Die Einkommensbesteuerung von Personengesellschaften in der Insolvenz 9783814558769

Die Autorin geht der dogmatisch anspruchsvollen Fragestellung an der Schnittstelle zwischen Steuer- und Insolvenzrecht n

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Die Einkommensbesteuerung von Personengesellschaften in der Insolvenz
 9783814558769

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Meliß Die Einkommensbesteuerung von Personengesellschaften in der Insolvenz

Die Einkommensbesteuerung von Personengesellschaften in der Insolvenz

von Laura Kristine Meliß

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG · Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2021 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Für meine Tante Frau Prof. Dr. Irmgard Bruns

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Oktober 2020 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Rainer Hüttemann für die Betreuung der Arbeit und seine stets wertvollen und konstruktiven Anregungen. Herrn Prof. Dr. Moritz Brinkmann danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine wichtigen Anmerkungen aus insolvenzrechtlicher Perspektive. Zudem bedanke ich mich bei den Herausgebern der „Beiträge zum Insolvenzrecht“ für die Aufnahme der Arbeit in ihre Schriftenreihe. Meiner Familie und meinen Freunden danke ich von ganzem Herzen für die stets vorbehaltlose Unterstützung. Ganz besonderer Dank gebührt Patrick Smith, der wesentlich zu dem Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat.

Köln, im Mai 2021

Laura Meliß

VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

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Vorwort .............................................................................................................. VII 1. Teil – Problemstellung und Grundlagen ........................................... 1 ........ 1 I. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen ................................................... 3 1. Personengesellschaften und Rechtsfähigkeit ................................ 3 2. Wesentliche Charakteristika ......................................................... 4 3. Persönliche Haftung und Kommanditistenhaftung, Regressmöglichkeiten ............................................................................... 6 4. Gewinne und Verluste der Gesellschaft, Kapitalanteile und Kapitalkonten ............................................................................... 8 a) Prinzip der Vollausschüttung (Entnahmefähigkeit) von Gewinnen ............................................................................... 9 b) Keine Nachschusspflicht bei Verlusten ................................ 11 c) Funktion von Kapitalanteilen und Kapitalkonten ................. 13 II. Personengesellschaften im Steuerrecht ............................................. 1. Dualismus der Unternehmensbesteuerung ................................. 2. Steuerrechtsfähigkeit von Personengesellschaften ..................... a) Transparenzprinzip der Einkommensteuer: Mitunternehmerbesteuerung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und zweistufige Gewinnermittlung ..................................................... b) Transparenzprinzip in weiteren Steuerarten ......................... c) Trennungsprinzip (insb. Umsatz- und Gewerbesteuer) ........

........ 1 ........ 1 ........ 2 ........ 3 ........ 4 ........ 4 ........ 5 ........ 5

15 ........ 6 15 ........ 6 16 ........ 7

16 ........ 7 22 ........ 9 24 ...... 10

III. Personengesellschaften im Insolvenzrecht ....................................... 27 ...... 11 1. Insolvenzfähigkeit und Verfahrenskonstellationen .................... 27 ...... 11 2. Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft ................................................................................. 29 ...... 11 IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes ................................. 1. Unabgestimmtheit von Steuer- und Insolvenzrecht hinsichtlich Personengesellschaften ............................................................... 2. Auswirkungen in unterschiedlichen Situationen ........................ a) Differenzierung nach Gesellschaftsformen .......................... b) Persönlich haftender Gesellschafter und Kommanditist ...... c) Differenzierung nach Steuerarten ......................................... d) Unterscheidung der Insolvenzverfahren ............................... e) Folgefrage: Insolvenzrechtliche Einordnung von Steuerforderungen ..........................................................................

32 ...... 12 32 35 36 38 40 42

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12 14 14 14 15 15

45 ...... 16 IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

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3. Fragestellung und Gang der Untersuchung ................................ 47 ...... 17 4. Praxisrelevanz ............................................................................ 53 ...... 18 V. Fazit zu Problemstellung und Grundlagen ........................................ 58 ...... 20 2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung ...................... 61 ...... 21 I. Vorrang insolvenzrechtlicher Prinzipien – sog. Bereicherungslösung ............................................................................................... 1. Die Idee der Bereicherung der Insolvenzmasse (sog. Bereicherungsgedanke) ..................................................... 2. Behandlung der verschiedenen Konstellationen ......................... 3. Grundlegende Kritik ................................................................... 4. Die schrittweise Abkehr der Rechtsprechung von der Bereicherungslösung .................................................................. 5. Zwischenfazit zu dem insolvenzrechtlichen Lösungsmodell ..... II. Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen – Haftungsumfang als Ausdruck der Leistungsfähigkeit ................................................. 1. Idee und Herleitung .................................................................... 2. Umfang der persönlichen Haftung als Indikator der Leistungsfähigkeit ...................................................................................... a) Gewinn der insolventen Gesellschaft ................................... b) Verlust der insolventen Gesellschaft .................................... c) Alleinige Insolvenz des Gesellschafters ............................... 3. Begründung der steuerrechtlichen Lösung im Einzelnen (Parallelwertung) ........................................................................ 4. Kritik und Stellungnahme ...........................................................

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III. Festhalten an der gesetzlichen Regelung – sog. sachliche Sphärentrennung ............................................................................................ 99 1. Friktionen als Scheinproblem: Widerspruchsfreies Zusammenwirken von Insolvenz- und Steuerrecht ...................................... 99 2. Einzelne Fallgruppen in der Insolvenz ..................................... 104 a) Unbeschränkt haftender Gesellschafter der insolventen Personengesellschaft .......................................................... 105 b) Beschränkt haftender Gesellschafter der insolventen Personengesellschaft .......................................................... 107 c) Doppelinsolvenz ................................................................. 111 3. Stellungnahme .......................................................................... 113

...... 35 ...... 35 ...... 36 ...... 37 ...... 37 ...... 38 ...... 39

IV. Lösung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage – Steuerentnahmerechte als Regressmöglichkeit für den Gesellschafter .................... 116 ...... 40 1. Erstattungsanspruch des Gesellschafters .................................. 116 ...... 40 2. Stellungnahme .......................................................................... 121 ...... 42 X

Inhaltsverzeichnis Rn.

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V. Ende der Mitunternehmerstellung des Kommanditisten in der Insolvenz ......................................................................................... 126 ...... 43 1. Lösungsansatz .......................................................................... 126 ...... 43 2. Stellungnahme .......................................................................... 128 ...... 44 VI. Fazit zu bestehenden Lösungsansätzen und historischer Entwicklung .................................................................................... 131 ...... 45 3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz ...... 139 ...... 47 I. Verhältnis von Insolvenzrecht und Steuerrecht .............................. 1. Gesetzliche Regelungen – Allgemeines Verhältnis der Rechtsgebiete ..................................................................... 2. Konkurrenzprobleme in der Rechtsanwendung ........................ 3. Exkurs: Bestrebungen zur Harmonisierung von Insolvenzund Steuerrecht ......................................................................... 4. Zwischenergebnis .....................................................................

141 ...... 47 141 ...... 47 146 ...... 49 148 ...... 50 150 ...... 51

II. Vorfragen der Verfahrenseröffnung ............................................... 152 ...... 52 1. Eröffnungsvoraussetzungen nach der Insolvenzordnung ......... 153 ...... 52 2. Varianten des Insolvenzverfahrens ........................................... 154 ...... 52 III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ....................................................................................... 1. Rechtsstellung von Personengesellschaft und Gesellschafter ..... a) Auflösung der Gesellschaft und Ausscheiden des Gesellschafters ............................................................................. b) Exkurs: Besonderheiten in der zweigliedrigen Personengesellschaft – Wegfall der Insolvenzfähigkeit durch liquidationslose Vollbeendigung ........................................ c) Rolle des Insolvenzschuldners ........................................... 2. Insolvenzverwalter und Insolvenzmasse .................................. a) Exkurs: Vorläufiger Insolvenzverwalter ............................ b) Kompetenzverteilung und Rechtsstellung des Verwalters in der Gesellschaft .............................................................. c) Insolvenzmasse und Abschirmung des Vermögens ........... 3. Gläubiger und Forderungskategorien ....................................... a) Einteilung der Drittgläubiger der Gesellschaft ................... b) Gesellschafter als Gläubiger im Insolvenzverfahren der Gesellschaft ..................................................................

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182 ...... 62

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

4. Haftung der Gesellschafter einer insolventen Personengesellschaft ............................................................................... a) Persönlich haftende Gesellschafter .................................... aa) Haftung für Altverbindlichkeiten ................................. bb) Keine Haftung für Neuverbindlichkeiten ..................... b) Beschränkt haftender Gesellschafter .................................. c) Geltendmachung der Haftung in der Insolvenz .................. IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ...... 1. Steuerrechtliche Einordnung der Beteiligten und des Vermögens ............................................................................... a) Gesellschaft und Gesellschafter ......................................... b) Insolvenzverwalter ............................................................. c) Insolvenzmasse, Sonderbetriebsvermögen in der Insolvenz ............................................................................ d) Steuergläubiger und insolvenzrechtliche Forderungskategorien ........................................................................... e) Zwischenfazit ..................................................................... 2. Mitunternehmerschaft in der Insolvenz .................................... a) Mitunternehmerrisiko ......................................................... b) Mitunternehmerinitiative .................................................... c) Schlussfolgerungen ............................................................ 3. Besonderheiten für Kommanditisten der insolventen Gesellschaft .............................................................................. a) Verlustzurechnung und Verlustnutzung ............................. b) Vorzeitige Nachversteuerung negativer Kapitalkonten ...... c) Beschränkte Verlustnutzung (§ 15a EStG) ........................ 4. Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren ........................

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V. Fazit zu dem Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz .............................................................................. 261 ...... 93 4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz der Personengesellschaft ......................... 271 ...... 97 I. Einordnung der Fragestellung – Zusammenwirken von Zivilrecht/Gesellschaftsrecht und Steuerrecht ........................................ 273 ...... 97 II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht ..... 1. Steuerentnahmerecht in der werbenden Personengesellschaft ............................................................................... a) Allein rechtsgeschäftlich vereinbartes Steuerentnahmerecht .................................................................................... b) Gesetzliches Steuerentnahmerecht aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (§ 242 BGB) ................................ XII

276 ...... 99 277 ...... 99 279 .... 100 281 .... 101

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

3.

4. 5.

c) Gesetzliches Steuerentnahmerecht aus den gesellschaftsrechtlichen Aufwendungsersatzansprüchen (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB direkt oder analog) ........................ d) Stellungnahme .................................................................... Insolvenzfestigkeit von Steuerentnahmerechten ...................... a) Meinungsstand ................................................................... b) Stellungnahme .................................................................... aa) Kapitalertragsteuer – Vergleichbarkeit ........................ bb) Steuerentnahmerecht aus Aufwendungsersatzvorschriften in der Insolvenz ....................................... cc) Rechtsgeschäftliches Steuerentnahmerecht ................. dd) Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit ................................. Durchsetzbarkeit des Steuerentnahmerechts in der Insolvenz ...... a) Insolvenzrechtliche Qualifikation des Steuerentnahmerechts .................................................................................. b) Aufrechnungsmöglichkeit des Gesellschafters ................... c) Schlussfolgerungen ............................................................ Exkurs: Inhaltliche Ausgestaltung des gesetzlichen Steuerentnahmerechts ......................................................................... Zwischenfazit ...........................................................................

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III. Erstattungsanspruch gegen die Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) ..... 342 .... 127 1. Voraussetzungen des Bereicherungsanspruches nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO .............................................................. 344 .... 128 2. Schlussfolgerungen .................................................................. 352 .... 130 IV. Fazit zum zivilrechtlichen Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz der Personengesellschaft ...................................... 357 .... 131 5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung von Gesellschaftern insolventer Personengesellschaften mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip ................................................................... 364 .... 135 I. Bestimmung des Untersuchungsmaßstabs ...................................... 1. Leistungsfähigkeitsprinzip als allgemeiner Maßstab gerechter Besteuerung .............................................................. 2. Leistungsfähigkeitsprinzip in der insolventen Personengesellschaft ............................................................................... a) Leistungsfähigkeit und Unternehmenssteuerrecht ............. aa) Zuordnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit ..... bb) Exkurs: Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung und Bestrebungen einer körperschaftsteuerlichen Integration der Personengesellschaft ....... b) Leistungsfähigkeit und Insolvenz ....................................... 3. Zwischenfazit ...........................................................................

366 .... 135 366 .... 135 371 .... 138 372 .... 138 373 .... 139

379 .... 141 382 .... 142 384 .... 143 XIII

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II. Präzisierung der Fragestellung ........................................................ 386 .... 144 III. Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft ..................................................................................... 1. Disponibles Einkommen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit .................................................................................... a) Disponibilität der Einkünfte der Personengesellschaft für den Gesellschafter ........................................................ b) Auswirkungen der Insolvenz der Personengesellschaft ..... 2. Bedeutung der persönlichen Haftung des Gesellschafters ........ a) Werbende Gesellschaft ....................................................... b) Insolvente Gesellschaft ...................................................... 3. Bedeutung des Anteilswerts ..................................................... 4. Schlussfolgerungen .................................................................. IV. Rechtfertigung der Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft ....................................................................... 1. Konzeption der Mitunternehmerbesteuerung ........................... 2. Zivilrechtlicher Ausgleich – Steuerentnahmerechte und Ansprüche gegen Mitgesellschafter ................................... 3. Berücksichtigung steuerlicher Verluste und der Totalperiode des Lebenseinkommens ............................................................ 4. Persönliche Haftung ................................................................. 5. Zwischenfazit ........................................................................... V. Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung ................................... 1. Die Regelungen der §§ 163, 227 AO ....................................... 2. Unbilligkeit der Besteuerung von Einkünften der insolventen Personengesellschaft ................................................................ a) Meinungsstand ................................................................... b) Stellungnahme .................................................................... aa) Unbilligkeit .................................................................. bb) Interessenabwägung ..................................................... cc) Zwischenfazit ...............................................................

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VI. Fazit zu der Vereinbarkeit der Besteuerung von Gesellschaftern insolventer Personengesellschaften mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip ............................................................................................. 460 .... 173 6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen ........................................................................... 464 .... 175 I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen gegen den Gesellschafter ............................................ 464 .... 175 1. Verortung der Fragestellung ..................................................... 467 .... 176 2. Überblick über den Meinungsstand .......................................... 469 .... 177 XIV

Inhaltsverzeichnis Rn.

3. Einordnung als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) ...................... 4. Exkurs: Zeitpunkt des Begründetseins, insbesondere Aufdeckung stiller Reserven .......................................................... 5. Einordnung als sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) ........................................................... a) Handlung des Insolvenzverwalters (1. Alternative) ........... b) In anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse (2. Alternative) ................................ aa) Verwaltung durch Geltendmachung des Gewinnanspruchs ..................................................................... bb) Verwaltung durch Halten bzw. Nicht-Freigabe des Anteils (Massezugehörigkeit) ................................ c) Keine Masseverbindlichkeit im Gesellschaftsverfahren .... d) Zwischenfazit zu Masseverbindlichkeiten ......................... 6. Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen ....................... a) Fehlende Verpflichtungsbefugnis des Insolvenzverwalters ........................................................................... b) Massebezug der Steuerforderungen ................................... 7. Fazit – Einordnung als Masseverbindlichkeit ...........................

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II. Fazit zu der insolvenzrechtlichen Qualifikation der Steuerforderungen ..................................................................................... 513 .... 190 7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse ...................................... 518 .... 191 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 201 Stichwortverzeichnis ........................................................................................ 225

XV

1. Teil – Problemstellung und Grundlagen Die Einkommensbesteuerung von Personengesellschaften in der Insolvenz ist prob- 1 lematisch, weil das Steuerrecht und das Insolvenzrecht diese Gesellschaften grundlegend unterschiedlich behandeln. Die steuerliche Einkünftezurechnung nach dem Transparenzprinzip steht potentiell im Konflikt mit der insolvenzrechtlichen Trennung der Vermögensmassen von Gesellschaft und Gesellschaftern. Die steuerlichen Folgen von Gewinnen und Verlusten der Personengesellschaft trägt 2 grundsätzlich der Gesellschafter. Ist die Gesellschaft insolvent, verbleiben solche Gewinne und Verluste aber in der abgeschirmten Insolvenzmasse. Da die Masse dem Verwaltungs- und Verfügungsbereich des Insolvenzverwalters untersteht, kann der Gesellschafter weder die Entstehung von Einkünften beeinflussen noch etwaige Gewinne entnehmen. Wendet man das steuerrechtliche Transparenzprinzip auf die insolvente Personengesellschaft unverändert an, kann dessen ungeachtet selbst ein beschränkt haftender Kommanditist noch zu Einkommensteuerzahlungen herangezogen werden, wenn es dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft gelingt, Gewinne zu erzielen.1)

I. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen 1.

Personengesellschaften und Rechtsfähigkeit

Der auf einen gemeinsamen Zweck gerichtete vertragliche Zusammenschluss meh- 3 rerer natürlicher und ggf. juristischer Personen zu einer Personengesellschaft ist in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der offenen Handelsgesellschaft (OHG), der Kommanditgesellschaft (KG), der stillen Gesellschaft (stG), der Partnerschaftsgesellschaft (PartG) oder der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) möglich.2) Zivilrechtlich betrachtet sind Personengesellschaften rechtsfähig.3) Etwas anderes gilt nur für die bürgerlichrechtliche Innen-GbR und die handelsrechtliche stille Gesellschaft, da diese als Innengesellschaften nicht am Rechtsverkehr teilnehmen.4) ___________ 1) 2)

3)

4)

So etwa der Fall bei OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. Auch Personengesellschaften können ggf. Gesellschafter sein. Zum Ganzen Klumpp, in: Lange/ Bilitewski/Götz, Personengesellschaften, Rn. 21 ff.; Niehus/Wilke, Besteuerung, S. 5 ff.; zu der seit 2013 nicht mehr neugründbaren Partenreederei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 65 sowie Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 1804. Sie können selbst Träger von Rechten und Pflichten sein (§ 14 Abs. 2 BGB, §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB, § 7 Abs. 2 PartGG, § 1 EWIV-AG); für die am Rechtsverehr teilnehmende (Außen-)GbR st. Rspr. seit BGH, Urteil vom 29.1.2001 – II ZR 331/00 (= BGHZ 146, 341). Soweit nicht ausdrücklich anders angegeben, meint “GbR” im Folgenden die Außen-GbR. Weiterführend Schäfer, in: MüKo BGB, § 705 Rn. 275 ff.; Wertenbruch, in: Westermann/ Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 805.

1

1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

2.

Wesentliche Charakteristika

4 Die kategoriale Unterscheidung zwischen den beiden gesellschaftsrechtlichen Grundtypen, der Personengesellschaft als Gesamthandsgesellschaft einerseits und der Körperschaft bzw. juristischen Person andererseits, hat durch die zunehmende Verselbständigung der Personengesellschaft an Trennschärfe verloren.5) Zumal durch gesellschaftsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis Mischformen entstehen und die Grundtypen einander teilweise stark angenähert werden.6)

5 Die verschiedenen Arten von Personengesellschaften weisen aber nach ihrem gesetzlichen Leitbild nach wie vor charakteristische Gemeinsamkeiten auf.7) So ist die Personengesellschaft typischerweise geprägt durch ihre Abhängigkeit von einem individuellen Gesellschafterkreis.8) Die Gesamtheit der Gesellschafter gilt als nicht verselbständigt gegenüber der Gesellschaft, sondern ist mit dieser identisch.9) Nach dem Gesamthandsprinzip sind die Gesellschafter in Gesellschaftsangelegenheiten grundsätzlich nur gemeinsam zuständig, insbesondere dürfen sie Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) nur gemeinschaftlich treffen.10) Nach dem Einstimmigkeitsprinzip sind sämtliche Beschlüsse grundsätzlich einstimmig zu fassen.11) Nach dem Grundsatz der Selbstorganschaft sind die Gesellschafter selbst, keine gesellschaftsfremden Dritten, zur Geschäftsführung im Innenverhältnis und zur Vertretung der Gesellschaft nach Außen berufen.12) Die Gesellschafter einer Personengesellschaft haften grundsätzlich unbeschränkt persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, da die Vermögensinteressen der Gesellschaftsgläubiger – anders als in einer Kapitalgesellschaft – nicht durch die Verpflichtung

___________ 5) Fleischer, ZGR 2014, 107, 107; s. a. Palm, FS Kirchhof, 1697, 1703. 6) Prominenteste Mischform dürfte die GmbH & Co. KG sein. Beispiel für eine körperschaftlich geprägte Personengesellschaft ist die Publikums-KG, umgekehrt kann z. B. eine familiär geführte GmbH sehr personalistisch geprägt sein. Prinz, FR 2010, 736, 737 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 I 2. 7) Mutter/Müller, in: MAH PersGesR, § 1 Rn. 20 f.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 31 ff. 8) K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 I 2. 9) Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 789 f.; kritisch Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 551 f. 10) Zum Gesellschaftsvermögen § 718 BGB; §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 31. 11) Vgl. insb. § 119 HGB, § 709 BGB; weiterführend zu Mehrheitsentscheidungen Westermann, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 514 ff. 12) Der Kommanditist ist grds. weder geschäftsführungs- noch vertretungsbefugt (§§ 164, 170 HGB). In EWIV (Art. 16, 19 EWIV-VO) und Partenreederei (§ 492 HGB a. F.) ist abweichend eine Fremdorganschaft möglich. Weiterführend K. Schmidt, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 307, passim; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 234 ff.

2

I. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

zur Aufbringung eines Mindestkapitals geschützt sind.13) Vorstehendes gilt, soweit die Gesellschafter nicht abweichende vertragliche Vereinbarungen treffen.

3.

Persönliche Haftung und Kommanditistenhaftung, Regressmöglichkeiten

Die Gesellschafter einer Personengesellschaft haften regelmäßig unbeschränkt für 6 Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die zentrale Haftungsnorm ist § 128 HGB.14) Die Gläubiger der Gesellschaft können einen persönlich haftenden Gesellschafter (in der KG Komplementär) danach persönlich mit dessen Privatvermögen in Anspruch nehmen, soweit sie einen Anspruch gegen die Gesellschaft haben (Akzessorietät), und zwar ohne zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen zu müssen (unmittelbar/primär). Diese Haftung ist weder summenmäßig noch gegenständlich begrenzt (unbeschränkt) und jeder einzelne Gesellschafter haftet als Gesamtschuldner solidarisch auf das Ganze.15) Hat der Gesellschafter eine Forderung nach § 128 HGB beglichen, steht ihm grundsätzlich ein handelsrechtlicher Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft auf Erstattung (§ 110 HGB) zu.16) Die Haftung des Kommanditisten der KG gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ist 7 auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt (§ 161 Abs. 1 HGB). Die Regelungen zu der Kommanditistenhaftung in §§ 171 bis 176 HGB sind nicht abdingbar.17) Der Kommanditist haftet zwar ebenfalls persönlich mit seinem gesamten Privatvermögen für Gesellschaftsverbindlichkeiten, allerdings summenmäßig beschränkt auf den Betrag seiner (Haft-)Einlage (auch: Haftsumme).18) Sobald er den Beitrag in Höhe der Haftsumme vollständig geleistet hat, ist seine Haftung grundsätzlich ausgeschlossen und Gesellschaftsgläubiger können ihn nicht mehr in Anspruch nehmen. Wenn und soweit er die Haftsumme zurückerhält, lebt die beschränkte Haf___________ 13) Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 881; auch insofern gelten für Kommanditisten Besonderheiten (dazu sogleich unter Rn. 7). 14) Die Norm gilt direkt für OHG-Gesellschafter, über § 161 Abs. 2 HGB für KG-Komplementäre und analog für GbR-Gesellschafter (geklärt seit BGH, Urteil vom 29.1.2001 – II ZR 331/00 (= BGHZ 146, 341)). Für die PartG gelten z. T. Abweichungen (§ 8 PartGG). Für die Partenreederei regelte § 507 Abs. 1 HGB a. F. eine akzessorische persönliche Haftung, allerdings teilschuldnerisch. In der EWIV ist die Haftung subsidiär, entspricht aber i. Ü. § 128 HGB. Zum Ganzen K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 4. 15) Ausführlich Gummert, in: MAH PersGesR, § 7 Rn. 2 ff. 16) Daneben kommen Freistellungsansprüche gegen die Gesellschaft in Betracht. Ob die Forderung des Gesellschaftsgläubigers im Wege der cessio legis auf den zahlenden Gesellschafter übergeht, ist umstritten. Weiterführend Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 41 ff.; Faust, FS K. Schmidt, 357, 359 f. 17) K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 172 Rn. 1. 18) Von der Haftsumme zu unterscheiden ist die im Innenverhältnis mit der Gesellschaft vereinbarte und im Gesellschaftsvertrag festgelegte sog. Pflichteinlage oder bedungene Einlage, weniger missverständlich auch als geschuldete Einlage(leistung) bezeichnet (vgl. K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 172 Rn. 5 ff. zur Terminologie und Rn. 41 ff. zur haftungsbefreienden Einlageleistung).

3

1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

tung des Kommanditisten wieder auf.19) Nur ausnahmsweise haftet der Kommanditist unbeschränkt, und zwar vor Eintragung in das Handelsregister (§ 176 HGB).20) Hat der haftende Kommanditist an einen Gesellschaftsgläubiger geleistet, hat auch er regelmäßig einen Regressanspruch gegen die Gesellschaft (§§ 161 Abs. 2, 110 HGB).21)

4.

Gewinne und Verluste der Gesellschaft, Kapitalanteile und Kapitalkonten

8 An Gewinnen und Verlusten der Personengesellschaft nimmt der Gesellschafter, abhängig von Rechtsform der Gesellschaft und Gesellschafterstellung, teil.

a) Prinzip der Vollausschüttung (Entnahmefähigkeit) von Gewinnen 9 Das Gesetz geht sowohl für die Personenhandelsgesellschaften OHG und KG als auch für die GbR grundsätzlich von dem Prinzip der Vollausschüttung (Entnahmefähigkeit) von Gewinnen aus, und zwar sowohl für persönlich haftende Gesellschafter als auch für Kommanditisten.22) Der handelsrechtliche, jährliche Gewinn einer Personengesellschaft kann dabei als die Mehrung des Gesellschaftsvermögens in einer Abrechnungsperiode nach Abzug von Einlagen und Hinzurechnung von Entnahmen in diesem Zeitraum definiert werden.23) Der ermittelte Gewinn wird auf die Gesellschafter verteilt. Ein Anspruch des Gesellschafters auf Entnahme bzw. Auszahlung des anteiligen Jahresgewinns entsteht grundsätzlich erst nach Abschluss des Geschäftsjahres mit Feststellung des jeweiligen Rechnungs- bzw. Jahresabschlusses.24) ___________ 19) Haftungsschädliche Einlagenrückgewähr (§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB) oder Gewinnentnahme (§ 172 Abs. 4 Satz 2, 3 HGB). 20) Näher zu Eintragung von Gesellschaft (§ 176 Abs. 1 HGB) und Kommanditistenstellung (§ 176 Abs. 1 HGB analog) K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 176 Rn. 8 ff.; soweit nicht ausdrücklich anders angegeben, wird im Folgenden von einer erfolgten Eintragung ausgegangen. 21) Den Regressanspruch kann er gegen seine Einlagepflicht aufrechnen. Zudem gelten die Ausführungen in Fn. 16 entsprechend. Näher K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 172 Rn. 2; Schall, in: Heidel/Schall, HGB, § 171 Rn. 91 ff.; Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 171. 22) Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 632 (Komplementär), 632c (Kommanditist) und 632d (GbR); Priester, in: MüKo HGB, § 120 Rn. 10 (andere Gesellschaftsformen). 23) Schulze-Osterloh, FS K. Schmidt, 1447, 1450 (GbR) und 1454 (OHG, KG). Ist die GbR Gelegenheitsgesellschaft, erfolgt die Gewinnverteilung einmalig bei Auflösung (§ 721 Abs. 1 BGB), bei den für den Untersuchungsgegenstand interessierenden Dauergesellschaften zu Erwerbszwecken gilt aber der jährliche Rhythmus (§ 721 Abs. 2 BGB; vgl. dazu Schäfer, in: MüKo BGB, § 721 Rn. 2). 24) Vgl. §§ 120, 121 HGB. Während der persönlich haftende Gesellschafter den Gewinn entnimmt (§ 122 HGB), ist der Kommanditist grds. auf ein Auszahlenlassen verwiesen (§ 169 HGB). Ein weitergehender Gewinnverwendungsbeschluss oder ein Auszahlungsverlangen ist für die Entstehung des Gewinnanspruchs nicht nötig (näher Gsell, in: Beck PersGes-HB, § 4 Rn. 115; v. Falkenhausen/H.C. Schneider, in: Münch. Hdb. GesR II, § 24 Rn. 15). Die Rechtsnatur des Feststellungsbeschlusses ist umstritten (vgl. Priester, in: MüKo HGB, § 120 Rn. 56 ff. m. w. N.).

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I. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

Der persönlich haftende Gesellschafter der OHG oder KG hat nach der gesetzli- 10 chen Regelung ein gewinnunabhängiges Recht auf Entnahme von 4 % seines Kapitalanteils (Kapitalentnahmerecht, § 122 Abs. 1 Alt. 1 HGB). Dabei kann sich eine ungeschriebene Entnahmebeschränkung aus seiner Treuepflicht ergeben.25) Er hat zudem Anspruch auf seinen Anteil an einem darüber hinausgehenden Gewinn, soweit dies nicht zu einem offenbaren Schaden der Gesellschaft führt (Gewinnentnahmerecht, § 122 Abs. 1 Alt. 2 HGB).26) Für den Kommanditisten gelten einige Besonderheiten, insbesondere setzt die Auszahlung seines Gewinnanteils grundsätzlich die vollständige Leistung der Einlage voraus.27)

b) Keine Nachschusspflicht bei Verlusten Verluste, verstanden als die Minderung des Gesellschaftsvermögens in einer Ab- 11 rechnungsperiode nach Abzug von Einlagen und Hinzurechnung von Entnahmen in diesem Zeitraum, werden entsprechend ermittelt und auf die Gesellschafter verteilt.28) Zu einer Erhöhung des vereinbarten Beitrags oder zu einer Ergänzung der durch 12 Verluste geminderten Einlage ist der Gesellschafter jedoch nicht verpflichtet (§ 707 BGB, §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB). Diese Regelungen schützen den Gesellschafter der werbenden Gesellschaft vor einer unabsehbaren Belastung mit Beiträgen oder Nachschüssen, zu denen er sich nicht verpflichtet hat.29) Nur ausnahmsweise kann er aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet sein, Nachschüssen zuzustimmen.30)

c)

Funktion von Kapitalanteilen und Kapitalkonten

Die unmittelbare Verteilung von Gewinnen und Verlusten einer Personenhandels- 13 gesellschaft auf ihre Gesellschafter erfolgt nach den handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften über die Kapitalkonten.31) Der anteilige Gesellschaftsgewinn oder -verlust wird dem Kapitalanteil des Gesellschafters zu- oder abgeschrieben (§§ 120 Abs. 2, 167 Abs. 1 HGB), wobei für Kommanditisten gewisse Beschränkungen gelten ___________ 25) Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 34 f.; Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 40. 26) Diese Begrenzung gilt nach überzeugender Ansicht trotz § 169 Abs. 1 Satz 1 HGB auch für Kommanditisten (Schön, FS Beisse, 471, 480 f.). Für die unternehmenstragende GbR sollen §§ 120 – 122 HGB entsprechend gelten (Priester, in: MüKo HGB, § 120 Rn. 10 m. w. N.). 27) Er hat auch kein gewinnunabhängiges Kapitalentnahmerecht, näher Gummert, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 169 Rn. 2 ff. 28) Vgl. Nachweise in Fn. 23. 29) Ausführlich Armbrüster, ZGR 2009, 1, 8 ff.; Schäfer, in: MüKo BGB, § 707 Rn. 1. 30) Die Anforderungen an das Bestehen einer solchen Pflicht im Einzelfall sind hoch, weiterführend Armbrüster, ZGR 2009, 1, 10 ff.; Servatius, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, BGB § 707 Rn. 8 ff.; Schäfer, in: MüKo BGB, § 707 Rn. 10; Wertenbruch, DStR 2007, 1680, 1680 ff. 31) Dazu Schulze-Osterloh, FS K. Schmidt, 1447, 1452.

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1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

(§§ 167 Abs. 2 und 3 HGB).32) Auch Einlagen und Entnahmen des Gesellschafters verändern seinen Kapitalanteil.33)

14 Der Kapitalanteil, erfasst auf dem Kapitalkonto des jeweiligen Gesellschafters, bildet damit dessen bilanziellen Anteil am Eigenkapital der Personengesellschaft ab und gibt Auskunft über den Stand der Einlage, bei Kommanditisten auch über die Haftungsverhältnisse.34) Der Kapitalanteil ist eine bloße Rechnungsziffer und begründet keine Forderung oder Verbindlichkeit.35) Ein positiver Kapitalkontensaldo begründet daher ebenso wenig einen Anspruch des Gesellschafters auf Auszahlung des Kapitalanteils wie die Gesellschaft im Falle eines negativen Kapitalkontensaldos von dem Gesellschafter Nachschüsse verlangen kann.36)

II. Personengesellschaften im Steuerrecht 1.

Dualismus der Unternehmensbesteuerung

15 Die Unternehmensbesteuerung ist im deutschen Steuerrecht traditionell rechtsformabhängig.37) Zentral ist die Differenzierung zwischen Körperschaften bzw. juristischen Personen einerseits, denen eine eigenständige Vermögenssphäre neben derjenigen der Gesellschafter zuerkannt wird (sog. Trennungsprinzip), sowie Einzelunternehmern und Personengesellschaften andererseits, bei denen auf die natürliche Person bzw. den Gesellschafter abgestellt wird (sog. Transparenzprinzip).38) Dies führt zu einem Dualismus der Unternehmensbesteuerung: Während Körperschaften auf allen Teilgebieten des Steuerrechts über Rechtssubjektsqualität verfügen, werden Personengesellschaften in den einzelnen Steuerarten im Hinblick auf ihre Steuerrechtsfähigkeit unterschiedlich behandelt.39)

___________ 32) Huber, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 203, 203 ff.; Ders., ZGR 1988, 1, 7 f.; zur entsprechenden Anwendung von §§ 120 – 122 HGB auf die GbR s. Fn. 26. 33) Sassenrath, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 575. 34) Huber, ZGR 1988, 1, 4 ff. (persönlich haftender Gesellschafter) sowie 12 ff. (Kommanditist); Sassenrath, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 575 ff.; weiterführend Sieker, FS Westermann, 1519, 1523 ff.; für die Qualifikation als Kapitalkonto ist nicht die Bezeichnung, sondern die Eigenkapitalqualität entscheidend (Kersten/Feldgen, FR 2013, 197, 198 f.). 35) Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 120 Rn. 13; Sassenrath, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 575a und 576 ff. 36) Huber, ZGR 1988, 1, 5 (persönlich haftender Gesellschafter) und 11 f. (Kommanditist). 37) Näher Drüen, GmbHR 2008, 393, 393 ff.; Montag, in: Tipke/Lang, § 13 Rn. 1 ff. 38) Zustimmend BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 – 2 BvL 2/99 (= BVerfGE 116, 164); kritisch etwa Hennrichs, FR 2010, 721, passim; Ders., StuW 2002, 201, passim. 39) Näher Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 1 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, § 11 Rn. 1 ff.; Montag, in: Tipke/Lang, § 13 Rn. 4 ff.; Reiß, FS Kirchhof, 1925, 1926 ff.; zu Reformbestrebungen unter Rn. 148 f.

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II. Personengesellschaften im Steuerrecht

2.

Steuerrechtsfähigkeit von Personengesellschaften

a) Transparenzprinzip der Einkommensteuer: Mitunternehmerbesteuerung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und zweistufige Gewinnermittlung Personengesellschaften sind weder einkommen- noch körperschaftsteuerpflichtig, 16 da der Einkommensteuer nur natürliche Personen unterliegen (§ 1 EStG) und Personengesellschaften nicht zu den Subjekten der Körperschaftsteuer zählen (§ 1 KStG). Das deutsche Ertragsteuerrecht folgt insofern dem überkommenen zivilrechtlichen Grundsatz, dass Personengesellschaften anders als juristische Personen keine allgemeine Rechtspersönlichkeit besitzen.40) Nach der zentralen Norm der Mitunternehmerbesteuerung, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17 EStG, gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb insbesondere die Gewinnanteile des Gesellschafters einer OHG, KG oder anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen ist. Das hier verankerte Transparenzprinzip führt dazu, dass der Gesellschafter (als Mitunternehmer) anteilig die steuerlichen Folgen der von der Gesellschaft (als Mitunternehmerschaft) erzielten Ergebnisse trägt. Deren Gewinne oder Verluste werden ihm materiell zugerechnet und, je nachdem, ob er eine natürliche oder juristische Person ist, bei seiner Veranlagung zu Einkommen- oder Körperschaftsteuer erfasst.41) Die Gesellschaft selbst ist zumindest Subjekt der Einkünfteermittlung und -qualifikation (sog. partielle Steuerrechtsfähigkeit).42) In Abkehr von der bis in die siebziger Jahre herrschenden sog. Bilanzbündeltheorie, nach der die Personengesellschaft für die Einkommensteuer „überhaupt nicht da“43) war, um den Gesellschafter mit Einzelunternehmern gleichzustellen, wird damit nach heute überwiegender Auffassung nicht allein die Vielheit der Gesellschafter, sondern auch die Einheit der Gesellschaft anerkannt (sog. duales System).44) Im Einzelnen bleibt die Konzeption des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dennoch problematisch.45) ___________ 40) Niehus/Wilke, Besteuerung, S. 19; Aufgrund der jüngeren Fortentwicklungen der Gesamthand im Zivilrecht ist insofern ein „fundamentaler Widerspruch“ zum Steuerrecht entstanden (vgl. Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 545 ff.). 41) Für die vorliegende Untersuchung wird, soweit nicht anders angegeben, davon ausgegangen, dass der Gesellschafter eine natürliche Person ist. 42) Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG Rn. 236 m. w. N.; Kahle, in: Beck PersGes-HB, § 7 Rn. 10; umstr., ob Subjekt der Einkünfteerzielung Gesellschafter oder Gesellschaft ist (s. sogleich Fn. 45). 43) Becker, Grundlagen, S. 94; weiterführend z. B. die Darstellung bei Rätke, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 15 EStG Rn. 85 ff.; Tipke, StuW 1978, 193, 194 ff. 44) Näher z. B. Groh, ZIP 1998, 89, 91 ff.; Drüen, FS 100 Jahre BFH, 1317, 1331 f.; Kahle, in: Beck PersGes-HB, § 7 Rn. 10 ff.; Lang, FS L. Schmidt, 291, 291 ff.; eingehend zu der Entwicklung der BFH-Rspr. auch Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 20 ff. sowie Schön, StuW 1996, 275, 275 ff. 45) Kritisch etwa Hennrichs, FR 2010, 721, 721 f. („nach wir vor ungelöste[s] Spannungsverhältnis“) und Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 294 ff. Umstritten ist insb., ob die originäre Einkünfteerzielung durch die Gesellschafter gemeinschaftlich erfolgt oder durch die Gesellschaft selbst, sodass den Gesellschaftern fremde Einkünfte zugerechnet werden (näher z. B. Hüttemann, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 39, 43 ff. m. w. N.).

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1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

18 Wichtig ist hier, dass die steuerliche Zurechnung von Einkünften nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unmittelbar in dem Jahr des Entstehens der Einkünfte bei der Gesellschaft erfolgt, und zwar unabhängig von Gewinnausschüttungen oder Entnahmen oder Entnahmerechten des einzelnen Mitunternehmers, also insbesondere auch im Falle einer Thesaurierung.46) Die Einkommensteuer entsteht als Jahressteuer mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. Veranlagungszeitraums der Einkünfteerzielung (sog. Periodizitätsprinzip).47)

19 Die gesellschafts- und steuerrechtliche Terminologie ist im Übrigen nicht deckungsgleich: Eine Personengesellschaft ist nur als Mitunternehmerschaft einzustufen, wenn sie gewerbliche Einkünfte erzielt und ihre Gesellschafter Mitunternehmer des Betriebs sind, wofür diese insbesondere Mitunternehmerinitiative entfalten und Mitunternehmerrisiko tragen müssen.48) Dies wird, jedenfalls sofern ihre Rechte und Pflichten nach dem gesetzlichen Leitbild ausgestaltet sind, für alle Gesellschafter von OHG, KG und GbR bejaht.49) Nicht als Mitunternehmerschaft qualifiziert die rein vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft.50)

20 Um dem steuerrechtlichen Status der Personengesellschaft als (teilweise) verselbständigter Einheit gerecht zu werden und ihre Ergebnisse unmittelbar steuerlich zu erfassen, folgt das Gewinnermittlungsverfahren einem zweistufigen System. Auf einer ersten Stufe werden die von der Gesellschaft erzielten Einkünfte nach dem handelsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter verteilt, bevor die auf diese Art ermittelten persönlichen Gewinn- oder Verlustanteile der einzelnen Gesellschafter auf einer zweiten Stufe um individuelle Besonderheiten ergänzt

___________ 46) Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 361. 47) Vgl. §§ 2 Abs. 7, 36 Abs. 1, 25 Abs. 1 EStG. 48) Weiterführend Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 12 ff.; Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 25 f. und 30 ff.; Klumpp, in: Lange/Bilitewski/Götz, Personengesellschaften, Rn. 246 ff.; Schulze-Osterloh, DStJG 2 (1979), 131, 134 ff. 49) Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG Rn. 344 und 360 sowie näher zu GbR, PartG und Partenreederei Rn. 311 ff.; Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 30 ff.; indes kann die stG nur bei zivilrechtlich atypischer Ausgestaltung Mitunternehmerschaft sein, ein typischer stiller Gesellschafter ist nicht Mitunternehmer, sondern lediglich Geldgläubiger (Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG Rn. 232b). Für die EVIW gilt das Transparenzprinzip (Art. 40 EWIV-VO), ob sie Mitunternehmerschaft sein kann, ist aber nicht abschließend geklärt (näher Pathe, in: MAH PersGesR, § 28 Rn. 176 ff.; Salger, in: Münch. Hdb. GesR I, § 98 Rn. 4 f.). s. a. unter Rn. 227 und Rn. 232. 50) Vorbehaltlich der Anwendbarkeit von Sonderregelungen erzielt eine vermögensverwaltende Personengesellschaft keine gewerblichen Einkünfte (weiterführend z. B. Crezelius, in: Westermann/ Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. II 30 ff.; Kahle, in: Beck PersGes-HB, § 7 Rn. 286 ff.); es gilt die Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO (vgl. Ratschow, in: Klein, AO, § 39 Rn. 78); zur Einkünftezurechnung in dieser Gesellschaft s. Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 282 ff.; Auf die vermögensverwaltende Personengesellschaft wird im Folgenden nicht gesondert eingegangen.

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II. Personengesellschaften im Steuerrecht

werden.51) Die erste Stufe betrifft damit primär die Verhältnisse der Gesellschaft, ihr liegt die aus der Handelsbilanz abgeleitete Steuerbilanz der Gesellschaft zugrunde, korrigiert um die Ergebnisse von Ergänzungsbilanzen der Mitunternehmer.52) Die zweite Stufe berücksichtigt mit dem in Sonderbilanzen ausgewiesenen Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters dessen sog. Sonderbereich.53) In der Einordnung der Gesellschafterkonten folgt das Steuerrecht prinzipiell dem 21 Handelsrecht, womit das steuerliche grundsätzlich dem handelsrechtlichen Kapitalkonto entspricht.54) Die Gewinnermittlungsart des Betriebsvermögensvergleichs nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ist freilich nicht für alle Personengesellschaften zwingend, wohl aber bei verpflichtender oder freiwilliger Buchführung und Jahresabschlusserstellung.55) Daher kann sie hier zugrunde gelegt werden.

b) Transparenzprinzip in weiteren Steuerarten Nicht nur das Einkommensteuerrecht (einschließlich einiger besonderer Erhebungs- 22 formen)56) folgt dem Transparenzprinzip. So hat sich die Rechtsprechung des BFH inzwischen dahin entwickelt, Personenge- 23 sellschaften nicht selbst als Subjekte der Erbschafts- und Schenkungssteuer anzuerkennen, sondern im Falle eines steuerrechtlich relevanten Erwerbs auf Gesellschaftsebene auf die einzelnen Gesellschafter durchzugreifen.57)

___________ 51) Weiterführend zum Ganzen Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 20 ff. und 100 ff.; Hüttemann, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 39, passim; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 364 ff.; Lang, FS L. Schmidt, 291, 294 ff.; Uelner, DStJG 14 (1991), 139, 142 f. 52) Hüttemann, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 39, 52 f.; Ders., DStJG 34 (2011), 291, 299 ff.; Kahle, FR 2013, 873, 873 ff.; grundlegend Regniet, Ergänzungsbilanzen, passim; Uelner, DStJG 14 (1991), 139, 148 ff. 53) Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 130 ff.; Hüttemann, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 39, 53 ff.; Ders., DStJG 34 (2011), 291, 299 ff.; Kahle, FR 2012, 109, 109. 54) Steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften können im Einzelfall Abweichungen verursachen. Weiterführend Rohner, in: MAH PersGesR, § 17 Rn. 89 ff.; Kersten/Feldgen, FR 2013, 197, 200; zu dem Begriff des Kapitalkontos i. S. v. § 15a EStG Kahle, FR 2010, 773, passim. 55) Vgl. §§ 140, 141 AO, §§ 238 ff. HGB; weiterführend zu Gewinnermittlungsarten bei Personengesellschaften Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 91 ff.; Rohner, in: MAH PersGesR, § 17 Rn. 198 ff. 56) Insb. bei Kapitalertrag- (§§ 43 ff. EStG) und Bauabzugsteuer (§§ 48 ff. EStG) ist der Gesellschafter materiell-rechtlich Steuerschuldner, anders bei der Lohnsteuer (§§ 38 ff. EStG), vgl. z. B. Petersen/Winkelhog, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 4 Rn. 115 ff. sowie Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 209 ff. 57) Näher Crezelius, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. II 81 ff.; Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 66 ff.; Seer, in: Tipke/Lang, § 15 Rn. 38.

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1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

c)

Trennungsprinzip (insb. Umsatz- und Gewerbesteuer)

24 In anderen Steuerarten können Personengesellschaften dagegen unter bestimmten Voraussetzungen selbst Steuerrechtssubjekt und Steuerschuldner sein. Dort gilt weitgehend – wie für Körperschaften – das Trennungsprinzip.

25 Dies betrifft insbesondere Umsatz- und Gewerbesteuer. Der Umsatzsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer unterliegt der Austausch bestimmter Leistungen.58) Die Steuerpflicht knüpft regelmäßig an den Begriff des Unternehmers an.59) Personengesellschaften, mit Ausnahme der Innengesellschaften, können – unabhängig von einer Unternehmereigenschaft ihrer Gesellschafter – grundsätzlich selbst Unternehmer i. d. S. und damit Umsatzsteuerschuldner sein.60) Die Gewerbesteuer knüpft, entsprechend ihrer Konzeption als Real- und Objektsteuer, an den Steuergegenstand des inländischen Gewerbebetriebes an.61) Schuldner der Gewerbesteuer ist der Unternehmer, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird.62) Personengesellschaften unterhalten regelmäßig entweder kraft tatsächlicher gewerblicher Tätigkeit und/ oder kraft gesetzlicher Fiktion einen Gewerbebetrieb.63) Ist dies der Fall, ist die Gesellschaft selbst Steuerschuldner.64)

26 Auch Grundsteuer und Grunderwerbsteuer kennen das Trennungsprinzip. Die Grundsteuer als Objektsteuer knüpft an das Steuerobjekt Grundbesitz an, sodass Steuerschuldner derjenige ist, dem der Grundbesitz bei Feststellung des Einheitswerts nach Kriterien des wirtschaftlichen Eigentums zuzurechnen ist.65) Die rechtsfähigen Personengesellschaften, die Grundstückseigentum erwerben und im Grundbuch als Eigentümer eingetragen werden, sind daher nach dem Grundsteuergesetz eigenständige Steuersubjekte.66) Nach dem Grunderwerbsteuergesetz kann die rechtsfähige Personengesellschaft ebenfalls eigenständiges Steuersubjekt sein.67) Voraussetzung ___________ 58) Englisch, in: Tipke/Lang, § 17 Rn. 10 ff. 59) Vgl. §§ 2 Abs. 1, 13a Abs. 1 Nr. 1 und 6 UStG. 60) Näher dazu Englisch, in: Tipke/Lang, § 17 Rn. 35; Pogodda-Grünwald/Auer, in: Lange/Bilitewski/ Götz, Personengesellschaften, Rn. 5231 ff.; Leipold in: Sölch/Ringleb, UStG, § 13a Rn. 60; Treiber in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rn. 25 ff. 61) § 2 Abs. 1 GewStG; weiterführend Montag, in: Tipke/Lang, § 12 Rn. 1 ff. 62) § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 GewStG. 63) Etwas anderes gilt z. B. für die EWIV. Es muss eine Mitunternehmerschaft vorliegen. Näher Driesch, in: Lange/Bilitewski/Götz, Personengesellschaften, Rn. 4726 ff.; Fischer, in: Westermann/ Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 373 ff.; Gosch, in: Blümich, EStG, § 5 GewStG Rn. 39 ff.; Montag, in: Tipke/Lang, § 12 Rn. 6 ff. und 15; s. a. Drüen, FS 100 Jahre BFH, 1317, 1324 f. 64) Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG. 65) Vgl. §§ 2, 10 Abs. 1 GrStG, § 39 AO; dazu z. B. Witfeld, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 6 Rn. 1 ff. 66) Näher Seer, in: Tipke/Lang, § 16 Rn. 20; s. a. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 221 f. 67) Englisch, in: Tipke/Lang, § 18 Rn. 53 sowie 27 ff.; Hiller, in: Beck PersGes-HB, § 7 Rn. 390 ff.

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III. Personengesellschaften im Insolvenzrecht

ist, dass sie für den relevanten Erwerbstatbestand Beteiligter ist (z. B. Grundstückseigentümer).68)

III. Personengesellschaften im Insolvenzrecht 1.

Insolvenzfähigkeit und Verfahrenskonstellationen

Personengesellschaften sind insolvenzfähig. Über ihr Vermögen kann ein selbstän- 27 diges Insolvenzverfahren eröffnet werden (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO).69) Dies gilt nicht für die reine Innen-GbR und die stille Gesellschaft.70) Von der Gesellschaftsinsolvenz streng zu unterscheiden ist das Insolvenzverfahren 28 über das Vermögen des einzelnen Gesellschafters.71) In der Praxis am häufigsten ist die Konstellation, in der sowohl Personengesellschaft als auch Gesellschafter insolvent sind (sog. Doppel- oder Simultaninsolvenz), da regelmäßig entweder ein Gesellschaftsgläubiger erst Insolvenzantrag stellt, nachdem er bereits erfolglos die Inanspruchnahme der haftenden Gesellschafter versucht hat72) oder ein Gesellschafter gerade infolge der Geltendmachung seiner persönlichen Haftung durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft insolvent wird.73) Die Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft und über das Vermögen der Gesellschafter sind selbständig und strikt voneinander zu trennen.74)

2.

Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesell- 29 schaft kommt es insolvenzrechtlich zu einer strikten Trennung der Vermögensmas___________ 68) Bei bestimmten Tatbeständen (z. B. Anteilsvereinigung, § 1 Abs. 3 GrEStG) findet eine Besteuerung auf Ebene des Gesellschafters statt (Lütticken, in: Lange/Bilitewski/Götz, Personengesellschaften, Rn. 5921 f.). 69) Die Norm nennt als „Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“ neben OHG, KG, PartG, GbR und EWIV auch die seit 2013 nicht mehr neugründbare Partenreederei. Zu dieser K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 65 sowie Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 1804 m. w. N. 70) Als Innengesellschaften sind sie nicht rechtsfähig und bilden weder gesamthänderisch gebundenes Gesellschaftsvermögen noch selbständige Gesellschaftsschulden (Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 374 (Innen-GbR) und Rn. 384 (stG); Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 1802). 71) Näher z. B. Kreplin, in: MAH Insolvenz, § 26 Rn. 109 ff. 72) Farr, Besteuerung, Rn. 312; Jenal, in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 31 Rn. 115; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 131. 73) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 97; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 93 Rn. 1. 74) Boochs/Nickel, in: Wimmer, FK-InsO, § 155 Rn. 1219; Farr, Besteuerung, Rn. 312; Kreplin, in: MAH Insolvenz, § 26 Rn. 109 ff.; Nickel, in: Handbuch FA Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 551; Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/Prütting, InsO, Rn. 477; Roth, in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 128 Rn. 47.

11

1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

sen.75) Das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft einschließlich der Sozialansprüche auf rückständige Einlagen fällt in die Insolvenzmasse, die der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dient.76) Das Vermögen des Gesellschafters bleibt dagegen insolvenzfrei oder fällt, falls auch er insolvent ist, in dessen eigene Insolvenzmasse.77)

30 Zugleich geht die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zu der Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter über.78) Er handelt bezüglich des insolvenzbefangenen Vermögens mit Wirkung für und gegen den Schuldner.79)

31 Die Gläubiger werden je nach Art ihrer Forderung in Kategorien eingeteilt, was maßgeblichen Einfluss auf ihre Befriedigungschancen hat. Masseverbindlichkeiten, also insbesondere von dem Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten, werden vorweg aus der Masse berichtigt.80) Insolvenzforderungen, also bereits vor Verfahrenseröffnung begründete Forderungen, sind dagegen zur Insolvenztabelle anzumelden und werden bei Verteilung der Masse regelmäßig nur mit einer geringen Quote befriedigt.81) Sonstige Forderungen richten sich gegen das insolvenzfreie Vermögen und nehmen nicht an dem Verfahren teil. Nur wenn nach Verwertung der Masse und Durchführung der Schlussverteilung alle Gläubigerforderungen befriedigt sind und Überschüsse verbleiben, können diese – praktisch sehr unwahrscheinlich – an die Gesellschafter ausgezahlt werden.82)

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes 1.

Unabgestimmtheit von Steuer- und Insolvenzrecht hinsichtlich Personengesellschaften

32 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft sind sowohl Steuer- als auch Insolvenzrecht anzuwenden. Wenn die Verfahrenseröffnung weder den Gewerbebetrieb der Personengesellschaft noch die Einkommensteuerpflicht der Gesellschafter als Mitunternehmer beendet, kann die insolvente Gesellschaft nach wie vor steuerpflichtige gewerbliche Einkünfte i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielen, die ihren Gesellschaftern zuzurechnen ___________ Frotscher, Besteuerung, S. 171; Kahlert, in: Kahlert/Rühland, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 9.769. §§ 1, 35 InsO. Bodden, in: Korn, EStG, § 15 Rn. 66.12; s. a. Rn. 174 ff. § 80 InsO. Näher z. B. Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 12 ff. §§ 53 ff. InsO, insb. § 55 Abs. 1 InsO. Es gilt die Reihenfolge der §§ 38 f. InsO, wenn nicht ausnahmsweise eine Aufrechnung möglich ist (§§ 94 ff. InsO); Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1513. 82) § 199 Satz 2 InsO.

75) 76) 77) 78) 79) 80) 81)

12

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

sind. Zugleich fällt nach der Insolvenzordnung das Vermögen der Gesellschaft in deren Insolvenzmasse, wird dem Verfügungsbereich der Gesellschafter entzogen und der Kompetenz des Insolvenzverwalters unterstellt. Die Gläubiger der Gesellschaft sind nach dem insolvenzrechtlich vorgegebenen System zu befriedigen. Die steuerrechtlich und insolvenzrechtlich für Personengesellschaften geltenden Re- 33 gelungen sind nicht aufeinander abgestimmt. Die steuerrechtliche unmittelbare Zurechnung der Einkünfte der Gesellschaft zu den Gesellschaftern (Transparenz) steht im Gegensatz zu der insolvenzrechtlichen strikten Trennung zwischen dem Privatvermögen des Gesellschafters und dem Gesamthandsvermögen der Gesellschaft.83) Insolvenzrechtlich wird das Gesellschaftsvermögen wie eine Vermögensmasse mit eigener Rechtssubjektivität behandelt.84) Diese insolvenzrechtliche Aufteilung der Vermögensmassen findet im Steuerrecht keine Entsprechung.85) Daraus ergibt sich, dass die Gesellschafter die steuerlichen Folgen von Gewinnen oder Verlusten der insolventen Gesellschaft tragen, während diese Gewinne oder Verluste die abgeschirmte Insolvenzmasse der Gesellschaft treffen. Erwirtschaftet die insolvente Gesellschaft einen Gewinn, droht der Gesellschafter 34 also zu einer Steuerzahlung aus seinem Privatvermögen herangezogen zu werden, obwohl der Gewinn als Teil der Insolvenzmasse der Gesellschaft den Gesellschaftsgläubigern zur Verfügung steht und der Gesellschafter selbst keine oder nur geringe Aussicht hat, den Gewinn jemals zu erhalten.86) Ist umgekehrt ein Verlust der insolventen Gesellschaft unmittelbar dem Gesellschafter zuzurechnnen, stehen ihm damit (innerperiodisch) der horizontale und der vertikale Verlustausgleich sowie (über den Veranlagungszeitraum hinaus) der Verlustrücktrag (§ 10d EStG) und der Verlustvortrag offen.87) Eine Entlastung in Form der Steuerlastverminderung kommt also dem Gesellschafter zugute (Steuervorteil), obwohl der Verlust die Insolvenzmasse der Gesellschaft und damit das für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehende Vermögen schmälert.88) Die Mitunternehmerbesteuerung in der Insolvenz kann damit zu erheblichen Be- oder Entlastungen für die Masse der Personengesellschaft führen, da diese von Gewinnen profitiert oder unter Verlusten leidet, deren steuerliche Folgen aber jeweils den Gesellschafter treffen.89) ___________ 83) Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1506 und 1536 ff.; Kahlert, in: Kahlert/Rühland, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 9.769; ähnlich Frotscher, Besteuerung, S. 171. 84) Frotscher, Besteuerung, S. 171; Nickel, in: Handbuch FA Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 552. 85) Frotscher, Besteuerung, S. 171; zur früher vertretenen sog. Separationstheorie, nach der die Gesellschaftsmasse in der Insolvenz bzw. im Konkurs zum eigenständigen Rechtssubjekt wurde, vgl. Rn. 73 m. w. N. 86) Vgl. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 194; ähnlich Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 82. 87) Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. II 131. 88) Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 117; ähnlich Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 83. 89) Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 117.

13

1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

2.

Auswirkungen in unterschiedlichen Situationen

35 In einigen Konstellationen ist die aufgezeigte Unabgestimmtheit von Steuer- und Insolvenzrecht besonders virulent, weshalb sie besonders im Fokus dieser Untersuchung stehen.

a) Differenzierung nach Gesellschaftsformen 36 Nicht für alle Gesellschaftsformen stellt sich die untersuchte Problematik gleichermaßen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der OHG und der KG, mit besonderem Augenmerk auf dem Kommanditisten. Die (Außen-)GbR wird ebenfalls berücksichtigt.

37 Nicht im Einzelnen eingegangen wird auf die Besonderheiten von EWIV, Partnerschaftsgesellschaft und Partenreederei.90) In reinen Innengesellschaften stellt sich weder die Frage nach einer Besteuerung von Gesellschaftsgewinnen noch ist die Insolvenzeröffnung über ihr Vermögen möglich, sodass die stille Gesellschaft und die Innen-GbR grundsätzlich außer Betracht bleiben können.

b) Persönlich haftender Gesellschafter und Kommanditist 38 Bei einem persönlich haftenden Gesellschafter wird die Besteuerung von Gewinnen der insolventen Gesellschaft im Ergebnis oft als gerechtfertigt angesehen. Dies soll vor allem mit der Begründung gelten, ein Gewinn der insolventen Gesellschaft lasse den Umfang seiner persönlichen Haftung sinken.91)

39 Für den beschränkt haftenden Gesellschafter, den Gesellschaftsgläubiger nicht oder nur begrenzt in Anspruch nehmen dürfen, ist dies anders. Hat der Kommanditist seine Einlage vollständig geleistet und nicht zurückerlangt, ist seine Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausgeschlossen.92) Es wird daher überwiegend als unbillig angesehen, dass er dennoch für Steuern auf Gewinne der Gesellschaft einstehen soll.93) Auch der Kommanditist, der seine Einlage noch nicht vollständig erbracht oder zurückerhalten hat, haftet nur begrenzt – dennoch werden ihm Gewinne, die potentiell eine Steuerlast auslösen, grundsätzlich unbegrenzt zugerechnet. Die Besteuerung des Kommanditisten der insolventen Gesellschaft ist ungleich komplizierter als die des persönlich haftenden Gesellschafters. Insbesondere bei der ___________ 90) Weiterführend zu der Besteuerung der EWIV Salger, in: Münch. Hdb. GesR I, § 98 Rn. 1 ff.; zu der nicht mehr neugründbaren und weniger praxisrelevante Rechtsform der Partenreederei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 65 sowie Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 1804 m. w. N. 91) Ausführlich noch im 2. Teil. 92) §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB. 93) Nachweise in Fn. 104 bis 109; ausführlich noch im 2. Teil.

14

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

steuerlichen Verlustzurechnung bestehen Besonderheiten, die es in der Insolvenz angemessen zu berücksichtigen gilt.94)

c)

Differenzierung nach Steuerarten

Es bestehen nicht in allen Steuerarten gleichermaßen Friktionen. Die Personenge- 40 sellschaft bleibt in der Insolvenz insoweit Steuersubjekt, als sie es auch außerhalb der Insolvenz war.95) Die dargestellten Geltungsbereiche von steuerlichem Trennungsund Transparenzprinzip bleiben erhalten. Die Unabgestimmtheit von Steuer- und Insolvenzrecht wirkt sich daher vornehmlich im Rahmen der Einkommensbesteuerung in der insolventen Personengesellschaft aus.96) Der Fokus liegt hier auf der Einkünftezurechnung zu Mitunternehmern nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Indem das Steuerrecht in diesem zentralen Teil der Steuerrechtsordnung auf den Gesellschafter abstellt, während das Insolvenzrecht auf die Gesellschaft abhebt, entstehen hier die drängendsten Fragen bei der Besteuerung von insolventen Personengesellschaften.97) Soweit in anderen Steuerarten nach dem Trennungsprinzip sowohl steuer- als auch 41 insolvenzrechtlich die Verhältnisse der Gesellschaft maßgeblich sind, stellen sich die zu untersuchenden Fragen nicht oder nicht mit gleicher Intensität. Sie können daher aus der weiteren Betrachtung ausgenommen werden.98)

d) Unterscheidung der Insolvenzverfahren Die untersuchte Problematik stellt sich infolge der Eröffnung des Insolvenzverfah- 42 rens über das Vermögen der Personengesellschaft. Als besonders unbefriedigend werden die Ergebnisse der steuerlichen Gewinnzu- 43 rechnung angesehen, wenn zugleich ein oder mehrere Gesellschafter insolvent sind (Doppelinsolvenz). Der Gewinn der insolventen Gesellschaft erhöht in diesem Fall die Masse der Gesellschaft, während die zugehörigen Steuern die Masse des jeweiligen Gesellschafters schmälern. Daher wird oft kritisiert, die Gläubiger der Gesell-

___________ 94) Zum Ganzen ausführlich unter Rn. 245 ff. 95) Sie bleibt in Steuerarten Steuersubjekt, in denen sie es vor der Insolvenz war (insb. Umsatzund Gewerbesteuer), umgekehrt wird sie nicht Steuersubjekt in Steuerarten, für die sie es außerhalb der nicht war (insb. Einkommensteuer), vgl. Frotscher, Besteuerung, S. 167 f. 96) Vgl. Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rn. 4; Daneben kann sich die Unabgestimmtheit im Bereich der Erbschafts- und Schenkungsteuer auswirken, in welchem ebenfalls eine transparente Besteuerung stattfinden kann (vgl. Rn. 23). 97) Vgl. Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1506. 98) Weiterführend zu diesen Steuerarten in der Insolvenz z. B. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 209 ff.

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1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

schaft seien zulasten der Gläubiger des Gesellschafters bereichert.99) Umgekehrt mindert ein Verlust der insolventen Gesellschaft deren Insolvenzmasse, während derselbe Verlust dem Gesellschafter (vorbehaltlich eines Ausschlusses nach § 15a EStG) zugerechnet werden und so für diesen zu einem Steuervorteil führen kann. Entsprechend wird moniert, die Masse in dem Verfahren des Gesellschafters sei durch die Verluste aus dem Gesellschaftsverfahren bereichert.100)

44 Wird nur über das Vermögen des Gesellschafters, nicht aber über dasjenige der Personengesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet (alleinige Gesellschafterinsolvenz), stellt sich die beschriebene Problematik nicht. Das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft bildet in diesem Fall keine insolvenzrechtlich abgeschirmte Vermögensmasse. Die Konstellation wird im Folgenden weniger vertieft behandelt, aber an einigen Stellen vergleichend aufgegriffen.

e)

Folgefrage: Insolvenzrechtliche Einordnung von Steuerforderungen

45 Soweit ein insolventer Gesellschafter nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu besteuern ist, stellt sich die Folgefrage nach der insolvenzrechtlichen Einordnung der Steuerforderungen. Diese sind wie andere Ansprüche als Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten oder Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen geltend zu machen. Steueransprüche des Fiskus gegen den insolventen Gesellschafter einer (insolventen oder nicht insolventen) Personengesellschaft lassen sich aber nicht ohne Weiteres in das System der insolvenzrechtlichen Forderungskategorien einordnen.101)

46 Die Abgrenzung von Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten erfolgt insbesondere nach dem Zeitpunkt des insolvenzrechtlichen Begründetseins. Soweit eine Forderung des Fiskus vor Insolvenzeröffnung begründet ist i. S. d. § 38 InsO, ist das Finanzamt als Insolvenzgläubiger auf die Anmeldung zur Tabelle verwiesen. Soweit eine Steuerforderung erst nach Insolvenzeröffnung begründet ist, kann sie nicht mehr Insolvenzforderung sein. Ihre Qualifizierung als Masseverbindlichkeit ist aber ebenso problematisch, denn nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO müsste sie durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse begründet sein. Der Insolvenzverwalter des Gesellschafters handelt allerdings in diesem Fall weder noch wirkt er unmittelbar an der Entstehung der Steuerforderung mit. Dies wird gerade in der Doppelinsolvenz deutlich, wenn der Insolvenzverwalter der Gesellschaft beispielsweise durch Verwertung eines Massegegenstandes Gesellschaftsgewinne erzielt und damit Steueransprüche auslöst – die Handlung oder Verwertung erfolgt ___________ 99) Zum Ganzen etwa Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 26; Frotscher, Besteuerung, S. 170; ebenso z. B. Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 55 Rn. 55; Farr, Besteuerung, Rn. 317; a. A. Keller, BB 2008, 2783, 2783; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 133. 100) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 29. 101) Zum Ganzen ausführlich im 6. Teil.

16

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

dann in einem anderen Insolvenzverfahren und bezüglich einer anderen Insolvenzmasse. Auch die Einordnung als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen des Gesellschafters erweist sich als schwierig, da der Insolvenzverwalter dieses Vermögen grundsätzlich nicht verpflichten darf.102)

3.

Fragestellung und Gang der Untersuchung

Zu untersuchen ist die Frage, inwiefern in der Insolvenz der Personengesellschaft 47 an der gesetzlichen Besteuerung bzw. an der Einkünftezurechnung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG festgehalten werden kann. Diese soll hier beantwortet werden. Zunächst sind die bislang entwickelten Lösungsansätze eingehend zu untersuchen 48 und zu bewerten (2. Teil). Teilweise wird insofern vertreten, die aufgezeigten Friktionen bestünden nur scheinbar und es könne uneingeschränkt an der Einkünftezurechnung festgehalten werden.103) Überwiegend halten Rechtsprechung und Lehre die Ergebnisse einer strikten Gesetzesanwendung in der Insolvenz dagegen jedenfalls in einzelnen Konstellationen für „unbillig“104), „ungerecht“105), „systemwidrig“106), „unbefriedigend“107), „wenig überzeugend“108) oder „kaum vermittelbar“109) und ähnliches – kurz für änderungsbedürftig. Darüber, wie eine angemessene Gestaltung der Rechtsbeziehungen von Personengesellschaft und Gesellschafter in der Insolvenz auszusehen hat, herrscht allerdings Uneinigkeit. Vor diesem Hintergrund erhebt sich die grundsätzliche Frage, wie sich die Eröff- 49 nung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen auf die Einkünftezurechnung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu den Gesellschaftern auswirkt. Hier geht es um die zivilrechtlichen und die steuerrechtlichen Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf die Beteiligten. Es ist zu untersuchen, ob und inwiefern einfaches Recht – namentlich die Insolvenzordnung – der Einkünftezurechnung in der Insolvenz entgegensteht oder an ihr etwas zu ändern vermag (3. Teil). Kann der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft weiterhin als Mitunter- 50 nehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu einer Steuerzahlung herangezogen wer___________ 102) 103) 104) 105) 106) 107)

Zum Vorstehenden vgl. ausführliche Darstellung und Nachweise unter Rn. 464 ff. S. Nachweise unter Rn. 99 ff. Farr, Besteuerung, Rn. 315. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200. Frotscher, Besteuerung, S. 170. So etwa BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787); Benne, BB 2001, 1977, 1978 („völlig unbefriedigend“); Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rn. 242; Boochs/Nickel, in: Wimmer, FK-InsO, § 155 Rn. 1220; Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 117; Frotscher, Besteuerung, S. 170; Nickel, in: Handbuch FA Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 551; Schulze, Besteuerungsverfahren, S. 125 („evident unbefriedigend“); Schüppen/Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 166. 108) Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 55 Rn. 54. 109) Möhlenkamp, EWiR 2018, 567, 568.

17

1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

den, wird im Folgenden relevant, inwieweit er eine auf Gewinnen der Gesellschaft beruhende Steuerbelastung auch im Innenverhältnis zu tragen hat. Dementsprechend geht es in dem anschließenden Teil der Untersuchung um die Regressmöglichkeiten gegenüber der Gesellschaft, insbesondere um ein gesetzliches Steuerentnahmerecht (4. Teil).

51 Die Einkünftezurechnung des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft ist darüber hinaus an verfassungsrechtlichen Vorschriften zu messen. Es wird untersucht, ob die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Insolvenz der Gesellschaft – unter Berücksichtigung etwaiger Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis – mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Dies betrifft insbesondere das im Steuerrecht grundlegende Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, welches aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 GG) abgeleitet wird (5. Teil).

52 Soweit der Gesellschafter die Einkünfte der insolventen Gesellschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu versteuern hat, stellt sich die Folgefrage, wie eine Steuerforderung des Fiskus gegen einen insolventen Gesellschafter in die Forderungskategorien der Insolvenzordnung einzuordnen und geltend zu machen ist (6. Teil).

4.

Praxisrelevanz

53 Personengesellschaften sind als Rechtsform aufgrund der vielfältigen, nicht zuletzt auch steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten beliebt, ungeachtet ihrer steuerrechtlichen Komplexität.110) Dabei hat vor allem die KG, gerade angesichts der zunehmenden Verbreitung von GmbH & Co. KG und UG & Co. KG sowie Publikums-KG, eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung erlangt.111)

54 Das Entstehen von Gewinnen der insolventen Personengesellschaft kann zahlreiche Ursachen haben. Insbesondere können sie aus der Verwertung von Massegegenständen resultieren, wenn der Insolvenzverwalter Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens (z. B. Grundstücke) veräußert.112) Damit kann eine steuerlich relevante Aufdeckung stiller Reserven einhergehen.113) Der Insolvenzverwalter kann ebenso durch andere Verwaltungsmaßnahmen Gesellschaftsgewinne auslösen, beispielsweise kann er durch die Anlage liquider Mittel aus der Masse Kapitalerträge (z. B. Zinsen und Dividenden) erzielen, von denen Einkommensteuer im Wege des Abzugs von ___________ 110) Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 3; Prinz, FR 2010, 736, 737 ff.; s. a. Schiffers, in: Beck PersGes-HB, § 1 Rn. 1 ff. 111) Gummert, in: Münch. Hdb. GesR II, § 1 Rn. 17 ff.; Kornblum, GmbHR 2020, 677, 684 f. 112) Vgl. etwa den Sachverhalt bei BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); Keller, BB 2008, 2783, 2783. 113) Vgl. ebenfalls BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); Keller, BB 2008, 2783, 2783.

18

IV. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

Kapitalertragsteuer zu erheben ist.114) Praktisch relevant und nicht unproblematisch ist auch die Auflösung von Rückstellungen durch den Insolvenzverwalter auf Ebene der Mitunternehmerschaft.115) Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen kann überdies eine vorzeitige Nachversteuerung negativer Kapitalkonten notwendig werden.116) Für Gewinne der insolventen Gesellschaft zieht der Fiskus die Gesellschafter zu 55 Einkommensteuerzahlungen heran, selbst wenn sie nicht haftende Kommanditisten sind.117) Das Steuerrisiko des Gesellschafters einer insolventen Personengesellschaft ergibt sich praktisch nicht zuletzt daraus, dass häufig niemand mehr Jahresabschlüsse für die Gesellschaft erstellt und/oder es bereits an der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung auf Gesellschaftsebene fehlt, die der Steuerfestsetzung für den einzelnen Mitunternehmer zugrunde zu legen ist.118) Dies kann zu einem Erlass von Schätzbescheiden durch das zuständige Finanzamt führen.119) In vielen Fällen werden Gewinne der insolventen Personengesellschaft aufgrund 56 von Verlustnutzungsmöglichkeiten nicht zu einer spürbaren Belastungswirkung für den Gesellschafter führen. So verfügt ein Kommanditist oft über verrechenbare Verluste (z. B. regelmäßig bei Überschuldungsstatus der Gesellschaft, weil nicht genügend steuerliches Eigenkapital bereitsteht120)), die er nutzen kann, sodass Gewinne nicht in einer tatsächlichen Steuerlast resultieren (§ 15a EStG).121) Die vielfach mögliche Verlustkompensation und die damit einhergehende fehlende praktische Auswirkung von Gewinnen der insolventen Gesellschaft ist auch Grund dafür, dass die Rechtsprechung zu dem Thema überschaubar ist.122) Andererseits wird nicht uneingeschränkt davon auszugehen sein, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Verlustnutzung tatsächlich vorliegen.123) ___________ 114) Vgl. Nachweise unter Rn. 304 f. 115) Diese Situation lag z. B. BFH, Urteil vom 18.5.2010 – X R 60/08 (= BFHE 229, 62 = BStBl. II 2011, 429) zugrunde. 116) Düll, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 14. 117) Vgl. etwa OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. 118) Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1510; Kruth, DStR 2013, 2224, 2228; in diese Richtung auch Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 30. 119) Kruth, DStR 2013, 2224, 2228; so z. B. die zugrundeliegenden Sachverhalte in BFH, Urteil vom 30.3.2017 – IV R 9/15 (= BFH/NV 2017, 1258 = BStBl. II 2017, 896) und BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470). 120) Düll, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 13. 121) Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, InsSteuerR II A Rn. 90; allg. i. B. a. Einkommensteuer in der Insolvenz Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 63. 122) Letzteres hat sich seit dem entsprechenden Befund von Onusseit, ZinsO 2003, 677, 677 kaum geändert. Daher ist die Entwicklung der Rechtsprechung hier nicht en-bloc dargestellt, auf relevante Entscheidungen ist an den betreffenden Stellen zurückzukommen. 123) Vgl. Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, InsSteuerR II A Rn. 4; Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 63.

19

1. Teil – Problemstellung und Grundlagen

57 Kommt es aufgrund der Gesellschaftseinkünfte zu einer steuerlichen Inanspruchnahme des Gesellschafters, wird die Qualifikation der Steuerforderung relevant. Aus Sicht des Finanzamts als Steuergläubiger ist für die tatsächlichen Befriedigungschancen die Frage entscheidend, ob eine regelmäßig fast wertlose Insolvenzforderung oder eine regelmäßig werthaltige Masseverbindlichkeit vorliegt. Aus Sicht der Gesellschaft und ihres Insolvenzverwalters ist die Einordnung von ertragsteuerlichen Ansprüchen als Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten ebenfalls wichtig, da sie sich maßgeblich auf die zur Verfügung stehende Liquidität und auf die Sanierungsmöglichkeiten auswirken kann.124)

V. Fazit zu Problemstellung und Grundlagen 58 Schon außerhalb der Insolvenz charakterisierte Brigitte Knobbe-Keuk die steuerliche Behandlung von Gewinnen der Personengesellschaft treffend als eines der „verzwicktesten Kapitel des Rechts der Unternehmensbesteuerung“125).

59 Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft (und ggf. zusätzlich über dasjenige ihrer Gesellschafter) eröffnet, kommt die Unabgestimmtheit von Insolvenzrecht und Steuerrecht hinzu, welche Rechtsprechung und Literatur sowie nicht zuletzt den Gesetzgeber immer wieder beschäftigt.126) Die Insolvenz der Personengesellschaft führt einkommensteuerrechtlich zu sehr komplexen Fragestellungen.127) Die rechtlichen Inhalte und Strukturen, die in dieser Problematik zusammentreffen, sind vielschichtig. Es sind Vorgaben und Wertungen aus Verfassungsrecht, Steuerrecht, Insolvenzrecht sowie Zivil- bzw. Gesellschaftsrecht zu berücksichtigen, die teilweise voneinander abweichen oder in einem unklaren Verhältnis zueinanderstehen.

60 Die Diskrepanz zwischen der steuerrechtlichen Transparenz und der insolvenzrechtlichen Trennung der Vermögensmassen verursacht erhebliche Rechtsunsicherheiten. Besteuert man den Gesellschafter der insolventen Gesellschaft unverändert nach dem Transparenzprinzip (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), verbleiben die Einkünfte der insolventen Gesellschaft wirtschaftlich in der Insolvenzmasse der Gesellschaft, zugleich trägt der Gesellschafter die steuerlichen Folgen. Ob und inwieweit an der transparenten Besteuerung in der insolventen Personengesellschaft – insbesondere an der Einkünftezurechnung in OHG und KG, bei letzterer gerade in Bezug auf den typischerweise beschränkt haftenden Kommanditisten – festzuhalten ist, wird hier untersucht. ___________ 124) Kahlert, FR 2014, 731, 731 f. 125) Sehr kritisch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 368 mit Hinweis auf die fehlende Rechtsformneutralität als Ursache; ähnlich Prinz, FR 2010, 736, 738 („eine[s] der komplexesten Felder im Ertragsteuerrecht“); kritisch z. B. auch Tipke, StuW 1978, 193, passim. 126) Vgl. dazu Rn. 148 f. 127) Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1513; Uhländer/ Steinbeck, SteuerStud 2014, 417, 424.

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2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung Rechtsprechung und Literatur haben im Laufe der Zeit unterschiedliche Auffas- 61 sungen zu der Frage der Besteuerung von Einkünften einer insolventen Personengesellschaft entwickelt. An diesen zeigt sich zugleich, wie die Behandlung des Problems sich historisch entwickelt hat. Im Wesentlichen haben sich folgende Lösungsmodelle herausgebildet (Überblick). x

Vorrang insolvenzrechtlicher Prinzipien (sog. Bereicherungslösung): Soweit Gewinne die Insolvenzmasse der Personengesellschaft bereichern, kann das Finanzamt diese Masse steuerlich in Anspruch nehmen.

x

Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen: Den Gewinn der insolventen Gesellschaft muss der Gesellschafter als Steuerschuldner grundsätzlich nur versteuern, soweit der Gewinn seine Leistungsfähigkeit steigert, indem er ihm haftungsmindernd zugutekommt.

x

Festhalten an der gesetzlichen Regelung (sog. sachliche Sphärentrennung): Wie außerhalb der Insolvenz werden Einkünfte der insolventen Gesellschaft steuerlich immer den Gesellschaftern als Steuerschuldnern zugerechnet.

x

Gesellschaftsrechtliche Lösung – (insolvenzfeste) Steuerentnahmerechte: Der Gesellschafter hat Einkünfte der insolventen Gesellschaft zu versteuern. Nimmt der Fiskus ihn in Anspruch, hat er aber einen Regressanspruch gegen die Gesellschaft.

x

Ende der Mitunternehmerstellung des Kommanditisten in der Insolvenz: Ab der Eröffnung über das Insolvenzverfahren der Gesellschaft wird der persönlich haftende Gesellschafter weiterhin als Mitunternehmer besteuert, der Kommanditist jedoch nicht.

Für alle Lösungsmodelle stellt sich die Folgefrage, wie die Steuerforderung gegen 62 einen ebenfalls insolventen Gesellschafter in das insolvenzrechtliche Forderungssystem einzuordnen ist.128)

I. Vorrang insolvenzrechtlicher Prinzipien – sog. Bereicherungslösung 1.

Die Idee der Bereicherung der Insolvenzmasse (sog. Bereicherungsgedanke)

Das zwischenzeitlich von der Rechtsprechung aufgegebene und in der Literatur nur 63 noch vereinzelt vertretene insolvenzrechtliche Lösungsmodell verlangt für die Be-

___________ 128) Dies wird sehr unterschiedlich beantwortet (dazu ausführlich im 6. Teil).

21

2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

steuerung eine Bereicherung der jeweiligen Masse.129) In der Insolvenz der Personengesellschaft soll nicht die steuerrechtliche Zuordnung des Gewinns zu dem Gesellschafter entscheidend sein, sondern die insolvenzrechtliche Zuordnung von Verbindlichkeiten zu derjenigen selbständigen Vermögens- oder Insolvenzmasse, welche die Verbindlichkeit verursacht hat.130) Eine steuerliche Inanspruchnahme der Insolvenzmasse der Gesellschaft soll möglich sein.131)

64 Der Ansatz beruht auf einigen Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (BFH), in denen dieser den sog. Bereicherungsgedanken entwickelt hat.132) Nur soweit eine dem Gesellschaftsgewinn entsprechende Vermögensmehrung in die Insolvenzmasse geflossen ist, soll die aus diesem nach Verfahrenseröffnung erzielten Gewinn resultierende Steuerforderung Masseverbindlichkeit sein.133) Anschaulich ist besonders ein Fall134), den der BFH 1984 zu entscheiden hatte: Der Insolvenzverwalter erzielte durch Verwertung eines Grundstücks rund 3.300.000 DM Erlös. Davon gelangten nach Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger noch etwa 280.000 DM in die Insolvenzmasse. Das Finanzamt setzte eine Steuerforderung i. H. v. 330.000 DM gegen diese Masse fest. Der BFH erkannte die Masseverbindlichkeit nur i. H. v. 280.000 DM an. Das Schicksal der Restforderung blieb offen.

___________ 129) Vormals insbesondere vertreten von Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1221 ff.; Die Autoren der Neuauflage beschränken sich auf eine Darstellung der gegenteiligen neuen Rechtsprechung sowie den Hinweis auf die offenen Fragen, die derzeit nur über die Billigkeitsregelungen der AO zu lösen seien (Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 469 und 1511); soweit ersichtlich nur noch vertreten von Steinberg, Insolvenzrechtliche Einordnung, S. 43 ff. (insb. 50 f.) sowie 157, allerdings noch im Jahr 2012 pauschal auf die ursprüngliche Lösung bezugnehmend ohne die zwischenzeitliche Rechtsprechungsänderung zu berücksichtigen); neuerdings auch Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1547. 130) Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1237. 131) Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rn. 371. 132) BFH, Urteil vom 15.3.1995 – I R 82/93 (= BFHE 177, 257) zur Kapitalertragsteuer im Konkurs einer KG; BFH, Urteil vom 9.11.1994 – I R 5/94 (= BFHE 176, 248 = BStBl. II 1995, 255) ebenfalls zur Kapitalertragsteuer im Konkurs einer KG; BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602) zu Einkommensteuervorauszahlungen im Konkurs eines Einzelunternehmers; in diese Richtung wohl auch BFH, Urteil vom 11.11.1993 – XI R 73/92 (= BFH/NV 1994, 477) zur Einkommensteuer im Konkurs eines Einzelunternehmers; zuvor offengelassen von BFH, Urteil vom 14.2.1978 – VIII R 28/73 (= BFHE 124, 411 = BStBl. II 1978, 356). 133) BFH, Urteil vom 15.3.1995 – I R 82/93 (= BFHE 177, 257) ausdrücklich beschränkt auf Einkünfte des Gemeinschuldners aus Verwertung der Masse; BFH, Urteil vom 9.11.1994 – I R 5/94 (= BFHE 176, 248 = BStBl. II 1995, 255); BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602) jeweils m. w. N.; im Anschluss z. B. BFH, Urteil vom 25.7.1995 – VIII R 61/94 (= BFH/NV 1996, 118). 134) BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602) zu Einkommensteuervorauszahlungen im Konkurs eines Einzelunternehmers; zustimmend z. B. Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rn. 369 ff.

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I. Vorrang insolvenzrechtlicher Prinzipien – sog. Bereicherungslösung

Eine Masseverbindlichkeit konnte nach dem BFH135) nur insoweit vorliegen, als das 65 Steuerobjekt Einkommen zur Masse gelangt sei. Denn das Einkommen sei nicht nur Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, sondern auch das Steuerobjekt, auf welches sich der Staatszugriff richte. Bei vollständiger Qualifikation der Steuer als Masseverbindlichkeit müsse der Insolvenzverwalter angesichts der drohenden Steuerbelastung gegebenenfalls darauf verzichten, obwohl im allseitigen Interesse liegend, mit Absonderungsrechten belastete Vermögensgegenständen sachgerecht zu verwerten. Diesen Bereicherungsgedanken der Rechtsprechung übertrugen die Vertreter der 66 Bereicherungslösung auf das Verhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter.136) Das Finanzamt dürfe Gewinne der insolventen Gesellschaft bei einem (insolventen) Gesellschafter nicht besteuern, soweit sie nicht dessen Insolvenzmasse gestärkt hätten. Vielmehr sei die Steuerforderung aufgrund der unmittelbaren Bereicherung des Gesamthandsvermögens stets im Verfahren der Gesellschaft geltend zu machen. Eine Besteuerung des Gesellschafters würde die Insolvenzgläubiger der Gesellschaft bevorteilen, weil deren Forderungen aus einer steuerfrei gemehrten Masse befriedigt würden.137) Ursprünglich beruhte dieser Lösungsansatz auf einer Gleichbehandlung der Insol- 67 venz der Personengesellschaft mit der Unternehmensinsolvenz einer natürlichen Person, denn der I. Senat übertrug den eingangs für insolvente Einzelunternehmer entwickelten Bereicherungsgedanken ausdrücklich auf die insolvente Mitunternehmerschaft.138) Neuerdings wird die Masseverbindlichkeit der Gesellschaft auch auf die Annahme gestützt, wegen der Unabgestimmtheit von Insolvenz- und Steuerrecht sei hier durch Rechtsfortbildung eine planwidrige Regelungslücke zu schließen.139)

2.

Behandlung der verschiedenen Konstellationen

Nach dem Kriterium der Bereicherung der Insolvenzmasse sollte in der (alleinigen) 68 Insolvenz der Gesellschaft die Steuerforderung auf einen nach Verfahrenseröffnung ___________ 135) Zum Ganzen BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602). 136) Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1230. 137) Zum Ganzen Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1231 (für die Doppelinsolvenz) und Rn. 1233 (entsprechend für die alleinige Gesellschafterinsolvenz); Die Interessen dieser Gläubiger seien aber nur insoweit schützenswert, als die durch den Einsatz der Masse erzielten Gewinne um die dazugehörigen Steuern vermindert seien (BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787)). 138) Noch zum Einzelunternehmer insb. BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602); Übertragung auf die Mitunternehmerschaft in BFH, Urteil vom 9.11.1994 – I R 5/94 (= BFHE 176, 248 = BStBl. II 1995, 255); im Anschluss daran BFH, Urteil vom 15.3.1995 – I R 82/93 (= BFHE 177, 257); s. a. Darstellung bei Fischer, in: Westermann/ Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1541. 139) Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1543, 1545 und 1552 (es sei „wegen der fehlenden Abstimmung zwischen Insolvenz- und Steuerrecht von einer planwidrigen Regelungslücke aus[zu]gehen und diese im Weg der Rechtsfortbildung [zu] schließen“).

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2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

erzielten Gewinn als Masseverbindlichkeit im Gesellschaftsverfahren einzuordnen sein, da das Gesamthandsvermögen durch den Gewinn unmittelbar bereichert sei.140) Die Steuerforderung auf einen vor Verfahrenseröffnung erzielten Gewinn sei Insolvenzforderung im Gesellschaftsverfahren. Der Gesellschafter habe die Steuer nicht zu tragen. Ein Verlust der insolventen Gesellschaft sei dem Gesellschafter zuzurechnen, weil er den Wert des Anteilsbesitzes vermindere und der Gesellschafter im Falle der unbeschränkten Haftung mit seinem Privatvermögen für die Gesellschaftsschulden einstehen müsse.141)

69 Auch in der Doppelinsolvenz sollten steuerpflichtige Einnahmen der Gesellschaft, welche die Masse des Gesellschafters nicht stärken, nicht bei dem Gesellschafter versteuert werden, sondern – je nach Entstehenszeitpunkt der Steuerforderung – Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit im Gesellschaftsverfahren sein.142) Die uneingeschränkte Verlustzurechnung sei indes insolvenzrechtlich systemgerecht, da der Wert des Anteilsbesitzes des Gesellschafters gemindert und damit die der Befriedigung der eigenen Gläubiger dienende Masse geschwächt sei.143)

70 In der alleinigen Insolvenz des Gesellschafters bleibe die Gewinn- und Verlustzurechnung unverändert, da die Gesellschaftsbeteiligung in der Insolvenzmasse des Gesellschafters an Wert gewinne oder verliere, sodass der Gesellschafter indirekt an der Vermögensänderung auf Gesellschaftsebene teilnehme.144)

3.

Grundlegende Kritik

71 Dieser Lösungsansatz ist in der juristischen Literatur berechtigterweise auf grundlegende Beanstandung gestoßen. Hauptkritikpunkt ist seine fehlende gesetzliche Grundlage und dogmatische Unausgewogenheit.

72 Nach dem Einkommensteuerrecht ist allein der Gesellschafter Steuerschuldner, nicht die Personengesellschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Die Bereicherungslösung betont zwar, die Insolvenzmasse der Gesellschaft werde in der Insolvenz nicht zum Steuerrechtssubjekt.145) Mit der Inanspruchnahme der Gesellschaftsmasse besteuert die Lösung aber die insolvente Personengesellschaft wie eine Körperschaft und ___________ Zum Ganzen Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1233. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1234. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1231. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1232. So führe ein Gewinn zwar unmittelbar nur zu einer Vermögensmehrung der Gesellschaft, der Gesellschafter profitiere aber mittelbar von dem wertvolleren Anteil in seiner Insolvenzmasse. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1235. 145) Mit dem BFH sei die Steuerschuld „aus der Insolvenzmasse der Gesellschaft zu tilgen, obwohl Steuerschuldner der Gesellschafter ist“ (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1225 und 1229).

140) 141) 142) 143) 144)

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I. Vorrang insolvenzrechtlicher Prinzipien – sog. Bereicherungslösung

behandelt die Masse systemwidrig als Steuersubjekt.146) Für diese Geltendmachung der Steuer gegenüber der Gesellschaft entbehrt es der erforderlichen Rechtsgrundlage.147) Die Bereicherungslösung setzt damit das Transparenzprinzip des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG weitgehend außer Kraft, ohne dass ein Ausnahmetatbestand dies rechtfertigte.148) Diese gesetzlich nicht vorgesehene Veränderung der Steuerschuldnerschaft verletzt aufgrund der staatlichen Eingriffsqualität sogar den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes.149) Denn nach letzterem ist eine Auferlegung von Steuerlasten nur zulässig, sofern und soweit sie gesetzlich angeordnet ist.150) Dies ist verfassungsrechtlich unter Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und des Demokratieprinzips geboten.151) Die Besteuerung der Masse der Gesellschaft ist zudem nicht mit der Abkehr von der 73 sog. Separationstheorie (ständige Rechtsprechung von RFH und BFH seit 1938) vereinbar, da sich – seither unstreitig – Insolvenzschuldner und Insolvenzmasse durch die Insolvenzeröffnung gerade nicht in zwei selbständige Steuersubjekte aufteilen.152) Mit dieser Rechtsprechungsänderung war zugleich geklärt, dass die Masse in der Insolvenz nicht zu einem selbständigen Körperschaftsteuersubjekt wird.153) Problematisch an dem Bereicherungsmodell ist ferner, dass es inkonsistent erscheint 74 und keine umfassende systematische Lösung ermöglicht. Die Voraussetzungen und die konkrete Bemessung der Bereicherung einer Insolvenzmasse bleiben unklar.154) Zweifelhaft bleibt auch, inwiefern und mit welchen steuerrechtlichen Konsequen___________ 146) Hess/Mitlehner, Steuerrecht, B II Rn. 715; Kahlert, ZIP 2008, 1645, 1647. 147) Onusseit/Kunz, Steuern in der Insolvenz, Rn. 594; Onusseit, ZinsO 2003, 677, 685. 148) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 35 und 37; in diese Richtung auch Schulze, Besteuerungsverfahren, S. 127. 149) Zutreffend Schulze, Besteuerungsverfahren, S. 131; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 37 m. w. N. 150) Tipke, StRO I, S. 120. 151) Tipke, StRO I, S. 120 f. 152) Kahlert, FR 2014, 731, 739; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 37; Nach der sog. Separationstheorie sollte bei Insolvenzeröffnung die Masse zu einem gesonderten und steuerlich separat zu behandelnden Zweckvermögen werden. Näher zu der Separations-Rechtsprechung und ihrer Aufgabe Onusseit, ZIP 1986, 77, 78 f.; Weiß, FR 1990, 539, 539 f. 153) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 37 m. w. N. 154) Dies wird schon bei der Lektüre von Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1231 ff. deutlich: Die Ausführungen zur Gesellschaftsinsolvenz legen nahe, jeder Gewinn bereichere o. W. das Gesamthandsvermögen. Andererseits soll ein Gewinn den Gesellschafter in der Doppelinsolvenz nicht automatisch bereichern („soweit“). Den allein insolventen Gesellschafter wiederum scheint jeder Gewinn mittelbar zu bereichern. Die Möglichkeit der mittelbaren Bereicherung wird in der Gesellschaftsinsolvenz i. Ü. nicht thematisiert; wünschenswert wäre auch eine Klarstellung gewesen, ob es – wie nach der Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602)) naheliegend auf den tatsächlichen Zufluss zur Masse ankommt oder weitergehende wirtschaftliche Vorteile der Gläubiger ausreichen (in diese Richtung auch Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 37).

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2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

zen eine Bereicherung der Gesellschaftsmasse fehlt und/oder eine Bereicherung der Gesellschaftermasse möglich ist.155) Auch die Ungleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten der insolventen Gesellschaft vermag kaum zu überzeugen.156)

4.

Die schrittweise Abkehr der Rechtsprechung von der Bereicherungslösung

75 Zunächst schränkte der BFH im Jahr 2008157) seine Rechtsprechung zu dem Bereicherungsgedanken unter Verweis auf die Systematik des Einkommensteuerrechts dahingehend ein, dass die entwickelten Grundsätze für Personengesellschaften nur unter Berücksichtigung der „Besonderheiten der Mitunternehmerbesteuerung“ gelten können. Er stellte klar, dass die steuerliche Zuordnung der Einkünfte durch die Insolvenz nicht verändert wird und es für eine Besteuerung der Masse der Gesellschaft an einer Rechtsgrundlage fehlt.

76 Im Zuge einer Entscheidung über die Besteuerung reiner Buchgewinne führte der BFH im Jahr 2010158) aus, der Insolvenzmasse des Gesellschafters sei „zwar kein Wert zugeflossen“, sie sei aber durch die Verminderung ihrer Verbindlichkeiten bereichert. Damit stellte der BFH bereits fest, dass es für die Besteuerung des Gesellschafters jedenfalls nicht auf eine Bereicherung in Form einer Liquiditätsmehrung ankomme.

77 Zwischenzeitlich hat der BFH seine Rechtsprechung zu dem Bereicherungsgedanken ausdrücklich aufgegeben und – zuerst im Jahr 2013159) für natürliche Personen und anschließend im Jahr 2014160) für Personengesellschaften – entschieden, es könne für das Vorliegen einer Masseverbindlichkeit nicht auf den Zufluss des Veräußerungserlöses zur Masse ankommen. Der BFH qualifizierte die jeweiligen Steuerforderungen nunmehr vollständig als Masseverbindlichkeiten im Verfahren des ___________ 155) Zumal der Entwicklung der Lösung der Fall einer Absonderung zugrunde lag, wobei der Gewinn nur teilweise in die Masse floss (BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602)), erschien insb. ersteres diskussionsbedürftig; ähnlich auch Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 38. 156) Namentlich wird die Verlustzurechnung stets mit der Minderung des Anteilswerts begründet, während die Gewinnzurechnung ohne Rücksicht auf den Anteilswert von einer „Bereicherung“ abhängen soll. Indessen sind bei Gewinn und Verlust nur die Vorzeichen verschieden (zutreffend Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 38). 157) BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787); Kahlert, ZIP 2008, 1645, 1647 nennt dieses Urteil wohl zu Recht bereits die „klare Absage“ an die Bereicherungslösung. 158) BFH, Urteil vom 18.5.2010 – X R 60/08 (= BFHE 229, 62 = BStBl. II 2011, 429). 159) BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759); bestätigt z. B. durch BFH, Urteil vom 9.12.2014 – X R 12/12 (= BFHE 253, 482 = BStBl. II 2016, 852); BFH, Urteil vom 1.6.2016 – X R 26/14 (= BFHE 253, 518 = BStBl. II 2016, 848) und BFH, Urteil vom 3.8.2016 – X R 25/14 (= BFH/NV 2017, 317). 160) BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470).

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I. Vorrang insolvenzrechtlicher Prinzipien – sog. Bereicherungslösung

Gesellschafters. Wolle man die Masseverbindlichkeit auf den zur Masse gelangten Betrag beschränken, müsse sich derjenige Teil der Steuerforderung, der diesen Betrag übersteige, gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners richten, welches der Insolvenzverwalter aber nicht verpflichten dürfe.161) Dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 InsO lasse sich auch keine derartige Einschränkung der Masseverbindlichkeit entnehmen.162) Ob die Rechtsprechungsänderung den Insolvenzverwalter zu einer Freigabe belasteter Wirtschaftsgüter zwecks Steuerersparnis bewege, sei als rein tatsächlicher Gesichtspunkt irrelevant.163) Der BFH betonte abermals, dass die Annahme einer Masseverbindlichkeit im Gesellschaftsverfahren gegen die Systematik der Besteuerung von Personengesellschaften verstößt.164)

5.

Zwischenfazit zu dem insolvenzrechtlichen Lösungsmodell

Zu Recht haben Rechtsprechung und ganz überwiegende Teile der Literatur von die- 78 sem insgesamt nicht überzeugenden Lösungsansatz inzwischen Abstand genommen. Das Lösungsmodell kann keinen systematischen Weg für eine Behandlung der verschiedenen Fallkonstellationen aufzeigen. Es lässt etliche Fragen offen und weist Argumentationsschwächen auf. Vor allem aber entbehrt die steuerliche Inanspruchnahme der Gesellschaft einer gesetz- 79 lichen Grundlage.165) Das Finanzamt darf eine auf Gewinnen der insolventen Personengesellschaft beruhende Steuerforderung, ob als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit, jedenfalls nicht in dem Verfahren der Gesellschaft geltend machen. Nach der eindeutigen Regelungssystematik des Einkommensteuergesetzes kann allein der Gesellschafter Steuerschuldner sein; und zwar auch in der Insolvenz der Gesellschaft. So würde die Änderung der Steuerschuldnerschaft aufgrund des Eingriffscharakters der Besteuerung den Vorbehalt des Gesetzes verletzen. Berechtigt ist auch der Kritikpunkt, dass sich die Lösung mit der Aufgabe der Separationstheorie kaum vereinbaren lässt – die Masse wird durch die Insolvenzeröffnung richtigerweise gerade nicht zu einem eigenständigen Steuersubjekt. Aufgrund dieser klaren Vorgabe des Gesetzes besteht auch ___________ 161) BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759). 162) Auf den Zufluss des Steuerobjekts Einkommen abzustellen gehe fehl, da dieses (hier) weder in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners noch in die Masse gelange, sondern den Absonderungsberechtigten zufließe, zum Ganzen BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759); bereits in BFH, Urteil vom 14.2.1978 – VIII R 28/73 (= BFHE 124, 411 = BStBl. II 1978, 356) hatte der VIII. Senat hervorgehoben, dass weder Wortlaut noch Zweck des Gesetzes (damals bzgl. Vorgängervorschriften der KO) verlangen, dass der Erlös der Masse zufließt. 163) BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759). 164) BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470). 165) Dass sie auch mit ganz erheblichen praktischen Schwierigkeiten einherginge (näher dazu Onusseit, ZinsO 2003, 677, 684 f., der die „praktische Undurchführbarkeit“ kritisiert), ist insofern nicht entscheidend, aber zutreffend.

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2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

kein Raum dafür, dem Fiskus die Masseverbindlichkeit „im Wege der Rechtsfortbildung“ durch Schließen einer „planwidrigen Regelungslücke“ zuzuerkennen.166)

II. Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen – Haftungsumfang als Ausdruck der Leistungsfähigkeit 1.

Idee und Herleitung

80 Die derzeit wohl herrschende Auffassung in der juristischen Literatur plädiert für eine von Gerrit Frotscher begründete Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen.167) Der X. Senat des BFH spricht sich in dem bereits erwähnten Urteil aus dem Jahr 2008 für diese Lösung aus.168)

81 Der zwischenzeitlich aufgegebene Bereicherungsgedanke des BFH dient auch für die Entwicklung dieses Lösungsmodells als Ansatzpunkt.169) Daraus wird gefolgert, der Gesellschafter dürfe in der Doppelinsolvenz nicht besteuert werden, wenn seine eigene Insolvenzmasse durch die Gesellschaftsgewinne „nicht bereichert“170) sei, da die Gesellschaftsgewinne in diesem Fall nur den Gläubigern der Gesellschaft und nicht denjenigen des Gesellschafters zugutekämen.171) Trotz der inzwischen erfolgten Rechtsprechungsänderung des BFH sei weiterhin auf den „Gesichtspunkt der Bereicherung der Masse“ abzustellen.172) ___________ 166) So aber Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1553, 1545 und 1552. 167) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 30 ff.; Frotscher, Besteuerung, S. 174 ff.; im Anschluss an Frotscher: Benne, BB 2001, 1977, 1977 ff.; Boochs/ Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rn. 242 ff.; Boochs/Nickel, in: Wimmer, FK-InsO, § 155 Rn. 1217 ff.; Dißars, in: Schwarz/Pahlke, § 251 AO Rn. 88 f.; Farr, Besteuerung, Rn. 312 ff.; Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 449; Kahlert, ZIP 2008, 1645, 1645 ff.; Keller, BB 2008, 2783, 2784; Nickel, in: Handbuch FA Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 553; Ruhe, Steuern in der Insolvenz, S. 104 f.; vormals auch Schüppen/Ruh, in: MüKo InsO (2014), Insolvenzsteuerrecht Rn. 69; Uhländer, AO-StB 2010, 81, 82 f.; i. Erg. ebenso Frystatzki, EStB 2004, 215, 216 f.; in diese Richtung wohl auch Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 55 Rn. 54 ff.; Bodden, in: Korn, EStG, § 15 Rn. 16.16 ff.; Riedemann, in: Schmidt, Hamburger Kommentar InsO, Anhang IV Insolvenzsteuerrecht Rn. 179 sowie Vortmann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 31, Rn. 154. 168) BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787), wobei die Ausführungen nicht entscheidungserheblich waren; Nach der Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt prognostizierte Fischer, dass sich die Finanzverwaltung dem anschließen werde (Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1540). 169) Frotscher, Besteuerung, S. 171 f. verweist auf BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602). 170) Auch Frotscher, Besteuerung, S. 171 spricht ausdrücklich von einer Bereicherung der Masse. 171) Frotscher, Besteuerung, S. 171 f. 172) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 30 f., allerdings bereits zurückhaltender („Ein Lösungsansatz wäre […]“); in der Vorauflage hieß es noch deutlicher, obwohl der BFH an dieser Ansicht ausdrücklich nicht mehr festhalte, könne „nur die Berücksichtigung der Bereicherung der Masse zu befriedigenden Ergebnissen führen“ (vgl. Frotscher, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch (2015), § 96 Rn. 20).

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II. Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen

Anders als die Bereicherungslösung will dieses Lösungsmodell indes nicht die Ge- 82 sellschaft besteuern. Die Besteuerung des Gesellschafters sei „wenn auch nicht befriedigend, so doch akzeptabel“173). Ohne tatsächlichen Wertzuwachs dürfe aber das Vermögen des Gesellschafters, insolvent oder nicht, jedenfalls nicht mit Steuern belastet werden.174) Ob die notwendige Bereicherung des Gesellschafters vorliegt, beurteilt diese Ansicht auf Grundlage des Steuerrechts, namentlich anhand des Leistungsfähigkeitsprinzips. Als Maßstab für die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters wird primär auf den Umfang der persönlichen Haftung abgestellt, wie folgt.

2.

Umfang der persönlichen Haftung als Indikator der Leistungsfähigkeit

a) Gewinn der insolventen Gesellschaft Für die steuerliche Behandlung eines Gewinns der insolventen Gesellschaft diffe- 83 renziert diese Lösung nach dem Haftungsumfang des Gesellschafters. Ein Gewinn der insolventen Gesellschaft vermindert ihre Verbindlichkeiten. Der Ge- 84 sellschafter, der z. B. als OHG-Gesellschafter oder Komplementär einer KG für diese Verbindlichkeiten persönlich haftet, profitiert damit von einer Haftungsminderung.175) Die Insolvenzmasse des Gesellschafters erfährt nach dieser Ansicht eine entsprechende Bereicherung.176) Der Gewinn steigere somit seine Leistungsfähigkeit, was es rechtfertige, den auf den Gesellschafter entfallenden Gewinnanteil bei ihm zu besteuern.177) Hat ein beschränkt haftender Gesellschafter, also insbesondere der Kommanditist, 85 „seine Hafteinlage nicht voll eingezahlt, und führen die Gewinne insoweit dazu, dass er von der Haftung freigestellt wird, ist er insoweit wie der persönlich haftende Gesellschafter zu behandeln, er hat also die Gewinne zu versteuern“178). Er sei dem persönlich haftenden Gesellschafter insoweit gleichgestellt, als eine Haftung bestehe.179) Soweit er nicht haftet, soll er mangels Erhöhung der Leistungsfähigkeit aber ebenso wenig besteuert werden wie ein beschränkt haftender Gesellschafter mit vollständig erbrachter Einlage.180) ___________ 173) 174) 175) 176)

177) 178) 179) 180)

Frotscher, Besteuerung, S. 172. Benne, BB 2001, 1977, 1981. Zum Vorstehenden bzgl. der alleinigen Insolvenz der Gesellschaft Frotscher, Besteuerung, S. 174. Dies soll sowohl in der alleinigen Insolvenz des Gesellschafters gelten (Frotscher, Besteuerung, S. 174) als auch in der Doppelinsolvenz (ebenda, S. 176); Frotscher/Schulze, in: Gottwald/ Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 34 (Doppelinsolvenz). Frotscher, Besteuerung, S. 174. Frotscher, Besteuerung, S. 175. Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 34; Frotscher, Besteuerung, S. 175. Dazu sogleich.

29

2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

86 Der beschränkt haftende Gesellschafter schließlich, der seine Einlage vollständig eingezahlt und nicht zurückerhalten hat, haftet nicht persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Ein Gewinn der insolventen Gesellschaft reduziert lediglich Gesellschaftsschulden, für die er ohnehin nicht haftet; das eigene Vermögen des Gesellschafters wird nicht erhöht. Nach diesem Lösungsmodell steigt daher die Leistungsfähigkeit dieses Gesellschafters nicht. Ist er selbst insolvent, soll es entsprechend ebenfalls an der nötigen Bereicherung seiner Masse fehlen.181) Welche Konsequenz daraus folgt, wird nicht einheitlich beurteilt.182) Der Gesellschafter darf nach der ursprünglichen Variante der Lösung nicht besteuert werden, stattdessen kommen die Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO zur Anwendung.183) Die Belastung des Gesellschafters mit Steuern, ohne Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit durch die zugehörigen Besteuerungsgrundlagen, sei sachlich unbillig.184) Nach neueren Veröffentlichungen Frotschers185) soll die Steuerforderung bei fehlender Bereicherung der Masse des Gesellschafters – dafür nennt er explizit den nicht haftenden Kommanditisten als Beispiel – „als insolvenzfreie Forderung gegen den Gesellschafter persönlich […] geltend gemacht werden“. Dies sei zwar insofern unbefriedigend, als der Gesellschafter aus dem persönlichen Vermögen eine Steuerforderung begleichen müsse, deren sachlicher Grund in der Gesellschaftsmasse liege.186) Allerdings liege in der alternativen Nichterhebung der Steuer ein Verstoß gegen steuerliche Grundsätze, denn für eine steuerfreie Gewinnrealisierung gebe es keine Rechtsgrundlage im Steuerrecht.187) Auf die Billigkeitsregeln sei nur im Einzelfall zurückzugreifen, wenn durch die Unabgestimmtheit zwischen Insolvenzrecht und Steuerrecht sachwidrige Ergebnisse drohten.188)

87 Einen Sonderfall bildet die vollständige Gläubigerbefriedigung. In diesem Ausnahmefall soll auch der beschränkt haftende Gesellschafter zu besteuern sein, falls Teile des ___________ 181) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 35; Frotscher, Besteuerung, S. 175. 182) Jedenfalls nicht zu überzeugen vermag es, dass sich die Steuerforderung in diesem Fall gegen die Masse der Gesellschaft richtet (so aber Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 449 und Keller, BB 2008, 2783, 2784). Dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage (vgl. bereits ausführlich Rn. 71 ff.). 183) Der Gewinn bleibt damit im Ergebnis steuerfrei; Frotscher, Besteuerung, S. 175 sowie die zahlreichen Anhänger seiner Lösung (s. Nachweise in Fn. 167). 184) Frotscher, Besteuerung, S. 175; im Anschluss Farr, Besteuerung, Rn. 316 f. 185) Frotscher, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch (2015), § 96 Rn. 25; ebenso in der Neuauflage nunmehr Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 35. 186) S. Nachweise in vorstehender Fußnote (es komme zu einer insolvenzrechtlich nicht gerechtfertigten „Vermögensverschiebung von dem insolvenzfreien Vermögen zur Masse […] der Personengesellschaft“). 187) S. Nachweise in vorstehender Fußnote. 188) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 37 ohne nähere Ausführungen, wann dies der Fall sei.

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II. Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen

Gesellschaftsvermögens an ihn ausgeschüttet würden.189) Reicht das Vermögen in der Gesellschaftsinsolvenz aus, um alle Gläubiger der Gesellschaft zu befriedigen, komme den Gesellschaftern eine Wertsteigerung des Gesellschaftsvermögens zugute.190)

b) Verlust der insolventen Gesellschaft Unabhängig von dem Haftungsumfang des Gesellschafters soll eine Zurechnung 88 negativer Einkünfte nach dieser Lösung (sowohl in der Doppelinsolvenz als auch in der alleinigen Gesellschaftsinsolvenz) stets vollumfänglich erfolgen, da der Wert des Anteilsbesitzes des Gesellschafters durch einen Verlust der insolventen Gesellschaft jedenfalls vermindert werde.191) In der Doppelinsolvenz schwäche ein Verlust der Gesellschaft zudem die für die Befriedigung der eigenen Gläubiger des Gesellschafters zur Verfügung stehende Masse.192)

c)

Alleinige Insolvenz des Gesellschafters

In der Insolvenz des Gesellschafters einer werbenden Personengesellschaft soll eine 89 uneingeschränkte Zurechnung der positiven und negativen Einkünfte der Gesellschaft zu dem Gesellschafter stattfinden, und zwar unabhängig von dem Umfang der persönlichen Haftung.193) Die steuerrechtliche Lösung begründet dies mit einer Werterhöhung der Gesellschaftsbeteiligung: Diese sei Teil der Masse des Gesellschafters und werde durch einen Gewinn der Personengesellschaft wertvoller, womit der Gesellschafter bereichert sei.194) Verluste sollen entsprechend den Wert des Anteilsbesitzes des Gesellschafters mindern.195)

3.

Begründung der steuerrechtlichen Lösung im Einzelnen (Parallelwertung)

Die Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen argumentiert mit der Parallelwer- 90 tung, die Steuerforderung müsse nach dem System des Insolvenzrechts eigentlich

___________ 189) So bereits die ursprüngliche Variante dieser Lösung, Frotscher, Besteuerung, S. 175. 190) So auch die neuere Variante der Lösung, Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, InsolvenzrechtsHandbuch, § 96 Rn. 33 (die Insolvenzmasse des Gesellschafters sei in der Doppelinsolvenz entsprechend bereichert). 191) Vgl. Kahlert, in: Kahlert/Rühland, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 9.777. 192) Vgl. Kahlert, in: Kahlert/Rühland, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 9.777. 193) Frotscher, Besteuerung, S. 168 f.; s. a. Darstellung bei Kahlert, ZIP 2008, 1645, 1647. 194) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 32; vgl. auch die Darstellung verschiedener Fälle bei Kahlert, in: Kahlert/Rühland, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 9.778 (dort Fall 5). 195) S. vorstehend unter Rn. 88.

31

2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

eine Masseverbindlichkeit im Verfahren über das Vermögen der Personengesellschaft sein.196) Daraus werden zwei Schlüsse gezogen:

91 Erstens würde bei dieser „sachgerechten gesetzlichen Regelung“197) den Insolvenzgläubigern der Gesellschaft ein Betrag in Höhe der auf die Steuerforderung entfallenden Quote fehlen, den sie aber gegenüber den haftenden Gesellschaftern persönlich geltend machen könnten. Es soll insofern aus Sicht des Gesellschafters „nur eine Auswechslung der Gesellschaftsschulden gegen die Einkommensteuerforderung“198) stattfinden – er wird von seiner Haftung für Gesellschaftsschulden frei, dafür trifft ihn in gleicher Höhe direkt die (anteilige) Einkommensteuerschuld; mit anderen Worten: anstatt an die Gesellschaftsgläubiger zahlt er an die Finanzbehörde.199)

92 Zweitens würde der Gesellschafter für eine Masseverbindlichkeit in dem Verfahren über das Vermögen der Personengesellschaft nur „gegenständlich auf die Insolvenzmasse beschränkt“200) haften.201) Dieser Schutzmechanismus werde hier außer Kraft gesetzt durch die besondere Regelung der Steuerschuldnerschaft des Gesellschafters; das Steuerrecht verhindere die sachgerechte insolvenzrechtliche Lösung.202) Dafür fehle es aber nicht nur an einer insolvenzrechtlichen, sondern auch an einer steuerrechtlichen Rechtfertigung, soweit die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters nicht erhöht sei.203) Es liege ein „Systembruch“ zwischen den Rechtsgebieten.204) Die insolvenzrechtliche Wertung, nach der die Haftung des Gesellschafters auf ausgeantwortete Massebestandteile beschränkt sei, dürfe nicht unterlaufen werden, indem die Steuerforderung ohne weitere Prüfung der Vertretbarkeit einer Belastung einfach dem insolvenzfreien Vermögen des Gesellschafters zugeordnet werde.205) Eine Belastung des Gesellschafters sei insolvenzrechtlich nicht gewollt und dürfe, jedenfalls über die Höhe seines negativen Kapitalkontos hinaus, nicht stattfinden.206)

4.

Kritik und Stellungnahme

93 Das Lösungsmodell stößt in der juristischen Literatur auf grundlegende Kritik. Bei ihrer Überprüfung stellt sich diese überwiegend als berechtigt heraus. ___________ 196) Frotscher, Besteuerung, S. 174; s. a. Benne, BB 2001, 1977, 1977 ff. (es handle sich „formell“ (1981) bzw. „formal“ (1982) um Masseverbindlichkeiten). 197) Frotscher, Besteuerung, S. 175. 198) Frotscher, Besteuerung, S. 174 f. 199) Frotscher, Besteuerung, S. 174 f. 200) Frotscher, Besteuerung, S. 173. 201) Benne, BB 2001, 1977, 1981 („allenfalls mit der an ihn (theoretisch) ausgekehrten Masse“); so auch Frotscher, Besteuerung, S. 176. 202) Frotscher, Besteuerung, S. 173 f. 203) Frotscher, Besteuerung, S. 174. 204) Benne, BB 2001, 1977, 1982. 205) Benne, BB 2001, 1977, 1981. 206) Benne, BB 2001, 1977, 1982.

32

II. Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen

Das Abstellen auf den zivilrechtlichen Haftungsumfang wurde und wird verschie- 94 dentlich kritisiert.207) Der Ansatz sei „konzeptionell verfehlt, weil […] die Bereicherung der Masse nicht spiegelbildlich eine korrespondierende Haftungsentlastung des Gesellschafters auslösen muss“208). Die steuerrechtliche Lösung leide unter einem „Fehler im Prinzip“209), da sie nicht bei der eigentlichen Ursache des Problems – dem Auseinanderfallen des Unternehmensträgers und des Steuerschuldners – ansetze und die Beteiligten stelle wie bei Vorhandensein einer Gesellschaftssteuer, sondern umgekehrt die Idee der Mitunternehmerbesteuerung perfektioniere.210) Frotscher stelle eine „verräterische Parallelwertung“ an, wenn er darauf verweise, die Einkommensteuer sei nach dem System des Insolvenzrechts eigentlich Masseverbindlichkeit im Verfahren über das Vermögen der Personengesellschaft.211) Tatsächlich erweisen sich die persönliche Haftung und die Parallelwertung als ungeeigneter Ansatzpunkt. Richtigerweise fragt die steuerrechtliche Lösung ausdrücklich nach einer Veränderung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft – der Umfang der persönlichen Haftung ist jedoch, wie noch zu zeigen sein wird, nicht der geeignete Indikator für diese Leistungsfähigkeit.212) In Konsequenz führt die Lösung zu unstimmigen und unbefriedigenden Ergebnis- 95 sen, was folgende Kontrollüberlegungen verdeutlichen: Zum einen käme es zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der verschiedenen Rechtsformen, würde etwa bei einer OHG „die volle Einkommensteuer erhoben, bei einer GmbH & Co. KG ohne Gewinnbeteiligung der GmbH und mit voll eingezahlten Kommanditanteilen dagegen überhaupt keine Einkommensteuer.“213). Zum anderen erweist sich die Lösung für den persönlich beschränkt haftenden Kommanditisten nicht als schlüssig.214) Hat er seine Einlage nicht oder nur teilweise geleistet, führt ein Gewinn der insolventen Gesellschaft in den seltensten Fällen zu einer Haftungsverringerung, denn diese „würde voraussetzen, dass sich mit dem durch den Insolvenzverwalter ___________ 207) Bereits die Vertreter der Bereicherungslösung kritisierten, dass die Haftung nicht bereits durch eine Veräußerung sinke, sondern erst aufgrund der Verwendung des Veräußerungserlöses zur Schuldentilgung (Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1237). 208) Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1544 unter Verweis auf K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198 ff. 209) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 197. 210) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 197. 211) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 197. 212) Dazu ausführlich im 5. Teil (insb. Rn. 404 ff.). 213) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 197. 214) So zu Recht Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1544; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 197 bildet folgendes Fallbeispiel: „Auch im Fall des persönlich beschränkt haftenden Kommanditisten geht die Lösung nicht auf. Es ist ja unrichtig, dass ein in der Insolvenzmasse verbleibender Gewinn von (in gegriffenen Zahlen) 100.000 DM den genau in dieser Höhe haftenden Kommanditisten um 100.000 DM reicher macht, wenn etwa 2 Mio. DM Insolvenzverbindlichkeiten vorhanden sind, denn der Kommanditist muss mit oder ohne diesen Gewinn 100.000 DM in die Masse zahlen (§§ 171 Abs. 2 HGB, 93 InsO).“

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2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

realisierten Gewinn die Insolvenzverbindlichkeiten so stark verringern, dass eine persönliche Haftung des Kommanditisten entfällt.“215) Auch der Kommanditist, der seine Einlage geleistet und nicht zurückerhalten hat, wird nicht zwingend entlastet.216)

96 Die Vertreter der ursprünglichen Version des Lösungsmodells konzedieren selbst, ein Nachteil der Lösung bestehe in der steuerneutralen Gewinnverwirklichung bei beschränkt haftenden Gesellschaftern, dieser müsse aber hingenommen werden, da zu einer Beseitigung der Unabgestimmtheit zwischen Steuer- und Insolvenzrecht der Gesetzgeber berufen sei.217) Frotscher selbst relativiert mittlerweile das Lösungsmodell, sodass die Billigkeitsregelungen auch für den nicht haftenden Kommanditisten nur noch im Einzelfall gelten sollen – nunmehr wird eingeräumt, es könne zu einer unbefriedigenden Belastung des persönlichen Vermögens des Gesellschafters kommen, was aber hinzunehmen sei.218) Die Lösung kommt also im Ergebnis um einen Konflikt nicht umhin.

97 Die Argumentation des Lösungsansatzes weist auch in verschiedenen weiteren Punkten Schwächen auf. So lässt sie insbesondere Konkretisierungen zu der Behandlung des beschränkt haftenden Gesellschafters vermissen.219) Vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des BFH erscheint der Bereicherungsgedanke als Ansatzpunkt dieser Lösung endgültig überholt.220) Nachdem der BFH sich 2014 zu Recht auch für Personengesellschaften ausdrücklich von seiner vorgängigen Rechtsprechung distanziert hat221), erscheint ein Festhalten an diesem Ansatz schwer nachvollziehbar.222)

98 Diese Kritikpunkte mögen dazu führen, dass weitere Vertreter der steuerrechtlichen Lösung nach und nach von ihr abrücken. ___________ 215) Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1544. 216) Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1544 unter Verweis auf K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198 ff. 217) So Frotscher, Besteuerung, S. 175 selbst; ebenso Farr, Besteuerung, Rn. 316. 218) Es mangele an einer Rechtsgrundlage für die Steuerfreiheit, Frotscher/Schulze, in: Gottwald/ Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 35. 219) Vgl. Rn. 83 ff.; es bleibt insb. unklar, wie die Höhe von dessen Haftungsreduzierung zu bemessen sein soll. 220) Zu der Aufgabe des Bereicherungsgedankens näher Rn. 75 ff.; a. A. noch Frotscher, Besteuerung, S. 172, der sich in der aktuellen 8. Auflage (2014) bereits ausdrücklich mit o. g. Rechtsprechungsänderung i. B. a. natürliche Personen in 2013 (BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759)) auseinandersetzt (es sei „z. Zt. unklar, ob diese neue Rechtsprechung […] eine andere Argumentation bei dem Problem der Besteuerung von Personengesellschaften in der Insolvenz erzwingt.“) und ausführt, er halte trotzdem die Grundsätze des BFH aus 1984 (BFH, Urteil vom 29.3.1984 – IV R 271/83 (= BFHE 141, 2 = BStBl. II 1984, 602)) bei Personengesellschaften weiterhin für anwendbar; s. a. bereits Fn. 172. 221) BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470). 222) So vertritt Frotscher selbst inzwischen eine abgewandelte Version des Lösungsmodells (so bereits Frotscher, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch (2015), § 96 Rn. 20 ff.), und relativiert die Aussagen neuerdings noch weiter (Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, InsolvenzrechtsHandbuch, § 96 Rn. 30 ff.; s. a. bereits Fn. 172).

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III. Festhalten an der gesetzlichen Regelung – sog. sachliche Sphärentrennung

III. Festhalten an der gesetzlichen Regelung – sog. sachliche Sphärentrennung 1.

Friktionen als Scheinproblem: Widerspruchsfreies Zusammenwirken von Insolvenz- und Steuerrecht

Eine bis dato wenig beachtete Literaturauffassung, die auf Harald Hess und Stephan 99 Mitlehner223) zurückgeht und von Alexander Statkiewicz224) präzisiert und fortentwickelt wurde, will in der Insolvenz der Personengesellschaft aufgrund der „sachlichen Sphärentrennung“225) zwischen Steuer- und Insolvenzrecht stets uneingeschränkt an der Einkünftezurechnung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu dem beschränkt oder unbeschränkt haftendenden Gesellschafter als Steuerschuldner festhalten.226) Das Lösungsmodell basiert auf dem Grundgedanken, dass Steuer- und Insolvenzrecht 100 sich komplementär zueinander verhalten und keine Schnittmengen aufweisen.227) Bei der Einkommensbesteuerung der insolventen Personengesellschaft seien alle auftretenden Fallkonstellationen im Ergebnis über die konsequente Anwendung von §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 15a EStG ohne Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip lösbar.228) Es gebe nur scheinbar Wertungswidersprüche.229) Für das Fehlen von Friktionen oder Wertungswidersprüchen finden sich verschiedene 101 Argumentationslinien. Ein intertemporaler Ansatz tendiert dazu, die steuerliche Leistungsfähigkeit nach dem Lebenseinkommen zu bemessen.230) Stelle man eine über den Veranlagungszeitraum hinausgehende Gesamtbetrachtung an, müsse der Gesellschafter zwar die Gewinne der insolventen Gesellschaft versteuern, könne diese aber regelmäßig durch vorhergegangene Verluste ausgleichen; im Übrigen kämen darüber hinausgehende Gewinne den Gesellschaftern als Überschuss ebenfalls zugute.231) Bei der Besteuerung von nach Insolvenzeröffnung erzielten Gewinnen seien auch die vor Insolvenzeröffnung angefallenen Verluste zu betrachten – der Steuerpflichtige sei durch diese vorinsolvenzlichen Verluste zunächst „faktisch in den Genuss eines Steuererstattungsanspruchs“232) gekommen. Daher sei seine Besteuerung gerechtfertigt, denn: „Hätte er diesen Betrag gespart, könnte er nun den Anspruch des Fiskus befriedigen“233). ___________ 223) 224) 225) 226)

227) 228) 229) 230) 231) 232) 233)

Hess/Mitlehner, Steuerrecht, B II Rn. 707 ff. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, insb. S. 107 ff. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 43 ff. Im Ergebnis ebenso Mohlitz, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 23 Rn. 71; Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, InsSteuerR II A Rn. 85; Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 82 ff. So etwa Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 43. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 232. Hess/Mitlehner, Steuerrecht, B II Rn. 712. Vgl. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 44 m. w. N. sowie 111. Hess/Mitlehner, Steuerrecht, B II Rn. 716. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 111. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 111.

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2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

102 Es bestehe kein sachlicher Grund, bei der Einkünftezurechnung zwischen insolventer und werbender Gesellschaft zu differenzieren. Auch die werbende Gesellschaft erziele „steuerfreie“ Gewinne, auch bei ihr könne das Entnahmerecht des Gesellschafters beschränkt sein, sodass der Gesellschafter mitunter ohne Liquiditätszufluss Einkommensteuer zahle.234) Es sei nicht ausschlaggebend, ob ein Geschäftsführer oder ein Insolvenzverwalter einen Gewinn verursache.235)

103 Statkiewicz stellt auf das Kapitalkontensystem als Indikator für die Leistungsfähigkeit der Gesellschafter ab.236) Daran lasse sich ablesen, dass im Ergebnis sowohl persönlich haftende Gesellschafter als auch Kommanditisten stets an dem wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg der insolventen Personengesellschaft teilhaben.237) Die Gesellschafter seien über die Kapitalkonten so an den Einkünften der Personengesellschaft beteiligt, dass die Besteuerung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspreche.238) Die Realisierung eines Gewinns der Gesellschaft mehre auch das Vermögen des Gesellschafters, da dieser sich einen auf dem Kapitalkonto abgebildeten positiven Saldo grundsätzlich auszahlen lassen könne; im Falle von Entnahmehindernissen bliebe ihm stets die Möglichkeit, thesaurierte Gewinne und stille Reserven durch Veräußerung seines Anteils in das eigene Vermögen zurückzuführen.239) Umgekehrt könne jeder Gesellschafter die auf seinem Kapitalkonto verbuchten Verluste steuerlich nutzen – diese seien zudem Grundlage für eine Belastung des Gesellschafters mit Zahlungsansprüchen im Wege der persönlichen Haftung.240) Werde durch einen Gewinn lediglich der Negativsaldo des Kapitalkontos vermindert, sei die Besteuerung dennoch gerechtfertigt, da zum einen der Haftungsumfang des Gesellschafters nach § 128 HGB sinke und er zum anderen früher von Verlusten profitiert habe (periodenübergreifende Betrachtung); der Kommanditist könne zunächst seine verrechenbaren Verluste nutzen (§ 15a EStG).241)

2.

Einzelne Fallgruppen in der Insolvenz

104 Nach diesem Lösungsansatz ist die Besteuerung der Gesellschafter in der insolventen Gesellschaft ebenso leistungsfähigkeitsgerecht wie in der werbenden. Gewinne und Verluste sollen dem Gesellschafter daher grundsätzlich zuzurechnen sein.242) ___________ Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 83. Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 83. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, insb. S. 108 ff. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 137 ff. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 112. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 108 f. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 109 f. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 111 f.; auf die Besonderheiten der Kommanditistenbesteuerung wird später zurückzukommen sein (s. insb. Rn. 245 ff.). 242) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 112 f.; Eine Begrenzung der Verlustzurechnung komme nur in Sonderfällen in Betracht (Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 141 ff.).

234) 235) 236) 237) 238) 239) 240) 241)

36

III. Festhalten an der gesetzlichen Regelung – sog. sachliche Sphärentrennung

a) Unbeschränkt haftender Gesellschafter der insolventen Personengesellschaft Die Besteuerung eines Gesellschaftsgewinns bei dem persönlich haftenden Gesell- 105 schafter sei gerechtfertigt.243) Erziele die insolvente Gesellschaft (durch Verwalterhandeln) einen Gewinn und werde der Saldo seines Kapitalkontos positiv, soll die steuerliche Leistungsfähigkeit des persönlich haftenden Gesellschafters steigen. Denn erstens sinke durch Entfallen der Insolvenzforderungen seine Haftung und zweitens werde ein Überschuss bei der Schlussverteilung an ihn ausgekehrt. Bleibe trotz des Gewinns der Saldo seines Kapitalkontos negativ, werde die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters aber ebenfalls gesteigert. Durch die Verminderung der Insolvenzforderungen sinke seine Haftung.244) Gerechtfertigt sein soll auch die Verlustzurechnung zu dem persönlich haftenden 106 Gesellschafter. Differenziert wird nach dem Entstehungsgrund.245) Entsteht bei der insolventen Gesellschaft ein Verlust durch eine alte, also noch durch den Insolvenzschuldner selbst begründete Masseverbindlichkeit, soll der persönlich haftende Gesellschafter in seiner Leistungsfähigkeit betroffen sein, weil er für diese Verbindlichkeiten haftet (§ 128 HGB).246) Der Insolvenzverwalter werde die alte Masseverbindlichkeit aus der Masse der Gesellschaft begleichen und den Betrag von dem persönlich haftenden Gesellschafter nachfordern.247) Beruht der Verlust dagegen auf einer neuen, also durch Verwalterhandeln begründeten Masseverbindlichkeit, soll ebenfalls kein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vorliegen: Mangels Haftung für die Verbindlichkeit werde diese zwar handelsrechtlich auf dem Kapitalkonto verbucht, steuerrechtlich soll aber mangels tatsächlichen Einstehenmüssens für die Verluste die Regelung des § 15a Abs. 5 EStG anwendbar sein und eine Zurechnung hindern (verrechenbare Verluste). Die Korrekturvorschrift § 15a EStG hindere für die neuen Masseverbindlichkeiten also, entsprechend der tatsächlich nicht gestiegenen Leistungsfähigkeit, eine Verlustzurechnung.248)

b) Beschränkt haftender Gesellschafter der insolventen Personengesellschaft Auch der Kommanditist soll – unabhängig von der Erbringung der Einlage – immer 107 von Gewinnen der insolventen KG profitieren.249) ___________ 243) Zum Nachfolgenden Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 115 ff. 244) Auch wenn in diesem Fall kein Überschuss ausgekehrt werde, Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 117, dort Fn. 78. 245) I. E. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 118 ff. 246) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 118 ff.; zu dem Begriff des Insolvenz- bzw. Gemeinschuldners s. Rn. 161 ff. 247) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 118 ff. 248) Zum Ganzen Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 120 ff. 249) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 124.

37

2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

108 Erzielt die insolvente Gesellschaft (durch Verwalterhandeln) einen Gewinn und erfolgt eine quotale Verteilung unter den Gesellschaftern und bleibt das Kapitalkonto des Kommanditisten dabei negativ, soll Folgendes gelten: Die Leistungsfähigkeit des Kommanditisten, dessen Einlage vollständig erbracht ist, wird mangels Haftungsminderung und mangels Überschussverteilung nicht erhöht, aber er soll seine verrechenbaren Verluste (§ 15a EStG) nutzen und erfolgsneutral in ausgleichsfähige Verluste umwandeln können, sodass keine Besteuerung und damit auch kein Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip entstehe.250) Wird sein Kapitalkonto in der genannten Konstellation positiv, soll der Kommanditist hingegen von einer Verteilung des Überschusses profitieren, sodass seine Besteuerung gerechtfertigt sei.251) Für den Fall der disquotalen Gewinnverteilung bildet Statkiewicz ein Beispiel, in dem das Kapitalkonto des Kommanditisten zwar positiv wird, dasjenige des persönlich haftenden Gesellschafters jedoch in gleicher Höhe negativ ausfällt – hier soll der Kommanditist trotz fehlenden Auszahlungsanspruches gegen die Gesellschaft, fehlender Überschussverteilung und fehlender Haftungsminderung bereichert sein, weil er einen Ausgleichsanspruch gegen den Komplementär habe.252) Daher sei die Besteuerung auch in diesem Fall gerechtfertigt. Dass der Kommanditist damit das Insolvenzrisiko des Komplementärs übernehme, sei nicht ausschlaggebend.253)

109 Für den beschränkt haftenden Gesellschafter führe auch die Verlustzurechnung in der Insolvenz der Personengesellschaft nicht zu ungerechtfertigten Vor- oder Nachteilen. Sie bilde „vielmehr die rechtliche Realität trennscharf ab“254).

110 Entsteht bei der insolventen Gesellschaft ein Verlust und war das Kapitalkonto des Kommanditisten, dessen Einlage vollständig erbracht ist, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits negativ, hindere bereits die Regelung des § 15a EStG eine Verlustzurechnung und die Leistungsfähigkeit sei schon nicht betroffen.255) Bleibt das Kapitalkonto dagegen trotz der Verluste positiv, soll die Zurechnung zu dem Kommanditisten gerechtfertigt sein, da entweder besteuerte Gewinnanteile oder Einlagen verringert werden.256)

c)

Doppelinsolvenz

111 Auch in diesem Fall erhöht nach dem Modell der sachlichen Sphärentrennung ein Gewinn der insolventen Gesellschaft die steuerliche Leistungsfähigkeit des Gesellschafters. Durch Verminderung der Insolvenzforderungen der Gesellschaft sinke ___________ 250) 251) 252) 253) 254) 255) 256)

38

Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 125 f. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 126 f. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 128 f. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 129. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 131. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 130. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 130.

III. Festhalten an der gesetzlichen Regelung – sog. sachliche Sphärentrennung

seine Haftung und/oder ein Überschuss bei der Schlussverteilung werde an ihn ausgekehrt.257) Die Stellung der Gläubiger des Gesellschafters werde ebenfalls verbessert, da die Gesellschaft als konkurrierender Masse- oder Insolvenzgläubiger im Gesellschafterverfahren ausscheide durch die Minderung der persönlichen Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft.258) Ein Verlust der insolventen Gesellschaft im Fall der Doppelinsolvenz soll dem Ge- 112 sellschafter ebenfalls zugerechnet werden können, denn mit dem Verlust sinke der Kapitalkontensaldo des Gesellschafters und es entstehe ein Haftungsanspruch (§ 128 HGB); wirtschaftlich trage der Gesellschafter den Verlust.259)

3.

Stellungnahme

Das Lösungsmodell der sachlichen Sphärentrennung wird bislang in der juristischen 113 Literatur und Rechtsprechung kaum beachtet. Über das im Grundsatz komplementäre Verhältnis von Steuer- und Insolvenzrecht zueinander – den systematischen Ausgangspunkt dieser Lösung – besteht zu Recht im Wesentlichen Einigkeit.260) Bemerkenswert ist indessen die These, die gleichzeitige Anwendung von Steuerund Insolvenzrecht führe bei der Besteuerung der Einkünfte einer insolventen Personengesellschaft nicht zu Unstimmigkeiten. Die strikte und uneingeschränkte Anwendung des Einkommensteuerrechts in der Insolvenz der Personengesellschaft, wie dieser Lösungsansatz sie verfolgt, wird zumeist als Widerspruch zu den „Wertungen des Insolvenzrechts“261) gesehen. Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der juristischen Literatur halten die Rechtslage aufgrund bestehender Friktionen für änderungsbedürftig.262) Wie noch näher herauszuarbeiten sein wird, bestehen solche Unstimmigkeiten durchaus.263) Dem Modell ist zugute zu halten, dass es (steuer)systematisch konsequent ist und 114 ohne Rückgriff auf die Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung (AO) auskommt. Richtigerweise fragt es nach dem Einfluss von Vermögenszuwächsen oder Verlusten der insolventen Gesellschaft auf die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters. Problematisch erscheint dagegen nicht nur der Verweis auf die zeitliche Gesamtbetrach___________ 257) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 132. 258) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 133. 259) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 134. Keine abweichende Beurteilung soll sich bei Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens ergeben, da das Verfahren weder die haftungsrechtlichen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter noch die steuerliche Einkünftezurechnung ändere (Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 134 ff.). 260) Dazu noch unter Rn. 141 ff. 261) Frotscher, Besteuerung, S. 173. 262) Vgl. etwa die Nachweise in Fn. 104 bis 109. 263) Darauf wird im 3. Teil zurückgekommen.

39

2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

tung.264) Das Lösungsmodell basiert zu erheblichen Teilen – wie schon die Lösung nach steuerlichen Grundsätzen – auf der Annahme, die persönliche Haftung des Gesellschafters indiziere steuerliche Leistungsfähigkeit.265) Wie zu zeigen sein wird, ist die Haftung jedoch kein geeignetes Kriterium für die Bemessung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft.266)

115 Der Lösungsweg berücksichtigt schließlich nicht in hinreichendem Maße den möglichen zivilrechtlichen Ausgleich steuerlicher Zurechnungsfolgen. Dies mag konsequent erscheinen, hält man eine Einkünftezurechnung mit den Vertretern dieser Auffassung stets für leistungsfähigkeitsgerecht und sieht deshalb keinerlei Ausgleichsbedarf.267) Allerdings kann die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der (insolventen) Personengesellschaft (und damit die Beantwortung der Frage, ob in der Insolvenz an der gesetzlichen Zurechnungsfolge festgehalten werden kann) maßgeblich von einem Bestehen zivilrechtlicher Rechte und Pflichten im Innenverhältnis beeinflusst werden.268) Die steuerrechtliche Beurteilung kann nicht unabhängig von der Zivilrechtslage erfolgen.269)

IV. Lösung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage – Steuerentnahmerechte als Regressmöglichkeit für den Gesellschafter 1.

Erstattungsanspruch des Gesellschafters

116 Eine im Vordringen befindliche Literaturansicht befürwortet eine Lösung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage.270) Der Gesellschafter als Mitunternehmer ist auch hier stets Steuerschuldner bezüglich der Einkünfte der insolventen Personengesellschaft, ihm sollen als Ausgleich für unangemessene steuerliche Zurechnungsfolgen aber Regressansprüche im Innenverhältnis zustehen.271) Über Fragen der rechtlichen Herleitung, Ausgestaltung und Einordnung solcher Ansprüche besteht unter den ___________ 264) Auch darauf wird zurückzukommen sein (Rn. 426 ff.). 265) Vgl. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 112; s. a. bereits Nachweise zu vorstehender Darstellung. 266) Dazu noch ausführlich unter Rn. 404 ff. 267) Ein Konflikt der transparenten Zurechnung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip bestehe weder außerhalb (Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 112) noch in der Insolvenz (ebenda, S. 137 f.). 268) Vgl. vorläufig allgemein zu der Relevanz zivilrechtlicher Ansprüche für die Leistungsfähigkeit Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 177 ff.; Schön, StuW 2005, 247, 249 ff.; Darauf wird im 4. Teil ausführlich zurückzukommen sein. 269) Darauf wird im 4. Teil ausführlich zurückzukommen sein. 270) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198 ff. („gesellschafts- und insolvenzrechtliche Lösung“); Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 120; inzwischen auch Kruth, DStR 2016, 1871, 1874. 271) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198 f.

40

IV. Lösung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage

Vertretern der zivilrechtlichen Lösung allerdings Uneinigkeit, teils werden sie auch offengelassen. Karsten Schmidt leitet unter Verweis auf Beiträge von Julius Lehmann272) und 117 Wolfgang Schön273) ein insolvenzfestes gesetzliches Steuerentnahmerecht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft als handelsrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch aus § 110 HGB her.274) Für den Gesellschafter der GbR wird dementsprechend der Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 613, 670 BGB herangezogen.275) Wenn der Gesetzgeber die Steuern auf einbehaltene Gesellschaftsgewinne „den Gesellschaftern als Mitunternehmern zuweise, müssen diese Steuern im Ergebnis dasjenige Vermögen treffen, das durch die Gewinne vermehrt wird.“276) Dies sei im Falle einbehaltener Gewinne, bei Entstehen unter Insolvenzverwaltung sowieso, das Gesellschaftsvermögen bzw. im Insolvenzfall die Masse der Gesellschaft.277) Damit zahle der Gesellschafter die Steuer „gleichsam für Rechnung der Gesellschaft“ und leiste (mangels Nachschusspflicht) Aufwendungen in Gesellschaftsangelegenheiten, welche er nach § 110 HGB ersetzt verlangen könne.278) Das Steuerentnahmerecht sei dispositiv und einer Mehrheitsentscheidung zugänglich, dürfe dem Gesellschafter aber nicht gegen seinen Willen entziehbar sein.279) Es bestehe auch in der Insolvenz der Gesellschaft, da der Insolvenzverwalter zwar verwaltungs- und verfügungsbefugt sei, einen gesetzlichen Anspruch des Gesellschafters aus § 110 HGB aber erfüllen müsse wie vor der Insolvenz ein Komplementär.280) Das Entnahmerecht bezüglich vorinsolvenzlicher Steuern sei allerdings als Insol- 118 venzforderung zu der Tabelle der Gesellschaft anzumelden, sodass der Gesellschafter regelmäßig nur in Höhe der Quote – wenn überhaupt – bei der Gesellschaft Regress nehmen kann, obgleich er selbst die Steuerforderung gegenüber dem Finanzamt vollständig zu begleichen hat.281) Insoweit bleibt auch nach dieser Auffassung nur der Rückgriff auf Billigkeitsregelungen (§§ 163, 227 AO).282) Zwischenzeitlich soweit ersichtlich nicht mehr vertreten wird die Herleitung eines 119 gesetzlichen Steuerentnahmerechts speziell für die insolvente Personengesellschaft ___________ Lehmann, FS Heymann, 733, passim. Schön, FS Beisse, 471, passim. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198 ff. So z. B. Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 120. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198 f. Ein entsprechender Beschluss der Gesellschafter sei nicht nötig, vgl. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199. 281) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199. 282) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199.

272) 273) 274) 275) 276) 277) 278) 279) 280)

41

2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und den Gesellschaftern der Personengesellschaft, aufgrund dessen der Verwalter auf die Interessen der Gesellschafter Rücksicht zu nehmen habe.283)

120 Vereinzelt wird aber – thematisch ähnlich, da es ebenfalls um einen Erstattungsanspruch des Gesellschafters gegen die insolvente Gesellschaft geht – anstelle eines Steuerentnahmerechts speziell für den Fall der Insolvenz ein Anspruch des Gesellschafters wegen Bereicherung der Insolvenzmasse aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Erwägung gezogen.284) Auch darauf wird zurückzukommen sein.285)

2.

Stellungnahme

121 Die Lösung nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen berücksichtigt richtigerweise den zivilrechtlichen Innenausgleich von Steuerfolgen, welcher wesentlich für die Beurteilung einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung des Gesellschafters in der Insolvenz der Personengesellschaft ist.286) Er erweist sich insoweit den vorgenannten Alternativen als überlegen.

122 Es besteht allerdings Konkretisierungsbedarf, insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Herleitung, Ausgestaltung und der Einordnung der Steuerentnahmerechte in der Insolvenz, da etliche Unklarheiten bestehen. Das gesetzliche Steuerentnahmerecht wird schon außerhalb der Insolvenz überwiegend bestritten, in der Insolvenz selten überhaupt diskutiert – und soweit angesprochen, meist abgelehnt. So hat sich insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 betreffend Kapitalertragsteuern allgemein gegen Steuerentnahmerechte von Gesellschaftern einer insolventen Personengesellschaft ausgesprochen.287)

123 Die Herleitung eines Steuerentnahmerechts aus handelsrechtlichen Aufwendungsersatzvorschriften erscheint im Grundsatz interessengerecht, um dem Gesellschafter Regress zu gewähren. Ob die Steuerzahlung eine Gesellschaftsangelegenheit i. S. v. § 110 HGB ist, ist aber angesichts der gesetzlich eindeutig angeordneten Steuerschuldnerschaft des Gesellschafters zweifelhaft. Anstelle der direkten Anwendung ___________ 283) So vormals Kruth, DStR 2013, 2224, 2228 (gegen ein gesetzliches Steuerentnahmerecht außerhalb der Insolvenz; in der Insolvenz resultiere ein solches aber aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zu dem Insolvenzverwalter, der bei seiner Amtsausübung „auch die Belange der Gesellschafter zu berücksichtigen“ habe); Kruth befürwortet nunmehr ein gesetzliches Steuerentnahmerecht entsprechend § 110 HGB in und außerhalb der Insolvenz (Kruth, DStR 2016, 1871, 1874). 284) So Thole, NZI 2016, 884, 885; dagegen Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 3. 285) Vgl. Rn. 342 ff. 286) Darauf wird im 5. Teil ausführlich zurückzukommen sein. 287) BGH, Urteil vom 5.4.2016 – II ZR 62/15 (der Gesellschafter sei „selbst wenn im Gesellschaftsvertrag ein Steuerentnahmerecht vereinbart sein sollte, wegen des alleinigen Verfügungsrechts des Insolvenzverwalters nicht mehr berechtigt, die von ihnen zu zahlende Einkommen- oder Körperschaftsteuer aus der Insolvenzmasse zu entnehmen“); kritisch dazu z. B. Möller, GWR 2016, 280, 280.

42

V. Ende der Mitunternehmerstellung des Kommanditisten in der Insolvenz

von § 110 HGB bzw. §§ 613, 670 BGB kommt eine Analogie in Betracht. Diese wird nur vereinzelt für die werbende Gesellschaft diskutiert.288) Nicht abschließend geklärt ist auch, wie das Steuerentnahmerecht in die insolvenz- 124 rechtlichen Forderungskategorien einzuordnen ist. Für den Gesellschafter macht es einen entscheidenden Unterschied, ob er dieses als Masseverbindlichkeit erhält oder es lediglich als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden darf. Karsten Schmidt selbst merkt an, das insolvenzfeste Steuerentnahmerecht allein könne als Kompensation für das Steuerrisiko des Gesellschafters einer insolventen Personengesellschaft nicht „restlos befriedigen“289), da hinsichtlich der vorinsolvenzlichen Steuern das Insolvenzrisiko vom Fiskus auf den Gesellschafter verlagert werde.290) Inwieweit gerade in dieser Konstellation Raum für die Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO ist, wird zu untersuchen sein. Einer Vertiefung bedarf auch die Frage nach der Berücksichtigung von Verlusten, da Verlustzuweisungen nicht mit einem Steuervorteil des Gesellschafters korrespondieren müssen.291) Für den Kommanditisten sind die Besonderheiten, etwa im Bereich der verrechenbaren Verluste nach § 15a EStG, angemessen zu berücksichtigen.292) Insgesamt weist dieser Ansatz also eine hohe Überzeugungskraft auf, bedarf aber 125 der Konkretisierung und ggf. Anpassung.

V. Ende der Mitunternehmerstellung des Kommanditisten in der Insolvenz 1.

Lösungsansatz

Einen weiteren Lösungsansatz entwickelt Tina Kießling.293) Die Mitunternehmer- 126 stellung des persönlich haftenden Gesellschafters soll in der Insolvenz der Personengesellschaft zwar fortbestehen, diejenige des Kommanditisten soll dagegen entfallen.294) Dem Kommanditisten verbleibe im Verfahren weder Mitunternehmerrisiko noch Mitunternehmerinitiative in relevantem Ausmaß, sodass die Untergrenze der Mitunternehmerstellung unterschritten sei und er einem bloßen Darlehensgeber gleichstehe.295) Bei dem persönlich haftenden Gesellschafter sei zwar ebenfalls keine nennenswerten Mitunternehmerinitiative mehr zu verzeichnen, dies werde aber

___________ 288) 289) 290) 291) 292) 293) 294) 295)

Darauf wird im 4. Teil ausführlich zurückzukommen sein. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199 f. Nur insofern zutreffend die Kritik von Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1547. Vgl. dazu Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1553. Kießling, Einkommensbesteuerung, insb. S. 383 ff. und 416 ff. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 385. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 383 ff.

43

2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

durch ein insolvenzbedingt erhöhtes Mitunternehmerrisiko kompensiert, weil die Wahrscheinlichkeit seiner Inanspruchnahme in der Insolvenz ansteige.296)

127 Demnach sollen dem Kommanditisten ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Einkünfte der Gesellschaft nicht mehr nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zugerechnet werden.297) Die von ihm tatsächlich verwirklichten Einkünfte soll er aber nach der einschlägigen Einkunftsart besteuern müssen, häufig gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG (z. B. einen Überschuss nach § 199 InsO).298) Sei das Kapitalkonto des Kommanditisten im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über das Gesellschaftsverfahren negativ, müsse es ggf. im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung als Aufgabegewinn versteuert werden.299)

2.

Stellungnahme

128 Dem Lösungsansatz kommt das Verdienst zu, sich grundlegend und sehr ausführlich mit dem Thema zu befassen. Insbesondere das Fortbestehen der Mitunternehmerstellung des Personengesellschafters (je nach dessen Haftungsumfang) in der Insolvenz wurde bis dahin selten diskutiert oder angezweifelt,300) sondern in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig schlicht vorausgesetzt.301)

129 Die Lösung führt zudem zu einer sauberen und konsequenten Anwendung der Besteuerungstatbestände, bei der die Heranziehung von Billigkeitsregelungen und steuerneutrale Gewinnverwirklichungen vermieden werden.302)

130 Zweifelhaft erscheint es allerdings, die Mitunternehmerstellung nur für den Kommanditisten und gerade aufgrund der Insolvenz zu verneinen. Denn auch in der werbenden Gesellschaft hat der Kommanditist regelmäßig keinen nennenswerten Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen, mithin kaum Mitunternehmerinitiative. Diese Problematik tritt zwar in der Insolvenz besonders deutlich zu Tage, resultiert allerdings aus dem Mitunternehmerbegriff (insbesondere dem Verständnis der Mitunternehmerinitiative) und ist weder speziell ein Problem der Insolvenz noch allein des Kommanditisten. Darauf wird im Einzelnen zurückzukommen sein.303) ___________ 296) 297) 298) 299)

300) 301) 302) 303)

44

Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 379 ff. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 416 f. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 417, 420. So jedenfalls, wenn die zu dem negativen Kapitalkonto führenden Verluste ausgleichs- oder abzugsfähig und nicht nur verrechenbar (§ 15a EStG) waren, vgl. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 418 f. Soweit ersichtlich nur bei Kruth, DStR 2016, 1871, 1873 f. sowie Kahlert, FR 2014, 731, 739. Vgl. noch die Nachweise unter Rn. 225. Vgl. exemplarisch die näheren Ausführungen mit entsprechenden Berechnungen bei Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 420 ff. S. unter Rn. 219 ff.

VI. Fazit zu bestehenden Lösungsansätzen und historischer Entwicklung

VI. Fazit zu bestehenden Lösungsansätzen und historischer Entwicklung Die dargestellten Lösungsansätze konnten das Problem bislang keiner umfassen- 131 den und überzeugenden Lösung zuführen. Die insolvenzrechtliche Bereicherungslösung wurde zu Recht von der Rechtspre- 132 chung verworfen, ebenso wie von dem ganz überwiegenden Teil der Literatur. Denn eine Steuerschuldnerschaft der insolventen Personengesellschaft lässt sich nicht mit geltendem Recht vereinen. Selbst wenn die zivilrechtlich eigenständige Masse der Gesellschaft durch Gewinne bereichert oder durch Verluste geschmälert ist, kann sie de lege lata nicht Steuersubjekt für den Zugriff des Fiskus sein. Richtigerweise sehen alle anderen Lösungsmodelle konsequent den Gesellschafter als einzig möglichen Einkommensteuerschuldner an. Die Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen erscheint auf den ersten Blick über- 133 zeugend, da sie richtigerweise ausdrücklich nach der Veränderung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters fragt. Bei genauerer Untersuchung wird sich jedoch zeigen, dass die persönliche Haftung des Gesellschafters nicht der geeignete Indikator für diese steuerliche Leistungsfähigkeit ist.304) Die Haftung vermag keine Auskunft darüber zu geben, ob der Gesellschafter die Steuerlast zu tragen hat. Damit ist dem Lösungsmodell ein fehlerhafter Ansatz vorzuwerfen. Es führt dementsprechend, insbesondere im Hinblick auf den Kommanditisten, zu unstimmigen Ergebnissen. Das Modell der sachlichen Sphärentrennung knüpft an die Kapitalkonten und letzt- 134 endlich – wie schon das steuerrechtliche Modell – an die persönliche Haftung des Gesellschafters an, um Veränderungen in dessen Leistungsfähigkeit zu messen. Hierbei handelt es sich indes nicht um geeignete Kriterien für die Bemessung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft. Das Ergebnis dieser Lösung, es gebe keine Unstimmigkeiten bei der Besteuerung der insolventen Personengesellschaft, erweist sich dementsprechend im Einzelfall als unrichtig.305) Den Vorzug verdient im Grundsatz der gesellschaftsrechtliche Lösungsansatz, der 135 über das zivilrechtliche Ausgleichssystem eine Rechtfertigung für die steuerlichen Zurechnungsfolgen sucht. Dieser Ansatz erscheint am besten geeignet, die vorliegende Problematik einer systematischen und angemessenen Lösung zuzuführen. Es besteht allerdings nicht unerheblicher Klärungsbedarf hinsichtlich des Steuerentnahmerechts, gerade in der Insolvenz der Personengesellschaft. Angesichts der eindeutig gesetzlich angeordneten Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft ist insbesondere zu untersuchen, inwieweit § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in der Insolvenz ggf. analog Anwendung finden können. Wie sich die Insolvenz der Gesellschaft auf vertraglich vereinbarte und/oder gesetzliche Steuerentnahmerechte auswirkt, wird ___________ 304) Dazu ausführlich unter Rn. 390 ff. 305) Auf Vorstehendes wird i. E. zurückzukommen sein (Rn. 390 ff. und Rn. 415 ff.).

45

2. Teil – Lösungsansätze und historische Entwicklung

bislang selten angesprochen und bedarf daher der eingehenden Klärung. Auch die Folgefragen der Einordnung der Steuerforderung und des Steuerentnahmerechts in die insolvenzrechtlichen Forderungskategorien sind zu klären. Die alternative Idee eines Bereicherungsanspruchs gegen die Insolvenzmasse nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO wird bislang, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung nicht aufgegriffen. Auch darauf wird zurückzukommen sein.306)

136 Der neue steuerrechtliche Ansatz, nach welchem die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten in der Insolvenz endet, besticht zunächst durch eine konsequente Lösung der in Rede stehenden Problematik nach geltendem Recht. Fraglich erscheint es allerdings, die Mitunternehmerstellung nur für den Kommanditisten und gerade aufgrund der Insolvenz zu verneinen. Wie noch genauer aufzuzeigen sein wird, ist die der Lösung zugrundeliegende Beurteilung der Mitunternehmerstellung kein durch die Insolvenz der Personengesellschaft bedingtes Problem, sondern stellt sich ebenso in der werbenden Gesellschaft. Namentlich erweist sich das Merkmal Mitunternehmerinitiative im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als unzulänglich. Dies tritt in der Insolvenz lediglich besonders deutlich zu Tage.

137 Bei allen Unterschieden stimmen die aufgezeigten Lösungswege im Kern insoweit überein, als eine einkommensteuerliche Be- oder Entlastung des Gesellschafters infolge positiver oder negativer Einkünfte der insolventen Personengesellschaft voraussetzt, dass er – in welcher Art auch immer – von dem Gewinn oder Verlust der Gesellschaft tatsächlich betroffen ist. So hebt die Bereicherungslösung auf eine Bereicherung bzw. Vermögensmehrung von Insolvenz- oder Vermögensmassen ab, das steuerrechtliche Lösungsmodell sieht den Gesellschafter durch eine Änderung seines Haftungsumfangs bereichert, die sachliche Sphärentrennung betont die Teilhabe des Gesellschafters an dem wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg der insolventen Gesellschaft und die gesellschaftsrechtliche Lösung will dasjenige Vermögen besteuern, das durch Gewinne vermehrt wird. Uneinigkeit besteht darüber, wie dieses Betroffensein des Gesellschafters durch Einkünfte der insolventen Gesellschaft zu determinieren ist.

138 Letztlich gilt es – die Lösungsansätze benennen es teils zutreffend – nichts anderes als die Frage nach einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung in der Insolvenz der Personengesellschaft zu beantworten. Die Einordnung der Einkommensteuerforderung in das insolvenzrechtliche Forderungssystem stellt sich als Folgefrage.

___________ 306) Dazu Rn. 342 ff.

46

3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz Die Lösungsansätze (2. Teil) haben verdeutlicht, dass Ursache der vorliegenden 139 Problematik die Unabgestimmtheit von Steuerrecht und Insolvenzrecht im Hinblick auf die Personengesellschaft ist. Daher soll in diesem Teil der Untersuchung eingangs kurz das grundsätzliche Ver- 140 hältnis dieser Rechtsgebiete aufgezeigt werden. Vor diesem Hintergrund ist derjenige Moment genauer zu beleuchten, der für die gleichzeitige Anwendbarkeit von Steuer- und Insolvenzrecht von entscheidender Bedeutung ist: die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft.307) Zu untersuchen sind die zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen und die steuerrechtlichen Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf die Beteiligten. Es soll die Frage beantwortet werden, inwiefern die Verfahrenseröffnung die Einkünftezurechnung zu den Gesellschaftern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) beeinflusst.

I. Verhältnis von Insolvenzrecht und Steuerrecht 1.

Gesetzliche Regelungen – Allgemeines Verhältnis der Rechtsgebiete

Das Verhältnis von Insolvenzrecht und Steuerrecht ist im deutschen Recht nicht um- 141 fassend und systematisch normiert, nur einige Vorschriften bilden Schnitt- und Bezugspunkte.308) So findet sich neben vereinzelten gegenseitigen Verweisen309) die grundsätzliche Aussage in der Abgabenordnung, die Vorschriften der Insolvenzordnung blieben „unberührt“ (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO), verortet allerdings im Abschnitt über das steuerliche Vollstreckungsverfahren. Das Verhältnis der beiden Rechtsgebiete ist dementsprechend seit jeher Gegenstand 142 ausführlicher Diskussion, die historische Entwicklung soll hier nicht noch einmal im Einzelnen dargestellt werden.310) Jedenfalls trägt weder der unter der Konkursordnung gebräuchliche Grundsatz „Konkursrecht geht vor Steuerrecht“311), nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung 1999 fortgeführt als „Insolvenzrecht geht vor Steu___________ 307) Das Insolvenzrecht kann bereits für die Zeit vor Verfahrenseröffnung Anwendung finden, der Eröffnungszeitpunkt ist aber von zentraler Bedeutung. Müller charakterisiert ihn treffend als „entscheidende Zäsur“ (Müller, Verband in der Insolvenz, S. 5). 308) Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 1 f. 309) Das Steuerrecht wird z. B. erwähnt in § 155 Abs. 1 InsO und das Insolvenzverfahren z. B. in §§ 75 Abs. 2, 171 Abs. 13, 231 Abs. 1 und 2, 282 Abs. 2 AO sowie § 4 Abs. 2, 16 Abs. 2 GewStDV. 310) Weiterführend Frotscher, Besteuerung, S. 17 ff.; Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 462 ff. 311) Onusseit/Kunz, Steuern in der Insolvenz, Rn. 588 f.; weitere Nachweise bei Frotscher, Besteuerung, S. 18.

47

3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

errecht“312), noch der umgekehrte Grundsatz „Steuerrecht vor Konkursrecht“313) wesentlich zu systematischer Klarheit in dieser Abgrenzungsfrage bei.314) Einigkeit besteht mittlerweile insoweit, als keines der Rechtsgebiete einen generellen Vorrang vor dem anderen genießt; vielmehr haben beide im Kern unterschiedliche Regelungsbereiche.315)

143 Dies erhellt, wenn man von dem Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (par conditio creditorum) ausgeht (§ 1 Satz 1 InsO). Dieser in der Insolvenzordnung allgegenwärtige Grundsatz führt zu einer „Sozialisierung aller (künftigen) Gläubiger eines Schuldners in einer Schicksalsgemeinschaft“316). Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft dient neben diesem Primärziel nach bestrittener, aber überzeugender Ansicht zudem der Vollabwicklung der Gesellschaft.317) Die insolvenzrechtlichen Ziele lassen sich jedoch nur verwirklichen, wenn alle Gläubiger in einem einheitlichen Verfahren unter bestimmten Beschränkungen zusammengefasst werden.318) Die Insolvenzordnung regelt entsprechend primär verfahrensrechtliche Fragen. Das Insolvenzrecht trifft selbst aber keine materiell-rechtlichen Regelungen zu den an einem Verfahren teilnehmenden Forderungen, sondern folgt insofern grundsätzlich dem jeweils betroffenen Rechtsgebiet.319) Die Insolvenzordnung ersetzt mithin nicht das materielle Steuerrecht, sondern wirkt auf dieses nur ein, soweit seine unveränderte Geltung den Insolvenzzwecken widerspräche.320)

144 Das Steuerrecht dagegen ist vornehmlich auf die Sicherung des staatlichen Finanzbedarfs gerichtet (Fiskalzweck der Steuer).321) Unabhängig von einer Insolvenzsituation ist stets das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und das Fol-

___________ 312) Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rn. 1; vgl. Meyer, in: Zukunftsfragen, 45, 52; Mohlitz, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 23 Rn. 1; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 1. 313) Bühler, Steuerrecht, Bd. 1, S. 365. 314) Ebenso Frotscher, DStJG 13 (1990), 213, 215 m. w. N. 315) Näher Frotscher, Besteuerung, S. 20; Ders., DStJG 13 (1990), 213, 213 ff. 316) Hölzle, BB 2012, 1571, 1571. 317) K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 1 Rn. 14; Ders., in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 41; Ders., ZGR 1998, 633, 634 ff.; ebenso Göcke, Wechselwirkungen, S. 7 f.; Haas, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 15 f.; Müller, Verband in der Insolvenz, S. 13 und 29, jeweils m. w. N.; Inwiefern der Erhalt des Unternehmens selbständiges Verfahrensziel sein kann, ist umstritten (dazu etwa Ganter/Bruns, in: MüKo InsO, § 1 Rn. 85 m. w. N.). 318) Näher Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 118 Rn. 4 ff.; Frotscher, Besteuerung, S. 18 f. 319) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 118 Rn. 8. 320) Frotscher, Besteuerung, S. 20; im Anschluss Vortmann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 31, Rn. 1. 321) Näher Tipke, StRO I, S. 1 ff., 77; Ders., StRO III, S. 1616 ff.

48

I. Verhältnis von Insolvenzrecht und Steuerrecht

gerichtigkeitsgebot als „tragende verfassungsrechtliche Leitlinien“ zu beachten.322) Das Finanzamt als öffentlich-rechtlicher Steuergläubiger unterliegt in einem Verfahren nach der Insolvenzordnung, ebenso wie die privatrechtlichen Gläubiger, dem Grundsatz der Gleichbehandlung und genießt – anders als noch unter der Konkursordnung, die ein Fiskusprivileg kannte – keinen generellen Vorzug vor anderen Gläubigern.323) Im Ergebnis gilt daher ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 145 folgendes Grundsystem: die (formelle) Durchsetzung der von dem Insolvenzverfahren betroffenen Steuerforderungen richtet sich ausschließlich nach den speziellen Bestimmungen der Insolvenzordnung und nicht mehr nach der Abgabenordnung, wohingegen die (materielle) Regelung der Entstehung und Höhe von Steuerforderungen weiterhin allein den steuerrechtlichen Vorschriften vorbehalten bleibt.324) Eine grundsätzliche Anwendung der materiell-steuerrechtlichen Einkünftezurechnung nach dem Transparenzprinzip (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG)325) in der Insolvenz der Personengesellschaft entspricht zunächst diesem allgemeinen Zusammenwirken der Rechtsgebiete.326)

2.

Konkurrenzprobleme in der Rechtsanwendung

Das abgebildete Grundsystem vermag Kollisionen in der Rechtsanwendung aller- 146 dings nicht zu vermeiden. Zwischen beiden Rechtsgebieten können Zielkonflikte bestehen.327) Namentlich kann das insolvenzrechtliche Leitprinzip der Gläubigergleichbehandlung mit der Besteuerungsgleichheit in Widerstreit treten.328) So teilt etwa die Insolvenzordnung die Besteuerungsgrundlagen eines Veranlagungszeitraums verschiedenen Vermögensmassen und verschiedenen Zeitabschnitten zu, wäh___________ 322) Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 461; Uhländer/ Steinbeck, SteuerStud 2014, 344, 344; weiterführend zu dem Gebot der Folgerichtigkeit z. B. Birk, FS Kirchhof, 1591, 1598; Kirchhof, FS Lang, 451, 455 f.; kritisch zum Folgerichtigkeitsgebot Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 144 ff.; ausführlich zur Leistungsfähigkeit im 5. Teil. 323) Vgl. die Nachweise in Fn. 1148. 324) Riedemann, in: Schmidt, Hamburger Kommentar InsO, Anhang IV Insolvenzsteuerrecht Rn. 3 ff.; Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 462 ff.; Schüppen/ Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 1; vgl. auch Fritsch, in: Koenig, AO, § 251, Rn. 17. 325) Ausführlich zum Transparenzprinzip „als materiell-rechtliches Prinzip zur anteiligen und unmittelbaren Einkünftezurechnung bei Personengesellschaft und anderen Personenmehrheiten“ Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 206 und §§ 3 bis 6. 326) Ähnlich i. Erg. auch Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 99. 327) Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 467 ff.; dazu bereits Rn. 32 ff. 328) Hölzle, BB 2012, 1571, 1576; vgl. auch Meyer, in: Zukunftsfragen, 45, 48 f.; Ders., FS 100 Jahre BFH, 659, 661 f.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

rend das Steuerrecht weiterhin an einheitliche Besteuerungsgrundlagen anknüpft.329) Auch will das Insolvenzrecht mit den Anfechtungsregeln (§§ 129 ff. InsO) gegenleistungslose Abgänge von Vermögen des Insolvenzschuldners rückgängig machen, während die Zahlung von Steuern naturgemäß stets ohne Gegenleistung erfolgt.330) Wie aufgezeigt ist die transparente Besteuerung in der insolventen Personengesellschaft ein Fall eines solchen Konflikts von Insolvenz- und Steuerrecht.331)

147 Das Eingreifen einer konkreten Steuernorm in der Insolvenz lässt sich daher nicht allein auf Grundlage des allgemeinen Verhältnisses der Rechtsgebiete beurteilen. Auch wenn eine materiell-rechtliche Steuernorm grundsätzlich in der Insolvenz anwendbar ist, kommt es vielmehr darauf an, ob die konkrete Regelung mit der Insolvenzordnung konfligiert und wie dieser Konflikt gegebenenfalls aufzulösen ist. Das Insolvenzrecht soll im Einzelfall auf das materielle Steuerrecht einwirken können, „wenn und soweit eine unveränderte Geltung der steuerrechtlichen Vorschriften dem Zweck des Insolvenzverfahrens wiedersprechende Wirkung hätte“332). Es stellt sich damit die Frage, ob die konkreten tatbestandlichen Voraussetzungen der (unveränderten) materiellen Steuerrechtsnorm des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG in der Insolvenz weiterhin erfüllt sind.333)

3.

Exkurs: Bestrebungen zur Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht

148 Die bloß punktuelle Verknüpfung der Rechtsgebiete durch den Gesetzgeber führt dazu, dass regelmäßig Finanzgerichte und -verwaltung im Wege der Auslegung der betreffenden Vorschriften zur Abhilfe berufen sind, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit und einem asymmetrischen Abzug von Liquidität zugunsten des Fiskus und zulasten der anderen Gläubiger führen kann.334) Zunehmend wurde und wird Kritik laut an „sanierungsfeindlichen Entwicklungen im Steuerrecht“335) und an systemwidrigen Tendenzen im Verhältnis der Rechtsgebiete, verursacht durch eine fiskalisch motivierte Steuergesetzgebung und Rechtsprechung.336) Eine Harmonisierung

___________ 329) Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1332 ff. 330) Näher Hölzle, BB 2012, 1571, 1571 f. („systemische Inkongruenz“). 331) Vgl. bereits ausführlich im 1. Teil; ebenso Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 469 f. 332) Frotscher, Besteuerung, S. 20. 333) So zutreffend Kahlert, Stellungnahme BT-Drs. 18/407, S. 19 (gekürzte und überarbeitete Fassung in ZIP 2014, 1101, passim); Ders., FR 2014, 731, 739. 334) Kahlert, Stellungnahme BT-Drs. 18/407, S. 3 f.; Ders., FR 2014, 731, 732. 335) Kahlert, Stellungnahme BT-Drs. 18/407, S. 3 f. 336) Frotscher, Besteuerung, S. 20 f.; kritisch auch Crezelius, NZI 2005, 583, 586.

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I. Verhältnis von Insolvenzrecht und Steuerrecht

von Steuer- und Insolvenzrecht sei „nicht nur sinnvoll und lohnend, sondern im Interesse der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland auch notwendig“337). Angeregt durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie 149 den Verband der Deutschen Insolvenzverwalter widmete sich eine Kommission zur Harmonisierung des Insolvenz- und Steuerrechts in den Jahren 2012 bis 2014 der Untersuchung des Verhältnisses von Insolvenz- und Steuerrecht und der Erarbeitung von Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Schnittstelle zwischen den Rechtsgebieten.338) Die Kommission hat sich mit ihren Empfehlungen allerdings zunächst anderen Aspekten gewidmet als Ertragsteuern in der insolventen Personengesellschaft.339) Im Rahmen eines Gesetzesvorhabens zum Konzerninsolvenzrecht wurde ebenfalls mehrfach betont, wie wichtig es sei, das Verhältnis von Insolvenzund Steuerrecht einer grundsätzlichen Klärung und gesetzlichen Systematisierung zuzuführen – gerade auch bezüglich der Personengesellschaft.340) Letztlich enthielt das Gesetz aber keine steuerrechtlichen Regelungen.341) In jüngerer Zeit macht sich z. B. der 2016 gegründete Hamburger Kreis für Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht e. V. um die Förderung einer Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht verdient.342) Uneinigkeit herrscht derweil darüber, inwieweit eine Kodifizierung des Insolvenzsteuerrechts Abhilfe schaffen würde.343) Auswirkungen der aktuellen Diskussionen über die Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht auf die Besteuerung der insolventen Personengesellschaft und weitere Entwicklungen in diesem Bereich bleiben also abzuwarten.

4.

Zwischenergebnis

Ein generelles Rangverhältnis zwischen Insolvenz- und Steuerrecht gibt es nicht. 150 Die Gebiete stehen mit unterschiedlichem Regelungsgegenstand nebeneinander. Es gilt der Grundsatz: Das Entstehen von Steueransprüchen richtet sich in der Insolvenz weiterhin nach dem Steuerrecht, während für das Verfahren und die Geltend___________ 337) Graf-Schlicker, FR 2014, 744, 746. 338) Vgl. ausführlich den Abschlussbericht der Kommission, Seer, DStR-Beih 2014, 117, passim. 339) So z. B. sehr praxisrelevanten Themen des Umsatzsteuerrechst oder der Behandlung von Sanierungsgewinnen (ausführlich Abschlussbericht der Kommission, Seer, DStR-Beih 2014, 117, 136). 340) Kahlert, Stellungnahme BT-Drs. 18/407, S. 3 ff., 18 ff.; Ders., FR 2014, 731, 739. 341) Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, BGBl. I 2017, 866; s. a. Kahlert, FR 2014, 731, 736 sowie Riedemann, in: Schmidt, Hamburger Kommentar InsO, Anhang IV Insolvenzsteuerrecht Rn. 2. 342) Indem er insbesondere ein Forum für die Diskussion über die interessengerechte Verzahnung der Rechtsgebiete bietet (https://www.hamburger-kreis.org/, zuletzt abgerufen am 20.10.2020). 343) Für eine Kodifizierung etwa Fritsch, in: Koenig, AO, § 251, Rn. 17; grundsätzlich gegen eine Regelung durch den Gesetzgeber und für eine Lösung über die Rechtsprechung Meyer (Meyer, in: Zukunftsfragen, 45, 72 ff.; Ders., FS 100 Jahre BFH, 659, 667 f.), anders aber speziell bei der Einkommensbesteuerung der insolventen Personengesellschaft (Meyer, FS 100 Jahre BFH, 659, 668 im Anschluss an Kießling, Einkommensbesteuerung, passim).

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

machung die Insolvenzordnung maßgeblich ist. Eine materiell-rechtliche Einkünftezurechnung nach dem Transparenzprinzip (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) in der insolventen Personengesellschaft stimmt mit diesem Grundverhältnis der Rechtsgebiete zunächst überein.

151 In der Anwendung konkreter Steuernormen können sich dennoch Konflikte ergeben. Für die Frage, inwiefern die Insolvenzordnung mit dem Transparenzprinzips in Konflikt steht, kommt es darauf an, wie die Insolvenzeröffnung sich auf Gesellschaft und Gesellschafter auswirkt und ob die konkreten Voraussetzungen des unveränderten steuerrechtlichen Tatbestandes der Einkünftezurechnung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) weiterhin vorliegen. Die in jüngerer Zeit verstärkten Bestrebungen einer Harmonisierung der Rechtsgebiete des Steuerrechts und des Insolvenzrechts konnten diese Problematik bislang nicht auflösen.

II. Vorfragen der Verfahrenseröffnung 152 Bevor auf die konkreten Auswirkungen der Verfahrenseröffnung eingegangen wird, sind kurz einige grundsätzliche Vorfragen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu klären.

1.

Eröffnungsvoraussetzungen nach der Insolvenzordnung

153 Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, neben der angesprochenen Insolvenzfähigkeit des Schuldners, insbesondere ein Antrag (§ 13 Abs. 1 InsO).344) Zudem ist ein Eröffnungsgrund notwendig, wobei für Personengesellschaften Zahlungsunfähigkeit und drohende Zahlungsunfähigkeit in Betracht kommen, unter Umständen auch Überschuldung (§§ 16 ff. InsO).345) Das zuständige Insolvenzgericht prüft zudem, ob der Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abzuweisen ist oder ein Eröffnungsbeschluss ergehen kann (§§ 26, 27 InsO).346) Das Vorliegen aller Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung wird im Folgenden unterstellt, soweit nicht ausdrücklich anders angegeben.

2.

Varianten des Insolvenzverfahrens

154 Die Insolvenzordnung stellt für die Durchführung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Ein besonderes Verfahren für Unternehmensinsolvenzen kennt sie allerdings nicht.347) ___________ 344) Schmittmann, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 186 ff. 345) Voraussetzung für die Überschuldung ist, dass kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 19 Abs. 3 InsO), sodass diese insb. bei der GmbH & Co. KG relevant werden kann (vgl. Weiß, in: MAH PersGesR, § 24 Rn. 12 ff., 37). 346) Schmittmann, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 241 ff. 347) Dazu Haas, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 11.

52

III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Normalerweise wird das Vermögen eines Insolvenzschuldners im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens nach den allgemeinen Vorschriften der Insolvenzordnung verwertet und der Erlös verteilt.348) Abweichende Bestimmungen können die Beteiligten im Rahmen eines Insolvenzplans treffen (§§ 217 ff. InsO).349) Eine Modifikation der allgemeinen Vorschriften kommt zudem im Rahmen der Eigenverwaltung in Betracht, bei der der Schuldner unter Aufsicht eines (vorläufigen) Sachwalters die Masse verwalten und über sie verfügen darf (§§ 270 ff. InsO).350) Das Verbraucherinsolvenz- und das Restschuldbefreiungsverfahren sind dagegen nur für natürliche Personen konzipiert, sodass sie ggf. einem insolventen Gesellschafter, nicht aber der Personengesellschaft zugänglich sind.351) Vorliegend wird daher, soweit nicht anders angegeben, von einer Insolvenz der Personengesellschaft im Regelverfahren ausgegangen.

III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft 155 (und/oder ihres Gesellschafters) hat erhebliche Auswirkungen auf das zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Regelungsregime.352) Mangels zusammenhängender Regelung des Insolvenzrechts der Gesellschaften 156 gibt es hier etliche Zweifelsfragen.353) Grundsätzliche Spannungen entstehen, weil das Gesellschaftsrecht als Organisationsrecht primär die organisations-, kompetenz- und haftungsrechtlichen Fragen der einzelnen Gesellschaftstypen regelt, während die Insolvenzordnung ein einheitliches Verfahren für bestimmte Vermögensmassen (nicht: Unternehmen) zur Verfügung stellt.354) ___________ 348) Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1 Rn. 3. 349) Aufgrund der individuelle Plangestaltungsmöglichkeiten sind hier allgemeine Aussagen weniger gut möglich als im Regelverfahren (ebenso Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 63 f.); zu Steuern im Insolvenzplanverfahren z. B. Schüppen/Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 517 ff. 350) Nur ausnahmsweise in Betracht kommt bei Personengesellschaften das besondere sanierungsvorbereitende Eröffnungsverfahren (sog. Schutzschirmverfahren, § 270b InsO), das 2012 durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) eingeführt wurde, vgl. K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 44. 351) Verbraucherinsolvenz (§§ 304 ff. InsO); Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO); Auch die besonderen Verfahrensarten im 11. Teil der InsO (§§ 315 ff.) sind hier nicht ausschlaggebend. 352) Vgl. Göcke, Wechselwirkungen, S. 9 f., S. 19 ff. (Gesellschaftsinsolvenz) sowie S. 153 ff. (Gesellschafterinsolvenz); Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 12 ff. (Gesellschaftsinsolvenz); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4. 353) Grundlegend K. Schmidt, ZGR 1998, 633, passim; Vgl. auch Müller, Verband in der Insolvenz, S. 4 („kein überzeugendes Gesamtkonzept“ und „Vernachlässigung der systematischen Zusammenhänge“); so ebenfalls der zutreffende Befund bei Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 123. 354) Wenngleich die Insolvenzordnung stärker unternehmensrechtlich geprägt ist als es die Konkursordnung war, vgl. Göcke, Wechselwirkungen, S. 1 f., 10 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI.

53

3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

1.

Rechtsstellung von Personengesellschaft und Gesellschafter

a) Auflösung der Gesellschaft und Ausscheiden des Gesellschafters 157 Gesellschaftsrechtlich führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft zwingend zu deren Auflösung.355) Die Gesellschaft tritt in das Liquidationsstadium ein, bleibt aber bis zu ihrer vollständigen Abwicklung (Vollbeendigung) sowohl rechts- als auch insolvenzfähig.356) Der Gesellschaftszweck ist nach traditioneller Ansicht auf die Liquidation reduziert.357) Der Gesellschafter behält trotz Insolvenz der Gesellschaft seine mitgliedschaftliche Stellung, Eigentums- und Verfügungsrechte bezüglich seiner Beteiligung an der Liquidationsgesellschaft.358)

158 Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters führt vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Regelungen regelmäßig lediglich zu einem Ausscheiden des betroffenen persönlich haftenden Gesellschafters oder Kommanditisten.359) Der Ausscheidende hat grundsätzlich Anspruch auf eine Abfindung, eine Teilnahme an laufenden Einkünften der Gesellschaft steht ihm nicht mehr zu.360)

159 Für die Fälle der Simultan- oder Doppelinsolvenz sind die gesellschaftsrechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung teilweise stark umstritten.361) Dies betrifft insbe___________ 355) § 728 Abs. 1 BGB (GbR), § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB (OHG) i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB (KG). Einen Fortsetzungsbeschluss können die Gesellschafter erst nach Verfahrensbeendigung fassen (Schäfer, in: MüKo BGB, § 728 Rn. 3 und 23 ff. (GbR); § 144 HGB (OHG) i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB (KG)). 356) Nach Auflösung einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig, solange die Verteilung des Vermögens nicht vollzogen ist (§ 11 Abs. 3 InsO); s. a. Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 56. 357) Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 56; Überzeugender erscheint es hingegen, genau zwischen dem individuellen Gesellschaftszweck und dem Insolvenzverfahrenszweck zu differenzieren – letzterer ist auf Liquidation bzw. bestmögliche Gläubigerbefriedigung gerichtet und kann den Gesellschaftszweck daher nur überlagern, nicht aber ersetzen (näher K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 42; Ders., in: MüKo HGB, § 145 Rn. 28 ff.; Thole, Maßnahmen, S. 2 f.). 358) Näher Göcke, Wechselwirkungen, S. 103 ff. m. w. N. 359) Persönlich haftender Gesellschafter: § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB (OHG) i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB (KG), § 736 Abs. 1 BGB (bei Fortbestand der GbR); Kommanditist: K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 131 Rn. 71; a. A. Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 85 ff. m. w. N. (keine Anwendung von § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB für Kommanditisten); Abweichend sieht das Gesetz einzig bei der GbR eine Auflösung der Gesellschaft (§ 728 Abs. 2 BGB) und Abwicklung nach dem gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahren vor (klarstellend § 84 Abs. 1 InsO). Der GbR-Gesellschaftsvertrag regelt aber i. d. R. den Fortbestand der Gesellschaft unter Ausscheiden des Betroffenen (Ringstmeier, in: K. Schmidt, InsO, § 118 Rn. 2). 360) Vgl. § 738 BGB; Frotscher, Besteuerung, S. 168 f. 361) Weiterführend, auch zu der Terminologie der horizontalen oder vertikalen Simultaninsolvenz, K. Schmidt, ZIP 2008, 2337, 2344 ff.

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

sondere die Frage, inwieweit die gesetzliche Ausscheidensfolge für den Gesellschafter Anwendung findet.362) Praktisch empfiehlt sich angesichts der dargelegten Unsicherheiten eine gesellschaftsvertragliche Regelung für die verschiedenen Konstellationen.363)

b) Exkurs: Besonderheiten in der zweigliedrigen Personengesellschaft – Wegfall der Insolvenzfähigkeit durch liquidationslose Vollbeendigung Problematisch sind die insolvenzrechtlichen Konsequenzen, wenn ein Gesellschafter 160 aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ausscheidet.364) So kann das Ausscheiden eines insolventen Gesellschafters unmittelbar zu einer Vollbeendigung der Gesellschaft und damit zu einem Ende ihrer Insolvenzfähigkeit führen.365) Schon die Anwendbarkeit der gesetzlichen Ausscheidensfolgen ist in diesem Fall umstritten.366) Hinzu kommen weitere Schwierigkeiten. Tritt etwa aufgrund eines insolvenzbedingten Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters bereits vor Eröffnung des Verfahrens über das Gesellschaftsvermögen eine Anwachsung der Aktiva und Passiva bei dem letzten verbleibenden Gesellschafter und damit eine liquidationslose Vollbeendigung der Gesellschaft ein, kann nach dem BGH das Insolvenzverfahren mangels Existenz des Schuldners nicht mehr eröffnet werden.367) Denkbar wäre ein Partikularinsolvenzverfahren betreffend das Aktiv- und Passivvermögen der ehemaligen Gesellschaft (Sondermasse) mit dem verbliebenen Gesellschafter als Insolvenzschuldner; schließlich bleibt das Gesellschaftsvermögen existent, wenngleich in anderer Trägerschaft.368) Im Falle einer Anwachsung der Aktiva und Passiva der Gesellschaft zu dem Gesellschafter erst nach Eröffnung des Verfahrens über das Gesellschaftsvermögen, wird das Verfahren hingegen fortgesetzt.369) Der verbliebene Gesellschafter ist neuer Insolvenzschuldner in dem Verfahren, das sich ausschließlich auf das Vermögen der bisherigen Gesellschaft bezieht.370) Angesichts der Beschränkung auf diese Vermögensmasse lässt sich die Lösung auch anwenden, wenn der letzte verbleibende ___________ 362) Vgl. die Streitdarstellung zu § 131 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 HGB in BGH, Urteil vom 8.5.2014 – I ZR 217/12 (= BGHZ 201, 129) m. w. N.; Klöhn, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 131 Rn. 53 f.; vgl. auch K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 131 Rn. 76a (auch zur Terminologie). 363) Soweit nicht anders angegeben, liegt nachfolgend die gesetzliche Lage zugrunde. 364) Näher etwa Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 93 ff. 365) Weiterführend Vuia, in: MüKo InsO, § 11 Rn. 71 ff. 366) Klöhn, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 131 Rn. 52; weiterführend auch K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 131 Rn. 75 sowie Thole, Maßnahmen, S. 40 f. 367) BGH, Urteil vom 7.7.2008 – II ZR 37/07; kritisch K. Schmidt, ZIP 2008, 2337, 2340 ff. 368) Weiterführend Keller, NZI 2009, 29, 30 f. sowie Vuia, in: MüKo InsO, § 11 Rn. 71b. 369) Die Begründung ist umstritten (vgl. Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 97 ff. m. w. N.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 1811; weiterführend K. Schmidt, ZIP 2008, 2337, 2343 ff.). 370) Vuia, in: MüKo InsO, § 11 Rn. 71b.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

Gesellschafter Kommanditist ist.371) Es wird vorliegend davon ausgegangen, dass keine derartige Sonderkonstellation vorliegt.

c)

Rolle des Insolvenzschuldners

161 Nach der Insolvenzordnung ist der Schuldner im Insolvenzverfahren Träger verschiedener Rechte und Pflichten. Ob in dem Verfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft („Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“, § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) die Rolle des Insolvenzschuldners (früher: Gemeinschuldners) der Gesellschaft selbst oder ihren Gesellschaftern zukommt, wird unterschiedlich beurteilt.

162 Die vormals überwiegende Ansicht sieht die Gesamtheit der persönlich haftenden Gesellschafter unter Beschränkung auf das Gesellschaftsvermögen als Schuldner an.372) Hintergrund ist die ursprüngliche Konstruktion der Insolvenz der Personengesellschaft als Sonderinsolvenz (früher: Sonderkonkurs) über das Vermögen ihrer Gesellschafter.373) Zwar wird vertreten, die Aufgabe dieser Konstruktion angesichts der nunmehr anerkannten Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft müsse nicht zwingend auch zu einer Zuerkennung der Schuldnerstellung der Gesellschaft führen.374) Aufgrund und bei Vorliegen der persönlichen Haftung sei vielmehr den Gesellschaftern der Schuldnerstatus zuzusprechen.375)

163 Richtigerweise ist Insolvenzschuldner jedoch die Personengesellschaft selbst.376) Sie ist vermögens- und organisationsrechtlich derart gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigt, dass kein Anlass besteht, sie hier anders zu behandeln als eine ju-

___________ 371) Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 101. 372) Also bei der OHG alle Gesellschafter und bei der KG sämtliche Komplementäre, nicht aber die Kommanditisten. Vgl. z. B. BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787); Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters, S. 22 ff. m. w. N.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.10 (OHG); Mönning/E. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 11 Rn. 68 (OHG); Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1504. 373) Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rn. 371; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 105 m. w. N. 374) Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 105; Das Vorliegen einer Sonderinsolvenz wird immer noch unterschiedlich definiert und beurteilt, vgl. etwa Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 235 ff. m. w. N. 375) Weiterführend Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 106; leicht abweichend Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.10. 376) Davon ausgehend z. B. BGH, Urteil vom 7.7.2008 – II ZR 37/07; ebenso Eckhardt, in: DaunerLieb/Langen, BGB, Anhang zu § 728 Rn. 5 (GbR); Farr, Besteuerung, Rn. 312; Frotscher, Besteuerung, S. 167; Frystatzki, EStB 2004, 215, 216; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 28 (OHG und KG) und Rn. 127 (GbR); Müller, Verband in der Insolvenz, S. 46 ff.; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 124 Rn. 46; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 11 Rn. 1; Ders., in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 5; Ders., ZGR 1998, 633, 642; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 113.

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

ristische Person.377) Das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen ist keine Sonderinsolvenz einer rechtlich unselbständigen Vermögensmasse, sondern die (Universal-)Insolvenz eines eigenständigen Vermögens- und Rechtsträgers, der selbst taugliches Verfahrenssubjekt ist.378) Die Insolvenzordnung geht ausweislich des klaren Wortlauts verschiedener Bestimmungen erkennbar von der Schuldnerrolle der Gesellschaft aus.379) So unterscheidet sie etwa zwischen dem Schuldner selbst und den persönlich haftenden Gesellschaftern des Schuldners (§§ 101 Abs. 1 S. 1, 138 Abs. 2 Nr. 1, 227 Abs. 2, 278 Abs. 2 InsO) bzw. dem Schuldner und den an ihm beteiligten Personen (§§ 217 ff. InsO) oder spricht von einer Registereintragung des Schuldners selbst (§ 31 InsO). In diesem Punkt zeigt sich im Übrigen, dass eine wesentliche Prämisse der sog. Be- 164 reicherungslösung380) überholt ist. Als sie den für Einzelunternehmer entwickelten Bereicherungsgedanken auf die Personengesellschaft übertrug, ging die Rechtsprechung ausdrücklich mit der damals herrschenden Meinung davon aus, die Gesellschaftsinsolvenz sei ein Sonderkonkurs mit den Gesellschaftern als Gesamthändern in der (Gemein-)Schuldnerrolle.381) Diese Annahme ist spätestens mit Geltung der Insolvenzordnung obsolet.382) Liegt eine Doppelinsolvenz vor, ist auch hinsichtlich des Insolvenzschuldners wie- 165 der die strikte Trennung der Verfahren wichtig – in dem einem ist die Gesellschaft, in dem anderen der Gesellschafter Insolvenzschuldner.383)

2.

Insolvenzverwalter und Insolvenzmasse

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellt das Insolvenzgericht einen Insol- 166 venzverwalter, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse erlangt.384) Sind sowohl die Gesellschaft als auch der Gesellschafter insolvent, kann in beiden Verfahren zwecks besserer Koordination derselbe Insolvenzverwalter eingesetzt werden (z. B. für eine GmbH & Co. KG und ihre Komplementär-GmbH), ___________ 377) K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 4; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 113. 378) Eckhardt, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB, Anhang zu § 728 Rn. 5 (GbR); K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 11 Rn. 1; a. A. für eine Sonderinsolvenz über das Gesamthandsvermögen z. B. BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 236; Jatzke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rn. 347. 379) Butzer/Knof, in: Münch. Hdb. GesR I, § 85 Rn. 32 ff.; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 28. 380) S. ausführlich Rn. 63 ff. 381) BFH, Urteil vom 9.11.1994 – I R 5/94 (= BFHE 176, 248 = BStBl. II 1995, 255). 382) Crezelius, NZI 2005, 583, 584 („nicht mehr haltbar“); ebenso Frystatzki, EStB 2004, 215, 216. 383) S. Nachweise in Fn. 74. 384) Vgl. §§ 27 Abs. 1, 56, 80 InsO. Dies gilt für die Insolvenz einer natürlichen Person und diejenige einer Personengesellschaft prinzipiell gleichermaßen (Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 111).

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

was allerdings nichts an der strikten Unterscheidung und getrennten Durchführung beider Verfahren ändert.385)

167 Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters beschränkt sich auf die von dem Verfahren erfasste Masse, also das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 InsO).

a) Exkurs: Vorläufiger Insolvenzverwalter 168 Bestellt das Insolvenzgericht für das vorangehende Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Insolvenzverwalter (§§ 21, 22 InsO), geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bereits mit Bestellung auf diesen über, sofern das Gericht ihn als „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzt, dem Schuldner also ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt. Er steht dem Insolvenzverwalter funktionell gleich.386) Daher ist im Folgenden nicht gesondert auf ihn einzugehen.

169 Bei Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters – in der Praxis regelmäßig die Wahl des Insolvenzgerichts – gilt dies nicht, da das Gericht dessen Pflichten festlegt und im Regelfall bestimmt, dass Verfügungen des Schuldners unter Vorbehalt der Zustimmung des Verwalters stehen.387) Da er lediglich eine Kontrollfunktion im Innenverhältnis hat, aber den Insolvenzschuldner oder dessen Vermögen nicht verpflichten kann, kann er im Folgenden außer Betracht bleiben.388)

b) Kompetenzverteilung und Rechtsstellung des Verwalters in der Gesellschaft 170 Bei der Einordnung des Insolvenzverwalters in das gesellschaftsrechtliche Organisationsgefüge der Personengesellschaft sind etliche Fragen ungeklärt.389)

171 Der Insolvenzverwalter verfügt neben der von dem Insolvenzschuldner abgeleiteten Rechtsposition über weitere Rechte und Pflichten.390) Der Insolvenzschuldner behält aber insbesondere die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich etwaigen ___________ 385) Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 105. 386) Weiterführend zum Ganzen z. B. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 22 Rn. 22 ff. 387) Auch „Insolvenzverwalter ohne Verfügungsbefugnis“, weiterführend z. B. Mönning, in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 22 Rn. 209 ff. 388) So auch Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 54 ff. m. w. N.; zu der umstrittenen Regelung des § 55 Abs. 4 EStG vgl. Nachweise in Fn. 1148. 389) Schon das Verständnis seiner rechtlichen Stellung ist stark umstritten, was sich hier aber allenfalls steuerrechtlich auswirken könnte. Darauf wird daher unter Rn. 212 zurückgekommen. 390) Die Personengesellschaft als Insolvenzschuldner verliert diejenigen Rechte und Pflichten, die nun der Insolvenzverwalter wahrnimmt, Frotscher, Besteuerung, S. 31; ein darüber hinausgehendes Recht ist z. B. das Insolvenzanfechtungsrecht, Müller, Verband in der Insolvenz, S. 58.

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

insolvenzfreien Vermögens, seine Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie seine Partei- und Prozessfähigkeit391) und nicht zuletzt auch das Eigentum an Massegegenständen und die Gläubiger- oder Schuldnerstellung bezüglich insolvenzbefangener Forderungen.392) Die Personengesellschaft als Insolvenzschuldner ist mithin auch materiell-rechtlich Schuldner der Insolvenz- und Masseverbindlichkeiten.393) Dass der Insolvenzverwalter durch seine Handlungen grundsätzlich Masseverbindlichkeiten begründet (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO), ändert nichts daran, dass er den Insolvenzschuldner zivilrechtlich verpflichtet.394) Dessen Haftung für Masseverbindlichkeiten ist aber nach überzeugender Ansicht auf die Masse beschränkt.395) Zwischen Insolvenzschuldner und Verwalter wird vielfach eine gesetzliche Sonderrechtsbeziehung angenommen, die mit einer vertraglichen Geschäftsbesorgung vergleichbar sein soll.396) Die Organisationsverfassung der Gesellschaft besteht allerdings trotz Eröffnung 172 des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen dem Grunde nach unverändert fort, die Organe der Gesellschaft bleiben mit eingeschränkten Befugnissen im Amt.397) Nur ein solcher Fortbestand der Organstruktur wird der verfassungsrechtlich geschützten Verbandsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) gerecht, die der Personengesellschaft als Insolvenzschuldner bis zu ihrer Vollabwicklung zuzuerkennen ist.398) Auch etliche Vorschriften der Insolvenzordnung setzen die Wahrnehmung von Aufgaben durch Organe voraus.399) Nicht abschließend geklärt ist der Umfang,

___________ 391) Nur hinsichtlich des insolvenzbefangenen Vermögens geht die Prozessführungsbefugnis auf den Verwalter über. 392) Frotscher, Besteuerung, S. 22; Vor der o. g. Rechtsprechungsänderung des RFH in 1938 wurde z. B. noch angenommen, nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise verliere der Schuldner sein Eigentum an Massegegenständen, vgl. Rühland, in: Kahlert/Rühland, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 9.750 ff. 393) Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 236; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 76. 394) Da der Schuldner Rechtsträger der massezugehörigen Gegenstände ist, binden ihn die Verfügungen des Insolvenzverwalters wie eigene (Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 8); Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 25; a. A. wohl Göcke, Wechselwirkungen, S. 128. 395) Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 8; weiterführend Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 79 ff.; dazu noch Rn. 191 ff. 396) Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 54 ff.; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 35; weiterführend Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 66; a. A. Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 273 f. 397) Näher zu den Auswirkungen auf die Organisationsverfassung Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 29 ff. (zu OHG und KG); Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 80 Rn. 48 ff.; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 32; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 46; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 112 ff. 398) Überzeugend Göcke, Wechselwirkungen, S. 26 f. m. w. N. 399) Beispielsweise § 101 Abs. 1 InsO. Vgl. wiederum Göcke, Wechselwirkungen, S. 27 f.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

in dem den Organen im Insolvenzverfahren Kompetenzen verbleiben.400) Zumindest die Befugnisse betreffend die Insolvenzmasse enden mit der Bestellung des Verwalters, der sämtliche Organkompetenzen bezüglich der Masse und damit des Gesellschaftsvermögens übernimmt.401)

173 Die Fremdverwaltung und Übernahme organschaftlicher Kompetenzen durch den Insolvenzverwalter ist hierbei mit dem für Personengesellschaften charakteristischen Prinzip der Selbstorganschaft vereinbar.402) Schließlich bleibt die Organisationsverfassung der Gesellschaft dem Grunde nach bestehen und die persönlich haftenden Gesellschafter bleiben organschaftliche Vertreter, wenn auch mit eingeschränktem Handlungsspielraum. Diese Begrenzung der Souveränität bzw. Autonomie ist wiederum zur Verwirklichung der Insolvenzzwecke notwendig und angemessen.403)

c)

Insolvenzmasse und Abschirmung des Vermögens

174 Die Insolvenzmasse wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtlich von dem Vermögen der Gesellschafter getrennt.404) In die Masse einer Personengesellschaft fällt das Gesellschaftsvermögen, zu dem sämtliche Aktiva der Gesellschaft einschließlich offener Einlageforderungen gegen ihre Gesellschafter gehören.405) Der Neuerwerb im Verfahren fällt ebenfalls in die Masse.406)

175 Die persönliche Haftung des Gesellschafters führt indes nicht zu einem Insolvenzbeschlag seines Privatvermögens.407) Die Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen den Gesellschafter sind kein Bestandteil der Gesellschaftsmasse, auch wenn sie über die Masse abgewickelt werden.408) Da sie nicht Teil des Gesellschafts___________ 400) Gängig ist die Unterscheidung zwischen dem sog. Verdrängungsbereich, in dem allein der Verwalter Organkompetenzen übernimmt, dem Schuldnerbereich und dem Überschneidungsoder Mischbereich (vgl. Thole, Maßnahmen, S. 27 ff.; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 112 ff.); eingehend zum Ganzen z. B. Göcke, Wechselwirkungen, S. 28 ff. 401) Umstritten ist, ob der Verwalter nur Organ des Insolvenzverfahrens ist (vgl. Göcke, Wechselwirkungen, S. 34 f.; Müller, Verband in der Insolvenz, S. 55 ff.) oder auch Organ der Gesellschaft wird (dafür K. Schmidt, ZGR 1998, 633, 645; dagegen Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 66). 402) Weiterführend zur Selbstorganschaft in der Insolvenz und dafür, dass (wie in der Liquidation) sogar ausnahmsweise von dem Prinzip abgewichen werden darf, weil es nach Sinn und Zweck nicht mehr gleichermaßen erforderlich sei wie in der werbenden Gesellschaft, ausführlich Müller, Verband in der Insolvenz, S. 139 ff. 403) Müller, Verband in der Insolvenz, S. 430. 404) Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.144. 405) Vgl. K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 43; Insolvenzmasse und Gesellschaftsvermögen sind nach überwiegender Ansicht identisch (z. B. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.12 (OHG); Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/Prütting, InsO, Rn. 466; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4). 406) Näher z. B. Jilek, in: BeckOK InsO, § 35 Rn. 46 ff. 407) Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1501. 408) Eingehend Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 99 ff.; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 43.

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

vermögens sind, sondern den Gesellschaftsgläubigern zustehen, bilden Ansprüche und Erlöse aus der Außenhaftung eine Sondermasse.409) Ob es bei einer Personengesellschaft neben der Insolvenzmasse insolvenzfreies Ver- 176 mögen geben kann, wird bestritten; insbesondere mit Verweis darauf, der Insolvenzverwalter einer Personengesellschaft sei zu deren Vollabwicklung verpflichtet und habe nicht das Recht, Vermögensgegenstände aus der Masse freizugeben.410) Die Insolvenzmasse der Personengesellschaft ist rechtlich dem Insolvenzverwalter 177 zugeordnet, die Gesellschafter können über die Vermögensgegenstände der Masse nicht mehr verfügen. Diese Zuordnung scheint prima facie von dem Prinzip der gesamthänderischen Zuständigkeit für das Gesellschaftsvermögen, einem wesentlichen Charakteristikum der Personengesellschaft, abzuweichen.411) Beides lässt sich jedoch vereinen, da die gesamthänderischen Kompetenzen lediglich suspendiert bzw. eingeschränkt sind, was für das Insolvenzverfahren unabdingbar ist.412) In der Insolvenz eines Gesellschafters besteht die Insolvenzmasse aus dessen Vermö- 178 gen. Dazu gehört auch die Beteiligung an einer Personengesellschaft samt daraus resultierender mitgliedschaftlicher Rechte.413) Letztere übt allerdings grundsätzlich der verwaltungs- und verfügungsbefugte Insolvenzverwalter anstelle des Gesellschafters aus.414)

3.

Gläubiger und Forderungskategorien

Sowohl Dritte als auch Gesellschafter können Forderungen gegen die Personenge- 179 sellschaft in dem Insolvenzverfahren über deren Vermögen geltend machen. ___________ 409) Trotz Abwicklung der Haftung über die Masse wird die Masse durch sie also nicht vergrößert. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.13 (OHG); Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 47 ff. 410) Die wohl überwiegende Ansicht spricht sich für insolvenzfreies Vermögen der Personengesellschaft und Freigabemöglichkeit aus (z. B. Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 33; Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 118 ff.; Wimmer, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 27 Rn. 8; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 29 f.; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 102 f.). Dagegen spricht allerdings insb. der Vollabwicklungszweck des Insolvenzverfahrens bei Gesellschaften (z. B. Eckhardt, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB, Anhang zu § 728 Rn. 21 (für die GbR); Müller, Verband in der Insolvenz, S. 25 ff. und 36 ff.; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 158 Anhang. Insolvenzrecht Rn. 43; Ders., Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4; s. a. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 50). 411) Zu dem Gesamthandsprinzip vgl. Rn. 5. 412) Näher zu dem Spannungsverhältnis zwischen Verbandsautonomie und obligatorischer Fremdverwaltung überzeugend Müller, Verband in der Insolvenz, S. 430. 413) Das gilt z. B. für Abfindungsguthaben und Gewinnansprüche, bei Ausscheiden des Gesellschafters fällt sein Abfindungsanspruch in die Masse, nicht Massebestandteil wird aber insb. das Recht zur Geschäftsführung (näher Leithaus, in: Andres/Leithaus/Dahl, InsO, § 35 Rn. 6; Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 194 ff. (GbR), 206 ff. (OHG) sowie Rn. 215 ff. (KG)). 414) Näher Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/Prütting, InsO, Rn. 481 ff.; Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 208 (OHG).

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

a) Einteilung der Drittgläubiger der Gesellschaft 180 Die Drittgläubiger der Gesellschaft sind je nach Art ihrer Forderung entsprechend dem insolvenzrechtlichen System einzuteilen und zu befriedigen. Forderungen von Massegläubigern sind vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen (§ 53 InsO). Zu den Masseverbindlichkeiten gehören einerseits die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO), andererseits die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO).415) Insolvenzgläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO), sind dagegen auf die Anmeldung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle verwiesen, wobei bestimmte Insolvenzforderungen anderen nachrangig sind (§ 39 InsO). Ihre Forderungen können bei der Verteilung der Masse regelmäßig nur mit einer geringen Quote befriedigt werden.

181 Nicht am Insolvenzverfahren nimmt der Aussonderungsberechtigte teil, der Rechte an Aussonderungsgut geltend macht, welches nicht in die Masse fällt (§ 47 InsO).416) Der Absonderungsberechtigte dagegen, dem die abgesonderte Befriedigung aus einem Massegegenstand zusteht, darf in diesen nach Maßgabe des ZVG vollstrecken (§ 49 InsO).417)

b) Gesellschafter als Gläubiger im Insolvenzverfahren der Gesellschaft 182 Auch ein Gesellschafter der insolventen Personengesellschaft kann als Gläubiger an dem Insolvenzverfahren über das Vermögen seiner Gesellschaft teilnehmen. Für die Frage, ob und wie er sich in die von der Insolvenzordnung vorgegebene Befriedigungsreihenfolge einordnen kann, kommt es auf die Art seiner Forderung gegen die Gesellschaft an.

183 Hat der Gesellschafter einen Gegenstand lediglich zur Nutzung in die Personengesellschaft eingebracht (quoad usum), kann er diesen grundsätzlich ab Verfahrenseröffnung herausverlangen (Aussonderung, § 47 InsO).418)

184 Bei Verfahrenseröffnung bestehende Forderungen aus sog. Drittgeschäften, also aus selbständigen Rechtsverhältnissen, bei denen der Gesellschafter der Gesellschaft wie ___________ 415) Dies sind insbesondere über die Verfahrenskosten hinausgehende Forderungen, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO) oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) begründet sind, außerdem Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO), aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) oder Verbindlichkeiten i. V. m. vorläufiger Verwaltung (Fiktion gem. § 55 Abs. 2 oder 4 InsO). Abgesehen von den Sonderfällen der Massearmut (§ 207 InsO) und der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) können sie regelmäßig vollständig befriedigt werden (s. a. unter Rn. 464 ff.). 416) Dazu etwa Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 47 Rn. 1 ff. 417) Dazu etwa Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 49 Rn. 1 f. 418) Mit Auflösung der Gesellschaft soll eine gesellschaftsvertragliche Nutzungsüberlassung enden (vgl. Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/Prütting, InsO, Rn. 459; im Anschluss Göcke, Wechselwirkungen, S. 119; s. a. Salger, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rn. 83).

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

ein Dritter gegenübersteht, gewähren dem Gesellschafter Insolvenzforderungen im Verfahren über das Gesellschaftsvermögen.419) Bei Sozialansprüchen, die ihren Rechtsgrund im Gesellschaftsverhältnis haben, ist 185 zwischen Mitgliedschaftsrechten und wirtschaftlich gleichwertigen Ansprüchen einerseits und „verselbständigten“ Ansprüchen aus dem Gesellschaftsverhältnis andererseits zu differenzieren.420) Gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaftsrechte begründen nach wohl einhelliger Mei- 186 nung keine zur Verfahrensteilnahme berechtigenden Insolvenzforderungen.421) So kann der Gesellschafter in der Gesellschaftsinsolvenz insbesondere nicht die Rückgewähr von Einlagen und Beiträgen verlangen.422) Ebenso wenig kann er aus aktiven bzw. positiven Kapitalanteilen Insolvenzforderungen ableiten.423) Dies ist deshalb richtig und wichtig, weil es in diesen Fällen um Gesellschaftsvermögen bzw. haftendes Eigenkapital und damit um den „Grundstock der Haftungsmasse“424) geht, der den Gesellschaftsgläubigern zur Verteilung zugeordnet ist und das Insolvenzverfahren der Gesellschaft erst ermöglicht.425) Ebenso wenig zu einer Verfahrensteilnahme des Gesellschafters berechtigen daher den Mitgliedschaftsrechten wirtschaftlich gleichwertige Forderungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung auf eine ___________ 419) Das kann z. B. Kauf-, Miet-, Darlehens- oder Dienstverträge zwischen Gesellschaft und Gesellschafter betreffen (Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 79; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.22 (OHG); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 293; Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/Prütting, InsO, Rn. 458; Salger, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rn. 81; Steitz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 128 Rn. 71). Ansprüche aus Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen sind aber u. U. nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), was i. d. R. zu ihrer wirtschaftlichen Wertlosigkeit führt (Göcke, Wechselwirkungen, 146 f.; Thole, Maßnahmen, S. 112 ff.; s. a. Naraschewski, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 24 Rn. 113 ff). 420) S. bereits BGH, Urteil vom 9.2.1981 – II ZR 38/80; aus neuerer Zeit z. B. OLG Hamburg, Urteil vom 14.8.2015 – 11 U 42/15. 421) BGH, Beschluss vom 30.6.2009 – IX ZA 21/09 (für Aktionäre); OLG Hamburg, Urteil vom 14.8.2015 – 11 U 42/15; Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 38 Rn. 12; Ehricke/Behme, in: MüKo InsO, § 38 Rn. 63; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 31; Holzer, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 38 Rn. 19; Ders., in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 3 Rn. 101; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 38 Rn. 8; abweichend ist die Verfahrensteilnahme ggf. für den stillen Gesellschafter möglich (s. z. B. Ehricke/Behme, in: MüKo InsO, § 38 Rn. Rn. 64 f.). 422) BGH, Urteil vom 9.2.1981 – II ZR 38/80; OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.3.2011 – 14 W 508/11; LG Hamburg, Urteil vom 2.12.2009 – 326 O 134/08; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 145; Ehricke/Behme, in: MüKo InsO, § 38 Rn. 63; Lüdtke, in: Schmidt, Hamburger Kommentar InsO, § 38 Rn. 10; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 38 Rn. 8. 423) BGH, Urteil vom 9.2.1981 – II ZR 38/80; Göcke, Wechselwirkungen, S. 120; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 294; Salger, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rn. 81. 424) BGH, Urteil vom 10.12.1984 – 2 ZR 28/84 (= BGHZ 93, 159). 425) BGH, Urteil vom 10.12.1984 – 2 ZR 28/84 (= BGHZ 93, 159); BGH, Urteil vom 9.2.1981 – II ZR 38/80; AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 8.1.2013 í 216 C 516/12; Büterowe, in: K. Schmidt, InsO, § 38 Rn. 11; Göcke, Wechselwirkungen, S. 119 („Die Einlagen verlieren ihre Funktion, als Mittel der Erzielung von Erträgen der Gesellschafter zu dienen.“); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.23 (OHG); Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 38 Rn. 19.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

Rückgewähr der Einlage gerichtet sind.426) So verhält es sich etwa bei gesellschaftsvertraglich gewinnunabhängig vereinbarter Verzinsung der Kommanditeinlage (Garantieauszahlung)427) oder Auszahlung einer Investitionszulage428). Solche Ansprüche der Gesellschafter müssen hinter diejenigen der sonstigen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten.429)

187 Im Gegensatz dazu kann der Gesellschafter mit Sozialansprüchen, die in gewissem Maße gegenüber der Mitgliedschaft „verselbständigt“430) sind, an dem Insolvenzverfahren der Personengesellschaft teilnehmen. Dies ist überzeugend, da solche Ansprüche bei wirtschaftlicher Betrachtung eher mit den eingangs genannten Forderungen aus Drittgeschäften vergleichbar sind als mit den echten Mitgliedschaftsrechten – eine Einlagenrückgewähr oder Schmälerung des den Gesellschaftsgläubigern zur Verteilung zustehenden Vermögens droht hier nicht. So kann der Gesellschafter beispielsweise die Auszahlung von Guthaben oder Gewinnen auf Privatkonten als Insolvenzforderung geltend machen.431) Gleiches gilt grundsätzlich für das Abfindungsguthaben eines zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits ausgeschiedenen Gesellschafters.432) Zu diesen echten Gläubigerrechten oder „verselbständigten“ Sozialansprüchen gehören auch Regressforderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft, namentlich Aufwendungsersatzansprüche aus § 110 HGB.433) Mit ihnen kann er daher als Gläubiger an dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft teilnehmen.434)

188 Dabei ist der Entstehenszeitpunkt des Regressanspruchs zu beachten. Hat der Gesellschafter vor Eröffnung des Verfahrens über das Gesellschaftsvermögen an einen Gesellschaftsgläubiger geleistet und steht ihm daher ein Regressanspruch aus § 110 HGB gegen die Gesellschaft zu, kann er diesen grundsätzlich als Insolvenzforderung geltend ___________ 426) OLG Hamburg, Urteil vom 14.8.2015 – 11 U 42/15 (Rückzahlungsverlangen eines Kommanditisten bzgl. an die Gesellschaft erstatteter gewinnunanbhängiger Ausschüttungen). 427) AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 8.1.2013 í 216 C 516/12. 428) BGH, Urteil vom 10.12.1984 – 2 ZR 28/84 (= BGHZ 93, 159). 429) Vgl. dazu BGH, Urteil vom 10.12.1984 – 2 ZR 28/84 (= BGHZ 93, 159); OLG Hamburg, Urteil vom 14.8.2015 – 11 U 42/15; s. a. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn 31. 430) Das OLG Hamburg, Urteil vom 14.8.2015 – 11 U 42/15 spricht von „Gläubigerrechten“, d. h. Ansprüchen, die sich „von der Mitgliedschaft gelöst haben und rechtlich selbstständig geworden sind“. 431) BGH, Urteil vom 9.2.1981 – II ZR 38/80; Göcke, Wechselwirkungen, 120 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 31; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 293; Salger, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rn. 81 (jedenfalls soweit sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass es sich nicht um Eigenkapital handelt). 432) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 145 (dort Fn. 17); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.23; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 293; Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/Prütting, InsO, Rn. 461; Schmid, in: Münch. Hdb. GesR II, § 47 Rn. 27 (KG). 433) BGH, Urteil vom 9.2.1981 – II ZR 38/80; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 52; Salger, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rn. 81. 434) Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 293; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 124 Rn. 46.

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

machen.435) Es überzeugt nicht, ihn mit der Begründung von einer Verfahrensteilnahme auszuschließen, durch diese werde zulasten der sonstigen Gläubiger die Insolvenzmasse geschmälert oder die Insolvenzquote verringert.436) Denn ohne die Leistung des Gesellschafters hätte der Gesellschaftsgläubiger selbst mit der Ursprungsforderung als Insolvenzgläubiger an dem Verfahren teilgenommen.437) Da der Gesellschafter anstelle des ursprünglichen Gläubigers teilnimmt, steht das Verbot der Doppelberücksichtigung (§ 44 InsO) einer Verfahrensteilnahme des Gesellschafter nicht entgegen.438) Dies gilt umso mehr, wenn man infolge der Gläubigerbefriedigung einen gesetzlichen Forderungsübergang auf den Gesellschafter (cessio legis analog § 774 BGB) bejaht.439) Wenn der Gesellschafter hingegen erst nach Verfahrenseröffnung an einen Gesell- 189 schaftsgläubiger440) leistet, stellt sich nach wohl überwiegender Ansicht die Frage nach dem Regressanspruch gegen die Gesellschaft nicht mehr, da der Gesellschafter befreiend nur noch an den Insolvenzverwalter der Gesellschaft leisten können soll (Sperrfunktion, § 93 InsO bzw. § 171 Abs. 2 HGB).441) Leiste er ungeachtet des___________ 435) Bergmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 27; Hillmann, in: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 128 Rn. 74; Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/ Prütting, InsO, Rn. 460; Langhein, in: MüKo HGB, § 110 Rn. 9; Lieder, in: Oetker, HGB, § 110 Rn. 19a; Salger, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 49 Rn. 81; Steitz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 128 Rn. 71. 436) Ebenso z. B. Boesche, in: Oetker, HGB, § 128 Rn. 73 m. w. N. 437) Boesche, in: Oetker, HGB, § 128 Rn. 73; Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 79; Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 128 Rn. 74; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 92. 438) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 144. 439) Dafür Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 79; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 92; a. A. Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 403 f.; zum Streitstand bzgl. der cessio legis auch K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 31 m. w. N. 440) Klarstellend sei angemerkt, dass es um Leistungen an Insolvenzgläubiger geht. Leistete der Gesellschafter an einen Massegläubiger – wobei er nicht gem. § 93 InsO bzw. § 171 Abs. 2 HGB für Neuverbindlichkeiten haftet (s. sogleich unter Rn. 191 ff.) – wäre ein etwaiger Regressanspruch ebenfalls Masseverbindlichkeit (vgl. Marotzke, DB 2013, 621, 623). Eine Leistung des Gesellschafters an den Insolvenzverwalter könnte für sich genommen keinen Regressanspruch gegen die Gesellschaft begründen (vgl. Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 144 f. mit Verweis auf die drohende Verfahrensteilnahme des damit noch nicht befriedigten Gläubigers entgegen § 44 InsO; i. Erg. ebenso K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 94 mit Verweis auf die Ausfallhaftung; a. A. wohl Marotzke, DB 2013, 621, 623), sondern allenfalls Regressansprüche gegen Mitgesellschafter (vgl. Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 128 Rn. 21; Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 79). 441) Bitter, in: MüKo InsO, § 44 Rn. 36 f.; Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 128 Rn. 21; Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 79; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 52; Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB; § 128 Rn. 74; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 94; Steitz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 128 Rn. 72; wohl auch Herchen, in: Münch. Hdb. GesR I, § 69 Rn. 7 (für OHG); indes spricht für die a. A., wonach der Gesellschafter auch bei Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers nach Verfahrenseröffnung einen zur Verfahrensteilnahme berechtigenden Regressanspruch gegen die insolvente Gesellschaft erlangen kann, dass § 93 InsO als Verfahrensvorschrift die Anspruchsentstehung nicht betrifft – um eine unzulässige Doppelberücksichtigung der Forderung (§ 44 InsO) zu verhindern, soll dann die Verfahrensteilnahme aber erst nach vollständiger Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger aus der Sondermasse zulässig sein (Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 145 f. m. w. N.).

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

sen an einen Gesellschaftsgläubiger, sei er daher grundsätzlich auf Bereicherungsansprüche (§§ 812 ff. BGB) gegen diesen verwiesen.442) Dem Gesellschaftsgläubiger soll nach Verfahrenseröffnung die Empfangszuständigkeit bzw. Aktivlegitimation fehlen, sodass der Gesellschafter in diesem Fall an einen Nichtberechtigten leiste.443)

190 Dem Gesellschafter steht also – je nach Art seiner Forderung gegen die Gesellschaft – die Verfahrensteilnahme als Gläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft zu. Allerdings ist zu beachten, dass der Insolvenzverwalter gegebenenfalls seinerseits Ansprüche gegen den Gesellschafter aus persönlicher Haftung geltend macht.444)

4.

Haftung der Gesellschafter einer insolventen Personengesellschaft

191 Die handelsrechtliche Außenhaftung des Gesellschafters gegenüber Gesellschaftsgläubigern für Gesellschaftsverbindlichkeiten gehört zu den charakteristischen Merkmalen der Personengesellschaft. Sie wird gleich von mehreren Lösungsansätzen zur Begründung der jeweiligen Ergebnisse herangezogen und spielt vor allem für das steuerrechtliche Lösungsmodell eine entscheidende Rolle.445)

a) Persönlich haftende Gesellschafter 192 Die persönliche Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 128 HGB) wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht berührt,446) sondern erlangt in dieser Situation gerade besondere Relevanz.447) Sie kann während des Verfahrens nur durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 93 InsO).448)

___________ 442) Anders insb. bei Genehmigung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter, vgl. Gehrlein, in: MüKo InsO, § 93 Rn. 13; Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 74; Lüke, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 93 Rn. 43; Müller, in: Jaeger, InsO, § 93 Rn. 48; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 94; Steitz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 128 Rn. 72; Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 171; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 961; Wimmer-Amend, in: Wimmer, FK-InsO, § 93 Rn. 34. 443) Anders wiederum bei Genehmigung, vgl. Gehrlein, in: MüKo InsO, § 93 Rn. 13; Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 74; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 93 Rn. 43; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 961; nach a. A. bleiben die Gläubiger verfügungsbefugt und empfangszuständig (näher Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 137 f. und 109 ff.). 444) Bitter, in: MüKo InsO, § 44 Rn. 37 ff.; Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 79; sie drohen in einem „umständlichen Hin- und Herzahlen“ zu resultieren (Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 145 f.); 445) S. ausführlich im 2. Teil. 446) § 93 InsO. Normverständnis i. E. str., nach K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 93 Rn. 34 ff. wird aus der Außenhaftung eine interne Unterdeckungshaftung für die Insolvenzverbindlichkeiten in der der Masse (sog. Ausfallhaftungsmodell). 447) Steitz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 128 Rn. 62. 448) Dazu sogleich unter Rn. 203 ff.

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Hinsichtlich des Umfangs der Haftung ist zwischen Alt- und Neuverbindlichkeiten zu differenzieren.449)

aa) Haftung für Altverbindlichkeiten Für bei Verfahrenseröffnung bereits begründete sog. Altverbindlichkeiten der Ge- 193 sellschaft haftet ein persönlich haftender Gesellschafter auch in der Gesellschaftsinsolvenz nach § 128 HGB.450) Dazu gehören Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) sowie Masseverbindlichkeiten aus der Erfüllung gegenseitiger Verträge (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO).451) Dies erscheint gerechtfertigt, da diese Verbindlichkeiten noch durch die ursprünglichen Vertreter der Gesellschaft begründet wurden.452)

bb) Keine Haftung für Neuverbindlichkeiten Schwieriger stellt sich die Beurteilung der bei Verfahrenseröffnung noch nicht be- 194 gründeten sog. Neuverbindlichkeiten dar. Zu diesen zählen insbesondere Masseverbindlichkeiten aus Geschäften oder Handlungen des Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO).453) Teils wird vertreten, der persönlich haftende Gesellschafter müsse auch insofern nach § 128 HGB für Gesellschaftsschulden einstehen.454) Nach überwiegender Ansicht haftet er für Neuverbindlichkeiten aber nicht, sie sollen vielmehr nur aus der Masse zu begleichen sein.455) Die Begründung variiert. Die Literatur zieht oft eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches von 195 § 128 HGB heran.456) Die Legitimation der persönlichen Haftung entfalle mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, denn die Fremdverwaltung der Gesellschaft durch ___________ 449) Die Einordnung ist nicht abschließend geklärt (vgl. etwa K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 78 und 47 ff.). 450) Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 71 f.; Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 128 Rn. 68; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 78). 451) Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 128 Rn. 68; Schmidt, in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 93 Rn. 16 ff. 452) Ebenso Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 63. 453) Boesche, in: Oetker, HGB, § 128 Rn. 70; Göcke, Wechselwirkungen, S. 124 ff. 454) So etwa Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 50 f. 455) Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 73; Marotzke, DB 2013, 621, 621 ff.; Müller, in: Jaeger, InsO, § 93 Rn. 32; Naraschewski, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 24 Rn. 333; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rn. 46; Schmidt, in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 93 Rn. 17 und 24 f.; Steitz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 128 Rn. 66. 456) Die Ansicht geht zurück auf K. Schmidt (vgl. K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 81 m. w. N.) und ist in der Literatur auf breite Zustimmung gestoßen (z. B. Boesche, in: Oetker, HGB, § 128 Rn. 70; Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 120 ff.; Butzer/Knof, in: Münch. Hdb. GesR I, § 85 Rn. 65 ff.; Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 128 Rn. 18a; Haas/ Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 49; Müller, Verband in der Insolvenz, S. 233 ff.; Müller, in: Jaeger, InsO, § 93 Rn. 32; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rn. 46); s. a. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 64 ff.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

den Insolvenzverwalter bedeute für die Gesellschafter fehlende Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung und eine Verwaltung im fremden Interesse der Gesellschaftsgläubiger.457) In der Insolvenz hätten Gesellschafter mit unbeschränkter Haftung zwar das volle Risiko der Verwaltertätigkeit zu tragen, gleichwohl fließe ihnen aber kein Anteil am Ertrag zu.458) Die Fremdverwaltung stehe damit im Widerspruch zu den Prinzipien der Selbstorganschaft und des Eigennutzes, auf welche § 128 HGB im Wesentlichen zurückgehe.459) Die Gesellschafter seien hier wie Ausgeschiedene zu behandeln.460) Die teleologische Reduktion diene zudem dem Schutz der Privatgläubiger des Gesellschafters.461)

196 Dies überzeugt. Erfasst eine Vorschrift ihrem Wortlaut nach zu weit auch solche Sachverhalte, die sie nach dem Regelungszweck oder Sinnzusammenhang des Gesetzes nicht erfassen sollte, bedarf sie der Einschränkung im Wege der teleologischen Reduktion.462) Der Wortlaut des § 128 HGB erfasst alle Verbindlichkeiten der insolventen Gesellschaft gleichermaßen. Der Normzweck passt jedoch nicht auf Neuverbindlichkeiten. Die persönliche Haftung des § 128 HGB soll für die Gesellschaftsgläubiger das Fehlen von Vorschriften der Kapitalaufbringung und -erhaltung kompensieren und ist Symbol der Verantwortung der Gesellschafter für ihre Gesellschaft, womit sie zudem Wertschätzung und Kreditwürdigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr erhöht.463) Die Vorschrift ist somit Ausprägung des „Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung“464). An der Herrschaft der Gesellschafter einer Personengesellschaft fehlt es für Neuverbindlichkeiten angesichts der Fremdbestimmung durch den Insolvenzverwalter.465) Dagegen lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Gesellschafter sei auch in der werbenden Gesellschaft mitunter fremdbestimmt (z. B. durch Gesellschaftsvertrag466), andere Gesellschafter oder Prokuristen467)). ___________ 457) Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 120 m. w. N.; Müller, in: Jaeger, InsO, § 93 Rn. 32 verweist auf das gesellschaftsrechtliche Prinzip „Keine Haftung ohne Herrschaft!“; ebenso Müller, Verband in der Insolvenz, S. 234 m. w. N.; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 81. 458) Vgl. z. B. Butzer/Knof, in: Münch. Hdb. GesR I, § 85 Rn. 66 m. w. N. 459) Vgl. z. B. Butzer/Knof, in: Münch. Hdb. GesR I, § 85 Rn. 66 m. w. N. 460) Seeger, in: Heidel/Schall, HGB, § 128 Rn. 62. 461) Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 49 m. w. N. 462) Ausführlich Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. und 391 ff. 463) Entsprechend darf z. B. der Vertragspartner einer OHG grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihm die Gesellschafter persönlich haften. Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 128 Rn. 2; Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 128 Rn. 1; Steitz, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 128 Rn. 1. 464) Näher z. B. Habersack, in: Staub, HGB, § 128 Rn. 1. 465) Zu einem anderen Ergebnis kommt Kießling, insbesondere mit Hinweis auf die Veranlassung der Lage durch die Gesellschafter. Diese seien nicht schutzbedürftig, da der Insolvenzverwalter entsprechend ihrem Willen handele. Vgl. im Einzelnen Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 118 f. 466) In diese Richtung Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters, S. 165, der das Kriterium der fehlenden Einflussmöglichkeit daher gering bewertet. 467) In diese Richtung etwa Kesseler, NZI 2008, 42, 42.

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Denn in der insolventen Gesellschaft verliert er seinen Einfluss unfreiwillig und in einem weiteren Umfang.468) Der BGH kommt zu demselben – zutreffenden – Ergebnis der Nichtanwendbarkeit 197 des § 128 HGB, nimmt allerdings an, für Neuverbindlichkeiten bestehe „schon aus insolvenzrechtlichen Gründen keine Haftung“, sodass es einer teleologischen Reduktion nicht bedürfe.469) Auch für Personengesellschaften gelte der Grundsatz, dass der Insolvenzschuldner für durch den Insolvenzverwalter begründete Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) auf die Gegenstände der Masse beschränkt haftet („dem Verfahren immanente Haftungsbeschränkung“).470) Da die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis des Verwalters sich nur auf die Masse beziehe und nicht auf das Privatvermögen der Gesellschafter, dürfe er die Gesellschafter nicht über § 128 HGB für Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich verpflichten.471) Diese rein insolvenzrechtliche Begründung ist letztlich nicht überzeugend. Zutreffend ist zwar, dass eine Masseverbindlichkeit stets den Insolvenzschuldner verpflichtet und dass der Insolvenzverwalter nur dessen Masse verwalten bzw. über diese verfügen darf,472) sodass man für die Personengesellschaft als Insolvenzschuldner durchaus von einer Haftungsbeschränkung auf massezugehörige Gegenstände sprechen könnte. Dies erklärt allerdings nicht, warum § 128 HGB nicht anwendbar sein oder von dem dort verankerten Akzessorietätsprinzip abgewichen werden soll, nach welchem der Gesellschafter grundsätzlich für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten ebenfalls haftet.473) Auch eine Kompetenzüberschreitung des Insolvenzverwalters in Form der unzulässigen persönlichen Verpflichtung des Gesellschafters mit dessen Privatvermögen droht nicht, denn der Verwalter verpflichtet allein die Gesellschaft als Insolvenzschuldner.474) Um der gesetzlich angeordneten persönlichen Haftung des Gesellschafters (§ 128 HGB) für diese Schuld der Gesellschaft zu begegnen, bedarf es also der teleologischen Reduktion. ___________ 468) Insoweit überzeugend Göcke, Wechselwirkungen, S. 126 f. 469) BGH, Teilurteil vom 24.9.2009 – IX ZR 234/07 bzgl. der Formulierung unter Verweis auf Kesseler, NZI 2008, 42, 42; zustimmend z. B. Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 6, Rn. 503; Wimmer-Amend, in: Wimmer, FK-InsO, § 93 Rn. 29; Andere Ansätze lehnen die teleologische Reduktion ebenfalls ab, begründen die Nichtanwendbarkeit von § 128 HGB wiederum anders: Es soll z. B. schon eine Gesellschaftsverbindlichkeit i. S. d. Norm fehlen (Göcke, Wechselwirkungen, S. 128 f.) oder die Inanspruchnahme des Gesellschafters sei treuwidrig, da er bei Zahlung einer Masseverbindlichkeit (Gesellschaftsschuld) ein Regressanspruch aus § 110 HGB habe (dolo agit-Grundsatz) (Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 199 m. w. N.). 470) BGH, Teilurteil vom 24.9.2009 – IX ZR 234/07. 471) Vgl. etwa Wimmer-Amend, in: Wimmer, FK-InsO, § 93 Rn. 29 m. w. N. 472) Dies ergibt sich bereits aus § 80 Abs. 1 InsO. 473) Vgl. K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 81 m. w. N.; ähnlich Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 120. 474) In diese Richtung auch Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 197.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

198 Nach der entgegenstehenden Auffassung soll die unbeschränkte Haftung des § 128 HGB in der Gesellschaftsinsolvenz auch für Neuverbindlichkeiten gelten.475) Angeführt wird insbesondere das Interesse an Rechtssicherheit: Es entstünde sonst de facto eine Personengesellschaft mit beschränkter Haftung und die Gläubiger der Gesellschaft würden in ihrem Glauben an die persönliche Haftung enttäuscht.476) Dies vermag nicht zu überzeugen. Richtigerweise sind die von § 128 HGB in den Blick genommenen Interessen der Gesellschaftsgläubiger bei Anwendung der teleologischen Reduktion hinreichend geschützt. Wer mit einer insolventen Gesellschaft kontrahiert (d. h. mit deren Insolvenzverwalter), wird jedenfalls nicht in gleichem Maße wie der Geschäftspartner einer werbenden Gesellschaft auf die persönliche Haftung vertrauen; wenn das Vertrauen sich nicht sogar allein auf das Haftungssystem der Insolvenz richtet.477) Gläubiger von Neuverbindlichkeiten sind zudem nicht auf die Insolvenzquote verwiesen, sondern vorweg aus der Masse zu befriedigen,478) und die „Gefahr“ einer beschränkten Haftung in der Personengesellschaft wird schließlich mindestens teilweise über die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters kompensiert (§§ 60, 61 InsO).479)

199 Mithin haften persönlich haftende Gesellschafter der insolventen Personengesellschaften für Neuverbindlichkeiten nicht, und zwar aufgrund teleologischer Reduktion des § 128 HGB.

b) Beschränkt haftender Gesellschafter 200 Die Kommanditistenhaftung wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich nicht berührt, vielmehr ist die Insolvenz der Gesellschaft ihr praktisch wichtigster Anwendungsfall.480) Die Haftung ist wie außerhalb der Insolvenz auf die Haftsumme beschränkt, soweit sie nicht aufgrund der Einlageleistung ausgeschlossen oder mangels Eintragung unbeschränkt ist.481) ___________ 475) Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 26, Rn. 50 f.; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 122; sehr kritisch auch Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 93 Rn. 80 ff. 476) Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 93 Rn. 87 m. w. N. 477) Ebenso Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 53 Rn. 8 f.; Marotzke, DB 2013, 681, 683 mit dem berechtigten Hinweis, dass dieses Argument nur für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten gelten kann; ähnlich Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/ Prütting, InsO, Rn. 489. 478) Das erhöhte Risiko einer Masseunzulänglichkeit erscheint hierbei angesichts der Publizität von Insolvenzmitteilungen (§§ 23, 30, 32 InsO) und der Verwalterhaftung (§ 61 InsO) hinnehmbar, vlg. Göcke, Wechselwirkungen, S. 127. 479) Näher Butzer/Knof, in: Münch. Hdb. GesR I, § 85 Rn. 68; weiterführend Marotzke, DB 2013, 621, 623 f. m. w. N.; berechtigte Kritik an einer vollständigen Kompensation bzw. Gleichsetzung von § 128 HGB und § 61 InsO z. B. bei Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 118 f. 480) Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 157. 481) Zur Haftung in der werbenden Gesellschaft Rn. 7.

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III. Gesellschaftsrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Die Haftung des Kommanditisten kann während des Verfahrens nur durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 171 Abs. 2 HGB).482) Es wird meist zwischen Alt- und Neuverbindlichkeiten unterschieden. Wie für den persönlich haftenden Gesellschafter wird auch für den Kommanditis- 201 ten eine Haftung für Altverbindlichkeiten bejaht, während eine solche für Neuverbindlichkeiten überwiegend abgelehnt wird.483) Zur Begründung wird vielfach sinngemäß auf die vorstehend dargestellten Erwägungen betreffend den Komplementär verwiesen.484) Eine entgegenstehende Auffassung bejaht die (beschränkte) Kommanditistenhaftung 202 in der Insolvenz für sämtliche Gesellschaftsschulden und damit auch für Neuverbindlichkeiten.485) Insbesondere wird angeführt, anders als im Falle der Komplementärhaftung sei eine teleologische Reduktion für den Kommanditisten nicht angezeigt, da er unabhängig von einer Insolvenz nur beschränkt hafte und ohnehin einflusslos sei, sodass der Übergang der Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nicht die Grundlage seiner Haftung entfallen lasse.486) Dies überzeugt nicht. Zwar unterscheidet sich die Kommanditistenhaftung naturgemäß von derjenigen des Komplementärs. Auch der Normzweck der §§ 171 ff. HGB ist aber vornehmlich auf Gläubigerschutz in Form der Einlagen- und Kapitalsicherung gerichtet; idealtypisch erhöht das Haftungssystem der KG zudem deren Kreditwürdigkeit und rechtfertigt die beschränkte Haftung eines Teils der Gesellschafter.487) In der Gesellschaftsinsolvenz sind die Gläubigerinteressen auch ohne Haftung der Kommanditisten für Neuverbindlichkeiten hinreichend geschützt, denn wer mit einer insolventen Gesellschaft kontrahiert, vertraut nicht in gleichem Maße auf das Haftungssystem und wird zudem aus der Masse befriedigt.488) Zwar ist bei einem Kommanditisten der Gleichlauf zwischen „Herrschaft und Haftung“ nicht gleichermaßen ausgeprägt. Auch er entledigt sich seines Einflusses in der Insolvenz aber nicht freiwillig und ob Verpflichtungen der Gesellschaft auf geschäftsführende Mitgesellschafter oder einen im Interesse der Gesellschaftsgläubiger handelnden Verwalter zurückgehen, ist ebenfalls ein qualitativer Unterschied. Im Ergebnis ist also mit der erstgenannten Ansicht auch für den Kommanditisten die Haftung für Neuverbindlichkeiten abzulehnen. ___________ 482) Dies gilt, soweit der Kommanditist nach § 171 ff. HGB haftet. Bei ausnahmsweise unbeschränkter Haftung (§ 176 HGB) gilt § 93 InsO. Vgl. Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 3151; Schall, in: Heidel/Schall, HGB, § 171 Rn. 102. 483) Ausführlich etwa Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 195 ff. m. w. N. 484) Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 73; K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 172 Rn. 111; Strohn, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 171 Rn. 94; s. a. Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 198 f. m. w. N. (für Anwendung des dolo-agit-Prinzips). 485) So etwa Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 122; Schall, in: Heidel/Schall, HGB, § 171 Rn. 109. 486) Schall, in: Heidel/Schall, HGB, § 171 Rn. 109. 487) Näher Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 8 ff. 488) Vgl. die entsprechenden Erwägungen vorstehend unter Rn. 194 ff. (insb. 198).

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

c)

Geltendmachung der Haftung in der Insolvenz

203 Während des Insolvenzverfahrens kann allein der Insolvenzverwalter die persönliche Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern geltend machen (sog. Ermächtigungsfunktion der §§ 93 InsO, 171 Abs. 2 HGB). Die eigentlichen Anspruchsinhaber, also die Gesellschaftsgläubiger, verlieren diese Befugnis, damit kein ungeordneter Wettlauf der Gläubiger entsteht (sog. Sperrfunktion).489)

204 Die Vorschriften der Geltendmachung knüpfen an die bestehende Außenhaftung an, sie wirken nicht selbst anspruchs- oder haftungsbegründend.490) Sie betreffen denn auch nur Altverbindlichkeiten, nicht Neuverbindlichkeiten, da Gesellschafter für letztere nach hier befürworteter Ansicht nicht haften.491)

205 Hinsichtlich des Umfangs der Inanspruchnahme der Gesellschafter wird zu Recht angenommen, der Insolvenzverwalter sei beschränkt auf die Geltendmachung in einer Höhe, die für die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (arg. ex § 199 Satz 2 InsO i. V. m. § 242 BGB, dolo agit Einwand bzw. Verbot der Massebereicherung).492) In der Gesellschaftsinsolvenz wird aus diesem Grund mitunter verlangt, der Verwalter müsse den erwarteten Liquidationswert der Masse vorab von der Summe der Insolvenzforderungen abziehen.493) In der Doppelinsolvenz494) wird insofern diskutiert, ob der Insolvenzverwalter der Gesellschaft in dem Verfahren über das Vermögen des Gesellschafters den gesamten Betrag der persönlichen Haftung des Gesellschafters anmelden und geltend machen darf (Vollanmeldungsmodell bzw. Doppelberücksichtigungsprinzip) oder Befriedigung nur in dem Umfang beanspruchen darf, in dem die Gesellschaftsgläubiger im Gesellschaftsverfahren ausgefallen sind (Unterdeckungsmodell bzw. Ausfallprinzip).495) Die wohl überwiegende Meinung tendiert zu letzterem, obwohl eine ausdrückliche Regelung unter ___________ 489) Hierin soll nach wohl h. M. der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zum Ausdruck kommen (z. B. Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 128 Rn. 67; Marotzke, DB 2013, 621, 621); vgl. aber abweichend Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 96 ff. 490) BGH, Urteil vom 9.10.2006 – II ZR 193/05; Der Verwalter separiert die eingezogenen Beträge dabei als Sondermasse, aus der nur Forderungen befriedigt werden, für die der Gesellschafter persönlich haftet (vgl. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 93 Rn. 3). 491) Vgl. vorstehend unter Rn. 192 ff. und 200 ff. 492) Er darf also keine offensichtlich nicht benötigten Beträge geltend machen (OLG Hamm, Urteil vom 30.3.2007 – 30 U 13/06 m. w. N.); Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 134; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 63; Kruth, in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 93 Rn. 6; Pehl, in: Braun, InsO, § 199 Rn. 4; Schmidt, in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 93 Rn. 40; vgl. auch Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 93 Rn. 71 ff. 493) So etwa Schmidt, in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 93 Rn. 52; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 116; a. A. Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 63. 494) Vgl. A. Beyer, in: KK-InsO, § 80 Rn. 70; Butzer/Knof, in: Münch. Hdb. GesR I, § 85 Rn. 96 ff. 495) Weiterführend Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 134 und 161 ff.; Schmidt, in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 93 Rn. 52 ff.

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

der Insolvenzordnung nicht mehr existiert.496) Beide Modelle gehen mit praktischen Schwierigkeiten einher, letztlich wird der Gesetzgeber zur Klärung der Haftungsabwicklung berufen sein.497) Der Verwalter ist unter der Insolvenzordnung jedenfalls nicht nur berechtigt, sondern 206 auch verpflichtet, vorhandene Ansprüche gegen die Gesellschafter geltend zu machen, sodass er etwaige Haftungsansprüche einfordern muss.498) Haften mehrere Gesellschafter, steht es aber in seinem Ermessen, welche von ihnen er in welcher Höhe in Anspruch nimmt.499)

IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft 207 wirkt sich nicht allein gesellschaftsrechtlich, sondern auch steuerrechtlich aus.

1.

Steuerrechtliche Einordnung der Beteiligten und des Vermögens

a) Gesellschaft und Gesellschafter Die steuerliche Rechtsstellung der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter 208 bleibt von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich unberührt. Die Verfahrenseröffnung beendet weder die Steuerrechtsfähigkeit noch ändert sie etwas an der Eigenschaft als Steuerschuldner (§ 43 AO) oder Steuerpflichtiger (§ 33 AO).500) Schuldner der Einkommensteuer kann auch in der Insolvenz der Personengesellschaft 209 nach inzwischen einhelliger Meinung allein der Gesellschafter sein.501) Die frühere ___________ 496) Zuvor war das Ausfallprinzip in § 212 KO geregelt. Für die Ausfall- bzw. Unterdeckungshaftung Butzer/Knof, in: Münch. Hdb. GesR I, § 85 Rn. 98 ff.; Gehrlein, in: MüKo InsO, § 93 Rn. 26 ff.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 93 Rn. 22 ff.; ausführlich K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 93 Rn. 34 ff.; Kroth, in: Braun, InsO, § 55 Rn. 32; a. A. für die Vollanmeldung bzw. Doppelberücksichtigung z. B. Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 161 ff.; Noack, Sonderband Gesellschaftsrecht zu Kübler/Prütting, InsO, Rn. 479 und 511 ff.; Roth, in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 128 Rn. 47; davon geht wohl auch Armbruster, Stellung des haftenden Gesellschafters, S. 222 ff., aus. 497) Vgl. Göcke, Wechselwirkungen, S. 145 m. w. N. zu der Diskussion. 498) A. Beyer, in: KK-InsO, § 80 Rn. 14; Geltend zu machen sind z. B. auch offene Einlageforderungen nebst Zinsen oder Schadensersatzansprüche (Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.12 (OHG); K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 93 Rn. 29 m. w. N. und unter Hinweis auf die sonst drohende Haftung des Verwalters nach § 60 InsO. 499) Hintergrund ist die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter, Gehrlein, in: MüKo InsO, § 93 Rn. 16; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 93 Rn. 20. 500) Dazu z. B. Ruhe, Steuern in der Insolvenz, 54. 501) Nach der steuerrechtlichen Systematik des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ist die Personengesellschaft nicht einkommensteuerpflichtig. Daran vermag ihre Insolvenz nichts zu ändern (so nun z. B. BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787) noch zur KO; FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO).

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

Rechtsprechung, nach der ab Eröffnung des Konkursverfahrens eine Trennung von Gemeinschuldner und Konkursmasse eintreten und zwei Subjekte einkommensteuerpflichtig sein sollten (sog. Separationstheorie), hat der RFH bereits 1938 aufgegeben.502) Die Ansicht, nach der Einkommensteuern aus der Insolvenzmasse der Personengesellschaft gezahlt werden sollten, hat sich richtigerweise nicht durchgesetzt.503)

210 Scheidet der Gesellschafter wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein eigenes Vermögen aus der Gesellschaft aus, entsteht steuerrechtlich regelmäßig ein Aufgabegewinn (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).504)

b) Insolvenzverwalter 211 Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter bewirkt, dass dieser als Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) die steuerlichen Rechte und Pflichten in Bezug auf die Masse erhält, die zuvor der Insolvenzschuldner innehatte.505) Dies betrifft beispielsweise Steuererklärungs-, Buchführungs-, Bilanzierungs-, Auskunfts- und Nachweispflichten.506) Die steuerlichen Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters reichen dabei nur so weit wie seine Verfügungsbefugnis (§ 34 Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 1 InsO), betreffen also die Insolvenzmasse.507)

212 Abweichende Ergebnisse könnten sich aus der rechtlichen Stellung des Insolvenzverwalters ergeben. Deren Verständnis ist in der Insolvenzordnung nicht geregelt und stark umstritten.508) Nach der wohl herrschenden Amtstheorie handelt er kraft des ihm übertragenen Amtes in eigenem Namen mit Wirkung für oder gegen den Insolvenzschuldner als Träger der Masse.509) Nach der Vertretertheorie ist er als gesetz___________ 502) RFH, Urteil vom 22. Juni 1938 (= RFHE 44, 162 = RStBl. 1938, 669); weitere Nachweise z. B. bei BFH, Urteil vom 11.11.1993 – XI R 73/92 (= BFH/NV 1994, 477); s. z. B. Darstellung bei Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 272 ff. 503) Sog. Bereicherungslösung, s. ausführlich dazu Rn. 63 ff. 504) Schüppen/Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 173; nur die vor seinem Ausscheiden entstandenen Einkünfte sind noch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zuzurechnen; s. a. bereits Rn. 158. 505) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 22 Rn. 81; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 12 ff. 506) Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 80 Rn. 74 ff.; Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 14. 507) Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 12 ff.; Seine Handlungen verpflichten und berechtigen den steuerrechtsfähigen Insolvenzschuldner unmittelbar (Sonnleitner, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 3 Rn. 18). 508) Dies galt bereits unter der Konkursordnung. Nicht mehr vertreten wird inzwischen die Ansicht, der Verwalter vertrete die Gläubiger. Ausführlich zu den einzelnen Theorien z. B. Lüke, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 80 Rn. 32 ff.; Müller, Verband in der Insolvenz, S. 55 ff.; Schilken, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 164 ff. Rn. 57 ff.; Sonnleitner, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 3 Rn. 14 ff.; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 26 ff.; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 13 ff. 509) Dafür etwa Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 13 ff.

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

licher Vertreter des Insolvenzschuldners in dessen Namen tätig.510) Nach einer vermittelnden Theorie soll er ein objektbezogener „neutraler“ Vertreter sein.511) Die Organtheorie qualifiziert dagegen die Insolvenzmasse als selbständigen Rechtsträger und den Verwalter als Organ der Masse.512) Die neuere (modifizierte) Organ- bzw. Vertretertheorie sieht den Verwalter bei insolvenzfähigen Personengesellschaften als obligatorischen Fremdliquidator und als deren gesetzliches Organ.513) Der Theorienstreit bedarf hier nicht der abschließenden Beurteilung. Denn steuerrechtlich könnte sich dieser Streit hier allenfalls auswirken, wollte man der Organtheorie folgen. Da diese den Insolvenzverwalter als Organ des selbständigen Rechtssubjekts Insolvenzmasse ansieht, würde sie – konsequent auf das Steuerrecht übertragen – dazu führen, dass man die Insolvenzmasse auch ertragsteuerlich als selbständiges Steuersubjekt qualifizieren müsste.514) Dies ist allerdings abzulehnen. Gegen die Organtheorie spricht vor allem, dass es für die eigenständige Rechtsfähigkeit bzw. Rechtsträgerschaft der Insolvenzmasse an einer gesetzlichen Grundlage fehlt.515) Die Auswirkungen der Organtheorie im Steuerrecht wären mit denjenigen der Separationstheorie vergleichbar.516) Wie bereits dargestellt ist die Qualifikation der Masse als Steuersubjekt jedoch abzulehnen.517) Nach allen anderen Theorien zu diesem Streit ist die Masse kein selbständiges Rechtssubjekt, sodass sich keine Auswirkungen auf die Frage der Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft ergeben.518)

c)

Insolvenzmasse, Sonderbetriebsvermögen in der Insolvenz

Das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft fällt in die Insolvenzmasse der 213 Gesellschaft und wird dem Verwalter zugeordnet.519) Steuerrechtlich ist das Gesamthandsvermögen Teil des Betriebsvermögens der Gesellschaft, gemeinsam mit e___________ 510) 511) 512) 513) 514)

515)

516) 517) 518)

519)

S. etwa die Nachweise bei Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 28. S. etwa die Nachweise bei Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 30. S. etwa die Nachweise bei Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 29. S. etwa die Nachweise bei Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 31. Benne, BB 2001, 1977, 1984; Frotscher, Besteuerung, S. 31 ff.; s. a. Lüke, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 80 Rn. 73; Sonnleitner, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 3 Rn. 17; Ruhe, Steuern in der Insolvenz, S. 54 ff.; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 51 ff. Zudem steht sie im Konflikt mit sachenrechtlichen Grundsätzen und mit § 35 InsO. Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 80 Rn. 35; Ruhe, Steuern in der Insolvenz, S. 56 f.; Schilken, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 164 ff. Rn. 61; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 52. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 52; zur Separationstheorie s. Nachweise in Fn. 152. S. Rn. 71 ff. So ebenfalls Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 53 f.; wenngleich der Verwalter nach der Theorie des neutralen Handelns „objektbezogen“ tätig wird, ist die Masse allein bei der Organtheorie selbständiger Rechtsträger (vgl. dazu Schilken, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 164 ff. Rn. 58, 61 m. w. N.). Zudem der Neuerwerb, s. schon Rn. 174 ff.; Die Insolvenzmasse der Gesellschaft erlangt richtigerweise mit Verfahrenseröffnung keine eigenständige Rechtssubjektivität, s. Rn. 208 ff.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

ventuell vorhandenem Sonderbetriebsvermögen.520) Dieses Sonderbetriebsvermögen als rein steuerrechtliche Kategorie, die Teile des Gesellschaftervermögens dem Betriebsvermögen der Gesellschaft zuordnet, gehört aber zivilrechtlich ausschließlich zu dem persönlichen Vermögen des Gesellschafters und unterliegt daher nicht dem Insolvenzbeschlag im Gesellschaftsverfahren.521)

214 Steuerliche Auswirkungen des Sonderbetriebsvermögens können sich in der Insolvenz der Personengesellschaft zwar dennoch ergeben. Zum einen endet die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Sonderbetriebsvermögen, womit eine Entnahme unter Realisierung stiller Reserven erfolgt, mit Beendigung der Personengesellschaft.522) Diese tritt aber nicht bereits mit Verfahrenseröffnung ein.523) Bis dahin trifft den Gesellschafter auch während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft die Einkommensteuer, die aus den laufenden Einkünften sowie aus der Gewinnrealisierung bei Entnahmen und Veräußerungen von Sonderbetriebsvermögen resultiert.524) Zum anderen befinden sich Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens I regelmäßig im Besitz der Gesellschaft, sodass der Gesellschafter als Eigentümer ihre Aussonderung verlangen kann (§ 47 InsO).525) Ob der Gesellschafter Wirtschaftsgüter der Insolvenzmasse zur Nutzung zur Verfügung zu stellen hat, richtet sich nach §§ 108 ff. InsO.526) Falls die Nutzung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens für die Insolvenzmasse fortgesetzt wird, treten keine besonderen steuerrechtlichen Folgen ein, und falls sie eingestellt wird, liegt eine Entnahme und Gewinnrealisierung vor.527)

215 Für das vorliegende Problem ist das Sonderbetriebsvermögen damit nicht entscheidend. ___________ 520) Dies sind Wirtschaftsgüter im Eigentum des Mitunternehmers, die dem Betrieb der Personengesellschaft entweder unmittelbar dienen (sog. Sonderbetriebsvermögen I; z. B. der Gesellschaft überlassene Gebäude) oder diesem zumindest förderlich sind, indem sie zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung an der Mitunternehmerschaft eingesetzt werden (sog. Sonderbetriebsvermögen II; z. B. Darlehen zur Finanzierung des Geschäftsanteils). Dazu z. B. Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 122; Kahle, FR 2012, 109, 111 ff.; Krumm, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 327 f.; Uelner, DStJG 14 (1991), 139, 144 ff. 521) In der Doppelinsolvenz unterliegt es dem Insolvenzbeschlag im Gesellschafterverfahren; Düll, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 3; Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 115 und 122; Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1501. 522) Düll, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 3 und 20. 523) Es kommt lediglich zur Auflösung der Personengesellschaft (s. Rn. 157 ff.). 524) Frotscher, Besteuerung, S. 177 f.; Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 42. 525) In der Doppelinsolvenz obliegt dies dem Insolvenzverwalter im Gesellschafterverfahren. Frotscher, Besteuerung, S. 177; Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 40. 526) Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 122. 527) Ein Gewinn wird ebenso bei Veräußerung realisiert. Frotscher, Besteuerung, S. 177 f.; Frotscher/ Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 41.

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

d) Steuergläubiger und insolvenzrechtliche Forderungskategorien Dritte und Gesellschafter können ihre Forderungen gegen die Personengesellschaft, 216 wie oben dargestellt, in dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft geltend machen.528) Die Finanzbehörde hat sich mit gegen die Gesellschaft gerichteten Steuerforderun- 217 gen in dieses insolvenzrechtliche Befriedigungssystem ebenso einzufügen wie andere Gesellschaftsgläubiger.529) Anders als unter der Konkursordnung gibt es kein Fiskusprivileg mehr.530) Steuerforderungen sind also je nach Zeitpunkt ihres Begründetseins in Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeit oder Forderungen gegen insolvenzfreies Vermögen aufzuteilen und dementsprechend festzusetzen.531)

e)

Zwischenfazit

Die steuerrechtlichen Konsequenzen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das 218 Vermögen der Personengesellschaft sind also zunächst folgende. Die Steuerrechtsfähigkeit und die Steuerschuldnerschaft der Beteiligten bleiben unverändert. Die steuerlichen Rechte und Pflichten bezüglich der Masse, welche zuvor der Insolvenzschuldner innehatte, gehen aber auf den Insolvenzverwalter über, wobei sich der Streit über dessen zivilrechtliche Rechtsstellung nicht auswirkt. Das Gesamthandsvermögen ist als Teil der Insolvenzmasse dem Verwalter zugeordnet, nicht aber das steuerrechtliche Sonderbetriebsvermögen. Die Finanzbehörde als Steuergläubiger hat etwaige Forderungen gegen die insolvente Gesellschaft nach dem Befriedigungssystem der Insolvenzordnung geltend zu machen; ein Fiskusprivileg besteht nicht.

2.

Mitunternehmerschaft in der Insolvenz

Noch nicht geklärt ist damit allerdings die Frage, ob die Voraussetzungen der Mit- 219 unternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG in der Insolvenz weiterhin vorliegen. Die Einkünftezurechnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG knüpft an ge- 220 sellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Begriffe an, wenn sie die „Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist“ als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert. Tatbestandlich ist nach dieser Norm Folgendes erforderlich: (1.) eine Personenge___________ 528) S. Rn. 182 ff. 529) Fehst/Engels, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 2 Rn. 66; Steuerforderungen gegen die Gesellschaft sind z. B. USt oder GewSt. Zu Einkommensteuerforderungen, die sich gegen den Gesellschafter richten s. noch ausführlich im 6. Teil. 530) Vormals geregelt in § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO; vgl. die Nachweise in Fn. 1148. 531) Vgl. ausführlich unter im 6. Teil.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

sellschaft mit Gesellschaftern, (2.) die Erzielung gewerblicher Einkünfte und (3.) die Stellung der Gesellschafter als Mitunternehmer.532)

221 Auf das Vorliegen des Gesellschaftsverhältnisses bzw. der Personengesellschaft und der Gesellschafterstellung der Beteiligten wirkt sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft, wie oben bereits dargelegt, regelmäßig nicht aus.533)

222 Personengesellschaften erzielen auch ganz regelmäßig gewerbliche Einkünfte.534) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen ändert an ihrer Eigenschaft als steuerrechtlich Gewerbetreibender i. S. v. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG nichts; diese endet vielmehr erst mit endgültiger Abwicklung (Vollbeendigung) der Gesellschaft.535) Ob der Insolvenzverwalter den Gewerbebetrieb fortführt oder abwickelt, ist insofern nicht ausschlaggebend.536)

223 Als problematisch erweist sich allerdings die Stellung der Gesellschafter als Mitunternehmer in der Insolvenz. Der Mitunternehmerbegriff dient der Bezeichnung und Abgrenzung der Person, die als „Mitunternehmer des Betriebs“ die gewerblichen Einkünfte bezieht.537) Zentrales Ziel ist es, gerade diese Personen zu bestimmen, denen die Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anteilig unmittelbar zugerechnet werden.538) Die Frage nach der Mitunternehmerstellung ist entscheidend für die Bestimmung der Einkunftsart, ihr Fehlen würde bei dem Gesellschafter eine veränderte Qualifikation der Einkünfte bewirken, regelmäßig als Kapitalerträge.539) ___________ 532) Vgl. zu den Voraussetzungen i. E. auch Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 12 ff.; ähnlich auch Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 175 ff. 533) Dazu Rn. 157 ff.; Die eigenständige Bedeutung dieser Begriffe (gesellschaftsrechtliche Tatbestandsmerkmale) i. R. d. Mitunternehmerschaft ist nicht abschließend geklärt (näher z. B. Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 31 ff. m. w. N.; s. a. Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 73 ff.). 534) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist; näher zu der Erzielung „gewerblicher“ Einkünfte durch Personengesellschaften, auch z. B. zu Besonderheiten aufgrund der sog. Abfärbetheorie s. Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 15 ff. 535) Vgl. etwa Farr, Besteuerung, Rn. 319. 536) Vgl. auch Bode, in: Blümich, EStG, § 15 Rn. 250 sowie Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 197. 537) Es geht um denjenigen, auf dessen Rechnung und Gefahr das Unternehmen geführt wird (vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 388 f.); Seine Einkünfte sind insb. abzugrenzen von denjenigen nach anderen Einkunftsarten, z. B. von den Einkünften des typischen stillen Gesellschafters (Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 30). 538) Eberhard, in: Beck PersGes-HB, § 7 Rn. 21; Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 30. 539) Knobbe-Keuk, StuW 1986, 106, 115; Schön, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 139, 153; Schulze-Osterloh, DStJG 2 (1979), 131, 145 und 159 ff.; Entfiele in der Insolvenz die Mitunternehmerstellung, führte dies also nicht zu einer Steuerfreiheit, sondern nur zu einer Umqualifikation der Einkünfte (zutreffend ebenso Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 192 ff. zu der einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Nicht-Mitunternehmers (außerhalb der Insolvenz)).

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Der Mitunternehmerbegriff ist allerdings gesetzlich nicht definiert. Mitunternehmer 224 kann nach ständiger Rechtsprechung nur sein, wer zum einen Mitunternehmerrisiko trägt, d. h. gesellschaftsrechtlich am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens teilnehmen kann, und zum anderen Mitunternehmerinitiative entfalten kann, d. h. an unternehmerischen Entscheidungen teilnimmt.540) Es soll sich bei der Mitunternehmerschaft um einen sog. Typusbegriff handeln, bei dem die Merkmale unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, aber keines der beiden Elemente vollständig fehlen darf.541) Welche Anforderungen im Einzelnen an die beiden Merkmale zu stellen sind, ist problematisch und geht nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl von Einzelfallentscheidungen der Rechtsprechung mit erheblichen Rechtsunsicherheiten einher.542) Die höchstrichterliche und instanzgerichtliche Rechtsprechung543) sowie ganz über- 225 wiegende Teile der Literatur544) bejahen auch in der Gesellschaftsinsolvenz die Mitunternehmerstellung des Personengesellschafters. Dies erfolgt teils ohne nähere Be___________ 540) St. Rspr. BFH, Beschluss vom 25.6.1984 – GrS 4/82 (= BFHE 141, 405 = BStBl. II 1984, 751); z. B. auch BFH, Urteil vom 25.4.2006 – VIII R 74/03 (= BFHE 213, 358 = BStBl. II 2006, 595); eingehende Analyse des Mitunternehmerbegriffs in der BFH-Rechtsprechung bei Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 5 ff. 541) Ausschlaggebend soll eine sog. Gesamtbildbetrachtung sein, vgl. vorstehende Fußnote; näher auch Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 25 ff.; Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 304; zu der Kritik bzgl. der Klassifizierung als Typusbegriff weiterführend Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 183 ff. 542) Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 26 und 30 ff.; Haep, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 15 EStG Rn. 305 („keine klaren Mindestanforderungen“); Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 60 ff. und 97 ff.; dazu sogleich näher unter Rn. 227 ff. und Rn. 232 ff. 543) BGH, Urteil vom 5.4.2016 – II ZR 62/15; BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787); BFH, Urteil vom 27.4.1978 – IV R 187/74 (= BFHE 126, 114 = BStBl. II 1979, 89); OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16; FG Bremen, Beschluss vom 25.8.2016 – 1 V 70/16 (5); FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO (zustimmend Harder, NZI 2018, 954, 954). 544) Oft wird dies nicht ausdrücklich thematisiert, aber offenbar vorausgesetzt. Andres, in: Runkel/ Schmidt, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 221; Bodden, in: Korn, EStG, § 15 Rn. 66.15; Bode, in: Blümich, EStG, § 15 Rn. 250; Dißars, in: Schwarz/Pahlke, § 251 AO Rn. 86; Farr, Besteuerung, Rn. 314; Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 115; Frotscher/Schulze, in: Gottwald/ Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 15; Ders., Besteuerung, 167 f.; Haep, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 449; Jatzke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rn. 347; i. Erg. auch Kahlert, FR 2014, 731, 739; Nickel, in: Handbuch FA Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 552; Neumann, in: Gosch, § 251 AO Rn. 84; Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FG, § 251 Rn. 41; Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, Rn. 4; Mohlitz, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 23 Rn. 71; Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, InsSteuerR II A Rn. 78 ff.; Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 20 und 82 ff.; Petersen/Winkelhog, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 4 Rn. 34; Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.144; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 194 f.; Schöne/Ley, DB 1993, 1405, 1405; Uhländer, AO-StB 2018, 181, 186; Ders., AO-StB 2010, 81, 82 f.; Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 197.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

gründung und ohne Differenzierung zwischen Mitunternehmerrisiko und -initiative.545) Die Mitunternehmerstellung soll unabhängig davon bestehen, ob das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft selbst und/oder über das Vermögen ihres Gesellschafters eröffnet wurde.546) Auch die meisten der oben dargestellten Lösungsansätze gehen prinzipiell von einem Fortbestehen der Mitunternehmerschaft in der Insolvenz aus.547) Nur sehr vereinzelt wird die Mitunternehmerstellung des Gesellschafters in der Gesellschaftsinsolvenz eingehender diskutiert oder gar abgelehnt.548)

226 Indessen ist das Ergebnis der herrschenden Meinung nicht selbstverständlich. Immerhin lässt sich angesichts der Abschirmung der Insolvenzmasse und der Fremdverwaltung durch den Insolvenzverwalter zumindest bezweifeln, ob der Gesellschafter der insolventen Personengesellschaft weiterhin an dem Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens teilhaben (i. S. d. Mitunternehmerrisikos) und unternehmerische Entscheidungen treffen (i. S. d. Mitunternehmerinitiative) kann.

a) Mitunternehmerrisiko 227 Unter Mitunternehmerrisiko versteht man die „gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens“549). Dieses Risiko äußert sich meist in einer Beteiligung an Gewinn, Verlust und stillen Reserven der Gesellschaft, die den Mitunternehmer von einem bloßen Darlehensgeber unterscheidet.550) Als Untergrenze des Mitunternehmerrisikos gilt im Grundsatz die Stellung eines Kommanditisten, der mit den Rechten nach dem gesetzlichen Leitbild des HGB ausgestattet ist.551) Gesellschafter von (werbenden) Personengesellschaften nehmen nach diesem Maßstab ganz regelmäßig ___________ 545) So etwa BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787); z. B. auch Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 115; Mohlitz, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 23 Rn. 71. 546) BFH, Urteil vom 5.3.2008 – X R 60/04 (= BFHE 220, 299 = BStBl. II 2008, 787); Frotscher, Besteuerung, S. 168. 547) Mit Ausnahme des Ansatzes von Kießling wird diese Frage selten ausdrücklich thematisiert, eine Mitunternehmerschaft in der Insolvenz aber offenbar vorausgesetzt. Unklar bleibt die Frage bei der Bereicherungslösung, die mitunter die Masse anstelle des Gesellschafters besteuern will. Vgl. im Einzelnen oben (2. Teil). 548) So bei Kruth, DStR 2016, 1871, 1873 f.; kritisch, i. Erg. die Mitunternehmerstellung bejahend Kahlert, FR 2014, 731, 739; neuerdings sehr ausführlich Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 383 ff. (bejahend für den persönlich haftenden Gesellschafter, ablehnend für den Kommanditisten); auf die Problematik hinweisend auch Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 3. 549) St. Rspr. BFH, Beschluss vom 25.6.1984 – GrS 4/82 (= BFHE 141, 405 = BStBl. II 1984, 751); s. a. Nachweise in Fn. 540. 550) Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 321 m. w. N.; Krumm, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 208; Schenke, in: BeckOK EStG, § 15 Rn. 1523. 551) Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 30; Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 321; Schenke, in: BeckOK EStG, § 15 Rn. 1524, jeweils m. w. N.

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG am Erfolg oder Misserfolg der Personengesellschaft teil, tragen also ein Mitunternehmerrisiko.552) Fraglich ist, inwiefern die Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Gesellschaft 228 hieran etwas ändert. Nach Auffassung des BFH besteht in der insolventen Personengesellschaft das Mitunternehmerrisiko unverändert fort, da dem Gesellschafter angesichts der Insolvenz die Wertlosigkeit seiner Beteiligung droht.553) Dagegen wird der Einwand erhoben, Verluste der Gesellschaft nach Insolvenzeröffnung verringerten den Wert der Beteiligung eines Gesellschafters nicht (mehr), denn diese sei „in der Regel bereits mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vollständig entwertet“554). Dieser Einwand schließt aber richtigerweise das Mitunternehmerrisiko nicht aus, denn selbst wenn der Wert der Beteiligung im Vorfeld der Insolvenz typischerweise stark sinken mag, ist sie im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht zwingend vollständig entwertet. Vereinzelt wird für die Frage nach dem Mitunternehmerrisiko in der Gesellschafts- 229 insolvenz nach dem Umfang der Haftung des Gesellschafters differenziert. Das Mitunternehmerrisiko des persönlich haftenden Gesellschafters sei zu bejahen, da eine Mehrung der Insolvenzmasse der Gesellschaft ihn entlaste, indem sie ihn von der akzessorischen Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten ganz oder teilweise befreie.555) Der beschränkt haftende Gesellschafter trage im Insolvenzverfahren hingegen kein Mitunternehmerrisiko mehr, da er von Gesellschaftsgewinnen angesichts des Nachrangs seiner Forderungen nicht profitiere (§ 199 InsO).556) Eine Verminderung der Gesellschaftsverbindlichkeiten führe für ihn weder zu einer Ausschüttung noch zu einer sonstigen Bereicherung.557) Eine Ablehnung des Mitunternehmerrisikos in der Insolvenz kann im Ergebnis aber 230 weder für den persönlich haftenden Gesellschafter noch für den Kommanditisten überzeugen. Wie dargestellt sind zwar insbesondere Ansprüche auf Auszahlung von Gewinnanteilen gegen die insolvente Personengesellschaft suspendiert und praktisch findet ganz regelmäßig keine Gewinnauskehrung statt.558) Für das Mitunternehmerrisiko genügt aber bereits die objektive Möglichkeit einer Teilhabe des Gesellschafters an den Ergebnissen der Gesellschaft.559) An dieser Möglichkeit ändert die Insolvenz ___________ 552) 553) 554) 555) 556) 557) 558) 559)

Vgl. bereits Fn. 49. BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470). Kruth, DStR 2016, 1871, 1874. Kruth, DStR 2016, 1871, 1874. Kruth, DStR 2016, 1871, 1874. Kruth, DStR 2016, 1871, 1874. Vgl. Rn. 182 ff. Vgl. Bode, in: Blümich, EStG, § 15 EStG Rn. 349 f.; Levedag, in: Münch. Hdb. GesR II, § 57 Rn. 84; dafür spricht i. Ü. schon der Begriff selbst, denn ein Risiko setzt eben noch nicht den tatsächlichen Eintritt von Folgen voraus.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

der Gesellschaft nichts. So besteht die persönliche Haftung – regelmäßig als starkes Indiz für Mitunternehmerrisiko anerkannt560) – in der Insolvenz grundsätzlich fort.561) Das gilt auch für die Verlusthaftung mit zukünftigen Gewinnanteilen, die den Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto trifft und gerade als Ausdruck seines Mitunternehmerrisikos gilt.562) Aus der Haftung der Gesellschafter resultiert die Möglichkeit einer Teilnahme an Verlusten der Gesellschaft. Freilich besteht nach hier befürworteter Ansicht keine persönliche Haftung für Neuverbindlichkeiten, sondern allenfalls für Altverbindlichkeiten.563) Dennoch bergen auch Neuverbindlichkeiten aber ein Risiko i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG für den Gesellschafter, da sie unmittelbar den Umfang der Insolvenzmasse ändern, welche für die Begleichung der Insolvenzforderungen (Altverbindlichkeiten) verfügbar ist.564) Zudem besteht die Möglichkeit, wenngleich diese eher theoretischer Natur ist, infolge von Gesellschaftsgewinnen einen Überschuss bei der Schlussverteilung zu erhalten, also an Gewinnen teilzunehmen; und zwar gleichermaßen für einen Kommanditisten wie für einen Komplementär.565) Schließlich besteht, wie der BFH566) zutreffend herausstellt, das Risiko einer (weiteren) Wertminderung oder des vollständigen Wertverlusts der Beteiligung.

231 Somit kann nicht angenommen werden, dass das Mitunternehmerrisiko nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG eines Personengesellschafters gerade mit und aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt.567)

b) Mitunternehmerinitiative 232 Die Rechtsprechung definiert Mitunternehmerinitiative als „Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z. B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen“568). Manifestiert wird dieses Merkmal demzufolge in den gesellschaftsrechtlichen Verwaltungsrechten und -pflichten, maßgebend sind vor allem Entscheidungsspielräume des Gesellschafters bei der Geschäftsleitung und sein Einfluss auf die Geschäftspolitik.569) Besonders stark ausgeprägt ist die Teilhabe an unternehmeri___________ Schenke, in: BeckOK EStG, § 15 Rn. 1539 ff. m. w. N. Vgl. Rn. 191 ff. BFH, Beschluss vom 10.11.1980 – GrS 1/79 (= BFHE 132, 244 = BStBl. II 1981, 164). Dazu ausführlich Rn. 193 ff. und 200 ff. So bereits Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 81. LG Frankenthal, Beschluss vom 7.3.2012 – 1 T 201/11. BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470). Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 382 kommt jedenfalls insofern zu demselben Ergebnis. St. Rspr. BFH, Beschluss vom 25.6.1984 – GrS 4/82 (= BFHE 141, 405 = BStBl. II 1984, 751); s. a. Nachweise in Fn. 540. 569) Crezelius, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. II 201. 560) 561) 562) 563) 564) 565) 566) 567) 568)

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

schen Entscheidungen demnach im Falle alleiniger Geschäftsführungs- und umfassender Vertretungsbefugnis, es genügt aber bereits die Möglichkeit der Ausübung von Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten wie sie einem Kommanditisten nach dem gesetzlichen Leitbild zustehen (§§ 164, 166 HGB) oder wenigstens eine Annäherung an dieses Regelstatut.570) Nach diesen minimalen Anforderungen der Rechtsprechung und herrschenden Lehre verfügen Gesellschafter von Personengesellschaften, von sehr wenigen Ausnahmefällen abgesehen, über Mitunternehmerinitiative.571) Ob und inwieweit die Gesellschafter diese Mitunternehmerinitiative in der Insol- 233 venz der Personengesellschaft weiterhin entfalten können, wird selten ausdrücklich thematisiert. Gegen eine Teilhabe der Personengesellschafter an unternehmerischen Entscheidungen in der Insolvenz der Gesellschaft heißt es, mit der Beschlagnahme der Masse könne allein der nunmehr verwaltungs- und verfügungsbefugte Insolvenzverwalter steuerlich relevante Verfügungen vornehmen, der Gesellschafter habe darauf keinen Einfluss.572) Der Verwalter sei auch nicht an die Vorgaben des Gesellschaftsvertrages gebunden, welcher die Gesellschafterinteressen berücksichtigt, sondern handle allein im Interesse der Gläubiger der Gesellschaft.573) Diesen Zweifeln an der Mitunternehmerinitiative des Gesellschafters in der Insolvenz kann eine gewisse Berechtigung insofern nicht abgesprochen werden, als die massebezogenen Kompetenzen mit der Insolvenzeröffnung auf den Insolvenzverwalter übergehen und Weisungs- oder Kontrollrechte des Gesellschafters gegenüber dem Insolvenzverwalter naturgemäß nicht bestehen.574) Es ist kaum anzunehmen, dass der Gesellschafter unter Führung des gerichtlich eingesetzten Insolvenzverwalters gleichermaßen an unternehmerischen Entscheidungen teilhat wie unter Führung eines schuldrechtlich bestellten Geschäftsführers.575) Für den persönlich haftenden Gesellschafter ist insofern der Befund richtig, dass in 234 der Gesellschaftsinsolvenz seine Stimm-, Widerspruchs- oder Zustimmungsrechte in Bezug auf die Insolvenzmasse vollständig und seine Auskunfts- und Kontrollrechte nahezu ausgeschlossen sind und ihm auch wenig Einwirkungsmöglichkeiten als organschaftlicher Vertreter verbleiben.576) ___________ 570) Dazu schon BFH, Beschluss vom 25.6.1984 – GrS 4/82 (= BFHE 141, 405 = BStBl. II 1984, 751); Crezelius, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. II 201; Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 37; Krumm, in: Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 212. 571) Ausführlich Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 30 ff.; zu der berechtigten Kritik an dem vorstehend skizzierten herrschenden Verständnis der Mitunternehmerinitiative sogleich unter Rn. 238 ff. 572) Kruth, DStR 2016, 1871, 1873; ähnlich Kahlert, FR 2014, 731, 739. 573) Kruth, DStR 2016, 1871, 1873. 574) Vgl. Göcke, Wechselwirkungen, S. 119. 575) In diese Richtung aber Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 79 f. 576) So zutreffend bei Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 379 ff.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

235 Betrachtet man das vielzitierte gesetzliche Leitbild des Kommanditisten, lässt sich feststellen, dass auch dessen Gesellschafterrechte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen zumindest weiter eingeschränkt werden.577) So erlischt beispielsweise das ordentliche (§ 166 Abs. 1 HGB)578) und außerordentliche (§ 166 Abs. 3 HGB)579) Informationsrecht des Kommanditisten nicht vollständig, sondern kann gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.580) Letzterer unterliegt nach der Konzeption der Insolvenzordnung aber nur der Aufsicht des Insolvenzgerichts.581) Die Auskunfts- und Informationsrechte des Kommanditisten werden daher in der Gesellschaftsinsolvenz stark eingeschränkt.582) Die Rechte des Kommanditisten nach dem gesetzlichen Leitbild, welche als Untergrenze für die Mitunternehmerstellung gelten, liegen also in der Insolvenz nicht mehr gleichermaßen vor.583)

236 Andererseits bleibt die interne Organisationsstruktur der Gesellschaft als solche bestehen, selbst wenn die Befugnisse der Gesellschafter durch § 80 InsO suspendiert sind und der Insolvenzverwalter gebündelt die Geschäftsführungskompetenzen wahrnimmt.584) Die Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafters bleiben dem Grunde nach auch in der Insolvenz erhalten.585) Dem Gesellschafter verbleibt zudem die mitgliedschaftliche Stellung und das Eigentums- und Verfügungsrecht bezüglich seines Anteils, obgleich dieser wirtschaftlich an Wert verloren haben mag.586) Eine Möglich___________ 577) Ebenso Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 383 – seine Mitunternehmerinitiative gehe „ab Insolvenzeröffnung gegen Null“. 578) Der Kommanditist ist berechtigt, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen (§ 166 Abs. 1 HGB). 579) Auf Antrag eines Kommanditisten kann das Gericht, wenn wichtige Gründe vorliegen, die Mitteilung einer Bilanz und eines Jahresabschlusses oder sonstiger Aufklärungen sowie die Vorlegung der Bücher und Papiere jederzeit anordnen (§ 166 Abs. 3 HGB). 580) OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7.9.2006 – 3 W 122/06 (zu § 166 Abs. 3 HGB); KG, Beschluss vom 25.7.2014 – 12 W 81/13 (zu § 166 Abs. 1 HGB); Grunewald, in: MüKo HGB, § 166 Rn. 29; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 166 Rn. 2; Eberl, in: Heidel/Schall, HGB, § 166 Rn. 2. 581) Die Informationspflicht gegenüber dem Kommanditisten beschränkt sich daher auf konkret bezeichnete, von ihm verwahrte Unterlagen und er ist nicht zu einer weiteren Aufarbeitung von Unterlagen verpflichtet (näher OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7.9.2006 – 3 W 122/06, zu § 166 Abs. 3 HGB); Zudem soll die Pflicht sich nicht auf die Verwaltertätigkeit beziehen, sondern auf Geschäfte der KG vor Verfahrenseröffnung (Grunewald, in: MüKo HGB, § 166 Rn. 29); weiterführend zu § 166 HGB in der Insolvenz Thole, ZIP 2016, Beilage zu Heft 22, 78, 78 ff. mit Hinweis darauf, dass der Kommanditist wegen des „Vorrangs des Insolvenzrechts“ regelmäßig keinen Anspruch gegen den Verwalter hat; s. a. Göcke, Wechselwirkungen, S. 112 ff. 582) Ebenso Thole, ZIP 2016, Beilage zu Heft 22, 78, 78 ff. 583) Insofern kommt Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 383 ff. noch zu demselben Ergebnis. 584) Ebenso Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 79; ausführlich bereits Rn. 170 ff. 585) Göcke, Wechselwirkungen, S. 112. 586) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 79.

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

keit der Ausübung von Gesellschafterrechten ist also in eng begrenztem Umfang auch in der Insolvenz noch zu bejahen. Immerhin sind die Anforderungen an die Mitunternehmerinitiative nach der Rechtsprechung sehr gering.587) Die Bewertung, ob die Mitunternehmerinitiative weiterhin in ausreichendem Maße 237 vorliegt, um den Mitunternehmerbegriff insgesamt bejahen zu können, muss letztlich in Zusammenschau mit dem Mitunternehmerrisiko erfolgen (dazu sogleich).

c)

Schlussfolgerungen

Von den drei Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG lässt sich 238 in der Insolvenz der Personengesellschaft sowohl das Bestehen der Personengesellschaft mit Gesellschaftern als auch die Erzielung gewerblicher Einkünfte bejahen. Im Rahmen der Mitunternehmerstellung lässt sich auch das Mitunternehmerrisiko des Personengesellschafters weiterhin begründen, schwieriger verhält es sich aber mit der im Vergleich zu der werbenden Gesellschaft stark verringerten Mitunternehmerinitiative. Sowohl für den persönlich haftenden Gesellschafter als auch für den Kommanditisten sind in der Insolvenz kaum relevante Initiativrechte i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zu verzeichnen.588) Wenn es sich bei der Mitunternehmerschaft um einen Typusbegriff handelt, ließe sich 239 die eingeschränkte Mitunternehmerinitiative grundsätzlich durch ein gesteigertes Mitunternehmerrisiko kompensieren, solange keines der beiden Merkmale vollständig fehlt.589) Nach Kießling soll für den persönlich haftenden Gesellschafter eine solche Kompensation im Wege des erhöhten Mitunternehmerrisikos vorliegen.590) Dies wird damit begründet, dass die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aufgrund der unbeschränkten Haftung höher sei als in der werbenden Gesellschaft.591) Letzteres ist zutreffend.592) Jedoch muss berücksichtigt werden, dass gleichzeitig die Gewinnund Verlustverteilung durch das Insolvenzverfahren weitgehend suspendiert ist.593) Auch diese ist Teil des Mitunternehmerrisikos („Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg“ der Gesellschaft). In einer Zusammenschau der verschiedenen Aspekte des Mitunternehmerrisikos lässt sich dieses zwar weiterhin bejahen.594) Es kann aber nicht angenommen werden, dass der persönlich haftende Gesellschafter in der in___________ 587) 588) 589) 590) 591)

Vgl. Rn. 232. Insofern übereinstimmend Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 382 ff. Vgl. Rn. 219 ff. So Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 382. Daher läge im Ergebnis eine Mitunternehmerstellung vor, vgl. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 382. 592) Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Haftung steigt (vgl. bereits Rn. 191 ff.). 593) Dazu schon Rn. 155 ff. (insb. Rn. 182 ff.); auch Kießling selbst hält diese für „während des Insolvenzverfahrens faktisch aufgehoben“ (Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 381). 594) Dazu schon Rn. 227 ff.

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solventen Gesellschaft insgesamt ein höheres Mitunternehmerrisiko trägt als in der werbenden Gesellschaft. Dies spricht gegen eine Kompensation der verringerten Mitunternehmerinitiative durch ein erhöhtes Mitunternehmerrisiko.

240 Auch für den Kommanditisten stellt sich die Frage nach einer Kompensation der sehr eingeschränkten Mitunternehmerinitiative durch ein gesteigertes Mitunternehmerrisiko. Da der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, die Gesellschafter in Anspruch zu nehmen,595) lässt sich auch für den Kommanditisten eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aufgrund der persönlichen Haftung bejahen – insofern also ein gesteigertes Mitunternehmerrisiko.596) Auch hier ist aber andererseits das Mitunternehmerrisiko insofern verringert, als die Teilnahme an den Ergebnissen der Gesellschaft weitgehend suspendiert ist. Es kann daher nicht angenommen werden, dass das Mitunternehmerrisiko derart erhöht ist, dass es die verringerte Mitunternehmerinitiative kompensieren würde.

241 Demnach sind in diesem Punkt keine relevanten Unterschiede zwischen Komplementären und Kommanditisten auszumachen.597) Die in der Insolvenz nicht hinreichend begründbare Mitunternehmerinitiative eines Personengesellschafters kann also weder für den persönlich haftenden Gesellschafter noch für den Kommanditisten durch ein gesteigertes Mitunternehmerrisiko kompensiert werden.

242 Man kommt allerdings an dieser Stelle nicht umhin festzustellen, dass die für eine Begründung von Mitunternehmerinitiative verlangte Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen mitunter schon außerhalb der Insolvenz äußerst zweifelhaft erscheint – dies gilt gerade für den Kommanditisten.598) Mit dem Verweis auf dessen gesetzlich normierte Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte wird auf Rechte abgestellt, die schon keine Initiative im eigentlichen Sinne begründen.599) Kontrolle und Widerspruch sind richtigerweise vielmehr eine Reaktion auf die von anderen ausgeübte Unternehmerinitiative.600) Angesichts der inkonsistenten und teilweise widersprüchlichen BFH-Rechtsprechung zu dem Begriff Mitunternehmerinitiative lässt ___________ 595) 596) 597) 598)

Vgl. unter Rn. 206. Ähnlich Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 384. A. A. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 379 ff., 385. Vgl. etwa Drüen, FS 100 Jahre BFH, 1317, 1333; Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 37; Ders., FR 2010, 721, 725 sieht ihn wertungsmäßig vielfach eher einem Aktionär nahe; KnobbeKeuk, StuW 1986, 106, 113 f.; Schulze-Osterloh, DStJG 2 (1979), 131, 145 ff. (für Publikums-KG mit kapitalistischer Struktur); s. aber Schulze-Osterloh, in: Diskussion zu den Referaten von Hüttemann und Sieker, DStJG 25 (2002), 177, 185 („durchaus nicht unbeachtliche Mitwirkung“). 599) Vgl. Knobbe-Keuk, StuW 1986, 106, 114 („gerade zu eine Verdrehung des Wortsinns“). 600) Knobbe-Keuk, StuW 1986, 106, 114. Nach dem herrschenden Verständnis der Mitunternehmerstellung müssten solche Rechte auf Einflussnahme noch nicht einmal tatsächlich wahrgenommen werden, das Erfordernis einer Handlung ist auf ein Nullum reduziert. (Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 459 f.).

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

sich dessen Aussagekraft insgesamt bezweifeln.601) Gegen die Sinnhaftigkeit des Merkmals spricht insbesondere auch der Umstand, dass die Gesellschaft selbst als Trägerin der Unternehmens eine Unternehmerinitiative entfaltet.602) Die Gesellschaft selbst lässt sich einkommensteuerrechtlich als Unternehmer des Betriebs qualifizieren und erzielt als eigenständige Wirkungs- und Handlungseinheit Einkünfte am Markt i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG.603) Das Merkmal der Mitunternehmerinitiative ist auch nicht etwa notwendig, um die Abgrenzungs- und Zurechnungsfunktion des Mitunternehmerbegriffs zu erfüllen.604) Denn um die Mitunternehmerschaft mit ihren gewerblichen Einkünften von anderen Gesellschaften (insbesondere der typischen stillen Gesellschaft) abgrenzen und die Einkünfte gerade demjenigen zurechnen zu können, auf dessen Gefahr und Rechnung der Betrieb geführt wird, genügen die Kriterien des Mitunternehmerrisikos.605) Eindeutig auf letzteres abzustellen, wäre schließlich auch der Rechtssicherheit förderlich.606) Insofern wird bereits außerhalb der Insolvenz dafür plädiert, das Mitunternehmer- 243 risiko als das zentrale und entscheidende der beiden Elemente des Zurechnungstatbestandes des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG anzusehen oder sogar ganz auf das Merkmal der Mitunternehmerinitiative zu verzichten.607) Diese Forderung erweist sich aus gerade dargelegten Gründen als berechtigt. Dies muss umso mehr in der Insolvenz gelten.608) Durch die mit der Verfahrenseröffnung eintretende weitere Beschränkung der gesellschafterlichen Rechtsposition zeigt sich die Unzulänglichkeit des Merk___________ 601) Vgl. i. E. die ausführliche Ausarbeitung bei Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 5 ff. und 100 ff. 602) Schön, StuW 1996, 275, 286; im Anschluss Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 37; wohl auch Kahle, in: Beck PersGes-HB, § 7 Rn. 32. 603) Den Gesellschaftern werden nach überzeugender Ansicht diese fremden Einkünfte zugerechnet, er erzielt sie nicht originär selbst (vgl. Rn. 289); Hüttemann, Gedächtnissymposion KnobbeKeuk, 39, 43 ff.; eingehend zum Ganzen Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 104 ff. (insb. 121 ff.) sowie 155 ff. 604) Zu dem Zwecke des Mitunternehmerbegriffs s. o. Rn. 223. 605) Namentlich kann hierfür auf die Beteiligung am Gewinn und Verlust und an stillen Reserven abgestellt werden, wie Klein ausführlich darlegt (vgl. Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 166 ff., insb. 176 und 183 m. w. N.); a. A. Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 305; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 191. 606) Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 390; Näher auch Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 183 ff. 607) Für einen Verzicht auf das Merkmal insb. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 381 ff.; Dies., StuW 1986, 106, 114 („überflüssig“); Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 37; Hüttemann, in: Diskussion zu den Referaten von Hüttemann und Sieker, DStJG 25 (2002), 177, 188; Klein, Mitunternehmerbegriff, passim; Schön, StuW 1996, 275, 286 („keinen sinnvollen Anknüpfungspunkt“); im Anschluss an diesen Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 459 f. („Mitunternehmerrisiko als zentralen Zurechnungsbegriff“); gegen einen Verzicht, aber für das Mitunternehmerrisiko als „Kernelement“ (Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 31 f. und 34; a. A. etwa Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 305; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 191; Schenke, in: BeckOK EStG, § 15 Rn. 1502; s. a. Darstellung des Meinungsstandes bei Klein, Mitunternehmerbegriff, S. 83 ff. 608) Ähnlich Kahlert, FR 2014, 731, 739.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

mals der Mitunternehmerinitiative besonders deutlich. Treffend stellt Kahlert insofern fest, dass die „vom BFH verwendete Figur der Mitunternehmerschaft mit dem Merkmal der Mitunternehmerinitiative zur Erklärung der Besteuerung der Personengesellschaft in der Insolvenz an ihre Grenzen stößt.“609) Die Mitunternehmerinitiative in der Insolvenz ist berechtigterweise zu bezweifeln, was allerdings weniger auf die Insolvenz zurückzuführen ist als darauf, dass das Kriterium sich schlussendlich – noch mehr als außerhalb der Insolvenz – schlicht als ungeeignet für die Bestimmung der Mitunternehmerstellung erweist.

244 Die Problematik des Mitunternehmerbegriffs resultiert mithin nicht spezifisch aus der Insolvenzsituation. Vielmehr treten die Unzulänglichkeiten der beiden Elemente (insb. desjenigen der Mitunternehmerinitiative) in der Insolvenz besonders deutlich zu Tage. Im Ergebnis kann also nicht angenommen werden, dass gerade die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft das Vorliegen der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters beendet. Die Merkmale des Mitunternehmerrisikos und der Mitunternehmerinitiative nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind bereits außerhalb der Insolvenz mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet. In der Insolvenz ist das Mitunternehmerrisiko, obwohl noch vorhanden, jedenfalls nicht erhöht, mithin zwecks Kompensation ungeeignet. Die Mitunternehmerinitiative lässt sich kaum begründen, sie erweist sich als ungeeignetes Kriterium. Stellt man – wie richtigerweise schon außerhalb der Insolvenz gefordert – primär auf das Merkmal des Mitunternehmerrisikos ab oder verzichtet auf dasjenige der Mitunternehmerinitiative, entfällt im Ergebnis die Mitunternehmerstellung im Ergebnis nicht aufgrund der Insolvenz der Personengesellschaft. Dies gilt gleichermaßen für den persönlich haftenden Gesellschafter wie für den Kommanditisten.

3.

Besonderheiten für Kommanditisten der insolventen Gesellschaft

245 Bei den steuerrechtlichen Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft gelten für den Kommanditisten einige Besonderheiten.

a) Verlustzurechnung und Verlustnutzung 246 Eine Zurechnung von Verlusten der Personengesellschaft zu dem Kommanditisten erfolgt grundsätzlich (sowohl handels- als auch steuerrechtlich) auch insoweit, als dies zu einem negativen Kapitalkonto führt.610) Der Kommanditist haftet in Höhe des negativen Kapitalkontos zwar weder den Gesellschaftsgläubigern noch der Gesellschaft oder seinen Mitgesellschaftern.611) Denn er haftet gegenüber den Gesell___________ 609) Kahlert, FR 2014, 731, 739. 610) BFH, Beschluss vom 10.11.1980 – GrS 1/79 (= BFHE 132, 244 = BStBl. II 1981, 164). 611) So ausdrücklich auch BFH, Beschluss vom 10.11.1980 – GrS 1/79 (= BFHE 132, 244 = BStBl. II 1981, 164).

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

schaftsgläubigern nur bis zur Höhe seiner Einlage (§ 171 Abs. 1 HGB) und nimmt am Verlust der Gesellschaft nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil (§ 167 Abs. 3 HGB). Dass die handels- und steuerrechtliche Bilanzierung negativer Kapitalkonten für den Kommanditisten dennoch zulässig ist, wird damit begründet, dass er spätere Gewinnanteile erst zum „Auffüllen“ des Kapitalkontos nutzen muss, bevor er wieder deren Auszahlung verlangen darf (sog. Verlusthaftung mit künftigen Gewinnanteilen, § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB).612) Im Rahmen der steuerrechtlichen Verlustnutzung unterliegen solche Verluste, die 247 dem Kommanditisten trotz Entstehung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos zugerechnet werden, je nach Stand der Einlageleistung einem Verlustausgleichs- und -abzugsverbot (§ 15a EStG). Dies hat vornehmlich den Zweck, die Verlustnutzung von einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung durch eine Vermögensminderung abhängig zu machen und Verlustzuweisungsgesellschaften zu verhindern.613) In der Insolvenz der Personengesellschaft können sich aus diesen Regelungen für 248 den Kommanditisten Besonderheiten ergeben.

b) Vorzeitige Nachversteuerung negativer Kapitalkonten Abweichend von dem Grundsatz, dass die Verlustzurechnung ungeachtet eines ne- 249 gativen Kapitalkontos des Kommanditisten stattfindet, kann es erforderlich werden, das negative Kapitalkonto aufzulösen, sodass der Kommanditist es vorzeitig nachzuversteuern hat. Die Nachversteuerung eines negativen Kapitalkontos ist in § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG 250 gesetzlich geregelt. Danach ist der Negativsaldo zum einen im Fall einer Auflösung der KG, zum anderen im Fall eines Ausscheidens des Kommanditisten aus der fortbestehenden KG als Veräußerungsgewinn (§ 16 EStG) anzusetzen – jeweils vorausgesetzt, das Kapitalkonto ist auf Grund ausgleichs- oder abzugsfähiger Verluste negativ geworden und der Kommanditist muss den Negativsaldo nicht mehr ausgleichen.614) Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein negatives Kapitalkonto, unabhängig von den Voraussetzungen des § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG, auch bereits bei einem bloßen Wegfall der Gewinnerzielungsmöglichkeit der Personengesellschaft vorzeitig nachzuversteuern (sog. Vorverlagerung der Nachversteuerung).615) Steht nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag fest, dass das negative Kapitalkonto nicht ___________ 612) Deubert/Taetzner, in: Sonderbilanzen, Kap. S Rn. 241; Huber, ZGR 1988, 1, 9 f. 613) Die Umsetzung dessen durch den Gesetzgeber ist allerdings teils problematisch (s. z. B. von Beckrath, in: Kirchhof, EStG § 15a Rn. 3). 614) Näher z. B. Rühland, in: Kahlert/Rühland, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 5.104 ff.; Seufer, in: BeckOK EStG, § 15a Rn. 674 ff. 615) BFH, Urteil vom 30.3.2017 – IV R 9/15 (= BFH/NV 2017, 1258 = BStBl. II 2017, 896); BFH, Urteil vom 11.8.1994 – IV R 124/92 (= BFHE 176, 15 = BStBl. II 1995, 253); BFH, Urteil vom 10.12.1991 – VIII R 17/87 (= BFHE 167, 331 = BStBl. II 1992, 650); BFH, Beschluss vom 10.11.1980 – GrS 1/79 (= BFHE 132, 244 = BStBl. II 1981, 164).

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

mehr mit künftigen Gewinnanteilen ausgeglichen werden kann, besteht also ein Verlustzurechnungsverbot.616)

251 Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft eröffnet, prüft das Finanzamt umgehend, ob eine vorzeitige Nachversteuerung negativer Kapitalkonten erforderlich ist.617)

252 Die gesetzlich geregelte Nachversteuerung (§ 52 Abs. 24 Satz 3 EStG) aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird regelmäßig nicht in Betracht kommen, denn auch wenn es mit der Insolvenz grundsätzlich zu einer Auflösung der Gesellschaft kommt, genügt diese allein nicht für den Wegfall des negativen Kapitalkontos, wenn etwa noch mit zukünftigen Gewinnen (z. B. der Realisierung stiller Reserven) zu rechnen ist.618) Davon, dass der Kommanditist das negative Kapitalkonto nicht mehr ausgleichen muss, ist nämlich erst dann auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass nicht mehr mit Gewinnen oder sonstigen Einlageforderungen zu rechnen ist, mit denen das negative Kapitalkonto aufgefüllt werden könnte.619)

253 Trotz Auflösung der Gesellschaft mit Verfahrenseröffnung wird ein Veräußerungsgewinn also regelmäßig erst mit Abschluss der Liquidation (oder ggf. mit vorheriger Betriebsaufgabe) realisiert, weil bis dahin meist noch nicht endgültig absehbar ist, ob ein negatives Kapitalkonto ganz oder teilweise wieder aufgefüllt werden kann.620) Ausnahmsweise realisiert sich ein Veräußerungsgewinn wegen Auflösung der Gesellschaft infolge der Verfahrenseröffnung zu einem früheren Bilanzstichtag, wenn zu diesem bereits feststeht, dass das negative Kapitalkonto unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr aufgefüllt werden kann.621)

254 Die vorzeitige Nachversteuerung bei Wegfall der Gewinnerzielungsmöglichkeit der Gesellschaft nach der Rechtsprechung (unabhängig von § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG) ist in der Insolvenz der Personengesellschaft ebenfalls nicht ohne Weiteres notwendig. Hierfür müsste im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits feststehen, dass das negative Kapitalkonto des Kommanditisten nicht mehr durch Zurechnung künftiger Gewinnanteile ausgeglichen werden kann.622) Vereinzelt wird dies deshalb bejaht, ___________ 616) Deubert/Taetzner, in: Sonderbilanzen, Kap. S Rn. 242. 617) Düll, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 14. 618) BFH, Urteil vom 30.3.2017 – IV R 9/15 (= BFH/NV 2017, 1258 = BStBl. II 2017, 896); Deubert/Taetzner, in: Sonderbilanzen, Kap. S Rn. 242. 619) BFH, Urteil vom 30.3.2017 – IV R 9/15 (= BFH/NV 2017, 1258 = BStBl. II 2017, 896) m. w. N. 620) Beispielsweise durch Gewinne während der Liquidation, sonstige Handlungen des Insolvenzverwalters (z. B. Rückforderung von Liquiditätsausschüttungen, Nachforderung rückständiger Einlagen oder Insolvenzanfechtung), vgl. zum Ganzen BFH, Urteil vom 30.3.2017 – IV R 9/15 (= BFH/NV 2017, 1258 = BStBl. II 2017, 896). 621) BFH, Urteil vom 30.3.2017 – IV R 9/15 (= BFH/NV 2017, 1258 = BStBl. II 2017, 896); näher auch Kersten/Feldgen, FR 2013, 197, 203. 622) Vgl. z. B. Kersten/Feldgen, FR 2013, 197, 204.

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IV. Steuerrechtliche Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

weil die gesamte Mitunternehmerbesteuerung des Kommanditisten mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens enden müsse.623) Diese Schlussfolgerung ist zwar konsequent, nach hier vertretener Auffassung endet die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten aber nicht mit Insolvenzeröffnung.624) Teilweise wird auch angenommen, diese Voraussetzung stehe mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich fest, außer in dem Fall, dass aufgrund eines beschlossenen Insolvenzplans noch mit zukünftigen Gewinnanteilen zu rechnen sei.625) Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass durchaus auch in weiteren Fällen trotz der Verfahrenseröffnung noch mit einem Ausgleich des Kapitalkontos infolge künftiger Gewinne gerechnet werden kann, insbesondere wenn es noch Vermögensgegenstände zu verwerten gibt, denen stille Reserven innewohnen.626) Für die Nachversteuerung wäre es wiederum nötig, dass eine Auffüllung des Kapitalkontos durch Gewinnanteile unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht käme.627) Es handelt sich hier letztlich um eine Tatfrage.628) Regelmäßig wird aber eine vorzeitige Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos nur notwendig sein, wenn zu der Insolvenzeröffnung weitere Merkmale hinzutreten. Die Verluste der Gesellschaft sind dem Kommanditisten also regelmäßig trotz negativen Kapitalkontos auch während des Insolvenzverfahrens weiterhin zuzurechnen.629)

c)

Beschränkte Verlustnutzung (§ 15a EStG)

Ein Kommanditist kann Verluste der Gesellschaft, die ihm als Mitunternehmer zu- 255 gerechnet werden, abhängig von der bestehenden Außenhaftung steuerlich nur beschränkt nutzen. Hat er seine Einlage vollständig beglichen, gilt folgendes Ausgleichs- und Abzugsverbot: Der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft darf weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht; er darf insoweit auch nicht nach § 10d abgezogen werden (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG).630) ___________ 623) So jedenfalls, wenn die zu dem negativen Kapitalkonto führenden Verluste ausgleichs- oder abzugsfähig und nicht nur verrechenbar (§ 15a EStG) waren, vgl. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 419. 624) Vgl. Rn. 219 ff. 625) Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rn. 245; Boochs/Nickel, in: Wimmer, FK-InsO, § 155 Rn. 1227. 626) Düll, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 14; Petersen/Winkelhog, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 4 Rn. 36; Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1355; Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15a Rn. 22. 627) Näher Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15a Rn. 22. 628) Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15a Rn. 22. 629) Sollte im Einzelfall eine Nachversteuerung infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen erforderlich sein, hat der Kommanditist für den aus dem Wegfall erzielten Gewinn (in Höhe des weggefallenen negativen Kapitalkontos) einen nicht begünstigten laufenden Gewinn zu versteuern (vgl. Binz/Sorg, in: Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 16 Rn. 370 und 372). 630) Weiterführend z. B. Kahle, FR 2010, 773, passim.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

Der nicht ausgleichs- und abzugsfähige Verlustanteil wird dem Kommanditisten als Mitunternehmer zwar zugerechnet, kann aber erst in zukünftigen Wirtschaftsjahren anfallende Gewinne aus der Beteiligung mindern (sog. verrechenbarer Verlust, § 15a Abs. 2 Satz 1 EStG). Soweit der Kommanditist seine Einlage unvollständig erbracht oder zurückerhalten hat, sind Verlustausgleich und -abzug unter Umständen möglich (sog. erweiterter Verlustausgleich, § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG). Die Regelung des § 15a EStG wird zumeist auf den allgemeinen Rechtsgedanken zurückgeführt, dass Verluste nur geltend machen kann, wer durch sie wirtschaftlich belastet ist und damit als Ausdruck des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gesehen.631)

256 In der Insolvenz der Personengesellschaft kann sich § 15a EStG sowohl bei Gewinnen als auch bei Verlusten auswirken, die unter Führung des Insolvenzverwalters entstehen.

257 Während des Verfahrens erzielte Gesellschaftsgewinne werden dem Kommanditisten, wenn dieser bereits vorher über verrechenbare Verluste verfügt, gemäß Gewinnverteilungsschlüssel zugerechnet und mit den vorhandenen Verlusten nach § 15a EStG verrechnet.632) Soweit der Gewinnanteil mit verrechenbaren Verlusten verrechnet werden kann, also lediglich den negativen Saldo des Kapitalkontos des Kommanditisten verringert, folgt für den Kommanditisten keine Belastung mit Einkommensteuer.633) Soweit der Kommanditist nicht über verrechenbare Verluste verfügt, ergeben sich aus § 15a EStG keine Besonderheiten für die Besteuerung von Gewinnen der insolventen Gesellschaft.

258 Entstehen in der Insolvenz Gesellschaftsverluste, werden diese grundsätzlich, soweit sie ein negatives Kapitalkonto begründen oder erhöhen, in der Gesellschaft als verrechenbare Verluste nach § 15a EStG „gespeichert“. Sie werden dem Kommanditisten also zugerechnet, er kann sie aber (aktuell) nicht nutzen.634) Soweit sie kein negatives Kapitalkonto begründen oder erhöhen (§ 15a EStG), sind Verluste bei dem Kommanditisten nach den allgemeinen Regeln steuerlich zu berücksichtigen.635)

4.

Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren

259 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft wirkt sich auch auf das Besteuerungsverfahren aus.636) Etliche Pflichten des Steuer___________ 631) Näher z. B. Heuermann, in: Blümich, EStG, § 15a EStG Rn. 1. 632) Dies ist z. B. regelmäßig bei Eröffnung des Verfahrens wegen Überschuldung der Fall, da genügend Eigenkapital die Überschuldung vermieden hätte (Düll, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 13). 633) So z. B. auch Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 126. 634) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 130. 635) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 130 und S. 141 ff. 636) Ausführlich z. B. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 195 ff.; Allgemein Uhländer/Steinbeck, SteuerStud 2014, 344, 344 ff.

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V. Fazit zu dem Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

verfahrens gehen auf den Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO) über.637) Andere Pflichten verbleiben, wie die Abgabe der Erklärung zur einheitliche und gesonderten Gewinnfeststellung.638) Das Besteuerungsverfahren in der Insolvenz der Personengesellschaft ist vielfach 260 problematisch, Einzelheiten wirken sich aber auf vorliegende Fragestellung im Grundsatz nicht aus.639)

V. Fazit zu dem Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz Insolvenz- und Steuerrecht stehen nicht in einem generellen Rangverhältnis, son- 261 dern mit unterschiedlichem Regelungsgegenstand nebeneinander. In der Insolvenz der Personengesellschaft wirken sie nach dem Grundsystem zusammen, dass sich die (materielle) Entstehung und Höhe von Steuerforderungen nach dem Steuerrecht richtet und die (formelle) Durchsetzung von Steuerforderungen nach dem Insolvenzrecht. Mit diesem Grundsystem stimmt ein Festhalten an der materiell-rechtlichen Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft zunächst überein. Für die konkrete Anwendung der Steuernorm (hier § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) in der Insolvenz kommt es sodann aber darauf an, wie die Insolvenzeröffnung sich auf Gesellschaft und Gesellschafter auswirkt und ob die konkreten Voraussetzungen des unveränderten steuerrechtlichen Tatbestandes der Einkünftezurechnung weiterhin vorliegen. Über die gesellschaftsrechtlichen Folgen der Insolvenzeröffnung über das Vermö- 262 gen einer Personengesellschaft besteht mangels geschlossener gesetzlicher Regelung eines Insolvenzrechts der Gesellschaften vielfach Uneinigkeit. Die Gesellschaft selbst wird mit Verfahrenseröffnung aufgelöst, bleibt aber bis zu ihrer Abwicklung (Vollbeendigung) als Liquidationsgesellschaft rechts- und insolvenzfähig. Die mitgliedschaftliche Stellung des Gesellschafters, jedenfalls soweit er nicht selbst insolvent ist, bleibt ebenso erhalten wie sein Eigentums- und Verfügungsrecht an der Beteiligung. Die Rolle des Insolvenzschuldners im Gesellschaftsverfahren kommt dabei nicht den Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft zu. Der Insolvenzverwalter erlangt mit Verfahrenseröffnung die Verwaltungs- und Ver- 263 fügungsbefugnis über die Insolvenzmasse. Das Gesellschaftsvermögen fällt in die Masse, wird rechtlich von dem Vermögen der Gesellschafter getrennt und dem Verwalter zugeordnet. Der Insolvenzschuldner bleibt aber Eigentümer der Massegegenstände und materiell-rechtlich Schuldner von Insolvenzforderungen und Massever___________ 637) So z. B. die Steuererklärungspflicht (s. Rn. 211). 638) §§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 1 Nr. 2a AO; zu den praktisch problematischen Konsequenzen Frystatzki, EStB 2004, 215, 215 f.; kritisch auch Uhländer, AO-StB 2018, 181, 187. 639) Sie sind daher hier nicht allgemein zu vertiefen. Soweit verfahrensrechtliche Auswirkungen relevant sind, werden diese an entsprechender Stelle thematisiert. Weiterführend zu den Auswirkungen der Insolvenz auf das Besteuerungsverfahren Schulze, Besteuerungsverfahren, passim.

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3. Teil – Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

bindlichkeiten. Auch die Organverfassung der Gesellschaft bleibt dem Grunde nach erhalten, wenngleich die Kompetenzen der Gesellschafter zugunsten des Verwalters beschränkt sind.

264 Nicht nur Drittgläubiger, sondern auch Gesellschafter können je nach Art der Forderung gegen die Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen an dem Insolvenzverfahren der Personengesellschaft teilnehmen. Nicht geltend machen darf der Gesellschafter hierbei seine Mitgliedschaftsrechte und diesen gleichgestellte Forderungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung auf eine Rückgewähr der Einlage gerichtet sind. Zu einer Verfahrensteilnahme können ihn dagegen neben Drittforderungen auch „verselbständigte“ Sozialansprüche berechtigen, zu denen auch Regressforderungen aus § 110 HGB zählen.

265 Die Gesellschafter haften in der Gesellschaftsinsolvenz persönlich für bei Verfahrenseröffnung bereits begründete sog. Altverbindlichkeiten (insb. Insolvenzforderungen, § 38 InsO), aber nicht für die später begründeten sog. Neuverbindlichkeiten (insb. die aus Verwalterhandeln resultierenden Masseverbindlichkeiten, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Während des Verfahrens erfolgt die Geltendmachung allein durch den Verwalter (§ 93 InsO bzw. § 171 Abs. 2 HGB).

266 Die steuerrechtlichen Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft lassen zunächst die steuerliche Rechtsstellung der Beteiligten als Steuerschuldner, Steuerpflichtiger oder Gewerbetreibender (i. S. v. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) grundsätzlich unberührt. Einkommensteuerpflichtig ist weiterhin der einzelne Gesellschafter, nicht die Gesellschaft. Allerdings übernimmt der Insolvenzverwalter mit Verfahrenseröffnung die steuerlichen Rechte und Pflichten bezüglich der Insolvenzmasse. Zu dieser gehört das Gesamthandsvermögen, nicht aber das Sonderbetriebsvermögen. Die Finanzbehörde als Steuergläubiger hat sich in das insolvenzrechtliche Forderungssystem ebenso einzufügen wie andere Drittgläubiger; ein Fiskusprivileg besteht nicht.

267 Auf die Mitunternehmerschaft i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft im Ergebnis keinen Einfluss. Die Personengesellschaft mit Gesellschaftern besteht fort und vermag weiterhin gewerbliche Einkünfte zu erzielen. Problematisch ist indes, ob der Gesellschafter Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfaltet. Das Mitunternehmerrisiko lässt sich sowohl für den persönlich haftenden Gesellschafter als auch für den Kommanditisten in der Insolvenz der Gesellschaft bejahen. Zwar ist die Gewinnteilnahme praktisch sehr unwahrscheinlich, aber es besteht zumindest weiterhin die Möglichkeit einer Teilnahme an Gewinnen (z. B. bei einer Schlussverteilung) und Verlusten (z. B. durch Wertverlust des Anteils oder Haftung) der Gesellschaft. Auch eine vollständige Entwertung des Anteils an der Gesellschaft bleibt möglich. Das Mitunternehmerrisiko ist also nicht besonders stark ausgeprägt, liegt aber noch vor. Hingegen darf die Mitunternehmerinitiative, also die Teilnahme an

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V. Fazit zu dem Zusammenwirken der Rechtsgebiete in der Insolvenz

unternehmerischen Entscheidungen, bei allen Gesellschaftern einer insolventen Personengesellschaft bezweifelt werden. Obgleich die mitgliedschaftliche Stellung fortbesteht, sind gesellschaftsrechtliche Entscheidungsspielräume und Handlungsmöglichkeiten aller Gesellschafter angesichts der Führung durch den Insolvenzverwalter deutlich eingeschränkt. Eine nennenswerte Mitunternehmerinitiative ist kaum noch auszumachen. Eine Kompensation der geschwächten Mitunternehmerinitiative durch ein erhöhtes Mitunternehmerrisiko wäre zwar grundsätzlich möglich, wenn man die Mitunternehmerschaft als Typusbegriff einstuft. Sie scheidet hier jedoch aus, da in der gebotenen Gesamtschau der Umstände auch das Mitunternehmerrisiko nicht hinreichend erhöht ist, um die unzulängliche Mitunternehmerinitiative zu kompensieren. Hier erweist sich letztlich das Kriterium der Mitunternehmerinitiative als unzuläng- 268 lich – schon außerhalb der Insolvenz ist es mit erheblichen Schwächen behaftet. Insbesondere in Bezug auf Kommanditisten vermag die Anwendung dieses Merkmals nicht zu überzeugen. Zu Recht wird daher gefordert, primär auf das Merkmal des Mitunternehmerrisikos abzustellen oder auf dasjenige der Mitunternehmerinitiative gänzlich zu verzichten. Dies überzeugt. Die Problematik des Mitunternehmerbegriffs resultiert nicht spezifisch aus der Insolvenzsituation. Sie tritt in dieser nur durch die Einschränkung der Rechtsstellung der Gesellschafter um so deutlicher zutage. Stuft man also die Mitunternehmerinitiative als ungeeignetes und nicht entscheidendes Kriterium ein, entfällt weder für den persönlich haftenden Gesellschafter noch für den Kommanditisten die Mitunternehmerstellung gerade aufgrund der Insolvenz der Personengesellschaft. Steuerrechtliche Besonderheiten für Kommanditisten können sich zum einen bei der 269 Verlustzurechnung ergeben, wenn – was nur ausnahmsweise der Fall sein wird – anstelle der grundsätzlichen Verlustzurechnung trotz Entstehens oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos eine vorzeitige Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos angezeigt ist. Dann findet eine Zurechnung nicht mehr statt. Zum anderen führt die Verlustnutzungsbeschränkung des § 15a EStG dazu, dass der Kommanditist, der bereits über verrechenbare Verluste verfügt, diese zunächst mit dem Gewinn der insolventen Personengesellschaft kompensiert – eine Steuerbelastung fällt dann nicht an. Die hier untersuchte Problematik stellt sich für den Kommanditisten also nur, wenn weder ein Wegfall des negativen Kapitalkontos erfolgt (nach § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG oder den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen) noch ein Fall des § 15a EStG vorliegt. Insgesamt führt damit das Zusammenwirken von Insolvenz- und Steuerrecht mit Er- 270 öffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft zu etlichen insbesondere gesellschaftsrechtlichen, aber auch steuerrechtlichen Veränderungen im Vergleich zu der werbenden Gesellschaft. Nach einfachem Recht – namentlich der Insolvenzordnung – ist jedoch im Grundsatz keine Abweichung von der Einkünftezurechnung nach dem Transparenzprinzip (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu den Gesellschaftern geboten. 95

4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz der Personengesellschaft Nach den bisherigen Ergebnissen bestehen zwar in der Insolvenz der Personenge- 271 sellschaft zahlreiche Wechselwirkungen von Insolvenz- und Steuerrecht. Dem Gesellschafter sind die Einkünfte der insolventen Personengesellschaft aber im Grundsatz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG weiterhin zuzurechnen (3. Teil). Sollen die Steuerfolgen dieser Einkünfte den Gesellschafter treffen, schließt sich die 272 Frage an, inwieweit er die Steuerbelastung auch im Innenverhältnis zu tragen hat. So beruht namentlich der gesellschaftsrechtliche Lösungsansatz auf der Annahme, der Gesellschafter könne bei der Gesellschaft Regress für den zur Begleichung seiner Einkommensteuerschuld notwendigen Betrag nehmen, und zwar auch in der Insolvenz.640)

I. Einordnung der Fragestellung – Zusammenwirken von Zivilrecht/ Gesellschaftsrecht und Steuerrecht Die Frage nach einer Kompensation der Steuerbelastung für den Gesellschafter der 273 insolventen Personengesellschaft ist eng verknüpft mit der Frage nach der Vereinbarkeit der Besteuerung des Gesellschafters mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Bestehen Ausgleichsansprüche und steigern diese die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters, so liegt es nahe, die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der Besteuerung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG gerade auch aus diesem Grunde anzunehmen.641) Die transparente Besteuerung stellte aufgrund bestehender Ausgleichsansprüche keinen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip dar. Umgekehrt lässt sich vertreten, dass etwaige zivilrechtliche Ausgleichsansprüche eine leistungsfähigkeitswidrige Besteuerung zwar nicht hindern, einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip aber zu rechtfertigen vermögen – so könnte bereits das Bestehen von Ausgleichsansprüchen verfassungsrechtlich geboten sein.642) Die Ausgleichsansprüche bestünden aufgrund des Bedürfnisses nach einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung. Entscheidend ist das Zusammenwirken der zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche 274 und des Steuerrechts. Das Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht ist schon seit der Entstehung von Steuerrechtswissenschaft und Steuerrechtsprechung Gegenstand intensiver Diskussion.643) Die hierzu vertretenen Positionen reichten von einer rein ___________ 640) S. ausführlich Rn. 80 ff. 641) Vgl. Hüttemann, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 39, 45; Ders., DStJG 34 (2011), 291, 295; ähnlich Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 125; weitere Nachweise bei Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 108 ff. 642) Vgl. Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 539 f. 643) Dies gilt auch für den besonderen zivilrechtlichen Bereich des Gesellschaftsrechts. Ausführlich Hüttemann, Eigenständigkeit des Steuerrechts, 115, 115 ff.; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 131 ff.; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 17 ff.; Schön, StuW 2005, 247, passim; Tipke, StRO I, S. 46 ff.; zu dem Verhältnis von Steuerrecht und Insolvenzordnung (als speziellem Teil der Zivilrechtsordnung) s. bereits Rn. 141 ff.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

wirtschaftlichen Betrachtungsweise bis zu einem Primat des bürgerlichen Rechts.644) Nach heute ganz weitgehendem Konsens sind Steuerrecht und Zivilrecht nebengeordnete, gleichrangige Teile der Gesamtrechtsordnung mit eigenständiger Teleologie und Begriffsbildung – keines der beiden hat Vorrang, beide sind der Verfassung untergeordnet.645) Sie beurteilen „denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten“646). Zwischen den Rechtsgebieten bestehen enge Beziehungen, das Steuerrecht knüpft mit dem Ziel einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, die sich in wirtschaftlichen Zuständen oder Vorgängen abbildet, vielfach direkt oder indirekt an zivilrechtliche Gestaltungen an.647) Das Zivilrecht erscheint damit einerseits geeignet, steuerbedingte Vermögensverschiebungen zu korrigieren, es kann also eine nicht leistungsfähigkeitskonforme steuerliche Belastungswirkung ausgleichen.648) Andererseits ist es denkbar, dass das Zivilrecht selbst eine leistungsfähigkeitswidrige Lage verursacht oder das Ausgleichsbedürfnis daraus resultiert, dass die zivilrechtliche Lage nicht hinreichend berücksichtigt wird.649) Die steuerrechtliche Beurteilung kann jedenfalls nicht losgelöst von der zivilrechtlichen Ausgangslage erfolgen.650) Um die Vereinbarkeit der Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG in der Insolvenz der Personengesellschaft mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip beurteilen zu können, darf also der zivilrechtliche Innenausgleich nicht vernachlässigt werden.

275 In dem vorliegenden 4. Teil wird daher zunächst die zivilrechtliche Ausgangslage mit den einfachgesetzlichen Ansprüchen im Innenverhältnis untersucht, bevor es im 5. Teil um die verfassungsrechtlichen Implikationen geht, namentlich um den Einfluss zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche auf die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der Besteuerung. ___________ 644) S. Nachweise in vorstehender Fußnote; zu Entwicklung und heutiger Bedeutung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch Lehner, FS Tipke, 237, 238, 242 ff. 645) Anschaulich Hüttemann, Eigenständigkeit des Steuerrechts, 115, 115 ff.; Es gilt einen verfassungskonformen Einklang herzustellen, auch diskutiert als „Vermeidung von Wertungswidersprüchen“ bzw. der Forderung nach „Kongruenz“ (eingehend Schön, StuW 2005, 247, insb. 248 und 253); Palm, Person im Ertragsteuerrecht, 430; Tipke, StRO I, S. 49 ff.; ähnlich Frenz, StuW 1997, 116, 126; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 209 f. („Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich“). 646) BVerfG, Beschluss vom 27.12.1991 – 2 BvR 72/90 (= BStBl. II 1992, 212). 647) Es besteht eine gewisse Vorherigkeit (Präzedenz), aber kein Vorrang (Prävalenz) des Zivilrechts vor dem Steuerrecht (ausführlich Tipke, StRO I, S. 44 ff.); Schön, StuW 2005, 247, 255; s. a. Beispiele bei Hüttemann, Eigenständigkeit des Steuerrechts, 115, 117 f. 648) Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 462 f.; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 177 ff.; Schön, StuW 2005, 247, 253. 649) Näher dazu Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 202, 205. 650) Hüttemann, Eigenständigkeit des Steuerrechts, 115, 121; in diesem Sinne insb. auch Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. (insb. S. 255: „Nichtanerkennung zivilrechtlicher Berechtigungen und Verpflichtungen kann daher die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen verfehlen“); im Anschluss Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 182.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht Als zivilrechtliche Kompensation für die steuerliche Inanspruchnahme des Gesell- 276 schafters durch das Finanzamt infolge von Gesellschaftsgewinnen kommt ein Steuerentnahmerecht in Betracht. Bevor auf die Schwierigkeiten eines solchen Rechts in der insolventen Gesellschaft eingegangen wird, ist ein Blick auf die Rechtslage in der werbenden Gesellschaft hilfreich.

1.

Steuerentnahmerecht in der werbenden Personengesellschaft

Schon außerhalb der Insolvenz der Personengesellschaft besteht Uneinigkeit über 277 die Existenz eines gesetzlichen Steuerentnahmerechts der Gesellschafter. Seine Befürworter streiten wiederum über die dogmatische Herleitung und inhaltliche Ausgestaltung des Rechts.651) Das Steuerentnahmerecht wird virulent, wenn gesellschaftsbezogene Steuern das Privatvermögen des Gesellschafters belasten, insbesondere in Fällen, in denen der handelsrechtlich gegenwärtig an ihn auszuschüttende Anteil an einem Gesellschaftsgewinn geringer ist als die daraus resultierende Steuerschuld; beispielsweise aufgrund einer Thesaurierung.652) Bereits 1936 wies Julius Lehmann darauf hin, das Steuerentnahmerecht sei in solchen Fällen für den Gesellschafter „geradezu eine Lebensfrage“653). Einigkeit besteht noch insoweit, als die rechtsgeschäftliche Vereinbarung eines Steu- 278 erentnahmerechts im Gesellschaftsvertrag oder anderweitig654) grundsätzlich möglich und – gerade im Hinblick auf die Rechtsunsicherheit bezüglich des gesetzlichen Steuerentnahmerechts – sinnvoll ist.655) Eine solche geht jedenfalls außerhalb der Insolvenz gesetzlichen Entnahmerechten vor.656) Schwierig ist die Lage, wenn eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung fehlt. ___________ 651) Für das gesetzliches Steuerentnahmerecht (die Rechtsgrundlage offenlassend) Schäfer, in: Habersack/Schäfer, Recht der OHG, § 122 Rn. 30 f.; Ders., in: Staub, HGB, § 122 Rn. 30 f.; Westermann, FS v. Caemmerer, 657, 666; wohl auch Neumann, in: Gosch, § 251 AO Rn. 86; vgl. Fn. 667, 668 (Herleitung aus gesellschaftlicher Treuepflicht) und Fn. 676 und 677 (Aufwendungsersatzvorschriften); zum Streitstand s. a. Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 516. 652) Näher Lehmann, FS Heymann, 733, 733 ff.; vgl. auch die Nachweise bei Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 509 und 516. 653) Lehmann, FS Heymann, 733, 736. 654) So u. U. konkludent (Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 122 Rn. 17), nachträglich im Beschlusswege oder durch bestimmte ständige Übung (Ernst, BB 1961, 377, 379); dafür auch Kruth, DStR 2013, 2224, 2226 und Werner, StBW 2013, 1163, 1164. 655) Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 54; Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 21 ff.; Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 63; Ders., DStR 2001, 795, 800; Schön, FS Beisse, 471, 489; Werner, StBW 2013, 1163, 1164. Weiterführend zu Gestaltungsmöglichkeiten und -schwierigkeiten insb. Barz, FS Knur, 25, 25 ff.; s. a. Bartholl, DB 1995, 1797, 1797 ff.; v. Falkenhausen/H.C. Schneider, in: Münch. Hdb. GesR II, § 24 Rn. 62 ff.; s. a. Nachweise bei Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 510 (dort Fn. 2505); zu der Ausgestaltung des gesetzlichen Rechts noch unter Rn. 336 ff. 656) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 540.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

a) Allein rechtsgeschäftlich vereinbartes Steuerentnahmerecht 279 Nach wohl überwiegender Ansicht gibt es allein das rechtsgeschäftlich vereinbarte Steuerentnahmerecht. Der BGH betonte in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996, das Gesetz kenne „kein Steuerentnahmerecht neben dem Anspruch aus § 122 HGB“657). Ohne gesellschaftsvertragliche Regelung könne daher nur der Tatrichter dem Gesellschafter im Einzelfall einen Anspruch auf Steuerentnahme zuerkennen. Das Selbstfinanzierungsinteresse der Gesellschaft sei gegen das Ausschüttungsinteresse des Gesellschafters abzuwägen. An dieser Position hält der BGH bislang fest und nimmt – soweit die Frage nicht offenbleiben konnte658) – auf die genannte Entscheidung Bezug, zuletzt erst 2016.659) Auch in der Instanzenrechtsprechung hat sich diese Auffassung inzwischen erhärtet.660)

280 Entsprechend negiert auch ein ganz erheblicher Teil der Literatur die Existenz eines gesetzlichen Steuerentnahmerechts.661) Ein Steuerentnahmerecht bestehe nur bei rechtsgeschäftlicher Regelung oder ausnahmsweise bei Zuerkennung des Gerichts aufgrund einer Treuwidrigkeit im Einzelfall.662) Der Gesellschafter habe zwar ein erhebliches Interesse an der Steuerentnahme und vielfach lasse sich dem Gesellschaftsvertrag ein entsprechender (ggf. stillschweigender) Gesellschafterwille entnehmen, es komme aber stets auf die konkrete Interessenabwägung an.663) Die Privatautonomie der Gesellschafter werde unterlaufen, wenn sie ein Steuerentnahmerecht ___________ 657) BGH, Urteil vom 29.3.1996 – II ZR 263/94 (= BGHZ 132, 263); in dieselbe Richtung bereits BGH, Urteil vom 26.3.1990 – II ZR 123/89. 658) So aufgrund von Verjährung BGH, Urteil vom 16.4.2013 – II ZR 118/11 (= BFH/NV 2013, 1375). Die Vorinstanz hatte Steuerentnahmerechte in der Insolvenz abgelehnt (OLG Jena, Urteil vom 2.5.2011 – 9 U 927/10). 659) BGH, Urteil vom 5.4.2016 – II ZR 62/15; BGH, Beschluss vom 26.4.2010 – II ZR 69/09 (= BFH/NV 2010, 1773). 660) OLG Jena, Urteil vom 8.11.2017 – 2 U 507/16; OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.2.2003 – 4 U 8/02; derweil offengelassen von OLG Bamberg, Urteil vom 17.6.2005 – 6 U 56/04 (Anspruch wg. § 242 BGB ausgeschlossen). 661) Casper, in: Staub, HGB, § 169 Rn. 5 (für den Kommanditisten); Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 54 ff.; Finckh, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 122 Rn. 45; Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 38 ff.; Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/ Haas, HGB, § 110 Rn. 7; Ders., in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 122 Rn. 16; Hopt, FS Odersky, 799, 804 f.; Gummert, in: Münch. Hdb. GesR I, § 15 Rn. 53 (GbR); Lieder, in: Oetker, HGB, § 122 Rn. 43; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. I 637 f.; Winter, in: Winter, Beratungspraxis, Steuerentnahmerechte Rn. S175; wohl auch Hoffmann/Bartlitz, in: Heymann, HGB, § 122 Rn. 22; v. Falkenhausen/H.C. Schneider, in: Münch. Hdb. GesR I, § 63 Rn. 79 (OHG) sowie v. Falkenhausen/H.C. Schneider, in: Münch. Hdb. GesR II, § 24 Rn. 67 (KG), und Werner, StBW 2013, 1163, 1164 f.; vormals noch Kruth, DStR 2013, 2224, 2225 f. 662) S. Nachweise in vorstehender Fußnote. 663) Hopt, FS Odersky, 799, 805 und 821.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

zwar vereinbaren, aber nicht darauf verzichten könnten.664) Das Mitwirkungsrecht des Gesellschafters an gewinnverwendenden Bilanzierungsentscheidungen verbunden mit der Möglichkeit, aufgrund der Treuwidrigkeitskontrolle im Einzelfall ein Steuerentnahmerecht zu erhalten, genüge schließlich dem Minderheitenschutz und lasse das Bedürfnis nach einem allgemeinen gesetzlichen Entnahmerecht entfallen.665)

b) Gesetzliches Steuerentnahmerecht aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (§ 242 BGB) Die bis zu der genannten BGH-Entscheidung666) ganz überwiegende Ansicht leitet 281 dagegen aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ein gesetzliches Steuerentnahmerecht her.667) Auch der BFH sprach sich dafür aus.668) Die Besteuerung des Gesellschafters sei nur die „steuertechnische Alternative zu einer 282 Besteuerung der Gesellschaft“669). Wirtschaftlich leiste der Gesellschafter mit der Steuerzahlung eine zusätzliche Einlage, sodass ihn ohne ein Steuerentnahmerecht entgegen § 707 BGB eine faktische Nachschusspflicht treffe.670) Sein Interesse, die Steuer zu entnehmen, um sie für die eigene Lebenshaltung verwenden zu können (anstelle der risikobehafteten Bindung in der Gesellschaft), überwiege regelmäßig das Gesellschaftsinteresse an einem Einbehalt.671) Die Entnahmeregelung des HGB (§§ 122, 169 HGB) könne der wirtschaftlichen Interessenlage nicht gerecht werden.672) Teilweise wird dabei angenommen, das wechselseitige Treueverhältnis verpflichte die Gesellschaft, bereits im Rahmen der Bilanzaufstellung und der Gewinnverwendungsentscheidung die Steuerpflichten der Gesellschafter einzukalkulieren.673) Teilweise wird das Steuerentnahmerecht als immanente Grenze der gesetzlichen Ent___________ 664) Kruth, DStR 2013, 2224, 2226. 665) Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 55 m. w. N.; ähnlich Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 39 f. 666) Die Entscheidung (BGH, Urteil vom 29.3.1996 – II ZR 263/94 (= BGHZ 132, 263)) wurde entsprechend kritisch aufgenommen (z. B. Binz/Sorg, DB 1996, 969, 971 f.). 667) Teilweise auch als Ergebnis einer treuepflichtbedingten Auslegung von Gesetz oder Gesellschaftsvertrag; vgl. Balz, DB 1988, 1305, 1305; Ernst, BB 1961, 377, 380; Fischer, FS Barz, 33, 45 ff.; Großfeld, WPg 1987, 698, 707; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 226; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 122 Rn. 3; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 544 ff. (allerdings differenzierend, vgl. noch Fn. 677); Mock, in: Röhricht/ Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 169 Rn. 4 (Kommanditist); Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, 1786; im Grundsatz auch Binz/Sorg, in: Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rn. 69 (Kommanditist); wohl auch Borges, in: Heymann, HGB, § 169 Rn. 12; Großfeld, NJW 1986, 955, 958; Priester, FS Quack, 373, 394 und Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 122 Rn. 17. 668) BFH, Urteil vom 12.3.1980 – II R 143/76 (= BFHE 130, 336 = BStBl. II 1980, 463). 669) Schulze-Osterloh, BB 1997, 1783, 1786. 670) Barz, FS Knur, 25, 26 („gewissermaßen eine zusätzliche Einlage“). 671) Ernst, BB 1961, 377, 380; Priester, FS Quack, 373, 394. 672) Barz, FS Knur, 25, 25 f. 673) Ernst, BB 1961, 377, 380; kritisch dazu Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 39.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

nahmebeschränkung des § 122 HGB gesehen.674) Im Falle eines Thesaurierungsinteresses der Gesellschaft sei die Abwägung unter leichter Tendenz zugunsten des Vollausschüttungsinteresses des Gesellschafters vorzunehmen.675)

c)

Gesetzliches Steuerentnahmerecht aus den gesellschaftsrechtlichen Aufwendungsersatzansprüchen (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB direkt oder analog)

283 Nach anderer Ansicht folgt ein gesetzliches Steuerentnahmerecht als handelsrechtlicher Aufwendungsersatzanspruch aus § 110 HGB in direkter676) oder analoger677) Anwendung. Macht der Gesellschafter in Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet (§ 110 Abs. 1 HGB).

284 Befürworter einer direkten Anwendung der Aufwendungsersatzvorschriften bewerten die Steuerzahlung auf Gesellschaftsgewinne als ersatzfähige Aufwendung des Gesellschafters in Gesellschaftsangelegenheiten.678) Der Gesellschafter erfülle zwar die eigene Steuerpflicht, die der Gesetzgeber ihm aufgrund der Steuersystematik zugewiesen habe, um Gesellschaftseinkünfte noch im Entstehungsjahr steuerlich erfassen zu können und Wettbewerbsvorteile von Personengesellschaften zu vermeiden.679) Der Gewinn werde aber in dem Vermögen der Gesellschaft erzielt und komme wirtschaftlich der Gesellschaft zugute.680) Der Gesellschafter zahle die Ein___________ 674) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 544 ff. insofern differenzierend (s. noch Fn. 677); nur insofern zustimmend Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 226. 675) Näher Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 226. 676) Hüttemann, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 39, 45; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 362; Lehmann, FS Heymann, 733, 735; Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 125; Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61; Ders., DStR 2001, 795, 800; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198 f.; Schön, StuW 2005, 247, 253; Ders., FS Beisse, 471, 487 f.; Ders., StuW 1988, 253, 259; Ulmer, FS Lutter, 935, 952; im Grundsatz auch Scholz, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. I 626a. 677) Gesell, in: Beck PersGes-HB, § 4 Rn. 146; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295; Ders., ZHR 171 (2007), 451, 462; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 546 ff. (allerdings differenzierend z. T. für eine treuepflichtbedingte Begrenzung des Gewinnentnahmerechts aus § 122 HGB und i. Ü. für die Analogie); wohl auch Hüttemann, Eigenständigkeit des Steuerrechts, 115, 119. 678) So z. B. Ulmer, FS Lutter, 935, 952; Schön, FS Beisse, 471, 487; Ders., StuW 1988, 253, 259; Nach Lehmann, FS Heymann, 733, 735, kann es sich alternativ um einen Verlust aus der Geschäftsführung i. S. v. § 110 HGB handeln. 679) Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 493 („technischer Anknüpfungspunkt“); Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61 („steuersystematische Erwägungen“); Ulmer, FS Lutter, 935, 952 („aus steuersystematischen Gründen“); Schön, StuW 2005, 247, 253. 680) Lehmann, FS Heymann, 733, 735; Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61; Schön, FS Beisse, 471, 488.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

kommensteuer „gleichsam für Rechnung der Gesellschaft“681). Materiell liege eine Gesellschaftsangelegenheit vor, da die Zurechnung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG lediglich als Ersatz für eine Steuerpflicht der Gesellschaft diene, sodass das Gesellschaftsvermögen steuerlich zu belasten sei.682) Die Belastung der Gesellschaft sei letztlich auch Konsequenz ihrer Kompetenz zu entscheiden, den Gesellschaftern den besteuerten Gewinn vorzuenthalten.683) Der Gesellschafter müsse nicht persönlich finanziell einstehen und „der Gesellschaft zu einer Quelle steuerfrei vereinnahmter Erträge […] verhelfen“684). Eine Belastung des Privatvermögens des Gesellschafters sei nach der gesetzlichen Wertung der § 110 HGB und § 707 BGB gerade nicht gewollt und würde in einer unzulässigen Nachschusspflicht resultieren.685) Zu einer lediglich entsprechenden Anwendung des § 110 HGB führt dagegen die An- 285 nahme einer eigenen Angelegenheit des Gesellschafters. Letzteres soll deshalb vorliegen, weil die Personengesellschaft „nach dem positiven Gesetzesrecht nicht als Einkommensteuersubjekt anzusehen ist“686). Die Analogie wird damit begründet, dass der Gesetzgeber diese Frage trotz ihrer Relevanz nicht geregelt hat und diese Gesetzeslücke planwidrig durch den nachträglichen Anstieg der Steuerbelastung entstanden sei, wobei die Interessenlage insofern vergleichbar sei, als die Besteuerung aus den von den Vertretern der direkten Anwendung des § 110 HGB genannten Gründen wertungsmäßig eine Gesellschaftsangelegenheit sei.687) Vereinzelt wird innerhalb dieser Ansicht insofern differenziert, als für die GbR eine 286 Analogie zu den Aufwendungsersatzvorschriften der §§ 713, 670 BGB angezeigt sein soll – mit gleicher Begründung.688) Nach §§ 713, 670 BGB kann der geschäftsführende Gesellschafter Ersatz seiner Aufwendungen von der Gesellschaft verlangen, wenn er Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf.689)

___________ 681) Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61. 682) Letzteres gilt jedenfalls, solange die Gewinne dem Gesellschafter nicht zufließen (näher Schön, FS Beisse, 471, 488; Ders., StuW 1988, 253, 258). Zu der fehlenden Steigerung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters durch nicht entnahmefähige Gewinne Rn. 391 ff. 683) Lehmann, FS Heymann, 733, 735; Schön, StuW 1988, 253, 259. 684) Ulmer, FS Lutter, 935, 952. 685) Priester, DStR 2001, 795, 800; Ulmer, FS Lutter, 935, 952; zu § 707 BGB auch Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 545. 686) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 547. 687) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 548 ff.; a. A. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 227. 688) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 548 ff. 689) In der GbR sind dabei grundsätzlich alle Gesellschafter zur Geschäftsführung berufen, § 709 Abs. 3 BGB.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

d) Stellungnahme 287 Überzeugend ist letztgenannte Auffassung, die dem Gesellschafter ein Steuerentnahmerecht nach § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in analoger Anwendung zuerkennt. Der Gesellschafter macht mit der Einkommensteuerzahlung eine Aufwendung, die wertungsmäßig in Gesellschaftsangelegenheiten liegt, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf.690)

288 Dem Vorliegen einer Aufwendung wird vereinzelt entgegengehalten, es fehle einer Steuerzahlung des Gesellschafters an der notwendigen Freiwilligkeit, da der Gesellschafter zu der Entrichtung verpflichtet sei.691) Dagegen ist einzuwenden, dass die Freiwilligkeit nur bei einer Verpflichtung des Gesellschafters im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft fehlt.692) Eine solche ist hier, vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Gestaltung, nicht ersichtlich. Zahlungspflichten gegenüber Dritten (hier: der Finanzbehörde) sind indes für die Freiwilligkeit nicht maßgeblich.693) Zudem umfassen Aufwendungsersatzansprüche nach heute anerkanntem Verständnis ohnehin auch unfreiwillige Vermögensopfer.694)

289 Problematisch ist das Vorliegen einer Gesellschaftsangelegenheit (§ 110 HGB). Diese erfordert objektiv ein Handeln im Geschäftskreis der Gesellschaft und subjektiv die Verfolgung von Gesellschaftsinteressen.695) Das Merkmal ist weit zu verstehen und schließt lediglich Aufwendungen im eigenen Interesse des Gesellschafters aus, auch wenn eine Verbindung zur Mitgliedschaft besteht.696) Einerseits spricht für eine Gesellschaftsangelegenheit vor allem, dass die Einkünfte von der Gesellschaft erzielt

___________ 690) Für die Frage, ob der Gesellschafter die Aufwendung den Umständen nach subjektiv „für erforderlich halten durfte“ kommt es auf den objektiven Standpunkt eines sorgfältig handelnden Gesellschafters an (dazu z. B. Langhein, in: MüKo HGB, § 110 Rn. 16), sodass dieses bei Zahlung der Einkommensteuer nicht problematisch erscheint. 691) Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 56; Steuerzahlungen des Gesellschafters sollen freiwillig sein, wenn die Gesellschaft Steuerschuldner ist, nicht jedoch bei eigener Steuerschuldnerschaft des Gesellschafters (Langhein, in: MüKo HGB, § 110 Rn. 11; Lieder, in: Oetker, HGB, § 110 Rn. 7 m. w. N.); wohl auch Wertenbruch, in: Westermann/ Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. I 637. 692) BGH, Urteil vom 29.9.2015 – II ZR 403/13 (= BGHZ 207, 54); BGH, Urteil vom 20.6.2005 – II ZR 252/03; Finckh, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 110 Rn. 11; So ändert z. B. auch die Haftung nach § 128 HGB nichts an der Freiwilligkeit (Schäfer, in: Staub, HGB, § 110 Rn. 12). 693) Ebenso Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 547. 694) Dies kommt ausdrücklich in § 110 Abs. 1 Alt. 2 HGB zum Ausdruck (s. a. Bergmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 1; Schäfer, in: Staub, HGB, § 110 Rn. 1). Gleiches gilt für den Anspruch aus §§ 713, 670 BGB (Stengel, in: Beck PersGes-HB, § 3 Rn. 77 ff.; v. Ditfurth, in: Münch. Hdb. GesR I, § 7 Rn. 19). 695) Z. B. Langhein, in: MüKo HGB, § 110 Rn. 13; Schäfer, in: Staub, HGB, § 110 Rn. 13. 696) Faust, FS K. Schmidt, 357, 366.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

und nur steuersystematisch bei dem Gesellschafter erfasst werden.697) Dem Gesellschafter werden die Einkünfte nach überzeugender Auffassung als fremde Einkünfte der Gesellschaft und nicht als originär eigene Einkünfte zugerechnet.698) Den Vertretern der direkten Anwendung des § 110 HGB ist daher darin zuzustimmen, dass wertungsmäßig eine Gesellschaftsangelegenheit vorliegt.699) Andererseits ist der Gesellschafter aber nach der eindeutigen positivgesetzlichen Regelung des Einkommensteuergesetzes selbst Steuerschuldner und erfüllt mit der Einkommensteuerzahlung eine eigene Verpflichtung.700) Einer Gesellschaftsangelegenheit steht es zwar nicht per se entgegen, wenn der Gesellschafter auch eine eigene Pflicht erfüllt und gegen die eigene Inanspruchnahme vorsorgt.701) Wenn aber die Verfolgung eigener Interessen die gesellschaftsrechtlichen Ziele eindeutig überwiegt, liegt keine Gesellschaftsangelegenheit mehr vor.702) Hier ist ausschließlich der Gesellschafter gesetzlich nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG verpflichtet. Der Gesellschaft droht zu keinem Zeitpunkt eine Inanspruchnahme seitens der Finanzbehörde für die Steuer.703) Die Begleichung einer eigenen Steuerverbindlichkeit durch den Gesellschafter kann damit nicht mehr als Gesellschaftsangelegenheit i. S. v. § 110 HGB qualifiziert werden.704) Zugleich liegen aber die Voraussetzungen einer Analogie vor. Dies ist die Anwen- 290 dung einer eigentlich nicht einschlägigen Norm auf einen Sachverhalt, der gesetzlich nicht geregelt ist und eine vergleichbare Interessenlage wie der geregelte Sachverhalt aufweist.705) ___________ 697) Z. B. Schön, FS Beisse, 471, 488 („Steuerpflicht ist jedoch materiell begründet in den „Angelegenheiten der Gesellschaft““); s. bereits Rn. 283 ff.; Diese Einkünfte betreffen (jdf. zunächst) nur die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, worauf im 5. Teil ausführlich zurückgekommen wird. 698) Der Gesellschafter erzielt die Einkünfte nicht selbst, sodass Gewinnerzielungssubjekt und Steuersubjekt unterschiedlich sind, nach a. A. wirken die Gesellschafter arbeitsteilig zusammen, sodass es um originär eigene Einkünfte der Gesellschafter geht (wie hier etwa Hüttemann, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 39, 43 f. m. w. N. auch zur Gegenansicht). 699) So auch Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 550, der i. Erg. differenziert und ggf. eine Analogie befürwortet („bei materiell-verfassungsbezogener Betrachtung“); K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200 (Steuerzahlung als „in Vorlage treten“ für die Gesellschaft). 700) Dazu etwa auch Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 548. 701) BGH, Urteil vom 29.9.2015 – II ZR 403/13 (= BGHZ 207, 54); BGH, Urteil vom 20.6.2005 – II ZR 252/03; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. I 406 ff. 702) Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 110 Rn. 5a; Langhein, in: MüKo HGB, § 110 Rn. 13; Lieder, in: Oetker, HGB, § 110 Rn. 7; Schäfer, in: Staub, HGB, § 110 Rn. 7 und 13. 703) Ähnlich Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. I 637. 704) Nur insoweit überzeugend OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16 und Wertenbruch, in: Westermann/ Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. I 637; im Ergebnis auch Kindler, in: Koller/Kindler/ Roth/Drüen, HGB, § 110 Rn. 3 und Schäfer, in: Staub, HGB, § 110 Rn. 17. 705) Ausführlich Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. und 381 ff.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

291 Hier ist eine planwidrige Gesetzeslücke nachträglich entstanden, denn es fehlt an einer Kodifizierung des Steuerentnahmerechts des Personengesellschafters.706) Der Gesetzgeber hatte aufgrund der vernachlässigbar geringen Steuerbelastung zuerst keinen Anlass, dieses Recht zu regeln.707) Der Regelungsbedarf entstand erst nachträglich durch den erheblichen Anstieg der Steuerbelastung.708) Gegen das Vorliegen einer Gesetzeslücke wird vorgebracht, in § 122 HGB sei das Bedürfnis nach einer Gewinnentnahme hinreichend berücksichtigt.709) Das Steuerentnahmerecht betrifft aber nicht nur Fälle des § 122 HGB. Die Regelung des § 122 HGB zielt darauf, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Gesellschaft an der Deckung des für ihre Ziele erforderlichen Kapitalbedarfs und demjenigen des Gesellschafters an Auszahlungen zu schaffen.710) Das Entnahmerecht des § 122 HGB soll dabei nach teilweise vertretener Ansicht auch der Finanzierung von persönlichen Steuern des Gesellschafters dienen.711) Speziell das Kapitalentnahmerecht dient der Sicherung der Lebenshaltungskosten des Gesellschafters (sog. Alimentierungsfunktion).712) Das Steuerentnahmerecht hat allerdings eine darüber hinausgehende Kompensationsfunktion. Gerade wenn der Gesellschafter den zur Steuerzahlung erforderlichen Betrag nicht aus dem zu versteuernden Gewinn erhält, wird es relevant.

292 Die Interessenlage bei einem Steuerentnahmerecht ist mit derjenigen bei handelsrechtlichen Aufwendungsersatzansprüchen vergleichbar, da die Steuern wertungsmäßig eine Gesellschaftsangelegenheit darstellen, für die der Gesellschafter in Vorleistung tritt.713) Zweifel an einer Vergleichbarkeit der Interessenlage gehen dahin, dass der Steuergesetzgeber die Steuerzahlung auf Einkünfte der Personengesellschaft bewusst zu einer Angelegenheit der Gesellschafter gemacht habe.714) Selbst ___________ 706) Vgl. Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 548 ff. 707) Näher Ernst, BB 1961, 377, 377 (i. Erg. für ein Steuerentnahmerecht aus § 242 BGB); Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 39 f. (i. Erg. für ein Steuerentnahmerecht im Einzelfall); ebenso Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 541 – die Steuerbelastung sei um die Jahrhundertwende vernachlässigbar gering gewesen. 708) Ebenso Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 548 f.; allg. zu dem Entstehen nachträglicher Lücken Larenz, Methodenlehre, S. 379. 709) Näher Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 227. 710) Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 1; Finckh, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 122 Rn. 1; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 128 Rn. 1; s. a. Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 1 („Verwirklichung des Gesellschaftszwecks gegen den Abzug finanzieller Ressourcen zu verteidigen“); 711) Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 1; Lieder, in: Oetker, HGB, § 122 Rn. 2. 712) Der Gesellschafter soll damit in die Lage versetzt werden, seine Arbeitskraft unabhängig von der aktuellen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft dieser widmen zu können (näher Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 1; Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 1 jeweils m. w. N.). 713) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 549; allg. dazu, wann Tatbeständen „gleich zu bewerten“ sind, Larenz, Methodenlehre, S. 381 f. 714) Näher Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 228.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

wenn man das Steuerentnahmerecht als verfassungsrechtlich notwendig erachte, würden „durch die analoge Anwendung des § 110 HGB die Wertungen des Steuergesetzgebers vollständig ignoriert“715). Dies überzeugt nicht. Die transparente Gestaltung der Mitunternehmerbesteuerung soll vor allem ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile der Personengesellschaft verhindern.716) Die Steuerschuldnerschaft des Gesellschafters soll die zeitnahe steuerliche Erfassung der Gesellschaftseinkünfte sicherstellen.717) Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Einkommensteuer den Gesellschaftern der Personengesellschaft zugeordnet hat, kann aber keine (steuer)gesetzgeberische Wertung hergeleitet werden, nach der die Steuer den Gesellschafter auch im Innenverhältnis belasten soll. Die Besteuerung des Gesellschafters hat vielmehr steuersystematische Gründe, ändert aber nichts daran, dass bei materiellrechtlicher Betrachtung eine Gesellschaftsangelegenheit vorliegt.718) Geht der Gesellschafter für diese mit seinem Privatvermögen in Vorleistung, ist die Interessenlage durchaus vergleichbar mit der handelsrechtlichen Aufwendung in Gesellschaftsangelegenheiten. So hätte der Gesellschafter etwa in den Steuerarten, die eine Direktbesteuerung der Gesellschaft vorsehen, nach Begleichung einer Steuerschuld der Gesellschaft ebenfalls einen Regressanspruch.719) Das Steuerentnahmerecht ist zudem verfassungsrechtlich indiziert und vermag dem Gesellschafter steuerliche Leistungsfähigkeit zu vermitteln.720) Es widerspricht steuerrechtlichen Wertungen nicht, sondern verhilft ihnen zur Durchsetzung. Entsprechendes gilt für den Aufwendungsersatzanspruch des GbR-Gesellschafters 293 (§§ 713, 670 BGB). Die Aufwendung des Gesellschafters erfolgt bei § 670 BGB „zum Zwecke der Ausführung eines Auftrags“. Der Einwand, es fehle an einem Auftrag der Gesellschaft bezüglich der Steuerzahlung721), steht nicht entgegen. Eine direkte Anwendung der Normen scheidet zwar aus, aus den vorstehend dargelegten Gründen liegen aber die Voraussetzungen einer Analogie vor.722) ___________ 715) 716) 717) 718) 719)

720) 721) 722)

Näher Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 228 f. Es gilt das sog. Gebot der Wettbewerbsneutralität, dazu noch unter Rn. 418 ff. Vgl. Nachweise unter Rn. 420. Ähnlich etwa Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61; Ulmer, FS Lutter, 935, 952; Schön, StuW 2005, 247, 253. Wie für andere Gesellschaftsverbindlichkeiten haften die Gesellschafter der Personengesellschaft persönlich und unbeschränkt (bzw. der Kommanditist beschränkt) für Steuerverbindlichkeiten, bei denen die Gesellschaft Steuersubjekt ist, z. B. Gewerbe- und Umsatzsteuer (Eberhard, in: Beck PersGes-HB, § 12 Rn. 133); Wird der Gesellschafter für eine solche Steuerverbindlichkeit anstelle der Gesellschaft in Anspruch genommen, steht ihm ein Regressanspruch zu (so etwa Schäfer, in: Staub, HGB, § 110 Rn. 17, allerdings a. A. bzgl. persönlicher Steuern des Gesellschafters wie der ESt). Dazu noch näher im 5. Teil. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. Die vorstehende Argumentation zur analogen Anwendung von § 110 HGB gilt entsprechend.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

294 Der Rückgriff auf die Treuepflicht (§ 242 BGB) zur Herleitung des gesetzlichen Steuerentnahmerechts ist damit entbehrlich.723) Ein mit dieser Pflicht begründetes Recht ist nicht nur „in seinen Voraussetzungen wenig bestimmt“724). Das Treuepflichtkonzept wird der Konstellation auch nicht gerecht, insbesondere weil es bei der Steuerentnahme nicht lediglich um Loyalität oder Rücksichtnahme zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, sondern um den verbindlichen Ausgleich der gesetzlichen Steuerbelastung des Gesellschafters aufgrund von Gesellschaftsangelegenheiten geht.725) Für eine Interessenabwägung, wie sie im Rahmen der Treuepflichtprüfung geboten ist, ist daher kein Raum.726)

295 Das Argument des BFH gegen ein Steuerentnahmerecht, das Gesetz kenne kein Entnahmerecht neben § 122 HGB, kann schon deshalb nicht überzeugen, weil das Gesetz von einer Vollausschüttung ausgeht und der Gesetzgeber aufgrund der ursprünglich geringen Steuerlast auch keinen Anlass für eine entsprechende Regelung sehen musste.727) Gerade aus diesem Grund ist die Analogie erforderlich. Der Hinweis auf die vermeintlich beeinträchtigte Privatautonomie verfängt ebenfalls nicht, denn ein Verzicht auf das Entnahmerecht bleibt dem Gesellschafter unbenommen – der Status als gesetzliches Recht steht der Dispositionsbefugnis nicht entgegen.728) Auch die Mitwirkungsrechte des Gesellschafters an gewinnverwendenden Bilanzierungsentscheidungen und die ausnahmsweise mögliche Gewährung des Steuerentnahmerechts durch den Tatrichter führen zu keinem anderen Ergebnis. Sie genügen einem angemessenen Minderheitenschutz nicht. Denn der Gesellschafter ist damit weder hinreichend vor Mehrheitsbeschlüssen geschützt noch bedarf er des Steuerentnahmerechts nur im Einzelfall.729) Der Gesellschafter könnte nach der Rechtsprechung des BGH und überwiegender Ansicht das Recht nicht einseitig verwirklichen, vielmehr müsste es ihm erst zuerkannt und könnte ihm gegen seinen Willen entzogen werden.730) Damit sprechen auch die Gesichtspunkte des Minderheitenschutzes und der Rechtssicherheit gegen diese Lösung. ___________ 723) So bereits Schön, FS Beisse, 471, 488. 724) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198; ähnlich Werner, StBW 2013, 1163, 1164 („Voraussetzungen wenig konturiert“). 725) Zutreffend Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 550 f. 726) Zutreffend Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 550 f. 727) Binz/Sorg, DB 1996, 969, 972; weiterführend Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 541; beide auch zu der mangelnden Überzeugungskraft der Argumentation im konkreten Kontext der Entscheidung; s. a. Schäfer, in: Staub, HGB, § 122 Rn. 301. 728) Richtigerweise ist das gesetzliche Steuerentnahmerecht, wie andere Ansprüche nach § 110 HGB, durch rechtsgeschäftliche Regelung abdingbar. Zur Dispositivität von § 110 HGB z. B. Finckh, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, HGB § 110 Rn. 27; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198. 729) Vgl. Fischer, FS Barz, 33, 36 („Bedürfnis für die Anerkennung eines gesicherten Schutzbereichs für den einzelnen Gesellschafter“) und 45 ff. 730) Ähnlich K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198; im Anschluss Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

Eine Ablehnung des gesetzlichen Steuerentnahmerechts ließe sich auch kaum mit 296 dem Rechtsgedanken des § 707 BGB vereinbaren. Die Einkommensteuerzahlung würde dem Gesellschafter im Ergebnis eine Nachschusspflicht auferlegen und damit der Wertung des § 707 BGB widersprechen.731) Denn diese Norm soll den Gesellschafter gerade davor bewahren, über die konkret vereinbarten Beiträge hinaus Leistungen an die Gesellschaft erbringen zu müssen.732) Der Verweis auf § 707 BGB geht nicht deshalb fehl, weil es sich um eine persönliche Steuerverpflichtung des Gesellschafters handelt.733) Der Gesellschafter ist zwar nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG Steuerschuldner, wertungsmäßig handelt es sich jedoch um eine Gesellschaftsangelegenheit.734) Müsste der Gesellschafter die gesellschaftsbezogene Einkommensteuer aus seinem Privatvermögen bestreiten, wäre er finanziell noch stärker belastet als bei der problematischen Praxis des „Aushungerns“ durch weitreichende Thesaurierungen.735) Mithin steht dem Gesellschafter der werbenden Personengesellschaft ein gesetzliches 297 Steuerentnahmerecht zu, welches sich überzeugend aus § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in analoger Anwendung herleiten lässt.

2.

Insolvenzfestigkeit von Steuerentnahmerechten

Kaum diskutiert wird bislang, wie sich die Insolvenz der Gesellschaft auf vertraglich 298 vereinbarte und/oder gesetzliche Steuerentnahmerechte auswirkt – solche könnten fortbestehen, entfallen oder eingeschränkt werden.

a) Meinungsstand Soweit Rechtsprechung und Literatur sich mit dem Thema befassen, nehmen sie 299 an, ein vertragliches Steuerentnahmerecht erlösche in der Insolvenz der Personengesellschaft. Nachdem der BGH diese Frage zunächst ausdrücklich offengelassen hatte736), hat er im Jahr 2016 in einer Entscheidung zur Kapitalertragsteuer ausgeführt, in der Insolvenz der Gesellschaft seien die Gesellschafter, „selbst wenn im Gesellschaftsvertrag ein Steuerentnahmerecht vereinbart sein sollte, wegen des al___________ 731) Binz/Sorg, DB 1996, 969, 972; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 545; Priester, DStR 2001, 795, 800; Ulmer, FS Lutter, 935, 952; ähnlich Westermann, FS v. Caemmerer, 657, 663. 732) Ausführlich etwa Armbrüster, ZGR 2009, 1, 8 ff. 733) So aber Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. I 637. 734) Dazu bereits Rn. 287 ff. 735) Schön, FS Beisse, 471, 487; Winter, in: Winter, Beratungspraxis, Steuerentnahmerechte Rn. S175; ähnlich Großfeld, NJW 1986, 955, 957 (Steuerlast könne „praktisch eine Enteignung bewirken“). 736) Ein Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen einen Kommanditisten wegen abgeführter Kapitalertragsteuer war jedenfalls verjährt (BGH, Urteil vom 16.4.2013 – II ZR 118/11 (= BFH/NV 2013, 1375)); Die Vorinstanz (OLG Jena, Urteil vom 2.5.2011 – 9 U 927/10) hatte ein Steuerentnahmerecht in der Insolvenz abgelehnt.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

leinigen Verfügungsrechts des Insolvenzverwalters nicht mehr berechtigt, von ihnen zu zahlende Einkommen- oder Körperschaftsteuerbeträge aus der Insolvenzmasse zu entnehmen“737). Dem hat sich insbesondere das OLG Stuttgart in Bezug auf Einkommensteuerzahlungen angeschlossen, zu denen Kommanditisten einer insolventen KG herangezogen worden waren.738)

300 Ein gesetzliches Steuerentnahmerecht spricht diese wohl überwiegende Ansicht dem Gesellschafter der insolventen Personengesellschaft gleichermaßen ab. Gerade die Rechtsprechung lehnt dieses Recht, wie oben dargestellt, ohnehin bereits für die werbende Gesellschaft ab.739) In der Insolvenz soll nichts anderes gelten.740) Zur Begründung heißt es, der Gesellschafter müsse wie außerhalb der Insolvenz persönliche Steuern aus seinem Privatvermögen entrichten. Denn die Steuerzahlung sei allein Pflicht und Angelegenheit des Gesellschafters, nicht der Gesellschaft. Ungeachtet gesellschaftsvertraglicher Regelungen könne es in der Insolvenz der Gesellschaft wegen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters keine Steuerentnahmerechte geben. Die eigene Steuerschuld des Gesellschafters dürfe nicht die Insolvenzmasse der Gesellschaft schmälern. Die von dem Verwalter erzielten Einkünfte stünden der Masse zu, weshalb ein Gesellschafter Rechte auf Entnahme von Einkommensteuer jedenfalls nicht mehr ausüben dürfe. Umgekehrt müsse er der Gesellschaft die bei ihr erhobene Kapitalertragsteuer, die wie eine Entnahme zu behandeln sei, erstatten.741) Auch die Literatur betont, Leistungen einer insolventen Gesellschaft an ihre Gesellschafter seien grundsätzlich unzulässig.742) Ein vertraglich vereinbartes Steuerentnahmerecht werde in der Insolvenz der Gesell___________ 737) Der BGH bejahte einen Anspruch des Insolvenzverwalters einer KG gegen den Kommanditisten auf Erstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlägen (Zinsabschlägen) in die Insolvenzmasse (BGH, Urteil vom 5.4.2016 – II ZR 62/15; mit demselben Ergebnis die Vorinstanz OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.2.2015, I-6 U 121/14); dieser Ansicht zustimmend etwa Bodden, in: Korn, EStG, § 15 Rn. 66.13; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 398. 738) OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16; zustimmend Kesseler/Kilian/Sommer/Stelmaszczyk/ Wachter/Wartenburger/Wegerhoff, in: Wachter, Handels- und Gesellschaftsrecht, § 9 Rn. 623; in diese Richtung zuvor schon LG Freiburg, Urteil vom 3.8.1999 – 12 O 39/99. 739) Dazu schon Rn. 277 ff. 740) BGH, Urteil vom 5.4.2016 – II ZR 62/15; Die von dem BGH bestätigte Vorinstanz führte ausdrücklich aus, wenn der Gesellschafsvertrag kein Steuerentnahmerecht vorsehe, sei auch kein Grund ersichtlich, aus dem in der Insolvenz ein solches Recht entstehen sollte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.2.2015, I-6 U 121/14); zur Insolvenz außerdem OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. 741) Zum Ganzen BGH, Urteil vom 5.4.2016 – II ZR 62/15; OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16; in diese Richtung bereits Schöne/Ley, DB 1993, 1405, 1410. 742) Mitlehner, NZI 2002, 143, 145; Werner, StBW 2013, 1163, 1166 (bzgl. Entnahmen); Wertenbruch, EWiR 2016, 459, 460.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

schaft „irrelevant“743). Ein Anspruch aus dem Gesellschaftsvertrag auf Auskehr etwaiger Überschüsse trete in der Insolvenz „gemäß § 199 InsO auf die letzte Rangstufe hinter sämtliche Gläubiger zurück“744). Die Gegenansicht plädiert für das Fortbestehen bzw. Bestehen des Steuerentnahme- 301 rechts in der Insolvenz.745) Es sei zur Korrektur unangemessener Zurechnungsfolgen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG notwendig, dem Gesellschafter ein gesetzliches Steuerentnahmerecht (§ 110 HGB analog) zuzuerkennen, das auch in der Insolvenz der Gesellschaft aus der Masse zu bedienen sei.746) Zwar seien aufgrund der Stellung des Insolvenzverwalters (§ 80 InsO) Ausschüttungsbeschlüsse in der Insolvenz nicht mehr möglich, das Entnahmerecht als gesetzliches Recht sei aber unabhängig von solchen Beschlüssen.747) Es gebe keinen sachlichen Grund, das Steuerentnahmerecht entfallen zu lassen und damit die Gläubiger der Personengesellschaft besser zu stellen als außerhalb der Insolvenz.748) Das Schicksal eines zuvor vertraglich vereinbarten Steuerentnahmerechts in der Insolvenz bleibt indes offen. Inzwischen soweit ersichtlich nicht mehr vertreten wird das Entstehen eines gesetz- 302 lichen Steuerentnahmerechts gerade in der Insolvenz der Gesellschaft, da zwischen dem Insolvenzverwalter und den Gesellschaftern der Personengesellschaft ein gesetzliches Schuldverhältnis bestehe, das den Verwalter zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschafter verpflichtet.749) Dieser Ansatz wies ohnehin eine geringe Überzeugungskraft auf.750) Vereinzelt wird aber anstelle eines Steuerentnahmerechts speziell für die Insolvenz 303 ein Erstattungsanspruch des Gesellschafters wegen Bereicherung aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Erwägung gezogen.751) Darauf wird zurückzukommen sein.752) ___________ 743) Werner, StBW 2013, 1163, 1165. 744) So Kruth, DStR 2013, 2224, 2227, der im Ergebnis ein Steuerentnahmerecht in der Insolvenz bejaht. 745) Unter Verweis auf § 110 HGB (K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199 f.; im Anschluss Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 120) oder den Gesichtspunkt der Treuepflicht (Möller, GWR 2016, 280, 280); wohl auch Andres, in: Runkel/Schmidt, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 219 (die Rechtsgrundlage offenlassend). 746) Kruth, DStR 2016, 1871, 1874; zu der str. Einordnung des Steuerentnahmerechts als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit vgl. Rn. 322 ff. 747) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199. 748) Kruth, DStR 2016, 1871, 1874. 749) So noch Kruth, DStR 2013, 2224, 2228. Der Autor befürwortet nunmehr ein gesetzliches Steuerentnahmerecht entsprechend § 110 HGB in und außerhalb der Insolvenz (vgl. Kruth, DStR 2016, 1871, 1874). 750) Dies gilt schon deshalb, weil es bei dem Steuerentnahmerecht nicht lediglich um eine Rücksichtnahmepflicht des Verwalters geht. Das Bedürfnis nach einem Steuerentnahmerecht besteht zudem nicht nur in der Insolvenz, sondern ist auch in der werbenden Personengesellschaft problematisch (dazu bereits ausführlich Rn. 277 ff.). 751) So Thole, NZI 2016, 884, 885; dagegen Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 3. 752) Vgl. Rn. 342 ff.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

b) Stellungnahme aa) Kapitalertragsteuer – Vergleichbarkeit 304 Bevor auf die inhaltlichen Aspekte des Steuerentnahmerechts in der Insolvenz im Einzelnen eingegangen wird, ist zu berücksichtigen, dass die vorzitierte Rechtsprechung ganz überwiegend zur Kapitalertragsteuer ergangen ist.753) Bei dieser handelt es sich um eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer durch Steuerabzug an der Quelle.754) Unterliegen Kapitalerträge einer Personengesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Kapitalertragsteuer, führt das Kreditinstitut die Steuer auf diese Kapitalerträge direkt an das Finanzamt ab.755) Das Kreditinstitut agiert als Zahlstelle für Rechnung des Gesellschafters, der Schuldner der Kapitalertragsteuer ist.756) Den verbleibenden Nettobetrag der Kapitalerträge schüttet es an die Gesellschaft aus.757) Dem Gesellschafter ist die abgeführte Kapitalertragsteuer auf seine Einkommensteuerschuld anzurechnen.758) Die Rechtsprechung759) behandelt die Kapitalertragsteuererhebung so, als habe die nicht steuerpflichtige Gesellschaft den Brutto-Kapitalertrag erhalten und davon eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld des Gesellschafters geleistet. Vermögensmäßig sei der Kapitalertragsteuerabzug daher als Abzug vom Gesellschaftskapital zu bewerten und der Vorteil des Gesellschafters in Form der Minderung oder Erstattung von Einkommensteuer als Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen.

305 Diskutiert wird deshalb ein Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter auf Erstattung abgeführter Kapitalertragsteuer.760) Damit ist die Anspruchsrichtung bei der Frage nach Kapitalertragsteuer und Einkommensteuer umgekehrt. Dies ist aller___________ 753) Vgl. BGH, Urteil vom 5.4.2016 – II ZR 62/15; BGH, Urteil vom 16.4.2013 – II ZR 118/11 (= BFH/NV 2013, 1375). 754) Allg. dazu Jachmann-Michel/Lindberg, in: Blümich, EStG, § 43 Rn. 8 f.; speziell für Personengesellschaften Kruth, DStR 2016, 1871, 1871; Ders., DStR 2013, 2224, 2224 f. sowie Werner, StBW 2013, 1163, 1164 f. 755) Z. B. Zinsen und Dividenden, vgl. insb. §§ 43, 44 EStG. 756) Vgl. z. B. Werner, StBW 2013, 1163, 1164 f. m. w. N. 757) Vgl. z. B. Werner, StBW 2013, 1163, 1164 f. m. w. N. 758) Vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. 759) BGH, Urteil vom 5.4.2016 – II ZR 62/15 (für die Insolvenz); BGH, Urteil vom 16.4.2013 – II ZR 118/11 (= BFH/NV 2013, 1375); BGH, Urteil vom 30.1.1995 – II ZR 42/94 (jeweils für die werbende Gesellschaft); zustimmend Kruth, DStR 2016, 1871, 1871 ff. sowie Ders., DStR 2013, 2224, 2225. 760) Nach wohl h. M. muss der Gesellschafter der werbenden Gesellschaft Kapitalertragsteuern nur zurückerstatten, wenn der Gesellschaftsvertrag kein Entnahmerecht regelt. Dagegen soll er immer zur Rückerstattung an die insolvente Gesellschaft verpflichtet sein, wobei der Rechtsgrund str. ist (Gesellschafts- oder Bereicherungsrecht). Nach a. A. hat die Gesellschaft keinen Erstattungsanspruch gegen den Gesellschafter (Überblick über den Streitstand zur Kapitalertragsteuer z. B. bei OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16).

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

dings der unterschiedlichen Erhebungsart bzw. technischen Gestaltung der Steuern geschuldet. Es geht in beiden Fällen darum, ob die zur Begleichung einer Steuerschuld des Gesellschafters nötigen Beträge ausgeschüttet werden oder in der Gesellschaft verbleiben. Die Interessenlage der Beteiligten und die Wertungen sind insofern vergleichbar. Die Argumentation zur Kapialertragsteuererstattungspflicht des Gesellschafters lässt sich hier also grundsätzlich heranziehen.

bb) Steuerentnahmerecht aus Aufwendungsersatzvorschriften in der Insolvenz Dem Gesellschafter der werbenden Personengesellschaft steht, soweit er nicht oh- 306 nehin nach rechtsgeschäftlicher Vereinbarung (etwa im Gesellschaftsvertrag) Beträge zur Begleichung seiner persönlichen Steuern zu entnehmen berechtigt ist, ein gesetzliches Steuerentnahmerecht aus § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in analoger Anwendung zu.761) An den oben dargelegten Voraussetzungen dieses Rechts ändert die Insolvenz der 307 Gesellschaft zunächst nichts. Auch in der Insolvenz leistet der Gesellschafter mit seiner Einkommensteuerzahlung eine Aufwendung, die wertungsmäßig eine Angelegenheit der Gesellschaft ist und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte; eine Ersatzpflicht der Gesellschaft regelt das Gesetz jedoch trotz des erheblichen Interesses daran planwidrig nicht.762) Im Insolvenzfall kommt das grundlegende Bedürfnis des Gesellschafters, den für seine Einkommensteuerzahlung erforderlichen Betrag zu entnehmen, sogar um so eher zum tragen, da typischerweise keine Gewinnauskehrung mehr erfolgt.763) Der Einwand, der Gesellschafter der insolventen Gesellschaft habe die gesamte Steuer aus seinem Privatvermögen zu begleichen, da es sich um seine persönliche Steuerpflicht handele, überzeugt nicht. Wie zu der werbenden Gesellschaft ausgeführt, ist der Gesellschafter zwar nach dem Gesetz Steuerschuldner, was allerdings steuersystematische Gründe hat und nichts an dem Vorliegen einer materiellen Gesellschaftsangelegenheit ändert, sondern nur dazu führt, dass die Aufwendungsersatzvorschriften nicht direkt, sondern analog anwendbar sind.764) Die Vorgaben des Insolvenzrechts könnten das gesetzliche Steuerentnahmerecht in der 308 Insolvenz der Personengesellschaft allerdings entfallen lassen. Das wesentliche Argument gegen Steuerentnahmerechte in der Insolvenz ist die alleinige Verwaltungsund Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters (§ 80 InsO). Diese soll einem Regress des Gesellschafters unter mehreren Gesichtspunkten entgegenstehen. Zum einen ___________ 761) Vgl. Rn. 277 ff. 762) Vgl. i. E. oben unter Rn. 287 ff. 763) In diese Richtung auch K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 194. 764) Vgl. Rn. 287 ff.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

stünden von dem Verwalter erzielte Einkünfte der Insolvenzmasse zu, welche nicht durch Steuerentnahmen geschmälert werden dürfe.765) Zum anderen seien Entnahmen des Gesellschafters in der Insolvenz unzulässig, er dürfe auf das Gesellschaftsvermögen nicht mehr zugreifen, sondern sei mit etwaigen Ansprüchen auf die letzte Rangstufe nach allen anderen Gläubigern verwiesen.766)

309 Richtig ist zwar im Ausgangspunkt, dass die Masse dem Insolvenzbeschlag unterliegt und von dem Insolvenzverwalter erwirtschaftete Einkünfte in die Masse fallen (§§ 35, 80 InsO). Nicht selbstverständlich ist allerdings die Annahme, dass der Masse Gewinne „brutto und steuerfrei“767) zustehen. Schon die werbende Gesellschaft ist nicht berechtigt, mit Bruttoerträgen zu wirtschaften.768) Es ist nicht so, als dürfe die Gesellschaft unversteuerte Gewinne nutzen, um z. B. die eigenen Gläubiger zu befriedigen, während der Gesellschafter die Steuern aus seinem Privatvermögen zu zahlen hat.769) Der Gesellschafter kann Steuern auf Gesellschaftsgewinne vielmehr aus (Gesellschafts-)Vermögen begleichen, welches entweder an ihn zur Ausschüttung gelangt oder – soweit die Steuer den Ausschüttungsbetrag übersteigt – welches ihm aufgrund eines Steuerentnahmerechts zusteht (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB analog). Sein Privatvermögen belasten sie also nicht. Hintergrund ist, dass die Steuer richtigerweise dasjenige Vermögen zu treffen hat, welches von einer entsprechenden Vermögensmehrung profitiert.770) So ist die Versteuerung einbehaltener Gewinne eben keine Privatsache des Gesellschafters.771) In der Insolvenz kann nichts anderes gelten. Aus den Vorschriften der Insolvenzordnung ergibt sich, dass den Gesellschaftsgläubigern gerade das Vermögen des Schuldners (hier: der Gesellschaft) als Masse zur Verteilung gelangen soll – nicht mehr und nicht weniger.772) Der Masse stehen also wie in der werbenden Personengesellschaft keine Bruttoerträge zu. Einzelne insolvenzrechtliche Regelungen verdeutlichen dies. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO gehören zu den Masseverbindlichkeiten insbesondere Steuern, die der Insolvenzverwalter durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse aus___________ 765) 766) 767) 768) 769)

770) 771) 772)

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S. Nachweise unter Rn. 299 f. S. Nachweise unter Rn. 299 f. Thole, NZI 2016, 884, 884. Vgl. Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 544 f.; Schön, FS Beisse, 471, 488; Ulmer, FS Lutter, 935, 952. In diese Richtung aber Keller, BB 2008, 2783, 2783; Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, InsSteuerR II A Rn. 85 und Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 83 (die Gesellschaft erziele „steuerfreie“ Gewinne). Vgl. Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199; Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1306; in diese Richtung auch Bartholl, DB 1995, 1797, 1798 ff. BT-Drs. 12/2443, RegE Insolvenzordnung, S. 112 („Gesellschaftsvermögen wird den Gesellschaftsgläubigern unter Ausschluss der Privatgläubiger der Gesellschafter zugewiesen“); entsprechend sind z. B. Massebereicherungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InsO herauszugeben, da sie nicht zur Verteilung an die Gläubiger bestimmt sind (Thole, NZI 2016, 884, 885; zustimmend Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 3).

II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

löst.773) Das gilt ohne Weiteres bei gesetzlich angeordneter Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft, weshalb der Masse ein Gewinn nicht etwa frei von z. B. Gewerbeoder Umsatzsteuer zusteht. Die Einkommensteuer schuldet zwar der Gesellschafter, was aber nur steuersystematische Gründe hat und nichts daran ändert, dass auch diese Steuer materiell eine Gesellschaftsangelegenheit ist.774) Auch bezüglich der Einkommensteuer können die Insolvenzgläubiger nicht erwarten, dass ihnen steuerpflichtige Gesellschaftsgewinne steuerfrei zugutekommen.775) Die Insolvenz vermag nichts an dem Grundsatz zu ändern, dass die Steuer dasjenige Vermögen zu treffen hat, welches von der Vermögensmehrung profitiert. Letzteres ist, solange der Gesellschafter keine Ausschüttungen erhält oder Steuerentnahmerechte geltend machen kann, das Gesamthandsvermögen, das nun Teil der Gesellschaftsmasse ist.776) Dementsprechend sind auch Erwägungen zum Schutz der Insolvenzmasse kein Grund, ein Steuerentnahmerecht in der Insolvenz abzulehnen. Es droht keine unzulässige Masseschmälerung durch Steuerentnahmen, da richtigerweise nicht der Bruttogewinn zur Verteilung an die Gläubiger bestimmt ist. Der Masse und den Gläubigern der insolventen Gesellschaft stehen Gewinne ohnehin nur gekürzt um den Betrag der darauf entfallenden Steuern zu. Was die Unzulässigkeit von Entnahmen des Gesellschafters in der Insolvenz anbe- 310 trifft, ist es im Ausgangspunkt zutreffend, dass den Gesellschaftern mit Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen verwehrt ist, welches nun der Masse angehört.777) Sie können etwa während des Insolvenzverfahrens keine Ausschüttungsbeschlüsse mehr fassen.778) Sie können allgemein weder Rückzahlungen von Eigenkapital, Auszahlungen von auf dem Kapitalkonto zugeschriebenen Gewinnanteilen noch anderweitige Auszahlungen verlangen, die wirtschaftlich einer Rückgewähr von Eigenkapital gleichkämen.779) Diese Folgen der Verfahrenseröffnung sind deshalb richtig und wichtig, weil anderenfalls eine Schmälerung desjenigen Vermögens drohte, das den Gesellschaftsgläubigern zur Verteilung zusteht.780) Diese Umstände lassen jedoch nicht ohne Weiteres das Steuerentnahmerecht entfallen.781) Da es sich um ein gesetzliches Recht (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in entsprechender Anwendung) handelt, kommt es auf einen Beschluss der Gesellschafter nicht ___________ 773) 774) 775) 776) 777) 778) 779) 780) 781)

Vgl. Problematik der Einordnung von Steuerforderungen im 6. Teil. Dazu Rn. 287 ff. Ähnlich Werner, StBW 2013, 1163, 1168. Vgl. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198; zu damit zusammenhängenden Gesichtspunkten der Leistungsfähigkeit ausführlich noch im 5. Teil. Ausführlich dazu Rn. 166 ff. Vgl. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199. Dazu Rn. 182 ff. Dazu Rn. 182 ff. So aber wohl Werner, StBW 2013, 1163, 1166.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

an.782) Das Steuerentnahmerecht führt (wirtschaftlich) nicht zu einer Rückgewähr von Eigenkapital an die Gesellschafter.783) Es erlaubt den Gesellschaftern, wie eben aufgezeigt, keinen Zugriff auf Vermögen, das zur Verteilung an die Gesellschaftsgläubiger bestimmt ist. Schließlich kann der Gesellschafter – je nach Art seines Anspruchs gegen die Gesellschaft – durchaus selbst als Gläubiger an dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft teilnehmen.784) Die Aussage, Zahlungen an Gesellschafter im eröffneten Insolvenzverfahren seien aufgrund von § 199 Satz 2 InsO785) nicht möglich bzw. der Gesellschafter trete nach dem insolvenzrechtlichen Rangverhältnis hinter andere Gesellschaftsgläubiger zurück und sei auf die Überschussverteilung verwiesen, ist in dieser Allgemeinheit also unzutreffend.786) Zwar wird der Gesellschafter im Regelfall tatsächlich aus der Insolvenzmasse der Gesellschaft keine finanziellen Zuwendungen zu erwarten haben.787) In § 199 Satz 2 InsO mag auch zum Ausdruck kommen, dass es im eröffneten Verfahren keine Ansprüche auf Kapitalbzw. Gewinnanteil mehr gibt.788) Zu einer Verfahrensteilnahme berechtigen ihn aber nicht nur Ansprüche aus sog. Drittgeschäften, die der Gesellschafter wie ein außenstehender Dritter mit der Gesellschaft abgeschlossen hat.789) Die besseren Gründe sprechen dafür, den Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen auch mit seinen Regressforderungen gegen die Gesellschaft an dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft teilnehmen zu lassen.790) Das gesetzliche Steuerentnahmerecht aus § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in analoger Anwendung kann der Gesellschafter daher trotz Insolvenz der Gesellschaft geltend machen.

311 Den vorstehenden insolvenzrechtlichen Argumenten zu Verwalterkompetenzen, Vermögenstrennung, Masseerhaltung und Rangfolge der Befriedigung, die die herrschende Ansicht gegen ein Steuerentnahmerecht anführt, liegt letztlich gemeinsam das Bedenken zugrunde, ein Steuerentnahmerecht des Gesellschafters in der Insolvenz der Personengesellschaft beeinträchtige die vorrangigen Belange der Gesellschaftsgläubiger. Die bestmögliche Gläubigerbefriedigung ist gewiss zentrales Ziel des Insolvenzverfahrens (par conditio creditorum, § 1 InsO). Die Entnahme von Einkom___________ 782) Ebenso K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199, der allerdings für eine direkte Anwendung des § 110 HGB plädiert (dazu bereits Rn. 283 ff.). 783) In diese Richtung auch Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 3. 784) Dazu Rn. 182 ff. 785) Nach § 199 Satz 2 InsO hat der Insolvenzverwalter, wenn bei der Schlussverteilung die Forderungen aller Insolvenzgläubiger in voller Höhe berichtigt werden können, einen verbleibenden Überschuss anteilig an die Gesellschafter der Personengesellschaft herauszugeben. 786) So aber wohl Kruth, DStR 2013, 2224, 2227; in diese Richtung auch Thole, Maßnahmen, S. 35; zu der Auffassung, Leistungen der Gesellschaft an den Gesellschafter seien in der Insolvenz unzulässig s. a. bereits Fn. 742. 787) Göcke, Wechselwirkungen, S. 121. 788) Göcke, Wechselwirkungen, S. 121. 789) Schmid, in: Münch. Hdb. GesR II, § 47 Rn. 27. 790) Dazu Rn. 182 ff.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

mensteuer in der Insolvenz benachteiligt die Gläubiger jedoch, wie gerade dargelegt, nicht. Umgekehrt würde es zu einer qua Gesetz nicht gewollten Besserstellung der Gesellschaftsgläubiger im Vergleich zu der außerinsolvenzlichen Situation führen, würde man dem Gesellschafter das gesetzliche Steuerentnahmerecht in der Insolvenz verwehren.791) Dies gilt deshalb, weil der Gesellschaft in diesem Falle Brutto- anstelle von Nettogewinnen zur Verfügung stünden. Sie käme in den Genuss von „windfall profits“792). Es käme damit zu einer ungerechtfertigten Bevorteilung der Gesellschaftsgläubiger durch die steuerfrei gemehrte Insolvenzmasse.793) Eine solche Besserstellung der Gläubiger der Personengesellschaft durch das Insolvenzrecht ist nicht veranlasst. Die Gläubiger sollen weder besser noch schlechter gestellt werden, weil ein Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen eröffnet ist.794) Aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der Ansprüche aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse als Masseverbindlichkeiten einordnet, lässt sich vielmehr die Wertung ableiten, dass der Gesetzgeber eine nach Verfahrenseröffnung eintretende Massebereicherung verhindern will, weil sie „haftungsrechtlich nicht den Gläubigern zugewiesen ist“795). Spiegelbildlich zu der Besserstellung der Gesellschaftsgläubiger wären die Gesellschafter durch die Ablehnung des Steuerentnahmerechts in der Insolvenz benachteiligt. Der Verwalter würde das insolvente Unternehmen auf ihre Kosten betreiben.796) Die Gesellschafter würden faktisch zu Nachschüssen herangezogen, zu denen sie (nach § 707 BGB) auch in der Insolvenz nicht verpflichtet sind.797) Bei näherer Untersuchung zeigt sich also, dass die insolvenzrechtlichen Bedenken 312 gegen ein insolvenzfestes gesetzlichen Steuerentnahmerecht im Ausgangspunkt zwar berechtigt sind, dem Recht aber im Ergebnis nicht entgegenstehen. Insofern führt die Übernahme der Geschäfte durch den Insolvenzverwalter lediglich dazu, dass nunmehr dieser – anstelle der Geschäftsführer der Gesellschaft – den gesetzlichen Steuer-

___________ 791) Dies wird berechtigterweise an der Rechtsprechung des OLG Stuttgart kritisiert. Thole, NZI 2016, 884, 884 („Die Entnahmeansprüche werden abgestreift, und die KG arbeitet im Steuerparadies zu Lasten der Gesellschafter und zur Freude der (absonderungsberechtigten) Gläubiger der KG“); Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 3. 792) Thole, NZI 2016, 884, 885; Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 3. 793) Ähnlich allg. Harder, NZI 2018, 954, 953 (Gesellschafter „bezahlen […] die (steuerliche) Rechnung des Insolvenzverwalters“). 794) Thole, NZI 2016, 884, 885. 795) Thole, NZI 2016, 884, 885; ähnlich Ders., in: K. Schmidt, InsO, § 55 Rn. 2 („die Insolvenzgläubiger sollen keinen Vorteil aus einem ungerechtfertigten Zufluss von Vermögenswerten erzielen können“). 796) So der berechtigte, aber erfolglose Vortrag im Berufungsverfahren, dem das OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16, nicht gefolgt ist. 797) Wertenbruch, DStR 2007, 1680, 1680 und 1683.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

entnahmeanspruch des Gesellschafters zu bedienen hat.798) Die Vorschriften der Insolvenzordnung lassen das gesetzliche Steuerentnahmerecht aber nicht entfallen.

313 In der Insolvenz kommt des Weiteren eine Verweigerung der Entnahme durch die Personengesellschaft in Betracht. Denn gesellschaftsrechtliche Ausgleichsansprüche unterliegen ihrerseits gewissen Schranken. Mit Blick auf Gesellschaftsinteressen und Krisensituationen statuiert das Handelsgesetzbuch als Grenze des Gewinnentnahmerechts den drohenden „offenbaren Schaden der Gesellschaft“ (§ 122 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB) und aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gilt auch für das Kapitalentnahmerecht sowie für vertragliche Entnahmerechte eine ungeschriebene Beschränkung.799) Die Gesellschaft hat ein Leistungsverweigerungsrecht, soweit und solange durch die Entnahme ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden droht.800) In diesem Sinne stellen einige Befürworter des gesetzlichen Steuerentnahmerechts auch dieses unter den Vorbehalt des Fehlens einer besonderen Notlage oder eines existenzbedrohenden Liquiditätsengpasses der Gesellschaft.801) Nun sind der Insolvenz der Gesellschaft eine wirtschaftliche Notlage und ein existenzgefährdender Liquiditätsengpass naturgemäß immanent. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass die Gesellschaft in der Insolvenz allgemein Steuerentnahmerechte des Gesellschafters zurückweisen darf. So können Leistungsverweigerungsrechte gegenüber dem Gesellschafter lediglich vorübergehenden Charakter haben.802) Die Gesellschaft darf eine Entnahmesperre stets nur für einen sehr kurzfristigen Zeitraum gelten machen.803) Die Insolvenz der Personengesellschaft ist aber keine „mittels vorübergehender Entnahmesperre zu überwindende Notlage“804), sondern regelmäßig von unbestimmter und nicht nur sehr kurzfristiger Dauer. Soweit nicht weitere Umstände hinzutreten, wird die Gesellschaft sich also nicht allein aufgrund der Insolvenzsitu___________ 798) Vgl. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199. 799) Schäfer, in: Habersack/Schäfer, Recht der OHG, § 122 Rn. 8; zur historischen Entwicklung der gesetzlichen Regelung Schön, FS Beisse, 471, 474 ff. 800) Wie etwa die Insolvenz (OLG Bamberg, Urteil vom 17.6.2005 – 6 U 56/04); Hoffmann/ Bartlitz, in: Heymann, HGB, § 122 Rn. 14; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 122 Rn. 9. 801) Die Diskussion bezieht sich insofern auf die werbende Gesellschaft. Schäfer, in: Habersack/ Schäfer, Recht der OHG, § 122 Rn. 30 bzw. Schäfer, in: Staub, HGB, § 122 Rn. 30 („ganz außergewöhnliche, mittels vorübergehender Entnahmesperre zu überwindende Notlage der Gesellschaft“); Ulmer, FS Lutter, 935, 953 („ganz ungewöhnlichen, für die Gesellschaft existenzbedrohenden Liquiditätsengpasses“); im Anschluss Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 552; ähnlich Binz/Sorg, in: Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rn. 69. 802) Da die Verwehrung der Entnahme eine Beschränkung der Rechte des Gesellschafters darstellt, muss es ihm zumutbar sein, zumindest zeitweilig auf die Ausübung zu verzichten (Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 34a); Hoffmann/Bartlitz, in: Heymann, HGB, § 122 Rn. 14 („in besonders schwerwiegenden Fällen […] vorübergehend“); Roth, in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 122 Rn. 9. 803) Dazu Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 552 m. w. N. 804) Schäfer, in: Staub, HGB, § 122 Rn. 30.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

ation auf eine gesellschaftsrechtliche Treuwidrigkeit des Steuerentnahmeverlangens berufen können. Mithin lassen sich die tatbestandlichen Voraussetzungen des gesetzlichen Steuer- 314 entnahmerechts (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB analog) auch in der Insolvenz bejahen, das Recht entfällt nicht aufgrund insolvenzrechtlicher Regelungen (wie insbesondere § 80 InsO) und die Gesellschaft kann die Entnahme auch nicht ohne Weiteres verweigern.

cc) Rechtsgeschäftliches Steuerentnahmerecht Die vorstehenden Erwägungen gelten hingegen nicht ohne Weiteres auch für das 315 rechtsgeschäftlich vereinbarte Steuerentnahmerecht. Ist dieses im Gesellschaftsvertrag geregelt, geht es außerhalb der Insolvenz den gesetzlichen Regelungen vor (§ 109 HGB). Der Gesellschaftsvertrag fällt nicht unter das Erfüllungswahlrecht des Insolvenz- 316 verwalters (§ 103 InsO), da die enthaltenen Leistungspflichten nicht in einem synallagmatischen Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.805) Er gilt mithin in der Insolvenz fort. Der in § 109 HGB zum Ausdruck kommende gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Verbandssouveränität ist während der Insolvenz der Personengesellschaft allerdings eingeschränkt.806) Der Gesellschafter darf sich auf den Gesellschaftsvertrag wegen §§ 80, 81 InsO nicht mehr gleichermaßen berufen wie in der werbenden Gesellschaft.807) Regelt der Gesellschaftsvertrag zugunsten der Gesellschafter Rechte auf Entnahme oder Ausschüttung im Gesellschaftsvertrag, darf der Gesellschafter mit diesen nicht als Gläubiger an dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft teilnehmen, wenn die Forderungen bei wirtschaftlicher Betrachtung auf eine Einlagenrückgewähr gerichtet ist und den Grundstock der den Gesellschaftsgläubigern zugeordneten Haftungsmasse betreffen.808) Solche Ansprüche der Gesellschafter treten im Rang hinter diejenigen der sonstigen Gesellschaftsgläubiger zurück.809) Rechtsgeschäftliche Steuerentnahmerechte darf der Gesellschafter daher ab Eröff- 317 nung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ausüben.810) Der Gesellschaftsvertrag kann angesichts der vielfältigen Gestaltungsmöglichkei- 318 ten811) eine Steuerentnahme in größerem Umfang zulassen als sie für die Kompen___________ 805) Ganz h. M., vgl. Huber, in: MüKo InsO, § 103 Rn. 114 m. w. N. 806) Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 109 Rn. 4; allgemein Müller, Verband in der Insolvenz, S. 1 ff. 807) OLG Jena, Urteil vom 2.5.2011 – 9 U 927/10 (= Vorinstanz zu BGH, Urteil vom 16.4.2013 – II ZR 118/11 (= BFH/NV 2013, 1375)). 808) Vgl. die Nachweise oben unter Rn. 182 ff. 809) Vgl. die Nachweise oben unter Rn. 182 ff. 810) Insofern zu demselben Ergebnis kommt Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 398 f. 811) Weiterführende Nachweise in Fn. 655.

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4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

sation der tatsächlichen Steuerzahlung und der konkreten Belastung des Gesellschafters unbedingt erforderlich ist.812) Könnte der Gesellschafter über das Mindestmaß des gesetzlichen Rechts hinausgehende Beträge entnehmen, würde dies dem Grundsatz der par conditio creditorum widersprechen. Eine solche Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger droht, wenn das vertragliche über das gesetzliche Recht hinausgeht.813) Das gesetzliche Recht gewährt in der Insolvenz einen hinreichenden Schutz der Interessen des Gesellschafters. Dass im umgekehrten Fall, in dem das vertragliche Recht hinter dem gesetzlichen zurückbleibt, der Gesellschafter bezüglich der Steuerentnahmemöglichkeit gegebenenfalls in der Insolvenz besser gestellt würde als in der werbenden Gesellschaft, ist dagegen nicht ausschlaggebend. Dies ist der Verbandsautonomie und der Gestaltungsfreiheit geschuldet. Dem Gesellschafter steht es frei, (sowohl in der werbenden wie auch in der insolventen Gesellschaft) seine Steuerentnahmerechte zu beschränken oder auf sie zu verzichten. Ob vereinbart ist, das Steuerentnahmerecht (auch) für den Fall der Insolvenz zu beschränken oder darauf zu verzichten, ist Frage des Einzelfalls.

319 Im Ergebnis muss der Gesellschafter in der Insolvenz der Personengesellschaft auf das gesetzliche Recht verwiesen werden. Aufgrund der par conditio creditorum können vertragliche Steuerentnahmerechte in dieser Situation keinen Bestand haben.

dd) Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit 320 Das OLG Stuttgart814) weist in einem obiter dictum darauf hin, die auf § 80 InsO gestützte Ablehnung von Steuerentnahmerechten der Gesellschafter einer insolventen Personengesellschaft führe nicht zu „unbilligen“ bzw. „untragbaren“ Ergebnissen. Dazu führt das Gericht aus, der persönlich haftende Gesellschafter profitiere unmittelbar von einer Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger durch den Verwalter, da die eigene Haftung entsprechend gemindert sei. Auch wenn das für den Kommanditisten nicht unbedingt gelte, profitiere dieser zumindest von der Steigerung seines Anteilswerts. Schließlich seien die Gesellschafter auch zur steuerrechtlichen Nutzung von Verlusten berechtigt, was ihnen einen „gewissen finanziellen Ausgleich“ biete. Eine ähnliche Argumentation findet sich bei der Frage nach der Kapitalertragsteuer, deren Erstattungspflicht sei „rechtspolitisch unbedenklich“, denn ein Mitunternehmer komme umgekehrt in den Genuss der Verlustverrechnung.815) ___________ 812) Zu dem Umfang des gesetzlichen Rechts Rn. 336 f. 813) Sie folgt nicht schon per se aus der Zulassung eines vertraglichen Steuerentnahmerechts, nur abhängig von dem Rang des Rechts (so aber Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 398 f. unter Verweis auf Kruth, DStR 2013, 2224, 2226 ff.). 814) OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. 815) So etwa Wertenbruch, EWiR 2016, 459, 460; ähnlich Andres, in: Runkel/Schmidt, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 220.

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II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

Diese Ausführungen betreffen in der Sache die Leistungsfähigkeit des Gesellschaf- 321 ters – da diese gesteigert sei, sei das Steuerentnahmerecht nicht nötig –, also die verfassungsmäßige Erforderlichkeit oder Entbehrlichkeit des Steuerentnahmerechts. Darauf wird in Teil 5 zurückzukommen sein.816)

3.

Durchsetzbarkeit des Steuerentnahmerechts in der Insolvenz

Soweit das Steuerentnahmerecht des Gesellschafters in der Insolvenz der Personen- 322 gesellschaft besteht, stellt sich die selten thematisierte und nicht abschließend geklärte Frage nach seiner Durchsetzbarkeit. Für den Gesellschafter ist es essentiell, wie er sich mit einem Steuerentnahmerecht in das insolvenzrechtliche Befriedigungssystem einzureihen hat. Kann er die Steuerentnahme als Massegläubiger geltend machen, wird er regelmäßig aus der Insolvenzmasse vollständig befriedigt. Nicht so, wenn er auf die Anmeldung seines Entnahmeanspruchs zur Tabelle verwiesen ist. Auch eine Aufrechnung kann in Betracht kommen, wenn der Insolvenzverwalter seinerseits Ansprüche gegen den Gesellschafter geltend macht. Erstmals diskutiert wird diese Frage soweit ersichtlich bei Karsten Schmidt.817) Ihm 323 zufolge darf der Gesellschafter das Steuerentnahmerecht gegenüber der insolventen Gesellschaft als Masseverbindlichkeit geltend machen, soweit die zugrundeliegenden Gesellschaftsgewinne der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse zugerechnet werden können. Geht es dagegen um die Entnahme vorinsolvenzlich begründeter Steuern, sei der Entnahmeanspruch als Insolvenzforderung im Verfahren der Gesellschaft zur Tabelle anzumelden. Nach Fischer818) soll es auf diese Kategorisierung grundsätzlich nicht ankommen, da der Gesellschafter seinen Entnahmeanspruch regelmäßig vollständig gegen den von dem Insolvenzverwalter gemäß § 93 InsO geltend gemachten Anspruch aus persönlicher Haftung aufrechnen könne (§§ 94 ff. InsO). Sie werde nur relevant, wenn ausnahmsweise der Betrag der persönlichen Haftung geringer sei als der Betrag der Steuerentnahme. Für diesen Fall stellt auch er darauf ab, ob die Steuerforderung des Fiskus vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gesellschaft begründet ist. Nach Fehrenbacher ist die Annahme einer Masseverbindlichkeit jedenfalls sachgerecht, wenn „die Einkommensteuer nach allgemeinen Regeln als Masseverbindlichkeit einzustufen wäre“819). Nach Kruth schließlich soll das gesetzliche Steuerentnahmerecht stets als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) zu befriedigen sein.820) ___________ 816) Wie bereits dargelegt, sind die Fragen nach dem Steuerentnahmerecht und der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der Besteuerung eng verknüpft, vgl. Rn. 273 ff. 817) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199 f.; ähnlich für Masseverbindlichkeiten Andres, in: Runkel/Schmidt, Insolvenzrecht, § 3 Rn. 219. 818) Vgl. die Darstellung bei Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1551, der inzwischen die insolvenzrechtliche anstelle der steuerrechtlichen Lösung befürwortet. 819) Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 120. 820) Kruth, DStR 2016, 1871, 1874.

121

4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

a) Insolvenzrechtliche Qualifikation des Steuerentnahmerechts 324 Die Einordnung von Ansprüchen in die insolvenzrechtlichen Forderungskategorien richtet sich nach §§ 38 ff. InsO. Für das Steuerentnahmerecht kommt vorliegend die Qualifikation als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder als sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) in Betracht.821) Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten erfolgt nach dem Zeitpunkt ihres „Begründetseins“. Insolvenzforderungen sind im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet (§ 38 InsO). Sonstige Masseverbindlichkeiten werden erst nach Verfahrenseröffnung begründet, und zwar durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Ein Anspruch ist begründet in diesem Sinne, wenn „der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist“822). Der Anspruch selbst muss dafür weder bereits entstanden noch fällig sein.823)

325 Dem Steuerentnahmerecht liegt immer eine Einkommensteuerforderung zugrunde, welche den Gesellschafter aufgrund von Einkünften der Personengesellschaft trifft. Das Steuerentnahmerecht könnte begründet sein, sobald diese Einkommensteuerforderung begründet ist. Dafür spricht, dass mit Verwirklichung des zivilrechtlichen Sachverhalts, der dem Entstehen der Steuerforderung zugrunde liegt, nicht nur der Rechtsgrund für einen Einkommensteueranspruch gegen den Gesellschafter gelegt ist.824) Es steht auch bereits fest, dass dem Gesellschafter grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch gegen die Gesellschaft für diese Steuern zusteht. Die konkrete steuerliche Belastung des Gesellschafters, nach der sich die Höhe des Steuerentnahmerechts bemisst, steht zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Vielmehr entsteht das Steuerentnahmerecht erst mit Erlass des Steuerbescheides, also nach Ablauf des Veranlagungszeitraums.825) Für das insolvenzrechtliche Begründetsein ist es allerdings nicht notwendig, dass ein Anspruch schon entstanden ist. Es kommt hier darauf an, dass die Grundlagen für das Steuerentnahmerecht gelegt sind. Dies stimmt auch mit der Wertung überein, dass die Einkommensteuer materiell-rechtlich eine eigene Angelegenheit der Gesellschaft ist.826) Wäre die Gesellschaft selbst Steuerschuldnerin, könnte das Finanzamt die Steuer als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit geltend machen – je nachdem, ob die Einkommensteuerforderung ___________ 821) Zu den Forderungskategorien s. a. Rn. 179 ff. sowie unten im 6. Teil. 822) Es kommt auf die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs an (weiterführend z. B. Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 26 ff.). 823) Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 26 ff.; s. a. Büterowe, in: K. Schmidt, InsO, § 38 Rn. 20 f. 824) Für das Begründetsein der Einkommensteuerforderung ist nach überzeugender Auffassung nicht die Verwirklichung des Besteuerungstatbestandes (insb. die Einkünfteerzielung, § 2 Abs. 1 EStG) maßgeblich, sondern der sog. Schuldrechtsmechanismus (näher unter Rn. 478 ff. m. w. N.). 825) Ausführlich Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 554 f. 826) Dazu bereits Rn. 287 ff.

122

II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gesellschaft begründet ist. Das hiesige Ergebnis kommt also einer Direktbesteuerung der Gesellschaft zumindest nahe.827) Für einkommensteuerpflichtige Gewinne kann das Finanzamt aufgrund der gesetzlich angeordneten Steuerschuldnerschaft des Gesellschafters nicht unmittelbar die Gesellschaftsmasse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO in Anspruch nehmen – dasselbe wirtschaftliche Ergebnis wird erst durch den Regress bei der Gesellschaft erreicht.828) Ist also das Steuerentnahmerecht in dem Zeitpunkt begründet, in dem die Einkom- 326 mensteuerforderung selbst begründet ist, kann es sowohl vor als auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft im insolvenzrechtlichen Sinne begründet sein. Ist das Steuerentnahmerecht vor diesem Zeitpunkt begründet, ist es Insolvenzforderung (§ 38 InsO). Damit wird auch deutlich, dass das Steuerentnahmerecht nicht in allen Fällen als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO einzuordnen ist.829) Ist das Steuerentnahmerecht nach diesem Zeitpunkt begründet, ist es sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Eine „Handlung des Insolvenzverwalters“ (Alt. 1) liegt dem Steuerentnahmerecht nicht zugrunde, da es nach hier vertretener Auffassung als gesetzlicher Anspruch entsteht.830) Die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse (Alt. 2) lässt sich bejahen, da der Insolvenzverwalter der Gesellschaft den Gewinn, der zu dem Entstehen der Einkommensteuerforderung und damit zum Entstehen des Steuerentnahmerechts führte, durch im Rahmen seiner Amtstätigkeit für die insolvente Personengesellschaft (z. B. Veräußerung eines Massegegenstandes) erzielt hat.

b) Aufrechnungsmöglichkeit des Gesellschafters Der Insolvenzverwalter wird im Insolvenzverfahren Ansprüche aus persönlicher Haf- 327 tung gegen den Gesellschafter geltend machen (§ 93 InsO i. V. m. § 128 HGB bzw. § 171 Abs. 2 HGB).831) Daher liegt die Frage nahe, ob der Gesellschafter gegen einen solchen Haftungsanspruch mit seinem Steuerentnahmerecht aufrechnen kann. Es wird vertreten, dass dies regelmäßig möglich sei.832) Die Voraussetzungen der Aufrechnung regelt § 387 BGB. Massegläubiger können 328 sich grundsätzlich frei durch Aufrechnung befriedigen.833) Für Insolvenzgläubiger ___________ Zutreffend K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200. Vgl. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200. So aber Kruth, DStR 2016, 1871, 1874. Die Ausführungen zu der Einkommensteuerforderung selbst gelten entsprechend, s. im 6. Teil. Dazu bereits Rn. 191 ff. Vgl. die Darstellung bei Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1550 f., der inzwischen die insolvenzrechtliche anstelle der steuerrechtlichen Lösung befürwortet. 833) Eine Ausnahme gilt im Falle der Masseunzulänglichkeit, in welchem §§ 94 – 96 InsO auch für Massegläubiger entsprechend gelten sollen (Einzelheiten str.), Liefke, in: BeckOK InsO, § 94 Rn. 8 ff.; Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 94 Rn. 5 f. 827) 828) 829) 830) 831) 832)

123

4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

gelten zudem besondere Regelungen für Aufrechnungen in der Insolvenz (§§ 94 bis 96 InsO).

329 Nicht übersehen werden darf allerdings Folgendes: Der Regressanspruch des Gesellschafters, also sein als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit geltend zu machendes Steuerentnahmerecht, richtet sich gegen die insolvente Gesellschaft. Der Anspruch aus persönlicher Haftung, nach § 93 InsO geltend gemacht durch den Insolvenzverwalter, ist aber ein Anspruch des Gesellschaftsgläubigers gegen den Gesellschafter.834) Mithin fehlt es an der für eine Aufrechnung notwendigen Gegenseitigkeit der Ansprüche i. S. v. § 387 BGB.

330 Für den Kommanditisten bejaht die wohl überwiegende Auffassung835) zu Recht dennoch ausnahmsweise eine Aufrechnungsmöglichkeit aufgrund folgender Erwägungen: Der Kommanditist kann sich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Leistung an die Gesellschaft von seiner Außenhaftung befreien (§ 171 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB), indem er mit einer eigenen Drittgläubigerforderung gegen die Einlageforderung der Gesellschaft aufrechnet.836) So kann er etwa vorgehen, wenn ihm eine Regressforderung aus § 110 HGB837) oder ein Steuerentnahmerecht838) zusteht. Die Möglichkeit der Haftungsbefreiung durch Leistung der Einlage im Wege der Aufrechnung soll dem Kommanditisten auch in der Insolvenz erhalten bleiben, wenn der Verwalter die Haftsumme von ihm verlangt.839)

331 Für den persönlich haftenden Gesellschafter ist eine Aufrechnung mit einer gegen die insolvente Gesellschaft gerichteten Regressforderung (hier: dem Steuerentnahmerecht) gegen den nach § 93 InsO geltend gemachten Haftungsanspruch allerdings zu verneinen. Es fehlt an der Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 BGB) und die besonderen Erwägungen zu Einlageleistung und Haftungsbefreiung, derentwegen bei dem Kommanditisten die Aufrechnung trotz fehlender Gegenseitigkeit ausnahms___________ 834) Dazu z. B. Gehrlein, in: MüKo InsO, § 93 Rn. 38; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §§ 128, 129 Rn. 7. 835) So etwa Gehrlein, in: MüKo InsO, § 93 Rn. 38; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 171 Rn. 13; Weiß, in: MAH PersGesR, § 24 Rn. 12. 836) S. Nachweise in vorstehender Fußnote; a. A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 31.44. 837) So etwa Herchen, in: Münch. Hdb. GesR I, § 31 Rn. 10 f.; v. Falkenhausen/H.C. Schneider, in: Münch. Hdb. GesR II, § 18 Rn. 22. 838) Dieses lässt sich aus § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in analoger Anwendung herleiten (Rn. 287 ff.), sodass es hier wie ein Regressanspruch aus § 110 HGB zu behandeln ist. 839) Für Regressansprüche nach § 110 HGB soll diese Ausnahme voraussetzen, dass der Kommanditist die Forderung gegen die Gesellschaft bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt hat (BGH, Urteil vom 25.7.2017 – II ZR 122/1; näher Lieder, in: Oetker, HGB, § 110 Rn. 19b; Mock, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 171 Rn. 75 ff.; Thiessen, in: Staub, HGB, § 171 Rn. 172 ff., jeweils m. w. N.); nach a. A. ist die Aufrechnung mit Regressansprüchen in der Insolvenz sogar gänzlich abzulehnen (vgl. Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 151, dort Fn. 20). Entsprechendes wird für Steuerentnahmerechte gelten, da sie sich aus § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB analog herleiten lassen (dazu Rn. 273 ff.).

124

II. Regressanspruch gegen die Gesellschaft – Steuerentnahmerecht

weise zugelassen wird, können auf den persönlich haftenden Gesellschafter nicht übertragen werden.840) Eine Leistung an die Gesellschaft, etwa eine Aufrechnung, vermag ihn nicht von der Außenhaftung zu befreien; unabhängig von einer Insolvenz.841) Im Ergebnis kommt daher eine Befriedigung des Steuerentnahmerechts des Gesell- 332 schafters im Wege der Aufrechnung allenfalls ausnahmsweise für den Kommanditisten in Betracht. Für den persönlich haftenden Gesellschafter scheidet sie mangels Gegenseitigkeit der Forderungen i. S. v. § 387 BGB jedenfalls aus.

c)

Schlussfolgerungen

Das Steuerentnahmerecht steht dem Gesellschafter zwar auch in der Insolvenz der 333 Gesellschaft zu, er kann es aber nicht mehr ohne Weiteres durchsetzen. Das Steuerentnahmerecht kann Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) sein. Dies richtet sich danach, ob die zugrundeliegende Einkommensteuerforderung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft begründet ist (i. S. v. § 38 InsO). Sobald die Einkommensteuerforderung i. d. S. begründet ist, ist auch das Steuerentnahmerecht begründet. Der Gesellschafter kann seinen Steuerentnahmeanspruch aber grundsätzlich nicht 334 im Wege der Aufrechnung gegen Ansprüche aus persönlicher Haftung befriedigen. Dies ist allenfalls ausnahmsweise möglich, wenn der Gesellschafter Kommanditist ist. Selbst dann muss die Aufrechnung aber nicht unbedingt vollständig möglich sein, da das Entnahmerecht den Haftungsanspruch betragsmäßig übersteigen kann. Für den persönlich haftenden Gesellschafter scheitert die Aufrechnung jedenfalls an der fehlenden Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 BGB). Soweit das Steuerentnahmerecht als Insolvenzforderung einzuordnen ist, stellt sich 335 damit das Problem, dass der Gesellschafter auf die Anmeldung zur Tabelle im Gesellschaftsinsolvenzverfahren verwiesen ist und üblicherweise nur eine geringe Quote erhält. Er selbst hat zugleich regelmäßig den vollständigen Betrag der Einkommensteuer an das Finanzamt zu entrichten. Der Gesellschafter hat also das Insolvenzrisiko der Gesellschaft zu tragen. Diese Verlagerung des Insolvenzrisikos ist Folge der Unabgestimmtheit von Insolvenzrecht und Steuerrecht in Bezug auf Personengesellschaften.842) Inwiefern dies unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten zulässig sein kann, wird sogleich in Teil 5 untersucht. ___________ 840) Ebenso z. B. Gehrlein, in: MüKo InsO, § 93 Rn. 38. 841) Ebenso Brinkmann, Bedeutung der §§ 92, 93 InsO, S. 151 f.; Müller, in: Jaeger, InsO, § 93 Rn. 64; Gehrlein, in: MüKo InsO, § 93 Rn. 38. 842) Vgl. zum Ganzen K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200; nur bzgl. der Risikoverlagerung zutreffend Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1552 („beruht auf einer Zufälligkeit“). Ein entsprechendes Risiko für den Gesellschafter kann bei Massearmut oder -unzulänglichkeit (s. Fn. 1147) drohen.

125

4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

4.

Exkurs: Inhaltliche Ausgestaltung des gesetzlichen Steuerentnahmerechts

336 Nur ergänzend ist hier auf die Folgefrage nach der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung und den Grenzen des gesetzlichen Steuerentnahmerechts einzugehen.843)

337 Wesentlicher Ausgangspunkt ist insofern, dass dieses Recht der Kompensation der konkreten steuerlichen Mehrbelastung dient, die auf dem nicht entnahmefähigen bzw. thesaurierten Gewinnanteil beruht.844) Es gewährt dem Gesellschafter also die für seine tatsächliche Steuerzahlung notwendige Liquidität.845) Es steht unter dem Vorbehalt einer tatsächlichen Steuerbelastung bei dem Gesellschafter.846) Entsprechend sind für die Höhe des Entnahmerechts die persönlichen steuerlichen Verhältnisse des Gesellschafters zu berücksichtigen.847) Dazu zählen grundsätzlich auch Verlustnutzungsmöglichkeiten, welche die aktuelle Steuerbelastung und damit das Entnahmebedürfnis entfallen lassen.848) Verlustzuweisungen aus vorangegangenen Jahren, aufgrund derer der Gesellschafter von einer Steuerminderung profitiert, können das Steuerentnahmerecht schmälern.849) Der Gesellschafter soll in Folgejahren daher nur noch den Nettobetrag des bereits versteuerten Gewinns entnehmen dürfen.850) Das Steuerentnahmerecht hat insofern Vorschusscharakter, als der zunächst thesaurierte Gewinn dem Gesellschafter später zufließt.851) Letzteres gilt in der Insolvenz nur noch sehr eingeschränkt. Die bilanzielle Verbuchung des Aufwendungsersatzes bzw. Steuerentnahmerechts hat entsprechend vorstehender Ausführungen zulasten des Kapitalkontos des Gesellschafters zu erfolgen.852) ___________ 843) Weiterführend dazu Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 552 ff.; zu vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten s. bereits Nachweise in Fn. 655; Ausgleich „unangemessener Zurechnungsfolgen der Mitunternehmerbesteuerung“ (K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199). 844) Dies ist auch verfassungsrechtlich indiziert (dazu noch im 5. Teil), vgl. auch Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 552 ff. 845) Schön, FS Beisse, 471, 488; a. A. Balz, DB 1988, 1305, 1305 f. (grds. darüber hinaus für eine Entnahme „fiktiver“ Steuern). 846) Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 120 und 128. 847) Str., dafür Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 552 f.; a. A. Balz, DB 1988, 1305, 1305 f. 848) Besonderheiten sind bei Entfallen von Rücktragsmöglichkeiten (§ 10d EStG) zu beachten, näher Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 556 ff. m. w. N.; a. A. wiederum Balz, DB 1988, 1305, 1305 f. 849) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199 unter Verweis auf Schön, StuW 1988, 253, 259. 850) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199 unter Verweis auf Schön, FS Beisse, 471, 488; ähnlich bereits Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 39. 851) Dies ist zumindest außerhalb der Insolvenz regelmäßig der Fall (Schön, FS Beisse, 471, 488; Ders., StuW 1988, 253, 259); s. a. Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 556. 852) Ausführlich Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 555 f.; wie hier Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 199 unter Verweis auf Schön, FS Beisse, 471, 488; Ders., StuW 1988, 253, 259; zustimmend Priester, DStR 2001, 795, 800.

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III. Erstattungsanspruch gegen die Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO)

Der konkret für den Gesellschafter entstandene Nachteil, den das Steuerentnahmerecht 338 ausgleicht, lässt sich erst bestimmen, wenn der Jahresabschluss festgestellt und die Steuer festgesetzt ist; erst mit Erlass des Steuerbescheids entsteht das Recht.853)

5.

Zwischenfazit

Dem Gesellschafter der werbenden Personengesellschaft steht ein gesetzliches Steuer- 339 entnahmerecht aus § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in analoger Anwendung zu. Dieses ist insolvenzfest. Denn seine tatbestandlichen Voraussetzungen lassen sich in der Insolvenz weiterhin bejahen, das Recht entfällt nicht aufgrund insolvenzrechtlicher Regelungen (wie insbesondere § 80 InsO) und die Gesellschaft kann die Entnahme auch nicht ohne Weiteres verweigern. Anders verhält es sich bei dem rechtsgeschäftlich vereinbarten Steuerentnahmerecht, welches in der Insolvenz nicht mehr geltend gemacht werden kann. Der Gesellschafter kann das gesetzliche Steuerentnahmerecht allerdings in der In- 340 solvenz der Personengesellschaft nicht mehr ohne Weiteres durchsetzen. Je nachdem, ob die zugrundeliegende Einkommensteuerforderung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft begründet ist (i. S. v. § 38 InsO), ist es als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit einzuordnen. Eine Aufrechnung des Gesellschafters mit dem Steuerentnahmerecht gegen von dem Insolvenzverwalter geltend gemachte Ansprüche aus persönlicher Haftung scheitern regelmäßig an der fehlenden Gegenseitigkeit. Die inhaltliche Ausgestaltung des gesetzlichen Steuerentnahmerechts basiert auf seiner 341 Funktion, die konkrete bzw. tatsächliche steuerliche Mehrbelastung des Gesellschafters zu kompensieren. Daher sind insbesondere persönliche steuerliche Verlustnutzungsmöglichkeiten zu berücksichtigen und das Recht entsteht erst mit dem Erlass des Steuerbescheids.

III. Erstattungsanspruch gegen die Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) Eine weitere Anspruchsgrundlage für einen Erstattungsanspruch des steuerlich be- 342 lasteten Gesellschafters einer insolventen Personengesellschaft bringt Christoph Thole in die Diskussion ein – die ungerechtfertigte Massebereicherung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO.854) Diese Überlegung beruht auf einer Entscheidung des OLG Stuttgart, nach der die 343 Besteuerung eines Kommanditisten auf der Grundlage nicht ausgezahlter nachinsolvenzlich erzielter Gesellschaftsgewinne rechtmäßig sein soll.855) Das OLG Stuttgart ___________ 853) Ausführlich Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 554 f. m. w. N. 854) Thole, NZI 2016, 884, 885. 855) OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. Ein Steuerentnahmerecht lehnte das Gericht ausdrücklich ab.

127

4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

hatte angenommen, der Kommanditist müsse die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallenen Gesellschaftsgewinne versteuern. Das gesellschaftsvertraglich vereinbarte Steuerentnahmerecht entfalle in der Insolvenz, ein gesetzliches Recht auf Erstattung bestehe nicht. Vor diesem Hintergrund soll ein Bereicherungsanspruch des Gesellschafters nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO insofern in Betracht kommen, als die Masse der KG einen Vorteil auf Kosten des Gesellschafters erlangt haben könnte, da er den Gewinn versteuert, und zwar anders als außerhalb der Insolvenz ohne auf diesen Gewinn zugreifen zu können.856)

1.

Voraussetzungen des Bereicherungsanspruches nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO

344 Die Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO trägt dem Bereicherungsverbot Rechnung.857) Die Masseverbindlichkeiten des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO knüpfen an die bereicherungsrechtlichen Tatbestände der §§ 812 ff. BGB an und setzen voraus, dass die Masse ohne rechtlichen Grund etwas erlangt hat.858)

345 Fraglich ist hier schon, inwiefern die Masse etwas erlangt hat. Der Vorteil muss der Masse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen sein, anderenfalls kann keine Bereicherung „der Masse“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) vorliegen.859)

346 Die Masse könnte hier die Befreiung von einer Verbindlichkeit oder einen Steuervorteil erlangt haben. Von der Einkommensteuerforderung selbst wird die Masse nicht befreit, denn Einkommensteuern auf Gewinne der insolventen Gesellschaft sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Verbindlichkeiten der Gesellschafter.860) Allerdings hat der Gesellschafter ein gesetzliches Steuerentnahmerecht gegen die Gesellschaft.861) Regelmäßig hat er in der werbenden Gesellschaft Zugriff auf den zu versteuernden Gewinn.862) Insofern kommt eine Befreiung der Masse von Ansprüchen des Gesellschafters in Betracht. Auch in der Insolvenz der Gesellschaft kann der ___________ 856) Vgl. Thole, NZI 2016, 884, 885. 857) Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 55 Rn. 37. 858) Erdmann, in: BeckOK InsO, § 55 Rn. 59; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 55 Rn. 78 f.; Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO haben denselben Rang wie die Masseverbindlichkeiten nach Nr. 1 und Nr. 2 (Lohmann, in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 55 Rn. 24). Ein Hauptanwendungsfall der Vorschrift sind Kontogutschriften aufgrund von Fehlüberweisungen (Paul, in: Graf-Schlicker, InsO, § 55 Rn. 60). 859) Die Vermögensverschiebung muss zu der Masse erfolgen. Es genügt nicht, wenn der Rechtsgrund erst mit oder nach Verfahrenseröffnung wegfällt. Vgl. BGH, Urteil vom 5.7.2009 – IX ZR 61/08; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 55 Rn. 78 f.; Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 55 Rn. 37. 860) Selbst wenn die Einkommensteuerforderung als Masseverbindlichkeit einzuordnen ist, kann sie allenfalls Masseverbindlichkeit im Gesellschafterverfahren sein, aber nicht im Verfahren der Gesellschaft (näher dazu im 6. Teil). 861) Dazu ausführlich Rn. 276 ff. 862) Dazu Rn. 8 ff.; vgl. aber auch Thole, NZI 2016, 884, 885, der das Steuerentnahmerecht ablehnt und für den Bereicherungsanspruch auf den fehlenden Zugriff des Gesellschafters auf Gewinne der insolventen Gesellschaft abstellt.

128

III. Erstattungsanspruch gegen die Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO)

Gesellschafter sein Steuerentnahmerecht aber als Insolvenzforderung oder sonstige Masseverbindlichkeit geltend machen, und zwar nach §§ 38 oder 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO.863) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nicht dazu, dass die Ansprüche des Gesellschafters materiell-rechtlich erlöschen und die Masse von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter befreit ist. Das Steuerentnahmerecht ist lediglich nicht mehr vollständig durchsetzbar, soweit es nach § 38 InsO als Insolvenzforderung einzuordnen ist. Soweit es um nachinsolvenzlich begründete Steuerentnahmerechte geht, stellt sich die Frage nach dem Bereicherungsanspruch des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht, weil das Recht ohnehin als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO geltend gemacht werden kann.864) War ein vertragliches Steuerentnahmerecht vereinbart, kommt indessen die Befreiung von einer Verbindlichkeit in Betracht, weil dieses in der Insolvenz der Personengesellschaft keinen Bestand hat.865) Zudem muss es sich bei dem Erlangten i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO stets um eine 347 unmittelbare Massebereicherung handeln.866) Es genügt insbesondere nicht, wenn ein Dritter einen Insolvenzgläubiger befriedigt, sodass die Masse von einer Insolvenzforderung befreit und mittelbar bereichert wird.867) Denn die Tilgung einer Insolvenzforderung darf nicht zu dem Entstehen einer Masseverbindlichkeit führen.868) Könnte ein zahlender Dritte die vollständige Forderung aus der Masse verlangen, würde das dem Grundsatz der gleichmäßigen und gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung widersprechen.869) In Höhe der auf die Insolvenzforderung entfallenden Quote wäre die Masse zwar durch die Zahlung des Dritten von einer Verbindlichkeit befreit, insofern wird aber lediglich der Gläubiger ausgetauscht.870) Wollte man einem solchen Dritten einen Bereicherungsanspruch in Höhe der Quote auf die Insolvenzforderung zuerkennen, wäre diese vorab als Masseverbindlichkeit zu begleichen – auch dies widerspräche der par conditio creditorum.871) ___________ 863) S. Rn. 322 ff. 864) Dazu Rn. 322 ff. 865) So auch der Ansatz von Thole, NZI 2016, 884, 885 zu dem Fall des OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16; zum rechtsgeschäftlichen Steuerentnahmerecht in der Insolvenz s. Rn. 315 ff. 866) Pape/Schaltke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 55 Rn. 201; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 87. 867) Pape/Schaltke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 55 Rn. 201; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 87. 868) BGH, Beschluss vom 6.12.2007 – IX ZR 215/06; Ähnlich bereits BGH, Urteil vom 25.4.1962 – VIII ZR 43/61; Lohmann, in: Kayser/Thole, HK-InsO, § 55 Rn. 26. 869) Aghamiri u. a., in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 55 Rn. 47. 870) An die Stelle des ursprünglichen Insolvenzgläubigers tritt der Zahlende. Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 211; Pape/Schaltke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 55 Rn. 201. 871) Der Dritte könnte die Insolvenzforderung durch Zahlung zu einer Masseverbindlichkeit aufwerten, vgl. Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 87; Zumal die (hypothetische) Quote sich praktisch vorab kaum berechnen lässt (Aghamiri u. a., in: Rattunde/Smid/Zeuner, InsO, § 55 Rn. 47; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 87).

129

4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

348 Vorliegend ist auch dieser Aspekt bedenklich. Denn das gesetzliche Steuerentnahmerecht ist als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) einzuordnen und daher praktisch nicht mehr vollständig durchsetzbar, wenn die zugrundeliegende Einkommensteuerforderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft begründet ist.872) Wollte man stattdessen einen Massebereicherungsanspruch i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO bejahen, würde diese Insolvenzforderung des Gesellschafters zu einer Masseverbindlichkeiten aufgewertet.

349 Der Bereicherungsanspruch des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO setzt des Weiteren voraus, dass die Masse den Vorteil ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Es genügt, wenn dieser mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens weggefallen ist.873)

350 Will man entgegen vorstehender Bedenken eine Bereicherung der Masse in der eingeschränkten Möglichkeit der Geltendmachung des gesetzlichen Steuerentnahmerechts in der Insolvenz sehen, sollte der Rechtsgrund dafür in den Regelungen der §§ 38 ff. InsO liegen. Denn diese sorgen mit dem der conditio par creditorum dienenden Forderungssystem dafür, dass das gesetzliche Steuerentnahmerecht in der Insolvenz der Personengesellschaft – soweit bereits vor Insolvenzeröffnung begründet – nur als Insolvenzforderung i. S. v. § 38 InsO geltend zu machen ist.

351 Stellt man auf das rechtsgeschäftliche Steuerentnahmerecht ab, welches in der Insolvenz erlischt,874) ist der maßgebliche Rechtsgrund ebenfalls in der Insolvenzordnung zu erblicken, denn aufgrund des gesetzlich angeordneten Vorrangs der conditio par creditorum wird die Möglichkeit der Steuerentnahme des Gesellschafters berechtigterweise auf das Minimum des gesetzlichen Steuerentnahmerechts begrenzt.

2.

Schlussfolgerungen

352 Aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO lässt sich die genuin insolvenzrechtliche Wertung herleiten, dass der Gesetzgeber Bereicherungen der Masse nach Verfahrenseröffnung verhindern will, da sie haftungsrechtlich nicht den Gläubigern zugewiesen sind.875) Dem Insolvenzschuldner nicht zustehende Vermögenszuflüsse seien nach dem Zweck des Insolvenzverfahrens haftungsrechtlich nicht der Gemeinschaft der Gläubiger zugewiesen, sondern vorab als Masseverbindlichkeit an den Bereicherungsgläubiger herauszugeben.876) Solche Vermögenszuflüsse dürften daher nicht zum Zwecke der allgemeinen Befriedigung der Insolvenzgläubiger eingesetzt werden.877) Diese Wertung erscheint hier passend, da es bei der Einkommensteuer auf Gesellschaftsgewinne ___________ 872) 873) 874) 875) 876) 877)

130

Vgl. Rn. 322 ff. Erdmann, in: BeckOK InsO § 55 Rn. 61; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 89. Dazu bereits Rn. 315 ff.; vgl. auch Thole, NZI 2016, 884, 885. So zutreffend Thole, NZI 2016, 884, 885; zustimmend Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 3. Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 209. Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 209.

IV. Fazit zum zivilrechtlichen Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

um einen Betrag geht, der materiell-rechtlich eine Gesellschafts- und keine Gesellschafterangelegenheit ist.878) Die Annahme liegt daher nahe, dass nur der Nettobetrag eines Gesellschaftsgewinns den Insolvenzgläubigern zur Verteilung zu Gebote steht, die Steuer aber vorab aus der Insolvenzmasse an die Gesellschafter ausgekehrt werden sollte.879) Als problematisch erweist sich allerdings das Vorliegen der Tatbestandsvorausset- 353 zungen des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Für das nach Insolvenzeröffnung begründete gesetzliche Steuerentnahmerecht erübrigt sich die Frage, da dieses ohnehin Masseverbindlichkeit (nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) ist. Für das vor Insolvenzeröffnung begründete Steuerentnahmerecht, welches der Ge- 354 sellschafter als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) nun nicht mehr vollständig durchsetzen kann, ist schon die Bereicherung in Form der Befreiung von einer Verbindlichkeit zweifelhaft. Denn die Personengesellschaft ist von diesem Anspruch des Gesellschafters durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht befreit; er ist nur nicht mehr ohne Weiteres vollständig durchsetzbar. Zumal mit der Bejahung eines Anspruchs i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Insolvenzforderung zu einer Masseverbindlichkeit aufgewertet würde. Wollte man dennoch eine Bereicherung annehmen, sollte der Rechtsgrund in den Regelungen der Insolvenzordnung (§§ 38 ff. InsO) zu sehen sein. Für das vertragliche Steuerentnahmerecht kann die Bereicherung der Gesellschaft 355 zwar noch bejaht werden, da sie von einer Verbindlichkeit befreit ist. Jedoch liegt hier der Rechtsgrund in der Insolvenzordnung, da dieses Steuerentnahmerecht nach deren Regelungen in der Insolvenz keinen Bestand haben kann.880) Für das Entfallen bzw. die Beschränkung von Steuerentnahmerechten in der Insol- 356 venz kann der Massebereicherungsanspruch des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO insgesamt also nicht bejaht werden.

IV. Fazit zum zivilrechtlichen Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz der Personengesellschaft Untersucht wurde in diesem Teil das Problem, inwieweit der Gesellschafter die 357 Steuerbelastung durch ihm zugerechnete Gesellschaftseinkünfte auch im Innenverhältnis zu tragen hat. Die Frage nach einfachgesetzlichen zivilrechtlichen Regressansprüchen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft zur Kompensation der Steuerbelastung (4. Teil) ist eng verknüpft mit der Frage nach der verfassungsrechtlich gebotenen Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der Besteuerung (5. Teil). ___________ 878) Dazu Rn. 287 ff. 879) Zu dieser Wertung wird noch zurückgekommen (5. Teil). 880) Dazu bereits Rn. 315 ff.

131

4. Teil – Zivilrechtlicher Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

358 In der werbenden Gesellschaft ist dem Personengesellschafter unabhängig von einer vertraglichen Regelung ein gesetzliches Steuerentnahmerecht zuzuerkennen. Dieses lässt sich entgegen der wohl herrschenden Auffassung überzeugend aus handelsrechtlichen Aufwendungsersatzvorschriften (analog § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB) herleiten. Denn mit der Einkommensteuerzahlung leistet der Gesellschafter eine Aufwendung, die zwar nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG seine eigene Angelegenheit, materiell und wertungsmäßig aber eine solche der Gesellschaft ist. Die Aufwendungsersatzvorschriften sind auf diesen Fall analog anwendbar.

359 Rechtsprechung und Literatur zu dem Schicksal des gesetzlichen Entnahmerechts in der Insolvenz der Personengesellschaft findet sich naturgemäß kaum, da es zu Unrecht überwiegend bereits außerhalb der Insolvenz abgelehnt wird. Die wohl überwiegende Ansicht lehnt mit der Rechtsprechung des BGH Steuerentnahmerechte in der Insolvenz generell ab. In der – aufgrund der Erhebungsart unter umgekehrten Vorzeichen geführten – Diskussion um abgeführte Kapitalertragsteuern bejaht sie entsprechend eine Erstattungspflicht des Personengesellschafters. Im Ergebnis liegen aber auch in der Insolvenz alle Voraussetzungen für das Steuerentnahmerecht analog § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB weiterhin vor. Zwar fallen Einkünfte der insolventen Gesellschaft, die der allein verwaltungs- und verfügungsbefugte Insolvenzverwalter erwirtschaftet, in die Masse. So wie die Einkünfte der werbenden Personengesellschaft ihr nicht als Bruttobeträge zustehen, stehen aber auch die Einkünfte der insolventen Gesellschaft der Insolvenzmasse nicht steuerfrei zu. Denn die Einkommensteuer muss stets dasjenige Vermögen belasten, das von der zugrundeliegenden Vermögensmehrung profitiert. Daher sind Steuern auf Gesellschaftseinkünfte nicht etwa aus dem Privatvermögen des Gesellschafters zu zahlen. Ihm steht vielmehr auch in der Insolvenz das Steuerentnahmerecht zu. Selbst wenn der Gesellschafter aufgrund der Insolvenzordnung nicht ohne Weiteres auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen darf, kann er mit bestimmten Forderungen (einschließlich Regressforderungen) an dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft selbst als Gläubiger teilnehmen. Eine Beeinträchtigung vorrangiger Gläubigerinteressen droht durch das Steuerentnahmerecht in der Insolvenz nicht – im Gegenteil, die Gläubiger der Gesellschaft würden bevorteilt, dürften sie die Bruttogewinne erhalten. Spiegelbildlich würden die Gesellschafter ohne das Steuerentnahmerecht in der Insolvenz unangemessen benachteiligt, denn sie wären faktisch zu nicht vorgesehenen Nachschüssen verpflichtet.

360 Die vorstehenden Erwägungen gelten indes nicht für das vertragliche Entnahmerecht. Dieses kann in der Insolvenz der Gesellschaft keinen Bestand haben, sonst könnte der Gesellschafter u. U. mehr beanspruchen als für seine Steuerzahlung nötig, wenn das vertragliche über das gesetzliche Recht hinausgeht, und dies würde der conditio par creditorum widersprechen. Der Gesellschafter ist insofern auf das gesetzliche Recht verwiesen und beschränkt.

132

IV. Fazit zum zivilrechtlichen Innenausgleich von Steuerfolgen in der Insolvenz

Das gesetzliche Steuerentnahmerecht ist allerdings in der Insolvenz nicht mehr ohne 361 Weiteres durchsetzbar. Nach den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien kann es Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) sein – je nach Zeitpunkt des insolvenzrechtlichen Begründetseins. Hierfür lässt sich auf den Zeitpunkt des Begründetseins der zugrundeliegenden Einkommensteuerforderung abstellen. Ist die Steuerforderung begründet, sind auch die Grundlagen für den Ausgleichsanspruch gelegt. Diese Einordnung des Steuerentnahmerechts als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit kommt einer Direktbesteuerung der Gesellschaft zumindest nahe. Eine Durchsetzung im Wege der Aufrechnung gegen von dem Insolvenzverwalter geltend gemachte Ansprüche aus persönlicher Haftung (§ 93 InsO i. V. m. § 128 HGB bzw. § 171 Abs. 2 HGB) scheitert grundsätzlich an der fehlenden Gegenseitigkeit. Denn das Steuerentnahmerecht ist ein Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft und die Haftungsansprüche sind Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen den Gesellschafter. Für den Kommanditisten kann sich ausnahmsweise ein abweichendes Ergebnis ergeben, da er sich auch in der Gesellschaftsinsolvenz durch Einlageleistung von der Haftung befreien können soll. Im Ergebnis ist der Gesellschafter also, soweit das Steuerentnahmerecht als Insolvenzforderung einzuordnen ist, auf die Anmeldung zur Tabelle verwiesen und erhält regelmäßig nur eine geringe Quote – das Insolvenzrisiko der Gesellschaft verlagert sich insofern auf ihn. Dass das gesetzliche Steuerentnahmerecht insolvenzfest fortbesteht, aber möglicher- 362 weise nur eingeschränkt durchsetzbar ist, stimmt im Übrigen mit dem allgemeinen Grundsatz überein, wonach sich in der Insolvenz die Entstehung von Forderungen nach dem jeweiligen Rechtsgebiet, ihre Durchsetzbarkeit aber nach der Insolvenzordnung richtet. Einen Ausgleich in Form des Massebereicherungsanspruchs nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 363 InsO kann der Gesellschaft für (eingeschränkte gesetzliche oder entfallene vertragliche) Steuerentnahmerechte in der Insolvenz nicht verlangen. Die Norm enthält zwar die Wertung, Bereicherungen der Masse nach Verfahrenseröffnung zu verhindern, da diese haftungsrechtlich nicht den Gläubigern zugewiesen sind – hier insofern passend, als die Gesellschaft ggf. von steuerfrei gemehrten Gewinnen profitieren würde. Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Bezüglich des hier problematischen vorinsolvenzlichen (gesetzlichen) Steuerentnahmerechts fehlt schon die Bereicherung. Die Masse ist insbesondere von der Verbindlichkeit nicht befreit; nur die Durchsetzbarkeit ist beschränkt. Das vertragliche Steuerentnahmerecht mag zwar entfallen, jedoch angesichts der Insolvenzordnung nicht ohne Rechtsgrund.

133

5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung von Gesellschaftern insolventer Personengesellschaften mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Nach den bisherigen Untersuchungen sind dem Gesellschafter nach einfachem Recht 364 auch in der Insolvenz der Personengesellschaft die Einkünfte der Gesellschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich steuerlich zuzurechnen – die Insolvenzordnung steht dem nicht entgegen (3. Teil). Der Gesellschafter hat ein gesetzliches Steuerentnahmerecht gegenüber der Gesellschaft analog § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB, und zwar auch in der Insolvenz, in der er dieses Recht aber nicht mehr ohne Weiteres durchsetzen kann (4. Teil). Die Besteuerung des Gesellschafters einer insolventen Personengesellschaft nach dem 365 Transparenzprinzip ist allerdings darüber hinaus an verfassungsrechtlichen Vorschriften zu messen (5. Teil). Die spezifisch steuerrechtlichen Regelungen des deutschen Grundgesetzes (Art. 105 – 108 GG) beinhalten eine Kompetenzordnung, ihnen werden überwiegend keine materiellen Wertungen für das Recht der Unternehmensbesteuerung entnommen.881) Maßgeblich sind also die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere das im Steuerrecht grundlegende Prinzip der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Leistungsfähigkeitsprinzip).882)

I. Bestimmung des Untersuchungsmaßstabs 1.

Leistungsfähigkeitsprinzip als allgemeiner Maßstab gerechter Besteuerung

Es ist fast ausnahmslos anerkannt, dass die Steuerbelastung sich an der Leistungsfä- 366 higkeit des Betroffenen auszurichten hat.883) Trotz umfänglicher Diskussion entbehrt das Steuerrecht einer feststehenden Definition des Begriffs der Leistungsfähigkeit

___________ 881) Näher Kraus, Integration, S. 35; ähnlich Hennrichs, FS Lang, 237, 247; vgl. auch Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 553 ff. (insb. zu Art. 106 GG als Kompetenznorm); s. aber Drüen, GmbHR 2008, 393, 399. 882) Grundlegend Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, passim. 883) St. Rspr. BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017 – 2 BvL 6/11 m. w. N.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 20; Hennrichs, FS Lang, 237, 239; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 41 („weltweit und in allen steuerwissenschaftlichen Disziplinen als Fundamentalprinzip gerechter Besteuerung anerkannt“); Jachmann, StuW 1998, 293, 293; Kirchhof, FS 100 Jahre BFH, 1197, 1210 ff.; Lehner, FS Tipke, 237, 238 („Inbegriff von Steuergerechtigkeit“); Rau, Prinzipien, S. 86 f.; Tipke, StRO I, S. 479 ff.; Ders., StRO III, 1251 ff.; trotz kritischer Auseinandersetzung i. Erg. etwa auch Arndt, FS Mühl, 17, 17 ff.

135

5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

oder des Leistungsfähigkeitsprinzips. Im Kern geht es darum, die individuelle Steuerbelastung nach der Fähigkeit zu bemessen, Steuern zahlen zu können.884)

367 Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird gemeinhin als steuerrechtliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 GG verstanden und beruht damit auf dem grundlegenden Gerechtigkeitsgedanken des Verfassungsgebers.885) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betont in ständiger Rechtsprechung, dass gerade die Einkommensteuer auf die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen angelegt ist.886) Danach muss es das Ziel sein, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern (sog. horizontale Steuergerechtigkeit) und bei der unterschiedlichen Besteuerung höherer und niedrigerer Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot zu genügen (sog. vertikale Steuergerechtigkeit).887)

368 Generelle Kritik an dem Prinzip geht dahin, es sei zu unbestimmt und inhaltsleer, um aus ihm substantielle Aussagen herleiten zu können.888) Berechtigterweise wird dieser Kritik der Hinweis auf den eigentlichen Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips als Primärgrundsatz, als Verteilungsregel und Leitidee einer möglichst gerechten Besteuerung entgegengehalten – um in dieser Art allgemein gültig zu sein, ist dem Prinzip ein hoher Abstraktionsgrad immanent.889) Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein „unbestimmtes, kein unbestimmbares Prinzip“890). Es bedarf natur___________ 884) Vielfach ist auch die Rede von „finanzieller“, „wirtschaftlicher“ oder „steuerlicher“ Leistungsfähigkeit. Ob und inwieweit mit den Begriffen eine inhaltliche Differenzierung einhergeht, wird unterschiedlich beurteilt (vgl. z. B. Tipke, StRO I, S. 479 ff., 496). Nach der viel zitierten Definition Tipkes ist Leistungsfähigkeit „die Fähigkeit von Personen, Steuern aus dem gespeicherten Einkommen entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens zahlen zu können“ (Tipke, StRO I, S. 481); Lang, Bemessungsgrundlage, S. 97, spricht von dem „Prinzip, die einzelne Person nach ihrer Fähigkeit, Steuern zahlen zu können, mit Steuern zu belasten (Ability-to-Pay Principle)“; s. a. den Definitionsvorschlag von Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 111. 885) Das BVerfG argumentiert mit dem sog. Grundsatz der Steuergerechtigkeit (z. B. BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017 – 2 BvL 6/11 m. w. N.); näher zu der Entwicklung z. B. Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 401 ff.; für die Herleitung aus dem Gleichheitssatz ebenfalls z. B. Birk, FS Kirchhof, 1591, 1592; Ders., StuW 2000, 328, 329; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 113 ff. (zu Art. 3 Abs. 1 GG) und S. 121 ff. (zu verfassungsrechtlichen Grundlagen i. Ü.); Rau, Prinzipien, S. 145 f.; kritisch zu der verfassungsrechtlichen Herleitung des Prinzips und dessen Status als normatives Gebot z. B. Arndt, FS Mühl, 17, 26 ff. 886) So etwa BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017 – 2 BvL 6/11; kritisch Kruse, FS Friauf, 793, 795 ff. 887) BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017 – 2 BvL 6/11; Birk, DStJG 34 (2011), 11, 17; ausführlich Ders., Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165 ff.; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 416 spricht von horizontaler und vertikaler Gleichheit. 888) In der neueren Literatur kritisiert etwa Arndt, FS, Mühl, 17, 30 und 35 ff., die Unbestimmtheit und beliebige Verwendbarkeit des Prinzips; weiterführend zur (finanzwissenschaftlichen) Kritik an dem Prinzip Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 39 ff. 889) Bach, StuW 1991, 116, 119 f.; Birk, FS Kirchhof, 1591, 1592 ff.; Ders., StuW 2000, 328, 329 f.; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 41; Kraus, Integration, S. 37; Pezzer, DStJG 14 (1991), 3, 9 f. 890) Tipke, StRO I, S. 492 ff.

136

I. Bestimmung des Untersuchungsmaßstabs

gemäß einer Konkretisierung durch Subprinzipien sowie durch Legislativakte, Judikatur und wissenschaftliche Dogmatik.891) Das Leistungsfähigkeitsprinzip mit seinen Konkretisierungen hat in erster Linie eine 369 prohibitive und limitierende Wirkung für den Gesetzgeber; diesem wird im Grundsatz ein erheblicher Gestaltungsspielraum zuerkannt.892) So ist der Gesetzgeber schon insofern nicht zu einer lückenlosen Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips verpflichtet, als er es nicht in allen Besteuerungsbereichen umsetzen muss.893) Richtet er einen Besteuerungsbereich an dem Leistungsfähigkeitsprinzip aus, verfügt der Gesetzgeber über eine weitreichende Entscheidungsfreiheit, was die Auswahl und Bewertung relevanter Leistungsfähigkeitsindikatoren, die zu erschließenden Steuerquellen sowie die nähere Ausgestaltung der steuerrechtlichen Tatbestände anbetrifft.894) Das Leistungsfähigkeitsprinzip gibt regelmäßig keine bestimmte steuerliche Gestaltung vor, sondern beschränkt die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit.895) Interessengerecht erscheint mit André Meyer folgende Differenzierung hinsichtlich der Grenzen dieser Freiheit: Der Gesetzgeber darf erstens nur Sachverhalte besteuern, die Ausdruck einer entsprechenden Leistungsfähigkeit sind (sog. absolute Grenze) und er darf zweitens Sachverhalte nicht unterschiedlich besteuern, obwohl sie auf eine gleichwertige Leistungsfähigkeit schließen lassen, bzw. Sachverhalte nicht gleich besteuern, obwohl sie auf eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit schließen lassen (sog. relative Grenze).896) Beide Grenzen muss der Gesetzgeber nicht ausnahmslos einhalten, ihm stehen bei Vorliegen eines adäquaten Rechtfertigungsgrundes Durchbrechungen oder Abweichungen offen.897)

___________ 891) S. Nachweise in Fn. 889. 892) Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 ff.; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 121. 893) Teilweise liegt von vornherein ein anderer Verteilungsmaßstab zugrunde, wie insb. bei Lenkungsnormen. Vgl. Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 166 f. 894) Näher z. B. Kruse, FS Friauf, 793, 804 f.; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 131 ff. 895) Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 ff.; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 121, 135 ff. 896) Das gilt jeweils vorbehaltlich gerechtfertigter Abweichung. Die „absolute Grenze“ ist betroffen, wenn (nicht) vorhandene Leistungsfähigkeit unzutreffend abgebildet wird, also ein Steuerpflichtiger abweichend von seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird (ausführlich Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 134, 135 ff.). Die „relative Grenze“ ist betroffen, wenn (nicht) vorhandene Leistungsfähigkeit zwar isoliert betrachtet vertretbar abgebildet ist, im Verhältnis verschiedener Personengruppen zueinander aber gleiche Leistungsfähigkeit ungleich oder ungleiche Leistungsfähigkeit gleich besteuert wird (ausführlich ebd., S. 134 f., 144 ff.). 897) Näher z. B. Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 121, 135 sowie Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 404.

137

5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

370 Das Leistungsfähigkeitsprinzip erweist sich in seiner Funktion als steuerrechtlicher Primärgrundsatz alternativen Konzepten als überlegen.898) Insbesondere das Äquivalenzprinzip, das Steuern als Preis für staatliche Leistungen ansieht, vermag allenfalls Steuern in Sonderbereichen zu rechtfertigen und das Leistungsfähigkeitsprinzip komplementär zu ergänzen.899) Als Maßstab für Generalsteuern oder für die Personenbesteuerung taugt es hingegen nicht, da es verfassungsrechtliche Vorgaben unberücksichtigt lässt, namentlich den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), das Sozialstaatsprinzip und den Schutz des Existenzminimums (aus Art. 1 Abs. 1 GG).900) Eine egalitäre Pro-Kopf-Besteuerung (Kopfsteuerprinzip) ist ebenfalls abzulehnen, da sie keine Rücksicht auf das Existenzminimum des Steuerpflichtigen nimmt und dem Sozialstaatsprinzip widerspricht.901)

2.

Leistungsfähigkeitsprinzip in der insolventen Personengesellschaft

371 Für die vorliegende Untersuchung kommt es darauf an, inwieweit das Leistungsfähigkeitsprinzip seine soeben skizzierten Wirkungen als Maßstab einer gerechten Besteuerung auch im Unternehmenssteuerrecht für die Einkünfte insolventer Personengesellschaften entfaltet.

a) Leistungsfähigkeit und Unternehmenssteuerrecht 372 Das Prinzip der Besteuerung der Leistungsfähigkeit ist ursprünglich auf natürliche Personen angelegt.902) Im Unternehmenssteuerrecht wird es relativ zurückhaltend aufgegriffen.903) Dabei überzeugt es, das Leistungsfähigkeitsprinzip dort ebenfalls anzuwenden, mithin auch bei der Besteuerung von Personengesellschaften.904) Es gibt keinen Grund, diesen wesentlichen unternehmerischen Tätigkeitsbereich von der Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auszunehmen.905) Zudem entspricht es der gesetzgeberischen Intention, den Unternehmensgewinn der Personengesellschaft an der Leistungsfähigkeit auszurichten.906) Befürwortet man die Herleitung des Prinzips aus der Idee der Steuergerechtigkeit, so erscheint es mit Birk „nicht nur loh___________ 898) Bach, StuW 1991, 116, 117 f.; Pezzer, DStJG 14 (1991), 3, 9; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 101 ff.; Tipke, StRO I, S. 484; Ders., StRO III, S. 1256. 899) Näher z. B. Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 44 ff. 900) Zumal es in der Umsetzung unpraktikabel wäre (ausführlich Tipke, StRO I, S. 476 ff.). 901) Tipke, StRO I, S. 473 ff. 902) Vgl. etwa Graß, Besteuerung, S. 55 sowie Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1306. 903) Birk, StuW 2000, 328, 329. 904) So etwa auch Birk, StuW 2000, 328, 329; Drüen, FS 100 Jahre BFH, 1317, 1321; Frenz, StuW 1997, 116, 124 f.; Graß, Besteuerung, S. 54 f.; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 11 ff. und 64; Hey, in: Kernfragen, 1, 2 ff. und 13 ff.; Kraus, Integration, S. 39 ff.; Rau, Prinzipien, S. 106 f.; Tipke, StRO I, S. 481 und 496; Ders., StRO II, S. 1194. 905) Auch ist kein ebenso tauglicher Vergleichsmaßstab ersichtlich. Näher Rau, Prinzipien, S. 106. 906) Näher dazu Rau, Prinzipien, S. 106 m. w. N.

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I. Bestimmung des Untersuchungsmaßstabs

nend, sondern verfassungsrechtlich sogar geboten, das Leistungsfähigkeitsprinzip als Prüfmaßstab auch des Unternehmenssteuerrechts heranzuziehen“907).

aa) Zuordnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit Das Leistungsfähigkeitsprinzip bedarf in persönlicher Hinsicht der Konkretisie- 373 rung, da sich die Frage stellt, wer Zuordnungssubjekt der Leistungsfähigkeit sein kann – allein eine natürliche Person oder auch eine (Personen-)Gesellschaft als Unternehmensträgerin.908) Die Diskussion um die Trägerschaft steuerlicher Leistungsfähigkeit geht weit zurück.909) Vereinzelt wird eine eigenständige Leistungsfähigkeit von Gesellschaften generell 374 negiert.910) Dies erscheint nicht überzeugend, zumindest aber undifferenziert, da es die separate Vermögenssphäre und die eigenständige Einkommenserwirtschaftung vernachlässigt, die den meisten Gesellschaften rechtlich zugeordnet ist.911) Zumal sich die Frage nach der Rechtfertigung der Körperschaftsteuer als „Einkommensteuer der juristischen Person“912) aufdrängt.913) Meist wird sachgerecht unterschieden zwischen der objektiven Leistungsfähigkeit 375 im Sinne der Zahlungsfähigkeit und der subjektiven Leistungsfähigkeit, welche die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen berücksichtigt.914) Eine eigenständige subjektive Leistungsfähigkeit wird mangels persönlicher Verhältnisse oft sämtlichen Gesellschaften abgesprochen.915) Stellt man hierfür auf die Notwendigkeit eines besonderen Substrats oder den Selbstzweck eines Rechtssubjekts ab, erscheint es konsequent, Personengesellschaften ebenso wie normtypischen Kapitalgesellschaften ___________ 907) Birk, StuW 2000, 328, 329. 908) Grundlegend Palm, Person im Ertragsteuerrecht, insb. S. 476 ff. und 482 ff.; Es ist zwischen „Unternehmen“ und „Unternehmensträger“ zu unterscheiden: Das Unternehmen ist ein juristisch nicht einheitlich definierter Rechtsgegenstand und dient als Ertragsquelle, der Unternehmensträger ist dagegen zivilrechtliches Rechtssubjekt (z. B. Personengesellschaft) (vgl. Palm, FS Kirchhof, 1697, 1700); Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 49 ff.; Rau, Prinzipien, S. 110 ff. 909) Birk, StuW 2000, 328, 333 (der Streit sei „so alt wie die Einkommensbesteuerung selbst“); weiterführend Hey, Harmonisierung, S. 245 ff. 910) Vgl. etwa Bach, StuW 1991, 116, 127 f. (zu KSt bzgl. juristischer Personen); s. a. Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 107 m. w. N. 911) Hey, Harmonisierung, S. 249 ff.; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 527; Rau, Prinzipien, S. 124 ff. 912) So bezeichnet etwa bei Hey, in: Kernfragen, 1, 16 m. w. N. 913) Hennrichs, FR 2010, 721, 726; Hüttemann, DStJG 23 (2000), 127, 140; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 527. 914) Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 12; Dies., Steuergesetzgebung, S. 66 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 51; Dies., Harmonisierung, S. 249 ff.; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 541 ff.; Rau, Prinzipien, S. 110 ff. 915) Hey, Harmonisierung, 254 (Kapitalgesellschaft); Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 17 (Körperschaft); Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 542.

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

allenfalls eine von dem dahinter stehenden Gesellschafter abgeleitete subjektive Leistungsfähigkeit zuzugeben.916)

376 Die objektive Leistungsfähigkeit dagegen wird für juristische Personen mit Recht überwiegend bejaht, wobei ausschlaggebend ihre zivilrechtliche Eigenständigkeit sein soll.917) Als Privatrechtssubjekte sind sie vermögensrechtsfähig, können also über eine eigene Zahlungsfähigkeit im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips verfügen.918) Nichts anderes kann dann aber für Personengesellschaften gelten.919) Auch sie sind zivilrechts- und vermögensfähig und können damit selbständig Gewinne erwirtschaften, sodass ihnen selbst die hier entscheidende Zahlungsfähigkeit im Sinne einer objektiven Leistungsfähigkeit zukommt.920) Anders als bei einer natürlichen Person soll es sich jedoch um eine vorläufige eigene Leistungsfähigkeit handeln, eine Mehrung der Zahlungsfähigkeit auf Zeit, die lediglich in dem Umfang und solange bei der Gesellschaft verbleibt, wie Gewinne im Gesellschaftsvermögen verbleiben.921) Mit Ausschüttung an den Gesellschafter soll ein bloßer Transfer der bestehenden objektiven Leistungsfähigkeit stattfinden, ohne dass neue Leistungsfähigkeit entsteht.922)

377 In engem Zusammenhang mit diesem Konzept stehen die Fragen, ob objektive Leistungsfähigkeit verfassungsrechtlich überhaupt auf zwei Ebenen (Unternehmensträger und Anteilseigner bzw. Gesellschafter) steuerlich erfasst werden darf und inwiefern eine solche Doppelbelastung Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften zulässt.923) Diese Fragen bedürfen vorliegend nicht der Vertiefung.

378 Entscheidend für die weitere Untersuchung ist die systematische Differenzierung zwischen der eigenständigen Leistungsfähigkeitssphäre der Personengesellschaft und ___________ 916) Grundlegend Palm, der diese subjektive Leistungsfähigkeit normativ mit Art. 19 Abs. 3 GG begründet (vgl. insb. Palm, FS Kirchhof, 1697, 1706; Ders., Person im Ertragsteuerrecht, S. 515 ff., 542). 917) BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 – 2 BvL 2/99 (= BVerfGE 116, 164); s. a. Drüen, FS 100 Jahre BFH, 1317, 1321; Hey, Harmonisierung, S. 253 f.; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 17 ff.; Dies., Steuergesetzgebung, S. 67; ausführlich Palm, Person im Ertragsteuerrecht, § 8; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 161 f.; Tipke, StRO II, S. 1194. 918) Ausführlich Palm, Person im Ertragsteuerrecht, § 8. 919) Hennrichs, FR 2010, 721, 726; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 20 und 24; Dies., Steuergesetzgebung, S. 71; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 541 f. 920) Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 541 f.; Rau, Prinzipien, S. 126 ff. 921) Hennrichs, FR 2010, 721, 726; Hey, Harmonisierung, S. 254 ff. (bzgl. Kapitalgesellschaften); Kraus, Integration, S. 53 f.; Rau, Prinzipien, S. 134. 922) Vgl. Hey, Harmonisierung, S. 256 (bzgl. Kapitalgesellschaften); Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 543 f. 923) Vgl. Tipke, StRO II, S. 1192; Überwiegend wird die doppelte Erfassung für grundsätzlich unzulässig gehalten (z. B. Hey, Harmonisierung, S. 254 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 66 ff.; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 543 f.); tendenziell für die Zulässigkeit einer Doppelbelastung BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 – 2 BvL 2/99 (= BVerfGE 116, 164), kritisch dazu wiederum Palm, FS Kirchhof, 1697, 1699 und 1705.

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I. Bestimmung des Untersuchungsmaßstabs

derjenigen des Gesellschafters. Die Leistungsfähigkeit und ihre Indikatoren sind für jeden einzelnen Träger steuerlicher Leistungsfähigkeit gesondert und individuell zu bestimmen.924) Dies lässt sich für die Einkommensteuer aus dem sog. Individualsteuerprinzip (auch Subjektsteuerprinzip) ableiten, welches das Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisiert.925) Die gesetzliche Steuerbelastung hat grundsätzlich denjenigen zu treffen, der über die entsprechende Leistungsfähigkeit verfügt.926) Daher ist es entscheidend zu wissen, wessen Leistungsfähigkeit ein wirtschaftlicher Vorgang vermehrt oder vermindert.927) Gewinne auf Ebene der Personengesellschaft begründen nicht ohne Weiteres Leistungsfähigkeit des Gesellschafters.928) Soll er besteuert werden, stellt sich vielmehr die Frage, ob ein Sachverhalt (auch) seine eigene Leistungsfähigkeit verändert.

bb) Exkurs: Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung und Bestrebungen einer körperschaftsteuerlichen Integration der Personengesellschaft Die hier anklingende Problematik einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung der 379 verschiedenen Unternehmensformen veranlasst immer wieder die grundlegende Diskussion über ein rechtsformneutrales Unternehmenssteuerrecht.929) Das Bundesverfassungsgericht hält die steuerrechtliche Unterscheidung zwischen 380 juristischen Personen und Personengesellschaften für verfassungsrechtlich legitim und begründet dies insbesondere mit der stärkeren Abschirmung der Vermögenssphäre einer Körperschaft.930) Diese Auffassung ruft jedoch berechtigte Kritik hervor.931) ___________ 924) Lang, Bemessungsgrundlage, S. 625 (Konzeption der Individualbesteuerung). 925) Das Individualprinzip wird im Unternehmenssteuerrecht bislang eher zurückhaltend aufgegriffen, hat hier jedoch seine Berechtigung (näher Hey, in: Kernfragen, 1, 2 ff.). 926) Vgl. Hey, in: Kernfragen, S. 1, 5 f.; bzw. dasjenige Vermögen, das durch einen Gewinn vermehrt wird (Priester, in: MüKo HGB, § 122 Rn. 61); s. a. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 198 f. 927) So bereits Lang, StuW 1978, 215, 217. 928) Hüttemann, in: Diskussion zu den Referaten von Hüttemann und Sieker, DStJG 25 (2002), 177, 180; s. a. bereits Schön, StuW 1988, 253, 259; Lang, StuW 1978, 215, 220 (Gewinnverwirklichung im Gesellschaftsvermögen als „Vorbedingung“ für Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters); im Anschluss Graß, Besteuerung, S. 71. 929) Weiterführend Drüen, FS 100 Jahre BFH, 1317, 1325; Ders., GmbHR 2008, 393, 393 ff.; Graß, Besteuerung, S. 65 ff.; Hennrichs, StuW 2002, 201, 210 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, § 13 Rn. 168 ff.; Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 125 ff. und 138 ff.; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 10 ff.; vgl. auch Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 129 ff. und 231 ff.; Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, passim; Palm, FS Kirchhof, 1697, passim; Ders., Person im Ertragsteuerrecht, S. 545 ff.; Rau, Prinzipien, S. 169 ff.; Schön, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 139, 142 ff.; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 146 ff.; Tipke, StRO II, S. 1190 ff.; dafür wohl auch Seer, DStJG 34 (2011), 1, 7. 930) BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 – 2 BvL 2/99 (= BVerfGE 116, 164). 931) So baut sie doch beispielsweise auf überholte zivilrechtlichen Maximen auf. Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 8 f.; Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 4; Ders., FS Lang, 237, 244 f.; Hennrichs, FR 2010, 721, 723 ff; i. Erg. wohl auch Drüen, GmbHR 2008, 393, 398 ff.

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

Der Dualismus der Unternehmensbesteuerung führt de lege lata zu etlichen rechtsformabhängigen Belastungsunterschieden, deren Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinz durchaus in Zweifel gezogen werden darf.932) Die für eine Differenzierung zwischen Kapital- und Personengesellschaften hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit vorgebrachten Gründe erscheinen sämtliche überdenkenswert. Insbesondere ist die Personengesellschaft wie die Kapitalgesellschaft ein verselbständigtes Privatrechtssubjekt, bildet ein von dem Privatvermögen der Gesellschafter separates Gesellschaftsvermögen, ist Inhaber des Gewerbebetriebes bzw. Marktteilnehmer und erzielt Gewinne.933) Sie kann ebenfalls Grundrechtsträger sein.934) Die Gewinnverwendung steht auch bei Personengesellschaften nicht im Belieben der Gesellschafter.935)

381 Vielfach wird infolgedessen für eine – wie auch immer ausgestaltete – Integration der Personengesellschaften in die Körperschaftsteuer plädiert.936) Inwiefern die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung von Verfassungs wegen geboten ist und was Alternativkonzepte bieten, ist hier nicht zu entscheiden. Die im Rahmen der soeben aufgezeigten Reformdiskussion behandelten Themen weisen allerdings vielfach Schnittmengen mit dem Untersuchungsgegenstand auf.

b) Leistungsfähigkeit und Insolvenz 382 Kein anderer Maßstab als der vorstehend aufgezeigte kann in der Insolvenz der Personengesellschaft gelten. Die Anwendbarkeit der Insolvenzordnung im Rahmen der hier in Rede stehenden Problematik ändert, wie im 3. Teil ausführlich dargelegt, im Grundsatz nichts an der Zurechnung der Gesellschaftseinkünfte zu dem einzelnen Gesellschafter nach dem Transparenzprinzip (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Dass diese einfachgesetzliche Steuernorm an dem Prinzip der Leistungsfähigkeit zu messen ist, ist wiederum verfassungsrechtlich indiziert.937) Der zugrundeliegende allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gilt als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip in allen Rechtsbereichen.938) Aufgrund der Normenhierarchie können die einfachgesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung also auf diesen Maßstab keinen Einfluss haben. ___________ 932) Vgl. etwa Graß, Besteuerung, S. 77 f.; Hennrichs, FR 2010, 721, 723 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, § 13 Rn. 172 ff. 933) Näher dazu z. B. Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 5; Palm, FS Kirchhof, 1697, 1702 ff. 934) Dazu z. B. Rau, Prinzipien, S. 128 ff. und 135 f. 935) Näher z. B. Kraus, Integration, S. 43 f.; Palm, FS Kirchhof, 1697, 1701. 936) Ausführlich etwa Kraus, Integration, passim; s. a. Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 8 (zu Optionslösungen); Ders., FR 2010, 721, 727 ff.; umgekehrt zu einer Integration der KSt in die ESt Bach, StuW 1991, 116, 127 f. m. w. N.; Reiß, FS Kirchhof, 1925, 1935 f.; Palm, FS Kirchhof, 1697, 1707; Ders., Person im Ertragsteuerrecht, S. 556 ff. 937) Dazu ausführlich Rn. 366 ff. 938) BVerfG, Beschluss vom 13.11.1974 – 1 BvL 27/73 (= BVerfGE 38, 225); näher Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3, Rn. 40 ff.

142

I. Bestimmung des Untersuchungsmaßstabs

Der Konflikt der Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft mit 383 dem Leistungsfähigkeitsprinzip kann insbesondere nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil der Gesetzgeber auch bei der Einkommensteuer von Verfassungs wegen nicht zu einer lückenlosen Verwirklichung des Prinzips verpflichtet ist.939) Letzteres ist zwar zutreffend.940) In solchen Bereichen, in denen der Gesetzgeber sich gegen eine Umsetzung entschieden hat, kann das Leistungsfähigkeitsprinzip naturgemäß nicht ausschlaggebend sein.941) In Bereichen allerdings, die der Gesetzgeber grundsätzlich dem Leistungsfähigkeitsprinzip unterstellt hat, bedürfen Abweichungen oder Ausnahmen von dem Prinzip der Rechtfertigung.942) Dazu gehört, wie eben dargelegt, die Besteuerung der Einkünfte einer Personengesellschaft nach dem Transparenzprinzips (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Eine nicht leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung bedarf hier also stets der Rechtfertigung.

3.

Zwischenfazit

Nach dem verfassungsrechtlich verankerten Leistungsfähigkeitsprinzip hat sich die 384 individuelle Steuerbelastung an der Fähigkeit zu bemessen, Steuern zahlen zu können. Das Einkommensteuerrecht ist von diesem Maßstab geleitet, sodass dem Gesetzgeber hier zwar ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu Gebote steht, er aber in zweierlei Hinsicht begrenzt wird: Er darf grundsätzlich weder Sachverhalte besteuern, die keine entsprechende Leistungsfähigkeitssteigerung abbilden (absolute Grenze), noch darf er Sachverhalte unterschiedlich besteuern, die dieselbe Leistungsfähigkeit abbilden (relative Grenze).943) Überschreitet er diese Grenzen, bedarf es stets einer besonderen Rechtfertigung. Das Leistungsfähigkeitsprinzip entfaltet diese Wirkung auch im Rahmen der Be- 385 steuerung von Personengesellschaften. Diese können selbst zumindest vorübergehend Träger eigener objektiver Leistungsfähigkeit (Zahlungsfähigkeit) sein. Es kommt wesentlich darauf an, zwischen den separaten Leistungsfähigkeitssphären von Gesellschaft und Gesellschafter zu differenzieren. Zu fragen ist stets, auf wessen Leistungsfähigkeit ein Vorgang sich auswirkt. Bildet ein Sachverhalt nicht (auch) eine Veränderung der eigenen Leistungsfähigkeitssphäre des Gesellschafters ab, bedarf es einer besonderen Rechtfertigung. Die Insolvenzsituation vermag an diesem verfassungsrechtlich vorgegebenen Maßstab nichts zu ändern.

___________ 939) In diese Richtung Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.144 m. w. N.; Werner, StBW 2013, 1163, 1166; FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO. 940) Im Einkommensteuerrecht setzt der Gesetzgeber das Leistungsfähigkeitsprinzip praktisch auch nur lückenhaft um (ausführlich Kruse, FS Friauf, 793, 798 ff.); s. a. Rn. 366 ff. 941) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 177. 942) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 177. 943) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 134 ff.; dazu bereits Rn. 366 ff.

143

5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

II. Präzisierung der Fragestellung 386 Bei der Frage nach der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung der insolventen Personengesellschaft sind zwei Ebenen bzw. Aspekte zu unterscheiden:

387 Erstens ist zu untersuchen, inwiefern die Einkünfte der insolventen Gesellschaft zugleich eine Veränderung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters bewirken. Wie bereits gesehen, werden unterschiedliche Ansätze verfolgt.944) Es bedarf insbesondere der Auseinandersetzung mit den geeigneten Indikatoren für eine Bemessung der Leistungsfähigkeit des Personengesellschafters (dazu unter III.).

388 Soweit die Gewinne oder Verluste der insolventen Personengesellschaft nicht (auch) die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters steigern oder verringern, konfligiert die Anwendung des Transparenzprinzips in der Insolvenz der Gesellschaft mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Nach den oben aufgezeigten Maßstäben wäre die absolute Grenze berührt. In diesem Fall ist zweitens zu untersuchen, inwiefern eine Besteuerung des Gesellschafters nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dennoch gerechtfertigt ist (dazu unter IV.).

389 Soweit keine Rechtfertigung einer leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerung vorliegt, ist auf die Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung zurückzukommen (dazu unter VI.).

III. Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft 390 Ein Gewinn oder Verlust der Personengesellschaft vermag deren eigene objektive Leistungsfähigkeit (Zahlungsfähigkeit) zu steigern oder zu mindern. Für die Besteuerung des Gesellschafters ist entscheidend, inwiefern sich (auch) seine Leistungsfähigkeit ändert. Daher ist zu untersuchen, nach welchen Indikatoren letztere bemessen werden kann und ob diese Indikatoren in der Insolvenz der Personengesellschaft vorliegen.

1.

Disponibles Einkommen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit

391 Der Gesetzgeber verfügt hinsichtlich der Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit über einen weiten Typisierungs- und Gestaltungsspielraum.945) Das deutsche Einkommensteuerrecht knüpft im Ausgangspunkt an das Einkommen des Steuer___________ 944) So soll z. B. der Gewinn der insolventen Gesellschaft im Wege der Haftungsminderung stets die Leistungsfähigkeit des persönlich haftenden Gesellschafters ändern (s. Rn. 80 ff.). 945) Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167; herkömmlich werden Einkommen, Vermögen und Konsum unterschieden (Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 55 ff.; Pezzer, DStJG 14 (1991), 3, 11; Rau, Prinzipien, S. 92), auch „Einkommenserwerb, -verwendung und Vermögen“ (Tipke, StRO I, S. 501).

144

III. Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft

pflichtigen an.946) Dies gilt unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten als der bedeutendste und am besten geeignete Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit.947) Der unbestimmte Begriff des Einkommens bedarf indes der Konkretisierung.948) Das Einkommen ist so zu erfassen, dass es seine Funktion als Leistungsfähigkeitsindikator erfüllen kann – dazu sind Entscheidungen über die wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte und die rechtliche Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage erforderlich.949) Das Einkommen muss für den Steuerpflichtigen jedenfalls disponibel sein, um Leistungsfähigkeit zu indizieren.950) Dies folgt bereits aus der Funktion des Leistungsfähigkeitsprinzips, das die individuelle Steuerbelastung an der Fähigkeit ausrichten will, Steuern zu zahlen – soll das Einkommen des Steuerpflichtigen den Schluss darauf zulassen, er könne daraus Steuern zahlen, so muss es für ihn disponibel sein.951)

a) Disponibilität der Einkünfte der Personengesellschaft für den Gesellschafter Inwiefern Einkünfte der Personengesellschaft für den einzelnen Gesellschafter dis- 392 ponibles Einkommen im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellen, ihm mithin eine eigene Leistungsfähigkeit vermitteln, wird unterschiedlich beurteilt. Nach der restriktivsten hierzu vertretenen Ansicht verändert sich die Leistungsfä- 393 higkeit des Gesellschafters erst und nur im Umfang der erfolgten Gewinnausschüttung oder der tatsächlichen Verlusttragung.952) Maßgeblich ist hiernach, dass Ge___________ 946) Weiterführend Kirchhof, FS 100 Jahre BFH, 1197, 1199 ff. 947) Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 32 ff.; Graß, Besteuerung, S. 55; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 428 f.; Rau, Prinzipien, S. 94; Tipke, StRO II, S. 619 m. w. N. 948) Rau, Prinzipien, S. 94 ff.; Tipke, StRO I, S. 502 ff.; Ders, StRO II, S. 623 ff.; Zu der Problematik der unterschiedlichen Einkunftsarten insofern Birk, DStJG 34 (2011), 11, 20 ff. 949) Birk, DStJG 34 (2011), 11, 14 ff. (kritisch zu Gerechtigkeitsdezifiten der tatsächlichen Ausgestaltung); Umfassende Diskussionen löste insb. die Frage aus, ob jeglicher Vermögenszufluss (sog. Reinvermögenszugangstheorie), lediglich das am Markt erwirtschaftete Einkommen (sog. Markteinkommenstheorie) oder sogar nur der Ertrag bestimmter Quellen (sog. Quellentheorie) steuerlich zu berücksichtigen ist (näher dazu Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 438 ff., 452 ff.; Tipke, StRO II, S. 624 ff.). Keine der Theorien wird heute in Reinform umgesetzt. So wird trotz des grundsätzlichen Konsenses, dass Einkommen am Markt entsteht, tatsächlich nicht ausschließlich Markteinkommen besteuert (näher Söhn, FS Tipke, 343, 344 ff.). Eingehend zu dem Grundgedanken des Erwerbseinkommens Kirchhof, FS Lang, 451, 462 ff. 950) Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, § 8 Rn. 40 ff.; Rau, Prinzipien, S. 114; s. a. Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 139. 951) Diesem Gedanken trägt beispielsweise die steuerliche Abziehbarkeit von Erwerbsaufwendungen (sog. objektives Nettoprinzip) und von unvermeidbaren Privataufwendungen (sog. subjektives Nettoprinzip) Rechnung. Beide Prinzipien konkretisieren das Leistungsfähigkeitsprinzip. Dazu Birk, DStJG 34 (2011), 11, 16; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 11; Tipke, StRO II, S. 762 ff.; nicht disponibel i. d. S. ist insb. das Existenzminimum (näher Jachmann, StuW 1998, 293, 296). 952) Hennrichs, FR 2010, 721, 726 f.; Ders., StuW 2002, 201, 208; ähnlich Rau, Prinzipien, S. 132 ff. und 213 f.; wohl auch Frenz, StuW 1997, 116, 124 (fehlende Leistungsfähigkeit mangels „tatsächlichen Mittelzuflusses“) und Düll, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 50 Rn. 25 (Leistungsfähigkeit „mangels Auskehrung“ nicht erhöht).

145

5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

sellschaftsgewinne dem Gesellschafter ausgezahlt werden bzw. zufließen.953) Thesaurierte oder in der Gesellschaft belassene Gewinnanteile begründen für ihn keine Leistungsfähigkeit.954) Gleiches gilt für ein Entnahmerecht, solange es nicht ausgeübt wird.955) Umgekehrt wird eine Verlustzurechnung zu dem Gesellschafter insofern als „überschießend“ bezeichnet, als die Verluste der Gesellschaft nicht tatsächlich von ihm persönlich getragen werden.956)

394 Teils wird diese Auffassung dahingehend relativiert, bereits entnahmefähige Gewinne der Gesellschaft seien als disponibles Einkommen des Gesellschafters zu qualifizieren.957) Maßgeblich sei, ob der Gesellschafter über den Anspruch auf Gewinnausschüttung selbständig verfügen könne.958) Stehe ihm ein unbeschränktes Entnahmerecht (Vollentnahmerecht) zu, gehe damit eine Leistungsfähigkeitsmehrung einher.959) Seien die Gewinnanteile allerdings nicht, nicht vollständig oder nicht innerhalb einer vernachlässigbar kurzen Zeitspanne entnehmbar, steige auch die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters nicht.960)

395 Schließlich wird vertreten, schon die rechtliche Zuweisung anteiliger Gewinne oder Verluste der Gesellschaft zu dem Gesellschafter verändere dessen Leistungsfähigkeit.961) Wann der Gewinn bei einem Gesellschafter realisiert sei, lasse sich an seinem Kapitalkonto ablesen – sei der Gewinn dort gutgeschrieben, habe der Gesellschafter bereits Verfügungsmacht darüber, denn er könne sich den positiven Saldo des Kapitalkontos auszahlen lassen.962) Ob ein Gewinn im konkreten Fall entnahmefähig ist oder tatsächlich zufließt, ist nach dieser Ansicht nicht ausschlaggebend.963) Bei Verlusten, die das Eigenkapital mindern, sei die damit einhergehende Leistungsfähig___________ 953) Z. B. Rau, Prinzipien, S. 132 („Zeitpunkt der vollzogenen Entnahme“). 954) Hennrichs, FR 2010, 721, 724; Ders., StuW 2002, 201, 208; in diese Richtung auch Drüen, GmbHR 2008, 393, 398 f. 955) Hennrichs, FR 2010, 721, 724. 956) Hennrichs, FR 2010, 721, 726; im Anschluss Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 11. 957) Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 361 f.; Dies., DB 1989, 1303, 1306; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, insb. S. 528 ff.; s. a. Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 492 ff.; Schön, FS Beisse, 471, 488. 958) Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 492 ff., 503. 959) Ausführlich Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 528 ff. 960) Ausführlich Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 531 ff.; Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1306 („Der im Unternehmen verbleibende Gewinn ist nicht ‚privat‘“); Schön, FS Beisse, 471, 488. 961) So etwa BFH, Urteil vom 15.11.2011 – VIII R 12/09 (= BFHE 36, 42 = BStBl. II 2012, 207) bzgl. Gewinnzuweisung; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 25 f.; ähnlich Dies., Steuergesetzgebung, S. 76 f. 962) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 108 f., stets mit Hinweis darauf, dass die Konten keinen Anspruch begründen, sondern nur die Verhältnisse abbilden. 963) Vgl. auch Graß, Besteuerung, S. 71 ff.

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III. Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft

keitsminderung ebenfalls auf den Kapitalkonten des Gesellschafters ersichtlich.964) Er sei über die persönliche Haftung mit diesen Verlusten belastet.965) Entscheidend zur Beurteilung dieser Ansätze ist das Verständnis des Begriffs der 396 Disponibilität des Einkommens im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips. Die Leistungsfähigkeit knüpft nach ihrem Ursprung an die Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an.966) Um aus Einnahmen Steuerschulden begleichen zu können, sind Liquidität oder zumindest Liquiditätspotentiale erforderlich.967) Der Steuerpflichtige benötigt „Güter in Geld oder Geldeswert“968). Erforderlich ist eine tatsächliche Verfügungsgewalt des Steuerpflichtigen über eben solche Güter, welche – ohne Konflikt zu der eigenständigen steuerrechtlichen Teleologie – nach dem Zivilrecht zu bestimmen ist, da das Steuerrecht mit der Verfügungsmacht über Rechtsobjekte eine zivilrechtliche Sachlage zugrunde legt.969) Bereits aus dieser Konkretisierung des Begriffs der Disponibilität erhellt, dass der 397 letztgenannten Auffassung nicht zu folgen ist. Denn ein Gewinn der Personengesellschaft kann erst disponibel sein und die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters steigern, wenn der Gesellschafter über seinen Gewinnanteil tatsächlich verfügen kann. Allein aufgrund der rechtlichen Zuordnung des anteiligen Gesellschaftsgewinns zu dem Gesellschafter ist dies aber noch nicht möglich.970) So gewährt insbesondere ein Gewinnentnahmerecht (§ 122 HGB) dem Gesellschafter keine Verfügungsmacht, denn es kann vielerlei Beschränkungen unterliegen.971) Dies zeigt sich etwa im Falle der Thesaurierung, in dem der Gesellschafter über ihm rechtlich zugeordnete Gewinnanteile nicht tatsächlich verfügen darf.972) Dagegen wird es zwar teils bereits als Disposition oder Gewinnverwendung angese- 398 hen, wenn der Gesellschafter das ihm zugerechnete Einkommen in der Gesellschaft belässt.973) Es heißt auch, die Gesellschafterversammlung beschneide sich schließlich

___________ 964) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 109. 965) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 109. 966) Kirchhof, StuW 1985, 319, 322; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 427; Schön, StuW 2005, 247, 249; vgl. schon Rn. 366 ff. 967) Hennrichs, FS Lang, 237, 239; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 64. 968) Vgl. § 8 Abs. 1 EStG (dazu Schön, StuW 2005, 247, 249). 969) Vgl. Schön, StuW 2005, 247, 249; ähnlich Rau, Prinzipien, S. 114; weiterführend zu der Auslegung zivilrechtlicher Begriffe im Steuerrecht Hüttemann, Eigenständigkeit des Steuerrechts, 115, 122 ff. 970) Ebenso Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 493. 971) So etwa auch Kraus, Integration, S. 125. 972) Dazu auch Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 492 ff. 973) Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 25; Dies., Steuergesetzgebung, S. 73.

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

selbst ihrer Rechte, wenn sie Gewinnentnahmen vertraglich einschränke.974) Diese Einwände vermögen allerdings nicht zu überzeugen. Erstens können neben vertraglichen auch gesetzliche Entnahmebeschränkungen bzw. zwingende gesellschaftliche Belange vorliegen, sodass der Gesellschafter gegen seinen Willen zu einem Belassen der Gewinne in der Gesellschaft gezwungen sein kann.975) Eine Disposition liegt darin nicht. Zweitens kann der Gesellschafter der Personengesellschaft nicht eigenständig über eine Thesaurierung entscheiden oder frei auf seine Anteile am Gesellschaftsvermögen zugreifen, sondern ist auf seine Mitgesellschafter angewiesen.976) Nichts zu ändern vermag auch der Einwand, der Gesellschafter könne seinen Anteil an der Personengesellschaft veräußern, um thesaurierte Gewinne oder unversteuerte stille Reserven „wieder in sein eigenes Vermögen [zu] überführen“977). Wie letztere Formulierung bereits verrät, befinden sich die Beträge gerade nicht in dem Vermögen des Gesellschafters. Bis eine Veräußerung tatsächlich stattfindet hat er keine Verfügungsmacht und seine Leistungsfähigkeit ist nicht gesteigert.978) Der Gesellschafter kann Gewinne der Personengesellschaft allein aufgrund der rechtlichen Zuweisung (ablesbar auf dem Kapitalkonto) noch nicht im Sinne der Leistungsfähigkeit für eigene Steuerzahlungen verwenden.

399 Im Gegenteil läuft die Besteuerung thesaurierter Gewinne auf eine Erfassung von bloßer Soll-Leistungsfähigkeit bei dem Gesellschafter hinaus.979) Das Leistungsfähigkeitsprinzip knüpft als sog. Ist-Prinzip an das Ist-Einkommen an, das der Steuerpflichtige tatsächlich bereits erworben hat.980) Der Steuerzugriff entzieht Liquidität und mindert die Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, daher bedeutet die steuerliche Ist-Leistungsfähigkeit Steuerzahlungsfähigkeit.981) Das bloß potentiell erzielbare Soll-Einkommen darf aus Gründen der praktischen Vernunft und nach den Frei___________ 974) Für das Leistungsfähigkeitsprinzip und den Steuergesetzgeber könne diese Selbstbeschränkung nicht ausschlaggebend sein (Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 109); In dieselbe Richtung gehen die Überlegungen, den Gesellschaftern stehe „jedenfalls bei einverständlichem Handeln der Zugriff auf das gesamte Gesellschaftsvermögen offen“ (Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 73) oder schon ein Ausschluss des Gewinnauszahlungsanspruchs im Gesellschaftsvertrag könne Disposition über den Gewinnanteil gewertet werden (vgl. Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 25). 975) Hennrichs, StuW 2002, 201, 208; Kraus, Integration, S. 125; Rau, Prinzipien, S. 131 f. 976) Insofern z. B. anders als ein Einzelunternehmer, vgl. Hennrichs, FR 2010, 721, 724, 725 („Einigungsrisiko“); Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 497; Rau, Prinzipien, S. 131 f. 977) Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 180; Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 109. 978) Eine Leistungsfähigkeitssteigerung könnte also allenfalls durch die Veräußerung realisiert werden; entsprechend für Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft Hey, in: Kernfragen, 1, 13. 979) Rau, Prinzipien, S. 133 (Gleichsetzung von Thesaurierung und Einkommensverwendung als „reine Fiktion“) im Anschluss an Schön, StuW 1988, 253, 257. 980) Tipke, StRO I, S. 497 f.; grundlegend Ders., StRO II, S. 631 ff.; Seer, DStJG 34 (2011), 1, 4; s. a. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167; weiterführend zu Elementen der Soll-Besteuerung im geltenden Recht und deren Vorzügen Kirchhof, in: Zukunftsfragen, 99, 99 ff. 981) Seer, DStJG 34 (2011), 1, 4.

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III. Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft

heitsrechten des Grundgesetzes nicht der Besteuerung unterworfen werden.982) Die Einkommensteuer erfasst nur realisierte Vermögensmehrungen, sie belastet also das neu Hinzuerworbene bzw. einen Zuwachs.983) Steuerbilanzrechtlich wird dies durch das Realisationsprinzip abgebildet.984) Überzeugend ist die Ansicht, die die Disponibilität des Einkommens des Gesellschaf- 400 ters bejaht, wenn die ihm zugewiesenen Gewinnanteile der Personengesellschaft (innerhalb absehbarer Zeit vollständig) frei entnehmbar sind. Solange der ihm zugewiesene Gewinnanteil der Verfügungsbefugnis des Gesellschafters entzogen ist (z. B. aufgrund von Entnahmebeschränkungen), fehlt die notwendige Disponibilität im Sinne der Leistungsfähigkeit. Dies gilt gerade im Falle der Thesaurierung. Sofern der Gesellschafter aber uneingeschränkt berechtigt ist, über seinen Gewinnanteil zu verfügen und ihn dennoch in der Gesellschaft belässt, ist dies als Gewinnverwendung zu werten.985) Ist der Gesellschafter in diesem Sinne entnahmeberechtigt, knüpft die Besteuerung nicht mehr an eine bloße Soll-Leistungsfähigkeit an. Erfasst werden Einkünfte, die ihm eine Steuerzahlung ermöglichen. Nicht notwendig für die Disponibilität erscheint es hingegen, dass die Entnahme auch tatsächlich erfolgt.986) Die notwendige zivilrechtliche Verfügungsbefugnis des Gesellschafters liegt mit der uneingeschränkten Entnahmeberechtigung vor.

b) Auswirkungen der Insolvenz der Personengesellschaft Fraglich ist, inwiefern Einkünfte der Personengesellschaft in deren Insolvenz noch dis- 401 ponibles Einkommen für den Gesellschafter darstellen können. Die Gesellschaftseinkünfte werden ihm zwar unverändert zugerechnet.987) Wie außerhalb der Insolvenz muss aber gelten, dass allein eine rechtliche Zuordnung der Gesellschaftseinkünfte zu dem Gesellschafter noch nicht dessen Leistungsfähigkeit verändert. Denn insbesondere thesaurierte Gewinne sind trotz rechtlicher Zuordnung zu dem Gesellschafter für diesen nicht disponibel im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips.

___________ 982) Das Steuerrecht muss die Freiheit anerkennen, sich gegen die Nutzung der Erwerbsfähigkeit zu entscheiden. Näher Birk, DStJG 34 (2011), 11, 27; Hennrichs, FS Lang, 237, 247; Tipke, StRO II, S. 633; Insofern spricht auch die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) grundsätzlich gegen eine Sollbesteuerung (hierzu Kirchhof, FS Lang, 451, 459). 983) So bereits Kirchhof, StuW 1985, 319, 327. 984) Seer, DStJG 34 (2011), 1, 4; s. a. Rau, Prinzipien, S. 135. 985) Insofern zu weitgehend bzgl. des vollständigen zugerechneten Einkommens Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 25; Dies., Steuergesetzgebung, S. 73; wie hier Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 530. 986) So aber z. B. Hennrichs, FR 2010, 721, 724 f. (für nicht entnommene Gewinnanteile gelte sonst: „wie gewonnen, so zerronnen!“); wie hier wiederum Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 530. 987) S. im Einzelnen Rn. 207 ff.

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

402 Anders als in der werbenden Gesellschaft ist in deren Insolvenz der Gewinnanteil grundsätzlich nicht mehr entnahmefähig, eine zeitnahe und vollständige Ausschüttung der Gewinne kann der Gesellschafter nicht durchsetzen. Erst recht kann der Gewinnanteil in der Insolvenz nicht mehr tatsächlich entnommen oder ausgekehrt werden. Der Gewinn der Gesellschaft fließt vielmehr in die Insolvenzmasse der Gesellschaft, untersteht der Verfügungsbefugnis des Verwalters und kommt den Gläubigern der Gesellschaft zugute. Etwas anderes gilt lediglich in dem eher theoretischen Fall, dass der Gewinnanteil ganz oder teilweise bei der Schlussverteilung an den Gesellschafter augekehrt wird.988) Unabhängig davon, ob man mit der hier vertretenen Ansicht für das disponible Einkommen des Gesellschafters auf die freie Entnahmefähigkeit abstellt oder die tatsächliche Entnahme verlangt, ergibt sich also in der Insolvenz dasselbe Ergebnis: Wenn nicht gerade eine Ausschüttung bei der Schlussverteilung erfolgt (insoweit würden disponibles Einkommen und Leistungsfähigkeit des Gesellschafters steigen), kann der Gesellschafter über die Gewinne der insolventen Gesellschaft nicht verfügen. Sie sind für ihn kein disponibles Einkommen.989)

403 Aus Einkünften der insolventen Gesellschaft resultiert daher ganz regelmäßig keine Änderung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters in Form eines veränderten disponiblen Einkommens.990) Eine Änderung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters wird mitunter allerdings in der veränderten persönlichen Haftung (dazu sogleich unter 2.) oder in dem veränderten Anteilswert (dazu unter 3.) gesehen.

2.

Bedeutung der persönlichen Haftung des Gesellschafters

404 Die persönliche Außenhaftung des Gesellschafters einer Personengesellschaft wird zum Teil als Indikator für die Veränderung seiner Leistungsfähigkeit herangezogen.991) Der Gesellschafter profitiere im Falle eines Gewinns der insolventen Gesellschaft von einer Haftungsminderung.992)

___________ 988) Zum Ganzen ausführlich im 3. Teil. 989) Der Gegenansicht, wonach der Gesellschafter von Gewinnen der insolventen Gesellschaft immer entweder durch Haftungsminderung oder Ausschüttung bei der Schlussverteilung profitiert (Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 112 ff. und S. 137 f.), ist nicht zu folgen. 990) Im Ergebnis ebenso Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 388 f. 991) Dies bildet etwa eine wesentliche Prämisse für das steuerrechtliche Lösungsmodell (vgl. Rn. 80 ff.) und auch das Lösungsmodell der sachlichen Sphärentrennung beruht zu einem erheblichen Teil auf der Annahme, die persönliche Haftung beeinflusse die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters (vgl. Rn. 99 ff.). 992) S. vorstehende Fußnote; z. T. wird u. a. dies als Argument gegen Steuerentnahmerechte angeführt (OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16.

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III. Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft

a) Werbende Gesellschaft Es wird vertreten, Verluste der Personengesellschaft verminderten die Leistungsfä- 405 higkeit des Gesellschafters, weil er über die persönliche Haftung mit diesen Verlusten belastet sei.993) Dem ist nicht zuzustimmen. Die persönliche Außenhaftung ist nicht Indikator für die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters. Das deutsche Einkommensteuergesetz knüpft an den Indikator des disponiblen Einkommens an.994) Die Veränderung des Haftungsumfangs führt aber nicht dazu, dass der Gesellschafter mehr oder weniger disponibles Einkommen zur Verfügung hat. Er erwirbt oder verliert durch die Haftung kein Vermögen, seine Zahlungsfähigkeit bleibt unverändert.995) Die Haftung begründet lediglich das abstrakte Risiko einer Inanspruchnahme des Gesellschafters und einer damit einhergehenden Vermögensminderung.996) Sie steht nur für eine potentielle Leistungsfähigkeitsminderung.997) Die Haftung ist „keine Schuld, sondern ein Zustand“998). Sie bildet lediglich eine negative Soll-Leistungsfähigkeit ab.999) Zumindest wirtschaftlich lässt sich die Haftung insofern mit einer Bürgschaft des GmbH-Gesellschafters zugunsten der Gesellschaft vergleichen, die ebenfalls nicht unmittelbar zu einer Leistungsfähigkeitsminderung des Gesellschafters führt.1000) Diese bloße Möglichkeit einer Teilnahme des haftenden Gesellschafters an den Er- 406 gebnissen der Gesellschaft genügt für eine Änderung der Leistungsfähigkeit nicht. Erst wenn und soweit die persönliche Haftung realisiert wird, wirkt sich dies auf seine Leistungsfähigkeit aus.1001) Nicht eine Verlustbeteiligung, sondern eine Verlustbelastung mindert die Leistungsfähigkeit.1002) Steigern also Gesellschaftsverluste die Verbindlichkeiten, für die der Gesellschafter persönlich haftet, vermindert das ___________ 993) Dies lasse sich an den Kapitalkonten ablesen (so etwa Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 109). 994) Dazu bereits Rn. 391. 995) Ebenso Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 512 ff.; Rau, Prinzipien, S. 135. 996) Palm, FS Kirchhof, 1697, 1704. 997) Rau, Prinzipien, S. 135. 998) K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 128 Rn. 3. 999) Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 5; Palm, FS Kirchhof, 1697, 1704; Ders., Person im Ertragsteuerrecht, S. 512 ff. 1000) Ungeachtet dessen, dass es sich zivilrechtlich um unterschiedliche Rechtsinstitute handelt, liegt in beiden Fällen zunächst nur eine negative Soll-Leistungsfähigkeit vor (Hennrichs, FR 2010, 721, 727); Ders., StuW 2002, 201, 211; Palm, FS Kirchhof, 1697, 1704; wohl auch Ders., Person im Ertragsteuerrecht, S. 513; a. A. Schmitt, FR 2010, 750, 750. 1001) Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 5 („Haftung hat mit Leistungsfähigkeit nichts zu tun.“); Ders., FR 2010, 721, 727; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 37; Kirchhof, in: Diskussion zu den Referaten von Hüttemann und Sieker, DStJG 25 (2002), 177, 179 („Haftung bedeutet, bis sie sich realisiert hat, grundsätzlich für die steuerliche Leistungsfähigkeit nichts“); Rau, Prinzipien, S. 135; Seer, in: Diskussion zu den Referaten von Hüttemann und Sieker, DStJG 25 (2002), 177, 183. 1002) Schulze-Osterloh, in: Diskussion zu den Referaten von Hüttemann und Sieker, DStJG 25 (2002), 177, 178 („Die Haftung hat mit der Leistungsfähigkeit überhaupt nichts zu tun“).

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

noch nicht dessen Leistungsfähigkeit. Erst wenn die Haftung sich derart realisiert, dass der Gesellschafter nach Inanspruchnahme keinen Regress mehr bei der Gesellschaft nehmen kann und den Verlust daher mit seinem Privatvermögen tragen muss, verfügt er über weniger disponibles Einkommen und wird weniger leistungsfähig.1003) Umgekehrt wird der Gesellschafter nicht zahlungsfähiger, weil Gesellschaftsgewinne die Verbindlichkeiten verringern, für die er persönlich haftet. Ihm steht nicht dadurch ein Mehr an disponiblem Einkommen zu Gebote, dass das abstrakte Risiko seiner persönlichen Inanspruchnahme sinkt.

b) Insolvente Gesellschaft 407 In der Insolvenz der Personengesellschaft ist nun das Risiko der persönlichen Haftung der Gesellschafter – anders als in der werbenden Gesellschaft – regelmäßig kein abstraktes mehr. Die persönliche Haftung gewinnt gerade in dieser Situation besondere Bedeutung.1004) Entsprechend überrascht es zunächst nicht, dass die persönliche Haftung oft als Argument für die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Gesellschaft herangezogen wird. Wenn die insolvente Gesellschaft Gewinne erziele und dadurch die persönliche Haftung ihres Gesellschafters sinke, dann steige dessen Leistungsfähigkeit.1005)

408 Dem kann allerdings aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Maßgeblich für die Leistungsfähigkeitsänderung bei dem Gesellschafter ist die Realisierung der Haftung.1006) Die persönliche Haftung muss sich aber trotz der Insolvenz nicht zwingend realisieren und damit auf die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters auswirken. Zwar ist der Insolvenzverwalter nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die persönliche Haftung des Gesellschafters über §§ 93 InsO, 171 Abs. 2 HGB geltend zu machen.1007) Nimmt er einen Gesellschafter – was praktisch sehr wahrscheinlich ist – aufgrund von dessen persönlicher Haftung in Anspruch, ist dies noch nicht mit der Realisierung der Haftung gleichzusetzen. Die Haftung wird realisiert, wenn der Gesellschafter keinen Regressanspruch gegen die Gesellschaft mehr hat, also typi___________ 1003) Vgl. Hennrichs, FR 2010, 721, 727; Ders., StuW 2002, 201, 211; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 512 ff. 1004) Dazu bereits Rn. 191 ff. 1005) Umgekehrt hieße das, wenn die Gesellschaft einen Verlust erzielte und die Haftung des Gesellschafters dadurch steige, dann würde dies die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters senken; vgl. näher insb. die Argumentation des steuerrechtlichen Lösungsmodells (vgl. Rn. 80 ff.) und des Modells der sachlichen Sphärentrennung (vgl. Rn. 99 ff.). 1006) Erst wenn und soweit die persönliche Haftung realisiert wird, sodass sich das disponible Einkommen ändert, wirkt sie sich auf die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters aus (dazu vorstehend unter Rn. 405 f.). 1007) Dazu bereits Rn. 206. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Verwalters, in welchem Umfang er welchen der Gesellschafter nach §§ 93 InsO, 171 Abs. 2 HGB in Anspruch nimmt (s. Nachweise in Fn. 499). Damit ist die Inanspruchnahme schon nicht zwingend, wenngleich regelmäßig sehr wahrscheinlich.

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III. Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft

scherweise wenn die Gesellschaft über kein Vermögen mehr verfügt.1008) Erst dann hat er den Verlust endgültig mit seinem Privatvermögen zu tragen.1009) Das Einkommensteuerrecht knüpft ausdrücklich an den Indikator des disponiblen Einkommens zur Bemessung der Leistungsfähigkeit an; und zwar auch in der Insolvenz.1010) Auch in der Insolvenz verursacht nicht die Haftung selbst eine Leistungsfähigkeitsänderung, sondern erst eine durch eine Haftungsrealisation (gegebenenfalls) ausgelöste Veränderung des disponiblen Einkommens. Auch in der Insolvenz verändert sich nicht die Fähigkeit des Gesellschafters, aus seinem gespeicherten Einkommen Steuern zahlen zu können, allein weil sich die Haftung verändert. Diese beschreibt nur die potentielle (wenngleich sehr wahrscheinliche) Inanspruchnahme, mithin eine Soll-Leistungsfähigkeit. Der Gesellschafter verfügt aber nicht über mehr oder weniger Vermögen, ist nicht mehr oder weniger zahlungsfähig, trägt nicht mehr oder weniger Verluste, solange seine Haftung nicht realisiert ist.1011) Die persönliche Haftung des Gesellschafters ist also auch in der Insolvenz kein Indikator für eine Veränderung seiner Leistungsfähigkeit.

3.

Bedeutung des Anteilswerts

Zum Teil wird eine Steigerung oder Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit 409 des Gesellschafters mit einer Veränderung des Anteilswerts begründet.1012) Es heißt, der Gesellschafter könne schließlich seinen Anteil an der Personengesellschaft veräußern.1013) Er profitiere infolge von Gesellschaftsgewinnen von besseren Verkaufsmöglichkeiten oder eine Fortführung der Gesellschaft werde attraktiver.1014) Zutreffend ist, dass ein Gewinn oder Verlust der insolventen Personengesellschaft 410 dazu führen kann, dass der Wert der Beteiligung des Gesellschafters steigt oder sinkt.1015) Ein höherer Anteilswert mag auch dazu führen, dass sich die Veräußerungsmöglichkeiten für den Gesellschafter verbessern oder dass seine Kreditwürdigkeit steigt. Damit beeinflusst der Anteilswert allerdings noch nicht die Leistungsfähig___________ 1008) Vgl. für die werbende Gesellschaft Hennrichs, FR 2010, 721, 727; Ders., StuW 2002, 201, 211 sowie Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 512 ff. 1009) Vgl. für die werbende Gesellschaft Hennrichs, FR 2010, 721, 727 sowie Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 512 ff. 1010) S. bereits Rn. 391 ff.; Die Insolvenzordnung vermag an dem von Verfassungs wegen vorgegeben Maßstab der steuerlichen Leistungsfähigkeit nichts zu ändern. 1011) Zu dieser Argumentation vgl. bereits vorstehend unter Rn. 405 f. 1012) Diese Argumentation wird oft unterstützend oder zusätzlich herangezogen, vgl. Lösungsansätze im 2. Teil; in diese Richtung auch OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. 1013) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 108 f. 1014) Zu letzterem Aspekt etwa OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. 1015) Hennrichs, FR 2010, 721, 723; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 492 ff.

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

keit des Gesellschafters.1016) Zunächst ist die Wertveränderung zwar eine mögliche, aber keine zwingende Folge von Gewinnen oder Verlusten der insolventen Gesellschaft.1017) Selbst wenn Einkünfte der Gesellschaft (mittelbar) den Substanzwert der Beteiligung verändern, kann eine Veränderung des Anteilswerts aber kein geeigneter Indikator für die steuerliche Leistungsfähigkeit des Gesellschafters sein. Der gesetzliche Anknüpfungspunkt der Einkommensteuer ist das disponible Einkommen, nicht der Beteiligungswert.1018) Eine Veränderung des Anteilswerts verändert das vorhandene disponible Einkommen nicht. Steigt der Anteilswert durch Gesellschaftsgewinne, erfährt der Gesellschafter zwar vielleicht einen Vermögensvorteil (Substanzwertveränderung), dieser realisiert sich aber noch nicht.1019) Ähnlich wie im Falle einer Thesaurierung kann der Gesellschafter über den Betrag der Wertsteigerung noch nicht im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips disponieren.1020) Die Wertsteigerung mag also die Veräußerbarkeit des Anteils (Gewinnerzielungschancen) und die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters verbessern, seine Wirtschaftsgüter – und damit seine Zahlungsfähigkeit – bleiben aber identisch.1021) Dem Gesellschafter fließen durch einen Wertzuwachs keine liquiden Mittel zu, die er potentiell für eine Steuerzahlung verwenden könnte.1022) Mindert ein Verlust der Gesellschaft den Anteilswert, realisiert sich umgekehrt noch kein Vermögensnachteil.

411 Die bloße Wertveränderung in dem bestehenden Vermögen des Gesellschafters darf richtigerweise nicht Grundlage der Besteuerung sein. Denn die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) gebietet es, auf den Zufluss neuer Vermögensgüter abzustellen.1023) Nach dem Übermaßverbot hat die Besteuerung zudem auf möglichst sichere Besteuerungsgrundlagen zu erfolgen, darf also nicht schon bei jeder Wertveränderung stattfinden.1024) Mit diesen Grundsätzen wäre es nicht vereinbar, eine An___________ 1016) Dies gilt schon in der werbenden Gesellschaft (in diese Richtung etwa auch Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 526); ebenso Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 388. 1017) Jeweils für Einkünfte der werbenden Gesellschaft z. B. Hennrichs, FR 2010, 721, 727 („etwaige[n] Wertminderung“); Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 526 („nicht zwingend“). 1018) Vgl. für die werbende Gesellschaft Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 526 m. w. N. 1019) Dazu Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 161; s. a. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 72 bzgl. Kapitalgesellschaften. 1020) S. bereits Rn. 392 ff. 1021) Einkommensteuerbar ist „nicht eine Wertentwicklung im Bestand vorhandenen Vermögens, sondern erst die durch Umsatzvorgang realisierte Wertsteigerung“ (Kirchhof, StuW 1985, 319, 327). 1022) Zu dem Verbot einer reinen Wertzuwachsbesteuerung Lang, Bemessungsgrundlage, S. 173 ff. 1023) Vgl. Kirchhof, StuW 1985, 319, 327 („verfassungsrechtliche(r) Schutz vorhandenen Individualvermögens“). 1024) Graß, Besteuerung, S. 56 f. im Anschluss an Lang, Bemessungsgrundlage, S. 173 f.; in diese Richtung auch Pezzer, DStJG 14 (1991), 3, 13.

154

III. Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft

teilswertänderung der Besteuerung zu unterwerfen, solange diese nicht realisiert ist. Für diese Realisierung des Gewinns oder Verlusts im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips ist immer erst ein Umsatzvorgang notwendig. Notwendiger Zwischenschritt ist die Disposition über das Wirtschaftsgut Anteil an der Personengesellschaft (z. B. in Form einer Veräußerung). Erst durch diese Disposition (z. B. Anteilsverkauf), sofern sie überhaupt möglich ist und tatsächlich stattfindet,1025) ändert sich das disponible Einkommen des Gesellschafters und damit auch seine Leistungsfähigkeit. Daher ist auch der Anteilswert nicht als Indikator von Leistungsfähigkeit geeignet.

4.

Schlussfolgerungen

Ein Gewinn oder Verlust der Personengesellschaft wirkt sich auf die Leistungsfä- 412 higkeit des Gesellschafters dann aus, wenn dessen disponibles Einkommen sich verändert. Dies ist der Fall, wenn der Gesellschafter über Gewinne der Gesellschaft frei verfügen kann oder Verluste persönlich tragen muss. Dagegen indiziert weder die persönliche Haftung noch der Anteilswert eine Veränderung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters. Die Haftung wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters erst aus, wenn sie realisiert ist und sich in einem veränderten disponiblen Einkommen niederschlägt. Ebenso wirkt sich eine Anteilswertveränderung erst auf die Leistungsfähigkeit aus, wenn sie durch eine Disposition (z. B. Verkauf) realisiert wird. In der Insolvenz der Personengesellschaft sind Gewinnanteile für den Gesellschafter 413 weder entnahmefähig noch werden sie ausgekehrt, sodass ein Gesellschaftsgewinn sein disponibles Einkommen nicht steigert. Es fehlt an einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters durch die Gesellschaftseinkünfte. Etwas anderes gilt ausnahmsweise in dem Fall einer Auskehrung von Gewinnanteilen an den Gesellschafter bei der Schlussverteilung. Das bedeutet, der Gesellschafter muss nach der gesetzlichen Regelung in der Insolvenz regelmäßig Gewinne versteuern, die zwar die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft mehren mögen, seine eigene Leistungsfähigkeit jedoch nicht. Daher besteht in der insolventen Personengesellschaft ein Konflikt mit dem Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit.1026) Hier ist die sog. absolute Grenze erreicht, nach der der Gesetzgeber nicht Sachverhalte besteuern darf, ohne dass diese eine entsprechende Leistungsfähigkeitssteigerung des Steuerpflichtigen abbilden.1027) ___________ 1025) In einem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall etwa gab es Ausschlussfristen, derentwegen der Gesellschafter den Anteil nicht mehr verkaufen konnte (OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16). 1026) Mit der transparenten Besteuerung erfasst der Steuerzugriff bereits außerhalb der Insolvenz Sachverhalte, die keine bei dem Gesellschafter vorhandene Leistungsfähigkeit abbilden (insb. thesaurierte Gewinne). Erst recht gilt das in der Insolvenz, in der Gewinnanteile nicht mehr entnahmefähig sind. 1027) Vgl. zu diesem Maßstab Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 134 ff. und bereits Rn. 366 ff.

155

5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

414 In Betracht kommt allerdings eine Rechtfertigung dieses Leistungsfähigkeitsverstoßes bei der Besteuerung des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft.

IV. Rechtfertigung der Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft 415 Überschreitet der Gesetzgeber die Grenzen der Gestaltungsfreiheit, die das Leistungsfähigkeitsprinzip vorzeichnet, bedarf es der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, um eine insgesamt leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerungslage herbeizuführen.1028) Rechtfertigungsbedürftig ist hier die Abweichung von dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Form der Besteuerung von Gesellschaftsgewinnen bei einem Personengesellschafter, dessen eigene Leistungsfähigkeit nicht erhöht ist1029)

416 An die Rechtfertigung einer nicht leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung sind prinzipiell sehr hohe Anforderungen zu stellen.1030) Zwar soll zu berücksichtigen sein, dass die Beteiligten der vorliegenden Steuerlastverschiebung (Personengesellschaft und Gesellschafter) eng miteinander verbunden sind.1031) Grundsätzlich nicht ausreichend wäre es aber etwa, die Belastung eines nicht leistungsfähigen Steuerpflichtigen (hier: des Gesellschafters) allein mit der Entlastung eines anderen leistungsfähigen Steuerpflichtigen (hier: der Gesellschaft) zu rechtfertigen.1032)

417 Im Rahmen der Rechtfertigung sind die Gerechtigkeitsvorstellungen nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip und die divergierenden Gestaltungsziele und Interessen abzuwägen und möglichst optimal in Ausgleich zu bringen.1033) So sieht das Bundesverfassungsgericht Art. 3 Abs. 1 GG nur verletzt, wenn es an einem angemessenen Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt.1034) Es bedarf also stets eines sachlichen Grundes von hinreichendem Gewicht, um die Abweichung von dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu rechtfertigen.1035)

___________ 1028) Grundlegend Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, § 5 (zusammenfassend S. 655). 1029) Zu dem Leistungsfähigkeitsverstoß s. bereits Rn. 390 ff. 1030) Birk, FS Kirchhof, 1591, 1599; vgl. auch Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 150 f. (tendenziell höhere Anforderungen bei Überschreiten der sog. absolute Grenze), § 5 sowie S. 208 ff. 1031) So wiederum Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 538 f. (insofern für eine verhältnismäßig niedrige Rechtfertigungsschwelle in diesem Bereich). 1032) So Hey, in: Kernfragen, 1, 7 (nicht speziell in Bezug auf Personengesellschaften und ihre Gesellschafter). 1033) Vgl. etwa Birk, StuW 2000, 328, 330. 1034) So etwa BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 – 2 BvL 2/99 (= BVerfGE 116, 164). 1035) Vgl. Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 208 ff.

156

IV. Rechtfertigung der Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft

1.

Konzeption der Mitunternehmerbesteuerung

Zur Rechtfertigung kommt hier zunächst die gesetzlich angeordnete transparente Mit- 418 unternehmerbesteuerung in Betracht. Das Transparenzprinzip als solches, verankert in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, ist jedoch eine einfachgesetzliche Strukturentscheidung des Steuergesetzgebers.1036) Einfachgesetzliche Entscheidungen des Gesetzgebers erlauben keinen Schluss auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit.1037) Daher wird richtigerweise darauf hingewiesen, dass dieses Prinzip ebenso gut durch eine andere Regelung der Mitunternehmerbesteuerung ersetzt werden könne, mithin nicht aus sich heraus geeignet ist, einen Leistungsfähigkeitsverstoß verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.1038) Im Rahmen der Rechtfertigung sind die Gestaltungsziele und Interessen zu berück- 419 sichtigen, die dem Transparenzprinzip zugrunde liegen. Historisch beruht dieses auf der sog. Gleichstellungsthese – das Transparenzprinzip sollte ursprünglich dazu dienen, den Mitunternehmer einer Personengesellschaft und den Einzelunternehmer (natürliche Person) möglichst weitgehend gleich zu behandeln.1039) Diese Erwägung hat sich allerdings als äußerst angreifbar erwiesen.1040) Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten sind schon deshalb nicht die im Wesentlichen gleichen steuerrechtlichen Regelungen heranzuziehen wie für einen Einzelunternehmer, weil letzterer jederzeit auf sein Betriebsvermögen zugreifen kann.1041) Der Einzelunternehmer kann über Gewinne seines Unternehmens uneingeschränkt i. S. d. Leistungsfähigkeitsprinzips disponieren.1042) Dem Personengesellschafter dagegen steht sein Gewinnanteil nicht unmittelbar und eventuell nur eingeschränkt als disponibles Einkommen i. S. d. Leistungsfähigkeit zu Gebote.1043) Der Gleichstellungsgedanke erscheint bereits aus diesen Grund ungeeignet, die vorliegende Abweichung von dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu rechtfertigen.1044) ___________ 1036) Näher Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 538 f.; ähnlich Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 263 ff. 1037) Ebenso Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 522. 1038) Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 538 f. 1039) Vgl. z. B. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 161. 1040) Weiterführend Hennrichs, StuW 2002, 201, 209; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 361 f.; Lang, FS L. Schmidt, 291, 292 und 297 („dogmatischer Irrtum“); Prinz, FR 2010, 736, 741; Schön, StuW 1996, 275, 284; Ders., StuW 1988, 253, 257. 1041) So bereits zutreffend Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 361 f.; zustimmend Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 9; wohl auch Hennrichs, in: Tipke/ Lang, § 10 Rn. 7. 1042) Zu dem Begriff der Disponibilität i. d. S. vgl. ausführlich unter Rn. 391 ff. 1043) Dazu bereits Rn. 391 ff.; s. a. die Nachweise in vorstehenden Fußnoten. 1044) Abgesehen davon betrifft der Gleichstellungsgedanke auch die sog. relative Grenze und nicht die hier in Rede stehende sog. absolute Grenze (dazu sogleich im Zusammenhang mit der Wettbewerbsneutralität).

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

420 Die transparente Mitunternehmerbesteuerung wird regelmäßig mit dem sog. Gebot der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung begründet. Würden Gewinne der Personengesellschaft nicht in dem Jahr ihrer Entstehung besteuert, wie § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG es ermöglicht, sondern erst bei Ausschüttung an ihre Gesellschafter oder zumindest bei Entnahmefähigkeit für die Gesellschafter, läge darin ein Wettbewerbsvorteil der Personengesellschaft gegenüber Kapitalgesellschaften und Einzelunternehmern.1045) Auch diese Erwägung ist nicht unbestritten.1046) Vor allem aber betrifft die Wettbewerbsneutralität nicht die hier berührte sog. absolute Grenze, nach der eine Besteuerung (hier: des Gesellschafters) ohne entsprechende Leistungsfähigkeitsmehrung unzulässig ist.1047) Es geht bei der Frage nach einer wettbewerbsneutralen Besteuerung vielmehr um den Vergleich der steuerlichen Behandlung von Sachverhalten (hier: verschiedener Unternehmensformen), mithin um die sog. relative Grenze.1048) Auch insofern scheidet für hiesigen Zusammenhang also eine Rechtfertigung aus.

2.

Zivilrechtlicher Ausgleich – Steuerentnahmerechte und Ansprüche gegen Mitgesellschafter

421 In Betracht kommt eine Rechtfertigung im Wege des zivilrechtlichen Ausgleichs. 422 Der Gesellschafter der werbenden Personengesellschaft hat nach hier vertretener Auffassung ein Steuerentnahmerecht aus analoger Anwendung der handelsrechtlichen Aufwendungsersatzvorschriften (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB).1049) Dieses vermag die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters zu steigern, und zwar gemessen an dem Indikator des disponiblen Einkommens sobald der Gesellschafter die zur Steuerzahlung erforderlichen Mittel frei entnehmen kann.1050)

423 Das Steuerentnahmerecht gewährt dem Gesellschafter dabei zwar nicht dieselbe Leistungsfähigkeitssteigerung, an welche die Einkommensbesteuerung anknüpft.1051) ___________ 1045) Dazu etwa Dötsch, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 7, 11; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 362; Schön, FS Beisse, 471, 488.; Ders., StuW 1988, 253, 257; im Anschluss an diesen Hüttemann, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 39, 45; Ders., DStJG 25 (2002), 123, 139 f.; Ders., DStJG 23 (2000), 127, 142; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 169. 1046) Kritisch z. B. Kraus, Integration, S. 127. 1047) Zutreffend Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 527; a. A. für eine Rechtfertigungswirkung des Gebots der Wettbewerbsneutralität wohl Graß, Besteuerung, S. 78. 1048) Zu diesem Maßstab Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 134 ff. und bereits Rn. 366 ff.; zur Diskussion um eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung s. Rn. 379 ff. 1049) Ausführlich Rn. 277 ff. 1050) Nicht entscheidend ist, ob die Steuerentnahme tatsächlich erfolgt (ausführlich Rn. 391 ff.). 1051) Der Gesellschafter kann nicht den zu versteuernden Gewinnanteil entnehmen, sodass bereits der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip abzulehnen wäre. Das Entnahmerecht korrigiert lediglich die eingetretenen Steuerfolgen. Schon generell ist ein zivilrechtlicher Innenausgleich weniger wert als die leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung, da er erst durchgesetzt werden muss. Zum Ganzen Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 211.

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IV. Rechtfertigung der Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft

Deshalb kann es den vorliegenden Leistungsfähigkeitsverstoß lediglich rechtfertigen, nicht aber beseitigen.1052) Der Leistungsfähigkeitsverstoß tritt hier zunächst ein und kann in einem nächsten Schritt durch das Steuerentnahmerecht kompensiert werden. Es gewährt dem Gesellschafter nicht den vollständigen Betrag des zu versteuernden Gewinnanteils.1053) Das durchsetzbare Steuerentnahmerecht gibt ihm aber zumindest eine Verfügungsmöglichkeit über den zur Steuerzahlung nötigen Betrag.1054) Bei wirtschaftlicher Betrachtung wird der Gesellschafter durch die Besteuerung der Gesellschaftseinkünfte also nicht belastet. Er muss die Steuer im Ergebnis nicht aus seinem Privatvermögen begleichen, sondern es wird – richtigerweise1055) – dasjenige Vermögen mit der Steuer belastet, aus welchem die Steuerlast resultiert. In der werbenden Personengesellschaft erscheint daher eine an sich leistungsfähigkeitswidrige Besteuerung des Gesellschafters (z. B. bei Thesaurierung) gerechtfertigt, soweit dem Gesellschafter ein durchsetzbares Steuerentnahmerecht zusteht.1056) In der Insolvenz der Personengesellschaft stößt der vorstehend dargelegte zivil- 424 rechtliche Ausgleich allerdings an seine Grenzen. Das Steuerentnahmerecht ist nicht mehr ohne Weiteres (vollständig) durchsetzbar, wenn es nach der insolvenzrechtlichen Kategorisierung als Insolvenzforderung lediglich zur Tabelle angemeldet werden kann.1057) Mithin führt es für den Gesellschafter nicht zu einer Vergrößerung des disponiblen Einkommens und damit zu einem Anstieg der Leistungsfähigkeit. Das Steuerentnahmerecht vermag in dieser Konstellation den gerade dargestellten Rechtfertigungseffekt nicht mehr herbeizuführen, der ihm in der werbenden Gesellschaft regelmäßig zukommt. Greift die Ausgleichswirkung zivilrechtlicher Ansprüche nicht ein, weil sie im praktischen Regelfalle nicht effektuiert werden können, so bedarf es anderer Rechtfertigungsgründe, um einen insgesamt verfassungskonformen Zustand herbeizuführen.1058) So liegt es hier.

___________ 1052) S. vorstehende Fußnote; Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 211 (allgemein zu zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen) sowie S. 540 (speziell zu dem Steuerentnahmerecht des Personengesellschafters). 1053) Die rechtfertigende Wirkung des Steuerentnahmerechts aus diesem Grunde ablehnend Rau, Prinzipien, S. 214 ff. – der Leistungsfähigkeitsverstoß sei lediglich abgemildert. 1054) Zur Ausgestaltung des Steuerentnahmerechts vgl. die Nachweise unter Rn. 336 ff. 1055) Zu der Frage, welches Vermögen die Steuerlast zu treffen hat, bereits Rn. 306 ff. 1056) Grundlegend dazu Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 509 ff. 1057) Ausführlich bereits unter Rn. 322 ff.; entsprechend zu verstehen ist wohl der Hinweis von K. Schmidt, auch ein insolvenzfestes Steuerentnahmerecht könne nicht restlos befriedigen (K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200). 1058) Wiederum grundlegend Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 208 ff. und insbesondere S. 211 in Bezug auf die werbende Gesellschaft. Die Insolvenz vermag an dem verfassungsindizierten Maßstab der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit allerdings nichts zu ändern (dazu Rn. 382).

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

425 Als weitere zivilrechtliche Ausgleichsmöglichkeit des Gesellschafters kommen Ansprüche gegen seine Mitgesellschafter in Betracht.1059) Bestehen solche und sind sie ohne Weiteres durchsetzbar, vermitteln sie ihm nach den oben dargelegten Maßstäben disponibles Einkommen und steigern die Leistungsfähigkeit.1060) Wie Steuerentnahmerechte gewähren sie eine andere Leistungsfähigkeit als diejenige, an die die Besteuerung anknüpft, sodass allenfalls eine Rechtfertigungswirkung in Betracht kommt. Anders als bei Steuerentnahmerechten erlangt der Gesellschafter die Kompensation hier aber nicht von der Gesellschaft, die durch die leistungsfähigkeitswidrige Besteuerung bevorteilt ist, sondern von seinen Mitgesellschaftern. Diese Form des zivilrechtlichen Ausgleichs vermag also nichts an der steuerrechtlich bedingten, leistungsfähigkeitswidrigen Vermögensverschiebung zugunsten der Gesellschaft zu ändern – immer noch ist das Privatvermögen eines Gesellschafters mit der Einkommensteuer belastet, obwohl diese materiell Gesellschaftsangelegenheit ist. Welchen der Gesellschafter diese Belastung trifft, kann für die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit vorliegend nicht ausschlaggebend sein, da es für diese auf das Verhältnis zu der Gesellschaft ankommt.1061)

3.

Berücksichtigung steuerlicher Verluste und der Totalperiode des Lebenseinkommens

426 In der Diskussion um die Besteuerung des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft wird relativ häufig argumentiert, die Steuerbelastung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden, da der Gesellschafter schließlich auch steuerlich von den Verlusten der Gesellschaft profitiere.1062) So könne ein während der Insolvenz erzielter Gewinn mit bereits vorinsolvenzlich erwirtschafteten Verlusten saldiert werden.1063) Eine Besteuerung des Gewinns bei dem Gesellschafter sei gerechtfertigt, da er zuvor die Verluste habe nutzen können.1064) Bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung könne der Gesellschafter den Gewinn mit Verlusten kompensieren, die bei ihm einkommensteuerrechtlich berücksichtigt wurden.1065)

427 Tatsächlich erscheint die Berücksichtigung von Verlusten im Rahmen der Leistungsfähigkeit geboten, weil sie „das Gegenteil von Leistungsfähigkeit“1066) sind. Dem Ge___________ 1059) Vgl. Argumentation bei Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 128 f. (dazu unter Rn. 107); allgemein zu solchen Ansprüchen Faust, FS K. Schmidt, 357, passim. 1060) Vgl. Rn. 391 ff. 1061) Vgl. die Präzisierung der Fragestellung unter Rn. 386 ff. 1062) Schüppen/Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 167; in diese Richtung auch OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. 1063) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 111. 1064) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 111. 1065) Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.144; im Anschluss Werner, StBW 2013, 1163, 1166. 1066) Zutreffend Birk, DStJG 34 (2011), 11, 27.

160

IV. Rechtfertigung der Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft

sellschafter werden nicht nur die für ihn fremden Gesellschaftsgewinne zugerechnet, sondern auch für ihn ebenso fremde Gesellschaftsverluste. Zutreffend ist auch, dass der Gesellschafter seinen Anteil an einem Gewinn der insolventen Personengesellschaft durch vor Insolvenzeröffnung angefallene Verluste kompensieren kann.1067) Es kommt dann zu einer Verminderung des Negativsaldos auf dem Kapitalkonto des Gesellschafters.1068) In der Insolvenz der Personengesellschaft wird der Gesellschafter regelmäßig über 428 steuerlich nutzbare Verluste aus vorinsolvenzlicher Zeit verfügen. Diese können sich allerdings unterschiedlich auswirken. Soweit Verluste schon einer Zurechnung entgegenstehen, erübrigt sich die hiesige Fragestellung.1069) Soweit die Verlustnutzung die tatsächliche Belastung des Gesellschafters mit Einkommensteuer entfallen lässt, besteht im Ergebnis kein Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip und einer Rechtfertigung bedarf es nicht. Dies wird praktisch vielfach der Fall sein, wenn die Verlustnutzungsmöglichkeiten nach dem EStG dazu führen, dass der Gesellschafter gar nicht erst zu einer Besteuerung veranlagt wird. Soweit die Verlustnutzungsmöglichkeit nicht dazu führt, dass die Einkommensteuerbelastung des Gesellschafters sinkt, wird der Gesellschafter ohne Kompensation zu einer Besteuerung herangezogen. Fraglich ist, wieso trotzdem die Verlustnutzungsmöglichkeit den Leistungsfähigkeitsverstoß rechtfertigen sollte. Selbst wenn man annimmt, der Gesellschafter habe früher aufgrund von Verlusten Steuervorteile genossen, ohne diese Verluste zu tragen,1070) hat er solche Verluste allenfalls anderweitig genutzt. Sie ändern aber nichts daran, dass nun aktuell ein Gewinn bei ihm besteuert wird, ohne dass er leistungsfähiger wird.1071) Verluste wirken sich also für den Gesellschafter der insolventen Personengesellschaft unterschiedlich und ggf. positiv aus, führen aber nicht zu einer Rechtfertigung des hier in Rede stehenden Leistungsfähigkeitsverstoßes. Zu pauschal erscheint auch die Argumentation, der Gesellschafter sei nicht belastet, 429 weil die Gewinne ohnehin nur vorübergehend in der Gesellschaft verbleiben. Bei Berücksichtigung der Totalperiode habe der Steuerpflichtige vorher einen Erstattungsanspruch nutzen können.1072) Dies ist zu weitgehend. Es ist zwar richtig, dass die Gewinne und Verluste der Gesellschaft nach dem Grundsatz der Vollausschüttung grundsätzlich zu einer Weitergabe an den Gesellschafter bestimmt sind.1073) Das Einkommensteuergesetz statuiert aber zu Recht ausdrücklich die periodenbezogenen ___________ 1067) Dazu Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, InsSteuerR II A Rn. 90; Onusseit, ZinsO 2003, 677, 677. 1068) Insofern zutreffend Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 111. 1069) Vgl. insb. Rn. 245 ff. 1070) Es erfolgt m. a. W. eine Zurechnung „fremder“ Verluste der Gesellschaft, wovon der Gesellschafter ggf. profitiert. 1071) Dazu bereits oben Rn. 390 ff. 1072) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 111. 1073) Dazu bereits Rn. 9.

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

Einkommensbesteuerung im jeweiligen Wirtschaftsjahr als Grundsatz.1074) Gemessen an einem Ideal des Lebenseinkommens mag jede steuergesetzliche Periodisierung zunächst willkürlich erscheinen, notwendig ist sie dennoch.1075) Das Lebenseinkommen selbst ist als Besteuerungsgrundlage ungeeignet, denn erst die Messung in Zeiteinheiten ermöglicht eine gegenwartsnahe Besteuerung gerade desjenigen Einkommens, über das der Steuerpflichtige im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips disponieren kann.1076) Die von dem Gesetzgeber gewählte Jahresperiode ist mit Blick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu beanstanden.1077) Auch in der Insolvenz kann ein allgemeiner Verweis auf eine Gesamtbetrachtung oder periodenübergreifende Kompensation nicht darüber hinweghelfen, wenn der Gesellschafter auf den Gewinn des aktuellen Wirtschaftsjahres bzw. Veranlagungszeitraums keinen Zugriff hat und dennoch besteuert wird, ohne Regress nehmen zu können. In diesem Falle würde die Einkommensteuer sein Privatvermögen belasten.

430 Im Ergebnis können Erwägungen im Zusammenhang mit der Verlustnutzung und der steuerlichen Totalperiode den Leistungsfähigkeitsverstoß nicht rechtfertigen.

4.

Persönliche Haftung

431 Die persönliche Haftung wird teilweise als Rechtfertigung dafür angesehen, dass der Gesellschafter trotz fehlender Veränderung seines disponiblen Einkommens bzw. seiner Leistungsfähigkeit die steuerlichen Folgen von Gesellschaftseinkünften zu tragen hat.1078) Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass derjenige, der mit seinem gesamten Privatvermögen für die Erfolge und Misserfolge der Gesellschaft haftet, auch für die Besteuerung der Gewinne und Verluste zuständig sei.1079) Richtig ist insofern, dass die persönliche Haftung zu den charakteristischen Strukturmerkmalen der Personengesellschaft gehört und wirtschaftlich betrachtet zwischen Privatvermögen des Gesellschafters und Gesellschaftsvermögen eine „gewisse Verbindung“1080) schafft. ___________ 1074) Kirchhof, FS 100 Jahre BFH, 1197, 1213; vgl. auch Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 524 f. 1075) Bach, StuW 1991, 116, 126; Hey, in: Tipke/Lang, § 8 Rn. 44 m. w. N. 1076) Wie Kirchhof darlegt, ist der Erwerbserfolg am Ende des Lebens nicht mehr notwendigerweise verfügbar (abhängig z. B. von Konsum- und Sparverhalten). Ein kumulativer Steuerzugriff würde zudem in die Struktur des Privateigentums eingreifen. Daher kann die Belastung des Einkommens nahe der jeweiligen Erwerbsgegenwart als „Zentralforderung der materiellen Steuergerechtigkeit“ bezeichnet werden (näher Kirchhof, FS Lang, 451, 475 f.); Ders., StuW 1985, 319, 322 und 329. 1077) So etwa auch Bach, StuW 1991, 116, 126 f. 1078) So etwa Schüppen/Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 167; ähnlich z. B. auch Farr, Besteuerung, Rn. 315. 1079) Schmitt, FR 2010, 750, 750 ff. 1080) Rau, Prinzipien, S. 134; zu den Strukturmerkmalen der Gesellschaft bereits Rn. 4 ff.

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IV. Rechtfertigung der Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft

Gegen eine rechtfertigende Wirkung der Haftung im Rahmen des Leistungsfähig- 432 keitsprinzips lässt sich allerdings einwenden, dass trotz eines möglicherweise verbesserten Haftungsstatus die Steuerfolgen das Privatvermögen des Gesellschafters treffen. Nach obigen Ergebnissen verändert die Haftung das disponible Einkommen des Gesellschafters nicht, solange sie nicht realisiert ist. Sie vermittelt dem Gesellschafter bis dahin keine Leistungsfähigkeit, und zwar auch keine andere Leistungsfähigkeit als die steuerlich erfasste. Seine Fähigkeit, Steuern aus dem ihm verfügbaren Einkommen begleichen zu können, bleibt unverändert.1081) In der Insolvenz der Personengesellschaft ändert sich dieser Befund nicht. Die Haf- 433 tung selbst ändert sich zwar durch die Insolvenz, wie gezeigt.1082) Sie macht den Gesellschafter aber – solange sie nicht realisiert ist – nicht mehr oder weniger zahlungsfähig. Selbst wenn ein Gewinn seine persönliche Haftung vermindert, erwirbt er dadurch kein neues Einkommen, aus dem er potentiell Steuern zahlen könnte. Wirtschaftlich betrachtet findet keine Kompensation für den Leistungsfähigkeitsverstoß statt.

5.

Zwischenfazit

Soweit die Besteuerung des Gesellschafters nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG von 434 dem Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht (dazu unter III.), bedarf es zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines sachlichen Grundes von hinreichendem Gewicht. Das Konzept der transparenten Besteuerung der Mitunternehmerschaft und die zu- 435 grundeliegenden Gestaltungsziele und Interessen sind als solche nicht zur Rechtfertigung geeignet. Das Transparenzprinzip als einfachgesetzliche Strukturentscheidung könnte ebenso gut durch ein anderes Konzept ersetzt werden. Mit dem Einzelunternehmer lässt sich der Mitunternehmer unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten ohnehin nicht gleichstellen. Die Wettbewerbsneutralität schließlich betrifft nicht die absolute Grenze der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung, sondern die relative Grenze. Der zivilrechtliche Ausgleich im Innenverhältnis zu der Personengesellschaft kann 436 hingegen eine Rechtfertigungswirkung haben. Soweit dem Gesellschafter ein ohne Weiteres durchsetzbarer Anspruch auf Steuerentnahme gegen die Gesellschaft zusteht (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB analog), kann der Gesellschafter über den zur Steuerzahlung erforderlichen Betrag disponieren i. S. d. Leistungsfähigkeitsprinzips. Das Steuerentnahmerecht vermittelt dem Gesellschafter also Leistungsfähigkeit, wenngleich dies eine andere Leistungsfähigkeit ist als die der Besteuerung zugrun___________ 1081) Zum Ganzen ausführlich unter Rn. 404 ff.; insb. Hennrichs, in: Tipke/Lang, § 10 Rn. 5; Ders., FR 2010, 721, 727; s. a. Palm, Person im Ertragsteuerrecht, S. 513; kritisch auch Schön, Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, 139, 146 f. 1082) Dazu Rn. 191 ff. (keine Haftung für Neuverbindlichkeiten).

163

5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

deliegende und der Gesellschafter das Entnahmerecht erst durchsetzen muss. Wirtschaftlich ist in diesem Falle aber nicht das Privatvermögen des Gesellschafters mit der Steuer belastet. So kann der bereits außerhalb der Insolvenz punktuell bestehende Konflikt der transparenten Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (v. a. im Falle der Besteuerung von thesaurierten Gewinnen) gerechtfertigt sein. Die Besteuerung des Gesellschafters ist dann im Ergebnis leistungsfähigkeitsgerecht. Dagegen greift in der Insolvenz der Gesellschaft diese Rechtfertigungswirkung des zivilrechtlichen Ausgleichs nur noch beschränkt ein. Denn soweit das Steuerentnahmerecht nur als Insolvenzforderung durchgesetzt werden kann, steigert es nicht die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters. Insofern vermag es Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip auch nicht zu rechtfertigen.

437 Andere Rechtfertigungsgründe für den vorliegenden Leistungsfähigkeitsverstoß – die Besteuerung des Gesellschafters, ohne dass seine Leistungsfähigkeit gesteigert wird – sind nicht ersichtlich. Insbesondere die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten oder die persönliche Haftung des Gesellschafters eignen sich nicht.

438 Soweit keine andere Rechtfertigung für die Steuerlastverschiebung als das Steuerentnahmerecht zu Gebote steht, ergibt sich damit außerdem, dass die Zuerkennung des Steuerentnahmerechts unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht nur wünschenswert, sondern auch verfassungsrechtlich geboten ist.1083)

439 In diesem Abschnitt wurde deutlich, dass es Fälle gibt, in denen ein Gewinn der insolventen Personengesellschaft bei dem Gesellschafter besteuert wird, obwohl ihm weder eine entsprechende Leistungsfähigkeitssteigerung noch eine rechtfertigende Kompensation (in Form des vollwertigen und damit leistungsfähigkeitssteigernden Steuerentnahmerechts) zugutekommt. Die Besteuerung ist dann insgesamt leistungsfähigkeitswidrig. In Betracht kommt insofern die Anwendung von Billigkeitsregelungen (§§ 163, 227 AO).

V. Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung 1.

Die Regelungen der §§ 163, 227 AO

440 Die Abgabenordnung regelt den ausnahmsweisen Erlass von Steuern im Festsetzungsverfahren (§ 163 AO, Festsetzungserlass) oder im Erhebungsverfahren (§ 227 AO, Zahlungserlass). Diese Billigkeitsmaßnahmen beruhen auf der grundlegenden Gerechtigkeitsidee des Steuerrechts und dienen der Korrektur von Härten einer strikten Gesetzesanwendung im Einzelfall.1084) Sie tragen damit dem Umstand Rechnung, dass eine gewisse Generalisierung und Typisierung unerlässlich ist, wenn der Steuer___________ 1083) Ausführlich dazu Meyer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichssystem, S. 552 ff. (i. B. a. werbende Gesellschaften). 1084) Vgl. etwa die Nachweise bei Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FG, § 227 Rn. 18 f.

164

V. Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung

gesetzgeber durch abstrakt generelle Regelungen vielfältige Lebensverhältnisse erfassen will.1085) Zentrale Voraussetzung beider Tatbestände ist die Unbilligkeit, welche sachliche 441 oder persönliche Gründe haben kann.1086) Sachlich unbillig ist die Erhebung einer Steuer (unabhängig von der Person des Steuerpflichtigen) dann, wenn sie dem Wortlaut des Gesetzes zwar entspricht, im Einzelfall aber nach dem Gesetzeszweck nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft.1087) Dies gilt auch, wenn die gesetzlich angeordnete Steuerfolge der Wertungsentscheidung des Verfassungsgebers widerspricht, also etwa gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 GG) verstößt.1088) Dies kommt hier in Betracht; dazu sogleich. Persönlich unbillig ist eine nach der gesetzlichen Regelung vorgesehene Besteue- 442 rung, die dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar ist, wobei auf seine tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse (namentlich seine Bedürftigkeit und Würdigkeit) im konkreten Einzelfall abzustellen ist.1089) Die persönliche Unbilligkeit wird bejaht, wenn der Steuerschuldner ohne die Billigkeitsmaßnahme den notwendigen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könnte.1090) Ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip kann gerade bei der Einkommensteuer auch zu einer persönlichen Unbilligkeit führen.1091) Da insofern allein die persönlichen, insbesondere die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des betroffenen Gesellschafters im Einzelfall maßgeblich sind, verbieten sich diesbezüglich aber allgemeine Aussagen.

2.

Unbilligkeit der Besteuerung von Einkünften der insolventen Personengesellschaft

Die Billigkeitsregelungen mit den vorstehend skizzierten Voraussetzungen gelten 443 grundsätzlich auch in der Insolvenz der Personengesellschaft.1092) In dieser richtet sich zwar die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ___________ 1085) Rüsken, in: Klein, AO, § 163 Rn. 1; Oosterkamp, in: BeckOK AO, § 227 Rn. 1. 1086) Die Tatbestandsvoraussetzungen von §§ 163, 227 AO sind i. W. identisch, es gilt ein einheitlicher Begriff der Unbilligkeit (näher von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 163 AO Rn. 80 ff.; Oellerich, in: Gosch, § 163 AO Rn. 28). 1087) Näher z. B. Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, § 163 AO Rn. 36 ff. („unsachgemäße Ausdehnung des Wirkungsbereichs eines Gesetzes“); Oellerich, in: Gosch, § 163 AO Rn. 52 ff. 1088) Vgl. im Einzelnen die Nachweise unter Rn. 447. 1089) Näher Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, § 163 AO Rn. 169 ff.; Oellerich, in: Gosch, § 163 AO Rn. 155 ff. 1090) von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO Rn. 130. 1091) Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FG, § 227 Rn. 88; von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO Rn. 131. 1092) Fritsch, in: Koenig, AO, § 227, Rn. 7; Besonderheiten gelten allerdings v. a. im Insolvenzplanverfahren (weiterführend Bartone, AO-StB 2005, 155, 156 ff.; Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FG, § 227 Rn. 13 ff.; Obermair, StB 2005, 212, 214 ff.; Oellerich, in: Gosch, § 163 AO Rn. 43).

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

nach Insolvenzrecht, das materiell-rechtliche Bestehen der Steuerforderung jedoch weiterhin nach steuerrechtlichen Vorschriften.1093)

a) Meinungsstand 444 Inwiefern die Besteuerung des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unbillig (§§ 163, 227 AO) ist, wird unterschiedlich beurteilt.

445 Etliche Lösungsansätze stimmen in einem wesentlichen Punkt überein: Sie wollen die Regelungen der §§ 163, 227 AO heranziehen, wenn und soweit der Gesellschafter besteuert werden soll, obwohl seine Leistungsfähigkeit durch die zugehörigen Besteuerungsgrundlagen nicht erhöht ist.1094) Uneinigkeit herrscht zwischen den Lösungsmodellen nur darüber, welche Fälle das betrifft. Das steuerrechtliche Lösungsmodell wendet die Billigkeitsregelungen auf den beschränkt haftenden Gesellschafter an, der dank vollständiger Einlageleistung nicht persönlich haftet, denn seine Leistungsfähigkeit sei durch Gewinne der insolventen Gesellschaft nicht gesteigert.1095) Das gesellschaftsrechtliche Lösungsmodell greift auf die Billigkeitsregelungen zurück, soweit das Steuerentnahmerecht lediglich Insolvenzforderung ist, denn gerade in diesem Fall sei der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht (vollständig) durch ein Steuerentnahmerecht gerechtfertigt.1096) Das Modell der sachlichen Sphärentrennung hält die Anwendung der Billigkeitsregelungen für überflüssig1097), was insofern nur konsequent ist, da es die Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft in jedem denkbaren Fall für leistungsfähigkeitskonform hält. Von den vorgenannten Lösungsmodellen kann, wie dargestellt, allein die gesellschaftsrechtliche Lösung überzeugen – nach dieser ist die Besteuerung leistungsfähigkeitswidrig, wenn das Steuerentnahmerecht „nur“ eine Insolvenzforderung ist.1098)

446 Es besteht allerdings keineswegs Einigkeit darüber, dass aufgrund einer leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerung die Billigkeitsregelungen der AO anwendbar sind. ___________ 1093) Vgl. § 251 AO; s. auch bereits Rn. 141 ff. 1094) So etwa auch Schüppen/Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 167. 1095) Vgl. ausführlich Rn. 80 ff.; Da ein Gewinn der insolventen Gesellschaft Gesellschaftsschulden reduziert, für die dieser Kommanditist ohnehin nicht haftet, steigt nach dieser Lösung gerade seine Leistungsfähigkeit nicht (Frotscher, Besteuerung, S. 175; im Anschluss etwa Benne, BB 2001, 1977, 1982; Farr, Besteuerung, Rn. 314 ff.; wohl auch Uhländer, in: Waza/Uhländer/ Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1511); auf die Billigkeitsregeln will Frotscher nach der neueren Variante der Lösung nur noch im Einzelfall zurückgreifen, wenn durch die Unabgestimmtheit zwischen Insolvenzrecht und Steuerrecht „sachwidrige Ergebnisse […] drohen“ (Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 37; ebenso bereits Frotscher, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch (2015), § 96 Rn. 27). 1096) K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200; ebenso für § 227 AO Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 120 f. 1097) Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 126. 1098) S. im Einzelnen im 4. Teil.

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V. Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung

Die Gegenauffassung hält eine im Ergebnis steuerfreie Gewinnverwirklichung für verfehlt, selbst wenn die zugerechneten Gewinne die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters nicht steigern. Begründet wird dies vornehmlich mit den Grundsätzen der Gesetzes- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung.1099) Auch das FG Düsseldorf hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 die Anwendung der Billigkeitsregelungen auf die Einkünfte des beschränkt haftenden Kommanditisten einer insolventen Personengesellschaft ausdrücklich abgelehnt.1100) Es führt aus, ungeachtet des fehlenden Zuwachses an Leistungsfähigkeit bei dem zu besteuernden Kommanditisten liege jedenfalls dann keine Unbilligkeit vor, wenn in der Vergangenheit Verluste angefallen seien, die den zu besteuernden Gewinnanteil überstiegen.1101)

b) Stellungnahme aa) Unbilligkeit Hier könnte eine sachliche Unbilligkeit aus einem Widerspruch zu verfassungsrecht- 447 lichen Maßstäben resultieren, namentlich aus einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Bei der sachlichen Unbilligkeit entspricht das Ergebnis der strikten Normanwendung im Einzelfall nicht den Wertungen des Gesetzgebers.1102) Erst recht gilt das, wenn die Besteuerung den Wertungsentscheidungen des Verfassungsgebers zuwiderläuft.1103) So können Billigkeitsmaßnahmen geboten sein, wenn die gesetzlich angeordnete Steuererhebung im atypischen Einzelfall gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 GG) verstößt.1104) Nach der Rechtsprechung kann gerade die Einkommensbesteuerung wegen Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip sachlich unbillig sein, wenn das Zusammenwirken verschiedener (materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher) gesetzlicher Regelungen „zu einer hohen Steuerschuld führt, obgleich dem kein Zuwachs an Leistungsfähigkeit zugrunde liegt“1105). ___________ 1099) Zum Ganzen Jatzke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rn. 349; Neumann, in: Gosch, § 251 AO Rn. 88. 1100) FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO; zustimmend Uhländer, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1511; offengelassen von OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 2.11.2016 – 14 U 24/16 bzw. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 7.6.2016 – 14 U 24/16. 1101) FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO im Anschluss an Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.145; Schüppen/Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 167. 1102) Dazu bereits Rn. 440 ff. 1103) Bopp, DStR 1979, 215, passim (insb. 217); zu den verschiedenen Fallgruppen sachlicher Unbilligkeit vgl. Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, § 163 AO Rn. 40 ff.; Oellerich, in: Gosch, § 163 AO Rn. 57 ff. 1104) Vgl. z. B. Fritsch, in: Koenig, AO, § 227, Rn. 27. 1105) BFH, Urteil vom 26.10.1994 – X R 104/92 (= BFHE 176, 3 = BStBl. II 1995, 297); weiterführend z. B. Fritsch, in: Koenig, AO, § 227, Rn. 27; von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO Rn. 287; Rüsken, in: Klein, AO, § 163 Rn. 47.

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

448 So verhält es sich hier. Wie dargelegt, befolgt die Mitunternehmerbesteuerung in der Insolvenz das Gebot der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit nicht durchgängig.1106) Die Leistungsfähigkeitswidrigkeit der Besteuerung des Gesellschafters beruht auf dem Zusammenwirken der materiellen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und den verfahrensrechtlichen Vorschriften der Insolvenzordnung in der Insolvenz der Personengesellschaft.1107) Es erfolgt eine im Wesentlichen uneingeschränkte Einkünftezurechnung zu dem Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Eine Entnahme oder Entnahmefähigkeit von Gewinnen scheidet aus (§§ 35, 80 InsO). Sein Steuerentnahmerecht (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB analog) kann der Gesellschafter aber, wenn die Besteuerungsgrundlagen schon vor der Verfahrenseröffnung gelegt waren (§ 38 InsO), nur als Insolvenzforderung geltend machen. In diesen Fällen kann er das Steuerentnahmerecht also nicht mehr vollständig durchsetzen, sondern erhält allenfalls eine niedrige Quote aus der Insolvenzmasse. Indessen wird der Fiskus den Gesellschafter – jedenfalls solange dieser selbst nicht insolvent ist1108) – ohne Einschränkungen auf die Einkommensteuerzahlung in Anspruch nehmen.1109) Die Besteuerung trotz fehlenden Leistungsfähigkeitszuwachses streitet also für eine sachliche Unbilligkeit.

449 Gegen den Billigkeitserlass wird vielfach die drohende steuerneutrale Gewinnverwirklichung angeführt.1110) Diese widerspreche dem Gesetzesauftrag.1111) Die Unabgestimmtheit von Steuer- und Insolvenzrecht genüge nicht als tragender Grund, um von den verfassungsrechtlich verankerten Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung abzuweichen.1112) Dies kann nicht überzeugen. Es ist richtig, dass die Finanzbehörden grundsätzlich verpflichtet sind, die kraft Gesetzes entstandenen Steuern festzusetzen, zu erheben und gegebenenfalls zwangsweise zu betreiben.1113) Dies gebieten die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ableiten lassen.1114) Die Gel___________ 1106) S. ausführlich im 5. Teil (insb. Rn. 390 ff. und Rn. 415 ff.). 1107) S. ausführlich im 3. Teil. 1108) Im Falle der Doppelinsolvenz hat die Finanzverwaltung den Steueranspruch im Insolvenzverfahren des Gesellschafters geltend zu machen (dazu ausführlich im 6. Teil). 1109) Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 121; Dieses Risiko kann dem Gesellschafter ggf. auch bei Massearmut oder -unzulänglichkeit (Fn. 1147) drohen (Fn. 842). 1110) FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO; im Ausgangspunkt auch Frotscher/ Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 35 (anders indes noch Frotscher, Besteuerung, S. 175 dafür, die Folge der Steuerfreiheit hinzunehmen, denn der Gesetzgeber sei berufen, eine sachgerechte Regelung zu finden); in diese Richtung auch Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 417. 1111) Neumann, in: Gosch, § 251 AO Rn. 88. 1112) Jatzke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rn. 349; Neumann, in: Gosch, § 251 AO Rn. 88; im Ansatz auch Steinberg, Insolvenzrechtliche Einordnung, S. 51. 1113) Näher zum Ganzen Bartone, AO-StB 2004, 356, 356. 1114) Näher z. B. Koenig, in: Koenig, AO, § 3, Rn. 49 ff. m. w. N.; weiterführend zu der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 110 ff.

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V. Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung

tung dieser Grundsätze führt aber lediglich dazu, dass Ausnahmen davon stets einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfen.1115) Diese gesetzliche Ermächtigung liegt hier den Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO.1116) Das Ergebnis der Steuerfreiheit ist ihnen immanent. Sie begründen die Ausnahme von den genannten Grundsätzen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen von §§ 163, 227 AO räumt der Gesetzgeber mit dem Erlass oder der abweichenden Festsetzung der Steuer der Einzelfallgerechtigkeit Vorrang gegenüber der gesetzlich grundsätzlich gebotenen Besteuerung ein. Gegen die Anwendung der Billigkeitsregelungen wird auch vorgebracht, es seien 450 keine Anhaltspunkte für einen dahingehenden mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers erkennbar.1117) Der Gesetzgeber habe sich für das Transparenzprinzip entschieden, ohne eine Sonderregelung für die Insolvenz zu schaffen.1118) Eine Steuerfreiheit sei sicher nicht intendiert gewesen, die Anwendung der Billigkeitsregelungen ignoriere den Willen des Steuergesetzgebers.1119) Auch dies verfängt nicht. Die Entscheidung für das Transparenzprinzip ist nicht damit gleichzusetzen, dass der Gesetzgeber die Steuerbelastung letztlich dem Gesellschafter mit dessen Privatvermögen hätte auferlegen wollen.1120) Wenngleich Steuernormen generell einen Fiskalzweck verfolgen und die Steuerfreiheit aus Billigkeitsgründen Ausnahmecharakter hat, wird die Beachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips auch dem Willen des Steuergesetzgebers entsprechen. Abgesehen davon kommt es hier entscheidend auf den herangezogenen Maßstab 451 an. Die Rechtsprechung stellt zwar durchaus für die sachliche Unbilligkeit auf den „erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers“ ab und bejaht die Unbilligkeit, wenn anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber im Sinne der Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte, wenn er bei Erlass der Vorschrift diese Einzelfallwirkung gesehen und geregelt hätte.1121) Allerdings ist dieser Maßstab der Rechtsprechung richtigerweise zu ergänzen um die objektive Frage nach der Vereinbarkeit der konkreten Besteuerung mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere mit dem Leistungsfähigkeitsgebot.1122) Dies wird der Zielsetzung der Billigkeitsprüfung besser ___________ 1115) BVerfG, Beschluss vom. 16.3.1971 – 1 BvR 52/66, 1 BvR 665/66, 1 BvR 667/66, 1 BvR 754/66 (= BVerfGE 30, 292). 1116) Die Regelungen sind entsprechend restriktiv zu handhaben (vgl. Bartone, AO-StB 2004, 356, 356). 1117) Vgl. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 406. 1118) Vgl. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 406. 1119) Vgl. Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 406. 1120) Im Einzelnen oben unter Rn. 276 ff. 1121) St. Rspr. BFH, Urteil vom 20.9.2012 – IV R 29/10 (= BFHE 238, 518 = BStBl. II 2013, 505) m. w. N. 1122) So etwa auch Rüsken, in: Klein, AO, § 163 Rn. 37 („die Rspr beherrschende Fixierung auf den Willen des Gesetzgebers“).

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

gerecht.1123) Denn eine Billigkeitsmaßnahme ist zur Schaffung der angestrebten Einzelfallgerechtigkeit (ungeachtet des erklärten oder mutmaßlichen gesetzgeberischen Willen) auch dann vonnöten, wenn die Steuererhebung den Grundrechten bzw. den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft.1124) Nach diesem Maßstab liegt hier eine sachliche Unbilligkeit vor, soweit die Besteuerung dem Leistungsfähigkeitsprinzip widerspricht.

452 Problematisch könnte des Weiteren sein, dass die Anwendung von Billigkeitsmaßnahmen aus verfassungsrechtlichen Gründen stets auf Einzelfälle oder kleine Fallgruppen beschränkt ist.1125) Außerhalb solcher Sonderkonstellationen ist vorrangig gegen die vermeintlich verfassungswidrige Norm vorzugehen.1126) Auch das steht der Anwendung der Billigkeitsregelungen vorliegend aber nicht entgegen.1127) Der Anwendungsbereich für die Billigkeitsregelungen ist vorliegend auf eine kleine Fallgruppe beschränkt. Denn in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist das Ergebnis der Besteuerung nach den gesetzlichen Vorschriften in der Insolvenz mit dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar.1128)

bb) Interessenabwägung 453 In die Billigkeitsprüfung muss neben allgemeinen Rechtsgrundsätzen und verfassungsmäßigen Wertungen auch eine Gesamtbeurteilung aller Normen einfließen, die für die Verwirklichung des Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind.1129) Die schutzbedürftigen Interessen der öffentlichen Hand, das erwartbare Steueraufkommen zu erhalten, sind gegen die schutzbedürftigen Interessen des Steuerpflichtigen abzuwägen.1130) Es fragt sich daher, ob trotz der leistungsfähigkeitswidrigen

___________ 1123) Dabei muss „die Prüfung des Einzelfalls am Maßstab des Gleichheitssatzes selbstredend den Sinn und Zweck des Gesetzes berücksichtigen“, s. Rüsken, in: Klein, AO, § 163 Rn. 37. 1124) Fritsch, in: Koenig, AO, § 227, Rn. 7; Rüsken, in: Klein, AO, § 163 Rn. 37. 1125) Bopp, DStR 1979, 215, 216; Oosterkamp, in: BeckOK AO, § 163 Rn. 47 ff.; Rüsken, in: Klein, AO, § 163 Rn. 1. 1126) Bopp, DStR 1979, 215, 216; Oosterkamp, in: BeckOK AO, § 163 Rn. 47 ff. 1127) Anders Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 406 f., die eine Anwendung der Billigkeitsregelungen auf alle nicht mehr haftenden Kommanditisten als zu weitgehend ablehnt. Dies erscheint allerdings konsequent, wenn man wie sie das insolvenzfeste Steuerentnahmerecht ablehnt, da dann tatsächlich eine deutlich größere Fallgruppe von den Billigkeitsregelungen betroffen wäre. 1128) Die leistungsfähigkeitswidrige Belastung des Gesellschafters resultiert, wie gezeigt, nicht allein aus der strikten Anwendung des Transparenzprinzips in der Insolvenz, sondern auch aus der Kombination mit einem Versagen des zivilrechtlichen Ausgleichssystems im Einzelfall; die Billigkeitsregelungen sind nur nötig, soweit es tatsächlich zu einer Steuerbelastung ohne Ausgleichsmöglichkeit kommt (ausführlich im 4. und 5. Teil). 1129) Näher z. B. Oellerich, in: Gosch, § 163 AO Rn. 56. 1130) Oosterkamp, in: BeckOK AO, § 163 Rn. 40.

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V. Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung

Besteuerung schutzwürdige Interessen des Fiskus gegen eine sachliche Unbilligkeit i. S. v. §§ 163, 277 AO streiten. Zugunsten des Fiskus wird vorgebracht, dass eine Besteuerung von Gewinnen der 454 Personengesellschaft schließlich keinen tatsächlichen Gewinnzufluss bei dem Gesellschafter voraussetze.1131) Dies ist zwar im Grundsatz zutreffend. Die Annahme, der Gesellschafter dürfe unabhängig davon zur Besteuerung herangezogen werden, ob „er sich die hierzu erforderlichen Mittel aus den ihm zuzurechnenden Gewinnen verschaffen kann“1132), greift allerdings zu kurz. Kann der Gesellschafter sich die Mittel für die Steuerzahlung nicht aus der Gesellschaft verschaffen, sodass sie im Ergebnis sein Privatvermögen belasten, ist unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten mindestens eine Rechtfertigung nötig.1133) Gegen die Anwendung der Billigkeitsregelungen auf Insolvenzgewinne der Perso- 455 nengesellschaft könnte zudem sprechen, dass im umgekehrten Falle der Entstehung von insolvenzlichen Verlusten diese dem Gesellschafter steuerlich zugutekommen, während die mit dem Verlust einhergehende Vermögenseinbuße die Insolvenzmasse der Gesellschaft und damit deren Gläubiger belastet. Ein Billigkeitserlass könnte in Fällen ausgeschlossen sein, in denen bei dem Gesellschafter vor der Insolvenz Verluste ertragsteuerlich relevant geworden sind (oder sich zumindest Gewinnminderungen steuerlich vorteilhaft ausgewirkt haben).1134) Andererseits ist zugunsten der Anwendung der Billigkeitsregelungen aber die periodische Bemessung der Einkommensteuer zu berücksichtigen – auch Leistungsfähigkeit lässt sich nicht über allzu große Zeiträume verrechnen.1135) Im Zusammenhang mit dem Einwand, der Gesellschafter habe früher von Einkommensteuerersparnissen bei Verlusten der Gesellschaft profitiert, wird teilweise der Vergleich zu der Nachversteuerung negativer Kapitalkonten gezogen. Auch bei letzterer fließe dem Gesellschafter schließlich im Zeitpunkt der Besteuerung kein Vermögen mehr zu.1136) Selbst wenn die Situation ___________ 1131) FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO m. w. N.; ähnlich Jatzke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rn. 349. 1132) So FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO im Anschluss an Jatzke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rn. 349. 1133) Vgl. ausführlich Rn. 415 ff. 1134) Vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO (ausdrücklich offenlassend, ob eine andere Beurteilung in Betracht kommt, wenn in der Vergangenheit keine Verluste ertragsteuerlich auf Ebene des Gesellschafters relevant geworden sind); ähnlich Benne, BB 2001, 1977, 1982; dem FG Düsseldorf zustimmend Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.145; Schüppen/Schlösser, in: MüKo InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 167 nimmt an, dass anderenfalls, d. h. wenn keine solchen Verlustwirkungen bestehen, die Billigkeitsregelungen anwendbar sein sollen. 1135) Zutreffend Möhlenkamp, EWiR 2018, 567, 568 („Vergleich von Gewinn- und Verlustzuweisungen über viele Jahre hinweg ist statisch und nicht willkürfrei“). 1136) Benne, BB 2001, 1977, 1982 nennt dies als mögliches Bedenken gegen die Billigkeitsregelungen, verwirft es aber i. Erg. mit Hinweis auf eine Trennung der Vermögensmassen.

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5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

nicht direkt vergleichbar sei, zeige die Besteuerung bei Wegfall negativer Kapitalkonten, dass im Rahmen der Unbilligkeit auch eine etwaige Verlustnutzung in der Vergangenheit mit einzubeziehen sei.1137) Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass auch bei der Auflösung eines negativen Kapitalkontos die Besteuerung sachlich unbillig sein kann, und zwar gerade dann, wenn der hohen Steuerschuld kein tatsächlicher Zuwachs an Leistungsfähigkeit zugrunde lag.1138) Die Verlustnutzungsmöglichkeiten ändern nichts daran, dass die Besteuerung des Gesellschafters leistungsfähigkeitswidrig ist.1139)

456 Wichtig erscheint im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung auch, dass das Zusammenwirken der vorgenannten Regelungen hier nicht nur gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstößt. Es führt vielmehr auch zu einer Verschiebung des Insolvenzrisikos der Gesellschaft auf den Gesellschafter, die zufällig erscheint.1140) Diese Risikoverlagerung zulasten des Gesellschafters streitet für eine Anwendung der Billigkeitsregelungen in dem dargestellten Fall.

cc) Zwischenfazit 457 Die sachliche Unbilligkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen kann nach Vorstehendem bejaht werden, wenn der Gesellschafter aufgrund eines Gewinns der insolventen Personengesellschaft leistungsfähigkeitswidrig zur Besteuerung herangezogen wird.

458 Bei Vorliegen der sachlichen Unbilligkeit ist es nach herrschender Auffassung eine Ermessensentscheidung nach § 5 AO der Finanzbehörde, die betroffenen Steuern nach §§ 163, 277 AO auf Antrag abweichend festzusetzen oder zu erlassen.1141) Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, ist allerdings kaum Raum für eine ablehnende Ermessensentscheidung ersichtlich.1142) Es erscheint vielmehr überzeugend, zumindest eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen, sodass die Billigkeitsmaßnahme zwingend anzuwenden ist und der Steuerpflichtige einen Anspruch darauf hat.1143) Denn vorliegend ist gerade durch die Anwendung der Billigkeitsregelungen im Einzelfall die Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Leistungsfähigkeit herzustellen.1144) Daher ist in den vorliegend in Re___________ 1137) So FG Düsseldorf, Urteil vom 17.5.2018 – 15 K 1458/17 E AO. 1138) BFH, Urteil vom 26.10.1994 – X R 104/92 (= BFHE 176, 3 = BStBl. II 1995, 297); Oosterkamp, in: BeckOK AO, § 163 Rn. 69.6. 1139) S. Rn. 426 ff. 1140) Vgl. K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Fachanwälte für Steuerrecht, 193, 200 sowie Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 121. 1141) Frotscher, in: Schwarz/Pahlke, § 163 AO Rn. 31 ff. und 188 ff. 1142) Vgl. Oosterkamp, in: BeckOK AO, § 163 Rn. 15; Ders., in: BeckOK AO, § 227 Rn. 14. 1143) Bartone, AO-StB 2004, 356, 358 f.; Bopp, DStR 1979, 215, 216; wohl anders Olbing/ Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 28. 1144) Vgl. allg. auch Fritsch, in: Koenig, AO, § 227, Rn. 27.

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VI. Fazit zu der Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

de stehenden Fällen der Erlass der Steuer aufgrund der sachlichen Unbilligkeit geboten. Problematisch für den Gesellschafter ist in praktischer Hinsicht allerdings, dass die 459 Finanzverwaltung und -gerichtsbarkeit die Anwendung von §§ 163, 227 AO auf die in Rede stehenden Sachverhalte derzeit ablehnen. Mitunter werden Kommanditisten daher z. B. darauf verwiesen, rechtzeitig die Gesellschaft zu verlassen.1145) Eine Änderung der Verwaltungspraxis wäre auch insofern wünschenswert, um nicht auf derartige Behelfe zurückgreifen zu müssen.

VI. Fazit zu der Vereinbarkeit der Besteuerung von Gesellschaftern insolventer Personengesellschaften mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Die Besteuerung des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft nach dem 460 Transparenzprinzip ist an verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen. Maßstab ist das auf Art. 3 GG basierende Leistungsfähigkeitsprinzip, wonach sich die individuelle Steuerbelastung an der Fähigkeit zu bemessen hat, Steuern zahlen zu können. Der Gesetzgeber verfügt bei der Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips über einen sehr weitreichenden Gestaltungsspielraum. Eine sog. absolute Grenze dieser Freiheit besteht aber darin, dass nur Sachverhalte besteuert werden dürfen, die Ausdruck entsprechender Leistungsfähigkeit sind. Eine Überschreitung dieser Grenze bedarf der Rechtfertigung. Dieser verfassungsrechtlich vorgegebene Maßstab des Leistungsfähigkeitsprinzips gilt auch im Unternehmenssteuerrecht für die Einkünfte insolventer Personengesellschaften. Die Anwendung des Transparenzprinzips (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) konfligiert 461 mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, soweit die Gewinne oder Verluste der Personengesellschaft nicht (auch) die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters steigern oder verringern. Die Einkünfte der Personengesellschaft vermitteln dem Gesellschafter eigene Leistungsfähigkeit, wenn sie für ihn disponibel i. S. d. Leistungsfähigkeitsprinzips sind. Dies ist der Fall, wenn er über seinen Gewinnanteil frei verfügen und diesen entnehmen kann – nicht ausreichend ist einerseits die rechtliche Zuordnung des Gewinnanteils, trotz derer Verfügungsbeschränkungen bestehen können (z. B. bei Thesaurierung); nicht notwendig ist andererseits ein tatsächlicher Vollzug der Entnahme. Die persönliche Haftung ist indes kein geeigneter Indikator für die Leistungsfähigkeit, da sie lediglich das Risiko bzw. die Möglichkeit einer Inanspruchnahme begründet (sog. negative Soll-Leistungsfähigkeit), solange sie nicht realisiert ist. Die Veränderung des Anteilswerts indiziert ebenfalls keine Leistungsfähigkeit des Gesellschafters, solange sie nicht durch eine Disposition (z. B. Anteilsverkauf) realisiert wird. Daraus ergibt sich, dass Gewinne der insolventen Personengesell___________ 1145) Möhlenkamp, EWiR 2018, 567, 568; Thole, NZI 2016, 884, 885 (alternativ sei von vornherein eine Kapitalgesellschaft zu gründen).

173

5. Teil – Vereinbarkeit der Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

schaft für den Gesellschafter nicht disponibel i. S. d. Leistungsfähigkeitsprinzips sind, denn sie fließen in die Insolvenzmasse und sind für ihn nicht entnahmefähig. Etwas anderes gilt allenfalls, wenn ganz ausnahmsweise Gewinnanteile bei der Schlussverteilung an den Gesellschafter ausgekehrt werden. In aller Regel steigern Gewinne der insolventen Gesellschaft die eigene Leistungsfähigkeit des Gesellschafters also nicht. Ihre Besteuerung überschreitet damit die sog. absolute Grenze des Leistungsfähigkeitsprinzips.

462 Die Besteuerung des Gesellschafters nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann dennoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. So kann der bereits außerhalb der Insolvenz punktuell bestehende Konflikt der transparenten Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (v. a. im Falle der Besteuerung von thesaurierten Gewinne) gerechtfertigt sein, soweit dem Gesellschafter ein ohne Weiteres durchsetzbarer Anspruch auf Steuerentnahme gegen die Gesellschaft zusteht (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB analog). Denn dieses Steuerentnahmerecht gewährt dem Gesellschafter die Dispositionsbefugnis über den zur Steuerzahlung erforderlichen Betrag, vermittelt ihm also insofern Leistungsfähigkeit. Wirtschaftlich ist nicht mehr das Privatvermögen des Gesellschafters mit der Steuer belastet. Insofern ist die Besteuerung des Gesellschafters im Ergebnis leistungsfähigkeitsgerecht. In der Insolvenz der Gesellschaft greift diese Rechtfertigungswirkung des zivilrechtlichen Ausgleichs allerdings nur noch beschränkt ein. So vermag das Steuerentnahmerecht Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu rechtfertigen, soweit es nur als Insolvenzforderung durchgesetzt werden kann.

463 Soweit keine Rechtfertigung vorliegt, besteht in den verbleibenden Fällen Bedarf für eine Anwendung der Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung (§§ 163, 227 AO). Die Voraussetzungen der sachlichen Unbilligkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen lassen sich hier bejahen. Das Zusammenwirken der materiell-rechtlichen Einkommensteuerregelungen und der verfahrensrechtlichen Normen der Insolvenzordnung führt hier zu einer Steuerschuld des Personengesellschafters, obgleich die zugrundeliegenden Gewinne der Personengesellschaft für ihn nicht mit einem Zuwachs an Leistungsfähigkeit verbunden sind.

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6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen gegen den Gesellschafter Soweit das Finanzamt infolge eines Gewinns der insolventen Gesellschaft eine 464 Steuerforderung gegen den Gesellschafter erlangt, stellt sich die Folgefrage, wie eine auf Gesellschaftseinkünften beruhenden Einkommensteuerforderung gegen den insolventen Gesellschafter in das insolvenzrechtliche System der Forderungskategorien einzuordnen ist. Dies wird nur relevant, soweit der Gesellschafter besteuert werden soll und selbst insolvent ist.1146) Für den Fiskus ist es wie für jeden anderen Anspruchsinhaber von erheblichem 465 wirtschaftlichem Interesse, ob seine Steuerforderung als regelmäßig werthaltige Masseverbindlichkeit oder als regemäßig wertlose Insolvenzforderung oder als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners einzuordnen ist.1147) Die noch unter der Konkursordnung bestehenden Privilegien des Fiskus als Steuergläubiger wurden mit der Insolvenzordnung grundsätzlich abgeschafft.1148) Spezielle Abgrenzungskriterien für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis regelt weder das Steuerrecht noch das Insolvenzrecht.1149) Für Einkommensteuerforderungen gelten also die allgemeinen Grundsätze, ihre Geltendmachung richtet sich nach insolvenzrechtlichen Maßstäben, vor allem dem Zeitpunkt des Begründetseins.1150) ___________ 1146) Dies betrifft die alleinige Gesellschafterinsolvenz und die Doppelinsolvenz. In der alleinigen Gesellschaftsinsolvenz werden Forderungen gegen den Gesellschafter naturgemäß nicht in die insolvenzrechtlichen Forderungskategorien eingeteilt. Die Zuordnung zu den Forderungskategorien ist i. R. d. Einkommensteuerfestsetzung bei dem Gesellschafter zu entscheiden, nicht bereits i. R. d. einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung (BFH, Urteil vom 3.8.2016 – X R 25/14 (= BFH/NV 2017, 317); s. a. Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.212 m. w. N. auch zur Gegenansicht). 1147) Masseverbindlichkeiten kann das Finanzamt per Steuerbescheid unmittelbar gegenüber dem Verwalter festsetzen (Waza, in: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 701 ff.). Sie werden abseits der Sonderfälle der Massearmut (§ 207 InsO) und der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) – von deren Vorliegen hier nicht ausgegangen wird, soweit nicht ausdrücklich anders angegeben – vollständig befriedigt (§§ 53, 55 InsO), während Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) nur i. H. d. Quote befriedigt werden, sofern nicht eine Aufrechnung (§§ 94 ff. InsO) möglich ist. Fischer, in: Westermann/Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1513; Kahlert, FR 2014, 731, 740. 1148) Vormals geregelt in § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO. Vor dem Hintergrund der Abschaffung des Fiskusvorrechts ist insbesondere die Regelung des § 55 Abs. 4 InsO durchaus kritisch zu sehen. Weiterführend z. B. Kahlert, FR 2014, 731, 732; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 282 ff.; Meyer, in: Zukunftsfragen, 45, 66 f.; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 8; Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 55 Rn. 45 ff. 1149) Dazu auch Kahlert, FR 2014, 731, 740. 1150) Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, InsSteuerR II A Rn. 33; zu der Abgrenzung der Forderungskategorien s. a. Rn. 324 ff.; zu dem Verhältnis von Insolvenz- und Steuerrecht s. a. Rn. 141 ff.

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6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen

Sie sind in Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten oder Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen aufzuteilen und dementsprechend festzusetzen.1151)

466 Allerdings lassen sich Einkommensteuerforderungen gegen den insolventen Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht mehr ohne Weiteres in das insolvenzrechtliche Forderungssystem einordnen. Das gilt insbesondere, wenn in der Doppelinsolvenz nach Eröffnung beider Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter der Personengesellschaft durch Masseverwertung Gewinne erwirtschaftet. Eine daraus resultierende Einkommensteuerforderung lässt sich kaum als Insolvenzforderung im Gesellschafterverfahren qualifizieren, weil sie dazu vor Verfahrenseröffnung hätte begründet sein müssen (§ 38 InsO). Die Annahme einer sonstigen Masseverbindlichkeit ist ebenfalls problematisch, denn eine solche müsste durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse begründet sein (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Verwertungshandlung hat jedoch nicht der Verwalter im Verfahren des Gesellschafters, sondern derjenige im Verfahren der Gesellschaft vorgenommen. Das Vorliegen einer Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen ist wiederum kritisch, weil ein Insolvenzverwalter dieses grundsätzlich nicht verpflichten darf.

1.

Verortung der Fragestellung

467 Es geht hier nicht darum, ob der Fiskus überhaupt einen Steueranspruch gegen den insolventen Gesellschafter hat. Für diese Frage ist unabhängig von einer Insolvenz der Gesellschaft und/oder des Gesellschafters das materielle Steuerrecht maßgeblich.1152) Nach hier vertretener Ansicht besteht ein Steueranspruch nur, wenn die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters entweder unmittelbar gesteigert ist (z. B. aufgrund einer Gewinnausschüttung) oder eine Rechtfertigung für eine leistungsfähigkeitswidrige Besteuerung besteht (z. B. ein voll durchsetzbares Steuerentnahmerecht).1153)

468 Es geht an dieser Stelle darum, wie ein solcher Anspruch geltend zu machen ist. Für diese Frage ist Insolvenzrecht maßgeblich.1154) Es geht um die sachgerechte Zuordnung von Forderungen zu unterschiedlichen Vermögens- oder Haftungsmas___________ 1151) BFH, Urteil vom 18.5.2010 – X R 60/08 (= BFHE 229, 62 = BStBl. II 2011, 429); Die allgemeinen Forderungskategorien gelten für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einschließlich der Einkommensteuer (Kahlert, in: Kahlert/Rühland, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 9.756); Da das Insolvenzverfahren regelmäßig unterjährig eröffnet wird, ist die einheitliche Einkommensteuer (Jahressteuer) je nach Qualifizierung der Forderungen aufzuteilen (weiterführend Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 80 ff.; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 114 ff.). 1152) Vgl. bereits Rn. 141 ff. 1153) Vgl. im Einzelnen im 5. Teil. 1154) Vgl. wiederum Rn. 141 ff.; allg. dazu z. B. auch Frotscher, Besteuerung, S. 140 f.

176

I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen

sen.1155) Die grundlegende insolvenzrechtliche Unterscheidung zwischen Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten und Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen dient dem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf. Die Abgrenzung soll insbesondere sicherstellen, dass nur solche Forderungen an dem Verfahren teilnehmen, die einen Bezug zu der Masse haben, welche an die Gläubiger des Schuldners zu verteilen ist.1156)

2.

Überblick über den Meinungsstand

Ist die Einkommensteuerforderung gegen den insolventen Gesellschafter bereits vor 469 Eröffnung von dessen Insolvenzverfahren begründet, besteht Einigkeit über die Einordnung als Insolvenzforderung.1157) Ist die Steuerforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Ver- 470 mögen des Gesellschafters begründet, stellt sich die Situation (wie soeben skizziert) schwieriger dar. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung tendiert ganz regelmäßig dazu, die Qualifika- 471 tion von Steuerforderungen als Masseverbindlichkeiten zuzulassen.1158) Der BFH hatte sich in jüngerer Zeit vermehrt mit der Einordnung von Steuerforderungen in die insolvenzrechtlichen Kategorien zu beschäftigen.1159) Er verweist vornehmlich darauf, der Anteil an der Personengesellschaft falle in die Insolvenzmasse des Gesellschafters, weshalb im Zusammenhang mit diesem Anteil nach Verfahrenseröffnung entstehende Einkommensteuern Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien. Nach dem BFH hat also die Insolvenzmasse, der ein Gesellschaftsanteil angehört, an den Ergebnissen der Gesellschaft (z. B. an einem Veräußerungsge-

___________ 1155) Vgl. Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 7; Fischer, in: Westermann/ Wertenbruch, Personengesellschaften, Rn. II 1512 ff. 1156) Zum Vorstehenden insg. bereits Rn. 141 ff., 179 ff. sowie Fn. 772; s. a. Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 7 ff. zu der haftungsrechtlichen Zuweisung. 1157) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 22 und 27; Frotscher, Besteuerung, S. 169 und 172 (alleinige Gesellschafterinsolvenz) sowie S. 176 (Doppelinsolvenz); s. a. Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, InsSteuerR II A Rn. 36 und 57 ff. 1158) S. Nachweise in nachfolgenden Fußnoten; dazu etwa auch Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 55 Rn. 19 („recht großzügig“). 1159) BFH, Urteil vom 10.7.2019 – X R 31/16; BFH, Urteil vom 3.8.2016 – X R 25/14 (= BFH/NV 2017, 317); BFH, Urteil vom 1.6.2016 – X R 26/14 (= BFHE 253, 518 = BStBl. II 2016, 848); BFH, Urteil vom 16.7.2015 – III R 32/13 (= BFHE 251, 102 = BStBl. II 2016, 251); BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); BFH, Urteil vom 9.12.2014 – X R 12/12 (= BFHE 253, 482 = BStBl. II 2016, 852); BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759); BFH, Urteil vom 18.5.2010 – X R 60/08 (= BFHE 229, 62 = BStBl. II 2011, 429).

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6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen

winn) teil.1160) Diese Auffassung überwiegt auch in der Literatur.1161) Der Insolvenzverwalter im Verfahren über das Vermögen des Gesellschafters habe den Geschäftsanteil schließlich nicht freigegeben und verwalte ihn somit.1162)

472 Nach anderer Ansicht dürfen auf Gesellschaftseinkünften beruhende Einkommensteuerforderungen im Verfahren über das Vermögen des Gesellschafters nur geltend gemacht werden, wenn dessen Masse bereichert ist.1163) Fehle es im Einzelfall an einer solchen Massebereicherung, müsse die Steuerforderung sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Gesellschafters richten.1164) Eine Masseverbindlichkeit scheitere daran, dass die Forderung bei Verwaltung oder Verwertung einer anderen Insolvenzmasse (d. h. der Masse im Gesellschaftsverfahren) entstanden sei.1165)

473 Teilweise bejahen Stimmen in der Literatur dagegen eine Insolvenzforderung (in dem Verfahren über das Vermögen des Gesellschafters), da es für eine Masseverbindlichkeit an einer die Steuerschuld veranlassenden Handlung des Insolvenzverwalters fehle und der Insolvenzmasse des Gesellschafters keine Leistung zufließe.1166) Mangels mittelbar kausaler Handlung des Insolvenzverwalters in dem Gesellschafterverfahren könne lediglich eine Insolvenzforderung vorliegen.1167)

3.

Einordnung als Insolvenzforderung (§ 38 InsO)

474 Zu untersuchen ist zunächst die Möglichkeit einer Einordnung als Insolvenzforderung. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten erfolgt nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich nach dem Zeitpunkt des insolvenzrechtlichen Begründetseins.1168) Die Einordnung als Insolvenzforde___________ 1160) Für einen Veräußerungsgewinn z. B. BFH, Urteil vom 3.8.2016 – X R 25/14 (= BFH/NV 2017, 317); für einen Buchgewinn aus Auflösung von Rückstellungen z. B. BFH, Urteil vom 18.5.2010 – X R 60/08 (= BFHE 229, 62 = BStBl. II 2011, 429); ebenso z. B. Schütze, in: BeckOK AO, § 251 Rn. 493. 1161) Benne, BB 2001, 1977, 1979 f.; Boochs/Nickel, in: Wimmer, FK-InsO, § 155 Rn. 1222 ff.; Dißars, in: Schwarz/Pahlke, § 251 AO Rn. 88 f.; Farr, Besteuerung, Rn. 318; Frotscher, Besteuerung, S. 173; Onusseit, ZinsO 2003, 677, 685; Schütze, in: BeckOK AO, § 251 Rn. 493; Steinberg, Insolvenzrechtliche Einordnung, S. 46 (nur bzgl. alleiniger Gesellschafterinsolvenz); wohl auch Riedemann, in: Schmidt, Hamburger Kommentar InsO, Anhang IV Insolvenzsteuerrecht Rn. 178. 1162) Roth, FR 2013, 441, 443. 1163) So etwa Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 31 und 35. 1164) So etwa Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 31 und 35; z. T. wurde insofern gefolgert, da eine Einordnung als insolvenzfreie Forderung systemwidrig sei, sei die Gesellschaft zu besteuern (vgl. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1233) – dies ist nicht überzeugend (s. bereits Rn. 80 ff.). 1165) So etwa noch Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1228. 1166) Vgl. etwa Hess/Mitlehner, Steuerrecht, B II Rn. 718. 1167) Näher Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 335 ff. 1168) Auf die steuerliche Entstehung oder Fälligkeit der Forderung kommt es dagegen nicht an. St. Rspr., vgl. BFH, Beschluss vom 31.10.2018 – III B 77/18 (= BFH/NV 2019, 123) m. w. N.

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I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen

rung setzt voraus, dass der Anspruch im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet ist (§ 38 InsO). Liegt der Zeitpunkt des Begründetseins der Steuerforderung auf Einkünfte einer 475 Personengesellschaft vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters, kann eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO bejaht werden. Der Fiskus erhält in diesem Fall lediglich die Quote auf seine Steuerforderung. Liegt der Zeitpunkt des Begründetseins hingegen nach Eröffnung des Insolvenz- 476 verfahrens des Gesellschafters, liegen die Voraussetzungen nach § 38 InsO dagegen nicht vor. Der Wortlaut der Norm verlangt eindeutig „einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch“ und damit ein Begründetsein vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daher scheidet für Steuerforderungen aus nachinsolvenzlichen Einkünften die Einordnung als Insolvenzforderung aus.1169) Eine Gegenansicht bejaht in diesem Fall zwar die Einordnung als Insolvenzforderung 477 mit der Begründung, es fehle an den Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit.1170) Dies vermag allerdings nicht zu überzeugen. Selbst wenn die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit nicht vorliegen sollten,1171) hilft dies nicht darüber hinweg, dass hier eine Tatbestandsvoraussetzung des § 38 InsO fehlt. Der § 38 InsO ist kein Auffangtatbestand, der nur aus dem Grund erfüllt wäre, weil § 55 InsO nicht vollständig erfüllt ist.

4.

Exkurs: Zeitpunkt des Begründetseins, insbesondere Aufdeckung stiller Reserven

Wann der maßgebliche Zeitpunkt des Begründetseins von Steuerforderungen vor- 478 liegt, ist Gegenstand umfänglicher Diskussion.1172) Bis vor einiger Zeit ging die wohl überwiegende Auffassung in Rechtsprechung 479 und Lehre davon aus, es sei auf die Verwirklichung des zivilrechtlichen Sachverhalts abzustellen, welcher dem Entstehen der Steuerforderung zugrunde liegt (sog. Schuldrechtsorganismus).1173) Nach der zwischenzeitlich vorherrschenden Rechtsprechung kommt es dagegen darauf an, wann der zugrundeliegende Besteuerungstatbestand verwirklicht ist, also bei Einkommensteuerforderungen insbesondere die Er___________ Ähnlich Statkiewicz, Einkünftezurechnung, S. 47. S. Nachweise in Fn. 1166 und 1167. Dazu sogleich unter Rn. 482 ff. Die Abgrenzungsfrage wurde und wird von den verschiedenen BFH-Senaten und für die verschiedenen Steuerarten unterschiedlich beantwortet (weiterführend Kahlert, FR 2014, 731, 740 ff.; Meyer, in: Zukunftsfragen, 45, 56 f.; Onusseit, ZinsO 2014, 59, 65 f.); ebenso z. B. Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 6, Rn. 327. 1173) Dazu etwa Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 67 m. w. N. 1169) 1170) 1171) 1172)

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6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen

zielung von Einkünften nach § 2 Abs. 1 EStG.1174) Kritisiert wird daran insbesondere, dass diese neuere Rechtsprechung den Zeitpunkt des Begründetseins so verlagert, dass der Fiskus von zusätzlichen Masseverbindlichkeiten profitiert.1175) Richtig erscheint erstere Ansicht, also das Abstellen auf den Schuldrechtsorganismus, denn im Insolvenzverfahren hat sich die hier in Rede stehende Geltendmachung von Forderungen nach dem Insolvenzrecht zu richten, nicht mehr nach dem Steuerrecht.1176) Die Steuerforderung ist also begründet i. S. v. § 38 InsO, wenn der zugrundeliegende zivilrechtliche Sachverhalt verwirklicht ist.

480 Diskutiert wird der Zeitpunkt des Begründetseins der Steuerforderung insbesondere dann, wenn der Insolvenzverwalter stille Reserven aufdeckt, die bereits vor der Insolvenz entstanden sind. Dies führt oft zu der Entstehung von Gewinnen der insolventen Personengesellschaft.1177)

481 Der BFH1178) und Teile der Literatur1179) halten den Gewinnrealisationszeitpunkt für maßgeblich. Die Besteuerung der stillen Reserven werde erst durch entsprechende Verwertungshandlungen ausgelöst, mit der der Steuertatbestand abgeschlossen sei, das vorherige Ansammeln und Halten der stillen Reserven sei einkommensteuerrechtlich irrelevant.1180) Die Besteuerung knüpfe uneingeschränkt an die sog. Realisationshandlung an, egal ob der Steuerpflichtige oder der Insolvenzverwalter diese vornehme.1181) Das bedeutet, die Steuerforderung bei Aufdeckung stiller Reserven würde stets nach Verfahrenseröffnung durch den Verwalter begründet, wäre also immer Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).1182) Die Gegenansicht stellt indes auf den Entstehungszeitpunkt der stillen Reserven ab, womit die Steuerforderung regelmäßig als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) einzuordnen wäre.1183) Dem liegt die ___________ 1174) BFH, Urteil vom 10.7.2019 – X R 31/16; BFH, Beschluss vom 31.10.2018 – III B 77/18 (= BFH/NV 2019, 123); BFH, Urteil vom 3.8.2016 – X R 25/14 (= BFH/NV 2017, 317); Es kommt auf die Art der Gewinnermittlung an (bei Einnahmen-Überschussrechnung gilt das Zuflussprinzip, bei Betriebsvermögensvergleich das Realisationsprinzip, BFH, Urteil vom 9.12.2014 – X R 12/12 (= BFHE 253, 482 = BStBl. II 2016, 852)). 1175) Weiterführend z. B. Meyer, in: Zukunftsfragen, 45, 56 f.; Ders., FS 100 Jahre BFH, 659, 669; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 68; a. A. etwa Wimmer/Frotscher/Schulze, in: Gottwald/ Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 60 Rn. 7. 1176) S. bereits ausführlich Rn. 141 ff. 1177) Vgl. Rn. 53 ff.; Keller, BB 2008, 2783, 2783; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 313 ff. 1178) So etwa BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759). 1179) So etwa Kahlert, FR 2014, 731, 742 f.; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 123. 1180) Die Bildung der stillen Reserven bedeute noch nicht, dass es auch zu einer Besteuerung komme, BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759) m. w. N.; BFH, Urteil vom 11.11.1993 – XI R 73/92 (= BFH/NV 1994, 477). 1181) BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759) m. w. N. 1182) Vgl. vorstehende Nachweise. 1183) So z. B. Kahlert, DStR 2013, 1587, 1588; Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 317.

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I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen

Überlegung zugrunde, dass die Vermögensmehrung des Schuldners bereits vorhanden sei, bloß unaufgedeckt. Der Fiskus erlange bereits vor Insolvenzeröffnung einen aufschiebend bedingten Anspruch.1184)

5.

Einordnung als sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO)

Liegt der Zeitpunkt des Begründetseins der Einkünfte einer Personengesellschaft 482 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters, kommt die Einordnung als sonstige Masseverbindlichkeit in Betracht. Ein Anspruch ist eine sonstige Masseverbindlichkeit, wenn er durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse begründet ist, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Einordnung von Einkommensteuerforderungen als Masseverbindlichkeiten ist 483 grundsätzlich zulässig. Zwar wurde vormals negiert, dass sich Personensteuern wie die Einkommensteuer überhaupt gegen eine Insolvenzmasse richten können.1185) Diese Zweifel sind allerdings unbegründet. Die Insolvenz ändert nichts an der Steuerschuldnerschaft (hier: des Gesellschafters), d. h. Schuldner der Einkommensteuer ist, auch wenn eine Masseverbindlichkeit vorliegt, stets der Gesellschafter als steuerpflichtige natürliche Person und nicht etwa die Insolvenzmasse.1186) Der Tatbestand des § 55 InsO ist aber nicht schon deshalb erfüllt, weil keine Insol- 484 venzforderung (§ 38 InsO) vorliegt – es sind stets die weiteren Normvoraussetzungen zu prüfen.1187) Soweit möglich, sollte auch nicht offengelassen werden, nach welcher der beiden Alternativen eine Forderung begründet ist.1188)

a) Handlung des Insolvenzverwalters (1. Alternative) Die Begründung durch eine „Handlung des Insolvenzverwalters“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 485 Alt. 1 InsO) lässt sich für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis allgemein ablehnen, da solche Ansprüche nicht durch Handlungen oder Unterlassungen des In___________ 1184) Vgl. etwa Kahlert, FR 2014, 731, 742 f. m. w. N.; bzw. eine Anwartschaft (Kahlert, DStR 2013, 1587, 1588 m. w. N.). 1185) Vgl. etwa Classen, BB 1985, 50, 51 f.; dagegen z. B. Onusseit, ZIP 1986, 77, 80 f. 1186) Dies ist spätestens seit Aufgabe der Separationstheorie geklärt. Überzeugend Weiß, FR 1990, 539, 543; ihm folgend z. B. Benne, BB 2001, 1977, 1978; s. a. Frotscher, Besteuerung, S. 135. 1187) Ebenso BFH, Urteil vom 18.5.2010 – X R 60/08 (= BFHE 229, 62 = BStBl. II 2011, 429); Kahlert, DStR 2013, 1587, 1587; Onusseit, ZinsO 2014, 59, 65. 1188) So aber BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); offengelassen auch von BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759); kritisch Kahlert, DStR 2013, 1587, 1587; Es steht allerdings zu bedenken, dass die trennscharfe Abgrenzung der Alternativen nicht immer möglich und für die Praxis ggf. entbehrlich ist (vgl. Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 55 Rn. 16 sowie Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 66).

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6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen

solvenzverwalters, sondern kraft Gesetzes mit Erfüllung des einschlägigen Steuertatbestandes entstehen.1189)

486 Nicht entscheidend ist daher auch, ob es an einer Handlung des Insolvenzverwalters (im Gesellschafterverfahren) zur Erwirtschaftung der Besteuerungsgrundlagen fehlt, sondern eine Handlung des Vertreters der Gesellschaft (in der alleinigen Gesellschafterinsolvenz) oder des Insolvenzverwalters der Gesellschaft (in der Doppelinsolvenz) der Erfüllung des Steuertatbestandes zugrunde liegt. Die Steuerforderung wird auch dann nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begründet, wenn in einer Doppelinsolvenz beide Insolvenzverwalter personenidentisch sein sollten.1190) Die Steuerforderung entsteht kraft Gesetzes.

b) In anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse (2. Alternative) 487 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können grundsätzlich „in anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) begründet sein.

488 Der Tatbestand verlangt nicht lediglich ein nachinsolvenzliches Begründetsein der Forderung. Schon der Wortlaut zeigt, dass neben dem zeitlichen Abgrenzungselement zu § 38 InsO die Forderung gerade einen sachlichen Bezug zu der Insolvenzmasse (hier: derjenigen des Gesellschafters) aufweisen muss. Das Gesetz verlangt anders als in Alternative 1 keine Handlungen des Verwalters, sondern lässt eine Beziehung zu der Masse in sonstiger Weise genügen. Die Entstehung der Steuerschuld muss aber auf eine – wie auch immer geartete – (Verwaltungs-)Maßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Masse zurückzuführen sein.1191) Der Gesetzgeber hatte hier eine Zurechnung der Masseverbindlichkeiten zu dem Insolvenzverwalter vor Augen, weshalb diese Forderungen sich richtigerweise im weiteren Sinne auf die Amtstätigkeit des Insolvenzverwalters zurückführen lassen müssen.1192)

___________ 1189) Bodden, in: Korn, EStG, § 2 Rn. 396; Kahlert, FR 2014, 731, 742 unter Verweis auf § 38 AO; Ders., DStR 2013, 1587, 1588; Onusseit, ZinsO 2014, 59, 65; Fuhst, jurisPR-InsR 9/2015 Anm.1; ähnlich Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 6; Der Zeitpunkt der steuerlichen Entstehung (§ 38 AO) ist dabei nicht mit dem insolvenzrechtlichen Begründetsein (§ 38 InsO) identisch (z. B. Wimmer/Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 60 Rn. 2). 1190) Die Verfahren sind strikt zu trennen (s. Nachweise in Fn. 74). 1191) Vgl. BFH, Urteil vom 16.7.2015 – III R 32/13 (= BFHE 251, 102 = BStBl. II 2016, 251); Bodden, in: Korn, EStG, § 2 Rn. 396. 1192) Kahlert, FR 2014, 731, 742 („dem Insolvenzverwalter auf Grundlage einer amtlichen Liquidationsmaßnahme im weiteren Sinne zuzurechnen“) m. w. N.; Mohrbutter, in: Mohrbutter/ Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 6, Rn. 327 („durch Amtstätigkeit des Verwalters ausgelöst“); ähnlich Onusseit, ZinsO 2014, 59, 65.

182

I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen

aa) Verwaltung durch Geltendmachung des Gewinnanspruchs Die maßgebliche „Verwaltung der Insolvenzmasse“ i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 489 InsO wird teilweise darin erblickt, dass der Insolvenzverwalter den Gewinnanspruch des insolventen Gesellschafters gegen die Gesellschaft geltend macht.1193) Dies vermag indes nicht zu überzeugen. Zwar fallen Gewinnansprüche des Gesell- 490 schafters in dessen Insolvenzmasse, sodass der Insolvenzverwalter für die Geltendmachung gegenüber der Gesellschaft zuständig ist.1194) Auch mag diese Geltendmachung, sofern sie erfolgt, eine Verwaltung der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter sein. Die Einkommensteuerforderung auf den Gesellschaftsgewinn wird aber nicht durch diese Verwaltung begründet. Die Einkommensteuer auf den Gewinnanteil ist vielmehr unabhängig davon, ob ein Gewinnanspruch gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht wird oder nicht. Würde man dieser Ansicht folgen, könnte der Insolvenzverwalter mit der Entscheidung über die Geltendmachung des Gewinnanspruchs darüber entscheiden, ob der Fiskus die Steuer als Masseverbindlichkeit geltend machen kann.

bb) Verwaltung durch Halten bzw. Nicht-Freigabe des Anteils (Massezugehörigkeit) Als „Verwaltung der Insolvenzmasse“ i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO kommt 491 vornehmlich in Betracht, dass der Insolvenzverwalter das Wirtschaftsgut Anteil an der Personengesellschaft nach Eröffnung des Verfahrens als Bestandteil der Masse hält.1195) Dazu tendiert insbesondere der BFH.1196) Ähnlich ist die Argumentation, dass der Insolvenzverwalter sich bewusst dagegen entscheide, den Gesellschaftsanteil freizugeben.1197) Es trifft zu, dass der Anteil an der Personengesellschaft in der Insolvenz des Gesell- 492 schafters in dessen Insolvenzmasse fällt, wenn der Insolvenzverwalter des Gesellschafters ihn nicht freigibt.1198) Fraglich ist aber, ob dieses Halten des Anteils bzw. dessen Nicht-Freigabe tatsächlich ausreicht, um den notwendigen Massebezug der ___________ 1193) Vgl. BFH, Urteil vom 1.6.2016 – X R 26/14 (= BFHE 253, 518 = BStBl. II 2016, 848); Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 72; wohl auch Paul, in: Graf-Schlicker, InsO, § 55 Rn. 25. 1194) Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 207. 1195) Z. B. Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 83; Onusseit, EWiR 2020, 179, 180 („das reine Halten“ als Verwaltung). 1196) Vgl. bereits die Nachweise unter Rn. 471. 1197) Roth, FR 2013, 441, 443 (Steueranspruch aus einer „für den Insolvenzverwalter sehr wohl abwägbaren und umgehbaren Verwaltung des Geschäftsanteils für Rechnung der Masse“); ähnlich Bodden, in: Korn, EStG, § 2 Rn. 397 (s. a. Rn. 396 „Zuordnungsentscheidung des Insolvenzverwalters“ (i. B. a. Grundstücke)). 1198) Nachweise bei Kießling, Einkommensbesteuerung, S. 327.

183

6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen

Einkommensteuerforderung „in sonstiger Weise“ i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO zu begründen.

493 Dagegen wird zunächst angeführt, dass der Insolvenzverwalter des Gesellschafters keinen Einfluss auf die Entstehung der Masseverbindlichkeit habe.1199) Gerade im Falle der Doppelinsolvenz wird betont, ihm sei jegliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Handeln des Insolvenzverwalters der Gesellschaft verwehrt.1200) Im Ergebnis werde § 55 InsO für den einflusslosen Insolvenzverwalter des Gesellschafters zu einem Gefährdungstatbestand.1201)

494 Zutreffend ist zwar, dass nicht der Insolvenzverwalter des Gesellschafters die Einkünfteerzielung bei der Personengesellschaft bewirkt. Es handelt vielmehr ein Dritter, namentlich ein Vertreter der Gesellschaft (in der alleinigen Gesellschafterinsolvenz) oder der Insolvenzverwalter der Personengesellschaft (in der Doppelinsolvenz). Zumal letzterer vorrangig die Interessen der Gesellschaftsgläubiger verfolgt und nicht diejenigen der Gesellschafter.1202) Es ist aber nicht entscheidend, dass ein Dritter die unmittelbar zu der Steuerentstehung führenden Handlungen (z. B. Veräußerung von massezugehörigen Vermögensgegenständen der Personengesellschaft) vornimmt. Der Tatbestand des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO schließt das nicht aus. Er kann vielmehr auch dann erfüllt sein, wenn Ansprüche z. B. durch einen Organbeschluss ausgelöst werden.1203) Ungeachtet von Handlungen Dritter können Steuerverbindlichkeiten dennoch auf die Amtstätigkeit des Insolvenzverwalters zurückzuführen sein.1204)

495 An der Annahme des notwendigen Massebezugs wird des Weiteren kritisiert, die BFH-Rechtsprechung lasse für das Verwalten jede Handlung ausreichen, die über ein bloßes Dulden der Mitunternehmerschaft hinausgehe,1205) oder verzichte zu Unrecht gänzlich auf das Handlungserfordernis1206). Richtig ist zum einen, dass die bloße Duldung eines Verhaltens des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter oder die bloße Kenntnis davon nicht genügen, um eine Masseverbindlichkeit „in ___________ Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 122. Petersen/Winkelhog, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 4 Rn. 112. Kahlert, FR 2014, 731, 742. Dazu bereits im 3. Teil (insb. Rn. 195). Thole, in: K. Schmidt, InsO, § 55 Rn. 16. Ähnlich Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 67 sowie Olbing/Fischer, Steuerrecht in der Insolvenz, S. 83; anders ggf. bei Einordnung von Steuerforderungen aufgrund von Verwertungshandlungen absonderungsberechtigter Gläubiger (außerhalb des Konkurs-/Insolvenzverfahrens), vgl. dazu Onusseit, ZinsO 2014, 59, 66. 1205) Kruth, SteuK 2016, 466, 466. 1206) Es sei auch i. R. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO stets ein Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen i. B. a. den Massegegenstand nötig, es gebe keine „allgemeine Verwaltung“, Onusseit, EWiR 2020, 179, 180 (trotz Kritik i. Erg. der BFH-Rspr. zustimmend).

1199) 1200) 1201) 1202) 1203) 1204)

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I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen

sonstiger Weise“ zu begründen.1207) Hintergrund ist, dass ein solcher Sachverhalt dem Insolvenzschuldner (hier: Gesellschafter) und nicht dem Verwalter zuzuordnen wäre, mithin läge eine Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen und keine Masseverbindlichkeit vor. Ein solches Dulden einer Tätigkeit des insolventen Gesellschafters liegt hier aber nicht vor. Der Verwalter ist mit Insolvenzeröffnung in Bezug auf den Gesellschaftsanteil gerade an die Stelle des Insolvenzschuldners getreten.1208) Richtig ist zum anderen, dass sich fragen lässt, welche eigenständige Bedeutung 496 das Tatbestandsmerkmal „Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Masse“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) hat, wenn die Rechtsprechung schon die Massezugehörigkeit des Anteils für ein Verwalten ausreichen lässt. Andererseits verlangt das Gesetz im Vergleich zu Alt. 1 des Tatbestandes gerade keine „Handlung“ des Verwalters mehr. Die Zurechnung zu dem Insolvenzverwalter erfolgt in Alt. 2 „in anderer Weise“.1209) Daher werden etwa auch massebezogene und kraft Gesetzes während des Insolvenzverfahrens begründete Forderungen (wie Steuerforderungen) dazugerechnet.1210) Hier unterliegt der Anteil an der Personengesellschaft als Massebestandteil dem Verwaltungs- und Verfügungsbereich des Insolvenzverwalters in dem Verfahren über das Vermögen des Gesellschafters. Dem Verwalter im Verfahren des Gesellschafters stehen damit diejenigen Rechte in Bezug auf den Anteil (massezugehöriger Gegenstand) zu, die vorher dem Gesellschafter zustanden. Sein Einfluss auf das Entstehen von Einkünften bei der Personengesellschaft ist nicht größer oder kleiner als der eines (nicht insolventen) Gesellschafters.1211) Der Steueranspruch lässt also auf die Amtstätigkeit des Verwalters zurückführen, weil dem Verwalter die Verfügungsmacht über den Anteil zusteht. Diese Argumentation gilt gleichermaßen in der Doppelinsolvenz. Selbst wenn die 497 Steuerforderung unmittelbar auf der Verwaltung und Verwertung der Masse im Gesellschaftsverfahren beruht und der Insolvenzverwalter im Gesellschaftsverfahren gehandelt hat, ist es daher nicht ausgeschlossen, dass (auch) ein Bezug der Steuerforderung zu dem Verfahren des Gesellschafters vorliegt. Die Voraussetzungen der Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) lassen 498 sich also zunächst mit Blick auf die Massezugehörigkeit des Anteils an der Personengesellschaft begründen.1212) ___________ 1207) Bäuerle/Miglietti, in: Braun, InsO, § 55 Rn. 20; s. a. Leithaus, in: Andres/Leithaus/Dahl, InsO, § 55 Rn. 6. 1208) Dazu bereits Rn. 166 ff. 1209) Entsprechend auch die Argumentation des BFH (BFH, Urteil vom 18.5.2010 – X R 60/08 (= BFHE 229, 62 = BStBl. II 2011, 429); BFH, Urteil vom 10.7.2019 – X R 31/16). 1210) Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Insolvenzverwaltung, Kapitel 6, Rn. 327. 1211) S. Rn. 155 ff. 1212) Zu praktischen Bedenken und möglichen Wertungswidersprüchen einer solchen Einordnung sogleich unter Rn. 507 ff.

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6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen

c)

Keine Masseverbindlichkeit im Gesellschaftsverfahren

499 Klargestellt sei noch einmal, dass die Einkommensteuerforderung keinesfalls eine Masseverbindlichkeit in dem Verfahren über das Vermögen der Personengesellschaft sein kann. Diese Möglichkeit bejahen namentlich die Befürworter der Bereicherungslösung.1213) Wie oben bereits ausführlich dargestellt, sind sowohl Rechtsprechung als auch Literatur – bis auf wenige Ausnahmen – von dieser Lösung inzwischen wieder abgerückt. Dies ist insbesondere deshalb richtig, weil eine Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft sich mit dem geltenden Einkommensteuerrecht nicht vereinbaren lässt.1214)

d) Zwischenfazit zu Masseverbindlichkeiten 500 Liegt der Zeitpunkt des Begründetseins der Steuerforderung auf Einkünfte einer Personengesellschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters, kann diese als sonstige Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO im Gesellschafterverfahren eingeordnet werden. Der notwendige Bezug zur Insolvenzmasse des Gesellschafters kann aufgrund der Massezugehörigkeit des Anteils bejaht werden – indem der Insolvenzverwalter im Gesellschafterverfahren diesen nicht freigibt bzw. in der Masse hält, verwaltet er die Masse.

6.

Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen

501 Diskutiert wird regelmäßig auch eine Einordnung der Steuerforderung auf Einkünfte einer Personengesellschaft, die erst nach der Eröffnung des Gesellschafterverfahrens begründet sind, als Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen des Gesellschafters.1215)

502 Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen fehlt der Bezug zu der Insolvenzmasse und zu dem Insolvenzverfahren, welcher den Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten eigen ist.1216) Ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich insbesondere dann gegen das insolvenzfreie Vermögen, wenn er auf einer selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung beruht oder aus Wirtschaftsgütern resultiert, die der Insolvenzverwalter aus der Masse freigegeben hat.1217)

___________ 1213) So vormals noch BFH, Urteil vom 15.3.1995 – I R 82/93 (= BFHE 177, 257); BFH, Urteil vom 9.11.1994 – I R 5/94 (= BFHE 176, 248 = BStBl. II 1995, 255); so auch Steinberg, Insolvenzrechtliche Einordnung, S. 50 f. Doppelinsolvenz („pragmatische Lösung“). 1214) Ausführlich unter Rn. 71 ff.; ebenso Dißars, in: Schwarz/Pahlke, § 251 AO Rn. 86. 1215) S. Nachweise unter Rn. 469 ff. 1216) Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 7. 1217) Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 28 f.

186

I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen

a) Fehlende Verpflichtungsbefugnis des Insolvenzverwalters Die Einordnung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis als Forderungen 503 gegen das insolvenzfreie Vermögen wird teilweise schon mit der Begründung abgelehnt, der Insolvenzverwalter sei nicht berechtigt, Forderungen gegen insolvenzfreies Vermögen zu begründen bzw. dieses Vermögen zu verpflichten.1218) Zutreffend an dieser Kritik ist zwar, dass § 80 InsO dem Insolvenzverwalter ledig- 504 lich eine Vewaltungs- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf die Masse gewährt.1219) Bei Steuerforderungen kann ein Verbot für den Insolvenzverwalter, über die Masse hinaus rechtsgeschäftliche Verpflichtungen einzugehen, aber nicht entscheidend sein, da Steuerforderungen kraft Gesetzes entstehen.1220) Eine Qualifikation als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen scheidet also nicht schon aufgrund einer fehlenden Verpflichtungsbefugnis des Verwalters aus.

b) Massebezug der Steuerforderungen Gegen die Einordnung als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen streitet aller- 505 dings, dass die Steuerforderung nach hier vertretener Auffassung durch die Massezugehörigkeit des Anteils einen Bezug zu der Insolvenzmasse des Gesellschafters hat, m. a. W. hat sie ihren Grund in der Masse des Verfahrens des Gesellschafters. Eine Einordnung als sonstige Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO erscheint daher möglich.1221) Liegt der Tatbestand einer Masseverbindlichkeit vor, kann eine Forderung aber nicht einfach dem insolvenzfreien Vermögen zugeordnet werden, weil eine Belastung der Masse im Einzelfall nicht vertretbar oder nicht erwünscht ist.1222) Teils wird vertreten, dass nachinsolvenzlich begründeten Einkommensteuerforde- 506 rungen gegen den insolventen Gesellschafter jedenfalls in solchen Fällen als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen zu qualifizieren seien, in denen die Insolvenzmasse des Gesellschafters nicht bereichert sei.1223) Eingeräumt wird indessen, dass diese Qualifikation unbefriedigend ist, da der Gesellschafter „aus dem persön___________ 1218) Der BFH hält mitunter auch aus diesem Grund die Einordnung als Masseverbindlichkeit für geboten (BFH, Beschluss vom 18.12.2014 – X B 89/14 (= BFH/NV 2015, 470); BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759)); z. B. auch Waza/ Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern (2007), Rn. 1233 (für die alleinige Gesellschafterinsolvenz). 1219) Dazu Rn. 166 f. 1220) Die Frage nach der Befugnis des Insolvenzverwalters ist daher nicht entscheidend. Fehrenbacher, in: Jaeger, InsO, Insolvenzsteuerrecht Rn. 7; Kahlert, DStR 2013, 1587, 1588; Onusseit, ZinsO 2014, 59, 65. 1221) Ausführlich vorstehend unter Rn. 482 ff. 1222) Näher Benne, BB 2001, 1977, 1980 f. 1223) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 31 und 35, der als Beispiel den nicht haftenden Kommanditisten nennt.

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6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen

lichen Vermögen eine Steuerforderung zu begleichen hat, deren sachlicher Grund in der Gesellschaftsmasse liegt“1224). Dies sei zwar insolvenzrechtlich nicht gerechtfertigt, für die Alternative – eine steuerfreie Gewinnrealisierung – gebe es aber steuerrechtlich keine Rechtsgrundlage.1225) Dieser Argumentation ist im Ergebnis nicht zu folgen. Die in Rede stehende Belastung des Privatvermögens des Gesellschafters ist in der Tat „insolvenzrechtlich nicht gerechtfertigt“, denn Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen weisen ihrer Natur nach gerade keinen Massebezug auf. Ein Massebezug liegt hier, wie eben ausgeführt,1226) aber vor. Die Belastung des Privatvermögens des Gesellschafters wäre im Übrigen auch steuerrechtlich nicht überzeugend, da mit dem steuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip nicht vereinbar.1227)

7.

Fazit – Einordnung als Masseverbindlichkeit

507 Nach vorstehenden Ausführungen ist die – auch in der Rechtsprechung des BFH vertretene1228) – Einordnung als sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) zu befürworten. Der notwendige Massebezug lässt sich mit der Massezugehörigkeit des Anteils an der Personengesellschaft begründen.

508 Gegen die Ergebnisse dieser Einordnung werden mit Blick auf insolvenz- oder steuerrechtliche Wertungen allerdings verschiedene Bedenken vorgebracht.

509 So resultiert aus dieser Rechtsprechung die Konsequenz, dass der Verwalter praktisch auf eine Freigabe des Anteils verwiesen ist, um dem Steuerrisiko sicher zu entgehen.1229) Insofern wird empfohlen, den Personengesellschaftsanteil zur Vermeidung von Steuerrisiken mindestens dann unverzüglich aus der Masse freizugeben, wenn aus ihm erkennbar keine Zuflüsse zu erwarten sind.1230) Tatsächlich ist diese in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen sind die drohenden Steuerbelastungen, anhand derer die Freigabeentscheidung zu treffen ist, unter Umständen kaum absehbar. Daher rührt die Kritik, der Insolvenzverwalter müsse vorsorglich sämtliche Massegegenstände freigeben, weil er steuerauslösende Maßnahmen gar nicht vorhersehen kann – dies würde „die Verwaltung der Masse ad absurdum führen“1231). ___________ 1224) Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 35 („Vermögensverschiebung von dem insolvenzfreien Vermögen zur Masse“). 1225) Sachwidrige Ergebnisse im Einzelfall seien ggf. durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) zu korrigieren (Frotscher/Schulze, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 96 Rn. 35 ff.). 1226) Dazu vorstehend unter Rn. 482 ff. 1227) Dies wurde oben bereits ausführlich dargelegt (5. Teil). 1228) S. Nachweise dazu unter Rn. 469 ff. 1229) So Kruth, SteuK 2016, 466, 466. 1230) Z. B. Petersen/Winkelhog, in: Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, Kap. 4 Rn. 113. 1231) Kahlert, FR 2014, 731, 742.

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I. Folgefrage der insolvenzrechtlichen Einordnung von Steuerforderungen

Zum anderen kann der Insolvenzverwalter an der Freigabe gehindert sein.1232) Allerdings handelt es sich bei beiden Aspekten letztlich um tatsächliche Gesichtspunkte, die an der rechtlichen Einordnung nichts zu ändern vermögen.1233) Es bleibt dem Insolvenzverwalter de lege lata nur, die Freigabemöglichkeit genau zu prüfen.1234) Des Weiteren wird an der Qualifikation als Masseverbindlichkeit kritisiert, dass die 510 Einkommensteuerschuld die Insolvenzmasse des Gesellschafters vollständig aufzuzehren droht, wenn kein Vermögenszufluss in diese Masse stattfindet (z. B. bei Gewinnen aus der Auflösung von Rückstellungen).1235) Selbst wenn die Masse des Gesellschafters mangels Liquiditätszufluss belastet wird, ist dies allerdings nur konsequent.1236) Mit der Aufgabe des Bereicherungsgedankens durch den BFH ist zu Recht geklärt, dass die Besteuerung von einem Vermögenszufluss in die Masse nicht abhängen kann.1237) Auch dieser Einwand vermag also im Ergebnis nicht durchzugreifen. Die Einordnung der Steuerforderung als Masseverbindlichkeit hält nach hier ver- 511 tretener Auffassung einer Ergebniskontrolle stand bzw. stimmt mit den zugrundeliegenden rechtlichen Wertungen überein. Es muss berücksichtigt werden, dass „der Kreis der Masseverbindlichkeiten […] nicht zu weit gezogen werden“ darf, um den insolvenzrechtlichen Zielen der Gleichbehandlung und Befriedigungschancen der Gläubiger zu genügen.1238) Mit der Insolvenzmasse soll den Gläubigern eine ganz bestimmte Vermögensmasse zugeordnet werden.1239) Zu den Masseverbindlichkeiten nach §§ 54 f. InsO gehören nur Forderungen, die „mit einer Handlung des Insolvenzverwalters in Zusammenhang stehen“1240). Die insolvenzrechtlichen Forderungskategorien dienen also vor allem dazu, die reibungslose Abwicklung des Verfahrens zu sichern und eine bestimmte Masse an die Gläubiger des Insolvenzschuldners (hier: Gesellschafter) zu verteilen.1241) Durch die Abgrenzung soll erreicht werden, dass sämtliche Forderungen, aber auch nur solche, an dem Verfahren teilnehmen,

___________ 1232) Ist der Gesellschafter selbst eine Personengesellschaft, ist zudem sehr umstritten, ob überhaupt ein insolvenzfreier Bereich (und damit eine Freigabemöglichkeit) existiert (s. hierzu die Nachweise in Fn. 410). 1233) Ähnlich BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 23/11 (= BFHE 241, 233 = BStBl. II 2013, 759). 1234) Dazu z. B. auch Paul, in: Graf-Schlicker, InsO, § 55 Rn. 25; s. a. BFH, Urteil vom 1.6.2016 – X R 26/14 (= BFHE 253, 518 = BStBl. II 2016, 848). 1235) Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht, Rn. 122. 1236) Schmittmann, EWiR 2015, 357, 358. 1237) Dazu Rn. 75 ff. 1238) Zutreffend näher dazu Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 3. 1239) Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, Rn. 134. 1240) Frotscher, Besteuerung, S. 136. 1241) Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 1 (i. B. a. Masseverbindlichkeiten).

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6. Teil – Insolvenzrechtliche Qualifikation der Steuerforderungen

die einen Bezug zu der zu verteilenden Vermögensmasse haben.1242) Ein solcher Zusammenhang wird sich hier im Ergebnis aufgrund der Massezugehörigkeit des Wirtschaftsguts bejahen lassen.

512 Die Einordnung von nachinsolvenzlich begründeten Steuerforderungen ist also im Ergebnis zwar nicht unproblematisch und kann mit praktischen Problemen einhergehen, erweist sich aber letztlich auch nach insolvenz- und steuerrechtlichen Wertungen als zutreffend.

II. Fazit zu der insolvenzrechtlichen Qualifikation der Steuerforderungen 513 Soweit eine Steuerforderung gegen den Gesellschafter besteht und dieser selbst insolvent ist, stellt sich die Folgefrage, wie sich diese Forderung in das insolvenzrechtliche System der Forderungskategorien einordnen lässt.

514 Eine aus Gesellschaftseinkünften resultierende Einkommensteuerforderung gegen den insolventen Gesellschafter einer Personengesellschaft lässt sich als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) qualifizieren, wenn sie vor Verfahrenseröffnung begründet ist.

515 Wenn sie erst nach Verfahrenseröffnung begründet ist, kann sie sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) sein. Eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO scheidet dagegen aus, da Steuerforderungen nicht durch eine „Handlung des Insolvenzverwalters“, sondern kraft Gesetzes mit Erfüllung des einschlägigen Steuertatbestandes entstehen.

516 Für die sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) lässt sich der tatbestandsmäßig notwendige Bezug zur der Insolvenzmasse des Gesellschafters zwar nicht ohne Weiteres begründen. Grund dafür ist die Unabgestimmtheit von Insolvenzrecht und Steuerrecht im Hinblick auf Personengesellschaften. Im Ergebnis kann die Forderung aber auf die Amtstätigkeit des Insolvenzverwalters im Verfahren des Gesellschafters zurückgeführt werden, weil der Gesellschaftsanteil als Teil der Insolvenzmasse der Verfügungsmacht des Verwalters unterliegt. Da der Verwalter den Anteil in der Insolvenzmasse hält bzw. sich gegen eine Freigabe entscheidet, weisen Einkünfte aus diesem Anteil einen hinreichenden Bezug zu der Insolvenzmasse des Gesellschafters auf. Aus diesem Grund scheidet auch eine Einordnung der Steuerforderung als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen aus.

517 Praktische Bedenken gegen die Ergebnisse dieser Einordnung vermögen im Ergebnis nicht durchzugreifen. Die Einordnung als sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) erweist sich nach insolvenz- und steuerrechtlichen Wertungen als zutreffend. ___________ 1242) Die sachliche Bindung besteht bei Insolvenzforderungen an die spätere Masse, bei Masseverbindlichkeiten infolge der Verwaltung und Verwertung durch Verwalter an die Masse, vgl. Frotscher, Besteuerung, S. 138.

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7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Schon außerhalb der Insolvenz charakterisierte Brigitte Knobbe-Keuk die steuer- 518 liche Behandlung von Gewinnen der Personengesellschaft treffend als eines der „verzwicktesten Kapitel des Rechts der Unternehmensbesteuerung“1243). Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft (und 519 ggf. zusätzlich über dasjenige ihrer Gesellschafter) eröffnet, kommt die Unabgestimmtheit von Insolvenzrecht und Steuerrecht hinzu, welche Rechtsprechung und Literatur sowie nicht zuletzt den Gesetzgeber immer wieder beschäftigt. Die Insolvenz der Personengesellschaft führt einkommensteuerrechtlich zu sehr komplexen Fragestellungen. Die rechtlichen Inhalte und Strukturen, die in dieser Problematik zusammentreffen, sind vielschichtig. Es sind Vorgaben und Wertungen aus Verfassungsrecht, Steuerrecht, Insolvenzrecht sowie Zivil- bzw. Gesellschaftsrecht zu berücksichtigen, die teilweise voneinander abweichen oder in einem unklaren Verhältnis zueinanderstehen. Die Diskrepanz zwischen der steuerrechtlichen Transparenz und der insolvenzrecht- 520 lichen Trennung der Vermögensmassen verursacht erhebliche Rechtsunsicherheiten. Besteuert man den Gesellschafter der insolventen Gesellschaft unverändert nach dem Transparenzprinzip (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), verbleiben die Einkünfte der insolventen Gesellschaft wirtschaftlich in der Insolvenzmasse der Gesellschaft, zugleich trägt der Gesellschafter die steuerlichen Folgen. Ob und inwieweit an der transparenten Besteuerung in der insolventen Personengesellschaft – insbesondere an der Einkünftezurechnung in OHG und KG, bei letzterer gerade in Bezug auf den typischerweise beschränkt haftenden Kommanditisten – festzuhalten ist, wurde in vorliegender Arbeit untersucht. 2. Die dargestellten Lösungsansätze konnten das Problem bislang keiner umfassen- 521 den und überzeugenden Lösung zuführen. Die insolvenzrechtliche Bereicherungslösung wurde zu Recht von der Rechtspre- 522 chung verworfen, ebenso wie von dem ganz überwiegenden Teil der Literatur. Denn eine Steuerschuldnerschaft der insolventen Personengesellschaft lässt nicht mit geltendem Recht vereinen. Selbst wenn die zivilrechtlich eigenständige Masse der Gesellschaft durch Gewinne bereichert oder durch Verluste geschmälert ist, kann sie de lege lata nicht Steuersubjekt für den Zugriff des Fiskus sein. Richtigerweise sehen alle anderen Lösungsmodelle konsequent den Gesellschafter als einzig möglichen Einkommensteuerschuldner an. Die Lösung nach steuerrechtlichen Grundsätzen erscheint auf den ersten Blick über- 523 zeugend, da sie richtigerweise ausdrücklich nach der Veränderung der Leistungs___________ 1243) Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 368.

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7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

fähigkeit des Gesellschafters fragt. Bei genauerer Untersuchung zeigt sich jedoch, dass die persönliche Haftung des Gesellschafters nicht der geeignete Indikator für diese steuerliche Leistungsfähigkeit ist. Die Haftung vermag keine Auskunft darüber zu geben, ob der Gesellschafter die Steuerlast zu tragen hat. Damit ist dem Lösungsmodell ein fehlerhafter Ansatz vorzuwerfen. Es führt dementsprechend, insbesondere im Hinblick auf den Kommanditisten, zu unstimmigen Ergebnissen.

524 Das Modell der sachlichen Sphärentrennung knüpft an die Kapitalkonten und letztendlich – wie schon das steuerrechtliche Modell – an die persönliche Haftung des Gesellschafters an, um Veränderungen in dessen Leistungsfähigkeit zu messen. Hierbei handelt es sich indes nicht um geeignete Kriterien für die Bemessung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft. Das Ergebnis dieser Lösung, es gebe keine Unstimmigkeiten bei der Besteuerung der insolventen Personengesellschaft, erweist sich dementsprechend im Einzelfall als unrichtig.

525 Den Vorzug verdient im Grundsatz der gesellschaftsrechtliche Lösungsansatz, der über das zivilrechtliche Ausgleichssystem eine Rechtfertigung für die steuerlichen Zurechnungsfolgen sucht. Dieser Ansatz erscheint am besten geeignet, die vorliegende Problematik einer systematischen und angemessenen Lösung zuzuführen. Es bestand allerdings nicht unerheblicher Klärungsbedarf hinsichtlich des Steuerentnahmerechts, gerade in der Insolvenz der Personengesellschaft. Angesichts der eindeutig gesetzlich angeordneten Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft war insbesondere zu untersuchen, inwieweit § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB in der Insolvenz ggf. analog Anwendung finden können. Wie sich die Insolvenz der Gesellschaft auf vertraglich vereinbarte und/oder gesetzliche Steuerentnahmerechte auswirkt, wurde bislang selten angesprochen und bedurfte daher der eingehenden Klärung. Auch die Folgefragen der Einordnung der Steuerforderung und des Steuerentnahmerechts in die insolvenzrechtlichen Forderungskategorien waren zu klären. Die alternative Idee eines Bereicherungsanspruchs gegen die Insolvenzmasse nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO wird bislang, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung nicht aufgegriffen. Auch darauf war zurückzukommen.

526 Der neue steuerrechtliche Ansatz, nach welchem die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten in der Insolvenz endet, besticht zunächst durch eine konsequente Lösung der in Rede stehenden Problematik nach geltendem Recht. Fraglich erscheint es allerdings, die Mitunternehmerstellung nur für den Kommanditisten und gerade aufgrund der Insolvenz zu verneinen. Wie noch genauer aufzuzeigen war, ist die der Lösung zugrundeliegende Beurteilung der Mitunternehmerstellung kein durch die Insolvenz der Personengesellschaft bedingtes Problem, sondern stellt sich ebenso in der werbenden Gesellschaft. Namentlich erweist sich das Merkmal Mitunternehmerinitiative im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als unzulänglich. Dies tritt in der Insolvenz lediglich besonders deutlich zu Tage.

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7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

Bei allen Unterschieden stimmen die aufgezeigten Lösungswege im Kern insoweit 527 überein, als eine einkommensteuerliche Be- oder Entlastung des Gesellschafters infolge positiver oder negativer Einkünfte der insolventen Personengesellschaft voraussetzt, dass er – in welcher Art auch immer – von dem Gewinn oder Verlust der Gesellschaft tatsächlich betroffen ist. So hebt die Bereicherungslösung auf eine Bereicherung bzw. Vermögensmehrung von Insolvenz- oder Vermögensmassen ab, das steuerrechtliche Lösungsmodell sieht den Gesellschafter durch eine Änderung seines Haftungsumfangs bereichert, die sachliche Sphärentrennung betont die Teilhabe des Gesellschafters an dem wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg der insolventen Gesellschaft und die gesellschaftsrechtliche Lösung will dasjenige Vermögen besteuern, das durch Gewinne vermehrt wird. Uneinigkeit besteht darüber, wie dieses Betroffensein des Gesellschafters durch Einkünfte der insolventen Gesellschaft zu determinieren ist. Letztlich galt es – die Lösungsansätze benennen es teils zutreffend – nichts anderes 528 als die Frage nach einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung in der Insolvenz der Personengesellschaft zu beantworten. Die Einordnung der Einkommensteuerforderung in das insolvenzrechtliche Forderungssystem stellte sich als Folgefrage. 3. Insolvenz- und Steuerrecht stehen nicht in einem generellen Rangverhältnis, son- 529 dern mit unterschiedlichem Regelungsgegenstand nebeneinander. In der Insolvenz der Personengesellschaft wirken sie nach dem Grundsystem zusammen, dass sich die (materielle) Entstehung und Höhe von Steuerforderungen nach dem Steuerrecht richtet und die (formelle) Durchsetzung von Steuerforderungen nach dem Insolvenzrecht. Mit diesem Grundsystem stimmt ein Festhalten an der materiell-rechtlichen Einkünftezurechnung in der insolventen Personengesellschaft zunächst überein. Für die konkrete Anwendung der Steuernorm (hier § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) in der Insolvenz kommt es sodann aber darauf an, wie die Insolvenzeröffnung sich auf Gesellschaft und Gesellschafter auswirkt und ob die konkreten Voraussetzungen des unveränderten steuerrechtlichen Tatbestandes der Einkünftezurechnung weiterhin vorliegen. Über die gesellschaftsrechtlichen Folgen der Insolvenzeröffnung über das Vermö- 530 gen einer Personengesellschaft besteht mangels geschlossener gesetzlicher Regelung eines Insolvenzrechts der Gesellschaften vielfach Uneinigkeit. Die Gesellschaft selbst wird mit Verfahrenseröffnung aufgelöst, bleibt aber bis zu ihrer Abwicklung (Vollbeendigung) als Liquidationsgesellschaft rechts- und insolvenzfähig. Die mitgliedschaftliche Stellung des Gesellschafters, jedenfalls soweit er nicht selbst insolvent ist, bleibt ebenso erhalten wie sein Eigentums- und Verfügungsrecht an der Beteiligung. Die Rolle des Insolvenzschuldners im Gesellschaftsverfahren kommt dabei nicht den Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft zu. Der Insolvenzverwalter erlangt mit Verfahrenseröffnung die Verwaltungs- und Ver- 531 fügungsbefugnis über die Insolvenzmasse. Das Gesellschaftsvermögen fällt in die

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7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

Masse, wird rechtlich von dem Vermögen der Gesellschafter getrennt und dem Verwalter zugeordnet. Der Insolvenzschuldner bleibt aber Eigentümer der Massegegenstände und materiell-rechtlich Schuldner von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten. Auch die Organverfassung der Gesellschaft bleibt dem Grunde nach erhalten, wenngleich die Kompetenzen der Gesellschafter zugunsten des Verwalters beschränkt sind.

532 Nicht nur Drittgläubiger, sondern auch Gesellschafter können je nach Art der Forderung gegen die Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen an dem Insolvenzverfahren der Personengesellschaft teilnehmen. Nicht geltend machen darf der Gesellschafter hierbei seine Mitgliedschaftsrechte und diesen gleichgestellte Forderungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung auf eine Rückgewähr der Einlage gerichtet sind. Zu einer Verfahrensteilnahme können ihn dagegen neben Drittforderungen auch „verselbständigte“ Sozialansprüche berechtigen, zu denen auch Regressforderungen aus § 110 HGB zählen.

533 Die Gesellschafter haften in der Gesellschaftsinsolvenz persönlich für bei Verfahrenseröffnung bereits begründete sog. Altverbindlichkeiten (insb. Insolvenzforderungen, § 38 InsO), aber nicht für die später begründeten sog. Neuverbindlichkeiten (insb. die aus Verwalterhandeln resultierenden Masseverbindlichkeiten, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Während des Verfahrens erfolgt die Geltendmachung allein durch den Verwalter (§ 93 InsO bzw. § 171 Abs. 2 HGB).

534 Die steuerrechtlichen Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft lassen zunächst die steuerliche Rechtsstellung der Beteiligten als Steuerschuldner, Steuerpflichtiger oder Gewerbetreibender (i. S. v. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) grundsätzlich unberührt. Einkommensteuerpflichtig ist weiterhin der einzelne Gesellschafter, nicht die Gesellschaft. Allerdings übernimmt der Insolvenzverwalter mit Verfahrenseröffnung die steuerlichen Rechte und Pflichten bezüglich der Insolvenzmasse. Zu dieser gehört das Gesamthandsvermögen, nicht aber das Sonderbetriebsvermögen. Die Finanzbehörde als Steuergläubiger hat sich in das insolvenzrechtliche Forderungssystem ebenso einzufügen wie andere Drittgläubiger; ein Fiskusprivileg besteht nicht.

535 Auf die Mitunternehmerschaft i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft im Ergebnis keinen Einfluss. Die Personengesellschaft mit Gesellschaftern besteht fort und vermag weiterhin gewerbliche Einkünfte zu erzielen. Problematisch ist indes, ob der Gesellschafter Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfaltet. Das Mitunternehmerrisiko lässt sich sowohl für den persönlich haftenden Gesellschafter als auch für den Kommanditisten in der Insolvenz der Gesellschaft bejahen. Zwar ist die Gewinnteilnahme praktisch sehr unwahrscheinlich, aber es besteht zumindest weiterhin die Möglichkeit einer Teilnahme an Gewinnen (z. B. bei einer Schlussverteilung) und Verlusten (z. B. durch Wertverlust des Anteils oder Haf-

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7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

tung) der Gesellschaft. Auch eine vollständige Entwertung des Anteils an der Gesellschaft bleibt möglich. Das Mitunternehmerrisiko ist also nicht besonders stark ausgeprägt, liegt aber noch vor. Hingegen darf die Mitunternehmerinitiative, also die Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, bei allen Gesellschaftern einer insolventen Personengesellschaft bezweifelt werden. Obgleich die mitgliedschaftliche Stellung fortbesteht, sind gesellschaftsrechtliche Entscheidungsspielräume und Handlungsmöglichkeiten aller Gesellschafter angesichts der Führung durch den Insolvenzverwalter deutlich eingeschränkt. Eine nennenswerte Mitunternehmerinitiative ist kaum noch auszumachen. Eine Kompensation der geschwächten Mitunternehmerinitiative durch ein erhöhtes Mitunternehmerrisiko wäre zwar grundsätzlich möglich, wenn man die Mitunternehmerschaft als Typusbegriff einstuft. Sie scheidet hier jedoch aus, da in der gebotenen Gesamtschau der Umstände auch das Mitunternehmerrisiko nicht hinreichend erhöht ist, um die unzulängliche Mitunternehmerinitiative zu kompensieren. Hier erweist sich letztlich das Kriterium der Mitunternehmerinitiative als unzuläng- 536 lich – schon außerhalb der Insolvenz ist es mit erheblichen Schwächen behaftet. Insbesondere in Bezug auf Kommanditisten vermag die Anwendung dieses Merkmals nicht zu überzeugen. Zu Recht wird daher gefordert, primär auf das Merkmal des Mitunternehmerrisikos abzustellen oder auf dasjenige der Mitunternehmerinitiative gänzlich zu verzichten. Dies überzeugt. Die Problematik des Mitunternehmerbegriffs resultiert nicht spezifisch aus der Insolvenzsituation. Sie tritt in dieser nur durch die Einschränkung der Rechtsstellung der Gesellschafter um so deutlicher zutage. Stuft man also die Mitunternehmerinitiative als ungeeignetes und nicht entscheidendes Kriterium ein, entfällt weder für den persönlich haftenden Gesellschafter noch für den Kommanditisten die Mitunternehmerstellung gerade aufgrund der Insolvenz der Personengesellschaft. Steuerrechtliche Besonderheiten für Kommanditisten können sich zum einen bei 537 der Verlustzurechnung ergeben, wenn – was nur ausnahmsweise der Fall sein wird – anstelle der grundsätzlichen Verlustzurechnung trotz Entstehens oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos eine vorzeitige Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos angezeigt ist. Dann findet eine Zurechnung nicht mehr statt. Zum anderen führt die Verlustnutzungsbeschränkung des § 15a EStG dazu, dass der Kommanditist, der bereits über verrechenbare Verluste verfügt, diese zunächst mit dem Gewinn der insolventen Personengesellschaft kompensiert – eine Steuerbelastung fällt dann nicht an. Die hier untersuchte Problematik stellt sich für den Kommanditisten also nur, wenn weder ein Wegfall des negativen Kapitalkontos erfolgt (nach § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG oder den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen) noch ein Fall des § 15a EStG vorliegt. Insgesamt führt damit das Zusammenwirken von Insolvenz- und Steuerrecht mit Er- 538 öffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft zu etlichen insbesondere gesellschaftsrechtlichen, aber auch steuerrechtlichen Verän195

7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

derungen im Vergleich zu der werbenden Gesellschaft. Nach einfachem Recht – namentlich der Insolvenzordnung – ist jedoch im Grundsatz keine Abweichung von der Einkünftezurechnung nach dem Transparenzprinzip (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu den Gesellschaftern geboten.

539 4. Untersucht wurde in dem nachfolgenden Teil der Arbeit das Problem, inwieweit der Gesellschafter die Steuerbelastung durch ihm zugerechnete Gesellschaftseinkünfte auch im Innenverhältnis zu tragen hat. Die Frage nach einfachgesetzlichen zivilrechtlichen Regressansprüchen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft zur Kompensation der Steuerbelastung (4. Teil) ist eng verknüpft mit der Frage nach der verfassungsrechtlich gebotenen Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der Besteuerung (5. Teil).

540 In der werbenden Gesellschaft ist dem Personengesellschafter unabhängig von einer vertraglichen Regelung ein gesetzliches Steuerentnahmerecht zuzuerkennen. Dieses lässt sich entgegen der wohl herrschenden Auffassung überzeugend aus handelsrechtlichen Aufwendungsersatzvorschriften (analog § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB) herleiten. Denn mit der Einkommensteuerzahlung leistet der Gesellschafter eine Aufwendung, die zwar nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG seine eigene Angelegenheit, materiell und wertungsmäßig aber eine solche der Gesellschaft ist. Die Aufwendungsersatzvorschriften sind auf diesen Fall analog anwendbar.

541 Rechtsprechung und Literatur zu dem Schicksal des gesetzlichen Entnahmerechts in der Insolvenz der Personengesellschaft findet sich naturgemäß kaum, da es zu Unrecht überwiegend bereits außerhalb der Insolvenz abgelehnt wird. Die wohl überwiegende Ansicht lehnt mit der Rechtsprechung des BGH Steuerentnahmerechte in der Insolvenz generell ab. In der – aufgrund der Erhebungsart unter umgekehrten Vorzeichen geführten – Diskussion um abgeführte Kapitalertragsteuern bejaht sie entsprechend eine Erstattungspflicht des Personengesellschafters. Im Ergebnis liegen aber auch in der Insolvenz alle Voraussetzungen für das Steuerentnahmerecht analog § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB weiterhin vor. Zwar fallen Einkünfte der insolventen Gesellschaft, die der allein verwaltungs- und verfügungsbefugte Insolvenzverwalter erwirtschaftet, in die Masse. So wie die Einkünfte der werbenden Personengesellschaft ihr nicht als Bruttobeträge zustehen, stehen aber auch die Einkünfte der insolventen Gesellschaft der Insolvenzmasse nicht steuerfrei zu. Denn die Einkommensteuer muss stets dasjenige Vermögen belasten, das von der zugrundeliegenden Vermögensmehrung profitiert. Daher sind Steuern auf Gesellschaftseinkünfte nicht etwa aus dem Privatvermögen des Gesellschafters zu zahlen. Ihm steht vielmehr auch in der Insolvenz das Steuerentnahmerecht zu. Selbst wenn der Gesellschafter aufgrund der Insolvenzordnung nicht ohne Weiteres auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen darf, kann er mit bestimmten Forderungen (einschließlich Regressforderungen) an dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft selbst als Gläubiger teilnehmen. Eine Beeinträchtigung vorrangiger Gläubigerinteressen droht durch das Steuerentnahmerecht in der Insolvenz nicht – im Gegenteil, die Gläubiger der 196

7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

Gesellschaft würden bevorteilt, dürften sie die Bruttogewinne erhalten. Spiegelbildlich würden die Gesellschafter ohne das Steuerentnahmerecht in der Insolvenz unangemessen benachteiligt, denn sie wären faktisch zu nicht vorgesehenen Nachschüssen verpflichtet. Die vorstehenden Erwägungen gelten indes nicht für das vertragliche Entnahmerecht. 542 Dieses kann in der Insolvenz der Gesellschaft keinen Bestand haben, sonst könnte der Gesellschafter u. U. mehr beanspruchen als für seine Steuerzahlung nötig, wenn das vertragliche über das gesetzliche Recht hinausgeht, und dies würde der conditio par creditorum widersprechen. Der Gesellschafter ist insofern auf das gesetzliche Recht verwiesen und beschränkt. Das gesetzliche Steuerentnahmerecht ist allerdings in der Insolvenz nicht mehr oh- 543 ne Weiteres durchsetzbar. Nach den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien kann es Insolvenzforderung (§ 38 InsO) oder sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) sein – je nach Zeitpunkt des insolvenzrechtlichen Begründetseins. Hierfür lässt sich auf den Zeitpunkt des Begründetseins der zugrundeliegenden Einkommensteuerforderung abstellen. Ist die Steuerforderung begründet, sind auch die Grundlagen für den Ausgleichsanspruch gelegt. Diese Einordnung des Steuerentnahmerechts als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit kommt einer Direktbesteuerung der Gesellschaft zumindest nahe. Eine Durchsetzung im Wege der Aufrechnung gegen von dem Insolvenzverwalter geltend gemachte Ansprüche aus persönlicher Haftung (§ 93 InsO i. V. m. § 128 HGB bzw. § 171 Abs. 2 HGB) scheitert grundsätzlich an der fehlenden Gegenseitigkeit. Denn das Steuerentnahmerecht ist ein Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft und die Haftungsansprüche sind Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen den Gesellschafter. Für den Kommanditisten kann sich ausnahmsweise ein abweichendes Ergebnis ergeben, da er sich auch in der Gesellschaftsinsolvenz durch Einlageleistung von der Haftung befreien können soll. Im Ergebnis ist der Gesellschafter also, soweit das Steuerentnahmerecht als Insolvenzforderung einzuordnen ist, auf die Anmeldung zur Tabelle verwiesen und erhält regelmäßig nur eine geringe Quote – das Insolvenzrisiko der Gesellschaft verlagert sich insofern auf ihn. Dass das gesetzliche Steuerentnahmerecht insolvenzfest fortbesteht, aber mögli- 544 cherweise nur eingeschränkt durchsetzbar ist, stimmt im Übrigen mit dem allgemeinen Grundsatz überein, wonach sich in der Insolvenz die Entstehung von Forderungen nach dem jeweiligen Rechtsgebiet, ihre Durchsetzbarkeit aber nach der Insolvenzordnung richtet. Einen Ausgleich in Form des Massebereicherungsanspruchs nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 545 InsO kann der Gesellschaft für (eingeschränkte gesetzliche oder entfallene vertragliche) Steuerentnahmerechte in der Insolvenz nicht verlangen. Die Norm enthält zwar die Wertung, Bereicherungen der Masse nach Verfahrenseröffnung zu verhindern, da diese haftungsrechtlich nicht den Gläubigern zugewiesen sind – hier

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7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

insofern passend, als die Gesellschaft ggf. von steuerfrei gemehrten Gewinnen profitieren würde. Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Bezüglich des hier problematischen vorinsolvenzlichen (gesetzlichen) Steuerentnahmerechts fehlt schon die Bereicherung. Die Masse ist insbesondere von der Verbindlichkeit nicht befreit; nur die Durchsetzbarkeit ist beschränkt. Das vertragliche Steuerentnahmerecht mag zwar entfallen, jedoch angesichts der Insolvenzordnung nicht ohne Rechtsgrund.

546 5. Die Besteuerung des Gesellschafters der insolventen Personengesellschaft nach dem Transparenzprinzip ist an verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen. Maßstab ist das auf Art. 3 GG basierende Leistungsfähigkeitsprinzip, wonach sich die individuelle Steuerbelastung an der Fähigkeit zu bemessen hat, Steuern zahlen zu können. Der Gesetzgeber verfügt bei der Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips über einen sehr weitreichenden Gestaltungsspielraum. Eine sog. absolute Grenze dieser Freiheit besteht aber darin, dass nur Sachverhalte besteuert werden dürfen, die Ausdruck entsprechender Leistungsfähigkeit sind. Eine Überschreitung dieser Grenze bedarf der Rechtfertigung. Dieser verfassungsrechtlich vorgegebene Maßstab des Leistungsfähigkeitsprinzips gilt auch im Unternehmenssteuerrecht für die Einkünfte insolventer Personengesellschaften.

547 Die Anwendung des Transparenzprinzips (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) konfligiert mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, soweit die Gewinne oder Verluste der Personengesellschaft nicht (auch) die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters steigern oder verringern. Die Einkünfte der Personengesellschaft vermitteln dem Gesellschafter eigene Leistungsfähigkeit, wenn sie für ihn disponibel i. S. d. Leistungsfähigkeitsprinzips sind. Dies ist der Fall, wenn er über seinen Gewinnanteil frei verfügen und diesen entnehmen kann – nicht ausreichend ist einerseits die rechtliche Zuordnung des Gewinnanteils, trotz derer Verfügungsbeschränkungen bestehen können (z. B. bei Thesaurierung); nicht notwendig ist andererseits ein tatsächlicher Vollzug der Entnahme. Die persönliche Haftung ist indes kein geeigneter Indikator für die Leistungsfähigkeit, da sie lediglich das Risiko bzw. die Möglichkeit einer Inanspruchnahme begründet (sog. negative Soll-Leistungsfähigkeit), solange sie nicht realisiert ist. Die Veränderung des Anteilswerts indiziert ebenfalls keine Leistungsfähigkeit des Gesellschafters, solange sie nicht durch eine Disposition (z. B. Anteilsverkauf) realisiert wird. Daraus ergibt sich, dass Gewinne der insolventen Personengesellschaft für den Gesellschafter nicht disponibel i. S. d. Leistungsfähigkeitsprinzips sind, denn sie fließen in die Insolvenzmasse und sind für ihn nicht entnahmefähig. Etwas anderes gilt allenfalls, wenn ganz ausnahmsweise Gewinnanteile bei der Schlussverteilung an den Gesellschafter ausgekehrt werden. In aller Regel steigern Gewinne der insolventen Gesellschaft die eigene Leistungsfähigkeit des Gesellschafters also nicht. Ihre Besteuerung überschreitet damit die sog. absolute Grenze des Leistungsfähigkeitsprinzips.

548 Die Besteuerung des Gesellschafters nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann dennoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. So kann der bereits außerhalb der In198

7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

solvenz punktuell bestehende Konflikt der transparenten Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (v. a. im Falle der Besteuerung von thesaurierten Gewinne) gerechtfertigt sein, soweit dem Gesellschafter ein ohne Weiteres durchsetzbarer Anspruch auf Steuerentnahme gegen die Gesellschaft zusteht (§ 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB analog). Denn dieses Steuerentnahmerecht gewährt dem Gesellschafter die Dispositionsbefugnis über den zur Steuerzahlung erforderlichen Betrag, vermittelt ihm also insofern Leistungsfähigkeit. Wirtschaftlich ist nicht mehr das Privatvermögen des Gesellschafters mit der Steuer belastet. Insofern ist die Besteuerung des Gesellschafters im Ergebnis leistungsfähigkeitsgerecht. In der Insolvenz der Gesellschaft greift diese Rechtfertigungswirkung des zivilrechtlichen Ausgleichs allerdings nur noch beschränkt ein. So vermag das Steuerentnahmerecht Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu rechtfertigen, soweit es nur als Insolvenzforderung durchgesetzt werden kann. Soweit keine Rechtfertigung vorliegt, besteht in den verbleibenden Fällen Bedarf 549 für eine Anwendung der Billigkeitsregelungen der Abgabenordnung (§§ 163, 227 AO). Die Voraussetzungen der sachlichen Unbilligkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen lassen sich hier bejahen. Das Zusammenwirken der materiell-rechtlichen Einkommensteuerregelungen und der verfahrensrechtlichen Normen der Insolvenzordnung führt hier zu einer Steuerschuld des Personengesellschafters, obgleich die zugrundeliegenden Gewinne der Personengesellschaft für ihn nicht mit einem Zuwachs an Leistungsfähigkeit verbunden sind. 6. Soweit eine Steuerforderung gegen den Gesellschafter besteht und dieser selbst 550 insolvent ist, stellt sich die Folgefrage, wie sich diese Forderung in das insolvenzrechtliche System der Forderungskategorien einordnen lässt. Eine aus Gesellschaftseinkünften resultierende Einkommensteuerforderung gegen 551 den insolventen Gesellschafter einer Personengesellschaft lässt sich als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) qualifizieren, wenn sie vor Verfahrenseröffnung begründet ist. Wenn sie erst nach Verfahrenseröffnung begründet ist, kann sie sonstige Masse- 552 verbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) sein. Eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO scheidet dagegen aus, da Steuerforderungen nicht durch eine „Handlung des Insolvenzverwalters“, sondern kraft Gesetzes mit Erfüllung des einschlägigen Steuertatbestandes entstehen. Für die sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) lässt sich der 553 tatbestandsmäßig notwendige Bezug zur der Insolvenzmasse des Gesellschafters zwar nicht ohne Weiteres begründen. Grund dafür ist die Unabgestimmtheit von Insolvenzrecht und Steuerrecht im Hinblick auf Personengesellschaften. Im Ergebnis kann die Forderung aber auf die Amtstätigkeit des Insolvenzverwalters im Verfahren des Gesellschafters zurückgeführt werden, weil der Gesellschaftsanteil als Teil der Insolvenzmasse der Verfügungsmacht des Verwalters unterliegt. Da der Verwalter 199

7. Teil – Zusammenfassung der Ergebnisse

den Anteil in der Insolvenzmasse hält bzw. sich gegen eine Freigabe entscheidet, weisen Einkünfte aus diesem Anteil einen hinreichenden Bezug zu der Insolvenzmasse des Gesellschafters auf. Aus diesem Grund scheidet auch eine Einordnung der Steuerforderung als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen aus.

554 Praktische Bedenken gegen die Ergebnisse dieser Einordnung vermögen im Ergebnis nicht durchzugreifen. Die Einordnung als sonstige Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) erweist sich nach insolvenz- und steuerrechtlichen Wertungen als zutreffend.

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Stichwortverzeichnis

Altverbindlichkeiten 193, 201, 204, 230 Anteilswert 228, 320, 409 ff. Aufrechnung 327 ff. Ausgleichsanspruch gegen Mitgesellschafter 108, 246, 425 Aufwendungsersatzanspruch 6 f., 116 ff., 187 ff., 283 ff., 287 ff., 306 ff., 422 ff. Billigkeitsregelungen (Abgabenordnung) 86, 96, 114, 118, 124, 129, 440 ff.

Disponibilität von Einkünften 391 ff. Doppelinsolvenz 28, 43, 46, 69, 81, 88, 111 f., 159, 165 f., 205, 466, 486, 493 ff. Dualismus der Unternehmensbesteuerung 15 ff., 379 ff., 420

Liquidation 157, 160, 253

Massebereicherungsanspruch 342 ff. Masseverbindlichkeiten s. Forderungskategorien Mitunternehmerinitiative 126 ff., 232 ff., 238 ff. Mitunternehmerschaft 17, 19, 126 ff., 219 ff. Mitunternehmerrisiko 126 ff., 227 ff., 238 ff. Nachschusspflicht

11 f., 282, 284, 296, 311 Nachversteuerung negativer Kapitalkonten 249 ff., 455 Neuverbindlichkeiten 194 ff., 230

Fiskusprivileg 144, 217, 465 Forderungskategorien 45 f., 62, 175, 179 ff., 216 f., 322 ff., 464 ff.

Par conditio creditorum

Gesamthandsprinzip 4 f., 177 Gleichmäßige Gläubigerbefriedigung 143, 311, 318 f., 347 Gleichstellungsthese 419

Rechtsformneutralität

Haftung der Gesellschafter

6 f., 80 ff., 114, 191 ff, 229 f, 404 ff., 431 ff.

Insolvenzforderungen

s. Forderungskategorien Insolvenzfreies Vermögen 29 ff., 171, 176 s. a. Forderungskategorien Insolvenzverwalter 2, 29 ff., 166 ff., 203 ff.; 211 f., 259, 308 ff., 327 ff., 464 ff.

Kapitalanteile, -konten

8 ff., 103 ff., 186, 246 ff., 269, 310, 395, 455 Kapitalertragsteuer 54, 122, 299 f., 304 ff., 320 Kommanditist (Besonderheiten) 7, 10, 13 f., 39 f., 85 f., 107 ff., 126 ff., 200 ff., 227 ff., 245 ff., 330 ff.

Leistungsfähigkeitsprinzip

80 ff., 99 ff., 121, 144, 273 ff., 320 f., 364 ff., 467

s. Gleichmäßige

Gläubigerbefriedigung s. Dualismus der Unternehmensbesteuerung

Selbstorganschaft 5, 173 Separationstheorie 33, 73, 79, 209 , 212, 483 Simultaninsolvenz s. Doppelinsolvenz Sonderbetriebsvermögen 20, 213 ff. Sonderinsolvenz, -konkurs 162 f. Steuerentnahmerecht 116 ff., 276 ff., 343, 346 ff., 421 ff., 448 Steuerschuldnerschaft in der Insolvenz 63 ff., 123, 132, 207 ff., 292, 307, 325 Transparenzprinzip

1 f., 15 ff., 40, 60, 72, 145, 270, 418 f., 435, 460 f.

Verbandsautonomie, -souveränität

172, 316 ff. Verlustberücksichtigung 11 f., 88, 104 ff., 227 ff., 246 ff., 255 ff., 392 ff., 405 f., 426 ff., 455

Wettbewerbsneutralität

284, 292,

420

225