Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft: Die Einflußnahme von Nichtgesellschaftern und Kommanditisten auf die Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften [1 ed.] 9783428470303, 9783428070305

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Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft: Die Einflußnahme von Nichtgesellschaftern und Kommanditisten auf die Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften [1 ed.]
 9783428470303, 9783428070305

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MATTHIAS WERRA

Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft

Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von

Heinz Grossekettler, Münster· Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, Bern . Christian Kirchner, Hannover Dieter Rückle, Wien' Reinhard H. Schmidt, Trier

Band 7

Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft Die Einflußnahme von Nichtgesellschaftern und Kommanditisten auf die Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften

Von

Dr. Matthias Werra

Duncker & Humblot . Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Werra, Matthias:

Zum Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft: die Einflußnahme von Nichtgesellschaftern und Kommanditisten auf die Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften / von Matthias Werra. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts; Bd. 7) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07030-5 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-07030-5

Für Monika

Vorwort Die Arbeit hat als Dissertation der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfalischen Wilhelms-Universität zu Münster im Wintersemester 1989/90 vorgelegen. Sie befaßt sich mit der Bedeutung der Selbstorganschaft als einem grundlegenden, dogmatischen Prinzip im Personengesellschaftsrecht angesichts eines zunehmenden wirtschaftlichen Interesses am Fremdeinfluß auf Personengesellschaften. Dabei zeigt sich, daß trotz weitgehender Wandlung der Auffassungen im Personengesellschaftsrecht seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs 1861 auch heute noch Grenzen der Gestaltungsfreiheit zu beachten sind. Bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Bernhard Großfeld, bedanke ich mich für die Anregung des Themas und zahlreiche weiterführende Gespräche. Mein Dank gilt darüber hinaus besonders Herrn Prof. Wolfgang Ritter und Herrn Alfred Weber für ihre verständnisvolle Förderung der Arbeit. Matthias Werra

Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt

Einleitung

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2. Abschnitt

Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft Die Entwicklung der Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften in Gesetz, Rechtsprechung und Literatur von 1861 bis 1945 A. Überblick ......................................................................... B. Entwicklung unter der Geltung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861 .................................................................. I. Das ADHGB von 1861 .................................................... 1. Bedeutung für die Auslegung des HGB ............................... 2. Die Regelungen des ADHGB .......................................... a) Offene Handelsgesellschaft ......................................... aa) Vertretung......................................... .............. bb) Geschäftsführung ............................................... cc) Liquidation ...................................................... b) Kommanditgesellschaft .............................................. 11. Rechtsprechung und Literatur von 1861 - 1900 .......................... 1. Organschaftliche Vertretung ............................................ a) Unzulässigkeit des Ausschlusses aller Gesellschafter - Beschluß des Handelsgerichts Köln 1862 ..................................... b) Zulässigkeit des Ausschlusses aller Gesellschafter - Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur ............... c) Unzulässigkeit der Übertragung auf einen Nichtgesellschafter oder Kommanditisten ..................................................... 2. Geschäftsführung ........................................................ a) Ausschluß aller,Gesellschafter ...................................... b) Geschäftsführungsbefugnisse von Nichtgesellschaftem ........... c) Geschäftsführungsbefugnisse von Kommanditisten ............... 3. Nichtgesellschafter als gerichtlich bestellter Notgeschäftsführer ..... a) Auflösungsprozeß ................................................... b) Entziehungsprozeß ................................. .................. C. Entwicklung unter der Geltung des Handelsgesetzbuchs und des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900 ...........................................................

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Inhaltsverzeichnis 1. Änderungen der Rechtslage durch das BGB und das HGB .............. 1. BGB-Gesellschaft ....................................................... 2. Personenhandelsgesellschaften ......................................... a) Gesamtvertretung durch Gesellschafter und Prokuristen .......... b) Geschäftsführung und Vertretung durch Kommanditisten ........ c) Entziehungsklage .................................................... d) Liquidation ........................................................... 3. Rechtsgeschäftliche Vollmacht......................................... a) Widerruflichkeit einer zivilrechtlichen Vollmacht................. b) Widerruflichkeit von Handlungsvollmacht und Prokura .......... II. Rechtsprechung und Literatur von 1900 bis 1945 ........................ 1. Organschaftliche Vertretung bei Personenhandelsgesellschaften ..... a) Ausschluß aller persönlich haftenden Gesellschafter .............. b) Übertragung auf Nichtgesellschafter oder Kommanditisten....... aa) Gesamtvertretung durch Gesellschafter und Prokuristen ..... bb) Organschaftliche Vertretung durch Kommanditisten ......... cc) Organschaftliche Vertretung durch Nichtgesellschafter (Selbstorganschaft - Drittorganschaft) .............................. 2. Geschäftsführung bei den Personengesellschaften .................... a) Geschäftsführungsbefugnisse von Nichtgesellschaftem ........... aa) Unübertragbarkeit der gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführung (Selbstorganschaft - Drittorganschaft) ................. bb) Übertragbare Geschäftsführungsrechte ........................ b) Geschäftsführungsbefugnisse von Kommanditisten . . . . . . . . . . . . . . . 3. GmbH & Co. KG ....................................................... 4. Der Zusammenhang zwischen Herrschaft und Haftung ..............

34 34 35 35 36 36 37 37 37 37 39 39 39 41 41 42 43 46 46 46 48 51 54 55

3. Abschnitt Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs A. Personenhandelsgesellschaften .................................................. 1. Vertretung ................................................................... 1. Gesamtvertretung durch Gesellschafter und Prokuristen .............. 2. Organschaftliche Vertretung durch Kommanditisten.................. 3. Nichtgesellschafter mit Generalvollmacht ............................. 4. Nichtgesellschafter als gerichtlich bestellter Notgeschäftsführer ..... 11. Geschäftsführung ........................................................... 1. Nichtgesellschafter ...................................................... a) Übertragung der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis .. b) Weisungsfreie, nicht jederzeit widerrufliche Fremdgeschäftsführung (Betriebsführungsvertrag "Holiday Inn") ................. c) Geschäftsführungsbefugnisse von mittelbar Beteiligten (Stille Gesellschafter und Treugeber) ...................................... d) Widerspruchsrecht und Stimmrecht für Nichtgesellschafter ......

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Inhaltsverzeichnis 2. Geschäftsführungsbefugnis von Kommanditisten ..................... a) Organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis ...................... b) Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis des einzigen Komplementärs ............................................................ c) Die Haftung des herrschenden Kommanditisten (Rektorfall) ..... B. BGB-Gesellschaft ................................................................ I. Übertragung der Geschäftsführung auf einen Nichtgesellschafter in einer Publikumsgesellschaft ...................................................... 11. Kündigung des Geschäftsführers einer Publikumsgesellschaft aus wichtigem Grund ......................................................... .......

4. Abschnitt Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur nach 1945 A. Überblick ......................................................................... B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal ................................ I. Gestaltungsfreiheit bei der organschaftlichen Vertretung ................ II. Bedürfnis für eine Abbedingung der Selbstorganschaft .................. III. Gesetzeslage ................................................................ IV. Organschaftliehe Vertretung durch Kommanditisten ..................... 1. Gesellschafterschutz ..................................................... 2. Verkehrsschutz .......................................................... V. Organschaftliche Geschäftsführung und Vertretung durch Nichtgesellschafter ...................................................................... 1. Abspaltungsverbot ....................................................... 2. Anerkannte Fälle einer Drittorganschaft ............................... a) Juristische Personen als Geschäftsführungsorgan .................. b) Drittorganschaft für die Dauer eines Prozesses.................... 3. Gesellschafterschutz ..................................................... a) Grundsatz der Privatautonomie ..................................... b) Pflichten eines Drittorgans .......................................... c) Kompetenzen eines Drittorgans ..................................... d) Weisungsgebundenheit und Widerruflichkeit ...................... aa) Abhängiges Drittorgan ......................................... bb) Unabhängiges Drittorgan ....................................... 4. Verkehrsschutz .......................................................... c. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip ...................................... I. Organschaftliehe Geschäftsführung und Vertretung durch Nichtgesellschafter ...................................................................... 1. Unzulässigkeit der Übertragung organschaftlicher Vertretung ....... a) Verkehrsschutz ....................................................... b) Gesellschafterschutz ................................................. 2. Unzulässigkeit der Übertragung organschaftlicher Geschäftsführung .. a) Bedeutung des Prinzips der Selbstorganschaft für die Geschäftsführung .... ......... .................... ...................... .... ....

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Inhaltsverzeichnis

b) Auswirkung bei einzelnen Fallgestaltungen ........................ aa) Betriebsführungsvertrag "Holiday Inn" ....................... bb) Stiller Gesellschafter als Geschäftsführer ..................... cc) Nichtgesellschafter in einem Beirat mit Geschäftsführungsaufgaben ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft ...... ... a) Liquidation........................................................... b) Drittorganschaft für die Dauer eines Prozesses .................... c) Juristische Person als Geschäftsführer ............................. 11. Organschaftliche Geschäftsführung und Vertretung durch Kommanditisten ......................................................................... 1. Unzulässigkeit der Übertragung organschaftlicher Vertretung ....... a) Verkehrsschutz ....................................................... b) Gesellschafterschutz ................................................. 2. Grenzen für die organschaftliche Geschäftsführung .................. 3. Ausnahmefälle...................... ......... ........... .... ............. ID. Rechtsfolgen ................................................................ 1. Nichtigkeit............................................................... 2. Haftung .................................................................. D. Die Diskussion um die Selbstorganschaft bei der BGB-Gesellschaft .........

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5. Abschnitt Folgerungen aus der Diskussion um die Selbstorganschaft A. Grundaussage des Prinzips der Selbstorganschaft ............................. B. Bedeutung des Prinzips der Selbstorganschaft für die Ausgestaltung der organschaftlichen Vertretung bei den Personenhandelsgesellschaften .............. C. Sonstige Bedeutung des Prinzips der Selbstorganschaft für die Organisation der Geschäftsführung von Personengesellschaften ............................. I. Allgemeines zum Stand der Diskussion ................................... 11. Einzelne Fallgestaltungen .................................................. I. Geschäftsführungsrechte von unbeteiligten Nichtgesellschaftern ..... a) Betriebsführungsvertrag "Holiday Inn" ............................ b) Fremdverwalter in der Publikums-BGB-Gesellschaft ............. 2. Geschäftsführungsrechte von Kommanditisten und stillen Gesellschaftern ................................................................. a) Kommanditisten ................ ........... ........... ... ... ......... b) Stille Gesellschafter ................................................. 3. Beirat mit Geschäftsführungsaufgaben ........................... ...... D. Geschäftsführungsregelung der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung .......................................................................

III III III 116 116 117 117 117 121 123 123 126 128 130

6. Abschnitt Schluß

132

Literaturverzeichnis

133

Gesetzesmaterialien

141

Abkürzungsverzeichnis a. A. a.a.O. AcP ADHGB AktG Anm. Arch.Bürg.R Art. Aufl. BayObLG bearb. begr. BGB Busch's Archiv DB Diss. DJZ DR DStR ff. Fn. FS GenG GK GmbH GmbHG GmbHR HGB HoldheimsZ HRR JFG JW JZ KG KGaA

= anderer Auffassung = am angegebenen Ort = Archiv für civilistische Praxis = Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch = Aktiengesetz = Anmerkung = Archiv für Bürgerliches Recht = Artikel = Auflage = Bayerisches Oberstes Landesgericht = bearbeitet = begründet = Bürgerliches Gesetzbuch = Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handelsrechts herausgegeben von Busch = Der Betrieb = Dissertation = Deutsche Juristen Zeitung = Das Recht = Deutsches Steuerrecht = folgende = Fußnote = Festschrift = Genossenschaftsgesetz = Großkommentar = Gesellschaft mit beschränkter Haftung = Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung = GmbH-Rundschau = Handelsgesetzbuch = Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen begründet von Holdheim = Höchstrichterliche Rechtprechung = Jahrbuch der Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts = Juristische Wochenschrift = Juristenzeitung = Kommanditgesellschaft oder Kammergericht = Kommanditgesellschaft auf Aktien

14 KGJ LeipZ LM MK m.w.N. OHG OLGR Rd.-Zf. RGRK RGZ RJA ROHG

S.

Seuff.Arch. s.o. s.u. vg!. WamRspr WM Wpg ZAKDR ZGR ZHR Ziff. ZIP zug!.

Abkürzungsverzeichnis Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts = Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht Lindenmaier-Möhring Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Offene Handelsgesellschaft Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Randziffer Reichsgerichtsräte Kommentar Reichsgerichtsentscheidungen in Zivilsachen Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichsjustizamt Reichsoberhandelsgericht Seite Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten siehe oben siehe unten vergleiche = Warneyers Rechtsprechung = Wertpapier-Mitteilungen = Die Wirtschaftsprüfung = Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht = Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht = Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht = Ziffer = Zeitschrift für Wirtschaftsrecht bis 1982: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis = zugleich

1. Abschnitt

Einleitung Das Prinzip der Selbstorganschaft gehört zu den" Wesenselementen" der Personengesellschaft I. Die Geschäftsführung und Vertretung steht nach der gesetzlichen Regelung den Gesellschaftern zu (§§ 709, 714 BGB; §§ 109, 125 HGB). Bei der Kommanditgesellschaft sind diese Befugnisse dem Komplementär vorbehalten (§§ 164, 170 HGB). Für die GmbH ordnet das Gesetz dagegen ausdrücklich an, daß zu den Geschäftsführern "Gesellschafter oder andere Personen" bestellt werden können (§ 6 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Auch das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft braucht nicht Aktionär zu sein (§ 76 AktG). Es gilt das Prinzip der Drittorganschaft. Das Prinzip der Selbstorganschaft ist nach fast allgemeiner Ansicht für die Personengesellschaften zwingend. Nur dem Kommanditisten können in Abweichung von der gesetzlichen Regelung organschaftliche Geschäftsführungsbefugnisse übertragen werden. Dabei ist die Geschäftsführung durch einen Kommanditisten allerdings im eigentlichen Sinne keine Drittorganschaft, da der Kommanditist Gesellschafter und kein Dritter ist 2 • Selbstorganschaft bedeutet, daß die Organpersonen Mitglied des von ihnen repräsentierten Verbandes sind 3. Dennoch ist die Diskussion um die Selbstorganschaft von der um die Grenzen der Geschäftsführung und Vertretung durch Kommanditisten nicht zu trennen. Nach allgemeiner Meinung müssen beide Fragenkomplexe zusammen gesehen werden 4. Sie sind dadurch miteinander verbunden, daß Nichtgesellschafter wie Kommanditisten nach herrschender Auffassung von der organschaftlichen Vertretung ausgeschlossen sind 5 • Allerdings sind besonders in der Gesellschaftsrechtsliteratur der siebziger Jahre zahlreiche monographische Untersuchungen erschienen, die zum Ergebnis kommen, daß es für die zwingende Geltung des Prinzips der Selbstorganschaft keine Rechtfertigung gibt 6• In verschiedenen Situationen soll ein dringendes Bedürfnis 1 2

3 4

5

6

Reuter, GmbHR 1981, 129.

Brox, FS für H. Westermann, S. 33. Dazu Nitschke, Personengesellschaft, S. 214 ff. 0ldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 4; John, Rechtsperson, S. 295. Nitschke, Personengesellschaft, S. 215, Fn. 6. Nachweise s. u. 4. Abschn. A, Fn. 3.

1. Abschn.: Einleitung

16

für die Zulassung der Drittorganschaft bestehen. Häufig genannt wird der Fall, daß die Erben des einzigen geschäftsführenden Gesellschafters nicht willens oder in der Lage sind, die Geschäftsführung selbst zu übernehmen 7. In größeren Unternehmen soll aus Gründen der Arbeitsteilung eine Fremdgeschäftsführung unerläßlich sein 8. In neueren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof eine umfassende Fremdverwaltung in Publikumsgesellschaften bürgerlichen Rechts 9 und den Abschluß eines Betriebsführungsvertrages durch eine Kommanditgesellschaft für zulässig erklärt 10. Bedeutung und Reichweite dieser Entscheidungen sind umstritten. Es fragt sich, ob hierin Auflockerungen des Prinzips der Selbstorganschaft 11 oder sogar Tendenzen zu seiner Aufgabe zu erblicken sind. Die Gestaltungspraxis beklagt die Rechtsunsicherheit im Bereich der Selbstorganschaft 12. Es ist nicht abschließend geklärt, welche Grenzen der Vertragsfreiheit insoweit gesetzt sind. Die vorliegende Arbeit will hier zur Klärung beitragen und den Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft darstellen. Da es sich um ein Grundproblem bei den Personengesellschaften handelt, erscheint es lohnend, die geschichtliche Entwicklung dieser schon sehr alten Fragestellung nachzuvollziehen. Anschließend soll die für die Gestaltungspraxis maßgebende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgestellt werden. Die Darstellung der Literatur, die wegen ihrer Vielfalt kaum noch zu überblicken ist, soll die Grundrichtungen der Argumentation mit dem Prinzip der Selbstorganschaft aufzeigen. Ein weiterer Abschnitt faßt den Stand der Diskussion um die Selbstorganschaft zusammen und enthält eine Auseinandersetzung mit einigen aktuellen Problemen. Die Arbeit befaßt sich nur mit den Personengesellschaften. Selbstorganschaft gibt es auch bei anderen Gesellschaftsformen. Nach § 9 Abs. 2 GenG müssen die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates einer Genossenschaft Genossen sein. Da diese Regelung ausdrücklich zwingend ist (§ 18 GenG) bereitet sie keine besonderen Probleme. Dagegen findet sich die Problematik der Gestaltungsfreiheit bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien in ähnlicher Form wie bei den Personengesellschaften. § 278 Abs. 2 AktG verweist für die Geschäftsführung und Vertretung in der Kommanditgesellschaft auf Aktien auf das Recht der Kommanditgesellschaft, worin sich gemeinsame historische Wurzeln niederschlagen. Eine einfache Übertragung der Überlegungen zur Kommanditgesellschaft auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist dennoch nicht möglich, da Bürck, Selbstorganschaft, S. 4 ff. Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 11. 9 BGH NJW 1982, 877. 10 BGH NJW 1982, 1817. 11 Ulmer in: GK zum HGB, 4.Aufl., § 109, Rd.-Zf. 35. 12 Geck, DStR 1988, 90, 93. 7

8

1. Abschn.: Einleitung

17

sich in der KGaA das Recht der Personengesellschaften mit dem Aktienrecht vermischt. Die besonderen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, zeigen sich in dem aktuellen Streit um die Zulässigkeit der GmbH & Co. KGaA 13.

13

Vgl. Binz/Sorg, BB 1988,2041 und Hennerkes/May, BB 1988,2393.

2 WeIT'

2. Abschnitt

Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft Die Entwicklung der Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften in Gesetz, Rechtsprechung und Literatur von 1861 bis 1945 A. Überblick Aus heutiger Sicht geht es bei der Diskussion um die Selbstorganschaft darum, wie weit der Einfluß von Nichtgesellschaftem und Kommanditisten auf die Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften ausgedehnt werden darf. Diese Fragestellung erörterten Rechtsprechung und Literatur bereits kurz nach Inkrafttreten des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861. Sie wurde getrennt für einzelne Fallgestaltungen, die zum Teil bis heute diskutiert werden, untersucht. Die Änderungen, die das HGB und das BGB, die am 1.1. 1900 in Kraft traten, für die Geschäftsführung und Vertretung der Personengesellschaften brachten, stellten die Diskussion teilweise auf eine neue Grundlage. Der Begriff "Selbstorganschaft" tauchte soweit ersichtlich erstmals im Jahre 1912 in der Literatur auf. Mit dem Gegenbegriff der Drittorganschaft diente er der systematischen Abgrenzung der Gesellschaftsformen untereinander 1. Im Rahmen dieser Überlegungen finden sich seit den zwanziger Jahren die ersten grundsätzlichen Betrachtungen zum Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur. Erst nach 1945 setzte es sich zunächst in der Literatur und dann in der Rechtsprechung allgemein durch, im Zusammenhang mit den Grenzen der Gestaltungsfreiheit bei der Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften vom Prinzip der Selbstorganschaft zu sprechen. Die Vielschichtigkeit der Fragestellung zwingt bei der Darstellung ihrer Entwicklung zu einer Auswahl. Es soll versucht werden, die Schwerpunkte der Diskussion in der Vergangenheit, die mit Blick auf heutige Streitfragen im Zusammenhang mit dem Prinzip der Selbstorganschaft von Interesse sind, aufzuzeigen. Ausgangspunkt ist dabei die Entwicklung der gesetzlichen Regelungen des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. 1 Das Begriffspaar Selbstorganschaft Drittorganschaft wurde erstmals von Roth, LeipZ 1912,266 ff., verwandt, vgl. unten Fn. 144.

B. Entwicklung unter ADHGB

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B. Entwicklung unter der Geltung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861 I. Das ADHGB von 1861 1. Bedeutung für die Auslegung des HGB Das ADHGB ging aus Beratungen der "Nürnberger Kommission" in den Jahren 1857 bis 1861 hervor. Es wurde in den meisten Bundesstaaten entsprechend einem Beschluß der deutschen Bundesversammlung von 1861 als Landesrecht übernommen. Damit war die mehrfach vergeblich angestrebte Rechtseinheit auf dem Gebiet des Handelsrechts in Deutschland hergestellt 2 • 1868 wurde das ADHGB zum Gesetz des Norddeutschen Bundes und 1871 Reichsgesetz. Zum 1. 1. 1900 trat das HGB in Kraft. Es übernahm zu wesentlichen Teilen die Regelungen des ADHGB und stimmte sie mit dem BGB ab. So gingen auch die Geschäftsführungs- und Vertretungsregelungen mit wenigen, meist redaktionellen Änderungen in das HGB über. Für den hier untersuchten Fragenkreis sind deshalb das ADHGB, seine Materialien und die Diskussion in Rechtsprechung und Wissenschaft zu Zeiten des ADHGB von Interesse. Über die Motive des Gesetzgebers geben die Protokolle der Nürnberger Kommission Auskunft 3• Als Beratungsgrundlage diente der "Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten" nebst Motiven von 1857 4 • Ferner fand ein in zwei Fassungen fertiggestellter österreichischer Entwurf Beachtung 5 • Eine weitere wichtige Vorarbeit war der Entwurf eines Allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland (1848/1849)6. Er stammte aus der Hande1srechtskommission des Reichsjustizministeriums. Das Reichsjustizministerium war mit dem Reichskabinett von der Frankfurter Paulskirchenversamm1ung eingesetzt worden. Die Realisierung des Gesetzesvorhabens scheiterte mit der Revolution von 1848. Es beeinflußte aber den preußischen Entwurf und schlug sich in den Regelungen des ADHGB deutlich nieder 7 • Das gilt auch für die Passagen, die die Geschäftsführung und Vertretung der Personengesellschaften betreffen. Sie stimmten teilweise wörtlich mit dem ADHGB überein. 2 Zu den verschiedenen früheren Versuchen: vgl. Baums in der Einführung zum "Entwurf eines Allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland (1848/1849)", Text und Materialien, S. 14 ff. 3 Vgl. Lutz, Protokolle der Kommission zur Beratung eines Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs, Nürnberg 1857. 4 Abdruck in: Lutz, Protokolle der Kommission zur Beratung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, Beilagenband 1, S. 1- 68; auch gesondert erschienen Berlin 1857. 5 Vgl. Lutz, Protokolle a. a.O. S. 6; Abdruck in Beilagenband 1, S. 107 -140, vgl. Fn. 3. 6 Abgedruckt mit Motiven bei Baums, a.a.O., vgl. Fn. 2. 7 Vgl. dazu Baums, Materialien S. 42.

2*

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

2. Die Regelungen des ADHGB a) Offene Handelsgesellschaft Das ADHGB unterschied bereits zwischen der Vertretung und der Geschäftsführung bei den Personenhandelsgesellschaften.

aa) Vertretung Für das Rechtsverhältnis der OHG nach außen war der gesetzliche Regelfall Einzelvertretung jedes Gesellschafters (Art. 114 ADHGB; vgl. § 125 Abs. 1 HGB). Die Vertretungsmacht der Gesellschafter war unbeschränkbar; sie erstreckte sich auf alle Arten von Geschäften und Rechtshandlungen (Art. 114, 116 ADHGB; vgl. § 126 HGB). Dieser Umfang der Vertretungsmacht war zur Zeit der Entstehung des ADHGB eine ganz ungewöhnliche Regelung, die in keinem Gesetzentwurf enthalten war. Sie wurde erst nach längerer Diskussion in das ADHGB übernommen. Insbesondere erörterten die Mitglieder der Nürnberger Kommission, ob die gesellschaftliche Vertretungsmacht nicht wie beim Prokuristen nur auf den Betrieb eines Handelsgewerbes beschränkt 8 oder eine Beschränkung durch Eintragung ins Handelsregister möglich 9 sein sollte. Um Unsicherheiten über die Vertretungsmacht der geschäftsführenden Gesellschafter auszuschließen, sah man schließlich von einer Beschränkung ab IO. Andererseits stand der Vorschlag zur Beratung, die Vertretungsmacht eines Prokuristen zu erweitern. Die Entgegennahme von gerichtlichen Vorladungen und anderen Zustellungen durch einen Prokuristen sollte die gleiche Wirkung haben wie die Zustellung an den Prinzipal 11. Bei der Regelung der Vertretungsbefugnis der Gesellschafter sollte es heißen: "Die Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschafter geschieht an den Firmaführer oder an einen geschäftsführführenden Gesellschafter" 12. Die Kommission verwarf die Vorschläge mit der Begründung, die Regelung sei teilweise bedenklich, teilweise selbstverständlich 13. Die Vertretungsmacht konnte den Gesellschaftern nicht entzogen werden. Es gab keine § 127 HGB entsprechende Regelung. Statt Einzelvertretung konnte 8 Vgl. Lutz, Protokolle S. 1005,4666; österreichischer Entwurf § 85; Entwurf eines ADHGB 1848/1849 Art. 39. 9 Preußischer Entwurf Art. 114; Lutz, Protokolle S. 4665. 10 Lutz, Protokolle S. 4670; dazu näher Schlüter, Vertretungsmacht, S. 72. II Art. 49 des Entwurfs der Redaktionskommission in Lutz, Protokolle, Beilagenband I, S. 149. 12 Lutz, Protokolle, Beilagenband 1, S. 162. I3 Lutz, Protokolle S. 950, 1006; welches die Bedenken waren, geht aus den Protokollen nicht hervor.

B. Entwicklung unter ADHGB

21

Gesamtvertretung der Gesellschafter vereinbart werden (Art. 86 Ziff. 4 ADHGB; vgl. § 125 Abs. 2 HGB). Möglich war auch der Ausschluß oder die einverständliche nachträgliche Aufhebung der Vertretungsmacht eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag (Art. 86 Nr. 4, 87, 115 ADHGB). Bei einem solchen Ausschluß war in das Handelsregister gemäß Art. 86 Nr. 4 ADHGB einzutragen: "im Falle vereinbart ist, daß nur einer oder einige der Gesellschafter die Gesellschaft vertreten sollen, die Angabe, welcher oder welche dazu bestimmt sind, in gleichen, ob das Recht nur in Gemeinschaft ausgeübt werden soll". Im Gesetz war also nur die Möglichkeit vorgesehen, daß statt aller Gesellschafter "einer oder einige" die Gesellschaft vertraten. Entsprechend hieß es in den Motiven zu Art. 39 des ADHGB 1848/1849, die Gesellschafter könnten vereinbaren, "die Befugnis, namens der Gesellschafter zu handeln, in Ansehung einzelner unter sich aufzuheben oder einzuschränken." 14 In eine andere Richtung deutete § 85 des österreichischen Entwurfs, in dem es hieß: "Die Führung der Firma kann einem oder mehreren Mitgliedern der Gesellschaft übertragen werden. Wird sie einem Bevollmächtigten übertragen, der nicht Mitglied ist, so soll diese Eigenschaft aus der Unterzeichnung erhellen" 15. Diese Regelung ging aber nicht in das ADHGB ein, das insoweit dem preußischen Entwurf und dem Entwurf zum ADHGB 1848/1849 folgte. Im ADHGB wurde die Vertretung durch Gesellschafter und durch Bevollmächtigte nicht gleichgesetzt. In den Motiven zum Art. 114 des preußischen Entwurfs hieß es zur Begründung, die Vertretung durch die Gesellschafter habe zwar große Ähnlichkeit mit der Vertretung durch Faktoren 16; sie könne damit aber nicht gleichgesetzt werden, da der Gesellschafter nicht nur Geschäftsführer, sondern gleichzeitig auch Mitgeschäftsherr sei, der besondere Rechte und Pflichten habe, namentlich für die Schulden persönlich hafte 17. bb) Geschäftsführung Wie schon die Entwürfe unterschied das ADHGB vom "Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu dritten Personen" das "Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander". Letzteres richtete sich zunächst nach dem Gesellschaftsvertrag (Art. 90 ADHGB; vgl. § 109 HGB). Art. 102 ADHGB (vgl. § 114 HGB) ordnete als gesetzlichen Regelfall die Einzelgeschäftsführung an: "Wenn im Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung nicht einem oder mehreren Gesellschaftern übertragen ist, so sind alle Gesellschafter zum Betriebe der Geschäfte der Gesellschaft gleichmäßig berechtigt und verpflichtet" 18. 14

15 16 17

Vgl. Baums, Materialien, S. 137. Lutz, Protokolle, Beilagenband 1, S. 121. Preußische Bezeichnung für Prokuristen (Art. 39 des preußischen Entwurfs). Motive zum preußischen Entwurf, S. 63.

22

2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

Die Geschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters erstreckte sich nur auf gewöhnliche Geschäfte (Art. 99; vgl. § 116 HGB). Eine Handlung, gegen die ein Mitgeschäftsführer Widerspruch erhob, mußte unterbleiben (Art. 102 ADHGB; vgl. § 115 HGB). Prokura mußte von allen Geschäftsführern gemeinsam erteilt werden, durfte aber durch jeden allein widerrufen werden (Art. 104 ADHGB; vgl. § 116 HGB). Damit wollte der Gesetzgeber die Gesellschaft vor den besonderen Gefahren schützen, die mit der unbeschränkbaren Vertretungsmacht eines Prokuristen verbunden waren 19. Die Geschäftsführungsbefugnis konnte einem Gesellschafter im Unterschied zur Vertretungsbefugnis aus wichtigem Grund durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn sie ihm im Gesellschaftsvertrag unter Ausschluß der übrigen Gesellschafter übertragen worden war (Art. 101 ADHGB). Die Motive zu Art. 34 des Entwurfs eines ADHGB von 1848/1849 begründeten die Beschränkung des Widerrufs auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes: der Widerruf könne nicht "wie bei gewöhnlichen Vollmachten"20 jederzeit zugelassen werden. Die "im Gesellschaftsvertrag übertragene Geschäftsführung" stehe im "unzerreißbaren Zusammenhang mit dem Vertrag und könne nicht einseitig aufgehoben werden". Der Gesellschafter hatte also im Unterschied zum Bevollmächtigten ein Recht zur Geschäftsführung und zur Vertretung. Für den Handlungsbevollmächtigten und Prokuristen bestimmte dagegen Art. 54 ADHGB: "Die Prokura und die Handlungsvollmacht ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Rechte aus dem bestehenden Dienstverhältnis"21. In den Beratungen der Nürnberger Kommission wurde die Geschäftsführung durch Nichtgesellschafter nur an einer Stelle erwähnt. Ein Kommissionsmitglied beanstandete die Formulierung in Art. 85 ADHGB (heute § 105 HGB), wonach die Gesellschafter ein Handelsgewerbe "betreiben". Das treffe nicht zu, wenn alle Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen seien und ein Nichtgesellschafter alleiniger Geschäftsführer sei 22. Über diesen Einwand wurde in der Kommission weder diskutiert noch abgestimmt. 18 So schon Art. 103, 104 des preußischen Entwurfs. 19 Lutz, Protokolle S. 194, 197, 991; anders noch preußischer Entwurf, wonach bei Bestellung und Abberufung eines Faktors (Prokuristen, vgl. Fn. 16) "wegen der Wichtigkeit" der Prokuraerteilung alle geschäftsführungsbefugten Gesellschafter im Innenverhältnis zusammenwirken mußten, Art. 107 und Motive S. 59. 20 Es wurde noch nicht zwischen Auftrag und Vollmacht unterschieden. Diese Trennung setzte sich erst später durch; dazu Müller-Freienfels, Die Vertretung, S. 75. 21 Die freie Widerruflichkeit von Vollmachten war allgemeine Rechtsauffassung. So hieß es in den Motiven zur Art. 48 des preußischen Entwurfs, der allerdings nur die Prokura erwähnte, die freie Widerruflichkeit sei im Mandatscharakter der Prokura begründet; durch den Widerruf werde aber nur das Auftragsverhältnis und nicht das bestehende Dienstverhältnis berührt (S. 31); auch hier zeigt sich wieder, daß zwischen Auftrag und Vollmacht noch nicht getrennt wurde (s. o. Fn.20). 22 Lutz, Protokolle, S. 981.

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ce) Liquidation Die Beteiligung von Nichtgesellschaftern an der Geschäftsführung und Vertretung sah bereits das ADHGB ausdrücklich für die Liquidationsgesellschaft vor. Die Liquidation war in der Regel von allen Gesellschaftern gemeinsam durchzuführen. Zu Liquidatoren konnte der Gesellschaftsvertrag aber auch andere Personen bestimmen (Art. 133 ADHGB; vgl. § 146 HGB). Auf Antrag eines Gesellschafters erfolgte aus wichtigem Grund die Ernennung von Liquidatoren durch ein Gericht. Dabei konnten ebenfalls Nichtgesellschafter ernannt werden. Die Abberufung der Liquidatoren geschah durch Beschluß der Gesellschafter oder auf Antrag eines Gesellschafters durch ein Gericht aus wichtigem Grund (Art. 134 ADHGB; vgl. § 147 HGB). Die Liquidatoren waren zu allen Geschäften gerichtlich und außergerichtlich befugt, die zur Abwicklung der Gesellschaft erforderlich waren. Zur Beendigung schwebender Geschäfte durften sie auch neue Geschäfte eingehen (Art. 137 ADHGB; vgl. 149 HGB). Eine Beschränkung ihrer Vertretungsmacht hatte Dritten gegenüber keine Wirkung (Art. 138 ADHGB; vgl. § 151 HGB). In den Motiven zum ADHGB-Entwurf 1848/1849, der in den Art. 53 und 55 eine ganz ähnliche Regelung enthielt, hieß es dazu: es könne "zweckmäßig sein, die Liquidation einem einzelnen Gesellschafter zu übertragen oder, falls unter den Gesellschaftern erhebliche Zerwürfnisse eingetreten seien, selbst einen oder mehrere Dritte zu Liquidatoren zu ernennen". Die Vollmacht der Liquidatoren müsse "im allgemeinen unbeschränkt sein, da die Liquidation ihrer Natur nach ohne die bezeichneten Geschäfte nicht beendet werden" könne 23 • In den Motiven zum preußischen Entwurf hieß es entsprechend, die Ernennung besonderer Liquidatoren könne in manchen Fällen, z. B. wenn die Gesellschaft in Folge unredlicher Geschäftsführung eines Gesellschafters aufgelöst werde, als ratsam erscheinen 24 • b) Kommanditgesellschaft Die Geschäftsführung und Vertretung bei der Kommanditgesellschaft war ebenfalls schon ähnlich wie später im HGB geregelt. Die Vertretung der Gesellschaft war den Komplementären vorbehalten (Art. 167 Abs. 1 ADHGB; vgl. § 170 HGB). Art. 167 Abs. 3 ADHGB bestimmte zusätzlich zur heutigen Regelung: "Ein Kommanditist, welcher für die Gesellschaft Geschäfte schließt, ohne ausdrücklich zu erklären, daß er nur als Prokurist oder Bevollmächtigter handelt, ist aus diesen Geschäften gleich einem persönlichen haftenden Gesellschafter verpflichtet". Das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander richtete sich primär nach dem Gesellschaftsvertrag (Art. 157 ADHGB; vgl. § 163 HGB). "Soweit 23 24

Baums, Materialien, S. 148. Motive, S. 73.

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

keine Vereinbarung getroffen" war (Art. 157 ADHGB), bestimmte Art. 158 ADHGB: "Die Geschäftsführung der Gesellschaft wird durch den oder die persönlich haftenden Gesellschafter besorgt". Die Entwürfe zum ADHGB hatten den Kommanditisten noch weiter von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen 25 . Art. 67 des Entwurfs eines ADHGB von 1848/1849 lautete: "Der Commanditist darf keine Handlung der Geschäftsführung vornehmen; er darf selbst nicht als Bevollmächtigter in Angelegenheiten der Gesellschaft gebraucht werden. Auf die Theilnahme an den Beratungen der Gesellschafter, und an der bloß inneren Verwaltung bezieht sich dieses Verbot nicht". Ähnlich bestimmte Art. 149 des Preußischen Entwurfs, der noch nicht zwischen stiller Gesellschaft und Kommanditgesellschaft unterschied 26: "Ein stiller Gesellschafter, welcher namens der Gesellschaft Rechtshandlungen vornimmt oder für dieselbe auch nur als Faktor oder Bevollmächtigter Geschäfte ausführt, haftet den Gläubigem der Gesellschaft persönlich und solidarisch. Jedoch findet diese Bestimmung auf die Theilnahme an den Berathungen und an der inneren Verwaltung der Gesellschaft keine Anwendung". Grund für diese Regelungsbeschränkungen war neben dem Verkehrsschutz auch der Gesellschafterschutz. Die Motive zum Entwurf eines ADHGB 1848/ 1849 führen dazu aus, Art. 67 wirke Täuschungen entgegen, die durch das Verhalten der Kommanditisten im Rechtsverkehr entstehen könnten. Er sorge dafür, daß über die "Qualität der Gesellschafter als Commanditisten kein Zweifel entstehe". Weiter heißt es: "Ein ferner Grund für die Ausschließung der Commanditisten von der Geschäftsführung liegt darin, daß derjenige, welcher für den Verlust nur bis zu einer bestimmten Summe haftet, nicht die Gelegenheit haben soll, die Gesellschaft und die Gläubiger in die Gefahr zu bringen, welche aus gewagten Spekulationen hervorgeht; ferner darin, daß nicht auf diese Weise der Commanditist in der Lage sein soll, bei eintretender Gefahr sich unter der Hand zu decken"27.

25 Vgl. zur Entwicklung auch Brox, FS für H. Westermann, S. 21,26 ff. 26 Die Trennung zwischen diesen beiden Gesellschaftsformen erfolgte erst im Laufe der Beratungen der Nürnberger Kommission. Neben der Kommanditgesellschaft wurde die stille Gesellschaft in den Art. 250 ff. ADHGB (ähnlich wie heute §§ 230 ff. HGB) geregelt. Der stille Gesellschafter beteiligte sich an dem Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage, ohne daß ein gemeinsames Vermögen gebildet wurde. Aus den Geschäften wurde der Inhaber des Handelsgewerbes allein berechtigt und verpflichtet. Die Nürnberger Kommission stellte fest, daß in diesem Falle gar keine Gesellschaft vorliege und regelt6 die stille Gesellschaft deshalb in einem eigenen Buch getrennt von den Handelsgesellschaften (Lutz, Protokolle, S. 1166). Bis zu dieser Entscheidung der Kommission wurde auch in den Beratungen auf Grundlage des preußischen Entwurfs einheitlich von der "stillen Gesellschaft" gesprochen. 27 Baums, Materialien, S. 150.

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Die Motive zum preußischen Entwurf begründen den Ausschluß des stillen Gesellschafters von der Geschäftsführung ähnlich. Für das Publikum würden aus der tatsächlichen Geschäftsführung des stillen Gesellschafters "die gefährlichsten Täuschungen" entstehen. Die Erfahrung habe gelehrt, "daß öfters die Gesellschafter eine Person ohne alles Vermögen nur dem Namen nach als Geranten an die Spitze stellen, während sie die Geschäfte selbst und sogar mit Rücksicht auf ihren besonderen Handel leiten, im Falle von Verlusten sich hinter den Gesellschaftsvertrag zurückziehen, nach welchem sie nur mit ihren Einlagen zu haften brauchen". Ein wirksamer Schutz werde nicht durch die Eintragungen im Handelsregister sichergestellt, da das "Publikum überwiegend auf die Wirklichkeit und die konkrete Erscheinung sehe". Wer Dritte durch seine Handlungen zu der Annahme veranlasse, als sei er "offener Gesellschafter", müsse als solcher haften. Das sei "selbst auf den Fall auszudehnen, wenn der stille Gesellschafter auch nur als Faktor oder Bevollmächtigter namens der Gesellschaft Geschäfte führe". Praktisch sei es "in vielen Fällen schwierig, eine bestimmte Grenze zwischen der selbständigen Geschäftsführung und der Geschäftsbesorgung als Faktor oder Bevollmächtigter zu ziehen". Lasse man letztere zu, werde eine Umgehung der ganzen Bestimmung erleichtert 28. Die Nürnberger Kommission war dagegen der Auffassung, daß es eines absoluten Verbots der Geschäftsführung für den Kommanditisten nicht bedurfte. Es entbehre jeden inneren Grundes, "daß derjenige, der sich nur als Prokurist geriere, der also durch sein Benehmen zu erkennen gebe, daß er nicht als Gesellschafter handeln und haften wolle, dennoch haften müsse". Nach den Entwürfen sei es selbst in dringenden Fällen nicht möglich, daß der Kommanditist Maßnahmen der Geschäftsführung vornehme. Das sei nicht gerechtfertigt 29 • Eine andere Stelle in den Protokollen, die unmittelbar vor der gerade zitierten zu finden ist, deutet darauf hin, daß die Mehrheit der Kommission es nicht für zulässig hielt, dem stillen Gesellschafter (Kommanditisten) die Geschäftsführung als eigenständige gesellschaftsvertragliche Befugnis zu übertragen. Die Kommission erörterte zu Beginn der Beratungen die Begriffsbestimmung der stillen Gesellschaft (Kommanditgesellschaft). Im preußischen Entwurf lautete die Definition der stillen Gesellschaft (Art. 144 des Entwurfs): "Eine stille Gesellschaft ist vorhanden, wenn ein oder mehrere Gesellschafter sich nur durch Vermögenseinlagen betheiligen (stille Gesellschafter), während ein oder mehrere andere Gesellschafter persönlich und solidarisch haften"30.

Motive zum preußischen Entwurf, S. 78. Lutz, Protokolle, S. 295. 30 Entsprechend hieß es in Art. 61 des Entwurfes eines ADHGB 1848/1849: ,,Eine Commanditengesellschaft ist vorhanden, wenn einer oder mehrere Gesellschafter als verantwortliche und solidarisch Verhaftete auftreten, während einer oder mehrere andere 28 29

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

Ein Mitglied der Kommission beantragte, die Definition so zu fassen, daß eine Beteiligung auch in anderer Weise als durch Vermögenseinlagen etwa durch Dienstleistungen erfolgen könne 31. Der Antrag wurde von der Mehrheit abgelehnt. Die Begründung lautete, die stille Gesellschaft habe den Zweck, einem Kapitalgeber die Gelegenheit zu geben, kaufmännische Geschäfte mit seinem Geld zu unterstützen, ohne sich mit persönlicher Tätigkeit zu beteiligen. Es werde ihm "mit Rücksicht auf den Mangel der Betheiligung durch persönliche Tätigkeit möglich gemacht, von jeder Haftung frei zu bleiben, welcher weiter als der Betrag des zugeschossenen Kapitals gehe." Auf jemanden, der sich nur durch Dienstleistungen und nicht durch Kapitaleinlagen beteilige, treffe das nicht zu. Der Zweck der Gesellschaft könne beim Mangel an Geldeinlagen nicht erreicht werden "und es sei auch kein genügender Grund vorhanden, die persönliche Haftbarkeit des Gesellschafters auszuschließen, wenn er sich persönlich an der Geschäftsführung betheilige. Das Wesen der stillen Gesellschaft bestehe darin, daß dem handelnden Kaufmann, von einem der nicht handelt, etwas zum Betrieb des Geschäftes anvertraut werde." Schon der Name "Commanditgesellschaft" deute darauf hin 32. Die Begriffsbestimmung der Kommanditgesellschaft im ADHGB lautete deshalb (Art. 150): ,,Eine Kommanditgesellschaft ist vorhanden, wenn bei einem unter einer gemeinschaftlichen Firma betriebenen Handelsgewerbe, ein oder mehrere Gesellschafter sich nur mit Vermögenseinlagen betheiligen (Kommanditisten), während bei einem oder mehreren anderen Gesellschaftern die Betheiligung nicht in dieser Weise beschränkt ist (persönlich haftende Gesellschafter)". 11. Rechtsprechung und Literatur von 1861 - 1900

1. Organschaftliehe Vertretung Seit einem Beschluß des Handelsgerichts Köln aus dem Jahre 1862 erörterten Rechtsprechung und Literatur die Streitfrage, ob sämtliche Gesellschafter von der Vertretung einer Personenhandelsgesellschaft ausgeschlossen werden dürfen. a) Unzulässigkeit des Ausschlusses aller Gesellschafter Beschluß des Handelsgerichts Köln 1862 Der Entscheidung des Handelsgerichts Köln 33 lag eine Fallgestaltung zugrunde, die bis heute als typisch für das Bedürfnis nach Fremdgeschäftsführung und Gesellschafter sich bloß durch Vermögenseinlagen betheiligen. Die letzteren werden Commanditisten genannt.". 31 Die Definition sollte lauten: "Eine Handelsgesellschaft ist eine stille Gesellschaft, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag nicht sämtliche Gesellschafter persönlich haften.". 32 Lutz, Protokolle, S. 288.

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-vertretung in den Personengesellschaften gilt: die Beerbung eines geschäftsführenden Gesellschafters durch Personen, die zur Geschäftsführung unwillig oder unfähig sind. Das Verlagsgeschäft der "Kölnischen Zeitung" gehörte den Brüdern Joseph und Michael Du Mont. Nach dem zwischen beiden bestehenden Gesellschaftsvertrag sollte Joseph Du Mont das Geschäft am 1.1.1862 allein übernehmen. Er verstarb jedoch schon 1861. Das Geschäft fiel an seine Erben, von denen keiner die Leitung des Verlages übernehmen wollte. Sie gründeten - schon unter Geltung des ADHGB - eine Offene Handelsgesellschaft. Sie vereinbarten, daß für die Gesellschaft allein der zum Prokuristen bestellte Kaufmann Schultze handeln sollte. Das Gericht wies den Eintragungsantrag zurück. Es ergebe sich aus Art. 86 Ziff. 4 ADHGB, daß wohl einzelne Gesellschafter, nicht aber alle von der Vertretung einer OHG ausgeschlossen werden könnten. Eine OHG müsse "der Natur der Sache" nach wie auch im "Interesse des Publikums" wenigstens eine Person haben, durch die sie bei Zustellungen gerichtlicher Akte und bei Rechtsgeschäften jeder Art vollständig vertreten werde, was durch einen Prokuristen nicht geschehe (Hinweis auf Art. 42 Abs. 1, 117 ADHGB). b) Zulässigkeit des Ausschlusses aller Gesellschafter Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur Gegen diese Entscheidung, die eine umfangreiche Diskussion auslöste, ging die fast einmütige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur unter der Geltung des ADHGB dahin, daß alle Gesellschafter von der Vertretung einer offenen Handelsgesellschaft ausgeschlossen werden durften 34. Das Kreisgericht Dortmund 35 erklärte im Jahre 1867 die Eintragung der Handelsgesellschaft "Ruppel, Kramer und Komp." für zulässig. Die entsprechende Bekanntmachung lautete: "Alle Gesellschafter verzichten auf die eigene Zeichnung der Firma und erteilen dem Gesellschafter Ruppel, dem Direktor Sachsenschröder und dem Geschäftsführer Segma Kollektivprokura in der Weise, daß mindestens zwei derselben gemeinschaftlich die Firma per Prokura gültig zeichnen." Beschluß vom 25.4.1862, mitgeteilt von Weinhagen in Busch's Archiv 1863, 149. Literatur: Auerbach, Das Gesellschaftswesen, 1861, S.28/29; Weinhagen in Busch's Archiv 1863, S. 149; v. Busch in Busch's Archiv, 1863, S. 156, 157; AnschützVölderndorff, ADHGB 1868, Art. 86, S.88; Endemann, Handelsrecht, 1868, S. 179; Keyßner, ZHR 14 (1870), S.442, 451; ders. ADHGB 1878, Art. 86, Anm.9; Dahn, Handelsrechtliche Verträge, 1875, S. 76; v. Puchelt, ADHGB 1876, Art. 86, Anm. 9; v. Hahn, ADHGB 1877, Art. 117, § 7; Wach, Handbuch, 1885, S. 531; v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 587,588; v. Gorski, Geschäftsführung, 1888, S. 154/155; Rechtsprechung: Kreisgericht Dortmund, Beschluß aus dem Jahre 1867, zitiert bei Bacmeister, ZHR 55, 417; KG, Beschluß vom 28.4.1890, KGJ 10, 26; OLG Stuttgart, Beschluß vom 6.2.1891, ZHR 42,527; a.A. wie Handelsgericht Köln zu Zeiten des ADHGB nur H. O. Lehmann in Anmerkung zu KG, Beschluß vom 28.4.1890, ZHR 40, (1890),460. 35 Zitiert bei Bacmeister, ZHR 55, 417. 33

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

Eine offene Handelsgesellschaft konnte nach dieser Ansicht also auch allein durch Prokuristen vertreten werden. Mit einem Prokuristen hatte sie das erforderliche Organ, um handeln zu können. In der Literatur wurde dafür ein praktisches Bedürfnis geltend gemacht. Es könne Fälle geben, in denen keiner der Gesellschafter die Geschäfte führen und die Firma zeichnen könne wegen Krankheit, Alter, Beruf oder infolge eines Erbganges 36. Anschütz-Völderndorff begründeten ausführlich, daß die alleinige Vertretung durch Prokuristen nicht den Regelungen des ADHGB widerspreche. Aus Art. 86 Ziff. 4 ergebe sich nicht, daß "einer der Gesellschafter firmieren müsse". An eine solche "Zwangsbestimmung" habe die Nürnberger Kommission nicht gedacht. Im Zweifel sei die Auslegung des ADHGB zu wählen, "welche der Entwickelung des Handels und der Erhaltung und Förderung der Handelsgesellschaften am günstigsten sei"37. Einigkeit bestand aber darüber, daß die Gesellschafter, wenn sie gemeinsam handelten, trotz Ausschlusses von der "Firmaführung" alle Geschäfte für die Gesellschafter vornehmen konnten 38. Das Kammergericht meinte dazu, der Ausschluß sämtlicher Gesellschafter von der Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, ändere nichts daran, daß die Gesellschafter für ihre Person "Herren des Gesellschaftsvermögens" blieben, also für die Gesellschaft gemeinschaftlich handeln könnten. Nur sie könnten handeln, soweit der Prokurist die Gesellschaft nicht vertreten könne, nämlich bei der Verfügung über Grundstücke und bei der Bestellung und Abberufung von Prokuristen"39. Auch Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft konnten entweder gegenüber dem Prokuristen oder gegenüber der Gesamtheit der Gesellschafter abgegeben werden 40 • Meist zog die Literatur daraus den SChluß, im Ergebnis bestehe kein Unterschied zur Anordnung einer Gesamtvertretung durch alle Gesellschafter 41 • Von Busch meinte sogar, eine Eintragung im Handelsregister, daß die Gesellschaft nur durch den Prokuristen vertreten werde, sei unrichtig, weil sie auch durch die Gesellschafter, wenn sie zusammen handelten, vertreten werden könne 42 • Von Gorski verwies darauf, daß die Gesellschafter erst nach Änderung des Gesellschaftsvertrages in ihrer Gesamtheit für die Gesellschaft auftreten könnten, so daß ohne eine solche Änderung keine Willenserklärungen gegenüber der 36 Weinhagen in Busch's Archiv, 1863, S. 149; Anschütz-Völdemdorff, ADHGB 1868, Art. 86, S. 88. 37 ADHGB, Art. 86, S. 88, 90. 38 Weinhagen in Busch's Archiv, 1863, S. 149,153; Anschütz-Völdemdorff, ADHGB 1868, Art. 86, S. 90. 39 Beschluß vom 28.4.1890, KGJ 10,26. 40 So Weinhagen in Busch's Archiv, 1863, S. 154; Anschütz-Völdemdorff, ADHGB 1868, Art. 86, S. 90. 41 So Weinhagen in Busch's Archiv, 1863, S. 153; Puchelt, ADHGB, 1876, Art. 86, Anm. 9; v. Hahn, ADHGB, 1877, Art. 117, § 7; Keyßner, ADHGB, 1878, Anm. 9. 42 Busch's Archiv, 1863, S. 158.

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Gesamtheit der Gesellschafter abgegeben werden dürften 43. Das war aber nicht die herrschende Auffassung. Nach dieser konkurrierten die Gesamtvertretung der Gesellschafter und die Vertretung durch die Prokuristen vollständig miteinander. Danach waren die Differenzen zu der Auffassung des Handelsgerichts Köln gering. Im Grunde genommen ging es lediglich um die registerrechtliche Frage, wie die Eintragung im Handelsregister zu erfolgen hatte, wenn die Gesellschafter die Geschäftsführung tatsächlich einem Prokuristen überließen 44 • Die Fragestellung erörterten Rechtsprechung und Literatur fast nur bei der OHG. Soweit sie für die KG behandelt wurde, nahm man an, daß auch bei Eintragung des Ausschlusses aller persönlich haftender Gesellschafter von der Vertretung im Handelsregister Gesamtvertretung der KG durch die Komplementäre möglich war 45 • Der Ausschluß aller Gesellschafter von der Vertretung hatte also nicht zur Folge, daß neben dem Prokuristen nur noch alle Gesellschafter einschließlich der Kommanditisten handeln konnten. Diese Auslegung ließ sich auf Art. 150 ADHGB stützen. Dort hieß es: "Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so ist in Ansehung ihrer die Gesellschaft zugleich eine offene Gesellschaft." Eine Übertragung der Überlegungen zur OHG auf die KG konnte danach nur hinsichtlich der Komplementäre erfolgen. c) Unzulässigkeit der Übertragung auf einen Nichtgesellschafter oder Kommanditisten Nichtgesellschafter und Kommanditisten konnten also nach zu Zeiten des ADHGB einhelliger Auffassung nur als Bevollmächtigte eine Handelsgesellschaft vertreten. Diese Rechtsstellung war jederzeit widerruflich. Die gesellschaftsrechtliche Vertretungsbefugnis konnte ihnen nicht übertragen werden. Das bestätigte das Reichsgericht in einer Entscheidung vom 26.5.1880 46 ausdrücklich für den Nichtgesellschafter. Es ging dort um eine Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag einer OHG. Die Erben eines Gesellschafters waren nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet, einen Vertreter zu bestellen. Diesem sollten die vollen Befugnisse und Pflichten des Verstorbenen zustehen. Als einer der beiden Gesellschafter starb, schlugen seine Erben einen Vertreter vor. Der andere Gesellschafter wollte ihn zwar in der Geschäftsführung akzeptieren, weigerte sich aber seine Eintragung in das Handelsregister zu bewirken. Das Reichsgericht deutete die Nachfolgeklausel dahin um, daß die Erben einen Anspruch hätten, daß der von ihnen ausgewählte Vertreter zum Prokuristen Geschäftsführung, 1888, S. 154/155. Auf andere geringfügige Unterschiede zwischen beiden Auffassungen, die hier nicht näher interessieren, verweisen Anschütz-Vö1demdorff, ADHGB 1868, Art. 86, S.90. 45 So Anschütz-Vö1demdorff, ADHGB 1868, Art. 167, S. 382, Fn. 1. 46 RGZ 2, 30 ff. 43

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

bestellt würde. Prokura sei das umfassendste Vertretungsrecht, das ein Nichtgesellschafter haben könne. Die Gesellschafter seien die "geborenen Vertreter" der Gesellschaft. Sie könnten sich deshalb in ihren gesellschaftsrechtlichen Vertretungsbefugnissen nicht selbst wieder vertreten lassen. Das Reichsgericht bejahte also trotz Art. 54 ADHGB einen Anspruch auf Erteilung einer Prokura. Dieser stand aber nur den persönlich haftenden Gesellschaftern, nicht ihrem Vertreter zu. Die Übertragung der Geschäftsführung und Prokura auf den Nichtgesellschafter war jederzeit durch die Gesellschafter widerruflich 47 • Der Kommanditist war schon nach der eindeutigen Regelung des Art. 167 ADHGB von der gesellschaftlichen Vertretungsbefugnis ausgeschlossen 48 • Das bestätigte das Reichsoberhandelsgerichts in einer Entscheidung vom 5. 11. 1874 49 • Das Gericht entschied, daß der Kommanditist zur Leistung des Parteieides im Prozeß nicht verpflichtet sei. Der Komplementär sei das "gesetzlich geordnete Organ", welches die Geschäftsführung in voller Selbständigkeit führe, sowie diejenigen Handlungen vornehme, welche gerichtlich und außergerichtlich erforderlich seien. Die Vertretungsbefugnis könne dem Kommanditisten als solchem "nicht einmal durch Privatwillen erteilt werden". 2. Geschäftsführung

a) Ausschluß aller Gesellschafter Nach allgemeiner Auffassung in der Literatur konnten alle Gesellschafter insgesamt von der Geschäftsführung ausgeschlossen und diese einem Nichtgesellschafter übertragen werden 50. Angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit im Innenverhältnis der Gesellschaft galt eine solche Regelung als unproblematisch 51 • Unterschiedlich wurde aber bereits zu Zeiten des ADHGB beurteilt, inwieweit Nichtgesellschaftern und Kommanditisten ein eigenes Recht auf die Geschäftsführung in einer Personenhandelsgesellschaft eingeräumt werden konnte.

47 RGZ 2, 30. In einem Urteil vom 19.11.1890 (RGZ 27, 35,41) bestätigte das Reichsgericht, daß vom Grundsatz der freien Widerruflichkeit der Prokura nur im Verhältnis der Gesellschafter einer OHG untereinander abgewichen werden könne. Diese Ausnahme erkläre sich daraus, daß die Gesellschafter Miteigentümer des Geschäfts und Mitinhaber der Firma seien und ihre eigene Vertretungsmacht für die Dauer der Gesellschaft unwiderruflich sei. 48 Auerbach, Gesellschaftswesen, 1861, S.148; Anschütz-Völdemdorff, ADHGB, 1868, Art. 167, S. 382; Puchelt, ADHGB, 1876, Art. 167, Anm. 3; v. Hahn, ADHGB, 1877, Art. 167, § 3; ROHG 15,6 ff. 49 ROHG 15, 6 ff. 50 v. Puchelt, ADHGB, 1876, Art. 99, Anm. 8; v. Hahn, ADIHGB, 1877, Vorb. Art 99 bis 104; Anschütz-Völdemdorff, ADHGB, 1868, Art. 99, S. 183. 51 v. Puchelt, ADHGB, 1876, Art. 90, Anm. 1.

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b) Geschäftsführungsbefugnisse von Nichtgesellschaftern Nach einer Ansicht lag, selbst wenn einem Nichtgesellschafter die Geschäftsführung im Gesellschaftsvertrag übertragen war, "nur ein stets widerrufliches Mandat vor" 52. Anschütz-Völderndorff verwiesen dagegen auf die Möglichkeit, die Geschäftsführung unter Ausschluß aller Gesellschafter in die Hand von Gläubigern der Gesellschaft zu legen. Als Beispiel erwähnten sie einen "Akkordvertrag zwischen den Gesellschaftern der Handelsgesellschaft L. u. Comp. zu B.", der folgende Bestimmung enthielt: "Die Inhaber der Firma verzichten bis zur Befriedigung der Gläubiger auf jede selbständige Führung der Geschäfte, verpflichten sich vielmehr, Alles durch die Hand eines Prokuristen gehen zu lassen, welcher von dem Gläubigerausschusse gewählt und von den Geschäftsinhabern bestellt wird. Die Person, das Gehalt und die Kaution des Prokuristen bestimmt der Gläubigerausschuß. Der Prokurist muß von den Geschäftsinhabern entlassen werden, sobald der Ausschuß es verlangt 53. von Hahn meinte, ein solcher Vertrag sei "Dritten gegenüber unwirksam". Durch Vertrag könne die Befugnis zum Widerruf der Vollmacht nicht aufgegeben werden 54. Das ergab sich aus der Regelung des Art. 54 ADHGB. Anscheinend hielt aber auch v. Hahn abgesehen davon eine weitreichende Bindung in der Geschäftsführung an Gläubiger für unbedenklich. Diskutiert wurde unter der Geltung des ADHGB auch darüber, ob einem stillen Gesellschafter ein eigenes Recht auf die Geschäftsführung eingeräumt werden durfte. Das Reichsgericht entschied mit Urteil vom 15.3.1893 55, daß eine solche Vertragsgestaltung sich mit einer stillen Gesellschaft nicht vereinbaren lasse. Eine OHG hatte zwei Geldgeber am Gewinn beteiligt und ihnen u. a. das Recht eingeräumt, nach eigenem Ermessen im Geschäft tätig zu sein, Prokura zu verlangen und bei Auflösung der Gesellschaft zu Liquidatoren bestellt zu werden. Das Gericht war der Auffassung, das Rechtsverhältnis sei nach den Gesamtumständen ein Gesellschaftsverhältnis. Es gehe aber über den Rahmen einer stillen Gesellschaft hinaus. Die Geschäfte würden bei der stillen Gesellschaft vom Inhaber des Handelsgewerbes betrieben (Art. 251 ADHGB; vgl. § 230 Abs. 1 HGB). Das Handelsgewerbe sei für den stillen Gesellschafter ein fremdes. Die Geschäftsführung könne ihm "ganz oder teilweise übertragen werden, aber nicht in seiner Eigenschaft als stillem Gesellschafter, sondern nur als Prokuristen oder Bevollmächtigten", die stets den Anweisungen des Prinzipals unterlägen. Das gelte selbst für den Kommanditisten 56. Damit sei die Einräumung der Geschäftsführung

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v. Puchelt, ADHGB, 1876, Art. 101, Anm. la;. ADHGB, 1868, Art. 99, S. 183. v. Hahn, ADHGB, 1877, Art. 117, § 7. RGZ 31, 33. RGZ 31, 33, 39.

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

nach eigenem Ermessen nicht vereinbar. So kam das Reichsgericht zu einer Haftung der Geldgeber gegenüber den Gläubigern im Konkurs der Gesellschaft. Dagegen findet sich in der Literatur zum ADHGB zum Teil die Auffassung, die stille Gesellschaft sei im Innenverhältnis frei gestaltbar. Der Geschäftsinhaber könne dem stillen Gesellschafter Einfluß auf die Geschäftsführung und die Vertretung gestatten und sich selbst ganz davon ausschließen. Nach außen habe eine solche Vereinbarung allerdings keine Wirksamkeit. Diese Einschränkung bezog sich darauf, daß nach außen hin die Geschäfte bei einer stillen Gesellschaft allein im Namen des Inhabers geführt wurden 57. c) Geschäftsführungsbefugnisse von Kommanditisten Die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf einen Kommanditisten als eigenes Recht erklärte das Reichsgericht mit Urteil vom 1.3.1893 58 für zulässig. Es setzte den Kommanditisten also entgegen dem obigen Urteil 59 nicht mit einem stillen Gesellschafter gleich. Zwingend sei nur Art. 167 ADHGB hinsichtlich der Vertretung. Im Innenverhältnis könne die Geschäftsführung gemäß Art. 157, 158 ADHGB beliebig geregelt werden. Es könne vereinbart werden, daß "die Geschäftsleitung in größerem oder geringerem Umfang dem Kommanditisten zustehen und daß der Komplementär dessen Anordnungen unterworfen sein" solle. Das Reichsgericht hielt damit eine Regelung mit dem "Wesen der Kommanditgesellschaft" für vereinbar, wonach ein Komplementär sich verpflichtet hatte, Weisungen des Kommanditisten hinsichtlich der Geschäftsführung zu folgen und den ganzen Warenbedarf der KG beim Kommanditisten zu dekken 60 • Die Auffassungen in der Literatur waren geteilt. Besonders im frühen gesellschaftsrechtlichen Schrifttum findet sich die Meinung, auch dem Kommanditisten stehe die Befugnis zur Geschäftsführung niemals auf Grund des Gesellschaftsvertrags, sondern nur kraft besonderen Auftrags der Komplementäre ZU 61 • Nach der Gegenmeinung konnte dem Kommanditisten "als solchem" die Geschäftsführung im Unterschied zur Vertretung im Gesellschaftsvertrag erteilt werden. Im Außenverhältnis blieb der Widerruf einer Vollmacht gemäß Art. 54 ADHGB, aber immer zulässig 62 • 57 v. Puchelt, ADHGB, 1876, Art. 250, Anm. 8; Staub, ADHGB, 1896, Art. 250, § 9; a.A. Anschütz-Völdemdorff, ADHGB, 1868, Art. 250, S. 549, wonach der stille Gesellschafter nur Kraft "besonderen Auftrags" im Geschäft des Inhabers tätig sein darf. 58 RGZ 31, 72. 59 Fn.55. 60 RGZ 31, 72, 73. 61 Auerbach, Gesellschaftswesen, S. 148; Kräwel, ADHGB, 1862, Art. 157, Anm. 2a; Anschütz-Völdemdorff, ADHGB, 1868, Art. 157, Anm.3; Endemann, Handelsrecht, S.258. 62 v. Puchelt, ADHGB, 1876, Art. 158, Anm. 5; v. Hahn, ADHGB, 1877, Art. 158, § 3, S. 558;.

B. Entwicklung unter ADHGB

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3. Nichtgesellschafter als gerichtlich bestellter Notgeschäftsführer Bei Rechtsstreitigkeiten innerhalb einer Personenhandelsgesellschaft kann die Geschäftsführung durch die Gesellschafter undurchführbar werden oder den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern nicht mehr zumutbar sein. Schon früh lösten die Gerichte dieses Problem durch Bestellung eines Nichtgesellschafters zum Geschäftsführer. Die Bestellung erfolgte durch einstweilige Verfügung für die Dauer des Prozesses. a) Auflösungsprozeß Im Jahre 1875 bestätigte das Reichsoberhandelsgericht eine Entscheidung des Kreisgerichts Wiesbaden 63 • Dieses hatte für eine OHG, deren Gesellschafter um die Auflösung der Gesellschaft und die Einleitung der Liquidation einen Prozeß führten, einen Sequester bestellt. Ihm war die Befugnis zur Geschäftsführung, zur Einziehung der Außenstände und zur Deckung der Schulden übertragen worden. Das Reichsoberhandelsgericht folgerte daraus, daß er auch befugt war, die Gesellschaft zu vertreten. Es hielt die Bestellung des Sequesters für gerechtfertigt, da es zwischen den Gesellschaftern zu Eigenmächt;i.gkeiten und Tätlichkeiten gekommen war. Diese hätten nur dadurch verhindert werden können, daß den Gesellschaftern der Zutritt zu den Geschäftsräumen versagt wurde. Um einen Zustand der Rechtlosigkeit zu verhindern, habe der Prozeßrichter für eine anderweitige Vertretung der Gesellschaft sorgen müssen. b) Entziehungsprozeß

In einer Entscheidung vom 27. 10. 1888 64 befaßte sich das Reichsgericht mit einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden OHG, bei der dem einen die Geschäftsführung oblag. Der andere Gesellschafter klagte auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis (Art. 101 ADHGB). Im Wege der einstweiligen Verfügung hatte das Prozeßgericht daraufhin dem Geschäftsführer untersagt, über das Eigentum der OHG zu verfügen. Es hatte einen Kaufmann S. mit der Geschäftsführung beauftragt. Das Reichsgericht bestätigte, daß das Prozeßgericht von einer "ihm gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch gemacht" habe. Zweck der einstweiligen Verfügung sei es gewesen, dem von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter und der Gesellschaft Schutz zu gewähren.

63 64

ROHG 16,66. RGZ 22, 169.

3 Werra

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

C. Entwicklung unter der Geltung des Handelsgesetzbuchs und des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900 I. Änderungen der Rechtslage durch BGB und das HGB

1. BGB-Gesellschaft

Das BGB von 1896 regelte in den §§ 705 ff. die BGB-Gesellschaft einheitlich für das Deutsche Reich. Die Regelungen der BGB-Gesellschaft wurden vom Gesetzgeber als "allgemeine für jede Art von Gesellschaften maßgebende Rechtsnormen" geschaffen 65 , die gelten, soweit für andere Gesellschaften nichts besonderes bestimmt ist. Die Geschäftsführungsregelung in den §§ 709 ff. unterscheidet sich vor allem dadurch von der bei den Personenhandelsgesellschaften, daß die BGB-Gesellschaft keine unbeschränkte Vertretungsmacht der Gesellschafter kennt. Vielmehr richtet sich die Vertretungsmacht der Gesellschafter (§ 714 BGB) nach dem Umfang der Geschäftsführungsbefugnis (§ 709 BGB) und kann dadurch flexibel ausgestaltet werden. Es gelten die allgemeinen Grundsätze des Vertretungsrechts 66. So können die Gesellschafter auch ihre Haftung beschränken. Die im Gesetz angeordnete Gesamtgeschäftsführung ist abdingbar. Insbesondere kann Einzelgeschäftsführung der Gesellschafter vereinbart und auf diese"W eise die Besorgung der Geschäfte allen Gesellschaftern nach Maßgabe der gesetzlichen Regel des HGB überlassen werden"67. Eine solche über die Gesamtgeschäftsführungsbefugnis hinaus eingeräumte Geschäftsführungsbefugnis ist gemäß § 712 BGB aus wichtigem Grund widerruflich. Die Vertretungsmacht kann gemäß § 715 BGB nur gemeinsam mit der Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden. In den Motiven zum BGB wird der Unterschied zwischen der gesellschaftlichen Geschäftsführung und einer Geschäftsführung kraft Auftrags hervorgehoben. Dort heißt es, die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Gesellschafters sei Teil des Gesellschaftsvertrages und deshalb im Unterschied zu Mandat und Vollmacht grundsätzlich unwiderruflich. Für die Durchbrechung dieses Grundsatzes hinsichtlich der über die Gesamtgeschäftsführung hinaus eingeräumten Geschäftsführungsbefugnis bei Vorliegen eines wichtigen Grundes bestehe ein Bedürfnis, um der Gesellschaft in diesem Fall die Auflösung zu ersparen 68 . Ergänzend verweist das BGB in § 713 für die Rechtsstellung des Geschäftsführers auf die Regelungen über den Auftrag (§§ 664-670). Gemäß § 664 BGB darf 65 Denkschrift zum HGB, S. 80, abgedruckt in: Schubert, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, S. 1015. 66 Mugdan, Materialien zum BGB, S. 340. 67 Mugdan, Materialien zum BGB, S. 337. 68 Mugdan, Materialien zum BGB, S. 338, 340.

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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der Beauftragte die Ausführung des Auftrages im Zweifel nicht Dritten überlassen. Die Übertragung kann ihm aber gestattet sein. In den Motiven zum BGB heißt es dazu, der zur Geschäftsführung berufene Gesellschafter habe wegen seiner Vertrauensstellung seine Verpflichtungen im Zweifel persönlich zu erfüllen. Er könne aber befugt sein, die Geschäftsführung einem anderen zu übertragen oder einen Gehilfen hinzuzuziehen 69. Schließlich ist für die Diskussion um die Selbstorganschaft noch die Vorschrift des § 717 BGB von Bedeutung. Danach sind Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht übertragbar; ausgenommen sind die in § 717 S. 2 BGB genannten vermögensrechtlichen Ansprüche. Die Motive zum BGB begründen dieses "Prinzip" damit, daß der Gesellschaftsvertrag auf gegenseitigem Vertrauen beruhe und das Gesellschaftsverhältnis an die Person des Gesellschafters gebunden sei. "Im Allgemeinen" seien die Ansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag so beschaffen, daß durch Leistung an einen Dritten ihr Inhalt geändert werde 70.

2. Personenhandelsgesellschaften Das HGB von 1897 verweist in § 105 Abs. 2 auf die Regelungen der BGBGesellschaft. Für die Geschäftsführung und Vertretung bei der OHG und KG behielt der Gesetzgeber des HGB aber die Vorschriften des ADHGB im wesentlichen bei. Das HGB enthält in diesem Bereich nur wenige materiell neue Bestimmungen. a) Gesamtvertretung durch Gesellschafter und Prokuristen Die Regelung über die Anordnung einer Gesamtvertretung wurde erweitert

(§ 125 Abs. 3 HGB). Bis zum Inkrafttreten des HGB war die Zulässigkeit einer

Gesamtvertretung von Gesellschaftern und Prokuristen, die in der Praxis verbreitet war, in der Literatur umstritten 71. Diese Streitfrage sollte das HGB mit der Regelung des § 125 Abs. 3 S. 1 klären:

"Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, daß die Gesellschafter, wenn nicht mehrere zusammen handeln, nur in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft ennächtigt sein sollen."

Die Denkschrift zum HGB erläuterte, es bedürfe keiner besonderen Hervorhebung, "daß sich der Umfang der gemeinschaftlichen Vertretungsmacht nach der des Prokuristen richtet"72.

Mugdan, Materialien zum BGB, S. 339. Mugdan, Materialien zum BGB, S. 343. 71 Vgl. Denkschrift zum HGB S. 92, in Schubert, Quellen zum HGB S. 1025. 72 Denkschrift zum HGB, S. 92, abgedruckt in: Schubert, Quellen zum HGB, S. 1025.

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3'

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

b) Geschäftsführung und Vertretung durch Kommanditisten Auch hinsichtlich der Geschäftsführung und Vertretung von Kommanditisten unterscheidet sich das HGB nur geringfügig vom ADHGB. Zwei Änderung sind erwähnenswert. Während in Art. 150 ADHGB der Kommanditist als ein Gesellschafter definiert wurde, der "sich nur mit Vermögenseinlagen betheiligt", stellt § 161 HGB darauf ab, daß bei einem Kommanditisten "die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist". Die Denkschrift zum HGB sagt dazu, die neue Begriffsbestimmung unterscheide sich sachlich nicht von der alten. Sie lehne sich nur enger an die entsprechende Bestimmung der OHG (§ 105 HGB) an und bringe die beschränkte Haftung stärker zum Ausdruck 73 . Die Änderung ist dennoch von Bedeutung, da die Nürnberger Kommission mit der engeren Begriffsdefinition des Art. 150 ADHGB, wie oben gezeigt, gerade zum Ausdruck bringen wollte, daß dem Kommanditisten die Geschäftsführung nicht durch den Gesellschaftsvertrag übertragen werden durfte 74. Bei der Vertretung der Kommanditgesellschaft entfiel die Vorschrift des Art. 167 Abs. 3 ADHGB, wonach der Kommanditist, der die KG vertrat, persönlich haftete, wenn er nicht ausdrücklich erklärte, nur als Prokurist oder Bevollmächtigter zu handeln. Die Denkschrift zum HGB bemerkte dazu lediglich, die Vorschrift sei "um einer Verdunkelung der Verhältnisse der Gesellschaft vorzubeugen, nicht erforderlich"75. c) Entziehungsklage Im Unterschied zum ADHGB kann nach §§ 117, 127 HGB nicht nur die Geschäftsführungsbefugnis, sondern auch die Vertretungsbefugnis durch Gestaltungsklage aus wichtigem Grund entzogen werden. Die Entziehungsklage ist nicht mehr davon abhängig, daß es sich um eine besondere, durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Geschäftsführungsbefugnis handelt (anders § 712 BGB). Dadurch sollte einerseits der Gefahr, die von der Einzelgeschäftsführung und -vertretung der Gesellschafter ausgeht, Rechnung getragen werden 76. Die Einschaltung des Gerichts sicherte andererseits die Stellung des Geschäftsführers 77 •

73 74 75 76 77

S. 110 in: Schubert, Quellen zum HGB, S. 1041. Siehe oben B. I. 2. b). Vgl. Denkschrift zum HOB, S. 114, in: Schubert, Quellen zum HOB, S. 1044. Denkschrift zum HGB, S. 86, in: Schubert, Quellen zum HOB, S. 1020. Denkschrift zum HOB, S. 93, in: Schubert, Quellen zum HOB, S. 1026/1027.

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

37

d) Liquidation Die Regelungen über die Liquidation änderten sich durch das HGB. Auch der Privatgläubiger, der die Gesellschaft gekündigt hat, ist am Liquidationsverfahren beteiligt. Er wirkt bei der Bestellung (§ 146 Abs. 2 HGB) und Abberufung (§ 147 HGB) eines Liquidators und bei der Erteilung von Weisungen (§ 152 HGB) an die Liquidatoren mit. In diesem Fall sind die Gesellschafter im Liquidationsverfahren also auf die Mitwirkung eines Nichtgesellschafters angewiesen 78.

3. Rechtsgeschäftliche Vollmacht Von besonderer Bedeutung auch für die Vertretung von Personengesellschaften war die Neuregelung der Widerruflichkeit der Vollmacht in § 168 Satz 2 BGB und in § 54 HGB. a) Widerruflichkeit einer zivilrechtlichen Vollmacht Im ersten Entwurf des BGB war noch der allgemeine Grundsatz enthalten, daß die Vollmacht widerruflich sei und auf den Widerruf nicht verzichtet werden könne (§ 119-1. Entwurf). Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens setzte sich aber die Ansicht durch, daß es Fälle gebe, in denen ein Bedürfnis für eine unwiderrufliche Vollmacht bestehe. Eine Vollmacht könne nicht nur im ausschließlichen Interesse des Vertretenen, sondern auch im Interesse des Vertreters erteilt werden. Genannt wurde besonders die Vollmacht zum Einziehen von Forderungen. Wegen der Vielfältigkeit der möglichen Fälle sollte die Frage mit § 168 Satz 2 BGB generell geregelt werden 79 • § 168 Satz 2 BGB lautet deshalb: "Die Vollmacht ist auch bei Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt." b) Widerruflichkeit von Handlungsvollmacht und Prokura Im ersten Entwurf zum HGB war Art. 54 ADHGB, der die jederzeitige Widerruflichkeit von Prokura und Handlungsvollmacht anordnete, gestrichen. Der Widerruf sollte sich allgemein nach dem BGB richten. Die Denkschrift zum ersten Entwurf eines Handelsgesetzbuchs führte dazu aus, auch für die handelsrechtlichen Vollmachten könne der freie Widerruf durch das zugrundeliegende Rechtsverhältnis ausgeschlossen sein. Gerade im Handelsrecht bestehe dafür ein besonderes Bedürfnis. Als Beispiele nannte die Denkschrift die Verpachtung eines Dazu Denkschrift zum HGB, S. 105, in: Schubert, Quellen zum HGB, S. 1037. Vgl. Reichsjustizamt, Gutachtliche Äußerungen, S. 190; Achilles, Protokolle der Kommission, S. 9. 78

79

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

Handelsgeschäfts oder die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Handelsgeschäft. Die unwiderrufliche Prokura oder Handlungsvollmacht sei "ein geeignetes Mittel, um ohne Finnenänderung die Vertragsabsicht der Parteien zur Ausführung zu bringen"80. Diese Regelung wurde in der sog. "Kommission Handel"81, die den Entwurf des Handelsgesetzbuchs erörterte, nur bezüglich der Handlungsvollmacht im Ergebnis gebilligt. Die Mehrheit der Kommission hielt die jederzeitige Widerruflichkeit der Prokura für notwendig. Sie sei der Ausgleich für die ausgedehnte Vertretungsmacht, die die Prokura verleihe. Dem bürgerlichen Recht sei eine so weitgehende Vollmacht nicht bekannt, und es bestehe auch darin ein wesentlicher Unterschied, daß bei der Generalvollmacht einzelne Befugnisse ausgeschlossen werden könnten 82 . Die Befürworter einer unwiderruflichen Prokura nannten im Rahmen der Erörterungen als weitere Anwendungsfalle die Erteilung an einen Kommanditisten für die Dauer seiner Beteiligung oder an einen Kreditgeber bis zur Rückzahlung der geliehenen Gelder. Ein Mißbrauch sei nicht zu befürchten, da dieser in der Regel die Aufhebung des der Prokura zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses rechtfertigen werde. Diese Meinung setzte sich nicht durch 83. Für unwiderrufliche Handlungsvollmachten erkannte die Kommission nach einiger Diskussion ein Bedürfnis an. Dabei ging es allerdings allein um damals übliche Ausgabemodalitäten von industriellen Schuldverschreibungen, die mit der Einräumung unwiderruflicher Vollmachten verbunden waren 84. Diesen Vorschlägen folgend wurde die Widerruflichkeit der Prokura in § 52 Abs. 1 HGB aufgenommen. Die für die Reichstagsvorlage korrigierte endgültige Denkschrift verwies nur noch für die Widerruflichkeit der Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) auf § 168 Satz 2 BGB. Als Anwendungsfälle nannte die Denkschrift wiederum die Verpachtung eines Handelsgeschäfts und den Nießbrauch an einem Handelsgeschäft 85 . Für die umfassende und nach außen unbeschränkbare Vertretungsmacht des Prokuristen sollte die freie Widerruflichkeit ein notwendiges Gegengewicht bilden. Selbst ein ausdrücklicher Verzicht auf den Widerruf mußte deshalb wirkungslos sein 86.

80 Denkschrift zum 1. Entwurf eines HGB, S. 49, in: Schubert, Quellen zum HGB, S.49. 81 Vgl. zu dieser Kommission: Schubert, Quellen zum HGB, S. 259. 82 Vgl. Schubert, Quellen zum HGB, S. 387. 83 Vgl. Schubert, Quellen zum HGB, S. 388. 84 Vgl. Schubert, Quellen zum HGB, S. 388; die in der Denkschrift erwähnten Fälle (vgl. Fn. 80) wurden nicht erörtert. 85 Vgl. Denkschrift zum HGB, S. 52/53 in: Schubert, Quellen zum HGB, S. 992/993. 86 Denkschrift zum HGB S. 49/50 in: Schubert, Quellen zum HGB, S. 989/990.

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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Die genannten Änderungen in der Rechtslage gegenüber dem ADHGB beeinflußten auch die Diskussion um die Ausgestaltung der Geschäftsführung und Vertretung bei den Personengesellschaften. 11. Rechtsprechung und Literatur von 1900 bis 1945

1. Organschaftliehe Vertretung bei Personenhandelsgesellschaften a) Ausschluß aller persönlich haftenden Gesellschafter Auch unter der Geltung des HGB stand in Rechtsprechung und Literatur zunächst die Fragestellung im Vordergrund, ob ein Ausschluß aller persönlich haftenden Gesellschafter von der Vertretung einer Personenhandelsgesellschaft zulässig ist. Staub 87 und Bacmeister 88 lehnten das bald nach Inkrafttreten des HGB entgegen der herrschenden Lehre, wie schon das Handelsgericht Köln 89 , ausdrücklich ab. Die Personenhandelsgesellschaft bedürfe ständig einer Vertretung im Umfang des § 126 HGB, wodurch sie sich von der BGB-Gesellschaft unterscheide 90. Schon die Einsetzung eines Prokuristen setze Vertretungsbefugnis der Gesellschafter voraus 91. Die Folge eines unwirksamen Ausschlusses aller Gesellschafter von der Vertretung sei nicht Gesamtvertretung, sondern nach dem gesetzlichen Regelfall Einzelvertretung 92. Die Auffassung, ein Ausschluß aller Gesellschafter von der Vertretung sei unzulässig, setzte sich nur langsam durch und wurde erst in den dreißiger Jahren herrschend 93. Häufig bezeichnete man die Vertretung durch persönlich haftende Gesellschafter als "gesetzliche Vertretung" und zog damit Parallelen zu den Kapitalgesellschaften 94. Entgegen Staub und Bacmeister deuteten die meisten Vertreter dieser Ansicht die unwirksame Vereinbarung über den Ausschluß aller Gesellschafter von der Vertretung aber in eine Gesamtvertretung um 95 • HGB, 1900, § 125, Anm. 2. ZHR 55 (1904), S. 428 ff. 89 s. o. Fn. 33. 90 Bacmeister, ZHR 55 (1904), S. 431. 91 Bacmeister, ZHR 55 (1904), S. 435. 92 Bacmeister, ZHR 55 (1904), S. 437; Staub, HGB 1900, § 125, Anm. 2;. 93 KGJ 52 (1919) A 90; KG JW 1939,424; Ritter, HGB 1910, § 125 Anm. 3; Kohler Arch. Bürg. R 40 (1914), 229; Wieland, Handelsrecht 1921, 585/586; Koenige, JW 1923, 214/215; Müller-Erzbach, Handelsrecht 1928, S. 196; Düringer-HachenburgAechtheim, HGB 1932, § 125, Anm. 4; Wilker, Entziehung der Vertretungsmacht, 1933, S.237; Schlegelberger-Geßler, HGB 1939, § 125, Rd.-Zf. 11;. 94 Wieland, Handelsrecht, 1921, S. 586; Koenige, JW 1923, S. 214/215. 95 So Wieland, Handelsrecht 1921, S. 585, Fn. 7; Düringer-Hachenburg-F1echtheim, HGB, 1932, § 125, Anm.4; Wilker, Entziehung der Vertretungsmacht, 1933, S.27, m.w.N. 87 88

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

Die Befürworter der Gegenmeinung, die eine ausschließliche Vertretung durch einen Prokuristen für möglich hielten, betonten den Unterschied gegenüber einer Gesamtvertretung durch alle Gesellschafter. Den Gesellschaftern verbleibe lediglich das Recht, in die Vertretung der Gesellschaft durch Vertrags änderung einzugreifen. Auf diesem Wege blieben sie gemeinsam die Herren des Unternehmens. Im Unterschied zur Gesamtvertretung sei eine passive Vertretung durch einzelne Gesellschafter aber ausgeschlossen (vgl. § 125 Abs. 2 Satz 3 HGB)96. Nach dieser Auffassung waren die vertretungsberechtigten Gesellschafter nicht gesetzliche Vertreter, sondern nur "Bevollmächtigte", die auch durch Prokuristen ersetzt werden konnten 97. In die gleiche Richtung tendierte auch das Reichsgericht. In einem Urteil aus dem Jahre 1910 98 entschied es, daß auch dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien im Wege der Entziehungsklage die Vertretungsmacht entzogen werden dürfe. Da die Vorschriften zur KGaA für die Geschäftsführung und Vertretung auf die Regelungen für die KG verweisen, äußerte sich das Reichsgericht auch zur Geschäftsführung und Vertretung bei den Personenhandelsgesellschaften. Entgegen Staub und Bacmeister erklärte es den Ausschluß aller Gesellschafter von der Vertretung "sei es durch Vertrag, sei es durch Richterspruch" für zulässig 99 • Die Vertretung sei zugleich Wahrnehmung eigener Rechte und Stellvertretung für die Mitgesellschafter. Von beidem könne ein Gesellschafter nach der positiven Vorschrift des Gesetzes ausgeschlossen werden, also auch von der Wahrnehmungszuständigkeit für das eigene Recht. Es sei "ein Schluß zwingender Logik", daß das, was von einem Gesellschafter gelte, für alle gelten müsse. Gerade dort, wo der einzige zur Vertretung ermächtigte Gesellschafter versage, sei ein Einschreiten der Gerichte zum Schutz der Mitgesellschafter erforderlich 100. Die Folge sei nicht Gesamtvertretung; die Gesellschaft stehe vielmehr dann ohne jeden Vertreter da. Jedenfalls bei der KGaA könne durch die Bestellung eines Notvertreters gemäß § 29 BGB die Vertretung vorübergehend geregelt werden, bis sich die Gesellschafter geeinigt hätten 101. 96 Hoeniger, DR, 1903, 234/235; Dettmann, Vertretungsmacht, 1903, S.27; Hill, Vertretungsmacht, 1911, 22; Lehmann-Ring, HGB, 1914, § 125, Nr. 8; Braude, Kommanditist, 1913, S. 47; Neufeld-Schwarz, HGB, 1931, § 125, Anm. 2; Königliche Kammer für Handelssachen zu Annaberg: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß, 10 (1900), 773; KG DR, 1923, Nr. 365; dagegen meinten andere, der Ausschluß aller Gesellschafter sei gleichbedeutend mit der Anordnung einer Gesamtvertretung, so OLGR 2 (1900), 516; Makower, HGB (1906) § 125 Vb; der Unterschied zur Gegenmeinung, die den Ausschluß für unzulässig hielt, betraf insoweit nur die Form der Handelsregistereintragung (vgl. dazu schon den Meinungsstand zu Zeiten des ADHGB, s. o. B. 11. 1. b). 97 Braude, Kommanditist 1913, S. 44;. 98 RGZ 74, S. 297 ff. 99 RGZ 74, S. 299. 100 RGZ, 74, S. 301.

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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Auch diejenigen in der Literatur, die von einer gesetzlichen Vertretung der Personenhandelsgesellschaften durch die persönlich haftenden Gesellschafter ausgingen 102, stimmten dem Reichsgericht für den Fall der Entziehungsklage zumeist zu. Im Unterschied zum Ausschluß aller Gesellschafter von der Vertretung durch vertragliche Vereinbarung sei die Entziehungsklage gegen den einzigen vertretungsbefugten Gesellschafter zur Abwendung eines Notstandes erforderlich 103. Dabei nahm man an, daß § 29 BGB nur auf Körperschaften und nicht auf Personengesellschaften Anwendung finden konnte 104. Es stand aber zur Bestellung eines Notvertreters der schon unter der Geltung des ADHGB beschrittene Weg der einstweiligen Verfügung offen 105. Einige hielten aber auch die Entziehungsklage gegen den letzten vertretungsbefugten Gesellschafter für unzulässig 106. Eine vertretungslose Gesellschaft werde handlungsunfähig und müsse sich auflösen. b) Übertragung auf Nichtgesellschafter oder Kommanditisten An die Frage des Ausschlusses aller persönlich haftenden Gesellschafter von der Vertretung durch vertragliche Vereinbarung schließt sich die an, ob einem Nichtgesellschafter oder Kommanditisten die Vertretungsmacht gemäß § 126 HGB übertragen werden kann. Sie wurde in drei Bereichen diskutiert. aa) Gesamtvertretung durch Gesellschafter und Prokuristen Das erste Problem bereitete die Auslegung des § 125 Abs. 3 HGB. Kurz nach Inkrafttreten des HGB gab es Stimmen in der Literatur, die eine Bindung auch des einzigen vertretungs befugten Gesellschafters an die Mitwirkung eines Prokuristen für zulässig hielten 107. Marcus berief sich auf die Vertragsfreiheit der Gesellschafter bei der Regelung der Vertretung. Wenn der Ausschluß aller Gesellschafter von der Vertretung zulässig sei, müsse ein Zusammenhandeln eines Gesellschafters und eines Prokuristen erst recht angeordnet werden können. Auch aus § 146 HGB ergebe sich, daß einem Nichtgesellschafter die organschaftliche Vertretung überlassen werden dürfe 108. Zustimmend ebenfalls für eine KGaA: RGZ 82, 360. s. o. Fn. 87, 88, 93. 103 Wieland, Handelsrecht, 1921, S. 588, Fn. 17; Staub, 1932, HGB, § 127, Anm. 3; Ritter, HGB, 1932, § 127, Anm. 2a; Wilker, Die Entziehung der Vertretungsmacht, 1933, S. 33; KG JW 1939, S. 424. 104 Vgl. Wilker, Entziehung, S. 33; Koenige, JW 1923,214, m. w.N. 105 Vgl. Wieland, Handelsrecht, 1921, S. 588. 106 Koenige JW 1923, 214; Düringer-Hachenburg-Flechtheim, HGB, 1932, § 127, Anm. 9; Schlegelberger-Geßler, HGB, 1939, § 127, Anm. 9. 107 Staub, HGB, 1900, § 125, Anm. 12; Makower, HGB, 1900, § 125 IV c; Marcus DJZ 1910, S. 527. 101

102

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorgansehaft

Das Kammergericht begründete im Jahre 1912 ausführlich den gegenteiligen Standpunkt, der sich allgemein durchsetzte 109. Eine Gesamtvertretung mit einem Prokuristen könne nur vereinbart werden, wenn mindestens zwei vertretungsberechtigte Gesellschafter vorhanden seien. Neben dem Wortlaut des § 125 Abs. 3 HGB spreche dafür die Notwendigkeit, die Gesellschaft vor einer Abhängigkeit vom Prokuristen zu schützen. Andernfalls erlange dieser entscheidenden Einfluß auf die gesamte Entwicklung der Gesellschaft. Dem "eigentlichen Vertretungsorgan", dem Gesellschafter, werde die Möglichkeit selbständigen Handeins genommen. Der Prokurist könne sein Tätigwerden verhindern. Es bestehe keine Möglichkeit, die Prokura ohne Mitwirkung des Prokuristen zu widerrufen. Auch für die Aktiengesellschaft und die GmbH entsprach es schon damals ganz herrschender Meinung, daß der einzige Geschäftsführer oder Vorstand nicht an die Mitwirkung eines Prokuristen gebunden werden konnte 110. Wenn Prokurist und Gesellschafter als Gesamtvertreter handelten, so war ihre Vertretungsmacht allerdings nicht auf die der Prokura beschränkt. Das entschied das Reichsgericht im Jahre 1932 und widersprach damit der Denkschrift zum HGB 111.

bb) Organschaftliche Vertretung durch Kommanditisten Ähnlich übereinstimmend lehnten Rechtsprechung und Schrifttum die Übertragung der Vertretung im Umfang des § 126 HGB auf einen Kommanditisten ab. § 170 HGB stand dem entgegen. Die Komplementäre waren die "gesetzlichen Vertreter der KG" 112. Wieland meinte, der die OHG und KG beherrschende Grundsatz, wonach der Leiter des Unternehmens mit seinem ganzen Vermögen für die Verbindlichkeiten einstehe, dürfe nicht dadurch wirkungslos gemacht werden, daß der beschränkt haftbare Teilhaber, sei es allein, sei es gemeinsam mit einem vielleicht insolventen Komplementär, die Vertretung ausübe 113. Die Gegenmeinung argumentierte auch hier damit, die Vertretung durch die Komplementäre sei keine gesetzliche, sondern nur eine rechtsgeschäftliche Stellvertretung, die im Gesellschaftsvertrag beliebig geregelt werden könne 114. Der Marcus, DJZ 1910, S. 527. KGJ 44, S. 126 = DR, 1912, Nr.2782; Goldmann, HGB, 1905, § 125, Anm. 3; HilI, Die Vertretungsmaeht, 1911, S. 31/32; Makower, HGB, 1906, § 125 IV e; Ritter, HGB, 1910, § 125, Anm.3; Kohler, Areh. Bürg. R, 40 (1914), 229, 253; DüringerHaehenburg-Flechtheim, HGB, 1932, § 125, Anm. 14; Staub, HGB, 1932, § 125, Anm. 3; KG JW 1939,424. 110 KGJ 20, 34; 29,95. 111 RGZ 134,303, und oben Fn. 72. 112 Goldmann, HGB, 1905, § 170, Anm. 15; Makower, HGB, 1906, § 170, Anm. 170; Lehmann-Ring, HGB, 1914, § 170, Nr. 2; Wieland, Handelsrecht, 1. Bd. 1921, S. 754; Staub, HGB, 1932, § 170, Anm. 4; Düringer-Haehenburg-Flechtheim, HGB, 1932, § 170, Anm.4. 113 Wieland, Handelsrecht, 1921, S. 754. 114 Braude, Der Kommanditist, 1913, S. 47. 108

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C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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Kommanditist könne im übrigen gemäß § 125 Abs. 3 HGB als Prokurist über eine gemischte Gesamtvertretung mit einem Komplementär zu einem vollwertigen Vertreter der Gesellschaft werden. Dann sei es nicht einzusehen, daß ihm nicht auch allein die Vertretungsmacht gemäß § 126 HGB übertragen werden dürfe 115. Nach dem Wegfall des Art. 167 Abs. 3 ADHGB sei der Weg frei, auch einem Kommanditisten gesellschaftliche Vertretungsmacht zu erteilen 116. Der Kommanditist sei als beschränkt Haftender kein "Handelstreibender zweiter Klasse"; das folge schon daraus, daß ihm die alleinige Geschäftsführungsbefugnis übertragen werden dürfe 117. ce) Organschaftliehe Vertretung durch Nichtgesellschafter (Selbstorganschaft - Drittorganschaft)

Gelegentlich findet sich schließlich seit 1900 auch die Auffassung, die Vertretungsmacht im Umfang des § 126 HGB könne unter Ausschluß aller Gesellschafter auf einen Nichtgesellschafter übertragen werden 118. Hellwig, der wohl als erster diese Möglichkeit befürwortete, verwies darauf, das Recht der Verfügung und Verwaltung bei einer OHG sei Ausfluß der selbständigen Rechtsstellung des Gesellschaftsvermögens, was mit der Situation bei einer juristischen Person vergleichbar sei 119. Ein durch Gesellschaftsvertrag bestimmter Drittvertreter unterscheide sich von einem Prokuristen so, wie das verfassungsmäßige Organ eines Vereins von dem durch den Vorstand bestellten Generalbevollmächtigten 120. Das Kammergericht ließ durch Beschluß vom 16.6.1921 121 die Eintragung eines Nichtgesellschafters als Vertreter einer OHG zu, ohne das näher zu begründen. Die beiden Gesellschafter, zwei Aktiengesellschaften, waren von der Vertretung ausgeschlossen. Statt dessen war das Vorstandsmitglied einer der beiden Aktiengesellschaften als Vertreter eingetragen. Das OLG München nahm in einer viel beachteten Entscheidung aus dem Jahre 1937 122 für die Zulässigkeit einer organschaftlichen Vertretung durch Nichtgesellschafter ausführlich Stellung. Im Ausgangspunkt teilte es die damals schon herrMarcus in: HoldheimsZ, 1909, 160. Braude, Kommanditist, 1913, S. 48. 117 Braude, Kommanditist, 1913. S. 8, 19. 118 Hellwig, Anspruch und Klagerecht, 1900, S. 274/275; KG vom 16. Juni 1922, OLGR 42, 214 = DR, 1923, Nr. 365; Goldschmitt, HGB 1929, § 125, Anm.4; OLG München vom 14.7.1937, ZAKDR 1937,761 = JFG 16,65. 119 Hellwig, Anspruch und Klagerecht, 1900, S. 274; vgl. auch Goldschmitt, HGB, 1929, § 125, Anm.4, der auf die Annäherung der OHG an eine juristische Person im Außen verhältnis verweist. 120 Hellwig, Anspruch, S. 274, Fn. 27. 121 KG OLGR 42, 214. 122 OLG München JFG 16,65,67 ff. = ZAKDR 1937,763. 115

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

sehende Meinung, wonach der einzige Komplementär einer KG nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen werden durfte, weil eine Personengesellschaft einen organschaftlichen Vertreter haben mußte. In einem bemerkenswert umfangreichen obiter dictum 123 führte das OLG München dann aus, die organschaftliehe Vertretung durch einen Nichtgesellschafter sei mit dem Wesen der Personenhandelsgesellschaft als einer den Gläubigem unbeschränkt haftenden Gesamthandsgemeinschaft vereinbar 124. Die Gesellschaft könne immer nur durch ihre Organe handeln. Im Unterschied zur BGB-Gesellschaft verträten die Organe die Gesellschaft und nicht die Gesellschafter. Wenn es einen Selbstvertretungsgrundsatz bezüglich der Gesellschafter gebe, dann sei dieser schon durch den Ausschluß einzelner von der Vertretung durchbrochen. Die verfassungsmäßige Vertretung durch Organe habe im Rechtsbereich des einzelnen, der nur selbst und nicht durch Organe handele, kein Gegenbild. Die Einsetzung eines Drittorgans sei für die Gesellschafter auch nicht gefährlich, da sie dem Dritten im Innenverhältnis Beschränkungen auferlegen könnten. Ein praktisches Bedürfnis bestehe, wenn der einzige zur Leitung befähigte Gesellschafter sterbe. Die Bestellung eines Prokuristen zum Geschäftsführer sei wegen der beschränkten Vertretungsmacht eines Prokuristen nicht ausreichend. Die Wahl eines Dritten zum Geschäftsführer werde erschwert, wenn sie mit der Aufnahme in die Gesellschaft verbunden sei. Da der Gesetzgeber die Einsetzung eines Drittorgans nicht ausdrücklich verboten habe, im Unterschied etwa zu § 9 Abs.2 GenG, sei sie zulässig. Dagegen hielt die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Übertragung der organschaftlichen Vertretungsmacht auf einen Nichtgesellschafter für unzulässig. Das Kammergericht, das in seiner Rechtsprechung schwankte, lehnte bereits in einem Beschluß vom 11.7. 1919 125 die Einsetzung eines Drittorgans ab. In diesem Fall hatte eine Kommanditgesellschaft eine AG und eine natürliche Person als Komplementäre sowie eine GmbH als Kommanditistin. Vertretungsberechtigt sollten nach dem Gesellschaftsvertrag nicht die AG, sondern zwei Vorstandsmitglieder der AG gemeinsam oder zusammen mit einem Prokuristen sein. Das Gericht wies den Eintragungsantrag mit der Begründung zurück, eine OHG oder KG könne sich ebensowenig wie eine natürliche Person der Möglichkeit begeben, sich selbst zu vertreten. Diese Entscheidung bestätigte das Kammergericht mit Beschluß vom 8. 12. 1938 126 unter Aufgabe der gegenteiligen Entscheidung vom 16.6. 1921 127 • Es ging um die Eintragung einer alleinigen Gesamtvertretung durch einen Kom123 Die Gesellschafter hatten gar keinen Nichtgesellschafter zum Vertreter eingesetzt, so daß die Frage nicht entscheidungserheblich war. 124 OLG München, JFG 16,65,69. 125 KGJ 52, 90. 126 JW 1939,424. 127 s. o. Fn. 121.

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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plementär und einen Kommanditisten. Das Kammergericht faßte in seinem ablehnenden Beschluß die Argumente der damals herrschenden Meinung zu den §§ 125 Abs. 3 und 170 HGB zusammen und widersprach der Auffassung des OLG München. Im Gesetz sei gemäß § 146 HGB eine Drittvertretung nur für den Fall der Liquidation vorgesehen. In § 125 HGB fehle dagegen eine ausdrückliche Zulassung der Drittorganschaft. Bei der Vertretung durch einen Nichtgesellschafter bestehe wie bei der Vertretung durch einen Kommanditisten die Gefahr des Mißbrauchs. Ein Nichtgesellschafter könne sich dann unter Vorschiebung einer vermögenslosen Person für sein Unternehmen die Beschränkung seiner Schuldenhaftung verschaffen 128. In der Literatur wurde die Frage bis zum Urteil des OLG München nur selten ausdrücklich erörtert, da man eine solche Gestaltung wie schon zu Zeiten des ADHGB 129 wohl selbstverständlich für unzulässig hielt. Bereits Kohler 130 und Wieland 131 stellten aber als zwingendes Wesensmerkmal der Personenhandelsgesellschaften heraus, daß das Recht zur Geschäftsführung und Vertretung nur einem (persönlich haftenden) Gesellschafter zustehen könne. Wieland verwendete dafür den Begriff "Selbstorganschaft". Bei beiden steht die Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter, ihr Eigenrecht zur Geschäftsführung und Vertretung im Vordergrund der Überlegungen, worauf im Folgenden (v gl. unter 2. a, aa.) noch näher eingegangen wird. Die Literatur nach 1937 lehnte ausnahmslos die Rechtsprechung des OLG München ab. Häufig findet sich das Argument, das Wesen einer Personengesellschaft sei mit einer Fremdorganschaft nicht vereinbar. Dieses sei von der persönlichen Haftung der Gesellschafter, ihrem persönlichen Einsatz und ihrem moralischen Geradestehen für die Handlungen der Gesellschaft geprägt 132. Nur unbeschränkt haftende Gesellschafter dürften die Gesellschaft vertreten, weil nur sie als Risikoträger die Mitgesellschafter unmittelbar berechtigen und verpflichten könnten. Die Ausnahme in § 146 HGB rechtfertige sich dadurch, daß es nicht mehr um den "Betrieb eines Handelsgewerbes", sondern lediglich noch um seine Abwicklung gehe 133 • Gelegentlich wurde in der Literatur die Unübertragbarkeit der organschaftlichen Vertretung in Anlehnung an Wieland als Grundsatz der Selbstorganschaft bezeichnet 134. KG JW 1939,424/425. s. o. B. I. 2. c. 130 Arch. Bürg. R. 40 (1914), 229 ff. 131 Handelsrecht, 1921, S. 473 ff. 132 Bergmann in Anmerkung zum Urteil des OLG München, ZAKDR 1937, 763; Boesebeck, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft, 1938, S. 14/15; Schlege1bergerGeß1er, HGB, 1939, § 125, Rd.-Zf. 11; RGRK-Weipert, HGB, 1942, § 125, Anm.4. 133 Groschuff in: Anmerkung zum Beschluß des Kammergerichts vom 8.12.1938, JW 1939, S. 425 ff. 128

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

2. Geschäftsführung bei den Personengesellschaften a) Geschäftsführungsbefugnisse von Nichtgesellschaftern Parallel zur Entwicklung bei der Vertretung gab es seit der Jahrhundertwende Stimmen in der Literatur, die den Ausschluß aller Gesellschafter von der Geschäftsführung und ihre Übertragung auf einen Nichtgesellschafter ausdrücklich für unzulässig erklärten 135. Dem widersprachen auch noch in den dreißiger Jahren namhafte Kommentatoren des Handelsgesetzbuches 136. Bei der Beurteilung einzelner Sachverhalte lagen die beiden Meinungen, wie sich zeigen wird, aber nicht sehr weit auseinander. Die einen betonten mehr die Geschäftsführungsrechte, die den Gesellschaftern vorbehalten bleiben mußten, die anderen mehr die Geschäftsführungsbefugnisse, die nach meist übereinstimmender Auffassung Nichtgesellschaftern übertragen werden konnten. Die Unterschiede waren weitgehend terminologisch bedingt. Konkrete Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Möglichkeiten, Nichtgesellschafter mit Geschäftsführungsaufgaben zu betrauen, lassen sich nur selten feststellen.

aa) Unübertragbarkeit der gesellschaJtsrechtlichen Geschäftsführung (S elbstorganschaJt -D rittorganschaft) Diejenigen, die den Ausschluß aller Gesellschafter von der Geschäftsführung und ihre Übertragung auf einen Nichtgesellschafter für unzulässig erklärten, betonten den grundlegenden Unterschied zwischen den Geschäftsführungsrechten von Gesellschaftern und Nichtgesellschaftern. Sie argumentierten, Gesellschafter könnten nicht von der "Geschäftsführung im engeren Sinne" ausgeschlossen werden 137. Denn selbst wenn sie vereinbarten, daß die Geschäfte ausschließlich von einem Angestellten besorgt werden sollten, hindere sie das nicht, gemeinschaftlich in die Geschäftsführung einzugreifen. Der Dritte habe lediglich die Stellung eines Beauftragten, dessen Rechtsverhältnis sich nicht nach dem Gesellschaftsrecht, sondern nach den Regeln des Auftrages und der Geschäftsbesorgung richte. Den Gesellschaftern blieben immer noch die Rechte der Geschäftsführung, 134 Boesebeck, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft, S. 14/15; SchlegelbergerGeBIer, HGB, 1939, § 125, Rd.-Zf. 11. 135 Knoke, Die BGB-Gesellschaft, 1901, S. 74; Kohler, Arch. Bürg. R., Bd. 40 (1914), 229, 253; Wieland, Handelsrecht, 1921, S.565; Düringer-Hachenburg-Geiler, HGB, 1932, Einleitung, Anm. 106; Staub, HGB, 1932, § 114, Anm. 5; Würdinger, Gesellschaften, 1. Teil, Recht der Personalgesellschaften, 1937, S.48/49; Schlegelberger-Geßler, HGB, 1939, § 114, Anm. 6. 136 Düringer-Hachenburg-Flechtheim, HGB, 1932, § 114, Anm. 4; Ritter, HGB, 1932, § 114, Anm.4; RGRK-Weipert, HGB, 1942, § 114, Anm. 10; bis in die 30er Jahre herrschende Meinung, vgl. Makower, HGB, 1906, § 114 Anm. 11; Lehmann-Ring, HGB, 1914, § 114, Nr. 4; Nachweise für die Zeit des ADHGB: s. o. B. 11. 2. 137 So wohl erstmals Knoke, BGB-Gesellschaft, 1901, S. 21.

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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nämlich den Dritten anzuweisen oder ihn abzuberufen, die unübertragbar seien und zu deren Ausübung jemand vorhanden sein müsse. Die gesellschaftsrechtliche Geschäftsführung sei bei allen Personengesellschaften stets Ausfluß der Mitgliedschaft 138. Kohler 139 und besonders Wieland 140 stellten das Eigenrecht der Gesellschafter auf die Geschäftsführung und Vertretung und seine Nichtübertragbarkeit als Wesensmerkmal heraus, das die Personengesellschaft von anderen Gesellschaftsformen unterscheide. Kohler, dessen Ausführungen sich auf die OHG bezogen, meinte, das "Organschaftsrecht" zur Geschäftsführung und Vertretung könne nur einem persönlich haftenden Gesellschafter zustehen. Es dürfe niemand "regierender Vorstand" einer OHG sein, der nicht Gesellschaftsmitglied sei und als solches für die Schulden hafte 141. Mangels persönlicher Haftung sei auch die Rechtsstellung der Vorstände einer AG und der Geschäftsführer einer GmbH stets widerruflich 142. Das gelte auch für die Rechtsstellung des Liquidators, der, da er nicht hafte, gemäß § 147 HGB jederzeit abberufbar sei 143. Es sei nach "der ganzen Struktur der Gesellschaft unmöglich, daß allen Gesellschaftern die Geschäftsführung oder Vertretung entzogen und diese anderen Personen übertragen" werde. Insbesondere sei es unzulässig, einen Prokuristen zum unwiderruflichen Geschäftsführer zu bestellen. Das Eigenrecht der Gesellschafter auf die Geschäftsführung bezeichnete Wieland als Selbstorganschaft. Diese zeichne "individualistische Gesellschaften", wie die BGB-Gesellschaft, die OHG, die KG und die KGaA aus. Dagegen stehe den Mitgliedern ,,kollektivistischer Gesellschaften", wie den öffentlich-rechtlichen Verbänden, den Vereinen, den Genossenschaften und vor allem der AG, die Geschäftsführung nicht "als solchen" zu; es liege Drittorganschaft vor. Die GmbH lasse beide Ausgestaltungen zu 144. 138 Düringer-Hachenburg-Geiler, HGB, 1932, Einleitung, Anm. 106; SchlegelbergerGeßler, HGB, 1939, § 114, Anm. 4, m. w.N. 139 Arch. Bürg. R. 40 (1914), 229. 140 Handelsrecht, 1921, S. 473 ff. 141 Kohler Arch. Bürg. R. 40, S. 252. 142 Kohler, Arch. Bürg. R., 40, 229, 252; Kohler war der Meinung, auch durch § 38 Abs. 2 GmbHG sei die Gesellschaft nicht gehindert, jederzeit die Geschäftsführung dem Geschäftsführer zu entziehen; bei Fehlen eines wichtigen Grundes sollte nur eine Schadensersatzpflicht entstehen. 143 Kohler, Arch. Bürg. R. 40, 229, 253. 144 Wieland, Handelsrecht, S. 474; schon Roth hatte im Jahre 1912 formuliert, eine kollektivistisch-kapitalistische Gesellschaft unterscheide sich grundsätzlich von der individualistischen Gesellschaft durch den Gegensatz von Drittorganschaft und Selbstorganschaft. Nur die Personengesellschaft ziehe ihre Mitglieder als solche persönlich zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks heran. In diesem Fall liege Selbstorganschaft vor. Werde der Gesellschaftszweck von bestellten Personen, seien es Mitglieder, seien es Fremde verwirklicht, handele es sich um Drittorganschaft. Roth folgerte aus dieser

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

Dieses Verhältnis von Mitgliedschaft und Organschaft soll den verschiedenen Gesellschaftsformen zwingend aufgeprägt sein und nicht der Disposition der Parteien unterliegen. Mit ihm stehen nach Wieland "alle sonstigen Unterschiede in innerem Zusammenhang" 145. So bleibe z. B. eine OHG, die sich wegen ihrer großen Mitgliederzahl mit Vorstand und Aufsichtsrat eine an die AG angelehnte Organisation gegeben habe, eine individualistische Gesellschaft, da die geschäftsführenden Gesellschafter "Herren des Unternehmens" seien, die Organe einer AG aber deren "Diener" 146. Die Übertragung organschaftlicher Befugnisse auf ein Nichtmitglied zu eigenem Recht scheide dabei von vornherein bei allen Gesellschaftsformen aus. Nur dem Gesellschafter, nicht dem Beauftragten könne die Geschäftsführung als Eigenrecht bei der OHG 147, bei der KG 148 oder aber auch bei der GmbH 149 übertragen werden. Sogar ein Eigenrecht der GmbH-Gesellschafter zur Geschäftsführung gemäß

§ 38 Abs. 2 GmbHG und damit Selbstorganschaft bei der GmbH soll nur möglich

sein, wenn die GmbH eine eng begrenzte Zahl von Teilnehmern hat l50 • Eine große Mitgliederzahl sei mit einem Eigenrecht auf Geschäftsführung bei der GmbH nicht vereinbar, da ein solches Recht das unbedingte Vertrauen der übrigen Gesellschafter verlange. Selbstorganschaft setze insoweit überschaubare Verhältnisse voraus 151. Mit der KGaA sei der Versuch, die Selbstorganschaft in eine Gesellschaftsform einzuführen, deren Struktur der AG ähnlich sei, wie die geringe Zahl dieser Gesellschaften zeige, gescheitert 152. bb) Übertragbare Geschäftsführungsrechte

Diejenigen in der Literatur, die den Ausschluß aller Gesellschafter von der Geschäftsführung und ihre Übertragung auf einen Nichtgesellschafter befürworteten, trennten scharf zwischen der Geschäftsführung und der Vertretung. Einem Nichtgesellschafter durften danach die "vollen Aufgaben eines geschäftsführenden Gesellschafters", nicht aber die Rechtsstellung eines vertretungsberechtigten Gesellschafters übertragen werden 153.

Unterscheidung, die Vereinbarung von Nebenleistungspflichten im GmbH-Vertrag und die damit verbundene größer persönliche Einbeziehung der Gesellschafter sei ein Fremdkörper im Recht der GmbH und sei deshalb unzulässig, LeipZ, 1912, S. 266. 145 Wieland, Handelsrecht, S. 478. 146 Wieland, Handelsrecht, S. 479. 147 Wieland, Handelsrecht, S. 562, Fn. 4. 148 Wieland, Handelsrecht, S. 753, Fn. 42. 149 Wieland, Handelsrecht, S. 482/483, m. w. N. 150 Wieland, Handelsrecht, S. 475. 151 Wieland, Handelsrecht, S. 485. 152 Wieland, Handelsrecht, S. 485.

C. Entwicklung unter dem HOB und BOB

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Besonders Weipert begründete diese Auffassung eingehend. Er unterzog den Fremdeinfluß auf Personengesellschaften einer grundsätzlichen Betrachtung. Dabei sah er die Übertragbarkeit der Geschäftsführung als Ausnahme von einem Grundsatz an, wonach Nichtgesellschaftern Mitverwaltungsrechte nicht eingeräumt werden durften. Das Wesen einer Personengesellschaft als einer auf persönlichem Vertrauen beruhenden und auf gegenseitige Zusammenarbeit gerichteten Vereinigung bringe es mit sich, daß die sog. Sozialrechte der Gesellschafter nicht übertragbar seien, was in § 717 BGB zum Ausdruck komme. Daraus folge die Auslegungsregel: "Dritte sollen von dem inneren Leben der Gesellschaft tunliehst ferngehalten werden" 154. Nach damals ganz herrschender Meinung 155 war § 717 BGB allerdings nicht zwingend. Die Gesellschafter konnten auf diese Schutzvorschrift bei Zustimmung aller verzichten. Weipert war dagegen der Meinung, bestimmte Rechte, die nur in Verbindung mit der Mitgliedschaft denkbar seien, könnten auch bei Zustimmung aller Gesellschafter nicht auf einen Dritten übertragen werden. Dazu zählte er u. a. die Herrschafts- und Mitverwaltungsrechte, das Recht zur Vertretung (§ 125 HGB), das Stimmrecht (§ 119 HGB), nicht aber die Geschäftsführungsbefugnis 156. Bei den Geschäftsführungsbefugnissen handele es sich nicht um "eigentliche Herrschaftsrechte" wie beim Stimmrecht. Die Übertragbarkeit der Geschäftsführungsbefugnisse bei Zustimmung aller Gesellschafter ergebe sich aus §§ 713, 664, S. 1, BGB 157. Die Gesellschafter blieben auch beim Ausschluß aller von der Geschäftsführung die "Herren des Unternehmens", da sich die Geschäftsführung der Nichtgesellschafter nur auf gewöhnliche Geschäfte beziehe (§ 116 HGB), bei Grundlagengeschäften eine Mitwirkung der Gesellschafter erforderlich bleibe und die Gesellschafter insbesondere die Auflösung der Gesellschaft beschließen könnten 158.Diese Ausführungen deuten darauf hin, daß Weipert eine weitgehende Verdrängung der Gesellschafter aus der Geschäftsführungsposition für zulässig hielt. Nach anderer Auffassung waren die Gesellschafter auch bei Ausschluß aller von der Geschäftsführung nicht gehindert, bestimmte einzelne Maßnahmen jeweils gemeinsam zu beschließen 159. Sie unterschied sich kaum von der Gegenauf-

153 Düringer-Hachenburg-Flechtheim, HOB, 1932, § 114 Anm. 4; Ritter, HOB, 1932, § 114, Anm. 4; RORK-Weipert, HOB 1942, § 114, Anm. 10. 154 RORK, HOB, 1942, § 109, Anm.4. 155 Vgl. Staub, HOB, 1932, § 109, Anm. 14; Schlegelberger-Oeßler, HOB, 1939, § 109, Rd.-Zf. 12; Planck, BOB, 1928, § 717, Anm. 3. 156 RORK, HOB, 1942, § 109, Anm. 7. 157 RORK HOB, 1942, § 109, Anm. 9. 158 RORK, HOB, 1942, § 114, Anm. 10. 159 Düringer-Hachenburg-Flechtheim, HOB, 1932, § 114, Anm. 4. 4 Werr.

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

fassung, wonach ein Ausschluß aller Gesellschafter von der "Geschäftsführung im engeren Sinne" nicht zulässig war l6O • Im Ergebnis war der Unterschied zur Gegenmeinung auch sonst nicht groß. Bei den Beispielen, die in der Literatur dafür angeführt wurden, daß Nichtgesellschaftern die Geschäftsführung übertragen werden konnte, handelte es sich weitgehend um in der Praxis anerkannte Fallgestaltungen. Nach allgemeiner Auffassung wurde es als zulässig angesehen, daß die Geschäftsführer einer Personengesellschaft auch die eigentliche Unternehmensleitung, d.h. "Geschäftsakte, die Selbständigkeit, eigene Initiative und den Blick auf das Ganze erforderten", Dritten überlassen konnten, wenn der Gesellschaftsvertrag das erlaubte 161. Weitergehend entschied das Reichsgericht 162, die Teilhaber einer OHG könnten vereinbaren, daß der alleinige geschäftsführende und vertretungsberechtigte Gesellschafter zwar als solcher eingetragen bleibe, die Geschäftsführung aber von Angestellten (Direktoren) besorgt werde. Ein einseitiger Wiedereintritt in die Geschäftsführung sei dadurch ausgeschlossen. Die Literatur verwies ferner darauf, daß Nichtgesellschafter sogar ein eigenes Recht auf die Geschäftsführung haben könnten. Das sei der Fall, wenn die Gesellschafter z. B. einem Geldgeber und Bevollmächtigten gegenüber verpflichtet seien, die Geschäfte nur durch ihn führen zu lassen 163. Auch das Unternehmen einer Personenhandelsgesellschaft könne in der Weise einem Dritten anvertraut werden, daß es verpachtet und dem Pächter unwiderrufliche Vollmacht zum Betrieb des Geschäfts erteilt werde 164. Die Zulässigkeit dieser Gestaltungen, die teilweise in der Denkschrift zum HGB erwähnt waren 165, war jedenfalls für Einzelhandelsgeschäfte im Schrifttum allgemein anerkannt 166. Ein weiteres Beispiel für die Übertragung von eigenen Geschäftsführungsrechten an Nichtgesellschafter war die stille Gesellschaft 167. Dem stillen Gesellschafter durften nach allgemeiner Meinung eigene Geschäftsführungsrechte einschließlich unwiderruflicher Handlungsvollmacht eingeräumt werden. Das galt auch für den Fall, daß eine Personenhandelsgesellschaft Geschäftsinhaberin war 168. Das

o. unter aa. Wieland, Handelsrecht, 1921, S.571; Düringer-Hachenburg-Flechtheim, HGB, 1932, § 114, Anm. 4. 162 DR 1918, Nr. 1227 (nur Leitsatz). 163 Ritter, HGB, 1932, § 114, Anm. 4. 164 Flechtheim, Personalgesellschaft, 1934, S. 13. 165 s. o. bei Fn. 85. 166 Vgl. Staub, HGB, 1932, Anhang zu § 58 Anm. 93; Wieland, Handelsrecht, 1921, 375, dort aber mit der Einschränkung, daß eine Generalhandlungsvollmacht "von einem der Prokura nahekommenden Umfang", nicht unwiderruflich erteilt werden könne. 167 So RGRK-Weipert, HGB, 1942, § 335, Anm. 60. 160 S. 161

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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Reichsgericht folgte dieser Auffassung, ohne sich mit der eigenen gegenteiligen Rechtsprechung aus der Zeit des ADHGB 169auseinanderzusetzen. Es entschied, in einem solchen Fall sei die Stellung des stillen Gesellschafters als "mitbestimmender Geschäftsführer einer OHG" Ausfluß der Mitgliedschaft in der stillen Gesellschaft" 170. b) Geschäftsführungsbefugnisse von Kommanditisten Schon unter dem ADHGB konnte nach überwiegender Meinung einem Kommanditisten die gesellschaftsvertragliche Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt werden 171. Unter dem HGB kam die Möglichkeit hinzu, die Rechtsstellung des Kommanditisten durch die Erteilung von unwiderruflichen, d. h. nur zusammen mit der Geschäftsführungsbefugnis entziehbaren Vollmachten zu stärken. In zwei Entscheidungen erklärte das Reichsgericht diese Machtverschiebung von den Komplementären auf die Kommanditisten für unbedenklich. Mit Urteil vom 28.4. 1925 hatte das Reichsgericht über eine Regelung in einem Gesellschaftsvertrag zu befinden, wonach ein Kommanditist zur Mitarbeit und Leitung berechtigt und verpflichtet war und Handlungsvollmacht "im Rahmen der Vertretungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafter" erhalten hatte 172. Die Kommanditgesellschaft kündigte dem Kommanditisten gegenüber das Verhältnis als Geschäftsführer, ohne daß ein wichtiger Grund vorlag. Das Reichsgericht hielt die Kündigung für unwirksam. Die Stellung des Kommanditisten sei durch Verleihung der gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführungsbefugnis und der weitgehenden Handlungsvollmacht der eines Komplementärs erheblich angenähert worden. Diese im Gesellschaftsvertrag begründeten Rechte könnten ihm gemäß § 117 HGB nur durch Entziehungsklage aus wichtigem Grund genommen werden 173. In einem weiteren Fall stand die Geschäftsführung einer KG dem einzigen Komplementär zu. Einer der Kommanditisten sollte berechtigt sein, "jederzeit die Geschäftsführung mitzuübernehmen oder durch einen von ihm zu bestellenden Prokuristen mitausüben zu lassen" 174. Der Komplementär weigerte sich, einen vom Kommanditisten benannten Prokuristen zu ernennen. Die Klage des Kommanditisten auf Erteilung der Prokura hatte Erfolg. Das Reichsgericht befand,

168 Wieland, Handelsrecht, 1921, S.782; Düringer-Hachenburg-Flechtheim, HGB, 1932, § 335, Anm. 10; Staub, HGB 1932, § 335, Anm. 25. 169 RGZ 31, 33 (s. o. bei Fn. 55). 170 RGZ 142, 14 ff.; ebenso RG HRR 1933, Nr. 1447. 171

172 173 174

4*

s. o. B. H. 2. c).

RGZ 110, S. 418/419. RGZ BO, S. 418,421. RG, Seuff. Arch. 94 (1939) Nr. 8.

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

der Kläger habe sich im Gesellschaftsvertrag wirksam das Recht gesichert, durch seinen Beauftragten an der Vertretung der Gesellschaft teilzunehmen. Seine Machtbefugnisse gingen damit über die bloße Geschäftsführung hinaus. Das trage der überwiegenden wirtschaftlichen Beteiligung des Kommanditisten Rechnung. Aus § 116 Abs. 3 HGB lasse sich nicht das Recht des Beklagten herleiten, eine von ihm erteilte Prokura jederzeit zu widerrufen. Diese Vorschrift sei nicht zwingend. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe sich die Verpflichtung, den zum Prokuristen Bestellten für die Dauer des Auftrags in seiner Stellung zu belassen. Gegen die Möglichkeit, Kommanditisten ein nur aus wichtigem Grund widerrufliches Vertretungsrecht einzuräumen, sprach sich Wieland aus. Er meinte, sonst erweise sich der gesetzliche Ausschluß der Kommanditisten von der Vertretung als wirkungslos. Auch die im Eigeninteresse dem Kommanditisten erteilte Vollmacht sei deshalb durch den vertretungsbefugten Komplementär jederzeit widerruflich 175. Andere waren der Auffassung, daß dem Kommanditisten zwar eine Handlungsvollmacht zu eigenem Recht erteilt werden könne, eine Prokura aber jederzeit widerruflich sei 176. Ansonsten finden sich in der Literatur kaum Bedenken gegen eine weitgehende Machtverlagerung von den Komplementären auf die Kommanditisten. Der Ausschluß aller Komplementäre von der Geschäftsführung und ihre Übertragung auf einen Kommanditisten galt im Unterschied zur Übertragung auf einen Nichtgesellschafter als unproblematisch, da in diesem Fall "immerhin noch ein Gesellschafter Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft" war 177. Man hielt es deshalb für zulässig, die Rechte der Kommanditisten in Bezug auf die Geschäftsführung der persönlich haftenden Gesellschafter soweit auszudehnen, daß die Komplementäre nur das zu tun hatten, was die Kommanditisten ihnen vorschrieben 178. Das sollte auch außergewöhnliche Geschäfte gemäß § 116 Abs. 2 HGB einschließen können 179. Die Rechtsstellung der Komplementäre ließ sich noch weiter schwächen, wenn vereinbart wurde, daß sie als Geschäftsführer in Abweichung von § § 117, 127 HGB jederzeit aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses abberufen werden konnten 180. Solche Gestaltungen traten besonders bei kapitalistisch strukturierten Kommanditgesellschaften auf. Zu zahlreichen atypischen Personengesellschaften dieser Art führte die Umwandlungsgesetzgebung im Dritten Reich. Aus ideologischen Gründen (FührerHandelsrecht, S. 754; so auch Zwanzig, Herrschaftsbereich, 1937, S. 34. Lehmann-Ring, HGB, 1914, § 58 NT. 2; § 170 NT. 2; Schlegelberger-Geßler, HGB, 1939, § 54, Anm. 8; § 170, Anm. 4. 177 Schlegelberger-Geßler, HGB, 1939, § 164, Rd.-Zf. 7; RGRK- Weipert, HGB, 1942, § 164, Anm. 11, 15. 178 Schlegelberger-Geßler, HGB, 1939, § 164, Rd.-Zf. 11; RG, DR 1908, Nr.2237 (nur Leitsatz). 179 RGRK-Weipert, HGB, 1942, § 164, Anm. 15. 180 Schlegelberger-Geßler, HGB, 1939, § 164, Anm. 12, m. w.N. 175

176

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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prinzip) versuchte man durch steuerliche Maßnahmen die Form der Kapitalgesellschaft zugunsten der Personengesellschaft zurückzudrängen 181. Das hatte zur Folge, daß sich Kapitalgesellschaften, oft mit großen Mitgliederzahlen in dem Bestreben, die Haftungsbeschränkung beizubehalten, in die Rechtsform der Kommanditgesellschaft begaben. Angestellte wurden unter Androhung der Kündigung zu Komplementären "befördert". Die ehemaligen Gesellschafter der Kapitalgesellschaft wurden Kommanditisten, behielten sich aber die Zuständigkeit in der Unternehmensleitung vor 182. Die Literatur befaßte sich in der Folgezeit intensiv mit den Erscheinungsformen der kapitalistischen Kommanditgesellschaft 183. Den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Gesellschaften entsprechend, die in einer für sie unpassenden Rechtsform betrieben werden mußten, wurde die Machtverlagerung von den Komplementären auf die Kommanditisten unter dem geltenden Recht meist gebilligt 184. Boesebeck griff bei seiner Untersuchung den Gegensatz von Selbstorganschaft und Drittorganschaft auf. Der entscheidende Unterschied zwischen den Personenund Kapitalgesellschaften sei der Unterschied zwischen Selbstorganschaft und Drittorganschaft 185. Dieser werde völlig verwischt, wenn man - wie das OLG München - den Ausschluß sämtlicher Gesellschafter von der Vertretung und deren Übertragung auf einen Nichtgesellschafter zulasse 186. Im übrigen stünden Selbstorganschaft und Drittorganschaft aber nahe beieinander. So wie bei der GmbH den Gesellschaftern Sonderrechte für die Geschäftsführung eingeräumt werden könnten, seien in der kapitalistischen KG die Komplementäre Drittorgane einer körperschaftlich organisierten Unternehmergemeinschaft 187. Das sei etwa der Fall, wenn sich die Kommanditisten zu einem Ausschuß zusammenschlössen und auf die Geschäftsführung des Komplementärs maßgebenden Einfluß nähmen l88 •

181 Vgl. dazu Schönle, Grundtypenvermischung im Neuen Recht, 1935, S. 22 ff., m.w.N. 182 Vgl. Großmann-Doerth, AcP 147, I, l3. 183 Vgl. nur Boesebeck, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft, 1938; Zwanzig, Die Erweiterung des Herrschaftsbereichs des Kommanditisten und ihre Wirkung auf die Stellung des Kommanditisten zu den Gläubigem der Gesellschaft, Diss. Köln 1937; Bresser, Die Beteiligung des Kommanditisten an der Geschäftsführung und sein Einfluß auf die Willensbildung der Gesellschaft, Diss. Köln 1941. 184 So Bresser, Beteiligung, S.27 m. w.N. ähnlich auch Würdinger, Ausschuß der Akademie für Deutsches Recht, S. 25 ff.; vgl. aber zur überwiegend rechtspolitischen Diskussion über den Zusammenhang von Herrschaft und Haftung unter 4. 185 Boesebeck, S. 14. 186 Boesebeck, S. 15; zur Entscheidung des OLG München s. o. Fn. 122. 187 Boesebeck, S. 16. 188 Boesebeck, S. 17.

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

3. GmbH & Co. KG Im Zuge dieser Rechtsentwicklung war es also Kapitalgebern möglich, sich an einer Personengesellschaft zu beteiligen, ohne der unbeschränkten persönlichen Haftung ausgesetzt zu sein, und gleichzeitig die Geschäftsführung in der Hand zu halten. Gerade mit dem Argument, dieses Interesse sei legitim, erklärte das Reichsgericht in seiner Grundsatzentscheidung auch die Beteiligung einer juristischen Person an einer Personengesellschaft in der Form der GmbH & Co. KG für unbedenklich 189. Weiter meinte es, ein wirtschaftliches Bedürfnis für diese Rechtsform bestehe auch, wenn der Inhaber einer Personengesellschaft sterbe und seine Witwe das Geschäft nicht weiterführen wolle oder könne. So sprächen "wichtige, rein wirtschaftliche Interessen" für die neue Rechtsform, die nicht als "eine ungesunde oder auch nur bedenkliche" anzusehen sei 190. Keine Bedenken hatte das Gericht auch wegen der beschränkten Haftung der GmbH. Der Gesetzgeber habe bei den Personengesellschaften nur natürliche Personen als persönlich haftende Gesellschafter im Auge gehabt. Eine zahlungsfähige GmbH genieße aber im Rechtsverkehr häufig größeren Kredit und gewähre den Gläubigem größere Sicherheit als ein einzelner Kaufmann mit geringen und geflihrdeten Mitteln 191. Aus der Struktur der Personengesellschaft machte auch die Literatur kaum Einwendungen gegenüber der Beteiligung von Kapitalgesellschaften an Personengesellschaften und die Übernahme der Geschäftsführung in der KG durch die gesellschaftsfremden Geschäftsführer der GmbH. Gelegentlich findet sich der Hinweis, es sei bedenklich, daß die GmbH einseitig die Geschäftsführung und Vertretung der Personengesellschaft verändern könne 192. Wieland meinte, die Funktion der unbeschränkten Haftung werde beeinträchtigt. Durch sie würden die Mitglieder mit ihrer ganzen Persönlichkeit mit dem Unternehmen verbunden. Davon bleibe wenig übrig, wenn eine juristische Person Mitglied der Personengesellschaft werde 193. Die Hauptbedenken richteten sich gegen eine Bindung der Kapitalgesellschaften an Personen, die nicht zu ihren Organen oder zu ihren Bevollmächtigten gehörten, wenn die Geschäftsführung nicht bei der juristischen Person lag 194. Auch sie wurden letztlich zurückgestellt 195. Boesebeck kennzeich189 RGZ 105, 101, 103 ff.; näher zur Entstehungsgeschichte der GmbH & Co. KG siehe Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, S. 33 ff. 190 RGZ 105, 101, 103. 191 RGZ 105, 101, 104. 192 Lehmann-Ring, HGB, 1914, § 105 Nr.4; dagegen Zielinski, Grundtypenvermischung, 1925, S. 94. 193 Wieland, Handelsrecht, S. 836/837. 194 Liebmann, DJZ 1913, S. 230; Brodmann, JW 1922, S. 1656; Lehmann-Ring, HGB, 1914, § 105 Nr. 3; früh schon KGJ 11, S. 17 ff. 195 BayObLG RJA 12 (1910), 28; KG DJZ 1913, 1500; RGZ, 105, 101.

C. Entwicklung unter dem HGB und BGB

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nete die Geschäftsführung durch die GmbH in der GmbH & Co. KG als "mittelbare Drittorganschaft". Die KG werde nur noch formell von dem persönlich haftenden Gesellschafter geleitet. Die Organe des Komplementärs seien materiell Drittorgane der KG 196.

4. Der Zusammenhang zwischen Herrschaft und Haftung Die Abwandlungen der Kommanditgesellschaft zur kapitalistischen KG und zur GmbH & Co. KG sowie die atypische stille Gesellschaft riefen seit Beginn der dreißiger Jahre eine rechtspoltische Diskussion hervor. Besonders Müller-Erzbach 197 wies darauf hin, daß der notwendige Zusammenhang zwischen Herrschaft und Haftung bei diesen Gestaltungen mißachtet werde. Er leitete daraus de lege ferenda die Forderung ab, daß das Recht eine Herrschaft mit beschränkter Haftung nicht dulden dürfe. Der Kommanditist oder stille Gesellschafter, die an der Geschäftsführung teilnähmen, müßten unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden zur Verantwortung gezogen werden können. Wer das Unternehmen beherrsche, müsse auch das geschäftliche Risiko tragen; andernfalls leide die Gesundheit des Wirtschaftslebens und das Verantwortungsempfinden. Der Ausschuß für das Recht der Personalgesellschaften der Akademie für Deutsches Recht schloß sich dieser Forderung teilweise an 198. Er schlug vor, die unbeschränkte Haftung jener Kommanditisten vorzuschreiben, die statt der Komplementäre praktisch allein die Geschäftsführung innehätten. Die Haftung sollte allerdings nur subsidiär eingreifen und ganz entfallen, wenn die Geschäftsführungsregelung als gerechtfertigt angesehen werden konnte. Kein Rechtfertigungsgrund sollte aber die Kapitalübermacht der Kommanditisten sein 199. Nur gelegentlich wurde der Zusammenhang von Herrschaft und Haftung als geltendes Recht angesehen 200. Verbreiteter war die Meinung, daß in Fällen des Rechtsmißbrauchs der geschäftsführungsbefugte Kommanditist oder stille Gesellschafter persönlich haften sollte 201. Man diskutierte darüber, ob ein Rechtsmißbrauch bereits gegeben sei, Boesebeck, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft, 1938, S. 18. Müller-Erzbach, FS für Heymann, S. 736 ff.; LeipZ 1933, 145. 198 Würdinger, Arbeitsbericht des Ausschusses für das Recht der Personalgesellschaften, 1939, S. 37 ff. 199 Weitere Vorschläge bei Boesebeck, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft, S. 67, 82; dort auch zur GmbH & Co. KG; Bresser, Die Beteiligung des Kommanditisten, 1941, S. 43. 200 Haupt, Gesellschaftsrecht, 1942, S. 11,46,72; anscheinend auch Müller-Erzbach, Handelsrecht, 1928, S. 180, 233; anders aber ausdrücklich in LeipZ 1933, 145 ff.; vgl. auch unten 4. Abschn., Fn. 185; dagegen Zwanzig, Die Erweiterung des Herrschaftsbereichs, 1937, S. 36 ff.; Bresser, Die Beteiligung des Kommanditisten, 1941, S. 42. 201 RGRK-Weipert, HGB, 1942, § 164, Anm. 16; Schlegelberger-Geßler, HGB, 1939, § 164, Anm. 14; § 335, Anm. 51. 196 197

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2. Abschn.: Grundlagen der Diskussion um die Selbstorganschaft

wenn eine andere Person vorgeschoben werde, um eigene Geschäfte mit beschränkter Haftung zu führen 202 oder ob hinzukommen müsse, daß die vorgeschobene Person vennögenslos sei 203.

202 203

So Schlegelberger-Geßler, HGB, 1939, § 335, Anm. 52. So RGRK-Weipert, HGB, 1942, § 164, Anm. 16.

3. Abschnitt

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll im Folgenden getrennt für die Personenhandelsgesellschaften und für die BGB-Gesellschaft dargestellt werden. In wenigen Urteilen setzt sich das Gericht ausdrücklich mit dem Problem der Geschäftsführung und Vertretung und dem Prinzip der Selbstorganschaft auseinander. Einigen anderen Entscheidungen zu Mitverwaltungsrechten in der Personengesellschaft kommt darüber hinaus Bedeutung für die Diskussion um die Selbstorganschaft zu. A. Personenhandelsgesellschaften I. Vertretung

Der Bundesgerichtshof befaßte sich in einigen älteren Urteilen mit der Vertretung von Personenhandelsgesellschaften.

1. Gesamtvertretung durch Gesellschafter und Prokuristen Zunächst entschied er über die bekannte Frage, ob die Vertretungsmacht des einzigen vertretungsberechtigten Gesellschafters an die Mitwirkung eines Prokuristen gebunden werden darfI. Wie schon die Rechtsprechung vor 1945 2 hält der Bundesgerichtshof eine solche Bindung für unzulässig. Es gilt "der Grundsatz, daß in einer Personenhandelsgesellschaft stets eine Vertretung allein durch die persönlich haftenden Gesellschafter, durch einen oder mehrere, möglich sein muß"3. Eine nähere Begründung für diese als "allgemein herrschend" bezeichnete Auffassung 4 gab der Bundesgerichtshof nicht.

BGH Urteil vom 6.2. 1958 BGHZ 26, 330 ff. s. o. 2. Abschn. C. 11. 1. b) aa). 3 BGHZ 26, 330, 333. 4 Als abweichende Ansicht verwies der Bundesgerichtshof auf die Entscheidung des OLG München ZAKDR 1937,761, s. o. 2. Abschn. C. 11. 1. b) cc). 1

2

3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

58

2. Organschaftliche Vertretung durch Kommanditisten In zwei weiteren Entscheidungen bestätigte das Gericht die Auffassung, nach der ein Kommanditist nicht organschaftlicher Vertreter einer KG sein kann. Im ersten Fall war die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Gesamtvertretung der beiden Komplementäre durch den Tod des einen undurchführbar geworden 5. Der Bundesgerichtshof führte aus, Einzelvertretungsmacht des verbleibenden Gesamtvertreters werde als Machtzuwachs vom Gesellschaftsvertrag in der Regel nicht gedeckt. Wenn aber nur noch ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden sei, müsse dessen Gesamtvertretungsrecht zwangsläufig zur Alleinvertretungsmacht erstarken. Zum Wesen der Personengesellschaft gehöre deren Selbstvertretung durch mindestens einen unbeschränkt haftenden Gesellschafter, der für die Handlungen der Gesellschaft persönlich die volle Verantwortung trage; ein Nichtgesellschafter scheide daher für die in §§ 125 ff. HGB geregelte organschaftliche Vertretungsmacht grundsätzlich ebenso aus wie nach ausdrücklicher Bestimmung des § 170 HGB ein Kommanditist. Im zweiten Fall wies das Gericht die Klage auf Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis gegen den einzigen Komplementär einer KG in bezug auf die Vertretung ab 6 • Bei einem Erfolg der Klage sei die Kommanditgesellschaft weder aktiv noch passiv vertreten, was ein rechtlich unmöglicher Zustand sei, der mit dem Wesen der Kommanditgesellschaft als einer im Rechtsverkehr mit Dritten selbständig auftretenden Einheit nicht vereinbar sei. Dem stehe nicht entgegen, daß die Ausschließung des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters gemäß §§ 140, 142 HGB zulässig sei, wodurch die Gesellschaft zumindest vorübergehend ins Liquidationsstadium trete. Sinn dieser Regelungen sei es, den Kommanditisten die Möglichkeit zu geben, das Gesellschaftsverhältnis ohne den vertragsbrüchigen Gesellschafter umzugestalten und dadurch das Liquidationsstadium zu beenden. Dieser Gesichtspunkt komme aber bei der Entziehungsklage nicht in Betracht. Sie sei unzulässig, da sie "auf zwangsweise Beseitigung der rechtlich allein möglichen Vertretungsregelung unter Fortsetzung der werbenden Gesellschaft ohne Veränderung ihres personellen Bestands gerichtet" sei? Damit verweist der Bundesgerichtshof die Kommanditisten auf die Ausschließungsklage, wenn sie die Vertretungsbefugnis des Komplementärs beseitigen wollen. Er läßt sich dabei wohl von der Überlegung leiten, daß nach der Ausschließung ohne den Ausgeschlossenen anders als bei der Entziehung der Geschäftsführung eine realistische Aussicht auf Wiederherstellung einer werbenden Gesellschaft besteht. BGH Urteil vom 25.5.1964 BGHZ 41, 367. BGH Urteil vom 9.12.1968 BGHZ 51, 198, 201; anders noch RGZ 74, 297 ff., s. o. 2. Abschn. Fn. 98; Zur Entziehbarkeit der Geschäftsführung s. u. 11. 2. b). 7 BGHZ 51, 198, 201. 5

6

A. Personenhandelsgesellschaften

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Zwei Aussagen lassen sich aus den genannten Entscheidungen entnehmen. Die rechtliche Verselbständigung der Personenhandelsgesellschaft im Rechtsverkehr erfordert zwingend das Vorhandensein von Organen. Und es ist unabdingbar, daß der Organträger persönlich voll verantwortlich ist. In diesem Umfang hat also die Personenhandelsgesellschaft eine gesetzliche vorgeschriebene Handlungsorganisation. 3. Nichtgesellschafter mit Generalvollmacht

In einem weiteren für das Prinzip der Selbstorganschaft grundlegenden Urteil vom 22.1.1962 8 äußerte sich der Bundesgerichtshof zum Verhältnis von organschaftlicher Vertretung und Generalvollmacht. Der Entscheidung lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde 9 : Dem einzigen geschäftsführungs- und vertretungs berechtigten Gesellschafter einer Familien-KG war im Gesellschaftsvertrag das Recht eingeräumt, einen seiner Angehörigen zur Nachfolge als persönlich haftender Gesellschafter zu berufen. Gleichzeitig war vorgesehen, daß der so bestellte Nachfolger für den Fall, daß er nicht zur Geschäftsführung und Vertretung in der Lage war, diese auf eine andere Person übertragen konnte. Der Gesellschafter berief eine Frau L. zu seiner Nachfolgerin. Diese übertrug die Geschäftsführung und Vertretung auf ihren Ehemann, der Prokurist der Gesellschaft war. Dabei war vorgesehen, daß die Übertragung nur aus wichtigem Grund, insbesondere bei Scheidung der Ehe, widerrufen werden konnte. Während des Prozesses änderten Frau L. und ihr Ehemann den Übertragungsvertrag in der Weise, daß die Übertragung jederzeit widerruflich sein sollte. Die übrigen Gesellschafter begehrten die Feststellung, daß die Berufung der Frau L. zur Gesellschafterin unwirksam sei. Das ergebe sich daraus, daß die im Vertrag eingeräumte Übertragungsmöglichkeit von Geschäftsführung und Vertretung auf einen Dritten nichtig sei, was, da es sich um einen wichtigen Teil des Gesellschaftsvertrags handele, zur Gesamtnichtigkeit der Nachfolgeregelung führe. Hier soll zunächst nur auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Vertretung eingegangen werden 10. Das Gericht legte den Vertrag einschränkend aus. Die organschaftliche Vertretungsbefugnis könne nicht auf einen Dritten übertragen werden. Unbedenklich sei aber die Bestellung eines Generalbevollmächtigten mit weitestgehenden Befugnissen, wenn sie vom Gesellschaftsvertrag gedeckt 8 BGHZ 36, 292 ff. = WM 1962, 240; besonders wichtig sind die Ausführungen zur Geschäftsführung; s. u. 11. 1. a). 9 Sachverhalt in BGHZ 36,292 ff. nicht abgedruckt; vgl. dazu WM 1962,240,241. 10 Zur Geschäftsführung s. u. 11. 1. a.

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3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

sei. Darin liege keine Umgehung des Verbots, die gesellschaftliche Vertretungsbefugnis auf einen Dritten zu übertragen. Die Erteilung einer solchen Vollmacht sei der Personenhandelsgesellschaft ebensowenig verwehrt wie einer natürlichen oder juristischen Person. Der Generalbevollmächtigte erhalte dadurch nicht etwa die Stellung eines gesetzlichen (organschaftlichen) Vertreters der Personenhandelsgesellschaft. Diese verbleibe vielmehr bei dem zur Vertretung berufenen Gesellschafter.

4. Nichtgesellschafter als gerichtlich bestellter Notgeschäftsführer Auch der Bundesgerichtshof läßt für die Dauer von Rechtsstreitigkeiten innerhalb einer Personenhandelsgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen eine vorübergehende Geschäftsführung allein durch einen Nichtgesellschafter zu 11. Das Grundsatzurteil hierzu betraf einen Ausschließungsprozeß gegen den einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter einer OHG 12. Es bestätigte die Entscheidung der Instanzgerichte, die durch einstweilige Verfügung die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis für die Dauer des Prozesses auf einen Nichtgesellschafter übertragen hatten. Der Bundesgerichtshof setzte sich ausführlich mit der Übertragbarkeit der Vertretungsbefugnis auseinander. Er betonte, daß die Bedenken des Revisionsführers, bei der Personengesellschaft kenne das Gesetz nur die Vertretung durch die Gesellschafter, nicht durch Dritte, grundsätzlich berechtigt seien. Es gelte wie für natürliche Personen "der Grundsatz der Selbstverantwortung"13. Aus § 146 Abs. 2 HGB, der die Bestellung von Nichtgesellschaftern zu Liquidatoren zuläßt, ergebe sich aber, daß der Grundsatz, eine Personenhandelsgesellschaft könne nur durch Gesellschafter "gesetzlich (organschaftlich)" vertreten werden, "nicht ausnahmslos" und "um seiner selbst willen" gelte. Er sei nur "rechtlich adäquater Ausdruck für die Auffassung, daß in einer werbenden Gesellschaft mit den gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter das Recht der Selbstbestimmung den Gesellschaftern allein zustehen müsse"14. Der Grundsatz sei nicht mehr gerechtfertigt, wenn seine Voraussetzung, das gleichgerichtete Interesse aller Gesellschafter, typischerweise nicht mehr gegeben sei. Das sei im Ausschließungs- und im Auflösungsprozeß 15 der Fall, da dann die Vertrauensgrundlage zwischen den Gesellschaftern in der Regel zerstört und ein sinnvolles Zusammenwirken nicht mehr möglich sei. Der Richter müsse eine vorläufige Regelung für die Dauer des Prozesses treffen. 11 12 13 14 15

Zur älteren Rechtsprechung s. o. 2. Abschn. B. 11. 3. BGH, Urteil vom 11.7. 1960, BGHZ 33, 105. BGHZ 33, S. 106. BGHZ 33 S. 109. Dazu schon das ROHG 16, 66; s. o. 2. Abschn. B. 11. 3. a).

A. Personenhandelsgesellschaften

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Die Entscheidung ist von besonderer Bedeutung, da der Bundesgerichtshof das Prinzip der Selbstorganschaft mit dem "Recht auf Selbstbestimmung" und dem "Grundsatz der Selbstverantwortung" hier näher begründet. Damit ist der Schutz der Gesellschafter vor dem Einfluß Dritter angesprochen. Das Prinzip hat keine Geltung, wenn eine Situation vorliegt, in der von gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter nicht mehr ausgegangen werden kann. Einschränkend muß der Entscheidung entnommen werden, daß diese Situation vorübergehender Natur sein muß: Im Liquidationsstadium endet sie mit der Beendigung der Gesellschaft, im Prozeß mit dem Ende des Prozesses. Weiter ist zu beachten, daß nicht jede Situation ausreicht, in der ein Interessenwiderstreit vorliegt; sie muß vielmehr typisch sein. Danach ist für die freie Vereinbarung einer Drittorganschaft zwischen den Gesellschaftern in jedem Fall gegenseitigen Mißtrauens, auch wenn diese nur für eine beschränkte Zeit gelten sollte, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Raum. 11. Geschäftsführung

1. Nichtgesellschafter a) Übertragung der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.1.1962 16 ging es, wie erwähnt, um die Wirksamkeit einer gesellschaftsvertraglichen Klausel, die dem geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter "im Falle seines Unvermögens" das Recht einräumte, Geschäftsführung und Vertretung auf eine andere Person zu übertragen. Der Bundesgerichtshof legte die Klausel bezüglich der Vertretung als Ermächtigung zur Erteilung von Generalvollmacht aus. Auch die Übertragung der Geschäftsführung hielt er nur mit Einschränkungen für zulässig. Dabei machte er grundlegende Ausführungen zur gesellschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis. Eine echte Übertragung der gesellschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis auf einen Dritten sei entgegen der herrschenden Meinung in der Literatur unzulässig 17 • Die Geschäftsführungsbefugnis könne nicht vom Gesellschaftsanteil abgespalten und auf einen Nichtgesellschafter übertragen werden. Dieses sogenannte Abspaltungsverbot hatte der Bundesgerichtshof, im Anschluß an die Überlegungen von Weipert l8 , zunächst Stimmrechtsabtretungen

17

BGHZ 36, 292 ff.; vgl. oben I. 3. Der BGH zitierte u. a. die Ansicht von Weipert, siehe dazu oben 2. Abschn. C. II.

18

vgl. Fn. 17.

16

2. a) bb).

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3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

und unwiderruflichen Stimmrechtsvollmachten entgegen gehalten 19. Dabei hatte er ausgeführt, die Abtretung einzelner Verwaltungsrechte und die nur aus wichtigem Grund widerrufliche Bevollmächtigung von Nichtgesellschaftern zu ihrer Ausübung sei mit dem "Wesen der Gesamthandsgemeinschaft" nicht zu vereinbaren 20. Ihre Übertragung auf einen Nichtgesellschafter eröffne die Möglichkeit, daß bei der Ausübung gesellschaftsfremde oder doch außerhalb des Interessenkreises der Gesellschafter liegende Zwecke verfolgt und "so das innere Gefüge der Gesellschaft gesprengt würde" 21. Für die Geschäftsführungsbefugnis folgerte der Bundesgerichtshof aus dem Abspaltungsverbot, daß die Rechtsstellung eines Nichtgesellschafters mit Geschäftsführungsaufgaben sich von der eines geschäftsführung~befugten Gesellschafters grundsätzlich unterscheide. Ein Dritter könne zwar von einem geschäftsführenden Gesellschafter in einer sehr umfassenden Weise mit Geschäftsführungsaufgaben betraut werden. Seine Geschäftsführungsbefugnis sei aber nicht als eigenes Recht ausgestaltet, da er von den geschäftsführenden Gesellschaftern mit Weisungen versehen und abberufen werden könne. § 117 HGB finde ihm gegenüber keine Anwendung. Dafür unterliege er nicht der gesellschaftlichen Treuepflicht und sei im Unterschied zum geschäftsführenden Gesellschafter Drittgläubiger, der auch während des Bestehens der Gesellschaft die einzelnen Gesellschafter in Anspruch nehmen könne. Im Ergebnis legte der Bundesgerichtshof den Gesellschaftsvertrag so aus, daß nur eine solche abgeleitete Geschäftsführungsbefugnis gemeint gewesen sei. Das sei, verbunden mit der erwähnten Generalvollmacht, unbedenklich. Die abhängige Rechtsstellung eines geschäftsführungsbefugten Nichtgesellschafters betonte der Bundesgerichtshof auch in zwei älteren Entscheidungen. In einem Urteil vom 12. 11. 1952 22 befaßte er sich mit der Abberufung eines Nichtgesellschafters, der als Geschäftsführer einer KG tätig war. Er entschied, daß der Komplementär berechtigt sei, die Bestellung des Nichtgesellschafters zum Geschäftsführer jederzeit zu widerrufen. Die Rechtsstellung des Dritten sei eine ausgesprochene Vertrauensstellung, da sie im Innenverhältnis der des geschäftsführenden Komplementärs vollkommen angepaßt sei 23. Seine Tätigkeit setze voraus, daß er vom Vertrauen der Mehrheit der Gesellschafter getragen werde. Spannungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Mehrheit der Gesellschafter und einem Geschäftsführer mit umfassenden Befugnissen berührten unmittelbar den Sinn und Inhalt einer solchen Tätigkeit. Deshalb sei der 19 BOHZ 3, 354; 20, 363; LM § 105 Nr.6 (4. Zivilsenat); vgl. aber auch unten unter d). 20 BOHZ 3, 354. 21 BOH LM § 105 Nr. 6. 22 BOHZ 8, 46. 23 Einzelheiten lassen sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht entnehmen.

A. Personenhandelsgesellschaften

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Widerruf ohne wichtigen Grund zulässig. Daran ändere auch ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Fortsetzung der Tätigkeit nichts, da ein solcher Anspruch entfalle, wenn der Dienstberechtigte ein schutzwertes Interesse an einer Nichtbeschäftigung habe. Anders sei die Stellung eines geschäftsführenden Gesellschafters ausgestaltet, dessen Befugnisse auf der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit beruhten; in einem solchen Fall sei die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnisse an erschwerte Voraussetzungen geknüpft (§ 117 HGB). Ähnlich hieß es in einem weiteren Urteil vom 27.6.1955 24 , im Unterschied zum Kommanditisten könne einem Angestellten die Geschäftsführungsbefugnis jederzeit entzogen werden, weil sie auf einer Vertrauensstellung beruhe und ihr Sinn durch einen Fortfall des notwendigen Vertrauens entfalle. Diese Entscheidungen deuten darauf hin, daß in einer Personengesellschaft nach Auffassung des Bundesgerichtshofs einem Dritten nur eine weisungsgebundene und jederzeit widerrufliche Geschäftsführerstellung eingeräumt werden darf. b) Weisungsfreie, nicht jederzeit widerrufliche Fremdgeschäftsführung (Betriebsführungsvertrag "Holiday Inn") In einem wichtigen neueren Urteil vom 5.10.198125 schränkte der Bundesgerichtshof aber seine Rechtsprechung insoweit ein. Die Übertragung der Geschäftsführerstellung auf einen Nichtgesellschafter im Rahmen eines Betriebsführungsvertrages unter Verzicht auf ein Weisungs- und jederzeitiges Abberufungsrecht ist danach unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Es handelte sich um den folgenden Sachverhalt 26 : Die Klägerin, das in der Hotelbranche weltweit tätige Unternehmen "Holiday Inn", schloß mit einer Familien-KG, der Beklagten zu 1, deren Komplementär der Beklagte zu 2 war, einen sogenannten Managementvertrag. Nach diesem Vertrag sollte die Klägerin das Hotel der KG als "Holiday-Inn" im Namen und für Rechnung der Beklagten zu 1 führen. Grundlage war das sogenannte "HolidayInn-Bewirtschaftungsverfahren", dessen Änderung sie sich ausdrücklich vorbehielt. Sie war insbesondere im einzelnen bevollmächtigt zur Einstellung von Personal, zum Einkauf, zur Beteiligung an Werbeaktionen, zur Festsetzung der Zimmerpreise, und war mit gewissen Beschränkungen befugt, die notwendigen Verpflichtungen zur Instandhaltung des Anwesens einzugehen. Zusammenfassend hieß es, daß die Klägerin die KG nicht über den im Vertrag vorgesehenen Umfang binden könne, jedoch "mit den Befugnissen und Vollmachten auszustatten" sei, "die notwendig" seien, "um den Geist und Zweck des Vertrages zu erfüllen" . 24 25

26

BGHZ 17,393; siehe dazu unten bei Fn. 41. BGH NJW 1982, 1817 = WM 1982, 394. Ausführlicher Sachverhalt in WM 1982, 394 ff.

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3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Die Beklagte zu 1 mußte der Klägerin ständig ein Bankkonto mit einem Mindestguthaben von 200000 DM zur Verfügung stellen. Sie und ihre Gesellschafter verpflichteten sich, "den täglichen Betrieb des Unternehmens weder zu stören noch sich in irgendeiner Form einzumischen." Sie hatte lediglich das Recht aufjederzeitige Einsichtnahme der Geschäftsbücher. In jedem Monat mußte die Klägerin ihr eine Aufstellung über die Einkünfte des Hotels, über den Gesamtbetrag der Kosten und einen eventuell abzuführenden Überschuß erteilen. Nach jedem Quartal war ein detaillierter Betriebsabschluß vorzulegen. Die Klägerin erhielt für ihre Tätigkeit verschiedene Vertragsabschluß- und Verwaltungsgebühren, die teils erfolgsabhängig, teils erfolgsunabhängig waren. Der Vertrag wurde auf 20 Jahre geschlossen. Die Klägerin hatte eine Option auf Verlängerung des Vertrages um drei mal 10 Jahre. Sie konnte 120 Tage nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres kündigen, wenn die erzielten Gebühren einen bestimmten Betrag unterschritten. Außerdem war eine Kündigungsrecht beider Parteien für den Fall von Vertragsverletzungen vorgesehen. Nachdem das Hotel ein halbes Jahr in der vorgesehenen Weise betrieben worden war, untersagte die Beklagte zu 1, die der Auffassung war, der Vertrag sei nichtig, der Klägerin jede weitere Tätigkeit im Hotel und übernahm selbst dessen Führung. Die Klägerin klagte u. a. auf Feststellung der Gültigkeit des Vertrages und auf Duldung ihrer Hotelführung. Das Berufungsgericht wies die Klage mit der doppelten Begründung ab, der Betriebsführungsvertrag verstoße gegen das Prinzip der Selbstorganschaft und sei sittenwidrig. Es argumentierte, die Klägerin habe die Geschäftsführungsbefugnis in der Weise erhalten, daß sie weder Weisungen des persönlich haftenden Gesellschafters unterworfen sei noch jederzeit auch ohne wichtigen Grund abberufen werden könne. Zwar sei der Beklagte zu 2 rechtlich organschaftlicher Geschäftsführer der KG geblieben. Faktisch sei die Geschäftsführung aber der Klägerin übertragen, da die Führung des Hotels den Gesellschaftszweck der KG darstelle. Dagegen führte der Bundesgerichtshof aus, der Grundsatz der Selbstorganschaft verbiete nur, sämtliche Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung auszuschließen und diese einem Dritten zu übertragen. Es sei damit vereinbar, einen Dritten umfassend mit Geschäftsführungsaufgaben zu betrauen. Es sei "nicht in jedem Fall" ausgeschlossen, daß der Dritte bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben keinen Einzelweisungen unterliege und nicht jederzeit abberufen werden könne. Bei Betriebsführungsverträgen seien möglicherweise häufig Gestaltungen anzutreffen, die mit den Grundprinzipien des Personengesellschaftsrechts nicht vereinbar seien. Der zu beurteilenden Vertrag sei aber so gestaltet, daß die OrgansteIlung des Beklagten nicht nur rechtlich unangetastet geblieben, sondern auch faktisch in ihrem Wesensgehalt nicht beeinträchtigt worden sei. Dem organ-

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schaftlichen Geschäftsführer der KG sei die Verantwortlichkeit für das Betreiben des Hotels geblieben. Die Planungs- und Entscheidungsbefugnis über die grundsätzlichen Fragen der Geschäftsführung seien nicht in die Organisation der Klägerin verlagert worden. Das entnahm der BGH einer Gesamtbewertung der der Klägerin im Vertrag auferlegten Pflichten und der der Beklagten zu 1 eingeräumten Rechte. Es handele sich bei dem Betriebsführungsvertrag um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der die Klägerin verpflichte, im Interesse der Beklagten zu 1 tätig zu werden. Der Beklagte zu 2 dürfe zwar keine Einzelweisungen erteilen. Dafür enthalte der Vertrag aber klare Richtlinien und Grenzen der Geschäftsführung, die am Interesse der Beklagten zu 1 ausgerichtet seien. Dem stehe nicht entgegen, daß sich die Klägerin eine Änderung ihrer Bewirtschaftungsrichtlinien vorbehalten habe; damit würden keine Befugnisse zur grundsätzlichen Umgestaltung des Hotelbetriebes begründet, sondern "im wesentlichen nur die Voraussetzungen für die Anpassung an veränderte Verhältnisse und neue wirtschaftliche Gegebenheiten geschaffen". Soweit die Klägerin die für den Betrieb, die Versorgung und Instandhaltung erforderlichen Vereinbarungen abschließen dürfe bzw. die Preise "frei" festsetzen dürfe, sei damit kein freies Ermessen eingeräumt. Aus dem Gesamtinhalt der Vereinbarung und dem Wesen des Betriebsführungsvertrages ergebe sich, daß die Klägerin von dem ihr eingeräumten Ermessen pflichtgemäß Gebrauch machen müsse, d. h. im Rahmen des kaufmännisch Notwendigen handeln müsse. Als die dem Beklagten verbliebene Geschäftsführungsaufgabe sah der Bundesgerichtshof die eigenverantwortliche Entscheidung darüber an, ob das Hotel vertragsgemäß geführt und das im Vertrag vorausgesetzte Ergebnis erreicht wurde. Der Beklagte habe die Möglichkeit, Unterlassung und Schadensersatz bei pflichtwidrigen Handlungen zu verlangen oder den Vertrag, wie vereinbart, bei einer Pflichtverletzung der Klägerin zu kündigen. Nach dem Sinn und Zweck des Vertrages, der auf die wirtschaftliche und gewinnbringende Hotelführung der Klägerin angelegt sei, bestehe dieses Kündigungsrecht schon dann, wenn das Hotel auf Dauer gesehen keinen Ertrag abwerfe. Das sei der Fall, wenn die Beklagte auf längere Sicht ihren Kreditverpflichtungen nicht nachkommen könne und "eine gewisse Rendite des eingesetzten Eigenkapitals nicht gewährleistet sei". Verluste in der Einführungsphase und vorübergehende "Durststrecken" müsse die Beklagte in Kauf nehmen. Der Bundesgerichtshof faßte als Ergebnis seiner Abwägung die der Klägerin eingeräumte Rechtsstellung wie folgt zusammen: "Der vertraglich festgelegte Maßstab für die Hotelführung verpflichtet sie, im Interesse der Beklagten tätig zu werden und begründet in Verbindung mit den Mitwirkungs-, Kontroll- und Einsichtsrechten einerseits und dem Erfüllungsanspruch, den bei Leistungsstörungen eingreifenden Rechten und den Kündigungsmöglichkeiten andererseits, Abhängigkeiten der Klägerin in bezug auf die Unternehmensleitung in der Weise, daß das Prinzip der Selbstorganschaft nicht durchbrochen ist." 5 Werra

3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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Zur Vervollständigung sei noch kurz auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur weiteren Begründung des Berufungsgerichts eingegangen, der Managementvertrag sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Er bejahte eine Sittenwidrigkeit und Teilnichtigkeit des Vertrages, soweit der Klägerin über die Grundlaufzeit des Vertrages hinaus eine Option auf Verlängerung von drei mal 10 Jahren eingeräumt worden war. Zur Überprüfung der Frage, ob ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestand und der Vertrag von Anfang an insgesamt gemäß § 138 BGB nichtig war oder ob zumindestens wegen dauernder Ertragslosigkeit der Vertrag für die Zukunft wirksam gekündigt worden war, verwies er den Rechtsstreit zurück. Das Berufungsgericht wies daraufhin erneut die Klage wegen Sittenwidrigkeit des Vertrages (auffälliges Mißverhältnis bei Gewinn- und Verlustchancen) ab 27 • c) Geschäftsführungsbefugnisse von mittelbar Beteiligten (Stille Gesellschafter und Treugeber) Nichtgesellschafter können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann umfassende, unabhängige Geschäftsführungsrechte erhalten, wenn sie an der Gesellschaft oder an einem Gesellschaftsanteil mittelbar beteiligt sind. Wie schon das Reichsgericht nach 1900 28 , hat auch der Bundesgerichtshof keine Bedenken, wenn einem stillen Gesellschafter "das Recht zur Geschäftsführung in gleichem Maße wie dem Geschäftsinhaber eingeräumt wird". Auch kann ihm Vollmacht zur Vertretung des Geschäftsinhabers erteilt werden 29 • Die Entscheidungen betrafen Fälle, in denen die stillen Gesellschafter im Innenverhältnis im gleichen Umfang wie der Geschäftsinhaber an einem Einzelhandelsgeschäft 30 bzw. im gleichen Umfang wie die Gesellschafter an einer OHG beteiligt waren 31. Sie konnten aus persönlichen Gründen nach außen nicht als geschäftsführende Gesellschafter einer OHG hervortreten, wurden aber im Innenverhältnis in jeder Beziehung wie solche behandelt. Mit Urteil vom 6. 11. 1963 32 legte der Bundesgerichtshof dar, daß der stille Gesellschafter auch dann nicht für die Geschäftsverbindlichkeiten haften müsse, wenn er "der eigentliche Geschäftsherr und der Geschäftsinhaber nur die von ihm vorgeschobene Person zur Führung seiner Geschäfte" sei 33. Die unmittelbare OLG München AG 1987, 381 ff. inzwischen rechtskräftig. s. o. 2. Abschnitt, Fn. 170; dagegen die Rechtsprechung zu Zeiten des ADHGB, s. o. 2. Abschnitt, Fn 55. 29 BGH Urteil vom 29.11.1952 BGHZ 8, 157; Urteil vom 6.11.1963 WM 1964, 296; Urteil vom 18.10.1965 WM 1966,29. 30 BGHZ 8, 156. 31 BGH- WM 1964,296; WM 1966,29,30. 32 BGH WM 1962, 296, 297. 27 28

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Haftung des stillen Gesellschafters widerspreche der Haftungsregelung, wie sie für handelsrechtliche Gesellschaften und ihre Gesellschafter im HGB geregelt sei. Wolle man sie unter bestimmten Voraussetzungen annehmen, führe das zu einer "gefahrvollen Aufweichung des Rechts". Die höchstrichterliche Rechtsprechung müsse sich bei der Abgrenzung der in Betracht kommenden Tatbestände "in einer überaus bedenklichen Kasuistik verlieren und der Rechtssicherheit in einem unvertretbaren Umfang Abbruch tun." Nach einem neueren Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.12.1984 34 kommt allerdings bei Geschäftsführungsbefugnissen eines stillen Gesellschafters eine beschränkte Haftung in Höhe der Einlage in Betracht. In einer Publikumskommanditgesellschaft hatten die stillen Gesellschafter die gleichen Rechte wie die Kommanditisten. Sie waren u. a. befugt, an der Wahl eines Beirats teilzunehmen, der über zustimmungspflichtige Geschäfte zu entscheiden hatte. Sie konnten damit "mittelbar auf die Geschäftsführung Einfluß nehmen." Weiter durften sie über die Feststellung des Jahresabschlusses, die Gewinnverteilung und die Auflösung der Gesellschaft mitbestimmen. Der Bundesgerichtshof entschied, ein stiller Gesellschafter, der auf diese Weise weitreichende Befugnisse zur Einflußnahme auf die Geschäftsführung und die Gestaltung der Kommanditgesellschaft habe, müsse seine Einlage den Gläubigem in Liquidation und Konkurs als Haftungsmasse zur Verfügung stellen. Sie sei dann in Abweichung von § 236 HGB haftendem Eigenkapital gleichgestellt. Auch ein Ausschluß der Verlustbeteiligung (§ 231 11 HGB) sei den Gläubigem gegenüber insoweit wirkungslos. Eigene Geschäftsführungsrechte von Nichtgesellschaftern läßt der Bundesgerichtshof auch bei der offenen Treuhand an einem Kommanditanteil ZU 35 • Hält ein Gesellschafter seine Beteiligung mit Kenntnis seiner Mitgesellschafter als Treuhänder (offene Treuhand), so können den Treugebern (oder einem Ausschuß von Treugebern) im Innenverhältnis der Gesellschaft unmittelbare Kontroll- und Anweisungsrechte eingeräumt werden. Im Innenverhältnis kann das Rechtsverhältnis so gestaltet werden, "als ob die Geldgeber die Kommanditisten wären" 36. d) Widerspruchsrecht und Stimmrecht für Nichtgesellschafter Von Bedeutung für die Diskussion um die Selbstorganschaft ist auch ein Urteil des 7. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22.2.1960 37 , das die Einräumung eines Stimmrechts und eines Widerspruchsrechts an einen Nichtgesellschafter im Gesellschaftsvertrag einer OHG betraf. In ihm sieht ein Teil der Literatur 33 34

35 36 37

5*

Gegen die Meinung von Schlegelberger-Geßler s. o. 2. Abschn., Fn. 202. BGH NJW 1985, 1079. BGH Urteil vom 13.5.1953 BGHZ 10,44. BGHZ 10,44,50; bestätigt für eine Publikumsgesellschaft in BGH WM 1987,811. BGH JZ 1960,490 = LM § 109 HGB Nr. 6.

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3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

eine Relativierung des Abspaltungsverbotes und eine Durchbrechung des Prinzips der Selbstorganschaft für den Bereich der Geschäftsführung 38 • Die Gesellschafter einer OHG beschlossen einstimmig, zur Überwachung der Geschäftsführung einen Wirtschafts berater zu bestellen. Die Bestellung sollte auf 5 Jahre erfolgen und sich jeweils um 5 Jahre verlängern, wenn nicht binnen eines Jahres gekündigt wurde. Von der Genehmigung des Beraters sollten Rechtsgeschäfte abhängig sein, die die Struktur des Unternehmens entscheidend beeinflußten, Verpflichtungs geschäfte ab 30000 DM, Grundstücksgeschäfte und Beteiligungserwerbe. Ihm wurde ferner das Recht eingeräumt, eine neue Abstimmung hinsichtlich jeden Beschlusses zu verlangen, der seiner Ansicht nach das Gesellschaftsinteresse verletzte. Schließlich hatte er ein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung, das bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben sollte. Die Gesellschafter kündigten nach einigen Jahren dem Kläger, der zum Wirtschafts berater bestellt worden war. Dieser klagte mit Erfolg auf Zahlung seines Gehalts bis zum Ablauf des Fünfjahreszeitraums. Der Bundesgerichtshof hatte keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses und der Bestellung des Klägers zum Berater, soweit Überwachungs- und Genehmigungspflichten vorgesehen waren. Bei der Gestaltung des Innenverhältnisses der Gesellschaft seien die Gesellschafter nach § 109 HGB weitgehend frei. Die Grenze ergebe sich aus dem Wesen der Gesamthandsgemeinschaft, das es verbiete, wichtige Verwaltungsrechte der Gesellschafter, insbesondere das Stimmrecht, vollinhaltlich von dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht abzuspalten und auf einen Dritten zu übertragen. Was die Genehmigungspflichten angehe, bestünden keine Bedenken. Es handele sich "im wesentlichen" um ein Widerspruchsrecht gemäß § 115 HGB, das auch einem Außenstehenden zugebilligt werden könne. Das Stimmrecht sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Von einer Abspaltung könne nur gesprochen werden, wenn das Stimmrecht einem Mitglied genommen und einer anderen Person zugeteilt werde. Sie liege nicht vor, wenn dem Außenstehenden nur ein zusätzliches Stimmrecht eingeräumt werde. Das sei so zu werten, daß die Gesellschafter, ähnlich wie es in § 317 BGB vorgesehen sei, die Verfügungsbefugnis über das gemeinschaftliche Vermögen durch das Mitspracherecht eines Dritten beschränkt hätten. Das stehe, wenn sie es im gemeinschaftlichen Interesse für erforderlich hielten, in ihrem freien Belieben und lasse das Gesamthandprinzip unberührt. Bedenken ergäben sich nur, wenn das dem Dritten gewährte Recht unentziehbar wäre. Dem Berater habe aber mit vertraglicher Frist oder sofort aus wichtigem Grund gekündigt werden können.

38 S.

u. 4. Abschn. B. V. 1.

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2. Geschäftsführungsbefugnis von Kommanditisten a) Organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis Kommanditisten kann die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis übertragen werden. Der Bundesgerichtshof betont den Unterschied zu Nichtgesellschaftern 39: "Der Grundsatz, daß die organschaftliche Geschäftsführung nicht "Dritten" eingeräumt werden kann (BGHZ 36, 292, 293/294) hat damit nichts zu tun, da die Kommanditisten diese Rechte und Pflichten in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter und Mitinhaber des Gesellschaftsuntemehmens ausüben." Das wirkt sich im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts auch auf die Widerruflichkeit einer dem Kommanditisten erteilten Vollmacht aus 40. Der Bundesgerichtshof befaßte sich in einer frühen Entscheidung mit der Entziehung der Prokura bei einem geschäftsführungsbefugten Kommanditisten 41 • Wegen Meinungsverschiedenheiten hatte der Komplementär den Gesellschaftsvertrag gekündigt und dem Kommanditisten die im Gesellschaftsvertrag erteilte Prokura entzogen. Der Bundesgerichtshof gab der Klage auf Wiedererteilung statt. Der Widerruf der Prokura sei zwar angesichts des zwingenden gesetzlichen Umfangs der gesellschaftlichen Vertretungsmacht des Komplementärs wirksam. Ansonsten würde für außenstehende Dritte eine bedenkliche Rechtsunsicherheit eintreten. Der Kommanditist habe aber einen Anspruch auf Wiedererteilung der Prokura. Seine nur aus wichtigem Grund durch Gerichtsentscheidung entziehbare GeschäftsführersteIlung wirke sich auch auf die Entziehbarkeit von Prokura oder Handlungsvollmacht aus. Die Einräumung einer Vertretungsmacht an den Kommanditisten sei "gewissermaßen nur die andere Seite des dem Kommanditisten vertraglich eingeräumten Mitwirkungsrechts" . Dem soll auch § 52 HGB nicht entgegenstehen. § 52 HGB gelte nur für das Verhältnis zwischen Prinzipal und Angestelltem. Der Kommanditist sei Mitinhaber des Unternehmens und stehe nicht im Abhängigkeitsverhältnis eines Angestellten. Während seine Geschäftsführungsbefugnis gemäß § 117 HGB nur aus wichtigem Grund entzogen werden könne, könne die Geschäftsführung eines Angestellten jederzeit bei Vertrauensverlust beendet werden. b) Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis des einzigen Komplementärs Im Unterschied zur organschaftlichen Vertretungsbefugnis kann dem einzigen Komplementär die Geschäftsführungsbefugnis durch Klage entzogen werden 42. 39 40

41

BGH Urteil vom 15.1.1968, WM 1968,509. s. o. 2. Abschn. Fn. 172. BGH Urteil vom 27.6.1955 BGHZ 17,393 = NJW 1955, 1394.

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3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Mit der Entziehung soll das Recht, Maßnahmen der Geschäftsführung zu treffen, auf die Gesamtheit der Gesellschafter "zurückfallen" 43. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs handelt es sich um keine "echte" Gesamtgeschäftsführung im Sinne von § 115 HGB, sondern darum, daß die Gesellschafter "nun zwangsläufig in ihrer Gesamtheit als Herren des Unternehmens alle erforderlichen Maßnahmen treffen können und müssen, die die Neuregelung der Geschäftsführung und bis dahin auch die Einzelheiten der Geschäftsführung selbst betreffen" . Folge dieser Rechtsprechung ist, daß der Komplementär als Vertretungsorgan im Innenverhältnis an die Mitwirkung der Kommanditisten gebunden ist. Von der unentziehbaren Organstellung im Außenverhältnis darf er ohne Zustimmung der Kommanditisten keinen Gebrauch machen. Dadurch wird im Innenverhältnis eine Lage geschaffen, die das Gesellschaftsunternehmen wegen des Einstimmigkeitsprinzips praktisch lahm legt. Das Rechtschutzbedürfnis für die Klage soll nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dennoch nicht fehlen, da sich nicht absehen lasse, ob nicht nach Abschluß des Rechtsstreits noch eine einverständliche Neuregelung der Gesellschaftsorganisation möglich sei. Es sei nicht sachgerecht, den vertragstreuen Gesellschaftern die Eantziehungsklage zu verweigern und sie von vorneherein auf die Auflösung der Gesellschaft zu verweisen. Hier zeigt sich eine scharfe Trennung zwischen der Geschäftsführung und der Vertretung. Hinsichtlich der organschaftlichen Vertretung im Außenverhältnis der Gesellschaft nimmt der Bundesgerichtshof die Ungewißheit, ob sich die Gesellschafter auf eine Neuorganisation einigen können, nicht in Kauf 44 • c) Die Haftung des herrschenden Kommanditisten (Rektorfall) Als grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs dafür, daß der Erweiterung der Geschäftsführungsrechte eines Kommanditisten praktisch keine Grenzen gesetzt sind, gilt der sogenannte "Rektorfall"45. Der beklagte Rektor wollte sein Geld gewinnbringend anlegen. Deshalb errichtete er mit der verrnögenslosen Frau E. eine Strickerei. Da er selbst als Beamter nicht kaufmännisch tätig werden konnte, machte er Frau E., die im Betrieb als ungelernte Zu schneiderin mitarbeiten sollte, zur Komplementärin und übernahm die Kommanditistenstellung mit einer Einlage von 10000 DM. Er brachte darüber hinaus weitere Beträge für die Gesellschaft in Höhe von mindestens 83 000 DM auf. Ferner erwaerb er ein Grundstück für 5 000 DM und errichtete darauf für 42 BGH Urteil vom 9.12.1968 BGHZ 51, 198; bestätigt für eine GmbH & Co KG in BGH Urteil vom 25.4.1983 NJW 1984, 173; zur Vertretungsbefugnis s.o., Fn. 6. 43 BGHZ 51, 198,201. 44 Siehe oben 1. 2. 45 BGH Urteil vom 17.3.1966 BGHZ 45,204 = WM 1966,417 ff.

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die Gesellschaft ein Betriebsgebäude. Der Beklagte erteilte in der Gesellschaft in allen wesentlichen Angelegenheiten Weisungen. Die Klägerin belieferte die KG mit Garnen und räumte ihr Kredit in Höhe von 5.000 DM ein, obwohl sie wußte, daß Frau E. vermögenslos war und der Beklagte seine Einlage geleistet hatte. Der Beklagte war bei den Kreditbesprechungen anwesend und erklärte, seine Einlage betrage offiziell 10 000 DM, in Wirklichkeit gebe er mehr; er sei die Firma und verkörpere die Firma und sei doch für mehr gut als für 10 000 DM. Die Klägerin brauche keine Angst zu haben. Alles, was gekauft werde, werde auch bezahlt. Die Klägerin fiel mit ihrer Forderung wegen Konkurses der Gesellschaft aus und nahm den Beklagten auf Zahlung in Anspruch. Das Berufungsgericht 46 ließ offen, ob der Beklagte bei den Kreditverhandlungen einen Schuldbeitritt oder ein Garantieversprechen abgegeben hatte, und verurteilte den Beklagten, weil die Geltendmachung der Haftungsbeschränkung rechtsmißbräuchlich sei 47. Es leitete den Mißbrauch nicht allein daraus her, daß der Beklagte wirtschaftlicher Inhaber der KG gewesen sei. Die Möglichkeit eines Kommanditisten, unter der Rechtsform der KG eigene Geschäfte zu betreiben, sei so naheliegend, daß sie vom Gesetzgeber nicht übersehen worden sein könne. Das gelte auch, soweit mit einer vermögenslosen Person als Komplementär eine KG gebildet werde. Wegen der Äußerungen des Beklagten bei den Kreditverhandlungen und seiner wirtschaftlichen Alleininhaberstellung sei der Einwand der beschränkten Haftung aber rechtsmißbräuchlich. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück zur Prüfung der Frage, ob der Beklagte einen Schuldbeitritt erklärt oder ein Garantieversprechen abgegeben hatte. Auch angesichts der Umstände des Einzelfalls sei dem Beklagten kein Rechtsrnißbrauch vorzuwerfen, da der Klägerin alle wesentlichen Umstände bekannt gewesen seien. Mit den weitgehenden Weisungsbefugnissen des Beklagten habe die Klägerin jedenfalls angesichts der dispositiven Regelung des § 164 HGB rechnen müssen. Ausführlich untermauerte der Bundesgerichtshof die auch vom Berufungsgericht geteilte Ansicht, daß ein Kommanditist nicht deshalb unbeschränkt haften müsse, weil er wirtschaftlich gesehen Alleininhaber des Handelsgeschäfts sei und als persönlich haftender Gesellschafter eine vermögenslose Person vorschiebe. Die gesetzliche Regelung bei den Personengesellschaften, die von einer Abhängigkeit von Unternehmensleitung und Haftung ausgehe, sei als Typenregelung dispositiv. Es handele sich nicht um einen zwingenden wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundsatz, wie die Rechtsformen der GmbH, der AG, der Einmanngesellschaft und der GmbH & Co. KG zeigten. Die Gegenauffassung führe zu Rechtsunsicherheit, da man dann bei den verschiedenartigen Gestaltungsmöglichkeiten der Typenvermischung niemals mit Sicherheit sagen könne, wie

46 47

OLG Hamm MDR 1963,849,850. OLG Hamm MDR 1963, S. 850.

3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

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die Haftungsverhältnisse in den Personengesellschaften seien 48 • Das geltende Recht kenne keine Vorschrift, wonach der eigentliche Geschäftsinhaber seine nur beschränkte Haftung offenkundig machen müsse. Es reiche aus, daß der Umfang der Haftung so offen gelegt werde, wie sie rechtlich und tatsächlich sei.

B. BGB-Gesellschaft Zur Bedeutung des Prinzips der Selbstorganschaft bei der BGB-Gesellschaft finden sich drei neuere Urteile des Bundesgerichtshofs 49 • Danach können Publikums-BGB-Gesellschaften umfassend von Nichtgesellschaftem verwaltet werden. Hinsichtlich der Abberufung von Geschäftsführern besteht bei diesen Gesellschaften kein wesentlicher Unterschied zwischen Gesellschaftern und Nichtgesellschaftern.

I. Übertragung der Geschäftsführung auf einen Nichtgesellschafter in einer Publikumsgesellschaft Zunächst befaßte sich der Bundesgerichtshof grundsätzlich mit der Zulässigkeit der Fremdverwaltung in einer Publikums-BGB-Gesellschaft 50 • Die Klägerin fungierte als Treuhänder und Geschäftsführer einer aus 144 Gesellschaftern bestehenden und als BGB-Gesellschaft errichteten Publikums geseIlschaft, dem sogenannten G-Fonds, an dem sie nicht beteiligt war. Das Fondskapital sollte 13,55 Mio. DM betragen. Zweck der Gesellschaft war zum einen die Beteiligung mit 1,75 Mio. DM Kommanditeinlage über den Treuhänder an einer Grundstücksverwaltungs-GmbH & Co. KG, zum anderen die Vergabe von Darlehen an eines der im § 17 Abs. 5 BerlinFG bezeichneten Institute. Der Beklagte hatte seinen Beitritt zum Fonds erklärt und verweigerte später die Zahlung des Beitrages mit der Begründung, der Gesellschaftsvertrag sei wegen der Geschäftsführungsregelung nichtig. Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, daß die Klägerin Geschäftsführer und Vertreter des Fonds sein sollte. Sie war ermächtigt, alle "zur Aufnahme neuer Gesellschafter erforderlichen Erklärungen für die Zertifikat-Inhaber (die Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts) abzugeben und entgegenzunehmen" (§ 2 des Vertrages). Bei der Beteiligung an der KG sollte die Klägerin als Treuhänder nur im eigenen Namen auftreten. Sie war verpflichtet, insoweit stets nach Weisungen des G-Fonds zu handeln. Das Treuhandverhältnis war für die Dauer der Beteiligung an der KG BGHZ 45, S. 206. BGH Urteil vom 16.11.1981 NJW 1982,877; Urteil vom 22.3.1982 NJW 1982, 2495; Urteil vom 9.11.1987 WM 1988,23. 50 BGH NJW 1982,877. 48

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B. BGB-Gesellschaft

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vereinbart und war von Seiten des Fonds mit einer Mehrheit von drei Viertel des Nennkapitals mit einjähriger Frist kündbar. Weiter enthielt der Vertrag die Bestimmung, daß sich die Haftung der Gesellschafter auf die Höhe ihrer Anteile beschränkte. Im Falle der Verhinderung trat an die Stelle der Klägerin ein Beirat, der im übrigen auch Kontrollaufgaben hatte. Der Vorsitzende des ansonsten von der Gesellschafterversammlung besetzten Beirates war ein von der G-Bank 51 entsandter Vertreter. Der Vertrag enthielt ferner eine Aufzählung von Punkten, über die zu beschließen Aufgabe der Gesellschafterversammlung war. Das Berufungsgericht hatte angenommen, daß der Gesellschaftsvertrag nichtig sei, weil gegen das Prinzip der Selbstorganschaft verstoßen worden sei. Keiner der Gesellschafter habe die Geschäftsführung übernehmen wollen. Deshalb seien alle von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen worden und die Klägerin zum alleinigen Geschäftsführer und Vertreter bestimmt worden. Auch die Gesellschafterversammlung habe nur über die im Vertrag genannten Punkte bestimmen dürfen. Aus der Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung folge, daß die Gesellschaft überhaupt keinen Geschäftsführer habe. Selbst wenn die gesetzliche Geschäftsführungsbefugnis bei den Gesellschaftern geblieben sei, sei der Vertrag nichtig, da die Gesellschafter gegenüber der Klägerin kein umfassendes Weisungsrecht hätten ausüben können und auch nicht die Befugnis gehabt hätten, die Klägerin als Geschäftsführerin jederzeit abzuberufen. Im übrigen sei der Vertrag nichtig, weil er einen Mißbrauch des Rechtsinstituts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts darstelle und die Gesellschafter der Gefahr der Übervorteilung aussetze. Diese Gefahr sah das Berufungsgericht unter anderem darin, daß der Vertreter der G-Bank im Beirat den Vorsitz führte. Der Bundesgerichtshof verneinte einen Verstoß gegen das Prinzip der Selbstorganschaft mit zwei Argumenten: Einerseits verbiete der "Rechtsgrundsatz der Selbstorganschaft" nur, "daß sämtliche Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen und diese auf Dritte übertragen" werde. Damit vereinbar sei es jedoch, einen Dritten durch Gesellschafterbeschluß mit Geschäftsführungsaufgaben in weitem Umfang zu betrauen und mit umfassender Vollmacht auszustatten. Unmittelbar durch den Gesellschaftsvertrag habe die Klägerin als Nichtgesellschafterin zwar nicht zur Geschäftsführung berechtigt werden können. Es sei aber konkludent ein Dienst- und Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen. Der Klägerin sei lediglich ein abgeleitetes Geschäftsführungs- und Vertretungs recht erteilt worden; sie habe diese Befugnisse nicht aus eigenem Recht. Die gesellschaftliche Geschäftsführung und Vertretung sei bei der Gesamtheit der Gesellschafter geblieben. Das ergebe sich aus dem weitgehenden Weisungsrecht der Gesellschafter und daraus, daß neben einem Recht 51 Welche Beziehung zwischen der G-Bank und dem gleichnamigen G-Fonds bestanden, läßt sich dem Sachverhalt leider nicht entnehmen.

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3. Abschn.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund ein ordentliches Kündigungsrecht bestehe. Die Aufzählung von einzelnen Punkten im Gesellschaftsvertrag, über die die Gesellschafterversammlung beschließen dürfe, müsse als beispielhaft und nicht als abschließend verstanden werden. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts verstoße gegen gesellschaftsrechtliche Grundsätze, da die Gesamtheit der Gesellschafter als Trägerin aller Rechte und Pflichten eine umfassende Entscheidungsbefugnis habe. Andererseits ergebe sich aber auch nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit, wenn der Gesellschaftsvertrag tatsächlich eine Fremdorganschaft begründe. Daraus würde nur folgen, daß anstelle der unwirksamen Vertragsbestimmung die gesetzliche Regelung träte, d. h. nach § 709 BGB Gesamtgeschäftsführung bestünde. Gegen das Argument, der Vertrag sei nichtig, weil er die Gesellschafter der "Gefahr der Übervorteilung aussetze", das das Berufungsgericht unter anderem mit dem Hinweis auf den Vorsitz eines Bankenvertreters im Beirat gestützt hatte, verwies der Bundesgerichtshof darauf, daß dieses mit Kontroll- und bestimmten Geschäftsführungsaufgaben betraute Organ in seiner Mehrheit von der Gesellschafterversammlung bestimmt werde. Dadurch sei geWährleistet, daß die Gesellschafter den entscheidenden Einfluß auf die Zusammensetzung hätten.

11. Kündigung des Geschäftsführers einer Publikumsgesellschaft aus wichtigem Grund

Der Bundesgerichtshof befaßte sich noch in einer weiteren Entscheidung mit der Rechtsstellung eines Fremdverwalters in einer Publikums-BGB-Gesellschaft 52. Die Gründer der Gesellschaft, an der sich bis zu einem Gesamtkapital von 4,5 Mio. DM noch zu werbende Gesellschafter beteiligen sollten, bestellten auf drei Jahre befristet einen Fremdverwalter. Dieser sollte nur aus wichtigem Grund und bei Zustimmung von 90 % des in der Gesellschaft vertretenen Kapitals abberufen werden können. Die Klägerin, auf die 88 % des Kapitals entfielen, stimmte auf einer Gesellschafterversammlung für die Abberufung des Verwalters, der dafür einen wichtigen Grund gesetzt hatte. Der Bundesgerichtshof hielt die Abberufung für zulässig. Er bestätigte zunächst seine Rechtsprechung, wonach die Geschäfte einer BGB-Gesellschaft von einem nicht zum Kreis der Gesellschafter zählenden Dritten geführt werden dürfen. Die Gesellschafter hätten selbst die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis behalten. Dem Verwalter seien lediglich abgeleitete Rechte eingeräumt worden. Keine Bedenken bestünden dagegen, daß die Rechtsstellung des Fremdverwalters nur aus wichti52 BGH NJW 1982,2495; näheres zum Sachverhalt in BGH Urteil vom 10.10.1983, WM 1983, 1407, das einen Rechtsstreit in der gleichen Gesellschaft betraf.

B. BGB-Gesellschaft

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gern Grund entzogen werden dürfe wie die Regelungen des § 38 11 GmbHG und § 84 11 AktG zeigten. Das Mehrheitserfordernis von 90 % halte aber einer Inhaltskontrolle nicht stand. Es genüge eine einfache Mehrheit. Eine Regelung, die die Minderheit instandsetze, der Mehrheit einen Geschäftsführer, der einen wichtigen Grund für eine Abberufung geliefert habe, aufzuzwingen, sei unwirksam. Die Entlassung des Verwalters sei eine einfache Geschäftsführungsmaßnahme der Gesellschafterversammlung. In einem neuen Urteil 53 hat der Bundesgerichtshof diese Grundsätze auf den Gesellschaftergeschäftsführer einer Publikums-BGB-Gesellschaft übertragen. Auch für seine Abberufung reiche ein einfacher Mehrheitsbeschluß aus. Zwar sei übereinstimmende Mitwirkung aller Gesellschafter wegen der engen persönlichen Bindung "der auf Selbstorganschaft angelegten Personengesellschaft regelmäßig erforderlich, um einem Gesellschafter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen (§§ 117, 125 HGB; 712, 715 BGB)". In einer Publikumsgesellschaft beeinträchtige dieses Erfordernis aber unangemessen die Interessen der Anlagegesellschafter. Dem Geschäftsführer sei zuzumuten, das Fehlen eines wichtigen Grundes gegebenenfalls gerichtlich feststellen zu lassen. Es fällt auf, daß der Bundesgerichtshof die Entscheidung in der Begründung offen gestaltet, so daß an ihre Übertragung auf eine Publikums-KG gedacht werden kann 54.

53 54

BGH WM 1988, 23. Vgl. unten 5. Abschn. C. 11. 1. b).

4. Abschnitt

Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur nach 1945 A. Überblick Die Literatur zum Prinzip der Selbstorganschaft ist außerordentlich umfangreich. Das Thema wurde seit 1945 mehrfach in Monographien aufgearbeitet. Zum Teil befassen sich diese Arbeiten zentral mit der Frage, inwieweit die Selbstorganschaft ein zwingendes Prinzip bei den Personengesellschaften ist I. Die Selbstorganschaft wurde aber auch im Rahmen der allgemeinen Diskussion um die Grenzen der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht ausführlich untersucht 2 • Im Unterschied zur Situation vor 1945 ist im neueren Schrifttum dabei die Ansicht stark verbreitet, daß es für ein zwingendes Prinzip der Selbstorganschaft keine Rechtfertigung gibP. Die herrschende Auffassung, insbesondere in der Kommentarliteratur, folgt aber der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 4 •

1 Sels, Kommanditisten und Nichtgesellschafter als organschaftliehe Vertreter der KG und OHG - Diss. Köln 1952; Jaeger, Drittorganschaft bei der OHG - Zulässigkeit und Konsequenzen, Diss. Mannheim 1955; Hertel, Wie weit können die Befugnisse von Nichtgesellschaftem bei Personengesellschaften ausgedehnt werden? Diss. Mainz 1958; Bürck, Selbstorganschaft oder Drittorganschaft in OHG und KG, Diss. Kiel 1968; Stegmann, Rechtsfolgen der Entziehung der Vertretungsmacht des einzigen vertretungsberechtigten Gesellschafters bei der OHG und des einzigen Komplementärs bei der KG unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeit ausschließlicher Drittvertretung, Diss. Münster 1968; Hess, Drittorganschaft bei Personengesellschaften des Handelsrechts, Diss. Freiburg 1971; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung und -vertretung in den Personengesellschaften, Diss. Tübingen 1973 (auch zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts); Horst, Geschäftsführung, Vertretung und Beschlußfassung bei Personenhandelsgesellschaften, Diss. Frankfurt 1981 (hauptsächlich rechtstatsächliche Untersuchungen). 2 In ihren grundlegenden Arbeiten zu diesem Thema erörterten besonders den Grundsatz der Selbstorganschaft: Pauliek, Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung. Zugleich ein Beitrag zur Typenlehre im Gesellschaftsrecht, Tübingen 1954; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten, München 1965; Ott, Typenzwang und Typenfreiheit im Recht der Personengesellschaft, Diss. Tübingen 1966; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, Bielefeld 1970; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, Berlin-Heidelberg-New York 1970; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, München 1970; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, Heidelberg 1970; Reuter, Privatrechtliehe Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, München 1973; John, Die organisierte Rechtsperson, München 1977.

A. Überblick

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Im Folgenden sollen die beiden Grundauffassungen einander gegenübergestellt werden. Die Gegner des Prinzips der Selbstorganschaft versuchen in erster Linie nachzuweisen, daß die organschaftliche Vertretung bei den Personenhandelsgesellschaften nicht zwingend den persönlich haftenden Gesellschaftern vorbehalten ist. Meinungsunterschiede finden sich bei den Vertretern dieser Ansicht vor allem darüber, wie die Rechtsstellung eines Drittorgans ausgestaltet werden kann. Andererseits herrscht unter den Befürwortern der Selbstorganschaft keine Einigkeit darüber, welche Bedeutung diesem Prinzip abgesehen von der organschaftlichen Vertretung für die Geschäftsführung von Nichtgesellschaftern und Kommanditisten zukommt. Die Stellungnahmen in der Literatur beziehen sich fast ausschließlich auf Personenhandelsgesellschaften. Deshalb werden auch im Folgenden die Überlegungen zur BGB-Gesellschaft, die hinsichtlich der organschaftlichen Vertretung und der persönlichen Haftung Unterschiede gegenüber OHG und KG aufweist, gesondert dargestellt (unter D.). Die Darstellung orientiert sich am aktuellen Meinungsstand. Viele Streitpunkte, die in der Diskussion teilweise breiten Raum einnehmen, können heute als weitgehend geklärt gelten und bleiben deshalb außer Betracht. Dazu gehört beispielsweise die umfangreiche Auseinandersetzung um die Bedeutung des Typus im Gesellschaftsrecht 5 • Der Versuch, aus dem Typus der Personengesellschaft Grenzen der Vertragsfreiheit abzuleiten und daraus Folgerungen für das Prinzip der Selbstorganschaft zu ziehen 6 , hat zu keinen gesicherten Ergebnissen geführt. Der Typusbegriff ist dafür zu wenig greifbar und seine Verankerung im positiven Recht ist zweifelhaft. Umgekehrt betrachtet wird der Typus oder das Wesen der Personengesellschaften maßgeblich dadurch bestimmt, ob es ein zwingendes Prinzip der Selbstorganschaft gibt oder nicht. Erwähnt seien auch die Überlegungen in der Literatur zur Rechtsnatur der organschaftlichen Vertretung 7• Die heute ganz überwiegende Meinung geht da3 So von den in Fn. 1,2 Genannten besonders Sels, Jaeger, Buerck, Hess, Oldenburg, Horst, Ott, H. P. Westermann, Teichmann, teilweise auch Stegmann und Hertel; weitere Nachweise im Folgenden. 4 Vgl. statt aller Baumbach-Duden-Hopt HGB § 114 Anm.2 A, § 125 Anm. 1 C; Ulmer in: GK zum HGB, 4. Aufl., § 109 Rd.-Zf. 34; von den in Fn. 2 Genannten, Paulick, Wiedemann, Huber, Nitschke, John; differenzierend Reuter; weitere Nachweise im Folgenden. 5 Allgemein zur Typenlehre Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, S. 45; zur Bedeutung für die Diskussion um die Selbstorganschaft Nitschke, Personengesellschaft, S. 5 ff.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 89 ff., 123 ff.; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 71 ff.; zur Bedeutung des Typus de lege ferenda Wüst, FS für Duden, 1977,749 ff. 6 So hauptsächlich Paulick, Genossenschaft, S. 84 ff. 7 Stegmann, Rechtsfolgen, S 116 ff.; Hess, Drittorganschaft, S. 17 ff.; Bürck, Selbstorganschaft, S. 82 ff., s. o. 2. Abschn., Fn. 94, Fn. 97.

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

hin, daß diese Frage offen bleiben kann. Danach enthält die gesellschaftliche Vertretung sowohl Elemente einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht, da sie auf dem Gesellschaftsvertrag beruht, als auch Elemente einer gesetzlichen Vertretung, schon weil der Umfang der Vertretungsmacht der Disposition der Parteien entzogen ist 8 • Für das Prinzip der Selbstorganschaft läßt sich daraus nichts herleiten. Auch hier gilt eher die Umkehrung, daß je nach dem, ob das Prinzip der Selbstorganschaft zwingende Geltung beansprucht, die organschaftliehe Vertretung mehr oder minder gesetzlich festgelegt ist.

B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal Besonders seit den fünfziger bis in die siebziger Jahre hinein ist die Meinung begründet worden, daß für eine zwingende Geltung des Prinzips der Selbstorganschaft keine Rechtfertigung zu finden sei 9 • In der Argumentation findet deshalb die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 10 noch keine Berücksichtigung. I. Gestaltungsfreiheit bei der organschaftlichen Vertretung

Die meisten Befürworter dieser Ansicht halten die Übertragung der organschaftlichen Vertretung auf einen Nichtgesellschafter für zulässig 11. Nur vereinzelt findet sich die schon aus den Zeiten des ADHGB bekannte Auffassung 12, daß eine Personenhandelsgesellschaft ausschließlich durch einen Bevollmächtigten vertreten werden kann 13. Eine Generalvollmacht soll durch Eintragung ins Handelsregister 14 an eine organschaftliehe Vertretung angenähert werden können. Unter den Befürwortem einer echten Drittorganschaft sind einige, die angesichts der Regelung des § 170 HGB eine organschaftliehe Vertretung von Kommanditisten im Gegensatz zu Nichtgesellschaftern ablehnen 15. Ganz überwiegend H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 192 m. w.N. Außer den in Fn. 3 Genannten: Dellmann in Freundesgabe für H. Hengeler, 1972, S. 64 ff.; Helm / Wagner, BB 1979, S. 225 ff.; Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 167; für Sonderfälle auch Müller, NJW 1955, 1901 ff.; Reuter, Perpetuierung, S. 188 ff. 10 Insbesondere das Holiday-Inn-Urteil, BGH, NJW 1982, S. 1817 (s. o. 2. Abschn. A. 11. l. b). II Vgl. statt aller Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 50, m. w.N.; zur Vollmacht zur Ausübung der gesellschaftlichen Vertretung H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 406 ff. 12 s. o. 2. Abschn., Fn. 34. 13 So Stegmann, Rechtsfolgen, S. 128 ff., 184. 14 Stegmann, Rechtsfolgen, S. 184; Hertel, Befugnisse, S.63, befürwortet darüber hinaus eine eintragungsfähige Erweiterung der Generalvollmacht auf die Befugnis Prokura zu erteilen, dagegen aber Stegmann, S. 203/204, m. w.N. 8

9

B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal

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gilt aber die organschaftliche Vertretung durch Kommanditisten neben der Vertretung durch Nichtgesellschafter "erst recht" als zulässig 16.

11. Bedürfnis für eine Abbedingung der Selbstorganschaft

Die Literatur verweist zunächst auf ein wirtschaftliches Bedürfnis für die Zulassung der Drittorganschaft I7. Die Zulassung von Fremdgeschäftsführung und -vertretung entspricht danach dem Wunsch der Gesellschafter, sich vollständig von der Geschäftsführung einer Personengesellschaft zurückzuziehen und die Leitung einem fachkundigen Geschäftsführer zu überantworten, ohne ihn an der Gesellschaft zu beteiligen 18. Ein Mangel an geeigneten Führungskräften aus dem Kreis der Gesellschafter tritt zum Beispiel auf, wenn dem einzigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter die Vertretungsmacht entzogen wird und die Gesellschafter sich nicht auf eine Neuorganisation der Geschäftsführung einigen können 19. Zu einer geschäftsführungslosen Gesellschaft kann es auch kommen, wenn der Geschäftsführer stirbt und keiner der Erben die Geschäftsführung übernehmen will oder kann 20 • Um kompetente Fachleute für die Geschäftsführung zu interessieren, ist es vorteilhaft, wenn eine Personenhandelsgesellschaft eine selbständige und eigenverantwortliche Stellung anbieten kann, die der eines GmbH-Geschäftsführers oder eines Vorstandsmitglieds einer AG entspricht 21 • Darüber hinaus können z. B. Gläubiger ein Interesse an einem maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung und Vertretung in einer Personengesellschaft haben 22. Schließlich sind auch Kommanditisten, deren Vermögensbeteiligung so gewichtig ist, daß ihnen der entscheidende Einfluß in der Gesellschaft zukommt, daran interessiert, die organschaftliehe Vertretung zu übernehmen; dadurch könnte die Geschäftsführung insgesamt, einschließlich der Vertretung den "tatsächlichen Machtverhältnissen" angepaßt werden 23. Jaeger, Drittorganschaft, S. 40; Hess, Drittorganschaft, S. 164. So Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 124; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 84,87 m. w.N.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 333; Bürck, Selbstorganschaft, S. 97 ff. 17 Ausführlich Stegmann, Rechtsfolgen, S. 19 ff., 91 ff.; 0ldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 7 ff.; Hess, Drittorganschaft, S.49 ff; Bürck, Selbstorganschaft, S. 4 ff.; Helm/Wagner, BB 1979,225 ff. 18 Reinhardt / Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 167. 19 Dazu besonders Stegmann, Rechtsfolgen, S. 9 ff. 20 Bürck, Selbstorganschaft, S. 19/20; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 9/l 0; auch Müller, NJW 1955, 1901 ff. 21 Helm / Wagner BB 1979, 225/226; Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd. -Zf. 15

16

167,170.

22 Dazu Hertel, Befugnisse, S. 16; Hess, Drittorganschaft, S. 66; Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 180; Helm / Wagner, BB 1979,225/226; für diesen Sonderfall auch Reuter, Perpetuierung, S. 188 ff. 23 So Bürck, Selbstorganschaft, S. 9/10.

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

Diese wirtschaftlichen Interessen sollen ohne Zulassung einer Drittorganschaft bei der Vertragsgestaltung nicht ausreichend berücksichtigt werden können. Danach genügt es nicht, Gesamtgeschäftsführung und -vertretung der Gesellschafter zu vereinbaren und die Geschäftsführung unter Erteilung von Generalvollmacht zur Ausübung einem Nichtgesellschafter zu überlassen. Die Vertretungsmacht des Generalbevollmächtigten ist begrenzt. Sie umfaßt nach herrschender Meinung nicht die Erteilung und den Widerruf einer Prokura und entlastet die Gesellschafter nicht von der Übernahme registerrechtlicher Pflichten (§§ 108 Abs.2, 53 HGB) oder von der Erfüllung von Prozeßpflichten (z. B. Parteivernehmung) 24. Nachteile ergeben sich auch daraus, daß bei Vereinbarung von Gesamtvertretung die einzelnen Gesellschafter passiv vertretungsberechtigt bleiben (§ 125 Abs.2 Satz 3 HGB). Das bedeutet, daß sich die Gesellschaft alle Rechtshandlungen, die gegenüber einem vertretungsberechtigten Gesellschafter vorgenommen werden, zurechnen lassen muß. Auch für Willensmängel reicht die Kenntnis einzelner Gesellschafter aus. Mißtrauen sich die Gesellschafter gegenseitig und überlassen sie deshalb die Geschäftsführung einem Nichtgesellschafter, so liegt in der Vereinbarung von Gesamtvertretung ein Risiko 25. Andererseits kann der Einfluß, den sich Außenstehende auf die Geschäftsführung sichern wollen, dadurch vereitelt werden, daß die gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafter ohne weiteres gemeinsam für die Gesellschaft handeln können 26. Der Kommanditist ist in seiner Machtstellung nur wirklich gesichert, wenn der Komplementär auch im Außenverhältnis nicht mehr ohne seinen Willen tätig sein kann 27. Auch andere Ersatzkonstruktionen zur Drittorganschaft lehnen deren Befürworter als nicht gleichwertig ab. Häufig erörtert wird das Ausweichen in die Rechtsform der GmbH und der GmbH & Co. KG. Eine Änderung der Rechtsform hat vielfältige Konsequenzen über die Geschäftsführungsregelung hinaus (z. B. steuerlicher Art), an deren Vermeidung die Gesellschafter ein berechtigtes Interesse haben können. So soll es rechtspolitisch verfehlt sein, die Gesellschafter zu zwingen, nur wegen des Verbots der Fremdorganschaft die Rechtsform zu ändern 28. Einer Beteiligung des benötigten Geschäftsführers an der Gesellschaft steht die dadurch ausgelöste persönliche Haftung entgegen, zu deren Übernahme ein Außenstehender oft nicht bereit ist. Andererseits haben die Gesellschafter, besonders in einer Familien-Gesellschaft, ein Interesse daran, dem Geschäftsführer nicht mehr Rechte zuzugestehen als notwenig. Ein Gesellschafter hat aber

24 Zum ganzen ausführlich Bürck, Selbstorganschaft, S. 34 ff.; Stegmann, Rechtsfolgen, S. 60 ff.; a.A. Hertel, a.a.O., Fn. 14. 25 So Hess, Drittorganschaft, S. 65; Stegmann, Rechtsfolgen, S. 69; Helm / Wagner, BB 1979,225,227. 26 Hess, Drittorganschaft, S. 66. 27 Brox, FS für H. Westermann, S. 21. 28 So Helm/Wagner, BB 1979, 225, 227; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung S. 16 ff.; Stegmann, Rechtsfolgen, S. 16 ff.

B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal

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mindestens die unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte 29. Die Aufnahme des Geschäftsführers ohne Kapitalanteil, d.h. ohne Beteiligung am Vermögen, begegnet angesichts des Haftungsrisikos besonderen Bedenken 30. Ähnliche Probleme entstehen, wenn die Mitgliedschaft eines Gesellschafters auf einen Treuhänder übertragen wird, der dann die Geschäftsführung übernimmt 31 . Angesichts dieser Probleme geht es den Befürwortern einer Drittorganschaft darum, "die Entwicklung der Personengesellschaft zur vielseitig brauchbaren Unternehmensform durch den Einbau von Fremdorganen voranzutreiben"32.

III. Gesetzeslage

Einer Beseitigung der Selbstorganschaft sollen die Regelungen des HGB nicht entgegenstehen. Die Argumentation kann wie folgt zusammengefaßt werden: Die Zulassung der Drittorganschaft im Liquidationsstadium (§ 146 HGB) weist darauf hin, daß diese Organisationsform nicht von vorneherein mit dem Personengesellschaftsrecht unvereinbar ist 33 . Die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf einen Nichtgesellschafter oder Kommanditisten ist gemäß §§ 109, 114, 163, 164 HGB unproblematisch zulässig. Es gilt der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit. Die Geschäftsführung ist aber die primäre Handlung, soweit die Willensbildung der Gesellschaft betroffen ist. Durch die Vertretungsmacht wird ihr nur noch die notwendige Außenwirkung verliehen. Geschäftsführung und Vertretung sind deshalb einheitlich zu beurteilen. Eine Aufspaltung ist wirklichkeitsfremd, da jede Vertretungshandlung gleichzeitig eine Geschäftsführungshandlung ist 34 . Daraus, daß in § 109 HGB bzw. 164 HGB nicht auf die gesetzliche Regelung der Vertretung verwiesen wird, kann nicht gefolgert werden, daß die Vertretung abweichenden Gestaltungen der Gesellschafter entzogen ist. Nur der Umfang der Vertretungsmacht hat zwingenden Charakter. Ansonsten sind Modifikationen bei der Vertretung, wie § 125 Abs.4 HGB zeigt, erlaubt 35.

29 Zum ganzen H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 335; Stegmann, Rechtsfolgen, S. 95; Helm / Wagner, BB 1979, 225, 227. 30 Dazu Bürck, Selbstorganschaft, S. 43 ff.; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S.22. 31 Dazu näher Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 24; Stegmann, Rechtsfolgen, S. 94 ff. 32 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 342. 33 Bürck, Selbstorganschaft, S. 47; Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 167. 34 So Jaeger, Drittorganschaft, S.27; Bürck, Selbstorganschaft, S. 103/104; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 451; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 120; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 75; Reinhardt- Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 176; Dellmann, FS für Hengeler, S. 64 ff., 74; Ott, Typenzwang, S. 240. 35 Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 176. 6 Werr.

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

§ 125 Abs. 3 HGB, der die unechte Gesamtvertretung mit einem Prokuristen regelt, entspricht dem allgemeinen, auch für Kapitalgesellschaften geltenden Grundsatz, daß die Organe von Gesellschaften nicht an die Mitwirkung von Bevollmächtigten gebunden sein dürfen (vgl. § 78 Abs. 3 AktG). Der Vorschrift ist Genüge getan, wenn bei Drittorganschaft eine Vertretung ohne Mitwirkung eines Prokuristen möglich bleibt 36. Da der Prokurist als Gesamtvertreter die volle organschaftliehe Vertretungsmacht ausübt, liegt darin "ein Schritt auf dem Weg zur Anerkennung der Drittorganschaft"37. § 170 HGB schließt den Kommanditisten von der Vertretungsmacht zwar ausdrücklich aus. Daraus ergibt sich aber nicht, daß § 170 HGB nicht abdingbar ist. Es fällt auf, daß bei anderen Vorschriften im Unterschied zu § 170 HGB das Gesetz ausdrücklich die zwingende Geltung vorschreibt (§§ 172 Abs. 3, 173 Abs. 2, 174 und 126 Abs. 2 HGB). Andererseits gelten auch andere Vorschriften, die in § 163 HGB nicht genannt sind, nach allgemeiner Meinung als abdingbar, wie z.B. § 177 HGB38.

Die Gesetzgeber des ADHGB und des HGB haben die gesetzliche Regelung zwar auf Selbstorganschaft ausgerichtet 39. Dem liegt aber keine bewußte Entscheidung gegen abweichende Gestaltungen zugrunde. Im 19. Jahrhundert war die Fremdgeschäftsführung weniger verbreitet als heute, so daß sich der Gesetzgeber darüber keine Gedanken zu machen brauchte 40 •

IV. Organschaftliche Vertretung durch Kommanditisten Damit soll bereits die Entscheidung gefallen sein, daß neben der organschaftlichen Geschäftsführung dem Kommanditisten auch die organschaftliehe Vertretung übertragen werden kann. Weder der notwendige Schutz des Rechtsverkehrs noch ein Schutzbedürfnis der Komplementäre soll dem entgegenstehen.

1. GesellschaJterschutz Die Komplementäre werden nach dieser Ansicht im Vergleich zu bereits anerkannten Gestaltungsmöglichkeiten durch die organschaftliehe Vertretung ei36 Jaeger, Drittorganschaft, S. 40; H. P. Westennann, Vertragsfreiheit, S. 454; ähnlich Bürck, Selbstorganschaft, S. 96; Hess, Drittorganschaft, S. 102. 37 So Bürck, Selbstorganschaft, S. 52; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 83. 38 Vgl. Bürck, Selbstorganschaft, S.98; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 86; Brox, FS für H. Westennann, S. 25. 39 H. P. Westennann, Gestaltungsfreiheit, S. 156: "Bis auf alle Einzelheiten auf Selbstorganschaft abgestimmt". 40 Stegrnann, Rechtsfolgen, S. 136; Helm/Wagner, BB 1979,225,231; Zum Kommanditisten Brox, FS für H. Westennann, S. 21, 31; H. P. Westennann, Vertragsfreiheit, S. 261 ff.

B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal

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nes Kommanditisten kaum zusätzlich belastet. Auch nach der Rechtsprechung ist es möglich, dem Kommanditisten die Geschäftsführung alleinverantwortlich zu übertragen und ihm Prokura oder Generalvollmacht zu erteilen, die nur aus wichtigem Grund widerruflich ist 41 . Der Komplementär ist damit von der Willensbildung bei der Geschäftsführung ausgeschlossen. Er muß für die Geschäftsführungs- und Vertretungshandlungen des Kommanditisten, auf die er keinen Einfluß hat, persönlich haften. Daraus wird hergeleitet, daß es einen Grundsatz "keine Haftung ohne Herrschaft", wonach einem persönlich haftenden Gesellschafter ein Mindestmaß an Einfluß auf die Geschäftsführung verbleiben muß, nicht gibt 42 . Auch im Bereich der Vertretung hat der Kommanditist schon nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine abgesicherte Rechtsstellung, "eine unentziehbare organschaftliche Befugnis"43.

2. Verkehrsschutz Die Gefahr, daß der Rechtsverkehr über die persönliche Haftung des Kommanditisten getäuscht wird, soll bei der organschaftlichen Vertretung nicht größer sein als bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung 44. Man meint, es würde im Gegenteil der Überschaubarkeit und Klarheit des Rechtsverkehrs dienen, wenn derjenige, der über Geschäftsführungshandlungen entscheide, auch nach außen hin als Organ der Gesellschaft gezeigt würde 45 . Mit einer Eintragung des Kommanditisten im Handelsregister seien die Vertretungsverhältnisse hinreichend klargestellt 46 • Weiter wird geltend gemacht, daß die persönliche Haftung eines Unternehmers bzw. eines organschaftlichen Vertreters bei den heutigen Wirtschaftsverhältnissen kaum noch eine Bedeutung habe. Das private Vermögen reiche ab einer gewissen Betriebsgröße nicht zur Deckung der geschäftlichen Risiken und der betrieblichen Schulden 47. Ein Komplementär ohne Geschäftsführungsbefugnis sei als Vertreter lediglich ausführendes Organ der Kommanditisten; von seiner besonderen Verantwortung gegenüber dem Rechtsverkehr könne deshalb ohnehin keine Rede sein 48 • Die Gläubiger der Gesellschafter würden nicht benachteiligt, da ihnen die 41 Vgl. BGHZ 17,393; (s.o.). 42 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 274 ff., 279; Reinhardt-Schultz, Gesell-

schaftsrecht, Rd.-Nr. 270; so auch Brox, FS für H. Westermann, der aber nur Gesamtvertretung zwischen Kommanditist und Komplementär befürwortet, S. 29, 31. 43 So H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 259. 44 Dazu Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 172 ff. m. w.N.; Brox, FS für H. Westermann, S. 28; a.A. vgl. Fn. 15. 45 Bürck, Selbstorganschaft, S. 21. 46 Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 174 ff. 47 Bürck, Selbstorganschaft, S. 125; Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 169. 48 Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 108 ff. 6*

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

Komplementäre weiterhin persönlich hafteten 49. Dafür, daß derjenige, der die Leitung in einer Personenhandelsgesellschaft hat, nicht zwingend den Gläubigern persönlich haften muß, wird die "Rektorentscheidung" des Bundesgerichtshofs angeführt 50. Einen Grundsatz "keine Herrschaft ohne Haftung" gibt es im geltenden Recht danach ebenfalls nicht 51. Nach alledem kann dem Kommanditisten im Innen- und Außenverhältnis die gleiche Rechtsstellung eingeräumt werden wie einem Komplementär.

V. Organschaftliche Geschäftsführung und Vertretung durch Nichtgesellschafter J. Abspaltungsverbot

Die Literatur, die Drittorganschaft für zulässig hält, muß sich mit der Begründung des Bundesgerichtshofs auseinandersetzen, das Prinzip der Selbstorganschaft ergebe sich aus dem Abspaltungsverbot 52 • Verbreitet ist dagegen die Meinung, Abspaltungsverbot und Drittorganschaft ließen sich miteinander vereinbaren. Die Abtretung von Mitverwaltungsrechten ist danach unzulässig, weil die Gefahr einer Aushöhlung der Mitgliedschaft besteht. Der Abtretungsempfanger wäre nicht mit der Gesellschaftergesamtheit verbunden, seine PflichtensteIlung in der Gesellschaft nicht gesichert 53 . Das Abspaltungsverbot steht danach aber nicht der Neubegründung von originären Mitverwaltungsrechten für einen Nichtgesellschafter entgegen. Dafür wird auf die Entscheidung des 7. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs verwiesen, in der das Gericht die Neubegründung eines Stimmrechts und Widerspruchsrechts für einen Nichtgesellschafter im Gesellschaftsvertrag mit dem Abspaltungsverbot für vereinbar erklärte 54. Es sei nicht konsequent, wenn die herrschende Meinung Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 173. BGHZ 45, 204 ff.; (s. o. 3. Abschn. A. II. 2. c). 51 Dazu ausführlich H. P. Westerrnann, Vertragsfreiheit, S. 274 ff.; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 116 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 125/126; anders noch Sels, Kommanditist, S. 56 ff. und Müller, NJW 1955, 1909/1910: ein als Organ auftretender Kommanditist oder Nichtgesellschafter soll einer Funktionshaftung gemäß § 54 BGB unterliegen, da eine solche Gesellschaft wie ein Verein strukturiert sei. 52 BGHZ 36, 292 ff.; (s. o. 3. Abschn. A. 11. 1. a). 53 So. H. P. Westerrnann, Vertragsfreiheit, S. 396; Hess, Drittorganschaft, S. 82 ff. m. w.N.; 01denburg, Fremdgeschäftsführung, S.44; anders noch Jaeger, Drittorganschaft, S. 21 und Herte1, Befugnisse, S. 74/75, die mit der damals herrschenden Meinung § 717 BGB für abdingbar hielten. 54 BGH JZ 1960, 490 ff. (s. o. 3. Abschn. A. H. 1. d); dazu H. P. Westerrnann, Vertragsfreiheit, S. 329, 387 m. w. N. in Fn. 23; Dellmann, FS für Hengeler, S. 64, 66; Helm / Wagner, BB 1979,225,229; differenzierend aber Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 142 ff., 161. 49

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B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal

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auf diesem Wege die Begründung von Organbefugnissen Dritter zur Mitwirkung in Beiräten und Ausschüssen der Gesellschaft oder sogar das Recht auf Sitz und Stimme in der Gesellschafterversammlung für zulässig erachte, gleichzeitig aber Fremdgeschäftsführung und -vertretung ablehne 55.

2. Anerkannte Fälle einer Drittorganschaft Auch ansonsten meinen die Befürworter einer Drittorganschaft, die herrschende Meinung sei inkonsequent. Die bereits anerkannten Fälle einer Geschäftsführung und Vertretung durch Nichtgesellschafter in der werbenden Gesellschaft ließen sich verallgemeinern. a) Juristische Personen als Geschäftsführungsorgan Von Bedeutung ist einmal die Möglichkeit der Beteiligung von juristischen Personen an Personengesellschaften. Die Übertragung der organschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung auf eine juristische Person hat zur Folge, daß die organschaftlichen Befugnisse durch nicht persönlich haftende Dritte, Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder der juristischen Person ausgeübt werden. Hat die Gesellschaft neben der juristischen Person noch eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter, dann besteht die gleiche Gefährdungssituation wie bei echter Drittorganschaft. Die Literatur spricht hier vom "Schein einer Selbstorganschaft"56, von einer "unbewußten Entscheidung für die Zulässigkeit der Drittorganschaft" 57 oder von "materieller Drittorganschaft" 58. b) Drittorganschaft für die Dauer eines Prozesses Ein häufig vorgebrachtes Argument knüpft daran an, daß der Bundesgerichtshof die Drittorganschaft im Ausschließungs- und Auflösungsprozeß zuläßt 59. Daraus ergebe sich, daß eine Drittorganschaft nicht nur im Liquidationsstadium, wenn die Gesellschaft ihren Zweck gewandelt habe, sondern auch in der werbenden Gesellschaft denkbar sei. Die durch richterliche Entscheidung gegen den Willen eines oder mehrerer Gesellschafter eingeführte Drittorganschaft müsse 55 Helm / Wagner, BB 1979, 225, 233; dazu auch Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 180 m. w.N.; BälzZGR 1980, 1,50; zur "Durchbrechung des Abspaltungsverbots" durch die sogenannte Vertreterklausel H. P. Westermann, Vertragsfreiheit S. 341 ff.; abweichend allerdings Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 195 ff., der im Unterschied zur Drittorganschaft Stimmrechte von Nichtgesellschaftern für unzulässig hält; zu Beiräten näher unten C. I. 2. b) cc). 56 Ott, Typenzwang, S. 247. 57 Sels, Kommanditisten, S. 93. 58 Bürck, Selbstorganschaft, S.29; vgl. auch H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 280; so schon Boesebeck (s. o. 2. Abschn., Fn. 196). 59 BGHZ 33, 108 ff. (s. o. 3. Abschn. A. I. 4.).

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

erst recht durch eine dem übereinstimmenden Willen der Gesellschafter entsprechende Vereinbarung herbeigeführt werden können 60. 3. GeselischaJterschutz Als zentrales Problem in der Diskussion um die Selbstorganschaft gilt die Frage, ob bei Drittorganschaft der notwendige Schutz der Gesellschafter noch gewährleistet ist 61 • Diesbezüglich finden sich auch bei den Befürwortern der Drittorganschaft vielfältige Differenzierungen und Einschränkungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Rechtsposition eines Drittorgans, die im Folgenden zusammengefaßt werden. a) Grundsatz der Privatautonomie Allgemein verweisen die Befürworter einer Drittorganschaft auf das Prinzip der Vertragsfreiheit. Die Zustimmung der Gesellschafter zur Einführung der Drittorganschaft sichert, daß ihre Interessen gewahrt bleiben 62. Sie ist bis zur Grenze einer gemäß § 138 BGB sittenwidrigen Knebelung der Gesellschafter maßgebend 63 • Das Prinzip der Selbstorganschaft stellt angesichts der Privatautonomie eine nicht gerechtfertigte Zwangsfürsorge für die Gesellschafter dar 64 • Auch dem Gesamthandsprinzip bei der Personengesellschaft ist damit genügt, daß die im Gesellschaftsvertrag geregelte Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis im Gesamtwillen der Gesellschaft wurzelt 65. Eine Selbstentmündigung der Gesellschafter liegt im Verzicht auf die Geschäftsführung und Vertretung nicht. Der nach § 137 BGB unzulässige dingliche Ausschluß von der Verfügungsbefugnis findet bereits in der gesamthänderischen Bindung der Verfügungsbefugnis des einzelnen Gesellschafters beim Gesellschaftsvermögen seine Einschränkung 66. Es ist ausreichend, daß die Gesamtheit der Gesellschafter über das Vermögen der Gesellschaft trotz Bestellung eines Drittorgans verfügen kann 67 • Geteilt sind die Ansichten unter den Befürwortern einer Drittorganschaft darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen für die Bestellung eines Drittorgans eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter aus der gesellschaftlichen Treue60 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 449; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 123: "dann sind alle Dämme gebrochen". 61 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 156; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S.126. 62 Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 126. 63 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 156. 64 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 120. 65 Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 93. 66 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 426. 67 Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 92.

B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal

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pflicht hergeleitet werden kann 68 oder sogar ein Mehrheitsbeschluß der Gesellschafter ausreicht 69 • b) Pflichten eines Drittorgans Die Pflichten eines Nichtgesellschafters lassen sich zum Schutz der Gesellschafter im Innenverhältnis nach verbreiteter Auffassung an die eines Gesellschaftergeschäftsführers praktisch vollkommen angleichen und gehen teilweise noch darüber hinaus. An die Stelle einer gesellschaftlichen Treuepflicht treten entsprechende Verpflichtungen aus der übernommenen gesellschaftsrechtlichen Funktion und dem Anstellungsvertrag. Wie den Vorstand einer AG oder den Geschäftsführer einer GmbH trifft den Drittgeschäftsführer die Pflicht, sich am Wohl der Gesellschaft zu orientieren 70. Je stärker die Rechtsstellung des Dritten ausgebaut ist, desto größer ist seine Treuebindung. Der Haftungsmaßstab ist nach § 276 BGB sogar strenger ausgestaltet als beim Gesellschaftergeschäftsführer, der gemäß § 105 Abs. 2 HGB, 708, 277 BGB nur für Verschulden in eigenen Angelegenheiten einzutreten hat1 l • Kontrollrechte stehen den Gesellschaftern auch gegenüber einem Drittorgan analog §§ 716 BGB, 118 HGB zu. Besondere Kontrolleinrichtungen sind, wie das GmbH-Recht zeigt, nicht erforderlich, werden aber von den Gesellschaftern regelmäßig vorgesehen werden 72 •

c) Kompetenzen eines Drittorgans Ungeachtet dieser Möglichkeiten, die Pflichtenstellung des Drittorgans an die eines Gesellschafters anzugleichen, sind die Ansichten darüber geteilt, wie weit die Rechte eines Nichtgesellschafters über gewöhnliche Geschäftsführungsaufgaben hinaus, ausgedehnt werden dürfen. Ein Teil der Literatur hält es mit dem notwendigen Schutz der Gesellschaft für unvereinbar, die Befugnisse eines Nichtgesellschafters unbeschränkt auf ungewöhnliche Geschäfte zu erweitern (§ 116 Abs. 2 HGB)13. 68 Dafür in Notfällen H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 491; ähnlich allerdings für die Bestellung eines Generalbevollmächtigten Stegmann, Rechtsfolgen, S. 224; dagegen Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 190. 69 Dagegen grundSätzlich Helm / Wagner, BB 1979,225,229, da eine solche Neuorganisation von den Gesellschaftern bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages nicht übersehen werden könne; so auch Sels, Kommanditisten, S. 99, und Bürck, Selbstorganschaft, S. 110; dafür bei hinreichend bestimmter Regelung im Gesellschaftsvertrag (Mitwirkungsklausel) Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 190. 70 Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 173; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 105 ff. 71 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 457. 72 Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 173 ff.

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4. Abschn:: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

Umstritten ist darüber hinaus insbesondere die Frage, ob die Rechte eines Drittorgans auch auf die Vornahme von Grundlagengeschäften und auf die Mitwirkung in der Gesellschaftsversammlung ausgedehnt werden können. Während die einen die Ausdehnung der Befugnisse wie bei einem Gesellschaftergeschäftsführer für zulässig halten 74, meinen andere, dem stünden zwingende Gründe entgegen. Jäger verweist darauf, solche Befugnisse würden den Gesellschaftern jeglichen Einfluß auf das Handelsgeschäft nehmen und sie der Willkür eines Dritten aussetzen 75. Teichmann trennt zwischen der Geschäftsführung und Vertretung, die einem Nichtgesellschafter übertragen werden kann, und der sogenannten "gestaltenden Teilnahme am Willensbildungsprozeß in der Gesellschaft", die einem Gesellschaftsfremden nicht eingeräumt werden darf 76 • d) Weisungsgebundenheit und Widerruflichkeit Unterschiedliche Auffassungen über die Anforderungen an den Schutz der Gesellschafter zeigen sich bei den Befürwortern einer Drittorganschaft insbesondere bei der Frage, inwieweit die Rechtsstellung eines Nichtgesellschafters weisungsfrei und unwiderruflich, d. h. nur aus wichtigem Grund widerruflich, ausgestaltet werden darf. Diese Frage nimmt einen zentralen Platz in der Diskussion um die Selbstorganschaft ein 77 • Unter den Befürwortern einer Drittorganschaft stehen sich hier zwei Auffassungen gegenüber, die nicht immer genügend unterschieden werden, was den Überblick über die Diskussion erschwert.

aa) Abhängiges Drittorgan Verbreitet ist die Ansicht, der Anpassung der Rechtsstellung des Nichtgesellschafters an die eines geschäftsführungsbefugten Gesellschafters seien insoweit Grenzen gesetzt. Aus einer entsprechenden Anwendung des § 52 Abs. 1 HGB folgert ein Teil der Literatur, daß die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis eines Drittorgans in Abweichung von §§ 117, 127 HGB nicht nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, sondern jederzeit widerruflich sein müsse. Wenn schon die Prokura jederzeit widerrufen werden könne, gelte das für die weitergehen~ Vertretungsmacht des § 126 HGB erst recht 78. Die Fremdorganschaft kann danach 73 Jaeger, Drittohrganschaft, S. 51; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 451: nur in besonders gelagerten Einzelfällen; für unbeschränkte Zulässigkeit Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 213. 74 So H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 432,451; 01denburg, Fremdgeschäftsführung, S. 214; Ott, Typenzwang, S. 253. 75 Drittorganschaft, S. 50. 76 Gestaltungsfreiheit, S. 116 ff., 251; näher dazu unten bei Fn. 153. 77 Je nach dem ob eine unabhängige Rechtsstellung des Drittorgans befürwortet wird, erscheinen auch die erwähnten Streitpunkte bezüglich der Erweiterung der Kompetenzen des Drittorgans in einem unterschiedlichen Licht; vgl. oben unter c.

B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal

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durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages jederzeit beseitigt werden 79. Helm / Wagner verstärken den Schutz der Gesellschafter noch. Selbst bei grundsätzlicher Geltung des Einstimmigkeitsprinzips soll für die Abberufung des Fremdgeschäftsführers ein Mehrheitsbeschluß ausreichen 80. Stegmann sieht entsprechend § 116 Abs. 2 Satz 2 HGB im Innenverhältnis sogar jeden Gesellschafter allein als widerrufsberechtigt an 81. Die Gesellschafter können dem Drittorgan nach dieser Ansicht darüber hinaus unbeschränkt Weisungen erteilen 82.

bb) Unabhängiges Drittorgan Nach der Gegenmeinung ist es zulässig, die Rechtsstellung des Nichtgesellschafters auch im Innenverhältnis so zu festigen, daß er wie ein Gesellschafter ein eigenes Recht auf die Geschäftsführerposition hat. Der Widerruf kann auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden 83 . Weisungsbefugnisse der Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer können ausgeschlossen sein 84. Den Vertretern dieser Ansicht geht es darum, "daß dem Dritten eine eigenständige gesellschaftliche Rechtsmacht übertragen wird, kraft deren er wie ein Gesellschafter schalten und entscheiden kann, ohne selbst Teilhaber zu sein, und die auch eine Handhabe gegen willkürliche Entziehung seitens der Gesellschafter bieten kann"85. Es wird die Auffassung vertreten, daß überhaupt nur in diesem Fall von einer "Drittorganschaft" gesprochen werden könne. Die Gegenauffassung räume nur eine weitgehende Vollmacht bzw. eine auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag beruhende Rechtsstellung ein; die Gesellschafter blieben die eigent78 Jaeger, Drittorganschaft, S. 42, 54; Bürck, Selbstorganschaft, S. 117; Hess, Drittorganschaft, S. 144,152; Stegmann, Rechtsfolgen, S. 129; Horst, Geschäftsführung, S. 127. 79 Helm/Wagner, BB 1979,225,229; dagegen ist nach Stegmann, Rechtsfolgen, S. 156/157; 221/222 ein "Gesamthandeln" der Gesellschafter ausreichend, daß auch bei Ausschluß aller Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung möglich sein soll. 80 BB 1979,225,229. 81 Rechtsfolgen, S. 226. 82 Hess, Drittorganschaft, S. 144; Bürck, Selbstorganschaft, S. 105; Horst, Geschäftsführung, S. 127; a.A. allerdings Jaeger, Drittorganschaft, S. 52/53, der für diesen Fall überhaupt keinen Ausschluß von der Geschäftsführung sieht. Im Ergebnis dürfte zwischen diesen Ansichten kaum ein Unterschied bestehen, da ein jederzeit abrufbarer Geschäftsführer faktisch auch Weisungen der Gesellschafter folgen muß. 83 Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 167, 172/173; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 206/207; Ott, Typenzwang, S. 248; Hertel, Befugnisse, S. 71; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 121, 125; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S.445; Dellmann in FS für Hengeler, S. 64 ff., 73; für den Sonderfall der Sanierung eines Unternehmens, Reuter, Perpetuierung, S. 188. 84 Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 197 m. w.N. 85 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 445.

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

lichen Geschäftsführer und Vertreter. Sie seien als subsidiäres Geschäftsführungsorgan weiterhin belastet, da dem Geschäftsführungsrecht eine Überwachungspflicht entspreche. Die Gesellschafter hätten die Oberleitung des Unternehmens und müßten die Zweckmäßigkeit aller vorzunehmenden Geschäfte kontrollieren, um dem Fremdgeschäftsführer Weisungen erteilen zu können 86 . Die Vertreter dieser Ansicht bestreiten nicht grundsätzlich die Notwendigkeit des Gesellschafterschutzes. So überprüft H. P. Westermann unter dem Gesichtspunkt der "Zumutbarkeit", ob die Fremdorganschaft die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit in die Gefahr der Überfremdung und den einzelnen Gesellschafter in die Gefahr einer Abhängigkeit bringt 87. Auch Oldenburg betont die Notwendigkeit, das Maß an Selbständigkeit bzw. Abhängigkeit des Drittorgans in Einklang mit dem Erfordernis des Gesellschafterschutzes zu bringen 88 . Beiden dient aber das Vorbild des Liquidators als Rechtfertigung einer unabhängigen Rechtsstellung des Drittorgans. Nach verbreiteter Auffassung können die Liquidationsbeteiligten auf die freie Abberufung des Liquidators verzichten. Auch von Weisungen der Liquidationsbeteiligten kann er freigestellt werden 89. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausschließungsprozeß9o soll diese Rechtslage in der Liquidationsgesellschaft auch auf die werbende Gesellschaft bei Fortfallen der Interessenparallelität unter den Gesellschaftern übertragbar sein 91 . Andere verweisen darauf, daß die Wertung des § 52 HGB der unabhängigen Rechtsstellung eines Fremdgeschäftsführers nicht entgegenstehe. Das ergebe sich daraus, daß der Bundesgerichtshof beim Kommanditisten die Beschränkung des Widerrufs der Prokura auf den Fall eines wichtigen Grundes zugelassen habe. Damit sei klargestellt, daß § 52 HGB bei entsprechender Interessenlage abdingbar sei 92 • Reuter, der grundsätzlich das Prinzip der Selbstorganschaft bejaht, meint, im Sanierungsfall sei davon eine Ausnahme zu machen. In diesem Fall sei das Interesse eines Gläubigers mit den Gesellschafterinteressen gleichgerichtet. Risi86 Vgl. zum Vorstehenden besonders Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 48 ff.; H. P. Westermann meint, ohne Absicherung der Rechtsstellung des Dritten sei die Fsremdorganschaft bereits "erledigt", Gestaltungsfreiheit, S. 448. 87 Vertragsfreiheit, S. 342, 414 ff., 444 ff. 88 Fremdgeschäftsführung, S. 185. 89 Siehe dazu Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 195 m. w.N. in Fn. 45; allgemein zur Rechtsstellung des Liquidators H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 863 m. w.N. 90 BGHZ 33, 105 (s. o. 3. Abschn. A. I. 4.). 91 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S.449; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 195, 199. 92 So Hertel, Befugnisse, S. 69, 72; Reinhardt-Schultz verweisen auf die Möglichkeit unwiderrufliche Generalvollmachten zu erteilen, Rd.-Zf. 172; ebenso H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S.419, dort auch zur Zulässigkeit einer verdrängenden Vollmacht S. 421 ff.

B. Selbstorganschaft als abdingbares Typmerkmal

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kokredite an Personen, die keine dinglichen Sicherheiten oder gute Bürgschaften aufbringen könnten, verstrickten den Gläubiger ähnlich in die Verlustgefahr wie die Gesellschafter. Entsprechend sei ihm ebensowenig wie dem maßgeblich beteiligten Gesellschafter das autonome Geschäftsführungsmandat zu verwehren. Die Grenze von der "normalen und der gesellschafterähnlichen - weil risikobeteiligten - Gläubigerschaft" soll fließend sein 93 • Auch diejenigen, die eine unabhängige Rechtsstellung des Drittorgans befürworten, betonen, daß der Nichtgesellschafter nicht Vertragspartner des Gesellschaftsvertrages werde. Deshalb könnten die Gesellschafter durch einen vertragsändernden Beschluß die Drittorganschaft beseitigen 94. Es ist aber zu beachten, daß eine solche Änderung des Gesellschaftsvertrages unter dem Vorbehalt eines wichtigen Grundes steht. Auch die Gesellschaftergesamtheit soll ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes keine Möglichkeit haben, den Fremdgeschäftsführer abzuberufen 95 • Teichmann 96 , H. P. Westermann 97 sowie Reuter 98 halten es sogar für zulässig, die Gesellschafter für den Widerruf entsprechend §§ 117, 127 HGB auf den Weg der Gestaltungsklage zu verweisen. Oldenburg betont dagegen mehr den Schutz der Gesellschafter. Die Gesellschaftergesamtheit kann bei Vorliegen der Voraussetzungen die Bestellung des Drittorgans durch Beschluß widerrufen. Dem einzelnen Gesellschafter soll in Anlehnung an § 147 Satz 2 HGB zusätzlich eine Antragsbefugnis auf gerichtliche Abberufung zustehen 99 •

4. Verkehrsschutz Die Gegner eines zwingenden Prinzips der Selbstorganschaft versuchen schließlich mit ähnlichen Argumenten, wie sie in Bezug auf den Kommanditisten aufgeführt worden sind 100, nachzuweisen, daß die organschaftliehe Geschäftsführung und Vertretung durch Nichtgesellschafter auch nicht zu einer Gefährdung des Rechtsverkehrs führt. Eine Täuschungsgefahr für den Rechtsverkehr soll beim Nichtgesellschafter eher noch geringer sein als beim Kommanditisten 101.

Perpetuierung, S. 188/189. H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 448; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 124. 95 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 449/450; Oldenburg, Fremdgeschäftsführung, S. 207; das übersehen Helm / Wagner, BB 1979,225,233 und Horst, Geschäftsführung, S. 127, die behaupten, Erschwernisse für den Entzug der Rechtsmacht des Dritten würden von den Befürwortem der Drittorganschaft nicht gefordert und dürften deshalb nicht als Argument gegen diese verwendet werden. 96 Gestaltungsfreiheit, S. 121. 97 Vertragsfreiheit, S. 449. 98 Für den Sonderfall der Sanierung, Perpetuierung, S. 189. 99 Fremdgeschäftsführung, S. 21Oa. 100 s. o. IV.2. 101 Jaeger, Drittorganschaft, S. 40; Hess, Drittorganschaft, S. 179; Bürck, Selbstorganschaft, S. 132, fordert allerdings, daß der Nichtgesellschafter bei der Unterzeichnung 93

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

Reinhardt -Schultz meinen, die Einschaltung eines Dritten als Geschäftsführer könne sogar den Kredit einer Personenhandelsgesellschaft erhöhen. Sie könne eine Garantie dafür sein, daß nach gesunden kaufmännischen Grundsätzen gehandelt werde und persönliche Wünsche der Gesellschafter, die die Kapitalausstattung des Unternehmens gefahrdeten, zurückgedrängt würden 102. Schließlich wird ganz allgemein auf das gute Funktionieren der Fremdverwaltung bei den Kapitalgesellschaften und Genossenschaften hingewiesen 103.

c. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip Die herrschende Meinung in der Literatur folgt dagegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie wendet sich in erster Linie gegen die Übertragung der organschaftlichen Vertretung auf Nichtgesellschafter und Kommanditisten. Welche Folgerungen abgesehen von der organschaftlichen Vertretung für die Geschäftsführung aus dem Prinzip der Selbstorganschaft zu ziehen sind, wird im einzelnen unterschiedlich beurteilt.

I. Organschaftliche Geschäftsführung und Vertretung durch Nichtgesellschafter

1. Unzulässigkeit der Übertragung organschaftlicher Vertretung Zumeist begründet die Literatur die Geltung des Prinzips der Selbstorganschaft für den Bereich der organschaftlichen Vertretung mit Hinweis auf die gesetzliche Regelung und die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Argumente brauchen insoweit hier nicht noch einmal dargelegt zu werden. Während teilweise der Standpunkt vertreten wird, die Selbstorganschaft bedürfe angesichts der unmißverständlichen Regelung im Gesetz de lege lata keiner weiteren Begründung 104, finden sich verschiedene Versuche in der Literatur, das Prinzip mit seiner Bedeutung für den Schutz der Gesellschafter und des Rechtsverkehrs zu rechtfertigen. a) Verkehrs schutz Unter dem Aspekt des Verkehrs schutzes soll der persönlichen Haftung des Geschäftsführers einer Personengesellschaft entscheidende Bedeutung zukomwie ein Handlungsbevollmächtigter oder Prokurist (§§ 53 Abs. 2, 57 HOB) kenntlich macht, daß er nicht zu den Oeschäftsinhabem gehört. 102 Oesellschaftsrecht, Rd.-Zf. 175. 103 Helm/Wagner BB 1979, S. 225, 232. 104 Huber, ZHR 1988, 13 ff.

C. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip

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men. Die neuere Literatur betont die Gläubigersicherungsfunktion, die das Prinzip der Selbstorganschaft erfüllt. Im Unterschied zu den Kapitalgesellschaften kennen die Personengesellschaften keine Kapitalgarantien und keine Konkursantragspflichten. Die Koppelung von GeschäftsführersteIlung und Haftung dient nach den Wertungen des Gesetzes der Sicherung einer verantwortlichen Unternehmensleitung. Ein persönlich haftender Gesellschafter wird im eigenen Interesse und damit notwendigerweise zugleich zum Vorteil der Gesellschaftsgläubiger darauf hinwirken, daß die Gesellschaft nur solche Verbindlichkeiten eingeht, die seine private Existenz nicht geHihrden. Dieser Zusammenhang steht einer Drittorganschaft entgegen 105. K. Schmidt, der allein hier die Rechtfertigung für das Prinzip der Selbstorganschaft sieht, meint bei Einführung vergleichbarer zusätzlicher Gläubigerschutzvorkehrungen, neben der persönlichen Haftung, sei de lege ferenda gegen Drittorganschaft nichts einzuwenden 106. b) Gesellschafterschutz In Auseinandersetzung mit den Befürwortem einer Drittorganschaft stehen Überlegungen zum Schutz der Gesellschafter auch bei der Rechtfertigung des Prinzips der Selbstorganschaft im Vordergrund. Sie knüpfen einmal an die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit an. Häufig findet sich das Argument, wie sich die Einzelperson nicht entmachten könne, so auch nicht die Personengemeinschaft. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung, durch die die gemeinschaftliche Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis mit der Folge ausgeschlossen werde, daß die Gesellschafter selbst aus der Handlungsfähigkeit für die Gesellschaft verdrängt würden, sei rechtlich nicht möglich. Das sei ein Grundsatz der Privatautonomie 107. Die Gesellschafter seien im Unterschied zur Situation bei den juristischen Personen in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit immer in der Lage, für die Gesellschaft zu handeln und über das gemeinschaftliche Vermögen zu verfügen. Diese Möglichkeiten dürften durch Drittorganschaft nicht ausgeschlossen werden 108. Zu diesen aus der Vermögenszuordnung abgeleiteten Bedenken treten Einwände, die an die persönliche Haftung der Gesellschafter in der Personengesellschaft anknüpfen. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: 105 Wiedemann, Übertragung, S. 369 ff.; Ulmer in GK zum HGB, 4.Aufl., § 109, Rd.-Zf. 34; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 311; Reuter, Perpetuierung, S. 194; Boerner, Haftung des herrschenden Kommanditisten, S. 127; Hunscha, GmbHR 1973,257, 260; anknüpfend an die Bedeutung der persönlichen Haftung in der Wirtschafts- und Weubewerbsordnung: Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 117 ff.; Schulte FS für H. Westermann, S. 525 ff., 532; Müller-Erzbach, JZ 1956,705,709. 106 Gesellschaftsrecht, S. 311. 107 Vor allem F1ume, Personengesellschaft, S.247; Nitschke, Personengesellschaft, S.240; Schopp, Rechtspfleger, 1963, 189; Huber, Vermögensanteil, S. 33. 108 Huber, Vermögensanteil, S. 33; Rittner, Juristische Person, S. 255 ff.

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

Die persönliche Haftung ist der entscheidende Unterschied zwischen den Personengesellschaften und den meisten Kapitalgesellschaften, der das Prinzip der Selbstorganschaft rechtfertigt 109. Es besteht eine notwendige Verknüpfung zwischen der Unternehmensleitung und der persönlichen Haftung. Die gesetzliche Regelung für die Personengesellschaften setzt die eigene Beteiligung und Haftung als Kontrollmechanismus für die ordentliche Verwaltung ein. Die persönlich haftenden Gesellschafter sind vor Nachteilen weitgehend geschützt, da das Vertretungsorgan, das die Macht hat, sie unbeschränkt zu verpflichten, selbst die volle Verantwortung für sein Handeln trägt 110. Fällt die Geschäftsführung und Vertretung dagegen an einen Nichtgesellschafter, so haften die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen für Maßnahmen des Dritten, die dieser wegen seines großen unternehmerischen Ermessensspielraum auch im Wege des Rückgriffs kaum zu verantworten hat 111. Wiedemann charakterisiert die Funktionsweise der Selbstorganschaft bildhaft: "Der mitfliegende Pilot flößt uns die Zuversicht einer gefahrlosen Reise ein" ll2. Gerade dieser Umstand rechtfertigt es auch, daß dem Gesellschaftergeschäftsführer die Geschäftsführung und Vertretung nur unter erschwerten Voraussetzungen entzogen werden kann. Gegenüber einem Nichtgesellschafter wären die Gesellschafter jedenfalls ebenso schutzbedürftig wie gegenüber einem Generalbevollmächtigten. Für diesen ergibt sich nach den allgemeinen Lehren des Zivilrechts, die in § 52 HGB ihren gesetzlichen Ausdruck gefunden haben, daß seine Rechtsstellung jederzeit durch den Vertretenen widerrufen werden kann I I3. Die Widerruflichkeit tritt als Korrektiv an die Stelle der Haftung. Zwar hat auch bei Erteilung einer Generalvollmacht durch eine Personengesellschaft nicht unbedingt jeder der persönlich haftenden Gesellschafter die Möglichkeit zum Widerruf. Immerhin ist aber nach dem Grundsatz der Selbstorganschaft immer ein Selbsthaftender vorhanden, dem die Widerrufsmöglichkeit zusteht 114. Die Hintereinanderschaltung der Korrektive "persönliche Haftung" und "Widerruflichkeit" ist insoweit das Mindestmaß der systematisch erforderlichen Sicherung. Die Drittorganschaft würde dagegen bedeuten, daß der Dritte eine Herrschaft über die Gesellschaft und die Gesellschafter inne hätte. Eine solche Herrschaft kann auch bei Zustimmung der Gesellschafter nicht begründet werden 115. 109 Wiedemann, Die Übertragung, S. 372; Gesellschaftsrecht, S. 343 ff.; Nitschke, Personengesellschaft, S. 217; John, Rechtsperson, S. 286; Ulmer, GK zum HGB 4. Aufl., § 109, Rd.-Zf. 34; Hunscha, GmbHR 1973,257,260. 110 Nitschke, Personengesellschaft, S. 217. 111 Reuter, Perpetuierung, S. 182. 112 JZ 1969,470/471. 113 Wiedemann, Übertragung, S. 372; John, Rechtsperson, S. 285; Michalski, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 206; Pawlowski, ZHR 136, 69, 76; Reuter, Perpetuierung S. 178 verweist darüber hinaus auf die Wertungen der §§ 84 Abs. 3 AktG und 24 Abs. 3 Satz 2 GenG. 114 So John, Rechtsperson, S. 290.

C. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip

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In erster Linie richtet sich die Kritik unter dem Gesichtspunkt des erforderlichen Schutzes der Gesellschafter also gegen die Übertragung einer nur aus wichtigem Grund widerruflichen Rechtsstellung auf einen Dritten 116. Gegen die Bestellung eines abhängigen Drittorgans wird teilweise eingewandt, eine andere Organisation der Personengesellschaft als die Selbstverwaltung durch die Gesellschafter sei zwar denkbar; sie müsse dann durch Gesetz oder Rechtsprechung in Analogie zu anderen Formen der Fremdverwaltung erst noch geschaffen werden. Für eine solche Einführung einer Fremdorganschaft bestehe aber kein wirtschaftliches Bedürfnis, da die gesetzliche Regelung funktionsfähig und sachgerecht sei. Die Möglichkeit der Gesellschafter, Gesamtgeschäftsführung und -vertretung zu vereinbaren und einem Dritten Generalvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen, sei als Alternative ausreichend 117. Nitschke 118 und John 119 machen darüber hinaus geltend, daß bereits die ausschließliche Übertragung von Außenkompetenzen eine gewisse Autonomisierung der Rechtsstellung eines Nichtgesellschafters bedeute. Dadurch werde die Einflußnahme Dritter in bedenklicher Weise gefördert und die Gefahr eines Mißbrauchs geschaffen 120.

2. Unzulässigkeit der Übertragung organschaftlicher Geschäftsführung a) Bedeutung des Prinzips der Selbstorganschaft für die Geschäftsführung Auch nach 1945 ist vielfach die Ansicht vertreten worden, das Prinzip der Selbstorganschaft gelte nur für die organschaftliehe Vertretung und nicht für die Geschäftsführung bei den Personenhandelsgesellschaften 121. Infolge der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. 1. 1962 122 setzte sich dann die Auffassung durch, daß der Ausschluß aller Gesellschafter von der Geschäftsführung und die Bestellung eines Nichtgesellschafters zum organschaftlichen Geschäftsführer nicht zulässig ist. Nach verbreiteter Auffassung ist allerdings die Frage nach der Zulässigkeit des Ausschlusses aller Gesellschafter von der Geschäftsführung ohne praktische Flume, Personengesellschaft, S. 252. Zum Teil wird allein hier die Problematik der Drittorganschaft gesehen, z. B. Reuter, Perpetuierung, S. 179. 117 Wiedemann, Übertragung, S. 374; FS für Schilling, S. 105, 110; Flume, Personengesellschaft, S. 252. 118 Personengesellschaft, S. 239. 119 Rechtsperson, S. 294/295. 120 Ähnlich Hueck, OHG, S. 278; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 256. 121 Besonders Hueck, OHG, S. 119; Gogos, Geschäftsführung, S. 15; v. Gierke, Handelsrecht, § 33 Abs.3, 1 b; Fischer, NJW 1959, 1061; für die Zeit vor 1945 s. o. 2. Abschn. C. 11. 2. a) bb). 122 BGHZ 36, 292, s. o. 3. Abschn. A. 11. 1. a). 115

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

Bedeutung. Auch die Befürworter einer solchen Gestaltungsmöglichkeit weisen zumeist darauf hin, daß die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit die Herren des Unternehmens bleiben und jedenfalls im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages den Nichtgesellschaftern Anweisungen erteilen, sie abberufen und auch selbst Geschäftsführungsmaßnahmen vornehmen können 123. Andere meinen, die Frage sei jedenfalls von Belang, wenn im Gesellschaftsvertrag verschiedene Mehrheits- und Formerfordernisse für die Änderung des Gesellschaftsvertrages und für Geschäftsführungsmaßnahmen vorgesehen seien 124. Einigkeit besteht darüber, daß die Gesellschafter keine Pflicht zur Geschäftsführung trifft. Sie können Gesamtgeschäftsführung vereinbaren und die Geschäftsführung einem von den Beschränkungen des § 49 Abs. 2 HGB befreiten Generalbevollmächtigten praktisch allein überlassen 125. Die Geschäftsführung durch einen von der Gesellschaft angestellten Dritten soll sich aber nach verbreiteter Ansicht von der der Gesellschafter grundlegend unterscheiden. Die Geschäftsführungsbefugnis als verselbständigtes Recht, als mitgliedschaftliche Befugnis, muß danach immer den Gesellschaftern zustehen. Das Recht zu bestimmen, was geschehen soll, die Möglichkeit, nach allseitigem Einverständnis nach Belieben in die Geschäftsführung einzugreifen, bleibt bei den Gesellschaftern. Nur so ist der vom Prinzip der Selbstorganschaft bezweckte Verkehrs- und Gesellschafterschutz effektiv gewährleistet. Gegen die Drittorganschaft wird insoweit einheitlich für die Geschäftsführung und Vertretung argumentiert. Nur die tatsächliche Ausübung, der Vollzug der Geschäftsführung, kann Nichtgesellschaftern aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages übertragen werden. Ihre Rechtsstellung ist jederzeit widerruflich und weisungsgebunden 126. Die Befürworter des Prinzips der Selbstorganschaft verweisen zur Begründung auch auf die Wertungen des Abspaltungsverbots, das dem Schutz der Gesellschafter vor zu weitgehendem Dritteinfluß dient. Danach können Mitverwaltungsrechte Nichtgesellschaftern nicht zu eigenem Recht, sondern nur zur Ausübung überlassen werden 127. 123 Fischer, HGB GK zur 3.Aufl., § 114 Anm. 10 spricht deshalb von einem "Spiel mit Worten"; ähnlich Hueck, OHG, § 10 II 2 und Anmerkung zum BGH-Urteil vom 22.1.1962, JZ 1962, 362; Heymann / Emmerich, HGB § 114 Rd.-Zf. 27; Huber, ZHR 1988, 15 m. w.N.; Flurne, Personengesellschaft, S. 134. 124 Nitschke, Personengesellschaft, S.255; John, Rechtsperson, S.279; Horst, Geschäftsführung, S. 243/244. 125 Wiedemann, Übertragung, S. 373; Heymann / Emmerich, HGB § 114 Anm. 27; H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 189; Huber, Vermögensanteil, S. 35; John, Rechtsperson, S. 289/290. 126 Nitschke, Personengesellschaft, S. 253,256; Huber, Vermögensanteil, S. 36; Voormann, Beirat, S. 77; Boemer, Die Haftung des herrschenden Kommanditisten, S. 120; Hunscha, GmbHR 1973,257,260; John, Rechtsperson, S. 292, verlangt zusätzlich, die Geschäftsführung müsse dem Gesellschafter auch durch einen Mehrheitsbeschluß entzogen werden können; zum ganzen auch H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 177, 189. 127 So Ulmer in GK zum HGB, 4.Aufl., § 109, Rd.-Zf. 35 m. w.N.; Boemer, Die Haftung des Kommanditisten, S. 124.

C. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip

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b) Auswirkung bei einzelnen Fallgestaltungen Diese Auffassung ist durch das Holiday-Inn-Urteil des Bundesgerichtshofs 128 in Frage gestellt worden, was auch unter den Befürwortern des Prinzips der Selbstorganschaft eine neue DiSKussion um die Bedeutung der organschaftlichen Geschäftsführung ausgelöst hat (v gl. im Folgenden unter aa). Gelegentlich wird in der Literatur das Verhältnis der Geschäftsführungsbefugnis von stillen Gesellschaftern zur organschaftlichen Geschäftsführung der Gesellschafter in Personenhandelsgesellschaften erörtert. Auch hier ergeben sich Abweichungen von dem aufgezeigten Grundsatz, daß Nichtgesellschafter nur untergeordnete Geschäftsführungsbefugnisse haben können (v gl. im Folgenden unter bb). Schließlich spielt das Prinzip der Selbstorganschaft eine Rolle bei der Diskussion um die Grenzen der Mitwirkung von Nichtgesellschaftern in freiwilligen Gesellschaftsorganen (Beiräten). Inwieweit hier aus dem Verbot der Übertragung organschaftlicher Geschäftsführungsbefugnisse auf Dritte Folgerungen zu ziehen sind, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt (vgl. im Folgenden unter cc). An diesen drei Beispielen soll gezeigt werden, daß die Überlegungen in der Literatur zur Bedeutung der organschaftlichen Geschäftsführung noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden können.

aa) BetriebsJührungsvertrag "Holiday Inn" Im "Holiday-Inn"-UrteiI 129 sah der Bundesgerichtshof es mit dem Prinzip der Selbstorganschaft für vereinbar an, daß das Betriebsführungsunternehmen keinen Weisungen seitens der Kommanditgesellschaft unterlag und die Geschäftsführerstellung nur aus wichtigem Grund widerrufen werden konnte. Das Urteil ist überwiegend kritisch aufgenommen worden. 130 Die Einschätzung in der Literatur geht dahin, damit sei das Prinzip der Selbstorganschaft nur noch formal gewahrt. Mit den dem Betriebsführer eingeräumten schuldrechtlichen Geschäftsführungsbefugnissen werde die Qualität organschaftlicher Geschäftsführungsbefugnisse erreicht 131. Der Bundesgerichtshof habe nicht dargetan, daß der Betriebsführungsvertrag trotz seiner Organisationselemente ein schuldrechtlicher Vertrag geblieben sei und dem Dritten keine mitgliedschaftlichen Geschäftsführungsbefugnisse übertragen worden seien 132. An die Stelle der Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs seien bloße Abhängigkeiten getreten, die sich aus dem allgemeiBGH NJW 1982, 1817 ff. (s. o. 3. Abschn. A. Ir. 1. b». BGH NJW 1982, 1817 (s. o. Fn. 128). 130 Zustimmend zum Urteil nur Löffler, NJW 1983,2920; kritisch Reuter, JZ 1986, 16, 18; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S.309, 376 ff.; Huber, ZHR 1988, 1, 16 ff.; Windbichler, ZIP 1987,825,828; Heymann/ Emmerich, HGB § 114 Rd.-Zf. 28; Ulmer, GK zum HGB, § 109 Rd.-Zf. 35, Fn. 59. 131 Reuter, JZ 1986, 16, 18. 132 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 309. 128 129

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

nen Recht der Leistungsstörungen ergäben. Auch das Fremdorgan einer Kapitalgesellschaft sei an das Interesse der Gesellschaft gebunden und schulde umfassende Information 133. K. Schmidt folgert aus der Entscheidung, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof gelte das Organschaftsmonopol der Gesellschafter nur noch für die Vertretung und nicht für die Geschäftsführung 134. Reuter meint sogar, materiell gebe es den Unterschied zwischen Selbst- und Fremdorganschaft, wenn man dem Bundesgerichtshof folge, nicht mehr 135 •

bb) Stiller Gesellschafter als Geschäftsführer Die Literatur folgt ganz allgemein der Rechtsprechung 136, wonach dem stillen Gesellschafter in einer Personenhandelsgesellschaft wie auch im Geschäft eines Einzelunternehmers die Geschäftsführungsbefugnis zu eigenem Recht eingeräumt werden kann. Unbedenklich ist danach auch die Alleingeschäftsführung durch den stillen Gesellschafter, bei der dem Geschäftsinhaber die Geschäftsführungsbefugnis entzogen ist 137. Die Geschäftsführungsregelung in der Personenhandelsgesellschaft wird durch die Geschäftsführungsregelung in der stillen Gesellschaft überlagert. Dem stillen Gesellschafter kann die Geschäftsführungsbefugnis in entsprechender Anwendung des § 712 BGB nur aus wichtigem Grund entzogen werden \38. K. Schmidt weist daraufhin, daß diese Geschäftsführungsbefugnis keine organschaftliche sei, denn eine Organschaft Dritter sei bei der Personengesellschaft, aber auch beim Einzelunternehmer nicht möglich. Es handele sich lediglich um "schuldrechtlich wirkende Mitspracherechte". Er folgert daraus, daß eine einem stillen Gesellschafter erteilte Prokura oder Handlungsvollmacht vom Geschäftsinhaber (hier von der Personenhandelsgesellschaft) mit Außenwirkung einseitig widerrufen werden könne. Geschehe dies entgegen dem Gesellschaftsvertrag, so stehe dem stillen Gesellschafter "nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Wiedereinräumung der Vertretungsmacht zu" 139.

Löffler, NJW 1983,2920,2922; Reuter, JZ 1986, 16, 18. Gesellschaftsrecht, S. 308. 135 JZ 1986, 16, 18. 136 s. o. 3. Abschn. A. 11. 1. c. 137 Schilling, GK zum HGB, 3.Aufl., § 335 Anm.60; Schlegelberger-K. Schmidt, HGB § 335 (230), Rd.-Zf. 70; Koenigs, Die stille Gesellschaft, S. 156; BaumbachDuden-Hopt HGB, § 230 Anm. 7 B; Rasner, Die atypische stille Gesellschaft, S. 129 ff. 138 Koenigs, Die stille Gesellschaft, S. 158; Schilling, GK zum HGB § 335 Anm. 62 a; Schlegelberger-K. Schmidt, HGB § 230, Rd.-Zf. 71. 139 Schlegelberger-K. Schmidt, HGB § 335 (§ 230), Rd.-Zf. 71; im Ergebnis ebenso Koenigs, Die stille Gesellschaft, S. 160; Schilling, GK zum HGB 3. Aufl. § 335 Anm. 62 a; Baumbach-Duden-Hopt HGB, § 230 Anm. 7 B i.V. m. § 170 Anm. 2; Heymann-Hom, HGB § 230, Rd.-Zf. 47; Gierke-Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht, § 27 VI 1. 133

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c. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip

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ce) Nichtgesellschafter in einem Beirat mit Geschäftsführungsaufgaben Die neuere Literatur erörtert intensiv die Frage, welche Grenzen der Mitwirkung von Niehtgesellschaftern in freiwilligen Gesellschaftsorganen (Beiräten) von Personengesellschaften gesetzt sind 140. Dabei geht es um sogenannte "organschaftliehe Beiräte", die kraft des Gesellschaftsvertrags an den internen Entscheidungsprozessen in der Gesellschaft unmittelbar beteiligt sind 141. Nach verbreiteter Auffassung ist die Übertragung von weitreichenden Entscheidungskompetenzen auf einen mit Nichtgesellschaftern besetzten Beirat unbedenklieh. Genannt werden insbesondere Weisungsbefugnisse gegenüber dem Geschäftsführer, die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers durch den Beirat und selbst die Entscheidung über Änderungen des Gesellschaftsvertrages. Als ausreichende Sicherung der Gesellschafter gilt die Möglichkeit, durch vertragsändernden Beschluß der Gesellschafterversammlung die Institution des Beirates jederzeit aufzuheben und seine Entscheidungen zu beseitigen. Entscheidungsrechte oder Weisungsbefugnisse sind also wirkungslos, wenn alle Gesellschafter einig sind, in einem Fall den Beirat nicht zu befragen oder sich über sein Votum hinwegzusetzen. Die Gesellschafterversammlung bleibt insoweit mit Vorrang zuständig, die Befugnisse der Nichtgesellschafter sind ihr untergeordnetl 42 • Ein Teil der Literatur ist sogar der Auffassung, es genüge, wenn die den Nichtgesellschaftern gewährten Mitspracherechte aus wichtigem Grund entziehbar seien 143. Nach einer Gegenmeinung reicht auch die jederzeitige Möglichkeit der Gesellschafterversammlung, den Einfluß des Beirates auszuschalten, zum Schutz der Gesellschafter nicht aus. Aus dem Prinzip der Selbstorganschaft werden Schranken für eine Verlagerung der Geschäftsführung vom eigentlichen Geschäftsfüh140 Allgemein dazu Voormann, Die Stellung des Beirates im Gesellschaftsrecht; zur unterschiedlichen Terminologie vgl. U. H. Schneider, DB 1973,953: anstelle des Ausdrucks "Beirat" finden sich auch die Bezeichnungen "Verwaltungsrat", "Aufsichtsrat"

u. a.

141 Als gesellschaftsrechtlich unbedenklich gelten dagegen Beratungs-, Kontroll- und Beteiligungsgremien, die lediglich auf einer schuldrechtlichen Absprache zwischen der Gesellschaft und einem Dritten beruhen. Werden diese externen Beteiligungsrechte nicht respektiert, ist die interne Willensbildung fehlerfrei; die Verletzung der externen Beteiligungsrechte wird als Vertragsstörung sanktioniert; dazu Wiedemann in FS für Schilling 1973, 105, 107; Ulmer, GK zum HGB 4.Aufl., § 109, Rd.-Zf. 53. 142 H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 154; Flurne, Personengesellschaft, S. 237; Möhring, JurJb 1966/67, S. 123,125; Huber, Vermögensanteil, S. 36,48/49; HeymannEmmerich, HGB § 114, Rd.-Zf. 32; Nitschke, Personengesellschaft, S. 289. 143 Baumbach-Duden-Hopt, § 119 Anm. 2 E; Fischer, GK zum HGB, 3.Aufl., § 119 Anm. 24; Hueck, Anm. zu BGH JZ 1960, 490, 492 alle zum Stimmrecht eines Nichtgesellschafters; zum Beirat: Wenninger, Personengesellschaften, S. 63; zum Beirat in der GmbH: Teubner, ZGR 1986,565,572.

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

rungsorgan auf einen Beirat hergeleitet. Als problematisch gilt, daß das Geschäftsführungsorgan in eine Abhängigkeit zum Beirat gerät, ohne daß ihm das Haftungsrisiko abgenommen würde. Macht und Haftung sollen nach dem Prinzip der Selbstorganschaft in der Personengesellschaft nicht völlig auseinanderfallen dürfen 144. Bei mehrheitlich mit Nichtgesellschaftern besetzten Beiräten ist es danach unzulässig, den Einfluß auf die Geschäftsführung soweit auszudehnen, daß die als Geschäftsführer tätigen persönlich haftenden Gesellschafter über keinen eigenen Entscheidungsspielraum mehr verfügen und nur noch exekutive Aufgaben wahrnehmen 145. Darüber hinausgehend hält neuerdings Ulmer nach dem Prinzip der Selbstorganschaft die Übertragung der Geschäftsführung auf einen für Nichtgesellschafter offenen Beirat sowie die Bindung der Geschäftsführer an bestimmte Weisungen eines solchen Beirats überhaupt für unzulässig, auch wenn die Gesellschafter im Beirat in der Mehrheit sind 146. Allgemein gilt es aber als unbedenklich, einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen von der Zustimmung des Beirats abhängig zu machen oder den Beirat als Schlichtungsinstanz bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Geschäftsführern einzusetzen 147. Über diese Argumentation mit dem Prinzip der Selbstorganschaft hinaus geht eine Ansicht in der Literatur, die jede Gesellschaft unabhängig von ihrer Rechtsform vor Dritteinflüssen schützen will, ihr eine Verbandssouveranität zuerkennt 148. "Das Hineindringen demokratischer Selbstverständlichkeiten" in das Privatrecht 149 und der "Selbstschutzgedanke" 150 sollen in allen Gesellschaftsformen die Beteiligung von Nichtgesellschaftern an der internen Willensbildung begrenzen. Nach dem Grundsatz der Verbandssouveranität und nicht nach dem rechtsformspezifischen Grundsatz der Selbstorganschaft, der nach dieser Ansicht "mehr formaler Art" ist, sollen sich auch die Grenzen für die Geschäftsführungsbefugnisse von mit Nichtgesellschaftern besetzten Beiräten ergeben. Er ist im Hinblick auf den Selbstschutzzweck mit dem Prinzip der Selbstorganschaft verwandt, geht aber über dieses hinaus, da er auch Kapitalgesellschaften erfaßt, für alle Stufen der Gesellschaftsorganisation gilt und einen "materialen Selbstschutz" verbürgt 151. 144 Großfeld / Brondics, AG 1987, 293, 308 für die GmbH & Co. KG; anders für diese Gesellschaftsform im Unterschied zur ,,klassischen KG" Hölters, DB 1980,2225, 2227. 145 Schlegelberger-Martens, HGB § 161, Rd.-Zf. 115; § 164, Rd.-Zf. 25; ebenso Voormann, Beirat, S. 74 ff., 132; Loritz ZGR 1986,328. 146 Ulmer, GK zum HGB 4.Aufl. § 109, Rd.-Zf. 55. 147 Ulmer in GK zum HGB, § 109, Rd.-Zf. 55 m.w.N. in Fn. 103. 148 Grundlegend Wiedemann, FS für Schilling, S. 105 ff., 113, der sich auf Überlegungen von Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 189 ff., bezieht. 149 So Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 191; diesen Ansatz hält auch Wiedemann, FS für Schilling, S. 113, Fn. 20 für überlegenswert; dagegen Voormann, Beirat, S. 132. 150 Wiedemann, FS für Schilling, S. 105, 111; Voormann, Beirat, S. 133. 151 So Wiedemann, FS für Schilling, S. 109/110/112; Voormann, Beirat, S. 137, der allerdings mit dem Prinzip der Verbandssouveranität und dem Prinzip der Selbstorganschaft nebeneinander argumentiert, s. o. Fn. 145.

C. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip

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Teichmann, der wie bereits dargestellt, dem Prinzip der Selbstorganschaft jegliche zwingende Wirkung abspricht 152, hält andererseits jede Mitwirkung eines Nichtgesellschafters bei der internen Willensbildung - außer er ist das "eigentliche Geschäftsführungsorgan" - für unzulässig. Deshalb könne der Geschäftsführer auch nicht an Weisungen von Nichtgesellschaftern gebunden sein 153. Wiedemann meint, einem mehrheitlich mit Nichtgesellschaftern besetzten Beirat dürfe kein Recht zu globalen Weisungen erteilt werden, wodurch der Geschäftsführer zum Vollzugsorgan fremder Willensbildung werde 154. Voormann schließlich will die Mitwirkung eines Nichtgesellschafters in einem Beirat nicht zulassen, wenn dieser gesellschaftsfremde Interessen verfolgt. Kriterium soll sein, ob die Berufung in den Beirat auf Betreiben der Gesellschaft oder auf Betreiben eines Dritten erfolgt und ob sich die Gesellschaft von dem Beiratsmitglied wieder trennen kann, ohne wirtschaftliche Nachteile zu erleiden 155. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß gegen die Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen auf mit Nichtgesellschaftern besetzte Beiräte nur gelegentlich Einwände aus dem Prinzip der Selbstorganschaft hergeleitet werden. Nach überwiegender Ansicht sind besondere Beschränkungen bei der Übertragung von Befugnissen auf fremdbestimmte Beiräte nicht erforderlich. Andere, die ein Schutzbedürfnis der Gesellschafter bejahen, argumentieren statt mit dem Prinzip der Selbstorganschaft mit dem rechtsformübergreifenden Grundsatz der Verbandssouveränität. Der gesamte Fragenkomplex ist, wie überhaupt die Bedeutung der organschaftlichen Geschäftsführung in der Personengesellschaft, immer noch weitgehend ungeklärt.

3. Anerkannte Ausnahmen vom Prinzip der SelbstorganschaJt Auch die anerkannten Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft werden von einem Teil der Literatur unter dem Aspekt des Verkehrs- und Gesellschafterschutzes untersucht. Im allgemeinen folgt die Literatur insoweit der Rechtsprechung; in den Einzelheiten finden sich allerdings Differenzierungen, über die hier nur ein Überblick gegeben werden kann. a) Liquidation Übereinstimmung besteht unter den Vertretern der herrschenden Lehre darüber, daß die Vorschriften über die Liquidation eine Sondersituation betreffen, die nicht auf die werbende Gesellschaft übertragen werden kann. In der Liquidation weicht das einheitliche Interesse der Gesellschafter am Erfolg der Gesellschaft 152 153 154 155

Vgl. oben bei Fn. 96. Gestaltungsfreiheit, S. 199. FS für Schilling, S. 120. Beirat, S. 137 ff.

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

den kollidierenden Einzelinteressen an möglichst großer Teilhabe am Liquidationsvermögen. In dieser Situation kann die Durchführung der Liquidation durch einen Gesellschafter für seine Mitgesellschafter unzumutbar werden. In ihrem Interesse kann Driuorganschaft dann geboten sein 156. Dem Liquidator stellt sich auch lediglich die Aufgabe der Abwicklung, was mit der unbegrenzten Geschäftsführung und Vertretung einer Personenhandelsgesellschaft nicht zu vergleichen ist 157. b) DriUorganschaft für die Dauer eines Prozesses Schon die Analogie zu dieser Regelung, mit der der Bundesgerichtshof die Einsetzung eines Notgeschäftsführers für die Dauer des Ausschließungsprozesses gegen den einzigen Geschäftsführer einer OHG begründet, gilt als problematisch. Mit dem Ausschluß eines Gesellschafters droht nicht die Verteilung des gesamten Gesellschaftsvermögens, da zumindest bei den übrigen Gesellschaftern das Interesse an der werbenden Gesellschaft bestehen bleibt 158. Die Einsetzung des Drittorgans durch das Gericht hält die herrschende Meinung aber dennoch gemäß § 940 ZPO "zur Sicherung des Rechtsfriedens" für gerechtfertigtI 59 • Verbreitet ist die Meinung, eine solche Notgeschäftsführung sei auch im Entziehungsprozeß gegen den einzigen Geschäftsführer einer OHG zulässig 160. Die Befugnisse dieses Notvertreters übersteigen die eines Liquidators, da er eine werbende Gesellschaft führt. Dafür untersteht er aber auch den Anordnungen des Gerichts, das ihn bestellt hat 161. Um das Risiko der Gesellschafter zu verringern, wird vorgeschlagen, die Befugnisse des Dritten auf den Umfang einer Handlungsvollmacht zu beschränken 162. Flume meint, die Gesellschafter seien auch dadurch gesichert, daß der vom Gericht bestellte Vertreter auf ihren übereinstimmenden Antrag jederzeit abberufen werden müsse 163. 156 Reuter, Perpetuierung, S. 184; Michalski, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 206, 209; John, Rechtsperson, S. 297. 157 Flume, Personengesellschaft, S. 251; gegen eine bedenkliche Ausweitung der Vertretungsmacht des Liquidators durch die Praxis John, Rechtsperson, S. 298; Reuter, JZ 1986,16,19. 158 So Reuter, Perpetuierung, S. 184; Michalski, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 206. 159 Flume, Personengesellschaft, S. 248; Michalski, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 206; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 309; ablehnend zur Einsetzung eines Drittorgans im Prozeß, Buchwald, DB 1957, 109; BB 1961, 1342 ff.; Müller-Erzbach, JZ 1956,705,708. 160 Fischer in GK zum HGB, 3.Aufl., § 125 Anm. 32; § 127 Anm. 11; Wiedemann, Übertragung, S. 375; Flume, Personengesellschaft, S. 248. 161 Nitschke, Personengesellschaft, S. 236; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht S. 309, weist darauf hin, die einstweilige Verfügung entziehe dem Gesellschafter gar nicht die Organbefugnisse und verlagere sie auf einen Dritten; nur die Ausübung werde dem Gesellschafter untersagt. 162 John, Rechtsperson, S. 299. 163 Personengesellschaft, S. 251.

C. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip

103

c) Juristische Person als Geschäftsführer Gelegentlich setzen sich die Befürworter des Prinzips der Selbstorganschaft auch mit dem Argument auseinander, mit der Zulassung der GmbH & Co. KG sei Drittorganschaft in der werbenden Gesellschaft bereits anerkannt 164. Sie verweisen dagegen auf die Unterschiede zwischen einer GmbH & Co. KG und einer nur aus natürlichen Personen bestehenden Gesellschaft. Die Gläubiger werden bei der GmbH & Co. KG durch das Stammkapital der KomplementärGmbH geschützt. Die Verantwortung für die Erhaltung dieses Stammkapitals trifft auch die Kommanditisten. Das Prinzip der Selbstorganschaft wird als Gläubigerschutzprinzip auf diese Weise vom Grundsatz der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapital ersetzt 165. Der typische Fall einer GmbH & Co. KG, in der die geschäftsführende GmbH der einzige persönlich haftende Gesellschafter ist, ist auch unter dem Aspekt des Gesellschafterschutzes unbedenklich. Die Kommanditisten bedürfen keines besonderen Schutzes, da sie nur beschränkt haften 166. Anders soll es aber sein, wenn der Gesellschaft neben der GmbH noch natürliche Personen als Komplementäre angehören. Während Nitschke das nach dem Prinzip der Selbstorganschaft für unzulässig hält 167, meint John, in diesem Fall müsse den übrigen Gesellschaftern ein durch Mehrheitsbeschluß ausübbares Widerrufsrecht gegenüber den Organwaltern der juristischen Person zustehen 168.

11. OrganschaftIiche Geschäftsführung und Vertretung durch Kommanditisten

1. Unzulässigkeit der Übertragung organschaftlicher Vertretung Die herrschende Auffassung in der Literatur hält daran fest, daß der Kommanditist zur organschaftlichen Vertretung der Kommanditgesellschaft nicht ermächtigt werden kann.

Siehe dazu oben B. V. 2. a). So Hunscha, GmbHR 1973,267,261, der sich aufBGH NJW 1973, 1036, bezieht. Dort begründete der Bundesgerichtshof die Anwendung der §§ 30 ff. GmbHG auf die Kommanditisten der GmbH & Co. KG mit der fehlenden ..Bremsfunktion" der GmbH gegenüber den Kapitalwünschen der Kommanditisten. Nur von einem Teilhaber, der die "volle Haftung" übernehme, sei zu erwarten, daß er solchen Wünschen der Kommanditisten schon im eigenen Interesse entgegentreten werde (S. 1038/1039); siehe dazu auch Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, S. 36/37. 166 Nitschke, Personengesellschaft, S. 251; John, Rechtsperson, S. 301. 167 Personengesellschaft, S. 251/252; so auch Voormann, Beirat, S. 85/86. 168 Rechtsperson, S. 303. 164 165

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

a) Verkehrsschutz Ausschlaggebend ist dafür die zwingende Regelung des § 170 HGB, die nach verbreiteter Auffassung einer Täuschung des Rechtsverkehrs über die fehlende persönliche Haftung des Kommanditisten vorbeugen soll 169. Die Vorschrift dient nach anderer Ansicht dadurch dem Rechtsverkehr, daß sie eine verantwortliche Unternehmensleitung durch einen persönlich haftenden Gesellschafter sichert, die angesichts fehlender Kapitalgarantien auch bei der KG erforderlich ist 170. b) Gesellschafterschutz Zunehmend wird § 170 HGB auch Bedeutung für den Schutz der Komplementäre zuerkannt. Er verhindert, daß die nur beschränkt haftenden Kommanditisten die Komplementäre gemäß § 126 HGB unbeschränkt verpflichten können. Macht und Verantwortung können nicht vollständig auseinanderfallen 171. Durch die Vorschrift wird nach dieser Ansicht das Prinzip der Selbstorganschaft ergänzt 172. Angesichts der weitreichenden Rechtsmacht, die dem Kommanditisten ansonsten bezüglich der Geschäftsführung nach herrschender Meinung eingeräumt werden kann 173, soll der organschaftlichen Vertretungsmacht des Komplementärs die Funktion einer "Notbremse" zukommen. Eine dem Kommanditisten erteilte Prokura oder Handlungsvollmacht kann er mit Wirkung im Außenverhältnis aufgrund seiner übergeordneten Vertretungsmacht jederzeit widerrufen, auch wenn er bei Fehlen eines wichtigen Grundes zur Wiedererteilung der Vollmacht verpflichtet ist und sich durch den Widerruf schadenersatzpflichtig macht. Er kann damit im Einzelfall ein Rechtsgeschäft verhindern, das besonders risikobehaftet ist und ihm deshalb nicht zuzumuten ist oder ein im Gesellschaftsinteresse dringend gebotenes Geschäft vornehmen 174. 2. Grenzen für die organschaftliche Geschäftsführung Umstritten ist in der Literatur, ob der Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen auf Kommanditisten im übrigen Schranken gesetzt sind.

So H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 862; Reuter, Perpetuierung, S. 183. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 311; Hunscha, GmbHR 1973,267,260; Boerner, Die Haftung des herrschenden Kommanditisten, S. 125. 171 Schilling in GK zum HGB, 4. Aufl., § 170, Rd.-Zf. 4; Nitschke, Personengesellschaft, S. 244/245; Schlegelberger-Martens, HGB § 170, Rd.-Zf. 2. I72 Schlegelberger-Martens, HGB § 170, Rd.-Zf. 2. m Siehe näher unter 2. 174 Wiedemann, JZ 1969,470/471; Schlegelberger-Martens, HGB § 170 Anm. 4,9, 14; Boerner, Die Haftung des herrschenden Kommanditisten, S. 126; aA H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 878. 169

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C. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip

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Nach herrschender Auffassung bestehen bei der Gestaltung der Geschäftsführungsbefugnisse von Kommanditisten keine gesellschaftsrechtlichen Grenzen. Nur § 138 BGB ist zu beachten. Einem Kommanditisten kann unter Ausschluß aller Komplementäre das alleinige Recht zur Geschäftsführung eingeräumt werden. Der Komplementär kann beliebig an Weisungen der Kommanditisten gebunden werden 175. Mit der Rechtsprechung unterscheiden die Vertreter dieser Auffassung also scharf zwischen der Geschäftsführung und Vertretung in der KG. Die Gegenmeinung setzt auch den Geschäftsführungsbefugnissen von Kommanditisten engere Grenzen. Der vollständige Ausschluß der Komplementäre von der Geschäftsführung soll unzulässig sein. Die organschaftliche Vertretungsbefugnis reicht danach allein nicht aus, um dem Haftungsinteresse der Komplementäre im Einzelfall Rechnung zu tragen. Der oder die organschaftlichen Vertreter müssen deshalb das Recht haben, Weisungen der Kommanditisten, die zu unkalkulierbaren Haftungsrisiken führen, etwa weil das Gesellschaftsvermögen keine ausreichende Deckung bietet, zurückzuweisen. Riskante Geschäfte, die der Kommanditist selbst vornehmen will, bedürfen der Zustimmung seitens der Komplementäre gemäß §§ 116 Abs. 2, 164 Satz 1, Halbsatz 1 HGB. Das Eigenrecht auf Geschäftsführung kann dem Kommanditisten mithin nur im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs zustehen 176. Darüber hinaus wird gelegentlich die Ansicht vertreten, das vom Kommanditisten aufgebrachte Vermögen müsse ausreichen, um den Geschäftsumfang der Gesellschaft zu decken, wenn ihm die übergeordnete Entscheidungsgewalt zugebilligt werden solle 177 • Nach John ist es selbst dann nicht gerechtfertigt, dem Kommanditisten eine nur aus wichtigem Grund widerrufliche Vollmacht zur Vertretung der Gesellschaft zu erteilen. Die Risiken für den Komplementär seien zu hoch 178. Martens beschränkt dagegen die Widerrufskompetenz auf den Fall, daß die Kommanditisten auch für ungewöhnliche Geschäfte nicht der Zustimmung der Komplementäre bedürfen, weil § 116 Abs. 2 HGB abbedungen ist. Als wichtigen Grund, der die Klage auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis einschließlich der Vollmacht rechtfertigt, sieht er in diesem Fall bereits den Vertrauensentzug durch die Mehrheit der nicht geschäftsführenden Komplementäre an. Alle Gesellschafter sollen dann verpflichtet sein, sich an dem Verfahren zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis gemäß § 117 HGB zu beteiligen 179. 175 H. Westennann, Handbuch, Rd.-Zf. 879 m. w.N.; Schilling in GK zum HGB, 4. Aufl., § 164, Rd.-Zf. 8, 12, Baumbach-Duden-Hopt HGB, § 164 Anm. I; Flume, Personengesellschaft, S. 133. . 176 SchIegelberger-Martens, HGB § 164, Rd.-Zf. 29; Nitschke, Personengesellschaft, S. 265; Voonnann, Beirat, S. 81; auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht S. 334; gegen die Übertragbarkeit von organschaftlicher Geschäftsführungsbefugnis auf Kommanditisten generell nur Hunscha, GmbHR 1973, 257, 260. m Nitschke, Personengesellschaft, S. 263 ff.; lohn, Rechtsperson, S. 296. 178 Rechtsperson, S. 296. 179 Schlegelberger-Martens, HGB § 164, Rd.-Zf. 30.

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4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

3. Ausnahmefälle Wie dem Nichtgesellschafter können dem Kommanditisten nach herrschender Auffassung in Sondersituationen, wie der Liquidation oder für die Dauer eines Prozesses, die organschaftliche Geschäftsführung und Vertretung allein übertragen werden. Ein Kommanditist kann auch Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG sein. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten 180. Umstritten ist in der Literatur die Frage, ob dem einzigen Komplementär die Vertretungsmacht gemäß § 127 HGB durch Klage entzogen werden kann. Es wird vorgeschlagen, die Klage zuzulassen und nach rechtskräftigem Entzug der Vertretungsmacht eine Gesamtvertretung aller Gesellschafter vorübergehend anzuerkennen. Dadurch soll den Gesellschaftern die Möglichkeit gegeben werden, die Geschäftsführung neu zu regeln. Erst wenn es zu keiner Neuregelung kommt, tritt die Gesellschaft ins Liquidationsstadium. Ohne daß der Schutzzweck des § 170 HGB berührt würde, soll es auf diese Weise möglich sein, entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die AufIösungs- oder Ausschlußklage zu vermeiden, wenn ein wichtiger Grund zum Entzug der Vertretungsbefugnis vorliegt. Auch zu einem Auseinanderfallen von Geschäftsführung und Vertretung im Entziehungsprozeß gegen den einzigen Komplementär kommt es auf diese Weise nicht l81 • III. Rechtsfolgen

Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen auf Nichtgesellschafter und Kommanditisten besteht nur teilweise Einigkeit unter den Vertretern der herrschenden Meinung.

1. Nichtigkeit Übereinstimmend geht die Literatur davon aus, daß Vertragsregelungen, die einen Verstoß gegen das Prinzip der Selbstorganschaft bedeuten, unwirksam sind. So scheidet die Eintragung als organschaftlicher Vertreter im Handelsregister aus. Der vertraglich vereinbarte Ausschluß aller Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung ist regelmäßig so auszulegen oder umzudeuten, daß Gesamtgeschäftsführung und Vertretung der Gesellschafter an seine Stelle tritt. Die Übertragung der organschaftlichen Vertretungsbefugnis auf Dritte oder Schlegelberger-Martens, HGB § 170, Rd.-Zf. 10, und oben I. 2. a). So Wiedemann, JZ 1969,470/471; Schlegelberger-Martens, HGB § 170, Rd.-Zf. 6; anders Flume, Personengesellschaft, S.248: Gestaltungsklage der Kommanditisten darauf, daß anstelle des Komplementärs, der zum Kommanditisten wird, einer der bisherigen Kommanditisten zum Komplementär wird; dagegen Schilling, GK zum HGB, 4. Aufl., § 170, Rd.-Zf. 3; John, Rechtsperson, S. 296. 180 181

C. Selbstorganschaft als zwingendes Prinzip

107

Kommanditisten ist in die Erteilung einer Prokura oder Generalvollmacht umzudeuten 182. Im Innenverhältnis sind Geschäftsführungsakte der Nichtgesellschafter und Kommanditisten, soweit sie auf unzulässig übertragenen Befugnissen beruhen, für die (Mit)Gesellschafter unverbindlich 183.

2. Haftung Besonders für die Kommanditgesellschaft und die stille Gesellschaft ist auch nach 1945 bis zur ablehnenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 184 gelegentlich die Ansicht vertreten worden, daß bei Beherrschung der Geschäftsführung wegen der gebotenen Einheit von Herrschaft und Haftung zwingend eine unbeschränkte persönliche Haftung des Kommanditisten und des stillen Gesellschafters im Außenverhältnis eintreten müsse 185. Neuerdings meint Kübler, ein Nichtgesellschafter, dem zum Beispiel in einem Beirat oder als Treugeber oder als Nießbraucher eine "eigenständige gesellschaftsrechtliche Einflußmöglichkeit" eingeräumt werde, müsse den Gläubigem unbeschränkt haften. Durch die Übernahme solcher Funktionen werde der damit Betraute - ohne Rücksicht auf abweichende Vereinbarungen im Innenverhältnis - zum unbeschränkt haftenden Gesellschafter. Das ergebe sich aus der Auffangfunktion des Personengesellschaftsrechts, wonach jedes gemeinsame Betreiben eines Grundhandelsgewerbes, das nicht die Voraussetzungen einer KG oder einer rechtsfähigen Körperschaft erfülle, zwingend eine OHG sei. Es entspreche auch dem rechtspolitischen Sinn des Abspaltungsverbots, daß es bei der Personengesellschaft keine in der gesellschaftsrechtlichen Organisation verankerten eigenständigen Entscheidungsbefugnisse ohne das Korrektiv der gesellschaftsrechtlichen Bindung und der (beschränkbaren) persönlichen Haftung gegenüber den Gläubigem geben dürfe 186. Vgl. zum Vorstehenden Fischer in GK zum HGB, 3.Aufl., § 125, Rd.-Zf. 4. John, Rechtsperson, S. 296. 184 BGH WM 1962,296 (s. o. 2. Abschn. A. 11. 1. c» und BGHZ 45, 204 (s. o. 3. Abschn. A. 11. 2. c». 185 Vgl. Lehmann, Gesellschaftsrecht S. 149; Haupt-Reinhardt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 79; Müller-Erzbach, JZ 1956,705,708; Paulick, Handbuch der stillen Gesellschaft, l.Aufl. 1959, S. 101; J. v. Gierke, Handelsrecht, § 37 VII 1; Staab, BB 1959, 435: für den Fall, daß dem Kommanditisten Prokura oder Handlungsvollmacht eingeräumt ist. 186 Gesellschaftsrecht, S. 69, 290 ff.; 294; ähnlich für eine dingliche Mitberechtigung am Anteil (Nießbrauch, offene Treuhand oder Unterbeteiligung) Ulmer GK zum HGB, 4.Aufl., § 106, Rd.-Zf. 17; Ulmer, FS für Fleck, ZGR 1988,383 ff.; für den Sonderfall eines Nießbrauchers mit Geschäftsführungsrechten auch Flume, Personengesellschaft, S. 364 ff.; dagegen hält die überwiegende Meinung schon die Erstreckung des Nießbrauchs an der Mitgliedschaft auf Mitverwaltungsrechte nicht für denkbar, weil die Verwaltungsrechte nicht zu den Nutzungen gehören; Wiedemann, Übertragung, S. 413 ff., 435; Blaurock, Unterbeteiligung, S. 138 ff., 144, m. w. N. 182 183

108

4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

Hinsichtlich der stillen Gesellschaft findet sich in der Literatur im Anschluß an die Rechtsprechung 187 die Auffassung, daß ein erheblicher Einfluß des stillen Gesellschafters auf die Geschäftsführung jedenfalls durch eine auf die Einlage begrenzte Haftung gegenüber den Gläubigem auszugleichen ist 188. Sieht man von diesem Sonderfall ab, geht die ganz herrschende Meinung heute aber dahin, daß auch eine maßgebliche Beeinflussung der Geschäftsführung in einer Personenhandelsgesellschaft allein nicht zu einer Außenhaftung führt 189. Es müssen weitere Umstände hinzutreten. So kommt eine Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen in Betracht, wenn ein Nichtgesellschafter oder Kommanditist als organschaftlicher Vertreter im Rechtsverkehr auftritt 190. Weiter wird besonders im Zusammenhang mit dem Rektorfall 191 diskutiert, unter welchen Voraussetzungen ein Mißbrauch der Rechtsforrn anzunehmen ist, der eine persönliche Haftung des geschäftsführenden Kommanditisten im Wege des Durchgriffs auslöst. Entgegen der Rechtsprechung soll das nach verbreiteter Auffassung bereits der Fall sein, wenn eine verrnögenslose Person als persönlich haftender Gesellschafter vorgeschoben wird 192. Besondere Bedenken bestehen insoweit bei geschäftsführungsbefugten Nichtgesellschaftern, da sie nicht einmal mit einer Beteiligung an der Gesellschaft haften 193. Schließlich wird in der Literatur darauf verwiesen, daß eine mittelbare Haftung des geschäftsführenden NichtgeseIlschafters und Kommanditisten im Außenverhältnis dadurch ausgelöst werden kann, daß intern eine Ausgleichspflicht besteht 194. Die Gläubiger der Gesellschaft können einen solchen Anspruch dann gegebenenfalls pfänden.

BGH NJW 1985, 1079 (s. o. 3. Abschn. A. 11. 1. c». Heymann-Hom, § 230, Rd.-Zf. 59, m. W.N. 189 H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 881; Schlegelberger-Martens, HGB, § 164, Rd.-Zf. 44 m. w.N.; Nitschke, Personengesellschaft, S. 260; Voormann, Beirat, S. 82 ff.; Schlege1berger-Schmidt, HGB, § 335, Rd.-Zf. 174; zur Außenhaftung mittelbar Beteiligter und Nießbraucher: Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 149,212 ff., m. W.N. 190 Schlegelberger-Martens, HGB, § 170, Rd.-Zf. 21; H. Westermann, Handbuch, Rd.Zf. 868; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 98/99; Nitschke, Personengesellschaft, S.266, nimmt sogar eine vom Rechtsschein unabhängige Funktionshaftung in Rechtsanalogie zu § 54 Satz 2 BGB, 41 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 11 Abs.2 GmbHG an. 191 BGHZ 45, 204 ff. (s. o. 2. Abschn. A. 11. 2. c». 192 So Wiedemann, FS für J. Bärmann, 1975, 1037 ff., 1049 ff.; Gesellschaftsrecht, S. 545; Sch1ege1berger-Martens, HGB, 5. Aufl., § 164, Rd.-Zf. 44; wohl auch H. Westermann, Handbuch, Rd.-Zf. 881; Voormann, Beirat, S. 84; zum Fall der Unterkapitalisiertung: Boemer, Die Haftung des herrschenden Kommanditisten, S. 158, m. w.N.; aA Schilling in GK zum HGB, 4.Aufl., § 164, Rd.-Zf. 12; Hofmann, NJW 1969,577 ff. 193 So Großfeld-Brondics, AG 1987,293,309. 194 Für mittelbar Beteiligte vgl. Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand, S.217; zur Ausgleichshaftung des Kommanditisten gegenüber dem Komplementär bei unzulässigen Geschäftsführungsmaßnahmen Nitschke, Personengesellschaft, S.265; dagegen Schlegelberger-Martens, HGB, § 164, Rd.-Zf. 28. 187 188

D. Selbstorganschaft bei der BGB-Gesellschaft

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D. Die Diskussion um die Selbstorganschaft bei der BGB-Gesellschaft Die Auffassungen zum Prinzip der Selbstorganschaft haben sich hauptsächlich an Gestaltungen bei den Personenhandelsgesellschaften entwickelt. Auch in der aktuellen Diskussion spielt die BGB-Gesellschaft eine untergeordnete Rolle. Die Befürworter einer Drittorganschaft gehen, soweit sie sich zur BGB-Gesellschaft äußern, davon aus, daß hinsichtlich der Geschäftsführung keine besonderen Grenzen der Gestaltungsfreiheit zu beachten sind. Die BGB-Gesellschaft hat keine vom Gesetz zwingend vorgeschriebene Geschäftsführungsorganisation. Insbesondere hat sie keinen Geschäftsführer mit einer unbeschränkbaren Vertretungsmacht. Noch weniger als bei den Personenhandelsgesellschaften soll deshalb bei der BGB-Gesellschaft der Aspekt des Verkehrs schutzes eine Schranke für die Gestaltungsfreiheit rechtfertigen. Die Gläubiger sind darauf angewiesen, die Vertretungsverhältnisse zu überprüfen und können sich dabei auch Kenntnis davon verschaffen, daß ein nicht persönlich haftender Dritter zum Vertreter bestellt worden ist. Andererseits besteht nach dieser Ansicht kein Hindernis, daß sich die Gesellschafter weitgehend an einen Fremdgeschäftsführer binden. Die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf einen Nichtgesellschafter zu eigenem Recht ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig 195. Nach herrschender Meinung wird dagegen auch die BGB-Gesellschaft vom Prinzip der Selbstorganschaft geprägt. Auch bei der BGB-Gesellschaft gilt, daß die Gesellschafter jederzeit in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit für die Gesellschaft handeln können. Aus dieser Handlungsfahigkeit können sie nicht durch vertragliche Vereinbarung verdrängt werden 196. Nichtgesellschaftern kann nur eine abgeleitete Geschäftsführungsbefugnis übertragen werden. Die Gesellschafter können kraft ihrer originären Geschäftsführungsbefugnis dem Fremdgeschäftsführer Weisungen erteilen und die Geschäftsführung jederzeit wieder an sich ziehen 197. Diese Grundsätze sollen allerdings für die körperschaftlich strukturierte BGBGesellschaft nicht gelten. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die Kündigung des Fremdverwalters in der Publikums-BGB-Gesellschaft auf einen wichtigen Grund beschränkt werden kann 198, wird ein Bekenntnis zur Drittorganschaft bei dieser Gesellschaftsform gesehen 199. Ulmer kritisiert an der Rechtsprechung, daß sich der Bundesgerichtshof nicht mit der von der Struktur 195 Vgl. zum Vorstehenden besonders Oldenburg, Drittorganschaft, S. 163, 181 ff.; vgl. auch H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 178 ff., 446 ff. 196 Flurne, Personengesellschaft, S. 241 ff. 197 So Soergel/Hadding, BGB, § 712, Rd.-Zf. 1; Staudinger-Kessler, BGB, vor §§ 709-715, Rd.-Zf. 18; MK-Ulmer, BGB, § 709, Rd.-Zf. 5 und 20. 198 s. o. 3. Abschn. B. I. 199 Reuter, JZ 1986, 16, 81; MK-Ulmer, vor § 705, Rd.-Zf. 3; 709, Rd.-Zf. 6.

110

4. Abschn.: Das Prinzip der Selbstorganschaft in der Literatur

her naheliegenden Behandlung der Gesellschaft als nichtrechtsfähiger Verein auseinandersetze. Die Nähe zum Verein zeige sich gerade in der "de facto Anerkennung der Fremdorganschaft" bei derartigen Verbandsformen 200. Auch Nitschke meint, wenn man die körperschaftlich strukturierte BGB-Gesellschaft hinsichtlich der Bildung der Vertretungs organe dem Vereinsrecht unterstelle und Fremdorganschaft zulasse, dann müsse für die Vertretungsorgane auch die Haftung aus § 54 Satz 2 BGB eingreifen 201. Als Ausnahme vom Prinzip der Selbstorganschaft ist allgemein auch bei der BGB-Gesellschaft anerkannt, daß die Gesellschafter in Anlehnung an § 146 ff. HGB auch Nichtgesellschafter zu Liquidatoren der Gesellschaft bestellen können 202. Darüber hinaus soll entsprechend der Rechtslage bei den Personenhandelsgesellschaften bei einem Ausschließungs- oder Entziehungsbeschluß gegen einen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter durch einstweilige Verfügung ein Dritter zum alleinigen Geschäftsführer und Vertreter bestellt werden können 203.

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201 202

203

MK-Ulmer, BGB, § 705, Rd.-Zf. 3; § 709, Rd.-Zf. 6. Personengesellschaft, S. 245. Soergel / Hadding, BGB, § 730, Rd.-Zf. 8. Personengesellschaft, S. 249; dagegen MK-Ulmer, BGB, § 709, Rd.-Zf. 5.

5. Abschnitt

Folgerungen aus der Diskussion um die Selbstorganschaft A. Grundaussage des Prinzips der Selbstorganschaft Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt der Grundsatz, daß die organschaftliehe Geschäftsführung und Vertretung bei den Personengesellschaften den Gesellschaftern vorbehalten ist. Dieses Prinzip der Selbstorganschaft wird überwiegend auch in der Literatur anerkannt und ist für die Gestaltungspraxis maßgebend. Danach ist es bei den Personengesellschaften unzulässig, alle Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung vollständig auszuschließen und sie einem Nichtgesellschafter zu übertragen. Einem Kommanditisten kann die organschaftliehe Vertretung nicht eingeräumt werden. Diese klare Grundaussage bedeutet jedoch nicht, daß Begründung und Reichweite des Prinzips der Selbstorganschaft eindeutig geklärt sind. Man muß unterscheiden zwischen der Befugnis zur organschaftlichen Vertretung bei den Personenhandelsgesellschaften und den übrigen Geschäftsführungsbefugnissen bei Personengesellschaften. Hinsichtlich der Befugnis zur organschaftlichen Vertretung bei Personenhandelsgesellschaften ist die Rechtslage nach einer seit Inkrafttreten des ADHGB im Jahre 1862 andauernden Diskussion jedenfalls für die Gestaltungspraxis durch die Rechtsprechung geklärt. Welcher Einfluß von Nichtgesellschaftern und Kommanditisten auf die Geschäftsführung von Personengesellschaften im übrigen zulässig ist, ist eine nach wie vor offene Frage.

B. Bedeutung des Prinzips der Selbstorganschaft für die Ausgestaltung der organschaftlichen Vertretung bei den Personenhandelsgesellschaften Die Diskussion um das Prinzip der Selbstorganschaft, die besonders in den siebziger Jahren in der Literatur geführt worden ist, hat in erster Linie die Frage zum Gegenstand, ob einem Nichtgesellschafter oder Kommanditisten die organschaftliche Vertretungsmacht gemäß § 126 HGB eingeräumt werden kann. Angesichts der anerkannten, weitreichenden Möglichkeiten, die Geschäftsführung im übrigen den persönlich haftenden Gesellschaftern zu entziehen und anderen Per-

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5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

sonen zu überlassen (vgl. unter C.), liegt hier die entscheidende Grenze für eine vom Gesetz abweichende Gestaltung der Geschäftsführungsorganisation. Trotz aller Angriffe aus dem Schrifttum hat sich der Bundesgerichtshof bisher nicht veranlaßt gesehen, von seiner Rechtsprechung abzurücken. Es gilt danach der Grundsatz, "daß in einer Personenhandelsgesellschaft stets eine Vertretung allein durch die persönlich haftenden Gesellschafter möglich sein muß" 1. Nichtgesellschafter scheiden als organschaftliehe Vertreter aus, da für die Personenhandelsgesellschaften "wie für natürliche Personen" der "Grundsatz der Selbstverantwortung und der Selbstbestimmung gilt"2. Entscheidend ist die persönliche Haftung des Vertretungsorgans. Zum "Wesen der Personengesellschaft" gehört deren Selbstvertretung durch mindestens einen unbeschränkt haftender Gesellschafter, der für die Handlungen der Gesellschaft persönlich die volle Verantwortung trägt 3. Dieser Gesichtspunkt ist allein ausschlaggebend für den Ausschluß der Kommanditisten von der organschaftlichen Vertretung. Der Aspekt der Selbstbestimmung wäre auch bei einer organschaftlichen Vertretung durch Kommanditisten, die ja Gesellschafter und keine Dritte sind, nicht verletzt. Der Bundesgerichtshof knüpft mit seiner Rechtsprechung an eine Auffassung an, die bis 1945 nahezu unbestritten galt. Zu Zeiten des ADHGB bestand lediglich eine Diskussion darüber, ob eine Personenhandelsgesellschaft überhaupt einen organschaftlichen Vertreter brauchte oder auch hinreichend nur durch einen Prokuristen vertreten war. Das Reichsgericht sprach schon im Jahre 1880 aus, daß die Prokura die umfangreichste Vertretungsmacht sei, die einem Nichtgesellschaft eingeräumt werden könne 4 • Das gleiche galt nach allgemeiner Auffassung für den Kommanditisten, der schon nach der eindeutigen Regelung des Art. 167 ADHGB nur als Bevollmächtigter oder Prokurist die Gesellschaft vertreten durfte 5 • Die Diskussion über die Übertragbarkeit der organschaftlichen Vertretung auf Nichtgesellschafter und Kommanditisten wurde eigentlich erst im Jahre 1937 durch einen Beschluß des OLG München, das die Drittorganschaft in einem obiter dictum für zulässig erklärte, ausgelöst 6. Erfuhr diese Entscheidung zunächst einhellige Ablehnung?, finden sich seit den fünfziger bis in die siebziger Jahre hinein zahlreiche Versuche in der Literatur, die Abdingbarkeit des Prinzips der Selbstorganschaft nachzuweisen 8. Ein Teil dieser Überlegungen geht dahin, Nichtgesellschaftern die volle Rechtsstellung eines Gesellschaftergeschäftsführers zu übertragen. Es soll möglich sein, 1 2

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8

BGHZ 26, 330, 333; 41, 367, 369; 51, 198,200; s. o. 3. Abschn. A. 1. BGHZ 33, 105, 108. BGHZ 41,367. RGZ 2, 30 (s. o. 2. Abschn. B. 11. 1. c). ROHG 15, 6 (s. o. 2. Abschn. B. 11. 1. c). OLG München, ZAKDR 1937,763 (s. o. 2. Abschn. bei Fn. 122). Vgl. besonders KG JW 1939,424 (s. o. 2. Abschn. bei Fn. 126). s. o. 4. Abschn. B.

B. Organschaftliche Vertretung

113

ihm ein nur aus wichtigem Grund entziehbares Eigenrecht auf die Geschäftsführung und Vertretung einzuräumen. Es wäre dann von Weisungen der Gesellschaftergesarntheit freigestellt und seine Abberufung wäre gemäß §§ 117, 127 HGB nur im Wege einer Gestaltungsklage möglich 9 • In der Kritik 10 findet sich zu Recht der Hinweis auf die Wertungen des § 52 HGB. Der Gesetzgeber des HGB hielt an der jederzeitigen Widerruflichkeit der Prokura wegen des Umfangs und der Unbeschränkbarkeit dieser Vertretungsmacht bewußt fest 11. Hier liegt ein Unterschied gegenüber der zivilrechtlichen Vollmacht, deren Widerruflichkeit sich gemäß § 168 BGB nach dem Rechtsverhältnis richtet, das der Erteilung zugrunde liegt. Daraus läßt sich der allgemeine Grundsatz ableiten, daß eine Vertretungsmacht, die wie die Prokura unbeschränkbar ist und über deren Umfang noch hinausgeht, soweit sie an einen Nichtgesellschafter erteilt wird, jederzeit frei widerruflich sein muß. Darüber hinaus entspricht es fast einhelliger Meinung, daß auch eine zivilrechtliche Generalvollmacht zur unbeschränkten Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten nicht unwiderruflich, d. h. nur aus wichtigem Grund widerruflich an einen Nichtgesellschafter erteilt werden kann. Es gibt außer dem Gesellschaftsverhältnis 12 kein Rechtsverhältnis, das gemäß § 168 BGB die Unwiderruflichkeit einer solchen Vollmacht rechtfertigen könnte 13. Die organschaftliche Vertretungsmacht ist in ihrem Umfang unbeschränkt und steht insoweit einer Generalvollmacht gleich. Eine Diskrepanz scheint sich hier allerdings im Vergleich zur Widerruflichkeit der Bestellung des Geschäftsführers einer GmbH oder des Vorstandes einer AG zu ergeben 14. Nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied vorzeitig nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen. Nach § 38 Abs. 2 GmbH-Gesetz kann im Gesellschaftsvertrag die Zulässigkeit des Widerrufs auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds beschränkt werden. Geschäftsführer und Vorstandsmitglied sind gegen einen Widerruf also besser geschützt als ein Prokurist. Auch der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied bei der AG ist aber dadurch erleichtert, daß ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung dafür s. o. 4. Abschn. B. V. 3. d) bb). s. o. 4. Abschn. B. V. 3. d) aa). 11 Schubert, Quellen zum HGB, S. 387 (s. o. 2. Abschn. C. I. 3. b». 12 Vgl. aber auch zur stillen Gesellschaft und anderen mittelbaren Beteiligungsformen unter C. 11. 2. b.; diese können ebenfalls Grundlage für weitreichende unwiderrufliche Vollmachten sein. 13 RG Warn. Rspr. 1912,4531; Seuf. Arch. 79, (1925), 362, 363; v. Tuhr in FS für Laband, S. 43 ff., 55; Müller-Freienfels, Vertretung, S. 115; Spitzbarth, Vollmachten, S. 113; Hübner, ZHR 1979, I, 6; Huber, ZHR 1988, 17, m. w.N. Fn.55; aA s. o. 4. Abschn., Fn. 92. 14 So Spitzbarth, Vollmachten, S. 113. 9

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8 WeTT'

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5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

regelmäßig als wichtiger Grund ausreicht (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG). Dem Vorstand steht gegenüber den Gesellschaftern daher letztlich kein Eigenrecht auf die Geschäftsführung zu. Für die GmbH läßt sich darauf verweisen, daß die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag jederzeit auch gegen den Willen des Fremdgeschäftsführers ändern können. Ist die Beschränkung der Widerruflichkeit auf einen wichtigen Grund auf diese Weise beseitigt, kann der Geschäftsführer gemäß § 38 I GmbHG jederzeit abberufen werden. Nach wohl zutreffender Auffassung steht ihm dann kein Anspruch auf Wiederbestellung zu. Er hat gegen den Willen der Gesellschaftermehrheit ebenfalls kein Eigenrecht auf die GeschäftsführersteIlung 15. Unabhängig davon müßte bei einer Personenhandelsgesellschaft ein Drittorgan aber schon deshalb weisungsgebunden und jederzeit abberufbar sein, weil mindestens ein Gesellschafter für die Verbindlichkeiten persönlich haftet. Der Schutz der Persönlichkeit und Freiheit des Bevollmächtigenden, den der Grundsatz der Widerruflichkeit von Generalvollmachten sichern will 16, verlangt mit Blick auf diese Haftung bei den Personenhandelsgesellschaften besondere Beachtung. Nach einer anderen Auffassung, die weniger problematisch ist, soll bei Drittorganschaft die Rechtsstellung der Nichtgesellschafter daher jederzeit widerruflich und weisungsgebunden sein. Nur Kommanditisten soll die Geschäftsführung einschließlich der organschaftlichen Vertretung als eigenes Recht zustehen können 17. Aber auch diesen Überlegungen steht die eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen, die sich auf den Gesetzeswortlaut und den Willen des Gesetzgebers stützen kann. Insbesondere läßt die Entstehungsgeschichte keinen Zweifel daran zu, daß der Gesetzgeber den Kommanditisten von der organschaftlichen Vertretung ausschließen wollte. Nach den Vorstellungen der Nürnberger Kommission war den Komplementären sogar insgesamt die gesellschaftliche Geschäftsführung zwingend vorbehalten 18. Die organschaftliehe Vertretung nur durch persönlich haftende Gesellschafter hat eine doppelte Schutzwirkung. Sie sichert die persönlich haftenden Gesellschafter gegen allzu weitgehende fremdbestimmte Risiken und dient dem Schutz des Rechtsverkehrs, in dem sie berechtigte Aussicht auf eine im eigenen Interesse verantwortlich handelnde Unternehmensführung schafft. Selbst wenn dieser 15 So Scholz-Schneider, GmbHG, § 38 Rd.-Zf. 40; Schönle / Ensslin, GmbHR, 1970, 103, 104; schon Wieland, Handelsrecht, S.482/483 (s. o. 2. Abschn. bei Fn. 49); aA aber die wohl überwiegende Meinung Baumbach-Hueck-Zöllner, GmbHG, § 38 Rd.Zf. 11; Fleck, ZGR 1988, 104, 122, die einen durchsetzbaren Anspruch auf die Wiederbestellung bejahen. 16 Dazu Hübner, ZHR, 1979, 1,6. 17 s. o. 4. Abschn. B. V. 3. d) aa). 18 s. O. 2. Abschn. B. I. 2. b).

B. Organschaftliehe Vertretung

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Schutz angesichts der in der Praxis anerkannten Möglichkeiten, Nichtgesellschaftern und Kommanditisten sonstige Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse zu verschaffen (vgl. C.), nur unvollkommen wirkt, besteht kein Anlaß, ihn entgegen der gesetzlichen Regelung außer Kraft zu setzen. Für eine Rechtsfortbildung in Analogie zu anderen Formen der Drittorganschaft gibt es kein Bedürfnis, das von so großem Gewicht wäre, daß es die Aufgabe eines Grundsatzes rechtfertigen würde, der jedenfalls im Normalfall eine verantwortliche Unternehmensführung bei Personenhandelsgesellschaften gewährleistet. Auch das Beispiel der GmbH & Co. KG und der dort möglichen "mittelbaren Drittorganschaft" zwingt nicht zur Aufgabe des Grundsatzes der Selbstorganschaft. Historisch gesehen ist bei der Zulassung der GmbH & Co. KG an diesen Gesichtspunkt kaum gedacht worden 19. Der Rechtsverkehr wird im übrigen immerhin durch das Stammkapital der GmbH geschützt. Zu dessen Erhaltung hat der Gesetzgeber inzwischen Sonderregelungen erlassen (vgl. §§ 172 VI, 172 a HGB). Der Gesellschafterschutz ist allerdings nicht gesichert, wenn neben der geschäftsführungsbefugten GmbH noch eine natürliche Person als Komplementärin steht. Eine solche bedenkliche Konstellation, deren Folgen keineswegs geklärt sind 20 , kann aber kaum als Argument gegen das Prinzip der Selbstorganschaft angeführt werden. Dem Bundesgerichtshof ist also beizupflichten, wenn er die Ausnahmen vom Prinzip der Selbstorganschaft bei Personenhandelsgesellschaften eng begrenzt. Neben dem gesetzlich geregelten Fall der Liquidation ist hier die Interimsverwaltung durch einen Dritten für die Dauer eines Ausschließungs- und Auflösungsprozesses von Bedeutung (sog. liquidationsähnliche Sonderlage)21. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken dagegen, eine solche Notgeschäftsführung auch für die Dauer eines Prozesses auf Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungs befugnis eines Gesellschafters zuzulassen 22. Allerdings kann dem einzigen Komplementär einer KG die Vertretungs befugnis nicht entzogen werden 23.

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S.

o. 2. Abschn. C. 11. 3.

o. 4. Abschn. C. I. 3. c). BGHZ 33, 105 (s. o. 3. Abschn. A. I. 4.). 22 S. O. 4. Abschn., Fn. 160. 23 BGHZ 51, 198 (s. o. 3. Abschn. bei Fn. 7); aA ein Teil der Literatur s. o. 4. Abschn., Fn. 181. 20 S. 21

8*

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5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

c. Sonstige Bedeutung des Prinzips der Selbstorganschaft für die Organisation der Geschäftsführung von Personengesellschaften I. Allgemeines zum Stand der Diskussion

Für die praktische Ausgestaltung der Geschäftsführungsorganisation von Personengesellschaften bildet das Prinzip der Selbstorganschaft, wenn man von der organschaftlichen Vertretung bei Personenhandelsgesellschaften absieht, nach dem heutigen Stand der Diskussion keine feste Schranke. So schließt das Prinzip der Selbstorgenschaft beispielsweise eine Weisungs bindung der organschaftlichen Vertreter von Personenhandelsgesellschaften im Innenverhältnis grundsätzlich nicht aus. Das Eigenrecht des Gesellschaftergeschäftsführers auf Geschäftsführung und Vertretung, in dem Wieland die eigentliche Besonderheit der Selbstorganschaft sah 24, kann durch den Gesellschaftsvertrag weitgehende Einschränkungen erfahren. So kann die Entziehung von Geschäftsführungsbefugnissen durch Abbedingung der §§ 117,127 HGB, 712 BGB erleichtert werden. Andererseits dürfen Kommanditisten maßgeblich an der Geschäftsführung beteiligt werden. Auch Nichtgesellschaftern darf die Geschäftsführung in weitem Umfang übertragen werden. Die Möglichkeit, Dritte mit der laufenden Geschäftsführung zu betrauen, ist im Verlauf um die Diskussion der Selbstorganschaft nie umstritten gewesen. Schon zu Zeiten des ADHGB bestand kein Zweifel darüber, daß die Gesellschafter die Geschäftsführung de facto ausschließlich einem Prokuristen überlassen durften. Insoweit läßt sich allein darin, daß die neuere Rechtsprechung eine umfassende Fremdverwaltung in den Personengesellschaften für zulässig hält 25, auch keine Auflockerung des Grundsatzes der Selbstorganschaft sehen. Die herrschende Auffassung, wonach dem Nichtgesellschafter eine organschaftliche Geschäftsführung nicht übertragen werden darf, bringt zum Ausdruck, daß ein Nichtgesellschafter seine Geschäftsführungsrechte nicht aus dem Gesellschaftsvertrag, sondern aus einem besonderen Schuldverhältnis, wie z. B. einem Geschäftsbesorgungsvertrag oder stillen Gesellschaftsvertrag herleitet. Der Gesellschaftergesamtheit verbleibt daneben immer die Möglichkeit für die Gesellschaft zu handeln, so daß ein Ausschluß aller Gesellschafter von der Geschäftsführung nicht denkbar ist.

Handelsrecht, S. 474 (s. o. 2. Abschn. bei Fn. 144). BGHZ 36, 292 ff. (s. o. 3. Abschn. A. 1. 3. und II. 1. a»; NJW 1982, 1817 (s. o. 3. Abschn. A. II. 1. b»; NJW 1982, 877 (s. o. 3. Abschn. B. 1.); NJW 1982, 2495 ff. (s. o. 3. Abschn. B. 11.). 24 25

C. Organschaftliche Geschäftsführung

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Unterschiedliche Beurteilung im Verlauf der Diskussion um die Selbstorganschaft erfuhr die Frage, unter welchen Voraussetzungen Personen, die für die Gesellschaftsschulden nicht persönlich haften, ein eigenes Recht auf die Geschäftsführung und Vertretung in Personengesellschaften zustehen kann. Auch die aktuelle Diskussion über die Geschäftsführungsorganisation der Personengesellschaften bezieht sich in erster Linie darauf, inwieweit sich eine solche unabhängige Geschäftsführungsposition mit den Wertungen des Prinzips der Selbstorganschaft vereinbaren läßt. Im Folgenden soll zu einigen Fallgestaltungen, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind, Stellung genommen werden. Das Hauptaugenmerk gilt dabei der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie ist für die Praxis bei der Ausgestaltung von Gesellschaftsverträgen maßgebend. An ihren Wertungen muß sich auch eine Argumentation mit dem ungeschriebenen Grundsatz der Selbstorganschaft orientieren. 11. Einzelne Fallgestaltungen

1. Geschäftsführungsrechte von unbeteiligten Nichtgesellschaftern Der Bundesgerichtshof hält es in neueren Entscheidungen mit dem Prinzip der Selbstorganschaft für vereinbar, wenn die Rechtsstellung eines Fremdgeschäftsführers gegen eine jederzeitige Abberufung abgesichert ist. Auch auf Weisungsbefugnisse sollen die Gesellschafter wirksam verzichten können. a) Betriebsführungsvertrag "Holiday Inn" Besonders weit ging eine solche Verlagerung von Geschäftsführungszuständigkeiten auf einen unbeteiligten Dritten beim Betriebsführungsvertrag "Holiday Inn"26. In seiner Entscheidung betont der Bundesgerichtshof die Grenzen, die sich aus dem Prinzip der Selbstorganschaft für die Umgestaltung der Geschäftsführung ergeben und begründet die Zulässigkeit des "Holiday Inn" -Vertrages mit den Umständen des Einzelfalles. Die Organgestellung des Komplementärs einer Kommanditgesellschaft muß danach nicht nur rechtlich, sondern in ihrem Wesensgehalt auch faktisch bestehen bleiben, damit das Prinzip der Selbstorganschaft gewahrt ist. Beim Betriebsführungsvertrag "Holiday Inn" war die notwendige Abhängigkeit des Betriebsführers vom Geschäftsführungsorgan nach Auffassung des Bundesgerichtshofs durch die detaillierte Regelung der Rechte und Pflichten des Managers gewährleistet. Ein bestimmter Standard der Unternehmensführung war durch die Zugrundelegung der international gültigen "Holiday Inn-Bewirt26 BGH NJW 1982, 1817 (s. o. 3. Abschn. A. 11. 1. b)).

5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

118

schaftungsrichtlinien" gesichert. Zusätzlich stand dem Geschäftsführungsorgan ein vom Bundesgerichtshof aus allgemeinen Grundsätzen entwickeltes Recht zur fristlosen Kündigung bei dauernder Unrentierlichkeit der Hotelführung zu. Der Entscheidung ist zu entnehmen, daß der Bundesgerichtshof eine umfangreiche Geschäftsführungstätigkeit eines Nichtgesellschafters dann nicht mit dem Prinzip der Selbstorganschaft für vereinbar hält, wenn ein Tätigwerden im Interesse der Gesellschaft nicht gesichert ist. Betriebsführungsverträge ohne klare Richtlinien für den Betriebsführer sind danach unzulässig. Ein Betrieb, der mehr unternehmerischen Freiraum gewährt als ein Hotel, dürfte deshalb für die Übertragung auf einen unabhängigen Betriebsführer ausscheiden. Die Übertragung der Geschäftsführung auf einen Gläubiger wäre ebenfalls unzulässig, da die Betriebsführung dann eindeutig im Eigeninteresse des Geschäftsführers läge. Eine generelle Zulässigkeit von Betriebsführungsverträgen bei Personengesellschaften hat der Bundesgerichtshof also nicht ausgesprochen. Er ist hier deutlich zurückhaltender als die Literatur vor 1945. Im Anschluß an die Denkschrift zum HGB 27 war die Ansicht verbreitet, daß ein Einzelkaufmann oder eine Personenhandelsgesellschaft zum Beispiel einem Gläubiger unwid(errufliche Handlungsvollmacht zum Betrieb des Geschäfts erteilen konnte 28. Schon unter dem ADHGB, das unwiderrufliche Vollmachten nicht kannte (Art. 54 ADHGB), gab es Stimmen in der Literatur, die eine Bindung der Geschäftsführung einer Personenhandelsgesellschaft an umfassende Weisungen von Gläubigern und eine Geschäftsführung allein durch von Gläubigern bestimmte Prokuristen für unbedenklich hielten 29. Dennoch ist der heute in der Literatur überwiegenden Auffassung zuzustimmen, daß im Betriebsführungsvertrag "Holiday Inn" angesichts der persönlichen Haftung des Komplementärs eine zu weitgehende Bindung liegt 30• Die Argumentation des Bundesgerichtshofs ist in sich wenig überzeugend. Der Betriebsführer hatte nicht nur subsidiäre, von der Geschäftsführungsbefugnis des Komplem~n­ tärs abgeleitete Verwaltungsrechte, sondern umfassende Geschäftsführungsbefugnisse einschließlich einer allgemeinen Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB. Dem Komplementär war es untersagt, sich in die Geschäftsführung einzumischen. Er ging ein erhebliches Haftungsrisiko ein, da das Kündigungsrecht ihn nicht davor bewahrte, Anlaufverluste und Durststrecken in Kauf zu nehmen. Von Verlusten wurde das Betriebsführungsunternehmen nur bedingt betroffen, da seine Vergütung nicht allein gewinn-, sondern auch umsatzbezogen war 31 •

27

Schubert, Quellen zum HGB, S. 992/993 (s. o. 2. Abschn. C. I. 3. b)). 2. Abschn., Fn. 163, 164, 166. s. O. 2. Abschn., Fn. 53, 54. Nachweise s. o. 4. Abschn., Fn. 130. Daraus leitete das OLG München die Sittenwidrigkeit des Vertrages her, AG 1987,

28 S. O. 29 30 31

381 ff.

c. Organschaftliche Geschäftsführung

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Daraus ergibt sich berechtigter Anlaß zur Kritik. In der Literatur wird außer auf das Prinzip der Selbstorganschaft darauf hingewiesen, daß ein Vertrag, in dem der Unternehmensträger auf jedes Weisungsrecht bezüglich der Geschäftsführung verzichtet, in der Wirkung einem im Personengesellschaftsrecht unzulässigen Beherrschungsvertrag gleichkommt 32. Abgesehen von diesen konzernrechtlichen Aspekten, die sich in diesem Fall mit dem Problem der Selbstorganschaft berühren, ist auch nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die Wirksamkeit des "Holiday Inn" -Vertrages zweifelhaft. Es ist fraglich, ob ein Geschäftsbesorgungsvertrag ein eigenes Recht auf eine so umfangreiche Geschäftsführung begründen kann. Ein Auftrag ist gemäß § 671 BGB jederzeit widerruflich, der Auftragnehmer an Weisungen gebunden. Ein Verzicht auf diese Kündigungsmöglichkeit ist nur zulässig, wenn das Interesse des Beauftragten am Auftrag dem des Auftraggebers zumindest gleichwertig ist 33 • Nur in einem solchen Fall ist auch die Befreiung von einer Bindung an Weisungen denkbar. Der Auftrag ist davon geprägt, daß der Auftraggeber "Herr des Geschäftes" ist 34 • Er darf sich nicht gegenüber dem Auftragnehmer selbst entmündigen. Beim Geschäftsbesorgungsvertrag steht der jederzeitigen Beendigungsmöglichkeit die Entgeltlichkeit der Geschäftsführung entgegen (§ 675 BGB). Die Frage der Fortzahlung des Entgeltes ist aber von der Fortsetzung der Geschäftsführungstätigkeit zu trennen. Eine Pflicht des Geschäftsherrn, die Dienste des Geschäftsführers in Anspruch zu nehmen und auf Weisungen zu verzichten, ist nur unter den gleichen Voraussetzungen denkbar, unter denen auch ein Auftragnehmer ein Recht auf die Durchführung des Auftrages hat. Geschäftsbesorgungen von erheblichem Umfang können nur erbracht werden, wenn der Dienstberechtigte volles Vertrauen zum Dienstverpflichteten hat. Dies ergibt sich als Wertung auch aus § 627 BGB, wonach bei Diensten höherer Art die Kündigung jederzeit zulässig ist 35 • Angesichts der umfangreichen Geschäftsführungsbefugnisse des Betriebsführungsunternehmens und der persönlichen Haftung des Komplementärs ist davon auszugehen, daß die Kommanditgesellschaft auf die jederzeitige Möglichkeit zum Wiedereintritt in die Betriebsführung nach allgemeinen Grundsätzen des Auftragsrechts nicht wirksam verzichten konnte. Ihre Interessen an der Geschäftsführung überwogen eindeutig die des Betriebsführungsunternehmens. Der "Holiday Inn" -Vertrag führte zu einer unzulässigen Selbstentmündigung der Kommanditgesellschaft 36. Windbichler, ZIP, 1987, 825, 828; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 376ff. BGH WM 1971,956. 34 MK-Seiler, § 665 Rd.-Zf. 14. 35 Das OLG München hat in der Begründung zum "Holiday Inn"-Fall u. a. in der Abbedingung des § 627 BGB in einem Formularvertrag einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 AGBG gesehen, AG, 1987,380,382. 36 So auch Heymann-Emmerich, HGB, § 114, Rd.-Zf. 28; Huber, ZHR, 1988, 1, 19, 23. 32 33

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5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

Besondere Bedenken ruft es hervor, daß der Geschäftsbesorgungsvertrag nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch Grundlage für eine unwiderrufliche Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB sein solp7. Die Widerruflichkeit einer Handlungsvollmacht richtet sich gemäß §§ 54 HGB, 168 BGB nach dem der Erteilung der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Nach der hier vertretenen Meinung war die Handlungsvollmacht zusammen mit dem Betriebsführungsvertrag also jederzeit frei widerruflich. Das läßt sich auch mit allgemeinen Grundsätzen des Vollmachtsrechts begründen. Auch für die Widerruflichkeit einer Vollmacht kommt es darauf an, ob der Bevollmächtigte ein besonderes Interesse an der Vollmacht hat, das dem des Vollmachtgebers zumindest gleichwertig ist 38 . Nach Auffassung eines Teils der Literatur folgt daraus, daß unwiderruflich, d. h. nur aus wichtigem Grund widerruflich, nur eine Spezialvollmacht, nicht eine allgemeine Vollmacht sein kann 39 . Es kann hier offen bleiben, ob dem für jeden Fall zuzustimmen ist. Jedenfalls übersteigt nach zutreffender Ansicht bei der Erteilung einer Handlungsvollmacht an einen unbeteiligten Nichtgesellschafter, die umfassend und mit Außen wirkung nicht beschränkbar (§ 54 III HGB) zur Vertretung in praktisch allen geschäftlichen Angelegenheiten ermächtigt, das Interesse des Vollmachtgebers an der Vollmacht das des Bevollmächtigten 40 • Eine solche Handlungsvollmacht ist also ebenso wie eine Prokura und eine Generalvollmacht, für die das fast allgemein anerkannt ist 41 , zwingend frei widerruflich. Das gilt wegen der persönlichen unbeschränkten Haftung insbesondere, wenn die Vollmacht von einem Einzelgewerbetreibenden oder von einer Personenhandelsgesellschaft erteilt wird. Der Bundesgerichtshofs nimmt zu diesen allgemeinen zivilrechtlichen Fragen in der "Holiday Inn"-Entscheidung nicht Stellung. Sie hängen insoweit mit dem Prinzip der Selbstorganschaft zusammen, als sich auch nach ihnen die Grenzen der Einflußnahme von Nichtgesellschaftern auf die Geschäftsführung von Personengesellschaften bestimmen. Diese Grenzen gehen nach der hier vertretenen Auffassung über das hinaus, was der Bundesgerichtshof im "Holiday Inn"-Urteil aus dem Prinzip der Selbstorganschaft folgert. Sie deuten in die Richtung, die die ältere Rechtsprechung 42 und zahlreiche Stimmen in der Literatur 43 immer wieder aufgewiesen haben. Danach ist die 37 Dazu ausführlich Huber, ZHR, 1988, 1 ff., 16 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 38 BGH, WM, 1971,956; MK-Thiele, § 168, Rd.-Zf. 35. 39 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 53,2. und 3; Pawlowski, ZHR, 136,69 ff., 75; mit Einschränkungen auch Müller-Freienfels, Die Vertretung, S. 115. 40 So Loos, BB, 1963,615/616; Schlegelberger-Schröder, HGB, § 54, Rd.-Zf. 7/8; Huber, ZHR, 1988, 1, 19; für eine an die Prokura heranreichende Handlungsvollmacht bereits Wieland, Handelsrecht, S. 375 (s. o. 2. Abschn., Fn. 166); a.A. Baumbach-Hopt, HGB, § 54, Anm. 4 A. 41 s. o. Fn. 13. 42 BGHZ, 8, 46; BGHZ 17,393; BGHZ 36, 292 ff. (s. o. 3. Abschn. A. II. 1. a».

C. Organschaftliche Geschäftsführung

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Rechtsstellung eines unbeteiligten Nichtgesellschafters, der die Geschäftsführung in vollem Umfang aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages innehat, zwingend frei widerruflich und weisungsgebunden. Hinter dem Streit um die Bedeutung des Prinzips der Selbstorganschaft bei der Geschäftsführung steht unausgesprochen auch ein unterschiedliches Verständnis des Auftrags- und des Vollmachtsrechts. Nur nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen läßt sich ein Betriebsführungsvertrag beurteilen, den ein Einzelgewerbetreibender abschließt. Dieser ist aber wegen seiner persönlichen Haftung ebenso schutzbedürftig wie der Komplementär einer Kommanditgesellschaft 44 • Eine grundsätzliche Auseinandersetzung des Bundesgerichtshofs mit diesem Problemkreis steht noch aus. Festzuhalten bleibt allerdings, daß auch nach der Argumentation des Bundesgerichtshofs Betriebsführungsverträge nur in Ausnahmefällen zulässig sind. b) Fremdverwalter in der Publikums-BGB-Gesellschaft Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Abberufung eines Fremdverwalters in der Publikums-BGB-Gesellschaft vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig gemacht werden kann 45 , ist im Unterschied zur "Holiday Inn"-Entscheidung weitgehend unproblematisch. Das ergibt sich zum einen daraus, daß die Entscheidungen Kapitalanlagegesellschaften betreffen, bei denen der Geschäftsführer nicht berechtigt ist, die Gesellschafter über den Betrag ihrer Einlagen hinaus persönlich zu verpflichten 46 • Im übrigen betont der Bundesgerichtshof, daß der Gesamtheit der Gesellschafter als Trägerin aller Rechte und Pflichten die umfassende Entscheidungsbefugnis nicht genommen werden kann. Der Fremdgeschäftsführer ist verpflichtet, den Weisungen der Gesellschafterversammlung zu folgen. Er hat die Geschäftsführungsbefugnis nicht aus eigenem Recht, sondern wird aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages tätig 47. Aus der Beschränkung des Widerrufs auf einen wichtigen Grund kann der Fremdgeschäftsführer daher wohl auch nach Meinung des Bundesgerichtshof kein Eigenrecht auf die Geschäftsführung herleiten. Nur die Gesellschafter können sich darauf berufen. Bei Zustimmung aller Gesellschafter kann der Gesellschaftsvertrag geändert und der Fremdgeschäftsführer auch ohne wichtigen Grund wirksam abberufen werden. Damit ist dem Prinzip der Selbstorganschaft zumindest formal Rechnung getragen. 43 44 45 46

47

Dazu s. o. 4. Abschn., Fn. 126; Fn. 197. So zutreffend Huber, ZHR, 1988, 1 ff., 20. BGH NJW 1982,877; NJW 1982,2495 (s. o. 3. Abschn. B). s. o. 3. Abschn. B. I. s. o. 3. Abschn. B. I.

122

5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

Allerdings ist nicht zu verkennen, daß in einer Publikumsgesellschaft ein einstimmiger Gesellschafterbeschluß nur schwer herbeigeführt werden kann. Faktisch ist die Stellung des Fremdverwalters daher relativ unabhängig, zumal auch Weisungen wegen der Schwerfalligkeit einer Gesellschafterversammlung nur in grundlegenden Geschäftsführungsfragen erteilt werden können. Jedenfalls, soweit der Verwalter nicht berechtigt ist, die Gesellschafter über ihre Einlage hinaus persönlich zu verpflichten, kann diese faktische Unabhängigkeit aber hingenommen werden. Der Bundesgerichtshof erkennt darüber hinaus ein besonderes Schutzbedürfnis der Gesellschafter in einer Publikumsgesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer dadurch an, daß er für die Abberufung aus wichtigem Grund einen einfachen Mehrheitsbeschluß ausreichen läßt. Eine entgegenstehende Regelung im Gesellschaftsvertrag ist unwirksam. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß es in der Publikumsgesellschaft einer Minderheit der Gesellschafter nicht möglich sein soll, der Mehrheit einen Geschäftsführer aufzuzwingen, der einen wichtigen Grund für seine Abberufung gesetzt hat. Das gilt unabhängig davon, ob der Geschäftsführer Gesellschafter oder Nichtgesellschafter ist 48 • Der Bundesgerichtshof hat angedeutet, daß diese Grundsätze auch auf eine Publikums-KG Anwendung finden müssen. Auch bei der Publikums-KG reicht demnach bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Mehrheitsbeschluß zur Entziehung der organschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung eines Komplementärs aus 49 • In einer individualistisch strukturierten Personengesellschaft mit Gesamtgeschäftsführung aller Gesellschafter wäre dagegen auch bei Vorli:egen eines wichtigen Grundes für die Abberufung eines Fremdgeschäftsführers die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich, die notfalls im Wege der Klage erzwungen werden müßte. Das gleiche gilt im gesetzlichen Regelfall für die Abberufung eines Gesellschaftergeschäftsführers (§§ 117, 127 HGB, 712 BGB). Die Besonderheit bei den Publikumsgesellschaften liegt also im wesentlichen in einer Verfahrensvereinfachung bei der Abberufung eines Geschäftsführers. Dem Schutzbedürfnis der Anlagegesellschafter ist damit ausreichend Rechnung getragen. Eine andere Frage, die sich im Zusammenhang mit der Rechtsprechung stellt, betrifft die in der Literatur diskutierte Anwendung des § 54 S. 2 BGB auf eine körperschaftlich strukturierte BGB-Gesellschaft 50 • Die Abgrenzung zwischen nicht-rechtsfahigem Verein und BGB-Gesellschaft kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher untersucht werden 5l • Für die Praxis gilt, daß der Bundesgerichtshof

BOH NJW, 1982,2495; WM, 1988,23 (s. o. 3. Abschn. B. 11). So auch Heymann-Emmerich, HOB, § 114, Rd.-Zf. 30; Reichert-Winter, BB 1988, 1981. 50 s. o. 4. Abschn. D. 48

49

c. Organschaftliche Geschäftsführung

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bisher die Gründung von Publikums-BGB-Gesellschaften akzeptiert, ohne die Anwendung des Vereinsrechts und insbesondere der Funktionshaftung des § 54 Satz 2 BGB in Erwägung zu ziehen. Allerdings ist die Frage der Haftung bisher auch noch nicht entscheidungserheblich geworden, so daß eine gewisse Unsicherheit besteht.

2. Geschäftsführungsrechte von Kommanditisten und stillen Gesellschaftern a) Kommanditisten Der Kommanditist ist Gesellschafter und Mitinhaber des Unternehmens. Er unterliegt der gesellschaftlichen Treuepflicht. Darin unterscheidet er sich maßgeblich vom unbeteiligten Nichtgesellschafter. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können dem Kommanditisten umfangreiche, im Gesellschaftsvertrag begründete Geschäftsführungsbefugnisse, verbunden mit nur aus wichtigem Grund widerruflichen Generalvollmachten übertragen werden 52. Hier folgt der Bundesgerichtshof einer Rechtsauffassung, die sich seit der Entstehung des ADHGB kontinuierlich entwickelt hat. Das ADHGB enthielt im Art. 150 noch eine engere Begriffsbestimmung der Kommanditgesellschaft als heute § 161 HGB. Damit wollte die Nürnberger Kommission zum Ausdruck bringen, daß der Kommanditist von der gesellschaftsvertraglichen Geschäftsführungsbefugnis zwingend ausgeschlossen war 53 • Aber schon unter dem ADHGB leiteten Rechtsprechung und Literatur aus dem für das Innenverhältnis der PersonengeseIlschaften geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit überwiegend die Zulässigkeit einer abweichenden Vertragsvereinbarung ab 54• Nachdem der Gesetzgeber des HGB durch die Neufassung von § 161 HGB unbewußt den gesetzlichen Anhaltspunkt für die gegenteilige Augffassung beseitigt hatte 55, wurde die Zulässigkeit der Übertragung von organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnissen auf Kommanditisten praktisch nicht mehr in Frage gestellt. Seit der Zulassung von unwiderruflichen Vollmachten durch BGB und HGB ist auch anerkannt, daß dem Kommanditisten rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht im Gesellschaftsvertrag erteilt werden kann. Diese ist dann auch nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerruflich 56. Eine so weitgehende Bindung 51 Vgl. dazu MK-Ulmer, v. § 705, Rad.-Zf. 96,97; zur parallelen Fragestellung der Abgrenzung von Publikums-KG und wirtschaftlichem Verein Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, s. 48 ff. 52 BGHZ 17,393 ff.; BGH WM, 1968,509 (s. o. 3. Abschn. A. II. 2. a». 53 s. o. 2. Abschn. B. I. 2. b). 54 s. o. 2. Abschn. B. II. 2. c). 55 Dazu näher 2. Abschn. C. I. 2. b). 56 RGZ 110,418 (s. o. 2. Abschn. C. II. 2. b», siehe auch im Folgenden Fn. 63.

124

5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

des Komplementärs an den Kommanditisten ist zwar mit Blick auf die Wertungen des § 170 HGB bedenklich 57; nach dem heutigen Meinungsstand steht ihre Zulässigkeit für die Praxis aber außer Zweifel. Der Bundesgerichtshof und die herrschende Lehre wenden selbst § 52 HGB auf den Kommanditisten als Mitinhaber des Unternehmens nicht an. Um Rechtsunsicherheiten für Dritte zu vermeiden, ist der Widerruf der Prokura durch den Komplementär zwar wirksam. Bei Fehlen eines wichtigen Grundes ist er aber verpflichtet, die Prokura neu zu erteilen 58. Ob auch der Widerruf einer dem Kommanditisten erteilten Handlungsvollmacht, wenn kein wichtiger Grund vorliegt, auf die gleiche Weise zumindest vorübergehend wirksam ist, wie das die Literatur teilweise annimmt 59, ist zweifelhaft. Nach § 168 BGB, der für die Handlungsvollmacht gilt, bleibt der unzulässige Widerruf einer Vollmacht wirkungslos. Dennoch erscheint es zur Sicherheit und Klarheit des Rechtsverkehrs sachgerecht, von einer solchen Außenwirksamkeit des Widerrufs einer Handlungsvollmacht wie bei der Prokura auszugehen. Folgt man dem, läßt sich sagen, daß der Komplementär eine umfassende Vollmacht des Kommanditisten aufgrund seiner übergeordneten organschaftlichen Vertretungsmacht jederzeit zwar nicht beenden darf, aber immerhin beenden kann. Darüberhinaus erscheint der Standpunkt eines Teils der neueren Literatur aber berechtigt, die persönliche Haftung erfordere ein Mindestmaß an Geschäftsführungsbefugnissen des Komplementärs 60 • Er kann im Ansatz auch aus der Rechtsprechung hergeleitet werden. Wie gesehen, rechtfertigt der Bundesgerichtshof das Monopol der Komplementäre bei der organschaftlichen Vertretung mit deren persönlicher Haftung, ihrer vollen Verantwortung für die Handlungen der Gesellschaft. Daraus ergeben sich richtigerweise auch Folgerungen für das Innenverhältnis der Kommanditgesellschaft. Selbst wenn man den Zweck des § 170 HGB ausschließlich im Schutz des Rechtsverkehrs sieht, kann eine rein formale Rechtsstellung diesem Bedürfniks kaum genügen. Um einen Irrtum darüber auszuschließen, daß der Kommanditist nur beschränkt haftet, bedarf es der Vorschrift des § 170 HGB nicht. Dazu genügt schon die Eintragung der Haftungsverhältnisse im Handelsregister. Jedenfalls aber ist der Rechtsverkehr dieser Gefahr praktisch in gleicher Weise ausgesetzt, wenn ein Kommanditist mit Geschäftsführungsbefugnissen und einem Sonderrecht auf eine umfangreiche rechtsgeschäftliche Vollmacht allein die Geschäfte

57 So schon Wieland, Handelsrecht, S. 754 (s. o. 2. Abschn. bei Fn. 175), John, Rechtsperson, S. 296 (s. o. 4. Abschn. bei Fn. 178). 58 BGHZ 17, 393 (s. o. 3. Abschn. bei Fn. 41). 59 s. 0.4. Abschn., Fn. 174. 60 s. o. 4. Abschn., Fn. 176, 177.

C. Organschaftliche Geschäftsführung

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führt. Überzeugend ist deshalb die Überlegung, der Schutz des Rechtsverkehrs erfordere eine verantwortliche Unternehmensleitung, da die Personengesellschaft keine Kapitalgarantien und keine Konkursantragspflichten kennt 61. Ein solcher Verkehrs schutz läßt sich aber nur erreichen, wenn dem persönlich haftenden Vertretungsorgan auch im Innenverhältnis ein Mindestmaß an Mitspracherechten verbleibt. Hier decken sich dnie Erfordernisse des Gesellschafterschutzes und des Verkehrsschutzes. Es ist der Meinung in der Literatur 62 zuzustimmen, wonach der Komplementär an Weisungen des Kommanditisten nicht gebunden ist, wenn ihre Befolgung zu unkalkulierbaren Haftungsrisiken führt. Ein wichtiger Grund zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnisse des Kommanditisten einschließlich seiner rechtsgeschäftlichen Vollmacht liegt danach vor, wenn der Kommanditist ohne Zustimmung des vertretungsberechtigten Komplementärs Geschäfte tätigt, aus denen diesem eine persönliche Inanspruchnahme droht. Das ist der Fall, wenn das Gesellschaftsvermögen für das Geschäft keine ausreichende Deckung bietet. Darüber hinausgehend spricht manches dafür, anzunehmen, daß in der Kommanditgesellschaft ganz allgemein ungewöhnliche Geschäfte i. S. von §§ 116 Abs. 2, 164 HGB zwingend der Zustimmung des vertretungsberechtigten Komplementärs bedürfen. Auch die Bestellung eines Nichtgesellschafters zum Prokuristen sollte von der Zustimmung des Komplementärs abhängig sein (§ 116 III HGB). Die Rechtsprechung des Reichsgerichts 63, wonach dem Kommanditisten ein Anspruch auf die Bestellung eines Nichtgesellschafters zum Prokuristen im Gesellschaftsvertrag eingeräumt werden kann, erscheint angesichts der Wertungen von § 170 HGB und § 52 HGB bedenklich. Ein solcher Prokurist wäre nur vom Kommanditisten abhängig. Der persönlich haftende Komplementär dürfte ihm keinerlei Weisungen erteilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 64 darf die Einschaltung eines Nichtgesellschafters in die Geschäftsführung aber nicht dazu führen, daß die OrgansteIlung des Komplementärs faktisch in ihrem Wesensgehalt beeinträchtigt wird. Das Prinzip der Selbstorganschaft steht einer solchen Gestaltung entgegen. Weitergehende Schranken sind der Einflußnahme von Kommanditisten aber nicht zu setzen. So ist der Vorschlag in der Literatur 65 , den Einfluß eines Kommanditisten auf die Geschäftsführung davon abhängig zu machen, ob das von ihm aufgebrachte Vermögen den Geschäftsumfang deckt, zum Schutz der Komplementäre nicht notwendig. Er ist auch nicht geeignet, einigermaßen sichere und praktikable Maßstäbe für die Gestaltungspraxis herzugeben. 61 62

63 64 65

s. o. 4. Abschn., Fn. 170. s. o. 4. Abschn., Fn. 176. RG Seuff. Arch. 94, Nr. 8 (s. o. 2. Abschn., Fn. 174). BGH NJW 1982,1817; vgl. 1. a) s. o. 4. Abschn., Fn. 177.

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5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

Diese Fragen bedürfen noch einer näheren Klärung durch die Rechtsprechung. Die Praxis sollte bei der Verlagerung von Geschäftsführungsbefugnissen auf Kommanditisten extreme Gestaltungen, die das Haftungsinteresse der Komplementäre nicht ausreichend berücksichtigen, jedenfalls vermeiden. Fest steht nach dem heute erreichten Stand der Diskussion, daß ein Kommanditist, der maßgeblich die Geschäftsführung beeinflußt, allein aus diesem Grunde für die Gesellschaftsschulden nicht persönlich haften muß. Treten aber weitere Umstände hinzu, die auf eine Täuschung des Rechtsverkehrs oder einen Mißbrauch der Rechtsform hindeuten, kann das zu einer persönlichen Haftung führen 66. Unsicherheiten bestehen besonders bezüglich der Voraussetzungen eines Rechtsrnißbrauchs. Hinsichtlich des "Rektorfalls"67, der maßgeblichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage, ist bemerkenswert, daß der Rektor zwar eine vermögens lose Person vorgeschoben, aber auch insgesamt 93 000 DM in das Unternehmen eingebracht hatte. Diese, wenn man die Geldentwertung seit 1966 in Betracht zieht, ganz erhebliche Summe, rechtfertigte wohl die Ablehnung einer Durchgriffshaftung. Bei einem insoweit anders gelagerten Fall könnte eine Durchgriffshaftung aber in Betracht kommen. b) Stille Gesellschafter Auch für stille Gesellschafter ist seit langem anerkannt, daß ihnen eigene Geschäftsführungsrechte zustehen können. Das gilt unabhängig davon, ob es um die Beteiligung an einem Einzelhandelsgewerbe oder an einer Personenhandelsgesellschaft geht. Der stille Gesellschafter kann Geschäftsführungsbefugnisse nach heute ganz herrschender Auffassung im gleichen Umfang wie ein Kommanditist erhalten 68. Die Entwicklung des Meinungsstandes verlief weitgehend parallel zu der bei der Kommanditgesellschaft. Der Gesetzgeber gestaltete die stille Gesellschaft, deren Entstehungsgeschichte eng mit der der Kommanditgesellschaft verknüpft ist, bewußt als Schuldverhältnis, nicht als Gesellschaftsverhältnis aus 69 . Unter dem ADHGB war das Reichsgericht deshalb noch systematisch folgerichtig der Auffassung, daß der stille Gesellschafter an der Geschäftsführung nur in der weisungsgebundenen und jederzeit widerruflichen Rechtsstellung eines Bevollmächtigten oder Prokuristen teilnehmen durfte. Die Einräumung eigener Geschäftsführungsrechte bedeutete, daß ein Gesellschaftsverhältnis vorlag; der Geschäftsführer haftete persönlich und unbeschränkt1°. Diese Unterscheidung 66 BGHZ 45,204 (s. o. 3. Abschn. A. H. 2. c»; zur Literatur 4. Abschn. C. III. 2. 67 BGHZ 45, 204 (s. o. Fn. 66). 68 Vgl. zur Rechtsprechung 3. Abschn. A. H. 1. c); zur Literatur 4. Abschn. C. I. 2. b) bb). 69 Vgl. oben 2. Abschn., Fn. 26. 70 RGZ 31, 33 (s. o. 2. Abschn., Fn. 56); Literatur (s. o. 1. Abschn. Fn. 57).

C. Organschaftliche Geschäftsführung

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wurde aber unter dem HGB bald allgemein aufgegeben. Der Verstoß gegen die gesetzliche Systematik blieb unbemerkt 71 • Heute ist die Ansicht gewohnheitsrechtlieh verfestigt, daß eine stille Gesellschaft in dieser Weise atypisch ausgestaltet werden kann. Folgerichtig können dem stillen Gesellschafter auch nur aus wichtigem Grund widerrufliche Vollmachten erteilt werden. Nach verbreiteter Ansicht in der Literatur schließt das sogar ein Eigenrecht auf die Erteilung einer Prokura ein 72. Darin zeigt sich, daß auch der geschäftsführungsbefugte stille Gesellschafter als Träger des Unternehmens angesehen wird, dessen Rechtsstellung der eines Prinzipals entspricht, so daß § 52 HGB keine Anwendung findet. Wie beim Kommanditisten gilt, daß die einem stillen Gesellschafter erteilte Handlungsvollmacht oder Prokura vom Geschäftsinhaber (Geschäftsführer) mit Außenwirkung jederzeit widerrufen werden kann. Bei Fehlen eines wichtigen Grundes hat der stille Gesellschafter einen Anspruch auf Neuerteilung der Vollmacht. Der Grundsatz, daß dem stillen Gesellschafter im Unterschied zum Kommanditisten keine organschaftliehe Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt werden kann, hat also nach dem heutigen Stand der Meinungen keine praktischen Auswirkungen 73. Der stille Gesellschafter kann durch Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen weitgehend in den Gesellschafterverband mit einbezogen werden. Daraus ist zu folgern, daß er auch einer gesellschaftlichen Treuepflicht unterliegt. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet er darüberhinaus in einer Kommanditgesellschaft mit seiner Einlage den Gläubigem 74. In der Literatur deutet sich eine Tendenz an, diese Eigenkapitalhaftung auf alle verwaltungsmäßig atypischen stille Gesellschaften auszudehnen, was aber im einzelnen noch klärungsbedürftig ist7 5 • Zu einer unbeschränkten Haftung kann es wie beim Kommanditisten nur kommen, wenn weitere Umstände hinzutreten (z. B. Täuschung des Rechtsverkehrs, Rechtsrnißbrauch) 76. Die aus der Einbindung in den Gesellschafterverband folgende Treuepflicht und die beschränkte Haftung mit der Einlage rechtfertigen es letztlich auch, dem stillen Gesellschafter wie einem Kommanditisten eigene Geschäftsführungsrechte zuzugestehen. Das Prinzip der Selbstorganschaft steht insoweit nicht entgegen. Allerdings können die Befugnisse des stillen Gesellschafters, der sich an einem Einzelhandelsgeschäft oder einer Personenhandelsgesellschaft beteiligt, natürlich auch nicht weiter gehen als die des Kommanditisten. Das Haftungsinteresse des 71

168).

Vgl. RGZ 142, 14 (s. o. 2. Abschn., Fn. 170); Literatur (s. o. 2. Abschn., Fn. 167,

s. o. 4. Abschn., Fn. 139. Anders Schlegelberger-Schrnidt, HGB, § 335 (230), Rd.-Zf. 71 (s. o. 4. Abschn. bei Fn. 137). 74 BGH NJW, 1985, 1079 (s. o. 3. Abschn. bei Fn. 34). 75 Vgl. oben 4. Abschn., Fn. 188. 76 s. o. unter a). 72 73

128

5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

Geschäftsinhabers oder des persönlich haftenden Vertretungsorgans muß gewahrt bleiben. Die Gestaltungspraxis sollte hier besondere Zurückhaltung üben; die Bindung an das Unternehmen ist beim stillen Gesellschafter nicht so eng wie beim Kommanditisten, der im Innen- und Außenverhältnis GesellschaftersteIlung hat. Ähnliche Grundsätze müssen gelten hinsichtlich der Geschäftsführungsbefugnisse von anderen an einer Gesellschaft mittelbar beteiligten Personen, ohne daß hierauf näher eingegangen werden soll 77. Eigene Geschäftsführungsrechte sind jedenfalls nur gerechtfertigt, wenn ein Nichtgesellschafter über seine mittelbare Beteiligung wirtschaftlich am unternehmerischen Risiko teilhat und damit in den Gesellschafterverband einbezogen ist.

3. Beirat mit Geschäftsführungsaufgaben Die Grenzen der Einflußnahme von Nichtgesellschaftern auf die Geschäftsführung von Personengesellschaften erörtert die Literatur häufig im Rahmen der Beiratsproblematik 78. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung dem Gedanken der Selbstorganschaft in diesem Zusammenhang zukommt. Das Prinzip der Selbstorganschaft bezieht sich nur auf die Geschäftsführung und Vertretung von Personengesellschaften und steht deshalb nicht etwa ganz allgemein einer Mitwirkung von Nichtgesellschaftern in freiwilligen Gesellschaftsorganen entgegen. Die heute grundsätzlich unbestrittene Zulässigkeit einer solchen Mitwirkung bedeutet demnach auch keine Aufgabe des Prinzips der Selbstorganschaft 79 • So ist etwa die Besetzung von beratenden oder überwachenden Beiräten mit Nichtgesellschaftern unbedenklich. Das Prinzip der Selbstorganschaft steht aber auch der umfassenden Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen auf Nichtgesellschafter nicht entgegen. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, daß es die Besetzung von Beiräten mit Nichtgesellschaftern grundsätzlich verbietet, wenn einem solchen Beirat Geschäftsführungsaufgaben zustehen. Ein Verbot der Mitgliedschaft von Nichtgesellschaftern in geschäftsführenden Beiräten läßt sich nach dem heutigen Stand der Diskussion nicht rechtfertigen 80. Nach allgemeinen Grundsätzen kann unbeteiligten Nichtgesellschaftern allerdings kein Eigenrecht auf einen Sitz im Beirat zustehen. Sie leiten ihre Rechte aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag und nicht aus dem Gesellschaftsvertrag 77 Vgl. BGHZ 10,44 (s. o. 3. Abschn. bei Fn. 35); zur Haftung mittelbar Beteiligter s. o. 4. Abschn., Fn. 186 und 189. 78 Zum Meinungsstand s. o. 4. Abschn. C. I. 2. b) cc). 79 So aber Bälz, ZGR, 1980, 1,50. 80 Anders Ulmer, GK zum HGB, § 109, Rd.-Zf. 55 (s. o. 4. Abschn. bei Fn. 146).

C. Organschaftliche Geschäftsführung

129

her. Die Gesellschaftergesamtheit ist nach zutreffender ganz herrschender Meinung 81 in der Lage, sie jederzeit abzuberufen. Das Gegenteil läßt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.2.1960, das die Übertragung eines Stimm- und Widerspruchsrechts auf einen Wirtschaftsberater betraf, herleiten 82 • Der Wirtschaftsberater klagte lediglich auf Fortzahlung seiner Bezüge. Diesem Anspruch gab der Bundesgerichtshof statt, weil die Abberufung nicht durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt war. Davon zu trennen ist ein Anspruch auf Mitwirkung bei der Willensbildung 83 • Ein solcher Anspruch konnte und sollte dem Wirtschafts berater nicht zustehen. Auch eine Relativierung des Abspaltungsverbots in dem Sinne, daß eigene Mitverwaltungsrechte Nichtgesellschaftern zwar nicht im Wege der Abtretung, aber durch Neubegründung im Gesellschaftsvertrag übertragen werden können 84, läßt sich diesem Urteil deshalb nicht entnehmen 85 • Die Gesellschaftergesamtheit war jederzeit in der Lage, ohne den Dritten zu handeln. Ein Recht auf die Einschaltung des Beirates und auf Mitwirkung im Beirat haben grundsätzlich also nur die Gesellschafter. Allerdings können wohl auch für mittelbar beteiligte Nichtgesellschafter solche Rechte in Betracht kommen 86. Aus dem Personengesellschaftsrecht lassen sich nur mit Vorsicht Schranken für die Bindung eines Geschäftsführers an Weisungen eines Beirates, der ganz oder teilweise mit Nicht-Gesellschaftern besetzt ist, ableiten. Für die Personenhandelsgesellschaften sind aber aus dem Umstand, daß den persönlich haftenden Gesellschaftern zwingend die organschaftliche Vertretung vorbehalten ist, auch insoweit die äußersten Grenzen einer solchen Weisungsbindung vorgezeichnet. Unproblematisch erscheinen umfangreiche Weisungsbefugnisse von Beiräten, die mehrheitlich mit persönlich haftenden Gesellschaftern besetzt sind. Bei mehrheitlich mit nur beschränkt haftenden oder nicht haftenden Personen besetzten Beiräten, darf es dagegen eine Weisungsbindung jedenfalls bei solchen Geschäften nicht geben, aus denen eine persönliche Haftung des Geschäftsführungsorgans entstehen kann. Das sollte, wie oben ausgeführt (v gl. 2.a.), für alle Geschäfte gelten, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gemäß § 116 Abs. 2 HGB hinausgehen. Offen ist, ob noch weitergehende Einschränkungen bei der Beteiligung von Beiräten an der Geschäftsführung zu beachten sind. In der Rechtsprechung sind dafür bisher keine Anhaltspunkte erkennbar. Insbesondere hat der rechtsformVgl. oben 4. Abschn., Fn. 143; zur Gegenmeinung: Fn. 142. BGH JZ, 1960,490 (s. o. 3. Abschn. bei Fn. 37). 83 V gl. dazu auch oben unter 1. a). 84 So die Befürworter einer Drittorganschaft s. o. 4. Abschn. B. V. 1. 85 Allerdings ist das Urteil in der Begründung irreführend; der Bundesgerichtshof trennt dort nicht genügend zwischen dem Recht auf Mitwirkung und dem Anspruch auf das Entgelt. 86 BGHZ 10, 44 (s. o. 3. Abschn. bei Fn. 36). 81

82

9 Werr.

130

5. Abschn.: Folgerungen aus der Diskussion

übergreifende Grundsatz der Verbandssouveranität, aus dem ein Teil der Literatur weitreichende Folgerungen ableitet 87, noch keine Bestätigung erfahren. Eine eingehende Auseinandersetzung damit ist an dieser Stelle nicht möglich. Diese Überlegungen erscheinen aber soweit sie eine Beteiligung von Nichtgesellschaftern im Beirat generell ablehnen oder darauf abstellen, auf wessen "Betreiben" die Bestellung des Nichtgesellschafters zum Beiratsmitglied erfolgt ist, als schwer begründbar und kaum praktikabel. Für die Gestaltungspraxis ist dagegen von Bedeutung, daß nach einer verbreiteten Meinung in der Literatur dem Beirat kein Recht zu allgemeinen, globalen Weisungen zustehen darf, wenn er mehrheitlich mit Nichtgesellschaftern besetzt ist 88 • Es bleibt aber abzuwarten, ob sich diese Ansicht durchsetzen wird. Keine Bedenken bestehen jedenfalls, wenn einem Beirat bei bestimmten Geschäften Weisungs- oder Zustimmungsrechte eingeräumt werden. Sind die Befugnisse eines Beirates in dieser Weise beschränkt, können nach dem heutigen Stand der Diskussion keine Probleme entstehen.

D. Die Geschäftsführungsregelung der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung Abschließend soll ein Blick der ersten europäischen Gesellschaftsform der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) gelten. Sie steht einer Personengesellschaft nationalen Rechts nahe; deshalb ist die Zulässigkeit einer Drittorganschaft bemerkenswert 89 • Seit dem 1.7.1989 kann aufgrund der EG-Verordnung Nr. 2137/85 90 eine Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung in der Bundesrepublik Deutschland gegründet werden. Sie dient der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Unternehmen und Angehörigen der freien Berufe in der EG. Gemäß § 1 EWIV-AusfG gilt die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung mit Sitz in der Bundesrepublik als Handelsgesellschaft im Sinne von § 6 HGB. Auf sie findet das Recht der OHG Anwendung, soweit nichts Besonderes bestimmt ist. Gründungsvoraussetzungen sind die Beteiligung von mindestens zwei unternehmerisch oder freiberuflich tätigen Gesellschaftern mit Haupttätigkeit oder Hauptverwaltung in mehr als einem Mitgliedstaat der EG, ein auf Unterstützung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Mitglieder gerichteter Zweck ohne eigene

o. 4. Abschn. C. I. 2. b) cc). 4. Abschn., Fn. 145, Fn. 154. 89 Überblick bei Scriba, Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, Diss. Münster 1987; dort zur Geschäftsführungsregelung S. 140 ff., 147 ff. 90 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 199/1 und des hierzu ergangenen Ausführungsgesetzes vom 14.4.1988 (= BGBI I 1988,514). 87 S.

88 S. O.

D. Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung

131

Gewinnerzielungsabsicht und die Eintragung im Handelsregister (Art. 3,4 EWIVVO). Die Mitglieder der Vereinigung haften gemäß Art. 24 EWIV-VO unbeschränkt und gesamtschuldnerisch, allerdings nur subsidiär für deren Verbindlichkeiten. Von einer OHG unterscheidet sich die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung außer durch die engere Zweckbestimmung u. a. dadurch, daß Drittgeschäftsführung unter Verzicht auf den Grundsatz der Selbstorganschaft zugelassen ist (Art. 16, 19, 20 EWIV-VO; § 7 EWIV-AusfG). Die Geschäftsführer vertreten die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung gegenüber Dritten unbeschränkt, es sei denn, die Vereinigung beweist, daß den Dritten bekannt war oder bekannt sein mußte, daß die Handlung die Grenzen des Unternehmensgegenstandes überschritt (Art. 20 EWIV -VO). Die Bestellung zum Geschäftsführer ist jederzeit widerruflich, wenn nicht der Gründungsvertrag oder ein einstimmiger Beschluß der Mitglieder etwas anderes bestimmt (Art. 19 Abs. 3 EWIV-VO, § 7 EWIV -AusfG). Während auf die Gesellschaft ansonsten in weitem Umfang das Recht der OHG Anwendung findet, ist die Geschäftsführung also ähnlich wie bei der GmbH geregelt. In der Literatur wird bereits die Frage aufgeworfen, ob in Analogie zu der Regelung dieser neuen Rechtsform künftig die Selbstorganschaft bei den Personengesellschaften ganz aufgegeben werden kann 91. Wie gesehen, steht aber bei den Personenhandelsgesellschaften der Übertragung der organschaftlichen Vertretung auf Personen, die nicht unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden haften, zwingendes Gesetzesrecht entgegen 92. Für eine Analogie ist daher kein Raum. Zu beachten ist auch die enge Zweckbindung bei der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung im Vergleich zu Personenhandelsgesellschaften, die das Risiko für den Rechtsverkehr und die Mitglieder durch Drittorganschaft begrenzt. Auch der Gesetzgeber sollte daher von einer einfachen Übertragung dieser Regelungen auf die Personenhandelsgesellschaften angesichts der Schutzfunktion des Prinzips der Selbstorganschaft absehen. Kein Zweifel dürfte im übrigen bestehen, daß bei der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung der Geschäftsführer bei einstimmigem Beschluß aller Gesellschafter selbst dann jederzeit abberufbar ist, wenn der Gesellschaftsvertrag die Abberufung von einem wichtigen Grund abhängig macht. Angesichts ihrer persönlichen unbeschränkten Haftung müssen die Mitglieder jederzeit frei sein, sich von dem Geschäftsführer zu trennen, der in der Lage ist, sie unbeschränkt zu verpflichten.

91 92

9*

So Weimar / Delp, WPg 1989, 89, 93. Vgl. unter B.

6. Abschnitt

Schluß Das Prinzip der Selbstorganschaft bildet für die organschaftliche Vertretung von Personenhandelsgesellschaften eine feste Schranke der Gestaltungsfreiheit. Sie kann nur persönlich haftenden Gesellschaftern zustehen. Ansonsten läßt sich die Geschäftsführungsorganisation bei den Personengesellschaften weitgehend abweichend von der gesetzlichen Regelung ausgestalten, ohne daß das Prinzip der Selbstorganschaft entgegenstünde. Die Ausübung der Geschäftsführung kann in vollem Umfang Kommanditisten und Nichtgesellschaftern überlassen werden. Kommanditisten und mittelbar an der Gesellschaft beteiligte Nichtgesellschafter, wie z. B. stillen Gesellschaftern, können sogar Eigenrechte auf die Geschäftsführung einschließlich rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht eingeräumt werden. Dagegen haben nach der hier vertretenen Meinung unbeteiligte Nichtgesellschafter, die aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrags tätig werden, schon nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts kein eigenes Recht auf die Geschäftsführung und Vertretung. Es dürfen insoweit nicht solche Personen aus eigenem Recht maßgeblichen Einfluß auf eine Personengesellschaft ausüben, die selbst das Unternehmen nicht tragen und in ihm nicht wenigstens mit Beteiligungsvermögen haften. Die Gestaltungspraxis muß deshalb darauf achten, daß der Einfluß auf die Geschäftsführung und die Risikotragung nicht vollständig auseinanderfallen. Darüber hinaus ist den Haftungsinteressen von persönlich haftenden Gesellschaftern, denen bei den Personenhandelsgesellschaften die organschaftliche Vertretung vorbehalten ist, Rechnung zu tragen. Sie dürfen nicht in solchen Angelegenheiten in eine Abhängigkeit zu nur beschränkt oder nicht haftenden Personen geraten, in denen sie Gefahr laufen, aus ihrer persönlichen Haftung in Anspruch genommen zu werden. Werden hier extreme Gestaltungen vermieden, die das persönlich haftende Vertretungsorgan zum reinen Weisungsempfänger degradieren, ergeben sich aus den Wertungen des Prinzips der Selbstorganschaft aber keine Probleme. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit bedürfen insoweit jedoch noch einer näheren Klärung durch die Rechtsprechung. Letztlich sind immer die Umstände des Einzelfalles ausschlaggebend. Diese Rechtsunsicherheit in Randbereichen ist angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse unvermeidlich.

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