthalt ebenso wie die Staatsangehörigkeit geeignet ist, einen Heimatbezug der Person zu dokumentieren. Deshalb folgen bei der Anknüpfung des Personalstatuts auch nicht wenige Staaten dem Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsprinzip. Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person wird dabei im Internationalen Privatrecht in demjenigen räumlichen Bereich angenommen, in dem die Person tatsächlich ihren Daseinsmittelpunkt hat6. In diesem Zusammenhang kommt es insbesondere auf objektive Kriterien wie die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthalts an7. Darüber hinaus ist der Schwerpunkt der familiären und beruflichen Beziehun3 BVerfGE 37, 217, 243; BGHZ 60, 68, 82 = NJW 1973, S. 417,420; BGHZ 75, 32, 39 = NJW 1979, S. 1776, 1777; BGH IPRspr. 1980 Nr. 126 = NJW 1980, S. 2016, 2017; BGHZ 78, 293, 302 = NJW 1981, S. 520, 522; Mansel, Personalstatut, Rdnr 306 m. w. N. 4

Ausführlich hierzu Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 107 ff. s Vgl. nur BayObLG IPRspr. 1995 Nr. 113 = StAZ 1996, S. 81, 83; LG Bremen StAZ 1996, S. 46; AG Rottweil NJW-RR 1995, S. 1032; Soergel/Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 9; Dörner, StAZ 1990, S. 1, 3; Martiny, JZ 1993, S. 1145,1147. 6 BGH IPRspr. 1975 Nr. 83 = NJW 1975, S. 1068; BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2048 = IPRax 1994, S. 131, 133; Staudinger/Gamillscheg w n \ vor Art. 13 EGBGB, Rdnr 107; Staudinger/Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 464; Lüderitz, IPR, Rdnr 119. 7 BT-Drucks. 10/504, S. 41.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 1 1 EGBGB

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gen zu berücksichtigen8. Die Person muß aber nach überwiegender Ansicht nicht die Absicht haben, auf Dauer am Aufenthaltsort zu verbleiben (animus manendi)9. Teilweise wird allerdings zumindest eine innere Gewöhnung an die neue Umgebung gefordert 10. Unabhängig davon ist aber zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in jedem Fall ein gewisses Maß an Eingliederung in die soziale Umwelt erforderlich, was in der Praxis grds. nach einem sechsmonatigen Aufenthalt bejaht wird 11 . Dabei sollterichtigerweise nicht zwischen Erwachsenen und Kindern differenziert werden, weil man nicht pauschal sagen kann, daß sich letztere leichter in eine neue Umwelt integrieren 12. Darüber hinaus vollzieht sich jedenfalls die soziale Eingliederung von Kleinkindern nicht zuletzt auch über die Bindungen an die Eltern 13. Allerdings ist die genannte Mindestaufenthaltsdauer nur als Faustregel und nicht als feste zeitliche Grenze zu verstehen. So kann der gewöhnliche Aufenthalt schon mit der Einreise begründet werden, wenn er von vornherein auf längere Dauer angelegt ist 14 . An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch nach Ansicht des BGH, falls der Aufenthaltswechsel nur unter Vorbehalt erfolgt 15. Ebensowenig genügt die schlichte Aufenthaltsnahme bei Asylbewerbern, die zwar in der Bundesrepublik bleiben möchten, aber in absehbarer Zeit mit einer Abschiebung rechnen müssen16. Andererseits stellt der Abschluß des Asylverfahrens keine notwendige Voraussetzung für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland dar. Entscheidend ist vielmehr auch hier der Gesichtspunkt der sozialen Integration. An s BGHZ 78, 293, 295 = NJW 1981, S. 520; OLG Hamm IPRspr. 1991 Nr. 118 = NJW 1992, S. 636,637; Siep, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 59; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185, 187. 9 BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2048 = IPRax 1994, S. 131, 133; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 132; Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 52; Soergel/ Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 53; a. A. Mann, JZ 1956, S. 466,470. 10 Papenfuß, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 166; v. Bar, IPR I, Rdnr 529; Dörner, IPRax 1993, S. 83, 85. » BGHZ 78, 293, 301 = NJW 1981, S. 520, 521; OLG Celle IPRspr. 1991 Nr. 114 = FamRZ 1991, S. 1221, 1222; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, S. 903 = FamRZ 1995, S. 37, 38; Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 10; Siep, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 53. 12 Dörner, JZ 1995, S. 398, 399; a.A. Kropholler, IPR, § 39 II 5, S. 262; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 98, der bei Erwachsenen regelmäßig eine Verweildauer von drei Jahren fordert, während bei Kindern ein Aufenthalt von sechs Monaten genügen soll. 13 So mit Recht G. Fischer, RabelsZ 62 (1998), S. 136, 138. 14 BGH NJW 1998, S. 1565; BGHZ 78, 293, 295 = NJW 1981, S. 520; OLG Hamburg IPRspr. 1986 Nr. 154 = IPRax 1987, S. 319; OLG Hamm IPRspr. 1992 Nr. 113 = FamRZ 1992, S. 673, 675; Spickhoff, IPRax 1990, S. 225, 227; Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 52. 15 BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2049 = IPRax 1994, S. 131, 133: Die Ehefrau hatte ihren Verbleib in den Niederlanden von dem Verhalten ihres Mannes abhängig gemacht; zustimmend v. Bar, IPRax 1994, S. 100,102. 16 Vgl. hierzu vor allem Spickhoff, IPRax 1990, S. 225, 227.

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

einer solchen bestehen jedenfalls bei einem mehrjährigen Inlandsaufenthalt des Asylbewerbers keine ernsthaften Zweifel 17. Umgekehrt führt eine längere Abwesenheit nicht automatisch zum Verlust des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts. Vorübergehende Abwesenheit steht der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts am Heimatort nämlich grds. nicht entgegen, sofern eine Rückkehr geplant ist 18 . Dies gilt etwa für Minderjährige, die sich zur schulischen oder beruflichen Ausbildung im Ausland aufhalten 19. Auch ausländische Studenten und Gastprofessoren, deren Aufenthalt im Inland von vornherein begrenzt ist 20 , behalten ihren ursprünglichen gewöhnlichen Aufenthalt bei. Gleiches hatrichtigerweise erst recht für Zwangsaufenthalte zu gelten, bei denen der Betroffene ohne Bewegungsfreiheit in einem fremden Staat lebt (ζ. B. Verschleppung, Strafhaft, Arbeitslager oder Heilanstalt)21. In diesen Fällen kann nämlich von einer sozialen Integration am Aufenthaltsort ersichtlich keine Rede sein. Nicht ganz so eindeutig stellt sich die Situation dar, wenn ein Kind von nahen Angehörigen gegen den Willen des sorgeberechtigten Elternteils ins Ausland verbracht wird. Hier ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich das Kind fest und dauerhaft in die neue soziale Umwelt eingliedert. Deshalb kann der neue Aufenthaltsort zum gewöhnlichen Aufenthalt werden22. Dies führt dann bei minderjährigen Mehrstaatern auch zu einem Wechsel der effektiven Staatsangehörigkeit23. Wegen des entgegenstehenden Willens des (allein) Sorgeberechtigten sind insoweit aber strenge Anforderungen zu stellen24. π OLG Nürnberg IPRspr. 1989 Nr. 92 = IPRax 1990, S. 249, 250; OLG Hamm IPRspr. 1989 Nr. 199 = NJW 1990, S. 651, 652; OLG Karlsruhe IPRspr. 1991 Nr. 108 = FamRZ 1992, S. 316, 317; Johannsen/Henrich, Art. 17 EGBGB, Rdnr 10. is BGH IPRspr. 1975 Nr. 83 = NJW 1975, S. 1068; BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2048 = IPRax 1994, S. 131, 133; BayObLGZ 1983, 168, 175 = IPRspr. 1983 Nr. 13; Palandt IHeldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 10; Staudinger/Gamillscheg 10 ' n , vor Art. 13 EGBGB, Rdnr 108. 19 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthaltes. 116; Johannsen/Henrich, Art. 17 EGBGB, Rdnr 11; Soergel//fege/, Art. 5 EGBGB, Rdnr 46 m. w. N. 20 Spickhoff, IPRax 1995, S. 185, 186 geht insoweit zu Recht von einer zeitlichen Höchstgrenze von zwei Jahren (vier Semestern) aus. 21 BGH NJW-RR 1993, S. 4 = FamRZ 1993, S. 47, 48; OLG Köln FamRZ 1996, S. 946, 947; Staudinger IBlumenmtz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 466; MünchKomm I Sonnenberger, Einl. IPR, Rdnr 668; a.A. Raape/Sturm, IPR, § 9 A III 4, S. 130. 22 BGHZ 78, 293, 301 = NJW 1981, S. 520, 521; OLG Hamm IPRspr. 1989 Nr. 129 = FamRZ 1989, S. 1109, 1110; OLG Celle IPRspr. 1991 Nr. 114 = FamRZ 1991, S. 1221, 1222; Staudinger/Kropholler, Vorb. zu Art. 19 EGBGB, Rdnr 132; a.A. Soergel/Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 57. 23 OLG Hamm IPRspr. 1988 Nr. 97 = NJW 1989, S. 672, 673; Mansel, Personalstatut, Rdnr 311. 24 Vgl. OLG Hamm IPRspr. 1985 Nr. 90 = IPRax 1986, S. 45: Mangels sozialer Einbindung (Sprache) wurde trotz einjährigen Aufenthalts in Zaire ein gewöhnlicher Aufenthalt der Kinder im Inland bejaht.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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IL Problemfälle Schon die bisherigen Ausführungen haben erkennen lassen, daß der gewöhnliche Aufenthalt einer Person nicht immer zweifelsfrei zu ermitteln ist. Dies wirkt sich auch auf die nach Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmende Unteranknüpfung aus, sofern das primäre Effektivitätsmerkmal nicht mehr eindeutig auf eines der Heimatrechte des ausländischen Mehrstaaters hinweist. Außerdem kann der Indizwert des gewöhnlichen Aufenthalts durch andere persönliche Bindungen abgeschwächt oder sogar überlagert werden. Im einzelnen lassen sich folgende Problemfälle unterscheiden:

1. Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Drittstaat Von vornherein nur geringe Bedeutung kommt dem gewöhnlichen Aufenthalt des Mehrstaaters zu, falls dieser seinen Lebensmittelpunkt in einem Drittstaat hat. Der Drittstaatenaufenthalt sagt nämlich unmittelbar nichts darüber aus, mit welchem Heimatrecht die Anknüpfungsperson am engsten verbunden ist. Insoweit kann allenfalls der frühere bzw. letzte gewöhnliche Aufenthalt in einem der Heimatländer zu berücksichtigen sein25. Der aktuelle gewöhnliche Aufenthalt hingegen eignet sich im Rahmen der Effektivitätsprüfung lediglich als Vergleichsmaßstab. So könnte man meinen, daß ein in Deutschland lebender österreichisch-polnischer Doppelstaater aufgrund der größeren Ähnlichkeit der Rechtssysteme die engsten Verbindungen zum österreichischen Recht besitzt26. Diese Überlegung, deren Richtigkeit noch zu untersuchen sein wird, kommt aber überhaupt erst zum Tragen, wenn sich auf andere Weise keine effektive Staatsangehörigkeit ermitteln läßt. Bei der von Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB angeordneten Unteranknüpfung des Personalstatuts muß deshalb für Mehrstaater mit Drittstaatenaufenthalt vorrangig auf andere Kriterien als den (aktuellen) gewöhnlichen Aufenthalt zurückgegriffen werden.

2. Fehlender oder mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt Schwierigkeiten entstehen bei der Bestimmung der effektiven Staatsangehörigkeit weiterhin dann, wenn sich entweder überhaupt kein gewöhnlicher Aufenthalt des Mehrstaaters ermitteln läßt oder aber die Anknüpfungsperson zu zwei Aufenthaltsstaaten gleichermaßen starke Beziehungen aufweist. Weitgehend unschädlich ist dies allerdings für den Fall, daß sich die Person nicht abwechselnd in ihren Heimatstaaten, sondern vielmehr entweder in einem Heimatstaat oder in einem Dritt25 Mansel, Personalstatut, Rdnr 379. 26 Vgl. BayObLGZ 1984, 162, 164 = IPRspr. 1984 Nr. 83 = IPRax 1985, S. 226, 227; Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2; ähnlich Soergel I Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 11, der letzthilfsweise auf deutsches Recht (lex fori) als Vergleichsmaßstab abstellt.

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

Staat (gewöhnlich) aufhält. Dann dürfte die engste Verbindung in aller Regel zu dem Heimatstaat bestehen, der zumindest zeitweilig auch Aufenthaltsstaat ist. Davon abgesehen wird es aber im kollisionsrechtlichen Schrifttum ohnehin nicht selten für ausgeschlossen gehalten, daß eine Person gleichzeitig an mehreren Orten einen gewöhnlichen Aufenthalt hat 27 . Die wohl überwiegende Ansicht28 bejaht jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung29 zu Recht die Möglichkeit eines mehrfachen (doppelten) gewöhnlichen Aufenthalts. Auf diesen Meinungsstreit muß an dieser Stelle aber letztlich nicht abschließend eingegangen werden. Im Rahmen des Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB genügt nämlich die Feststellung, daß Situationen denkbar sind, in denen allein der gewöhnliche Aufenthalt des Mehrstaaters keine eindeutige Zuordnung zu einem der Heimatrechte gewährleistet. So kann der Mehrstaater in Ausnahmefällen überhaupt keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben, weil er ständig in verschiedenen Staaten umherreist. Als Beispiele werden insoweit häufig Schausteller und internationale Artisten genannt. Allerdings besitzen diese Personen in aller Regel zumindest ein festes Winterquartier außerhalb der Saison, so daß sich dann auch hier ein Daseinsmittelpunkt bestimmen läßt30. Entsprechendes gilt für die an internationalen Turnierserien teilnehmenden Profi-Sportler sowie für Angehörige des , Jet-Set". Bejaht wurde das Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts vom BGH demgegenüber für den Fall, daß jemand zwar einerseits seinen bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt aufgegeben hat, andererseits aber nur unter Vorbehalt am neuen Aufenthaltsort verbleiben will 31 . In dieser Konstellation scheidet jedenfalls die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts aus, da der entsprechende Aufenthalt von vornherein nicht auf Dauer angelegt ist 32 . Dagegen kommt ein Fortbestehen des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts in Betracht, wenn eine Rückkehr dorthin in absehbarer Zeit konkret geplant gewesen sein sollte33. Die oben genannte BGH-Entscheidung hat aber gezeigt, daß sich eine Person manchmal selbst nicht darüber im klaren ist, an welchem Ort sie zukünftig ihren Lebensmittelpunkt haben möchte. Dann kann von einem fehlenden gewöhnlichen Aufenthalt gesprochen werden. 27 Stoll, RabelsZ 22 (1957), S. 187, 190; v. Bar, IPR I, Rdnr 528; Henrich, Int. FamilienR, S. 35; Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 10; MünchKomm/Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rdnr 33. 28 Soergel/Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 75; Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 55; Staudinger/Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 469; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185, 189; Papenfuß, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 101; Kühne, Parteiautonomie, S. 97; Baumbach/Lauterbach/ Albers / Hartmann, § 606 ZPO, Rdnr 10; differenzierend Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 142. 29 BayObLGZ 1980, 52, 56 = IPRspr. 1980 Nr. 172; KG IPRspr. 1987 Nr. 164 = NJW 1988, S. 649, 650; OLG Bremen FamRZ 1992, S. 963; BayObLGZ 1996, 122, 124. 30 Kropholler, IPR, § 39 II 6 b, S. 264; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 144; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185, 188. 31 BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2049 = IPRax 1994, S. 131, 133. 32 v. Bar, IPRax 1994, S. 100, 102; a.A. Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 147. 33 Vgl. BGH IPRspr. 1982 Nr. 47 = NJW 1982, S. 1216, 1217 = IPRax 1983, S. 71, 72.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 1 1 EGBGB

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Ähnlich stellt sich die Situation dar, falls der Mehrstaater regelmäßig zwischen zwei Staaten hin und her pendelt oder sich zumindest für nicht unerhebliche Zeit in einem anderen Staat aufhält. Häufigstes Beispiel dürfte insoweit das Auseinanderfallen von Wohn- und Arbeitsort sein. Dabei wird zu Recht angenommen, daß es bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Zweifel entscheidend auf die familiären und nicht auf die beruflichen Beziehungen des Betroffenen ankommt34. Deshalb hat eine Person, die täglich zu ihrem jenseits der Grenze gelegenen Arbeitsort fährt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Wohnort35. Erhebliche Schwierigkeiten bereitet die Feststellung eines Daseinsmittelpunktes aber dann, wenn die Anknüpfungsperson auch für nicht unerhebliche Zeit am Arbeitsort übernachtet. So etwa bei Saisonarbeitern, die sich regelmäßig für einen bestimmten Teil des Jahres ausschließlich im Ausland aufhalten. Zu denken ist darüber hinaus an die Fälle, in denen jemand im Ausland wohnt und arbeitet, während die Familie weiterhin im Heimatland lebt. Hier wird sich ein (einziger) gewöhnlicher Aufenthalt noch ermitteln lassen, falls der Aufenthalt in einem Staat zeitlich eindeutig überwiegt. Lebt also ζ. B. eine polnische Aushilfskraft jeweils nur während der Erntemonate in Österreich, so bleibt es beim gewöhnlichen Aufenthalt am Heimatort. Demgegenüber wird ein gewöhnlicher Aufenthalt am Arbeitsort begründet, wenn der Betroffene nur den Jahresurlaub sowie einige Wochenenden gemeinsam mit seiner Familie im Heimatland verbringt 36 .

Allerdings sind auch Fallgestaltungen möglich, bei denen die Aufenthaltsdauer am Wohnort annäherungsweise mit der am Arbeitsort übereinstimmt. Besucht also der im Ausland beschäftigte Pendler seine Familie regelmäßig von Freitag nachmittag bis Montag früh, dann kann man sich in der Tat darüber streiten, ob der gewöhnliche Aufenthalt am Arbeitsort, am Wohnort37 oder an beiden Orten zugleich38 anzunehmen ist. Mit vergleichbaren (zeitlichen) Abgrenzungsschwierigkeiten hatte sich das Kammergericht in anderem Zusammenhang zu befassen39: Eine ursprünglich rumänische Staatsangehörige übersiedelte in die Bundesrepublik und erwarb nach einigen Jahren durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit hinzu. Nach gescheiterter Ehe begab sie sich nach Bukarest, um dort ein Medizinstudium aufzunehmen, da sie in Deutschland trotz intensiver Bemühungen keinen Studienplatz erhalten hatte. Dies gelang ihr vielmehr erst gut sieben Monate später, woraufhin sie auch in die Bundesrepublik zurückkehrte. Während ihres Aufenthalts in Bukarest stellte ihr Ehemann bei dem dortigen Gericht den Antrag auf Ehescheidung. In Abwesenheit der Ehefrau 34 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 115; Siep, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 107; Soergel I Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 48; Kropholler, IPR, § 39 II 6 a, S. 264. 35 OLG Hamm NJW-RR 1995, S. 187; Johannsen/Henrich, Art. 17 EGBGB, Rdnr 12; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185, 187. 36 OGH IPRax 1995, S. 177,178; Soergel/Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 48. 37 Dafür Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 116. 38 So zu Recht Spickhoff, IPRax 1995, S. 185,189; Kühne, Parteiautonomie, S. 97. 39 KG IPRspr. 1987 Nr. 164 = NJW 1988, S. 649. 8 Geisler

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

sprach das Bukarester Gericht die Scheidung aus. Im Anerkennungsverfahren ging es nun u. a. um die Frage, ob die Ehefrau im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Rumänien hatte.

Aufgrund des eindeutigen Rückkehrwillens und der relativ kurzen Abwesenheit dürfte der gewöhnliche Aufenthalt im Inland in jedem Fall fortbestanden haben. Das Kammergericht bejahte aber trotzdem auch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Rumänien, da eine Rückkehr bei Begründung des dortigen Aufenthalts noch nicht abzusehen gewesen sei und die Ehefrau notfalls sogar für das gesamte Studium in Bukarest geblieben wäre 40. Jedenfalls in den zuletzt genannten Beispielen besteht kein Zweifel daran, daß der gewöhnliche Aufenthalt im Rahmen der nach Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmenden Effektivitätsprüfung nicht als alleiniges Kriterium herangezogen werden kann. Aber auch in allen anderen angesprochenen Konstellationen ist der Indizwert des primären Effektivitätsmerkmals zumindest nicht unerheblich abgeschwächt. Selbst wenn sich in dem einen oder anderen Fall noch ein gewöhnlicher Aufenthalt des Mehrstaaters bestimmen läßt, bestehen doch so erhebliche Verbindungen zu beiden Heimatrechten, daß man bei der Feststellung der effektiven Staatsangehörigkeit nicht schematisch vorgehen darf. Deshalb kommt es für die Unteranknüpfung des Personalstatuts auch nicht in erster Linie darauf an, ob man im Einzelfall wirklich von einem fehlenden oder mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalt sprechen kann. Die diesbezügliche Entscheidung ist nämlich für die Effektivitätsprüfung nicht notwendigerweise präjudizierend.

3. Geplante Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts Geringere Bedeutung kommt dem gewöhnlichen Aufenthalt im Rahmen des Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB auch dann zu, wenn sich der Mehrstaater zwar momentan in einem Heimatstaat gewöhnlich aufhält, aber bereits endgültig entschlossen ist, in absehbarer Zeit in den anderen Heimatstaat überzusiedeln oder zurückzukehren. Richtigerweise kann allerdings die entsprechende Absicht des Betroffenen nur Berücksichtigung finden, sofern sie sich auch in objektiven Anknüpfungsmomenten niedergeschlagen hat 41 . Insoweit ist zunächst einmal an bestehende familiäre Bindungen zu denken. Übersiedelt also ζ. B. jemand für vier Jahre von einem Heimatstaat in den anderen, um dort seine Magister- und Doktorarbeit anzufertigen, so hat er unstreitig seinen gewöhnlichen Aufenthalt am Ausbildungsort. Bleibt aber die Familie des Mehrstaaters im anderen

40 KG IPRspr. 1987 Nr. 164 = NJW 1988, S. 649,650. Dörner, StAZ 1990, S. 1, 2; Mansel, Personalstatut, Rdnr 357; Taupitz, NJW 1986, S. 616, 618; vgl. auch OLG Köln IPRspr. 1975 Nr. 116 = FamRZ 1976, S. 170, 172; OLG Frankfùrt IPRspr. 1980 Nr. 7 = StAZ 1980, S. 236,237; LG Bielefeld IPRspr. 1983 Nr. 17.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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Heimatland zurück und will auch der Mehrstaater selbst nach Erwerb der angestrebten Abschlüsse in diesem Staat leben und arbeiten, dann führt der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts nicht zu einem Wechsel der effektiven Staatsangehörigkeit.

Entsprechendes gilt für den Fall, daß die Anknüpfungsperson zwar gemeinsam mit seiner Familie übersiedelt, die Aufenthaltsnahme aber nur zum Zwecke der beruflichen Weiterbildung erfolgt und von vornherein auf eine vorübergehende Zeit von etwa ein bis zwei Jahren angelegt ist 42 . In dieser Konstellation wird in aller Regel sogar der gewöhnliche Aufenthalt im Ausgangsstaat weiterbestehen bleiben 43 . Die Rechtsprechung hat allerdings bei der Bestimmung der effektiven Staatsangehörigkeit einer Rückkehrabsicht auch dann Rechnung getragen, wenn der Zeitpunkt der Rückkehr noch nicht genau abzusehen war. So soll es nicht zu einem Wechsel der effektiven Staatsangehörigkeit kommen, falls der Mehrstaater seinen gewöhnlichen Aufenthalt zwar aufgrund politischer Unruhen von einem Heimatstaat in den anderen verlegt, aber andererseits auf jeden Fall dorthin zurückkehren will, sobald sich die innenpolitische Lage wieder beruhigt hat 44 . Alle bisher behandelten Sachverhaltsgestaltungen zeichnen sich dadurch aus, daß der Mehrstaater zunächst eindeutig in einem Heimatland verwurzelt gewesen ist, dann für relativ kurze Zeit in einem anderen Heimatstaat Aufenthalt nimmt und schließlich in den Herkunftsstaat zurückkehrt. Fraglich ist nun jedoch, ob eine geplante Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der Effektivitätsprüfung auch dann Berücksichtigung finden kann, wenn die Anknüpfungsperson von Geburt an - oder zumindest doch über längere Zeit hinweg - im (noch) aktuellen Aufenthaltsstaat ansässig gewesen ist. Gibt der Mehrstaater dabei seinen bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heimatstaat endgültig und dauerhaft auf, so wird bereits mit der Einreise in den anderen Heimatstaat ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet45. Diese Wertung dürfte auch auf die effektive Staatsangehörigkeit durchschlagen, denn die engste Verbindung des Mehrstaaters wird hier zu dem Heimatstaat bestehen, im dem er von nun an seinen Lebensmittelpunkt hat. Dagegen scheidet ein Wechsel der effektiven Staatsangehörigkeit grds. aus, solange der Betroffene seinen bisherigen Aufenthaltsstaat nicht verlassen hat. Auch eine starke kulturelle Verbundenheit mit dem anderen Heimatstaat führt jedenfalls dann nicht zu einer abweichenden Beurteilung, wenn der Mehrstaater noch nie in diesem Land gelebt hat und auch in 42 BayObLGZ 1983,168,175 = IPRspr. 1983 Nr. 13. 43 Als deutliches Indiz hierfür wertet das BayObLG a. a. O. die Tatsache, daß die Familie für die Dauer der Weiterbildung nur in einer möblierten Firmenwohnung gelebt hat; zustimmend Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 117; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185,187. 44 BayObLGZ 1984,92,95 = IPRspr. 1984 Nr. 13. 4 * Vgl. BGHZ 78, 293, 295 = NJW 1981, S. 520; OLG Hamburg IPRspr. 1986 Nr. 154 = IPRax 1987, S. 319; OLG Hamm IPRspr. 1992 Nr. 113 = FamRZ 1992, S. 673,675.

8*

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

Zukunft nicht leben möchte46. Ein Wechsel der effektiven Staatsangehörigkeit kommt vielmehr nur für den Fall in Betracht, daß eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts bereits konkret in die Wege geleitet worden ist, etwa durch Abschluß eines Miet- oder Arbeitsvertrages am zukünftigen Aufenthaltsort. Auch die schulische oder berufliche Ausbildung vermag zur Manifestation eines geplanten Aufenthaltswechsels beizutragen47, sofern diese deshalb im anderen Heimatstaat stattfindet, weil der Mehrstaater dort seine (berufliche) Zukunft sieht48. Fehlt es hingegen an solchen objektiven Anknüpfungsmomenten, dann kann den Zukunftsplänen des Betroffenen im Rahmen des Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB kein größeres Gewicht zukommen als der Tatsache einer festen sozialen Integration am bisherigen Aufenthaltsort. Zusätzlich abgeschwächt ist der Indizwert des gewöhnlichen Aufenthalts allerdings für den Fall, daß der Mehrstaater in einem Heimatstaat lebt, der keine vollständige Reisefreiheit gewährleistet. Hier kann der angestrebte Aufenthaltswechsel u.U. aufgrund faktischer oder rechtlicher Zwänge nicht vollzogen werden. Die Beschränkung der Reisefreiheit steht indes der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in eben diesem Staat nicht entgegen49. Diesem Umstand ist bei der Effektivitätsprüfung Rechnung zu tragen. Allein der Ausreisewunsch führt mithin auch hier nicht zu einem Wechsel der effektiven Staatsangehörigkeit50. Der Betroffene muß vielmehr jedenfalls einen entsprechenden Ausreiseantrag stellen. Darüber hinaus dürfte stets das Vorliegen weiterer erheblicher Verbindungen zum anderen Heimatrecht zu fordern sein. Diese können etwa durch Sprache, Kultur oder verwandtschaftliche Beziehungen vermittelt werden. Ansonsten muß es dabei bleiben, daß die engste Verbindung des Mehrstaaters zu dem Heimatstaat besteht, in dem er sich Zeit seines Lebens aufhält, mag dies auch zum Teil Folge einer Einschränkung der Reisefreiheit sein.

4. Besonderheiten bei minderjährigen

Mehrstaatern

Die bisher dargestellten Grundsätze gelten im wesentlichen auch für mindeijährige Mehrstaater. Indes darf nicht übersehen werden, daß es insbesondere für die soziale Integration von Kleinkindern entscheidend auf die Bindung an die Eltern 46 A.A. BayObLGZ 1978, 162, 168 = IPRspr. 1978 Nr. 117 (obiter): Bei einem deutschperuanischen Doppelstaater soll die kulturelle Verbundenheit mit Deutschland stärker wiegen als ein mehr als 30-jähriger Aufenthalt in Peru. 47 Allein die (zeitweilige) Ausbildung in einem anderen Staat führt aber noch nicht zu einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts, vgl. BGH IPRspr. 1975 Nr. 83 = NJW 1975, S. 1068; AG Hamburg IPRspr. 1990 Nr. 111 (Internat); OLG Hamm IPRspr. 1989 Nr. 113 = FamRZ 1989, S. 1331,1332 (Studium). 48 Henrich IPRax 1981, S. 125,126; zustimmend Mansel, Personalstatut, Rdnr 209. 49 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 129.

» So auch Mansel, Personalstatut, Rdnr 381.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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bzw. den (allein) sorgeberechtigten Elternteil ankommt51. Deshalb werden bei minderjährigen Mehrstaatern nicht selten die familiären Bindungen über die effektive Staatsangehörigkeit entscheiden. Erwirbt also beispielsweise das im Ausland geborene Kind schweizerischer Eltern kraft des ius-soli-Grundsatzes die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates hinzu, so wird der minderjährige Doppelstaater doch in aller Regel mit dem Recht der Schweiz am engsten verbunden sein.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Familie nicht auf Dauer im Ausland bleiben will und das Kind daher nur oder vor allem in deutscher Sprache erzogen wird 52 . Anders verhält es sich aber für den Fall, daß der Minderjährige auch außerhalb der Familie intensive und länger andauernde soziale Kontakte unterhält, wie sie etwa durch ein Kindergarten- oder Schulbesuch im Aufenthaltsstaat vermittelt werden. Größere Bedeutung kommt dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in einem seiner Heimatstaaten auch dann zu, wenn zumindest ein Elternteil diesem Staat ebenfalls angehört. In dieser Konstellation wird die nach Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmende Unteranknüpfung des Personalstatuts häufig zum aktuellen Aufenthaltsrecht fuhren. Der minderjährige Mehrstaater kann aber mit seinem anderen Heimatrecht am engsten verbunden sein, sofern die Familie in absehbarer Zeit dorthin übersiedeln will und sich diese (Rückkehr-)Absicht schon in objektiven Anknüpfungsmomenten niedergeschlagen hat 53 .

ΙΠ. Lösungsmöglichkeiten Die soeben behandelten Problemfälle haben gezeigt, daß der gewöhnliche Aufenthalt keineswegs immer die engste Verbindung des ausländischen Mehrstaaters mit einem seiner Heimatrechte zu bezeichnen vermag. Mithin muß hier eine weitere Unteranknüpfung des Personalstatuts erfolgen. Methodisch lassen sich dabei zwei Vorgehensweisen voneinander unterscheiden. So ist es einerseits denkbar, die einzelnen Anknüpfungsmomente abstrakt zu gewichten und im Rahmen des Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB feste subsidiäre Anknüpfungsstufen zu entwickeln. Andererseits kann man aber auch eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Gesamtabwägung aller in Betracht kommenden Umstände vornehmen. Auch dann ist allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit zumindest eine gewisse Gewichtung der möglichen Anknüpfungspunkte geboten. BGHZ 78, 293, 303 = NJW 1981, S. 520,522; OLG Hamm IPRspr. 1988 Nr. 97 = NJW 1989, S. 672; Soergel I Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 53; Staudinger/ Kropholler, Vorb. zu Art. 19 EGBGB, Rdnr 134. 52 Vgl. zu einem ähnlichen Beispiel Mansel, Personalstatut, Rdnr 209; zustimmend Dörnen StAZ 1990, S. 1,3. 53 BayObLGZ 1983, 168, 175 = IPRspr. 1983 Nr. 13; BayObLGZ 1984, 92, 95 = IPRspr. 1984 Nr. 13.

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

7. Feste subsidiäre Anknüpfungsstufen Insbesondere Kegel will bei der Feststellung der effektiven Staatsangehörigkeit „nicht in Einzelheiten der Lebensumstände wühlen", sondern statt dessen feste Anhaltspunkte suchen54. Deshalb spricht er sich für folgende Anknüpfungsreihenfolge aus55: (1) Gewöhnlicher Aufenthalt in einem der Heimatstaaten, (2) letzter gewöhnlicher Aufenthalt in einem der Heimatstaaten, (3) letzter schlichter Aufenthalt dort, (4) zuletzt auf Antrag erworbene Staatsangehörigkeit und (5) kraft ius sanguinis erworbene Staatsangehörigkeit, soweit die Staatsangehörigkeit iure soli nicht schon wegen letzten gewöhnlichen Aufenthalts dort (Geburt) vorgeht. Würde man die von Kegel vorgeschlagenen Anknüpfungsstufen konsequent befolgen, dann ließe sich für praktisch alle denkbaren Sachverhaltsgestaltungen relativ problemlos eine effektive Staatsangehörigkeit ermitteln. Eine Ausnahme wäre nur für den eher theoretischen Fall des gleichzeitigen Erwerbs mehrerer auf Abstammung beruhender Staatsangehörigkeiten zu machen. Trotzdem hält es auch Kegel für möglich, daß die soeben genannten Hilfsanknüpfungen versagen56. Dann soll die engste Verbindung anhand der (nicht näher bezeichneten) Umstände des Einzelfalls zu bestimmen sein. Läßt sich auch insoweit kein Vorrang einer Staatsangehörigkeit feststellen („Patt"), will Kegel letzthilfsweise die Angehörigkeit zu dem Staat entscheiden lassen, dessen Recht dem deutschen Recht am nächsten steht57. Die Aufstellung fester subsidiärer Anknüpfungsstufen kann allerdings nur dann überzeugen, wenn die einzelnen Anknüpfungsmomente wirklich einer abstrakten Gewichtung zugänglich sind. Dies ist indes im Bereich des Personalstatuts schon deshalb nur schwer möglich, weil in besonderem Maße auch den familiären Bindungen des Mehrstaaters Rechnung getragen werden muß. Weiterhin darf die Dauer des (letzten) gewöhnlichen Aufenthalts nicht außer Betracht bleiben58. Diese beiden wichtigen Gesichtspunkte finden jedoch bei der von Kegel entwickelten Anknüpfungsreihenfolge von vornherein keine Berücksichtigung. Allein aus diesem Grund erweisen sich die Anknüpfungsstufen als zu starr, was letztlich auch Kegel selbst eingesteht. Die infolgedessen bei der Unteranknüpfung des Personalstatuts auftretenden Unstimmigkeiten lassen sich an einigen Beispielen verdeutlichen: Ein österreichisch-italienischer Doppelstaater lebt die ersten 30 Jahre seines Lebens in Österreich. Dort gründet er auch eine Familie. Aus beruflichen Gründen übersiedelte er dann allerdings vor 5 Jahren nach Italien. Seine Familie blieb hingegen in Österreich zurück, wo er sie mehrmals im Jahr besucht. Eine Rückkehr nach Österreich ist geplant, 54 Soergel ! Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 9; ders., IPR, § 13 II 5, S. 330. 55 Ähnlich auch Wolff, IPR, § 10 II 1 b, S. 42; Staudinger/Raape 9, Art. 29 EGBGB, S. 789. 56 Soergel /Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 11. 57 So im Ergebnis auch IPG 1972 Nr. 25 (Köln), S. 250. 58 OLG München IPRspr. 1993 Nr. 71 = FamRZ 1994, S. 634; Mansel, Personalstatut, Rdnr 308; vgl. auch BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2049 (zu Art. 141 Nr. 3 EGBGB).

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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konnte aber wegen der dortigen Arbeitsmarktlage bisher noch nicht realisiert werden. Hier begründet der Mehrstaater aufgrund der mehijährigen Verweildauer zwar einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien. Trotzdem bestehen aber keine ernsthaften Zweifel daran, daß die österreichische Staatsangehörigkeit nach wie vor als die effektive anzusehen ist.

Ebensowenig führt die Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Rahmen des Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB stets zu angemessenen Ergebnissen. Verfehlt wäre eine entsprechende Unteranknüpfung etwa im obigen Beispielsfall, falls der Doppelstaater von Italien aus in einen Drittstaat verzieht und dort von nun an gemeinsam mit seiner Familie lebt. Aber selbst dann, wenn die Anknüpfungsperson während ihres bisherigen Lebens nur in einem der Heimatstaaten einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, muß diese Tatsache nicht notwendigerweise ausschlaggebend für die Bestimmung der effektiven Staatsangehörigkeit sein. Zu denken ist beispielsweise an einen polnisch-ungarischen Doppelstaater, der in Polen geboren wurde und dort die ersten zwei Jahre seines Lebens verbracht hat. Anschließend ist die Familie nach Deutschland übergesiedelt. Zu Polen bestehen keinerlei (verwandtschaftliche) Kontakte mehr. Dagegen beherrscht der Mehrstaater die ungarische Sprache fließend und macht regelmäßig Besuche bei seinen in Ungarn lebenden Großeltern. Weshalb sollte hier die polnische Staatsangehörigkeit als die effektive betrachtet werden?

Schließlich vermag Kegel auch nicht zu begründen, warum vierthilfsweise die zuletzt auf Antrag erworbene Staatsangehörigkeit entscheiden soll. Der Erwerb einer Staatsangehörigkeit kann nämlich aus den unterschiedlichsten Motiven heraus erfolgen 59. Die Rechtsprechung hat diesem Umstand daher bislang zu Recht nur ganz vereinzelt entscheidende Bedeutung zuerkannt60. Damit eignen sich die festen Anknüpfungsstufen aber insgesamt gesehen nur sehr eingeschränkt zur Ermittlung des Heimatrechts, mit dem der Mehrstaater am engsten verbunden ist. Dies gilt insbesondere für die unteren Anknüpfungsstufen. In den wirklich umstrittenen Fällen, in denenrichtigerweise gerade nicht an den gewöhnlichen bzw. letzten gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden kann, steht dem Rechtsanwender damit kein verläßlicher Entscheidungsmaßstab zur Verfügung. Auch die Rechtssicherheit wird durch diese starre Anknüpfungsmethode letztlich nicht gefördert, weil zur Vermeidung von offensichtlichen Unbilligkeiten eine Vielzahl von Ausnahmen anzuerkennen ist. 2. Gesamtabwägung der Lebensumstände Der überwiegende Teil des kollisionsrechtlichen Schrifttums will die effektive Staatsangehörigkeit deshalb mittels einer Gesamtabwägung der Lebensumstände 59

So zutreffend Mansel, Personalstatut, Rdnr 349. 60 Ausdrücklich ablehnend u. a. OLG Frankfurt IPRspr. 1993 Nr. 100 = FamRZ 1994, S. 715,716; OLG Köln IPRspr. 1975 Nr. 116 = FamRZ 1976, S. 170, 172; ebenso Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Personen- und Sachenrecht (1972), S. 167; Ferid, IPR, Rdnr 1-34.

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

ermitteln61. Dabei sollen die unterschiedlichsten objektiven Anknüpfungsmomente Berücksichtigung finden. Neben dem (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt des Mehrstaaters werden etwa die Sprache, die kulturelle Prägung und Zuordnung, die Inanspruchnahme und Betätigung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten (ζ. B. Wahlrecht und Wehrpflicht) sowie wirtschaftliche, berufliche und sonstige private Bindungen genannt62. Das schlichte Benennen der möglicherweise maßgeblichen Anknüpfungskriterien besagt allerdings noch nichts über die im konkreten Einzelfall zu treffende kollisionsrechtliche Entscheidung. Außerdem kann der urteilende Richter keine umfassende Motivforschung betreiben. Eine solche wäre aber häufig erforderlich, um abschließend beurteilen zu können, inwieweit eine bestimmte Handlung des Mehrstaaters Ausdruck seiner Verbundenheit zu dem einen oder anderen Heimatstaat ist. Dies gilt insbesondere für die Bewertung bestimmter vermögensrechtlicher Dispositionen, die primär von der wirtschaftlichen Vernunft getragen sein können. Ebensowenig läßt etwa der überwiegende Gebrauch der Ausweispapiere eines Heimatstaates oder die (Vor-)Namenswahl durch die Eltern nennenswerte Rückschlüsse auf die effektive Staatsangehörigkeit zu. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf die umfassende Darstellung Mansels verwiesen werden, der sich mit nahezu allen in Betracht kommenden Effektivitätskriterien auseinandergesetzt hat 63 . Aufgrund des teilweise nur schwachen Indizweites der einzelnen objektiven Anknüpfungsmomente lassen sich bei der nach Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmenden Unteranknüpfung des Personalstatuts vorhersehbare Ergebnisse nur dann erzielen, sofern die Gesamtabwägung der Lebensumstände jedenfalls im Ausgangspunkt typisierend erfolgt. Dabei gilt es zu fragen, in welchen Konstellationen der gewöhnliche Aufenthalt des Mehrstaaters in einem seiner Heimatstaaten nicht dazu führt, daß die entsprechende Staatsangehörigkeit auch als die effektive anzusehen ist. Dieses Vorgehen empfiehlt sich schon deshalb, weil viele der bei der Effektivitätsprüfung zu berücksichtigenden Umstände gleichfalls für die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts von Bedeutung sind. Die insoweit erzielten Resultate geben dann auch Aufschluß darüber, welche Erwägungen im Falle eines Drittstaatenaufenthalts des ausländischen Mehrstaaters anzustellen sind.

a) Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Heimatstaat Der gewöhnliche Aufenthalt der Anknüpfungsperson ist zunächst einmal dann nicht das ausschlaggebende Effektivitätsmerkmal, wenn die Aufenthaltsnahme in Staudinger / Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 421; MünchKomm / Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rdnr 4 - 6 ; Palandt IHeldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2; Kropholler, IPR, § 37 II 1 a, S. 243; v. Bar, IPR I, Rdnr 562; Raape/Sturm, IPR, § 9 Β V 2, S. 135. « Vgl. nur Ferid, Neubürger im IPR, S. 57; Erman IHohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 4; Dörner, StAZ 1990, S. 1, 2. 63 Mansel, Personalstatut, Rdnr 304 ff.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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dem einen Heimatstaat primär aus beruflichen Gründen erfolgt, während die familiären und privaten Bindungen (weiterhin) zu dem anderen Heimatstaat bestehen. Ebenso kann eine konkret geplante Rückkehr oder Übersiedlung in den anderen Heimatstaat im Rahmen des Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB den Ausschlag geben64. Eine Berücksichtigung dieses Umstandes ist dabei um so leichter möglich, je fester der Mehrstaater bereits mit dem zukünftigen Aufenthaltsstaat verbunden ist. Insoweit wird es besonders darauf ankommen, ob und wie lange der Betroffene schon in diesem Staat gelebt hat. Aber auch die erstmalige Übersiedlung kann zu einem Wechsel der effektiven Staatsangehörigkeit führen, wenn der Aufenthaltswechsel als endgültig gewollt ist und sich bereits in objektiven Anknüpfungsmomenten niedergeschlagen hat 65 . Bedeutung kommt schließlich noch der vor allem durch die Sprache vermittelten kulturellen Prägung des Mehrstaaters zu 66 . Diese kann insbesondere bei Minderjährigen eine Rolle spielen67. So etwa, wenn die in dem einen Heimatstaat des Kindes lebenden Eltern dieses bewußt nur in der Sprache und Tradition des anderen Heimatlandes erziehen, weil die Familie später in diesen Staat übersiedeln will. Als weiterer Beispielsfall, in dem die kulturelle Prägung über die effektive Staatsangehörigkeit entscheidet, läßt sich die österreichisch-australische Doppelstaaterin anführen, die mit 60 Jahren zu ihren deutschstämmigen Verwandten nach Australien zieht, sich aber in den letzten 10 Jahren ihres Lebens hartnäckig weigert, die englische Sprache zu erlernen. Unerheblich ist die kulturelle Prägung der Anknüpfungsperson jedoch dann, wenn der Betroffene bisher nur im anderen Heimatstaat gelebt hat, dort auch außerhalb der Familie sozial integriert ist und schließlich nicht einmal für die Zukunft einen Aufenthaltswechsel plant68.

b) Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Drittstaat Die soeben genannten Kriterien sind auch für den Fall heranzuziehen, daß der Mehrstaater sich in einem Drittstaat gewöhnlich aufhält. So kommt es primär auf Dauer und Zeitpunkt des gewöhnlichen Aufenthalts in einem der Heimatstaaten an. Indes darf nicht schematisch an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden, weil die Anknüpfungsperson dort u.U. nur verhältnismäßig kurz w Vgl. BayObLGZ 1983, 168, 175 = IPRspr. 1983 Nr. 13; BayObLGZ 1984, 92, 95 = IPRspr. 1984 Nr. 13. 65 Zu denken ist insoweit etwa an den Abschluß eines Miet- oder Arbeitsvertrages im zukünftigen Aufenthaltsstaat. 66 OLG München IPRspr. 1993 Nr. 71 = FamRZ 1994, S. 634; OLG Frankfurt IPRspr. 1993 Nr. 100 = FamRZ 1994, S. 715, 716; AG Bremervörde IPRspr. 1981 Nr. 87; IPG 1965/ 66 Nr. 33 (München), S. 346. 67 Mansel, Personalstatut, Rdnr 323; OLG München IPRspr. 1986 Nr. 82 = IPRax 1988, S. 32. 68 A.A. BayObLGZ 1978, 162, 168 = IPRspr. 1978 Nr. 117 (obiter).

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

gelebt haben kann69. Außerdem ist es denkbar, daß der Mehrstaater zwar zuletzt oder sogar ausschließlich in einem der Heimatstaaten gelebt hat, inzwischen aber keinerlei Verbindungen mehr zu diesem Land bestehen. Dann kann die Staatsangehörigkeit des anderen Heimatstaates als die effektive erscheinen, sofern zu diesem Staat noch familiäre und/oder kulturelle Bindungen von einigem Gewicht vorhanden sind. In der Praxis dürfte dies vor allem bei minderjährigen Mehrstaatern vorkommen, die noch im Kindesalter gemeinsam mit ihren Eltern in einen Drittstaat verzogen sind70.

3. Ergebnis Die bisherigen Ausführungen zur Effektivitätsermittlung haben gezeigt, daß die Problemfalle, in denen die Unteranknüpfung des Personalstatuts nicht allein mittels des gewöhnlichen Aufenthalts des Mehrstaaters erfolgen kann, einer schematischen Lösung nicht zugänglich sind. Deshalb lassen sich auch keine festen Anknüpfungsregeln aufstellen. Festzuhalten bleibt aber, daß nicht zuletzt auch die bisherige und die für die Zukunft geplante Entwicklung des Lebens der Anknüpfungsperson zu berücksichtigen ist. Der Gesetzestext spricht insoweit von dem Verlauf des Lebens des Mehrstaaters. Dieser Begriff läßt sich dahingehend konkretisieren, daß für die Bestimmung der effektiven Staatsangehörigkeit auch die Dauer und der Zeitpunkt des (bisherigen) gewöhnlichen Aufenthalts in einem der Heimatstaaten sowie ein bereits konkret geplanter Aufenthaltswechsel von Bedeutung sein kann71. Daneben sind die familiären und verwandtschaftlichen Bindungen des Betroffenen von erheblichem Gewicht. Insbesondere bei minderjährigen Mehrstaatern ist zudem die durch Sprache und Erziehung vermittelte kulturelle Prägung in die nach Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmende Abwägung mit einzubeziehen. Anhand dieser Kriterien läßt sich eine effektive Staatsangehörigkeit in aller Regel jedenfalls dann ermitteln, wenn der Mehrstaater seinen gewöhnlichen Aufenthalt (zumindest auch) in einem Heimatstaat hat. Eine Ausnahme ist letztlich nur für den Fall denkbar, daß die Anknüpfungsperson einen etwa gleich großen Teil ihres Lebens in beiden Heimatstaaten verbracht hat und auch in Zukunft nicht dauerhaft nur in einem dieser Staaten leben will. Häufig werden dann aber jedenfalls die familiären Bindungen zu einem Heimatland überwiegen. Fehlt es auch hieran, so sollte im Zweifel der aktuelle gewöhnliche Aufenthalt den Ausschlag geben. Selbst dieses Anknüpfungskriterium hilft allerdings in solchen Fallgestaltungen 69 Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2; Dörner, StAZ 1990, S. 1, 3; OLG München IPRspr. 1993 Nr. 71 = FamRZ 1994, S. 634. 70 Vgl. BayObLG IPRspr. 1984 Nr. 83 = IPRax 1985, S. 226,227. 71 BT-Drucks. 10/504, S. 42; Ferid, IPR, Rdnr 1 - 3 4 ; Mansel, Personalstatut, Rdnr 395; eine nur vergangenheitsbezogene Interpretation befürwortet dagegen Dörner, StAZ 1990, S. 1,2.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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nicht weiter, in denen sich der Betroffene abwechselnd in beiden Heimatstaaten aufhält 72, so daß manrichtigerweise einen doppelten gewöhnlichen Aufenthalt annehmen müßte73. Trotzdem besteht bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem Heimatstaat nur selten eine echte Anknüpfungsverlegenheit. Anders verhält es sich jedoch bei Mehrstaatern mit Drittstaatenaufenthalt. So versagen die genannten Kriterien etwa bei einem im Drittstaat geborenen Doppelstaater, der zu seinen Heimatländern keinerlei Beziehungen mehr unterhält74. Gleiches gilt dann, wenn die im Drittstaat aufgewachsene Anknüpfungsperson von seinen gemischt-nationalen Eltern dazu angehalten wurde, die Sprache beider Heimatländer zu erlernen und dort jeweils verwandtschaftliche Kontakte zu pflegen. Auch kann es in manchen Fällen nur äußerst schwer zu entscheiden sein, ob dem früheren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heimatland oder den auf den anderen Heimatstaat weisenden familiären und kulturellen Bindungen der Vorzug gebührt. Dies gilt insbesondere bei nur relativ schwach ausgeprägten Verbindungen mit den Heimatstaaten75. Schließlich ist ein Scheitern der (objektiven) Effektivitätsprüfung auch denkbar, falls der Mehrstaater in beiden Heimatländern eine nicht unerhebliche Zeit seines Lebens verbracht hat, nunmehr aber fest in einem Drittstaat verwurzelt ist. Hier kann zwar die Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Heimatstaaten helfen 76. Dies gilt indes nicht für den Fall, daß die familiären Bindungen zum anderen Heimatrecht zwar nicht wesentlich, aber doch immerhin erkennbar überwiegen77. Läßt sich in den genannten Konstellationen kein eindeutiges Urteil hinsichtlich der effektiven Staatsangehörigkeit treffen, dann sollte offen eingestanden werden, daß eine weitere Unteranknüpfung allein anhand objektiver Merkmale nicht möglich ist. Insbesondere kannrichtigerweise nicht auf den letzten schlichten Aufenthalt in einem der Heimatstaaten zurückgegriffen werden78, weil diesem Kriterium ein zu großes Maß an Zufälligkeit anhaftet. Ansonsten könnte nämlich im Rahmen des Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB ζ. B. der letzte mehrwöchige Verwandtenbesuch in einem der Heimatstaaten über das maßgebliche Personalstatut entscheiden. Ein solches Ergebnis überzeugt indes nicht. Ebensowenig sollte die Ermittlung der ef72 IPG 1983 Nr. 28 (München): Ein Kind hielt sich im monatlichen Wechsel entweder bei seinem französischen Vater in Frankreich oder bei seiner deutschen Mutter in der Bundesrepublik auf. 73 So auch BayObLGZ 1996, 122, 124; KG IPRspr. 1987 Nr. 164 = NJW 1988, S. 649, 650; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185, 189; Papenfuß, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 101; Erman ! Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 55. 74 Vgl. OLG München IPRspr. 1986 Nr. 82 = IPRax 1988, S. 32. 75 Vgl. IPG 1974 Nr. 26 (Hamburg), S. 269. 76 Mansel, Personalstatut, Rdnr 380. 77 Läßt sich dagegen ein deutliches Überwiegen der zu einem Heimatstaat bestehenden familiären Bindungen feststellen, so findet das Recht dieses Staates Anwendung.

78 So schon Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Personen- und Sachenrecht (1972), S. 167; a.A. Soergel/Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 9; ders., IPR, § 13 II 5, S. 330.

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3. Teil, 1. Kap.: Personalstatut

fektiven Staatsangehörigkeit an anderen sekundären Anknüpfungsmomenten festgemacht werden, denen der Rechtsanwender dann (beliebig) besondere Bedeutung für den jeweiligen Einzelfall beimißt. Diese Umstände sind nämlich im Vergleich zu den genannten Anknüpfungskriterien nur von geringer Aussagekraft. Vorzugswürdig ist es deshalb, die effektive Staatsangehörigkeit des ausländischen Mehrstaaters in Fällen (weitgehender) Gleichgewichtigkeit der objektiven Anknüpfungspunkte mittels einer Ersatzanknüpfung zu bestimmen. Bei dieser entscheiden dann notwendigerweise auch andere als objektive Gesichtspunkte über die engste Verbindung des Betroffenen mit einem seiner Heimatrechte. IV· Ersatzanknüpfüngen bei Versagen der objektiven Effektivitätsprüfung Fraglich ist nun allerdings, wie der Rechtsanwender zu verfahren hat, wenn sich objektiv kein Vorrang einer Staatsangehörigkeit ermitteln läßt. Die insoweit diskutierten Ersatzanknüpfungen sind im folgenden auf ihre Tauglichkeit hin zu untersuchen. Dabei wird insbesondere auf die Bedeutung subjektiver Effektivitätskriterien einzugehen sein.

7. Kumulation der Heimatrechte Zunächst einmal findet sich im kollisionsrechtlichen Schrifttum der Vorschlag, die Heimatrechte des Mehrstaaters kumulativ anzuwenden, wenn alle Rechte zu demselben materiellrechtlichen Ergebnis gelangen oder auf dasselbe Recht verweisen79. Auch in der Praxis 80 ist die effektive Staatsangehörigkeit der Anknüpfüngsperson in einigen Fällen bewußt offengelassen worden81. Hierbei handelt es sich indes nicht um eine Ersatzanknüpfung im eigentlichen Sinne, da die im Rahmen des Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB bestehende Anknüpfungsverlegenheit gerade nicht beseitigt wird. Es kommt lediglich im konkreten Einzelfall nicht entscheidend darauf an, welche Staatsangehörigkeit des Mehrstaaters als die effektive anzusehen ist. Dieser Ausweg dürfte dem Rechtsanwender jedoch nur vergleichsweise selten eröffnet sein, weil sich zumeist jedenfalls in den Randbereichen Unterschiede zwischen den einzelnen Heimatrechten ergeben werden82. In der Mehrzahl der Fälle 79 Mansel, Personalstatut, Rdnr 406; vgl. auch Staudinger /Kropholler, Vorb. zu Art. 19 EGBGB, Rdnr 343; Palandt/Heldrich, Anh. zu Art. 24 EGBGB, Rdnr 19 (jeweils zu Art. 3 MSA) sowie Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 340 (zu Art. 4 III 2 EGBGB). so IPG 1974 Nr. 26 (Hamburg), S. 269; vgl. auch OLG München IPRspr. 1986 Nr. 82 = IPRax 1988, S. 32. 81

Auch der BGH läßt ein Offenlassen der Rechtswahl jedenfalls dann zu, wenn lediglich mehrere ausländische Rechte zur Wahl stehen, vgl. BGHZ 89,325,337 = NJW 1984, S. 1302, 1305. Ausführlich dazu s.u. §. 11.1 1. 82 Dies gilt insbesondere für den Bereich des Erbstatuts (Art. 25 I EGBGB).

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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muß die Unteranknüpfung des Personalstatuts mithin zur Maßgeblichkeit eines einzigen (Heimat-)Rechts führen. Die Kumulation der Heimatrechte des ausländischen Mehrstaaters hilft dann nicht weiter.

2. Das dem deutschen Recht näher stehende Heimatrecht Denkbar wäre es jedoch, bei objektiv gleich enger Beziehung des Mehrstaaters zu seinen Heimatstaaten die Wertungen der lex fori in die Effektivitätsprüfung mit einfließen zu lassen. Mithin entschiede dann letzthilfsweise die Angehörigkeit zu dem Staat, dessen Recht dem deutschen Recht am nächsten steht83. Diese Ansicht könnte für den Rechtsanwender insoweit von Vorteil sein, als sie es ihm gestattet, im Bereich des ihm vertrauteren Rechts zu urteilen. Außerdem ist die Anwendung des dem deutschen Recht näher stehenden Heimatrechts damit gerechtfertigt worden, daß dieses Recht das vermeintlich „bessere" materielle Recht sei84. Indes darf manrichtigerweise der deutschen lex fori nicht ohne weiteres größeres Gewicht beimessen als den beteiligten Heimatrechten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum das deutsche Recht stets Indiz für das „bessere" materielle Recht sein soll 85 . Weiterhin darf nicht übersehen werden, daß der deutsche Richter in manchen Fällen über die effektive Staatsangehörigkeit einer Person entscheiden muß, die mit dem deutschen Recht nur äußerst lose verbunden ist. So beispielsweise, wenn im Rahmen einer Ehescheidung das Personalstatut eines ausländischen Ehegatten zu bestimmen ist, der in einem ausländischen Drittstaat lebt. Hier läßt sich kaum begründen, weshalb das deutsche Recht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden soll. Darüber hinaus trägt diese Ansicht auch nicht zu einer nennenswerten Erleichterung der Rechtsanwendung bei. Der urteilende Richter muß nämlich zuerst ermitteln, welches der Heimatrechte dem deutschen Recht am nächsten steht. Dies läßt sich zwar bei einem österreichisch-nigerianischen Doppelstaater relativ leicht feststellen. Aber wie verhält es sich etwa bei einem französisch-italienischen oder einem spanisch-portugiesischen Doppelstaater? Schließlich ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die nach Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmende Unteranknüpfung des Personalstatuts in erster Linie mittels personenbezogener Anknüpfungskriterien erfolgen sollte. Zu diesen zählen die Wertungen der lex fori aber gerade nicht. Mithin ist nach einer Ersatzanknüpfung zu suchen, die dem Grundgedanken der Effektivitätsprüfung besser gerecht wird.

83 Soergel ! Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 11; ebenso für Art. 14 I Nr. 3 EGBGB Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 341; allgemein Melchior, Grundlagen, § 76, S. 105. 84 IPG 1972 Nr. 25 (Köln), S. 250. 85 Mansel, Personalstatut, Rdnr 403; Staudinger/Kropholler, Vorb. zu Art. 19 EGBGB, Rdnr 343.

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3. Teil, . Kap.:

erstatut

3. Das dem Aufenthaltsrecht

näher stehende Heimatrecht

Die soeben erhobenen Einwendungen gelten im wesentlichen auch für den Fall, daß nicht die deutsche lex fori, sondern vielmehr das Aufenthaltsrecht des Betroffenen als Entscheidungsmaßstab gewählt wird 86 . Ein Unterschied zwischen beiden Auffassungen besteht ohnehin nur, falls der ausländische Mehrstaater seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik hat 87 . Unklar bleibt allerdings, ob die Vertreter dieser Ansicht einen Vergleich der Rechts- oder der Gesellschaftssysteme vornehmen möchten. Das BayObLG stellt in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die größere Ähnlichkeit der „Lebensformen" ab 88 . Deshalb sei bei einem in Deutschland lebenden österreichisch-polnischen Doppelstaater die österreichische Staatsangehörigkeit als die effektive anzusehen. Ein Vergleich der verschiedenen Gesellschaftssysteme ist nun aber mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und wird nur selten zu einem konkreten Ergebnis führen 89. Richtigerweise müßte man deshalb den Vergleich im Rahmen des Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB jedenfalls auf die vorhandenen rechtlichen Regelungen beschränken. Auch dies hilft indes häufig nicht weiter. Außerdem ist nur schwer nachzuvollziehen, warum die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts von einem Drittstaat in einen anderen maßgeblichen Einfluß auf die Effektivitätsprüfung haben soll. Für die Vertreter der hier dargestellten Meinung ändert sich dadurch allerdings der Entscheidungsmaßstab, was dann u.U. auch auf den kollisionsrechtlichen Verweisungsbefehl durchschlägt. Ebensowenig wie zur lex fori bestehen also zum Aufenthaltsrecht immer so erhebliche Beziehungen, als daß die Wertungen dieses Rechts über die Unteranknüpfung des Personalstatuts entscheiden sollten. Wer für eine dieser Ersatzanknüpfungen plädiert, will den Rechtsanwender letztlich vor der Anwendung eines ihm unbekannten Rechts bewahren. Dieses Bestreben verstellt jedoch nicht selten den Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse, wie etwa die o.g. Entscheidung des BayObLG zeigt90: Der (minderjährige) Mehrstaater lebte in diesem Fall vor seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik neun Jahre in Polen, wo er auch geboren wurde. Seine Muttersprache war. dementsprechend Polnisch. In Österreich hat sich das Kind hingegen nie für längere Zeit aufgehalten. Zudem fehlte es auch an nicht nur formalen familiären Bindungen zu diesem Staat. Das Gericht hätte deshalb die polnische Staatsangehörigkeit als die effektive ansehen müssen91. 86 Vgl. BayObLG IPRspr. 1984 Nr. 83 = IPRax 1985, S. 226, 227; Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2. 87 Auch dann kann ein deutsches Gericht mit der Feststellung der effektiven Staatsangehörigkeit befaßt sein. In der Mehrzahl der Fälle wird sich die Anknüpfungsperson aber im Inland gewöhnlich aufhalten. 88 BayObLG IPRspr. 1984 Nr. 83 = IPRax 1985, S. 226, 227; so auch Palandt/Heldrich Art. 5 EGBGB, Rdnr 2. 89 Mansel, Personalstatut, Rdnr 338; ders., IPRax 1985, S. 209, 213. 90 BayObLG IPRspr. 1984 Nr. 83 = IPRax 1985, S. 226, 227. 91 Zutreffend Mansel, IPRax 1985, S. 209,213.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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Aus den genannten Gründen vermag auch die letzthilfsweise Anknüpfung an das dem Aufenthaltsrecht näher stehende Heimatrecht nicht zu überzeugen.

4. Übergang zum Aufenthalts recht Die nunmehr wohl überwiegende Ansicht im kollisionsrechtlichen Schrifttum spricht sich schließlich bei Zweifeln hinsichtlich der effektiven Staatsangehörigkeit für eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips aus. Statt dessen soll das Personalstatut durch Anknüpfung an den (gewöhnlichen) Aufenthalt des Mehrstaaters bestimmt werden92. Methodisch stützen sich die Vertreter dieser Auffassung auf eine analoge Anwendung des Art. 5 Π EGBGB, der einen Übergang zum Aufenthaltsrecht für den Fall anordnet, daß die Anknüpfungsperson staatenlos ist oder sich ihre Staatsangehörigkeit nicht feststellen läßt. In der Rechtsprechung ist diese Vorgehensweise ebenfalls auf Zustimmung gestoßen93. Im Ausgangspunkt folgt ihr auch Mansel, der aber eine weitere Differenzierung vornimmt94: So soll das Recht des Aufenthaltsstaates dann nicht zur Anwendung kommen, wenn zwischen allen Heimatstaaten einerseits und dem Aufenthaltsstaat andererseits offensichtlich ein starkes kulturelles Gefälle bestehe und dem Mehrstaater die Rechtsund Gesellschaftsordnung des Aufenthaltslandes offensichtlich fremder als die seiner Heimatstaaten sei. In diesem Fall will Mansel das Personalstatut durch Anknüpfung an die zuletzt, hilfsweise an die mittels Abstammung erworbene Staatsangehörigkeit ermitteln. Der letzthilfsweise vorgeschlagene Übergang zum Aufenthaltsrecht des Mehrstaaters bringt sicherlich den Vorteil mit sich, daß dann im Rahmen des Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB ein personenbezogenes Anknüpfungskriterium über das maßgebliche Personalstatut entscheidet. Fraglich ist nun allerdings, ob wirklich in allen Zweifelsfällen eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips erfolgen sollte95. Der Gesetzgeber war sich nämlich darüber im klaren, daß die Beachtung der effektiven Staatsangehörigkeit bei ausländischen Mehrstaatern häufiger zu Grenzfällen führen muß, in denen nicht eindeutig festgestellt werden kann, welcher Staatsangehörigkeit der Vorzug gebührt96. Zur Vermeidung dieser Anknüpfungsschwierigkeiten wurde für inländische Mehrstaater die Regelung des Art. 5 I 2 EGBGB geschaffen, die den strikten Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit anordnet. Auch bei ausländischen Mehrstaatern sollte das Aufenthaltsrecht aber 92 MünchKomm/Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rdnr 6; Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 5; Kropholler, IPR, § 37 II 1 a, S. 243; Börner, StAZ 1990, S. 1, 3; wohl auch Palandt/ Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2. « OLG Frankfurt IPRspr. 1993 Nr. 100 = FamRZ 1994, S. 715,716; vgl. auch OLG München IPRspr. 1986 Nr. 82 = IPRax 1988, S. 32. 94 Mansel, Personalstatut, Rdnr 407 - 410. 95 Kritisch insoweit schon Ferid, Neubürger im IPR, S. 55. 96 BT-Drucks. 10/504, S. 40.

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3. Teil, . Kap.:

erstatut

grds. selbst dann nicht Personalstatut sein, wenn eine effektive Staatsangehörigkeit nur schwer zu bestimmen ist. Deshalb läßt sich auch nicht ohne weiteres eine Parallele zu den Anwendungsfällen des Art. 5 I I EGBGB ziehen. Hier scheidet die Staatsangehörigkeit ja von vornherein als Anknüpfungsmoment aus. Es wird nun aber ausdrücklich betont, daß der Übergang zum Aufenthaltsrecht der Anknüpfungsperson unabhängig davon zu erfolgen habe, ob im Einzelfall gleich starke oder gleich schwache Bindungen zu den Heimatstaaten bestünden97. Ein solches Verständnis vermag indes aus verschiedenen Gründen nicht zu überzeugen. So ließe sich eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips allenfalls dann rechtfertigen, wenn der Betroffene tatsächlich wesentlich enger mit seinem Aufenthaltsstaat verbunden ist als mit seinen Heimatstaaten. In den hier zu behandelnden Zweifelsfällen fehlt es jedoch nicht selten an dieser Mindestvoraussetzung. Zu denken ist beispielsweise an einen französisch-italienischen Doppelstaater, der insgesamt jeweils ca. 20 Jahre in seinen Heimatstaaten gelebt hat, sich aber nunmehr seit 5 Jahren in der Bundesrepublik aufhält. Familiäre Bindungen bestehen in erheblichem Umfang sowohl zu Italien als auch zu Frankreich, so daß eine effektive Staatsangehörigkeit allein anhand objektiver Merkmale nicht sicher festgestellt werden kann. Soll hier wirklich das deutsche Recht Personalstatut sein?

Schon ein Blick auf das anzuwendende Erbrecht beweist die Unrichtigkeit dieser These98. Würde man mit dem Übergang zum Aufenthaltsrecht ernst machen, müßte ein deutsches Nachlaßgericht in dem soeben geschilderten Fall einen Erbschein nach deutschem Recht ausstellen, sofern sich der Mehrstaater im Zeitpunkt seines Todes im Inland gewöhnlich aufgehalten hat: Ein mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbarendes Ergebnis99, das weder den tatsächlichen Verhältnissen noch den Parteiinteressen gerecht wird. Weiterhin darf nicht übersehen werden, daß auch Personen mit nur einer Staatsangehörigkeit den ganz überwiegenden Teil ihres Lebens im Ausland verbracht haben können. Obwohl die Betroffenen also u.U. nur relativ schwache Verbindungen mit ihren Heimatstaaten besitzen, bleibt es doch bei der von Art. 5 11 EGBGB angeordneten Regelanknüpfung an die Staatsangehörigkeit100. Diese sollte dann aber 97 Kropholler,

IPR, § 37 II 1 a, S. 243; Mansel, Personalstatut, Rdnr 409.

98

Dagegen sprechen sich Basedow/Diehl-Leistner, in: Jayme/Mansel (Hrsg.), Nation und Staat im IPR, S. 13,41 nach fünfjährigem Aufenthalt für einen generellen Übergang zum Aufenthaltsrecht aus. 99 Vgl. aber die abweichende Regelung in Art. 3 II des Haager Übereinkommens über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht vom 01. 08. 1989; siehe dazu bereits oben § 5. IV 3. 100 Staudinger/Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 18; Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 1; im Ergebnis auch Kropholler, IPR, § 38 III 2, S. 251, da es im Bereich des Personalstatuts an einer gesetzlichen Ausweichklausel fehle; a.A. Mansel, Personalstatut, Rdnr 578, der in Ausnahmefällen eine teleologische Reduktion der an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Kollisionsnorm für möglich hält.

§ 8 Ausländische Mehrstaater, Art. 5 11 EGBGB

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erst recht nicht durchbrochen werden, falls sich eine effektive Staatsangehörigkeit nur deshalb schwer ermitteln läßt, weil zu den Heimatstaaten des Mehrstaaters jeweils nicht unerhebliche Beziehungen bestehen. Hier muß vielmehr eine Auswahl zwischen den beteiligten Heimatrechten erfolgen. Auch Mansel hat anerkannt, daß der von ihm befürwortete Übergang zum Aufenthaltsrecht nicht in allen Fällen sachgerecht ist. Allerdings will er eine Ausnahme hiervon nur dann zulassen, wenn zwischen den Heimatstaaten einerseits und dem Aufenthaltsstaat andererseits ein großes kulturelles Gefalle und dementsprechend auch ein großer Rechtsunterschied besteht101. Das insoweit gewählte Abgrenzungskriterium ist indes einer exakten Definition nicht zugänglich und bleibt unbestimmt102. Außerdem wird dadurch der dem Aufenthaltsrecht im Rahmen des Art. 5 1 1 EGBGB zukommende Anwendungsbereich ohnehin nicht angemessen begrenzt. Für die Frage der Zulässigkeit einer Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip sollte es nämlich entscheidend auf das Ausmaß der zu den Heimatstaaten bestehenden Verbindungen und nicht etwa auf einen (nur schwer durchführbaren) Vergleich der Heimatstaaten mit dem Aufenthaltsstaat ankommen. Schließlich überzeugt die von Mansel vorgeschlagene Ersatzanknüpfung auch deshalb nicht, weil er in letzter Konsequenz doch wieder auf die schwachen Anknüpfungspunkte103 der zuletzt bzw. der durch Abstammung erworbenen Staatsangehörigkeit abstellen will 1 0 4 . Mithin führt auch dieser Lösungsvorschlag bei der Unteranknüpfung des Personalstatuts nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen. 5. Eigener Lösungsvorschlag Nachdem sich alle bisher dargestellten Ersatzanknüpfungen nicht als gänzlich überzeugend erwiesen haben, soll nun ein eigener Lösungsansatz für den Fall entwickelt werden, daß ein Offenlassen der Rechtswahl nicht in Betracht kommt oder zumindest nicht zweckmäßig erscheint105. a) Präferenz des Mehrstaaters Dabei gilt es zunächst zu fragen, ob und inwieweit bei der Effektivitätsprüfung die Präferenz des Mehrstaaters Berücksichtigung finden kann. Im kollisionsrecht101

Mansel, Personalstatut, Rdnr 409. So in anderem Zusammenhang auch ausdrücklich Mansel, Personalstatut, Rdnr 329. 103 Mit Recht für unerheblich halten die zuletzt erworbene Staatsangehörigkeit OLG Frankfurt IPRspr. 1993 Nr. 100 = FamRZ 1994, S. 715, 716; OLG Köln IPRspr. 1975 Nr. 116 = FamRZ 1976, S. 170,172. 104 Insoweit im Anschluß an Kegel\ IPR, § 13 II 5, S. 330. 102

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Letzteres wird vor allem für den Bereich des Erbstatuts zu gelten haben, da jedenfalls die Nachlaßabwicklung in den verschiedenen Heimatstaaten unterschiedlich geregelt sein dürfte. 9 Geisler

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liehen Schrifttum wird es überwiegend jedenfalls für möglich gehalten, daß subjektive Elemente die aus den objektiven Indizien zu ziehenden Schlüsse verstärken 106 . Daher soll im Rahmen des Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB auch der erklärte Wille des Betroffenen zu beachten sein, sofern dieser den tatsächlichen Verhältnissen nicht offenkundig widerspricht 107. Ebenso hat die Rechtsprechung in einigen Entscheidungen maßgeblich auf die Präferenz bzw. die zum Ausdruck gebrachte Heimatverbundenheit des Mehrstaaters abgestellt108. Allerdings darf die entsprechende Willensäußerung der Anknüpfungsperson nicht als willkürlich erscheinen, weshalb sie sich immer auch auf objektive Anknüpfungsmomente stützen muß 109 . Werden nun aber bei der Ermittlung der effektiven Staatsangehörigkeit grds. auch subjektive Faktoren berücksichtigt, dann liegt es nahe, diesen vor allem für den Fall besonderes Gewicht beizumessen, daß sich allein anhand objektiver Kriterien keine sichere Entscheidung treffen läßt. Überwiegen nämlich schon die auf ein Heimatrecht weisenden objektiven Effektivitätsmerkmale, so muß eine abweichende Präferenz des Betroffenen richtigerweise außer Betracht bleiben. In den hier zu behandelnden Zweifelsfällen kann der glaubhaft erklärte Wille des Mehrstaaters dagegen für die Unteranknüpfung des Personalstatuts von ausschlaggebender Bedeutung sein 110 . Diese Ersatzanknüpfung rechtfertigt sich nicht zuletzt daraus, daß in diesen Konstellationen nicht selten nur der Betroffene selbst darüber entscheiden kann, mit welchem Heimatrecht er sich enger verbunden fühlt. Läßt sich etwa deshalb kein objektiver Vorrang einer Staatsangehörigkeit feststellen, weil die Anknüpfungsperson ungefähr gleich lang in den verschiedenen Heimatstaaten gelebt hat und/oder zu allen diesen Staaten erhebliche familiäre Kontakte unterhält, dann ist nicht einzusehen, warum nicht der Mehrstaater selbst über die abschließende Gewichtung entscheiden soll. Es ist jedoch eine wichtige Einschränkung zu machen: Die Präferenz des Betroffenen darf im Rahmen des Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB nur für den Fall den Ausschlag geben, daß diese Äußerung auch glaubhaft erscheint111. Daran fehlt es beispielsweise, sofern der Mehrstaater keine objektiven Umstände vortragen kann, die seine engere Verbundenheit mit dem entsprechenden Heimatland dokumentiei06 MünchKomm/Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rdnr 6; Mansel, IPRax 1985, S. 209, 212; v. Bar, IPR I, Rdnr 562. io? Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2; Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 4; Taupitz. NJW 1986, S. 616,618; Martiny, JZ 1993, S. 1145, 1147. 108 OLG Frankfurt IPRspr. 1981 Nr. 180 = FamRZ 1982, S. 528; vgl. auch BayObLGZ 1984,162, 164 = IPRspr. 1984 Nr. 83 = IPRax 1985, S. 226,227. 109 Mansel, Personalstatut, Rdnr 356. ho So im Ergebnis auch Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 5; Scholz/Pitschas, 1984, S. 2721, 2730.

NJW

m Vgl. OLG Frankfurt IPRspr. 1981 Nr. 180 = FamRZ 1982, S. 528: Die entsprechende Entscheidung des Mehrstaaters müsse sich auch in der ,,tatsächliche[n] Gestaltung der Lebensverhältnisse" widerspiegeln.

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ren. Damit wird zugleich dem möglichen Einwand begegnet, die Beachtung des Willens der Anknüpfungsperson führe zu untragbaren Ergebnissen, weil das maßgebliche Personalstatut allein in das Belieben des Mehrstaaters gestellt werde. Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Präferenz des Betroffenen nämlich lediglich dann zu beachten, wenn (1) zu allen Heimatstaaten nicht gänzlich unerhebliche Verbindungen bestehen und (2) sich aufgrund deren Gleichgewichtigkeit effektive Staatsangehörigkeit objektiv nicht ermitteln läßt. Selbst bei diesem eingeschränkten Anwendungsbereich bleibt indes die Gefahr, daß sich der Mehrstaater bei seiner Entscheidung von (sachfremden) materiellrechtlichen Erwägungen leiten läßt. Allerdings können Manipulationen auch durch eine rein objektive Effektivitätsprüfung nicht gänzlich vermieden werden, weil die Anknüpfungsperson über das Vorliegen oder die Bedeutung bestimmter objektiver Anknüpfungsmomente täuschen kann 112 . Im einen wie im anderen Fall wird der urteilende Richter die Angaben des Betroffenen auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen haben. Mithin bestehen insoweit keine durchgreifenden Bedenken gegen das letzthilfsweise Abstellen auf die persönliche Präferenz des ausländischen Mehrstaaters. Gegen diese Ersatzanknüpfung könnte jedoch noch vorgebracht werden, daß eine einseitige Entscheidungsbefugnis dann nicht hinnehmbar sei, wenn es für die Anknüpfung primär auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit zweier Personen ankomme. Zu denken ist insoweit vor allem an die Regelung des Art. 14 I Nr. 1 EGBGB. Danach unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe in erster Linie dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören. Fehlt es hingegen an einem gemeinsamen Heimatrecht, so kommt über Art. 14 I Nr. 2 EGBGB das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts zur Anwendung. Mansel hat nun folgendes Beispiel gebildet, das die Unzulänglichkeit der hier vorgeschlagenen Ersatzanknüpfung aufzeigen soll 113 : Eine italienische Staatsbürgerin ist mit einem italienisch-französischen Doppelstaater verheiratet. Der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt beider Ehegatten liegt in Spanien. Würde man nun den mehrstaaügen Ehegatten selbst über seine effektive Staatsangehörigkeit entscheiden lassen, so könnte dieser nach eigenem Belieben entweder über Art. 14 I Nr. 1 EGBGB das gemeinsame italienische Heimatrecht oder über Art. 14 I Nr. 2 EGBGB das spanische Aufenthaltsrecht zur Anwendung berufen.

Der insoweit erhobene Einwand erweist sich indes bei genauerem Hinsehen nicht als stichhaltig. Begründet wäre er allerdings, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht ein uneingeschränktes Wahlrecht des Mehrstaaters zuließe114. Knüpft man im Rahmen des Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB dagegen zunächst rein objektiv an, so besteht gerade in der geschilderten Konstellation keine Notwendig112 Dies betont auch Mansel, Personalstatut, Rdnr 356; ders., IPRax 1985, S. 209,212. 113 Mansel, Personalstatut, Rdnr 187. H 4 Dafür aber Sturm, Int. Namensrecht, S. 73, 107; vgl. auch Mikat, Effektive Staatsangehörigkeit, S. 39; Kühne, Parteiautonomie, S. 96. 9*

ei

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keit für eine Berücksichtigung der Präferenz des Betroffenen. Auch in dem genannten Beispiel kommt es nämlich für die Unteranknüpfung des Personalstatuts in erster Linie auf die Dauer und den Zeitpunkt des gewöhnlichen Aufenthalts in den Heimatstaaten an. Weiterhin sind die familiären Bindungen des Mehrstaaters sowie die vor allem durch die Sprache vermittelte kulturelle Prägung in die Effektivitätsprüfung mit einzubeziehen. Besondere Beachtung verdient dabei der Umstand, daß der italienisch-französische Doppelstaater mit einer italienischen Staatsangehörigen verheiratet ist, weshalb die persönlichen Bindungen zu Italien überwiegen dürften. Läßt sich daher anhand der genannten objektiven Anknüpfungsmomente kein erkennbarer Vorrang der französischen Staatsangehörigkeit ermitteln, so wird im Zweifel die italienische Staatsangehörigkeit als die effektive anzusehen sein. Nach alledem läßt sich festhalten, daß das letzthilfsweise Abstellen auf die Präferenz des Mehrstaaters bei der Unteranknüpfung des Personalstatuts nicht selten zu angemessenen Ergebnissen führt. Allerdings darf der Rechtsanwender auf diese Ersatzanknüpfung erst nach eingehender Bewertung der objektiven Effektivitätskriterien zurückgreifen. Außerdem wurde bereits deutlich, daß der erklärte Wille des Betroffenen nicht in allen Zweifelsfällen den Ausschlag geben kann 115 . In diesen sogleich zu behandelnden Konstellationen muß die Feststellung der effektiven Staatsangehörigkeit deshalb mittels anderer Ersatzanknüpfungen erfolgen.

b) Letzter gewöhnlicher Aufenthalt in einem Heimatstaat Zunächst einmal ist insoweit an den Fall zu denken, daß sich eine Präferenz des Mehrstaaters deshalb nicht sicher ermitteln läßt, weil die Anknüpfungsperson verstorben oder verschollen ist. Hier würde es zu unerträglichen Rechtsunsicherheiten führen, wenn der Rechtsanwender über den wahren Willen des Betroffenen spekulieren müßte116. Ähnlich stellt sich die Situation dar, falls die Bestimmung des Personalstatuts eines minderjährigen Mehrstaaters in Rede steht. Insbesondere bei Kleinkindern wird eine überwiegende persönliche Verbundenheit mit einem Heimatstaat praktisch nicht feststellbar sein 117 . In allen soeben genannten Fällen kann die Anknüpfungsperson selbst also keinen wesentlichen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, mit welchem Heimatrecht sie am engsten verbunden ist. Mithin scheidet die Präferenz des Mehrstaaters als Ersatzanknüpfung aus. Statt dessen bietet sich bei (weitgehender) Gleichwertigkeit der objektiven Effektivitätsmerkmale eine letzthilfsweise Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen 115

Bereits genannt worden ist der Fall, daß zu keinem der Heimatrechte nennenswerte Verbindungen bestehen, weshalb die Präferenz des Mehrstaaters als willkürlich und wenig glaubhaft erschiene. 116 Insoweit zutreffend Mansel, Personalstatut, Rdnr 404. π? Dörner, StAZ 1990, S. 1, 3.

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Aufenthalt in einem der Heimatstaaten an. Dafür spricht insbesondere die aus Gründen der Rechtssicherheit gebotene einfache Feststellbarkeit dieses Anknüpfungspunktes. Gerade bei der Bestimmung des Erbstatuts muß der Rechtsanwender auch in Grenzfällen zu vorhersehbaren Ergebnissen gelangen können. Läßt sich also in den geschilderten Konstellationen eine effektive Staatsangehörigkeit deshalb nicht ermitteln, weil die Anknüpfungsperson einen in etwa gleich großen Teil ihres Lebens in den verschiedenen Heimatländern gelebt hat, so gebührt dem Recht des Heimatstaates der Vorzug, in dem die Person sich zuletzt gewöhnlich aufhielt. Gleiches gilt für den Fall, daß ein insgesamt längerer gewöhnlicher Aufenthalt in dem einen Heimatland durch intensivere familiäre Kontakte zum anderen Heimatstaat ausgeglichen wird 118 . Allerdings ist es weiter oben 119 ausdrücklich abgelehnt worden, bei Mehrstaatern mit Drittstaatenaufenthalt schematisch an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heimatstaat anzuknüpfen 120. Eine solche Vorgehensweise kann in der Tat zu unangemessenen Ergebnissen führen. Dennoch sollte dieser Weg ausnahmsweise beschritten werden, falls weder die objektive Effektivitätsprüfung noch die Berücksichtigung der persönlichen Präferenz des Mehrstaaters dazu geeignet ist, den Vorrang einer Staatsangehörigkeit zu bestimmen. c) Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips Auch die soeben vorgeschlagene Ersatzanknüpfung führt aber dann nicht weiter, wenn sich die Anknüpfungsperson im Verlauf ihres Lebens in keinem ihrer Heimatstaaten gewöhnlich aufgehalten hat. Bestehen allerdings wenigstens nicht unerhebliche familiäre und/oder kulturelle Bindungen zu den Heimatstaaten, so kann nach der hier vertretenen Ansicht bei objektiv gleich enger Verbindung der erklärte Wille des Betroffenen über das maßgebliche Personalstatut entscheiden. Probleme treten indes auf, sofern sich eine Präferenz des Mehrstaaters aus tatsächlichen Gründen nicht (mehr) ermitteln läßt 121 . Darüber hinaus erscheint die Willensäußerung des Mehrstaaters bei weitgehender Entfremdung von allen Heimatländern als willkürlich, weshalb ihr im Rahmen des Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen darf 122 . Mithin muß hier auf eine dritte Ersatzanknüpfiing zurückgegriffen werden. Gleiches wird für den Fall zu gelten haben, daß die Anknüpfungsperson zwar für kurze Zeit einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heimatstaat hatte, nunmehr 118 Bei deutlichem Überwiegen der familiären und kulturellen Bindungen zu einem Heimatland kommt hingegen das Recht dieses Staates zur Anwendung. U9 Siehe oben §8. I U I . 120 Dafür aber Soergel I Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 9; ders., IPR, § 13 II 5, S. 330; Wolff, IPR, § 10 II 1 b, S. 42; StaudingerIRaape 9, Art. 29 EGBGB, S. 789. 121 Zu denken ist hier vor allem an den Fall eines mehrstaatigen Kindes, das in einem Drittstaat geboren wurde und dort gemeinsam mit seinen Eltern lebt, vgl. Dörner, StAZ 1990, S. 1,3. 122 Siehe oben § 8. IV 5 a.

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aber keine Beziehungen mehr zu seinen Heimatländern besitzt und in einem Drittstaat fest verwurzelt ist. Richtigerweise sollte nämlich bei der Anknüpfung des Personalstatuts nicht danach unterschieden werden, ob der Mehrstaater bereits in einem Drittstaat geboren wird oder erst einige Zeit nach seiner Geburt in diesen Staat übersiedelt. Allerdings sind hier strenge Anforderungen zu stellen, da es in dieser Konstellation grds. bei der hilfsweisen Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heimatstaat verbleiben muß, wenn sich eine effektive Staatsangehörigkeit anhand objektiver Kriterien nicht ermitteln läßt. Bestehen nun aber zu den Heimatstaaten nur vergleichsweise schwache Verbindungen, weil der Betroffene nie oder nur für ganz unerhebliche Zeit in diesen Staaten gelebt hat, und heben sich diese Verbindungen zusätzlich noch gegenseitig auf, dann erscheint es angemessen, letzthilfsweise an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts anzuknüpfen. Hier kann also ausnahmsweise eine Durchbrechung des dem Art. 5 I 1 EGBGB zugrunde liegenden Staatsangehörigkeitsprinzips erfolgen. Es bestehen nämlich nicht nur wesentlich engere Verbindungen mit dem Aufenthaltsrecht als mit den Heimatrechten, sondern die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit führt außerdem zu einem erheblichen Verlust an Rechtssicherheit. Daher würde es weder dem Gedanken der engsten Verbindung noch den Parteiinteressen noch den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entsprechen, mehr oder weniger willkürlich zwischen zwei schwachen Anknüpfungsmomenten zu wählen. Allerdings ist der Übergang zum Aufenthaltsrecht auf diese seltenen Ausnahmefälle zu begrenzen 123 . Auch aus der häufig zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt 124 kann letztlich nichts anderes entnommen werden 125: Das Gericht hat in erster Linie eine zutreffende Bewertung der objektiven Anknüpfungspunkte vorgenommen und dabei vor allem die Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts in den Heimatstaaten und die Sprachkenntnisse des Mehrstaaters berücksichtigt. Anhand dieser Kriterien ließ sich im vorliegenden Fall eine effektive Staatsangehörigkeit ermitteln 126 . Lediglich zur Absicherung des gefundenen Ergebnisses wurden noch (wenig überzeugende) Überlegungen zur analogen Anwendung des Art. 5 II EGBGB angestellt.

d) Ergebnis Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips nur erfolgen kann, wenn die Anknüpfungsperson im bisherigen Verlauf ihres Lebens noch nicht in nennenswerter Weise in die soziale Umwelt eines ihrer Heimatländer eingegliedert gewesen ist. Art. 5 1 1 EGBGB verweist dann 123 Vgl. OLG München IPRspr. 1986 Nr. 82 = IPRax 1988, S. 32; auch MünchKomm/ Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rdnr 6 befürwortet eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips vor allem dann, wenn „beide Staatsangehörigkeiten nur noch formal bestehen". 124 OLG Frankfurt IPRspr. 1993 Nr. 100 = FamRZ 1994, S. 715,716. 125 A.A. Kropholler, IPR, § 37 II 1 a, S. 243; Palandt IHeldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2. 126 OLG Frankfurt IPRspr. 1993 Nr. 100 = FamRZ 1994, S. 715, 716: ,3s spricht viel dafür, die polnische Staatsangehörigkeit noch als die effektive Staatsangehörigkeit anzusehen."

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ausnahmsweise auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des ausländischen Mehrstaaters. Als Beispiel läßt sich insoweit etwa der österreichisch-schweizerische Doppelstaater anfuhren, der seit frühster Kindheit in Australien lebt und keinerlei Kontakte zu Europa unterhält. Ansonsten entscheidet bei objektiver Gleichwertigkeit der Effektivitätsmerkmale hilfsweise die Präferenz des Betroffenen und bei Versagen dieser Ersatzanknüpfung der letzte gewöhnliche Aufenthalt in einem Heimatstaat über das maßgebliche Personalstatut.

§ 9 Inländische Mehrstaater, Art. 5 1 2 EGBGB I. Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit Anders stellt sich die Situation dar, falls der Mehrstaater zugleich auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Für diesen Fall ordnet Art. 5 1 2 EGBGB an, daß die Rechtsstellung als Deutscher stets Vorrang genießt, so daß der Rechtsanwender für inländische Mehrstaater eine effektive Staatsangehörigkeit gerade nicht bestimmen muß. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber aus Gründen der Rechtsklarheit und Praktikabilität gewählt127. Insbesondere sollte den Interessen der deutschen Standesbeamten Rechnung getragen werden 128. Der strikte Vorrang der eigenen Staatsangehörigkeit besitzt dabei in der deutschen Gerichtspraxis eine lange Tradition 129 und ist auch international verbreitet 130 . Allerdings trat gegen Ende der 70er Jahre in der deutschen Rechtsprechung ein Wandel ein 131 . Nunmehr sprach sich nämlich der BGH dafür aus, jedenfalls dann an die ausländische Staatsangehörigkeit anzuknüpfen, wenn die Beziehung des Mehrstaaters zu seinem ausländischen Heimatrecht wesentlich enger ist als die zum Inland 132 . Die letztgenannte Auffassung wendet also den Grundsatz der engsten Verbindung auch auf inländische Mehrstaater an. Der Gesetzgeber hat eine solche Vorgehensweise jedoch ausdrücklich verworfen und sich der früher herrschenden Ansicht angeschlossen.

127 BT-Drucks. 10/504, S. 40. 128 v. Mangoldt, StAZ 1990, S. 245; Jayme, Fschr. Müller-Freienfels, S. 341, 364; v. Bar, IPR I, Rdnr 563. 129 RGZ 150, 374, 376; BGH IPRspr. 1968/69 Nr. 88 = FamRZ 1969, S. 28, 30; OLG Hamm IPRspr. 1975 Nr. 58 = NJW 1975, S. 2145; OLG Celle IPRspr. 1975 Nr. 178 = FamRZ 1976, S. 157,158; BayObLGZ 1978,162,168 = IPRspr. 1978 Nr. 117. 130 z. B. § 9 1 2 österr. IPR-Gesetz. 131

Ausführlich zur Entwicklung der Rechtsprechung Mansel, Personalstatut, Rdnr 122 ff. 132 BGHZ 75, 32, 40 = NJW 1979, S. 1776, 1778; BGH IPRspr. 1980 Nr. 126 = NJW 1980, S. 2016, 2017; Sotrgd/Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 12 m. w. N.

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erstatut

II. Durchbrechung des Art. 5 1 2 EGBGB? Die Regelung des Art. 512 EGBGB ist im kollisionsrechtlichen Schrifttum ganz überwiegend auf Kritik gestoßen133. Sie wurde als „Rückschritt"134 oder gar als Jehlentscheidung"135 bezeichnet. Fraglich ist deshalb, ob und inwieweit Ausnahmen von dem strikten Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit anzuerkennen sind. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, daß Art. 5 1 2 EGBGB nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des BGH im internationalen Verfahrensrecht keine Anwendung findet 136. Diese Vorschrift habe nämlich die internationalprivatrechtliche Anknüpfung und nicht etwa die Regelung von Zuständigkeitsfragen zum Gegenstand137. Auch in der Gesetzesbegründung wird klargestellt, daß die mehrfache Staatsangehörigkeit im internationalen Verfahrensrecht zu anderen, teilweise erheblich abweichenden Folgen führen kann 138 . Diese zurückhaltende Anwendung des Art. 5 12 EGBGB durch den BGH ist zu begrüßen und läßt sich sowohl mit dem Wortlaut als auch mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift vereinbaren. Manche Autoren plädieren nun aber auch im Bereich des Internationalen Privatrechts für eine teleologische Reduktion des Art. 5 12 EGBGB, falls die Anknüpfung an die deutsche Staatsangehörigkeit der Einzelfallgerechtigkeit offensichtlich widerspräche, weil der Mehrstaater mit dem deutschen Recht nur noch formal verbunden sei 139 . In diesen Fällen werde nämlich das Ziel der Staatsangehörigkeitsanknüpfüng gänzlich verfehlt, da wesentlich engere Verbindungen mit einem anderen Heimatrecht bestünden. Zudem rechtfertige sich die vorgeschlagene teleologische Reduktion daraus, daß es sich bei Art. 512 EGBGB um eine restriktiv auszulegende Ausnahmevorschrift handele. Die überwiegende Ansicht in der Literatur lehnt dagegen angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts eine Einzelfallkorrektur des Art. 5 12 EGBGB ab 1 4 0 . Wieder andere Stimmen wollen sich insoweit nicht end133

Ausdrücklich zustimmend aber Pitschas, in: Jayme/Mansel (Hrsg.), Nation und Staat im IPR, S, 93,97. 134 Vgl. nur Kegel/Schurig, IPR, § 13 II 5, S. 398; Kropholler, IPR, § 37 II 1 a, S. 244; Jayme, Fschr. Müller-Freienfels, S. 341, 364. "5 v. Bar, IPRax 1984, S. 7, 9. 136 BGH NJW 1998, S. 1565, 1566; a.A. noch BGH NJW 1997, S. 3024 = FamRZ 1997, S. 1070,1071 (obiter). 137 Ebenso Staudinger / Spellenberg, 606 ff. ZPO, Rdnr 154; Staudinger / Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 434. 138 BT-Drucks. 10/504, S. 41. 139 Mansel, Personalstatut, Rdnr 272; Sonnenberger, BerDGesVR 29 (1988), S. 9, 21; MünchKomm/ Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rdnr 14. 140 Palandt IHeldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 3; Erman I Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 6; v. Bar, IPR I, Rdnr 563; v. Mangoldt, StAZ 1990, S. 245, 246; Martiny, JZ 1993, S. 1145, 1147; Pitschas, in: Jayme/Mansel, Nation und Staat im IPR, S. 93,97.

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gültig festlegen 141. Die Rechtsprechung schließlich hat selbst dann an die deutsche Staatsangehörigkeit angeknüpft, wenn der Mehrstaater stets nur im anderen Heimatland gelebt hat 142 . Art. 5 1 2 EGBGB stellt ohne Zweifel eine Ausnahme zu dem in Art. 5 1 1 EGBGB verankerten Grundsatz dar, wonach bei Mehrstaatern das Recht des Heimatstaates zur Anwendung gelangen soll, mit dem die Person am engsten verbunden ist. Gerade bei Ausnahmevorschriften kommt nun aber in erster Linie eine teleologische Reduktion143 in Betracht 144. Eine solche setzt allerdings das Vorhandensein einer verdeckten oder planwidrigen Gesetzeslücke voraus, weshalb zuerst immer eine genaue Ermittlung der ratio legis erforderlich ist 145 . Eine teleologische Reduktion kann nämlich nur stattfinden, wenn es der Gesetzgeber versäumt hat, der Norm eine nach deren Sinn und Zweck gebotene Ausnahmeregelung hinzuzufügen 146. Allein die (angebliche) rechtspolitische Verfehltheit der Vorschrift rechtfertigt hingegen noch keine Einschränkung derselben147. Möglich bleibt allenfalls eine Rechtsfindung contra legem 148 . Auf Art. 5 1 2 EGBGB übertragen bedeutet dies, daß eine teleologische Reduktion nur bejaht werden könnte, falls der strikte Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit dem wahren Willen des Reformgesetzgebers widersprechen würde. Dies ist aber gerade nicht der Fall, wie die Gesetzesbegründung zeigt. Für deutsche Mehrstaater sollte der Grundsatz der engsten Verbindung nämlich ausdrücklich nicht gelten149. Obwohl der Gesetzgeber die abweichende Rechtsprechung des BGH kannte, hat er bewußt davon abgesehen, Art. 5 1 2 EGBGB mit einer entsprechenden Einschränkung zu versehen150. Mithin wurde es aus Gründen der Rechtsklarheit und Praktikabilität in Kauf genommen, daß im Einzelfall auch die ineffektive deutsche Staatsangehörigkeit den Vorrang genießt. Damit bleibt aber für eine 141 Soergel /Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 14: „Ob in extremen Fällen die deutsche Staatsangehörigkeit zurücktreten kann, bleibt abzuwarten."; vgl. auch Staudinger/Blumenwitz, Art. 5 EGBGB, Rdnr 425. 142 OLG Düsseldorf IPRspr. 1993 Nr. 72 = NJW-RR 1994, S. 1221, 1222 = FamRZ 1994, S. 1261,1262 m. zust. Anm. Henrich; vgl. auch OLG Stuttgart IPRspr. 1989 Nr. 91 = FamRZ 1989, S. 760,761. 143 Zum folgenden siehe bereits oben § 7. III 2 a. 144

Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 68. 145 Bydlinski, Methodenlehre, S. 570; Engisch, Jur. Denken, S. 141; Canaris, Lücken, § 76, S. 83. 146

Larenz, Methodenlehre, S. 391; Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 35. 147 Canaris, Lücken, § 77, S. 86; Lorenz, Methodenlehre, S. 374. 148 Vgl. dazu BVerfGE 35, 263, 280; J. Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 139 ff.; Bydlinski, Jbl 1997, S. 617,620. 149 BT-Drucks. 10/504, S. 40. 150 Vgl. etwa den Vorschlag von Stoll, IPRax 1984, S. 1, 3, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit nur maßgeblich sein sollte, „sofern die Person nicht offensichtlich zu einem anderen Staat, dem sie angehört, die engsten Beziehungen hat".

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lestatut

teleologische Reduktion kein Raum. Die gesetzgeberische Entscheidung ist vielmehr zu respektieren 151.

ΠΙ. Ergebnis Als Ergebnis läßt sich folglich festhalten, daß bei inländischen Mehrstaatern die deutsche Staatsangehörigkeit über Art. 5 1 2 EGBGB selbst dann zur Anwendung berufen ist, wenn im Einzelfall wesentlich engere Verbindungen mit einem anderen Heimatrecht bestehen. Allerdings wurde in jüngster Zeit nicht selten die Frage aufgeworfen, inwieweit die von Art. 5 12 EGBGB möglicherweise angeordnete Außerachtlassung der effektiven Staatsangehörigkeit eine nach Art. 6 EGV i.V.m. Art. 52 EGV verbotene Diskriminierung darstellen kann 152 . Dies wurde unter bestimmten Voraussetzungen etwa für den Bereich der Namensführung (Art. 10 I EGBGB) bejaht 153 . Denkbar wäre ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot auch dann, wenn eine nach ausländischem Recht bestehende (volle) Geschäftsfähigkeit nach deutschem Recht nicht anerkannt wird, weil der Mehrstaater das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Eine ausführliche Behandlung dieser schwierigen europarechtlichen Frage würde indes den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen.

Zweites Kapitel

Familienstatut Auch im Internationalen Familienrecht muß der Rechtsanwender in einigen Fällen selbst über die Konkretisierung der (gemeinsamen) engsten Verbindung entscheiden. Eine entsprechende Hilfsanknüpfung findet sich in Art. 14 I Nr. 3 EGBGB1. Dieser Kollisionsnorm kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil in zahlreichen Vorschriften des Internationalen Ehe- und Kindschaftsrechts auf das von Art. 14 EGBGB berufene Recht verwiesen wird. Zu nennen sind insbesondere das Güterrechtsstatut (Art. 15 I EGBGB), das Scheidungsstatut (Art. 171 EGBGB) und das Adoptionsstatut (Art. 22 EGBGB). Bis zur Neuregelung durch das Kind-

151 So auch Palandt / Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 3; Erman ! Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rdnr 6; v. Bar, IPR I, Rdnr 563; v. Mangoldt, StAZ 1990, S. 245, 246; Martiny, JZ 1993, S. 1145,1147; Pitschas, in: Jayme/Mansel, Nation und Staat im IPR, S. 93,97. 152 MünchKomm / Sonnenberger, Einl. IPR, Rdnr 147; ders., ZVglRWiss 95 (1996), S. 3, 17; Brödermann/Iversen, Europ. GemeinschaftsR u. IPR, Rdnr 532; Benicke /Zimmermann, IPRax 1995, S. 141,147; vgl. auch Zimmermann, EuR 30 (1995), S. 54,64 ff. 153 Benicke /Zimmermann, IPRax 1995, S. 141,144 ff. ι Siehe oben § 6. II 3.

§ 10 Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB

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schaftsrechtsreformgesetz 2 wurde zudem auch noch bei der Anknüpfung des Abstammungs- und Kindschaftsstatuts (Art. 191 und Π EGBGB a.F.) sowie des Legitimationsstatuts (Art. 211 EGBGB a.F.) auf Art. 141 EGBGB Bezug genommen.

§ 10 Konkretisierung des Ârt. 1 4 1 Nr. 3 EGBGB I. Anwendungsbereich des Art. 141 Nr. 3 EGBGB In Art. 14 I EGBGB wird das auf die allgemeinen Wirkungen der Ehe anzuwendende Recht mittels einer Anknüpfungsleiter 3 bestimmt, wobei der Übergang zur jeweils nächsten Stufe erst erfolgen kann, wenn auf der vorausgegangenen Stufe keine Entscheidung gefallen ist4. Primär wird nun von Art. 141 Nr. 1 EGBGB das Recht des Staates berufen, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, dann kommt über Art. 141 Nr. 2 EGBGB das Recht des Staates zur Anwendung, in dem die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten, falls einer von ihnen diesen beibehalten hat. Versagt auch die zweite Anknüpfungsstufe, so muß nach Art. 14 I Nr. 3 EGBGB ermittelt werden, mit welchem Recht die Ehegatten „auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden" sind. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber bewußt von einer näheren Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB abgesehen5. Im Regierungsentwurf wurden demgegenüber noch beispielhaft der „Verlauf der ehelichen Lebensgemeinschaft" und der „Ort der Eheschließung" genannt6. Aus der Systematik des Art. 14 I EGBGB folgt nun, daß der Rechtsanwender nur dann eine Konkretisierung der engsten Verbindung vornehmen muß, wenn die Parteien zum für die Anknüpfung maßgeblichen Zeitpunkt weder durch eine gemeinsame (effektive) Staatsangehörigkeit noch durch einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt miteinander verbunden sind. Denkbar ist dabei zunächst, daß entsprechende Verbindungen während der Ehe niemals bestanden haben7. War dies hingegen einmal der Fall, so ist für Art. 14 I Nr. 3 EGBGB nur Raum, falls beide

2 BGBl. 1997 I, S. 2942. Zu den damit verbundenen Änderungen für das Kollisionsrecht siehe Henrich, StAZ 1998, S. 1 - 6 . 3 BT-Drucks. 10/504, S. 50; Kegel/Schurig, IPR, § 20 V 1 a, S. 714; Soergel/Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 2; Palandt IHeldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 6. 4 BGH IPRspr. 1994 Nr. 77 = FamRZ 1994, S. 434, 435; Staudinger /v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 27; MünchKomm I Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 12.

5 BT-Drucks. 10/5632, S. 41. 6 BT-Drucks. 10/504, S. 9. ^ Vgl. das von Staudinger/v. Bar/Mankowski, spiel.

Art. 14 EGBGB, Rdnr 72 gebildete Bei-

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Ehegatten jetzt keine Beziehungen mehr zu dem früher gemeinsamen Recht besitzen8.

Π. Methode der Konkretisierung Ähnlich wie bei der Unteranknüpfung des Personalstatuts wollen einige Stimmen in der Literatur auch im Bereich des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB möglichst feste Regeln aufstellen. Deshalb soll vorrangig an den schlichten, hilfsweise den letzten schlichten Aufenthalt beider Gatten im selben Staat anzuknüpfen sein9. Diese Vorgehensweise wurde indes schon an anderer Stelle als zu starr kritisiert 10. Außerdem ist der schlichte Aufenthalt deshalb als Anknüpfungsmoment nur wenig geeignet, weil ihm ein zu großes Maß an Zufälligkeit anhaftet. Konsequent angewendet müßte man sogar „bei der letzten gemeinsam getrunkenen Tasse Kaffee auf dem Flughafen notlanden"11. Richtigerweise ist ein gemeinsamer schlichter Aufenthalt daher bei der nach Art. 14 I Nr. 3 EGBGB vorzunehmenden Gesamtabwägung überhaupt nur zu berücksichtigen, wenn dieser nicht nur ganz vorübergehender Natur 12 war oder ist 13 . Selbst dann dürfte allerdings immer zu fordern sein, daß noch weitere Verbindungen zum Aufenthaltsrecht bestehen, etwa weil dort auch die Eheschließung der Parteien erfolgte 14. Da also allein der (letzte) gemeinsame schlichte Aufenthalt der Ehegatten im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, muß statt dessen stets eine am Einzelfall orientierte Anknüpfung des Familienstatuts erfolgen. Dabei kann eine Vielzahl von Umständen in die Abwägung mit einfließen 15. Allein das Aufzählen der möglicherweise relevanten Anknüpfungskriterien hilft dem Rechtsanwender indes häufig nicht weiter. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte vielmehr eine gewisse Typisierung erfolgen, was jedoch wegen des relativ spärlich vorhandenen Fallmaterials nicht ganz unproblematisch ist. Trotzdem wird im folgenden versucht, die für die Bestimmung der gemein» Unzutreffend daher AG Mainz IPRspr. 1991 Nr. 95 = IPRax 1991, S. 422: Eine deutsche Ehefrau lebte mit ihrem italienischen Mann in Italien zusammen. Nach der Trennung kehrte sie nach Deutschland zurück, während der Mann in Italien blieb. Hier kommt Art. 141 Nr. 2 EGBGB (Italien) zur Anwendung. 9 Kegel/Schurig, IPR, § 20 V 1 a, S. 715; ähnlich SoergelISchurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 14; v. Bar, IPR II, Rdnr 206. 10 Siehe oben §8. III 3. 11 Ferid, IPR, Rdnr 8-86,1; kritisch auch Beitzke, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Personen- und Sachenrecht (1972), S. 167; Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338. 12 So soll es beispielsweise nicht von Bedeutung sein, in welchem Land das Paar die Flitterwochen verbracht hat. 13 BT-Drucks. 10/5632, S. 41; Palandt ! Heldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 10; Kropholler, IPR, § 45 I 3 c, S. 317; v. Bar, IPR II, Rdnr 206. 14 So im Ergebnis auch Staudinger/ v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 74. 15 Vgl. nur die in BT-Drucks. 10/5632, S. 41 genannten Umstände.

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samen engsten Verbindung erheblichen Gesichtspunkte zu ordnen und auf ihre Bedeutung hin zu untersuchen.

ΠΙ. Abwägungskriterien 1. In Art. 141 Nrn. 1 und 2 EGBGB genannte Anknüpfungspunkte Bei der Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB liegt es zunächst einmal nahe, sich an den in den Nrn. 1 und 2 der Vorschrift zum Ausdruck kommenden Wertungen zu orientieren. Der Gesetzgeber ist nämlich offensichtlich davon ausgegangen, daß eine enge Verbindung der Ehegatten vor allem durch die gemeinsame Zugehörigkeit zu einem Staat sowie durch das Vorhandensein eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes begründet wird. Deshalb soll nun der Frage nachgegangen werden, inwieweit diese Umstände auch dann zu berücksichtigen sind, wenn die Voraussetzungen der ersten beiden Anknüpfungsstufen des Art. 141 EGBGB nicht vorliegen.

a) Berücksichtigung einer nach Art. 5 I EGBGB unbeachtlichen Staatsangehörigkeit Allein die Tatsache, daß die Ehegatten eine übereinstimmende Staatsangehörigkeit besitzen, begründet noch kein Eingreifen des Art. 14 I Nr. 1 EGBGB. Vielmehr sind auch hier die Wertungen des Art. 5 I EGBGB zu beachten16. Ist also etwa ein österreichisch-argentinischer Doppelstaater mit einer österreichisch-italienischen Frau verheiratet, so kommt über Art. 141 Nr. 1 EGBGB nur dann österreichisches Recht zur Anwendung, wenn diese Staatsangehörigkeit auch jeweils die effektive ist 17 . Bei inländischen Mehrstaatern genießt dagegen die deutsche Staatsangehörigkeit auch im Rahmen des Art. 14 I Nr. 1 EGBGB stets Vorrang 18. Die genannten Grundsätze gelten selbst für den Fall, daß die nicht effektive bzw. nicht deutsche Staatsangehörigkeit mit der einzigen oder der effektiven Staatsangehörigkeit des anderen Ehegatten übereinstimmt19.

16 Johannsen/Henrich, Art. 15 EGBGB, Rdnr 4; Erman/Hohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 13; MünchKomm / Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 20; Soergel ! Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 5; Palandt IHeldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 7. π OLG München IPRspr. 1993 Nr. 71 = FamRZ 1994, S. 634. is OLG Düsseldorf IPRspr. 1993 Nr. 72 = NJW-RR 1994, S. 1221, 1222 = FamRZ 1994, S. 1261, 1262 m. zust. Anm. Henrich; OLG Stuttgart IPRspr. 1989 Nr. 91 = FamRZ 1989, S. 760, 761; Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 34; teilweise abweichend MünchKomm / Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 22. 19 OLG Frankfurt IPRspr. 1993 Nr. 100 = FamRZ 1994, S. 715, 716; BayObLG IPRspr. 1994 Nr. 174 = NJW-RR 1994, S. 771, 772.

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In den soeben geschilderten Konstellationen wurde in der Praxis bisher in aller Regel auf Art. 14 I Nr. 2 EGBGB zurückgegriffen, weil die Eheleute während der Ehe zumindest zeitweilig einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Zwingend ist dies jedoch nicht, wie das von v. Bar in Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Frankfurt gebildete Beispiel zeigt: Ein in Deutschland lebender Inder heiratete in Dänemark eine in Großbritannien lebende Britin, die daneben noch die (ineffektive) indische Staatsangehörigkeit besaß. Nach der Eheschließung lebte das Paar für wenige Tage gemeinsam in der Bundesrepublik, bevor die Ehefrau nach Großbritannien zurückkehrte. Offenbar war die Heirat vom Ehemann nur betrieben worden, um ihm einen weiteren Aufenthalt im Inland zu ermöglichen.

Hier muß das für die Wirkungen der Ehe maßgebliche Recht über Art. 141 Nr. 3 EGBGB bestimmt werden. Richtigerweise sollte man dabei nun aber nicht auf den nur ganz unwesentlichen gemeinsamen Aufenthalt in der Bundesrepublik abstellen 21 . Nennenswerte gemeinsame Verbindungen zum deutschen Recht lassen sich nämlich nicht feststellen. Solche bestehen vielmehr allenfalls zum gemeinsamen indischen Heimatrecht. In Fällen wie dem vorliegenden sollte dieser Gesichtspunkt daher im Rahmen des Art. 141 Nr. 3 EGBGB den Ausschlag geben. Dies gilt allerdings nicht, falls der eine Ehegatte die dann gemeinsame (ineffektive) Staatsangehörigkeit lediglich als gesetzliche Folge der Eheschließung hinzuerworben hat 22 .

b) Gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten im Heimatstaat des anderen Eine gemeinsame engste Verbindung kann sich darüber hinaus auch aus einer Kombination der beiden primären Anknüpfungsmerkmale des Art. 14 I EGBGB ergeben. So ist es denkbar, daß die Eheleute zwar keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, sich der eine Gatte aber im Heimatstaat des anderen gewöhnlich aufhält. Heiratet also beispielsweise ein Italiener mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien eine in Italien lebende Schweizerin, so sollte Art. 14 I Nr. 3 EGBGB auf das italienische Recht verweisen 23.

Beide Ehegatten besitzen hier nämlich starke Beziehungen zu Italien, die lediglich unterschiedlich vermittelt werden. Demgegenüber treten die zum spanischen oder schweizerischen Recht bestehenden Verbindungen zurück. Dies hat richtigerweise selbst für den Fall zu gelten, daß die Parteien in einem dieser Länder gehei20 OLG Frankfurt IPRspr. 1986 Nr. 54 = FamRZ 1987, S. 155. 21 So aber v. Bar, IPR II, Rdnr 206. 22 Da in dem soeben genannten Beispiel die Eheschließung zudem noch in einem Drittstaat erfolgte, dürfte es dann an einer gemeinsamen engsten Verbindung gänzlich fehlen. 23 Vgl. Johannsen/Henrich,

Art. 15 EGBGB, Rdnr 8.

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ratet haben sollten. Ebensowenig dürfte sich an dem Ergebnis etwas ändern, falls

der Ehemann im soeben geschilderten Beispiel neben der italienischen auch noch die spanische Staatsangehörigkeit besitzen würde.

c) Früher gemeinsame Staatsangehörigkeit Weiterhin könnte eine während der Ehe übereinstimmende (effektive) Staatsangehörigkeit für die nach Art. 141 Nr. 3 EGBGB vorzunehmende Gesamtabwägung auch dann von Bedeutung sein, wenn inzwischen keiner der Ehegatten diesem Staat mehr angehört. Dies wird von Teilen des kollisionsrechtlichen Schrifttums indes mit der Erwägung verneint, daß sich die Ehegatten in dieser Konstellation schließlich vollständig von dem ehemals gemeinsamen Heimatstaat gelöst hätten 24 . Diese Überlegung verdient sicherlich Zustimmung, falls die Abkehr vom bisherigen Heimatrecht mit der Begründung enger gemeinsamer Verbindungen zu einem anderen Staat einhergeht. Für eine Anwendung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB bleibt nun aber nur Raum, sofern die Parteien zum maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkt weder eine gemeinsame Staatsangehörigkeit noch einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt besitzen. Mithin fehlt es gerade an starken gemeinsamen Beziehungen zu einem neuen Recht. Deshalb sollte hier das früher gemeinsame, inzwischen beiderseitig aufgegebene Heimatrecht bei der Anknüpfung des Familienstatuts nicht von vornherein außer Betracht bleiben25. Auch der Gesetzgeber wollte die letzte gemeinsame Staatsangehörigkeit jedenfalls dann berücksichtigen, wenn zwar keiner der Ehegatten diesem Staat mehr angehört, aber zumindest einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat 26 . Indes dürfte es in der Praxis nur äußerst selten vorkommen, daß eine Person einerseits die Staatsangehörigkeit wechseln, andererseits aber weiterhin im ursprünglichen Heimatstaat leben will. Geben sogar beide Ehegatten ihre bisherige Staatsangehörigkeit auf, dann wird das bei intakter Ehe in aller Regel zugunsten einer (neuen) gemeinsamen Staatsangehörigkeit erfolgen. Ausschlaggebende Bedeutung kann einer beiderseitig aufgegebenen Staatsangehörigkeit im Rahmen des Art. 141 Nr. 3 EGBGB daher nur zukommen, falls sich ansonsten keine gemeinsamen Bindungen feststellen lassen. Zur Veranschaulichung mag folgendes Beispiel dienen: Eine Schweizerin, die seit längerer Zeit in Italien lebt, heiratet einen Schweizer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich. Beide Ehegatten behalten ihren Lebensmittelpunkt während der gesamten Ehe bei und erwerben noch vor der Trennung die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Aufenthaltsstaates.

24 Kropholler, IPR, § 45 I 3 c, S. 317, Fn. 12; MünchKomm ! Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 66; MünchKomm / Winkler von Mohrenfels, Art. 17 EGBGB, Rdnr 36. 25 Soergel ! Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 14; Palandt IHeldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 10; Erman/Hohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 18; v. Bar, IPR II, Rdnr 207. 26 BT-Drucks. 10/5632, S. 41.

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Hier bestehen bzw. bestanden gemeinsame Beziehungen letztlich nur zum schweizerischen Recht. Dieses sollte deshalb über Art. 141 Nr. 3 EGBGB zur Anwendung kommen. Aus dem Verlauf des ehelichen Zusammenlebens ergibt sich nämlich keine engere gemeinsame Verbindung. Außerdem unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe aufgrund der Unwandelbarkeit des Güterstatuts27 ebenfalls dem schweizerischen Recht, Art. 15 I i.V.m. Art. 141 Nr. 1 EGBGB.

d) Früher gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt Das soeben Gesagte gilt entsprechend für den Fall, daß die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt früher einmal im selben Staat hatten, nunmehr aber beide in einem anderen Land leben. Auch hier sollte eine gemeinsame Vergangenheit bei der Anknüpfung grds. den Vorrang vor einer getrennten Gegenwart genießen28. Dies wird jedenfalls dann angenommen, wenn ein Ehegatte nach wie vor Angehöriger des ehemaligen Aufenthaltsstaates ist 29 . Auch der BGH hat im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB schon entscheidend auf den früher gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute abgestellt30. Diese Entscheidung verdient im Ergebnis zweifellos Zustimmung, weil die Parteien im zugrunde liegenden Fall mehr als 20 Jahre lang gemeinsam im selben Land gelebt hatten31. Auch war die Eheschließung in diesem Staat erfolgt, so daß der gesamte Verlauf des ehelichen Zusammenlebens eindeutig für die Maßgeblichkeit des dort geltenden Rechts sprach. Die Bedeutung des ehemals gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts für die Bestimmung des Familienstatuts hängt also nicht zuletzt davon ab, wie stark die Ehegatten in diesem Staat verwurzelt gewesen sind. Insoweit dürfte es in erster Linie auf die Dauer der gemeinsamen Lebensführung ankommen. Als problematisch erweisen sich daher vor allem solche Konstellationen, in denen die Eheleute nur verhältnismäßig kurze Zeit in einem Drittstaat zusammen gelebt haben. Befand sich der gemeinsame Lebensmittelpunkt hingegen in dem Heimatstaat eines Ehepartners, dann wird das frühere Aufenthaltsrecht in der Tat über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB zur Anwendung berufen sein, weil zu diesem ja sogar noch aktuelle Verbindungen bestehen. Zweifelhaft ist die Anknüpfung an den inzwischen beiderseitig aufgegebenen gewöhnlichen Aufenthalt indes in folgendem Fall 32 : 27 Art. 15 I EGBGB stellt für die Anknüpfung bekanntlich nur auf den Zeitpunkt der Eheschließung ab. Ausführlich zum Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterstatuts, Staudinger/ Gamillscheg 10711, Art. 15 EGBGB, Rdnr 72 ff. 28 Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 76; vgl. auch F er id, IPR, Rdnr 8-86,1; Kersting, FamRZ 1992, S. 268, 270. 29 BT-Drucks. 10/5632, S. 41; Johannsen/Henrich, Art. 17 EGBGB, Rdnr 14 (4. Beispiel). 30 BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2049 = IPRax 1994, S. 131, 133.

31 Zustimmend auch v. Bar, IPRax 1994, S. 100, 102. 32 Vgl. Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 77.

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Ein Franzose und eine Italienerin halten sich aus beruflichen Gründen in Saudi-Arabien auf. Hier lernen sie sich kennen, heiraten und kehren nach ca. 8 Monaten in ihre Heimatländer zurück. Kurze Zeit später ist die Ehe gescheitert.

Hier darf zunächst nicht übersehen werden, daß eine nur vorübergehende (berufsbedingte) Abwesenheit nicht zum Verlust des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts führt, sofern eine Rückkehr dorthin geplant ist 33 . Deshalb kann im geschilderten Beispielsfall nicht ohne weiteres von einem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Saudi-Arabien ausgegangen werden. Außerdem dürften die Ehegatten aufgrund der abweichenden Religionszugehörigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nach saudi-arabischem Recht geheiratet haben. Folglich bestehen auch keine ausreichenden Verbindungen zum früheren Aufenthaltsrecht, um dieses über Art. 141 Nr. 3 EGBGB zur Anwendung zu bringen. Anders verhält es sich indes, falls die Ehegatten im Drittstaat sozial integriert waren und die Eheschließung zudem nach dort geltendem Recht erfolgte. In diesem Fall wurde die Ehe dann nämlich ausschließlich nach dem Recht des früher gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts gelebt. Deshalb sollte dieses Recht im Zweifel auf die allgemeinen Wirkungen der Ehe angewendet werden34. Dies gilt insbesondere (aber nicht nur) bei kultureller Nähe des Drittstaates zu den beteiligten Heimatrechten35. Zu fordern ist jedoch stets, daß der frühere Aufenthaltsstaat wirklich einmal für nicht unerhebliche Zeit der gemeinsame Lebensmittelpunkt der Beteiligten gewesen ist. Nur gelegentliche Treffen in diesem Staat, etwa zu Urlaubszwecken, genügen mithin nicht36. Verdrängt werden kann das Recht des beiderseitig aufgegebenen gewöhnlichen Aufenthalts allerdings dann, wenn nach der Trennung weiterhin persönliche Kontakte der Ehegatten bestehen. Insoweit ist vor allem an durch gemeinsame Kinder vermittelte Verbindungen zu denken37. Auf diesen Aspekt wird weiter unten noch gesondert eingegangen.

33 BGH IPRspr. 1975 Nr. 83 = NJW 1975, S. 1068; BayObLGZ 1983, 168, 175 = IPRspr. 1983 Nr. 13; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 112; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185, 186; Soergel/Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 55. 34 So auch Dopffel, FamRZ 1987, S. 1205, 1211, der dieses Ergebnis aber rechtspolitisch für zweifelhaft hält. 35 Vgl. v. Bar, IPR II, Rdnr 207: Ein Schwede und eine Norwegerin leben und heiraten in Dänemark, bevor sie in unterschiedlichen Staaten Aufenthalt nehmen. Art. 141 Nr. 3 EGBGB verweist hier auf das dänische Recht. 36 A.A. Johannsen/Henrich, Art. 17 EGBGB, Rdnr 14 (3. Beispiel): Auf die Ehe zwischen einem US-Amerikaner und einer Österreicherin solle deshalb schweizerisches Recht zur Anwendung gelangen, weil sich die Ehegatten dort regelmäßig in einem Ferienhaus getroffen hätten. 37 Vgl. das allerdings eher lebensfremde Beispiel von Kersting, 270. 10 Geisler

FamRZ 1992, S. 268,

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e) Vor der Ehe bestehender gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt Schließlich kann im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB nach zutreffender Ansicht auch die Tatsache berücksichtigt werden, daß die Ehegatten zwar nicht während, aber doch unmittelbar vor der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat hatten38. Im ausländischen Kollisionsrecht wird diesem Umstand ebenfalls Bedeutung beigemessen39. Einschränkend ist jedoch zu fordern, daß die Parteien für nicht unerhebliche Zeit in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammen gelebt haben. Deshalb genügt es beispielsweise nicht, wenn die zukünftigen Ehegatten lediglich im selben (Dritt-)Staat aufgewachsen sind40. Vielmehr muß über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB die gemeinsame engste Verbindung ermittelt werden. Dies setzt aber zumindest gegenseitige Kenntnis der Beteiligten voraus. Andererseits können gemeinsame Bindungen zu einem Staat auch schon vor der Eheschließung begründet werden. Eine Berücksichtigung derselben ist folglich möglich, sofern sie zum Zeitpunkt der Heirat noch fortwirken 41 und auch später nicht durch stärkere gemeinsame Beziehungen zu einem anderen Staat überlagert werden.

2. Gemeinsame Zukunftspläne

der Ehegatten

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, daß auch die Zukunftspläne der Ehegatten in die von Art. 14 I Nr. 3 EGBGB angeordnete Gesamtabwägung mit einzubeziehen sind. Dies ist vor allem für Art. 15 EGBGB von Bedeutung, weil es bei der Anknüpfung des Güterrechtsstatuts allein auf den Zeitpunkt der Eheschließung ankommt. Dies schließt allerdings richtigerweise die Berücksichtigung solcher zukünftigen Ereignisse nicht aus, die zu diesem Zeitpunkt bereits konkret geplant gewesen sind. Als insoweit erheblich werden in der Gesetzesbegründung42 und im kollisionsrechtlichen Schrifttum der beabsichtigte Erwerb einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit43 sowie die beabsichtigte Begründung eines (ersten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts 44 angesehen.

38 Soergel I Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 14; vgl. auch OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 75 = FamRZ 1995, S. 1203,1204 (interlokal). 39 z. B. Art. 9 II Halbs. 3 Alt. 1 des span. Código civil. «ο A.A. Johannsen/Henrich, Art. 15 EGBGB, Rdnr 8. 41 Hieran fehlt es aber, wenn beide Ehegatten keinerlei Kontakte mehr zum früher gemeinsamen Aufenthaltsrecht unterhalten. « BT-Drucks. 10/504, S. 41. 4 3 Palandt / Heldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 10; Soergel ! Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 14; v. Bar, IPR II, Rdnr 212, Fn. 507; Kropholler, IPR, § 45 I 3 c, S. 317. 44 Henrich, Int. FamilienR, S. 64; ders., Int. ScheidungsR, Rdnr 197; Ferid, IPR, Rdnr 8 86,1; Erman/Hohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 18; MünchKomm/Siehr, Art. 15 EGBGB, Rdnr 20.

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Diese Umstände sind in der Tat ein deutliches Indiz für eine gemeinsame Lebensplanung der Ehegatten. Allerdings kann der zusätzliche Erwerb einer dann gemeinsamen Staatsangehörigkeit nur für den Fall von ausschlaggebender Bedeutung sein, daß dieser nicht lediglich kraft Gesetzes und ohne Aufgabe der Bindung zum bisherigen Heimatstaat erfolgt ist. Mithin muß zumindest bei einem Ehegatten ein Wechsel der (effektiven) Staatsangehörigkeit geplant sein45. Nur dann läßt sich nämlich von einer nach außen dokumentierten gemeinsamen Heimatverbundenheit sprechen. Ein solche kann ebenso in der beabsichtigten Begründung eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes zum Ausdruck kommen. Heiratet also beispielsweise ein im Inland lebender Deutscher eine Tschechin mit gewöhnlichem Aufenthalt in Tschechien und will die Ehefrau alsbald nach der Eheschließung auf Dauer zu ihrem Mann ziehen, so ist auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe nach Art. 151 i.V.m. Art. 141 Nr. 3 EGBGB deutsches Recht anzuwenden46. Dies gilt richtigerweise selbst dann, wenn die Parteien in Prag geheiratet haben sollten, weil ein eheliches Zusammenleben von vornherein nur in der Bundesrepublik geplant war.

Allerdings könnte die Berücksichtigung der Zukunftspläne der Ehegatten zu nicht unerheblichen Beweisschwierigkeiten führen 47. Tatsächlich birgt ein solches Vorgehen die Gefahr in sich, bei der Anknüpfung des Güterrechtsstatuts aus erst später eingetretenen Veränderungen zu folgern, daß diese schon zum Zeitpunkt der Eheschließung beabsichtigt gewesen sind. Dieser Einwand ist aber zunächst einmal dann entkräftet, falls sich die für die Zukunft geplante Entwicklung bereits in objektiven Anknüpfungsmomenten niedergeschlagen hat. Zu denken ist hier etwa an den Erwerb oder die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung sowie an das Stellen eines Einbürgerungsantrags. Lassen sich dagegen zum maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkt keine solchen Objektivierungen nachweisen, so wird der Rechtsanwender vor allem auf die zeitliche Nähe zur Eheschließung abzustellen haben. Beantragen und erwerben die Eheleute nämlich eine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder verlegen sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in denselben Staat, dann werden im Zweifel schon vorher entsprechende Pläne bestanden haben, weil diese Veränderungen mit gravierenden Folgen verbunden sind. Das Aufstellen exakter zeitlicher Grenzen ist insoweit freilich nicht möglich. Vielmehr wird es auf die Glaubwürdigkeit des Parteivortrags im Einzelfall ankommen. Bei der Ermittlung des Güterrechtsstatuts sollte aber jedenfalls nicht danach differenziert werden, ob die Betroffenen schon bei oder erst einige Wochen nach der Eheschließung einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt besitzen. Eine abweichende Betrachtung würde letztlich auch den Parteiinteressen und -erwartungen nicht gerecht.

45 So auch BGH IPRspr. 1987 Nr. 47b = NJW 1988, S. 638, 640. 46 Vgl. OLG Frankfurt IPRspr. 1989 Nr. 106 = NJW-RR 1990, S. 582; OLG Köln FamRZ 1998, S. 1590. 47 Dies befürchten etwa Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 15 EGBGB, Rdnr 38; Basedow, NJW 1986, S. 2971, 2976. io*

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lestatut

3. Durch gemeinsame Kinder vermittelte

Verbindungen

Des weiteren stellt sich die Frage, inwieweit im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB die zu den gemeinsamen Kindern der (getrennt lebenden) Ehegatten bestehenden Verbindungen zu berücksichtigen sind. In diesem Zusammenhang könnte zunächst der Geburtsort der Kinder von Bedeutung sein48. Dieser vermag indes für sich allein genommen keine gemeinsame Verbindung der Ehegatten zu begründen. In Betracht kommt allenfalls eine Verstärkung der ohnehin schon vorhandenen Bindung an einen früher gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt 49. Haben die Eltern dagegen bei der Geburt des Kindes ihren Lebensmittelpunkt in verschiedenen Staaten, so führt ihre Anwesenheit am Ort der Geburt lediglich zu einem gemeinsamen schlichten Aufenthalt, der noch dazu nur von kurzer Dauer ist. Als gänzlich unerheblich erweist sich der Geburtsort des Kindes schließlich dann, wenn die Entbindung aus medizinischen Gründen in einem Drittstaat erfolgte. Größere Bedeutung kann demgegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt des gemeinsamen Kindes zukommen. Zu denken ist insbesondere an den Fall, daß an diesem Ort regelmäßige Besuche des nicht sorgeberechtigten Elternteils stattfinden 50. Diese Betrachtung verdient sicherlich Zustimmung, sofern nach den Vorstellungen der Parteien später einmal die gesamte Familie im jetzigen Aufenthaltsstaat des Kindes leben soll. Insoweit sprächen dann auch die gemeinsamen Zukunftspläne der Ehegatten für die Anwendung des dort geltenden Rechts. In der Praxis dürfte eine solche Konstellation nun aber vergleichsweise selten vorkommen. Häufiger wird ein Zusammenleben der Eheleute für die Zukunft nicht (mehr) geplant sein. In diesem Fall sollte danach differenziert werden, ob die Parteien bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben oder nicht. Fehlt es hieran und übt der andere Elternteil sein Besuchs- und Umgangsrecht wirklich regelmäßig aus, so spricht in der Tat vieles dafür, über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB an das Aufenthaltsrecht des gemeinsamen Kindes anzuknüpfen. Engere gemeinsame Verbindungen zu einem anderen Staat lassen sich insoweit nämlich in aller Regel nicht feststellen. Lebt also beispielsweise eine niederländische Mutter gemeinsam mit ihrer Tochter in Amsterdam, wo sie der in Frankfurt wohnende deutsche Kindsvater mindestens einmal im Monat besucht, dann besteht die gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten zum niederländischen Recht. An diesem Ergebnis dürfte auch eine etwaige Eheschließung in der Bundesrepublik nichts ändern 51. 48 BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2049 = IPRax 1994, S. 131, 133 stellt bei der Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB u. a. auch auf diesen Gesichtspunkt ab; vgl. auch Kegel/Schurig, IPR, § 20 V 1 a, S. 715. 49 So auch im Fall des BGH a. a. O. » MünchKomm/Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 37; Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 78; Kersting, FamRZ 1992, S. 268, 270. 51

Eine andere Beurteilung ergibt sich jedoch, falls die Tochter im soeben genannten Beispiel bewußt auch in deutscher Sprache erzogen wird und die Familienmitglieder untereinander nur Deutsch sprechen.

§ 10 Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB

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Nicht ganz so eindeutig stellt sich die Situation dar, falls die Eheleute während der Ehe bereits gemeinsam im selben Staat gelebt haben sollten. In diesem Fall verweist Art. 14 I Nr. 3 EGBGB grds. auf das Recht des früher gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts 52. Allerdings kann die Verbundenheit mit dem Aufenthaltsstaat des gemeinsamen Kindes auch hier überwiegen. Dies dürfte aber stets voraussetzen, daß der das Besuchsrecht ausübende Elternteil weitere, über den zeitweiligen schlichten Aufenthalt hinausgehende Beziehungen zu diesem Staat besitzt. Insoweit ist vor allem von Bedeutung, in welcher Sprache sich die Familienmitglieder verständigen. Von einer durch das gemeinsame Kind vermittelten engsten Verbindung der Parteien kann nämlich dann nur schwerlich gesprochen werden, wenn einer der Ehegatten die Muttersprache seines Kindes nicht einmal ansatzweise beherrscht. Deshalb sollte es etwa in folgendem Beispiel bei der Anknüpfung an das Recht des inzwischen beiderseitig aufgegebenen gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute verbleiben53: Ein Italiener und eine Ungarin leben und heiraten in Schweden. Dort wird auch der gemeinsame Sohn geboren. Nach der kurze Zeit später erfolgten Trennung kehrt der Ehemann in sein Heimatland zurück, während die Frau zusammen mit dem Kind nach Deutschland übersiedelt. Die Mutter erzieht ihren Sohn ganz überwiegend in deutscher Sprache. Der Kindsvater besitzt demgegenüber keine Verbindungen zur deutschen Kultur. Hier sind zwar die Ehefrau und das Kind eng mit dem deutschen Recht verbunden, nicht aber der Ehemann, weshalb die gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten richtigerweise zum schwedischen Recht besteht.

4. Gemeinsame soziale und kulturelle

Verbindungen

Schon das zuletzt genannte Beispiel hat gezeigt, daß im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB auch der durch Herkunft, Kultur, Sprache oder berufliche Tätigkeit vermittelten sozialen Bindung der Ehepartner an einen Staat eine gewisse Bedeutung zukommen kann54. Allerdings werden diese Umstände zumeist nur ergänzend zu berücksichtigen sein55, sofern es sich nicht um enge familiäre Kontakte handelt. Deshalb wird beispielsweise eine gemeinsame engste Verbindung nicht schon dadurch begründet, daß beide Eheleute kurzzeitig im selben Staat erwerbstätig sind56. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der eine Gatte in nicht unerheblichem Maße im

52 Siehe oben § 10. Π Ι 1 d. 53 Vgl. Kersting, FamRZ 1992, S. 268, 270, der einen vergleichbaren Beispielsfall allerdings abweichend löst. 54 So auch BT-Drucks. 10/5632, S. 41; Palandt/Heldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 10; Soergel / Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 14. 55 Vgl. BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2049 = IPRax 1994, S. 131,133. 56

A.A. Henrich, Int. FamilienR, S. 63 demzufolge bei der Bestimmung des Ehewirkungsstatuts etwa das gemeinsame Engagement zweier Opernsänger in einem Drittstaat den Ausschlag geben kann.

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Aufenthalts- oder Heimatstaat des anderen beruflich engagiert ist und sich die Eheleute zudem noch in der Sprache des betreffenden Staates verständigen57. Eine Typisierung dieser Anknüpfungsmerkmale bereitet jedoch insgesamt gesehen nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Große Bedeutung kommt der gemeinsamen kulturellen Verbundenheit indes zu, falls die Ehegatten einem konfessionellen Staat angehören und eine übereinstimmende Religionszugehörigkeit besitzen58. Hier tritt die Staatsangehörigkeitsanknüpfung für den Bereich des Familienrechts ohnehin zurück, weil die einzelnen Glaubensgemeinschaften insoweit gesetzlich und gerichtlich autonom sind. Heiratet also etwa ein schiitischer Iraner eine schiitische Libanesin und besitzen die Ehegatten während der Ehe keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, so sollte Art. 14 I Nr. 3 EGBGB auf das Eherecht der schiitischen Moslems verweisen. Sofern die religiösen Rechte in den einzelnen Staaten unterschiedlich ausgestaltet sind, ist das maßgebliche Recht durch entsprechende Anwendung der für interreligiöse Ehen geltenden Vorschriften zu ermitteln59.

5. Ort der Eheschließung Schließlich bleibt noch die Möglichkeit, bei der Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB auf den Ort der Eheschließung abzustellen. Diesem Anknüpfungsmoment kann nun aberrichtigerweise überhaupt nur dann Bedeutung zukommen, wenn der Heiratsort nicht gänzlich zufällig gewählt wurde 60. Heiraten also etwa ein Deutscher und eine Französin während eines dreiwöchigen Urlaubs in Miami, so besteht die gemeinsame engste Verbindung mit Sicherheit nicht zum Recht des US-Bundesstaates Florida. Die Verwendung des Superlativs in Art. 141 Nr. 3 EGBGB würde hier in der Tat ad absurdum geführt 61.

Darüber hinaus hat bereits der bisherige Gang der Untersuchung gezeigt, daß die durch den Eheschließungsort vermittelten Verbindungen regelmäßig nur geringes Gewicht besitzen. Unerheblich ist der Heiratsort nämlich zunächst einmal dann, wenn die Eheleute zwar keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, der eine Gatte sich 57 Johannsen/Henrich, Art. 17 EGBGB, Rdnr 14 (2. Beispiel). 58 MünchKomm / Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 37; vgl. auch Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 77. 59 Insoweit wird jedenfalls nach muslimischen Recht ganz überwiegend an das Recht des Ehemannes angeknüpft, vgl. etwa Bergmann/Ferid, Int. Ehe- und KindschaftsR, Länderabschnitt Libanon, S. 7. 60 BT-Drucks. 10/5632, S. 41; Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 67; Palandt/Heldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 10; Kropholler, IPR, § 45 I 3 c, S. 317; vgl. auch BGH IPRspr. 1993 Nr. 65 = NJW 1993, S. 2047, 2049 = IPRax 1994, S. 131,133. « So mit Recht Spickhoff,

JZ 1993, S. 336, 341.

§ 10 Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB

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aber im Heimatstaat des anderen gewöhnlich aufhält. Hier ergibt sich die gemeinsame engste Verbindung aus der Kombination der beiden primären Anknüpfungsmerkmale des Art. 14 I EGBGB 62 . Größere Bedeutung kann des weiteren den gemeinsamen Zukunftsplänen der Ehegatten zukommen. Ist beispielsweise ein eheliches Zusammenleben nur im Heimat- oder Aufenthaltsstaat des einen Verlobten beabsichtigt, so verweist Art. 14 I Nr. 3 EGBGB selbst für den Fall auf das dort geltende Recht, daß die Parteien im Heimatland des anderen Verlobten geheiratet haben sollten63. Vorrangig können schließlich im Einzelfall auch die zum Aufenthaltsstaat gemeinsamer Kinder bestehenden Beziehungen zu berücksichtigen sein64. Insoweit läßt sich indes kein abstraktes Überwiegen gegenüber dem Eheschließungsort mehr feststellen, weil die entsprechenden Verbindungen häufig ebenfalls nur schwach ausgeprägt sind. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß alle soeben geschilderten Umstände auch erst im Laufe der Ehe eintreten können. Für die Anknüpfung des Güterrechtsstatuts ist hingegen allein der Zeitpunkt der Eheschließung maßgebend. Insbesondere im Bereich des Art. 15 I EGBGB könnte deshalb ein Rückgriff auf das Recht des Heiratsortes geboten sein, falls sich eine anderweitige gemeinsame Verbundenheit der Ehegatten nicht ermitteln läßt 65 . Dies ist allerdings aus den genannten Gründen von vornherein nur möglich, sofern der Ort der Eheschließung nicht als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint66. a) Eheschließung erfolgt im Heimatstaat eines Gatten Eine nicht unerhebliche Verstärkung erfährt der Heiratsort zunächst einmal dann, wenn die Eheschließung im Heimatstaat eines Gatten erfolgt. In diesem Fall ist zumindest einer der Eheleute eng mit dem Ort der Eheschließung verbunden, so daß dieser hier nicht gänzlich zufällig gewählt wurde 67. Aus diesem Grund kann es hier noch hingenommen werden, über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB letzthilfsweise das am Heiratsort geltende Recht zu berufen 68. Dafür spricht insbesondere die Vorhersehbarkeit und leichte Feststellbarkeit des maßgeblichen Anknüpfungsmoments69. Insofern dient die Anknüpfung an den Heiratsort letztlich auch den Parteiinteressen.

62

Siehe oben § 10. III 1 b mit einem entsprechenden Beispiel. 63 Vgl. OLG Frankfurt IPRspr. 1989 Nr. 106 = NJW-RR 1990, S. 582. « Siehe oben §. 10 III 3. 65 Zutreffend Erman /Hohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 18. 66 Soergel / Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 14 weist zu Recht darauf hin, daß der Eheschließungsort für sich allein nur ein verstärkendes Indiz sein kann. 67 BT-Drucks. 10/5632, S. 41; v. Bar, IPR II, Rdnr 206; Kropholler, IPR, § 45 13 c, S. 317. 68 So auch Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 341, der einer Anknüpfung an den Eheschließungsort aber insgesamt kritisch gegenübersteht. 69 Ferid, IPR, Rdnr 8-86,1.

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Heiraten also ein Franzose und eine Italienerin in Paris und findet ein eheliches Zusammenleben nicht in nennenswerter Weise statt, so sollte französisches Recht auf die allgemeinen und güterrechtlichen Wirkungen der Ehe zur Anwendung kommen.

Zusätzlich geschwächt wird die Überzeugungskraft dieser Lösung indes dann, wenn die Parteien im genannten Beispiel nicht in Paris, sondern in der französischen Botschaft in Riad heiraten, weil sie sich bei einem gemeinsamen Aufenthalt in Saudi-Arabien kennengelernt haben. Kehren die Ehegatten kurz nach der Eheschließung in ihre Heimatländer zurück, so scheidet eine Anknüpfung an das saudi-arabische Rechtrichtigerweise aus70. Dann spricht aber auch hier mehr dafür, über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB das französische Recht zu berufen. Jede andere Form der Hilfsanknüpfung wäre für die Parteien nämlich mit größeren Rechtsunsicherheiten verbunden.

b) Eheschließung erfolgt im Aufenthaltsstaat eines Gatten Das soeben Gesagte gilt entsprechend für den Fall, daß die Heirat in einem Staat erfolgt, in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auch hier wird der Eheschließungsort durch ein weiteres Anknüpfungsmoment von einigem Gewicht verstärkt und erscheint daher nicht als gänzlich zufällig 71. Sofern sich also keine anderweitige gemeinsame Verbundenheit feststellen läßt, sollte Art. 14 I Nr. 3 EGBGB in derartigen Sachverhaltsgestaltungen auf das Recht des Heiratsortes verweisen.

c) Gemeinsamer schlichter Aufenthalt am Eheschließungsort Weiter oben wurde es ausdrücklich abgelehnt, im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB hilfsweise an den gemeinsamen schlichten Aufenthalt der Ehegatten anzuknüpfen 72. Diesem Anknüpfungskriterium haftet nämlich ein zu großes Maß an Unbestimmtheit an 73 . Eine andere Beurteilung könnte sich nun aber ergeben, falls der gemeinsame schlichte Aufenthalt mit dem Eheschließungsort zusammenfallt. Auch diejenigen, die für eine Hilfsanknüpfung an den gemeinsamen schlichten Aufenthalt der Ehegatten plädieren, setzen diese Häufung der Anknüpfungsmomente nicht selten (stillschweigend) voraus74.

70 Siehe oben § 10. III 1 d. 71 BT-Drucks. 10/5632, S. 41; Staudinger/v. Bar/Mankowski, 72 Siehe oben § 10. U.

Art. 14 EGBGB, Rdnr 73.

73 Beitzhe, in: Vorschläge und Gutachten zum int. Personen- und Sachenrecht (1972), S. 167; Ferid, IPR, Rdnr 8-86,1; Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338. 74 Vgl. das von Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 74 gebildete Beispiel.

§ 10 Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB

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Richtigerweise kommt allerdings auch insoweit eine Berücksichtigung des gemeinsamen schlichten Aufenthalts nur in Betracht, sofern sich die Verweildauer am Heiratsort in etwa der zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts grds. erforderlichen Mindestaufenthaltsdauer von sechs Monaten75 annähert. Nach der hier vertretenen Ansicht ist das Recht des früher gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB zur Anwendung berufen, falls die Eheschließung nach dort geltendem Recht erfolgte 76. Dabei darf nun indes erneut nicht übersehen werden, daß selbst eine mehr als sechsmonatige (berufsbedingte) Abwesenheit dann nicht zum Verlust des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts führt, wenn eine Rückkehr dorthin geplant ist 77 . Mithin können die Ehegatten im Einzelfall durchaus ein Jahr oder länger im selben Staat leben, ohne dort einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Kehren die Eheleute anschließend in ihre Heimatländer zurück und trennen sich kurze Zeit später endgültig voneinander, so besteht die gemeinsame engste Verbindung dennoch zum Recht des früher gemeinsamen (schlichten) Aufenthalts. In den genannten Konstellationen entscheidet also ausnahmsweise die Kombination aus Heiratsort und gemeinsamem schlichten Aufenthalt über das nach Art. 141 Nr. 3 EGBGB anzuwendende Recht. Voraussetzung hierfür ist aber stets ein nahezu sechsmonatiges Verweilen am Ort der Eheschließung. 6. Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß die Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB in erster Linie anhand der in den Nrn. 1 und 2 der Vorschrift genannten Anknüpfungsmerkmalen erfolgen sollte. Wenig Probleme bestehen dabei insbesondere dann, wenn sich ein Ehegatte im Heimatstaat des anderen Gatten gewöhnlich aufhält. Weiterhin kann die nicht-effektive Staatsangehörigkeit eines Ehegatten bei der Ermittlung der gemeinsamen engsten Verbindung den Ausschlag geben, sofern auch der Partner starke Beziehungen zu diesem Staat besitzt. In Ermangelung einer anderweitigen Verbundenheit kann Art. 14 I Nr. 3 EGBGB zudem auf das früher gemeinsame Heimatrecht der Eheleute oder das Recht des inzwischen beiderseitig aufgegebenen gewöhnlichen Aufenthalts verweisen. Nicht selten werden auch die gemeinsamen Zukunftspläne der Ehegatten den entscheidenden Hinweis auf das anwendbare Recht geben. Geringere Bedeutung kommt demgegenüber den gemeinsamen sozialen und kulturellen Verbindungen sowie den durch gemeinsame Kinder vermittelten Bezü75 BGHZ 78, 293, 301 = NJW 1981, S. 520, 521; OLG Celle IPRspr. 1991 Nr. 114 = FamRZ 1991, S. 1221, 1222; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, S. 903 = FamRZ 1995, S. 37, 38; Palandt/Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 10; Siep, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 53. 76 Siehe oben § 10. III 1 d. 77 BGH IPRspr. 1975 Nr. 83 = NJW 1975, S. 1068; BayObLGZ 1983, 168, 175 = IPRspr. 1983 Nr. 13; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 112; Spickhoff, IPRax 1995, S. 185, 186; Soergel ! Kegel, Art. 5 EGBGB, Rdnr 55.

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gen zu. Schließlich kann im Rahmen des Art. 141 Nr. 3 EGBGB auch an das Recht des Eheschließungsortes angeknüpft werden, sofern dieser Anknüpfungspunkt durch weitere Umstände von erheblichem Gewicht verstärkt wird. Nach der hier vertretenen Ansicht läßt sich auch in diesem Fall (gerade) noch von einer gemeinsamen engsten Verbundenheit der Ehegatten sprechen.

§ 11 Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß in manchen Konstellationen selbst bei großzügiger Interpretation des Begriffs der gemeinsamen engsten Verbindung eine Bestimmung derselben praktisch nicht erfolgen kann. Zu denken ist insbesondere an die Fälle, in denen die Eheleute in einem Drittstaat geheiratet und sich auch während der Ehe nur für ganz unerhebliche Zeit im selben Staat aufgehalten haben. Hier erschiene es willkürlich, eines der beteiligten Heimat- oder Aufenthaltsrechte oder gar das Recht des Eheschließungsortes zur engsten Verbindung der Ehegatten zu erheben. Auch auf etwa vorhandene gemeinsame Zukunftspläne kann der Rechtsanwender nur dann zurückgreifen, wenn die Beteiligten insoweit übereinstimmend vortragen, was jedenfalls bei einer gescheiterten Ehe häufig nicht der Fall sein dürfte 78. In den genannten Sachverhaltsgestaltungen mag es daher allenfalls theoretisch möglich sein, eine zumindest relativ engste Verbindung zu bestimmen79. Es läßt sich aber nicht mehr vorhersehbar begründen, anhand welcher Maßstäbe die Auswahl des zur Anwendung berufenen Rechts erfolgen soll. Dann erscheint es aber vorzugswürdig, die Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung offen einzugestehen und im Rahmen des Art. 141 Nr. 3 EGBGB nach einer Ersatzanknüpfung zu suchen. Die von der Gegenansicht geforderte freie Abwägung der zu den einzelnen Rechtsordnungen vorhandenen Kontakte80 führt hier nämlich nicht weiter 81. Im folgenden soll deshalb aufgezeigt werden, welche Ersatzanknüpfungen in diesem Zusammenhang bisher vorgeschlagen worden sind und inwieweit sie sich zur letzthilfsweisen Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB eignen.

78 Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338 mit einem Beispiel aus der Gerichtsgutachtenpraxis. 79 So Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 81a, die deshalb davon ausgehen, daß ein Scheitern der Anknüpfung an die gemeinsame engste Verbindung logisch nicht denkbar sei. 80 Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 79. 81 Im Ergebnis ebenso Soergel ISchurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 15; MünchKomm / Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 38; ErmanIHohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 18; Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338; Kegel/Schurig, IPR, § 20 V 1 a, S. 715.

§11 Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung

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I. Offenlassen der Rechtswahl Ein Ausweg aus der bestehenden Anknüpfungsverlegenheit könnte zunächst darin zu sehen sein, die Entscheidung über das anzuwendende Recht schlicht offenzulassen, wenn die Heimatrechte beider Ehegatten zu demselben materiellrechtlichen Ergebnis gelangen82. Ein Vergleich der Aufenthaltsrechte der Eheleute ist insoweit nicht erforderlich, weil Art. 141 Nr. 1 EGBGB den Vorrang der Staatsangehörigkeitsanknüpfung normiert. Allerdings stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit ein Offenlassen der Rechtswahl in den unterschiedlichen Gerichtsinstanzen überhaupt zulässig ist. Erst nach Beantwortung dieser Frage kann darüber entschieden werden, ob ein entsprechendes Vorgehen auch im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB sinnvoll erscheint. 1. Grundsätzliche Zulässigkeit Unproblematisch kann die Entscheidung über das maßgebliche Recht in der ersten Instanz dahingestellt bleiben, sofern die in Betracht kommenden Sachrechte im Streitfall zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen. Dies gilt deshalb, weil das erstinstanzliche Urteil von der Berufungsinstanz vollständig nachgeprüft werden kann83. Ebenso verfährt die Rechtsprechung in der Revisions-84 und Rechtsbeschwerdeinstanz85, da diese Entscheidungen unanfechtbar sind. Auch in der Berufungsinstanz hat der BGH ein Offenlassen der Rechtswahl dann für zulässig erachtet, wenn lediglich mehrere ausländische Rechte zur Wahl standen86. Anders entscheidet die Rechtsprechung aber im Fall der Konkurrenz zwischen deutschem und ausländischem Recht87. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß nach § 549 I ZPO nur deutsches Recht revisibel ist, nicht aber ausländisches. Ohne Bestimmung des maßgebenden Rechts durch die Berufungsinstanz könne der Revisionsrichter daher nicht ersehen, ob und inwieweit er das Berufungsurteil aufheben müsse. Gegen diese Argumentation sind in der Literatur berechtigte Einwände erhoben worden88. Sogar der BGH selbst hatte zwischenzeitlich in der zuletzt geschilderten 82 Dafür ausdrücklich Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 342. 83 Zöller/Gummer, § 549 ZPO, Rdnr 10; Soergel/Kegel, Vorb. zu Art. 3 EGBGB, Rdnr 167 a.E. 84 BGH NJW 1978, S. 1159; BGH IPRspr. 1981 Nr. 128 = NJW 1981, S. 1900; BGH IPRspr. 1987 Nr. 48 = NJW 1987, S. 2161, 2162; BGH IPRspr. 1991 Nr. 3 = NJW 1991, S. 2214,2215. 85 Vgl. nur OLG Celle IPRspr. 1990 Nr. 89 = NJW-RR 1991, S. 713 = FamRZ 1991, S. 439; OLG Hamm IPRspr. 1991 Nr. 90 = NJW 1991, S. 3101. 86 BGHZ 89, 325, 337 = NJW 1984, S. 1302,1305. 87 RGZ 71, 8, 10; 167, 274, 280; BGH IPRspr. 1956/57 Nr. 1 = NJW 1956, S. 1155; BGH IPRspr. 1988 Nr. 3 = NJW 1988, S. 3097; BGH IPRspr. 1995 Nr. 1 = NJW 1996, S. 54, 55.

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Konstellation ein Offenlassen der Rechtswahl durch das Berufungsgericht geduldet 89 . Letztlich kommt diesem Streit aber ohnehin nur geringe praktische Bedeutung zu. Richtigerweise fehlt es nämlich jedenfalls an einer Beschwer des Revisionsklägers, wenn das deutsche und das ausländische Recht keine entscheidungserheblichen Unterschiede aufweisen 90. Unter dieser Voraussetzung bleibt also ein Offenlassen der Rechtswahl durch das Berufungsgericht selbst für den Fall sanktionslos, daß eine der in Betracht kommenden Rechtsordnungen die deutsche ist. 2. Besonderheiten bei Art. 141 Nr. 3 EGBGB Das soeben Gesagte gilt auch für die Handhabung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB. Es bestehen mithin keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, daß der Rechtsanwender die Wahl zwischen den Heimatrechten der Ehegatten offenläßt, wenn diese im Streitfall zum selben Ergebnis führen. Allerdings ist das über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB zu ermittelnde Familienstatut für eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen von Bedeutung. Deshalb kann es durchaus vorkommen, daß die beteiligten Heimatrechte zwar auf den ersten Blick übereinstimmende Regelungen enthalten, im Detail dann aber doch voneinander abweichen. Aus dieser Erwägung heraus wird im kollisionsrechtlichen Schrifttum ein Offenlassen der Rechtswahl bei Art. 14 I Nr. 3 EGBGB nicht für zulässig erachtet91. Dieser Kritik ist zuzugeben, daß die parallele Anwendung zweier Rechte im Einzelfall recht mühsam sein kann92. Andererseits bereitet aber auch die Entscheidung darüber, welches Recht von Art. 14 I Nr. 3 EGBGB zur Anwendung berufen wird, nicht selten erhebliche Schwierigkeiten. In derartigen Zweifelsfällen kann das Offenlassen der Rechtswahl somit zu einer Arbeitserleichterung für den Rechtsanwender führen. Daher ist nicht einzusehen, warum es diesem generell verwehrt sein soll, die kollisionsrechtliche Entscheidung dahinstehen zu lassen, wenn er sich zuvor davon überzeugt hat, daß die unterschiedlichen Heimatrechte der Ehegatten jedenfalls im Ergebnis übereinstimmen93. Der Rechtsanwender wird sich dabei in aller Regel schon deshalb um eine 88 Soergel/Kegel, Vorb. zu Art. 3 EGBGB, Rdnr 169; Masch, NJW 1996, S. 1453, 1454; Steindorff, JZ 1963, S. 200, 201; vgl. auch MünchKomm/Sonnenberger, Einl. IPR, Rdnr 569. 89 BGH IPRspr. 1980 Nr. 14 = NJW 1980, S. 1572,1574 = W M 1980, S. 372, 374; BGHZ 78, 318, 321 = NJW 1981, S. 522, 523; vgl. auch OLG Köln IPRspr. 1988 Nr. 57 = IPRax 1990, S. 46,47; a.A. aber BGH IPRspr. 1995 Nr. 1 = NJW 1996, S. 54,55. 90 BGH IPRspr. 1962/63 Nr. 44 = NJW 1963, S. 252, 253; BGH NJW 1965, S. 487, 489; Palandt / Heldrich, Einl. vor Art. 3 EGBGB, Rdnr 37; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 549 ZPO, Rdnr 7. 91 Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 80. 92 Allerdings greift dieser Einwand nur dann voll durch, wenn man im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB eine Hilfsanknüpfung wählt, deren Anwendung für das Gericht mit geringerem Aufwand verbunden ist. 93 Zutreffend daher Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 342.

§ 11 Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung

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Feststellung des Inhalts beider Heimatrechte bemühen, damit er die Relevanz eines abweichenden Verweisungsbefehls ermessen kann. Allerdings können selbstverständlich nicht alle Zweifelsfälle, in denen sich eine gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten nicht bestimmen läßt, durch ein Offenlassen der Rechtswahl gelöst werden. Führt die Anwendung der Heimatrechte der Beteiligten nämlich zu unterschiedlichen Ergebnissen, so muß der Rechtsanwender das maßgebliche Recht bestimmen. Außerdem kann die Anwendung eines einzigen Rechts im Hinblick auf gleichfalls anhängige Folgesachen auch dann geboten sein, wenn die beteiligten Heimatrechte in der Hauptsache inhaltlich übereinstimmen.

II. Übereinstimmende Präferenz der Ehegatten Im kollisionsrechtlichen Schrifttum findet sich weiterhin der Vorschlag, im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB auch eine übereinstimmende Präferenz der Ehegatten zu berücksichtigen. Deshalb gebe eine gemeinsame Erklärung der Eheleute, sie seien mit einer bestimmten Rechtsordnung gemeinsam am engsten verbunden, einen deutlichen Hinweis auf ihr Statut der allgemeinen Ehewirkungen94. Würde man diese Auffassung teilen, so müßte einer übereinstimmend geäußerten Präferenz vor allem dann Bedeutung zukommen, wenn sich anhand objektiver Kriterien keine gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten ermitteln läßt. Gegen eine derartige Ersatzanknüpfung bestehen indes durchgreifende Bedenken. Zunächst einmal dürfte es in den hier zu behandelnden Fallkonstellationen nur äußerst selten vorkommen, daß die Eheleute in einem streitigen Verfahren eine übereinstimmende Erklärung hinsichtlich ihrer gemeinsamen Verbundenheit zu einem Staat abgeben. Schließlich haben die Beteiligten - wenn überhaupt - nur für ganz unerhebliche Zeit zusammengelebt. Entscheidend ist aber, daß die Berücksichtigung der übereinstimmenden Präferenz der Ehegatten einer (nachträglichen) Rechtswahl gleichkäme, die im Rahmen der objektiven Anknüpfung des Art. 14 I EGBGB aber gerade nicht zulässig ist. Der Gesetzgeber hat den Eheleuten in Art. 14 Π und IE EGBGB sowie in Art. 15 Π EGBGB unter bestimmten Voraussetzungen eine Rechtswahlbefugnis eingeräumt95. Von dieser können die Parteien jederzeit vor und während der Ehe Gebrauch machen96. Treffen die Ehegatten aber keine entsprechende Rechtswahl, dann muß das für die allgemeinen Ehewirkungen geltende Statut nach Art. 14 I EGBGB mittels objektiver Kriterien bestimmt werden97. Diese strikte Trennung zwischen objektiver und subjektiver Anknüpfung

94 MünchKomm / Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 37 a.E. 95 Zur Form der Rechtswahl siehe Art. 14IV EGBGB. 96 Kegel/Schurig, IPR, § 20 V 1 b, S. 717; ErmanIHohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 23; Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 145.

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zeigt sich deutlich an einigen Vorschriften des Internationalen Kindschaftsrechts, die - im Gegensatz etwa zu Art. 1711 EGBGB - ausschließlich an das von Art. 14 I EGBGB berufene Recht anknüpfen, vgl. Artt. 19 I 1, Π 1, 21 I 1 EGBGB a.F. sowie 22 S. 2 EGBGB. Allerdings ist nach der hier vertretenen Ansicht bei der Unteranknüpfung des Personalstatuts gemäß Art. 5 I 1 EGBGB letzthilfsweise auch die Präferenz des ausländischen Mehrstaaters zu berücksichtigen98. Dies indes nur unter der einschränkenden Voraussetzung, daß zu allen Heimatstaaten nicht unerhebliche objektive Verbindungen bestehen und diese (nahezu) gleichwertig sind. Fehlt es dagegen an nennenswerten Beziehungen der Anknüpfungsperson zu ihren Heimatländern, so erscheint eine etwaige Willensäußerung des Mehrstaaters als willkürlich, weshalb ihrrichtigerweise keine Bedeutung zukommen sollte. Von einem Scheitern der von Art. 14 I Nr. 3 EGBGB angeordneten Anknüpfung kann nun aber gerade nur dann gesprochen werden, wenn sich keine ins Gewicht fallenden gemeinsamen Verbindungen der Ehegatten zu einer Rechtsordnung feststellen lassen. Eine von den Eheleuten dennoch geäußerte Präferenz für das Recht eines bestimmten Staates ließe sich mithin nicht anhand objektiver Umstände nachvollziehen99 und ist deshalb auch aus diesem Grund im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB nicht zu beachten. Trotzdem darf nicht verkannt werden, daß die Ehegatten die kollisionsrechtliche Entscheidung maßgeblich beeinflussen können, indem sie übereinstimmende (unrichtige) Angaben zu bestimmten objektiven Anknüpfungsmomenten machen. Insoweit ist etwa an die Dauer des ehelichen Zusammenlebens in einem Staat zu denken. Diese faktisch bestehende Möglichkeit ändert aber nichts an der generellen Unzulässigkeit der letzthilfsweisen Berücksichtigung einer übereinstimmenden Präferenz der Ehegatten.

I I I . Grundsatz des schwächeren Rechts Andere Stimmen in der Literatur schlagen für den Fall der Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung als äußerste Hilfslösung die kumulative Berufung der beiden Heimatrechte der Ehegatten nach dem Grundsatz des schwächeren Rechts vor 100 . Deshalb sollen nur solche persönlichen Ehewirkungen anzu-

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Eine Berücksichtigung der übereinstimmenden Präferenz der Ehegatten ginge dagegen noch über die (abzulehnende) Lehre vom „fakultativen Kollisionsrecht" hinaus, die den Parteien (nur) die Anwendung der lex fori ermöglicht, siehe dazu oben § 5. III. 98 Siehe oben § 8. IV 5 a. 99

Anders kann es sich aber mit gemeinsamen Zukunftsplänen der Ehegatten verhalten, die dann auch im Rahmen des Art. 141 Nr. 3 EGBGB Berücksichtigung finden können, s.o. § 10. III 2. 100 Kegel/Schurig, IPR, § 20 V 1 a, S. 715; Soergel/Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 15.

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erkennen sein, die nach den Personalstatuten beider Ehegatten begründet sind. Es wird insoweit also eine Parallele zur Regelung des Art. 131 EGBGB gezogen. Vereinzelt hat der Grundsatz des schwächeren Rechts auch im ausländischen Kollisionsrecht seinen Niederschlag gefunden. Als Beispiel läßt sich insoweit §141 2 des finnischen IPR-Gesetzes101 anführen. Nach § 14 I 1 finn. IPRG unterliegen die persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten grds. dem Recht des Staates, dem sie beide angehören. Gehören die Eheleute nun aber nicht ein und demselben Staat an, so bestimmt Satz 2 der Vorschrift, daß „keinem von ihnen dem anderen gegenüber ein Recht eingeräumt [wird], welches über das im Heimatrecht eines jeden von ihnen Vorgesehene hinausgeht". Der Anwendungsbereich dieser Kollisionsnorm ist jedoch ausschließlich auf die allgemeinen Ehewirkungen beschränkt102. Hier zeigt sich bereits ein ganz entscheidender Unterschied zum deutschen Recht. Auf das von Art. 141 EGBGB berufene Recht wird nämlich in zahlreichen Vorschriften des Internationalen Ehe- und Kindschaftsrechts Bezug genommen. Deshalb muß sich die im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB gewählte Ersatzanknüpfung in allen Anwendungsbereichen des Familienstatuts bewähren. Eine konsequente Anwendung des Grundsatzes des schwächeren Rechts führt indes jedenfalls außerhalb des Ehewirkungsstatuts nicht selten zu fragwürdigen Ergebnissen. Welches Recht soll denn als das für die Ehegatten „schwächere" Recht anzuwenden sein, wenn es um die Anknüpfung des Rechtsverhältnisses zwischen den Eltern und einem ehelichen Kind (Art. 19 II 1 EGBGB a.F.) oder der Legitimation durch nachfolgende Ehe (Art. 2111 EGBGB a.F.) geht? Die insoweit bestehenden Unsicherheiten zeigen sich darüber hinaus auch bei der Bestimmung des Scheidungsstatuts. Ausgehend von der begehrten Rechtsfolge (Scheidung) müßte nach dieser Auffassung an sich stets das scheidungsfeindliche Recht anwendbar sein 103 . Diese Konsequenz wird aber gerade nicht gezogen. Vielmehr soll dem Grundsatz des schwächeren Rechts zu entnehmen sein, daß sich das scheidungsgünstigere Recht durchsetzt104. Insoweit wird aber letztlich nur vom materiellrechtlichen Ergebnis her argumentiert. Gegen eine letzthilfsweise Anknüpfung an das „schwächere Recht" spricht schließlich auch, daß ein solches Vorgehen im Einzelfall zu einer unbilligen Benachteiligung eines Ehegatten führen kann. So etwa, wenn die beiden Heimatrechte die Versorgung des geschiedenen Ehegatten unterschiedlich ausgestalten. Gewährt beispielsweise das eine Heimatrecht einen güterrechtlichen Ausgleichsanspruch aber keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, während das andere 101

Gesetz Nr. 379 vom 05. 12. 1929 betreffend gewisse familienrechtliche Verhältnisse internationaler Natur, abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Int. Ehe- und KindschaftsR, Länderabschnitt Finnland, S. 42 ff. 102 Vgl. etwa die gesonderte Anknüpfung des Güterrechtsstatuts in § 14 II finn. IPRG. 103 Zutreffend Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338; Bungen, IPRax 1993, S. 10, 16. 104 Soergel ! Schurig, Art. 17 EGBGB, Rdnr 20.

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Recht dem geschiedenen Gatten umgekehrt nur einen Unterhaltsanspruch einräumt, dann würde eine Kumulation beider Heimatrechte nach dem Grundsatz des schwächeren Rechts dazu führen, daß der bedürftige Ehegatte keinerlei Ansprüche geltend machen könnte. Letzterer stünde also schlechter als es bei isolierter Anwendung beider Heimatrechte der Fall wäre. Deshalb müßte dieses offensichtlich unrichtige Ergebnis im Wege der Anpassung bzw. Angleichung105 beseitigt werden 106 . Auch diese unliebsame Konsequenz läßt sich vermeiden, wenn man das nach Art. 14 I Nr. 3 EGBGB anwendbare Recht von vornherein nicht nach dem Grundsatz des schwächeren Rechts bestimmt. Eine entsprechende Ersatzanknüpfung überzeugt mithin nicht und ist deshalb abzulehnen. IV· Lex fori als Ersatzrecht Des weiteren wird nicht selten dafür plädiert, bei Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung ersatzweise auf die (deutsche) lex fori zurückzugreifen. Dabei findet sich häufig die Begründung, daß in diesen Fällen ja zumindest eine gemeinsame Verbindung zum Forumstaat bestünde107. Teilweise wird der Rückgriff auf die lex fori aber auch ausdrücklich als Ersatzanknüpfung bezeichnet 108 . Ein entsprechendes Vorgehen ist auch international verbreitet und findet sich etwa im französischen 109, polnischen110, türkischen111 und tschechischen112 Kollisionsrecht. Das ungarische IPR formuliert die letzte Anknüpfungsstufe ausdrücklich allseitig113, indem das Recht des Staates zur Anwendung berufen wird, „dessen Gericht bzw. sonstige Behörde in der Sache tätig" ist 114 . Im Unterschied zu den genannten ausländischen Rechtsordnungen fehlt es nun aber in Art. 141 EGBGB an der Normierung einer letzthilfsweisen Anknüpfung an 105 Zu den unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten siehe Kropholler, IPR, § 34IV, S. 217; v. Bar, IPR I, Rdnr 628-630; Kegel/Schurig, IPR, § 8 III, S. 310. 106 Das finnische IPR vermeidet diese Konsequenz zum Teil dadurch, daß es in § 57 finn. IPRG anordnet, daß sich kein Ehegatte unter Berufung auf ausländisches Recht der Erfüllung einer Unterhaltsverpflichtung entziehen darf, die ihm nach finnischem Recht dem anderen Ehegatten oder den Kindern gegenüber obliegt. 107 MünchKomm / Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 38; Palandt IHeldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 10; Kersting, FamRZ 1992, S. 268, 270. io» Erman/ Hohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 18 a.E.; vgl. auch MünchKomm ! Sonnenberger, Einl. IPR, Rdnr 682. 109 Bergmann/Ferid, Int. Ehe- und KindschaftsR, Länderabschnitt Frankreich, S. 36; vgl. auch Art. 310 Var. 3 C.c. (Ehescheidung). no Art. 17 § 3 Alt. 2 poln. IPRG. m Art. 12 II 2 Alt. 3 türk. IPRG. 112 § 21 12 (Ehewirkungen) und § 221 2 tschech. IPRG (Ehescheidung). h 3 Ansonsten ist den genannten Vorschriften wohl richtigerweise eine versteckte Rückverweisung auf die jeweilige lex fori zu entnehmen, vgl. Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 98. 114 § 39 III (Ehewirkungen) und § 40 III ungar. IPRG (Ehescheidung).

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die lex fori. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Durchführung eines gerichtlichen (Scheidungs-)Verfahrens geeignet sein kann, eine gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten zum Gerichtsstaat zu begründen. Dies würde allerdings in jedem Fall die übereinstimmende Wahl des Gerichtsortes voraussetzen, weil ein einseitig angestrengtes Gerichtsverfahren keine gemeinsame Verbindung der Eheleute begründen kann 115 . Schon an dieser Voraussetzung dürfte es zumindest bei einem Scheidungsverfahren in aller Regel fehlen. Selbst wenn die Ehegatten sich aber auf einen Gerichtsort verständigt haben sollten, so vermag dennoch allein die Anhängigkeit eines Rechtsstreits keine gemeinsame engste Verbindung der Parteien zu begründen. Die hierdurch vermittelten Beziehungen haben nämlich letztlich kein höheres Gewicht als ein nur vorübergehender gemeinsamer schlichter Aufenthalt 116. Daher kann der Rückgriff auf die lex fori in den an dieser Stelle zu behandelnden Fallgestaltungen überhaupt nur im Wege einer Ersatzanknüpfung erfolgen. Aufgrund der nur äußerst schwachen Verbindungen zum Gerichtsort würde die in Art. 141 Nr. 3 EGBGB gewählte Verwendung des Superlativs hier ebenso ad absurdum geführt wie im Falle einer Anknüpfung an den (isolierten) Eheschließungsort. Gegen eine Ersatzanknüpfung an die lex fori bestehen indes zunächst einmal deshalb nicht unerhebliche Bedenken, weil die deutschen Gerichte auch dann zur Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB berufen sein können, wenn einer der Ehegatten keinerlei Verbindungen zum deutschen Recht aufweist. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit in Ehesachen genügt nämlich, daß einer der Ehegatten Deutscher ist oder bei der Eheschließung war, § 606a I Nr. 1 ZPO. Selbst der gewöhnliche Aufenthalt eines Ehegatten im Inland reicht gemäß § 606a I Nr. 4 ZPO aus, sofern eine Anerkennung der zu fällenden Entscheidung nach den Heimatrechten der Eheleute nicht offensichtlich ausgeschlossen ist 117 . Zumindest die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts kann nun aber vergleichsweise einfach erfolgen, so daß durchaus Fälle denkbar sind, in denen die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte erst nachträglich eröffnet wird. So etwa, wenn ein ausländischer Ehegatte seinen Lebensmittelpunkt erst nach der endgültigen Trennung von seinem Partner in die Bundesrepublik verlegt. Hier ist nicht einzusehen, warum eine solche einseitige Handlung, die noch dazu zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurde, als die Ehe faktisch nicht mehr bestand, über das von Art. 14 I Nr. 3 EGBGB berufene Recht entscheiden soll. Zudem bestünde die Gefahr, daß der scheidungswillige Ehegatte durch eine Verlegung seines gewöhnlichen Aufenthalts die Anwendung des gewünschten Scheidungsrechts (Art. 17 I i.V.m. Art. 141 Nr. 3 EGBGB) herbeiführt. U5 Erman/Hohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 18 a.E.; Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 81. 116

Zur grds. Unbeachtlichkeit dieses Anknüpfungsmoments s.o. § 10. II. Zur insoweit vorzunehmenden sog. negativen Anerkennungsprognose siehe Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 606a ZPO, Rdnr 8; ZöllerIGeimer, § 606a ZPO, Rdnr 60; MünchKomm / V/alter, § 606a ZPO, Rdnr 28. 117

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Erst recht scheidet ein Rückgriff auf die lex fori aus, falls es sogar an einem gewöhnlichen Aufenthalt eines der Ehegatten im Inland fehlt. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte kann nämlich bereits allein durch die Tatsache begründet werden, daß ein Gatte über inländisches Vermögen verfügt. Auch dann ist u.U. eine Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB erforderlich, wie die beiden nachfolgenden Beispiele zeigen, die in abgewandelter Form schon wiederholt Gegenstand der Gerichtsgutachtenpraxis gewesen sind: (1) Ein Italiener mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich ist mit einer in der Schweiz lebenden Schweizerin verheiratet. Einen Monat nach der Eheschließung, die in Paris stattfand, erwirbt er ein in der Bundesrepublik gelegenes Grundstück und möchte als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen werden. Dieser Eintragung könnte jedoch ausländisches Ehegüterrecht (Gütergemeinschaft) entgegenstehen, weshalb das international zuständige deutsche (Amts-)Gericht 118 darüber entscheiden muß, welches Recht auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe zur Anwendung gelangt. (2) In dem genannten Beispiel verstirbt der Ehemann kurz nach der Auflassung und Eintragung des Grundstücks. Die Erben verlangen daraufhin die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Fremdrechterbscheins nach § 2369 BGB. Insoweit muß das deutsche Nachlaßgericht auch prüfen, ob eine güterrechtliche Erhöhung des gesetzlichen Erbteils der Ehefrau vorzunehmen ist.

Warum sollte in diesen Fallgestaltungen über Art. 15 I i.V.m. Art. 14 I Nr. 3 EGBGB deutsches Recht anzuwenden sein? Der Bezug zum deutschen Recht besteht einzig und allein darin, daß ein Ehegatte im Inland ein Grundstück erworben hat. Diesem Umstand darf aber bei der Bestimmung des Familienstatuts richtigerweise keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Schließlich läßt sich eine Ersatzanknüpfung an die lex fori auch nicht in allen Fällen mit dem in Art. 15 I EGBGB verankerten Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts in Einklang bringen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung steht nämlich noch nicht fest, an welchem Ort zu einem späteren Zeitpunkt ein Gerichtsverfahren (Scheidung) anhängig sein wird. Diesem Einwand kann auch nicht mit dem Argument begegnet werden, eine Anwendung des Art. 151 EGBGB erfolge ja ohnehin nur dann, wenn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte eröffnet sei. Um aber die unterschiedlichen Anknüpfungszeitpunkte des Art. 14 I EGBGB einerseits und des Art. 15 I EGBGB andererseits nicht vollständig einzuebnen, müßte man jedenfalls fordern, daß die die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründenden Umstände bereits zum für die Anknüpfung maßgeblichen Zeitpunkt bestanden haben. Wird also die internationale Zuständigkeit erst dadurch eröffnet, daß ein Ehegatte nach der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in die Bundesrepublik verlegt, so ist es schlechterdings unmöglich, über Art. 15 I i.V.m. Art. 14 I Nr. 3 EGBGB das deutsche Recht zur Anwendung zu berufen 119. Im Zeitpunkt der 118 Die internationale Zuständigkeit ergibt sich hier aus einer analogen Anwendung des § 1 12 GBO, vgl. Demharter, § 1 GBO, Rdnr 20.

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Eheschließung war nämlich keiner der Ehegatten in hinreichender Weise mit dem deutschen Recht verbunden. Hier müßte deshalb in jedem Fall eine andere Ersatzanknüpfung gesucht werden. Nach alledem kann eine letzthilfsweise Anknüpfung an die (deutsche) lex fori nicht überzeugen. Eine solche ist im Ergebnis überhaupt nur hinnehmbar, wenn einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. In allen anderen Fällen verfügen die zum Gerichtsort bestehenden Verbindungen der Eheleute nicht über ausreichendes Gewicht, um eine Anwendung des dort geltenden Rechts als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Vielmehr sollte im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB statt dessen eine Auswahl zwischen den Heimatrechten der Ehegatten erfolgen.

V· Das der lex fori näher stehende Heimatrecht Fraglich ist nun aber, welches Kriterium zur Bestimmung des maßgeblichen Heimatrechts heranzuziehen ist. Insoweit ist in der Literatur von Spickhoff vorgeschlagen worden, letzthilfsweise das Familienrecht des Heimatlandes anzuwenden, daß der (deutschen) lex fori im Ergebnis näher steht120. Auf diese Weise wird ein undifferenzierter Rückgriff auf die lex fori mit Recht vermieden. Deutsches Recht gelangt vielmehr nur bei Beteiligung eines deutschen Staatsangehörigen sowie in dem wohl eher theoretischen Fall zur Anwendung, daß das Recht des Forumstaates im Ergebnis genau in der Mitte zwischen den Heimatrechten der Ehegatten liegt 121 . Obwohl diese Auffassung vom Ansatz her durchaus zu überzeugen vermag, bestehen gegen sie doch letztlich durchgreifende Bedenken. Nicht zu kritisieren ist jedoch, daß Spickhoff dann auf das deutsche Recht zurückgreifen will, wenn einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Sofern sich nämlich in einem solchen Fall kein Vorrang eines der beteiligten Heimatrechte ermitteln läßt, ist nicht einzusehen, warum es dem deutschen Richter verwehrt sein soll, das ihm wesentlich vertrautere eigene Recht anzuwenden. Die Eignung der lex fori als Entscheidungsmaßstab im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB ist indes dann zweifelhaft, wenn die zum Ort des Gerichtes bestehenden gemeinsamen Verbindungen nur geringes Gewicht besitzen. In diesem Zusammenhang ist vor allem der erst nach der Trennung begründete gewöhnliche 119 Denkbar wäre ein Rückgriff auf die lex fori allenfalls bei der Anknüpfung der allgemeinen Ehewirkungen sowie bei der Bestimmung des Scheidungsstatuts. Richtigerweise hat die Anwendung der lex fori aber auch hier zu unterbleiben, weil für den gesamten Bereich des Familienstatuts eine einheitliche Ersatzanknüpfung gewählt werden sollte. 120 Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 341. 121 Denkbar wäre eine solche Situation etwa bei dem güterrechtlichen Ausgleich nach Scheidung.

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Aufenthalt eines Gatten sowie das Vorhandensein inländischen Vermögens122 zu nennen. Wird die internationale Zuständigkeit des Gerichts allein durch diese Umstände begründet, so sollte die lex fori richtigerweise weder selbst als Ersatzrecht dienen noch darüber entscheiden, welches der Heimatrechte über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB zur Anwendung berufen ist. Der Haupteinwand gegen die von Spickhoff vorgeschlagene Ersatzanknüpfung zielt nun aber darauf, daß die Ermittlung des der lex fori näher stehenden Heimatrechts den Rechtsanwender schlicht überfordern würde 123. Der Richter müßte nämlich dreiseitige Rechtsvergleichung zwischen dem deutschen Recht und jedem der beiden Heimatrechte betreiben. Dies allein wäre schon in aller Regel nicht mehr praktikabel. Verstärkt wird dieser Effekt sogar noch dadurch, daß sich Spickhoff im Hinblick auf jede einzelne Frage des Familienstatuts für eine gesonderte Ersatzanknüpfung ausspricht124. Dies hätte zur Folge, daß bei einem Verfahren im Scheidungsverbund mehrmals jeweils drei Sachrechte miteinander verglichen werden müßten. Mithin wäre nicht nur im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB eine komplizierte Unteranknüpfung erforderlich, sondern es würde auch noch die Ausbildung eines möglichst einheitlichen Familienstatuts gefährdet. Anstatt, wie vom Gesetzgeber nicht selten beabsichtigt, auf die bei Art. 141 EGBGB getroffene Entscheidung Bezug nehmen zu können, müßte der Richter bei jeder einzelnen Folgesache eine eigenständige Konkretisierung der gemeinsamen engsten Verbindung vornehmen. Aus den genannten Gründen ist eine letzthilfsweise Anknüpfung an das der lex fori näher stehende Heimatrecht der Ehegatten abzulehnen. Gerade dann, wenn die nach Art. 14 I Nr. 3 EGBGB vorzunehmende Unteranknüpfung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, gilt es, eine Ersatzanknüpfung zu wählen, die dem Rechtsanwender eine vergleichsweise schnelle und sichere Entscheidung ermöglicht. Die durch die weitgehende Gleichwertigkeit der Parteiinteressen ohnehin schon entstehende Rechtsunsicherheit sollte nämlich nicht noch zusätzlich erhöht werden. Diesem Erfordernis wird nun aber zweifellos eine solche Hilfslösung nicht gerecht, die vom urteilenden Richter in einer Vielzahl der Fälle eine dreiseitige Rechtsvergleichung verlangt.

VI. Das materiell „bessere" Heimatrecht Des weiteren wäre es denkbar, bei der Auswahl zwischen den Heimatrechten materiellrechtliche Wertungen maßgebend sein zu lassen. Dann würde demjenigen 122 Auch dies kann zur Begründung einer internationalen Zuständigkeit genügen, s.o. §11. IV. 123 So mit Recht Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 80. 124 Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 341, Fn. 65; ebenso MünchKomm/SiWi/; Art. 14 EGBGB, Rdnr 38.

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Sachrecht der Vorzug gebühren, dessen Anwendung zu einem angemesseneren bzw. besseren Ergebnis führt. Allerdings ist eine solche Ersatzanknüpfung im deutschen Schrifttum bisher nicht vertreten worden. Es findet sich in diesem Zusammenhang lediglich der Hinweis, daß die Anknüpfung nach Art. 14 I Nr. 3 EGBGB insoweit nicht frei von sachrechtlichen Bezügen sei, als das anzuwendende Recht auch seinem Inhalt nach geeignet sein müsse, der jeweiligen Ehe einen angemessenen rechtlichen Rahmen zu geben125. Damit sollte nun aber nur klargestellt werden, daß Art. 14 I Nr. 3 EGBGB in aller Regel dann nicht auf das Recht eines Drittstaates verweist, wenn ein starkes kulturelles Gefalle zu den Heimtländern besteht und die Ehegatten zudem nur vorübergehend gemeinsam in diesem fremden Staat gelebt haben126. Dagegen finden sich in Österreich und in der Schweiz einige Stimmen, die bei der Ermittlung des Ehewirkungsstatuts letzthilfsweise materiellrechtliche Wertungen heranziehen wollen. So etwa im Rahmen des § 181 öst. IPRG für den Fall, daß weder eine Anknüpfung an die (letzte) gemeinsame Staatsangehörigkeit (§ 18 I Nr. 1 öst. IPRG) noch an den (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten (§ 18 I Nr. 2 öst. IPRG) möglich ist 127 . Dann soll nach Schwind das Personalstatut eines Gatten maßgeblich sein, wobei die Auswahl nach sachrechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen habe 128 . Zur Anwendung berufen sei deshalb beispielsweise dasjenige Heimatrecht, welches die geltend gemachte Verletzung der ehelichen Treue sanktioniere. Ebenso soll das Heimatrecht des Unterhaltsberechtigten maßgebend sein, wenn nur nach diesem, nicht aber nach dem Heimatrecht des anderen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch besteht129. Letztlich stellt Schwind also bei der letzthilfsweisen Konkretisierung der gemeinsamen engsten Verbindung auf die jeweilige Schutzbedürftigkeit der Eheleute ab. Ähnliche Erwägungen werden auch im Zusammenhang mit Art. 48 Π schw. IPRG angestellt. Allerdings folgt das schweizerische Kollisionsrecht nicht dem Staatsangehörigkeitsprinzip, sondern unterstellt die allgemeinen Ehewirkungen über Art. 48 I schw. IPRG in erster Linie dem Recht des gemeinsamen Wohnsitzes der Ehegatten. In Ermangelung eines solchen soll gemäß Art. 48 Π schw. IPRG das Recht des Wohnsitzstaates Anwendung finden, mit dem der Sachverhalt in engerem Zusammenhang steht. Obwohl also keine Auswahl zwischen den Heimatrechten der Ehegatten erfolgt, könnten die zur Konkretisierung des Art. 48 Π schw. 125 v. Bar, IPR II, Rdnr 207 a.E.; zustimmend Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 340. 126 v. Bar, IPR II, Rdnr 207 nennt insoweit das Beispiel einer kurzzeitig im Iran gelebten Ehe zwischen einem Deutschen und einer Niederländerin. Hier scheidet die Anwendung des Aufenthaltsrechts in der Tat jedenfalls dann aus, wenn die Parteien nicht nach islamischem Recht geheiratet haben. 127 § 18 I öst. IPRG stimmt inhaltlich mit Art. 14 Nrn. 1 und 2 EGBGB überein. Auf eine Art. 141 Nr. 3 EGBGB entsprechende Regelung wurde im öst. IPRG dagegen verzichtet. 128 Schwind, IPR, Rdnr 245. Für eine letzthilfsweise Anknüpfung an die lex fori dagegen Rummel/Schwimann, § 18 IPRG, Rdnr 5; Mänhardt/Posch, IPR, S. 50. 129 Schwind, IPR, Rdnr 246.

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IPRG herangezogenen Umstände dennoch auch für das deutsche Recht bedeutsam sein. Insoweit findet sich nun der Vorschlag, in Zweifelsfällen dem Recht am Wohnsitz desjenigen Ehegatten den Vorzug zu geben, der um Erlaß einer Schutzmaßnahme nachsucht130. So soll etwa der Schutz der ehelichen Wohnung und das Verbot, hierüber einseitig zu verfügen, dem Recht des zu schützenden, in dieser Wohnung lebenden Ehegatten unterstehen131. Richtigerweise sollten materiellrechtliche Erwägungen indes auch bei der letzthilfsweisen Konkretisierung des Art. 141 Nr. 3 EGBGB keine Rolle spielen. Dem Rechtsanwender können nämlich keine verläßlichen Maßstäbe dafür geliefert werden, welches der Heimatrechte als das materiell „bessere" zur Anwendung berufen sein soll. Wer für eine solche Ersatzanknüpfung plädiert, nimmt vielmehr in Kauf, daß sich der Richter bei seiner (kollisionsrechtlichen) Entscheidung an den Wertungen des eigenen Sachrechts orientiert 132. Diese pauschale Bevorzugung der lex fori ist nicht zu befürworten. Auch der im österreichischen und schweizerischen Schrifttum nicht selten genannte Aspekt der Schutzbedürftigkeit eines Ehegatten führt zu keiner anderen Beurteilung. Abgesehen von der inhaltlichen Unbestimmtheit versagt dieses Entscheidungskriterium nämlich jedenfalls dann, wenn die Ehegatten wechselseitig Unterhaltsansprüche geltend machen oder jeweils für sich die alleinige Zuweisung der Ehewohnung beanspruchen. Aber auch ansonsten ist nicht einzusehen, warum die (vermeintlich) größere Schutzbedürftigkeit eines Ehegatten dazu führen soll, daß dessen Recht über Art. 14 I Nr. 3 EGBGB zur Anwendung gelangt. Mit einer entsprechenden Ersatzanknüpfung würde man die kollisionsrechtlichen Interessen vollständig außer acht lassen und somit auf der letzten Stufe der Anknüpfung gänzlich andere Erwägungen anstellen als auf den vorherigen Anknüpfungsstufen. Eine solche Vorgehensweise überzeugt jedoch nicht und sollte daher unterbleiben.

VII. Eigener Lösungsvorschlag Da alle bisher vorgeschlagenen Ersatzanknüpfungen nicht unerheblichen Bedenken ausgesetzt sind, soll nun ein eigener Lösungsansatz für den Fall entwickelt werden, daß sich eine gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten nicht feststellen läßt. Die zu wählende Ersatzanknüpfung sollte sich dabei einerseits so weit wie möglich an den Rechtsanwendungsinteressen der Parteien orientieren, sich aber andererseits auch als in der Praxis handhabbar erweisen. Diese beiden Ziele lassen sich m.E. dann am besten in Einklang bringen, wenn man im Rahmen des Art. 141 Nr. 3 EGBGB letzthilfsweise dasjenige Heimatrecht eines Ehegatten anwendet, das im konkreten Einzelfall einfacher und sicherer festzustellen ist. 130 Schnyder, IPR-Gesetz, § 101 2, S. 54; Wolken, in: IPRG-Kommentar, Art. 48, Rdnr 10. 131 Wolken, in: IPRG-Kommentar, Art. 48, Rdnr 10 m. w. N. 132 So in der Sache auch Schwind, IPR, Rdnr 246; Schnyder, IPR-Gesetz, § 101 2, S. 54.

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Diese Ersatzanknüpfung könnte sich allerdings dem Vorwurf ausgesetzt sehen, die Parteiinteressen würden den Gerichtsinteressen untergeordnet. Richtigerweise lassen sich diese kollisionsrechtlichen Interessen aber gerade nicht streng voneinander trennen. Zwar kommt die hier angestrebte Einfachheit der Rechtsanwendung zunächst der Rechtspflege zugute, zumindest mittelbar gilt dies indes auch für die Parteien 133. Die Anwendung eines einfach und sicher zu ermittelnden Rechts ist nämlich für die Verfahrensbeteiligten nicht nur mit einer Zeit- und Kostenersparnis, sondern vor allem mit einem geringeren Irrtumsrisiko des Richters verbunden, was zu einer besseren Qualität der Rechtsanwendung führt 134. Mithin besteht auch ein Interesse der Parteien daran, eine einfach und effektiv durchsetzbare Entscheidung zu erlangen 135. Wenn nun aber die übrigen privaten Rechtsanwendungsinteressen absolut gleichwertig sind, dann bietet es sich an, den Gesichtspunkt der Einfachheit der Rechtsanwendung über das maßgebliche (Familien-)Recht entscheiden zu lassen. Diese Ersatzanknüpfung führt im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB auch zu angemessenen Ergebnissen. So wird zunächst eine pauschale Bevorzugung der lex fori vermieden, weil deutsches Recht nur zur Anwendung gelangt, wenn einer der Ehegatten zum maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkt 136 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt137. Allein die Begründung eines inländischen gewöhnlichen Aufenthalts oder gar das schlichte Vorhandensein inländischen Vermögens hat dagegen nicht die Geltung des deutschen Rechts zur Folge. In diesen Fällen muß der Rechtsanwender mithin zwischen den ausländischen Heimatrechten der Ehegatten wählen. Weiterhin hat die letzthilfsweise Anknüpfung an das im konkreten Einzelfall einfacher und sicherer festzustellende Heimatrecht den Vorteil, daß in allen Teilbereichen des Familienstatuts eine einheitliche Rechtsanwendung möglich bleibt, wenn dieses Ergebnis auch nicht zwingend ist. Nicht selten dürfte sich aber im Hinblick auf die konkret entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften ein Recht als insgesamt sicherer ermittel- und anwendbar erweisen. Die damit einhergehende höhere Qualität der Rechtsanwendung sollte dann im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB den Ausschlag geben. 133 So mit Recht Kegel/Schurig, IPR, § 2 II 3, S. 122; Neuhaus, Grundbegriffe, § 20 I 1, S. 161. 134 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 59. 135 MünchKomm / Sonnenberger, Einl. IPR, Rdnr 88; vgl. auch Lüderitz, Fschr. Kegel (1977), S. 31, 36: Die Partei habe typischerweise ein Interesse an der Anwendung des Rechts, über das sie sich am ehesten informieren könne. 136 Ein erst nach der Eheschließung vollzogener Wechsel der (effektiven) Staatsangehörigkeit hat damit keine Auswirkungen auf die Anknüpfung des Güterrechtsstatuts. Vielmehr muß insoweit eine Auswahl zwischen den Heimatrechten der Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung erfolgen. 137 In diesem Fall ist m.E. kein Grund ersichtlich, warum der deutsche Richter nicht zur Anwendung des eigenen Rechts berechtigt sein sollte.

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3. Teil, . Kap.:

lestatut

§ 12 Exkurs: Charakter der ausgesprochenen Verweisung Ebenso wie die im Einzelfall vorzunehmende Konkretisierung der (gemeinsamen) engsten Verbindung ist in der Literatur umstritten, ob es sich bei der dadurch ausgesprochenen Verweisung um eine Sachnorm- oder eine Gesamtverweisung handelt. Im internationalen Schuldvertragsrecht wird diese Streitfrage allerdings durch Art. 35 I EGBGB entschieden, der eine Sachnormverweisung anordnet. Bei der Anknüpfung des Personalstatuts eines ausländischen Mehrstaaters sowie im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB muß die Antwort dagegen der allgemeinen Vorschrift des Art. 4 1 1 EGBGB entnommen werden. I. Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB Umstritten ist zunächst der Fall, daß die bei einem ausländischen Mehrstaater nach Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmende Ermittlung der effektiven Staatsangehörigkeit zur Maßgeblichkeit eines Heimatrechts führt, dessen Kollisionsrecht auf ein anderes Heimatrecht weiterverweist. Insoweit wird nun nicht selten vertreten, eine Beachtung des Renvoi widerspräche dem Sinn der Verweisung und sei deshalb nach Art. 4 1 1 Halbs. 2 EGBGB unbeachtlich, weil von Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB gerade dasjenige Heimatrecht berufen werde, mit welchem die Anknüpfungsperson am engsten verbunden sei 138 . Eine nach unserer Auffassung effektive Staatsangehörigkeit könne aber ihre Qualität nicht dadurch verlieren, daß ein ausländischer Staat eine abweichende Bewertung vornehme139. Letztlich liegt dieser Ansicht also das Bestreben zugrunde, die individualisierende Anknüpfung des deutschen IPR nicht hinter einer stärker typisierenden Anknüpfung des ausländischen Kollisionsrechts zurücktreten zu lassen. Dem kann indes in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Es ist nämlich zu bedenken, daß grds. jede Kollisionsnorm dazu dient, das Recht der engsten Verbindung zur Anwendung zu berufen. Dies geschieht dabei häufiger mittels einer individualisierenden Anknüpfung, nicht zuletzt auch dann, wenn es an einer geschriebenen Kollisionsnorm fehlt. Konsequenterweise müßte man also in allen diesen Fällen eine Rück- oder Weiterverweisung für unbeachtlich halten. Damit wäre die Sachnormverweisung aber entgegen der Konzeption des Art. 4 I 1 EGBGB eher die Regel als die Ausnahme. Zudem würde bei einer solchen Vorgehensweise übersehen, daß Art. 4 1 1 EGBGB dem Rechtsanwender nicht die Befugnis verleiht, eine inhaltliche Überprüfung des ausländischen (Kollisions-)Rechts vorzunehmen 140 . Art. 4 11 Halbs. 2 EGBGB ist daher restriktiv auszulegen und nicht auf 138 Siehr, IPRax 1987, S. 4, 5; MünchKomm/Birk, Art. 25 EGBGB, Rdnr 98; Staudinger/ Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 98. 139 In Betracht käme insoweit etwa eine strikte Anknüpfung an die zuletzt erworbene Staatsangehörigkeit. 140 So mit Recht Soergel / Schurig, Art. 25 EGBGB, Rdnr 79, Fn. 4.

§ 12 Exkurs: Charakter der ausgesprochenen Verweisung

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die nach Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmende Effektivitätsprüfung anzuwenden141. II. Art. 141 Nr. 3 EGBGB Aus entsprechenden Erwägungen heraus ist auch die von Art. 141 Nr. 3 EGBGB ausgesprochene Verweisung nicht als Sachnormverweisung zu qualifizieren 142. Insbesondere läßt sich nicht erklären, warum ein Renvoi zwar im Rahmen der Nrn. 1 und 2 des Art. 14 I EGBGB beachtlich sein soll, nicht aber auf der letzten, eindeutig schwächsten Anknüpfungsstufe der familienrechtlichen Anknüpfungsleiter 143 . Zwar muß der Rechtsanwender bei Art. 141 Nr. 3 EGBGB entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls abstellen. Dadurch soll aber - anders als bei einer Ausweichklausel - keine Individualisierung der Anknüpfung erreicht, sondern vielmehr eine Anknüpfung des Familienstatuts überhaupt erst ermöglicht werden 144 . Richtigerweise darf nun jedoch der Umstand, daß sich der deutsche Gesetzgeber zu keiner typisierenden letzten Anknüpfungsstufe hat durchringen können, nicht höher wiegen als die anderslautende Entscheidung des ausländischen Gesetzgebers 145. Dies gilt selbst dann, wenn die Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB im Einzelfall mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden sein sollte. Eine andere Beurteilung wäre nur möglich, falls die Anwendungswilligkeit der in Betracht kommenden Rechtsordnungen bereits bei der Bestimmung der (gemeinsamen) engsten Verbindung zu berücksichtigen wäre. Ein entsprechendes Vorgehen wäre allerdings systemwidrig, weil der Verweisungsbefehl des eigenen IPR nicht von den Wertentscheidungen eines fremden Rechts abhängen darf 146 . Auch aus Art. 411 EGBGB wird deutlich, daß eine Rück- oder Weiterverweisung des ausländischen Kollisionsrechts erst geprüft werden kann, wenn dieses zuvor zur Anwendung berufen wurde 147 . Zudem erscheint es wenig ratsam, die ohnehin schon 141 Mansel, Personalstatut, Rdnr 394; MünchKomm ! Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 28; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rdnr 643; Ebenroth, Erbrecht, Rdnr 1239; Stoll, Fschr. Keller, S. 511,522, Fn. 43. 142 A.A. aber MünchKomm ! Siehr, Art. 14 EGBGB, Rdnr 119; ders., Fschr. Ferid (1988), S. 433, 441; Palandt IHeldrich, Art. 4 EGBGB, Rdnr 8; Johannsen/ Henrich, Art. 17 EGBGB, Rdnr 17; Piltz, Int. ScheidungsR, S. 58; wohl auch Stoll, Fschr. Keller, S. 511, 521.

143 v. Bar, IPR II, Rdnr 208; Kropholler, IPR, § 24 II 3 a, S. 154; MünchKomm ! Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 28; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 99; Kühne, Fschr. Ferid (1988), S. 251, 262; Rauscher, NJW 1988, S. 2151, 2154. 144 Kartzke, IPRax 1988, S. 8, 9; Ebenroth/Eyles, IPRax 1989, S. 1, 11; vgl. auch BTDrucks. 10/504, S. 55. 145 von Hoffmann, IPR, § 6, Rdnr 116. 146 Kühne, Fschr. Ferid (1988), S. 251, 262; Soergel/Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 70; im Ergebnis auch v. Bar, IPR I, Rdnr 622, der ein solches Vorgehen indes für „methodisch nicht unattraktiv" hält. 147 Kartzke, IPRax 1988, S. 8, 9.

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3. Teil, 3. Kap: Interlokale Unteranknüpfung

schwierige Ermittlung der gemeinsamen engsten Verbindung der Ehegatten noch durch die Beachtung des fremden IPR zu komplizieren. Mithin bleibt als Ergebnis festzuhalten, daß ein etwaiger Renvoi auf allen drei Anknüpfungsstufen des Art. 14 I EGBGB ebenso zu beachten ist wie im Rahmen des Art. 511 Halbs. 2 EGBGB.

Drittes Kapitel

Interlokale Unteranknüpfung (Art. 4 I I I 2 EGBGB) Eine Konkretisierung der (gemeinsamen) engsten Verbindung durch den Rechtsanwender kann nach Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB weiterhin auch dann erforderlich sein, wenn das deutsche Kollisionsrecht auf eine interlokal gespaltene Rechtsordnung verweist. Dies gilt allerdings nur für den Fall, daß die maßgebliche Teilrechtsordnung weder durch räumliche Anknüpfung unmittelbar bezeichnet1 noch durch ein einheitliches interlokales Recht des berufenen Staates bestimmt wird. Dabei ist zusätzlich danach zu unterscheiden, ob die interlokale Unteranknüpfung für mehrere Anknüpfungssubjekte oder lediglich für eine Anknüpfungsperson zu erfolgen hat.

§ 13 Unteranknüpfung bei mehreren Anknüpfungssubjekten I. Entsprechende Anwendung des A r t 141 EGBGB Sofern im internationalen Familienrecht die gemeinsame engste Verbindung zu einem Teilrechtsgebiet festgestellt werden muß, bietet es sich an, die familienrechtliche Anknüpfungsleiter des Art. 14 I EGBGB entsprechend anzuwenden2. Die dort enthaltene gesetzliche Konkretisierung der gemeinsamen engsten Verbindung ist nämlich auch für die interlokale Anknüpfung des Familienstatuts von Bedeutung. 1. Gemeinsame Teilstaatsangehörigkeit Allerdings wird eine primäre Unteranknüpfung an die gemeinsame Teilstaatsangehörigkeit der Ehegatten - und damit eine entsprechende Anwendung des 1

Eine solche unmittelbare Bezeichnung der maßgebenden Teilrechtsordnung soll nach wohl h.M. etwa bei einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person, den Ort einer Handlung oder den Belegenheitsort einer Sache anzunehmen sein. Ausführlich zu dem insoweit bestehenden Meinungsstreit s.o. § 6. II 1. 2 Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338; ähnlich StaudingerIHausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 330; MünchKomm / Winkler von Mohrenfels, Art. 17 EGBGB, Rdnr 48.

§ 13 Unteranknüpfung bei mehreren Anknüpfungssubjekten

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Art. 14 I Nr. 1 EGBGB - im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB nicht selten abgelehnt. Statt dessen soll in erster Linie das Recht derjenigen Teilrechtsordnung maßgebend sein, in der beide Anknüpfungspersonen ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten3. Begründet wird dies vor allem damit, daß die Zugehörigkeit zu einem Teilstaat i.d.R. weit weniger bedeutsam sei und auch in der Wertschätzung des Einzelnen meist ungleich leichter wiege als die Zugehörigkeit zum Gesamtstaat4. Diese Argumentation läßt sich indes nicht pauschal auf alle Mehrrechtsstaaten übertragen. Besteht die Teilstaatsangehörigkeit nämlich unabhängig vom Aufenthaltsort der Anknüpfungsperson fort, so kann nicht von einer typischerweise überwiegenden Bindung an den Aufenthaltsstaat ausgegangen werden. Dies zeigt sich etwa an der Situation in der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ). Ein Angehöriger der ehemaligen Gliedrepublik Serbien wird sich beispielsweise in aller Regel unabhängig von seinem gewöhnlichen Aufenthalt in der SFRJ ebenso als Serbe gefühlt haben wie nach dem Zerfall der SFRJ in mehrere unabhängige Staaten. Die Republikzugehörigkeit ist damit für die Heimatverbundenheit der Anknüpfungsperson aber gerade nicht minder bedeutsam als die Zugehörigkeit zum Gesamtstaat. Im Falle der Eigenständigkeit der Teilstaatsangehörigkeit besteht deshalb die gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten zu dem Recht des Einzelstaates, dem sie beide übereinstimmend angehören5. Eine andere Beurteilung hat indes dann zu erfolgen, wenn die Teilstaatsangehörigkeit, wie etwa in den USA, in nicht unerheblichem Maße an den Aufenthalt im Heimatstaat gekoppelt ist. Zwar gibt es nach § 1 des 14. Amendment zur US-amerikanischen Bundesverfassung neben der eigentlichen US-Staatsbürgerschaft (federal citizenship) auch noch die sog. state citizenship , also die Zugehörigkeit zu einem Einzelstaat. Letztere setzt jedoch ein bestehendes domicile 6 in einem Bundesstaat voraus und fehlt folglich bei US-Amerikanern mit ständigem Wohnsitz im Ausland7. Würde man hier bei der Konkretisierung des Art. 4 III 2 EGBGB in erster Linie auf die gemeinsame state citizenship abstellen8, so käme dies mithin ei-

3 Palandt/Heldrich, Art. 4 EGBGB, Rdnr 14; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 330; Erman/Hohloch, Art. 4 EGBGB, Rdnr 25; Rauscher, IPRax 1987, S. 206; vgl. auch LG Zweibrücken IPRspr. 1968/69 Nr. 94; AG Stolberg IPRspr. 1964/65 Nr. 116. 4 Kegel/Schurig, IPR, § 11 III, S. 366. 5 Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338; Neuhaus, Grundbegriffe, § 41 III 1, S. 312; vgl. auch BayObLG IPRspr. 1995 Nr. 112 = StAZ 1995, S. 325, 327, wo nur deshalb auf den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (in der Bundesrepublik!) abgestellt wurde, weil es an einer übereinstimmenden Republikangehörigkeit der Ehegatten fehlte. 6 Zum Begriff des domicile vgl. nur Bungert, IPRax 1993, S. 10, 11 m. w. N. 7 Bergmann/Ferid, Int. Ehe- u. KindschaftsR, Länderabschnitt USA, S. 5; Kegel/Schurig, IPR, § 11 III, S. 366; von Hoffmann, IPR, § 6, Rdnr 121. s Dafür von Hoffmann, IPR, § 6, Rdnr 121; Raape/Sturm, § 20 A I 3 b, S. 380; vgl. auch OLG Hamm IPRspr. 1958/59 Nr. 138b = StAZ 1960, S. 98; OLG Düsseldorf IPRspr. 1974 Nr. 54 = FamRZ 1975, S. 42,43.

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3. Teil, 3. Kap: Interlokale Unteranknüpfung

ner Anknüpfung an das gemeinsame domicile der Ehegatten gleich. Dies erklärt auch, warum beide Anknüpfungsmomente in der Rechtsprechung nicht selten nebeneinander genannt wurden9. Aufgrund des Zurücktretens der Teilstaatsangehörigkeit spricht dann aber im Rahmen des Art. 4 ΙΠ 2 EGBGB in der Tat mehr für eine interlokale Unteranknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt als an das gemeinsame domicile der Anknüpfungspersonen 10. Die Konkretisierung der gemeinsamen engsten Verbindung sollte nämlich möglichst anhand autonomer Kriterien erfolgen, auch wenn die Ergebnisse in der Praxis nicht selten übereinstimmen werden11.

2. Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in einem Teilstaat Fehlt es an einer gemeinsamen Teilstaatsangehörigkeit oder tritt diese in ihrer Bedeutung zurück, so ist entsprechend Art. 141 Nr. 2 EGBGB eine interlokale Unteranknüpfung an das Recht des Einzelstaates vorzunehmen, in dem die Anknüpfungspersonen ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten12. Allerdings kann eine strikte Anknüpfung an den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Teilrechtsgebiet richtigerweise nur dann erfolgen, wenn sich einer der Ehegatten dort noch gewöhnlich aufhält 13. Fehlt es an dieser Voraussetzung und haben die Anknüpfungspersonen in mehr als einem Teilstaat zusammengelebt, so muß im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB auch die Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts sowie das Schwergewicht der familiären Bindungen berücksichtigt werden14. Deshalb sollte der letzte, inzwischen beiderseitig aufgegebene gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt in einem Einzelstaat dann nur im Zweifel, nicht aber generell den Ausschlag geben. Im Einzelfall ist es nämlich denkbar, daß engere gemeinsame Bindungen zum Recht eines anderen Teilstaates bestehen, in welchem sich die Ehegatten zwar zeitlich früher, dafür aber erheblich länger gemeinsam aufgehalten haben. 9 BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 128 = FamRZ 1960, S. 229, 230; OLG Karlsruhe IPRspr. 1968/69 Nr. 69 = StAZ 1969, S. 71; OLG Zweibrücken IPRspr. 1972 Nr. 180 = FamRZ 1973, S. 479,480; OLG Karlsruhe IPRspr. 1993 Nr. 91 = FamRZ 1993, S. 848. 10 Insoweit zutreffend Erman /Hohloch, Art. 4 EGBGB, Rdnr 24; Soergel /Kegel, Art. 4 EGBGB, Rdnr 55; ders., IPR, § 11 III, S. 305; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 329; MünchKomm/Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 102; a.A. etwa BayObLG IPRspr. 1971 Nr. 164; OLG Frankfurt IPRspr. 1972 Nr. 125 = DNotZ 1972, S. 543; OLG Hamm NJW 1988, S. 3097, 3099. h Vgl. BayObLGZ 1980, 42, 45 = IPRspr. 1980 Nr. 124; OLG Karlsruhe IPRspr. 1989 Nr. 164 = NJW 1990, S. 1420, 1421; OLG Hamburg NJW-RR 1996, S. 203, 204. ι 2 Auch in BT-Drucks. 10/504, S. 40 wird entscheidend auf den (gemeinsamen) gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt. 13 Staudinger / Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 330. 14 Die interlokale Unteranknüpfung erfolgt dann entsprechend Art. 141 Nr. 3 EGBGB mittels einer Gesamtbewertung der objektiven Anknüpfungsmomente.

§13 Unteranknüpfung bei mehreren Anknüpfungssubjekten

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3. Sonstige gemeinsame engste Verbindung Schwierigkeiten bereiten auch hier wieder vor allem die Fälle, in denen zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Anknüpfungspersonen in einem der Teilstaaten bestanden hat. Insoweit läßt sich in gewissem Umfang eine Parallele zu den Umständen ziehen, die oben zur Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB herangezogen wurden15. a) Gewöhnlicher Aufenthalt einer Anknüpfungsperson im Teilstaat der anderen Für den Fall, daß der Teilstaats- bzw. Republikangehörigkeit eine eigenständige Bedeutung bei der interlokalen Unteranknüpfung zukommt, kann sich die gemeinsame engste Verbindung aus einer Kombination von gewöhnlichem Aufenthalt und Teilstaatsangehörigkeit der Anknüpfungspersonen ergeben. Lebt also der eine Ehegatte in demjenigen Einzelstaat, dem der andere Ehegatte angehört, so sollte Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB auf das Recht dieses Teilstaates verweisen16. Beide Anknüpfungspersonen haben hier nämlich starke Beziehungen zu dem entsprechenden Rechtsgebiet des Gesamtstaates. Allerdings führt diese Konkretisierung des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB in Ländern wie den USA nicht weiter, weil hier die state citizenship an das domicile der Betroffenen gekoppelt ist 17 .

b) Zukunftspläne der Anknüpfungspersonen Des weiteren sollte es bei der interlokalen Unteranknüpfung ebenso wie im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB 18 möglich sein, gemeinsame Zukunftspläne der Anknüpfungspersonen zu berücksichtigen. Zu denken wäre insoweit an den geplanten Erwerb einer gemeinsamen Teilstaatsangehörigkeit, vor allem aber an die beabsichtigte Begründung eines (ersten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in einem der Einzelstaaten. Die in diesen Umständen zum Ausdruck kommende gemeinsame Lebensplanung der Personen kann die gemeinsame engste Verbindung mit einem (Teil-)Staat vermitteln19. Voraussetzung ist indes, daß sich die für die Zukunft geplante Entwicklung bereits in objektiven Anknüpfungsmomenten niedergeschlagen hat, etwa in dem Erwerb oder der Anmietung einer gemeinsamen 15 Siehe oben § 10. III. 16 Vgl. Johannsen/Henrich,

Art. 15 EGBGB, Rdnr 8.

17 Bergmann/ Ferid, Int. Ehe- u. KindschaftsR, Länderabschnitt USA, S. 5; Kegel/Schurig, IPR, § 11 III, S. 366; von Hoffmann, IPR, § 6, Rdnr 121. is Dazu s.o. § 10. III 2. 19 Vgl. BT-Drucks. 10/504, S. 41; Palandt ! Heldrich, Art. 14 EGBGB, Rdnr 10; Soergel/ Schurig, Art. 14 EGBGB, Rdnr 14; Erman/Hohloch, Art. 14 EGBGB, Rdnr 18; Ferid, IPR, Rdnr 8-86,1; Henrich, Int. FamilienR, S. 64.

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3. Teil, 3. Kap: Interlokale Unteranknüpfung

Wohnung. Diese Objektivierungen müssen dabei zumindest in einer gewissen zeitlichen Nähe zum maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkt stehen.

c) Gemeinsame soziale Verbindungen Sollte eine Bestimmung des interlokal anwendbaren Rechts anhand der bisher genannten Anknüpfungskriterien nicht möglich sein, so können im Einzelfall auch gemeinsame soziale Verbindungen zu einem Teilstaat den Ausschlag geben. Insoweit sind vor allem die familiären und beruflichen Bindungen der Anknüpfungspersonen von Bedeutung20. Auch die Rechtsprechung hat bei der Konkretisierung des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB schon entscheidend auf diese persönlichen Umstände abgestellt21. Dabei wurde zu Recht betont, daß die zur maßgebenden Teilrechtsordnung bestehenden Verbindungen durchaus als „relativ lose" erscheinen könnten. Ausschlaggebend müsse vielmehr sein, daß die Verbindung „auf jeden Fall enger" sei als die zu den übrigen Einzelstaaten22. Mithin ist eine interlokale Unteranknüpfung selbst bei Vorliegen vergleichsweise schwacher Beziehungen nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Rechtsanwender muß sich daher auch in solchen Konstellationen um die Ermittlung der (relativ) engsten Verbindung der Anknüpfungspersonen bemühen.

d) Ort der Eheschließung Schließlich ist es auch noch denkbar, im Rahmen des Art. 4 III 2 EGBGB den Ort der Eheschließung über das anzuwendende Teilrecht entscheiden zu lassen. Dies indes nur unter der Voraussetzung, daß die Ehegatten in ihrem gemeinsamen Heimatstaat geheiratet haben. Andernfalls ist der Eheschließungsort nämlich für die interlokale Anknüpfung von vornherein bedeutungslos. Nicht selten wird eine Unteranknüpfung an den Heiratsort aber selbst dann abgelehnt, wenn die Eheschließung der Parteien in einem Einzelstaat erfolgt ist, dem einer von ihnen angehört oder in dem einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat 23 . Da nämlich die Ehe an diesem Ort nicht gelebt worden sei, bestünde nur eine rein zufällige Verbindung der Ehepartner zu dem dort geltenden Recht.

20 Bungert, IPRax 1993, S. 10, 16; MünchKomm/Sonnenberger, 102.

Art. 4 EGBGB, Rdnr

21 OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 75 = FamRZ 1995, S. 1203, 1204: Ausschlaggebend für die Ermittlung der maßgeblichen Teilrechtsordnung waren für das Gericht u. a. die engeren Beziehungen der Ehegatten zu den Eltern der Ehefrau. 22 OLG Düsseldorf a.a.O. 23 So etwa Hay, IPRax 1988, S. 265, 266; Bungert, IPRax 1993, S. 10, 13; kritisch auch Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338.

§ 13 Unteranknüpfung bei mehreren Anknüpfungssubjekten

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Bei einer solchen Betrachtung wird jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, daß auch die statt dessen zu wählende Ersatzanknüpfung notwendigerweise mit erheblichen Zufälligkeiten belastet ist und daher nicht zu einer größeren Rechtssicherheit führt. Es sollte deshalb nicht generell ausgeschlossen sein, eine gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten am Ort der Eheschließung anzunehmen. Ebenso wie im Bereich des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB ist nämlich eine gänzlich zufällige Wahl des Heiratsortes zu verneinen, sofern das dortige Recht durch ein weiteres Anknüpfungsmoment von einigem Gewicht verstärkt wird 24 . Insoweit dürfte richtigerweise die Teilstaatsangehörigkeit oder der gewöhnliche Aufenthalt eines Gatten zur hinreichenden Verstärkung genügen25. Deshalb sollte hier über Art. 4 III 2 EGBGB das Recht des Eheschließungsortes zur Anwendung gelangen. Gleiches wird für den Fall zu gelten haben, daß am Heiratsort zwar kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt begründet wurde, die Ehepartner aber dennoch nahezu sechs Monate in dem entsprechenden Teilstaat zusammengelebt haben. Hat dagegen keiner der Ehegatten nennenswerte Verbindungen mit dem Heiratsortsrecht 26, so kann in der Tat nicht mehr von einer gemeinsamen engsten Verbindung zu diesem Einzelstaat gesprochen werden. Die Konkretisierung des Art. 4 ΙΠ 2 EGBGB ist dann nur noch mittels einer Ersatzanknüpfung möglich. II. Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung 1. Offenlassen der Rechtswahl Die Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung mit einem Einzelstaat zwingt allerdings dann nicht zu einer Ersatzanknüpfung, wenn die in Betracht kommenden Teilrechtsordnungen in den entscheidungserheblichen materiellrechtlichen Fragen übereinstimmen. In derartigen Fällen kann die Entscheidung über das interlokal anwendbare Recht offenbleiben 27, was wegen der häufig bestehenden Ähnlichkeit der Teilrechte nicht selten vorkommen dürfte. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, warum der Rechtsanwender zu einer abschließenden Konkretisierung des Art. 4 ΙΠ 2 EGBGB verpflichtet sein soll. Selbst bei der internationalprivatrechtlichen Unteranknüpfung im Rahmen des Art. 141 Nr. 3 EGBGB hat die Rechtsprechung die Entscheidung über das maßgebende Recht jedenfalls dann offengelassen, wenn mehrere ausländische Rechte zur Wahl standen und diese inhaltlich übereinstimmten28. Mithin muß dieses Vorgehen in Fällen einer 24 Siehe oben § 10. III 5. 25 Vgl. BT-Drucks. 10/504, S. 41; v. Bar, IPR II, Rdnr 206; Kropholler, IPR, § 45 I 3 c, S. 317; Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 14 EGBGB, Rdnr 73. 26 Bungert, IPRax 1993, S. 10, 13 nennt insoweit als Beispiel eine Eheschließung im Heiratsparadies Nevada. 27 Henrich, Int. FamilienR, S. 98; Hay, IPRax 1988, S. 265, 267; Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 340; Bungert, IPRax 1993, S. 10, 16. 28 Ausführlich hierzu s.o. §11.11.

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3. Teil, 3. Kap: Interlokale Unteranknüpfung

nur interlokalen Rechtsspaltung erst recht zulässig sein. Auch entgegenstehende Parteiinteressen liegen nicht vor, weshalb ein mögliches Offenlassen der Rechtswahl allen anderen Hilfsanknüpfungen vorzuziehen ist 29 . 2. Günstigeres oder schwächeres Recht Führt die Anwendung der verschiedenen Teilrechte dagegen zu unterschiedlichen Ergebnissen, so muß der Rechtsanwender eine letzthilfsweise Konkretisierung des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB vornehmen. Dabei ist (für die USA) vorgeschlagen worden, dem Antragsteller die Wahl zwischen den in Betracht kommenden Rechten zu überlassen, wobei das (Domizil-)Recht des Antragsgegners in jedem Fall wählbar sein soll, das eigene (Domizil-)Recht demgegenüber nur dann, wenn sich der Antragsgegner darauf einläßt30. Damit würde also im Zweifel das dem Antragsteller günstigere Recht zur Anwendung gelangen. Andere Stimmen im kollisionsrechtlichen Schrifttum plädieren hingegen gerade umgekehrt für eine kumulative Anwendung der beiden Teilrechte nach dem Grundsatz des schwächeren Rechts31. Beide Lösungswege überzeugen indes nicht. Schon oben wurde gezeigt, daß der Grundsatz des schwächeren Rechts im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB keine taugliche Ersatzanknüpfung darstellt32. Die dort erhobenen Einwände bestehen aber gleichermaßen gegen eine letzthilfsweise Anknüpfung an das dem Antragsteller günstigere Recht33. Es hängt nämlich entscheidend von dem Blickwinkel der jeweils betroffenen Partei ab, ob sich ein Recht als „günstiger" oder „schwächer" erweist34. Unabhängig davon, welchem der beiden Vorschläge man folgt, läßt sich jedoch nicht plausibel begründen, warum der Antragsteller im Einzelfall bevorzugt bzw. benachteiligt sein soll. Letztlich wird insoweit nicht selten vom gewollten materiellrechtlichen Ergebnis her argumentiert. Damit fehlt es nun aber an einem verläßlichen Entscheidungsmaßstab für den Rechtsanwender, weshalb eine entsprechende Ersatzanknüpfung auch im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB nicht überzeugen kann. 3. Wahrscheinlicheres

Recht

Weiterhin findet sich in der Literatur der Vorschlag, die interlokale Unteranknüpfung bei Nichtermittelbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung an dem 29 So wohl auch MünchKomm/Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 103; Kropholler, IPR, § 29111c, S. 183. 30 Hay, IPRax 1988, S. 265, 267; offenbar zustimmend Henrich, Int. FamilienR, S. 98. 31 Soergel /Schurig, Art. 17 EGBGB, Rdnr 20, Fn. 2; für den Bereich des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB auch Kegel/Schurig, IPR, § 20 V 1 a, S. 715. 32 Siehe oben § 11. III. 33 Ablehnend insoweit auch MünchKomm /Winkler von Mohrenfels, Art. 17 EGBGB, Rdnr 48. 34 So mit Recht Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 338; Bungert, IPRax 1993, S. 10, 16.

§ 13 Unteranknüpfung bei mehreren Anknüpfungssubjekten

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Wahrscheinlichkeitsgrundsatz auszurichten. Es soll dann nämlich diejenige Teilrechtsordnung zur Anwendung kommen, die in dem Staat, auf den verwiesen wird, die weiteste Verbreitung besitzt35. Sollte es an einer derartigen Wahrscheinlichkeit fehlen, wie etwa in den USA, spricht sich Lüderitz dafür aus, das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts ohne Rücksicht auf den Heimatstaat maßgebend sein zu lassen. Diese Ersatzanknüpfung bemüht sich darum, die Auswahl des anzuwendenden Teilrechts in erster Linie anhand von Wertungen vorzunehmen, die dem gemeinsamen Heimatrecht der Anknüpfungspersonen entstammen. Fraglich ist allerdings, ob sich Lüderitz insoweit eines geeigneten Kriteriums bedient. So räumt er selbst zunächst einmal ein, daß sich ein „wahrscheinlichstes" Einzelrecht nicht immer ermitteln lassen wird. Zudem wäre ein entsprechendes Vorgehen für den Rechtsanwender häufig mit erheblichen Unsicherheiten und Schwierigkeiten verbunden36. Gerade dann, wenn sich eine gemeinsame engste Verbindung nicht feststellen läßt, besteht indes ein großes Bedürfnis an einer sicher und einfach zu handhabenden Ersatzanknüpfung. Entscheidend ist aber vor allem, daß Lüderitz nicht zu begründen vermag, warum ausgerechnet dasjenige Teilrecht zur Anwendung kommen soll, das im Heimatstaat die weiteste Verbreitung gefunden hat. Richtigerweise sollte nämlich ein bestimmtes Recht weder im internationalen noch im interlokalen Privatrecht nur deshalb hinter ein anderes Recht zurücktreten müssen, weil es von einer geringeren Anzahl von Personen oder in einem kleineren Gebiet praktiziert wird 37 . Dies würde zu einer unangemessenen Bevorzugung einiger weit verbreiteter (Teil-)Rechte führen und dem Gedanken der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen widersprechen. 4. Das der lex fori näher stehende Teilrecht Ein weiterer Vorschlag geht dahin, bei der interlokalen Unteranknüpfung in letzter Konsequenz auf dasjenige Teilrecht abzustellen, daß der (deutschen) lex fori im Ergebnis näher steht38. Eine entsprechende Ersatzanknüpfung wird von Spickhoff auch für Art. 14 I Nr. 3 EGBGB vertreten. Die insoweit bestehenden Bedenken wurden bereits an anderer Stelle dargestellt39. Insbesondere würde es den Rechtsanwender überfordern, zur Konkretisierung des (interlokalen) Verweisungsbefehls eine dreiseitige Rechtsvergleichung vorzunehmen. Zudem wird sich nicht immer zweifelsfrei ermitteln lassen, welches (Teil-)Recht dem deutschen Recht tatsächlich näher steht40. Schließlich zwingt diese Hilfsanknüpfung dazu, in allen Anwen35 Lüderitz, IPR, Rdnr 174. 36 Staudinger / Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 332. 37 Zutreffend daher die Kritik von Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 339. 38 Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 340. 39 Siehe oben § l l . V . Auf die insoweit bestehenden Unsicherheiten weist zu Recht Staudinger ! Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 332 hin. 12 Geisler

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3. Teil, 3. Kap: Interlokale Unteranknüpfng

dungsgebieten des Familienstatuts drei Rechte miteinander zu vergleichen, was jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Dadurch wird die Ausbildung eines einheitlichen Familienstatuts erheblich gefährdet und die Rechtsfindung noch zusätzlich erschwert. Aus den genannten Gründen erweist sich die von Spickhoff vorgeschlagene Ersatzanknüpfung auch im Bereich des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB als für die Praxis nicht handhabbar.

5. Recht der Landeshauptstadt Die im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB mitunter bestehende Anknüpfungsverlegenheit soll nach anderer Ansicht dadurch beseitigt werden, daß letzthilfsweise das Recht der Landeshauptstadt zur Anwendung gelangt41. Allerdings wollen einige dieser Autoren noch vorrangig an das Recht des (letzten) gemeinsamen schlichten Aufenthalts in einem Teilrechtsgebiet anknüpfen 42. Diesem Anknüpfungsmoment sollte aber wegen seiner Zufälligkeit allenfalls dann Bedeutung zukommen, wenn es durch andere Verbindungen verstärkt wird 43 . Eine Ersatzanknüpfung an den (letzten) gemeinsamen schlichten Aufenthalt ist deshalb auch bei Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB abzulehnen. Dagegen wird für eine letzthilfsweise Berufung des Rechts der Landeshauptstadt angeführt, daß dieses i.d.R. in repräsentativer Weise die in den einzelnen Teilstaaten geltenden Rechte verkörpere 44. Das Recht der Hauptstadt könne daher als „Prototyp des gemeinsamen kulturellen Erbes" angesehen werden45. Dies treffe in besonderem Maße auf das Recht des mexikanischen Bundesdistrikts zu, gelte mit Einschränkungen aber auch für das Recht des District of Columbia in den USA. Von anderer Seite ist eine Ersatzanknüpfung an das Recht der Landeshauptstadt hingegen als willkürlich und unangemessen kritisiert worden46. Eingeschränkt ist die Überzeugungskraft dieses Lösungsvorschlags jedenfalls dann, wenn keiner der Ehegatten nennenswerte Beziehungen zum Hauptstadtrecht besitzt47. Insoweit würde die Annahme einer gemeinsamen engsten Verbindung zu diesem Recht „zur

41 AG Überlingen IPRspr. 1988 Nr. 82; Kegel/Schurig, IPR, § 11 III, S. 366; Fe rid, IPR, Rdnr 2-38,3; Staudinger ! Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 332; MünchKomm / Winkler von Mohrenfels, Art. 17 EGBGB, Rdnr 48; Bungert, IPRax 1993, S. 10, 16; Raape/Sturm, IPR, § 20 A 1 3 b, S. 380; Neuhaus, Grundbegriffe, § 41 III 1, S. 312. « Kegel/Schurig, IPR, § 11ΙΠ, S. 366; Raape/Sturm, IPR, § 20 A I 3 b, S. 380. 43 Siehe oben § 10. Π. 44 Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 332. 45 Bungert, IPRax 1993, S. 10,16. 46 Kropholler, IPR, § 29 Π 1 c, S. 184; Lüderitz, IPR, Rdnr 174, Fn. 42; Stoll, Fschr. Keller, S. 511,523. 47 Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 339. Dies räumt auch Bungert, IPRax 1993, S. 10, 16 ein.

§ 13 Unteranknüpfung bei mehreren Anknüpfungssubjekten

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reinen Fiktion"48. Obwohl diese Ersatzanknüpfung unstreitig eine leichte Feststellbarkeit des maßgebenden Teilrechts ermöglicht, lassen sich mit ihr also nicht alle Zweifelsfälle wirklich befriedigend lösen.

6. Übergang zum Aufenthaltsrecht Schließlich könnte man noch daran denken, im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB trotz der übereinstimmenden Staatsangehörigkeit der Anknüpfungspersonen letzthilfsweise auf das Recht ihres gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts (im Ausland) zurückzugreifen. Für ein solches Vorgehen wird nicht selten mit der Begründung plädiert, daß die Staatsangehörigkeitsanknüpfung wegen der Nichtfeststellbarkeit einer gemeinsamen engsten Verbindung zu einem Teilstaat gescheitert sei49. Folglich könne die Unteranknüpfung nunmehr über die subsidiäre Anknüpfungsstufe des Art. 14 I Nr. 2 EGBGB erfolgen. Konsequenterweise müßte dann die Ehe eines in Deutschland lebenden amerikanischen Paares dem deutschen Recht unterstehen, sofern die Ehegatten aus verschiedenen Bundesstaaten stammen und nur im Inland zusammengelebt haben50. Diese Ansicht übersieht jedoch, daß von einem Scheitern der mttrnatìonal^ùvatrechtlichen Anknüpfung gerade nicht gesprochen werden kann51. Da beide Ehegatten im obigen Beispiel die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, verweist Art. 14 I Nr. 1 EGBGB zwingend auf US-amerikanisches Recht. Zu diesem bestehen angesichts der übereinstimmenden Staatsangehörigkeit der Anknüpfungspersonen auch keineswegs nur Verbindungen von gänzlich untergeordneter Bedeutung52. Der Rechtsanwender muß mithin über Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB nur noch eine inittlokale Unteranknüpfung vornehmen. Wollte man dabei nun auf einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Heimatstaates abstellen, so würde damit die eindeutige gesetzliche Grundsatzentscheidung zugunsten des Staatsangehörigkeitsprinzips mißachtet53. Auch wenn der Übergang zum Aufenthaltsrecht verlockend erscheinen mag, der Rechtsanwender darf eine im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB bestehende Anknüpfungsverlegenheit nicht auf diese Weise beseiti-

ge Hay, IPRax 1988, S. 265,266. 49 Stoll, Fschr. Keller, S. 511, 523; MünchKomm / Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 103; Kropholler, IPR, § 29 II 1 c, S. 184; vgl. auch Lüderitz, IPR, Rdnr 174. so Dafür in der Tat AG Rosenheim IPRspr. 1992 Nr. 104. 51 So mit Recht Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 339; Staudinger ! Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 331. 52 Damit scheidet auch eine teleologische Reduktion des Art. 141 Nr. 1 EGBGB von vornherein aus. 53 Hay, IPRax 1988, S. 265, 266; Bungert, IPRax 1993, S. 10, 11; Henrich, Int. FamilienR, S. 98, Fn. 30; so nunmehr auch MünchKomm/ Winkler von Mohrenfels, Art. 17 EGBGB, Rdnr 48. 12*

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3. Teil, 3. Kap: Interlokale Unteranknüpfung

gen. Er muß vielmehr in jedem Fall eines der Teilrechte des gemeinsamen Heimatstaates der Ehegatten zur Anwendung berufen. 7. Stellungnahme und Ergebnis Legt man die zuletzt gemachte Aussage zugrunde, so gilt es zu fragen, welches Kriterium über das maßgebende Teilrecht bestimmen soll, falls sich eine gemeinsame engste Verbindung der Anknüpfungspersonen nicht ermitteln läßt. Ebenso wie im Rahmen des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB bietet es sich auch hier an, in erster Linie darauf abzustellen, welches Teilrecht im Einzelfall einfacher und sicherer festzustellen ist 54. Auch auf interlokaler Ebene können sich insoweit durchaus erkennbare Unterschiede ergeben, etwa weil eine bestimmte Rechtsfrage in dem einen Einzelstaat umstritten, in dem anderen dagegen eindeutig geregelt ist. Dann sollte m.E. die mit der Berufung des sicherer festzustellenden Rechts einhergehende höhere Qualität der Rechtsanwendung auch im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB den Ausschlag geben. Allerdings wird es in Fällen interlokaler Rechtsspaltung auch vorkommen, daß die in Betracht zu ziehenden Teilrechte im wesentlichen gleich gut bzw. schlecht zu ermitteln sind. Hier ist ein Rückgriff auf eine weitere Hilfsanknüpfung erforderlich. Dabei sollte der Entscheidungsmaßstab wegen des grds. Vorrangs der Staatsangehörigkeitsanknüpfung dem gemeinsamen Heimatrecht der Parteien entnommen werden. Dann bliebt aber keine andere Wahl, als mit der wohl herrschenden Ansicht55 auf das Recht der Landeshauptstadt abzustellen. Diese Ersatzanknüpfung ist indes zumindest dann nur wenig überzeugend, wenn keiner der Ehegatten mit dem Hauptstadtrecht verbunden ist 56 . Trotzdem verdient sie aus Gründen der Rechtssicherheit den Vorzug. Zudem wird auf diese Weise gewährleistet, daß die Parteien ausschließlich nach ihrem gemeinsamen Heimatrecht behandelt werden. Auf der anderen Seite läßt sich aber in der Tat nicht bestreiten, daß eine Ersatzanknüpfung an das Recht der Landeshauptstadt mit der von Art. 4 III 2 EGBGB an sich geforderten Ermittlung der gemeinsamen engsten Verbindung nur noch wenig zu tun hat. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß eine vorhersehbare Unteranknüpfung in gewissem Maße auch den Parteiinteressen dient. Eine wirkliche befriedigende Lösung läßt sich hier jedoch nicht mehr finden, obwohl es im kollisionsrechtlichen Schrifttum nicht an entsprechenden Versuchen gefehlt hat. Der Gesetzgeber hätte deshalb besser daran getan, die letzte Anknüpfungsstufe selbst zu konkretisieren. 54 Siehe oben § 11. VII. 55 AG Überlingen IPRspr. 1988 Nr. 82; Kegel/Schurig, IPR, § 11 III, S. 366; Ferid, IPR, Rdnr 2-38,3; StaudingerIHausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 332; MünchKomm/ Winkler von Mohrenfels, Art. 17 EGBGB, Rdnr 48; Bungert, IPRax 1993, S. 10, 16; Raape/Sturm, IPR, § 20 A I 3 b, S. 380; Neuhaus, Grundbegriffe, § 41 III 1, S. 312. 56 Siehe oben § 13.115.

§1

Unteranknüpfung bei e n

Anknüpfngssubjekt

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§ 14 Unteranknüpfung bei einem Anknüpfungssubjekt Einfacher könnte sich die Handhabung des Art. 4 Ι Π 2 EGBGB aber dann gestalten, wenn nur für eine Person eine interlokale Unteranknüpfung vorzunehmen ist. Die Ermittlung der engsten Verbindung zu einem Teilstaat weist dabei deutliche Parallelen zur Effektivitätsprüfung im Rahmen des Art. 5 I 1 Halbs. 2 EGBGB auf 57 , weshalb in erheblichem Maße auf die dort entwickelten Anknüpfungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann58. I. Teilstaatsangehörigkeit als engste Verbindung Oben wurde bereits dargestellt, daß die gemeinsame engste Verbindung der Anknüpfungspersonen durch eine übereinstimmende Staatsteil- bzw. Republikangehörigkeit vermittelt wird, sofern diese unabhängig von einem (gewöhnlichen) Aufenthalt im Heimatstaat besteht59. Entsprechendes gilt auch bei Vorhandensein nur eines Anknüpfungssubjekts60. Eine andere Beurteilung ist allerdings etwa im Verhältnis zu den USA geboten, weil dort die state citizenship ein bestehendes domicile in einem US-Bundesstaat voraussetzt61. Hier verdient vielmehr die Unteranknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt den Vorzug62. II. Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Einzelstaat Wenig Schwierigkeiten bereitet die Konkretisierung des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB, falls sich die Anknüpfungsperson während ihres bisherigen Lebens nur in einem Teilstaat gewöhnlich aufgehalten hat. Die engste Verbindung besteht dann zu diesem Einzelstaat. Dies gilt selbst für den Fall, daß die Aufenthaltsdauer im Heimatstaat vergleichsweise kurz gewesen sein sollte. Läßt sich nämlich keine engere Verbundenheit mit einem anderen Teilrechtsgebiet feststellen, so bleibt es bei der Unteranknüpfung an den (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt 63.

57 v. Bar, IPR I, Rdnr 282; Erman /Hohloch, Art. 4 EGBGB, Rdnr 24; Staudinger /Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 328; MünchKomm/Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 102. 58 Siehe oben § 8. 59 Siehe oben § 13.1 1. 60 Neuhaus, Grundbegriffe, § 41 III 1, S. 312; LG Hamburg IPRspr. 1977 Nr. 65; OLG Hamm IPRspr. 1978 Nr. 81 = NJW 1978, S. 1747, 1748; OLG Karlsruhe IPRspr. 1993 Nr. 91 = FamRZ 1993, S. 848. 61 von Hoffmann, IPR, § 6, Rdnr 121; Raape/Sturm, IPR, § 20 A I 3 b, S. 380 befürworten dagegen auch hier eine primäre Unteranknüpfung an die Zugehörigkeit zu einem Einzelstaat. 62 Insoweit zutreffend Soergel /Kegel, Art. 4 EGBGB, Rdnr 55; Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB, Rdnr 328; MünchKomm /Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 102. 63 AG Tübingen IPRspr. 1992 Nr. 150 = StAZ 1992, S. 217, 218: Die Verbundenheit mit einem Teilstaat wurde hier nur durch die Geburt und den damit einhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt vermittelt.

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3. Teil, 3. Kap: Interlokale Unteranknüpfung

Problematischer stellt sich die Situation dar, falls die Anknüpfungsperson in mehreren Einzelstaaten gelebt hat. Auch dieser Umstand ist aber weitgehend unschädlich, sofern zum maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkt ein gewöhnlicher Aufenthalt im Heimatland besteht64. Lebt der Betroffene dagegen im Ausland, dann kommt es bei der Bestimmung des interlokal anwendbaren Rechts entscheidend auf die Dauer und den Zeitpunkt des gewöhnlichen Aufenthalts in den verschiedenen Einzelstaaten an. Dabei sollte aberrichtigerweise nicht schematisch auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt werden, weil die Anknüpfungsperson dort u.U. nur verhältnismäßig kurz gelebt haben kann65. Daneben sind vor allem die familiären und verwandtschaftlichen Bindungen des Betroffenen in die Abwägung mit einzubeziehen. Anhand dieser Kriterien wird sich i.d.R. eine engste Verbindung mit einem Teilstaat feststellen lassen. Anders verhält es sich dagegen bei Personen, die sich zu keinem Zeitpunkt ihres Lebens in ihrem Heimatstaat gewöhnlich aufgehalten haben. Hier kann von vornherein nur auf die persönlichen Beziehungen abgestellt werden, die nicht zuletzt durch die Herkunft der Eltern vermittelt sein dürften. Lassen diese Umstände erkennbar auf eine engste Bindung an einen der Einzelstaaten schließen, so sollte Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB auf diese Teilrechtsordnung verweisen. Dies wird aber nicht immer der Fall sein, weshalb die Bestimmung des interlokal anwendbaren Rechts dann mittels einer Ersatzanknüpfung erfolgen muß. ΙΠ. Nichtfeststellbarkeit einer engsten Verbindung Von der Nichtfeststellbarkeit einer engsten Verbindung mit einem Einzelstaat ist etwa in folgendem Beispiel auszugehen: Ein US-Amerikaner, dessen Eltern aus verschiedenen Bundesstaaten stammen, wird in der Bundesrepublik geboren, wo er sich während seines gesamten Lebens gewöhnlich aufhält. Zwar wächst er als Kind zweisprachig auf, verwandtschaftliche oder sonstige soziale Kontakte zu den USA bestehen aber nicht.

Auch in diesem Zusammenhang liegt es zunächst nahe, sich an der für Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB entwickelten Ersatzanknüpfung zu orientieren 66. Eine Anknüpfung an das schwächere67, wahrscheinlichere68 oder der lex fori näher stehende Teilrecht 69 scheidet demgegenüber aus den weiter oben genannten Gründen aus70. 64

Eine echte Anknüpfungsverlegenheit besteht daher letztlich nur im Falle eines mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalts, s.o. § 8. III 3. 65 Vgl. OLG München IPRspr. 1993 Nr. 71 = FamRZ 1994, S. 634; Dörnen StAZ 1990, S. 1, 3; Palandt/ Heldrich, Art. 5 EGBGB, Rdnr 2. 66 Siehe oben § 8. IV 5. 67 Vgl. Soergel I Schurig, Art. 17 EGBGB, Rdnr 20, Fn. 2.

68 Lüderitz, IPR, Rdnr 174. 69 Spickhoff, JZ 1993, S. 336, 340. 70 Siehe oben § 13. Π 2 - 4 .

§1

Unteranknüpfung bei e n

Anknüpfngssubjekt

183

1. Offenlassen der Rechtswahl Stimmen die in Betracht kommenden Teilrechtsordnungen im materiellrechtlichen Ergebnis überein, so kann die Entscheidung über das interlokal anwendbare Recht auch hier offenbleiben. Ein entsprechendes Vorgehen ist sach- und interessengerecht und daher allen anderen Hilfsanknüpfungen vorzuziehen.

2. Präferenz

der Anknüpfungsperson

Scheidet ein Offenlassen der Rechtswahl aus, dann sollte nach der hier vertretenen Ansicht bei Scheitern der objektiven Unteranknüpfung primär auf subjektive Faktoren abgestellt werden. Allerdings ist die Präferenz des Betroffenen auch im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB nur zu berücksichtigen, wenn (1 ) zu allen Teilstaaten nicht gänzlich unerhebliche Verbindungen bestehen und (2) sich aufgrun deren Gleichgewichtigkeit keine objektiv engste Verbindung zu einer Teilrechts nung ermitteln läßt 71. Die entsprechende Äußerung der Anknüpfungsperson muß nämlich glaubhaft erscheinen72. An dieser Voraussetzung fehlt es etwa im obigen Beispielsfall, weil der Betroffene weder in einem US-Bundesstaat gelebt hat noch nennenswerte verwandtschaftliche Kontakte zu einem dieser Staaten unterhält. Dagegen kommt eine Berücksichtigung der Präferenz der Anknüpfungsperson in Betracht, wenn diese abwechselnd und für in etwa gleich lange Zeit in verschiedenen Teilstaaten gelebt hat. Ebenso für den Fall, daß eine kürzere Aufenthaltsdauer in einem Einzelstaat durch stärkere soziale Bindungen zu einem anderen Teilrechtsgebiet ausgeglichen wird. Hier kann letztlich nur der Betroffene selbst darüber entscheiden, mit welchem Recht er sich am engsten verbunden fühlt. Auf den ersten Blick besteht damit eine gewisse Ähnlichkeit mit der namentlich von Hay vertretenen Ansicht, wonach dem Antragsteller die Wahl zwischen den in Betracht kommenden Teilrechten zustehen soll73. Diese Ersatzanknüpfüng ist jedoch für die interlokale Unteranknüpfung bei zwei Anknüpfungssubjekten entwikkelt worden. Würde man indes im Rahmen des Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB eine solche letzthilfsweise Konkretisierung der gemeinsamen engsten Verbindung vornehmen, so wäre eine einseitige Bevorzugung des Antragstellers die Folge74. Ob und in welchem Umfang Hay auch bei Vorhandensein nur einer Anknüpfungsperson eine Berücksichtigung der Präferenz des Betroffenen für möglich hält, ist unklar. Jedenfalls orientiert sich Hay insoweit nicht etwa an den objektiv vorhandenen Verbindungen zu den verschiedenen Teilrechten. Er stellt vielmehr diejenigen Einzelrech71

Zur Begründung s.o. § 8. IV 5 a. 72 Ähnlich OLG Frankfurt IPRspr. 1981 Nr. 180 = FamRZ 1982, S. 528. 73 Hay, IPRax 1988, S. 265,267; wohl auch Henrich, Int. FamilienR, S. 98. 74 Siehe oben § 13. II 2.

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3. Teil, 3. Kap: Interlokale Unteranknüpfung

te (uneingeschränkt) zur Wahl, für die nach US-amerikanischem Recht eine personal jurisdiction des Antragstellers besteht75. Mithin werden gänzlich andere Erwägungen angestellt als bei der hier vorgenommenen Ersatzanknüpfung an die glaubhaft geäußerte Präferenz der Anknüpfungsperson.

3. Letzter gewöhnlicher Aufenthalt in einem Einzelstaat Allerdings muß die letzthilfsweise Konkretisierung des Art. 4 Ι Π 2 EGBGB mittels einer anderen Hilfsanknüpfung erfolgen, falls sich eine Präferenz des Betroffenen nicht sicher ermitteln läßt. So etwa dann, wenn die Anknüpfungsperson verstorben oder verschollen ist 76 . Auch bei (Klein-)Kindern wird eine überwiegende persönliche Verbundenheit mit einem Teilstaat in aller Regel nicht feststellbar sein77. Unbeachtlich ist die Willensäußerung des Betroffenen schließlich auch in dem bereits genannten Fall, daß sie sich nicht anhand objektiver Anknüpfungsmomente nachvollziehen läßt und daher willkürlich erscheint. In allen diesen Konstellationen ist statt dessenrichtigerweise auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Einzelstaat zurückzugreifen. Zwar kann eine schematische Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt auch bei Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB zu unangemessenen Ergebnissen führen. Bei Gleichwertigkeit der objektiven Bezüge sollte jedoch die Verbundenheit mit dem letzten Aufenthaltsstaat den Ausschlag geben. Dafür spricht vor allem der Gedanke der Rechtssicherheit und -klarheit. Insbesondere bei der Bestimmung des Erbstatuts muß der Rechtsanwender nämlich auch in Grenzfällen zu vorhersehbaren Ergebnissen gelangen können78. 4. Keine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips Auch die soeben vorgeschlagene Ersatzanknüpfung versagt indes dann, wenn sich die Anknüpfungsperson, wie in dem oben genannten Beispiel, zu keinem Zeitpunkt ihres Lebens in einem der Teilstaaten ihres Heimtlandes gewöhnlich aufgehalten hat. In Ermangelung sonstiger (familiärer) Bindungen soll nach der hier vertretenen Ansicht im Bereich des Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips erfolgen können. Dies wurde damit begründet, daß zu den Heimatstaaten nicht nur vergleichsweise schwache Verbindungen bestehen, sondern sich diese auch noch gegenseitig aufheben 79. In Anbetracht des er75 Kritisch hierzu mit Recht Bungert, IPRax 1993, S. 10, 12; Stoll, Fschr. Keller, S. 511, 524, Fn. 45a. 76

Mansel, Personalstatut, Rdnr 404. 77 Vgl. Dörner, StAZ 1990, S. 1, 3. 78 Siehe oben § 8. IV 5 b. 79 Siehe oben § 8. IV 5 c.

§1

Unteranknüpfung bei e n

Anknüpfungssubjekt

185

heblichen Verlustes an Rechtssicherheit kann hier ausnahmsweise von einem Scheitern der Staatsangehörigkeitsanknüpfung gesprochen werden. Fraglich ist nun, ob diese Wertung auch auf die interlokale Unteranknüpfung zu übertragen ist. So werden in dem eingangs geschilderten Beispiel die ohnehin nicht gerade starken Bezüge zum US-amerikanischen Recht in der Tat noch dadurch zusätzlich geschwächt, daß der Rechtsanwender nicht weiß, welchem Einzelstaat der Betroffene zuzuordnen ist. Somit läßt sich auch hier ein gewisser Verlust an Rechtssicherheit beobachten. Trotzdem sollte aberrichtigerweise keine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips erfolgen. Die Anknüpfungsverlegenheit besteht nämlich allein auf inttdokaler Ebene. Zudem begründen selbst die Stimmen, die bei mehreren Anknüpfungssubjekten einen Übergang zum Aufenthaltsrecht für möglich halten, dieses Vorgehen zumeist damit, daß mit Art. 14 I Nr. 2 EGBGB ja gerade eine entsprechende subsidiäre Anknüpfungsstufe zur Verfügung stehe80. Hieran fehlt es aber im Bereich des Personalstatuts, da Art. 5 I EGBGB von einem strikten Vorrang der Staatsangehörigkeitsanknüpfung ausgeht. Die interfltfi/tfttfl/privatrechtliche Verweisung bereitet indes keine Schwierigkeiten, weil die Anknüpfungsperson nur einem einzigen Staat angehört. Mithin kann insoweit nicht von einer bestehenden Rechtsunsicherheit gesprochen werden. Die für Art. 5 11 Halbs. 2 EGBGB entwickelte letzte Stufe der Anknüpfung ist folglich zur letzthilfsweisen Konkretisierung des Art. 4 III 2 EGBGB nicht geeignet.

5. Recht der Landeshauptstadt Aus den genannten Gründen muß in dem obigen Beispiel eine Auswahl zwischen den US-Bundesstaaten getroffen werden. Geht man von der Prämisse aus, daß der Entscheidungsmaßstab möglichst dem Heimatstaat des Betroffenen zu entnehmen ist, so bleibt auch hier kein anderer Ausweg, als in letzter Konsequenz das Recht der Landeshauptstadt anzuwenden. Im Beispielsfall würde Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB somit auf das Recht des District of Columbia verweisen. Zwar bestehen gegen diese Ersatzanknüpfung die oben genannten Einwände81. Ihr ist aber vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit der Vorzug zu geben82. Zudem führt die Anwendung des Rechts der Landeshauptstadt auch deshalb nicht zu unbilligen Ergebnissen, weil die Anknüpfungsperson ebensowenig mit einem anderen Einzelstaat in nennenswerter Weise verbunden ist. Ansonsten hätte nämlich auf andere Weise eine Konkretisierung des Art. 4 ΙΠ 2 EGBGB vorgenommen werden können. Eine vollständig befriedigende Lösung läßt sich aber auch hier nicht finden.

so Stoll, Fschr. Keller, S. 511, 523; MünchKomm / Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rdnr 103; Kropholler, IPR, § 29 II 1 c, S. 184; vgl. auch AG Rosenheim IPRspr. 1992 Nr. 104. 81 Siehe oben § 13.115. 82 Siehe oben § 13.117.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

Viertes Kapitel

Schuldvertragsstatut Im Bereich der objektiven Anknüpfung des Schuldvertrages ist der Rechtsanwender in mehrfacher Weise zur Konkretisierung der engsten Verbindung berufen. Zunächst einmal dann, wenn das anwendbare Recht unmittelbar über Art. 28 I EGBGB bestimmt wird, weil keine der Vermutungsregeln der Abs. 2 bis 4 einschlägig ist. Andererseits kann aber auch mittels der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB ein Abweichen von der Regelanknüpfung geboten sein. Im folgenden soll nun aufgezeigt werden, welche Umstände der Rechtsanwender insoweit bei der Ermittlung der engsten Verbindung des Vertrages zu berücksichtigen hat.

§ 1 5 A r t 2 8 1 EGBGB Nach der Generalklausel des Art. 28 I 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Die Ermittlung des Vertragsstatuts erfolgt allerdings nicht in erster Linie durch Rückgriff auf diese Generalklausel. Vorrangig muß nämlich immer geprüft werden, ob nicht eine der Vermutungen des Art. 28 Π-IV EGBGB eingreift 1. Nur wenn dies nicht der Fall ist, wird das maßgebliche Recht unmittelbar über Art. 28 I 1 EGBGB bestimmt.

I. Unanwendbarkeit des A r t 28 I I EGBGB Grundlegende Bedeutung für das internationale Schuldvertragsrecht kommt der Vorschrift des Art. 28 I I 1 EGBGB (Art. 4 I I 1 EVÜ) zu. Vertragsstatut ist danach das Recht des Staates, in dem der Schuldner der charakteristischen Leistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. seinen Hauptverwaltungssitz hat. Dieser Anknüpfungsgrundsatz beruht dabei auf der vor allem von Adolf F. Schnitzer entwickelten Vertragstypenlehre2. Allerdings findet sich weder im EVÜ noch im EGBGB eine Definition des Begriffs der „charakteristischen Leistung". Auch im Bericht von Giuliano /Lagarde heißt es lediglich, daß für den Vertrag die Leistung charakteristisch sein soll, „für die die Zahlung geschuldet wird" 3. Daraus kann nun gefolgert werden, daß diejenige Leistung als charakteristisch anzusehen ist, die den Vertrag rechtlich prägt und ihn damit von 1 Ferid, IPR, Rdnr 6-37,4; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 164; v. Bar, IPR II, Rdnr 486; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 16. 2 Schnitzer, Handbuch des IPR II, S. 639-646. 3 Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 52.

§ 1 Art. 28 I EGBGB

187

anderen unterscheidet4. Maßgeblich ist deshalb häufig die Leistung, die dem Vertrag seinen Namen gibt5. Nach der Lehre von der charakteristischen Leistung soll mithin die Eigenart des jeweiligen Rechtsverhältnisses über dessen kollisionsrechtliche Einordnung entscheiden6. Dabei wird das Anknüpfungsmerkmal nicht aus äußeren Umständen abgeleitet, sondern vielmehr dem Vertrag selbst entnommen7. Die Anknüpfung an die charakteristische Leistung ist jedoch nicht selten deshalb kritisiert worden, weil durch sie die stärkere Vertragspartei begünstigt und der die Geldleistung schuldende Verbraucher benachteiligt werde8. Abgesehen davon, daß der Verbraucherschutz an anderer Stelle erhebliche Berücksichtigung erfahren hat9, führt die Anknüpfung an die charakteristische Leistung aber zu einem hohen Maß an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit10. Auch in der Praxis bereitet die Handhabung des Art. 28 Π 1 EGBGB i.d.R. keine Schwierigkeiten11. Trotzdem kann der Grundsatz der Maßgeblichkeit der charakteristischen Leistung nicht uneingeschränkt gelten. Deshalb legt Art. 28 Π 3 EGBGB auch fest, daß Art. 28 Π EGBGB nicht anzuwenden ist, wenn sich die charakteristische Leistung nicht bestimmen läßt. Durch diese Vorschrift soll indes keine Ausnahme von der Regelanknüpfung begründet, sondern nur klargestellt werden, daß es mangels Feststellbarkeit der charakteristischen Leistung an einer der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Vermutungsregel des Art. 28 Π EGBGB fehlt 12. Über Art. 28 Π 3 EGBGB kommt in diesen Fällen dann die Anknüpfungsgeneralklausel des Art. 2811 EGBGB zur Anwendung.

1. Tausch Der wohl am häufigsten genannte Anwendungsfall des Art. 28 I I 3 EGBGB ist der Tausch. Bei diesem stehen sich zwei gleichartige Leistungen gegenüber, so daß sich eine charakteristische Leistung nicht bestimmen läßt13. Von einem Teil der Li4 Staudinger/Magnus, Art. 28 EGBGB, Rdnr 70; Kropholler, IPR, § 52 III 2, S. 416; Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 3; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 21. s v. Bar, IPR II, Rdnr 495; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 23. 6

Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 110. 7 Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 52. 8 Jessurun d'Oliveira, Am.J.Comp.L. 25 (1977), S. 303, 327; Gunst, Charakteristische Leistung, S. 122. 9 Vgl. Artt. 29, 30 und 34 EGBGB.

10 MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 28; v. Bar, IPR II, Rdnr 506; Kropholler, IPR, § 52 III 2 a, S. 417. u Ebke, in: v. Bar (Hrsg.): Europ. GemeinschaftsR und IPR, S. 77, 103. 12 BT-Drucks. 10/504, S. 78. 13 Gunst, Charakteristische Leistung, S. 188; Palandt/Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 9; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 33; Kegel/Schurig, IPR, § 18 I 1 d, S. 579; Jay me, IPRax 1982, S. 29; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 300, 317.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

teratur wird es allerdings im Einzelfall für möglich gehalten, beim Tausch eine Leistung als Hauptleistung und die andere lediglich als deren Entgelt anzusehen14. Beim Tausch sind die erbrachten Leistungen aber gerade typischerweise gleichgewichtig. Das Überwiegen einer Leistung kann deshalb nur im Rahmen einer umfassenden Gesamtbetrachtung nach Art. 28 I 1 EGBGB festgestellt werden, nicht aber dadurch, daß eine Leistung zur charakteristischen erhoben wird 15 . Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Vertrag in Rede steht, der trotz Vorhandenseins eines Tauschelementes überwiegend einem anderen Vertragstypus (ζ. B. Kaufvertrag, gemischte Schenkung) zuzuordnen ist 16 . Uneinigkeit besteht jedoch darüber, auf welche Weise das Vertragsstatut bei Versagen des Anknüpfungsmerkmals der charakteristischen Leistung zu ermitteln ist. Nur selten wird dabei für eine Vertragsspaltung (Art. 28 I 2 EGBGB) plädiert, die zur Folge hätte, daß die Verpflichtungen dem Recht am jeweiligen Erfüllungsort unterstünden17. Der überwiegende Teil des kollisionsrechtlichen Schrifttums will hingegen über Art. 28 I 1 EGBGB ein einheitliches Vertragsstatut bestimmen. Allerdings wird zumeist nicht genannt, welche Umstände bei der insoweit vorzunehmenden Gesamtbetrachtung den Ausschlag geben sollen18. Andererseits findet sich aber der ausdrückliche Hinweis auf den Abschlußort des Vertrages, die Erfüllungsorte sowie den jeweiligen Sitz der Parteien19. Trotzdem stehen aber bei der Anknüpfung immer die Besonderheiten des Einzelfalls ganz im Vordergrund. Demgegenüber hat sich Kegel um eine weitere Typisierung bemüht. Nach seiner Auffassung findet eine Gesamtbewertung nach Art. 28 11 EGBGB nur statt, wenn es sowohl an einer charakteristischen als auch an einer berufstypischen Leistung fehlt; ansonsten gebühre letzterer der Vorrang 20. Als Beispiel nennt er den Fall eines Privatmannes, der in Athen bei einer Bank Geld wechselt. Insoweit komme selbstverständlich griechisches Recht zur Anwendung. Diese Ansicht beruht auf dem von Kegel entwickelten „Prinzip der geringsten Störung". Danach soll das Recht der Vertragspartei angewendet werden, die von der Anwendung fremden Rechts härter betroffen würde 21.

14

Schulze, Vertragsstatut, S. 108; MünchKomm IMartiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 127; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 128. is Gunst, Charakteristische Leistung, S. 188; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 51. Auch Schulze, Vertragsstatut, S. 108 vermag keinen weiteren Anwendungsfall zu nennen. π v. Bar, IPR II, Rdnr 513. is Vgl. zum Tausch beweglicher Sachen: Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 9; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 33; Reithmann /Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 128; Gunst, Charakteristische Leistung, S. 189; Kropholler, IPR, § 52 III 2 b, S. 417. 19 Soergel/ von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 158. 20 Kegel/Schurig, IPR § 18 I 1 d, S. 579; zustimmend Ferid, IPR, Rdnr 6-47,2.

§ 15 Art. 28 I EGBGB

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Soweit ersichtlich hat die Rechtsprechung bisher noch nicht zu der Frage Stellung genommen, welches Recht auf den Tausch beweglicher Sachen anzuwenden ist. Einschlägige Judikatur findet sich lediglich zum Grundstückstausch22. Dieser wird teilweise ebenfalls dem Art. 28 Π EGBGB unterstellt, da es an einem Vertrag über ein dingliches Recht an einem Grundstück fehle, so daß Art. 28 ΠΙ EGBGB von vornherein nicht eingreifen könne23. Richtiger erscheint es allerdings, Art. 28 ΠΙ EGBGB deshalb nicht anzuwenden, weil sich die Hinweise auf die lex rei sitae gegenseitig aufheben, wenn die Grundstücke in unterschiedlichen Staaten belegen sind24. In diesem Fall muß dann eine Gesamtbewertung nach Art. 28 I 1 EGBGB erfolgen. Die Rechtsprechung hat sich dabei zunächst für eine Vertragsspaltung ausgesprochen25, später aber einheitlich an das Recht des beurkundenden Notars angeknüpft 26. Letzteres ist in der Literatur auf breite Zustimmung gestoßen27. Auch diese Anknüpfung hilft aber nicht weiter, wenn zwei Beurkundungen erfolgen oder die einheitliche Beurkundung in einem Drittstaat vorgenommen wird. Dann soll einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Vertragschließenden erhebliche Bedeutung zukommen28. Gleiches dürfte für einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zu gelten haben.

2. Kompensationsgeschäfte Auch bei den Kompensations- oder Gegengeschäften wird eine Anknüpfung an die charakteristische Leistung oftmals nicht für möglich gehalten29. Unter dem Begriff „Gegengeschäft" faßt man üblicherweise solche wirtschaftlichen Transaktionen zusammen, bei denen sich die Parteien bei Abschluß eines Exportvertrages verpflichten, wechselseitig Waren oder Dienstleistungen zu erbringen oder abzunehmen30. Der Abschluß des Gegengeschäfts dient dabei jeweils dem Zweck, einen Devisenrückfluß in das Importland sicherzustellen. Für die genaue rechtliche 21 Kegel/Schurig, IPR § 18 I 1 d, S. 577: „Deswegen geht gewöhnlich der Staat vor dem Einzelnen, der Kaufmann vor dem Privatmann, der Schuldner von Sachen oder Diensten vor dem Geldschuldner." 22 LG Berlin IPRspr. 1929 Nr. 27; LG Amberg IPRax 1982, S. 29. 23 Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 9. 24 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 128; v. Bar, IPR II, Rdnr 516; Soergel Ivon Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 159; Erman / Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr 33. 25 LG Berlin IPRspr. 1929 Nr. 27. 26 LG Amberg IPRax 1982, S. 29 m. zust. Anm. Jayme. 27 Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 9; MünchKomm IMartiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 127; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB Rdnr 33; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 159; v. Bar, IPR II, Rdnr 516. 28 Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 860. 29 Basedow, NJW 1986, S. 2971, 2978; Hohloch, JuS 1989, S. 81, 88; Soergel/ww Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 56. 30 Niggemann, RIW 1987, S. 169, 170.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

Einordnung ist allerdings zwischen drei Gestaltungsformen zu unterscheiden: dem Tauschgeschäft („barter deal"), dem Gegenkauf („counter-purchase") und dem Produktabnahme vertrag (,3uy-back"-Vertrag) 31. Beim in der Praxis recht seltenen Tauschgeschäft kommt es im Rahmen eines einzigen Vertrages zu dem direkten Austausch von Sachleistungen, ohne daß eine Entgeltzahlung erfolgt. Beim Gegenkauf existiert hingegen neben dem Exportvertrag eine weitere rechtliche Vereinbarung, mit welcher sich der Exporteur zur Abnahme von Produkten aus dem Importland verpflichtet. Ähnlich auch beim Produktabnahmevertrag: Hier verpflichtet sich der Exporteur in einem separaten Vertrag zum Kauf von Produkten, die in der von ihm errichteten Anlage hergestellt wurden. Allen Gestaltungsformen ist jedoch gemeinsam, daß die Grundzüge des geplanten Leistungsaustausches in Grundlagenverträgen (den sog. Protokollen) festgelegt werden 32. Außerdem besteht in aller Regel eine enge wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen Exportvertrag und Gegengeschäft, sofern diese nicht wie beim Tauschgeschäft ohnehin zusammenfallen. Beide Vereinbarungen werden nämlich nicht nur nach parallelen Verhandlungen gleichzeitig abgeschlossen, sondern der Exportvertrag ist zudem Bezugsgröße für den Umfang der Gegengeschäftsverpflichtung 33. Teilweise wird sogar ausdrücklich auf einzelne Klauseln des Exportvertrages verwiesen. Aus dem soeben Gesagten folgt, daß das Vertragsstatut für das Tauschgeschäft grds. über Art. 28 I 1 EGBGB zu ermitteln ist, da die Bestimmung einer charakteristischen Leistung nach Art. 28 Π 3 EGBGB ausscheidet. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum Tausch verwiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn innerhalb eines einzigen Vertrages ein Warenaustausch erfolgt und dabei lediglich die Spitzenbeträge in Geld auszugleichen sind34. Demgegenüber bestehen beim Gegenkauf und beim Produktabnahmevertrag zwei eigenständige Verträge nebeneinander. Deshalb kann grds. für beide Verpflichtungen die jeweils charakteristische Leistung bestimmt werden, was allerdings zu einem uneinheitlichen Vertragsstatut führen würde. In der Praxis kommt es nun aber nicht selten vor, daß Exportvertrag und Gegengeschäft verschiedenen Rechten unterliegen35. Allein der Abschluß in einer einheitlichen Urkunde vermag nämlich an der rechtlichen Selbständigkeit beider Verträge nichts zu ändern36. Mithin ist bei Kompensationsgeschäften zur Ermittlung des Vertragsstatuts keineswegs immer eine Gesamtabwägung nach Art. 28 I 1 EGBGB erforderlich 37. Dies 31 Niggemann, RIW 1987, S. 169, 170 m. w. N. 32 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 56. 33 Niggemann, RIW 1987, S. 169,177. 34 Hier ist dann allerdings eine Abgrenzung zum Gegenkauf vorzunehmen (Vertragsschwerpunkt). 35 Niggemann, RIW 1987, S. 169, 178. 36 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 153; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 97.

§ 1 Art. 28 EGBGB

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gilt vielmehr lediglich für das (seltene) Tauschgeschäft, auf das Art. 28 Π 3 EGBGB zur Anwendung kommt. Stets können sich aber Besonderheiten aus den sog. Gegengeschäftsprotokollen ergeben. Diese sind i.d.R. einem Rahmenvertrag vergleichbar38. Überwiegend wird nun vertreten, daß die der Ausfüllung eines Rahmenvertrages dienenden Einzelverträge dem Recht des Rahmenvertrages unterliegen39. Nach der Gegenansicht folgen Rahmenvertrag und Einzelverträge hingegen jeweils ihrem eigenen Statut40. Nicht zuletzt auch wegen der ausdrücklichen Bezugnahme des Gegengeschäfts auf den Exportvertrag könnte aber in der Tat einiges dafür sprechen, bei Kompensationsgeschäften einheitlich das Statut des Exportvertrages maßgeblich sein zu lassen41. Allerdings dürfte eine solche einheitliche Anknüpfung ausgeschlossen sein, wenn in dem Rahmenvertrag überwiegend Rechte und Pflichten des Importeurs geregelt sind42. Dies kann insbesondere bei den Produktabnahmeverträgen der Fall sein, bei denen der Hersteller ein großes Interesse daran hat, den Verkauf der Produkte durch den Lieferanten der Anlage auf bestimmte Länder zu begrenzen43. Das Verhältnis von Rahmenvertrag und Einzelverträgen einerseits sowie von Exportvertrag und Gegengeschäft andererseits betrifft nun aber die Frage, ob das Vertragsstatut nicht im Einzelfall in Anlehnung an einen Hauptvertrag zu bestimmen ist. Kann aber für den angelehnten Vertrag grds. eine eigene charakteristische Leistung ermittelt werden, dann findet insoweit nicht Art. 28 I 1 EGBGB, sondern vielmehr die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB Anwendung44. Die Kompensationsgeschäfte stellen deshalb hauptsächlich einen Anwendungsfall von Art. 28 Π , ν EGBGB dar. 3. Vereinbarung

gegenseitiger Vertriebspflichten

Schwierigkeiten bereitet die Feststellung der charakteristischen Leistung und damit die Anknüpfung nach Art. 28 I I EGBGB auch dann, wenn die Parteien im Rah37 Zu undifferenziert deshalb Basedow, NJW 1986, S. 2971,2978; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 56; wie hier MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 127a; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 235. 38 Niggemann, RIW 1987, S. 169,175. 39 v. Bar, IPR II, Rdnr 490; MünchKomm IMartiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 101; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 157; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 232; vgl. auch OLG Hamm IPRspr. 1982 Nr. 19 = NJW 1983, S. 523, 524. 40 Schurig, IPRax 1994, S. 27, 30. Zu weit geht OLG Koblenz IPRspr. 1985 Nr. 139 = RIW 1986, S. 459, 461, wonach für den Vertragshändlervertrag grds. die zwischen Vertragshändler und Lieferant abgeschlossenen Einzelverträge charakteristisch sein sollen. So auch MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 127a. 42 Vgl. IPG 1984 Nr. 18 (Köln), S. 156, 159. 43 Deshalb kommt insoweit sogar eine einheitliche Anknüpfung an das Recht des Importlandes in Betracht, zumal dort auch der Errichtungsort der Anlage liegt. 44 v. Bar, IPR II, Rdnr 504; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 115.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

men eines atypischen Vertrages vereinbaren, wechselseitig Waren zu beziehen und zu vertreiben 45. Auch die Rechtsprechung hatte sich schon mit der Bestimmung des Vertragsstatuts bei derartigen Verträgen zu befassen. Dabei wurde stets eine Vertragsspaltung angenommen und das Recht des jeweiligen Erfüllungsortes angewendet46. Teilweise findet sich insoweit lediglich der kurze erklärende Hinweis, daß „enge Bindungen" mit keiner der beteiligten Rechtsordnungen bestünden47. Andererseits wurde die Nichtfeststellbarkeit eines besonderen Vertragsschwerpunktes aber auch damit begründet, daß es im konkreten Fall kein Übergewicht der Lieferungen einer Seite gab48. Allerdings wurde der Vertrag im letztgenannten Fall von einem deutschen Rechtsanwalt entworfen. Da die Parteien aber einen französischen Vertragstext unterschrieben hatten und die Vertragsverhandlungen (zumindest) auch in Frankreich geführt wurden, konnte dies nach Ansicht des Gerichts ebenfalls nicht zur Anwendung des deutschen Rechts auf den gesamten Vertrag führen 49. In der Literatur wird hingegen überwiegend die Bestimmung eines einheitlichen Vertragsstatuts gefordert. Dabei soll sogar eher marginalen Kriterien wie dem Abschlußort oder der Vertragssprache entscheidende Bedeutung zukommen können50. Es wird jedoch auch eingeräumt, daß es im Einzelfall zu einer Vertragsspaltung kommen kann51. Zudem bezeichnen Firsching/von Hoffmann die Anknüpfung an den Abschlußort des Vertrages ausdrücklich als eine „Notlösung"52. Einigkeit besteht deshalb nur insoweit, als daß für die Ermittlung des Vertragsstatuts bei Vereinbarung gegenseitiger Vertriebspflichten eine Gesamtabwägung aller Umstände nach Art. 28 I EGBGB zu erfolgen hat. 4. Lizenztausch Ähnlich stellt sich die Situation auch beim Lizenztausch dar. Zunächst einmal ist bei Lizenzverträgen umstritten, ob über Art. 28 II 1 EGBGB das Recht des Lizenzgebers, das Recht des Lizenznehmers oder das Recht des Schutzlandes berufen wird 53 . Unabhängig von diesem Meinungsstreit, auf den an anderer Stelle noch 45 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 52; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 127; Fn. 391; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 106. 46 LG Dortmund IPRax 1989, S. 51; OLG Hamm IPRspr. 1989 Nr. 181 = NJW 1990, S. 652. 47 LG Dortmund IPRax 1989, S. 51. 48 OLG Hamm IPRspr. 1989 Nr. 181, S. 404. 49 OLG Hamm IPRspr. 1989 Nr. 181, S. 404. 50 Jayme, IPRax 1989, S. 51, 52; Reithmann/Martiny, mann, IPR, § 10, Rdnr 64.

Int. VertragsR, Rdnr 127; von Hoff-

51 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 267. 52 von Hoffmann, IPR, § 10, Rdnr 64. 53 Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 173-180; Reithmann/Hiestand, tragsR, Rdnr 1272-1275 m. w. N. zum Streitstand.

Int. Ver-

§ 1 Art. 28 EGBGB

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näher einzugehen ist 54 , versagt das Kriterium der charakteristischen Leistung aber jedenfalls dann, wenn die Gegenleistung für die Lizenzeinräumung in der Überlassung einer anderen Lizenz besteht (Lizenztausch). Das OLG Düsseldorf hat sich deshalb in einem Fall für Vertragsspaltung ausgesprochen, bei dem ein deutsches Unternehmen einer französischen Gesellschaft eine ausschließliche Lizenz an einem deutschen Patent eingeräumt und dafür eine ausschließliche Lizenz an einem französischen Patent erhalten hatte55. In der Literatur wird hingegen auch in diesen Fällen eine Vertragsspaltung ganz überwiegend abgelehnt56. Vielmehr sei nach den Umständen des Einzelfalls ein einheitliches Vertragsstatut zu bestimmen. Beim Lizenztausch kann dies indes erhebliche Schwierigkeiten bereiten: Haben nämlich nicht nur die Vertragsparteien ihren Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten, sondern bestehen für die ausgetauschten Lizenzen zudem auch noch unterschiedliche Schutzländer, so kann auf keines der herkömmlich genannten Anknüpfungsmerkmale zurückgegriffen werden. Aus diesem Grund wird von einem Teil des Schrifttums eine an außerjuristischen, insbesondere wirtschaftlichen, Sachverhaltsmomenten orientierte Betrachtungsweise propagiert, mittels derer das „faktische Schwergewicht" des jeweiligen Vertrages zu bestimmen sei57. Nähere Präzisierungen fehlen jedoch auch hier. Teilt man diese Vorgehensweise nicht, dann kann man einer Vertragsspaltung letztlich nur entgehen, indem an das Recht des Abschlußortes angeknüpft wird. Voraussetzung hierfür dürfte allerdings sein, daß der Abschlußort von den Parteien nicht zufällig gewählt worden ist. Als maßgeblicher Anknüpfungspunkt kommt er folglich von vornherein nur in Betracht, wenn dort auch der Sitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt einer der Vertragsparteien liegt58.

5. Swap-Geschäfte Einen weiteren Anwendungsfall des Art. 28 II 3 EGBGB stellen die Swapgeschäfte dar. Dabei handelt es sich um Verträge zweier Parteien über den gegenseitigen Austausch von Geldzahlungen in festgelegten Zeiträumen59. Im wesentlichen lassen sich drei Grundformen feststellen: Zinsswaps (interest rate swaps), Währungsswaps (currency swaps) und kombinierte Zins-/Währungsswaps (cross cur54 Siehe unten § 16. VII 1. 55 OLG Düsseldorf IPRspr. 1960/61 Nr. 152 = AWD 1961, S. 295. 56 Troller, Int. Privat- u. ZivilprozeßR im gewerbl. Rechtsschutz u. UrheberR, S. 190; von Hoffmann, RabelsZ 40 (1976), S. 208, 212; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 504; vgl. auch Schwander, Fschr. Schluep, S. 501, 508; Wildhaber, Franchising im IPR, S. 190. 57 Pfaff AWD 1974, S. 241, 246; Lichtenstein, NJW 1964,*S. 1345, 1351; zustimmend Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 182. 58 Vgl. Troller, Int. Privat- u. ZivilprozeßR im gewerbl. Rechtsschutz u. UrheberR, S. 194. 59 Ebenroth, Fschr. Keller, S. 391,417. 13 Geisler

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

rency interest rate swaps)60. Zinsswapverträge haben die gegenseitige Verpflichtung zur Leistung von Zinszahlungen auf einen nominellen Kapitalbetrag zum Inhalt 61 . Beim Währungsswap werden hingegen wertgleiche Kapitalbeträge in unterschiedlichen Wahrungen zu einem festgelegten Kurs gegenseitig ausgetauscht und später zu einem ebenfalls festgelegten Kurs zurückgetauscht62. Hinsichtlich des Zinsswaps wird überwiegend vertreten, daß es sich bei ihm um einen atypischen Vertrag nach § 305 BGB handelt63. Reine Währungsswaps werden demgegenüber teilweise auch als doppelter Devisenkauf angesehen64. Auf diesen Meinungsstreit braucht hier indes nicht näher eingegangen zu werden. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung scheidet nämlich bei allen Swap-Geschäften eine Anknüpfung nach Art. 28 Π EGBGB deshalb aus, weil Leistung und Gegenleistung gleichermaßen vertragscharakteristisch sind65. Eine Ausnahme soll allerdings dann gelten, wenn eine Bank ein Swap-Geschäft mit einem Kunden „ohne eigenes unmittelbares Interesse" abschließt66. Wolle die Bank lediglich dem Kunden gegenüber eine Finanzdienstleistung erbringen, so werde die für das betreffende Swap-Geschäft charakteristische Leistung von eben dieser Bank geschuldet. Dieser Ansicht ist nun aber schon deshalb nicht zu folgen, weil eine Bank typischerweise gerade nicht uneigennützig handelt. Außerdem überzeugt es nicht, für die Ermittlung der charakteristischen Leistung auf die Motive eines Vertragspartners abzustellen. Entscheidend muß insoweit vielmehr stets die Eigenart des Vertrages sein67. Bei Swap-Geschäften ist das Vertragsstatut mithin über die Generalklausel des Art. 281 EGBGB zu bestimmen. In diesem Zusammenhang sprechen sich einige Stimmen im Schrifttum für eine generelle Vertragsspaltung aus, so daß die Leistungsverpflichtungen jeder Partei nach ihrem Sitzrecht beurteilt werden68. Zur Rechtfertigung wird vor allem auf die dadurch gewährleistete Vorhersehbarkeit der kollisionsrechtlichen Entscheidung verwiesen. Die Gegenauffassung bemüht sich hingegen um die Ermittlung eines einheitlichen Vertragsstatuts. Als mögliche Anknüpfungspunkte werden insoweit

60 R. Weber, Fschr. Schluep, S. 301, 303-305; Ebenroth/Messer, S. 1,6.

ZVglRWiss 87 (1988),

Assmann/Schütze, Handbuch, § 10, Rdnr 90. 62 Ebenroth, Fschr. Keller, S. 391, 417; Soergel/vow Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 362. 63 R. Weber, Fschr. Schluep, S. 301,312; Ebenroth, Fschr. Keller, S. 391,418. 64 Ebenroth/Messer, ZVglRWiss 87 (1988), S. 1,6. 65 MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 248; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 363; Assmann/Schütze, Handbuch, § 10, Rdnr 89; Kleiner, SchweizAG 60 (1988), S. 70. 66 Ebenroth, Fschr. Keller] S. 391,421. 67 Gunst, Charakteristische Leistung, S. 188; Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/ 503, S. 52; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 110. 68 Kleiner, SchweizAG 60 (1988), S. 70, 71; Assmann/Schütze, Handbuch, § 10, Rdnr 91.

§ 1 Art. 28 EGBGB

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der Ort der Zinssatzermittlung und der vorhandene Finanzmarkt genannt69. Teilweise wird zudem auf den gemeinsamen Erfüllungsort abgestellt70. Einschlägige Rechtsprechung zu dieser Frage existiert allerdings nicht.

6. Kooperationsverträge

(joint ventures)

Das Gemeinschaftsunternehmen (joint venture) stellt eine im internationalen Wirtschaftsverkehr häufig anzutreffende Organisationsform der Unternehmenskooperation und -Verflechtung dar 71 . Rechtlich kommt es dabei zu einer Vermischung vertraglicher und korporativer Elemente. Neben dem für die Entstehung des Gemeinschaftsunternehmens erforderlichen Gesellschaftsvertrag existiert nämlich auch noch die sog. Grundlagenvereinbarung, in welcher die Modalitäten der späteren Kooperation geregelt werden. Materiellrechtlich handelt es sich insoweit um einen Gründungsvorvertrag 72. Da die Grundlagenvereinbarung keine direkten gesellschaftsrechtlichen Wirkungen entfaltet, unterliegt sie nicht dem Gesellschafts-, sondern vielmehr dem Vertragsstatut73. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Einzelverpflichtungen wird dabei allerdings ganz überwiegend die Ermittlung einer charakteristischen Leistung und damit eine Anknüpfung des Kooperationsvertrages nach Art. 28 Π EGBGB für ausgeschlossen gehalten74. Nur vereinzelt findet sich die Auffassung, daß der wesentliche Teil einer Grundlagenvereinbarung i.d.R. in der Verabredung darüber bestehe, was die beteiligten Unternehmen in das Gemeinschaftsunternehmen einzubringen beabsichtigten. Deshalb sei auch grds. über Art. 28 Π 2 EGBGB das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Hauptniederlassung der Know-how-transferierenden Partei liege75. Diese Ansicht stellt jedoch zu einseitig auf den Aspekt des Technologietransfers ab. Auch wenn diesem nicht selten eine erhebliche Bedeutung zukommt, kann doch nicht behauptet werden, daß die Grundlagenvereinbarung typi69 R. Weber, Fschr. Schluep, S. 301, 314 m. w. N. 70 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 364; kritisch insoweit aber R. Weber, Fschr. Schluep, S. 301, 314. 71 L. Huber, Joint-Venture im IPR, S. 1; Zweigert/von Hoffmann, Fschr. Luther, S. 203, 204. 72 MünchKomm/Ebenroth 2, Anh. zu Art. 10 EGBGB, Rdnr 433; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 280; Reithmann/Kleinschmidt, Int. VertragsR 4, Rdnr 811. 73 BGH IPRspr. 1975 Nr. 6 = W M 1975, S. 387; StaudingerI Großfeld, IntGesR, Rdnr 710; MünchKomm/Martiny, Art. 37 EGBGB, Rdnr 33; MünchKomm/Ebenroth 2, Anh. zu Art. 10 EGBGB, Rdnr 433; Zweigert/von Hoffmann, Fschr. Luther, S. 203,207. 74 v. Bar, IPR II, Rdnr 512; MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 272a; StaudingerI Großfeld, IntGesR, Rdnr 711; Gunst, Charakteristische Leistung, S. 202; Juenger, RabelsZ 46 (1982), S. 57, 78; Schulze, Vertragsstatut, S. 108; Basedow, NJW 1986, S. 2971, 2978. 75 Reithmann/Kleinschmidt, Int. VertragsR 4, Rdnr 816. 13*

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

scherweise durch einen Lizenzvertrag geprägt wird 76 . Die Grundlagenvereinbarung statuiert nämlich nicht nur die Pflicht zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, sondern es finden sich in ihr auch Regelungen über die Willensbildung der Partner, die Grundsätze der Finanzierung und die Durchführung sonstiger flankierender Maßnahmen77. Das auf den Kooperationsvertrag anzuwendende Recht ist folglich mittels einer Gesamtbewertung aller Umstände nach Art. 28 I EGBGB zu bestimmen. Dabei wird zunächst vertreten, daß stets das Recht am Sitz des Gemeinschaftsunternehmens zur Anwendung kommen müsse, weil hier die korrespondierenden wirtschaftlichen Interessen der Partner rechtlich kulminierten78. Diese einheitliche Anknüpfung aller Kooperationsverträge ist aber jedenfalls dann überwiegend auf Ablehnung gestoßen, wenn der Sitz des joint venture in einem Drittstaat liegt79. Haben nämlich beide Partnerunternehmen ihren Sitz im gleichen Staat, dann sollen die engsten Verbindungen zum Recht dieses Staates bestehen80. Befürwortet wird die Anwendung des Sitzrechts des Gemeinschaftsunternehmens aber für den Fall, daß auch einer der Partner in demselben Staat seinen Sitz hat 81 . Gleiches soll gelten, sofern dort das „Zentrum der Geschäftstätigkeit" liegt 82 bzw. die Kooperation überwiegend auf dieses Land beschränkt ist 83 . Umstritten ist die Bestimmung des Vertragsstatuts aber vor allem dann, wenn mehrere Partner aus verschiedenen Staaten ein joint venture in einem dritten Staat gründen. Neben der Anknüpfung an den Sitz des Gemeinschaftsunternehmens 84 findet sich insoweit der Vorschlag, die für die Entscheidung maßgeblichen Sach-

76 Gothel, RIW 1999, S. 566, 571; Gunst, Charakteristische Leistung, S. 202; L. Huber, Joint-Venture im IPR, S. 103. Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 182, Fn. 41 will sogar umgekehrt den Lizenzvertrag dem Recht unterstellen, das für die Grundlagenvereinbarung maßgeblich ist. 77 Zweigert/von Hoffmann, Fschr. Luther, S. 203,206 m. w. N. 78 MünchKomm / Ebenroth 1, Anh. zu Art. 10 EGBGB, Rdnr 433; MünchKomm I Kindler, IntGesR, Rdnr 593. 79 Zweigert/von Hoffmann, Fschr. Luther, S. 203, 209; StaudingerI Großfeld, IntGesR, Rdnr 711. 80 Reithmann/Kleinschmidt, Int. VertragsR 4, Rdnr 817; L Huber, Joint-Venture im IPR, S. 107. Nach Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 283 soll in diesem Fall sogar eine Anknüpfung nach Art. 28 I I EGBGB möglich sein. Allerdings bleibt auch hier unklar, worin die charakteristische Leistung zu sehen ist. Richtigerweise muß daher auf Art. 28 I 1 EGBGB abgestellt werden. 81 Gothel, RIW 1999, S. 566, 573; L Huber, Joint-Venture im IPR, S. 108; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 283; Reithmann/Kleinschmidt, Int. VertragsR 4, Rdnr 817. 82 L. Huber, Joint-Venture im IPR, S. 107 sieht hierin sogar das in erster Linie zu prüfende Anknüpfungsmoment. Er räumt allerdings ein, daß sich bei Gemeinschaftsunternehmen relativ selten ein eigentlicher Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit feststellen lassen wird. 83 Soergel/ von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 283; Gothel, RIW 1999, S. 566, 572. 84 MünchKomm / Ebenroth 2, Anh. zu Art. 10 EGBGB, Rdnr 433.

§ 15 Art. 281 EGBGB

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normen kumulativ den Rechtsordnungen der beteiligten Partner zu entnehmen85. Letzteres dürfte allerdings häufig Normwidersprüche zur Folge haben, die auch im Wege der Anpassung nicht immer zu beseitigen sein werden86. Nach wieder anderer Ansicht soll hingegen bei der Ermittlung des Vertragsstatuts ausnahmsweise auch die gegenseitige (wirtschaftliche und rechtliche) Abhängigkeit der Partner sowie die Bedeutung der erbrachten Leistungen für das Gemeinschaftsunternehmen zu berücksichtigen sein87. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der möglichen Interessenverflechtungen lassen sich indes auf diese Weise kaum vorhersehbare Ergebnisse erzielen. Deshalb wird in diesen Fällen nicht selten für eine Vertragsspaltung plädiert, so daß das jeweilige Wohnsitzrecht der Partner zur Anwendung kommt88. 7. Vergleich Auch beim außergerichtlichen Vergleichsvertrag kann das anwendbare Recht nicht über Art. 28 Π EGBGB ermittelt werden, da die Parteien den Streit oder die Ungewißheit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigen. Für den Vergleich ist also gerade kennzeichnend, daß beide Seiten Zugeständnisse irgendwelcher Art machen, um zu einer Einigung zu gelangen89. Mithin läßt sich auch keine charakteristische Leistung feststellen. Der Vergleich wird deshalb nach einhelliger Ansicht als sog. angelehnter Vertrag behandelt. Umstritten ist lediglich, zu welchem Recht die insoweit vorzunehmende Anknüpfung nach Art. 281 EGBGB führt. Nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung90 und Literatur 91 kommt auf den Vergleich in Ermangelung einer Rechtswahl das ursprüngliche Vertragsstatut zur Anwendung, das möglichst für den gesamten Vergleichsvertrag einheitlich zu bestimmen ist 92 . Die Gegenauffassung will demgegenüber eine akzessorische An85 Zweigert/von Hoffmann, Fschr. Luther, S. 203, 209; Staudinger/ Großfeld, IntGesR, Rdnr 712 („Notanker"). 86 MünchKomm / Kindler, IntGesR, Rdnr 593; L. Huber, Joint-Venture im IPR, S. 102; Reithmann/Kleinschmidt, Int. VertragsR 4, Rdnr 817. 87 L. Huber, Joint-Venture im IPR, S. 109-110. 88 v. Bar, IPR II, Rdnr 513; Soergel/vow Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 283. Auch in BT-Drucks. 10/504, S. 78 werden die Kooperationsverträge ausdrücklich als ein Anwendungsfall des Art. 28 I 2 EGBGB genannt. 89 BGH NJW 1970, S. 1122, 1124; Palandt/Sprau, § 779 BGB, Rdnr 9. 90 OLG Schleswig IPRspr. 1989 Nr. 48; OLG Hamm IPRspr. 1985 Nr. 28; LAG Düsseldorf IPRspr. 1985 Nr. 51 A = RIW/AWD 1987, S. 61. 91 MünchKomm /Martiny, Art. 32 EGBGB, Rdnr 117; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 298; v. Bar, IPR II, Rdnr 505, Fn. 449; Schwander, Fschr. Schluep, S. 501, 511; Schnitzer, Handbuch des IPR II, S. 664. 92 Für eine gesonderte Anknüpfung einzelner Vertragsteile dagegen OLG München NJWRR 1989, S. 663, 664 = IPRax 1990, S. 320, 322; kritisch hierzu Spellenberg, IPRax 1990, S. 295, 298.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

knüpfung an das dem Vergleich zugrunde liegende Rechtsgeschäft vornehmen93. Indes kann es nicht überzeugen, die Beendigung eines Schuldverhältnisses nach einem anderen Recht zu beurteilen als dessen Entstehung. Daher gebührt der überwiegenden Auffassung der Vorzug. Die akzessorische Anknüpfung an das ursprüngliche Vertragsstatut gilt beim Prozeßvergleich, dem nach deutschem Recht eine Doppelnatur zukommt, allerdings nur fur dessen schuldrechtliche Seite. Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Elemente des gerichtlichen Vergleichs findet nämlich die lex fori Anwendung94.

8. Spiel und Wette In diesem Zusammenhang sind bei der Anknüpfung private Spiele und Wetten sowie Spielverträge mit staatlich genehmigten Lotterie- bzw. Ausspielunternehmen zu unterscheiden. Bei letzteren ist zu beachten, daß den Lotterie- bzw. Ausspielunternehmèr die Pflicht zur Gewinnermittlung und -Verteilung trifft. Zudem muß er die behördlichen Genehmigungsvorschriften einhalten, weshalb die vertragscharakteristische Leistung auch durch ihn erbracht wird 95 . Art. 28 Π 2 EGBGB verweist daher auf das Recht am Niederlassungsort des staatlich genehmigten Unternehmens96. Fraglich ist allerdings, ob auch bei privaten Spielen und Wetten eine charakteristische Leistung bestimmt werden kann. Ein Teil des Schrifttums bejaht dies und nimmt an, daß die für Spiel und Wette charakteristische Leistung i.d.R. am Durchführungs- bzw. Abschlußort erbracht werde 97. Diese Anknüpfung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil beide Parteien grds. das gleiche Risiko trügen. Daher unterliege der mit einem Spielkasino geschlossene Spielvertrag auch gemäß Art. 28 II 2 EGBGB dem Recht am Niederlassungsort des Spielkasinos. Diese Auffassung kann jedoch allenfalls im Ergebnis, nicht aber hinsichtlich ihrer Begründung überzeugen. Risikoerwägungen allein vermögen nämlich nichts daran zu ändern, daß sich die Spiel- bzw. Wetteinsätze der Beteiligten typischerweise gleichwertig gegenüberstehen98. Deshalb kann keine Leistung als die vertragscharakteristische angesehen werden. Die Bestimmung des Vertragsstatuts hat mithin über Art. 28 I EGBGB zu erfolgen, wodurch aber nicht notwendigerweise abweichende Ergebnisse erzielt werden.

» Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 53. 94 v. Bar, IPR II, Rdnr 551; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 298; vgl. auch OLG München IPRspr. 1974 Nr. 10b; IPG 1974 Nr. 39 (München), S. 404. 95 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 529; MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 260. 96 Vgl. auch Staudinger / Firsching 10711, vor Art. 12 EGBGB, Rdnr 586. 97 Staudinger/Firsching 10 ' 11 , vor Art. 12 EGBGB, Rdnr 583; MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 249.

§ 15 Art. 28 I EGBGB

199

Bei der Anknüpfung von Spielverträgen mit staatlich genehmigten Spielbanken ist vielmehr auch im Rahmen des Art. 28 I 1 EGBGB von entscheidender Bedeutung, wo sich die Niederlassung der Spielbank und damit der Ort der Durchführung des Spieles befindet". Dem Betreiber der Spielbank obliegt nämlich die Organisation des Spieles und er hat zudem ein erhebliches Interesse an einer einheitlichen rechtlichen Behandlung aller Spiel Verträge 100. Folglich bestehen bei derartigen Verträgen die engsten Verbindungen zum Recht am Ort der Spielbank. Auch bei fehlender staatlicher Konzession ergibt sich nichts anderes101. Diese Bewertung sollte indes nicht pauschal auf alle privaten Spiele und Wetten übertragen werden 102 . So besteht keine zwingende Notwendigkeit dafür, eine Wette zwischen deutschen Touristen im Ausland grds. dem Ortsrecht zu unterstellen. Eine derartig starre Anknüpfung würde zu einer Überbewertung des vertraglichen Abschlußortes führen.

9. Ausgleichspflicht

unter Gesamtgläubigern

Praktische Bedeutung kommt auch der Frage zu, welches Recht auf die Ausgleichspflicht der Gesamtgläubiger im Innenverhältnis anzuwenden ist, wenn einer von ihnen mehr als den ihm zustehenden Anteil erlangt hat. Die Rechtsprechung mußte sich vor allem mit solchen Fällen auseinandersetzen, bei denen (getrennt lebende) Eheleute um die Auszahlung eines gemeinschaftlichen Bankguthabens stritten 103. Nach deutschem Recht wird auch bei einem solchen Gemeinschaftskonto mit Einzelberechtigung (Oder-Konto) Gesamtgläubigerschaft angenommen104. Fraglich ist allerdings, ob die Ausgleichspflicht unter Ehegatten dem Vertragsoder Güterrechtsstatut unterliegt. Dabei gilt das Schuldstatut nach überwiegender Auffassung grds. auch für die schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte zwischen Ehegatten 105 . Das Güterrechtsstatut kann jedoch für die Rechtsgeschäfte unter Ehegatten

98 Gunst, Charakteristische Leistung, S. 196; Soergel /von Hoffmann, Rdnr 526; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 300, 317. 99 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 526. 100 Gunst, Charakteristische Leistung, S. 198.

Art. 28 EGBGB,

ιοί Vgl. BGH IPRspr. 1987 Nr. 2 = NJW 1988, S. 647 = IPRax 1988, S. 228,229. 102 So aber wohl MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 249; Staudinger/F/rsching l0/ u, vor Art. 12 EGBGB, Rdnr 583. loa OLG Nürnberg IPRspr. 1978 Nr. 16; OLG Karlsruhe IPRspr. 1989 Nr. 51 = NJW-RR 1990, S. 1285 = FamRZ 1990, S. 629; LG Stuttgart IPRspr. 1995 Nr. 150 = IPRax 1996, S. 140. 104 BGHZ 95, 185, 187; BGH NJW 1990, S. 705; NJW-RR 1993, S. 2; OLG Köln FamRZ 1987, S. 1139; Soergel / Wolf, § 428 BGB, Rdnr 6. los BGHZ 119, 392 = FamRZ 1993, S. 289, 290; OLG Karslruhe NJW-RR 1990, S. 1285, 1286; Staudinger/v. Bar/Mankowski, Art. 15 EGBGB, Rdnr 388; Soergel/Schurig, Art. 15 EGBGB, Rdnr 36; S. Lorenz, FamRZ 1993, S. 393, 394. Allerdings tritt Winkler ν. Mohren-

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

insofern von Bedeutung sein, als es diese beschränkt oder besonderen Vorschriften unterwirft 106. Jedenfalls dann, wenn sich die Ehegatten endgültig getrennt haben, ergeben sich aber für die Ausgleichungspflichten bei einem gemeinschaftlichen Bankkonto keine ehegüterrechtlichen Besonderheiten107. Folglich muß auch in diesen Fällen allein das maßgebliche Vertragsstatut bestimmt werden. Bei der Anknüpfung ist zunächst zu beachten, daß das anzuwendende Recht nicht davon abhängen sollte, welcher der Gesamtgläubiger zum Ausgleich verpflichtet ist. Das Innenverhältnis zwischen den Gesamtgläubigern muß vielmehr einem einheitlichen Recht unterstellt werden, da sich die etwaigen Ausgleichspflichten gleichwertig gegenüberstehen. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, die im Einzelfall bestehende Ausgleichsverpflichtung als charakteristische Leistung i. S. d. Art. 28 I I EGBGB anzusehen108. Die Bestimmung des Vertragsstatuts muß mithin über Art. 281 EGBGB erfolgen. Dabei hat die Rechtsprechung bei Auseinanderfallen von Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt der Parteien stets entscheidend auf den Sitz der kontoführenden Bank abgestellt, und zwar unabhängig davon, ob sich dieser im Heimatland109 oder im Aufenthaltsstaat 110 befindet. Der Sache nach wird deshalb eine akzessorische Anknüpfung an die Vereinbarung mit der Bank befürwortet 111. Dies dürfte allerdings dann nicht gelten, wenn die kontoführende Bank in einem Drittstaat ansässig ist. Trotzdem läßt sich aber verallgemeinernd sagen, daß es in diesem Zusammenhang häufig auf den Lageort des den Vertragsgegenstand bildenden Vermögenswertes ankommt112.

10. Mehrere Schuldner der charakteristischen

Leistung

Schließlich ist an dieser Stelle auch noch auf diejenigen Fallgestaltungen einzugehen, bei denen sich zwar eine vertragscharakteristische Leistung feststellen läßt, diese aber von mehreren Personen erbracht wird, deren Niederlassung oder gewöhnlicher Aufenthalt sich in verschiedenen Staaten befindet 113. Unproblematisch ist die Anwendung des Art. 28 Π EGBGB in diesen Fällen allenfalls dann, wenn die Schuldner der charakteristischen Leistung in einer höheren Organisationsform fels, IPRax 1995, S. 379, 381 für eine güterrechtliche Qualifikation der sog. (ehebedingten) unbenannten Zuwendungen ein. 106 MünchKomm / Siehr, Art. 15 EGBGB, Rdnr 104; BGH FamRZ 1993, S. 289, 290. 107 OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, S. 1285, 1286; Jayme, IPRax 1996, S. 140; vgl. auch BGH NJW 1990, S. 705, 706. io» LG Stuttgart IPRspr. 1995 Nr. 150 = IPRax 1996, S. 140 m. zust. Anm. Jayme. 109 OLG Nürnberg IPRspr. 1978 Nr. 16 (Türkei); LG Stuttgart IPRspr. 1995 Nr. 150 = IPRax 1996, S. 140 (Griechenland), no OLG Karslruhe IPRspr. 1989 Nr. 51 = NJW-RR 1990, S. 1285 (Deutschland), m Jayme, IPRax 1996, S. 140. 112 Vgl. Palandt/Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 2. 113 Vgl. BGH IPRspr. 1986 Nr. 34 = NJW 1987, S. 1141 = JR 1987, S. 198.

§ 15 Art. 28 I EGBGB

201

(Gesellschaft) zusammengefaßt sind 114 . Ansonsten führt die Anknüpfung an die

charakteristische Leistung aber zu unterschiedlichen Rechtsordnungen und damit zur Rechtsspaltung. Deshalb käme es beispielsweise beim Kaufvertrag zu einer kumulativen Anwendung mehrerer Verkäuferrechte. Eine solche Anknüpfung hätte allerdings nicht nur Angleichungsprobleme zur Folge, sondern würde auch den Rechtsanwendungsinteressen des Käufers nicht ausreichend Rechnung tragen. Eine Rechtsspaltung sollte folglich möglichst vermieden werden 115. Ein Ausweg könnte darin bestehen, im Rahmen des Art. 28 I I EGBGB einen Wertvergleich der geschuldeten (charakteristischen) Leistungen vorzunehmen, um so die engste Verbindung des gesamten Vertrages zu ermitteln 116. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob allein durch einen solchen Wertvergleich immer ein angemessenes Ergebnis erzielt werden kann 117 . Außerdem versagt die Anknüpfung des Vertrages über Art. 28 I I EGBGB auch dann, wenn zwar die charakteristische Leistung selbst feststellbar ist, nicht aber deren eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Aufenthalts- oder Niederlassungsrecht. Mithin ist in diesen Fällen auf Art. 28 I EGBGB zurückzugreifen 118. Allgemeine Anknüpfungsgrundsätze lassen sich in diesem Zusammenhang allerdings nur schwer aufstellen, da die jeweilige Eigenart des Vertrages berücksichtigt werden muß. Trotzdem dürfte aber häufig das Recht des Staates zur Anwendung kommen, in dem sowohl der Gläubiger als auch einer der Schuldner der charakteristischen Leistung ansässig ist.

II. Unanwendbarkeit des A r t 28 I I I EGBGB Bei Grundstücksverträgen wird nach Art. 28 ΠΙ EGBGB vermutet, daß der Vertrag die engsten Verbindungen zu dem Recht des Staates aufweist, in dem das Grundstück belegen ist. Die Anknüpfung an die lex rei sitae bereitet aber dann Schwierigkeiten, wenn in einem einheitlichen Vertrag Grundstücke in verschiedenen Ländern verkauft werden 119. Die Anknüpfung an den Belegenheitsort soll aber trotzdem möglich bleiben, sofern eines der Grundstücke wirtschaftlich bei weitem 114

Ist der Vertrag jedoch in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen worden, kann im Einzelfall zweifelhaft sein, ob die charakteristische Leistung nach dem Vertrag von der Hauptniederlassung oder einer „anderen Niederlassung" zu erbringen ist, Art. 28 II 2 EGBGB. H5 MünchKomm/ Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 55; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 127; Börner, JR 1987, S. 201. 116 Vgl. Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 41. 117 Der Wert der geschuldeten Leistungen kann aber im Rahmen der Gesamtbewertung nach Art. 28 I EGBGB Berücksichtigung finden. us Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 8; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 300, 317; Ebenroth, Fschr. Keller, S. 391,416; MünchKomm IMartiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 55; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 127; so auch Börner, JR 1987, S. 201, der allerdings Art. 28 II 3 EGBGB nicht für anwendbar hält. 119 Zum Grundstückstausch s.o. § 15.1 1.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

überwiegt 120. Als Beispiel wird dabei der Verkauf eines landwirtschaftlichen Anwesens genannt, zu dem auch ein jenseits der Grenze gelegenes Einzelgrundstück zählt 121 . Ein derartiges Übergewicht eines Vertragsteils ist jedoch sicher nur in seltenen Fällen festzustellen. Auch ansonsten wird allerdings für eine einheitliche Anknüpfung des gesamten Grundstückskaufvertrages plädiert, da eine Vertragsspaltung nach Möglichkeit zu vermeiden sei 122 . Bei der insoweit vorzunehmenden Gesamtbewertung nach Art. 28 I EGBGB werden im Schrifttum dann ähnliche Erwägungen angestellt wie beim Grundstückstausch. Im Zweifel soll nämlich auch hier das Recht des beurkundenden Notars Anwendung finden 123. Neben dem Beurkundungsort dürfte insbesondere einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit oder einem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien erhebliche Bedeutung für die Anknüpfung zukommen. ΙΠ. Unanwendbarkeit des A r t 2 8 I V EGBGB Art. 28 IV EGBGB enthält eine Sonderregelung für Güterbeförderungsverträge. Nach S. 1 dieser Vorschrift kommt insoweit grds. das Recht der Hauptniederlassung des Beförderers zur Anwendung, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort oder der Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders befindet. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Anknüpfungskumulation vor allem verhindern, daß bei Seebeförderungen das Recht von sog. Billigflaggenstaaten Anwendung findet 124 . Aufgrund des eindeutigen Wortlauts gilt Art. 28 IV EGBGB jedoch ausschließlich für Güter-, nicht aber für Personenbeförderungsverträge. Letztere unterliegen deshalb nach geltendem Recht der allgemeinen Vermutung des Art. 28 Π EGBGB 125 , was allerdings nicht selten für rechtspolitisch verfehlt gehalten wird 126 . Umstritten ist nun aber, ob zur Bestimmung des maßgeblichen Rechts auch dann auf Art. 28 Π EGBGB abgestellt werden kann, wenn bei einem Güterbeförderungsvertrag Art. 28 IV EGBGB deshalb nicht eingreift, weil keines der kumulativ geforderten Tatbestandsmerkmale vorliegt. 120 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 74. 121 Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 859. 122 MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 118; Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 859. 123 Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 860; vgl. auch LG Arnberg IPRax 1982, S. 29 m. Anm. Jayme. 124 BT-Drucks. 10/504, S. 79. 125 Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 54; Basedow, IPRax 1987, S. 333, 341; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 404; Palandt /Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 6; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 26; Kropholler, IPR, § 52 III 3 e, S. 419. 126 Vgl. Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 86. Nach MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 63 sollten daher die in Art. 28 IV EGBGB enthaltenen Einschränkun-

§ 15 Art. 28 I EGBGB

203

Dies wird von einem Teil der Rechtsprechung unter Hinweis darauf bejaht, daß die Rechtsfindung ansonsten einem „Glücksspiel" ähnele, da eine Anknüpfung über Art. 28 I EGBGB kaum je zu vorhersehbaren Ergebnissen führen könne127. Auch der Wortlaut des Art. 28 IV EGBGB stehe einer solchen Interpretation nicht entgegen. In der Literatur ist diese Vorgehensweise vereinzelt auf Zustimmung gestoßen128. Die Gegenansicht betont jedoch die Sinnwidrigkeit einer subsidiären Anknüpfung an Art. 28 Π EGBGB, da hierdurch die gesetzgeberische Entscheidung unterlaufen würde, das Recht am Ort der Hauptniederlassung des Beförderers nur bei Vorliegen besonderer zusätzlicher Voraussetzungen maßgeblich sein zu lassen 129 . Gerade zu diesem Recht dürfte aber die Anwendung des Art. 28 Π EGBGB in aller Regel führen. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß ein entsprechender Rückgriff für Güterbeförderungsverträge in Art. 4 IV 1 EVÜ ausdrücklich ausgeschlossen wird 130 . Zwar fehlt dieser Satz in Art. 28 IV EGBGB. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit aber keine abweichende Regelung treffen wollen 131 . Zudem ist Art. 4 IV 1 EVÜ wegen Art. 36 EGBGB bei der Auslegung des Art. 28 IV EGBGB zwingend zu beachten. Folglich geht die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung132 und Literatur 133 zu Recht davon aus, daß bei Güterbeförderungsverträgen das Vertragsstatut über Art. 28 I EGBGB bestimmt werden muß, sofern die besonderen Voraussetzungen des Art. 28 IV EGBGB nicht erfüllt sind. Im Rahmen der danach vorzunehmenden Gesamtabwägung kommt aber nicht zuletzt auch dem Niederlassungsrecht des Beförderers einiges Gewicht zu. 1. Lufttransport Den Vorschriften des autonomen Kollisionsrechts kommt allerdings im Bereich der internationalen Luftbeförderung deshalb nur eingeschränkte Bedeutung zu, weil es in nicht unerheblichem Maße zu einer Vereinheitlichung des Sachrechts gekommen ist. Insbesondere ist hier das Warschauer Abkommen zur Vereinheitligen der Anknüpfung an die Niederlassung des Beförderers analog auf Personenbeförderungsverträge angewendet werden. 127 OLG Frankfurt IPRspr. 1992 Nr. 66 = TranspR 1993, S. 103, 105 = NJW-RR 1993, S. 809, 810; vgl. auch OLG Bremen IPRspr. 1995 Nr. 49 = VersR 1996, S. 868. 128 Kegel/Schurig, IPR, § 18 I 1 d, S. 579. 129 v. Bar, IPR II, Rdnr 524; Kranke, IPRax 1994, S. 141; Mankowski, TranspR 1993, S. 213, 224. 130 Vgl. Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 25. 131 BT-Drucks. 10/504, S. 79. 132 OLG Düseidorf IPRspr. 1995 Nr. 46 = VersR 1996, S. 1040, 1041; OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 59 = TranspR 1995, S. 350, 351; OLG München IPRspr. 1990 Nr. 51 = TranspR 1991, S. 61,62. 133 Basedow, IPRax 1987, S. 333, 340; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 79; Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 6; Erman /Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 25; MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 59; v. Bar, IPR II, Rdnr 524; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 21 m. w. N.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

chung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr v. 12. 10. 1929 134 (WA) zu nennen, das durch das Haager Protokoll v. 28. 9. 1955 135 (HP) novelliert wurde. Ergänzt wird das WA außerdem durch das Zusatzabkommen von Guadalajara zur Vereinheitlichung von Regeln über die von einem anderen als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte Beförderung v. 18. 9. 1961 136 . Innerhalb ihres Anwendungsbereichs gehen die Regelungen des W A 1 3 7 den Artt. 27 ff. EGBGB vor. Lediglich für die nicht geregelten Fragen (ζ. B. Überbuchung) ist das anwendbare Recht nach dem IPR der lex fori zu bestimmen 138 . Dies erklärt auch, warum sich nur wenig Stellungnahmen zu der Frage finden, welchen Gesichtspunkten im Rahmen des Art. 28 I EGBGB entscheidende Bedeutung zukommt, wenn die Anknüpfung des Vertrages nicht über Art. 28 IV EGBGB erfolgen kann. Neben der Hauptniederlassung des Beförderers 139 ist aber häufig der Bestimmungsort von erheblichem Gewicht140. Dies dürfte vor allem für den Fall gelten, daß der Bestimmungsort mit der Hauptniederlassung des Absenders zusammenfällt oder im selben Staat liegt wie der Abflugsort 141. Schließlich ist u.U. auch zu berücksichtigen, wo sich die von der Hauptniederlassung verschiedene ausführende Niederlassung des Beförderers und der Abschlußort des Vertrages (Geschäftsstelle) befindet 142. Insgesamt bestehen daher erkennbare Parallelen zu den in Art. 28 I WA/HP genannten Wahlgerichtsständen143. 2. Seetransport Vor der IPR-Reform wurde überwiegend vertreten, daß Seefrachtverträge in Ermangelung einer Rechtswahl dem Recht des Bestimmungshafens (Erfüllungsort) 134 RGBl. 1933 II, S. 1039. 135 BGBl. 1958 II, S. 291. Für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 01. 08. 1963, BGBl. 1964 II, S. 1295. 136 BGBl. 1963 II, S. 1159. Für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 31. 05. 1964, BGBl. 1964 II, S. 1317. 137 Vgl. hierzu Reithmann/van Dieken, Int. VertragsR, Rdnr 1197 ff.; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 395 ff. 138 OLG Düsseldorf IPRspr. 1978 Nr. 34 = VersR 1978, S. 964, 965; OLG Frankfurt IPRspr. 1984 Nr. 41 = TranspR 1984, S. 197. 139 Vgl. OLG Frankfurt IPRspr. 1992 Nr. 66 = TranspR 1993, S. 103, 105 = NJW-RR 1993, S. 809,810. 140 OLG Frankfurt IPRspr. 1983 Nr. 40 = MDR 1984, S. 318; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 407; vgl. auch BGH IPRspr. 1976 Nr. 2 = NJW 1976, S. 1581, 1582. 141 Fällt der Bestimmungsort hingegen mit der Hauptniederlassung des Luftfrachtführers zusammen, so findet Art. 28 IV EGBGB Anwendung. 142 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 407. 143 Art. 28 I WA/HP nennt als Wahlgerichtsstände den Bestimmungsort, den Wohnsitz des Luftfrachtführers, seine Hauptbetriebsleitung sowie diejenige seiner Geschäftsstellen, durch die der Vertrag abgeschlossen wurde.

§ 15 Art. 28 EGBGB

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unterliegen144. Eine generelle Anknüpfung an den Bestimmungshafen ist allerdings nach geltendem Recht wegen Art. 28 IV EGBGB nicht mehr möglich. Sofern das Vertragsstatut aber über Art. 28 I EGBGB zu ermitteln ist, wird dem Bestimmungshafen auch heute noch erhebliche Bedeutung zuerkannt145. Andererseits soll jedoch das Recht des Beladehafens auf solche Rechtsverhältnisse Anwendung finden, die vor allem mit der Beladung des Schiffes zusammenhängen146. Handelt es sich dabei allerdings um Rechtsgeschäfte mit Dritten (Drittabladern), muß insoweit ohnehin ein eigenständiges Vertragsstatut ermittelt werden 147. Eine Anknüpfung an den Beladeort wird weiterhin auch dann befürwortet, wenn dieser zugleich Ort des Vertragsschlusses und Zahlungsort ist 148 . Außerdem findet sich der Vorschlag, die Empfängerrechte aus dem Konnossement grds. gesondert anzuknüpfen (Art. 28 I 2 EGBGB) und dem Recht des Bestimmungshafens zu unterstellen149. Von anderen Stimmen in der Literatur wird eine Rechtsspaltung dagegen abgelehnt, da auf diese Weise vertragsrechtliche Funktionszusammenhänge zerrissen würden 150. Gegen die vorgeschlagene Rechtsspaltung spricht zudem, daß bei einer solchen zu einseitig auf den Be- bzw. Entladeort (Bestimmungshafen) abgestellt wird. Der Gesetzgeber hat aber in Art. 28 IV EGBGB gerade auch der Hauptniederlassung des Verfrachters (Beförderers) und des Befrachters (Absenders) großes Gewicht beigemessen151. Mithin kann bei der Anknüpfung des Seefrachtvertrages nach Art. 28 I EGBGB nur dann allein auf den Be- und Entladeort abgestellt werden, wenn Ausgangs- und Bestimmungshafen in ein und demselben Staat liegen (Kabotage)152. Ansonsten dürfte für die Bestimmung des anwendbaren Rechts von besonderer Bedeutung sein, ob der Bestimmungshafen mit der Hauptniederlassung des Befrachters zusammenfallt. Gegen diese Kombination der Anknüpfungspunkte wird sich das Recht der Hauptniederlassung des Verfrachters in aller Regel nicht durchsetzen können153. Gleiches hat für den Fall zu gelten, daß die von der Hauptniederlassung 144 BGHZ 6, 127, 134; 9, 221, 224; 25, 250, 254; BGH NJW 1983, S. 2772, 2773; Staudinger/Firsching w/1 1 , vor Art. 12 EGBGB, Rdnr 566; Soergel/Kegel 11, vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 362. 145 Ebenroth/Fischer/Sorek, ZVglRWiss 88 (1989), S. 124, 130; Flessner, Reform des IPR, S. 21; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 445; vgl. auch v. Bar, Fschr. W. Lorenz, S. 273,289. 146 OLG Hamburg IPRspr. 1974 Nr. 36 = VersR 1974, S. 1174, 1175; Reithmann/van Dieken, Int. VertragsR, Rdnr 1218. 147

Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 87. 148 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 445. 149 Flessner, Reform des IPR, S. 23; MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 207. 150 Ebenroth/Fischer/Sorek, ZVglRWiss 88 (1989), S. 124, 130; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 86. 151 Dies betont auch Reithmann/van Dieken, Int. VertragsR, Rdnr 1219. 152 Vgl. Basedow, ZHR 156 (1992), S. 413,434. 153 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 83.

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verschiedene ausführende Niederlassung des Beförderers im selben Staat liegt wie der vertraglich vorgesehene Be- oder Entladeort 154. Dagegen führt allein das Zusammenfallen von Ausgangshafen und Hauptniederlassung des Absenders nicht zur Anwendung des dort geltenden Rechts155. Dies gilt auch dann, wenn die Transportleistung überwiegend im Niederlassungsstaat des Befrachters zu erbringen ist 156 . Ein entsprechender Schwerpunkt dürfte nämlich insbesondere bei der Seebeförderung häufig nur schwer zu bestimmen sein. Außerdem wird der Transport von der Niederlassung des Verfrachters aus organisiert und gesteuert. Deshalb sollte das Niederlassungsrecht des Beförderers in dieser Fallkonstellation jedenfalls dann zur Anwendung gelangen, wenn es durch weitere Umstände verstärkt wird. Als solche im Rahmen des Art. 28 I EGBGB ergänzend zu berücksichtigenden Anknüpfungsmomente kommen die Nationalität des transportierenden Schiffes (Flagge), der Ausstellungsort des Konnossements und der Abschlußort des Vertrages in Betracht 157. Die Rechtsprechung hat auch einer Gerichtsstandsvereinbarung Bedeutung für die objektive Vertragsanknüpfung beigemessen158. Demgegenüber kommt der Vertragssprache und -Währung im internationalen Seefrachtverkehr kaum jemals maßgebliches Gewicht zu, weil häufig englischsprachige Standardformulare verwendet und die Frachtraten üblicherweise in US-Dollar abgerechnet werden 159.

3. Straßen- und Eisenbahntransport Auch im Straßen- und Eisenbahngüterverkehr ist das anwendbare Recht in Ermangelung einer Rechtswahl nach Art. 28 I EGBGB zu bestimmen, wenn die Voraussetzungen des Art. 28 IV EGBGB nicht erfüllt sind. Dabei gelten im wesentlichen die soeben dargestellten Grundsätze. Mithin kommt es auch in diesem Zusammenhang vor allem darauf an, wo sich der Ver- und Entladeort sowie die an der Vertragsabwicklung beteiligte (Haupt-)Niederlassung des Beförderers, des Absenders und des Empfängers befindet 160. Die praktische Bedeutung des Art. 28 I 154 Vgl. OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 59 = TranspR 1995, S. 350,351. 155 OLG München IPRspr. 1990 Nr. 51 = TranspR 1991, S. 61,62; im Ergebnis auch OLG Frankfürt IPRspr. 1992 Nr. 66 = NJW-RR 1993, S. 809, 810 = TranspR 1993, S. 103,105. 156 A.A. OLG München IPRspr. 1989 Nr. 63 = NJW-RR 1989, S. 1434, 1435 = TranspR 1990, S. 16,17 (Altrechtsfall). 157 Mankowski, TranspR 1993, S. 213, 226; ders., Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 80-81. 158 OLG München IPRspr. 1990 Nr. 51 = TranspR 1991, S. 61,62. 159 Ebenroth/Fischer/Sorek, ZVglRWiss 88 (1989), S. 124, 129; vgl. aber auch OLG Hamburg IPRspr. 1987 Nr. 32 = VersR 1988, S. 799, 800, wo die (schwedische) Vertragswährung ergänzend berücksichtigt wurde. 160 Vgl. zum Straßentransport Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 381; Martiny, TEuP 1999, S. 246,255.

§ 15 Art. 28 EGBGB

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EGBGB ist allerdings deshalb relativ gering, weil sowohl beim Straßen- als auch beim Eisenbahntransport in erheblichem Maße eine Vereinheitlichung des materiellen Rechts stattgefunden hat. Vorrangiges internationales Einheitsrecht findet sich nämlich in dem Übereinkommen über den Beforderungsvertrag im internationalen Straßenverkehr v. 19. 5. 1956 161 (CMR) sowie im Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr v. 9. 5. 1980 162 (COTIF). Speziell für den Eisenbahnfrachtverkehr sind außerdem die einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (ER/CIM) 1 6 3 im Anhang Β der COTIF zu beachten.

IV. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß die Konkretisierung des Art. 28 I 1 EGBGB nicht selten mit erheblichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten verbunden ist. Dies gilt allerdings nicht für den Bereich der Güterbeförderungsverträge, weil der Rechtsanwender hier auf die in Art. 28 IV EGBGB genannten Anknüpfungsmomente zurückgreifen kann 164 . Vergleichsweise sicher läßt sich das maßgebliche Recht auch dort ermitteln, wo ausnahmsweise eine Anlehnung an einen anderen Vertrag in Betracht kommt, wie etwa bei der Anknüpfung außergerichtlicher Vergleichsverträge 165. Wenig Probleme bestehen schließlich dann, wenn beide Parteien ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat haben. Geringere Bedeutung kommt demgegenüber einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit zu. Diese ist aber nicht selten zumindest ergänzend zu berücksichtigen. Weiterhin ist es denkbar, daß der Vertragszweck über die engste Verbindung entscheidet. So kommt bei Kooperationsverträgen eine Anknüpfung an das am Sitz des Gemeinschaftsunternehmens geltende Recht in Betracht 166. Entsprechend können Ausgleichspflichten unter Gesamtgläubigern dem Recht der kontoführenden Bank unterstehen167. In beiden Fällen ist aber zusätzlich zu fordern, daß zumindest eine der Parteien in dem betreffenden Staat ihren Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat 168 .

161 BGBl. 1962 II, S. 12. 162 BGBl. 1985 II, S. 130. 163 BGBl. 1985 II, S. 224. 164 Siehe oben § 15. III. 165 Siehe oben § 15.17. 166 Siehe oben § 15.16. 167 Siehe oben § 15.19. 168 Bei natürlichen Personen kann die notwendige Verstärkung allerdings auch durch die gemeinsame Zugehörigkeit zu einem Staat erfolgen.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

Häufig bleibt aber zur Vermeidung einer Vertragsspaltung keine andere Möglichkeit, als an den Abschlußort des Vertrages anzuknüpfen. Dies ist indes nur dann hinnehmbar, wenn zusätzliche Verbindungen zu dem Recht dieses Staates bestehen. So etwa für den Fall, daß ein Tauschvertrag über in verschiedenen Staaten belegene Grundstücke in einem der Belegenheitsstaaten notariell beurkundet wurde 1 6 9 . Ebenso sollten Verträge mit staatlich genehmigten Spielbanken über Art. 28 11 EGBGB dem Niederlassungsrecht der Spielbank unterliegen, weil der Betreiber ein erkennbares Interesse an der rechtlichen Gleichbehandlung aller Spielverträge hat 170 . Fehlt es dagegen an entsprechenden Verstärkungen, wie etwa beim Lizenztausch oder der Vereinbarung gegenseitiger Vertriebspflichten, so sollte dem Abschlußort des Vertrages keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Gleiches hat für die Vertragssprache und -Währung zu gelten. Erheblichen Bedenken ist schließlich auch eine an außerjuristischen Sachverhaltsmomenten orientierte Betrachtungsweise ausgesetzt, mittels derer sich das „faktische Schwergewicht" eines Vertrages ermitteln lassen soll 171 . Mit einer maßgeblich auf wirtschaftliche Wertungen abstellenden Anknüpfung 172 lassen sich nämlich nicht immer eindeutige Ergebnisse erzielen. Zudem würde eine solche Vorgehensweise zu einer unangemessenen Bevorzugung der wirtschaftlich stärkeren bzw. stärker betroffenen Vertragspartei führen. Ist daher anhand der weiter oben genannten Kriterien keine engste Verbindung des Vertrages feststellbar, sind die Leistungspflichten jeder Partei nach Art. 28 I 2 EGBGB gesondert anzuknüpfen. Auch die Rechtsprechung hat nicht selten eine Vertragsspaltung vorgenommen, wofür nicht zuletzt die damit einhergehende Vorhersehbarkeit der Entscheidung spricht.

§16

Art. 28 I I , V E G B G B I. Fahrniskauf

Im Bereich des internationalen Schuldvertragsrechts kommt dem Kauf beweglicher Sachen zentrale Bedeutung zu, da es sich hierbei um die wohl am häufigsten auftretende Vertragsart handelt. Folglich mußte sich auch die Rechtsprechung schon oft mit der Frage des insoweit maßgebenden Rechts befassen. Vorliegend soll indes nur ermittelt werden, unter welchen Voraussetzungen ein Abweichen von der 169 Siehe oben § 15.11 und II. 170 Siehe oben § 15.1 8. 171 Insbesondere für den Lizenztausch wird eine solche Anknüpfung aber nicht selten befürwortet, vgl. Pfaff, AWD 1974, S. 241, 246; Lichtenstein, NJW 1964, S. 1345, 1351; Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 182. 172 Dafür in anderem Zusammenhang auch Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 41 (Mehrere Schuldner der charakteristischen Leistung) sowie Rdnr 74 (Grundstücksverträge).

§ 16 Art. 28 II, V EGBGB

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in Art. 28 Π EGBGB statuierten Regelanknüpfung an die den Vertrag charakterisierende Leistung des Verkäufers geboten ist. Dabei kann in begrenztem Maße auch auf die vor der IPR-Reform ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden 173, da sich diese im Rahmen des hypothetischen Parteiwillens ebenfalls um eine Bestimmung des Vertragsschwerpunkts auf objektiver Grundlage bemüht hat 174 . Allerdings wurde in diesem Zusammenhang wiederholt betont, daß kein allgemeiner Grundsatz anzuerkennen sei, wonach auf internationale Kaufverträge grds. das Verkäuferrecht Anwendung finde, weil die Sachleistungspflicht des Verkäufers gegenüber der Geldleistungspflicht des Käufers die verwickeitere sei und leichter Anlaß zu Rechtsstreitigkeiten gebe 175 . Entscheidend sollte vielmehr sein, ob eine Beziehung zu einer bestimmten Rechtsordnung vor allen anderen den Ausschlag gibt. Diese Anknüpfung konnte zwar im Einzelfall zu dem Recht am Sitz des Verkäufers führen 176. Andererseits wurde aber das Vorliegen eines einheitlichen Vertragsschwerpunkts in einigen Entscheidungen auch gänzlich verneint und statt dessen auf den Erfüllungsort der jeweiligen Verbindlichkeit abgestellt177, was nicht selten eine Rechtsspaltung zur Folge hatte178 . Mithin kann aus der Nichtanwendung des Verkäuferrechts durch die alte Rechtsprechung nicht notwendigerweise geschlossen werden, daß aus heutiger Sicht ein Anwendungsfall der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB vorliegt. Anders verhält es sich hingegen mit den Sachverhaltskonstellationen, die schon nach altem IPR dem Recht am Sitz des Verkäufers unterlagen. In diesen Fällen dürfte nach neuem IPR nämlich erst recht eine Anwendung des Verkäuferrechts geboten sein, da Art. 28 Π EGBGB nun ja sogar eine entsprechende Regelanknüpfung enthält.

173

A.A. Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 210 mit der Begründung, daß der BGH das Vertragsstatut im Rahmen des hypothetischen Parteiwillens stets kasuistisch bestimmt habe. Art. 28 V EGBGB soll doch aber gerade den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles Rechnung tragen. Π4 Vgl. nur BGHZ 7, 231, 235; 9, 221, 223; 17, 89, 92; 19, 110, 113; Deutsch, AcP 158 (1959/60), S. 223, 242; Soergel/Kegel 11, vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 352. 175 BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 23 = NJW 1960, S. 1720, 1721; BGHZ 57, 72, 76 = NJW 1972, S. 391, 393; BGHZ 61, 221, 223 = NJW 1973, S. 2151; a.A. aber schon damals OLG Frankfurt IPRspr. 1979 Nr. 161. 176 BGH IPRspr. 1968/69 Nr. 31 = W M 1969, S. 772, 773; BGHZ 61, 221, 225 = NJW 1973, S. 2151, 2152; OLG Karlsruhe IPRspr. 1975 Nr. 9; BGH IPRspr. 1986 Nr. 34 = NJW 1987, S. 1141, 1142 = JR 1987, S. 198, 200. 177 BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 23 = NJW 1960, S. 1720, 1721; BGHZ 57, 72, 76 = NJW 1972, S. 391, 394; LG Hamburg IPRspr. 1974 Nr. 154; OLG Karlsruhe NJW 1982, S. 1950. π» Kritisch hierzu u. a. Kreuzer, IPR des Warenkaufs, S. 285. 14 Geisler

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1. Regelanknüpfung a) Isoliertheit des Käuferrechts Zunächst einmal finden sich einige Gerichtsurteile, in denen das Nichteingreifen des Art. 28 V EGBGB schlicht festgestellt wurde, da keine besonderen Umstände ersichtlich seien, die ein Abweichen von der Regelanknüpfung rechtfertigen könnten 179 . Diese Fälle betrafen „eine normale Lieferung von Waren" 180 aus einem Land in ein anderes, wobei Verkäufer und Käufer in unterschiedlichen Staaten ansässig waren. Allein der abweichende (Wohn-)Sitz des Käufers kann aber nicht zur Anwendung der Ausweichklausel führen. Deshalb wurde auch schon vor der IPR-Reform an das am Sitz des Verkäufers geltende Recht angeknüpft, wenn dem Käuferrecht aufgrund seiner Isoliertheit nur untergeordnete Bedeutung zukam. So etwa für den Fall, daß zusätzlich noch die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien, der Abschlußort des Vertrages, die vereinbarte Wahrung sowie die besondere Berücksichtigung der maßgeblichen Außenwirtschaftsbestimmungen durch die Parteien auf das Verkäuferrecht wiesen181. Gleiches wurde dann angenommen, wenn der Abschluß des Vertrages am Sitz des Verkäufers erfolgte und diesem in der Sprache des Verkäufers geführte Verhandlungen vorausgingen182. Auch hier deuteten offenbar keine weiteren Umstände auf das Käuferrecht hin.

b) Einfluß von Vertragssprache und -Währung Darüber hinaus hat die Rechtsprechung aber bereits nach altem Recht eine Anknüpfung an das Verkäuferrecht in Fällen befürwortet, in denen zusätzliche Verbindungen zu dem Recht des Staates bestehen, in welchem der Käufer ansässig ist. Gleich mehrfach trat dabei die Konstellation auf, daß die vereinbarte Währung sowie die Vertrags- bzw. Verhandlungssprache auf das Käuferrecht wies 183 . Trotzdem hat sich die Rechtsprechung nicht selten für eine Anwendung des am Sitz des Verkäufers geltenden Rechts ausgesprochen184. Zur Begründung wurde in einem Fall ausgeführt, daß am (belgischen) Verkäuferwohnsitz sowohl der Abschluß als auch die Abwicklung des Vertrages erfolgt sei, da der Käufer die Kaufi™ LG Hamburg IPRspr. 1990 Nr. 42 = IPRax 1991, S. 400; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, S. 567, 568; KG IPRspr. 1994 Nr. 25 = RIW 1994, S. 683. 180 OLG Köln IPRspr. 1992 Nr. 47 = VersR 1993, S. 63, 65. Das Gericht betrachtet Art. 28 EGBGB aber erstaunlicherweise als Anwendungsfall des hypothetischen Parteiwillens! « ι BGH IPRspr. 1977 Nr. 17 = W M 1977, S. 793. 182 OLG Frankfurt IPRspr. 1979 Nr. 153 = RIW/AWD 1979, S. 204,205. 183 BGH IPRspr. 1968/69 Nr. 31 = WM 1969, S. 772; BGHZ 61, 221 = NJW 1973, S. 2151; OLG Karlsruhe IPRspr. 1975 Nr. 9 = VersR 1975, S. 1042. 184 A.A. aber OLG Frankfurt IPRspr. 1970 Nr. 110 = NJW 1970, S. 1010; dort wies allerdings auch der Abschlußort auf das Käuferrecht.

§16 Art. 28 Π, V EGBGB

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sache dort abgenommen hatte 185 . Andererseits ist die Anwendung des (deutschen) Verkäuferrechts damit gerechtfertigt worden, daß sich dort auch der Lageort des Vertragsgegenstandes und der Schwerpunkt der Vertragsverhandlungen befunden habe 186 . Der Vertragssprache und -Währung hat der BGH sogar dann keine ausschlaggebende Bedeutung zuerkannt, wenn im Käuferstaat zudem noch die Anbahnung des Geschäfts erfolgte 187. Vielmehr wurde auch hier das Verkäuferrecht zur Anwendung berufen. Das Gericht stellte dabei in seiner Entscheidung vor allem auf den Abschluß- und Erfüllungsort sowie den Vertragsgegenstand ab 1 8 8 . Im zugrundeliegenden Fall ging es nämlich um den Verkauf von Aktien eines im Verkäuferstaat ansässigen Unternehmens, der zugleich dazu dienen sollte, dem Käufer einen Sitz im Aufsichtsrat mit entsprechenden Vergütungsansprüchen zu verschaffen. Auf der anderen Seite finden sich aber gleichfalls einige Entscheidungen, in denen das Nichteingreifen der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB ausdrücklich (auch) mit der vereinbarten Währung und der Vertragssprache begründet wird 189 . So ist es etwa im Rahmen des Art. 28 V EGBGB als unbeachtlich angesehen worden, daß die Parteien den Kaufvertrag auf einer im Käuferstaat stattfindenden Messe geschlossen haben, sofern Vertragssprache und -Währung auf das Verkäuferrecht hindeuten190. Mit der gleichen Begründung hat das OLG Hamm von einer Anwendung der Ausweichklausel abgesehen, obwohl beide Vertragsparteien Angehörige des Staates waren, in dem der Käufer seinen Wohnsitz hatte 191 . Im letzteren Fall kam allerdings noch hinzu, daß es sich um den Verkauf einer im Verkäuferstaat gelegenen Arztpraxis gehandelt hat. Insoweit sprach auch der Vertragsgegenstand gegen ein Abweichen von der Regelanknüpfüng des Art. 28 Π EGBGB 192 . c) Verkaufsveranstaltungen am ausländischen Urlaubsort Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang aber vor allem den sog. Gran-Canaria-Fällen zu 1 9 3 . Dabei werden deutsche Touristen am Urlaubsort (vor185 BGH IPRspr. 1968/69 Nr. 31 = W M 1969, S. 772, 773. 186 BGHZ 61, 221, 223 = NJW 1973, S. 2151, 2152; zustimmend OLG Karlsruhe IPRspr. 1975 Nr. 9 = VersR 1975, S. 1042. 187 BGH IPRspr. 1986 Nr. 34 = NJW 1987, S. 1141,1142 = JR 1987, S. 198,200. 188 BGH IPRspr. 1986 Nr. 34 = NJW 1987, S. 1141,1142 = JR 1987, S. 198, 200. 189 LG Aachen IPRspr. 1990 Nr. 31 = RIW 1990, S. 491; OLG Hamm IPRspr. 1994 Nr. 136 = NJW-RR 1995, S. 187. 190 LG Aachen IPRspr. 1990 Nr. 31 = RIW 1990, S. 491, 492; zustimmend Junker, IPR, Rdnr 368 a.E. 191 OLG Hamm IPRspr. 1994 Nr. 136 = NJW-RR 1995, S. 187. 192 Das OLG Hamm hat sich allerdings in seinem Urteil nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob es seine Entscheidung auf Art. 28 II oder ΠΙ EGBGB stützen will. 14*

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

zugsweise in Spanien194 und der Türkei) mittels einer deutschsprachigen Zettelwerbung zu Werbe- und Verkaufsveranstaltungen eingeladen, um ihnen in der für solche Veranstaltungen üblichen Weise Bettwäsche, Decken, Teppiche und ähnliche Waren zu verkaufen. Häufig wird in derartigen Fällen das maßgebliche Recht ausdrücklich gewählt195. Fehlt es aber an einer wirksamen Rechtswahl, dann muß der Vertrag objektiv angeknüpft werden. Vorrangig kommt insoweit Art. 29 Π EGBGB zur Anwendung196. Dieser beruft das Recht desjenigen Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Art. 29 Π EGBGB ist jedoch nur anwendbar, wenn einer der in Art. 29 I Nrn. 1 - 3 EGBGB genannten Tatbestände erfüllt ist. Allerdings wurde bis zur klärenden Entscheidung des B G H 1 9 7 nicht selten eine analoge Anwendung des Art. 29 I EGBGB für möglich gehalten198. Indes ist die Regelung des Art. 29 EGBGB im Bereich des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes abschließend199. Liegen also die Voraussetzungen des Art. 29 I EGBGB nicht vor, muß auf Art. 28 EGBGB zurückgegriffen werden. Aufgrund des starken Bezugs zum deutschen Recht stellt sich dann auch die Frage der Anwendbarkeit des Art. 28 V EGBGB. Ein Teil der Rechtsprechung hat dabei keine Veranlassung gesehen, von der Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB abzuweichen, obwohl letztlich nur Λ/\Λ

ΛΛ4

noch der Abschlußort auf das Verkäuferrecht wies . Die Vertragsverhandlungen wurden nämlich immer in deutscher Sprache geführt, zudem war die Vertragsurkunde in deutscher Sprache abgefaßt. Weiterhin hatten die Parteien auch in allen Fällen Bezahlung in D M vereinbart. Schließlich sollte die Ware vom Verkäufer frei 193 Ausführlich hierzu Taupitz, BB 1990, S. 642-652; Lüderitz, IPRax 1990, S. 216-219; Coester-Waltjen, Fschr. W. Lorenz, S. 297-319; Mankowski, RIW 1993, S. 453-463; Lange, Haustürgeschäfte deutscher Spanienurlauber, S. 8 ff. m

Allerdings ist die EG-Richtlinie 85/877 über Verbraucherverträge durch das Gesetz 26/1991 vom 21. 11. 1991 ins spanische Recht umgesetzt worden. Dieses Gesetz sieht u. a. eine Widerrufsfrist von sieben Tagen für den Verbraucher vor, vgl. dazu Jayme, IPRax 1992, S. 203. 195 Vgl. nur BGHZ 112, 204 = NJW 1991, S. 36; BGHZ 113, 11 = NJW 1991, S. 1054; BGH NJW-RR 1992, S. 1068; OLG Celle RIW 1991, S. 421 = IPRax 1991, S. 334. 196 Vgl. dazu G. Fischer, Verkehrsschutz, S. 81 ff. 197 BGH NJW 1997, S. 1697 = IPRax 1998, S. 285, 288; zustimmend Mankowski, RIW 1998, S. 287,289; Ebke, IPRax 1998, S. 263, 267; G. Fischer, Fschr. Großfeld, S. 277, 284. 198 OLG Stuttgart IPRspr. 1990 Nr. 34 = NJW-RR 1990, S. 1081, 1083; Lüderitz, IPRax 1990, S. 216, 219; Erman/Hohloch, Art. 29 EGBGB, Rdnr 15; MünchKomm/Martiny, Art. 29 EGBGB, Rdnr 32. 199 Gegen eine analoge Anwendung auch OLG Hamm NJW-RR 1989, S. 496; Taupitz, BB 1990, S. 642, 649; Mankowski, RIW 1993, S. 453, 459; Palandt/Heldrich, Art. 29 EGBGB, Rdnr 5; Soergel/von Hoffmann, Art. 29 EGBGB, Rdnr 34. 200 OLG Düsseldorf IPRspr. 1988 Nr. 151 = W M 1989, S. 45 will das Vertragsstatut offenbar sogar generell an den Abschlußort anknüpfen, was aber mit Art. 28 EGBGB nicht mehr zu vereinbaren ist. 201 LG Düsseldorf IPRspr. 1990 Nr. 43 = NJW 1991, S. 2220; OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 35A = NJW-RR 1995, S. 1396; vgl. auch LG Limburg NJW 1990, S. 2206.

§ 16 Art. 28 Π, V EGBGB

213

Haus nach Deutschland geliefert werden, wo sie auch größtenteils zu bezahlen war. Trotzdem wurde ein Eingreifen der Ausweichklausel nicht geprüft 202 oder mit der Begründung verneint, daß das für den Kaufmann maßgebende Recht dem des Privatmannes nach dem „Prinzip der geringsten Störung" stets vorgehe 203. 2. Eingreifen

der Ausweichklausel

a) Verkaufsveranstaltungen am ausländischen Urlaubsort Die soeben geschilderten Sachverhaltskonstellationen stellen nun aber sicherlich Grenzfälle dar. Dies wird schon daran deutlich, daß sich auch nicht wenige Gerichtsentscheidungen finden, die sich in vergleichbaren Fällen gegen eine Anwendung des an sich berufenen ausländischen Verkäuferrechts aussprechen204. Allerdings wiesen diese Fälle zumeist die Besonderheit auf, daß die ausländischen Verkäufer die Kaufjpreisforderung aus „Gründen der Rationalisierung" an eine deutsche Liefer- bzw. Herstellerfirma abgetreten hatten205. Gegen letztere waren dann auch etwaige Gewährleistungsansprüche zu richten. Aus diesem Grund ist sogar teilweise vertreten worden, die vertragscharakteristische Leistung i. S. d. Art. 28 I I EGBGB werde durch den deutschen Hersteller und nicht etwa durch den ausländischen Verkäufer erbracht 206. Indes kann der Weg über Art. 28 Π EGBGB nicht zur Anwendung des deutschen Rechts führen, da die gleichzeitig erklärte Abtretung nichts daran ändert, daß Vertragspartner des deutschen Urlaubers der ausländische Verkäufer ist. Dieser erbringt mithin auch die vertragscharakteristische Leistung207. Die ausländische Vertriebsfirma wird jedoch letztlich nur formal eingeschaltet, während die gesamte Vertragsabwicklung im Inland erfolgen soll. Trotzdem kann aber die Maßgeblichkeit des deutschen Rechts nur auf die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB gestützt werden 208. Ausschlag202 OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 35A = NJW-RR 1995, S. 1396; LG Limburg NJW 1990, S. 2206. 203 LG Düsseldorf IPRspr. 1990 Nr. 43 = NJW 1991, S. 2220. 204 LG Würzburg IPRspr. 1988 Nr. 27 = NJW-RR 1988, S. 1324; LG Limburg NJW-RR 1989, S. 119, 120; LG Bamberg NJW-RR 1990, S. 694; OLG Stuttgart IPRspr. 1990 Nr. 34 = NJW-RR 1990, S. 1081, 1082; LG Konstanz NJW-RR 1992, S. 1332, 1333; LG Köln IPRspr. 1992 Nr. 48 = VuR 1993, S. 52,53. 205 Anders nur im Fall des LG Konstanz a. a. O.; auch hier waren aber die Gewährleistungsansprüche ausschließlich vom deutschen Hersteller zu erfüllen. 206 LG Limburg NJW-RR 1989, S. 119, 120; vgl. auch LG Bamberg NJW-RR 1990, S. 694. 207 LG Köln IPRspr. 1992 Nr. 48 = VuR 1993, S. 52. 208 OLG Stuttgart IPRspr. 1990 Nr. 34 = NJW-RR 1990, S. 1081, 1082; LG Konstanz NJW-RR 1992, S. 1332, 1333; LG Köln IPRspr. 1992 Nr. 48 = VuR 1993, S. 52, 53; wohl auch LG Würzburg IPRspr. 1988 Nr. 27 = NJW-RR 1988, S. 1324; zustimmend Taupitz. BB 1990, S. 642, 647; Mankowski, RIW 1993, S. 453, 462; Gunst, Vertragscharakteristische Leistung, S. 212.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

gebend für das Abweichen von der Regelanknüpfung dürfte dabei neben der ausschließlichen Vertragsabwicklung mit der deutschen Herstellerfirma auch die Tatsache gewesen sein, daß die Verkaufsveranstaltungen stets eindeutig auf die deutschen Touristen zugeschnitten waren. Somit unterscheidet sich der Sachverhalt aber nicht mehr wesentlich von einem reinen Inlandsfall 209. Der Erwerb der Ware hätte ebensogut an einem Urlaubsort in der Bundesrepublik stattfinden können. Folglich bestehen hier die engsten Verbindungen zum (deutschen) Käuferrecht 210. Vereinzelt wird die Anwendung des deutschen Rechts allerdings dahingehend interpretiert, daß die Gerichte nicht auf das Recht des deutschen Käufers, sondern vielmehr auf das des deutschen Herstellers abgestellt hätten. Deshalb komme „das Recht einer dritten, formal am eigentlichen Vertrag nicht beteiligten Partei" zur Anwendung211. Die Bestimmung des Vertragsstatuts über Art. 28 V EGBGB soll sich dabei aus dem engen Zusammenhang des Kaufvertrages mit einem anderen Vertrag rechtfertigen. Der Sache nach wird damit der Kaufvertrag an den zwischen der ausländischen Vertriebsfirma und dem deutschen Hersteller bestehenden Vertrag angelehnt. Dieses Verständnis kann nun aber schon deshalb nicht überzeugen, weil überhaupt nicht feststeht, daß der letztgenannte Vertrag dem deutschen Recht unterliegt. Außerdem soll die Anwendung der Ausweichklausel doch erkennbar auch den Rechtsanwendungsinteressen der deutschen Käufer Rechnung tragen. Mithin bleibt es dabei, daß von Art. 28 V EGBGB das deutsche Käuferrecht berufen wird. Zu fragen bleibt aber, ob ein Abweichen von der Regelanknüpfung auch dann in Betracht kommt, wenn keine inländische Hersteller- bzw. Lieferfirma eingeschaltet worden ist. Soweit ersichtlich hat die Rechtsprechung in derartigen Fällen noch nicht auf Art. 28 V EGBGB zurückgegriffen 212. Dies könnte sich daraus erklären, daß dem Abschlußort hier deshalb etwas größere Bedeutung zukommt, weil die Ware ja auch tatsächlich aus dem Verkäuferstaat geliefert wird. Andererseits sollen aber bei den Verkaufsveranstaltungen ganz gezielt deutsche Touristen angesprochen werden. Daher ist unklar, wo genau insoweit die Grenzlinie verläuft. Das ausländische Verkäuferrecht würde aber jedenfalls dann zur Anwendung kommen, wenn die Ware an Ort und Stelle bezahlt und übergeben worden wäre. Bei solchen Bar- oder Handkäufen spricht nämlich die sofortige Abwicklung des Geschäfts dafür, das

209 Gunst, Vertragscharakteristische Leistung, S. 213 weist darauf hin, daß der Vertrag aus den soeben genannten Gründen einen eindeutigen Bezug zum deutschen Markt aufweist; vgl. auch LG Köln IPRspr. 1992 Nr. 48 = VuR 1993, S. 52,53. 210 Sack, IPRax 1992, S. 24, 27; Huff, VuR 1988, S. 306, 311; Reich, VuR 1989, S. 158, 161; Mankowski, RIW 1993, S. 453,462; a.A. Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 143, der deutsches Recht nur bei kollusivem Zusammenwirken zwischen ausländischem Verkäufer und deutschem Hersteller (Gesetzesumgehung) anwenden will.

2Π Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 233. 212 Vgl. LG Limburg NJW 1990, S. 2206; LG Düsseldorf IPRspr. 1990 Nr. 43 = NJW 1991, S. 2220; OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 35A = NJW-RR 1995, S. 1396.

§16 Art. 28 , V EGBGB

215

Recht des Abschlußortes zu berufen 213. Dies hat erst recht für den Fall zu gelten, daß der Verkäufer dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei den hier in Rede stehenden Sachverhalten müßte sich deshalb die Anwendung des Art. 28 V EGBGB vor allem auf die Tatsache stützen, daß die Ware vom Verkäufer frei Haus nach Deutschland geliefert wird und dort auch größtenteils zu bezahlen ist. Die Versendung des Kaufgegenstandes auf Gefahr des Verkäufers ist jedoch grds. nicht geeignet, ein Abweichen von der Regelanknüpfung zu begründen214. Sofern die Ware also von dem ausländischen Verkäufer selbst bezogen wird, spricht mehr dafür, ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB zu verneinen. Gegen diese Lösung kann auch nicht eingewandt werden, daß dadurch dem Verbraucherschutz nicht Genüge getan werde. Die Verbraucherverträge haben im deutschen Kollisionsrecht in Art. 29 EGBGB eine Sonderregelung erfahren. Falls dessen Anwendung nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führt, darf nicht etwa im Gegenzug Art. 28 V EGBGB besonders verbraucherfreundlich interpretiert werden. Aufgabe der Ausweichklausel ist nämlich nicht der Schutz der schwächeren Vertragspartei 215, sondern vielmehr die Verwirklichung des Anknüpfungsprinzips der engsten Verbindung. In den genannten Fällen haben aber die zum deutschen Recht bestehenden Verbindungen kein ausreichendes Gewicht, um die Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB durchbrechen zu können. Anders hingegen dann, wenn die Vertragsabwicklung über eine Liefer- bzw. Herstellerfirma im Inland erfolgt.

b) Gesteigerte Bedeutung des Abschlußortes Weiterhin kommt eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB dann in Betracht, wenn dem Abschlußort des Vertrages ausnahmsweise einmal besondere Bedeutung zukommt. Neben den schon genannten Bar- oder Handkäufen ist hier vor allem an Börsengeschäfte sowie an Käufe auf Messen, Märkten und öffentlichen Versteigerungen zu denken. aa) Börsenkäufe Bei den Börsenkäufen bereitet die Anknüpfung an den Wohnsitz der Parteien deshalb Schwierigkeiten, weil sich die Vertragspartner häufig überhaupt nicht kennen. Die Verträge werden vielmehr durch berufsmäßige Vertreter abgeschlossen, die i.d.R. ständig an der Börse tätig sind und über eine besondere Zulassung verfügen 216 . Der Ort der Börse ist mithin der einzig deutlich erkennbare Bezugspunkt 213 Schulze, Vertragsstatut, S. 77; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 221; Soergel/ von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 112; Sack, IPRax 1992, S. 24, 27. 214 MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 113; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 143. 215 So zu Recht Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 204. 216 Schulze, Vertragsstatut, S. 80.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

für beide Parteien 217, der zudem eine Gleichbehandlung aller dort abgeschlossenen Geschäfte garantiert 218. Weiterhin wickeln sich Börsengeschäfte unter bestimmten, am jeweiligen Börsenplatz geltenden Usancen ab 2 1 9 . Schließlich unterliegt der Börsenhandel oftmals öffentlich-rechtlichen Reglementierungen220. Daher kommt auf Börsenkäufe nach einhelliger Ansicht das am Börsenort geltende Recht zur Anwendung. Dieses Ergebnis wird vereinzelt auf eine stillschweigende Rechtswahl gestützt, sofern die Parteien den Börsenkauf auf der Grundlage der Geschäftsbedingungen der Börse getätigt haben221. Daneben findet sich der begründende Hinweis auf Art. 28 I EGBGB 222 und sogar auf die Regelanknüpfung des Art. 28 II EGBGB 2 2 3 , was jedoch nicht überzeugen kann. Auch für den Börsenkauf führt die Vermutung des Art. 28 Π EGBGB nämlich zur Maßgeblichkeit des Verkäuferrechts. Aus den soeben genannten Gründen muß aber über die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB an das Recht des Börsenortes angeknüpft werden 224 . bb) Öffentliche

Versteigerungen

Entsprechendes gilt auch für auf öffentlichen Versteigerungen abgeschlossene Verträge. Diese sollen dem Recht am Versteigerungsort unterliegen, weil die Versteigerung häufig öffentlich-rechtlich geregelt sei 225 . Außerdem blieben auch hier die Parteien i.d.R. bewußt anonym, weshalb der Versteigerungsort als einzig von vornherein feststehender Anknüpfungspunkt in Betracht komme 226 . Uneingeschränkt gilt dies indes nur für Verkäufe im Wege der Zwangsvollstrekkung, da es sich insoweit um einen öffentlich-rechtlichen Verwertungsvorgang handelt227. Bei der privatrechtlichen Versteigerung ist jedoch danach zu unterscheiden, ob der Versteigerer als Kommissionär im eigenen Namen oder als Vertreter im Namen seines Auftraggebers tätig wird. Hierbei kommt es darauf an, was der Auktionator vorher erklärt 228. Im ersten Fall ist der Versteigerer selbst der Ver217 Ebenroth, Fschr. Keller, S. 391,430. 218 Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 215. 219 Kreuzer, IPR des Warenkaufs, S. 107; MünchKomm IMartiny, 114a. 220 Schulze, Vertragsstatut, S. 80.

Art. 28 EGBGB, Rdnr

221 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 146. 222 Roth, IPRax 1987, S. 147, 149; Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 22. 223 Erman IHohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 57. 224 So auch Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 681 ; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 215; Rammeloo, VertragskollisionsR, S. 331. 225 MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 114a; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 216. 226 Schulze, Vertragsstatut, S. 81. 227 Kreuzer, IPR des Warenkaufs, S. 106. 228 PalandtIPutzo, Einf. vor § 433 BGB, Rdnr 9.

§16 Art. 28 II, V EGBGB

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käufer und erbringt somit auch die vertragscharakteristische Leistung229. Daher weist die Vermutung des Art. 28 I I EGBGB auf das am Sitz des Versteigerers geltende Recht. Nach Art. 28 Π 2 EGBGB ist aber bei beruflicher oder gewerblicher Tätigkeit des Verkäufers ausschlaggebend, von welchem Ort aus die charakteristische Leistung erbracht wurde. Entscheidend dürfte deshalb in aller Regel sein, wo sich das die Versteigerung durchführende Auktionshaus befindet. Dieser Ort ist aber zugleich der Abschlußort des Vertrages. Sofern der Versteigerer also selbst als Verkäufer auftritt, führt die Anknüpfung über Art. 28 Π EGBGB grds. zur Anwendung des Rechts des Versteigerungsortes 230. Ansonsten wird die lex loci contractus über Art. 28 V EGBGB berufen 231. cc) Käufe auf Messen und Märkten Auch Käufe auf Messen und Märkten wurden früher generell dem Recht des Abschlußortes unterstellt232. Richtigerweise sollte jedoch zumindest danach differenziert werden, ob die Vertragsabwicklung am Messe- bzw. Marktort selbst erfolgt oder nicht. Wird hier nämlich lediglich die Bestellung des Käufers entgegengenommen, während die Abwicklung des Geschäfts durch die Niederlassung des Verkäufers erfolgt, dann besteht keine Veranlassung, von der Regelanknüpfung des Art. 28 I I EGBGB abzuweichen233. Wird das Geschäft hingegen auf dem Markt oder der Messe sofort abgewickelt, dann handelt es sich um einen Bar- oder Handkauf und soll deshalb nach ganz überwiegender Ansicht dem Recht des Abschlußortes zu unterstellen sein 234 . Dieses Ergebnis folgt schon aus Art. 28 Π EGBGB, wenn der Markt- bzw. Messeort mit dem (Wohn-)Sitz des Verkäufers zusammenfällt. In allen übrigen Fällen muß auf Art. 28 V EGBGB zurückgegriffen werden. Fraglich ist nun allerdings, ob Barkäufe auch dann über Art. 28 V EGBGB an das Recht des Abschlußortes anzuknüpfen sind, wenn der Verkauf in einem Drittstaat erfolgt, Käufer und Verkäufer aber in demselben Staat ansässig sind. Hier wird je nach den Umständen des Vertragsschlusses zu unterscheiden sein. Bei Handkäufen zwischen deutschen Touristen im Ausland beispielsweise verweist 229 OLG Düsseldorf IPRspr. 1990 Nr. 167 = NJW 1991, S. 1492 = IPRax 1991, S. 327, 328; Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 145. 230 So auch im Fall des OLG Düsseldorf a. a. O. 231 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 681; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 216. 232 Soergel/Kegel 11, vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 366; vgl. auch BGH NJW 1961, S. 25, 26 = JZ 1961, S. 261, 262. 233 LG Aachen IPRspr. 1990 Nr. 31 = RIW 1990, S. 491, 492; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 681; vgl. auch LG Frankfurt a.M. IPRax 1981, S. 134,135. 234 Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 212; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 114a; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 144; vgl. auch Schulze, Vertragsstatut, S. 79; Kreuzer, IPR des Warenkaufs, S. 107.

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Art. 28 Π EGBGB auf das deutsche Recht. Allein die Tatsache, daß das Geschäft vollständig im Ausland abgewickelt wird, dürfte aber in diesem Fall nicht ausreichen, um ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB rechtfertigen zu können, da ja schließlich auch der Käufer in der Bundesrepublik beheimatet ist. Anders stellt sich die Situation hingegen dar, wenn der Verkauf an einem Messestand im Ausland erfolgt. Hier spricht mehr dafür, alle abgeschlossenen Verträge einheitlich dem Recht des Messeortes zu unterwerfen, unabhängig davon, ob der deutsche Verkäufer an einen deutschen oder einen ausländischen Kunden veräußert. Mithin können die für Barkäufe geltenden Grundsätze nicht ohne weiteres auf Messe- und Marktkäufe übertragen werden. Festzuhalten bleibt aber, daß das Recht des Abschlußortes nur dann über Art. 28 V EGBGB zur Anwendung kommt, wenn dort auch die Abwicklung des Vertrages erfolgt ist. c) Auftreten des Verkäufers im Käuferstaat Darüber hinaus hat die Rechtsprechung eine Anwendung des Käuferrechts erwogen, wenn der Verkäufer oder sein Repräsentant im Käuferstaat aufgetreten ist und dort auch der Vertragsabschluß erfolgte 235. Allerdings sind alle insoweit einschlägigen Urteile zum alten IPR ergangen und können deshalb nicht ohne weiteres auf das geltende Recht übertragen werden. Vor der IPR-Reform gab es nämlich nach Ansicht des BGH gerade keine Art. 28 Π EGBGB entsprechende Regelanknüpfung an das Verkäuferrecht 236. Mithin bedurfte die Nichtanwendung desselben auch einer geringeren Rechtfertigung. Zunächst wurde der Kaufvertrag in einem Fall dem Käuferrecht unterworfen, in dem der Geschäftsführer des veräußernden Unternehmens zum Abschluß des Vertrages in das Land des Käufers gereist war 237 . Das Gericht stützte dabei seine Entscheidung in erster Linie auf den Abschlußort, daneben aber auch auf die Tatsache, daß die Bestellung in der Währung des Käuferstaates erfolgen sollte. In einer weiteren Entscheidung ist die Anwendung des Käuferrechts damit begründet worden, daß der Verkäufer Geschäftsbeziehungen im Land des Käufers gepflegt und dort auch vor Vertragsschluß Verhandlungen mit dem Käufer geführt hatte 238 . Zudem wurde auch hier die Währung des Käuferstaates vereinbart. Schließlich hat der BGH in einem dritten Fall das Verkäuferrecht nicht für maßgeblich erachtet, weil 235 Vgl. die entsprechende Regelung in Art. 3 I I des Haager Übereinkommens betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht vom 15. 06. 1955. Die Bundesrepublik Deutschland hat des Übereinkommen bisher jedoch nicht gezeichnet. 236 BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 23 = NJW 1960, S. 1720, 1721; BGHZ 57, 72, 76 = NJW 1972, S. 391, 393; BGHZ 61, 221, 223 = NJW 1973, S. 2151; BGH IPRspr. 1986 Nr. 34 = NJW 1987, S. 1141 = JR 1987, S. 198,199; a.A. OLG Frankfurt IPRspr. 1979 Nr. 161. 237 OLG Frankfurt IPRspr. 1970 Nr. 110 = NJW 1970, S. 1010. 238 LG Hagen IPRspr. 1979 Nr. 16; zustimmend Soergel/Kegel l\ vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 369.

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sich der Verkäufer zum Abschluß des Vertrages einer im Land des Käufers ansässigen Vertriebsgesellschaft bediente239. Auch nach der IPR-Reform ist in der Literatur vorgeschlagen worden, Import- und Exportverträge über Art. 28 V EGBGB dem Käuferrecht zu unterstellen, wenn sie von einem für das Käuferland eingesetzten Handelsvertreter des Verkäufers abgeschlossen wurden 240. Bei derartigen Sachverhalten erfolge der Vertragsschluß nämlich letztlich „unter Binnenmarktbedingungen" des Käuferstaates 241. Andererseits ist aber auch kritisiert worden, dem Abschlußort des Vertrages ausschlaggebende Bedeutung für die Anknüpfung beizumessen, da ein solches Vorgehen mit erheblichen Zufälligkeiten behaftet sei 242 . So dürfe etwa das anwendbare Recht nicht davon abhängen, in welchem Land die Bestellung des Käufers dem Verkäufer oder dessen Vertreter zugehe243. Auch der Ort der Vertrags Verhandlungen soll nur von untergeordneter Bedeutung sein 244 . Nicht selten hänge nämlich der Verhandlungs- und Abschlußort von verkehrstechnischen oder sonstigen äußeren Umständen ab, die keine Rückschlüsse auf das Vertragsstatut zuließen245. Außerdem läßt sich auch nicht eindeutig bestimmen, wie die Vertragsverhandlungen ausgestaltet sein müssen, um ein Durchbrechen der Regelanknüpfung rechtfertigen zu können. Schwierigkeiten entstehen insbesondere bei der Verwendung von AGB 2 4 6 . Schließlich kann eine Anknüpfung an den Abschlußort auch deshalb nicht überzeugen, weil dieser bei Distanzkäufen 247 und Vertragsabschlüssen per Telex, Fax oder Telefon nur wenig aussagekräftig ist 248 . Die genannten Beispiele haben verdeutlicht, daß allein der Umstand, daß Verhandlungs- und Abschlußort im Staat des Käufers liegen, nicht zu einem Eingreifen des Art. 28 V EGBGB führt. Ansonsten könnte nämlich der Anwendungsbereich des Art. 28 Π EGBGB zu weit ausgehöhlt werden 249. 239 BGH IPRspr. 1972 Nr. 14 = W M 1973, S. 98. 240 Basedow, NJW 1986, S. 2971,2978; vgl. auch W. Lorenz, IPRax 1987, S. 269,274. 241 Basedow, NJW 1986, S. 2971,2978. 242 Kreuzer, IPR des Warenkaufs, S. 103; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 217. 243 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 143; vgl. auch die Stellungnahme des Deutschen Rates für IPR, RabelsZ 24 (1959), S. 151, 156; dort wird die Regelung des Art. 3 II Haager Kauf-IPR 1955 ausdrücklich verworfen. 244 Vgl. aber die Regelung in Art. 8 II lit. a) des (noch nicht in Kraft getretenen) Haager Kauf-IPR v. 22. 12. 1986; danach soll es für die Anknüpfung maßgeblich auf den Verhandlungs- und den Abschlußort des Vertrages ankommen, sofern beide in demselben Staat liegen. 245 Schulze, Vertragsstatut, S. 77. 246 Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 219. 247 OLG Hamburg IPRspr. 1978 Nr. 189 = RIW/AWD 1979, S. 482,484. 248 Anders aber bei den oben behandelten Barkäufen sowie Vertragsabschlüssen auf Börsen und öffentlichen Versteigerungen. Hier bildet der Abschlußort sogar den einzig vorhersehbaren Anknüpfungspunkt. 249 Vgl. schon Kreuzer, IPR des Warenkaufs, S. 103.

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Etwas anders stellt sich die Situation dar, wenn der Vertrag durch einen im Käuferland ansässigen Handelsvertreter oder Handelsmakler zustande kommt. Insoweit besteht in der Tat ein nicht unerheblicher Bezug zum Käuferrecht 250, der durch die Niederlassung und das Tätigkeitsgebiet des Vermittlers begründet wird. Trotzdem verweist aber Art. 28 Π EGBGB auf das Verkäuferrecht, da Handelsmakler und -Vertreter aufgrund ihrer Selbständigkeit und Weisungsungebundenheit nicht als „andere Niederlassung" des Verkäufers i. S. d. Art. 28 Π 2 EGBGB angesehen werden 251. Folglich kann das Käuferrecht allenfalls über Art. 28 V EGBGB zur Anwendung kommen. Dagegen spricht jedoch, daß der Vermittler an der Abwicklung des Vertrages gerade nicht beteiligt ist 252 . Diese erfolgt vielmehr stets ausschließlich mit dem Verkäufer selbst. Ein erheblicher Auslandsbezug fehlt deshalb nur dann, wenn die vom Verkäufer geschuldete Leistung durch eine im Käuferstaat ansässige Zweigniederlassung erbracht wird. In diesem Fall findet das Käuferrecht indes schon über Art. 28 I I 2 EGBGB Anwendung. Ansonsten sollte aber die kollisionsrechtliche Behandlung des Kaufvertrages nicht entscheidend davon abhängen, von welchem Ort aus der eingeschaltete Vermittler tätig wird. Es wäre nämlich widersprüchlich, Handelsmakler und -Vertreter einerseits zu Recht nicht als „andere Niederlassung" des Verkäufers i. S. d. Art. 28 I I 2 EGBGB anzusehen, andererseits aber über Art. 28 V EGBGB im Ergebnis doch das an deren Niederlassung geltende Recht zu berufen. Etwas anderes kann allenfalls für solche Geschäfte gelten, bei denen die Einschaltung eines Maklers handelsüblich oder sogar gesetzlich vorgeschrieben ist 253 . Auch hier hat sich die Rechtsprechung bisher aber stets zurückhaltend geäußert254.

d) Vertragsabschlüsse im Internet Die soeben dargestellten Grundsätze gelten im wesentlichen auch für Verkaufsabschlüsse im Internet oder im Rahmen anderer Online-Systeme. Allerdings kommt eine Bestimmung des Vertragsstatuts über Art. 28 EGBGB vor allem bei Verträgen zwischen gewerblich Tätigen in Betracht. Ist der Empfänger der Lieferung nämlich ein Verbraucher, so wird überwiegend vertreten, daß der Anwendungsbereich des Art. 29 I Nr. 1 EGBGB eröffnet sei, weil der Anbieter ein Angebot oder eine Werbung in seine Website eingestellt habe und diese eben auch auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers abziele255. 250 BGH IPRspr. 1972 Nr. 14 = W M 1973, S. 98; Basedow, NJW 1986, S. 2971, 2978. 251 v. Bar, IPR II, Rdnr 511; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 69. 252 Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 217. 253 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 142. 254 Vgl. LG Hamburg IPRspr. 1974 Nr. 154; OLG Hamburg IPRspr. 1978 Nr. 189 = RIW/ AWD 1979, S. 482,484. 255 Mankowski, RabelsZ 63 (1999), S. 203, 238-242; Junker, RIW 1999, S. 809, 815; Gruber, DB 1999, S. 1437, 1438; Martiny, ZEuP 1999, S. 246, 259; Palandt/Heldrich, Art. 29 EGBGB, Rdnr 5; differenzierend Borges, ZIP 1999, S. 565, 570.

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Liegt dagegen kein Verbrauchervertrag vor, verweist Art. 28 I I EGBGB auf die (Haupt-)Niederlassung des Anbieters 256. Fehlt es an einer solchen und ist der Anbieter lediglich im Internet präsent, so ist auf seinen Aufenthalt abzustellen257. Der Ort, an dem sich der Server befindet, ist dagegen unbeachtlich258. Aus diesem Grund überzeugt es auch nicht, über Art. 28 V EGBGB von der Regelanknüpfung abzuweichen, wenn ein ausländischer Verkäufer durch eine deutsche InternetAdresse in deutscher Sprache Waren für den deutschen Markt anbietet259. Wegen der weltweiten Zugriffsmöglichkeit wird man nämlich häufig nicht einmal sagen können, daß die Werbung nur auf einen bestimmten nationalen Markt abzielt260. Außerdem sollte es für die Anknüpfung keine Rolle spielen, ob die Bestellung des Käufers von einem Computer im In- oder Ausland aus erfolgt.

e) Vertragsgegenstand weist eindeutig auf das Käuferrecht Eine Anwendung der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB kommt schließlich dann in Betracht, wenn der Vertragsgegenstand eindeutig auf ein anderes als das Verkäuferrecht weist. So mußte sich die Rechtsprechung mit einem Vertrag zwischen einer deutschen Kommanditgesellschaft und einem in der Bundesrepublik stationierten US-Soldaten befassen, der den Verkauf eines Kraftfahrzeugs zum Gegenstand hatte 261 : Der erwerbende US-Soldat sollte durch den Kauf des PKW besondere Steuer- und zollrechtliche Vergünstigungen erhalten. Für die entsprechende Vertragsgestaltung war es allerdings unbedingt erforderlich, daß der Verkauf an einen amerikanischen Staatsangehörigen erfolgte. Solche Verträge hatte die deutsche Verkäuferin bisher auch nur mit Armeeangehörigen geschlossen. Außerdem war die Vertragsgestaltung am US-amerikanischen Recht orientiert, da entsprechende Fachtermini verwandt wurden. Schließlich sollte die Kreditsicherung durch eine amerikanische Bank erfolgen und die Ratenzahlungen automatisch vom Sold des Käufers abgezweigt werden.

Das Gericht verneinte aus den genannten Gründen eine Anwendung des Verkäuferrechts, weil es an einem ausreichenden Inlandsbezug fehle 262 . Die Verkäuferin habe sich zwar in einer deutschen Gesellschaftsform organisiert, trotzdem aber ausschließlich Verkäufe an US-Soldaten getätigt263, die sich üblicherweise ledig256 Palandt/ Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 4. 257 Martiny, ZEuP 1999, S. 246,259; Junker, RIW 1999, S. 809, 818. 258 Mankowski, RabelsZ 63 (1999), S. 203, 227. 259 Gruber, DB 1999, S. 1437, 1442; wohl auch Waldenberger, BB 1996, S. 2365, 2371; a.A. aber 771. Pfeiffer, NJW 1997, S. 1207, 1214; Mehrings, CR 1998, S. 613,617. 260 Kronke, RIW 1996, S. 985,988. 261 LG Zweibrücken IPRspr. 1983 Nr. 23 = RIW 1983, S. 454. 262 LG Zweibrücken IPRspr. 1983 Nr. 23 = RIW 1983, S. 454,455. 263 Bezeichnenderweise hatte die KG ihre Hauptniederlassung in Ramstein (Natostützpunkt) und eine Zweigniederlassung direkt neben der amerikanischen Kaserne.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

lieh für kurze und unbestimmte Zeit im Inland aufhalten. Deshalb dürfte es auch nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sein, daß der Vertragsabschluß in der Bundesrepublik erfolgte. Allerdings hatten die Parteien in dem Vertrag einen deutschen Gerichtsstand vereinbart. Auch diesem Umstand maß das Gericht indes kein entscheidendes Gewicht zu 2 6 4 . Dem ist im Ergebnis zu folgen, da der Vertrag in der Tat von vornherein nur mit einem ganz bestimmten (ausländischen) Käuferkreis geschlossen werden konnte265. Nach neuem Recht müßte daher über Art. 28 V EGBGB an das Recht des Käufers angeknüpft werden. Ein deutlich engerer Bezug zum Käuferrecht bestand auch in einem Fall, den das OLG Celle im Jahre 1991 zu entscheiden hatte266: Gegenstand des Rechtsstreits war der Verkauf von Geschäftsanteilen einer polnischen GmbH an einen deutschen Käufer. Die Gesellschafter der Verkäuferin waren dabei zugleich in einer GmbH des deutschen Rechts organisiert und verpflichteten sich in dem Kaufvertrag dazu, dem Käufer eine Gewinnbeteiligung an eben dieser deutschen GmbH einzuräumen. In dem Vertrag, der vor einem deutschen Notar geschlossen wurde und in der Bundesrepublik erfüllt werden sollte, vereinbarten die Parteien einen deutschen Gerichtsstand sowie Bezahlung des Kaufpreises in DM.

Im vorliegenden Fall existierten mithin neben dem Sitz der Verkäuferin keine weiteren Beziehungen zum polnischen Recht, zumal alle beteiligten (natürlichen) Personen die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und keine tiefgreifenden Kenntnisse des polnischen Rechts hatten. Darüber hinaus stand wirtschaftlich eindeutig die beabsichtigte Beteiligung des Käufers an der deutschen GmbH im Vordergrund 267. Folglich war über Art. 28 V EGBGB an das deutsche Käuferrecht anzuknüpfen. Das OLG Celle hat dies indes nicht ausdrücklich getan, begründet seine Entscheidung aber mit dem Hinweis darauf, daß unter bestimmten Umständen auch von der Regelanknüpfung des Art. 28 ΠΙ EGBGB abgewichen werden könne 268 . Der Sache nach wurde deshalb das anwendbare Recht mit Hilfe der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB ermittelt.

264 Für eine geringe Bedeutung der Gerichtsstandsklausel im Rahmen des Art. 28 EGBGB auch Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 109; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 12; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 75; vgl. aber auch BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 28 = NJW 1961, S. 25; v. Bar, IPR II, Rdnr 490. 265 So auch Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 135. 266 OLG Celle IPRspr. 1991 Nr. 27 = NJW-RR 1992, S. 1126. 267 Nach Ansicht des Gerichts wäre allerdings selbst dann deutsches Recht anzuwenden gewesen, wenn sich die Verkäuferin ausschließlich zur Übertragung eines Geschäftsanteils an der polnischen GmbH verpflichtet hätte. 268 OLG Celle IPRspr. 1991 Nr. 27 = NJW-RR 1992, S. 1126, 1127.

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Π. Dienst- und Geschäftsbesorgungsverträge 1. Regelanknüpfung Beim Dienstvertrag erbringt der Dienstverpflichtete die charakteristische Leistung, weshalb die Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB auch auf dessen Recht verweist 269. Bei Freiberuflern wie Ärzten 270 und Rechtsanwälten271 findet daher nach Art. 28 Π 2 EGBGB grds. das an deren Niederlassung, d. h. am Kanzlei- oder Praxisort geltende Recht Anwendung. Werden mehrere Niederlassungen tätig, so soll es für die Anknüpfung auf den Umfang der jeweils erbrachten Dienstleistung ankommen272. Falls dieser Wertvergleich aber nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, dürfte das Recht des Staates maßgeblich sein, in dem sowohl der Dienstberechtigte als auch einer der Dienstverpflichteten ansässig ist. Entsprechendes gilt für Auftragsverhältnisse und die entgeltliche Geschäftsbesorgung. Hier wird die charakteristische Leistung durch den Beauftragten bzw. den zur Geschäftsbesorgung Verpflichteten erbracht 273. Bei Verbraucherverträgen muß allerdings Art. 29 I I EGBGB beachtet werden, der das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers beruft. Dies gilt indes nur für den (seltenen) Fall, daß einer der in Art. 291 EGBGB genannten Tatbestände erfüllt ist. Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich der Vorschrift durch Art. 29IV Nr. 2 EGBGB nicht unerheblich eingeschränkt. Danach gelten die Regeln des Art. 29 EGBGB nicht, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat zu erbringen sind, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat 274 . Dies bedeutet, daß überhaupt keine Berührung der Leistung mit dem Verbraucherstaat bestehen darf 275 . So etwa dann, wenn ein im Inland ansässiger Rechtsanwalt zwar von einem Ausländer mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland beauftragt, aber lediglich im Inland (forensisch) tätig wird. Weitere Beispiele bilden die Behandlung eines ausländischen Patienten im Inland sowie Sprach-, Ski- oder Segelkurse deutscher Urlauber im

269 BGHZ 128, 41,48 = W M 1995, S. 124, 127; Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 13; Kropholler, IPR, § 52 III 3 c, S. 418. 270 Deutsch, Fschr. Ferid (1978), S. 117, 122; Soergel/νοΛ Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 201; MünchKomm IMartiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 152. 271 OLG Hamburg IPRspr. 1989 Nr. 233b; BGH IPRspr. 1991 Nr. 170 = NJW 1991, S. 3095, 3096; G. Raiser, NJW 1991, S. 2049, 2057; Henssler, JZ 1994, S. 178, 185; Zuck, NJW 1987, S. 3033. 272 Reithmann/ Mankowski, Int. VertragsR, Rdnr 1477 (zum An waits vertrag). 273 BGH IPRspr. 1987 Nr. 16 = NJW 1987, S. 1825, 1826; OLG Hamm RIW 1994, S. 513, 515 = IPRax 1996, S. 33, 36; BGH DtZ 1996, S. 51 (interlokal); v. Bar, IPR II, Rdnr 496. 274 MünchKomm/Martiny, Art. 29 EGBGB, Rdnr 16; Henssler, JZ 1994, S. 178, 185; G. Raiser, NJW 1991, S. 2049, 2057. 275 Soergel / von Hoffmann, Art. 29 EGBGB, Rdnr 27.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

Ausland276. In derartigen Fällen wird das objektive Vertragsstatut ausschließlich über Art. 28 EGBGB bestimmt.

2. Eingreifen

der Ausweichklausel

Eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB kommt bei Dienst- und Geschäftsbesorgungsverträgen vor allem in Betracht, wenn der zur Dienstleistung bzw. Geschäftsbesorgung Verpflichtete im Land seines Vertragspartners tätig wird. Entscheidend ist dabei, in welchem Umfang die geschuldete Leistung im fremden Staat erbracht wurde. Allein der Vertragsschluß im Ausland genügt allerdings für Art. 28 V EGBGB nicht, falls die Leistungserbringung in nicht unerheblichem Maße auch vom Niederlassungsstaat des Dienstverpflichteten aus erfolgt 277. Auch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien rechtfertigt grds. kein Abweichen von der Regelanknüpfung, sofern der Dienstverpflichtete seine Niederlassung in einem anderen Staat hat und seine Tätigkeit auf diesen beschränkt278. Die Dienstleistung wird dann nämlich nur im Aufenthaltsstaat erbracht. Gleiches muß auch für Geschäftsbesorgungsverträge gelten. Auch hier führt ein gemeinsames Heimatrecht grds. nicht zu einem Eingreifen der Ausweichklausel279. a) Arzt- und Anwaltsvertrag Eine andere Beurteilung kann sich aber ergeben, wenn ein im Ausland niedergelassener Arzt gezielt mit im Heimatland erworbenen Qualifikationen wirbt, um so im Ausland befindliche Landsleute anzusprechen280. In diesem Fall ist ausnahmsweise an eine Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts zu denken, da der Patient von der Einhaltung der einheimischen Qualitäts- und Sorgfaltsstandards ausgeht 281 . Wird der Arzt oder Anwalt dagegen außerhalb seines Niederlassungsstaates tätig, so hängt die Anknüpfung des Vertrages entscheidend vom Tätigkeitsschwerpunkt ab 2 8 2 .

276

Zur deliktischen Haftung in den zuletzt genannten Fällen vgl. statt aller Deutsch, NJW 1962, S. 1680, 1681. 277 BGHZ 128, 41,49 = W M 1995, S. 124, 127 (interlokal). 278 Deutsch, Fschr. Ferid (1978), S. 117, 130. 279 Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 226; a.A. IPG 1967/68 Nr. 9 (Hamburg); Erman /Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 47. 280 Deutsch, Fschr. Ferid (1978), S. 117, 131 nennt als Beispiel in Mexiko tätige „englische Ärzte", die auf ihre Aus- und Weiterbildung im anglo-amerikanischen Raum hinweisen und so Touristen aus diesen Ländern ansprechen. Allerdings dürfte stets zu fordern sein, daß Arzt und Patient tatsächlich dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen. 281 Insoweit kommt sogar an eine entsprechende stillschweigende Rechtswahl in Betracht. 282 Vgl. BGHZ 128, 41,49 = W M 1995, S. 124, 127.

§16 Art. 28 II, V EGBGB

225

Mögliche Anwendungsfälle des Art. 28 V EGBGB bilden dabei die forensische Tätigkeit des inländischen Anwalts im Ausland283 oder die Operation durch eine hinzugezogene ausländische Kapazität im Inland 284 . Weiterhin kann es im Rahmen des Art. 28 V EGBGB von Bedeutung sein, wenn der Anwalt des Mandanten seinerseits einen ausländischen Kollegen beauftragt, weil der Rechtsstreit ein Auftreten im Ausland erfordert 285. Eine solche Anlehnung an den zweiten, grds. selbständig anzuknüpfenden Anwaltsvertrag sollte aber allenfalls dann erfolgen, wenn der erste Anwalt lediglich als Kontaktperson fungiert. Gegen ein Abweichen von der Regelanknüpfung in der soeben geschilderten Konstellation spricht zudem, daß beide Vertragsparteien häufig denselben gewöhnlichen Aufenthalt haben dürften. Ansonsten hätte der Mandant nämlich unmittelbar einen im Ausland ansässigen Anwalt beauftragen können. Bei Bestehen weiterer Verbindungen zum Recht des Kanzlei- oder Praxisortes muß es aber bei der von Art. 28 Π 2 EGBGB ausgesprochenen Verweisung bleiben, sofern diesen Umständen nicht ganz untergeordnete Bedeutung zukommt. Letztlich ist deshalb eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB nur möglich, wenn der Dienstleistende bzw. Geschäftsbesorger ausschließlich oder ganz überwiegend in einem Staat tätig wird, mit dem auch sein Auftraggeber eng verbunden ist. Eine hinreichend enge Verbindung dürfte dabei lediglich durch die Staatsangehörigkeit oder den gewöhnlichen Aufenthalt 286 bzw. die Niederlassung des Auftraggebers vermittelt werden.

b) Management- und Consultingvertrag Beim Managementvertrag verpflichtet sich der Managementgeber gegen Zahlung eines Entgelts dazu, die Geschäftsführung eines Unternehmens zeitlich begrenzt zu übernehmen, um den Managementnehmer so in die Lage zu versetzen, das Unternehmen nach Ablauf der Vertragsdauer selbst weiterzuführen 287. Der Managementvertrag wird im deutschen Recht nicht selten als Vertrag sui generis angesehen288. Mehr spricht jedoch für eine Einordnung als Dienstvertrag in Form des Geschäftsbesorgungsvertrags nach § 675 BGB 2 8 9 . Unabhängig von dieser Streitfrage wird aber in jedem Fall die charakteristische Leistung durch den Manager erbracht, weshalb Art. 28 Π EGBGB auf das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts 283 Eisenberg, IPR der Anwaltshaftung, S. 56; Soergel /von Hoffmann, Rdnr 236. 284 Vgl. Deutsch, Fschr. Ferid (1978), S. 117,130.

Art. 28 EGBGB,

285 Reithmann/Mankowski, Int. VertragsR, Rdnr 1480. 286 Sofern einer der Tatbestände des Art. 29 I EGBGB vorliegt, findet dann aber bei Verbraucherverträgen schon Art. 29 I I EGBGB Anwendung. 287 MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 145; A. Schlüter, Management- und Consultingverträge, S. 30. 288 Zeiger, Managementvertrag, S. 29; Weimar/Grote, RIW 1998, S. 267,268. 289 Zutreffend A. Schlüter, Management- und Consultingverträge, S. 38. 15 Geisler

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

bzw. seiner Niederlassung verweist 290. Allerdings muß der Manager zwingend am Sitz des Managementnehmers tätig werden, da er ja mit der Führung des dort ansässigen Unternehmens beauftragt worden ist. Nicht selten wird der Manager deshalb eine eigene Niederlassung in diesem Land begründen. Aber auch, wenn dies nicht der Fall ist, erfolgt die gesamte Vertragsabwicklung am Sitz des Vertragspartners. Diesen treffen zudem erhebliche Mitwirkungspflichten. Daher kommt auf den Managementvertrag in aller Regel über Art. 28 V EGBGB das am Sitz des betreuten Unternehmens geltende Recht zur Anwendung291. Demgegenüber verpflichtet sich beim Consultingvertrag ein außenstehender, unabhängiger Dritter (Consultant) zur Beratung bei der Lösung bestimmter technischer oder unternehmerischer Fragestellungen292. Anders als beim Managementvertrag handelt es sich also um eine bloße Beratungsleistung, während es nicht zu einer Übertragung eigener Verantwortlichkeiten auf den Dritten kommt. Der Consultingvertrag ist im deutschen Recht je nach Ausgestaltung als Dienstoder Werkvertrag zu qualifizieren 293. Die Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB beruft für diesen Vertrag das am Sitz des Consultant geltende Recht 294 . Auch in diesem Zusammenhang ist allerdings erwogen worden, über Art. 28 V EGBGB i.d.R. das Recht des Klienten zur Anwendung zu bringen 295. Indes darf nicht übersehen werden, daß der Consultant seine Beratertätigkeit nicht zwangsläufig am Projektort selbst ausüben muß. Sofern er dies aber ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend tut, kommt in der Tat ein Eingreifen der Ausweichklausel in Betracht. Wichtige Indizien sind insoweit die Eröffnung eines eigenen Baubüros am Errichtungsort 296 oder eine stark projektortsbezogene Tätigkeit, wie ζ. B. die Bauüberwachung297. Beim Consultingvertrag ist das objektive Vertragsstatut mithin nicht notwendigerweise, wohl aber im Einzelfall über Art. 28 V EGBGB zu ermitteln.

290 Zeiger, Managementvertrag, S. 91; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 452; Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 242; Weimar/Grote, RIW 1998, S. 267, 274. 291 v. Bar, IPR II, Rdnr 498; A. Schlüter, Management- und Consultingverträge, S. 211; Zeiger, Managementvertrag, S. 92; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 452; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 243; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 145. 292 MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 144; A. Schlüter, Management- und Consultingverträge, S. 107. 293 A. Schlüter, Management- und Consultingverträge, S. 108. Allgemein zur Methode der Qualifikation Deutsch, IPRax 1992, S. 284-290. 294 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 233; MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 144. 295 v. Bar, IPR II, Rdnr 498. 296 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 234. 297 A. Schlüter, Management- und Consultingverträge, S. 211.

§16 Art. 28 II, V EGBGB

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ΠΙ. Werkverträge 1. Regelanknüpfung Nach Art. 28 Π EGBGB findet auf Werkverträge das am Niederlassungsort bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Werkunternehmers geltende Recht Anwendung, da dieser die vertragscharakteristische Leistung erbringt 298. Für Verbraucherverträge ist auch hier die Vorschrift des Art. 29 Π EGBGB zu beachten. Der in Art. 29 I EGBGB verwandte Begriff der „Erbringung von Dienstleistungen" ist nämlich weit auszulegen und im Sinne einer tätigkeitsbezogenen Leistung an den Verbraucher zu verstehen299. Deshalb werden auch Werk- und Werklieferungsverträge erfaßt. Allerdings kann auf Art. 29 Π EGBGB nur zurückgegriffen werden, wenn einer der in Art. 291 EGBGB genannten Tatbestände erfüllt ist. Ansonsten verbleibt es bei der Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB. 2. Eingreifen

der Ausweichklausel

Ein Abweichen von der Regelanknüpfung wird bei Werkverträgen zunächst einmal dann erwogen, wenn das geschuldete Werk eine besondere Verbindung zum Errichtungsort aufweist. Dafür genügt es indes noch nicht, daß der Werkunternehmer am Sitz des Bestellers in irgendeiner Weise tätig geworden ist. Kommt dieser Tätigkeit nämlich nur untergeordnete Bedeutung zu, wie etwa bei der Installation eines am Sitz des Unternehmers entwickelten Datenverarbeitungsprogramms 300, so rechtfertigt dies kein Eingreifen der Ausweichklausel. In Betracht kommt die Anwendung des Art. 28 V EGBGB aber bei Bau-, Anlagen- und Architektenverträgen. Gleiches wird nicht selten für den Subunternehmervertrag vertreten. a) Bauvertrag Bei internationalen Bauverträgen ist bereits vor der IPR-Reform dafür plädiert worden, diese grds. dem Recht des Baustellenlandes bzw. der lex rei sitae zu unterwerfen 301. Eine entsprechende Anknüpfung kann aber nach heutigem Recht nicht über Art. 28 III EGBGB erfolgen, weil ein Bauvertrag weder ein dingliches Recht an einem Grundstück noch ein Recht zur Nutzung eines Grundstücks zum Gegen298 OLG Schleswig NJW-RR 1993, S. 314 = IPRax 1993, S. 95; OLG Nürnberg IPRspr. 1993 Nr. 31; OLG Hamm IPRax 1995, S. 104,106; Soergel/ww Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 204; Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 14. 299 BGHZ 123, 380, 385 = JZ 1994, S. 363, 365 = IPRax 1994, S. 449, 450; W. Lorenz. IPRax 1994, S. 429, 430; MünchKomm IMartiny, Art. 29 EGBGB, Rdnr 10; Reithmann/ Thode, Int. VertragsR, Rdnr 952. 300 OLG Nürnberg IPRspr. 1993 Nr. 31. 301 Kegel, Gedächtnisschr. R. Schmidt, S. 215, 223; StaudingerIFirsching Art. 12 EGBGB, Rdnr 538. 15*

l0/ n

, vor.

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stand hat 302 . Die lex rei sitae kann folglich nur mittels der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB zur Anwendung gelangen. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß die Leistung des Bauunternehmers nicht nur die eigentliche Errichtung das Bauwerks umfaßt, sondern sich i.d.R. auch auf die Planung und Organisation des Bauvorhabens sowie den Transport der erforderlichen Materialien erstreckt. Eine generelle Anknüpfung an das Recht der Baustelle ist deshalb in Rechtsprechung303 und Literatur 304 zu Recht auf Ablehnung gestoßen. Hieran vermag auch die zwingende Geltung der baurechtlichen und -polizeilichen Bestimmungen der lex rei sitae nichts zu ändern, da diese das privatrechtliche Verhältnis der Vertragsparteien nicht entscheidend beeinflussen 305. Allein die Errichtung oder Instandsetzung eines Gebäudes im Ausland führt also noch nicht zur Durchbrechung der Regelanknüpfung. Dies gilt selbst dann, wenn der Werklohn in der Währung des Baustellenlandes zu zahlen ist 306 . Die Wahl der einheimischen Währung dürfte nämlich in aller Regel auf Praktikabilitätserwägungen hinsichtlich der Entlohnung der dort tätigen Handwerker zurückzuführen und somit von nur untergeordneter Bedeutung sein 307 . Eingreifen soll die Ausweichklausel demgegenüber bei eindeutigem Überwiegen der am Ort der Baustelle zu erbringenden Leistungen des Unternehmers 308. Ein solches liegt vor, sofern neben der Durchführung auch die Planung und Vorbereitung des Projekts ausschließlich oder zu ganz wesentlichen Teilen am späteren Errichtungsort erfolgt. In diesen Fällen wird der Bauunternehmer dann auch über ein eigenes Baubüro im Ausland verfügen. Mithin ist über Art. 28 V EGBGB an das Recht der Baustelle anzuknüpfen, wenn das Bauprojekt eine umfangreiche Betreuung vor Ort erfordert und im Staat des Bestellers realisiert wird. Liegt die Baustelle allerdings in einem Drittstaat, während Besteller und Unternehmer im selben Staat ansässig sind (z. B. Bau eines Ferienhauses im Ausland), dann sollte es bei der Regelanknüpfung verbleiben. Nach Art. 28 Π 2 EGBGB findet aber das am Errichtungsort geltende Recht Anwendung, sofern das Bauvorhaben von einer dortigen Niederlassung des Unternehmers durchgeführt wird. 302 So ausdrücklich Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 53. 303 OGH IPRax 1994, S. 326, 329; vgl. auch BGH IPRspr. 1989 Nr. 172 = NJW-RR 1990, S. 183. 304 Reithmann/Thode, Int. VertragsR, Rdnr 953; Kropholler, IPR, § 52 III 2 c, S. 417; Palandt /Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 14; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 141; ders., ZEuP 1999, S. 246, 256. 305 w. Lorenz, IPRax 1995, S. 329, 332. 306 BGH IPRspr. 1989 Nr. 172 = NJW-RR 1990, S. 183, 184. 307 Das OLG Köln IPRspr. 1994 Nr. 37 = RIW 1994, S. 970,971 hat hingegen in anderem Zusammenhang betont, daß beim Werkvertrag der Wechsel der vereinbarten Währung ein Anhaltspunkt für eine konkludente Rechtswahl der Parteien sein könne. Wenn aber der Vertragswährung grds. keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, dann muß gleiches auch für eine Änderung der Währungsvereinbarung gelten. 308 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 213.

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, V EGBGB

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b) Industrieanlagenvertrag Etwas anders stellt sich die Situation bei der kollisionsrechtlichen Behandlung von Industrieanlagenverträgen dar. Bei diesen Verträgen besteht aufgrund ihrer Komplexität ein erhebliches Interesse an einer einheitlichen Anknüpfung, weshalb das maßgebliche Recht auch regelmäßig vereinbart wird 309 . Fehlt es an einer Rechtswahl, so ist umstritten, ob es bei der Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB verbleiben soll, die ja auf das Recht der Niederlassung des beauftragten Unternehmers verweist. Nicht selten wird betont, daß eine praktische Notwendigkeit bestehe, das Recht am Sitz des Auftraggebers bzw. das Recht am Errichtungsort der Anlage 310 zu berufen 311. Die Gegenauffassung lehnt es hingegen ab, über Art. 28 V EGBGB generell an das Recht des Anlagenortes anzuknüpfen. Dies müsse auch dann gelten, wenn der Gläubiger des Vertrages eine staatliche Einrichtung sei, die naturgemäß ein großes Interesse an der Maßgeblichkeit des eigenen Rechts habe 312 . Trotzdem sollte aber eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB bei Anlagenverträgen möglich sein. Genau wie bei den sonstigen Bauverträgen ist daher das Recht des Baustellenortes objektives Vertragsstatut, wenn der Bauunternehmer auch die Projektplanung und -Überwachung ganz überwiegend vor Ort durchführt. Wichtiges Indiz ist insoweit wiederum das Vorhandensein eines Baubüros am Errichtungsort. Für ein Abweichen von der Regelanknüpfung spricht außerdem, daß den Besteller der Anlage häufig umfangreiche Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Organisation und Materialbeschaffung treffen 313. Industrieanlagenverträge bilden mithin nicht stets, wohl aber in aller Regel einen Anwendungsfall des Art. 28 V EGBGB. c) Architektenvertrag Für Architektenverträge gilt im wesentlichen das zu den Bauverträgen Gesagte. Solange der Architekt nur oder zumindest in erheblichem Maße mit Planungsaufgaben beschäftigt ist, besteht keine Notwendigkeit, über Art. 28 V EGBGB an das Recht des Baustellenortes anzuknüpfen 314. Auch die zwingend erforderliche Beachtung ausländischer Qualitäts- und Sicherheitsstandards fällt nicht entscheidend ins Gewicht 315 . Die Anwendung der Ausweichklausel kommt aber in Betracht, 309 Reithmann/Thode, Int. VertragsR, Rdnr 958. 310 Beide Orte dürften bei Industrieanlagen Verträgen in aller Regel zusammenfallen. 311 Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 39; Reithmann/Thode, Int. VertragsR, Rdnr 958; unentschieden MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 143. 312 v. Bar, IPR II, Rdnr 502; Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 218. 313 So auch Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 218; a.A. aber v. Bar, IPR II, Rdnr 502. 314 LG Kaiserslautern IPRspr. 1987 Nr. 128 = NJW 1988, S. 652; Wenner, BauR 1993, S. 257, 261; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 139. 315 Reithmann/Thode, Int. VertragsR, Rdnr 960.

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falls der Architekt seine Tätigkeit überwiegend in einem ausländischen Baubüro entfaltet und in erster Linie mit der Objektüberwachung befaßt ist 316 . In diesen Fällen erbringt der Architekt seine Leistungen größtenteils am Baustellenort, so daß häufig eine engere Verbindung zur lex rei sitae bestehen wird. Dies gilt allerdings nicht, wenn Auftraggeber und Architekt im selben Staat ansässig sind. Wegen des starken Inlandsbezugs sollte dann nämlich nicht von der Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB abgewichen werden. d) Subunternehmervertrag Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch auf den Subunternehmervertrag einzugehen, bei dem der Hauptunternehmer Teile des Werkes durch einen Dritten erstellen läßt. Die charakteristische Leistung i. S. d. Art. 28 Π EGBGB wird dabei vom Subunternehmer erbracht. Ein Teil des kollisionsrechtlichen Schrifttums spricht sich nun aber dafür aus, den Subunternehmervertrag über Art. 28 V EGBGB akzessorisch an das Statut des Hauptvertrages anzuknüpfen 317. Zur Begründung wird auf die technischen Schwierigkeiten verwiesen, die sich ergeben könnten, wenn beide Verträge trotz ihrer engen Verflochtenheit verschiedenen Rechten unterstünden318. Daher bestehe ein Konsistenzinteresse der Parteien an einem einheitlichen Vertragsstatut. Aufgrund der faktischen Verzahnung von Hauptund Subunternehmervertrag könne den Beteiligten nur durch eine akzessorische Anknüpfung des Subunternehmervertrages ein „praktikables Regelungssystem" verschafft werden 319. Die Gegenauffassung betont hingegen die rechtliche Selbständigkeit beider Verträge 320. Der Subunternehmer könne zudem auf die Bestimmung des Vertragsstatuts des Hauptvertrages häufig keinen Einfluß nehmen. Für die Anknüpfung des Subunternehmervertrages sei deshalb auf die Leistung des Subunternehmers und nicht etwa auf den für diesen oftmals nicht überschaubaren Zusammenhang mit dem Gesamtprojekt abzustellen321. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß der Hauptvertrag nicht selten dem Recht des Bestellers unterliegen wird 322 . Dies hat insbesondere für Verträge mit staatlichen Einrichtungen zu gelten. Insoweit könnte der Subunternehmer durch eine akzessorische Anknüpfung mit einem 316 Wenner, BauR 1993, S. 257,260. 317 Jayme, Fschr. Pleyer, S. 371, 377; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 272. 318 Jayme, Fschr. Pleyer, S. 371, 377. 319 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 255. 320 Vetter, NJW 1987, S. 2124, 2126; ders., ZVglRWiss 87 (1988), S. 248, 254; Reithmann/Thode, Int. VertragsR, Rdnr 951; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 39; vgl. auch Nicklisch, NJW 1985, S. 2361,2369. 321 MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 140; Soergel /von Hoffmann, EGBGB, Rdnr 206; Palandt/Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 14. 322 y. Bar, IPR II, Rdnr 504; Vetter, NJW 1987, S. 2124,2127.

Art. 28

§ 16 Art. 28 Π, V EGBGB

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ihm unbekannten Recht konfrontiert werden. Jedenfalls dann, wenn Haupt- und Subunternehmer im selben Staat ansässig sind, kann ein entsprechendes Vorgehen nicht überzeugen323. Hier sollte es bei dem von Art. 28 Π EGBGB ausgesprochenen Verweisungsbefehl verbleiben. Eine akzessorische Anknüpfung des Subunternehmervertrages ist mithin abzulehnen. Die einheitliche Behandlung beider Verträge kann aber durch eine entsprechende Rechtswahl der Parteien sichergestellt werden 324. Aus dem soeben Gesagten folgt nun aber nicht, daß es nicht im Einzelfall doch zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung kommen kann. Entscheidend hierfür muß allerdings sein, ob der Subunternehmer die geschuldete Leistung ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend in einem anderen Staat als dem seiner Niederlassung zu erbringen hat. Eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB ist deshalb nur möglich, wenn die Arbeiten des Subunternehmers nicht nur in einem Drittstaat durchgeführt, sondern auch von dort aus organisiert und überwacht werden 325. Der Subunternehmervertrag kann dann dem Recht des Errichtungsortes bzw. der lex rei sitae zu unterstellen sein. Dabei kommt ein Eingreifen der Ausweichklausel eher in Betracht, wenn die ausführende Niederlassung des Generalunternehmers sich ebenfalls in diesem Staat befindet. Im Rahmen der nach Art. 28 V EGBGB vorzunehmenden Gesamtabwägung kann schließlich auch das Statut des Hauptvertrages eine gewisse Rolle spielen326. Ausschlaggebende Bedeutung kommt ihm jedoch aus den genannten Gründen nicht zu.

IV. Darlehen 1. Regelanknüpfung Beim Darlehen ist nicht ganz unumstritten, durch wessen Leistung der Vertrag charakterisiert wird. So findet sich der Vorschlag, grds. an das Recht des Darlehensnehmers anzuknüpfen, da der prägende Zweck des Darlehens die Kapitalnutzung sei 327 . Mithin müsse das Recht des Ortes zur Anwendung kommen, von dem aus der Darlehensnehmer das Darlehen nutze. Dem ist zu Recht entgegengehalten worden, daß die Darlehensnutzung keine vertragliche Leistung darstellt und deshalb auch nicht vom Wortlaut des Art. 28 Π EGBGB erfaßt ist 328 . Außerdem setzt sowohl die Nutzung als auch die Rückzahlung des Darlehens notwendigerweise 323 Reithmann/Thode, Int. VertragsR, Rdnr 951. 324 Nicklisch, NJW 1985, S. 2361, 2368; Jayme, Fschr. Pleyer, S. 371, 376; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 207. 325 Häufig dürfte das Recht des Errichtungsortes dann bereits über Art. 28 II 2 EGBGB (Zweigniederlassung im Ausland) zur Anwendung kommen. 326 Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 39; v. Bar, IPR II, Rdnr 504. 327 Weitnauer, Vertragsschwerpunkt, S. 184. 328 Rosenau, RIW 1992, S. 879, 882; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 183.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

die Hingabe desselben voraus 329. Folglich wird die vertragscharakteristische Leistung durch den Darlehensgeber erbracht 330. Auf Bankdarlehen ist deshalb grds. das Recht am Banksitz anzuwenden331. Beim Verbraucherkredit muß allerdings Art. 29 Π EGBGB beachtet werden. 2. Eingreifen

der Ausweichklausel

a) Gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien Nach altem Recht wurde bei der Anknüpfung von Darlehensverträgen nicht selten auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien abgestellt332. Dies galt indes nicht bei gemeinsamem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland333. Auch nach der IPR-Reform hat die Rechtsprechung nicht über Art. 28 V EGBGB an das gemeinsame Heimatrecht angeknüpft, sofern Darlehensgeber und -nehmer ihren Lebensmittelpunkt in demselben Staat haben334. Hier verbleibt es bei der Anwendung des von Art. 28 Π EGBGB berufenen Rechts. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung kommt deshalb grds. nur in Betracht, wenn die Vertragsparteien eine übereinstimmende Staatsangehörigkeit besitzen und der Darlehensgeber im Gegensatz zu seinem Vertragspartner nicht im Heimatstaat ansässig ist. Insoweit sollte das anwendbare Recht aber nicht maßgeblich von der gemeinsamen Staatsangehörigkeit abhängen335. Diese kann lediglich ergänzend Berücksichtigung finden. Zu denken wäre an Art. 28 V EGBGB aber, wenn das Darlehen ausschließlich im Heimatland der Parteien genutzt und zurückgezahlt werden soll 336 . Außerdem kann die Ausweichklausel bei engem Bezug des Darlehens zu einem höchstpersönlichen Rechtsgeschäft 337 oder im Falle der Darlehensgewährung an Angehörige der Stationierungsstreitkräfte 338 eingreifen. Auch hier kommt es aber bei der Be329 Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 57. 330 OLG Hamburg IPRspr. 1984 Nr. 24b; OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 7 = NJW-RR 1995, S. 755, 756; Palandt ! Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 12; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 37; MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 134. 331 Kegel, Gedächtnisschr. R. Schmidt, S. 215, 238; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1004; Rosenau, RIW 1992, S. 879, 882. 332 BGH IPRspr. 1986 Nr. 118 = W M 1986, S. 600, 601; IPG 1970 Nr. 3 (Hamburg); Soergel/Kegel 11, vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 371. 333 OLG München IPRspr. 1929 Nr. 49; LG Hamburg IPRspr. 1975 Nr. 14; vgl. auch OLG Celle IPRspr. 1987 Nr. 18 = NJW-RR 1987, S. 1190. 334 OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 7 = NJW-RR 1995, S. 755,756. 335 Vgl. LG Hamburg NJW-RR 1995, S. 183,184. 336 Vgl. OGH ZfRV 32 (1991), S. 305, 309 = IPRax 1991, S. 194, 196; Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 122. Auch BGH IPRspr. 1986 Nr. 118 = W M 1986, S. 600, 601 stellt maßgeblich auf die Rückzahlung (Erfüllung) im Heimatland ab. 337 LG Waldshut-Tiengen IPRspr. 1979 Nr. 17; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 15; vgl. aber auch OLG Düsseldorf IPRspr. 1984 Nr. 49 = IPRax 1984, S. 270,271. 338 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 135.

§16 Art. 28 II, V EGBGB

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Stimmung des Vertragsstatuts letztlich nicht entscheidend auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit, sondern vielmehr auf die besondere Ausgestaltung und Abwicklung des Darlehensvertrages an. b) (Rück-)Abwicklung im Staat des Darlehensnehmers Eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB ist bei Darlehensverträgen ferner zu erwägen, falls die Vertragsabwicklung ganz überwiegend im Staat des Darlehensnehmers erfolgt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn (auch) der Darlehensgeber bereits bei Abschluß des Vertrages beabsichtigt, in diesen Staat überzusiedeln339. Dagegen genügt es für ein Eingreifen der Ausweichklausel nicht, daß dem Darlehensnehmer lediglich gestattet wird, das Darlehen auf ein inländisches Konto des Darlehensgebers zurückzuzahlen. Allein aus der Einrichtung einer solchen Zahlstelle können nämlich keine Rückschlüsse auf das anwendbare Recht gezogen werden 340. Anders verhält es sich jedoch, sofern sich der Darlehensgeber einer im Staat des Darlehensnehmers ansässigen verwaltenden Korrespondenzbank bedient341. Diese ist neben der Auszahlung des Darlehens auch für die weitere Vertragsabwicklung zuständig und legt die jeweiligen Kreditraten sowie den auf Tilgung und Zinsendienst entfallenden Teil der Rückzahlung fest. Das zurückgezahlte Geld fließt dann zwar wirtschaftlich dem Darlehensgeber zu, der Darlehensnehmer sieht sich aber bei der Abwicklung des Vertrages vor allem dem inländischen Kreditinstitut gegenüber. Deshalb spricht hier vieles dafür, über Art. 28 V EGBGB das Recht des Darlehensnehmers anzuwenden342. Weiterhin kann ausnahmsweise dem Ort der Kapitalnutzung besondere Bedeutung zukommen. Grundsätzlich entscheidet allein der Darlehensnehmer darüber, an welchem Ort er das Darlehen für seine Zwecke nutzt. Der Darlehensgeber ist demgegenüber nur an einer reibungslosen Rückzahlung des gewährten Kredits interessiert. Im Einzelfall können aber darüber hinausgehende Interessen des Darlehensgebers bestehen. So etwa dann, wenn er an dem von ihmfinanzierten Projekt später in irgendeiner Form 343 selbst beteiligt werden soll 344 . Häufig wird der Darlehensgeber in diesen Fällen dann auch am Ort der Kapitalnutzung tätig sein. Sofern dieser Ort mit der Niederlassung bzw. dem gewöhnlichen Aufenthalt des Darlehensnehmers zusammenfällt, sollte daher in den soeben geschilderten Sachverhaltskonstellationen über Art. 28 V EGBGB das am Ort der Kapitalnutzung geltende Recht berufen werden. 339 Vgl. BGE 78 II, 190, 192. 340 IPG 1970 Nr. 3 (Hamburg). 341 Vgl. OLG Frankfurt IPRspr. 1962/63 Nr. 164 = W M 1963, S. 872. 342 Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 130. 343 Zu denken wäre an die Eingehung eines Beschäftigungsverhältnisses oder an eine Gesellschaftsbeteiligung. 344 Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 119.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

c) Feriendarlehen Auch bei den sog. Ferien- oder Urlaubsdarlehen kommt ein Abweichen von der Regelanknüpfung in Betracht. Gemeint sind hier die Fälle der kurzfristigen Kreditgewährung durch deutsche Touristen an einen Landsmann, der das Darlehen noch am ausländischen Urlaubsort zurückzuzahlen verspricht. Unter Hinweis darauf, daß Darlehenshingabe und -rückzahlung im Ausland stattfinden sollen, wird in Parallele zu den Bar- oder Handkäufen eine Anwendung des Rechts des Abwicklungsortes befürwortet 345. Andere Stimmen rechtfertigen den Rückgriff auf Art. 28 V EGBGB damit, daß sich das Darlehen wirtschaftlich nur im Urlaubsland auswirke, da lediglich die „Urlaubskasse" des Darlehensgebers belastet werde 346. Dieses Verständnis begegnet indes erheblichen Zweifeln. Zunächst erscheint es wenig überzeugend, für die Anknüpfung zwischen dem Vermögen des Darlehensgebers im Urlaubsstaat und dem einheimischen Vermögen zu unterscheiden. Außerdem besitzen die Vertragsparteien neben dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt auch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit. Insoweit bestehen weitere erhebliche Verbindungen zum Recht des Darlehensgebers. Allein die Abwicklung im Ausland vermag dem Vertrag keine so besondere Prägung zu geben, als daß ein Abweichen von der Regelanknüpfung geboten wäre 347 . Anders ist es hingegen, wenn Darlehensnehmer und -geber nicht im selben Staat ansässig sind. Dann spricht in der Tat mehr dafür, das kurzfristige Feriendarlehen dem Recht des Abwicklungsortes zu unterstellen.

d) Realkredit Den am häufigsten genannten Anwendungsfall des Art. 28 V EGBGB bei Darlehensverträgen stellt der Realkredit dar. Die Maßgeblichkeit der lex rei sitae kann allerdings nicht auf Art. 28 HI EGBGB gestützt werden, da der Realkredit kein Vertrag über dingliche Rechte an dem Grundstück oder über ein Recht zu dessen Nutzung ist 348 . Trotzdem soll der Ort des sichernden Grundstücks entscheidend für die Anknüpfung sein 349 , was nach neuem Recht mit Hilfe der Ausweichklausel zu erreichen ist. Zur Begründung dieser Ansicht wird vor allem darauf verwiesen, daß der wirtschaftliche Schwerpunkt des Vertrages im Belegenheitsstaat liege, da das

345 Wischer, Int. VertragsR, S. 137; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 112. 346 Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 133. 347 Vgl. OGH JB1 1980, S. 600, 601: Spieldarlehen in norwegischer Wahrung zwischen österreichischen Stewards auf norwegischem Schiff wurde dem österreichischen Recht unterstellt. 348 y. Bar, IPR II, Rdnr 516; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1007. 349 BGHZ 17, 89, 94; 26, 91, 93; OLG Karlsruhe IPRspr. 1987 Nr. 24A = NJW-RR 1989, S. 367; Palandt /Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 12; MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 134a; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 37.

§16 Art. 28 II, V EGBGB

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Grundstück das eigentliche Haftungssubstrat sei und die persönliche Haftung des Darlehensnehmers so in den Hintergrund trete 350 . Andererseits ist es aber auch kritisiert worden, bei Realkrediten grds. an den Belegenheitsort des belasteten Grundstücks anzuknüpfen 351. Die unterschiedliche Behandlung von Real- und Personalsicherheiten könne nämlich nicht plausibel erklärt werden. Probleme entstünden zudem in Fällen der Mehrfachsicherung. Auch die Rechtsprechung wendet bei dinglicher Sicherung des Darlehens keineswegs immer die Ausweichklausel an. So wurde eine Grundschuldbestellung im Ausland als unerheblich für die Ermittlung des Darlehensstatuts angesehen, wenn beide Parteien des Darlehensvertrages ihren Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben 352 . Dem ist zuzustimmen. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung sollte deshalb beim Realkredit grds. nur erfolgen, sofern der Belegenheitsort des sichernden Grundstücks mit dem Aufenthaltsort des Darlehensnehmers zusammenfällt 353. Dies ist in der Praxis zwar häufig, aber nicht notwendigerweise der Fall. Liegen diese Voraussetzungen allerdings vor, dann erscheint es wenig sinnvoll, bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts noch danach zu differenzieren, ob für die Darlehensvergabe in erster Linie der Wert des belasteten Grundstücks oder die persönliche Kreditwürdigkeit des Schuldners ausschlaggebend gewesen ist 354 . Dies wird sich nämlich häufig nur schwer feststellen lassen. Entscheidend sollte vielmehr sein, daß der Darlehensgeber in allen diesen Fällen eine zusätzliche dingliche Sicherheit gefordert und erhalten hat. V. Bürgschaft und Garantie 7. Regelanknüpfimg Bei der Bürgschaft erbringt der Bürge die charakteristische Leistung, so daß die Regelanknüpfung des Art. 28 I I EGBGB auf dessen Recht verweist 355. Die Bürgschaft wird also kollisionsrechtlich selbständig angeknüpft und nicht etwa grds. dem Recht der Hauptforderung unterworfen 356. Zur Begründung wird vor allem

350 Reithmann /Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1007; v. Bar, IPR II, Rdnr 516. 351 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 184; Weitnauer, Vertragsschwerpunkt, S. 185; Kegel/Schurig, IPR, § 18 11 d, S. 582. 352 OLG Düsseldorf IPRspr. 1990 Nr. 35 = WM 1990, S. 1959, 1960; a.A. insoweit BGHZ 17, 89,95 = NJW 1955, S. 827, 828. 353 im Ergebnis ebenso BGHZ 26, 91, 93; OLG Karlsruhe IPRspr. 1987 Nr. 24A = NJWRR 1989, S. 367; vgl. auch Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 185. 354 So aber Winkler v. Mohrenfels, IPRax 1991, S. 237,238. 355 BGHZ 121, 224, 228 = NJW 1993, S. 1126; OLG Frankfurt IPRspr. 1994 Nr. 67 = RIW 1995, S. 1033; LG Hamburg IPRspr. 1992 Nr. 46 = RIW 1993, S. 144, 145; Palandt/ Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 20; Kegel/Schurig, IPR, § 18 11 d, S. 582. 356 Vgl. schon OLG Hamburg IPRspr. 1976 Nr. 147.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

darauf verwiesen, daß die Vertragsparteien beider Vereinbarungen nicht identisch sind und sich die Bürgschaft zudem auch hinsichtlich Entstehungsgrund und -Zeitpunkt von der Hauptverbindlichkeit unterscheidet357. Auch die Garantie folgt ihrem eigenen Statut. Trotz der wirtschaftlichen Verbundenheit mit dem Grundgeschäft kommt es deshalb grds. nicht zu einer einheitlichen Anknüpfung 358. Art. 28 Π EGBGB beruft vielmehr das am gewöhnlichen Aufenthalt bzw. an der Niederlassung des Garanten geltende Recht 359 . Bankgarantien unterliegen mithin regelmäßig dem Recht der Bankniederlassung. Die dargestellten Grundsätze gelten schließlich auch für die Patronatserklärung 360.

2. Eingreifen

der Ausweichklausel

a) Enger Zusammenhang mit einem anderen Vertrag Bei Bürgschaft und Garantie könnte eine Durchbrechung der Regelanknüpfung in Betracht kommen, wenn ein so enger Zusammenhang mit einem anderen Vertrag besteht, daß eine einheitliche kollisionsrechtliche Behandlung geboten erscheint. Dann wäre an eine akzessorische Anknüpfung des Bürgschafts- bzw. Garantievertrages zu denken. Exemplarisch wird insoweit häufig eine Sachverhaltskonstellation genannt, über die das OLG Oldenburg noch vor der IPR-Reform zu entscheiden hatte 361 : Deutsche Kaufleute übernahmen Anteile an einer niederländischen Gesellschaft, die erheblich verschuldet war. Um eine weitere Kreditvergabe an das Unternehmen sicherzustellen, verbürgten sich die deutschen Käufer gleichzeitig gegenüber einer niederländischen Bank für alle Altschulden der Gesellschaft.

Das Gericht unterstellte die Bürgschaft im Ergebnis dem niederländischen Recht, wobei es sich vor allem darauf berief, daß der Bürgschaftsvertrag in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Übernahmevertrag stünde, der seinerseits nach niederländischem Recht zu beurteilen sei. Außerdem unterlag auch die zu sichernde Verbindlichkeit unzweifelhaft dem niederländischen Recht,

357 Severain, Bürgschaft im IPR, S. 20; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 285. 358 Goerke, Int. Garantien, S. 91; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1034; v. Bar, IPR II, Rdnr 503. 359 BGH NJW 1996, S. 2569, 2570; BGH IPRspr. 1984 Nr. 145 = NJW 1985, S. 561, 562; OLG Frankfurt IPRspr. 1984 Nr. 36 = RIW/AWD 1985, S. 407; v. Westphalen, Bankgarantie, S. 324; Heldrich, Fschr. Kegel (1987), S. 175, 184; Bögl, Int. Garantieverträge, S. 32; Mülbert, ZIP 1985, S. 1101, 1113; übersehen von BGH IPRspr. 1995 Nr. 1 = NJW 1996, S. 54, 55 = RIW 1995, S. 1027, 1028 m. krit. Bespr. Masch, NJW 1996, S. 1453,1455. 360 OLG Frankfurt IPRspr. 1979 Nr. 10b; Jander/Hess, Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 52. 361 OLG Oldenburg IPRspr. 1975 Nr. 15.

RIW 1995, S. 730, 735; Erman/

§16 Art. 28 II, V EGBGB

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da beide Parteien des Darlehensvertrages in den Niederlanden ansässig waren. Folglich bestanden keine weiteren Beziehungen zum Aufenthaltsrecht der Bürgen. Deshalb hätte in diesem Fall nach neuem Recht über Art. 28 V EGBGB niederländisches Recht auf die Bürgschaft angewendet werden müssen362. Unklar ist allerdings, ob insoweit eine akzessorische Anknüpfung an den Darlehens- oder den Übernahmevertrag befürwortet wird. Das Gericht scheint eher auf letzteren abzustellen. Im vorliegenden Fall besteht indes überhaupt kein Bedürfnis, das Eingreifen der Ausweichklausel mit einer akzessorischen Anknüpfung zu begründen. Die Maßgeblichkeit des niederländischen Rechts ergibt sich nämlich schon daraus, daß das Aufenthaltsrecht der Bürgen als gänzlich isolierter Anknüpfungspunkt erscheint, während alle anderen Verbindungen auf das Recht des Bürgschaftsempfängers weisen. Allerdings hat das LG Hamburg im Jahre 1992 einen vergleichbaren Fall gegenteilig entschieden363: Ein in Hamburg ansässiger Kaufmann übernahm in Dänemark gegenüber einer dänischen Bank die selbstschuldnerische Bürgschaft zugunsten einer dänischen Firma, die er zu einem früheren Zeitpunkt gemeinsam mit anderen Personen gegründet hatte. Die Bürgschaftserklärung, die in dänischer Sprache abgefaßt und von einem dänischen Notar beurkundet wurde, enthielt zudem eine Bezugnahme auf Vorschriften des dänischen Zwangsvollstreckungsrechts. Schließlich unterlag auch das in dänischer Währung ausgezahlte Darlehen dem dänischen Recht.

Somit bestanden auch hier neben dem gewöhnlichen Aufenthalt des Bürgen keine weiteren Verbindungen zum deutschen Recht. Trotzdem hielt das Gericht ein Abweichen von der Regelanknüpfung nicht für geboten. Insbesondere der Vertragssprache und -Währung sowie dem Abschlußort des Vertrages komme nämlich nur untergeordnete Bedeutung für die Anknüpfung zu, da diese Umstände von zufälliger Natur seien364. Gleiches habe für die Erwähnung einzelner Nebenbestimmungen des ausländischen Rechts in der Vertragsurkunde zu gelten365. Schließlich lehnte das LG Hamburg auch eine akzessorische Anknüpfung an das Statut des Hauptvertrages ab, da die Hauptschuldnerin eine selbständige Person des dänischen Rechts sei, auf die der Bürge keinen maßgeblichen Einfluß nehmen könne 366 .

362 Severain, Bürgschaft im IPR, S. 33; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1024; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 220, Fn. 844; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 286; v. Bar, IPR II, Rdnr 496, Fn. 401. 363 LG Hamburg IPRspr. 1992 Nr. 46 = RIW 1993, S. 144. 364 LG Hamburg IPRspr. 1992 Nr. 46 = RIW 1993, S. 144,145. 365 A.A. BGH NJW-RR 1996, S. 1034; OLG Köln IPRspr. 1993 Nr. 29 = RIW 1993, S. 414, 415; Palandt IHeldrich, Art. 27 EGBGB, Rdnr 6; Soergel/von Hoffmann, Art. 27 EGBGB, Rdnr 45, die hierin im Einzelfall sogar ein wichtiges Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl sehen. 366 LG Hamburg IPRspr. 1992 Nr. 46 = RIW 1993, S. 144, 145.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

Obwohl die Entscheidung in der Literatur auf Zustimmung gestoßen ist 367 , muß die Richtigkeit des Ergebnisses doch ernsthaft bezweifelt werden. Dieser Fall unterscheidet sich von dem zuvor behandelten368 allerdings dadurch, daß die Bürgschaft nicht sachlich und zeitlich mit einer Gesellschaftsübernahme zusammengefallen ist. Trotzdem war der spätere Bürge aber an der nach dänischem Recht zu beurteilenden Gründung der Hauptschuldnerin beteiligt. Weiterhin unterlagen die zu sichernden Gesellschaftsverbindlichkeiten eindeutig dem dänischen Recht. Schließlich sprechen auch sämtliche Umstände des Vertragsschlusses sowie die Vertragsgestaltung gegen eine Anwendung des Aufenthaltsrechts des Bürgen. Jedem einzelnen dieser Umstände mag nun in der Tat nur geringe Bedeutung zukommen. Bestehen aber keine weiteren Verbindungen zu dem von Art. 28 I I EGBGB berufenen Recht, während alle sonstigen Bezüge übereinstimmend auf ein anderes Recht deuten, dann sollte die Regelanknüpfung nicht zur Anwendung gelangen. Das Gericht hätte die Bürgschaft daher über Art. 28 V EGBGB dem dänischen Recht unterstellen müssen. Entscheidend hierfür ist aber wiederum nicht der enge Zusammenhang mit einem anderen Vertrag, sondern vielmehr die Isoliertheit des grds. maßgeblichen Anknüpfungspunktes. b) Bestätigte Garantie und Rückgarantie Zu erwägen ist eine akzessorische Anknüpfung schließlich noch bei der sog. bestätigten Garantie und der Rückgarantie. In beiden Fällen schaltet die garantierende Bank im Land des Auftraggebers (Erstbank) eine weitere Bank im Land des Begünstigten (Zweitbank) ein. Bei der bestätigten Garantie übernimmt die Zweitbank dabei eine rechtlich selbständige Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Begünstigten, der sich allerdings auch weiterhin an die Erstbank halten kann 369 . Fraglich ist nun, welches Recht im Verhältnis zwischen der Erstbank und dem Begünstigten zur Anwendung kommt. Insoweit wird vertreten, daß die Verpflichtung der Erstbank letztlich nicht von tragender Bedeutung sei, da die wirtschaftlich wesentliche Garantieverpflichtung in der Bestätigung der Garantie durch die Zweitbank liege. Der Begünstigte werde sich auch in aller Regel an die in seinem Staat ansässige Zweitbank halten. Deshalb müsse die Verpflichtung der Erstbank an die Bestätigung angelehnt und nach dem Recht am Niederlassungsort der Zweitbank beurteilt werden 370. Eine solche generelle Durchbrechung der Regelanknüpfung trägt aber der rechtlichen Selbständigkeit der beiden Verpflichtungen nicht ausreichend Rechnung371. Gegen eine ak-

367 368 369 370

Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1024. OLG Oldenburg IPRspr. 1975 Nr. 15. Bögl, Int. Garantieverträge, S. 17; Reithmann/Martiny, Goerke, Int. Garantien, S. 100.

Int. VertragsR, Rdnr 1042.

371 Vgl. Kegel, Gedächtnisschr. R. Schmidt, S. 215,240; Schütze, W M 1982, S. 226, 228.

§16 Art. 28 II, V EGBGB

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zessorische Anknüpfung spricht zudem, daß an beiden Garantieverhältnissen unterschiedliche Vertragsparteien beteiligt sind 372 . Gleiches hat auch für die Rück- oder Gegengarantie zu gelten, bei der sich die Erstbank gegenüber der unmittelbar garantierenden Zweitbank verpflichtet, ihr die Kosten einer Inanspruchnahme durch den Begünstigten zu erstatten373. Die für die Rückgarantie charakteristische Leistung wird durch die Erstbank erbracht. Ein Teil der Literatur befürwortet indes auch hier eine akzessorische Anknüpfung und will die Rückgarantie über Art. 28 V EGBGB dem Statut der Direktgarantie zwischen Zweitbank und Begünstigtem unterstellen374. Dies führt im Ergebnis zur Maßgeblichkeit des Rechts der Zweitbank. Es besteht aber keine Veranlassung, das Rückabwicklungsverhältnis zwischen den Garantiebanken demselben Recht zu unterwerfen, das im Verhältnis zwischen Zweitbank und Begünstigtem gilt. Dagegen spricht schon die gänzlich unterschiedliche Interessenlage. Deshalb wird in Rechtsprechung375 und Literatur 376 eine generelle Anwendung des Art. 28 V EGBGB auf Rückgarantien auch überwiegend zu Recht abgelehnt. Bestätigte Garantie und Rückgarantie sind mithin nach den allgemeinen Grundsätzen zu behandeln.

c) Besonderes Interesse des Begünstigten an einem bestimmten Statut Weiterhin kann es deshalb zu einem Eingreifen der Ausweichklausel kommen, weil der Begünstigte erkennbar ein besonderes Interesse an der Geltung eines bestimmten Rechts hat. Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang zunächst der Fall einer Bankgarantie genannt, bei der die Bank in erheblichem Maße in die Vertragsverhandlungen zwischen Auftraggeber und Begünstigtem eingeschaltet ist. Hier würde es den Parteierwartungen nicht entsprechen, die Garantie einem vom Statut des Hauptvertrages abweichenden Recht zu unterstellen377. Der Garant stehe nämlich letztlich auf der Seite seines Auftraggebers und müsse sich deshalb auch nach dessen Recht behandeln lassen. Indes führt die Mitwirkung des Bürgen oder Garanten am Zustandekommen des Hauptvertrages nicht notwendigerweise dazu, daß dessen Statut auch für den Bürg372 Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 301. 373 Bark, ZIP 1982, S. 405,409; Bögl, Int. Garantieverträge, S. 18. 374 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 302; Nielsen, Bankgarantien, S. 44. 375 BGH IPRspr. 1984 Nr. 145 = NJW 1985, S. 561, 562; OLG Köln IPRspr. 1991 Nr. 36 = RIW 1992, S. 145; LG Dortmund IPRspr. 1980 Nr. 5; LG Frankfurt IPRspr. 1979 Nr. 18 = NJW 1981, S. 56. 376 y. Westphalen, Bankgarantie, S. 328; Bögl, Int. Garantieverträge, S. 33; Goerke, Int. Garantien, S. 102; Reithmann /Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1045; Heldrich, Fschr. Kegel (1987), S. 175, 189; Mülbert, ZIP 1985, S. 1101, 1114; Bark, ZIP 1982, S. 405,410. 377 Heldrich, Fschr. Kegel (1987), S. 175, 185.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

schafts- oder Garantievertrag gilt. Dies wird an einer neueren Entscheidung des BGH deutlich378: Deutsche Käufer erwarben Anteile an einer ausländischen Investmentgesellschaft. Für den Kaufvertrag vereinbarten die Parteien die Geltung des Rechts des US-Bundesstaates Florida. Vermittelt wurde der Vertrag durch einen deutschen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Florida, der zum damaligen Zeitpunkt selbst an der Gesellschaft beteiligt war. Dieser garantierte den Käufern zudem in einer gesonderten, in deutscher Sprache abgefaßten Vereinbarung eine gewisse Mindestrendite. In der Vereinbarung wurde Hamburg als Gerichtsstand bestimmt.

Obwohl der vorliegende Fall noch nach altem IPR zu beurteilen war, führte der BGH in seinem Urteil zunächst aus, daß auf einen Garantievertrag grds. das Recht des Garanten Anwendung finde, da dieser die charakteristische Leistung erbringe 3 7 9 . Art. 28 Π EGBGB verweist daher auf das Recht des US-Bundesstaates Rorida. Die Regelanknüpfung würde hier also sogar zu einer einheitlichen Beurteilung von Garantie und Hauptvertrag führen. Trotzdem fragte das Gericht nun aber danach, ob in diesem Fall nicht ausnahmsweise ein Abweichen von der Regelanknüpfung geboten sein könne. Dabei stellte der BGH vor allem darauf ab, daß die Anleger einer Gesellschaft beizutreten beabsichtigten, deren wirtschaftliche und rechtliche Verhältnisse ihnen unbekannt waren. Als Ausgleich hätten sie dann aber eine Garantie des späteren Beklagten verlangt, der ihnen das Geschäft ja auch vermittelt hatte. Um aber den Wert der ihnen gegebenen Garantie „einigermaßen sicher abschätzen" zu können, müsse diese notwendigerweise dem deutschen Recht unterliegen380. Für die Anwendung des deutschen Rechts sprach darüber hinaus die Gerichtsstandsvereinbarung, die Vertragssprache, der Abschlußort, die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien sowie die Tatsache, daß der Garant zumindest ein Büro in der Bundesrepublik Deutschland unterhielt. Die genannten Umstände rechtfertigen in der Tat jedenfalls 381 ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB 382 . Die Garantie sollte hier nämlich gerade eine andere kollisionsrechtliche Behandlung erfahren als der Hauptvertrag. Die Regelanknüpfung hätte nun aber zu einem einheitlichen Vertragsstatut geführt. Indes läßt sich die Anwendung der Ausweichklausel nicht allein mit den subjektiven Interessen der Anleger rechtfertigen. Der Garant hat seine Geschäftstätigkeit im vorliegenden Fall jedoch vor allem in der Bundesrepublik entfaltet, wo zudem der Vertragsabschluß erfolgte. Somit bestanden auch erhebliche objektive Verbindungen zum deutschen Recht.

378 BGH NJW 1996, S. 2569 = L M Art. 28 EGBGB Nr. 3 mit Anm. Dörner. 379 BGH NJW 1996, S. 2569, 2570. 380 BGH NJW 1996, S. 2569, 2570. 381 Der BGH hat auch eine konkludente Rechtswahl erwogen, dies im Ergebnis aber offengelassen. 382 So auch Dörner in seiner Anmerkung zu BGH LM Art. 28 EGBGB Nr. 3.

§16 Art. 28 , V EGBGB

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Der soeben geschilderte Fall hat verdeutlicht, daß über Art. 28 V EGBGB nicht nur eine akzessorische Anknüpfung des Bürgschafts- oder Garantievertrages in Betracht kommt. Im Einzelfall kann die Anwendung der Ausweichklausel eine einheitliche Anknüpfung sogar gerade verhindern. Bürgschaft und Garantie sollten deshalb stets selbständig angeknüpft werden. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung ist aber neben dem Fall der Isoliertheit des an sich maßgeblichen Anknüpfungspunktes vor allem dann zu erwägen, wenn der Begünstigte erkennbar ein schützenswertes Interesse an der Geltung einer bestimmten Rechtsordnung hat.

VI. Handelsvertreter- und Vertragshändlervertrag 1. Regelanknüpfimg Die deutsche Rechtsprechung hatte sich schon oft mit der Anknüpfung von Handelsvertreter- und Vertragshändlerverträgen zu befassen. Dabei wurde insbesondere vor der Neuregelung des EGBGB nicht selten vertreten, daß der Handelsvertretervertrag grds. dem Recht der Niederlassung des Unternehmers unterliege 3 8 3 . Der Unternehmer habe nämlich ein erhebliches Interesse an einer rechtlichen Gleichbehandlung aller seiner Vertreter, die i.d.R. auf mehreren Auslandsmärkten tätig seien. Außerdem schlage sich auch das Ergebnis der Vermittlungstätigkeit am Sitz des Unternehmers nieder. Die überwiegende Ansicht in Literatur 384 und Rechtsprechung385 sieht demgegenüber die Leistung des Handelsvertreters als vertragscharakteristisch an, da sich die Verpflichtung des Unternehmers letztlich auf die Provisionszahlung beschränke. Auch aus § 92c HGB könne kein gegenteiliges Ergebnis abgeleitet werden, da dieser die Anwendbarkeit des deutschen Rechts gerade voraussetze386. Bereits nach altem IPR hat die Rechtsprechung das Recht des Handelsvertreters jedenfalls dann berufen,

383 LG Bochum IPRspr. 1974 Nr. 16; LG Hamburg IPRspr. 1980 Nr. 23; Soergel//tege/ 11, vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 361; Beitzke, DB 1961, S. 528,530; vgl. auch Schurig, IPRax 1994, S. 27, 29, Fn. 26. 384 Giuliano /hagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 53; Kindler, RIW 1987, S. 660, 663; Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257, 278; Ebenroth, RIW 1984, S. 165, 167; Sura, DB 1981, S. 1269, 1271; Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 15; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 259; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1410. 385 BGHZ 127, 368, 371 = NJW 1995, S. 318, 319; BGH DtZ 1996, S. 56, 57 (beide interlokal); BGH IPRspr. 1993 Nr. 139 = NJW 1993, S. 2753, 2754; BGH IPRspr. 1993 Nr. 162 = NJW-RR 1993, S. 741, 742; OLG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 26 = RIW 1995, S. 53, 55; OLG Koblenz IPRspr. 1995 Nr. 34 = RIW 1996, S. 151, 152; OLG München IPRspr. 1995 Nr. 35 = IPRax 1997, S. 44,45. 386 Küstner/von Manteuffel/Evers, HandelsvertreterR, S. 37; Hepting/Detzer, RIW 1989, S. 337, 338; Ebenroth, RIW 1984, S. 165, 167; Wengler, ZUR 146 (1982), S. 30, 34; Sura, DB 1981, S. 1269, 1270. 16 Geisler

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

wenn dieser nur im Bereich einer Rechtsordnung tätig werden sollte und dort auch seine Niederlassung hatte 387 . Entsprechendes gilt auch für den Vertragshändlervertrag, der sich vom Handelsvertretervertrag dadurch unterscheidet, daß der Vertragshändler im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig wird. Obwohl auch den Lieferanten bzw. Hersteller eine Reihe von Pflichten treffen können388, wird die vertragscharakteristische Leistung von der herrschenden Ansicht in der Verpflichtung des Eigenhändlers gesehen, die Vertragswaren im Vertragsgebiet zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern 389 . Die Belieferungspflicht des Herstellers entstehe hingegen erst mit dem Abschluß der Einzelverträge durch den Vertragshändler 390. Allerdings hat die Rechtsprechung für die Anknüpfung zuweilen auch entscheidend auf den Tätigkeitsort des Eigenhändlers abgestellt391. Dieser Ort fiel aber jeweils mit dem Sitz des Absatzmittlers zusammen, so daß insoweit kein Widerspruch zu der Gegenmeinung begründet wurde. Grds. kommt deshalb über Art. 28 Π EGBGB das am Niederlassungsort des Vertragshändlers geltende Recht zur Anwendung. 2. Eingreifen

der Ausweichklausel

a) Auseinanderfallen von Niederlassung und Tätigkeitsort Diskutiert wird ein Abweichen von der Regelanknüpfung zunächst einmal in solchen Fällen, bei denen Niederlassungsort und Tätigkeitsgebiet des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers auseinanderfallen. In diesem Zusammenhang wird für eine Anwendung des Rechts des Tätigkeitsortes plädiert, da hier der als Hauptinhalt der Vertreteltätigkeit anzusehende Kontakt mit den Kunden erfolge 392. Auch für den Vertragshändlervertrag wird vertreten, daß die Verpflichtungen der Parteien überwiegend auf dem vom Händler zu bearbeitenden Markt konzentriert seien393. Deshalb komme über Art. 28 V EGBGB eine Anknüpfung an das Recht des Tätigkeitsgebietes des Eigenhändlers in Betracht 394. 387 BGHZ 53, 332, 337 = NJW 1970, S. 1002, 1003; BGH IPRspr. 1980 Nr. 29 = NJW 1981, S. 1899, 1900; BGH IPRspr. 1988 Nr. 153 = NJW 1988, S. 1466, 1467; OLG Düsseldorf IPRspr. 1974 Nr. 17 = NJW 1974, S. 2185, 2186. 388 Schurig, IPRax 1994, S. 27, 29 nennt insoweit die Belieferungspflicht, die Marktpflege und das Konkurrenzverbot; vgl. auch LG Freiburg IPRspr. 1966/67 Nr. 34A. 389 OLG Hamm IPRspr. 1982 Nr. 19 = NJW 1983, S. 523, 524; OLG Koblenz IPRspr. 1992 Nr. 72 = RIW 1992, S. 1019, 1020; OLG Düsseldorf IPRspr. 1993 Nr. 33 = RIW 1993, S. 761, 762; Müller-Feldhammer, RIW 1994, S. 926, 929; Kindler, RIW 1987, S. 660, 665; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 53; ebenso HandelsGer Zürich, ZR 98 (1999) Nr. 34. 390 Reithmann/Kartzke,

Int. VertragsR, Rdnr 1435.

391 BGHZ 57, 72, 76 = NJW 1972, S. 391, 393; OLG Hamburg IPRspr. 1976 Nr. 125b; LG München IPRspr. 1982 Nr. 141; LG Wuppertal IPRspr. 1962/63 Nr. 42. 392 Birk, ZVglRWiss 79 (1980), S. 268,282. 393 Graupner, AWD 1970, S. 49,55; Reithmann/Schweikert, Int. VertragsR 3, Rdnr 570. 394 Vgl. auch Reithmann/Kartzke, Int. VertragsR, Rdnr 1437.

§ 16 Art. 28 Π, V EGBGB

243

Dem ist jedoch zu Recht entgegengehalten worden, daß die Niederlassung auch bei der Bearbeitung auswärtiger Märkte der Mittelpunkt der Tätigkeit des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers bleibt 395 . Von der Niederlassung aus wird nämlich die Vermittlungs- und Absatztätigkeit entfaltet und der Kontakt zum Lieferanten gepflegt. Außerdem bildet die Niederlassung stets einen festen Bezugspunkt für die Anknüpfung 396. Schließlich ist eine Anknüpfung an das Recht des Tätigkeitsortes auch dann mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, wenn mehrere Märkte gleichzeitig bearbeitet werden. Wer nicht auf das Recht der Niederlassung zurückgreifen will, muß in diesen Fällen zur Vermeidung einer Rechtsspaltung397 entweder das Recht des Unternehmers berufen 398 oder eine am Umsatzvolumen, dem Marktanteil und dem Interesse an der Markterschließung orientierte Schwerpunktbestimmung vornehmen399. Diese Lösungen können jedoch nicht überzeugen. Insbesondere ist nicht einzusehen, warum das Auseinanderfallen von Niederlassung und Tätigkeitsgebiet dazu führen soll, daß nunmehr das Recht der anderen Vertragspartei Anwendung findet 400 . Auch bereitet die Ermittlung des Schwerpunktes der vom Händler bearbeiteten Marktstufe häufig nicht unerhebliche Mühe 401 . Weiterhin darf nicht übersehen werden, daß Handelsvertreter und Vertragshändler in aller Regel zumindest auch am Ort ihrer Niederlassung tätig werden dürften. Jedenfalls in diesen Fällen ist aber für eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB kein Raum 402 . Aber auch sonst bildet die Niederlassung bei mehreren Tätigkeitsgebieten den „typischen" Mittelpunkt der Absatz- und Vermittlungstätigkeit403. Allein die Bearbeitung eines auswärtigen Marktes führt mithin nicht zu einem Eingreifen der Ausweichklausel. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung kommt aber in Betracht, wenn wesentliche Teile der Vertragsabwicklung im Land des Herstellers bzw. Lieferanten erfolgen 404. Wird der Handelsvertreter bzw. Vertragshändler also nahezu ausschließlich im Staat des anderen Vertragsteils tätig, dann kann dessen Recht über Art. 28 V EGBGB Anwendung finden. In der Praxis dürfte diese Konstellation in395 Gunst, Charakteristische Leistung, S. 185; Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257, 278; Kindler, RIW 1987, S. 660, 664. 396 Sura, DB 1981, S. 1269, 1271; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1411; Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 259. 397 Für eine solche wohl Wengler, ZHR 146 (1982), S. 30, 34, Fn. 9. 398 Birk, ZVglRWiss 79 (1980), S. 268,282. 399 Reithmann/Schweikert, Int. VertragsR 3, Rdnr 571. 400 So auch Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257, 277. 401 Ebenroth, RIW 1984, S. 165,169. 402 OLG Koblenz IPRspr. 1995 Nr. 34 = RIW 1996, S. 151, 152; vgl. auch LG Frankfurt IPRax 1981, S. 134,135. 403 Weitnauer, Vertragsschwerpunkt, S. 182. 404 Müller-Feldhammer, RIW 1994, S. 926, 929, der allerdings zusätzlich fordert, daß beide Parteien Angehörige des Herstellerstaates sind. Letzteres dürfte indes keine zwingende Voraussetzung für eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB sein. 1

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

des nur selten anzutreffen sein, da die Einschaltung des ausländischen Absatzmittlers ja gerade der Erschließung fremder Märkte dienen soll. An dieser Stelle ist schließlich noch auf die Fallgestaltung einzugehen, daß ein Vertragshändler seine vertraglichen Pflichten von mehreren Niederlassungen in verschiedenen Staaten aus erfüllt. Auch hier fallen Niederlassung und Tätigkeitsort nicht in einem Staat zusammen. Über Art. 28 Π 2 EGBGB soll nun aber einheitlich das Recht der Hauptniederlassung zur Anwendung gelangen, wobei zur Ermittlung derselben entscheidend darauf abgestellt wird, wo sich der umsatz- und organisationsmäßige Schwerpunkt des Vertriebssystems befindet 405. Für eine solche Betrachtung spricht sicherlich, daß sie eine Rechtsspaltung vermeidet. Allerdings muß ein Wertvergleich der geleisteten Tätigkeiten nicht immer zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Deshalb erscheint es vorzugswürdig, für die Anknüpfung in erster Linie darauf abzustellen, mit welcher Niederlassung der Vertrag geschlossen wurde 406 . Bei rechtlich selbständigen Verträgen mit den einzelnen Niederlassungen des Vertragshändlers muß der Hersteller daher grds. eine Rechtswahl treffen, um ein einheitliches Vertragsstatut sicherzustellen. b) Verlegung der Niederlassung Weiterhin wird eine Durchbrechung der Regelanknüpfung erwogen, wenn der Absatzmittler nach Vertragsabschluß seine Niederlassung in einen anderen Staat verlegt. Entsprechende Fallgestaltungen treten indes auch bei anderen Vertragsarten auf. Trotzdem soll dieses generelle Problem an dieser Stelle behandelt werden, da ihm bei Handelsvertreter- und Vertragshändlerverträgen häufig besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. So hatte sich das BAG schon im Jahre 1966 mit einem Fall zu befassen, bei dem ein in einem deutschen Unternehmen beschäftigter Deutscher als Handelsvertreter ins Ausland entsandt wurde 407 . Der Handelsvertreter hatte also bei Vertragsschluß keine eigene Niederlassung408. Deshalb unterstellte das Gericht den Handelsvertretervertrag im Ergebnis auch dem deutschen Recht. Auch im Schrifttum ist vor 4 0 9 und nach der IPR-Reform 410 häufig vertreten worden, daß bei fehlender Niederlas405 Reithmann/Kartzke, EGBGB, Rdnr 266.

Int. VertragsR, Rdnr 1439; Soergel /von Hoffmann,

Art. 28

406 Sofern sich diese Niederlassung in einem Drittstaat befindet, kommt eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB in Betracht, wenn die Abwicklung des Vertrages ganz überwiegend in einem anderen Staat erfolgt. Im Falle einer ,»Pattsituation" bleibt es hingegen bei der Regelanknüpfung. 407 BAG NJW 1967, S. 414. 408 Kindler, RIW 1987, S. 660, 665 weist zu Recht darauf hin, daß eine solche Konstellation beim Vertragshändlervertrag nur schwer denkbar ist, da der Eigenhändler in aller Regel zumindest ein Lager am Tätigkeitsort unterhalten wird. 409 Beitzke, DB 1961, S. 528,531; Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257, 281; Ebenroth, RIW 1984, S. 165, 168.

§16 Art. 28 , V EGBGB

245

sung des Handelsvertreters das Recht der Niederlassung des Unternehmers zur Anwendung gelangen soll. Zur Begründung wird auf die dadurch gewährleistete einfache Ermittelbarkeit des maßgeblichen Anknüpfungspunktes411 sowie den Rechtsgedanken des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB 412 verwiesen. Nach anderer Ansicht soll hingegen an die nach Vertragsschluß gegründete Niederlassung des Handelsvertreters anzuknüpfen sein, da die nachträgliche Begründung einer Niederlassung in den Entsendungsfällen nicht zu einer einseitigen Manipulation des Anknüpfungsmomentes führen könne 413 . Ähnliche Probleme entstehen, falls der Handelsvertreter bzw. Vertragshändler seinen Geschäftssitz nach Vertragsschluß in den Staat des Unternehmers oder von einem Drittstaat in sein neues Tätigkeitsgebiet414 verlegt. In allen diesen Fällen geht es letztlich um die Frage, ob und inwieweit nachträglich eintretende Umstände über Art. 28 V EGBGB Berücksichtigung finden können. Sicher ist dabei zunächst, daß der Verlegung des Geschäftssitzes jedenfalls dann keine Bedeutung für die Bestimmung des Vertragsstatuts zukommt, wenn diese allein auf einer Entscheidung des Vertragshändlers bzw. Handelsvertreters beruht 415. Ansonsten könnte nämlich das anzuwendende Recht in nicht vorhersehbarer Weise manipuliert werden. Auch bei der Anknüpfung nach Art. 28 Π 2 EGBGB ist daher grds. der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich416. In Art. 281 EGBGB wird dieser Anknüpfungszeitpunkt demgegenüber nicht genannt. Deshalb soll es auch im Rahmen des Art. 28 V EGBGB möglich sein, die Vermutung für die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Vertragsschlusses zu widerlegen417. Lüderitz nennt insoweit die Beispiele, daß eine Sitzverlegung in das Land des Vertragspartners erfolgt oder aber beide Vertragsparteien in einen Drittstaat verziehen. Ein Statutenwechsel soll allerdings auch in diesen Fällen nicht eintreten, wenn die Sitzverlegung dem anderen Teil nicht bekannt gewesen ist oder ein Vertragspartner im Vertrauen auf das ursprüngliche Vertragsstatut bestimmte schutzwürdige Handlungen vorgenommen hat 418 .

410 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1413; Kindler, RIW 1987, S. 660,663. 411 Ebenroth, RIW 1984, S. 165,168. 412 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1413. 413 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 259. 414 Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257, 282 nennt das Beispiel eines für einen amerikanischen Unternehmer auftretenden Vertreters, der von einem europäischen Nachbarstaat aus seine Tätigkeit ausweitet und nach Erfolg derselben seine Niederlassung in die Bundesrepublik verlegt. 415 Vgl. BGH IPRspr. 1979 Nr. 175 = GRUR 1980, S. 227,230 (zum Verlagsvertrag). 416 Ferid, IPR, Rdnr 6 - 4 6 ; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 113; Reithmann/ Kartzke, Int. VertragsR, Rdnr 1440; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 71; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 84; Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 137. 417 Lüderitz, Fschr. Keller, S. 459, 468; Kropholler, IPR § 52 ΠΙ 2 c, S. 417, Fn. 46; Soergel/ von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 71. 418 Lüderitz, Fschr. Keller, S. 459,469.

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3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

Diese Ansicht begegnet jedoch insoweit Bedenken, als sie dazu führt, daß auf ein einheitliches Vertragsverhältnis verschiedene Sachrechte Anwendung finden. Ein solcher Statutenwechsel würde zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen und schwierige Abgrenzungsprobleme mit sich bringen. Es müßte nämlich genau bestimmt werden, von welchem Zeitpunkt an die Beziehungen zum neuen Niederlassungsstaat so erhebliches Gewicht haben, daß es zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung kommt 419 . Dies erklärt auch, warum häufig der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Vertragsstatuts betont wird 420 . Andererseits ist es aber auch nicht von vornherein ausgeschlossen, im Rahmen von Art. 281 und V EGBGB erst nach Vertragsschluß eingetretene Umstände zu berücksichtigen421. Das Vertragsstatut sollte jedoch auch hier einheitlich bestimmt werden, wofür eine rückschauende Gesamtbetrachtung anzustellen ist 422 . Im Falle einer Sitzverlegung erscheint nun aber eine Anknüpfung an das neue Sitzrecht lediglich dann gerechtfertigt zu sein, wenn die Vertragsabwicklung ganz überwiegend mit der neuen Niederlassung erfolgt ist. Ansonsten sollte es bei der Regelanknüpfung verbleiben 423. Dies bedeutet aber, daß einer Verlegung des Geschäftssitzes letztlich nur dann ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, wenn eine solche bei Abschluß des Vertrages bereits konkret beabsichtigt war oder zumindest in Erwägung gezogen wurde 424. Deshalb dürfte auch allein die Tatsache, daß zu irgendeinem späteren Zeitpunkt eine einvernehmliche Sitzverlegung stattgefunden hat, nicht für ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB genügen425. Selbst eine bei Vertragsschluß konkret beabsichtigte Verlegung der Niederlassung rechtfertigt nicht immer eine Durchbrechung der Regelanknüpfung. Als einschränkendes Kriterium sollte vielmehr hinzukommen, daß zum Recht der ursprünglichen Niederlassung keine weiteren erheblichen Verbindungen mehr bestehen. Würde man auf diese zusätzliche Voraussetzung verzichten, so könnte dies bei der beabsichtigten aber nicht vollzogenen Sitzverlegung zu wenig überzeugen-

419 Vgl. Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257,281. 420 BGH IPRspr. 1979 Nr. 175 = GRUR 1980, S. 227, 230; KG IPRspr. 1956/57 Nr. 178 = NJW 1957, S. 347, 348; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 37; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 7,20. 421 Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 52; Ferid, IPR, Rdnr 6 - 5 2 ; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 87; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 104, 151. 422 Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 88. 423 Vgl. Lüderitz, Fschr. Keller, S. 459, 469; Ferid, IPR, Rdnr 6 - 7 4 , die jeweils den Gesichtspunkt des betätigten Vertrauens betonen. 424 BGH IPRspr. 1986 Nr. 118 = W M 1986, S. 600, 601: Dort war der Schuldner der charakteristischen Leistung (Darlehensgeber) kurz nach Vertragsschluß in die Bundesrepublik zurückgekehrt, wo das Darlehen dann auch zurückgezahlt werden sollte; vgl. auch OLG Celle RIW 1990, S. 320, 322 einerseits und OLG Hamm RIW 1994, S. 513, 515 = IPRax 1996, S. 33, 36 andererseits. 425 So aber für den Vertragshändlervertrag Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr

266.

§16 Art. 28 , V EGBGB

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den Resultaten führen. Konsequenterweise müßte nämlich ansonsten das Recht des neuen Niederlassungsstaates sogar dann angewendet werden, wenn der Vertragshändler oder Handelsvertreter weiterhin (auch) im Staat seiner bisherigen Niederlassung tätig wird 426 . Die hier vertretene Ansicht führt für die oben genannten Fälle zu folgenden Ergebnissen: Wird der Handelsvertreter erst durch seinen Prinzipal in ein anderes Land entsandt, dann sollte nicht an das Recht der neu zu begründenden Niederlassung angeknüpft werden. Die Begründung des ausländischen Geschäftssitzes war zwar im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret beabsichtigt, beide Vertragsparteien sind aber im Niederlassungsstaat des Unternehmers ansässig, weshalb weitere erhebliche Verbindungen zu diesem Recht bestehen. An der Richtigkeit dieses Ergebnisses dürfte jedenfalls dann kein ernsthafter Zweifel bestehen, wenn beide Parteien zusätzlich noch Angehörige dieses Staates sind 427 . Indes sollte einer übereinstimmenden Staatsangehörigkeit der Vertragspartner bei der Anknüpfung des Handelsvertreter- bzw. Vertragshändlervertrages keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen428. Daher rechtfertigt auch schon allein der gemeinsame Sitz im Niederlassungsstaat des Unternehmers die Anwendung des dort geltenden Rechts429. Mithin kommt das Recht der später begründeten Niederlassung in den Entsendungsfällen selbst dann nicht zur Anwendung, wenn ein Ausländer in seinem Heimatland als Handelsvertreter tätig werden soll. Voraussetzung ist allerdings, daß sich der ins Ausland entsandte Beschäftigte nicht nur vorübergehend im Inland aufgehalten hat. Hier muß vielmehr zum Zeitpunkt der Entsendung sein eindeutiger Lebensmittelpunkt gewesen sein. Ist hingegen beabsichtigt, daß der Handelsvertreter seinen Sitz von einem Drittstaat in sein neues Tätigkeitsgebiet verlegt, dann sollte dieser Umstand bei der Anknüpfung berücksichtigt werden 430. Sofern das Einsatzgebiet des Handelsvertreters nämlich ausschließlich im Staat seiner zukünftigen Niederlassung liegt, spricht mehr für die Anwendung des dort geltenden Rechts. Demgegenüber bestehen zum ursprünglichen Geschäftssitz keine weiteren Verbindungen von besonderem Gewicht, so daß hier die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB eingreift. Anders jedoch, falls sich seine Tätigkeit auch weiterhin in nicht unerheblichem Maße auf

426 Schnelle, Darlehens Verträge im IPR, S. 136 will hingegen in einer vergleichbaren Konstellation an den ins Auge gefaßten und nicht an den beibehaltenen Sitz des Darlehensgebers anknüpfen. 427 BAG NJW 1967, S. 414; Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257, 281; Kindler, RIW 1987, S. 660,663. 428 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 260; a.A. LG Hamburg IPRspr. 1980 Nr. 19 = IPRax 1981, S. 174. 429 Auf das Erfordernis eines übereinstimmenden Personalstatuts verzichten auch Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1413; Ebenroth, RIW 1984, S. 265, 268; Beitzke, DB 1961, S. 528,531. 430 A.A. offenbar Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257,282.

248

3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

den Drittstaat erstreckt. In diesem Fall verbleibt es bei der Regelanknüpfung an das Recht der ursprünglichen Niederlassung. Auch bei einer Verlegung des Geschäftssitzes in das Land des Vertretenen bzw. Lieferanten ist an eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB zu denken431. Dies ist weitgehend unproblematisch, falls auch die Vertragsabwicklung ganz überwiegend in diesem Staat erfolgen soll. Andererseits sind auch Konstellationen denkbar, bei denen weitere Verbindungen zum bisherigen Niederlassungsort bestehen. So etwa für den Fall, daß der Handelsvertreter oder Vertragshändler weiterhin (auch) in diesem Staat tätig wird. Hier besteht keine Veranlassung für ein Abweichen von der Regelanknüpfung. Indes dürfte eine Verlegung der Niederlassung in das Land des Vertragspartners i.d.R. mit einer entsprechenden Verlagerung des Einsatzgebietes einhergehen. Voraussetzung für die Anwendung der Ausweichklausel ist aber auch in diesem Zusammenhang, daß eine Verlegung des Geschäftssitzes schon bei Vertragsschluß zumindest erwogen worden ist. Werden die Geschäftsbeziehungen nämlich zunächst über längere Zeit von der ursprünglichen Niederlassung des Absatzmittlers aus abgewickelt, dann bleibt für ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB kein Raum. c) Sonstige Verbindungen zum Recht des Unternehmers Schließlich ist noch darauf einzugehen, welches Gewicht den sonstigen Umständen zukommen kann, die im Einzelfall möglicherweise für eine Anwendung des Rechts des Unternehmers bzw. Lieferanten sprechen. Einigkeit herrscht dabei insoweit, als daß der Vertragssprache und -Währung keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen wird 432 . Gleiches sollte für die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien gelten 433 . Weiterhin ist es für die Ermittlung des Statuts des Handelsvertreter- oder Vertragshändlervertrages nicht relevant, welcher Rechtsordnung die vom Absatzmittler abgeschlossenen Geschäfte unterliegen434. Nicht selten wird sogar umgekehrt für eine akzessorische Anknüpfung der Einzelverträge plädiert 435 .

431 Reithmann/Kartzke, Int. VertragsR, Rdnr 1440. 432 BGH IPRspr. 1980 Nr. 29 = NJW 1981, S. 1899; OLG Koblenz IPRspr. 1995 Nr. 34 = RIW 1996, S. 151 (Währung); LG Frankfurt a.M. IPRax 1981, S. 134, 135 (Sprache); Kränzlin, ZVglRWiss 83 (1984), S. 257,279. 433 Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 266; Kindler, RIW 1987, S. 660, 663; a.A. LG Hamburg IPRspr. 1980 Nr. 19. 434 BGHZ 53, 332, 337 = NJW 1970, S. 1002, 1003; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1412; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 260, 269; Beitzke, DB 1961, S. 528,529; a.A. OLG Koblenz IPRspr. 1985 Nr. 139 = RIW 1986, S. 459,461. 435 OLG Hamm IPRspr. 1982 Nr. 19 = NJW 1983, S. 523, 524; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 232; v. Bar, IPR II, Rdnr 490; MünchKomm ! Martiny 2, Art. 28 EGBGB, Rdnr 160.

§1

Art. 28 II, V EGBGB

249

Dagegen soll eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB in Betracht kommen, wenn der Hersteller ein enggeknüpftes Netz von Vertragshändlern unterhält, dessen organisatorisches Zentrum sich am Sitz des Herstellers befindet 436. Diese Ansicht stellt aber zu einseitig auf die Interessen des Lieferanten ab. Entscheidend muß auch in diesem Zusammenhang sein, wo sich die Niederlassung und das Tätigkeitsgebiet des Vertragshändlers befindet. Wird der Vertragshändler ausschließlich oder überwiegend im Staat seiner Niederlassung tätig, dann besteht keine Veranlassung, von der Regelanknüpfung des Art. 28 Π 2 EGBGB abzuweichen. Gegen eine einheitliche objektive Anknüpfung der Vertragshändlerverträge spricht darüber hinaus, daß an diesen unterschiedliche Vertragsparteien beteiligt sind. Außerdem können die einzelnen Verträge zu ganz verschiedenen Zeitpunkten abgeschlossen worden sein. Schließlich hat der Lieferant auch die Möglichkeit, die angestrebte Gleichbehandlung mittels einer entsprechenden Rechtswahlklausel sicherzustellen. Zu denken ist an ein Eingreifen der Ausweichklausel aber bei atypischer Ausgestaltung des Vertriebsvertrages. Allein das Fehlen einer Vereinbarung über Mindestabnahmen, Lagerhaltung, Vertriebsorganisation oder Werbung ändert aber an der Maßgeblichkeit der Regelanknüpfung jedenfalls solange nichts, wie den Eigenhändler eine Absatzförderungspflicht trifft 437 . Aber auch bei Fehlen einer solchen hat der Vertragshändler grds. immer noch die Pflicht, den Vertrieb abzuwickeln und die Kundenbestellungen im Vertragsgebiet anzunehmen (sog. passiver Vertrieb) 438 . Anders ist hingegen der Fall zu beurteilen, daß sich der Vertriebshändler lediglich zur Unterlassung des Vertriebs von Konkurrenzprodukten, nicht aber zum Weiterverkauf der gelieferten Waren oder zur Bearbeitung des ihm zugewiesenen Marktes verpflichtet. Bei einer entsprechenden Ausgestaltung ist der Vertrag zwischen Händler und Lieferant aber eher kaufrechtlich einzuordnen439. Deshalb findet hier das Recht des Lieferanten (Verkäufers) schon über Art. 28 Π EGBGB Anwendung. Spricht man sich demgegenüber trotz der genannten Besonderheiten für eine Qualifikation 440 als Vertragshändlervertrag aus, dann müßte dieses Ergebnis mit der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB begründet werden.

436 Müller-Feldhammen RIW 1994, S. 926, 929; vgl. auch LG Hamburg IPRspr. 1964/65 Nr. 42; LG Bochum IPRspr. 1974 Nr. 16; LG Hamburg IPRspr. 1980 Nr. 23 = IPRax 1981, S. 174. 437 OLG Düsseldorf IPRspr. 1993 Nr. 33 = RIW 1993, S. 761, 762. 438 Reithmann/Kartzke, Int. VertragsR, Rdnr 1438. 439 IPG 1984 Nr. 18 (Köln), Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 266; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 233. 440 Zur Methode der Qualifikation vgl. statt aller Deutsch, IPRax 1992, S. 284-290.

250

3. Teil, . Kap.:

vertragsstatut

V I L Lizenz- und Urheberrechtsverträge 1. Regelanknüpfung Die kollisionsrechtliche Behandlung von Verträgen über Immaterialgüterrechte ist seit jeher umstritten 441. Uneinigkeit besteht zudem auch über die Reichweite des Vertragsstatuts. Die wohl überwiegende Ansicht will lediglich das auf das Verpflichtungsgeschäft anzuwendende Recht nach den Regeln des Internationalen Vertragsrechts bestimmen, während Verfügungen über das Schutz- oder Urheberrecht dem Recht des jeweiligen Schutzlandes (lex loci protectionis) unterliegen sollen442. Grundlage hierfür ist dabei das für Immaterialgüterrechte heute allgemein anerkannte Territorialitätsprinzip, wonach diese Rechte in ihrer Geltung räumlich auf das Territorium des Staates begrenzt sind, der sie individuell verleiht oder unter bestimmten Voraussetzungen generell anerkennt443. Nach anderer Ansicht beurteilen sich dagegen auch Verfügungsgeschäfte wie die Übertragung des Immaterialgüterrechts grds. nach dem Vertragsstatut444. Allerdings werden bestimmte Vorbehalte für das Recht des Schutzlandes anerkannt445. Schließlich ist im Schrifttum auch noch für eine Anknüpfung des Urheberrechts an das Recht des Ursprungslandes plädiert worden 446. Auf diese Streitfrage muß an dieser Stelle indes nicht näher eingegangen werden, da es vorliegend allein um die Bestimmung des objektiven Vertragsstatuts geht. Insoweit kommt aber in Ermangelung einer Rechtswahl unstreitig die Vorschrift des Art. 28 EGBGB zur Anwendung. Fraglich ist nun jedoch, ob die Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB auf das Recht des Lizenzgebers, das Recht des Lizenznehmers oder das Recht des Schutzlandes verweist.

441

Die nachfolgenden Ausführungen gelten im wesentlichen auch für die objektive Anknüpfung von Franchiseverträgen, vgl. Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 274; MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 161; Hiestand, RIW 1993, S. 173, 174 ff. Auf Einzelheiten wird hier angesichts der Vielfältigkeit der Gestaltungsformen des Franchising verzichtet. 442 Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 98; Hausmann, Fschr. W. Schwarz, S. 47, 50; Reithmann/Hiestand, Int. VertragsR, Rdnr 1279; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 263; MünchKomm/Kreuzer, Art. 38 EGBGB Anh. II, Rdnr 22; Beier, GRUR Int. 1981, S. 299, 302; Pfaff, AWD 1974, S. 241, 245; differenzierend nach der Art der Lizenz Deutsch, Warenzeichenlizenz, S. 463,474. 443 BGHZ 64, 183, 191 = NJW 1975, S. 1220, 1222; BGHZ 118, 394, 397 = NJW 1992, S. 2824; BGH NJW 1994, S. 2888,2889 = GRUR Int. 1994, S. 1044,1045. 444 E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 49; Schricker/Katzenberger, vor 120 ff. UrhG, Rdnr 92; Bappert/Maunz/Schricker, Einl. VerlG, Rdnr 31. 445 E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 99 nennt insoweit u. a. die Frage nach der Zulässigkeit der Übertragung, der Teilübertragung und der Lizenzierung der Schutzrechte. 446 Schack, Urheberrecht im IPR, S. 49; Neuhaus, RabelsZ 40 (1976), S. 191, 195; Drobnig, RabelsZ 40 (1976), S. 195,202.

§16 Art. 28 Π, V EGBGB

251

a) Einfache Lizenz- und Urheberrechtsverträge Gemäß Art. 28 Π EGBGB kommt dabei bekanntlich das Recht derjenigen Vertragspartei zur Anwendung, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat. Mithin kann die Regelanknüpfung entweder das Recht des Lizenzgebers oder das des Lizenznehmers berufen, nicht aber das Recht des Schutzlandes. Die nicht selten befürwortete Maßgeblichkeit des Schutzlandrechts447 ist deshalb nach neuem Recht nur noch mittels der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB zu erreichen 448. Bei der Anknüpfung nach Art. 28 I I EGBGB muß demgegenüber allein entschieden werden, durch wessen Leistung der Lizenz- oder Urheberrechtsvertrag charakterisiert wird. In diesem Zusammenhang wird von einem Teil der Literatur die Wesentlichkeit der Vertragsleistung des Rechtsnehmers betont449. Diesen treffe nämlich häufig neben der Geldleistungspflicht auch noch eine Reihe von Nebenpflichten, wie die Pflicht zur Buchführung, zur Kennzeichnung der Lizenzgegenstände oder zur Verteidigung und Aufrechterhaltung des Schutzrechts. Zudem habe der Rechtsnehmer typischerweise ein besonderes Interesse an der Anwendung des ihm vertrauten Rechts sowie an einer gleichförmigen Vertragsgestaltung mit den verschiedenen Lizenzgebern450. Die soeben genannten Argumente vermögen indes nichts daran zu ändern, daß die Hauptleistungspflicht des Rechtsnehmers grds. nur die Zahlung des vereinbarten Entgelts umfaßt. Die überwiegende Auffassung sieht deshalb zu Recht die Verpflichtung des Rechtsinhabers zur Übertragung bzw. Überlassung des Schutz- oder Urheberrechts als vertragscharakteristisch an 4 5 1 . Für die Maßgeblichkeit des Rechts des Lizenzgebers bzw. Urhebers spricht außerdem, daß dieser nicht selten die zusätzliche Pflicht zur technischen Hilfe hat 452 . Die Regelanknüpfung des Art. 28 I I EGBGB verweist daher für einfache Lizenz- und Urheberrechtsverträge auf das Aufenthalts- bzw. Niederlassungsrecht des Rechtsinhabers453.

447 MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 269; Stumpf/Groß, Lizenzvertrag, Rdnr 444; Ullrich/Körner, Int. Softwarevertrag, S. 238; Beier, GRUR Int. 1981, S. 299, 305; Lichtenstein, NJW 1964, S. 1345, 1350; vgl. auch OLG Düsseldorf IPRspr. 1960/61 Nr. 152 = AWD 1961, S. 295. 448 So ausdrücklich Henn, Lizenzvertrag, S. 274; Hausmann, Fschr. W. Schwarz, S. 47, 58. 449 Osterrieth, Int. Technologietransfer, S. 149; Henn, Lizenzvertrag, S. 274. 450 V/alter,

in: Reimer (Hrsg.), Vertragsfreiheit im Urheberrecht, S. 137,146.

451 E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 102; Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 78; Reithmann/Hiestand, Int. VertragsR, Rdnr 1276; Stumpf/Groß, Lizenzvertrag, Rdnr 445; Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 194; v. Bar, IPR II, Rdnr 498; Erman /Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 54. 452 Von Hoffmann, RabelsZ 40 (1976), S. 208, 213; Reithmann/Hiestand, Int. VertragsR, Rdnr 1277. Auch Henn, Lizenzvertrag, S. 274 will ausnahmsweise an das Recht des Lizenzgebers anknüpfen, wenn dem Lizenznehmer die technische Eigenständigkeit fehlt. 453 So auch BGHZ 129,236, 251 = IPRspr. 1995 Nr. 26.

252

3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

b) Ausübungs- oder Verwertungspflicht des Rechtsnehmers Fraglich ist nun allerdings, ob sich an diesem Ergebnis dann etwas ändert, wenn der Rechtsnehmer neben der Vergütungspflicht auch noch eine Ausübungs- oder Verwertungspflicht übernimmt. Ein typisches Beispiel für eine solche Konstellation bildet dabei der als Urheberrechtsvertrag zu qualifizierende Verlagsvertrag. Während sich nämlich der Verfasser durch den Verlagsvertrag lediglich zur Ablieferung des Manuskripts verpflichtet, trifft den Verleger im deutschen Recht nach § 1 S. 2 VerlG die Pflicht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes. Deshalb wurde schon vor der IPR-Reform nahezu einhellig vertreten, daß der Schwerpunkt des Verlagsvertrages am Ort der gewerblichen Niederlassung des Verlegers anzusiedeln sei 454 . Dabei sollte es für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ohne Bedeutung sein, ob ein bereits verfaßtes oder ein noch nicht verfaßtes Werk Gegenstand des Verlagsvertrages gewesen ist 455 . Auch nach der Neuregelung des EGBGB wird ganz überwiegend für eine Anknüpfung an das Niederlassungsrecht des Verlegers plädiert. Umstritten ist jedoch, ob dieses Ergebnis auf Art. 28 Π oder V EGBGB zu stützen ist. Wer für ein Eingreifen der Ausweichklausel eintritt 456, rechtfertigt dies vor allem damit, daß sich der Verlagsvertrag im Grundsatz nicht von einem einfachen Lizenzvertrag unterscheide. Die charakteristische Leistung i. S. d. Art. 28 Π EGBGB werde deshalb auch hier vom Rechtsinhaber (Verfasser) erbracht, da diesem die Einräumung der Nutzungsrechte obliege. Die Verwertungspflichten des Verlegers sollen freilich „in der Regel" dazu führen, daß über Art. 28 V EGBGB das am Sitz des Verlegers geltende Recht zur Anwendung gelangt457. Diese Ansicht vermag indes nicht zu überzeugen, da erhebliche Unterschiede zwischen der üblichen Geldleistungspflicht des Lizenznehmers und der vertraglichen Hauptpflicht des Verlegers bestehen. Kennzeichnend für den Verlagsvertrag ist nämlich gerade die vom Verleger geschuldete Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes. Dafür spricht schon die Bezeichnung des Vertrages als „Verlags"-Vertrag 458. Schließlich hat der Verleger in dem Vertrag auch das wirtschaftliche Risiko der Veröffentlichung übernommen. Mithin kommt das am Ort des Verlegersitzes geltende Recht bereits über Art. 28 Π EGBGB zur Anwendung, da der Verleger die

454 BGHZ 19, 110, 113 = NJW 1956, S. 377; BGH IPRspr. 1958/59 Nr. 44 = GRUR 1959, S. 331, 333; BGH IPRspr. 1979 Nr. 175 = GRUR 1980, S. 227, 230; Soergel/to^/ 1 1 , vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 357; E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 53; Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 66; Bappert/Maunz/Schricker, Einl. VerlG, Rdnr 32. 455 Mackensen, Verlagsvertrag im IPR, S. 91; BGHZ 19, 110, 113: Das Verlegerrecht soll unabhängig davon zur Anwendung kommen, ob „ein verlagsfähiges Werk vorhanden ist oder künftig geschaffen wird". 456 Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 81; Reithmann/Joch, Int. VertragsR, Rdnr 1310. 457 Reithmann/Joch, Int. VertragsR, Rdnr 1310. 458 Hierauf weist zu Recht Mackensen, Verlagsvertrag im IPR, S. 90 hin.

§1

Art. 28 II, V EGBGB

253

vertragscharakteristische Leistung erbringt 459. Etwas anderes gilt nur für den schlichten Manuskriptkauf, bei welchem keine Verbreitungspflicht des Verlegers begründet wird. In diesem Fall ist über Art. 28 I I EGBGB an das Recht des Verfassers (Verkäufers) anzuknüpfen 460. Die zum Verlagsvertrag entwickelten Grundsätze sind auch auf andere Lizenzund Urheberrechtsverträge zu übertragen, bei denen den Lizenznehmer bzw. Empfänger des Urheberrechts eine Ausübungs- oder Verwertungspflicht trifft. Deshalb kann die Regelanknüpfung auch bei Bühnenaufführungs- und Filmverleihverträgen 461 sowie (seltener) bei Sende- oder Verfilmungsverträgen auf das Sitzrecht des Verwerters verweisen, wenn dieser besondere Ausübungs- oder Verwertungspflichten als vertragliche Hauptpflicht übernommen hat 462 . Die Leistung des Verwerters ist dann als vertragscharakteristisch anzusehen, weshalb sich ein Rückgriff auf Art. 28 V EGBGB erübrigt 463. Schließlich kann das Bestehen einer Verwertungspflicht auch dazu führen, daß der Lizenznehmer und nicht der Rechtsinhaber die den Lizenzvertrag charakterisierende Leistung erbringt 464. Wer dieses Ergebnis mittels der Ausweichklausel erreichen will 4 6 5 oder sogar für eine Anknüpfung an das Niederlassungsrecht des Lizenzgebers plädiert 466, berücksichtigt nicht ausreichend, daß der Lizenzvertrag durch die Verwertungspflicht des Lizenznehmers eine andere rechtliche Prägung erhält 467. Der daraus typischerweise resultierenden unterschiedlichen Gewichtung der beiderseitigen Vertragsleistungen sollte dann aber auch im Rahmen der Regelanknüpfung des Art. 28 I I EGBGB Rechnung getragen werden. Dafür spricht letztlich auch die Parallele zu den Urheberrechtsverträgen, insbesondere dem Verlags vertrag 468.

459 MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 264; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 54; v. Bar, IPR II, Rdnr 498; Hausmann, Fschr. W. Schwarz, S. 47, 54; Schricker/Katzenberger, vor 120 ff. UrhG, Rdnr 99. 460 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 511. 461 BGH IPRspr. 1958/59 Nr. 53 = Ufita 32 (1960), S. 186. 462 Hausmann, Fschr. W. Schwarz, S. 47, 56; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 514, 515; Schricker/Katzenberger, vor 120 ff. UrhG, Rdnr 100. 463 A.A. Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 80; Reithmann/Joch, Int. VertragsR, Rdnr 1316. 464 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 502; ders., RabelsZ 40 (1976), S. 208, 214; Hoeren, CR 1993, S. 129, 133; Kreuzer, Fschr. von Caemmerer, S. 705, 727; vgl. auch BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 153 = GRUR 1960, S. 447, 448; E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 103; Bappert/Maunz/Schricker, Einl. VerlG, Rdnr 32. 465 Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 195; Schwander, Fschr. Schluep, S. 501, 509. 466 Reithmann/Hiestand, Int. VertragsR, Rdnr 1276. 467 Dies gilt allerdings nicht, wenn die Verwertungspflicht nur bloße Nebenpflicht ist. 468 So schon E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 103.

254

3. Teil, 4. Kap.: Schuldvertragsstatut

c) Ausschließliche Lizenzvergabe Schließlich ist an dieser Stelle noch darauf einzugehen, auf welches Recht Art. 28 Π EGBGB für den Fall verweist, daß dem Lizenznehmer eine ausschließliche Lizenz erteilt wurde. Häufig findet sich dabei der Vorschlag, die ausschließliche Lizenz anders als die einfache Lizenz grds. dem Recht des Lizenznehmers zu unterwerfen 469. Dies soll auch dann gelten, wenn der Lizenznehmer keine Ausübungs· oder Verwertungspflichten übernommen hat. Die Gegenansicht befürwortet in diesem Fall indes eine Anknüpfung der ausschließlichen Lizenz an das Recht des Lizenzgebers470. Unabhängig von dieser Streitfrage darf aber nicht übersehen werden, daß allein die Vergabe einer ausschließlichen Lizenz nichts am Charakter der Hauptleistungspflicht des Lizenznehmers zu ändern vermag. Dieser ist weiterhin nur zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet. Die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz verleiht sogar im Gegenteil der Leistung des Rechtsinhabers noch stärkeres Gewicht. Eine andere Beurteilung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Lizenznehmer besondere Verwertungspflichten übernimmt. Ansonsten bleibt es dagegen dabei, daß der Lizenzgeber die vertragscharakteristische Leistung erbringt. Die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz hat damit keinen Einfluß auf die Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB. Eine Berücksichtigung dieses Umstandes ist vielmehr allenfalls im Rahmen des Art. 28 V EGBGB möglich471.

2. Eingreifen

der Ausweichklausel

a) Recht des Schutzlandes Ein nicht unerheblicher Teil der Literatur befürwortet für urheberrechtliche Lizenzverträge jedenfalls dann eine Anknüpfung an das Recht des Schutzlandes, wenn die vertraglichen Nutzungsrechte nur für ein bestimmtes Land eingeräumt werden 472. Fraglich ist nun, ob sich dieses Ergebnis auf die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB stützen läßt. Gegen einen generellen Vorrang des Schutzlandrechts spricht allerdings bereits, daß diese Anknüpfung zu keinem eindeutigen Er469 BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 153 = GRUR 1960, S. 447,448; E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 104; Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 83; Reithmann/Joch, Int. VertragsR, Rdnr 1310; Schricker/Katzenberger, vor 120 ff. UrhG, Rdnr 100; Bappert/ Maunz/Schricker, Einl. VerlG, Rdnr 32. 470 von Hoffmann, RabelsZ 40 (1976), S. 208, 215; Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 201. 471 So auch Hausmann, Fschr. W. Schwarz, S. 47, 57; Reithmann/Joch, Int. VertragsR, Rdnr 1310; Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 83. 472 ßeier, GRUR Int. 1981, S. 299, 305; MünchKomm ! Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 269; Stumpf/Groß, Lizenzvertrag, Rdnr 444; Ullrich/Körner, Int. Softwarevertrag, S. 238; Lichtenstein, NJW 1964, S. 1345,1350.

§1

Art. 28 II, V EGBGB

255

gebnis führt, falls der Vertrag mehrere Schutzländer umfaßt 473. Insoweit wird von den Vertretern der soeben genannten Ansicht zur Vermeidung einer Rechtsspaltung 474 eine Anknüpfung an das Niederlassungsrecht des Lizenzgebers475 oder nehmers476 sowie an das Recht des primären Schutzlandes477 erwogen. Der mit der Anwendung des Schutzlandrechts angestrebte Gleichlauf von Vertrags- und Immaterialgüterrechtsstatut kann mithin für multinationale Lizenzverträge gerade nicht gewährleistet werden. Dies gilt auch für die von Beier vorgeschlagene Anknüpfung an das Recht des primären Schutzlandes, da auch die Urheber- bzw. Schutzrechtsstatute der „sekundären" Länder nicht außer Betracht bleiben dürfen 478 . Schließlich führt die Unterwerfung des Lizenzvertrages unter das Schutzlandrecht dann nicht zu einem einheitlichen Vertragsstatut, wenn dieser - wie in der Praxis häufig - mit einem Know-how-Vertrag gekoppelt wird 479 . Aus den genannten Gründen vermag es nicht zu überzeugen, auf Lizenz- und Urheberrechtsverträge generell über Art. 28 V EGBGB das Recht des Schutzlandes zur Anwendung zu bringen 480. Allerdings kann das Schutzlandrecht zusammen mit anderen Umständen zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung führen. So sollte das Recht des Lizenznehmers und nicht das des Rechtsinhabers Vertragsstatut sein, wenn das Nutzungsrecht ausschließlich für den Niederlassungsstaat des Lizenznehmers erteilt worden ist 481 . Ein entsprechender Sachverhalt lag auch der häufig zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 1961 zugrunde482. Dieses Urteil kann also gerade nicht als Beleg für diejenige Ansicht angeführt werden, die Lizenzverträge in erster Linie nach dem Recht des Schutzlandes beurteilen will 4 8 3 . Das Gericht begründete 4 73 Deutsch, Warenzeichenlizenz, S. 463, 473; E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 52; Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 71; Hausmann, Fschr. W. Schwarz, S. 47,58. 474 Ullrich/Körner, Int. Softwarevertrag, S. 239 wollen dagegen eine Vertragsspaltung in Kauf nehmen. Dies ist indes wenig zweckmäßig und kann daher nicht überzeugen.

475 MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 269a; Osterrieth, Int. Technologietransfer, S. 150; Stumpf/Groß, Lizenzvertrag, Rdnr 445. 476 Henn, Lizenzvertrag, S. 274. 477 Beier, GRUR Int. 1981, S. 299, 305. 478

Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 193 weist außerdem zu Recht darauf hin, daß ein primäres Schutzland bei Lizenzverträgen mit multinationalen Gesellschaften häufig nur schwer zu ermitteln sein dürfte. 479 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 496; Reithmann/Hiestand, Int. VertragsR, Rdnr 1278. 480 Vgl. auch BGHZ 129, 236,251 = IPRspr. 1995 Nr. 26. 481 So im Ergebnis auch OLG München GRUR Int. 1960, S. 75, 76; LG Stuttgart Schulze LGZ 88,5 ff. 482 OLG Düsseldorf IPRspr. 1960/61 Nr. 152 = AWD 1961, S. 295. 483 Erst recht kann insoweit nicht LG Stuttgart IPRspr. 1956/57 Nr. 29 herangezogen werden, da dort Lizenzgeber und -nehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Schutzland ansässig waren. Lediglich die (unterschiedliche) Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien wies auf andere Rechtsordnungen hin.

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3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

seine Entscheidung über das anzuwendende Recht nämlich ausdrücklich damit, daß Schutzland und Aufenthaltsstaat des Lizenznehmers hier zusammenfielen. Weiterhin kommt das Recht des alleinigen Schutzlandes im Ergebnis zur Anwendung, wenn sich dort auch die Niederlassung bzw. der gewöhnliche Aufenthalt des Rechtsinhabers befindet. Für Lizenz- und Urheberrechtsverträge ohne Verwertungspflicht ergibt sich dies schon aus der Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB. Bei Bestehen einer hauptvertraglichen Verwertungspflicht verweist Art. 28 Π EGBGB indes auf das Recht des Verwerters, so daß die Maßgeblichkeit des Rechts des Lizenzgebers bzw. Urhebers auf Art. 28 V EGBGB gestützt werden muß. Dagegen bleibt es bei der Regelanknüpfung, falls das einzige Schutzland in einem Drittstaat liegt. Weitgehend unproblematisch ist das für den Fall, daß Lizenzgeber und -nehmer im selben Staat ansässig sind. Aber auch wenn beispielsweise ein britischer Unternehmer einem französischen Unternehmer eine Lizenz für die Auswertung eines Schutzrechts in Japan erteilt, ist entweder das britische oder bei Bestehen einer Verwertungspflicht das französische Recht Vertragsstatut, nicht aber das japanische Recht 484 . Ebensowenig besteht bei Lizenzverträgen mit mehreren Schutzländern eine Notwendigkeit dafür, die Regelanknüpfung mittels der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB zu durchbrechen. b) Ausschließliche Lizenzvergabe Nicht selten wird bei Vergabe einer ausschließlichen Lizenz ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB befürwortet. Im Ergebnis soll auf den Lizenzvertrag das Niederlassungsrecht des Rechtsnehmers zur Anwendung kommen485. Dies verdient für solche Fallgestaltungen Zustimmung, in denen der Rechtsnehmer eine besondere Ausübungs- oder Verwertungspflicht übernommen hat. Insoweit bedarf es aber nach der hier vertretenen Ansicht keines Rückgriffs auf die Ausweichklausel, da der Lizenznehmer die vertragscharakteristische Leistung erbringt. Allerdings soll dessen Recht auch dann Vertragsstatut sein, wenn es an der Übernahme einer Verwertungspflicht fehlt 486 . Begründet wird die Anwendung des Art. 28 V EGBGB dabei damit, daß die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts nach deutschem Recht zwar keine Ausübungspflicht, wohl aber eine ,Ausübungslast" begründe487. Wegen des dem Urheber nach § 41 UrhG zustehenden Rückrufsrechts 484 So für dieses Beispiel auch E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 105; a.A. Beier, GRUR Int. 1981, S. 299, 305. 4 «5 So schon zum alten Recht BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 153 = GRUR 1960, S. 447, 448; E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 104; Bappert/Maunz/Schricker, Einl. VerlG, Rdnr 32. 4 «6 BGH IPRspr. 1960/61 Nr. 153 = GRUR 1960, S. 447, 448; Hausmann, Fschr. W. Schwarz, S. 47, 57; Reithmann /Joch, Int. VertragsR, Rdnr 1316; Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 83; Schricker/Katzenberger, vor 120 ff. UrhG, Rdnr 100. 487

S. 82.

E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 55; Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR,

§16 Art. 28 II, V EGBGB

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bestehe nämlich zumindest ein faktischer und wirtschaftlicher Zwang zur Rechtsausübung488. Der Lizenz- bzw. Urheberrechts vertrag weise mithin ein derart gewichtiges Verwertungselement auf, daß eine Durchbrechung der Regelanknüpfung gerechtfertigt erscheine. Diese Ansicht ist indes zu Recht nicht unkritisiert geblieben489. So darf nicht übersehen werden, daß sich die ausschließliche Lizenz vor allem dadurch von der einfachen Lizenz unterscheidet, daß der Lizenznehmer neben dem positiven Nutzungsrecht auch das negative Verbotsrecht gegenüber Dritten besitzt490. Dieser Unterschied zwingt indes noch nicht zu einer anderen kollisionsrechtlichen Behandlung. Auch das in § 41 UrhG verankerte Rückrufsrecht wegen Nichtausübung führt nicht zum gegenteiligen Ergebnis. Es vermag nämlich zunächst einmal nichts daran zu ändern, daß der Erwerber einer ausschließlichen Lizenz nicht notwendigerweise zur Verwertung verpflichtet ist, weshalb auch seiner Vertragsleistung nicht automatisch größere Bedeutung zukommt491. Außerdem kann das Rückrufsrecht grds. nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit Einräumung oder Übertragung des Nutzungsrechts geltend gemacht werden, § 41 I I 1 UrhG. Schließlich muß der das Rückrufsrecht ausübende Urheber dem Nutzungsberechtigten u.U. sogar nach § 41 VI UrhG Entschädigung leisten492. Deshalb wird man bei einer ausschließlichen Lizenzvergabe nicht immer von einer faktischen Ausübungspflicht sprechen können. Ausschlaggebend für die Anknüpfung sollte daher auch in diesem Zusammenhang sein, ob eine vertragliche Ausübungs- oder Verwertungspflicht des Rechtsnehmers besteht oder nicht. Dies dürfte bei der Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts nicht selten der Fall sein, so daß sich dann im Ergebnis kein Unterschied zur Gegenauffassung ergibt. Trotzdem rechtfertigt aber allein die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz kein Eingreifen der Ausweichklausel493.

V I I I . Falle gemeinschaftlicher SchulderfüUung 1. Regelanknüpfung Problematisch kann die Geltung der Regelanknüpfung weiterhin auch in Fällen der gemeinschaftlichen Schulderfüllung sein. Damit sind hier solche Konstellatio488 Hausmann, Fschr. W. Schwarz, S. 47, 57. 489 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 503; ders., RabelsZ 40 (1976), S. 208, 215; Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 201. 490 OLG Hamburg Ufita 67 (1973), S. 245, 257; Fromm/Nordemann/Hertin, 31/32 UrhG, Rdnr 3; Schricker, 31/32 UrhG, Rdnr 5. 491 Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 201; von Hoffmann, RabelsZ 40 (1976), S. 208,215. 492 Vgl. hierzu Fromm/Nordemann, § 41 UrhG, Rdnr 12. 493 Ein Abweichen von der Regelanknüpfung kann allenfalls geboten sein, wenn der Lizenznehmer zusätzlich umfangreiche vertragliche Nebenpflichten übernommen hat. 17 Geisler

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3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

nen gemeint, bei denen die geschuldete Leistung immer nur von mehreren Schuldnern gemeinsam erbracht werden kann. Exemplarisch lassen sich insoweit die Herausgabe eines literarischen Sammelwerkes, Auftrittsverträge mit mehreren gemeinsam musizierenden Künstlern oder der Schiedsrichtervertrag mit einem Kollegialschiedsgericht nennen. Die konsequente Beachtung des Art. 28 Π EGBGB könnte nun dazu führen, daß auf die einzelnen Verträge unterschiedliche Sachrechte zur Anwendung gelangen. Dies gilt jedenfalls für den Schiedsrichtervertrag und die Einräumung von Nutzungsrechten im Rahmen eines Sammelwerkes. Insoweit wird die charakteristische Leistung nämlich von den Schiedsrichtern494 bzw. Urhebern 495 erbracht, da die ihnen hauptvertraglich geschuldete Gegenleistung lediglich in der Pflicht zur Honorarzahlung besteht. Nicht ganz so eindeutig verhält es sich bei den Auftrittsverträgen, da den Veranstalter hier in erheblichem Umfang Organisationspflichten treffen können. Trotzdem ist für diesen Vertragstyp aber grds. die Leistung des auftretenden Künstlers kennzeichnend, weshalb Art. 28 Π EGBGB auch auf dessen Aufenthaltsrecht verweist 496. Dagegen kann das anwendbare Recht von vornherein mittels einer Gesamtbetrachtung nach Art. 28 I EGBGB zu bestimmen sein, wenn die Anknüpfung von Verträgen zwischen dem Veranstalter eines sportlichen Wettkampfes und den teilnehmenden Sportlern in Rede steht497. Häufig besteht die Hauptleistungspflicht des Veranstalters in diesen Fällen nämlich nicht in der Vergütung der Teilnehmer, sondern vielmehr in der ordnungsgemäßen Durchführung des Wettkampfes. Der Sportler verpflichtet sich demgegenüber in erster Linie zur Wettkampfteilnahme. Etwaige Geldleistungspflichten beider Parteien (Startgeld des Wettkämpfers bzw. Preisgelder des Veranstalters) stehen eher im Hintergrund, so daß nicht ohne weiteres eine Leistung als die vertragscharakteristische bezeichnet werden kann 498 . Anders indes in den oben genannten Beispielen, weshalb hier auch eine Bestimmung des Vertragsstatuts über Art. 28 Π EGBGB grds. möglich bleibt. 2. Eingreifen

der Ausweichklausel

Allerdings wird die in den Fällen gemeinschaftlicher Schulderfüllung mit der Regelanknüpfung einhergehende Rechtszersplitterung zu Recht als wenig über494 Schlosser, Int. Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr 491; von Hoffmann, Fschr. Glossner, S. 143, 144. 49 5 So allgemein E. Ulmer, Immaterialgüterrechte im IPR, S. 102; v. Bar, IPR II, Rdnr 498; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 54. 4 4

*> Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 202. *7 Vgl. OGH IPRax 1994, S. 463,464.

Die Anknüpfung über Art. 28 I EGBGB führt dabei (nur) dann zum Recht des Wettkampfortes, wenn sich dort auch der Sitz des Veranstalters befindet, OGH IPRax 1994, S. 463,464; Kronke, IPRax 1994, S. 472,475.

§16 Art. 28 Π, V EGBGB

259

zeugend empfunden. Deshalb ist auch vorgeschlagen worden, über Art. 28 V EGBGB das Recht des Herausgebers und nicht des Urhebers zu berufen, wenn der Autor einen Beitrag zur Erstellung eines Sammelwerkes leistet499. Zur Begründung wird angeführt, daß der hohe Kapitaleinsatz des Verwerters und die daraus für ihn resultierende Notwendigkeit einer exakten Risikokalkulation eine einheitliche Behandlung der abgeschlossenen Einzelverträge erfordere. Außerdem weiß der jeweilige Autor auch um die Tatsache, daß seine Leistung - anders etwa als bei einem in ein weitgespanntes Vertriebsnetz eingebundenen Handelsvertreter - nur unselbständiger Teil eines Gesamtwerkes sein soll. Dies spricht ebenfalls für eine einheitliche Vertragsabwicklung. Eine solche kann nun aber sinnvollerweise nur mittels einer Anknüpfung an das Recht des Verwerters sichergestellt werden. Art. 28 V EGBGB verweist jedoch nicht für alle Fälle einer gemeinschaftlichen Schulderfüllung auf das Recht des anderen Vertragsteils. So würde dieses Vorgehen beim Schiedsrichtervertrag schon deshalb nicht zu einer einheitlichen Anknüpfung führen, da die Parteien des Schiedsverfahrens nur relativ selten im selben Staat ansässig sein dürften. Als geeigneter Anknüpfungspunkt bietet sich demgegenüber der Sitz des Schiedsgerichts an 5 0 0 . Dies gilt jedenfalls für den Regelfall, daß das Schiedsgericht das Verfahrensrecht des Schiedsortes anwendet, da die Tätigkeit der Schiedsrichter vor allem durch das maßgebliche Verfahrensrecht geprägt wird 501 . Letzteres liefert daher auch dann den entscheidenden Hinweis auf das Statut des Schiedsrichtervertrages, wenn die Parteien die Geltung eines anderen Verfahrensrechts als das des Schiedsortes vereinbart haben. Dagegen kommt dem Recht des Schiedsvertrages nur untergeordnete Bedeutung für die Anknüpfung des Schiedsrichtervertrages zu 5 0 2 . Verträge mit einem Kollegialschiedsgericht werden mithin über Art. 28 V EGBGB einheitlich beurteilt und akzessorisch an das Recht des Schiedsverfahrens angeknüpft 503. Als problematisch erweisen sich auch in diesem Zusammenhang wieder die Auftrittsverträge. Bei diesen kommt nämlich als Anknüpfungspunkt für ein einheitliches Vertragsstatut sowohl das Recht des Auftrittsortes als auch das des Veranstalters in Betracht. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung ist aber in jedem Fall zu befürworten, falls der Auftrittsort mit dem Sitz bzw. gewöhnlichen Aufent499 Kleine, Urheberrechtsverträge im IPR, S. 85; Reithmann/Joch Int. VertragsR, Rdnr 1316. 500 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 445; ebenso OGH ZfRV 39 (1998), 259, 261. 501 Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, Rdnr 575; Schlosser, Int. Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr 491 ; Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 245. 502 a.A. Henn, Schiedsverfahrensrecht, S. 93. Im Ergebnis ergeben sich dadurch aber nur geringe Unterschiede, da auch der Schiedsvertrag häufig dem Recht des Verfahrensortes untersteht, von Hoffmann, Fschr. Glossner, S. 1 4 3 , 1 5 1 . 503 Aufgrund der besonderen Bedeutung des Verfahrensrechts hat dies auch für Verträge mit einem einzelnen Schiedsrichter zu gelten. 1

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3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

halt des Veranstalters zusammenfallt 504. Engagieren also beispielsweise die deutschen Ausrichter der alljährlichen Mozart-Festspiele in Würzburg ein internationales Musikensemble, so unterliegen sämtliche Verträge mit den Musikern gemäß Art. 28 V EGBGB dem deutschen Recht. Schwieriger gestaltet sich die Rechtsanwendung jedoch, wenn der Veranstalter in einem anderen Staat ansässig ist oder mehrere gemeinsame Auftritte in verschiedenen Ländern organisiert. Insoweit erscheint es bedenklich, stets das Recht des Auftrittsortes zu berufen 505. Dies würde nämlich dazu führen, daß auf die einzelnen Veranstaltungen im Rahmen einer einheitlich organisierten Tournee unterschiedliche Sachrechte zur Anwendung gelangen, was nicht zu überzeugen vermag. Dierichtigerweise anzustrebende kollisionsrechtliche Gleichbehandlung aller Einzelverträge sollte daher durch eine Anknüpfung an das Recht des Veranstalters sichergestellt werden 506. Entscheidend für das Eingreifen der Ausweichklausel ist folglich nicht, wo die einzeln verpflichteten Künstler gemeinsam auftreten, sondern vielmehr, von welchem Staat aus sie engagiert worden sind. Für diese Lösung spricht auch, daß der Ausrichter die Veranstaltung von seiner Niederlassung aus vorbereitet und durchführt. Genau wie bei der Herausgabe eines literarischen Sammelwerkes wird mithin für Auftrittsverträge mit einem internationalen Musikensemble über Art. 28 V EGBGB das Recht des anderen Vertragsteils berufen.

IX. Angelehnte Verträge und akzessorische Anknüpfung 1. Regelanknüpfung An eine Durchbrechung der Regelanknüpfung ist schließlich auch zu denken, wenn ein Vertrag in so enger Verbindung mit einem anderen steht, daß eine einheitliche kollisionsrechtliche Behandlung geboten erscheint. In diesem Zusammenhang werden in erster Linie die sog. angelehnten Verträge genannt, die der Vorbereitung, Erfüllung oder Änderung eines Hauptvertrages dienen507. Als Beispiele lassen sich insoweit der Abschluß eines Vorvertrages oder Vergleichs sowie Auftrag und Geschäftsbesorgung nennen. Hier schließen dieselben Vertragsparteien einen Ergänzungsvertrag zu ihrem Hauptvertrag. Ähnlich verhält es sich beim Ab504 Vgl. OGH IPRax 1994, S. 463,464. 505 So aber Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 202. 506 wird der Auftrittsvertrag dagegen mit der gesamten Gruppe geschlossen, dann sollte von der Regelanknüpfung grds. nur abgewichen werden, wenn der Sitz des Veranstalters mit dem Auftrittsort zusammenfällt oder den Ausrichter erhebliche Organisationspflichten treffen. 507 Vischer, Int. VertragsR, S. 138; Gamillscheg, AcP 157 (1958/59), S. 303, 334; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 155; Rammeloo, VertragskollisionsR, S. 333; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 232; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 300, 318.

§16 Art. 28 Π, V EGBGB

261

schluß von Einzelverträgen, die der Ausfüllung eines zuvor geschlossenen Rahmenvertrages dienen sollen508. Dagegen geht es bei der ebenfalls diskutierten akzessorischen Anknüpfung von Bürgschafts- und Subunternehmerverträgen um die Frage, ob das Statut eines bestimmten Hauptvertrages auch für Verträge mit Dritten maßgeblich sein kann. Trotz dieser Unterschiede ist es in den genannten Fällen zumeist grds. möglich, das Vertragsstatut mittels der Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB zu bestimmen. Eine Ausnahme bildet allerdings der Vergleich, bei dem sich eine charakteristische Leistung nicht feststellen läßt 509 . Das anwendbare Recht muß daher über Art. 28 I EGBGB ermittelt werden. Dies kann sinnvollerweise nur durch eine akzessorische Anknüpfung geschehen, wobei sich die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung510 und Literatur 511 zu Recht für die Geltung des ursprünglichen Vertragsstatuts ausspricht. Ansonsten ist der enge Zusammenhang mit einem anderen Vertrag aber allenfalls im Rahmen der Ausweichklausel zu berücksichtigen.

2. Eingreifen

der Ausweichklausel

Genau wie der Vergleich wird auch der Vorvertrag häufig als angelehnter Vertrag behandelt. Deshalb soll der Vorvertrag dem Recht des in Aussicht genommenen Vertrages unterstehen512. Entsprechend hat die Rechtsprechung für die Option in einem Verlagsvertrag entschieden513, sich ansonsten allerdings eher zurückhaltend geäußert 514. Weisen nämlich die Vorverhandlungen einen starken Inlandsbezug auf, obwohl der intendierte Hauptvertrag nach ausländischem Recht zu beurteilen ist, dann kann nicht unbedingt davon ausgegangen werden, daß sich die Parteien schon im vorvertraglichen Stadium einer fremden Rechtsordnung unterwerfen wollen. Außerdem enthält der Vorvertrag möglicherweise auch erhebliche inhaltliche Abweichungen vom beabsichtigten Hauptvertrag 515. Daher dürfte der Vorvertrag nicht selten seinem eigenen Statut folgen, so daß Art. 28 V EGBGB insoweit nicht zur Anwendung kommt. 508

Klassische Beispiele sind insoweit die Handelsvertreter- und Vertragshändlerverträge. 509 Siehe oben § 15.17.

510 OLG Schleswig IPRspr. 1989 Nr. 48; OLG Hamm IPRspr. 1985 Nr. 28; LAG Düsseldorf IPRspr. 1985 Nr. 51 A = RIW/AWD 1987, S. 61. su MünchKomm/Martiny, Art. 32 EGBGB, Rdnr 117; v. Bar, IPR II, Rdnr 505, Fn. 449; Schwander, Fschr. Schluep, S. 501, 511; Schnitzer, Handbuch des IPR II, S. 664; a.A. Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 53. 512 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 158; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 102; Soergel/ von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 121. 513 BGHZ 19, 110, 113 = NJW 1956, S. 377. 514 BGH IPRspr. 1966/67 Nr. 28 = W M 1967, S. 1042; BGHZ 53,189, 193 = NJW 1970, S. 999,1001; unentschieden OLG Hamm IPRspr. 1993 Nr. 20. 515 Vgl. OLG Köln IPRspr. 1993 Nr. 29 = RIW 1993, S. 414,415.

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3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

Auch bei Auftrag und Geschäftsbesorgung sollte eine Durchbrechung der Regelanknüpfung grds. nur erfolgen, wenn der Beauftragte ausschließlich oder ganz überwiegend in einem anderen Staat als dem seiner Niederlassung tätig wird und auch sein Auftraggeber mit diesem Staat eng verbunden ist 516 . Wird also beispielsweise eine in Deutschland durchzuführende und nach deutschem Recht zu beurteilende Spendenaktion vom Ausland aus organisiert, dann besteht keine Notwendigkeit, den entsprechenden Auftrag dem Statut des Hauptvertrages zu unterstellen517. Schematische Lösungen verbieten sich auch bei der Frage der Anknüpfung von Einzelverträgen, die der Ausfüllung eines zuvor geschlossenen Rahmenvertrages dienen. Insbesondere bei Handelsvertreter- und Vertragshändlerverträgen wird insoweit für eine akzessorische Anknüpfung der Einzelverträge an das Statut des Rahmenvertrages plädiert 518. Weiterhin kommt bei den Kompensationsgeschäften wegen der ausdrücklichen Bezugnahme des Gegengeschäfts auf den Exportvertrag eine einheitliche Anknüpfung an das Recht des Exportvertrages in Betracht 519. Schließlich wird eine akzessorische Anknüpfung auch für solche Lizenzverträge befürwortet, die an die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens (joint venture) gekoppelt sind 520 . In allen diesen Fällen darf indes nicht übersehen werden, daß es für eine einheitliche Anknüpfung entscheidend auf den Inhalt des Rahmenvertrages ankommt521. So scheidet eine akzessorische Anknüpfung der von einem Vertragshändler mit seinem Lieferanten geschlossenen Einzelkaufverträge jedenfalls dann aus, wenn in dem Vertragshändlervertrag ganz überwiegend Rechte und Pflichten des Lieferanten geregelt werden 522. Auch kann der Aspekt des Technologietransfers bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens von so erheblicher Bedeutung sein, daß die abgeschlossenen Lizenzverträge nicht bloß als untergeordnete Nebenabreden anzusehen sind. Somit spricht mehr dafür, Rahmenvertrag und Einzelverträge grds. selbständig anzuknüpfen 523. Genau wie bei anderen aufeinander bezogenen Verträgen auch 524 , kann aber bei der Bestimmung des Vertragsstatuts das auf den 516 Siehe oben § 16. II 2 a. 517 OLG Hamm RIW 1994, S. 513, 515 = IPRax 1996, S. 33, 36; a.A. Otto, IPRax 1996, S. 22. 518 OLG Hamm IPRspr. 1982 Nr. 19 = NJW 1983, S. 523, 524; Merschformann, Obj. Vertragsstatut, S. 232; v. Bar, IPR II, Rdnr 490; MünchKomm/Martiny 2, Art. 28 EGBGB, Rdnr 160. 519 Siehe oben § 15.12. 520 Von Hoffmann, RabelsZ 40 (1976), S. 208,212; Hoppe, Lizenz- und Know-how-Verträge, S. 182, Fn. 41. 521 Vgl. Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 157. 522 IPG 1984 Nr. 18 (Köln); insoweit gänzlich gegen eine akzessorische Anknüpfung Soergel/ von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 269. 523 So auch Schurig, IPRax 1994, S. 27, 30. 524 Vgl. OLG Celle IPRspr. 1991 Nr. 27 = NJW-RR 1992, S. 1126: Verkauf von Geschäftsanteilen einer polnischen GmbH an einen deutschen Käufer, dem gleichzeitig eine Gewinn-

§16 Art. 28 Π, V EGBGB

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jeweils anderen Vertrag anzuwendende Recht über Art. 28 V EGBGB zu berücksichtigen sein. Allein ausschlaggebende Bedeutung sollte diesem Umstand indes nicht zukommen. Dagegen ist der Schiedsrichtervertrag mittels der Ausweichklausel akzessorisch an das Recht des Schiedsverfahrens anzuknüpfen 525. Anders wiederum beim Subunternehmervertrag 526. Hier lehnt die überwiegende Auffassung eine akzessorische Anknüpfung an das Statut des Hauptvertrages zu Recht ab 5 2 7 . Gleiches hat auch für Bürgschafts- und Garantieverträge zu gelten528. Im Einzelfall kann sogar gerade ein schützenswertes Interesse daran bestehen, die Bürgschaft oder Garantie ihrem eigenen Recht folgen zu lassen. Dies gilt selbst dann, wenn die Regelanknüpfung zu einem einheitlichen Statut von Haupt- und Sicherungsvertrag führen würde. Der BGH hat deshalb in einer neueren Entscheidung mit Recht die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB herangezogen, um die kollisionsrechtliche Selbständigkeit einer Garantie sicherzustellen529. Dieser Gedanke ist auch auf andere Rechtsgebiete zu übertragen. So dürfte zwar eine Ruhegeldvereinbarung regelmäßig dem Recht des Arbeitsvertrages unterstehen530. Andererseits kann es aber ebenso Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag geben, die die angestrebte Absicherung des Arbeitnehmers nur gewährleisten können, sofern sie ihrem eigenen Recht unterworfen sind. Dies gilt etwa für eine Ausfallshaftung, die auch für den Fall übernommen wird, daß der ausländische Arbeitgeber den geschuldeten Arbeitslohn wegen Gesetzesänderungen am Arbeitsort nicht mehr auszuzahlen vermag 531 . Auf Ergänzungsverträge kommt mithin keineswegs immer über Art. 28 V EGBGB das Recht des Hauptvertrages zur Anwendung. Teilweise stößt eine akzessorische Anknüpfung sogar schon auf die Schwierigkeit, daß sich zwei Verträge weitgehend gleichwertig gegenüberstehen, weshalb ein „Hauptvertrag" nur schwer auszumachen ist. So verhält es sich beispielsweise, wenn ein Warenkauf durch die Darlehensgewährung eines Drittenfinanziert werden soll. Wer hier für Kauf- und Darlehensvertrag ein einheitliches Statut bestimmen will, der muß je nach Fallgestaltung von einer Über- oder Unterordnung des Darlehensgebers bzw. Verkäufers ausgehen, da sich insoweit kein genereller Vorbeteiligung an einer deutschen GmbH eingeräumt wurde. Das Gericht unterstellte den Kaufvertrag zu Recht dem deutschen Recht. 525 Siehe oben § 16. VIII2. 526 Näher hierzu oben § 16. I I I 2 d. 527 Vgl. nur Vetter, NJW 1987, S. 2124, 2126; Reithmann/Thode, Int. VertragsR, Rdnr 951; v. Bar, IPR II, Rdnr 504; Palandt/Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 14; Erman/Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 39. 528 Siehe oben § 16. V 2 a. 529 BGH NJW 1996, S. 2569,2570 = L M Art. 28 EGBGB Nr. 3 mit zust. Anm. Dörnen 530 BAG IPRspr. 1958/59 Nr. 51 = AP Nr. 4 zu IPR (ArbR); BAG IPRspr. 1966/67 Nr. 52 = DB 1968, S. 713; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 155; v. Bar, IPR II, Rdnr 504, Fn. 449. 531 OGH ZfRV 29 (1988), S. 303, 307.

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ertragsstatut

rang einer Vertragsleistung ermitteln läßt. Indes vermag es nicht zu überzeugen, die Rechtsanwendung davon abhängig zu machen, ob der Käufer oder der Verkäufer an den Darlehensgeber herantritt 532. In diesen Fällen sollten Darlehens- und Kaufvertrag vielmehr getrennt angeknüpft werden. Dieses Beispiel liefert einen weiteren Beleg dafür, daß über Art. 28 V EGBGB nur selten eine akzessorische Anknüpfung in Betracht kommt. In der Mehrzahl der Fälle ist das Statut des Haupt- oder Rahmenvertrages lediglich einer von mehreren Umständen, die im Rahmen der Ausweichklausel zu berücksichtigen sind.

§17 Art. 28 I I I , V EGBGB Nach Art. 28 ΠΙ EGBGB wird vermutet, daß ein Vertrag, der ein dingliches Recht an einem Grundstück oder ein Recht zur Nutzung eines Grundstücks zum Gegenstand hat, die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem das Grundstück belegen ist. Der Anwendungsbereich des Art. 28 III EGBGB erstreckt sich damit sowohl auf Liegenschaftserwerbs- als auch auf Liegenschaftsbenutzungsverträge. Trotzdem werden diese Vertragsaiten im folgenden getrennt voneinander behandelt, da das Eingreifen des Art. 28 V EGBGB an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sein kann.

I. Grundstückskaufvertrag 7. Regelanknüpfung Verträge über den Erwerb von Grundstücken unterliegen in Ermangelung einer Rechtswahl nach Art. 28 ΠΙ EGBGB grds. dem Recht des Belegenheitsstaates533. Ebenso wurde bereits vor der IPR-Reform entschieden534. Hauptargument für diese Regelanknüpfung ist das Bestreben, Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft demselben Recht folgen zu lassen. Trotz der großen Bedeutung der lex rei sitae sind aber Fallgestaltungen denkbar, in denen der schuldrechtliche Vertrag engere Verbindungen mit einer anderen Rechtsordnung aufweist. Der Gleichlauf von Schuld- und Sachenrechtsstatut ist daher nicht zwingend.

532 So aber Schnelle, Darlehensverträge im IPR, S. 142. 533 OLG Frankfurt IPRspr. 1992 Nr. 40 = NJW-RR 1993, S. 182; OLG Hamburg IPRspr. 1989 Nr. 38; Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 854; Palandt/Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 5; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 118. 534 RGZ 101, 64, 66; OLG Celle IPRspr. 1987 Nr. 17 = RIW 1988, S. 137, 138; OLG Hamm IPRspr. 1985 Nr. 28; Soergel/Kegel", vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 368.

§ 17 Art. 28 III, V EGBGB

2. Eingreifen

265

der Ausweichklausel

a) Isoliertheit des Anknüpfungspunktes Nahe liegt das Eingreifen des Art. 28 V EGBGB zunächst einmal dann, wenn der Belegenheitsort des verkauften Grundstücks als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint. So etwa in dem Fall, daß deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland dort in deutscher Sprache und Währung einen Kaufvertrag über ein ausländisches Grundstück abschließen und in dem Vertrag zusätzlich einen deutschen Gerichtsstand und Erfüllungsort vereinbaren 535. Hier bestehen keine weiteren Verbindungen zur ausländischen lex rei sitae, so daß diese nicht zur Anwendung gelangen sollte 536 . Sowohl der Abschluß als auch die Abwicklung des Vertrages weist nämlich einen eindeutigen Inlandsbezug auf. Die Rechtsprechung hat dieses Ergebnis indes stets auf eine stillschweigende Rechtswahl gestützt. Dies dürfte aber nicht ganz unproblematisch sein, sofern nicht auch auf Bestimmungen des materiellen Rechts Bezug genommen wurde. Die Durchbrechung der Regelanknüpfung sollte daher nach neuem Recht mittels der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB erfolgen 537.

b) Vorrang des gemeinsamen Heimat- oder Aufenthaltsrechts? Weniger eindeutig stellt sich die Situation jedoch dar, falls die Parteien zwar ein gemeinsames Heimat- und/oder Aufenthaltsrecht besitzen, daneben aber auch weitere Verbindungen zur lex rei sitae bestehen. Sind etwa beide Vertragsteile Angehörige des Belegenheitsstaates und schließen sie dort auch den Kaufvertrag ab, dann wurde ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in einem anderen Staat nicht als ausreichend angesehen, um ein Abweichen von der Regelanknüpfung zu rechtfertigen 538. Ebenso ist von der Rechtsprechung entschieden worden, falls eine der Vertragsparteien ihren Sitz 539 bzw. gewöhnlichen Aufenthalt 540 im Belegenheitsstaat hatte. Da dort auch jeweils der Vertragsschluß erfolgte, wurde der gemeinsamen Staatsangehörigkeit von Käufer und Verkäufer sowie der auf deren Peimatrecht hindeutenden Vertragssprache und -Währung keine ausschlaggebende Bedeutung für die Anknüpfung zuerkannt. In allen genannten Fällen bleibt es also bei der von Art. 28 ΙΠ EGBGB ausgesprochenen Verweisung.

535 BGHZ 52, 239, 241 = NJW 1969, S. 1760, 1761; BGHZ 73, 391, 394 = NJW 1979, S. 1773; OLG Düsseldorf IPRspr. 1980 = NJW 1981, S. 529; vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 1996, S.1145. 536 Cornut, Grundstückskauf im IPR, S. 74. 537 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 151. 538 OLG Hamm IPRspr. 1985 Nr. 28. 539 OLG Hamburg IPRspr. 1989 Nr. 38. 540 OLG Celle IPRspr. 1987 Nr. 17 = RIW 1988, S. 137,138.

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ertragsstatut

Aber selbst das Zusammenfallen von Heimat- und Aufenthaltsrecht führt nicht immer zu einem Eingreifen der Ausweichklausel541. Das Vorliegen einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit sowie eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts ist allerdings für ausreichend erachtet worden, um einen Vorvertrag 542 und einen Vergleich 543 über ein ausländisches Grundstück (kraft stillschweigender Rechtswahl) nicht der lex rei sitae zu unterstellen. Hinsichtlich des Grundstückskaufvertrages selbst hat sich die Rechtsprechung indes bisher eher zurückhaltend geäußert. So wurde ein zwischen im Inland ansässigen Deutschen geschlossener Kaufvertrag über ein spanisches Grundstück nach spanischem Recht beurteilt, weil der Käufer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beabsichtigte, seinen Wohnsitz nach Spanien zu verlegen 544. Zusammen mit dem Abschlußort des Vertrages genügte dem Gericht dieser erst zukünftig eintretende Umstand, um an der Regelanknüpfung des Art. 28 ΙΠ EGBGB festzuhalten. Entsprechend ist für den Fall entschieden worden, daß inländische Vertragspartner den Grundstückskaufvertrag vor einem ausländischen Notar geschlossen und gleichzeitig eine auf den ausländischen Belegenheitsstaat weisende Gerichtsstands Vereinbarung getroffen haben545. Schließlich wurde sogar allein der Vertragsschluß vor einem italienischen Notar als ausreichend angesehen, um für den Kaufvertrag zwischen zwei im Inland lebenden Deutschen über ein italienisches Grundstück die Maßgeblichkeit der Regelanknüpfung begründen zu können546. Das Gericht stützte sich insoweit vor allem auf die Erwägung, daß ein Notar nicht ohne entsprechenden Hinweis einen nach fremdem Recht zu beurteilenden Vertrag protokollieren würde 547. Die bisherige Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Art. 28 V EGBGB auf Grundstückskaufverträge läßt sich daher so zusammenfassen, daß ein Eingreifen der Ausweichklausel grds. das Zusammenfallen von Heimat- und Aufenthaltsrecht der Parteien voraussetzt. Jedenfalls sollte keines dieser Anknüpfungsmomente auf das Recht des Belegenheitsstaates weisen. Aber auch daneben dürfen keine weiteren erheblichen Verbindungen zur lex rei sitae bestehen. Letztlich kommt deshalb eine Durchbrechung der Regelanknüpfung nur in Betracht, wenn die im Inland ansässigen Vertragspartner lediglich einen privatschriftlichen Erwerbsvertrag ab541 Vgl. Cornut, Grundstückskauf im IPR, S. 74. 542 BGHZ 53, 189,193 = NJW 1970, S. 999,1000. 543 OLG München NJW-RR 1989, S. 663,665 = IPRax 1990, S. 320, 323. 544 OLG Celle RIW 1990, S. 320, 322. 545 LG Hamburg RIW 1977, S. 787, 788; OLG Köln IPRspr. 1993 Nr. 29 = RIW 1993, S. 414, 415 geht insoweit sogar von einer stillschweigenden Wahl des Rechts des Belegenheitsstaates aus. 546 OLG Frankfurt IPRspr. 1992 Nr. 40 = NJW-RR 1993, S. 182. 547 Auch beim Grundstückstausch kann dem Recht des beurkundenden Notars entscheidende Bedeutung für die Bestimmung des Vertragsstatuts zukommen, LG Amberg IPRax 1982, S. 29 m. zust. Anm. Jayme; Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 860; Palandt/ Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 9.

§ 17 Art. 28 ΙΠ,Υ EGBGB

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schließen548 oder diesen von einem inländischen Notar beurkunden lassen. Schon die Beurkundung durch einen im Belegenheitsstaat tätigen Notar führt nämlich zumeist dazu, daß es bei der Regelanknüpfung des Art. 28 ΠΙ EGBGB bleibt. c) Gleichzeitig geschuldete Bebauung des Grundstücks Zu denken ist an Art. 28 V EGBGB schließlich auch noch, wenn es sich nicht um einen reinen Grundstückskaufvertrag handelt, sondern sich der Verkäufer vielmehr zusätzlich zur Bebauung des veräußerten Grundstücks verpflichtet. Hier könnte eine Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht des Verkäufers in der Vordergrund treten. Unproblematisch gilt dies für solche Fälle, in denen der Unternehmer ausschließlich die Pflicht zur Lieferung bzw. Errichtung eines (Fertig-)Hauses übernimmt, weil der Kunde bereits Eigentümer des Baugrundstücks ist 549 . Insoweit wird das grds. anzuwendende Recht nämlich über Art. 28 I I EGBGB und nicht über Art. 28 ΙΠ EGBGB bestimmt550. Anders hingegen, sofern sich der Unternehmer auch zur Übereignung des Grundstücks verpflichtet. Sind nun aber Käufer und Verkäufer im selben Staat ansässig, während das Gebäude auf einem ausländischen Grundstück errichtet werden soll, dann liegt es nahe, die vertraglichen Beziehungen der Parteien einheitlich dem gemeinsamen Aufenthaltsrecht zu unterstellen551. Für den Grundstückskaufvertrag wird folglich die Regelanknüpfung des Art. 28 ΠΙ EGBGB durchbrochen. Voraussetzung hierfür dürfte indes stets sein, daß keiner der Vertragspartner dem Belegenheitsstaat angehört und der Wert des Grundstücks den des zu errichtenden Bauwerks nicht wesentlich übersteigt. Ebenso bleibt es bei der Maßgeblichkeit der lex rei sitae, wenn der Unternehmer die Bauleistung von einer örtlichen Niederlassung aus erbringt. Ist dagegen die inländische Hauptniederlassung für die Durchführung und Abwicklung des Bauvorhabens zuständig und wird die Kaufpreiszahlung an den Baufortschritt gekoppelt, dann sollte die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB auf den Grundstückskaufvertrag zur Anwendung kommen. II. Grundstücksmiete und -pacht 1. Regelanknüpfung Auch auf Miet- und Pachtverträge über Grundstücke kommt nach Art. 28 ΠΙ EGBGB grds. das Recht der belegenen Sache zur Anwendung552. Das gleiche gilt 548 OLG Frankfurt IPRspr. 1994 Nr. 67 = RIW 1995, S. 1033. Das Gericht verkennt allerdings den Anwendungsbereich des Art. 28 III EGBGB und will das Statut eines im Jahre 1990 (!) geschlossenen Vertrages nach dem hypothetischen Parteiwillen bestimmen. 549 Vgl. BGH W M 1983, S. 527. 550 Näher zum Bauvertrag s.o. § 16. III 2 a. 551 OLG Hamm NJW-RR 1996, S. 1144, 1145; vgl. auch BGHZ 52, 239, 241 = NJW 1969, S. 1760, 1761.

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ertragsstatut

für die Miete von Geschäfts- und Wohnräumen553. Allerdings ist in der Literatur vorgeschlagen worden, den Anwendungsbereich des Art. 28 III EGBGB auf langfristige Mietverträge zu beschränken. Die Vermietung von Ferienhäusern und Wohnungen soll deshalb nach Art. 28 Π EGBGB grds. dem Recht des Vermieters zu unterstellen sein 554 . Dieses Ergebnis ließe sich indes auch durch eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB erreichen. Auf die kollisionsrechtliche Behandlung kurzfristiger Mietverträge soll hier daher im Rahmen der Ausweichklausel eingegangen werden.

2. Eingreifen

der Ausweichklausel

a) Verträge mit gewerblichen Ferienhausanbietern Zweifel an der Maßgeblichkeit der lex rei sitae begegnen vor allem bei der Gebrauchsüberlassung von Ferienwohnungen und -häusern. Diese kann sich allerdings in unterschiedlicher Art und Weise vollziehen, was möglicherweise auch zu einer abweichenden Einordnung und Anknüpfung der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung führt. Dabei liegt unproblematisch ein Mietvertrag vor, wenn der deutsche Urlauber direkt mit dem ausländischen Eigentümer kontrahiert 555 oder wenn zwei Inländer einen Vertrag über die Nutzung eines im Ausland belegenen Ferienhauses schließen556. Auf diese Vertragsgestaltungen finden daher die im Anschluß darzustellenden Anknüpfungsgrundsätze für kurzfristige Mietverhältnisse Anwendung. Weniger eindeutig stellt sich die Situation indes dar, sofern der Urlauber ein Feriendomizil über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter bucht. Hier kann nicht ohne weiteres von dem Vorliegen eines Mietvertrages ausgegangen werden, da der Veranstalter i.d.R. auch noch zusätzliche Leistungen erbringt, wie etwa die Auswahl und Bereitstellung des Objekts, die Beratung des Kunden, die Kontrolle des Leistungsträgers, die Weiterleitung der Vergütung oder auch das Angebot zum Abschluß einer Reiserücktrittsversicherung. Wird sogar eine Gesamtheit von Reiseleistungen geschuldet, dann liegt ein Reiseveranstaltervertrag vor, der nach Art. 28 Π

552 Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 943; Palandt ! Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 5; Kropholler, IPR, § 52 III 3 b, S. 418; vgl. schon BGH IPRspr. 1954/55 Nr. 1 = JZ 1955, S. 702. 553 BGHZ 109, 29, 36 = NJW 1990, S. 317, 319; LG Köln IPRspr. 1992 Nr. 29 = VuR 1992, S. 156, 157; LG Hamburg IPRspr. 1991 Nr. 40; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 121. 554 Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 164; Kegel/Schurig, IPR, § 18 I 1 d, S. 580. 555 Tonner, NJW 1981, S. 1921, 1925; vgl. auch BGH NJW 1980, S. 1947. 556 EuGH NJW 1985, S. 905 (Rosier./. Rottwinkel)·, Kreuzer, IPRax 1986, S. 75, 77; Rauscher, NJW 1985, S. 892, 897.

§ 17 Art. 28 III, V EGBGB

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EGBGB anzuknüpfen ist 557 . Ein solcher Vertrag beurteilt sich daher grds. nach dem am Sitz des Veranstalters geltenden Recht. Sofern einer der in Art. 29 I Nr. 1 oder 2 EGBGB genannten Tatbestände erfüllt ist, kommt auch eine Bestimmung des Vertragsstatuts über Art. 29 Π EGBGB in Betracht 558. Dies gilt nach Art. 29 IV 2 EGBGB uneingeschränkt für solche Reiseverträge, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen. Ansonsten ist für eine Anwendung des Art. 29 Π EGBGB nur Raum, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen nicht ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, Art. 29IV 1 Nr. 2 EGBGB. Auch diese Grundsätze können indes auf Ferienhausverträge nicht unmittelbar angewendet werden, da die Bereitstellung des Ferienhauses zu Urlaubszwecken in aller Regel als alleinige (Reise-)Leistung geschuldet wird. Der Ferienhausvertrag steht damit zwischen dem Miet- und dem Reiseveranstaltervertrag. Da ersterer nach Art. 28 ΠΙ EGBGB und letzterer nach Art. 28 Π EGBGB bzw. Art. 29 Π EGBGB anzuknüpfen ist, spielt die Zuordnung zu dem einen oder anderen Vertragstyp auch für die kollisionsrechtliche Behandlung eine Rolle. Die Rechtsprechung hat sich zunächst für eine Anwendung der Regelanknüpfung des Art. 28 ΙΠ EGBGB ausgesprochen559, dann aber auch eine Anwendung des Art. 29 Π EGBGB erwogen 560. Im Ergebnis besteht aber insoweit Einigkeit, daß der Vertrag mit einem Ferienhausanbieter zumindest dann nicht der ausländischen lex rei sitae unterliegen soll, wenn Anbieter und Urlauber im selben Staat ansässig sind. Sofern man nämlich nicht ohnehin Art. 28 I I EGBGB bzw. Art. 29 II EGBGB 561 für einschlägig hält, folgt dies jedenfalls aus Art. 28 V EGBGB, weil eine engere Verbindung mit dem gemeinsamen Aufenthaltsrecht besteht562. Gleiches hat für den Fall zu gelten, daß der ausländische Ferienhausanbieter ein deutsches Tochterunternehmen als „Abwickler" des Vertrages einschaltet563. Eine abschließende Entscheidung über die maßgebliche Regelanknüpfung muß daher häufig nicht erfolgen.

557 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 220; MünchKomm IMartiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 147a. 558 y. Bar, IPR II, Rdnr 515; Erman/Hohloch, Art. 29 EGBGB, Rdnr 24; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 737. 559 BGHZ 109, 29, 36 = NJW 1990, S. 317, 319; LG Köln IPRspr. 1992 Nr. 29 = VuR 1992, S. 156, 157. 560 BGHZ 119, 152, 158 = BGH NJW 1992, S. 3158, 3159; ebenso BGH NJW 1992, S. 3163; KG IPRspr. 1994 Nr. 21 = VuR 1995, S. 35,40. 561 Dafür Lindacher, BB 1990, S. 661; ders., IPRax 1993, S. 228, 229; Kartzke, NJW 1994, S. 823, 825; Reithmann/Limmer, Int, VertragsR, Rdnr 944; Palandt IHeldrich, Art. 29 EGBGB, Rdnr 2; Erman/Hohloch, Art. 29 EGBGB, Rdnr 24. 562 BGHZ 109, 29, 36 = NJW 1990, S. 317, 319; LG Köln IPRspr. 1992 Nr. 29 = VuR 1992, S. 156, 157; vgl. auch BGHZ 119, 152, 158 = BGH NJW 1992, S. 3158, 3159; MünchKomm/A/arf/wy, Art. 28 EGBGB, Rdnr 121. 563 KG IPRspr. 1994 Nr. 21 = VuR 1995, S. 35,40.

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ertragsstatut

Anders verhält es sich jedoch, wenn Urlauber und Veranstalter nicht im selben Staat ansässig sind. Bucht also etwa ein Niederländer bei einer deutschen Reiseagentur eine Ferienwohnung in Spanien, dann käme über Art. 28 Π EGBGB 564 deutsches Recht und über Art. 28 ΠΙ EGBGB die spanische lex rei sitae zur Anwendung. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung des Art. 28 ΠΙ EGBGB mittels der Ausweichklausel wäre in dieser Konstellation mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da der Urlauber seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat. Folglich muß in diesen Fällen entschieden werden, ob der Vertrag mit einem gewerblichen Ferienhausanbieter mietvertraglich zu qualifizieren ist oder nicht. Im deutschen materiellen Recht werden entsprechende Verträge ganz überwiegend nicht als Mietvertrag behandelt. Nicht selten wurde für eine Einordnung als Werkvertrag plädiert 565. Der BGH hat sich inzwischen für eine analoge Anwendung der für den Reisevertrag geltenden Vorschriften ausgesprochen566. Dabei wird für die rechtliche Einordnung allerdings nicht entscheidend darauf abgestellt, ob sich der Ferienhausanbieter im Vertrag als „Vermittler", „Vermieter" oder „Veranstalter" bezeichnet. Ausschlaggebend soll vielmehr sein, ob die Verschaffung der Ferienunterkünfte als eigene Leistung angeboten und eine entsprechende Verantwortung für den Erfolg übernommen wird 567 . Davon ist nach deutschem Recht letztlich immer dann auszugehen, wenn nicht lediglich der Kontakt zu den Eigentümern/Vermietern der Ferienwohnungen vermittelt wird 568 . Auch der EuGH hat den mit einem Reiseveranstalter geschlossenen Vertrag, der auf die Bereitstellung einer ausländischen Ferienunterkunft als alleinige Reiseleistung gerichtet war, nicht als Mietvertrag, sondern vielmehr als „gemischten Vertrag" qualifiziert 569. Ein solcher Vertrag soll daher nicht der ausschließlichen internationalen Belegenheitszuständigkeit des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ unterfallen 570. Fraglich ist nun allerdings, ob diese Wertungen des materiellen Rechts und des internationalen Zivilprozeßrechts ohne weiteres auf die Ebene des Kollisionsrechts übertragen werden können. So ist darauf hingewiesen worden, daß die Hauptleistungen des Ferienhausvertrages trotz aller Umqualifizierungsversuche in der Gebrauchsüberlassung einer Sache auf Zeit gegen Entgelt bestünden571. Außerdem 564 Die Voraussetzungen des Art. 291 Nr. 1 oder 2 EGBGB dürften in diesem Fall nur ausgesprochen selten erfüllt sein. 565 BGHZ 61, 275, 281 = NJW 1974, S. 37, 38; LG Frankfurt NJW 1982, S. 1949, 1950; LG Berlin IPRax 1992, S. 243; v. Bar, IPR II, Rdnr 515. 566 BGH NJW 1985, S. 906; BGHZ 130, 128, 132; PalandtISprau, vor § 651a BGB, Rdnr 3. 567 BGHZ 61,275,281 = NJW 1974, S. 37, 38; BGH NJW 1985, S. 906. 568 MünchKomm ! Tonner, § 651a BGB, Rdnr 112. 569 EuGH NJW 1992, S. 1029 (Elisabeth Hacker./. Euro-Relais GmbH). 570 Zustimmend Jayme, IPRax 1993, S. 18,19; Lindacher, IPRax 1993, S. 228,229; Kartzke, NJW 1994, S. 823, 824; M. Ulmer, IPRax 1995, S. 72, 73. 571 W. Lorenz, IPRax 1990, S. 292, 293; vgl. auch BGHZ 109, 29, 36 = NJW 1990, S. 317, 319; LG Köln IPRspr. 1992 Nr. 29 = VuR 1992, S. 156,157.

§ 17 Art. 28 III, V EGBGB

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sei die Einordnung als Werkvertrag vor der klärenden Entscheidung des EuGH 572 auch nicht zuletzt deshalb vorgenommen worden, um trotz Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ einen inländischen Gerichtsstand begründen zu können573. Andere Stimmen sprechen sich demgegenüber dafür aus, die Abgrenzung zwischen Veranstaltervertrag und bloßer Unterkunftsvermittlung anhand der Wertungen der lex fori vorzunehmen 574 . Auch der Gesetzgeber hat die genaue Definition der unter Art. 5 V EVÜ (= Art. 29 IV 2 EGBGB) fallenden Verträge über kombinierte Unterbringungsund Beförderungsleistungen („package tours") bewußt den nationalen Gerichten überlassen575. Deshalb darf die von der deutschen Rechtsprechung gezogene Grenze zwischen Miet- und Veranstaltervertrag auch bei der Anknüpfung nicht außer Betracht bleiben576. Die Organisationsleistungen im Vorfeld der Reise sowie die Tatsache, daß der Kunde mit dem Eigentümer des Ferienhauses überhaupt nicht in Kontakt tritt, riikken den Vertrag mit einem gewerblichen Ferienhausanbieter nun aber in die Nähe eines Pauschalreisevertrages. Der Ferienhausvertrag erscheint somit eher als ein minus gegenüber der Pauschalreise, nicht aber als ein aliud 577 . Mithin sollte dieser Vertrag auch kollisionsrechtlich grds. als Veranstalter- und nicht als Mietvertrag angesehen werden, so daß die Regelanknüpfung des Art. 28 ΠΙ EGBGB nicht zur Anwendung kommt 578 . Die Ferienhausverträge unterliegen vielmehr nach Art. 29 Π EGBGB dem Aufenthaltsrecht des Kunden, falls der Vertrag unter den in Art. 29 I Nr. 1 oder 2 EGBGB bezeichneten Umständen zustande gekommen ist. Auch Art. 29 IV 1 Nr. 2 EGBGB steht insoweit nicht entgegen, da die Organisationsleistungen am inländischen Sitz des Veranstalters erbracht werden. Ansonsten führt Art. 28 I I EGBGB zur Maßgeblichkeit des am Sitz des Ferienhausanbieters geltenden Rechts. Demgegenüber ist die ausländische lex rei sitae grds. nicht zur Anwendung berufen 579. Zur Rechtfertigung dieses Ergebnisses muß nach soeben Gesagtem aber nicht auf die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB zurückgegriffen werden. 572 EuGH NJW 1992, S. 1029 (Elisabeth Hacker./. Euro-Relais GmbH); anders noch EuGH NJW 1985, S. 905 (Rosier./. Rottwinkel). 573 Kreuzer, IPRax 1986, S. 75, 77; Endler, IPRax 1992, S. 212, 213. 574 Erman /Hohloch, Art. 29 EGBGB, Rdnr 27. Generell für eine Qualifikation nach der lex fori spricht sich BGH IPRspr. 1995 Nr. 1 = NJW 1996, S. 54 aus. 575 Giuliano/ Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 57. 576 So im Ergebnis auch Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 400. 577 Lindacher, BB 1990, S. 661, Fn. 5 weist darauf hin, daß der Ferienhausvertrag in der Tourismusstatistik der Reiseveranstalter der Kategorie „Teilpauschalreise-Unterkunft" zugerechnet wird. 578 y. Bar, IPR II, Rdnr 515; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 221; Kartzke, NJW 1994, S. 823, 825; Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 944; Lindacher, IPRax 1993, S. 228, 229; vgl. auch BGHZ 119, 152, 158 = BGH NJW 1992, S. 3158, 3159. 579 Anders aber ζ. B. dann, wenn das Reisebüro lediglich den Kontakt zu dem ausländischen Eigentümer/Vermieter vermittelt und der Urlauber direkt mit diesem kontrahiert. Hier bleibt es bei der Regelanknüpfung des Art. 28 III EGBGB.

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ertragsstatut

b) Kurzfristige Mietverträge Bedeutung wird der Ausweichklausel dagegen häufig bei der Anknüpfung kurzfristiger Mietverträge zuerkannt. So wird ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB überwiegend jedenfalls dann befürwortet, wenn die Mietvertragsparteien ein gemeinsames Heimat- und Aufenthaltsrecht besitzen580. Aufgrund des starken Inlandsbezugs sollte hier das ausländische Belegenheitsrecht nicht Vertragsstatut sein. Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen581. Andere Teile des Schrifttums wollen demgegenüber kurzfristige Mietverträge von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 III EGBGB ausnehmen und diese statt dessen über Art. 28 Π EGBGB anknüpfen 582. Erreicht werden soll dies durch eine teleologische Reduktion des Art. 28 ΠΙ EGBGB, der nach seinem Sinn und Zweck nur auf langfristige Mietverträge zugeschnitten sei 583 . Insoweit wird eine Parallele zu Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ gezogen, der für kurzfristige Mietverhältnisse ebenfalls nicht passe584. Gegen ein solches Vorgehen bestehen indes durchgreifende Bedenken. Zwar ist es richtig, daß es im Ergebnis wenig sinnvoll erscheint, Ferienhausverträge über Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaates zu unterwerfen 585. Das gilt vor allem deswegen, weil die meisten Mieterschutzvorschriften der Mitgliedsstaaten des EuGVÜ auf die Miete von Ferienwohnungen gerade nicht anwendbar sind 586 . Vom Wortlaut des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ werden allerdings auch kurzfristige Mietverträge erfaßt, so daß eine Korrektur des als unbillig empfundenen Ergebnisses nur im Wege der Rechtsfortbildung zu erreichen ist. Fraglich kann nun aber schon sein, wie die entsprechende Ausnahmeregelung zu formulieren ist. Soll es genügen, daß es sich nur bei dem Mieter um eine natürliche Person handelt und keine der Parteien im Belegenheitsstaat ansässig ist 5 8 7 , oder sollte nicht vielmehr gefordert werden, daß beide Mietvertragsparteien natürliche Personen sind und zudem noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Vertragsstaat haben588?

580 Reithmann /Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 943; Palandt /Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 5; MünchKomm /Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 121a; Erman/ Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 35; v. Bar, IPR II, Rdnr 519; W. Lorenz, IPRax 1990, S. 292, 294. 581 Giuliano/ Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 53: Lex rei sitae soll nicht gelten für einen Mietvertrag zwischen zwei in Belgien ansässigen Personen über ein Ferienhaus auf der Insel Elba (Italien). 582 Kegel/Schurig, IPR, § 18 I 1 d, S. 580; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 164. 583 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 164. 584 A.A. allerdings EuGH NJW 1985, S. 905 (Rosier./. Rottwinkel). 585 Kreuzer, IPRax 1986, S. 75,79; Rauscher, NJW 1985, S. 892, 897. 586 M. Ulmer, IPRax 1995, S. 72, 73; Endler, IPRax 1992, S. 212, 215; Kreuzer, 1986, S. 75, 79, Fn. 40; vgl. auch LG Berlin IPRax 1992, S. 243. 587 So Art. 16 Nr. 1 b) des Luganer Übereinkommens vom 16. 09. 1988.

IPRax

§ 17 Art. 28 III, V EGBGB

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Diese Zweifel kehren bei der kollisionsrechtlichen Behandlung wieder. So besteht jedenfalls dann kein Grund für eine Durchbrechung der Regelanknüpfung des Art. 28 ΠΙ EGBGB, wenn auch der Mieter im Belegenheitsstaat ansässig ist. Ebenso dürfte der Mietvertrag zwischen zwei in Deutschland lebenden Dänen über ein Ferienhaus in Dänemark i.d.R. dem dänischen Recht unterliegen. Mithin vermag es nicht zu überzeugen, kurzfristige Mietverträge generell nach Art. 28 Π EGBGB an das Aufenthaltsrecht des Vermieters anzuknüpfen. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß es Art. 28 V EGBGB selbst gestattet, von der an sich maßgeblichen Regelanknüpfung abzuweichen. Dann ist der Gesetzes Wortlaut aber - im Gegensatz etwa zu Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ - gerade nicht zu weit gefaßt, weshalb auch für eine Gesetzesfortbildung insoweit kein Raum bleibt 589 . Die Ermittlung des sachnächsten Rechts hat daher über die Ausweichklausel und nicht etwa mittels einer teleologischen Reduktion des Art. 28 ΠΙ EGBGB zu erfolgen 590. Ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB setzt dabei im Falle einer kurzfristigen privaten 591 Vermietung grds. 592 voraus, daß die Vertragsparteien ein gemeinsames Aufenthaltsrecht besitzen und nicht im Belegenheitsstaat ansässig sind 593 . Selbst dann dürfte es indes zu einer Anwendung der lex rei sitae kommen, wenn sowohl Mieter als auch Vermieter dem Belegenheitsstaat angehören. Trotzdem ist ein Abweichen von der Regelanknüpfung aber bei kurzfristigen Mietverträgen eher möglich als beim Erwerb eines Grundstücks594.

I I I . Timesharingverträge 1. Regelanknüpfung Durch einen Timesharingvertrag räumt der Anbieter dem Berechtigten die Befugnis ein, ein bestimmtes Objekt über einen länger dauernden Zeitraum wiederholt für eine festgelegte oder jährlich wählbare Zeiteinheit zu nutzen595. Das Time588 So Art. 16 Nr. 1 b) EuGVÜ i.d.F. des dritten Beitrittsübereinkommens vom 26.05. 1989. 589 Vgl. Mankowski, RIW 1998, S. 287, 289; Honseil/Vogt/Schnyder/Mächler-Erne, Art. 15 IPRG, Rdnr 13. 590 Diese beiden Institute sollten nicht miteinander vermischt werden, s.o. § 7. III 2. 591 Bei gewerblicher Vermietung liegt nach oben Gesagtem i.d.R. ein Reiseveranstaltervertrag vor, der nicht nach Art. 28 III EGBGB anzuknüpfen ist. 592 Denkbar ist eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB aber ζ. B. auch dann, wenn ein Deutscher mit Wohnsitz in Frankreich von einem in Deutschland ansässigen Landsmann ein Ferienhaus in Spanien mietet. Hier dürfte mehr für die Maßgeblichkeit des deutschen Rechts sprechen. 593 Vgl. BGHZ 109, 29, 36 = NJW 1990, S. 317, 319. 594 Siehe oben § 17.12 b. 595 Gralka, Time-Sharing, S. 2; Martinek, ZEuP 1994, S. 470, 473; Lurger, (1992), S. 348, 351. 18 Geisler

ZfRV 33

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ertragsstatut

sharing kann dabei rechtlich unterschiedlich ausgestaltet sein, was auch für die Vertragsanknüpfung von Bedeutung ist 596 : So wird beim dinglich ausgestalteten Timesharing die Mitberechtigung in Form von Miteigentum oder einem sonstigen dinglichen Recht übertragen 597. Dagegen erhält der Erwerber beim schuldvertraglich ausgestalteten Timesharing nur das Recht zur periodisch wiederkehrenden Nutzung des Timesharing-Objekts598. Schließlich kann das Timesharing auch gesellschaftsrechtlich ausgestaltet sein. In diesem Fall ist die Einräumung des Nutzungsrechts an den Beitritt zu einem Verein oder den Erwerb von Gesellschaftsanteilen gekoppelt599. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit auf diese verschiedenen Formen des Timesharing die Regelanknüpfung des Art. 28 ΠΙ EGBGB zur Anwendung kommt. Der bei gesellschaftsrechtlicher Ausgestaltung erforderliche Erwerb von Gesellschaftsanteilen wird dabei als Rechtskauf qualifiziert und deshalb über Art. 28 Π EGBGB angeknüpft 600. Mithin ist grds. das am Sitz des Veräußerers geltende Recht zur Anwendung berufen. Dort wird sich häufig auch der Verwaltungssitz der Gesellschaft befinden. Ansonsten werden Timesharingverträge aber von Rechtsprechung601 und Literatur 602 regelmäßig über Art. 28ΙΠ EGBGB der lex rei sitae unterstellt. Ein Teil des kollisionsrechtlichen Schrifttums spricht sich demgegenüber dafür aus, schuldvertraglich ausgestaltete Timesharingverträge in Ermangelung einer Rechtswahl nach Art. 29 Π EGBGB anzuknüpfen, da diese Verträge auch die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hätten603. Als Beispiele werden insoweit Instandhaltungs- und Betreuungspflichten sowie die Vermittlung von Tauschwohnungen (Tauschring) genannt. Bedeutung für die Anknüpfung kann diesen Leistungen indes nur zukommen, wenn sie nicht nur als untergeordnete Nebenpflichten erscheinen. Auch bei der Überlassung von Wohnraum besteht nun aber typischerweise eine Pflicht des Vermieters zur Bewirtschaftung und Verwaltung der Mietshäuser. Diese 596 Böhmer, IPR des timesharing, S. 3; Mankowski, RIW 1995, S. 364. 597 BGH NJW-RR 1996, S. 1034; OLG Frankfurt IPRspr. 1994 Nr. 67 = RIW 1995, S. 1033; LG Koblenz IPRspr. 1995 Nr. 27 = RIW 1995, S. 946. 598 BGH NJW 1997, S. 1697 = IPRax 1998, S. 285; LG Weiden IPRspr. 1995 Nr. 35 = NJW-RR 1996, S. 438; LG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 33 = RIW 1995, S. 415. 599 LG Stuttgart NJW-RR 1995, S. 1009. 600 MünchKomm / Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 125 f.; Soergel /von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 168; Mankowski, RIW 1995, S. 364, 365. eoi BGH NJW-RR 1996, S. 1034; LG Detmold IPRspr. 1994 Nr. 39 = NJW 1994, S. 3301, 3302; vgl. auch LG Koblenz IPRspr. 1995 Nr. 27 = RIW 1995, S. 946, 947 = NJW-RR 1995, S. 1335; LG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 33 = RIW 1995, S. 415. 602 Reithmann/Limmer, Int. VertragsR, Rdnr 848; MünchKomm/Martiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 125 f.; Mankowski, RIW 1995, S. 364, 365; ders, RIW 1995, S. 1034, 1036; vgl. auch Gralka, Time-Sharing, S. 134. 603 Jayme/Kohler, IPRax 1994, S. 405, 408; Jayme, IPRax 1995, S. 234, 236; Beise, NJW 1995, S. 1724, 1724; Palandt/Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 2.

§ 17 Art. 28 ΙΠ, V EGBGB

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Serviceleistungen vermögen somit nichts daran zu ändern, daß der Aspekt der Gebrauchsüberlassung beim Timesharing eindeutig im Vordergrund steht604. Für eine andere Beurteilung wäre jedenfalls erforderlich, daß sich der Vertrag einem Beherbergungsvertrag nähert 605. Auch in diesem Fall werden allerdings die zusätzlichen Dienstleistungen ausschließlich am Belegenheitsort erbracht, weshalb eine Anwendung des Art. 29 Π EGBGB nach Art. 29 IV 1 Nr. 2 EGBGB ausscheidet606. Mithin bleibt für Art. 29 Π EGBGB letztlich nur Raum, sofern der Anbieter sich auch zur Vermittlung von Tauschwohnungen in anderen Ländern verpflichtet. Selbst diese Pflicht wird aber vom BGH als unbeachtlich angesehen, wenn die Mitgliedschaft in der Tauschorganisation von erheblich kürzerer Dauer ist als das eingeräumte Wohnrecht 607. Folglich bestimmt sich das objektive Vertragsstatut beim dinglich und schuldvertraglich ausgestalteten Timesharing in aller Regel nicht nach Art. 29 Π EGBGB 608 . Das gilt auch bei gesellschaftsrechtlicher Ausgestaltung, da der Rechtskauf aus dem sachlichen Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB herausfällt 609. Zu beachten ist allerdings § 8 des am Ol. Ol. 1997 in Kraft getretenen Gesetzes über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (TzWrG) 610 . Dadurch wird die von Art. 28ΙΠ EGBGB ausgesprochene Regelanknüpfung an die (ausländische) lex rei sitae in nicht unerheblichem Maße durchbrochen. Die Vorschriften des deutschen TzWrG finden nämlich nach § 8 Nr. 1 TzWrG auch auf ausländischem Recht unterliegende Timesharingverträge sowie damit verbundene Finanzierungsgeschäfte Anwendung, wenn das Wohngebäude im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates der EU oder eines EWR-Staates belegen ist 611 . Gleiches gilt nach § 8 Nr. 2 TzWrG für den Fall, daß der Vertrag aufgrund von Werbemaßnahmen des Veräußerers in einem der genannten Staaten zustande kommt und der Erwerber bei Abgabe seiner Willenserklärung im Gebiet dieser Staaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Den nachfolgenden Ausführungen zu «w BGH NJW 1997, S. 1697, 1698 = IPRax 1998, S. 285, 287; LG Stuttgart IPRspr. 1995 Nr. 30 = RIW 1996, S. 424; Böhmer, IPR des timesharing, S. 156; Mankowski, RIW 1995, S. 364, 367; im Ergebnis auch LG Weiden IPRspr. 1995 Nr. 35 = NJW-RR 1996, S. 438; LG Darmstadt RIW 1996, S. 412,413. 605 Vgl. OGH ZfRV 33 (1992), S. 131. 606 Anders insoweit bei den oben behandelten Ferienhausvermittlungsverträgen. Hier werden die Organisationsleistungen am inländischen Sitz des Veranstalters erbracht. 607 BGH NJW 1997, S. 1697,1698 = IPRax 1998, S. 285, 287. 608 So im Ergebnis auch LG Düsseldorf IPRspr. 1994 Nr. 33 = RIW 1995, S. 415; Böhmer, IPR des timesharing, S. 156; Roth, IPRax 1994, S. 165, 170; Martinek, NJW 1997, S. 1393, 1398; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 169. 609 BGHZ 123, 380, 387; Giuliano /hagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 55; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 719. 610 Ausführlich hierzu Wegner, § 8 TzWrG, S. 183 ff.; Jayme, IPRax 1997, S. 233-236; Martinek, NJW 1997, S. 1393-1399; MünchKomm IMartiny, Art. 28 EGBGB, Rdnr 125125e. 611 Kritisch insoweit G. Fischer, Fschr. Großfeld, S. 277,291. 18«

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3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

Art. 28 V EGBGB kommt daher vor allem dort Bedeutung zu, wo der sachliche, persönliche612 oder zeitliche Anwendungsbereich des TzWrG nicht eröffnet ist. 2. Eingreifen

der Ausweichklausel

Hinsichtlich der Anforderungen an ein Eingreifen der Ausweichklausel gilt das oben zum Grundstückskauf und zur Grundstücksmiete Gesagte entsprechend. Beim dinglich ausgestalteten Timesharing dürfte daher eine Durchbrechung der Regelanknüpfung voraussetzen, daß Anbieter und Erwerber ein gemeinsames Heimat- und Aufenthaltsrecht besitzen613. Aber selbst dann bleibt für eine Anwendung der lex rei sitae Raum, wenn die notarielle Beurkundung im Belegenheitsstaat erfolgt ist 614 . Dagegen ist bei schuldvertraglicher Ausgestaltung ein Abweichen von der durch Art. 28 ΠΙ EGBGB angeordneten Verweisung etwas eher möglich615. Auch hier dürfte aber i.d.R. zu fordern sein, daß das gemeinsame Aufenthaltsrecht der Parteien auf eine andere Rechtsordnung hindeutet. Werden die Timesharinganteile also im Ausland von einer dort ansässigen Gesellschaft erworben, dann sollte es bei der Regelanknüpfung verbleiben.

§ 1 8 Art. 2 8 I V , V EGBGB I· Regelanknüpfung Nach Art. 28 IV 1 EGBGB kommt auf Güterbeförderungsverträge grds. das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort oder der Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders befindet. Schon die Regelanknüpfung erfordert somit eine Kombination bzw. Kumulation verschiedener Anknüpfungsmomente 616. Dies führt dazu, daß die Rechtsprechung das von Art. 28 IV EGBGB berufene Recht in aller Regel ohne weiteres als das Recht der engsten Verbindung ansieht617. Auch in der Literatur wird ein Eingreifen der Ausweichklausel bei Art. 28 IV EGBGB nur in seltenen Ausnahmesi612 Insoweit ist zu beachten, daß nach § 1 I TzWrG die Wieder- und Weiterveräußerung von Timesharinganteilen unter Privatpersonen nicht erfaßt wird. 613 OLG Frankfurt IPRspr. 1994 Nr. 67 = RIW 1995, S. 1033; Mankowski, RIW 1995, S. 1034, 1036. 614 Vgl. OLG Frankfurt IPRspr. 1992 Nr. 40 = NJW-RR 1993, S. 182.

615 Vgl. oben § 17. II 2 b. 616 BGH RIW 1995, S. 410, 411; Giuliano/ Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 54; Palandt /Heldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 6. 617 OLG Braunschweig IPRspr. 1995 Nr. 48 = TranspR 1996, S. 385, 387; OLG Hamburg IPRspr. 1989 Nr. 62 = TranspR 1989, S. 321, 322; LG München I RIW 1991, S. 150, 151; LG Bonn IPRspr. 1990 Nr. 54 = TranspR 1991, S. 25; vgl. auch OLG Koblenz IPRspr. 1989 Nr. 64 = TranspR 1991, S. 93,94.

§ 1 Art. 28 I , V EGBGB

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tuationen für möglich gehalten618. Schwierigkeiten bereitet die Feststellung des Vertragsstatuts deshalb bei Güterbeförderungsverträgen vor allem dann, wenn die besonderen Voraussetzungen des Art. 28 IV EGBGB nicht vorliegen. In diesen Fällen muß das anwendbare Recht mittels einer Gesamtabwägung nach Art. 28 I EGBGB bestimmt werden 619. Trotzdem ist aber auch im Rahmen des Art. 28 IV EGBGB ein Abweichen von der Regelanknüpfung nicht von vornherein ausgeschlossen. II. Eingreifen der Ausweichklausel 7. Entladeort als zusätzliches Anknüpfungsmoment Besonderes Gewicht kommt der Regelanknüpfung allerdings zu, wenn sich im Niederlassungsstaat des Beförderers auch der Entladeort befindet 620. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil dem Bestimmungsort bei Güterbeförderungsverträgen auch nach der IPR-Reform 621 Bedeutung für die Anknüpfung beigemessen wird 622 . Daher hat die Rechtsprechung ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB selbst dann nicht erwogen, wenn die beiden anderen in Art. 28 IV EGBGB genannten Anknüpfungspunkte, nämlich der Verladeort und die Hauptniederlassung des Absenders, übereinstimmend auf eine andere Rechtsordnung wiesen623. Auch im Rahmen des Art. 281 EGBGB führt allein die Tatsache, daß Verladeort und Hauptniederlassung des Absenders im selben Staat liegen, noch nicht zur Anwendung des dort geltenden Rechts624. Aus den genannten Gründen dürfte die Kombination von Entladeort und Hauptniederlassung des Beförderers in aller Regel den Ausschlag für die Ermittlung des Vertragsstatuts geben. 2. Verladeort

als zusätzliches Anknüpfungsmoment

Nicht ganz so eindeutig stellt sich die Situation dar, wenn sich die Regelanknüpfung auf den Verladeort als zusätzliches Anknüpfungsmoment stützt. Hier könnte 618 Mankowski, TranspR 1993, S. 213, 224; ders., Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 66; Reithmann/van Dieken, Int. VertragsR, Rdnr 1203. 619

Zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten s.o. § 15. III. 620 Vgl. schon BGH IPRspr. 1976 Nr. 2 = NJW 1976, S. 1581,1582. 621 Nach altem Recht wurde häufig an das Recht des Bestimmungsortes angeknüpft, BGHZ 6, 127, 134; 25, 250, 254; BGH NJW 1983, S. 2772, 2773; OLG Frankfurt IPRspr. 1983 Nr. 40 = MDR 1984, S. 318; Soergel/Kegel n, vor Art. 7 EGBGB, Rdnr 362. 622 Ebenroth/Fischer/Sorek, ZVglRWiss 88 (1989), S. 124, 130; Flessner, Reform des IPR, S. 21; Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr. 407,445. 623 OLG Hamburg IPRspr. 1989 Nr. 62 = TranspR 1989, S. 321, 322; OLG Koblenz IPRspr. 1989 Nr. 64 = TranspR 1991, S. 93, 94; vgl. auch OLG Braunschweig IPRspr. 1995 Nr. 48 = TranspR 1996, S. 385, 387. 624 OLG München IPRspr. 1990 Nr. 51 = TranspR 1991, S. 61, 62; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 83; im Ergebnis auch OLG Frankfurt IPRspr. 1992 Nr. 66 = NJW-RR 1993, S. 809, 810 = TranspR 1993, S. 103,105.

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ertragsstatut

eine Durchbrechung der von Art. 28 IV EGBGB ausgesprochenen Verweisung zu erwägen sein, falls die Hauptniederlassung des Absenders im selben Staat liegen sollte wie der Bestimmungsort. Dieser Kombination der Anknüpfungspunkte kommt im Rahmen des Art. 28 I EGBGB häufig entscheidende Bedeutung zu 6 2 5 . Bei der Anknüpfung nach Art. 28 IV EGBGB erhält das Niederlassungsrecht des Beförderers allerdings durch den Verladeort noch zusätzliches Gewicht. Deshalb hat die Rechtsprechung auch in dieser Fallkonstellation bisher nicht auf Art. 28 V EGBGB zurückgegriffen 626. Dafür spricht zudem die Überlegung, daß kein erheblicher Unterschied zu der zuvor behandelten Fallgruppe besteht. Dies läßt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Beauftragt etwa ein in Österreich ansässiger Spediteur einen deutschen Transportunternehmer mit der Beförderung einer Partie Torten von Österreich in die Bundesrepublik, so unterliegt der Beförderungsvertrag nach Art. 28 IV EGBGB dem deutschen Recht, weil sich in Deutschland neben der Niederlassung des Transporteurs auch der Bestimmungsort befindet 627 . Dann liegt es aber nahe, auch den (Rück-)Transport von Deutschland nach Österreich dem deutschen Recht zu unterstellen.

Mithin sollte es für die Anknüpfung des Güterbeförderungsvertrages letztlich keinen Unterschied machen, ob der Ver- oder der Entladeort als weiteres Anknüpfungsmoment zur Hauptniederlassung des Beförderers hinzutritt. Für eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB bleibt somit allenfalls dann Raum, wenn der Beförderer den Transport von einer ausländischen (Zweig-)Niederlassung durchführen läßt und dabei der Bestimmungsort im selben Staat liegt wie die Hauptniederlassung des Absenders628. 3. Hauptniederlassung

des Absenders als zusätzliches Anknüpfungsmoment

Anders verhält es sich demgegenüber, falls sich im Niederlassungsstaat des Transporteurs weder der Ver- noch der Entladeort, wohl aber die Hauptniederlassung des Absenders befindet. Insoweit kann es nämlich dazu kommen, daß der Transport faktisch nur im Ausland stattfindet. Liegen dabei Ausgangs- und Bestimmungsort in ein und demselben Staat (Kabotage), dann spricht vieles dafür, über Art. 28 V EGBGB das Recht dieses Staates zu berufen 629. Obwohl Art. 28 IV EGBGB auch dem Aufenthaltsrecht der Parteien erhebliche Bedeutung zuerkennt 630 , darf doch nicht übersehen werden, daß in den Kabotage-Fällen die ge625 Siehe oben § 15. ΠΙ2. 626 LG Bonn IPRspr. 1990 Nr. 54 = TranspR 1991, S. 25; vgl. auch BGH NJW 1981, S. 1905. 627 OLG Hamburg IPRspr. 1989 Nr. 62 = TranspR 1989, S. 321, 322. 628 Vgl. OLG Düsseldorf IPRspr. 1988 Nr. 46 = TranspR 1989, S. 10,11. 629 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 82; ders., TranspR 1993, S. 213, 224; Basedow, ZHR 156 (1992), S. 413,434. 630 Vgl. Reithmann/van Dieken, Int. VertragsR, Rdnr 1219.

§

Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel

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samte Vertragsabwicklung auf ein Land beschränkt ist. Mithin sollte das dort geltende Recht auf den Transportvertrag zur Anwendung kommen. Dagegen besteht keine Notwendigkeit für ein Abweichen von der Regelanknüpfung des Art. 28 IV EGBGB, sofern Ausgangs- und Bestimmungsort in verschiedenen ausländischen Staaten liegen.

§ 19 Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel Im folgenden soll nun noch einmal kurz zusammengefaßt werden, welche Konsequenzen sich aus den vorstehenden Ausführungen für die Handhabung des Art. 28 V EGBGB ergeben. Dabei gilt es zunächst die Fallkonstellationen herauszuarbeiten, in denen die Praxis bisher ein Abweichen von den Regelanknüpfungen des Art. 28 EGBGB für möglich gehalten hat. Die insoweit gewonnenen Ergebnisse lassen dann auch Rückschlüsse auf die Bedeutung einzelner Anknüpfungsmomente für die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB zu.

I. Anwendungsfälle des A r t 28 V EGBGB Aufgrund der Verschiedenheit der einzelnen Vertragstypen ist es nicht einfach, einheitliche Grundsätze für die Handhabung des Art. 28 V EGBGB aufzustellen. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil die Ausweichklausel ja gerade auf die Korrektur des atypisch gelagerten Einzelfalls abzielt. Trotzdem finden sich aber im internationalen Schuldvertragsrecht drei Anwendungsfälle, bei denen vor allem eine Durchbrechung des ordentlichen Verweisungsbefehls in Betracht kommt. 1. Isoliertheit

der Regelanknüpfung

Weitgehend unproblematisch ist das Eingreifen der Ausweichklausel dann, wenn die Regelanknüpfung als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint. So etwa für den Fall, daß mit Ausnahme des Sitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts des Verkäufers sämtliche Umstände auf das Käuferrecht hindeuten631. Entsprechende Konstellationen sind bei allen Vertragsarten denkbar und haben die Praxis beispielsweise noch bei der Bestimmung des Bürgschaftsstatuts beschäftigt 632. Besondere Bedeutung kommt diesem Anwendungsfall des Art. 28 V EGBGB bei den Grundstückskaufverträgen zu. Hier genügt nämlich selbst ein Zusammen631 Als Beispiel läßt sich insoweit etwa OLG Celle IPRspr. 1991 Nr. 27 = NJW-RR 1992, S. 1126 nennen; siehe dazu oben § 16.12 d. 632 Siehe oben § 16. IV 2 a.

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ertragsstatut

fallen von Heimat- und Aufenthaltsrecht der Parteien nicht für eine Durchbrechung der Regelanknüpfung, sofern der Erwerbsvertrag von einem im Belegenheitsstaat ansässigen Notar beurkundet wurde 633 . Dagegen kann es im Rahmen des Art. 28 IV EGBGB nicht zu einer Isoliertheit der Regelanknüpfung kommen, weil deren Eingreifen gerade eine Kumulation verschiedener Anknüpfungsmomente voraussetzt634. 2. Vertragsabwicklung

erfolgt ganz überwiegend in einem anderen Staat

Den Hauptanwendungsfall der Ausweichklausel haben bisher solche Fallgestaltungen gebildet, in denen die Vertragsabwicklung ganz überwiegend in einem anderen Staat als dem erfolgt ist, dessen Recht nach der Regelanknüpfung anzuwenden gewesen wäre 635 . So unterliegen etwa Warenkäufe, die von deutschen Touristen bei Verkaufsveranstaltungen am ausländischen Urlaubsort getätigt werden, nur dann über Art. 28 V EGBGB dem deutschen Recht, wenn nur formal eine ausländische Vertriebsfirma eingeschaltet wird und die gesamte Vertragsabwicklung damit im Inland erfolgt 636. Auch bei den Börsengeschäften, den Bar- oder Handkäufen sowie den Käufen auf Messen, Märkten und öffentlichen Versteigerungen kommt eine Durchbrechung der Regelanknüpfung nur unter der Voraussetzung in Betracht, daß die Verträge noch am Abschlußort sofort erfüllt werden 637. Allein das Auftreten des Verkäufers im Käuferstaat genügt hingegen nicht für ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB 638 . Ebenso kommt es bei Dienstverträgen, wie etwa dem Arztvertrag oder den Management» und Consultingverträgen, entscheidend darauf an, ob der Dienstverpflichtete seine vertraglich geschuldete Leistung ausschließlich oder ganz überwiegend im Ausland erbringt 639. Erfolgt die Leistungserbringung nämlich in nicht unerheblichem Maße auch vom Niederlassungs- bzw. Aufenthaltsstaat aus, so muß es bei der Regelanknüpfung verbleiben. Entsprechendes gilt auch für die Anknüpfung der Bau-, Architekten- und Industrieanlagenverträge 640. Weiterhin kann ein Darlehensvertrag über Art. 28 V EGBGB dem Recht des Staates unterliegen, in dem das Darlehen genutzt und zurückgezahlt werden soll 641 . Aus ähnlichen Erwägungen heraus kommt bei Realkrediten eine Anknüp633 634 635 636 637 638 639 640

Siehe oben § 17.12 b. Siehe oben § 18.1. Vgl. dazu auch Martiny, Fschr. Drobnig, S. 389,403. Siehe oben § 16.12 a. Siehe oben § 16.12 b. Siehe oben § 16.12 c. Siehe oben § 16. II 2. Siehe oben § 16. III 2 a-c.

641 Siehe oben § 16. IV 2 b.

§

Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel

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fung an den Belegenheitsort des sichernden Grundstücks in Betracht 642. Den genannten Umständen kann allerdingsrichtigerweise nur dann ausschlaggebende Bedeutung für die Ermittlung des Darlehensstatuts zukommen, wenn sie durch weitere Anknüpfungsmomente verstärkt werden 643. Schließlich ist bei der Anknüpfung der (einfachen) Lizenz- und Urheberrechtsverträge auch der Ort der Rechtsausübung zu beachten. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung an das Recht des Lizenzgebers kommt aberrichtigerweise nur in Betracht, sofern das Nutzungsrecht ausschließlich für den Niederlassungsstaat des Lizenznehmers erteilt wurde 644 . Ein genereller Vorrang des Schutzlandrechts ist mithin zu verneinen. Schon die letzten Ausführungen haben gezeigt, daß allein die Vertragsabwicklung in einem anderen Staat nicht immer für ein Eingreifen der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB genügt. Insbesondere kommt es häufig dann nicht zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung, wenn beide Vertragsparteien im selben Staat ansässig sind und die Erfüllung des Vertrages somit in einem Drittstaat erfolgt. So sollten etwa Barkäufe 645 und Feriendarlehen 646 unter deutschen Touristen selbst für den Fall dem deutschen Recht unterliegen, daß die entsprechenden Geschäfte vollständig im Ausland abgewickelt werden. Auch eine Grundschuldbestellung im Ausland wurde zu Recht als unerheblich für die Bestimmung des Darlehensstatuts angesehen, falls Darlehensnehmer und -geber im Inland leben647. Ebenso bleibt es bei der Regelanknüpfung des Art. 28 Π EGBGB, wenn ein inländischer Besteller einen inländischen Bauunternehmer mit der Errichtung eines Bauwerks im Ausland beauftragt 648. Das Zusammenfallen des Sitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien steht also bei Art. 28 I I EGBGB in aller Regel dem Eingreifen des Art. 28 V EGBGB entgegen. Umgekehrt kann dieser Umstand vor allem bei kurzfristigen Mietverträgen zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung des Art. 28 III EGBGB führen. Dies gilt jedenfalls für den Fall, daß weder Mieter noch Vermieter dem Belegenheitsstaat angehören649. Dagegen bleibt bei Art. 28 IV EGBGB für die Ausweichklausel gerade dann Raum, wenn sich im Niederlassungsstaat des Transporteurs auch die Hauptniederlassung des Absenders befindet, Art. 28 IV 1 Alt. 3 EGBGB. Liegen bei einem Transportvertrag nämlich Ausgangs- und Be-

642 siehe oben § 16. IV 2 d. 643 Inosweit ist vor allem an den Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Darlehensnehmers sowie eine gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien zu denken. 644 Siehe oben § 16. VII 2 a. 645 Siehe oben § 16.12 b cc. 646 Siehe oben § 16. IV 2 c. 647 Siehe oben § 16. IV 2 d. 648 Siehe oben § 16. III 2 a. 649 Siehe oben § 17. II 2 b.

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3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

stimmungsort in ein und demselben Staat (Kabotage), so sollte das dort geltende Recht über Art. 28 V EGBGB zur Anwendung gelangen650. 3. Schützenswertes Interesse einer Partei an einem bestimmten Statut Schließlich ermöglicht Art. 28 V EGBGB auch eine Berücksichtigung des besonderen Interesses einer Partei an einem bestimmten Statut. So kann es dem Begünstigten einer Bürgschaft oder Garantie erkennbar entscheidend darauf ankommen, daß diese zusätzliche Absicherung einem anderen Recht unterliegt als der Hauptvertrag 651. Ansonsten könnte nämlich der Vertragszweck u.U. nicht sinnvoll erfüllt werden 652. Aus ähnlichen Erwägungen heraus werden die bei der Erstellung eines literarischen Sammelwerkes mit den verschiedenen Autoren geschlossenen Verträge mittels der Ausweichklausel dem Recht des Herausgebers unterstellt653. Dieser hat nämlich einerseits ein schützenswertes Interesse an der einheitlichen Behandlung aller Einzelverträge, während der jeweilige Autor andererseits weiß, daß seine Leistung nur unselbständiger Teil eines Gesamtwerkes sein soll. Anders stellt sich die Situation dagegen bei den Vertragshändlerverträgen dar. Hier führt allein die Tatsache, daß der Hersteller ein enggeknüpftes Netz von Vertragshändlern in verschiedenen Staaten unterhält, dessen organisatorisches Zentrum sich am Sitz des Herstellers befindet, noch nicht zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung 654. Hier stehen die Verträge mit den einzelnen Vertragshändlern selbständig nebeneinander und können deshalb auch inhaltlich unterschiedlich ausgestaltet sein. Eine Anwendung der Ausweichklausel würde mithin zu einseitig auf die Interessen des Herstellers abstellen. Gleiches gilt für den Subunternehmervertrag, derrichtigerweise nicht zwangsläufig dem Statut des Hauptvertrages folgt 655 . Der Zusammenhang mit dem Gesamtprojekt ist für den Subunternehmer nämlich oftmals nicht zu überschauen. In den zuletzt genannten Fällen setzt daher ein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB jedenfalls voraus, daß der Erbringer der charakteristischen Leistung ganz überwiegend außerhalb seines Niederlassungsstaates tätig wird. Die soeben gemachten Ausführungen haben verdeutlicht, daß ein die Durchbrechung der Regelanknüpfung rechtfertigendes besonderes Interesse einer Partei an einem bestimmten Statut nicht vorschnell bejaht werden sollte. Insbesondere muß das entsprechende Vertrauen aus der jeweiligen Vertragsbeziehung selbst resultie650 siehe oben § 18. II 3. 651 Siehe oben § 16. V 2 c. 652 So mit Recht BGH NJW 1996, S. 2569, 2570 = L M Art. 28 EGBGB Nr. 3. 653 Siehe oben § 16. VIII2. 654 Siehe oben § 16. V I 2 c. 655 Siehe oben § 16. III 2d.

§

Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel

283

ren und darf nicht erst durch weitere (einseitige) Handlungen eines Vertragspartners hervorgerufen worden sein.

II· Bedeutung einzelner Anknüpfungsmomente 7. Niederlassung bzw. gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien Dieses Anknüpfungsmoment ist im Rahmen des Art. 28 EGBGB schon deshalb von erheblicher Bedeutung, weil in Abs. 2 der Vorschrift entscheidend darauf abgestellt wird, in welchem Staat der Erbringer der charakteristischen Leistung seinen Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies erklärt auch, warum ein Eingreifen der Ausweichklausel bei Art. 28 Π EGBGB in aller Regel ausgeschlossen ist, wenn beide Parteien im selben Staat ansässig sind. Andererseits rechtfertigt allein der ausländische Aufenthalt der Partei, welche die Gegenleistung für die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat, noch keine Durchbrechung der Ausweichklausel. Raum bleibt für Art. 28 V EGBGB aber insbesondere dann, wenn auch die Vertragsabwicklung ganz überwiegend in diesem Staat erfolgt. Geringere Bedeutung kommt einem gemeinsamen Aufenthaltsstaat der Parteien im Anwendungsbereich des Art. 28 ΠΙ EGBGB zu. Vor allem bei Grundstückskaufverträgen führt dieser Umstand noch nicht zu einem Abweichen vom ordentlichen Verweisungsbefehl. Aber selbst bei kurzfristigen Mietverträgen ist eine Anwendung des Art. 28 V EGBGB ausgeschlossen, sofern sowohl Mieter als auch Vermieter dem Belegenheitsstaat angehören. Auch bei den Güterbeförderungsverträgen bleibt eine Durchbrechung der Regelanknüpfung möglich, wenn sich die Hauptniederlassung von Beförderer und Absender im selben Staat befindet, Art. 28 IV 1 Alt. 3 EGBGB. In den Kabotage-Fällen kommt nämlich über Art. 28 V EGBGB das Recht des Staates zur Anwendung, in dem sowohl Ausgangs- als auch Bestimmungsort des Transports liegen.

2. Staatsangehörigkeit

der Parteien

Allein die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien führt in keinem der behandelten Fälle zu einem Eingreifen der Ausweichklausel. Trotzdem kommt diesem Umstand aber nicht selten zumindest ergänzende Bedeutung zu. Bereits genannt wurde der Fall eines kurzfristigen Mietvertrages über eine im Ausland belegene Ferienwohnung. Ein weiteres Beispiel bildet der im Ausland niedergelassene Arzt, der gezielt mit im Heimatland erworbenen Qualifikationen wirbt, um so ebenfalls im Ausland befindliche Landsleute anzusprechen656. Auch bei den Darlehensverträgen kann ein gemeinsames Personalstatut im Rahmen des Art. 28 V 656 Deutsch, Fschr. Ferid (1978), S. 117, 131.

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3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

EGBGB zu berücksichtigen sein, sofern die Rückabwicklung im Heimatland erfolgen soll oder ein enger Bezug zu einem höchstpersönlichen Rechtsgeschäft besteht657. Mithin kann die gemeinsame Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Staat im Einzelfall dazu beitragen, daß es bei der Regelanknüpfung bleibt bzw. umgekehrt zu einer Durchbrechung derselben kommt. Bei stärker wirtschaftlich geprägten Verträgen, wie etwa den Handelsvertreter- oder Vertragshändlerverträgen, ist die Bedeutung der gemeinsamen Staatsangehörigkeit allerdings noch weiter abgeschwächt658.

3. Abschlußort des Vertrages Dem Abschlußort des Vertrages kommt im Rahmen des Art. 28 V EGBGB häufig nur geringe Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für den Distanzkauf, weil eine entsprechende Anknüpfung hier mit erheblichen Zufälligkeiten behaftet wäre 659 . In manchen Fällen bildet der Ort des Vertragsschlusses aber auch den einzig vorhersehbaren Anknüpfungspunkt. So etwa bei den Börsengeschäften oder den Käufen auf öffentlichen Versteigerungen. Auch bei den Vertragsschlüssen auf Messen und Märkten kommt eine Durchbrechung der Regelanknüpfung in Betracht. Dies indes richtigerweise nur dann, wenn am Abschlußort auch die Abwicklung des Vertrages erfolgt 660. Unter dieser Voraussetzung kann der Ort des Vertragsschlusses also über die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB Berücksichtigung finden.

4. Vertragssprache

und -Währung

Demgegenüber stellen die Vertragssprache und -Währung stets nur ergänzende Faktoren bei der Bestimmung des Schuldvertragsstatuts dar. Diese Umstände lassen nämlich vor allem im wirtschaftlichen Verkehr keinen Rückschluß auf das objektive Vertragsstatut zu, weil sie häufig sogar auf das Recht eines Drittstaates weisen werden. So bedienen sich die Parteien im internationalen Handel nicht selten englischsprachiger Standardformulare und vereinbaren eine Vergütung in US-Dollar. Zudem können Praktikabilitätserwägungen hinsichtlich der Vertragsabwicklung im Vordergrund stehen. Aber auch unter Privatleuten ist die Wahl der Vertragssprache und -Währung zumeist von äußeren Gegebenheiten abhängig und kann somit im Rahmen des Art. 28 V EGBGB nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein. «ν 658 659 660

Siehe oben § 16. IV 2 a. siehe oben § 16. V I 2 c. Siehe oben § 16.12 c. Siehe oben § 16.12 b.

§

Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der A u s w e i c h k l a u s e l 2 8 5

5. Mitwirkung

staatlicher Stellen

Vor allem bei den Grundstückskaufverträgen kann ein Eingreifen der Ausweichklausel entscheidend davon abhängen, in welchem Staat die notarielle Beurkundung des Vertrages erfolgt ist 6 6 1 . Insoweit ist also auch die Mitwirkung staatlicher Stellen zu berücksichtigen. Gleiches mag für Genehmigungen nach dem Außenwirtschafts- bzw. dem Kriegswaffenkontrollgesetz zu gelten haben662. Dagegen besteht jedenfalls nach neuem Recht keine Veranlassung dafür, im Zweifel von einer engsten Verbindung des Vertrages zum Recht des staatlichen Partners auszugehen 663 . Vielmehr sollten staatliches und privates Auftreten im Wirtschaftsverkehr grds. gleich behandelt werden.

6. Zusammenhang mit einem anderen Vertrag Schon an anderer Stelle wurde ausführlich dargestellt, daß über Art. 28 V EGBGB nur selten eine akzessorische Anknüpfung in Betracht kommt 664 . Als Beispiel läßt sich aber etwa der Schiedsrichtervertrag nennen, der dem Recht des Schieds verfahrenS^untersteht 665. Dagegen folgen etwa Bürgschafts- und Garantieverträge grds. ebenso ihrem eigenen Statut wie Subunternehmerverträge. Auch die der Ausfüllung eines zuvor geschlossenen Rahmenvertrages dienenden Einzelverträge sind im Grundsatz selbständig anzuknüpfen. Unter Berücksichtigung des Inhalts der Verträge sowie der Interessenlage der Parteien muß dann im Einzelfall ermittelt werden, ob die - in unterschiedlichem Maße - aufeinander bezogenen Vereinbarungen einem einheitlichen Statut unterliegen, oder ob nicht sogar im Gegenteil mittels der Ausweichklausel die kollisionsrechtliche Selbständigkeit der Verträge sicherzustellen ist. Insoweit verbieten sich indesrichtigerweise schematische Lösungen. Allein der Zusammenhang mit einem anderen Vertrag rechtfertigt also in der Mehrzahl der Fälle noch kein Eingreifen des Art. 28 V EGBGB.

7. Nach Vertragsschluß

eintretende

Umstände

Die Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB ermöglicht schließlich in gewissem Umfang auch noch die Berücksichtigung solcher Umstände, die erst nach Vertrags661 Siehe oben § 17.12 b. 662 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 107. 663 A.A. aber Palandt IHeldrich, Art. 28 EGBGB, Rdnr 2; Kegel/Schurig, IPR, § 18 11 d, S. 577; vgl. auch OLG Hamburg WM 1969, S. 709, 711; OLG Frankfurt IPRspr. 1979 Nr. 10b. 664 Siehe oben § 16. IX 2. 665 Siehe oben § 16. VIII2.

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3. Teil, . Kap.:

ertragsstatut

schluß eingetreten sind. In diesem Zusammenhang kann insbesondere die Verlegung der Niederlassung bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts einer Vertragspartei zu beachten sein. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, daß die Verlegung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret beabsichtigt und dem Vertragspartner bekannt war 666 . Weiterhin muß die Vertragsabwicklung ganz überwiegend im neuen Niederlassungs- bzw. Aufenthaltsstaat erfolgen. Allein die zu irgendeinem späteren Zeitpunkt (einvernehmlich) stattfindende Sitzverlegung rechtfertigt mithin noch kein Eingreifen der Ausweichklausel.

I I I . Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich damit festhalten, daß Art. 28 V EGBGB von der Praxis insgesamt zurückhaltend gehandhabt wird. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfungen des Art. 28 EGBGB wurde nämlich vor allem dann bejaht, wenn (1) die Regelanknüpfung als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint oder (2) die Vertragsabwicklung ganz überwiegend in einem anderen Staat erfolgt oder (3) erkennbar ein schützenswertes Interesse einer Partei an einem bestimmten Statut besteht. Zur Konkretisierung des Art. 28 V EGBGB werden dabei im wesentlichen dieselben Kriterien herangezogen wie zur Bestimmung der engsten Verbindung nach Art. 28 I EGBGB 667 . Freilich können sich Unterschiede in der Gewichtung ergeben, weil manche dieser Umstände ja bereits die Regelanknüpfung bezeichnen. So kann etwa dem Abschlußort des Vertrages bei Art. 281 EGBGB etwas größere Bedeutung zukommen, da hier anders als im Anwendungsbereich des Art. 28 Π EGBGB kein abstrakter Vorrang des Aufenthaltsrechts einer Partei besteht. Trotzdem überzeugt es aber nicht, im Rahmen des Art. 28 V EGBGB nur „auf den objektiven Leistungsaustausch bezogene Elemente" berücksichtigen zu wollen und damit etwa die Staatsangehörigkeit der Parteien von vornherein außer Betracht zu lassen668. Die vorstehenden Ausführungen haben nämlich gerade gezeigt, daß es im Rahmen der Ausweichklausel zumindest ergänzend auch auf die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien ankommen kann. Gleiches gilt im Anwendungsbereich des Art. 28 I EGBGB. Zudem hat die Rechtsprechung in einigen Fällen maßgeblich auf die subjektiven Parteierwartungen abgestellt, um eine Durchbrechung der Regelanknüpfung zu rechtfertigen. Darüber hinaus würde es zu Wertungswidersprüchen führen, wenn man die „engste Verbindung" in Art. 28 I EGBGB anders bestimmt als die „engere Verbin666

Siehe oben § 16. V I 2 b. Die dort zum Handelsvertretervertrag gemachten Ausführungen gelten entsprechend auch für andere Vertragstypen, vgl. BGH IPRspr. 1986 Nr. 118 = W M 1986, S. 600,601 (Darlehen); OLG Celle RIW 1990, S. 320, 322 (Grundstückskauf). 667 Vgl. dazu oben § 15. IV. 668 Dafür aber Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 98.

§

Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel

287

dung" in Art. 28 V EGBGB 669 . Dies gilt insbesondere dann, wenn umstritten ist, ob ein bestimmter Vertrag unter eine der Regelanknüpfungen des Art. 28 EGBGB subsumiert werden kann. Als Beispiel lassen sich insoweit etwa die Kompensationsgeschäfte nennen, bei denen es von der Ausgestaltung im Einzelfall abhängt, ob sich eine charakteristische Leistung bestimmen läßt oder nicht 670 . Ganz entscheidend gegen eine unterschiedliche Interpretation von Art. 28 I und V EGBGB spricht aber vor allem die methodologische Einordnung der gesetzlichen Ausweichklausel. Da die gesetzlichen Konkretisierungen der engsten Verbindung bei Vorhandensein einer Ausweichklausel als bloße Regelbeispiele anzusehen sind, müssen sie sich zusätzlich noch an der (Anknüpfungs-)Generalklausel selbst messen lassen671. Daraus folgt nun aber zwingend, daß sich die unmittelbare Konkretisierung der Generalklausel der engsten Verbindung durch den Rechtsanwender nach denselben Grundsätzen vollziehen muß wie die Korrektur der gesetzlichen Konkretisierungen. Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung kann nämlich nur unter Hinweis auf die Generalklausel erfolgen, der die gesetzliche Konkretisierung im Einzelfall nicht genügt. Aus der methodologischen Einordnung folgt schließlich auch, daß ein Eingreifen bzw. Nichteingreifen der Ausweichklausel zumindest gedanklich immer geprüft werden muß. Diese Prüfung kann in eindeutigen Fällen sehr kurz ausfallen und sich auf einen klarstellenden Satz in den Entscheidungsgründen beschränken. Trotzdem steht aber jede Anwendung einer der Regelanknüpfungen des Art. 28 EGBGB unter dem Vorbehalt des Art. 28 V EGBGB, weil die engste Verbindung nicht nur abstrakt, sondern auch im konkreten Einzelfall zu dem von der Regelanknüpfung berufenen Recht bestehen muß. Das nicht selten behauptete Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Art. 28 II-IV EGBGB und der Ausweichklausel672 kann sich daherrichtigerweise nur auf die zahlenmäßige Häufigkeit der Abweichung vom ordentlichen Verweisungsbefehl beziehen. Insoweit stellt das Eingreifen der Ausweichklausel nun aber in der Tat den Ausnahmefall dar und führt mithin erfreulicherweise nicht zu einem übermäßigen Aufweichen der Kollisionsnorm. Vielmehr schafft Art. 28 V EGBGB die notwendige Flexibilität, um den im internationalen Schuldvertragsrecht nicht selten auftretenden Besonderheiten schon bei der Anknüpfung Rechnung tragen zu können.

«9 Reithmann/Martiny, 670 Siehe oben § 15.12.

Int. VertragsR, Rdnr 132; vgl. auch v. Bar, IPR II, Rdnr 512.

671 Siehe oben § 7. III 3. 672 Soergel / von Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rdnr 18; Erman /Hohloch, Art. 28 EGBGB, Rdnr 17; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), S. 300, 319.

288

3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsvertragsstatut

Fünftes Kapitel

Arbeitsvertragsstatut § 2 0 Art. 30 E G B G B Art. 30 EGBGB enthält eine Sonderanknüpfung für Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen. Unter Arbeitsverträgen sind dabei Dienstverträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen, die eine abhängige und weisungsgebundene Tätigkeit zum Gegenstand haben1. Durch die zusätzliche Erwähnung der Arbeitsverhältnisse sollte klargestellt werden, daß Art. 30 EGBGB auch für nichtige Arbeitsverträge 2 und faktische Arbeitsverhältnisse gilt3. I. Regelanknüpfungen des A r t 30 Π EGBGB Art. 30 Π EGBGB enthält zwei Regelanknüpfungen, die jeweils unter dem Vorbehalt der Ausweichklausel stehen (Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB)4. Uneinigkeit besteht allerdings über das Rangverhältnis von Regelanknüpfungen und Ausweichklausel. Die wohl überwiegende Ansicht geht davon aus, daß Art. 30 I I Nr. 1 und 2 EGBGB ein geschlossenes Regelungssystem enthalten und deshalb jeden denkbaren Sachverhalt erfassen 5. Folglich müsse immer zuerst die maßgebliche Regelanknüpfung bezeichnet werden. Die Abgrenzung zwischen den beiden Anknüpfungsalternativen des Art. 30 I I EGBGB habe dabei danach zu erfolgen, ob der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in ein und demselben Staat verrichte oder nicht. Im ersten Fall greife Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB ein; ansonsten sei das anwendbare Recht über Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB zu bestimmen. Die Gegenauffassung leugnet indes dieses Verhältnis der strikten Alternativität6. Die Arbeit im extraterritorialen 1 Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 44; Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 35; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1334; v. Bar, IPR II, Rdnr 446; Soergel /von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 6. 2 Insoweit ergibt sich die Maßgeblichkeit des Vertragsstatuts allerdings schon aus Art. 321 Nr. 5 EGBGB. 3 Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 58; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 332; Däubler, RIW 1987, S. 249, 250; Kegel/Schurig, IPR, § 18 11 f. bb, S. 590. 4 Siehe dazu bereits oben § 7. II 2. 5 Mankowski, RabelsZ 53 (1989), S. 487, 491; ders., Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 460; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 186; Eßlinger, Heuervertrag, S. 51; Kühl, TranspR 1989, S. 89, 93; Franzen, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 3, S. 15; Rüthers/Heilmann, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 1, S. 19. 6 Drobnig, BerDGesVR 31 (1990), S. 31, 62; Puttfarken, See-ArbR, S. 11; ders., RIW 1995, S. 617, 624; Lagoni, JZ 1995, S. 499, 502; wohl auch Hauschka/Henssler, NZA 1988, S. 597, 599.

§

Art.

EGBGB

289

Raum lasse sich nämlich unter keine der beiden Regelanknüpfungen des Art. 30 Π EGBGB subsumieren. Von dem Satz »Arbeit in ein und demselben Land" gebe es keinen logischen Weg zu dem Satz „Arbeit nicht in einem Land"7. Folglich musse Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB als eigenständige dritte Anknüpfungsalternative verstanden werden. Auch die Rechtsprechung hat in einigen Entscheidungen das Arbeitsvertragsstatut bestimmt, ohne zuvor die einschlägige Regelanknüpfung zu ermitteln8. Ein solches Vorgehen begegnet indes durchgreifenden Bedenken. Schon der Wortlaut spricht gegen eine Interpretation des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB als dritte Regelanknüpfung. Seine Anwendung setzt nämlich voraus, daß sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. Mithin hat ein Vergleich mit der Regelanknüpfung zu erfolgen. Anders hingegen Art. 28 I 1 EGBGB, der das Recht der engsten Verbindung als Vertragsstatut beruft. Außerdem soll Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf die Arbeit im staatsfreien Gebiet zur Anwendung kommen9. Ebenso müßte der eher theoretische Fall behandelt werden, daß der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an einem Ort verrichtet, der von mehreren Staaten gleichzeitig beansprucht wird 10 . Damit bleiben nun aber keine Sachverhaltskonstellationen übrig, die nicht einer der Regelanknüpfungen des Art. 30 Π EGBGB unterliegen. Eine unmittelbare Bestimmung des anwendbaren Rechts über Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB ist folglich nicht möglich. Trotzdem hat das Gericht aber auch im Rahmen des Art. 30 Π EGBGB immer zu prüfen, ob nicht im Einzelfall eine Durchbrechung der Regelanknüpfung in Betracht kommt. Dabei ist allerdings keine „Gesamtabwägung im freien Raum" vorzunehmen. Sind nämlich die auf die beteiligten Rechtsordnungen weisenden Umstände im wesentlichen gleichgewichtig, so bleibt es bei der Regelanknüpfung. Mithin kann der direkte Zugriff auf die Ausweichklausel zwar durchaus zu richtigen Ergebnissen führen, sofern die Verbindungen zu einer Rechtsordnung deutlich überwiegen. Insoweit wäre dann lediglich die Methodik der Rechtsfindung zu bemängeln. Im Falle einer kollisionsrechtlichen Pattsituation besteht indes darüber hinaus die Gefahr, daß die Verkennung der Systematik des Art. 30 Π EGBGB zu einem falschen Verweisungsbefehl führt. Deshalb sollte sich die Rechtsprechung auch stets zuerst darum bemühen, die maßgebliche Regelanknüpfung zu bestimmen11.

7 Puttfarken,

RIW 1995, S. 617,623.

8 BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407, 409; BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418. 9 Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 58 nennen als Beispiel die Arbeiten auf einer Hochseebohrinsel. 10 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 462. η Vorbildlich insoweit BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127. 19 Geisler

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

1. Gewöhnlicher Arbeitsort (Art. 3011 Nr. 1 EGBGB) Art. 30 II Nr. 1 EGBGB unterstellt Individualarbeitsverträge dem Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes, selbst wenn der Arbeitnehmer vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Auch vor der IPR-Reform wurde von der deutschen Rechtsprechung grds. an den Arbeitsort angeknüpft 12. Dessen Ermittlung bereitet wenig Probleme, wenn der Arbeitnehmer fest in einen Betrieb eingegliedert ist und dort auch seine Arbeitsleistung erbringt. Hier kommt das Recht des Ortes zur Anwendung, an dem sich der Betrieb befindet 13. Fehlt es an einer solchen organisatorischen Eingliederung, dann ist entscheidend, wo die Arbeitnehmertätigkeit ihr zeitliches und inhaltliches Schwergewicht hat 14 . Der EuGH spricht insoweit von dem Ort, den der Arbeitnehmer zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit gemacht hat 15 . Zur Konkretisierung stellt der EuGH vor allem darauf ab, von welchem Staat aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit für den Arbeitgeber organisiert und wohin er nach jeder im Zusammenhang mit seiner Arbeit stehenden Auslandsreise zurückkehrt 16. Der Vorzug einer Anknüpfung an den Ort der tatsächlichen Arbeitserbringung liegt vor allem darin, daß auf diese Weise die privat-, öffentlich- und kollektivrechtlichen Fragen des Arbeitsverhältnisses nach einem einheitlichen Statut beurteilt werden können17. Auch eine vorübergehende Entsendung das Arbeitnehmers in einen anderen Staat ändert nichts an der grds. Maßgeblichkeit der lex loci laboris18. Allerdings setzt eine „Entsendung" voraus, daß der Beschäftigte zunächst im Inland tätig gewesen ist 19 . Deshalb fehlt es jedenfalls dann an einem inländischen Arbeitsort, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich für die Auslandstätigkeit eingestellt wird 20 . 12 BAG IPRspr. 1958/59 Nr. 51 = AP Nr. 4 zu IPR (ArbR); BAG IPRspr. 1964/65 = AP Nr. 9 zu IPR (ArbR); BAG IPRspr. 1985 Nr. 48 = AP Nr. 23 zu IPR (ArbR) = NJW 1985, S. 2910, 2911; Gamillscheg, Int. ArbR, S. 125, Nr. 105. 13 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 181; Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 85; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1345. 14 BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127; Hohloch, Fschr. Heiermann, S. 143, 150; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 57; Franzen, ARBlattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 75. Nach Ansicht von Mankowski, IPRax 1999, S. 332, 336 ist insoweit erforderlich, daß der Arbeitnehmer mindestens 60% seiner Arbeitszeit an einem bestimmten Ort verbringt. 15 EuGH Petrus Wilhelmus Rutten/ Cross Medical Ltd., IPRax 1999, S. 365, 367. 16 EuGH a. a. Ο. π Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 333; Däubler, RIW 1987, S. 249, 251; Soergel/ von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 36; Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 85. 18 Insoweit kann man in Anlehnung an das Sozialrecht von einer „Ausstrahlung" des deutschen Rechts (vgl. § 4 SGB IV) bzw. umgekehrt von einer „Einstrahlung" des ausländischen Rechts (vgl. § 5 SGB IV) sprechen. 19 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 182; Reithmann /Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1349; Soergel / von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 39. 20 So auch BAG IPRspr. 1980 Nr. 52 = AP Nr. 17 zu IPR (ArbR) = IPRax 1983, S. 232,233.

§20 Art. 30 EGBGB

291

Umgekehrt liegt der Arbeitsort im Inland, falls der Beschäftigte eines ausländischen Unternehmens nur in einem inländischen Betrieb tätig sein soll21. Ein gewöhnlicher Arbeitsort im Inland wird aber nicht etwa schon dadurch begründet, daß hier die Vorbereitung des Arbeitnehmers auf seinen Auslandseinsatz erfolgt (Einarbeitungszeit)22. Findet dagegen eine echte Verlagerung des Tätigkeitsschwerpunktes statt, dann fragt es sich, wann insoweit noch von einer vorübergehenden Entsendung gesprochen werden kann. Unproblematisch ist dies bei der nur wenige Tage dauernden Arbeit eines Monteurs im Ausland. Abgrenzungsschwierigkeiten treten dagegen bei nicht bloß kurzfristiger Auslandstätigkeit auf. Dabei stehen sich im wesentlichen zwei unterschiedliche Auffassungen gegenüber. Die erste Ansicht betont, daß das Gegenteil von vorübergehend nicht „endgültig", sondern vielmehr „länger dauernd" sei23. Folglich müsse eine zeitliche Höchstgrenze für die noch vorübergehende Entsendung bestimmt werden. Die Gegenauffassung lehnt ein solches Vorgehen ab 24 . Auch das BAG hat sich gegen eine feste zeitliche Begrenzung der Entsendung ausgesprochen25. Diese Ansicht sieht daher nur den endgültigen bzw. als endgültig gewollten Wechsel ins Ausland nicht mehr als vorübergehende Entsendung 26 an . Für die zuletzt genannte Auffassung spricht vor allem, daß sich ein für alle Tätigkeiten passender Zeitrahmen nur schwer ermitteln lassen dürfte. Dies gilt besonders für die projekt- oder aufgabenbezogene Entsendung, deren Dauer entscheidend von dem Fortschritt des Projekts abhängt und somit nicht unerheblich variieren kann. Deshalb überrascht es auch nicht, daß sich im Schrifttum unterschiedliche zeitliche Höchstgrenzen für eine vorübergehende Entsendung finden. Neben einer Dreijahresfrist 27 wird auch für eine Zweijahresfrist 28 sowie für eine 21 ArbG Wesel IPRspr. 1995 Nr. 58 = ArbuR 1995, S. 475, 476 = AiB 1996, S. 126, 127 m. zust. Anm. Däubler. 22 Vgl. OGH IPRax 1989, S. 309, 310; Behr, IPRax 1989, S. 319, 322; Frenzen, IPRax 1999, S. 278, 279. 23 Gamillscheg, TIA 14 (1983), S. 307, 333; Franzen, AR-Blattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 76; Sack Fschr. Steindorff, S. 1333, 1340; im Ergebnis auch Soergel /von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 39; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 144; Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S. 60. 24 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1349; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 183; Ganzen, Int. Arbeitsverhältnis, S. 86; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 223; Hönsch, NZA 1988, S. 113, 114; Palandt/Heldrich, Art. 30 EGBGB, Rdnr 7; wohl auch Schmidt-Hermesdorf, RIW 1988, S. 938, 940. 25 BAG IPRspr. 1978 Nr. 38 = AP Nr. 16 zu IPR (ArbR) a.E. 26 Vgl. auch Däubler, RIW 1987, S. 249, 251 der fordert, daß „der Zeitpunkt der Rückkehr von vornherein einigermaßen exakt feststeht". 27 Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 333; vgl. auch Franzen, AR-Blattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 76; Kraushaar, BB 1989, S. 2121, 2124: Zwei bis drei Jahre. 28 Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 144; Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S. 60. 19'

292

3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

Orientierung an den entsprechenden sozialrechtlichen Fristen29 plädiert. Eine vorhersehbare Bestimmung der maßgeblichen Regelanknüpfung ist auf diese Weise jedoch ausgeschlossen. Sofern also eine Rückkehr und spätere Wiederbeschäftigung des Arbeitnehmers im Inland beabsichtigt ist 30 , liegt nur eine vorübergehende Entsendung i. S. d. Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB vor. Die Regelanknüpfung des Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB beruft folglich das Recht des (ursprünglichen) gewöhnlichen Arbeitsortes. Allerdings ist in den Entsendungsfällen immer sorgfältig zu prüfen, ob nicht ein Eingreifen der Ausweichklausel (Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB) in Betracht kommt.

2. Einstellende Niederlassung (Art. 30 II Nr. 2 EGBGB) Nach Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB unterliegen Arbeitsverträge dem Recht der einstellenden Niederlassung, sofern der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet. Typische Beispiele sind in diesem Zusammenhang der Schlafwagenschaffner oder der ständig in verschiedenen Ländern tätige Monteur 31. Die Anknüpfung an die einstellende Niederlassung soll dabei verhindern, daß es aufgrund des ständigen Wechsels des Arbeitsortes zu einem permanenten Statutenwechsel kommt32. Allerdings wird der Begriff der Niederlassung im Gesetz nicht näher definiert. Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB spricht aber anders als Art. 28 Π EGBGB nicht von der „Hauptniederlassung" oder gar der „Hauptverwaltung". Deshalb sollten jedenfalls keine Parallelen zu dem für das internationale Gesellschaftsrecht bedeutsamen effektiven Verwaltungssitz eines Unternehmens (Sitztheorie) gezogen werden33. Unter Berufung auf den französischen Text des EVÜ, der von „établissement" spricht, wird nicht selten dafür plädiert, in Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB Niederlassung und Betrieb gleichzusetzen34. Indes dürfte nicht immer das Vorhandensein eines Betriebs im rechtstechnischen Sinne zu fordern sein35. Es genügt vielmehr jede Or-

29 Soergel /von Hoffmann, Monate.

Art. 30 EGBGB, Rdnr 39: Grds. 12 Monate, im Höchstfall 24

30

Fehlt es daran, so verweist Art. 30 II Nr. 1 EGBGB auf das am (neuen) ausländischen Arbeitsort geltende Recht. 31 Die Anknüpfung der Arbeitsverträge des fliegenden Personals von Luftfahrtunternehmen und der Besatzung von Hochseeschiffen wird unten gesondert behandelt. 32 BT-Drucks. 10/504, S. 81. 33 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 497; a.A. Eßlinger, Heuervertrag, S. 75 ff. 34 Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 334; Hauschka/Henssler, NZA 1988, S. 597, 599; MünchKomm /Martiny, Art. 30 EGBGB, Rdnr 41. 35 Vgl. auch den englischen Text des Art. 6 II lit b EVÜ, der von „place of business" spricht.

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Art.

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ganisationseinheit des Arbeitgebers mit eigenen Entscheidungskompetenzen36. Unter „Niederlassung" i. S. d. Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB ist mithin jeder Ort zu verstehen, von dem aus der Arbeitgeber geschäftlich tätig wird und hierzu Arbeitnehmer einsetzen muß 37 . Eine eigene Rechtspersönlichkeit der Niederlassung ist nicht erforderlich, wohl aber eine gewisse Dauerhaftigkeit der Einrichtung. Daher begründet die Tätigkeit eines Beauftragten oder Agenten noch keine Niederlassung des Arbeitgebers38. Gänzlich fehlt es an einer solchen, wenn der Arbeitgeber Privatmann ist. Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB ist deshalb nur auf den gewerblichen Arbeitgeber zugeschnitten39. Trotzdem kann man dieser Vorschrift aber den Grundsatz einer „lokalen Anknüpfung beim Arbeitgeber" entnehmen, so daß es beim privaten Arbeitgeber entscheidend auf dessen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt ankommt. Fraglich ist nun jedoch, ob allein der Vertragsabschluß mit dem Arbeitnehmer für eine „Einstellung" i. S. d. Art. 30 II Nr. 2 EGBGB genügt. Problematisch könnte dies nämlich bei sofortiger Tätigkeit für eine andere Niederlassung sein40. Hier besteht u.U. nur ein relativ schwacher Bezug zum Abschlußort des Arbeitsvertrages. Deshalb spricht sich die wohl überwiegende Ansicht dafür aus, in diesen Fallgestaltungen statt dessen auf die „Einsatzniederlassung" abzustellen41. Die Vertreter dieser Ansicht verstehen unter Einstellung i. S. d. Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB also die Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer bzw. dessen Eingliederung in einen Betrieb des Arbeitgebers. Zur Rechtfertigung einer solchen Interpretation wird zudem angeführt, daß man dem Arbeitgeber ansonsten eine Art „indirekte Rechtswahl" durch Wahl des Abschlußortes ermögliche42. Indes ist dieses Verständnis des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB nicht unkritisiert geblieben. Nicht selten wird nämlich betont, daß nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift „Einstellung" nur normativ als Vertragsschluß aufgefaßt werden könne43. Auch das BAG hat dem Ort 36 MünchArb/fl/r*, § 19, Rdnr 46; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 498; so jetzt auch Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1350. 37 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 184; Franzen, IPRax 1995, S. 257, 259; vgl. auch OGH IPRax 1995, S. 253,255. 38 Ganzen, Int. Arbeitsverhältnis, S. 90; Reithmann/Maniny, Int. VertragsR, Rdnr 1350; Soergel / von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 43; Hauschka/Henssler, NZA 1988, S. 597, 599, Fn. 24. 39 Behr, IPRax 1989, S. 319, 323; Soergel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 43. 40

Entsprechende Probleme können in dem (seltenen) Fall auftreten, daß ein privater Arbeitgeber mit mehreren Wohnsitzen einen Arbeitnehmer beschäftigt. 41 Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 334; Däubler, RIW 1987, S. 249, 251; Behr, IPRax 1989, S. 319, 323; Kraushaar, BB 1989, S. 2121, 2123; Ganzen, Int. Arbeitsverhältnis, S. 90; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 499; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1351; Soergel /von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 44; Erman / Hohloch, Art. 30 EGBGB, Rdnr 18. 42 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 185. 43 Münch Arb/flir*, § 19, Rdnr 48; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 59; Kühl, TranspR 1989, S. 89, 94; Magnus, IPRax 1990, S. 141, 144; Basedow, BerDGesVR 31 (1990), S. 75, 83; Franzen, AR-Blattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 79.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

des Vertragsschlusses im Rahmen des Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB besondere Bedeutung zuerkannt44. Trotz der soeben dargestellten Unterschiede sind sich beide Ansichten darüber einig, daß Art. 30 II Nr. 2 EGBGB nicht in allen Fällen das am Abschlußort geltende Recht als Arbeitsvertragsstatut beruft. Umstritten ist indes, ob dieses Ergebnis mittels der Ausweichklausel des Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB oder durch eine korrigierende Interpretation des Begriffs der einstellenden Niederlassung erreicht werden soll. Obwohl beide Wege häufig zu übereinstimmenden Resultaten führen dürften, kann die unterschiedliche methodische Vorgehensweise doch im Einzelfall auch auf den Verweisungsbefehl durchschlagen. Im Falle einer kollisionsrechtlichen Pattsituation verbleibt es nämlich bei der Regelanknüpfung. Mithin kommt dem unterschiedlichen Verständnis des Art. 30 II Nr. 2 EGBGB dann ausschlaggebende Bedeutung für die Bestimmung des Arbeitsvertragsstatuts zu. Geht man dabei vom Wortlaut der Vorschrift aus, so spricht in der Tat mehr dafür, den Ort des Vertragsschlusses maßgeblich sein zu lassen45. Außerdem kommt dem Einsatzort und damit auch der Einsatzniederlassung im Rahmen des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB deshalb geringere Bedeutung zu, weil der Arbeitnehmer ja gerade gewöhnlich an mehreren Orten tätig ist. Daher wird man in diesen Fällen nicht immer von einer festen Eingliederung in einen bestimmten Betrieb sprechen können46. Auch das Kriterium der Arbeitsaufnahme hilft insoweit nicht weiter, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb einer Niederlassung aufnimmt (Handlungsreisender)47. Mithin gibt es also Sachverhaltskonstellationen, bei denen der Begriff der Einstellung nur normativ im Sinne von „Vertragsschluß" interpretiert werden kann. Schon aus diesem Grund sollte dieses Verständnis bei der gesamten Anwendung des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB zugrunde gelegt werden. Weiterhin kommt dem Abschlußort des Arbeitsvertrages jedenfalls dann nicht nur untergeordnete Bedeutung zu, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit auch in diesem Staat verrichtet. Dies gilt selbst für den Fall, daß er zunächst von einer anderen Niederlassung aus tätig wird. Schließlich zwingt auch die befürchtete Manipulierbarkeit des Anknüpfungspunktes durch den Arbeitgeber nicht zu einer anderen Beurteilung48. Zwar ist die Verlegung einer Niederlassung immer möglich, da aber auch im Rahmen des Art. 30 II Nr. 2 EGBGB eine gewisse Dauerhaftigkeit der Einrichtung vorliegen muß, kann der Arbeitgeber die Regelanknüpfung nicht beliebig manipulieren. Darüber hinaus steht auch Art. 30 II Nr. 2 EGBGB unter dem Vorbehalt der Ausweichklausel. Sollte die einstellende Niederlassung (Ab44 BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416, 418; kritisch insoweit Mankowski, IPRax 1996, S. 405,408. 45 Dies räumt auch Behr, IPRax 1989, S. 319, 323 ein. 46 Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 59. 47 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 186 will hier deshalb ausnahmsweise auf den Ort des Vertragsschlusses abstellen. 48 So auch Franzen, AR-Blattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 79.

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Art.

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schlußort) also als isolierter Anknüpfungspunkt erscheinen, dann kommt es über Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB zu einer Korrektur der Regelanknüpfung49. Mithin besteht auch keine praktische Notwendigkeit dafür, die einstellende Niederlassung am Ort der Eingliederung bzw. Aufnahme des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers anzusiedeln. 3. Streitfälle a) Flugpersonal Uneinigkeit besteht zunächst einmal darüber, welcher der beiden Regelanknüpfungen des Art. 30 Π EGBGB die Arbeitsverträge des fliegenden Personals von Luftfahrtunternehmen unterfallen. Teilweise wird insoweit für eine Anwendung des Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB plädiert, da das Flugpersonal seine eigentliche Arbeitsleistung trotz der zumeist wechselnden Einsatzgebiete ganz überwiegend im Flugzeug selbst erbringe. Das Flugzeug sei nun aber dem Staat rechtlich zugeordnet, in dessen Register es geführt werde, so daß über Art. 30 II Nr. 1 EGBGB grds. das Recht des Registerstaates zur Anwendung kommen müsse50. Die Gegenansicht geht demgegenüber davon aus, daß das Flugpersonal seine Arbeit i.d.R. nicht gewöhnlich in ein und demselben Staat verrichtet. Folglich wird grds. Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB als einschlägige Regelanknüpfung betrachtet51. Das BAG hat vor der IPR-Reform ausdrücklich offengelassen, ob sich das Dienstverhältnis des fliegenden Personals in erster Linie nach dem Recht des Registerstaates beurteilt52. In einer neueren Entscheidung stellte das BAG auf die Regelanknüpfung des Art. 30 II Nr. 1 EGBGB ab und entschied, daß ein Pilot jedenfalls dann seinen gewöhnlichen Arbeitsort im Inland hat, wenn er ganz überwiegend auf innerdeutschen Strecken eingesetzt wird 53 . Das Gericht sah es dabei für die Ermittlung der Regelanknüpfung als unerheblich an, daß im zugrunde liegenden Fall sämtliche Flugzeuge des Arbeitgebers in den USA registriert waren. Damit hat sich das BAG aber eindeutig dagegen ausgesprochen, den gewöhnlichen Arbeitsort i. S. d. Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB im Registrierungsland des Flugzeugs anzusiedeln. 49 Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 60; Kühl, TranspR 1989, S. 89, 94; vgl. auch MünchKomm / Martiny, Art. 30 EGBGB, Rdnr 42. 50 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 188; Mankowski, RabelsZ 53 (1989), S. 487, 508; ders. Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 492; Franzen, AR-Blattei ES 920 Nr. 3, S. 22. 51 Palandt/Heldrich, Art. 30 EGBGB, Rdnr 7; Erman /Hohloch, Art. 30 EGBGB, Rdnr 17; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1357; Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 97; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 334; Kronke, DB 1984, S. 404, 406; Däubler, RIW 1987, S. 249, 251; Hönsch, NZA 1988, S. 113, 114; Kraushaar, BB 1989, S. 2121, 2123; Sack, Fschr. Steindorff, S. 1333, 1341. 52 BAG IPRspr. 1975 Nr. 30b = AP Nr. 12 zu IPR (ArbR). 53 BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

Erstaunlicherweise ist die letztgenannte Entscheidung des BAG überwiegend auch bei denjenigen Autoren auf Zustimmung gestoßen, die das Flugzeug selbst als den gewöhnlichen Arbeitsort des Flugpersonals betrachten54. Nur vereinzelt wird von den Vertretern dieser Ansicht die Konsequenz gezogen, wegen der dort erfolgten Registrierung auch dann von einem gewöhnlichen Arbeitsort im Ausland zu sprechen, wenn der Pilot jahrelang nahezu ausschließlich im innerdeutschen Verkehr eingesetzt war 55 . Ein solches Verständnis geht jedoch letztlich an den Realitäten vorbei. Wer nur in Deutschland bzw. im deutschen Luftraum gearbeitet hat, der kann keinen gewöhnlichen Arbeitsort im Ausland haben. Damit ist aber im Rahmen des Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB kein Platz für eine Anknüpfung an das Recht des Registerstaates56. Erst recht kann es nicht überzeugen, den gewöhnlichen Arbeitsort des Flugpersonals im innerstaatlichen Verkehr ohne Rücksicht auf den Registerstaat zu bestimmen, im internationalen Flugverkehr dann aber doch wieder den Ort der Registrierung über das grds. anzuwendende Recht entscheiden zu lassen57. Das Flugzeug ist nämlich entweder in allen Fällen oder in keinem Fall der gewöhnliche Arbeitsort des fliegenden Personals. Der für Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB maßgebliche Anknüpfungspunkt muß immer anhand derselben Kriterien ermittelt werden. Nach dem soeben Gesagten sollte man dabei allerdings nicht auf den Registerstaat abstellen. Eine Anwendung des Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB bleibt aber möglich, sofern das Personal ausnahmsweise einmal ausschließlich oder ganz überwiegend im innerstaatlichen Flugverkehr zum Einsatz kommt58. In der Mehrzahl der Fälle unterliegen die Arbeitsverträge des internationalen Flugpersonals indes der Regelanknüpfung des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB, da es an einem gewöhnlichen Arbeitsort fehlt 59. Arbeitsvertragsstatut ist dann grds. das Recht der einstellenden Niederlassung. b) Schiffsbesatzungen Mindestens ebenso umstritten ist die objektive Anknüpfung der Seearbeitsverträge. Weitgehende Einigkeit besteht nämlich nur darüber, daß sich die Ermittlung des anwendbaren Rechts auch insoweit nach Art. 30 Π EGBGB und nicht etwa nach § 1 SeemG beurteilt60. Die wohl überwiegende Ansicht will die Heuer54 Ausdrücklich zustimmend zur Handhabung des Art. 30 II Nr. 1 EGBGB durch das Gericht Junker, SAE 1994, S. 37,40; Mankowski, IPRax 1994, S. 88,94. 55 Dafür aber Franzen, AR-Blattei ES 920 Nr. 3, S. 22; ders., AR-Blattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 102. 56 Dieses ist jedoch im Rahmen der Ausweichklausel (Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB) zu berücksichtigen. 57 So aber Junker, SAE 1994, S. 37,40; Mankowski, IPRax 1994, S. 88,94. 58 BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127. 59 So auch die in Fn. 48 Genannten. 60 A.A. nur Däubler, RIW 1987, S. 249, 252, Fn. 35; ähnlich auch Eßlingen Heuervertrag, S. 125; Ebenroth/Fischer/Sorek, ZVglRWiss 88 (1989), S. 124, 142.

§20 Art. 30 EGBGB

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Verträge dabei über Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB regelmäßig dem Recht der Flagge unterstellen61. Entsprechend wurde von der deutschen Praxis auch schon vor der IPR-Reform verfahren 62. Die Gegenauffassung betont dagegen die Tätigkeit der Schiffsbesatzungen auf hoher See und den daraus resultierenden ständigen Wechsel des Einsatzortes. Deshalb sei Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB die einschlägige Regelanknüpfung, so daß grds. das Recht der einstellenden Niederlassung zur Anwendung komme63. Das BAG hat diesen Meinungsstreit bisher bewußt offengelassen64 und scheint sogar der Ansicht zuzuneigen, die das Arbeitsvertragsstatut unmittelbar über die Ausweichklausel des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB bestimmen will 65 . Ein solches Vorgehen kann jedoch aus den oben genannten Gründen nicht überzeugen66. Mithin muß auch bei Seearbeitsverträgen entschieden werden, welche der beiden Regelanknüpfungen des Art. 30 I I EGBGB zur Anwendung berufen ist. Für die Anknüpfung an das Recht der Flagge wird dabei zunächst angeführt, daß diese schon vor Einführung des Art. 6 Π EVÜ (= Art. 30 Π EGBGB) in vielen Mitgliedsstaaten des Übereinkommens herrschend gewesen ist 67 . Der Gesetzgeber habe nun aber keine besondere Regelung für Seearbeitsverhältnisse geschaffen. Deshalb sei davon auszugehen, daß die bisherige Praxis aufrechterhalten werden sollte. Dieser Schluß ist indes nicht zwingend. Das Fehlen einer Sonderregelung für die Anknüpfung von Heuerverträgen besagt letztlich nur, daß auch diese Arbeitsverträge unter Art. 30 Π EGBGB zu subsumieren sind. Ausdrückliche Erwähnung haben demgegenüber die Arbeiten auf einer Hochseebohrinsel gefunden, die 61

ArbG Hamburg IPRspr. 1988 Nr. 52a; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 494; ders., RabelsZ 53 (1989), S. 487, 509; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 188; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 342; Kronke, DB 1984, S. 404, 406; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 224; Magnus, IPRax 1990, S. 141, 144; Basedow, BerDGesVR 31 (1990), S. 75, 83; Franzen, AR-Blattei ES 1550.15 Nr. 1, S. 15; Kropholler, IPR, § 52 V 2 b, S. 434; Soergel/ von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 58. 62 BAG IPRspr. 1962/63 Nr. 51 = AP Nr. 7 zu IPR (ArbR); BAG IPRspr. 1974 Nr. 43; BAG IPRspr. 1978 Nr. 39 = NJW 1979, S. 1791; LAG Baden-Württemberg IPRspr. 1980 Nr. 51 = AP Nr. 19 zu IPR (ArbR) = RIW 1981, S. 272; Gamillscheg, Int. ArbR, S. 136, Nr. 115. 63 Palandt/Heldrich, Art. 30 EGBGB, Rdnr 7; Erman/Hohloch, Art. 30 EGBGB, Rdnr 19; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 184; W. Lorenz, IPRax 1987, S. 269, 276, Fn. 74; Hönsch, NZA 1988, S. 113, 114; Kühl, TranspR 1989, S. 89, 94; Rüthers/Heilmann, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 1, S. 19; Sack, Fschr. Steindorff, S. 1333, 1341; v. Bar, IPR II, Rdnr 529; Lagarde, Rev. crit. dr. i. pr. 80 (1991), S. 287, 319. 64 BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407, 409; BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416, 418; so jetzt auch Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1358. 65 Dafür Drohnig, BerDGesVR 31 (1990), S. 31, 62; Puttfarken, See-ArbR, S. 11; ders., RIW 1995, S. 617, 624; Lagoni, JZ 1995, S. 499, 502; wohl auch Hauschka/Henssler, NZA 1988, S. 597,599. 66 Siehe oben § 20.1. 67 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 485 m. w. N.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeits Vertragsstatut

nach Ansicht des Gesetzgebers der Regelanknüpfung des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB unterfallen sollen68. Insoweit bestehen aber nicht unerhebliche Parallelen zu der Tätigkeit einer Schiffsbesatzung auf Hoher See. Das in der Gesetzesbegründung genannte Beispiel spricht mithin nicht dafür, Seearbeitsverträge über Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB an das Recht der Flagge anzuknüpfen 69. Vielmehr scheint der Gesetzgeber von der Maßgeblichkeit des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB ausgegangen zu sein70. Weiterhin stützt sich die Anwendung des Rechts der Flagge auf die Erwägung, daß Flaggen- und Territorialhoheit in Art. 30 II Nr. 1 EGBGB gleichgesetzt werden müßten71. Die Schiffsbesatzungen verrichteten ihre Arbeit nun aber überwiegend auf dem Schiff und damit in ein und demselben (Flaggen-)Staat. Für eine solche Anknüpfung an das Schiff als gewöhnlichen Arbeitsort spreche zudem die konstante Arbeitsumwelt der Seeleute72. Auch wenn ein Schiff richtigerweise nicht als „schwimmender Gebietsteil" des Heimatlandes angesehen werden kann, ist dieser Ansicht doch zuzugeben, daß es sich bei der Flaggenhoheit um eine eigenständige Form staatlicher Souveränität handelt73. Andererseits ist diese Hoheitsgewalt aber auch nicht unerheblichen Einschränkungen unterworfen, was sich vor allem beim Aufenthalt des Schiffes in fremden Küstengewässern und Häfen sowie bei der Gefahrenabwehr auf Hoher See zeigt74. Außerdem ist die rechtliche Zuordnung eines Schiffes zu einem bestimmten Staat letztlich nicht ohne eine gewisse Fiktion möglich 75 . Dies zeigt sich deutlich an folgendem Beispiel: Soll eine Kellnerin, die auf einem ausschließlich zwischen den dänischen Inseln verkehrenden Fährschiff beschäftigt ist, ihren gewöhnlichen Arbeitsort tatsächlich in Finnland haben, nur weil das Schiff unter finnischer Flagge fährt?

Eine solche Interpretation drängt sich jedenfalls nicht gerade auf. Auch das BAG will diese Konsequenz offenbar nicht ziehen. So hat es in seiner Zweitregister-Entscheidung aus dem Jahre 1995 ausdrücklich festgestellt, daß ein Seemann nur dann seinen gewöhnlichen Arbeitsort in Deutschland habe, wenn sein Schiff „ausschließlich in deutschen Hoheitsgewässern eingesetzt worden wäre" 76. Ein Schiff sei ein Ort, aber kein Staat77. Das Gericht tendiert somit eindeutig zu einer territo68 Giuliano /Lagarde, Bericht, BT-Drucks. 10/503, S. 58. 69 Kühl, TranspR 1989, S. 89, 92; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 184; Eßlinger, Heuervertrag, S. 59. 70 So Lagarde, Rev. crit. dr. i. pr. 80 (1991), S. 287, 319; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1358. 71 Ausführlich Mankowski, RabelsZ 53 (1989), S. 487, 498 ff.; ders., Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 470 ff.; Lagoni, JZ 1995, S. 499, 502; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 224. 72 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 188; Basedow, BerDGesVR 31 (1990), S. 75, 83. 73 74 75 76

Wolfrum, BerDGesVR 31 (1990), S. 121, 126 m. w. N. Seidl-Hohenveldern, VölkerR, Rdnr 1199, 1208; K. Ipsen, VòlkerR, § 47, Rdnr 7. Magnus, IPRax 1990, S. 141, 144, der diese Fiktion aber als „hinnehmbar" bezeichnet. BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418.

§20 Art. 30 EGBGB

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rialen Interpretation des Art. 30 II Nr. 1 EGBGB 78 . Diese Sichtweise ist zwar nicht unbedingt zwingend, vermeidet aber jede Fiktion bei der Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsortes. Ihr dürfte daher der Vorzug gebühren. Schließlich wird zur Rechtfertigung der Flaggenanknüpfung auch noch auf den durch das Zweitregister-Gesetz79 neu eingefügten § 21 IV 1 F1RG80 verwiesen. Diese Vorschrift enthält eine Sonderregelung für die Arbeitsverhältnisse von Besatzungsmitgliedern eines im Internationalen Seeschiffahrtsregister eingetragenen Kauffahrteischiffes, die im Inland keinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben. § 21 IV 1 F1RG bestimmt nun, daß die entsprechenden Arbeitsverträge bei der Anwendung des Art. 30 EGBGB - vorbehaltlich der Rechtsvorschriften der EU 8 1 - nicht schon aufgrund der Tatsache, daß das Schiff die Bundesflagge führt, dem deutschen Recht unterliegen. Würde man aber, so wird argumentiert, Heuerverträge grds. über Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB nach dem Recht der einstellenden Niederlassung beurteilen, dann käme § 21 IV 1 F1RG letztlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber Art. 30 I I EGBGB zu, da der Sitzstaat der Niederlassung von der Herabsetzung der Flagge als Anknüpfungspunkt gerade nicht berührt werde 82. Bei einem solchen Verständnis gehe die Vorschrift des § 21 IV 1 F1RG also ins Leere 83. Der Gesetzgeber normiere jedoch in aller Regel nichts Sinnloses. Die Existenz des § 21 IV 1 F1RG spreche somit dafür, Seearbeitsverhältnisse über Art. 30 II Nr. 1 EGBGB dem Recht der Flagge zu unterstellen84. Auch diese Argumentation erweist sich allerdings bei genauerem Hinsehen als nicht tragfähig. Der Gesetzgeber war sich bei Erlaß des Zweitregister-Gesetzes, das zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seeschiffahrt dem Ausflaggungstrend (Billigflaggen) Einhalt gebieten sollte, über die 77 BAG a. a. Ο.; insoweit im Anschluß an Puttfarken, See-ArbR, S. 10; vgl. auch dens., RIW 1995, S. 617, 623: Art. 30 II Nr. 1 EGBGB müsse territorial, nicht aber politisch verstanden werden. 78 So auch BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127. 79 Gesetz zur Einführung eines zusätzlichen Registers für Seeschiffe unter der Bundesflagge im internationalen Verkehr (Internationales Seeschiffahrtsregister - ISR) vom 23.03. 1989, BGBl. 19891, S. 550. 80 Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) vom 08. 02. 1951, BGBl. 19511, S. 79. 81 § 21 IV 1 F1RG gilt damit nicht für Seeleute, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU-Staat haben, Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1361. S2 Franzen, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 3, S. 13; ders., AR-Blattei ES 1550.15 Nr. 1, S. 16; Lagoni, JZ 1995, S. 499, 502; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 518; vgl. auch E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 225. m MünchKomm / Martiny, Art. 30 EGBGB, Rdnr 49d; Soergel /von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 61. 84 Davon geht offenbar auch BVerfGE 92, 26, 39 = NJW 1995, S. 2339 aus.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

Handhabung des Art. 30 I I EGBGB im unklaren. Die Ermittlung des anwendbaren Rechts sei insoweit „durch ein hohes Maß an Unsicherheit gekennzeichnet"85. Diese Verunsicherung dürfte ihren Grund nicht zuletzt in § 1 SeemG gehabt haben, der bestimmt, daß die Vorschriften dieses Gesetzes für alle Kauffahrteischiffe gelten, die nach dem F1RG die Bundesflagge führen. Bei § 21 IV 1 F1RG handelt es sich damit in erster Linie um eine Ausnahme zu § 1 SeemG86. Dagegen hat die Bestimmung im Rahmen des Art. 30 Π EGBGB nur eine klarstellende Funktion, indem sie unterstreicht, daß es bei Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB auf die Gesamtheit der Umstände ankommt87. Zu einer solchen Interpretation des § 21IV 1 F1RG zwingt schließlich auch das in Art. 36 EGBGB enthaltene Gebot der einheitlichen Auslegung. Da Art. 30 Π EGBGB auf Art. 6 Π EVÜ basiert, darf der nationale Gesetzgeber nicht einfach eine bestimmte Auslegung oder Handhabung der Norm verbindlich vorschreiben88. Wenn nun aber Seearbeitsverträge tatsächlich grds. nach Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB dem Recht der Flagge unterstünden, dann würde § 21IV 1 F1RG letztlich nichts anderes bestimmen, als daß die ansich maßgebliche Regelanknüpfung für Zweitregisterschiffe nicht herangezogen werden könnte89. Die Situation wäre insoweit mit den Fällen des Art. 28 I I 3 EGBGB (Nichtbestimmbarkeit der charakteristischen Leistung) vergleichbar. Man müßte § 21IV 1 F1RG folglich als verbindliche Interpretation des Art. 30 EGBGB auffassen 90. Diese Vorschrift verstieße deshalb bei einem solchen Verständnis zwar nicht gegen den EWG-Vertrag 91, wohl aber gegen das EVÜ 9 2 . Auch wenn sich dadurch nichts an der Verbindlichkeit der Norm für den deutschen Rechtsanwender ändern würde 93, sollte ein solcher Ver-

85 BT-Drucks. 11/2161, S. 6; Bericht des Abgeordneten Ewen, BT-Drucks. 11/3679, S. 7; vgl. auch BVerfGE 92, 26, 40 = NJW 1995, S. 2339, 2340: „weitgehende Rechtsunsicherheit". 86 Werbke, TranspR 1990, S. 317, 318; Eßlingen Heuervertrag, S. 60; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 185. 87 BT-Drucks. 11/2161, S. 6; Drobnig, BerDGesVR 31 (1990), S. 31, 65; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 197; Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 98; Hauschka/Henssler, NZA 1988, S. 597,599; Kühl, TranspR 1989, S. 89,94; Wimmer, NZA 1995, S. 250,252; vgl. auch Puttfarken, RIW 1995, S. 617, 624. 88 Magnus, IPRax 1990, S. 141,143. 89 Mankowski, IPRax 1996, S. 405, 406; Kropholler, IPR, § 52 V 2 b, S. 434; vgl. auch BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418. 90 So ausdrücklich Franzen, AR-Blattei ES 1550.15 Nr. 1, S. 16. 91 EuGH IPRax 1994, S. 199 verneinte sowohl einen Verstoß des § 21 IV 1 F1RG gegen Art. 92 EWG-Vertrag als auch gegen Art. 117 EWG-Vertrag. 92 Soergel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 61; Jayme / Kohler, IPRax 1989, S. 337, 342; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 225; Mankowski, IPRax 1996, S. 405, 407; ders., Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 524; a.A. Lagoni, JZ 1995, S. 499,503; Franzen, AR-Blattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 97. 93 MünchKomm /Martiny, Art. 30 EGBGB, Rdnr 49c; vgl. allgemein zur Anwendung völkerrechtswidrigen Landesrechts Kegel/Schurig, IPR, § 1 IV 1 a, S. 13.

§20 Art. 30 EGBGB

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stoß gegen das EVÜ, den der Gesetzgeber des Zweitregister-Gesetzes nicht beabsichtigt haben dürfte, doch tunlichst vermieden werden. Dies ist unproblematisch möglich, indem man Seearbeitsverträge der Regelanknüpfung des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB unterstellt. § 21IV 1 F1RG enthält dann lediglich einen nicht zu beanstandenden erinnernden Hinweis auf die Ausweichklausel des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB. Entscheidend gegen eine grds. Anknüpfung an das Recht der Flagge spricht schließlich auch der Vergleich mit den oben behandelten Arbeitsverträgen des fliegenden Personals von Luftfahrtunternehmen. Wer für eine Flaggenanknüpfung plädiert, spricht sich i.d.R. dafür aus, die Dienstverträge des Flugpersonals über Axt. 30 Π Nr. 1 EGBGB dem Recht des Registerstaates zu unterwerfen 94. Die Vertreter dieser Ansicht halten indes ihre eigene Prämisse zumeist nicht konsequent durch und wollen den Ort der Registrierung dann nicht über den gewöhnlichen Arbeitsort entscheiden lassen, wenn ein Beschäftigter ausschließlich im innerstaatlichen Flugverkehr eingesetzt wird 95 . Ebenso hat mit Recht auch das BAG entschieden96. Diese Inkonsequenz der Gegenauffassung verwundert nicht zuletzt deshalb, weil eine entsprechende Einschränkung für Heuerverträge nicht gemacht wird, obwohl Schiffe und Flugzeuge völkerrechtlich weitgehend gleich behandelt werden97. Die Ursache hierfür dürfte daher vor allem darin liegen, daß die Regelanknüpfung an den Flaggen- bzw. Registerstaat in einigen Fällen schlicht einer Fiktion des gewöhnlichen Arbeitsortes gleichkommt. Dies hat im Ansatz auch das BAG erkannt: So habe ein (auf einem Zweitregisterschiff beschäftigter) Seemann nur dann seinen gewöhnlichen Arbeitsort in der Bundesrepublik, wenn sein Schiff „ausschließlich in deutschen Hoheitsgewässern eingesetzt gewesen wäre" 98. Die Rechtsprechung tut sich jedoch schwer, die traditionelle Anknüpfung an das Recht der Flagge ausdrücklich aufzugeben. Darum ist die Frage der einschlägigen Regelanknüpfung im Seearbeitsrecht bisher stets offengelassen und das anwendbare Recht in wenig überzeugender Weise im Wege einer Gesamtabwägung bestimmt worden99. Wendet man den Art. 30 II EGBGB konsequent auf Heuerverträge an, dann ergeben sich keine Unterschiede zur kollisionsrechtlichen Behandlung der Arbeitsverträge des fliegenden Personals oder der im Fernverkehr eingesetzten LKW-Fahrer. Wird die Tätigkeit ausschließlich oder ganz überwiegend im Hoheitsgebiet (Luftraum, Hoheitsgewässer) eines bestimm94 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 492; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 188; Franzen, AR-Blattei ES 920 Nr. 3, S. 22. 95 Mankowski, IPRax 1994, S. 88,94; Junker, SAE 1994, S. 37,40; konsequent demgegenüber Franzen, AR-Blattei ES 920 Nr. 3, S. 22. 96 BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127. 97 Vgl. Seidl-Hohenveldern, VölkerR, Rdnr 1352; Geiger, GG und VölkerR, § 49 I, S. 293. 98 BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418. 99 BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407,409; BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

ten Staates erbracht, so kommt dessen Recht über Art. 30 II Nr. 1 EGBGB zur Anwendung. Fehlt es dagegen an einem gewöhnlichen Arbeitsort, dann gilt nach Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB grds. das Recht der einstellenden Niederlassung des Arbeitgebers.

II. Eingreifen der Ausweichklausel 1. Primäre und sekundäre Abwägungskriterien Die deutsche Rechtsprechung hat sich bereits mehrfach intensiv mit der Ausweichklausel des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB auseinandergesetzt. Dabei begnügte sich das BAG allerdings nicht mit einer Auflistung der im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Umstände, sondern nahm zusätzlich noch eine gewisse Gewichtung dieser Gesichtspunkte vor. So wurde zwischen Umständen von grds. starkem Gewicht (primäre Abwägungs- bzw. Anknüpfungskriterien) und solchen mit bloßer Indizfunktion (sekundäre Abwägungskriterien) unterschieden100. Zu den primären Abwägungskriterien rechnet das BAG dabei neben dem Arbeitsort und der einstellenden Niederlassung die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien und den (Haupt-)Sitz des Arbeitgebers. Ebenso große Bedeutung dürfte dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von Arbeitgeber und -nehmer zukommen101. Lediglich Indizfunktion sollen demgegenüber die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung bezahlt wird, der Ort des Vertragsschlusses und der Wohnsitz des Arbeitnehmers haben102. In der Literatur werden als weitere (sekundäre) Abwägungskriterien die Tätigkeit eines Agenten oder Beauftragten 103, das Recht, nach dem der Arbeitnehmer sozial abgesichert ist 1 0 4 sowie der Ort, von dem aus das Arbeitsverhältnis faktisch dirigiert wird 105 , genannt. Bei Schiffen kann darüber hinaus noch deren gewöhnliche Route zu berücksichtigen sein 106 . Das BAG hat allerdings im Rahmen des Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB ausdrücklich auf die Kriterien zurückgegriffen, die Rechtsprechung und Rechtslehre vor der IPR-Reform zur Bestimmung des objektiven Arbeitsvertragsstatuts entwickelt haloo BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407, 410; BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127; vgl. auch BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418. ιοί Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 194; Mankowski, IPRax 1996, S. 405, 407; Franzen, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 3, S. 15. 102 Vgl. auch BVerfGE 92,26, 39 = NJW 1995, S. 2339. 103 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1350. 104 MünchArbR/Birk, § 19, Rdnr 52; Hohloch, RIW 1987, S. 353, 354; ders., Fschr. Heiermann, S. 143, 150, Fn. 51. 105 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1358; Mankowski, IPRax 1994, S. 88, 94. 106 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 502; Magnus, IPRax 1994, S. 178, 180.

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ben. Dieses Vorgehen ist zwar im Hinblick auf Art. 36 EGBGB methodisch nicht ganz unbedenklich. Auch bei EVÜ-autonomer Auslegung ergeben sich indes keine anderen Ergebnisse, da insoweit dieselben Abwägungskriterien heranzuziehen sind 107 . Nicht selten wird jedoch zusätzlich gefordert, über Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB auch den Parteiinteressen Rechnung zu tragen. Deshalb sollte etwa das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz durch seine heimische Rechtsordnung oder das Interesse des Arbeitgebers an der Unterstellung seiner Beschäftigten unter ein einheitliches Recht in die Gesamtabwägung mit einfließen 108. Richtigerweise sind diese Parteiinteressen aber im Rahmen der Ausweichklausel nur dann zu berücksichtigen, wenn sie ihren Niederschlag in einem objektiven Anknüpfungsmoment gefunden haben109. Deshalb kann beispielsweise das Interesse eines ausschließlich im Ausland tätigen Arbeitnehmers an der Geltung seines Heimatrechts nur als schützenswert angesehen werden, sofern neben der Staatsangehörigkeit noch weitere Verbindungen zu diesem Recht bestehen. Erst recht ist es nicht Aufgabe der (kollisionsrechtlichen) Ausweichklausel, die Anwendung einer „unterentwickelten" Arbeitsrechtsordnung zu verhindern 110. Materiellrechtliche Erwägungen sind nämlich bei Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB von vornherein unbeachtlich111. Bei der Handhabung der Ausweichklausel geht die Rechtsprechung davon aus, daß nur eine Mehrzahl von Umständen eine engere Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung begründen kann. Dies wird aus dem Wortlaut des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB geschlossen, der von der „Gesamtheit der Umstände" spricht 112. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Ein isolierter Einzelumstand dürfte nämlich niemals ausreichendes Gewicht besitzen, um eine Durchbrechung der Regelanknüpfung zu rechtfertigen 113. Andererseits setzt ein Eingreifen der Ausweichklausel aber auch nicht notwendigerweise voraus, daß überhaupt keine weiteren Verbindungen mehr 107 Magnus, IPRax 1991, S. 382, 385; ders., IPRax 1994, S. 178, 180; Mankowski, IPRax 1996, S. 405, 407; vgl. auch den Schlußantrag des Generalanwalts Darmon zu EuGH IPRax 1994, S. 199, 201. Die zuvor genannten Kriterien werden zudem etwa auch von der französischen Rechtsprechung herangezogen, Cour de cassation, IPRax 1999, 261, 263; vgl. dazu Franzen, IPRax 1999, S. 278 ff. 108 Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 332; Soergel/vöw Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 49; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1352; Magnus, IPRax 1991, S. 382, 385. 109 Zutreffend Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 191; vgl. auch MünchKomm IMartiny, Art. 30 EGBGB, Rdnr 45a. ho A.A. Kronke, DB 1984, S. 404,406; Däubler, RIW 1987, S. 249, 251. m Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 340; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 190; v. Bar, IPR II, Rdnr 530; Erman /Hohloch, Art. 30 EGBGB, Rdnr 20. 112 BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407,409; BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 127; ArbG Wesel IPRspr. 1995 Nr. 58 = ArbuR 1995, S. 475,476 = AiB 1996, S. 126, 127. 113 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1352; Mankowski, IPRax 1994, S. 88, 92; Soergel / von Hof/mann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 50; Franzen, AR-Blattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 83.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

zu dem von Art. 30 I I Nr. 1 oder 2 EGBGB berufenen Recht bestehen114. Vielmehr ist in jedem Einzelfall eine gewichtende Bewertung der verschiedenen Anknüpfungsmomente vorzunehmen. Im folgenden gilt es nun aufzuzeigen, in welchen Konstellationen im internationalen Arbeitsrecht ein Abweichen von der Regelanknüpfung befürwortet wird. 2. Gewichtung in Einzelfällen a) Flugpersonal Die Arbeitsverträge des fliegenden Personals von Luftfahrtunternehmen unterliegen nach zutreffender Ansicht der Regelanknüpfung des Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB, sofern sich nicht ausnahmsweise deshalb ein gewöhnlicher Arbeitsort bestimmen läßt, weil der Beschäftigte ausschließlich oder ganz überwiegend im innerstaatlichen Flugverkehr eingesetzt wird. Eine starke Gegenmeinung plädiert hingegen dafür, grds. über Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB an das Recht des Registerstaates anzuknüpfen 115. Schon dieser Streit zeigt, daß hier nicht selten eine Korrektur der Regelanknüpfung mittels der Ausweichklausel in Betracht kommt. Auch das BAG mußte sich bereits mit dieser Frage auseinandersetzen. So hatte es im Jahre 1992 über die Anknüpfung des Arbeitsvertrages eines amerikanischen Piloten mit Wohnsitz in Berlin zu entscheiden, der bei der PanAm beschäftigt war und ganz überwiegend auf innerdeutschen Strecken zum Einsatz kam 1 1 6 .

Da der Tätigkeitsschwerpunkt somit eindeutig im deutschen Hoheitsgebiet (Luftraum) lag, ging das Gericht zu Recht davon aus, daß der Pilot seinen gewöhnlichen Arbeitsort in der Bundesrepublik hatte. Mithin verwies Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB auf deutsches Recht. Für die Anwendung dieses Rechts sprachen zudem der inländische Wohnsitz des Arbeitnehmers sowie die von Berlin aus erfolgende Einsatz- und Urlaubsplanung durch den Arbeitgeber. Obwohl die Regelanknüpfung also durch weitere (sekundäre) Abwägungskriterien verstärkt wurde, beurteilte das BAG den Arbeitsvertrag im Ergebnis nach dem Recht des US-Bundesstaates New York 117 . Ausschlaggebend hierfür ist vor allem gewesen, daß die PanAm dort ihren Hauptsitz hatte und die amerikanische Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers darüber hinaus unabdingbare Voraussetzung für seine Einstellung war 118 . Zudem hatte die Fluggesellschaft sämtliche ihrer Flugzeuge in den USA registrieren lassen. i " Behr, IPRax 1989, S. 319, 324; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 193; a.A. wohl Jayme, IPRax 1988, S. 250. us Siehe oben § 20.13 a. 116 BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123. 117 Zustimmend Martiny, EWiR 1993, S. 673, 674; Mankowski, IPRax 1994, S. 88, 94; Franzen, AR-Blatttei ES 920 Nr. 3, S. 22; Junker, SAE 1994, S. 37,40. us BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123, 128.

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Auch die Vertragssprache und der Abschlußort des Vertrages deuteten auf das amerikanische Recht, weil der Pilot zuerst mehrere Jahre in den USA beschäftigt war, bevor das Unternehmen ihn für unbestimmte Zeit nach Berlin entsandte. Weiterhin unterlag die Altersversorgung des Piloten, der vom Arbeitgeber eine Auslandszulage erhielt, dem Recht des US-Bundesstaates New York. Schließlich wurde der Pilot auch zum Teil in US-Dollar bezahlt, obwohl er schon seit vielen Jahren in Berlin lebte. Alle diese Umstände machen deutlich, daß der Arbeitnehmer trotz des gewöhnlichen Arbeitsortes in der Bundesrepublik noch starke Beziehungen zu seinem Heimatrecht gehabt hat. Da seine amerikanische Staatsangehörigkeit zudem unabdingbare Einstellungsvoraussetzung war, bestanden nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen zum US-amerikanischen Recht. Einen weitgehend entsprechenden Sachverhalt hatte das BAG bereits vor der IPR-Reform zu beurteilen. Auch hier ging es um einen amerikanischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland, der von Berlin aus als Flugzeugführer für eine amerikanische Luftfahrtgesellschaft eingesetzt werden sollte 119 .

Das Gericht unterwarf den Arbeitsvertrag im Ergebnis dem amerikanischen Recht und stützte sich hierfür vor allem auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien und den amerikanischen Registrierungsort der Flugzeuge120. Außerdem hatte der Arbeitgeber auch in diesem Fall zumindest großen Wert auf die amerikanische Staatsangehörigkeit des einzustellenden Piloten gelegt. Deshalb müsse das Recht des (deutschen) Einsatz- bzw. Arbeitsortes selbst dann zurücktreten, wenn der Pilot seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik habe und dort auch Steuer- und sozialversicherungspflichtig sei 121 . Die beiden genannten Entscheidungen haben verdeutlicht, daß bei der Anknüpfung der Arbeitsverträge des fliegenden Personals von Luftfahrtunternehmen bisher nur dann auf die Ausweichklausel zurückgegriffen wurde, falls Arbeitgeber und -nehmer eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen und dieser Umstand zudem für die Einstellung von erheblicher Bedeutung gewesen ist. Mithin kann der Staatsangehörigkeit sehr wohl eine wichtige Rolle im Rahmen der nach Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB vorzunehmenden Gesamtabwägung zukommen122. Dagegen dürfte es zumeist bei der Regelanknüpfung verbleiben, sofern die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers nicht zu den Einstellungsvoraussetzungen zählt. Dies gilt jedenfalls für den Fall, daß sich ein gewöhnlicher Arbeitsort bestimmen läßt, weil der Arbeitnehmer dann auch seinen Wohnsitz in diesem Staat haben wird. Deshalb kommt ein Eingreifen der Ausweichklausel insoweit letztlich nur in Betracht,

119 BAG IPRspr. 1975 Nr. 30b = AP Nr. 12 zu IPR (ArbR). 120 Zusätzlich sprachen der Schriftverkehr auf Englisch und die Vergütung in US-Dollar für die Maßgeblichkeit des amerikanischen Rechts. 121 So auch Däubler, RIW 1987, S. 249, 252. 122 A.A. Hohloch, Fschr. Heiermann, S. 143, 151; wohl auch Reithmann/Martiny, VertragsR, Rdnr 1354. 20 Geisler

Int.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeits Vertragsstatut

wenn der Beschäftigte zunächst am Sitz des Arbeitgebers tätig wurde und noch mit diesem Recht verbunden ist 123 . Etwas anders stellt sich die Situation dar, falls über Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB das Recht der einstellenden Niederlassung berufen wird. Diese kann nämlich eher als isolierter Anknüpfungspunkt erscheinen, da der international eingesetzte Pilot seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht notwendigerweise im Einstellungsstaat haben muß. Ist dies aber der Fall, so wird es häufig bei dem von Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB ausgesprochenen Verweisungsbefehl verbleiben. Andernfalls 124 dürfte es entscheidend darauf ankommen, von welchem Ort aus das Arbeitsverhältnis tatsächlich organisiert und dirigiert wird. Insoweit kann dann auch sekundären Abwägungskriterien wie der Vertragssprache und -Währung, dem Registrierungsort und dem Recht, nach dem der Arbeitgeber sozial abgesichert ist, ausschlaggebende Bedeutung für die Bestimmung des Arbeitsvertragsstatuts zukommen. b) Schiffsbesatzungen Die soeben dargestellten Grundsätze gelten im wesentlichen auch für die Anknüpfung der Heuerverträge. Allerdings sind die umstrittenen Fälle im internationalen Seearbeitsrecht bisher allesamt dadurch gekennzeichnet gewesen, daß der Arbeitnehmer ein anderes Heimat- und Aufenthaltsrecht besessen hat als der Arbeitgeber (Reeder). Letzterer war dabei häufig, aber nicht immer im Flaggenstaat ansässig. Die frühere Rechtsprechung hat aber auch dann an das Recht der Flagge angeknüpft, wenn es an einer Arbeitgeberniederlassung im Flaggenstaat (Deutschland) fehlte 125. Ausschlaggebend hierfür dürfte allerdings nicht zuletzt gewesen sein, daß die Parteien in diesen Fällen jeweils einen deutschen Gerichtsstand und/oder die Geltung eines deutschen Tarifvertrages vereinbart hatten126. Diese Gesichtspunkte sprechen sogar für eine stillschweigende Wahl des Arbeitsvertragsstatuts 127 . Dem Recht der Flagge kommt im Vergleich dazu nur untergeordnete Bedeutung zu. Abgesehen davon ist aber jedenfalls nach neuem Recht grds. über Art. 30 II Nr. 2 EGBGB an das Recht der einstellenden Niederlassung anzuknüpfen, sofern der Seemann nicht ausnahmsweise nur in den Hoheitsgewässern eines 123

Auf die Fallgruppe der entsandten Kräfte wird sogleich noch ausführlich eingegangen. Als Beispiel läßt sich etwa die Einstellung eines in Österreich lebenden und in ganz Europa tätigen Piloten durch die Münchener Niederlassung der Air France bilden. 124

125 BAG IPRspr. 1962/63 Nr. 51 = AP Nr. 7 zu IPR (ArbR); BAG IPRspr. 1978 Nr. 39 = NJW 1979, S. 1791. 126 BAG IPRspr. 1962/63 Nr. 51 = AP Nr. 7 zu IPR (ArbR): Zuständigkeit des Tarifschiedsgerichts in Hamburg begründet; BAG IPRspr. 1978 Nr. 39 = NJW 1979, S. 1791: Deutschen Gerichtsstand und Geltung des Mantel- und Heuertarifvertrages für die deutsche Seeschiffahrt vereinbart. 127 Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1353.

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einzigen Staates tätig wird 128 . Mithin gilt es zu fragen, wann im internationalen Seearbeitsrecht ein Abweichen von der Regelanknüpfung des Art. 30 II Nr. 2 EGBGB geboten ist. Betrachtet man dabei nun die Fälle, in denen Reeder und Arbeitnehmer in unterschiedlichen Staaten beheimatet sind, so fällt auf, daß die Rechtsprechung bisher im Ergebnis stets das Recht des Anwerbeortes angewendet hat, sofern der Seemann auch zu den ortsüblichen Bedingungen eingestellt wurde. Dies ergibt sich schon aus der Regelanknüpfung, falls der Arbeitgeber am ausländischen Einstellungsort eine eigene Niederlassung unterhält 129. Erfolgt der Vertragsschluß dagegen durch einen im Ausland tätigen Beauftragten 130, Vertragsmakler 131 oder Heueragenten 132, so muß auf die Ausweichklausel des Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB zurückgegriffen werden. Allein die Tätigkeit eines Beauftragten oder Agenten begründet nämlich noch keine Arbeitgeberniederlassung im Ausland133. Einstellende Niederlassung i. S. d. Art. 30 II Nr. 2 EGBGB ist deshalb die Niederlassung, in deren Auftrag der Vertreter oder Vermittler gehandelt hat. Entsprechendes gilt auch dann, wenn der Kapitän selbst in einem ausländischen Hafen einen Seemann anheuert 134. Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB verweist somit in diesen Fällen auf das am (Haupt-)Sitz des Arbeitgebers geltende Recht. Indes kommt der Regelanknüpfung hier nur relativ geringes Gewicht zu. Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB will nämlich das Recht der vertragschließenden Niederlassung berufen 135 . Auch bei Einschaltung eines Beauftragten oder Agenten wirbt der Arbeitgeber die Arbeitskräfte aber am ausländischen Arbeitsmarkt an. Folglich besteht der Sache nach kein wesentlicher Unterschied zu der Konstellation, daß der Seemann den Heuervertrag mit einer ausländischen (Zweig-)Niederlassung des Reeders abschließt. Beide Fälle sollten deshalb im Ergebnis jedenfalls dann gleich behandelt werden, wenn zusätzlich die Vertragssprache und die Währung, in der die Vergütung zu zahlen ist, auf das Heimatrecht des Arbeitnehmers hinweisen136. Ent128 Siehe oben § 20.1 3 b. 129 Rüthers/Heilmann, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 1, S. 19; im Ergebnis auch LAG BadenWürttemberg IPRspr. 1980 Nr. 51 = AP Nr. 19 zu IPR (ArbR) = RIW 1981, S. 272; BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407,410. 130 BAG IPRspr. 1962/63 Nr. 51 = AP Nr. 7 zu IPR (ArbR). 131 BAG IPRspr. 1978 Nr. 39 = NJW 1979, S. 1791. 132 BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,419. 133 Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 90; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1350; Soergel /von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 43; Hauschka/Henssler, NZA 1988, S. 597, 599, Fn. 24. 134 Kühl, TranspR 1989, S. 89, 94. 135 Siehe oben § 20.12. 136 BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407, 410; BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418; LAG Baden-Württemberg IPRspr. 1980 Nr. 51 = AP Nr. 19 zu IPR (ArbR) = RIW 1981, S. 272; vgl. auch MünchKomm/Martiny, Art. 30 EGBGB, Rdnr 49d. 20*

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

scheidend für das Eingreifen der Ausweichklausel ist aber in erster Linie die Anwerbung auf dem ausländischen Arbeitsmarkt. Diese rechtfertigt zusammen mit der ausländischen Staatsangehörigkeit und dem ausländischen Wohnsitz des Seemanns eine Durchbrechung der Regelanknüpfung an die einstellende Niederlassung. Dabei spielt keine Rolle, welche Flagge das Schiff führt, auf dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Werden also beispielsweise philippinische Seeleute durch Heueragenten der zypriotischen Niederlassung einer deutschen Reederei in Manila zu den dort üblichen Bedingungen angeworben, so unterliegen die Heuerverträge nach Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB dem philippinischen Recht, unabhängig davon, ob das Schiff unter deutscher oder zypriotischer Flagge fahrt.

Dagegen bleibt für ein Eingreifen der Ausweichklausel nur wenig Raum, wenn sich das Arbeitsvertragsstatut ausnahmsweise nach Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB bestimmt, weil der Seemann ausschließlich oder ganz überwiegend in den Hoheitsgewässern eines einzigen Staates beschäftigt ist. Hier dürfte für eine Durchbrechung der Regelanknüpfung zu fordern sein, daß weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer in nennenswerter Weise mit dem Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes verbunden sind. Deshalb bleibt es grds. bei dem von Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB ausgesprochenen Verweisungsbefehl, falls eine der Arbeitsvertragsparteien diesem Staat angehört oder dort ihren (Wohn-)Sitz hat 137 . Etwas anderes kann aber für den Fall gelten, daß die Staatsangehörigkeit des Seemanns zu den Einstellungsvoraussetzungen zählt 138 . Betreibt also etwa eine deutsche Reederei den Fährbetrieb zwischen den dänischen Inseln ausschließlich mit deutschen Beschäftigten, dann findet auf den Arbeitsvertrag über Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB selbst dann deutsches Recht Anwendung, wenn der Wohnsitz des Arbeitnehmers mit dem gewöhnlichen Arbeitsort (Dänemark) zusammenfällt. Die Flagge des Schiffes spielt hingegen nach zutreffender Ansicht auch insoweit keine entscheidende Rolle.

c) Ortskräfte Als weiterer Anwendungsfall der Ausweichklausel werden im internationalen Arbeitsrecht häufig die Arbeitsverträge der sog. Ortskräfte genannt. Darunter sind solche Arbeitnehmer zu verstehen, die ausschließlich bei einer (ausländischen) Zweigstelle ihres Arbeitgebers beschäftigt werden 139. Die Regelanknüpfung des Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB verweist in diesen Fällen auf das Recht des ausländischen Arbeitsortes, da der Arbeitnehmer zu keinem Zeitpunkt im Inland tätig gewesen 137

Allein der Wohnsitz des Arbeitnehmers am Arbeitsort rechtfertigt allerdings nicht in allen Fällen ein Festhalten an der Regelanknüpfung, s.u. § 20. II 2 c. 138 Vgl. BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123. 139 Für die Tätigkeit in einer inländischen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens gilt entsprechendes.

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ist 140 . Auch eine etwaige Einarbeitungszeit im Heimatstaat ändert nichts an diesem Ergebnis 141. Erst recht besteht keine Notwendigkeit für ein Abweichen von der Regelanknüpfung, wenn der Arbeitnehmer vor Ort eingestellt wird und keine erheblichen Verbindungen zum Recht des Staates besitzt, im dem der Arbeitgeber seine Hauptniederlassung hat. Deshalb bleibt es bei der Maßgeblichkeit des ausländischen Arbeitsortsrechts, sofern zusätzlich die Staatsangehörigkeit und der Wohnsitz des Beschäftigten sowie die Vertragssprache und/oder -Währung auf dieses Recht hindeuten142. Entsprechend wurde der Arbeitsvertrag einer amerikanischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Washington, die im örtlichen Studio einer deutschen Fernsehanstalt beschäftigt war, schon nach altem Recht zutreffend dem Recht des US-Bundesstaates Washington unterstellt 143 . Umgekehrt beurteilte das LAG Köln in jüngerer Zeit den Arbeitsvertrag zwischen einem deutschen Aufzugsmechaniker und der US-amerikanischen Botschaft in Bonn zu Recht über Art. 30 II Nr. 1 EGBGB nach deutschem Recht 144 .

Näher liegt ein Eingreifen der Ausweichklausel demgegenüber, falls der im Ausland eingesetzte Arbeitnehmer demselben Staat angehört wie sein Arbeitgeber. So soll etwa auf den Arbeitsvertrag eines in Mexiko lebenden deutschen Ingenieurs mit der örtlichen Niederlassung von Siemens über Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB deutsches Recht Anwendung finden 145. Gleiches habe für die Arbeitsverträge der deutschen Ortskräfte einer deutschen Auslandsvertretung zu gelten146. Die Rechtsprechung hat indes der gemeinsamen Staatsangehörigkeit von Arbeitgeber und nehmer zu Recht nicht immer ausschlaggebende Bedeutung für die Bestimmung des Arbeitsvertragsstatuts zuerkannt. Spielt die Staatsangehörigkeit nämlich für die Einstellung keine entscheidende Rolle, dann spricht mehr dafür, inländische und ausländische Ortskräfte nach demselben Recht zu behandeln. Aus dieser Erwägung heraus wurde der Arbeitsvertrag eines in der Registratur des deutschen Konsulats in Rotterdam beschäftigten und in den Niederlanden wohnenden Deutschen dem niederländischen Recht unterworfen 147.

Obwohl diese Entscheidung vor der IPR-Reform ergangen ist, hat sie auch heute noch Gültigkeit148. Deshalb sollte der Arbeitsvertrag einer im Ausland tätigen wo Siehe oben §20.11. 141 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 182; Behr, IPRax 1989, S. 319, 322; vgl. auch OGH IPRax 1989, S. 309, 310. ι « LAG Düsseldorf IPRspr. 1992 Nr. 261a = RIW 1992, S. 402; bestätigt durch BAG IPRspr. 1992 Nr. 261b = AP Nr. 28 zu IPR (ArbR); vgl. auch BAG IPRspr. 1958/59 Nr. 50 = AP Nr. 3 zu IPR (ArbR). 143 LAG Rheinland-Pfalz IPRspr. 1981 Nr. 44. 144 LAG Köln LAGE Art. 30 EGBGB Nr. 1; zustimmend Junker, RdA 1998, S. 42,46. 145 Gamillscheg, ZÌA 14 (1983), S. 307, 341. 146 Palandt / Heldrich, Art. 30 EGBGB, Rdnr 8. 147 LAG Düsseldorf IPRspr. 1956/57 Nr. 26 = AP Nr. 1 zu IPR (ArbR). 148 So ausdrücklich Junker, RdA 1990, S. 212, 214.

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deutschen Ortskraft nur dann nach deutschem Recht beurteilt werden, wenn die Beschäftigung speziell mit Rücksicht auf die Eigenschaft als Deutscher erfolgte 149. Diese Voraussetzung dürfte jedenfalls bei untergeordneten Tätigkeiten nur selten erfüllt sein. Hingegen kommt ein Eingreifen des Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB in Betracht, falls im Ausland lebende deutsche Kinder außerhalb des regulären Schulunterrichts von einer deutschen Lehrkraft in ihrer Heimatsprache unterrichtet werden sollen150. Die dargestellten Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für den Fall, daß es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Staat) handelt151. Umgekehrt bleibt es selbstverständlich bei dem von Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB ausgesprochenen Verweisungsbefehl, falls es dem Arbeitgeber gerade darauf ankommt, daß die Ortskraft in ihrem (ausländischen) Heimatstaat tätig wird 152 . Weniger stark sind die Verbindungen zum Recht des Arbeitsortes, wenn der Arbeitnehmer in seinem Heimat- bzw. Aufenthaltsstaat für den Auslandseinsatz angeworben wird. Unabhängig von der Tätigkeitsdauer im Ausland liegt aber keine vorübergehende Entsendung i. S. d. Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB vor, da eine solche voraussetzt, daß der Beschäftigte zunächst im Inland tätig gewesen ist 153 . Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung wird aber häufig erfolgen, wenn die Beschäftigung im Ausland von so kurzer Dauer ist, daß der Arbeitnehmer dort keinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt begründet154. Allerdings kann es auch in diesem Fall bei der Maßgeblichkeit des ausländischen Arbeitsortsrechts verbleiben, falls nämlich beide Arbeitsvertragsparteien Angehörige dieses Staates sind und diese Tatsache bei der Einstellung eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat 155 . Schwierigkeiten bereitet die Ermittlung des anwendbaren Rechts aber vor allem in den Konstellationen, in denen die Regelanknüpfung des Art. 30 II Nr. 1 EGBGB lediglich durch den Wohnsitz des Arbeitnehmers verstärkt wird, während alle anderen Umstände auf ein anderes Recht hindeuten. Die Rechtsprechung zählt den Wohnsitz des Arbeitnehmers ja bekanntlich nur zu den sekundären Abwägungskriterien 156. Deshalb handelt es sich zweifellos um einen Grenzfall, wenn ein auslän149 Däubler, RIW 1987, S. 249, 252. 150 Vgl. Kraushaar, BB 1989, S. 2121, 2123. 151 Junker, RdA 1990, S. 212, 214; vgl. auch IPG 1980/81 Nr. 46 (Köln); offengelassen von BAG IPRspr. 1962/63 Nr. 19 = AP Nr. 6 zu IPR (ArbR). 152 BAG IPRspr. 1985 Nr. 48 = AP Nr. 23 zu IPR (ArbR) = NJW 1985, S. 2910,2911. 153 BAG IPRspr. 1980 Nr. 52 = AP Nr. 17 zu IPR (ArbR) = IPRax 1983, S. 232, 233; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1349; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 182. 154 Soergel /von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 50 nennt insoweit folgendes Beispiel: Ein im Inland ansässiger Arbeitgeber stellt einen Arbeitnehmer mit inländischem Wohnsitz für einen zeitlich begrenzten Einsatz in einem Feriencamp in der Türkei ein. 155 A.A. Soergel /von Hoffmann, a. a. Ο. für den Fall, daß die Vergütung im obigen Beispiel in DM und auf ein deutsches Konto zu zahlen ist. 156 BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407, 410; BAG IPRspr. 1992 Nr. 69b = AP Nr. 31 zu IPR (ArbR) = IPRax 1994, S. 123,127.

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discher Arbeitgeber in seinem Heimatstaat einen Landsmann für einen längerfristigen Einsatz im Inland einstellt und ihn zudem in der Heimatwährung vergütet. Insoweit sprechen dann also die gemeinsame Staatsangehörigkeit, der Sitz des Arbeitgebers, der Ort des Vertragsschlusses sowie die Vertragssprache und -Währung gegen das von Art. 30 II Nr. 1 EGBGB berufene Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes. Trotzdem ist aber vom ArbG Kaiserslautern auch in dieser Fallgestaltung ein Eingreifen der Ausweichklausel verneint worden 157 : Der Arbeitnehmer war hier für seinen amerikanischen Landsmann in dessen Haus in Kaiserslautern als Geschäftsführer eines Restaurations- und Spielbetriebs tätig 1 5 8 . Das LAG Frankfurt hat dagegen einen vergleichbaren Fall abweichend entschieden159: Ein amerikanischer Staatsbürger wurde von einer Gesellschaft amerikanischen Rechts in Kalifornien als Verkaufsrepräsentant für Europa eingestellt und sollte seine Tätigkeit von Frankfurt aus entfalten, weshalb er dort auch seinen Wohnsitz nahm. Das Gericht unterstellte den Arbeitsvertrag über Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB dem Recht des US-Bundesstaates Kalifornien.

Im Ergebnis dürften beide soeben genannte Urteile Zustimmung verdienen. Die Unterschiede liegen freilich im Detail. Im Fall des ArbG Kaiserslautern verrichtete der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausschließlich im Inland. Darüber hinaus bestanden auch (schwache) Verbindungen des Arbeitgebers zum deutschen Recht, da dieser ja immerhin Eigentümer des in der Bundesrepublik gelegenen Etablissements war. Demgegenüber sollte der Verkaufsrepräsentant im Fall des LAG Frankfurt von Frankfurt aus auch in anderen europäischen Staaten tätig werden. Zudem war er der erste und einzige Bedienstete des Unternehmens außerhalb der USA. Aus diesen Gründen sprach hier mehr für die Anwendung des US-amerikanischen Rechts. Allgemeingültige Regeln lassen sich für diese Grenzfälle indes nicht aufstellen. Allein der Wohnsitz des Arbeitnehmers rechtfertigt folglich nicht immer ein Festhalten an der Regelanknüpfung. Im Falle einer kollisionsrechtlichen Pattsituation sollte es aber bei der von Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB angeordneten Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes verbleiben.

d) Entsandte Mitarbeiter Bedeutung kommt der Ausweichklausel des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB schließlich auch in den Fällen zu, bei denen Mitarbeiter von ihrem Arbeitgeber ins Ausland entsandt werden. Weitgehend unproblematisch ist die Bestimmung des Arbeitsvertragsstatuts allerdings dann, wenn es nach der Entsendung an einem ge157 ArbG Kaiserslautern IPRspr. 1987 Nr. 35 = IPRax 1988, S. 250. 158 Aus dem Sachverhalt geht allerdings nicht eindeutig hervor, ob der Vertragsschluß in den USA oder in der Bundesrepublik erfolgt ist. 159 LAG Frankfurt IPRspr. 1992 Nr. 71.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

wohnlichen Arbeitsort fehlt, weil der Arbeitnehmer nunmehr abwechselnd in mehreren Staaten tätig wird (Montage). Hier kommt in Ermangelung einer Rechtswahl über Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB das Recht der einstellenden (inländischen) Niederlassung zur Anwendung. Schwierigkeiten bereitet demgegenüber die Konstellation, daß der entsandte Mitarbeiter über längere Zeit ausschließlich in ein und demselben ausländischen Staat beschäftigt ist. Insoweit muß zunächst gefragt werden, ob es sich noch um eine vorübergehende Entsendung i. S. d. Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB handelt160. Darüber hinaus sollte aber auch danach differenziert werden, wer der Vertragspartner des entsandten Arbeitnehmers ist. Dies kann weiterhin nur das entsendende Unternehmen sein, so daß die Entsendung im Rahmen des Direktionsrechts erfolgt 161. Andererseits ist es aber auch denkbar, daß der entsandte Mitarbeiter zusätzlich einen neuen Arbeitsvertrag mit dem ausländischen (Tochter-)Unternehmen schließt. Neben diesem eigentlichen Arbeitsvertrag besteht dann ein sog. Rumpfarbeitsvertrag mit dem ursprünglichen Arbeitgeber 162. aa) Arbeitnehmer ohne doppeltes Arbeitsverhältnis Erfolgt die Entsendung im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses, so hängt der Anwendungsbereich der Ausweichklausel entscheidend davon ab, wie man den Begriff der vorübergehenden Entsendung definiert. Nach der hier vertretenen Ansicht ist nur der endgültige bzw. als endgültig gewollte Wechsel ins Ausland nicht mehr als vorübergehende Entsendung anzusehen163. Folglich bleibt es nach Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB auch im Falle einer längerfristigen Entsendung grds. bei dem Recht des (ursprünglichen) gewöhnlichen Arbeitsortes, sofern eine Rückkehr und spätere Wiederbeschäftigung des Arbeitnehmers am Ort des entsendenden Betriebes geplant ist. Wer demgegenüber in diesem Zusammenhang für eine zeitliche Höchstgrenze plädiert 164, muß den Arbeitsvertrag des entsandten Mitarbeiters jedenfalls bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt über Art. 30 II Nr. 1 EGBGB dem Recht 160 Siehe oben §20. I I . 161 Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S. 28; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 207; Soergel / von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 51. 162 Kronke, Rechtstatsachen, S. 40; Kraushaar, BB 1989, S. 2121, 2124; Däubler, RIW 1987, S. 249,254; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 149. 163 So auch BAG IPRspr. 1978 Nr. 38 = AP Nr. 16 zu IPR (ArbR); Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1349; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 183; Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 86; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 223; Hönsch, NZA 1988, S. 113, 114; Palandt/ Heldrich, Art. 30 EGBGB, Rdnr 7. 164 Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 333; Franzen, AR-Blattei SD 920 (Int. ArbR), Rdnr 76; Sack, Fschr. Steindorff, S. 1333, 1340; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 144; Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S. 60; Soergel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 39.

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des neuen (ausländischen) Arbeitsortes unterstellen165. Dieses Ergebnis wird dann aber auch von den Vertretern der Gegenansicht nicht selten als unbillig empfunden, sofern der Arbeitnehmer noch in erheblichem Maße mit dem Recht der entsendenden Niederlassung verbunden ist. Deshalb soll es über Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung an das Recht des ausländischen Arbeitsortes kommen, falls die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Arbeitsvertragsparteien, der Ort des Vertragsschlusses sowie die i.d.R. vorgesehene Wiederbeschäftigung im Entsendungsstaat (!) auf inländisches Recht hinwiesen166. Ein solches Vorgehen überzeugt indes nicht. So ist es wenig konsequent, bei einer längerfristigen Entsendung zuerst über Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB an das neue Arbeitsortsrecht anzuknüpfen, um dieses Ergebnis dann unter Hinweis auf die Rückkehroption mittels der Ausweichklausel wieder zu korrigieren 167. Auch die Gegenauffassung stellt nämlich letztlich entscheidend auf die geplante Wiederbeschäftigung im Inland und nicht etwa auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien ab. Sendet beispielsweise ein deutsches Unternehmen einen deutschen und einen österreichischen Ingenieur zur Überwachung eines Bauprojekts für fünf Jahre nach Gambia und werden die Arbeitnehmer anschließend wieder in der Bundesrepublik tätig, dann sollte auf die Arbeitsverträge deutsches Recht zur Anwendung kommen.

Nach der hier vertretenen Ansicht ergibt sich dies schon aus Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB, da eine nur vorübergehende Entsendung vorliegt. Die Gegenmeinung muß dagegen auf Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB abstellen, wird dabei aber den österreichischen Arbeitnehmer nicht anders behandeln können als den deutschen168. Die Entsendung erfolgt nämlich im obigen Beispiel nicht im Hinblick auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit. Ausschlaggebend für das Eingreifen der Ausweichklausel ist somit allein die Tatsache, daß die Beschäftigten von einem in Deutschland ansässigen Unternehmen aus entsandt und dort später wiedereingestellt wurden. Es erscheint nun aber vorzugswürdig, diese Erwägungen von vornherein bei der Auslegung des Begriffs der vorübergehenden Entsendung zu berücksichtigen. Damit werden auch die zeitlichen Abgrenzungsschwierigkeiten der Gegenauffassung vermieden. Außerdem sehen die in der Praxis üblichen Vertragsmuster für Entsendungsverträge eine Rückkehr und Wiedereinstellung des Beschäftigten vor 169 . Die Entsendung ins Ausland führt mithin lediglich zu einem Ruhen des bisherigen Arbeitsvertrages. Die Arbeitsverhältnisse der entsandten Mitarbeiter beurteilen sich deshalb grds. nach dem Recht des (ursprünglichen) gewöhnlichen Ar165 Die zeitliche Höchstgrenze wird dabei allerdings sehr unterschiedlich definiert, s.o. §20.11. 166 Gamillscheg, ZfA 14 (1983), S. 307, 341; Sack, Fschr. Steindorff, S. 1333, 1341; ebenso Däubler, RIW 1987, S. 249, 252.

167 Diese Inkonsequenz bemängelt auch Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 146. 168 So ausdrücklich Däubler, RIW 1987, S. 249,252. 169 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 208.

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beitsortes. Dies ergibt sich indes schon aus Art. 30 II Nr. 1 EGBGB. Eines Rückgriffs auf die Ausweichklausel bedarf es insoweit nicht. Auch bei der nicht endgültigen bzw. nicht als endgültig gewollten Entsendung ins Ausland kann aber in Ausnahmesituationen das am ausländischen Arbeitsort geltende Recht Arbeitsvertragsstatut sein. Zweifelhaft ist allerdings, ob sich ein Eingreifen des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB mit der Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers rechtfertigen läßt. Selbst wenn der Beschäftigte nämlich dem Staat angehört, in dem er in Zukunft arbeiten soll, bestehen wegen der ins Auge gefaßten Rückkehr doch erhebliche Verbindungen zu dem von Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB berufenen Recht. Zudem hat der Arbeitgeber im Entsendungsstaat seinen Sitz. Für Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB bleibt folglich überhaupt nur Raum, falls die dem entsandten Mitarbeiter übertragenen Aufgaben notwendiger- oder sinnvollerweise nur von einem Einheimischen wahrgenommen werden können. Darüber hinaus kann es für den Fall zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung kommen, daß der Vertragsbeitritt eines ausländischen Arbeitgebers vereinbart wird 170 oder ein ausländisches Unternehmen mit dem inländischen Arbeitgeber fusioniert 171. Wird der Arbeitnehmer dagegen endgültig in ein anderes Land entsandt, so verweist Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB auf das Recht dieses Staates. Da eine Wiederbeschäftigung im Entsendungsstaat nicht vorgesehen ist, bestehen zu diesem kaum mehr erhebliche Verbindungen. Auch eine etwaige gemeinsame Staatsangehörigkeit der Arbeitsvertragsparteien dürfte nicht zu einem anderen Ergebnis führen: Wer seinen Tätigkeitsschwerpunkt dauerhaft und endgültig ins Ausland verlagert, der kann in Ermangelung einer Rechtswahl nicht mit einer Fortgeltung des ursprünglichen Arbeitsvertragsstatuts rechnen 172. Dafür spricht auch, daß im Entsendungsvertrag dann nicht etwa das Ruhen, sondern vielmehr die Auflösung des bisherigen Arbeitsvertrages vereinbart wird 173 . Der Arbeitnehmer muß sich deshalb auf einen Statutenwechsel einstellen. bb) Arbeitnehmer mit doppeltem Arbeitsverhältnis Die dargestellten Anknüpfungsgrundsätze gelten im wesentlichen auch für den Fall, daß der entsandte Mitarbeiter mit der ausländischen Tochtergesellschaft den eigentlichen Arbeitsvertrag (Haupt- oder Lokalarbeitsvertrag) schließt, daneben aber noch einen Stamm- oder Rumpfarbeitsverhältnis mit der deutschen Muttergesellschaft besteht. Letzteres enthält dabei zumeist Regelungen über die soziale Absicherung des Arbeitnehmers und die Gewährung von Zusatzleistungen sowie Wiedereinstellungs- oder Rückkehrklauseln174. Haupt- und Rumpfarbeitsvertrag sind 170 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 212. 171 Däubler, DB 1988, S. 1850,1851. 172 Münch ArbR / Birk, § 19, Rdnr 57; Reithmann/Martiny, Int. VertragsR, Rdnr 1345. 173 Vgl. Schmidt-Hermesdorf, RIW 1988, S. 938, 940. 174 Kronke, Rechtstatsachen, S. 40; Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 214; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 149.

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nach einhelliger Ansicht getrennt anzuknüpfen 175. Trotzdem unterfallen beide nicht selten demselben Statut. Sofern nämlich in dem Vertrag mit der Auslandsgesellschaft nicht die Geltung des Ortsrechts vereinbart worden ist, kommt auf diesen bei der nur vorübergehenden Entsendung über Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB das Recht des (ursprünglichen) gewöhnlichen Arbeitsortes zur Anwendung. In diesem Staat dürfte in aller Regel auch die entsendende Muttergesellschaft ihren Sitz haben. Entsendet also ein deutsches Stammunternehmen seine Mitarbeiter nur vorübergehend an eine ausländische Tochtergesellschaft, so findet auf Haupt- und Rumpfarbeitsvertrag über Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB einheitlich deutsches Recht Anwendung. Dies gilt nach der hier vertretenen Ansicht für alle die Entsendungsfälle, bei denen kein endgültiger Wechsel des Arbeitsortes beabsichtigt ist. An einer endgültigen Verlagerung des Tätigkeitsschwerpunktes dürfte es dabei jedenfalls dann fehlen, wenn der Rumpfarbeitsvertrag Wiedereinstellungs- oder Rückkehrklauseln enthält, die für die Entsendungsdauer eine fiktive Vergleichsvergütung im Entsendungsstaat vorsehen. Andererseits verzichten die Arbeitsvertragsparteien in manchen Fällen auch ganz bewußt auf eine Wiedereingliederungszusage im Rumpfarbeitsvertrag 176. Der Wechsel ins Ausland ist dann als endgültig gewollt, der Arbeitnehmer soll aber nach Beendigung der Auslandstätigkeit vom entsendenden Unternehmen eine Abfindung erhalten. Hier verweist Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB auf das Recht des neuen gewöhnlichen Arbeitsortes. Der Hauptarbeitsvertrag zwischen dem entsandten Mitarbeiter und der ausländischen Tochtergesellschaft unterliegt deshalb in dieser Konstellation grds. dem ausländischen Arbeitsortsrecht 177. Dagegen soll für den Rumpfarbeitsvertrag mit der deutschen Muttergesellschaft deutsches Recht maßgeblich sein. Soweit ersichtlich herrscht über dieses Ergebnis Einigkeit. Die Begründungen indes variieren. Vereinzelt ist die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf den Rumpfarbeitsvertrag schlicht behauptet worden 178. Andere Stimmen in der Literatur gehen insoweit von einer stillschweigenden Rechtswahl aus. Fehle es daran, so sei das deutsche Recht über Art. 30 I I Nr. 2 EGBGB als das Recht der einstellenden Niederlassung berufen 179. Der Rückgriff auf Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB vermag allerdings nicht zu überzeugen, weil diese Regelanknüpfung nur dann angewendet werden kann, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit nicht gewöhnlich in ein und demselben Staat verrichtet. In den hier zu behandelnden Fällen wird der entsandte Mitar175 Däubler, RIW 1987, S. 249, 254; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220, 223; Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S. 63; Soergel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 52. 176 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 216, Fn. 229. 177 Soegel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 52; Däubler, RIW 1987, S. 249, 254; vgl. auch Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 149. 178 Däubler, RIW 1987, S. 249, 254: Der Rumpfarbeitsvertrag unterliege „eindeutig" deutschem Recht. 179 Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 151.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

beiter nun aber ausschließlich am Sitz der ausländischen Tochtergesellschaft tätig, so daß sich ein gewöhnlicher Arbeitsort sehr wohl bestimmen läßt. Nach wieder anderer Ansicht soll das deutsche Recht mittels einer analogen Anwendung des Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB anwendbar sein 180 . Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheide aus, weil diese an den Ort der Arbeitserbringung anknüpfe, die diesbezügliche Hauptpflicht des Arbeitnehmers aber im Hauptarbeitsvertrag geregelt sei. Aus derselben Erwägung heraus will Junker das Statut des Rumpfarbeitsvertrages nicht über Art. 30 I I EGBGB bestimmen. Aufgrund der Suspendierung der Hauptpflichten handele es sich bei dem Vertrag mit dem Stammunternehmen überhaupt nicht um einen Arbeitsvertrag, so daß auf die allgemeinen Regeln der Artt. 27,28 EGBGB zurückgegriffen werden müsse181. Die Vermutung des Art. 28 Π EGBGB führe dann zum Recht des bisherigen Arbeitgebers, da dieser die charakteristische Leistung (Absicherung des Arbeitnehmers) erbringe. Junker zieht insoweit eine Parallele zu der Anknüpfung von Garantieversprechen oder Patronatserklärungen 182. Trotzdem ist es aber wenig einleuchtend, das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Stammunternehmen vor der Entsendung und nach der Rückkehr aus dem Ausland arbeitsvertraglich zu qualifizieren, das Rumpfarbeitsverhältnis dann aber über Art. 28 EGBGB anzuknüpfen. Vielmehr sollte auch dieser Vertrag in den Anwendungsbereich des Art. 30 EGBGB fallen 183 . Unterliegt allerdings der Hauptarbeitsvertrag nach Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB dem ausländischen Recht, so kann es in der Tat nicht überzeugen, dieses Recht auch auf den Rumpfarbeitsvertrag mit der deutschen Muttergesellschaft anzuwenden. Schon in anderem Zusammenhang hatte es sich gezeigt, daß ein schützenswertes Interesse daran bestehen kann, die Zusatzvereinbarung zu einem bestimmten Vertrag ihrem eigenen Recht folgen zu lassen184. Die Rechtsprechung hat dabei die gewünschte kollisionsrechtliche Selbständigkeit mit Hilfe der Ausweichklausel sichergestellt 185 . Dieser Gedanke ist auf die Anknüpfung des Rumpfarbeitsvertrages zu übertragen. Führt also Art. 30 I I Nr. 1 EGBGB zum Recht des ausländischen Arbeitsortes, so unterliegt das Rumpfarbeitsverhältnis dennoch über Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB weiterhin dem deutschen Recht, da ein Statutenwechsel dem Sinn und Zweck dieses Vertrages zuwiderliefe 186. Die ins Auge gefaßte zusätzliche Absicherung des ins Ausland entsandten Mitarbeiters könnte nämlich ansonsten nicht sinnvoll erreicht werden.

180 Oberklus, Entsandte Mitarbeiter, S. 62. 181 Junker, Int. ArbR im Konzern, S. 217. 182 Ausführlich hierzu s.o. § 16. V. 183 Ebenso Soergel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 52; Heilmann, Arbeitsvertragsstatut, S. 151; wohl auch Däubler, RIW 1987, S. 249,254; E. Lorenz, RdA 1989, S. 220,223. 184 Siehe oben § 16. IX 2. 185 Vgl. BGH NJW 1996, S. 2569, 2570 = L M Art. 28 EGBGB Nr. 3 (Garantieerklärung); OGH ZfRV 29 (1988), S. 303, 307 (Ausfallshaftung des inländischen Arbeitgebers). 186 Zutreffend Soergel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 52.

§2

Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel

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§ 21 Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel Ebenso wie bei Art. 28 V EGBGB gilt es nun auch für Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB herauszuarbeiten, in welchen Konstellationen in erster Linie ein Abweichen von der Regelanknüpfung in Betracht kommt. Anschließend sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Handhabung beider Ausweichklauseln aufgezeigt werden.

I. Anwendungsfälle des Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB 7. Isoliertheit

der Regelanknüpfung

Vor allem im Anwendungsbereich des Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB sind Fallgestaltungen denkbar, in denen die Regelanknüpfung als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB richtigerweise das Recht der vertragsschließenden Niederlassung zur Anwendung beruft 187. Der in mehreren Staaten tätige Arbeitnehmer wird seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nun aber nicht immer im Einstellungsstaat haben. Auch muß die Organisation des Arbeitsverhältnisses nicht notwendigerweise von der einstellenden Niederlassung aus erfolgen 188. Weisen die soeben genannten Umstände zudem übereinstimmend auf ein anderes Recht, so liegt ein Eingreifen der Ausweichklausel nahe. Dagegen kann bei Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB seltener von einer Isoliertheit der Regelanknüpfung gesprochen werden. Häufig fällt nämlich zumindest der gewöhnliche Aufenthalt des Arbeitnehmers mit dem Arbeitsort zusammen189. Ist die für einen inländischen Arbeitgeber ausschließlich im Ausland erfolgende Beschäftigung des Arbeitnehmers allerdings von so kurzer Dauer, daß überhaupt kein gewöhnlicher Aufenthalt am Arbeitsort begründet wird 190 , dann sollte über Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB vom ordentlichen Verweisungsbefehl abgewichen werden. Dies gilt jedenfalls für den Fall, daß keine weiteren Verbindungen zum Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes bestehen191.

187 Siehe oben § 20.12. iss Siehe oben § 20. II 2 a. 189 Allein dieser Umstand rechtfertigt indes nicht in allen Fällen ein Festhalten an der Regelanknüpfung, s.o. § 20. II 2 c. 190 Vgl. das von Soergel/von Hoffmann, Art. 30 EGBGB, Rdnr 50 gebildete Beispiel. 191 Insoweit ist vor allem die (gemeinsame) Staatsangehörigkeit der Parteien bedeutsam.

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3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

2. Staatsangehörigkeit

als Einstellungsvoraussetzung

Weiterhin kommt ein Eingreifen des Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB in Betracht, falls der Arbeitgeber bei der Einstellung besonderen Wert auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers legt. Vor allem aus diesem Grund wurden etwa die Arbeitsverträge amerikanischer Piloten mit einer amerikanischen Fluggesellschaft selbst dann dem US-amerikanischen Recht unterstellt, wenn der Pilot ganz überwiegend auf innerdeutschen Strecken zum Einsatz kam und deshalb seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hatte 192 . Ebensowenig genügt bei den Ortskräften, die ausschließlich bei einer (ausländischen) Zweigstelle ihres Arbeitgebers beschäftigt werden, allein die gemeinsame Staatsangehörigkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer für eine Durchbrechung der Regelanknüpfung. Vielmehr ist auch hier zu fordern, daß die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers zu den Einstellungsvoraussetzungen zählt 193 . Ähnliche Erwägungen können zudem bei den Arbeitsverträgen der entsandten Mitarbeiter ausnahmsweise zu einer Anwendung der Ausweichklausel führen. Nach der hier vertretenen Ansicht führt allerdings nur der endgültige bzw. als endgültig gewollte Wechsel ins Ausland dazu, daß über Art. 30 II Nr. 1 EGBGB das Recht des neuen ausländischen Arbeitsortes zur Anwendung gelangt194. Auch bei vorgesehener Wiederbeschäftigung im Entsendungsstaat kann aber über Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB an das am ausländischen Arbeitsort geltende Recht anzuknüpfen sein, falls die dem entsandten Mitarbeiter übertragenen Aufgaben notwendigeroder sinnvollerweise nur von einem Einheimischen wahrgenommen werden kön-

3. Anwerbung im Heimatstaat des Arbeitnehmers Insbesondere im internationalen Seearbeitsrecht spielt zudem der Anwerbeort des Arbeitnehmers eine nicht unerhebliche Rolle. Sofern der Seemann dabei nicht ausnahmsweise nur in den Hoheitsgewässern eines einzigen Staates tätig wird, unterliegen die Heuerverträge gemäß Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB dem Recht der einstellenden Niederlassung196. Diese Regelanknüpfung kann nun aber über Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB durchbrochen werden, falls die Anwerbung der Seeleute in ihrem Heimatstaat zu den dort üblichen Bedingungen erfolgt 197. Insoweit besteht nämlich kein wesentlicher Unterschied zu der Konstellation, daß der Seemann den Heuer192 193 194 195 196 197

Siehe oben § 20. II 2 a. Siehe oben § 20. II 2 c. Siehe oben § 20.11. Siehe oben § 20. II 2 d aa. Siehe oben § 20.1 3 b. Siehe oben § 20. II 2 b.

§2

Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel

319

vertrag mit einer in seinem Heimatland ansässigen Niederlassung des Reeders abschließt. 4. Schützenswertes Interesse an der kollisionsrechtlichen einer Zusatzvereinbarung

Selbständigkeit

Schließlich kann der Arbeitnehmer im Einzelfall auch ein schützenswertes Interesse an der kollisionsrechtlichen Selbständigkeit einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag haben. Als Beispiel lassen sich etwa die entsandten Mitarbeiter mit doppeltem Arbeitsverhältnis nennen. Untersteht nämlich der Hauptarbeitsvertrag eines ins Ausland entsandten Mitarbeiters nach Art. 30 II Nr. 1 EGBGB dem ausländischen Arbeitsortsrecht, so kann dieses Rechtrichtigerweise nicht auch auf den Rumpfarbeitsvertrag mit der deutschen Muttergesellschaft Anwendung finden. Vielmehr bleibt für das Rumpfarbeitsverhältnis über Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB weiterhin das deutsche Recht maßgeblich, weil ansonsten nämlich die angestrebte zusätzliche Absicherung des Arbeitnehmers nicht erreicht werden könnte198. Entsprechendes gilt für eine Ausfallshaftung, die auch für den Fall übernommen wird, daß der ausländische Arbeitgeber den geschuldeten Arbeitslohn wegen Gesetzesänderungen am Arbeitsort nicht mehr auszuzahlen vermag 199.

IL Bedeutung einzelner Anknüpfungsmomente I. Niederlassung bzw. gewöhnlicher Aufenthalt der Parteien Das BAG rechnet im Rahmen der Ausweichklausel bekanntlich nur den (Haupt)Sitz des Arbeitgebers, nicht aber den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Arbeitnehmers zu den primären Abwägungskriterien 200. Auch die vorstehende Untersuchung des Arbeitsvertragsstatuts hat gezeigt, daß allein der Wohnsitz des Arbeitnehmers am Arbeitsort nicht immer ein Festhalten an der Regelanknüpfung rechtfertigt. Trotzdem kommt diesem Umstand aber höhere Bedeutung zu als manch anderen sekundären Abwägungskriterien. Dies sollte bei der Handhabung des Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB nicht unberücksichtigt bleiben.

2. Staatsangehörigkeit

der Parteien

Die Staatsangehörigkeit der Parteien spielt eine erhebliche Rolle für die Anknüpfung der Arbeitsverträge und zählt daher zu Recht zu den primären Abwäge Siehe oben § 20. II 2 d bb. 199 Vgl. OGH ZfRV 29 (1988), S. 303, 307; siehe dazu schon oben § 16. IX 2. 200 Siehe oben § 20. II 1.

320

3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

gungskriterien. Allerdings führt auch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit von Arbeitgeber und -nehmer nicht zwangsläufig zu einer Durchbrechung der Regelanknüpfung. Entscheidend ist vielmehr in erster Linie, ob die Einstellung des Arbeitnehmers gerade auch im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat erfolgt ist. Sollte dies der Fall sein, so spricht viel dafür, das gemeinsame Heimatrecht der Parteien mittels der Ausweichklausel für anwendbar zu erklären. Dies gilt jedenfalls dann, wenn noch weitere sekundäre Anknüpfungsmomente auf dieses Recht hindeuten.

3. Abschlußort des Vertrages Der Abschlußort des Arbeitsvertrages ist im Rahmen des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB grds. nur von untergeordneter Bedeutung. Anders stellt sich die Situation indes dar, falls Beauftragte, Vertragsmakler oder Heueragenten ausländische Arbeitnehmer direkt in ihrem Heimatland anwerben201. In solchen Fällen besteht die engste Verbindung des Vertrages häufig zu dem Recht des Anwerbeortes, das allerdings durch die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz des Arbeitnehmers verstärkt wird. Auch hier bleibt aber im Anwendungsbereich des Art. 30 Π Nr. 1 EGBGB für ein Eingreifen der Ausweichklausel weniger Raum als in dem Fall, daß Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB den ordentlichen Verweisungsbefehl ausspricht.

4. Vertragssprache

und -Währung

Die Vertragssprache findet im internationalen Arbeitsrecht ebenso wie die vereinbarte Währung mitunter ergänzend Berücksichtigung. Allein diese Umstände rechtfertigen aber weder ein Festhalten an der Regelanknüpfung noch eine Durchbrechung derselben.

5. Sonstige sekundäre Abwägungskriterien Erhebliches Gewicht für die Anknüpfung der Arbeitsverträge wird allerdings nicht selten noch dem Registrierungsland von Flugzeugen202 und dem Recht der Flagge203 zuerkannt. Die obigen Ausführungen haben aber verdeutlicht, daß beide Umstände weder die Regelanknüpfung bezeichnen noch für ein Eingreifen der Ausweichklausel von besonderer Bedeutung sind. Folglich handelt es sich insoweit eindeutig um sekundäre Abwägungskriterien, die lediglich zur Verstärkung anderer

201 Siehe oben § 20. II 2 b. 202 Siehe oben § 20.13 a. 203 Siehe oben § 20.1 3 b.

§ 21 Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklausel

321

primärer Anknüpfungsmomente, wie etwa dem Hauptsitz des Arbeitgebers, dienen können. Dieselbe Funktion kommt auch dem Recht zu, nach dem der Arbeitnehmer sozial abgesichert ist. Weiterhin kann der Ort zu berücksichtigen sein, von dem aus das Arbeitsverhältnis faktisch dirigiert wird. Insbesondere der letzte Umstand kann dabei sicherlich im Einzelfall von erheblich größerer Bedeutung sein als etwa die Vertragssprache oder die vereinbarte Währung.

III. Zusammenfassung Bewertet man das Gewicht der einzelnen Anknüpfungsmomente für Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB, so läßt sich zunächst feststellen, daß der vom BAG vorgenommenen Einteilung in primäre und sekundäre Abwägungskriterien 204 im wesentlichen zu folgen ist. Gewisse Modifikationen sind aber doch angebracht. So darf nicht übersehen werden, daß die Staatsangehörigkeit der Parteien vor allem dann von ausschlaggebender Bedeutung ist, wenn sie bei der Einstellung des Arbeitnehmers eine Rolle gespielt hat. Weiterhin sollte der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt des Arbeitnehmers nicht ohne weiteres mit anderen sekundären Abwägungskriterien auf eine Stufe gestellt werden. Schließlich können im Rahmen der Ausweichklausel neben der Vertragssprache und -Währung sowie dem Abschlußort des Vertrages auch noch weitere Umstände zumindest ergänzend zu berücksichtigen sein 205 .

IV. Vergleich mit der Handhabung des A r t 28 V EGBGB Die hauptsächlichen Anwendungsfälle des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB weisen deutliche Parallelen zu denen des Art. 28 V EGBGB 206 auf. So kann auch hier von der Regelanknüpfung abgewichen werden, wenn diese als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint oder wenn ein schützenswertes Parteiinteresse an einer bestimmten kollisionsrechtlichen Behandlung einer Zusatzvereinbarung besteht. Der für Art. 28 V EGBGB wichtige Gesichtspunkt der Vertragsabwicklung spielt im Rahmen des Art. 30 I I Halbs. 2 EGBGB jedoch eine geringere Rolle, weil dieser Umstand bereits bei der Wahl der maßgeblichen Regelanknüpfung berücksichtigt wird. Dafür kommt der Staatsangehörigkeit der Parteien im internationalen Arbeitsrecht etwas größere Bedeutung zu, was insbesondere auf den stärkeren personenrechtlichen Einschlag dieser Vertragsverhältnisse zurückzuführen ist. Grundsätzliche Unterschiede in der Handhabung der Ausweichklauseln lassen sich aber nicht feststellen. 204 Siehe oben § 20. II 1. 205 Siehe oben §21. II 5. 206 Vgl. dazu oben § 19.1. 21 Geisler

322

3. Teil, 5. Kap.: Arbeitsertragsstatut

Vor allem finden sich keine Anhaltspunkte für die häufig vertretene Ansicht, den Regelanknüpfungen des Art. 30 Π EGBGB komme deshalb eine höhere Verbindlichkeit zu, weil diese anders als Art. 28 Π-IV EGBGB keine bloßen Vermutungstatbestände enthielten207. In der Praxis ist nun aber insbesondere ein Abweichen von Art. 30 Π Nr. 2 EGBGB keineswegs an höhere Anforderungen geknüpft als eine Durchbrechung der Regelanknüpfung bei Art. 28 ΠΙ oder IV EGBGB. Eher das Gegenteil ist der Fall. Ein wichtiges Indiz für die übereinstimmende Regelungstechnik von Art. 28 und 30 Π EGBGB ist weiterhin die Tatsache, daß nicht selten für eine eigenständige dritte Anknüpfungsalternative des Art. 30 Π EGBGB plädiert wird. Danach soll es - ebenso wie bei Art. 28 I EGBGB - möglich sein, das Arbeitsvertragsstatut unmittelbar im Wege einer Gesamtabwägung aller in Betracht kommenden Umstände zu bestimmen208. Allerdings wird diese Ansicht der strikten Alternativität der beiden Regelanknüpfungen des Art. 30 Π EGBGB nicht gerecht und ist daher abzulehnen209. Der Unterschied zu Art. 28 EGBGB besteht indes in der Tat nur darin, daß bei Art. 30 Π EGBGB immer zuerst die maßgebliche Regelanküpfung ermittelt werden muß, während dies im internationalen Schuldvertragsrecht nicht in allen Fällen möglich ist. Trotzdem liegt aber die Generalklausel der engsten Verbindung auch dem Art. 30 Π EGBGB zugrunde. Wenn also Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB eine Durchbrechung der Regelanknüpfung gestattet, dann nur deshalb, weil der ordentliche Verweisungsbefehl im konkreten Einzelfall nicht dem Gedanken der engsten Verbindung entspricht. Da dem Rechtsanwender mittels der Ausweichklausel eine entsprechende Korrekturmöglichkeit eingeräumt wird, stellen mithin auch die gesetzlichen Konkretisierungen des Art. 30 Π EGBGB lediglich Regelbeispiele der engsten Verbindung dar 210 . Diese abgeschwächte Verbindlichkeit der Kollisionsnorm kommt in Art. 28 EGBGB deutlicher zum Ausdruck, weil hier das Gesetz selbst von Vermutungen spricht. In der Sache ergibt sich aber auch bei Art. 30 II EGBGB nichts anderes, da die Anknüpfung eben gerade nicht starr ausgestaltet ist, sondern vielmehr unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Ausweichklausel steht.

207 So etwa Ganzert, Int. Arbeitsverhältnis, S. 41; Mankowski, RabelsZ 53 (1989), S. 487, 490; ders., Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 459; Hönsch, NZA 1988, S. 113, 114; Eßlingen Heuervertrag, S. 51; Hepting, Fschr. W. Lorenz, S. 393, 408. Wie hier aber Basedow, NJW 1986, S. 2971,2978; Hohloch, JuS 1989, S. 81, 88. 208 Drobnig, BerDGesVR 31 (1990), S. 31, 62; Puttfarken, See-ArbR, S. 11; ders., RIW 1995, S. 617, 624; Lagoni, JZ 1995, S. 499, 502; vgl. auch BAG IPRspr. 1989 Nr. 72 = AP Nr. 30 zu IPR (ArbR) = IPRax 1991, S. 407, 409; BAG AP Nr. 32 zu IPR (ArbR) = IPRax 1996, S. 416,418. 209 Siehe oben § 20.1. 210 Ausführlich zur methodologischen Einordnung der Ausweichklausel s.o. § 7. III 3.

§ 22 Internationales Bereicherungsrecht

323

Sechstes Kapitel

Außervertragliches Schuld- und Sachenrecht Nach Fertigstellung des Manuskripts für die vorliegende Arbeit ist am Ol. 06. 1999 das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen in Kraft getreten1. Dadurch ist die Kodifikation des deutschen Kollisionsrechts weitgehend abgeschlossen worden. Der Gesetzgeber hat sich dabei in Art. 41 und 46 EGBGB auch der Regelungstechnik der Ausweichklausel bedient. Die in Artt. 38 ff. EGBGB normierten Regelanknüpfungen sollen nämlich dann nicht zur Anwendung kommen, wenn eine wesentlich engere Verbindung mit dem Recht eines anderen Staates besteht2. Aus diesem Grund ist die Neuregelung des IPR auch für die hier behandelten Fragen von Bedeutung. Allerdings würde eine umfassende Untersuchung des internationalen Bereicherungs-, Delikts- und Sachenrechts sowie der Geschäftsführung ohne Auftrag im IPR den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen. Deshalb sollen im folgenden lediglich kurz die wesentlichen Anknüpfungsgrundsätze dargestellt werden. Gleichzeitig werden diejenigen Konstellationen aufgezeigt, in denen ein Eingreifen der neu geschaffenen Ausweichklauseln in Betracht kommen kann. Auf diese Weise lassen sich dann auch etwaige Unterschiede zur Handhabung der Ausweichklauseln in Art. 28 V EGBGB und Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB herausarbeiten.

§ 22 Internationales Bereicherungsrecht I. Regelanknüpfungen, A r t 38 EGBGB Bei der Anknüpfung der Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung differenziert Art. 38 EGBGB nach der Art der Bereicherung. So unterliegen Leistungskondiktionen nach Art. 38 I EGBGB dem Statut des Rechtsverhältnisses, auf das die Leistung bezogen ist. Für Eingriffskondiktionen wird demgegenüber eine Anknüpfung an den Eingriffsort statuiert, Art. 38 Π EGBGB. In allen sonstigen Fällen sollen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß Art. 38 ΠΙ EGBGB nach dem Recht des Staates zu beurteilen sein, in dem die Bereicherung eingetreten ist. Die Anknüpfung von Bereicherungsansprüchen wegen rechtsgrundloser Leistung an das Schuldstatut, dem die Leistungsbeziehung unterliegt, war dabei durch die Regelung des Art. 32 I Nr. 5 EGBGB vorgezeichnet3. Bei einem unwirksamen Schuldvertrag folgt die Maßgeblichkeit des Vertragsstatuts für die Rückabwick1 BGBl. 19991S. 1026 = IPRax 1999, S. 285-286. Siehe dazu bereits oben § 7. II 3+4. 3 Wagner, IPRax 1998, S. 429,431; Th. Pfeiffer, 2

21*

NJW 1999, S. 3674, 3675.

324

3. Teil, 6. Kap.: Außervertragliches Schuld- und Sachenrecht

lung aber nicht etwa aus Art. 38 I EGBGB4, sondern bereits aus Art. 32 I Nr. 5 EGBGB5. Die Eingriffskondiktion wurde vor der Gesetzesreform häufig dem Recht unterstellt, nach welchem die Vermögensverschiebung eingetreten ist6. Nunmehr ist im Falle des Eingriffs in ein geschütztes Interesse das Recht des Staates maßgeblich, in dem der Eingriff geschehen ist7. Eingriffsort ist dabei sowohl der Handlungsals auch der Erfolgsort 8. Durch diese Anknüpfung soll der Gleichlauf mit dem Deliktsstatut ermöglicht werden9. Zudem paßt das Recht der belegenen Sache nicht für Eingriffe in nichtverkörperte Güter 10. Keine Anwendung findet Art. 38 Π EGBGB für Eingriffe in Immaterialgüterrechte 11. Art. 38 ΠΙ EGBGB bildet einen Auffangtatbestand für alle sonstigen rechtsgrundlosen Vermögensverschiebungen. Als Beispiele lassen sich etwa die Rückforderung sog. abgeirrter Leistungen oder die rechtsgrundlose (aufgedrängte) Verwendung auf fremdes Gut nennen12. Maßgebend ist dann das Recht des Ortes, an dem die Bereicherung eingetreten ist. Dies wird im Regelfall der Aufenthaltsort des Empfängers oder der Lageort eines Grundstücks sein, an dem Wertsteigerungen vorgenommen wurden13. IL Eingreifen der Ausweichklausel Die soeben dargestellten Regelanknüpfungen werden nach Art. 41 I EGBGB durchbrochen, wenn eine wesentlich engere Verbindung mit dem Recht eines anderen Staates besteht. Eine solche wesentlich engere Verbindung kann sich dabei aus einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis (Art. 41 Π Nr. 1 EGBGB) oder aus dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten im Zeitpunkt des rechtserheblichen Geschehens (Art. 41 Π Nr. 2 EGBGB) ergeben. Das Gesetz be4 So aber Busse, RIW 1999, S. 16, 18. 5 Palandt/Heldrich, Art. 38 EGBGB, Rdnr 2; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2211; vgl. auch BT-Drucks. 14/343, S. 8, wo Art. 321 Nr. 5 EGBGB als „vorrangige Spezialregelung" bezeichnet wird. 6 Ausführlich zur bisherigen Rechtslage Busse, Int. BereicherungsR, S. 126 ff.; Plaßmeier, Ungerechtfertigte Bereicherung im IPR, S. 374 ff. 7 Anders als noch der RefE 1993 erfaßt Art. 38 I I EGBGB nicht nur den „Eingriff in einen fremden Gegenstand", sondern jeden Eingriff in ein rechtlich geschütztes Interesse. 8 von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 5; Palandt/Heldrich, Art. 38 EGBGB, Rdnr 3. 9 BT-Drucks. 14/343, S. 8; Wagner, IPRax 1999, S. 210; Λ. Staudinger, DB 1999, S. 1589; Palandt /Heldrich, Art. 38 EGBGB, Rdnr 3. 10 BT-Drucks. 14/343, S. 8; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2211. 11 Insoweit bleibt es bei der Anknüpfung an das Recht des Schutzlandes, vgl. nur Palandt/ Heldrich, Art. 38 EGBGB, Rdnr 3 m. w. N. 12 BT-Drucks. 14/343, S. 9; Schlechtriem, IPRax 1995,65, 70. 13 A. Staudinger, DB 1999, S. 1589; Palandt/Heldrich, Art. 38 EGBGB, Rdnr 4.

§ 22 Internationales Bereicherungsrecht

325

schränkt den Anwendungsbereich des Art. 41 Π Nr. 2 EGBGB indes ausdrücklich auf die Fälle des Art. 38 Π und ΠΙ EGBGB, weshalb für Leistungskondiktionen eine Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ausgeschlossen ist 14 . Dagegen gilt Art. 42 Π Nr. 1 EGBGB seinem Wortlaut nach auch für die Regelanknüpfung des Art. 38 I EGBGB. Trotzdem ist vertreten worden, daß eine nichtakzessorische Anknüpfung der Zuwendungsfälle von vornherein nicht in Betracht komme15. Die überwiegende Ansicht hält es dagegen zu Recht für grds. möglich, auch Leistungskondiktionen über Art. 41 EGBGB abweichend anzuknüpfen 16. Richtig ist allerdings, daß der Zusammenhang mit dem Rechtsverhältnis, auf das die Leistung bezogen ist, einer Anwendung der Ausweichklausel in aller Regel entgegenstehen wird. Erheblich größere Bedeutung gewinnt die Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB für die Regelanknüpfungen nach Art. 38 Π und ΙΠ EGBGB. Insoweit kommt nämlich eine Durchbrechung des ordentlichen Verweisungsbefehls nicht nur bei Bestehen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 41 Π Nr. 2 EGBGB) sondern auch dann in Betracht, wenn ein Gleichlauf mit vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen sinnvoll erscheint. Deshalb kann über Art. 41 Π Nr. 1 EGBGB etwa eine Sonderbeziehung rechtlicher (ζ. B. Vertrag) oder tatsächlicher Art (etwa aus sozialem) Kontakt zu berücksichtigen sein, sofern das bereicherungsrechtlich erhebliche Geschehen hiermit in Zusammenhang steht17. Mithin ist es auch möglich, die Eingriffskondiktion einmal akzessorisch an einen Vertrag anzuknüpfen 18. Auf diese Weise läßt sich dann auch die zuweilen schwierige Grenzziehung zwischen Bereicherung durch Leistung oder durch Eingriff vermeiden19. Schließlich kann Art. 41 EGBGB zur Anwendung gelangen, wenn Eingriffshandlungs- und erfolgsort auseinanderfallen 20. Dies ist etwa bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten nicht selten der Fall. Hier sollte ein Gleichlauf zwischen Delikts- und Bereicherungsrecht angestrebt werden, wobei das Bestehen einer wesentlich engeren Verbindung zu einem Staat im Einzelfall zur Einschränkung der Wahl zwischen Handlungs- und Erfolgsort führen kann21.

14 von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 7; Palandt/Heldrich, Art. 41 EGBGB, Rdnr 5; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209,2211. 15 Busse, RIW 1999, S. 16,19. 16 BT-Drucks. 14/343, S. 13; Schlechtriem, IPRax 1995, S. 65, 70; Wagner, IPRax 1998, S. 429,434; A. Staudinger, DB 1999, S. 1589, 1590. π BT-Drucks. 14/343, S. 13; Kegel/Schurig, IPR, § 18 III, S. 619; Palandt/Heldrich, Art. 41 EGBGB, Rdnr 4. is von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 7. 19 Schlechtriem, IPRax 1995, S. 65,70 mit Beispielen. 20 In einem solchen Fall ist analog Art. 401 EGBGB ubiquitär an den Handlungs- und Erfolgsort anzuknüpfen, Palandt /Heldrich, Art. 38 EGBGB, Rdnr 3; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2211. 2 1 Vgl. dazu BT-Drucks. 14/343, S. 13; von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 5; Schlechtriem, IPRax 1995, S. 65,70.

326

3. Teil, 6. Kap.: Außervertragliches Schuld- und Sachenrecht

§ 23 Geschäftsführung ohne Auftrag im IPR I. Regelanknüpfungen, Art. 39 EGBGB Gesetzliche Ansprüche aus der Besorgung eines fremden Geschäfts unterliegen nach Art. 39 I EGBGB dem Recht des Staates, in dem das Geschäft vorgenommen worden ist 22 . Für die Fälle der Hilfe für andere führt diese Regelanknüpfung zur Anwendung des am Ort der Hilfeleistung geltenden Rechts23. Diese Anknüpfung sichert daher einen gewissen Gleichlauf mit dem Statut der Eingriffskondiktion nach Art. 38 Π EGBGB und dem Deliktsstatut gemäß Art. 401 EGBGB 24 . Bei sukzessiven Handlungen in mehreren Rechtsgebieten sollte das Recht des Staates maßgeblich sein, in dem die Hilfeleistung ganz überwiegend erbracht worden ist 25 . Ansprüche aus der Tilgung einer fremden Verbindlichkeit unterliegen dagegen gemäß Art. 39 Π EGBGB dem Recht, das auf die Verbindlichkeit anzuwenden ist. Der Regreß des Zahlendenrichtetsich folglich nach dem Schuldstatut26. Π. Eingreifen der Ausweichklausel Eine Durchbrechung der Regelanknüpfung kommt im Fall der Geschäftsführung ohne Auftrag zunächst dann in Betracht, wenn zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn im Zeitpunkt der Geschäftsführung eine Sonderbeziehung besteht, Art. 41 Π Nr. 1 EGBGB. Insoweit ist insbesondere der Fall zu nennen, daß das Geschäft durch einen Vertrag zwar nicht gedeckt, wohl aber veranlaßt worden ist 27 . Die akzessorische Anknüpfung vermeidet hier Qualifikations- und Anpassungsprobleme28. So kann es etwa schwer zu bestimmen sein, ob ein Verwahrer Maßnahmen für das verwahrte Gut im Rahmen einer vertraglichen Schutzpflicht oder auftragslos im Interesse des Hinterlegers vorgenommen hat 29 . Ebenso kann es geboten sein, Aufwendungen des deliktischen Schädigers, die er zur Minderung des entstandenen Schadens vornimmt, dem Deliktsstatut zu unterstellen30. Weiterhin kann der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt von Geschäftsherrn und Geschäftsführer zu einer Durchbrechung des ordentlichen Verweisungsbefehls führen, Art. 41 Π Nr. 2 EGBGB. Allerdings dürfte dies vor allem für die Regelan22 Zur Rechtslage vor der Reform vgl. statt aller Wandt, GoA im IPR, S. 119 ff. 23 BT-Drucks. 14/343, S. 9. 24 Palandt / Heldrich, Art. 39 EGBGB, Rdnr 1. 25 BT-Drucks. 14/343, S. 9; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2212. 26 von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 12; Kegel/Schurig, IPR, § 18 II, S. 613; A. Staudinger, DB 1999, S. 1589, 1590. 27 Kegel/Schurig, IPR, § 18 II, S. 614; Palandt IHeldrich, Art. 41 EGBGB, Rdnr 4. 28 BT-Drucks. 14/343, S. 13; von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 14. 29 Vgl. BT-Drucks. 14/343, S. 13. 30 BT-Drucks. 14/343, S. 10; zustimmend von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 14.

§ 23 Geschäftsführung ohne Auftrag im IPR

327

knüpfung nach Art. 39 I EGBGB gelten, weil bei Zahlung einer fremden Schuld zumeist mehr für die von Art. 39 Π EGBGB angeordnete Maßgeblichkeit des Schuldstatuts sprechen dürfte 31. Aber auch ansonsten führt das gemeinsame Aufenthaltsrecht der Beteiligten nicht notwendigerweise zu einem Eingreifen der Ausweichklausel. Die Anknüpfung an den Vornahmeort muß aber jedenfalls dann zurücktreten, wenn neben dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt auch noch die übereinstimmende Staatsangehörigkeit auf ein anderes Recht weist32. Als Anwendungsfälle des Art. 41 I EGBGB kommen daneben die mehraktige Geschäftsführung in verschiedenen Staaten sowie die (seltenen) Fälle des Auseinanderfallens von Handlungs- und Erfolgsort der Geschäftsführung in Betracht33. Ein Statutenwechsel sollte in diesen Fällen nämlich nach Möglichkeit verhindert werden34. Schließlich wird ein Eingreifen der Ausweichklausel im Gesetzesentwurf auch noch für die Anknüpfung der Ansprüche wegen Hilfeleistung auf hoher See befürwortet 35. Anstelle der ursprünglich vorgesehenen Anwendung des Heimatrechts des hilfsbedürftigen Schiffes sollte über die allgemeinen Vorschriften des Art. 41 EGBGB eine flexiblere Anknüpfung ermöglicht werden36. Ein Eingreifen der Ausweichklausel setzt indes immer voraus, daß überhaupt eine Regelanknüpfung einschlägig ist. Die von Art. 39 I EGBGB angeordnete Anwendung des Rechts des Vomahmeortes geht jedoch in den Fällen der Hilfeleistung auf hoher See mangels räumlicher Anbindung an einen Staat ins Leere 37. Sofern also keine völkerrechtlichen Übereinkommen einschlägig sind38, muß das anwendbare Recht direkt nach dem Grundsatz der engsten Verbindung ermittelt werden. Die Methode der Rechtsfindung entspricht daher den Fällen des Art. 28 I EGBGB. Auch dort muß der Rechtsanwender die engste Verbindung unmittelbar selbst konkretisieren, wenn keine der Regelanknüpfungen des Art. 28 Π-IV EGBGB einschlägig ist 39 .

31 Vgl. Wandt, GoA im IPR, S. 186; Soergel ! Lüderitz, Anh. I zu Art. 38 EGBGB, Rdnr 14. 32 Kegel/Schurig, IPR, § 18 Π, S. 615; von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 15; jeweils in Anlehnung an OLG Düsseldorf IPRspr. 1982 Nr. 25 = RIW 1984, S. 481. 33 Th. Pfeiffer, NJW 1999, S. 3674, 3675. 34 Spickhoff, NJW 1999, S. 2209,2212. 35 BT-Drucks. 14/343, S. 9. 36 Für ein Eingreifen des Art. 41 EGBGB in diesen Fällen auch Spickhoff, NJW 1999, S. 2209,2212. 37 So mit Recht von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 11. 38 Hier ist vor allem das Brüsseler Übereinkommen über die Hilfeleistung und Bergung in Seenot vom 23. 09. 1910 (RGBl. 1913,66) zu nennen, vgl. dazu Kegel/Schurig, IPR, § 18 II, S. 615. 39 Vgl. dazu oben § 15.

328

3. Teil, 6. Kap.: Außervertragliches Schuld- und Sachenrecht

§ 24 Internationales Deliktsrecht I. Regelanknüpfungen, Art. 40 EGBGB Das Internationale Deliktsrecht war bisher nur rudimentär in Art. 38 EGBGB a.F. geregelt. Danach unterlagen Ansprüche aus unerlaubter Handlung grds. dem Recht des Tatortes, wobei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort als Tatort angesehen wurden. Sofern Handlungs- und Erfolgsort nicht im selben Staat lagen (Distanzdelikt), galt die Ubiquitätsregel in Kombination mit dem Günstigkeitsprinzip 40 : Es mußte das für den Verletzten im Ergebnis günstigste Recht angewendet werden. Übte dieser sein Wahlrecht nicht aus, war das Gericht verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln, ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach einem der beiden Rechte begründet ist. Nunmehr unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung41 nach Art. 40 I 1 EGBGB dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der Verletzte kann aber nach Art. 401 2 EGBGB verlangen, daß anstelle des Recht des Handlungsortes das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. Mithin wird die von Amts wegen anzuwendende Alternativanknüpfung (Günstigkeitsprinzip) durch ein einseitiges Bestimmungsrecht des Verletzten abgelöst42. Dieses Bestimmungsrecht kann aber nur im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens ausgeübt werden43. Die Abkehr vom Günstigkeitsprinzip erfolgte dabei aus Gründen der Prozeßökonomie44. Ob dieses Ziel aber tatsächlich erreicht werden kann, wird bereits jetzt zu Recht in Zweifel gezogen45. Ein weiterer Unterschied zur alten Rechtslage besteht darin, daß die Regelanknüpfung an den Tatort nach Art. 40 Π 1 EGBGB 46 immer dann verdrängt wird, wenn der Ersatzpflichtige und der Verletzte zur Zeit des Haftungsereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat hatten47. Allein dieser Umstand

40 BGHZ 131, 332, 335; BGHZ 132, 105, 118; Soergel ILüderitz, Art. 38 EGBGB, Rdnr 3. 41 Der Referentenentwurf 1984 sah als Anknüpfungsgegenstand dagegen noch die „außervertragliche Haftung" vor. 42 Junker, RIW 2000, S. 241, 247; S. Lorenz, NJW 1999, S. 2215, 2217; Ρ Huber, JA 2000, S. 67; Th. Pfeiffer, NJW 1999, S. 3674, 3675; Palandt IHeldrich, Art. 40 EGBGB, Rdnr 4. 43 Dazu näher Kegel/Schurig, IPR, § 18 IV 1 a aa, S. 629; Wagner, IPRax 1998, S. 429, 433; A Staudinger, DB 1999, S. 1589,1591. 44 BT-Drucks. 14/343, S. 11. 45 von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 26; Junker, RIW 2000, S. 241, 247; Wagner, IPRax 1998, S. 429,433. Ausführlich zur Ausübung des Bestimmungsrechts Spickhoff, IPRax 2000, S. 1,5 ff. 46 Art. 41 I I Nr. 2 EGBGB kommt insoweit nicht zur Anwendung, weil es eines Rückgriffs auf die Ausweichklausel nicht bedarf.

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wurde indes bisher von der Rechtsprechung nicht als ausreichend angesehen48. Vielmehr mußten für eine Durchbrechung der Tatortregel stets verstärkende Momente hinzukommen, wie etwa die vorherige Beziehung der Deliktsbeteiligten zueinander49 oder die gemeinsame Registrierung der an einem Verkehrsunfall beteiligten Kraftfahrzeuge im Aufenthaltsstaat 50. Aufgehoben hat der Reformgesetzgeber die Rechtsanwendungsverordnung vom 07. 12. 194251, wonach bei Schädigungen deutscher Staatsangehöriger im Ausland deutsches Recht anwendbar sein sollte. An die Stelle des alten Art. 38 EGBGB, der Deutsche im Falle einer im Ausland begangenen unerlaubten Handlung vor weitergehenden Ansprüchen als nach deutschem Recht schützte52, ist nunmehr mit Art. 40 ΙΠ EGBGB eine besondere Vorbehaltsklausel getreten. Ansprüche nach fremden Recht dürfen weder wesentlich weiter gehen als zur angemessenen Entschädigung des Verletzten erforderlich (Art. 40 ΠΙ Nr. 1 EGBGB) noch offensichtlich anderen Zwecken dienen als der angemessenen Entschädigung des Verletzten (Art. 40 ΠΙ Nr. 2 EGBGB). Auf diese Weise soll mehrfacher Schadensersatz sowie Strafschadensersatz ausgeschlossen werden53. Schließlich gestattet es Art. 40 IV EGBGB dem Verletzten, seinen Direktanspruch gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen entweder nach dem Deliktsstatut oder nach dem Versicherungsvertragsstatut geltend zu machen54.

II. Eingreifen der Ausweichklausel Einen wichtigen Anwendungsfall der Ausweichklausel im internationalen Deliktsrecht stellt zunächst die akzessorische Anknüpfung an ein zwischen den Beteiligten bestehendes Rechtsverhältnis dar, Art. 41 I I Nr. 1 EGBGB. Der Grund hierfür liegt neben Zweckmäßigkeitserwägungen vor allem in der Tatsache, daß der Schwerpunkt der Beziehungen der Parteien nur unter Berücksichtigung des betreffenden Rechtsverhältnisses bestimmt werden kann, weshalb den Schutzerwägun47 Vgl. dazu Palandt/Heldrich, Art. 40 EGBGB, Rdnr 5; von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 35 ff.; ders., IPRax 1996, S. 1, 3 ff. 48 Vgl. nur BGHZ 93, 214, 216 = NJW 1985, S. 1285; BGHZ 108, 200, 202 = NJW 1989, S. 3095; BGHZ 119, 137, 142 = NJW 1992, S. 3091, 3092. 49 BGHZ 90, 294, 300 = NJW 1984, S. 2032. so Auf die besondere Bedeutung des Registrierungsortes weist mit Recht Deutsch, Int. Unfallrecht, S. 202,221 hin; vgl. auch OLG Frankfurt NJW 2000, S. 1202, 1203. 51 RGBl. IS. 706. 52 Diese Regelung hat von Hoffmann, IPRax 1995, S. 1, 7 als „Schandfleck des EGBGB" bezeichnet. 53 BT-Drucks. 14/343, S. 12; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209,2213. 54 Der BGH hatte bisher den Direktanspruch ausschließlich deliktsrechtlich qualifiziert, vgl. nur BGHZ 57,265, 270; BGHZ 119, 137, 139.

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3. Teil, 6. Kap.: Außervertragliches Schuld- und Sachenrecht

gen zugunsten des Verletzten geringeres Gewicht zukommt55. Die akzessorische Anknüpfung kann dabei sowohl an eine vertragliche als auch an eine gesetzliche oder tatsächliche Sonderbeziehung erfolgen. Als vorherige vertragsrechtliche Beziehung kommen vor allem Kauf- und Arbeitsverträge sowie Beförderungs- und Transportverträge in Betracht56. Eine über Art. 41 I I Nr. 1 EGBGB zu berücksichtigende vorherige tatsächliche Beziehung kann etwa bei Gefälligkeitsfahrten oder Reisegesellschaften zu bejahen sein57. Im letzten Fall führt der einheitliche Ausgangspunkt der Reise sowie die von diesem Staat aus erfolgende Organisation zu einer akzessorischen Anknüpfung der deliktischen Ansprüche an das Recht dieses Staates58. Gesetzliche Sonderbeziehungen ergeben sich vor allem aus dem Familienrecht. So kann es geboten sein, Delikte zwischen Ehegatten akzessorisch an das Ehewirkungsstatut anzuknüpfen59oder Ansprüche aus Verlöbnisbruch dem Verlöbnisstatut zu unterstellen60. In allen genannten Fällen ist aber stets Voraussetzung, daß sich das Delikt nicht lediglich bei Gelegenheit der Vertragserfüllung bzw. ohne den erforderlichen sachlichen Zusammenhang mit dem Sonderrechtsverhältnis ereignet hat 61 . Die zwischen den Beteiligten bestehenden tatsächlichen Beziehungen sind auch bei der Anknüpfung und Abwicklung sog. Massenschäden zu beachten. Über Art. 41 I EGBGB kann nämlich insoweit dem Bedürfnis Rechnung getragen werden, die Anspürche aus Schadensereignissen mit einer größeren Anzahl von Betroffenen demselben Sachrecht zu unterstellen62. Weiterhin ist auch denkbar, daß die Maßgeblichkeit einer engeren Verbindung nach Art. 41 I EGBGB zur Einschränkung der Wahl zwischen mehreren Tatorten führt 63. Als Beispiele lassen sich etwa gestreute Persönlichkeitsverletzungen mit nur ganz flüchtigen Erfolgen in einzelnen Staaten nennen64. Insoweit kann insbesondere von Bedeutung sein, ob Handlungs- oder Erfolgsort mit dem gewöhnlichen Aufenthalt des Verletzten übereinstimmen. Schließlich kann die Ausweicklausel auch dazu benutzt werden, die von Art. 40 Π EGBGB angeordnete Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zugunsten des Tatortes zurücktreten zu lassen. Entsprechende Konstellationen sind vor allem im internationalen Verkehrsunfallrecht denkbar. Haben die Betei55 BT-Drucks. 14/343, S. 14. 56 von Hoffmann, IPRax 1996, S. 1,6; ders., IPR, § 11, Rdnr 120. 57 Spickhoff,

IPRax 2000, S. 1,2; Palandt ! Heldrich, Art. 41 EGBGB, Rdnr 4.

58 So schon Deutsch, Int. Unfallrecht, S. 202,221. 59 von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 41. 60 P. Huber, JA 2000, S. 67, 69. Der BGH hat eine solche akzessorische Anknüpfung nach altem Recht ausdrücklich abgelehnt, BGHZ 132,105,116 = NJW 1996, S. 1411,1414. A. Staudinger, DB 1999, S. 1589,1593; von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 40. 62 Palandt/Heldrich, Art. 41 EGBGB, Rdnr 4; Wagner, IPRax 1999, S. 210, 211. 63 BT-Drucks. 14/343, S. 13; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2213. 64 Spickhoff, IPRax 2000, S. 1, 3; vgl. auch Junker, RIW 2000, S. 241,250.

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ligten ihren Lebensmittelpunkt im selben Staat, verweist Art. 40 Π EGBGB selbst dann auf das Recht des Aufenthaltsstaates, wenn sich der Unfall im gemeinsamen Heimatland der Beteiligten ereignet hat 65 . Die Anwendung des Aufenthaltsrechts soll aber dann verdrängt werden, wenn die unfallbeteiligten Fahrzeuge im Unfallstaat zugelassen und versichert sind66. Mieten etwa zwei deutsche Urlauber im Ausland jeweils einen dort zugelassenen und versicherten Mietwagen, so wird vorgeschlagen, einen Verkehrsunfall während des Urlaubs nicht dem deutschen Aufenthaltsrecht, sondern vielmehr dem ausländischen Tatortrecht zu unterstellen. In diesem Zusammenhang darf aber m.E. nicht übersehen werden, daß auch die Regelanknüpfung des Art. 40 Π EGBGB nur bei Vorliegen einer wesentlich engeren Verbindung durchbrochen werden kann. Läßt sich ein solch deutliches Übergewicht nicht feststellen, muß es bei der Regelanknüpfung verbleiben. In dem soeben geschilderten Fall wird das Aufenthaltsrecht der Parteien noch durch die gemeinsame Staatsangehörigkeit verstärkt, während für die Anwendung des Tatortrechts zusätzlich noch der übereinstimmende Zulassungs- und Versicherungsort spricht. Letzterem kann nun aber allein noch keine ausschlaggebende Bedeutung für die Anknüpfung zukommen. Entsprechende Vorschläge hat der Reformgesetzgeber ausdrücklich verworfen 67. Deshalb dürfte auch das Zusammenfallen dieses Ortes mit dem Tatort noch nicht genügen, um von der Regelanknüpfung des Art. 40 Π EGBGB abzuweichen68. Während die Anwendung des Aufenthaltsrechts nämlich früher einen erheblichen Begründungsaufwand erforderte, liegt die Begründungslast nun bei demjenigen, der von der Regelanknüpfung abweichen will 69 . Diese vom Gesetzgeber vorgenommene Stärkung des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts muß der Rechtsanwender respektieren. Aus den genannten Gründen sollte die Durchbrechung des Art. 40 Π EGBGB auf solche Konstellationen beschränkt werden, in denen das Aufenthaltsrecht letztlich als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint. Dies ist m.E. der Fall, wenn neben dem Tatort sowie dem Zulassungs- und Versicherungsort auch noch die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien auf ein anderes Recht weist. Deshalb sollte auf einen Unfall zwischen zwei Deutschen in Köln, die ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien haben, dann über Art. 41 I EGBGB deutsches Recht zur Anwendung kommen, wenn beide Fahrzeuge in der Bundesrepublik zu-

65 von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 36; Palandt IHeldrich, Art. 40 EGBGB, Rdnr 8;. 66 A. Staudinger, DB 1999, S. 1589, 1593; von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 43; ders., IPRax 1996, S. 1,6. 67 BT-Drucks. 14/343, S. 11. 68 von Hoffmann, IPR, § 11, Rdnr 43 stellt zur Begründung seines Ergebnisses vor allem auf den Gesichtspunkt der vereinfachten Schadensabwicklung ab. Es darf aber nicht verkannt werden, daß die Fahrzeughalter auch persönlich haften, weshalb es für die Schadensabwicklung nicht nur auf den Sitz der Versicherer ankommt. 69 So mit Recht Spickhoff, IPRax 2000, S. 1, 3.

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gelassen und versichert sind70. Als weiteres Beispiel läßt sich der Unfall mit mehr als zwei beteiligten Kraftfahrzeugen nennen, die allesamt im selben Staat zugelassen und versichert sind71. Würde man hier keine einheitliche Anknüpfung vornehmen, wäre eine Schadensabwicklung nur noch schwer durchführbar 72.

§ 25 Internationales Sachenrecht I. Regelanknüpfungen, Artt. 43-45 EGBGB In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage73 ist in Art. 431 EGBGB der Grundsatz verankert, daß Rechte an einer Sache dem Recht des Staates unterliegen, in dem sich die Sache befindet. Die lex rei sitae ist dabei u. a. für Entstehung, Änderung, Übergang, Untergang und Inhalt des dinglichen Rechts maßgeblich74. Art. 43 Π EGBGB regelt die Frage des Statutenwechsels, die sich immer dann stellt, wenn eine (bewegliche) Sache in ein anderes Rechtsgebiet verbracht wird. Ist an einer Sache nach dem ursprünglichen Belegenheitsrecht bereits ein Recht begründet worden, so ordnet Art. 43 Π EGBGB an, daß dieses Recht nicht im Widerspruch zu der Rechtsordnung des neuen Belegenheitsstaates ausgeübt werden kann. Einmal wirksam begründete Sachenrechte bleiben also auch im Falle des Statutenwechsels bestehen, ihre Wirkungen beurteilen sich aber nach dem Recht des neuen Lagestaates75. Deshalb ist u.U. eine Anpassung an die Sachenrechtsformen dieses Staates erforderlich 76. Schließlich erstreckt Art. 43 ΠΙ EGBGB das Inlandsrecht auch auf Tatbestände, die sich in einem früheren Lagestaat ereignet haben. Ist nämlich ein Recht an einer Sache, die in das Inland gelangt, nicht schon vorher erworben worden, so sind für einen solchen Erwerb im Inland Vorgänge in einem anderen Staat wie inländische zu berücksichtigen77. Art. 44 EGBGB bestimmt, daß für Ansprüche aus beeinträchtigenden Einwirkungen, die von einem Grundstück ausgehen, Art. 40 I EGBGB entsprechend anzuwenden ist. Hierdurch sollen Schwierigkeiten vermieden werden, die bei unter70 Richtigerweise stellt die Staatsangehörigkeit auch nach neuem Recht ein (schwaches) Indiz dar, welches im Rahmen des Art. 41 EGBGB Berücksichtigung finden kann, vgl. Palandt /Heldrich, Art. 40 EGBGB, Rdnr 8. 71 BT-Drucks. 14/343, S. 12; Spickhoff, 12

IPRax 2000, S. 1, 3.

Sollten aber alle Unfallbeteiligten über einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt verfügen, bleibt es bei den zuvor dargestellten Grundsätzen. 73 Vgl. nur BGH NJW 1995, S. 58,59; BGH NJW 1996, S. 2233,2234. 74 BT-Drucks. 14/343, S. 15; Palandt/Heldrich, Art. 43 EGBGB, Rdnr 3. 75 von Hoffmann, IPR, § 12, Rdnr 31; Junker, RIW 2000, S. 241, 254; Th. Pfeiffer, NJW 1999, S. 3674, 3677; A. Staudinger, DB 1999, S. 1589, 1593; Wagner, IPRax 1998, S. 429, 435. 76 BT-Drucks. 14/343, S. 16; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209,2214. 77 Vgl. dazu näher Kegel/Schurig, IPR, § 19 III, S. 668; Junker, RIW 2000, S. 241, 254. So auch schon nach bisherigem Recht BGHZ 45, 95.

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schiedlicher Anknüpfung von nachbarrechtlichen und deliktsrechtlichen Ansprüchen entstehen können78. Kollisionsrechtlich spielt es daher keine Rolle, ob der Geschädigte dinglich berechtigt ist oder nicht79. Art. 44 EGBGB bezweckt somit auch eine einheitliche Statutbestimmung für diejenigen Personen, die durch grenzüberschreitende Immissionen geschädigt wurden. Allerdings ist im Umwelthaftungsrecht nicht selten auch direkt auf Art. 40 EGBGB zurückzugreifen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn klassische deliktische Ansprüche wie etwa § 823 BGB oder § 1004 BGB in Rede stehen80. Eine ausführliche Sonderregelung haben in Art. 45 EGBGB die Rechte an Luft-, Wasser- und Schienenfahrzeugen erhalten. Diese werden in Art. 45 I EGBGB im Interesse der Gläubiger dem Recht des Herkunftsstaates unterstellt81. Das ist bei Luftfahrzeugen der Staat ihrer Staatszugehörigkeit (Art. 45 I Nr. 1 EGBGB), bei Wasserfahrzeugen der Staat der Registereintragung, hilfsweise der Heimathafen oder der Heimatort (Art. 451 Nr. 2 EGBGB) und bei Schienenfahrzeugen der Staat der Zulassung (Art. 45 I Nr. 3 EGBGB). Gesetzliche Sicherungsrechte an solchen Fahrzeugen unterliegen gemäß Art. 45 Π 1 EGBGB dem Forderungsstatut. Über die Rangfolge verschiedener Sicherungsrechte entscheidet das Recht des Staates, in dem sich das Fahrzeug jeweils befindet, Art. 45 I I 2 i.V.m. Art. 43 I EGBGB. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift beschränkt sich im wesentlichen auf die Anknüpfung der Schiffsgläubigerrechte 82. Durch Art. 45 Π EGBGB wird zugunsten der Gläubiger verhindert, daß ein Wechsel des Flaggen- oder Registerrechts auch zu einem Statutenwechsel führt 83. IL Eingreifen der Ausweichklausel Der Gesetzgeber hat mit Art. 46 EGBGB auch im internationalen Sachenrecht eine Ausweichklausel eingeführt, um die Fälle erfassen zu können, in denen die gesetzlich festgeschriebene Anknüpfung ausnahmsweise zur Anwendung extrem sachferner Rechtsordnungen führen würde 84. Trotzdem ist aber eine solche Ausweichklausel nicht unproblematisch, da das Sachenrecht im Interesse des Verkehrsschutzes nach Klarheit und Rechtssicherheit verlangt85. Deshalb dürfte

78 BT-Drucks. 14/343, S. 16. 79 Wagner, IPRax 1998, S. 429,435; A. Staudinger, DB 1999, S. 1589,1594. so Zutreffend Spickhoff, Jahrbuch für Umwelt- und TechnikR 2000, S. 385,387; unklar Palandt /Heldrich, Art. 40 EGBGB, Rdnr 9. 81 BT-Drucks. 14/343, S. 17: Die Anwendung der lex rei sitae sei wegen des häufig wechselnden Lageortes vielfach nicht geeignet. 82 Palandt/Heldrich, Art. 45 EGBGB, Rdnr 3; Wagner, IPRax 1998, S. 429,436. 83 BT-Drucks. 14/343, S. 18; Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2214; Junker, RIW 2000, S. 241, 254. 84 BT-Drucks. 14/343, S. 19; Wagner, IPRax 1998, S. 429,437. 85 Palandt/Heldrich, Art. 46 EGBGB, Rdnr 2; Junker, RIW 2000, S. 241,245.

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Art. 46 I EGBGB etwa für Rechte an Grundstücken kaum einmal relevant werden86. Diskutiert wird aber die Frage, ob mittels der Ausweichklausel im Einzelfall die Berücksichtigung des übereinstimmenden Parteiwillens möglich ist, allerdings nur mit Wirkung für die Beziehungen der Parteien zueinander87. Bei der Heranziehung subjektiver Kriterien zur Feststellung einer wesentlich engeren Verbindung sollte indes deshalb Zurückhaltung geübt werden, weil der Gesetzgeber eine Rechtswahlmöglichkeit im internationalen Sachenrecht gerade nicht anerkennt. Aus diesem Grund dürfte ein übereinstimmender Parteiwille hinsichtlich des anwendbaren Rechts nur dann zur Durchbrechung der Regelanknüpfung führen, wenn Verkehrsinteressen Dritter nicht entgegenstehen88. An dieser Voraussetzung fehlt es beispielsweise dann, wenn zwei im Inland ansässige Unternehmen in Deutschland vereinbaren, Waren (zur Sicherheit) zu übereignen, die sich im Ausland befinden 89. Somit bleibt es bei der von Art. 43 I EGBGB angeordneten Geltung der ausländischen lex rei sitae. Dagegen geht es im internationalen Umwelthaftungsrecht regelmäßig nur um Ansprüche einer Person gegen eine andere auf Schadensersatz oder Unterlassung. Sofern die Parteien hier also eine (nachträgliche) Rechtswahl treffen, kann diese über Art. 46 EGBGB Berücksichtigung finden 90. Zur Anwendung der Ausweichklausel kann es ferner dann kommen, wenn die Ware bei einem internationalen Verkehrsgeschäft durch ein Transitland befördert wird (res in transitu)91. Sofern nämlich während des Transportes Verfügungen über die Sache getroffen werden, spricht mehr dafür, diese dem Recht des Bestimmungslandes zu unterstellen92. Die Verbindung zum Durchgangsstaat ist nämlich nur rein zufällig und sollte daher zurücktreten. Weiterhin ermöglicht es Art. 46 EGBGB im Einzelfall, die Rechte an zu Transportzwecken eingesetzten Kraftfahrzeugen abweichend von Art. 43 I EGBGB dem Recht des Zulassungsstaates zu unterstellen93. Es wird dann also eine Gleichbehandlung mit den in Art. 45 I EGBGB genannten Transportmitteln erreicht. Dieses Ergebnis ist dann gerechtfertigt, wenn es sich um die LKW einer ganz überwiegend 86 BT-Drucks. 14/343, S. 19. 87 Dafür A. Staudinger, DB 1999, S. 1589, 1594; vgl. auch BT-Drucks. 14/343, S. 19. 88 So mit Recht Palandt IHeldrich, Art. 46 EGBGB, Rdnr 3; von Hoffmann, IPR, § 12, Rdnr 12. 89 Junker, RIW 2000, S. 241, 253. Der BGH hat in diesem Fall nach altem Recht eine Rechtswahl verneint, BGH NJW 1997, S. 461, 462. Auf diese Entscheidung wird in BTDrucks. 14/343, S. 16 ausdrücklich Bezug genommen. 90 Spickhoff, Jahrbuch für Umwelt- und TechnikR 2000, S. 385, 389. 91 BT-Drucks. 14/343, S. 14. 92 von Hoffmann, IPR, § 12, Rdnr 39; Palandt/Heldrich, Art. 43 EGBGB, Rdnr 2; Junker, RIW 2000, S. 241, 252; vgl. auch MünchKomm /Kreuzer, Anh. I zu Art. 38 EGBGB, Rdnr 127. 93 Spickhoff, NJW 1999, S. 2209, 2214; von Hoffmann, IPR, § 12, Rdnr 42; wohl auch Wagner, IPRax 1998, S. 429,436, Fn. 93; kritisch Junker, RIW 2000, S. 241, 245.

§ 26 Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklauseln

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international tätigen Spedition handelt, weil die Fahrzeuge dann in besonderem Maße grenzüberschreitend bewegt werden. Somit besteht eine vergleichbare Interessenlage wie bei den anderen Transportmitteln des Art. 451 EGBGB 94 . Schließlich kann die Ausweichklausel auch gegenüber der Regelanküpfung des Art. 45 Π 2 EGBGB Bedeutung gewinnen. Die Rangfolge mehrerer Sicherungsrechte an dem Transportmittel sollte sich nämlich dann nicht nach dem Belegenheitsrecht bestimmen, wenn die Rechtsordnungen aller bestehenden Sicherungsrechte übereinstimmend eine andere Rangfolge festlegen 95.

§ 26 Ergebnisse hinsichtlich der Handhabung der Ausweichklauseln Verläßliche Aussagen zur Handhabung der Art. 41 und 46 EGBGB lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht treffen, weil noch keine Erkenntnisse darüber vorliegen, in welchem Umfang die Praxis die Regelanknüpfungen der neu eingeführten Artt. 38 ff. EGBGB tatsächlich durchbrechen wird. Trotzdem soll nun aber im folgenden versucht werden, anhand der Stellungnahmen des Gesetzgebers und des Schrifttums mögliche Unterschiede zur Handhabung der Ausweichklauseln im internationalen Schuldvertragsrecht herauszuarbeiten. Übereinstimmung besteht zunächst insoweit, als ein Eingreifen der Ausweichklausel dann in Betracht kommt, wenn die Regelanküpfung als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint. Den Hauptanwendungsfall des Art. 41 EGBGB stellt aber das Bestehen einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten dar, Art. 41 Π Nr. 1 EGBGB. Während die akzessorische Anknüpfung im Vetrragsrecht nur eine untergeordnete Rolle spielt96, kommt ihr im Bereich des außervertraglichen Schuldrechts eine große Bedeutung zu. So kann etwa die Eingriffskondiktion 97, der Anspruch aus GoA 98 oder der Anspruch aus unerlaubter Handlung99 an eine vertragliche Sonderbeziehung angeknüpft werden. Gerade im internationalen Deliktsrecht erfolgt daneben aber auch nicht selten eine akzessorische Anknüpfung an gesetzliche oder tatsächliche Sonderrechtsverhältnisse Etwas geringere Bedeutung dürfte demgegenüber Art. 41 II Nr. 2 EGBGB zukommen. Allein das Bestehen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts führt 94 Vgl. BT-Drucks. 14/343, S. 17. 95 BT-Drucks. 14/343, S. 18; Wagner, IPRax 1998, S. 429, 437; Spickhoff, S. 2209, 2214; Junker, RIW 2000, S. 241, 254. 96 Siehe oben § 19. II 6. 97 Siehe oben § 22. II. 98 Siehe oben § 23. II. 99 Siehe oben §24. II. 100 Siehe oben § 24. II mit Beispielen.

NJW 1999,

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3. Teil, 6. Kap.: Außervertragliches Schuld- und Sachenrecht

nämlich nicht zwangsläufig zu einem Eingreifen der Ausweichklausel101. Häufig wird hier danach zu fragen sein, ob noch weitere Umstände für die Anwendung des Aufenthaltsrechts sprechen, etwa die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien. Die Zugehörigkeit zu einem Staat ist auch nach der Gesetzesreform für die Anknüpfung nicht gänzlich bedeutungslos geworden. Weiterhin dienen sowohl Art. 41 EGBGB als auch Art. 46 EGBGB nicht selten dazu, die aus einem bestimmten (Schadens-)Ereignis erwachsenden Ansprüche einem einheitlichen Statut zu unterstellen. Dieser Gleichlauf der außervertraglichen Haftung wird dabei häufig auch schon von den Regelanknüpfungen angestrebt. Läßt er sich mit diesenaber im Einzelfall nicht erreichen, kann ein Rückgriff auf die Ausweichklauseln erfolgen. In diesem Zusammenhang spielen dabei nicht zuletzt auch Zweckmäßigkeitserwägungen, wie etwa der Gedanke einer praktikablen Schadensabwicklung, eine Rolle. Während Art. 42 EGBGB für das außervertragliche Schuldrecht eine nachträgliche Rechtswahl zuläßt, ist diese Möglichkeit im internationalen Sachenrecht nicht vorgesehen. Aus diesem Grund kann eine Berücksichtigung des gemeinsamen Parteiwillensrichtigerweise auch im Rahmen des Art. 46 EGBGB nur dann erfolgen, wenn Verkehrsinteressen Dritter insoweit nicht entgegenstehen102. Umgekehrt kann das Bestehen einer wesentlich engeren Verbindung mit dem Recht eines Staates im internationalen Delikts- und Bereicherungsrecht zur Einschränkung der Wahl zwischen Handlungs- und Erfolgsortsrecht führen 103.

101 Anders im Bereich des Deliktsrechts, weil dieses Anküpfungsmoment dort in Art. 40 II EGBGB zur Regelanknüpfung erhoben ist. 102 Siehe oben § 25. II. 103 Siehe oben 22. I I und 24. II mit Beispielen.

Vierter

Teil

Zusammenfassung Die große Bedeutung des Gedankens der engsten Verbindung für das moderne Internationale Privatrecht ist vor allem auf die grundlegenden Arbeiten von Friedrich Carl v. Savigny und seine Lehre vom Sitz der Rechtsverhältnisse zurückzuführen. Wichtige Vorarbeiten zur Überwindung der Statutentheorie haben Carl Georg v. Wächter, insbesondere aber Wilhelm Schaeffner geleistet. Otto v. Gierke hat die Lehre Savignys schließlich mit seiner Suche nach dem Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses noch entscheidend fortentwickelt. Die engste Verbindung übt im geltenden Kollisionsrecht drei Funktionen aus. Zunächst stellt sie das oberste Anknüpfungsprinzip dar, das allerdings dann durchbrochen wird, wenn bei der Anknüpfung materiellrechtliche Wertungen im Vordergrund stehen oder den Parteien eine Rechtswahlmöglichkeit eingeräumt wird. Weiterhin hat der Gesetzgeber die engste Verbindung in einigen Fällen selbst zur Anknüpfungsnorm erhoben. Schließlich gestattet die engste Verbindung bei Vorhandensein einer gesetzlichen Ausweichklausel ein Abweichen vom ordentlichen Verweisungsbefehl. Gesetzliche Ausweichklauseln können weder beweisrechtlich interpretiert noch als gesetzgewordene teleologische Reduktion bezeichnet werden. Die Methode der Rechtsfindung weist vielmehr deutliche Parallelen zu der bei der Konkretisierung von Generalklauseln auf. Versieht der Gesetzgeber eine Kollisionsnorm mit einer Ausweichklausel, so hat dies zur Folge, daß die gesetzlichen Konkretisierungen als bloße Regelbeispiele der engsten Verbindung erscheinen. Deren Anwendung hängt dann zusätzlich davon ab, daß die von der Generalklausel geforderte Beurteilung auch im konkreten Einzelfall zutrifft. Das Vorhandensein einer gesetzlichen Ausweichklausel schließt eine teleologische Reduktion unter Berufung auf eine (wesentlich) engere Verbindung aus, weil bereits der Gesetzgeber selbst eine Korrekturmöglichkeit geschaffen hat. Bei der Anknüpfung des Personalstatuts ausländischer Mehrstaater muß nach Art. 5 1 1 Halbs. 2 EGBGB die effektive Staatsangehörigkeit bestimmt werden. Für die danach vorzunehmende Gesamtabwägung kommt es in erster Linie auf die Dauer und den Zeitpunkt des gewöhnlichen Aufenthalts in einem der Heimatstaaten an. Weiterhin ist auch die für die Zukunft geplante Entwicklung des Lebens der Anknüpfungsperson zu berücksichtigen. Daneben sind die familiären und verwandtschaftlichen Bindungen des Betroffenen von erheblichem Gewicht. Vor al22 Geisler

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4. Teil: Zusammenfassung

lem bei minderjährigen Mehrstaatern kann zudem die durch Sprache und Erziehung vermittelte kulturelle Prägung von erheblicher Bedeutung sein. Die Tatsache, daß sich insbesondere eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht selten auf die Effektivitätsprüfung auswirkt, zeigt dabei deutlich, daß die engste Verbindung nicht etwa einen festen Zustand bezeichnet, sondern vielmehr auch erst durch äußere Umstände begründet werden kann. Läßt sich anhand der genannten Kriterien kein Vorrang einer Staatsangehörigkeit ermitteln, so ist die objektive Effektivitätsprüfung als gescheitert anzusehen. Im Wege der Ersatzanknüpfung sollte dann in erster Linie die Präferenz des Mehrstaaters Berücksichtigung finden, sofern sich diese mittels objektiver Anknüpfüngsmomente nachvollziehen läßt. Kann eine Präferenz der Anknüpfungsperson nicht bzw. nicht glaubhaft festgestellt werden, so sollte der letzte gewöhnliche Aufenthalt in einem Heimatstaat den Ausschlag geben. Falls sich der Mehrstaater im Verlauf seines Lebens in keinem seiner Heimatstaaten gewöhnlich aufgehalten hat, kommt letzthilfsweise auch eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips und damit ein Übergang zum Aufenthaltsrecht in Betracht. Bei inländischen Mehrstaatern gebührt nach Art. 5 12 EGBGB der deutschen Staatsangehörigkeit stets der Vorrang. Diese bewußte Entscheidung des Gesetzgebers hat der Rechtsanwender zu respektieren. Eine teleologische Reduktion des Art. 5 1 2 EGBGB scheidet deshalb selbst dann aus, wenn die Anknüpfungsperson erheblich enger mit ihrem ausländischen Heimatrecht verbunden ist. Die Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB hat in erster Linie anhand der in den Nrn. 1 und 2 der Vorschrift genannten Anknüpfungsmerkmale zu erfolgen. Dabei ist der bisherige Verlauf der ehelichen Gemeinschaft ebenso zu beachten wie eine gemeinsame Zukunftsplanung der Ehegatten. Schließlich kann die gemeinsame engste Verbindung auch zu dem Ort der Eheschließung bestehen, sofern dieser Anknüpfungspunkt durch weitere Umstände eine nicht unerhebliche Verstärkung erfährt. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen sich eine gemeinsame engste Verbindung der Ehegatten nicht feststellen läßt. So etwa dann, wenn die Eheleute in einem Drittstatt geheiratet und nur für unwesentliche Zeit im selben Staat gelebt haben. Hier bietet sich als Ersatzanknüpfung zunächst ein Offenlassen der Rechtswahl an. Kommt ein solches nicht in Betracht, dann sollte letzthilfsweise dasjenige Heimatrecht eines Ehegatten angewendet werden, das im konkreten Einzelfall einfacher und sicherer festzustellen ist. Die Tatsache, daß der Rechtsanwender selbst zur Konkretisierung der engsten Verbindung berufen ist, ändert weder im Bereich des Personal- noch des Familienstatuts etwas an dem Gharakter der ausgesprochenen Verweisung. Deshalb ist ein etwaiger Renvoi auf allen drei Anknüpfungsstufen des Art. 14 I EGBGB ebenso zu beachten wie im Rahmen des Art. 511 Halbs. 2 EGBGB.

4. Teil: Zusammenfassung

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Die zu Art. 5 I 1 und Art. 14 I EGBGB entwickelten Grundsätze gelten im wesentlichen auch für die interlokale Unteranknüpfung nach Art. 4 ΠΙ 2 EGBGB. Ein Übergang zum Aufenthaltsrecht ist dabei jedoch in keinem Fall möglich, weil hier nur die interlokale, nicht aber die internationalprivatrechtliche Anknüpfung fehlschlagen kann. Zudem müssen die für das Personal- bzw. Familienstatut aufgestellten Ersatzanknüpfungen dadurch ergänzt werden, daß letzthilfsweise das Recht der Landeshauptstadt zur Anwendung gelangt. Dies zeigt deutlich, daß der Gesetzgeber die letzte Stufe der Anknüpfung jedenfalls hier besser selbst geregelt hätte. Im internationalen Schuldvertragsrecht bereitet die unmittelbare Anknüpfung an die engste Verbindung in Art. 28 I EGBGB größere Schwierigkeiten als die Handhabung der Ausweichklausel des Art. 28 V EGBGB. Vor allem muß man im Anwendungsbereich des Art. 28 I EGBGB nicht selten eine Vertragsspaltung in Kauf nehmen, um so zumindest die Vorhersehbarkeit der Entscheidung gewährleisten zu können. Art. 28 V EGBGB wird von der Praxis erfreulicherweise zurückhaltend gehandhabt. So kommt eine Durchbrechung der Regelanknüpfungen des Art. 28 EGBGB vor allem dann in Betracht, wenn (1) die Regelanknüpfung als isolierter Anknüpfungspunkt erscheint oder (2) die Vertragsabwicklung ganz überwiegend in einem anderen Staat erfolgt oder (3) erkennbar ein schützensweites Interesse einer Partei an einem bestimmten Statut besteht. Vergleichbares gilt auch für die Ausweichklausel des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB. Auch im internationalen Arbeitsrecht zählt nämlich die Isoliertheit des an sich maßgeblichen Anknüpfungspunktes sowie das Vorhandensein eines schützenswerten Parteiinteresses an einem bestimmten Statut zu den Anwendungsfällen der Ausweichklausel. Weiterhin ist eine Durchbrechung der Regelanknüpfung bejaht worden, falls die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers zu den Einstellungsvoraussetzungen zählte oder der Arbeitnehmer in seinem Heimatland zu den dort üblichen Bedingungen angeworben wurde. Der Vergleich mit der Handhabung des Art. 28 V EGBGB zeigt zudem, daß den Regelanknüpfungen des Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB nicht etwa deshalb eine höhere Verbindlichkeit zukommt, weil das Gesetz in Art. 28 Π-IV EGBGB ausdrücklich von Vermutungen der engsten Verbindung spricht. Vielmehr folgt aus der methodologischen Einordnung der gesetzlichen Ausweichklausel, daß die gesetzlichen Konkretisierungen auch bei Art. 30 Π Halbs. 2 EGBGB nur Regelbeispiele der engsten Verbindung darstellen. Hinsichtlich der durch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen neu geschaffenen Ausweichklauseln der Art. 41 und 46 EGBGB läßt sich derzeit noch keine abschließende Aussage über deren Handhabung in der Praxis treffen. Von erheblicher Bedeutung dürfte aber vor allem die in Art. 41 Π Nr. 1 EGBGB vorgesehene akzessorische Anknüpfung an eine vertragliche, gesetzliche oder tatsächliche Sonderbeziehung sein. Allein das Bestehen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Beteiligten 22*

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4. Teil: Zusammenfassung

(Art. 41 Π Nr. 2 EGBGB) führt dagegen zumeist nicht zu einen Durchbrechung der Regelanknüpfung. Im Rahmen des Art. 46 EGBGB kann eine Berücksichtigung des gemeinsamen Parteiwillensrichtigerweise nur dann erfolgen, wenn Verkehrsinteressen Dritter insoweit nicht entgegenstehen. Umgekehrt kann das Bestehen einer wesentlich engeren Verbindung mit dem Recht eines Staates im internationalen Delikts- und Bereicherungsrecht zur Einschränkung der Wahl zwischen Handlungs- und Erfolgsortsrecht führen.

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arverzeichnis Accursius 29 f. Akzessorische Anknüpfung 197,200, 230 f., 236 f., 238 f., 248,259,260 f., 330 Aldricus 29 f. Alternative Anknüpfung 72 f. Angelehnte Verträge 260 f. Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung 59 f. - Überlagerung des Prinzips 71 f. - Materiellrechtliche Wertungen 71 f. - Zulassung der Parteiautonomie 78 f. Anwaltsvertrag 224 f. Arbeitsvertragsstatut - siehe Int. Arbeitsrecht Architektenvertrag 229 f. Arztvertrag 224 f. Ausgleichspflicht unter Gesamtgläubigern 199 f. Ausländische Mehrstaater 108 f. - Ersatzanknüpfungen 124 f. - Gesamtabwägung der Lebensumstände 119 f. - Kulturelle Prägung 121 - Präferenz des Mehrstaaters 129 f. - Scheitern der Effektivitätsprüfung 123 f. - Subsidiäre Anknüpfungsstufen 118 f. - Übergang zum Aufenthaltsrecht 127 f., 133 f. Außervertragliche Schuldverhältnisse 90 f. - Ausweichklausel 90 f. Ausweichklausel 86 f., 213 f., 265 f., 277 f., 302 f., 324 f. - Anwendungsfälle 88 f. - Begriffsbestimmung 86 f. - Handhabung des Art. 28 V EGBGB 279 f. - Handhabung des Art. 30 II Halbs. 2 EGBGB 317 f. - Handhabung des Art. 41 EGBGB 335 f. - Handhabung des Art. 46 EGBGB 335 f. - Methodologische Einordnung 92 f., 287

-

Rechtslage in der Schweiz 98 f. Rechtslage in Österreich 101 f. Rechtsvergleichung 98 f. Regelbeispiele der engsten Verbindung 104 f. Azo 29

Bar, Carl Ludwig v. 52 f. Bartolus 30 f. Bauvertrag 227 f. Beförderungsverträge 202 f., 276 f. - Eisenbahntransport 206 f. - Lufttransport 203 f. - Seetransport 204 f. - Straßentransport 206 f. Bereicherungsrecht - siehe Int. Bereicherungsrecht Börsenkäufe 215 f. Bürgschaft 235 f., 261 Comitas-Lehre 33 f. Charakteristische Leistung 200 f., 209 f. - mehrere Schuldner 200 f. Darlehen 231 f. - Feriendarlehen 234 - Realkredit 234 f. Deliktsrecht - siehe Int. Deliktsrecht Dienstverträge 223 f. Eingriffskondiktion 323 f. Entsandte Mitarbeiter 311 f. Erbstatut 69 f. - Rechtswahl 80 f. Fahrniskauf 208 f. - Einfluß des Vertragsgegenstandes 221 f. - Isoliertheit des Käuferrechts 210

Sachwortverzeichnis - Käufe auf Messen und Märkten 217 f. - Käufe im Urlaubsland 211 f. - Öffentliche Versteigerungen 216 f. - Vertragsschluß im Internet 220 f. - Vertragsschluß im Käuferstaat 218 f. - Vertragssprache 210 f. - Vertragswährung 210 f. Fakultatives Kollisionsrecht 63 Familienstatut 69 f., 86 f., 138 f. - Anknüpfungsleiter 139 - Ersatzanknüpfungen 154 f., 160 f., 163 f., 166 f. - Fehlen einer gemeinsamen engsten Verbindung 154 f. - Gemeinsame Zukunftspläne 146 f. - Grundsatz des schwächeren Rechts 158 f. - Konkretisierung des Art. 14 I Nr. 3 EGBGB 140 f. - Offenlassen der Rechtswahl 155 f. - Ort der Eheschließung 150 f. - Rechtswahl 80 f. - Soziale Bindungen 148 f. - Übereinstimmende Präferenz der Ehegatten 157 f. Ferienhausverträge 268 f. Flugpersonal 295 f., 304 f. Funktionen der engsten Verbindung 59 f. - Anknüpfungsprinzip 59 f. - Anknüpfungsnorm 81 f. - Ausweichklausel 86 f. Garantie 235 f. - Bestätigte Garantie 238 f. - Rückgarantie 238 f. Gemeinschaftliche Schulderfüllung 257 f. Gesamtverweisung 168 f. Geschäftsbesorgungsverträge 223 f. Geschichte des IPR 28 f. Gewöhnlicher Aufenthalt 108 f., 120 f., 132 f., 142 f. - Begriff 108 f. - fehlender 111 f. - geplante Verlegung 114 f. - letzter 132 f.,184 - mehrfacher 111 f. Gewöhnlicher Arbeitsort 290 f. Gierke, Otto v. 55 f.

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GoAim IPR 326 f. - Ausweichklausel 326 f. - Regelanknüpfungen 326 Grundsatz des schwächeren Rechts 158 f., 176 Grundstücksverträge 201 f., 264 f. - Ferienhausverträge 268 f. - Kauf 264 f. - Miete 267 f., 272 f. - Pacht 267 f. Handelsvertretervertrag 241 f. - Verlegung der Niederlassung 244 f. Hauptanknüpfung an die engste Verbindung 82 f. Heuerverträge 296 f., 306 f. - Recht der Flagge 297 f. Hilfsanknüpfung an die engste Verbindung 83 f. Industrieanlagenvertrag 229 f. Inländische Mehrstaater 135 f. - Teleologische Reduktion des Art. 5 1 2 EGBGB 136 f. Interlokales Recht 83 f., 170 f. Interlokale Unteranknüpfung 170 f. - bei einem Anknüpfungssubjekt 181 f. - bei mehreren Anknüpfungssubjekten 170 f. - Fehlen einer (gemeinsamen) engsten Verbindung 175 f., 182 f. - Gemeinsame Zukunftspläne 173 - Grundsatz des schwächeren Rechts 176 - Günstigeres Recht 176 - Offenlassen der Rechtswahl 175 f., 183 - Ort der Eheschließung 174 f. - Präferenz der Anknüpfungsperson 183 f. - Recht der Landeshauptstadt 178,185 - Soziale Bindungen 174 - Übergang zum Aufenthaltsrecht 179 f. - Vergleich mit der lex fori 177 f. - Wahrscheinlicheres Recht 176 f. Int. Arbeitsrecht 89 f., 288 f. - Ausweichklausel 89, 302 f., 317 f. - Einstellende Niederlassung 292 f. - Entsandte Mitarbeiter 311 f. - Flugpersonal 295 f., 304 f.

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arverzeichnis

- Gewöhnlicher Arbeitsort 290 f. - Ortskräfte 308 f. - Regelanknüpfungen 288 f. - Schiffsbesatzungen 296 f., 306 f. Int. Bereicherungsrecht 323 f. - Ausweichklausel 324 f. - Regelanknüpfungen 323 f. Int. Deliktsrecht 328 f. - Akzessorische Anknüpfung 330 - Ausweichklausel 329 f. - Gestreute Persönlichkeitsverletzungen 330 f. - Massenschäden 330 - Regelanknüpfungen 328 f. - Verkehrsunfallrecht 331 f. Int. Sachenrecht 92, 332 f. - Ausweichklausel 92, 333 f. - Rechtswahl 334 - Regelanknüpfungen 332 f. - Res in transitu 334 Int. Schuldvertragsrecht 64 f., 186 f. - Akzessorische Anknüpfung 260 f. - Ausweichklausel 88,213 f., 265 f., 277 f. - Rechtswahl 78 f. Internet 220 f. Joint ventures 195 f. Kollisionsrechtliche Beweislastnormen 93 f. Kompensationsgeschäfte 189 f. Konkretisierung der engsten Verbindung 107 f. Kooperationsverträge 195 f. Kumulative Anknüpfung 76 f. Leistungskondiktion 323 f. Lizenztausch, 192 f. Lizenzverträge 250 f. - einfache 251 - ausschließliche 254,256 Management- und Consultingvertrag 225 f. Mehrstaater 108 f., 116, 135 f. - ausländische 108 f. - inländische 135 f. Öffentliche Versteigerungen 216 f. Ortskräfte 308 f.

Parteiautonomie im IPR 78 f. - Erbstatut 80 f. - Familienstatut 80 f. - Int. Schuldvertragsrecht 78 f. - Int. Sachenrecht 334 Personalstatut 66 f., 85 f., 107 f. - Ausländische Mehrstaater 108 f. - Minderjährige Mehrstatter 116 Rahmenvertrag 191, 262 f. Rechtswahl 78 f. Renvoi 168 f. Res in transitu 334 Sachnormverweisung 168 f. Sachenrecht - siehe Int. Sachenrecht Savigny, Friedrich Carl v. 41 f. - Allgemeine Rechtslehre 41 f. - Kollisionsrecht 45 f. - Sitz des Rechtsverhältnisses 46 f. Schaeffner, Wilhelm 32 f. Schiedsrichtervertrag 258 f., 263 Schuldvertragsstatut - siehe Int. Schuldvertragsrecht Schutz der schwächeren Vertragspartei 77 f. Spiel und Wette 198 f. Staatsangehörigkeitsprinzip 66 f. - Ausdruck der engsten Verbindung 68 Statutentheorie 28 f. Subsidiäre Anknüpfung 74 f. Subunternehmervertrag 230 f., 261 Swap-Geschäfte 193 f. Tausch 187 f. Teleologische Reduktion im IPR 95 f., 136 f. Timesharingverträge 273 f. Unerlaubte Handlungen - siehe Int. Deliktsrecht Urheberrechtsverträge 250 f. - einfache 251 - ausschließliche 254,256 Vereinbarung gegenseitiger Vertriebspflichten 191 f. Vergleich 197 f.

Sachwortverzeichnis Verkehrsunfallrecht 331 f. Vertragshändlervertrag 241 f. - Verlegung der Niederlassung 244 f.

Wächter, Carl Georg v. 36 f. Werkvertrag 227 f. Wohnsitzprinzip 66 f.

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