Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V [1 ed.] 9783428488223, 9783428088225

Die schweizerische Eidgenossenschaft sah sich um 1500 tiefgreifenden Wandlungen ihrer Außenbeziehungen gegenüber. Diese

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Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V [1 ed.]
 9783428488223, 9783428088225

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Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 53

Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V.

Von

Bettina Braun

Duncker & Humblot · Berlin

BETTINA BRAUN

Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V.

Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 53

Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V.

Von Bettina Braun

Duncker & Humblot • Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Braun, Bettina: Die Eidgenossen, das Reich und das politische System Karls V. / von Bettina Braun. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zur Verfassungsgeschichte ; Bd. 53) Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08822-0

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 3-428-08822-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©

Für Wolfgang

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1995 von der Philosophischen Fakultät der Universität Konstanz als Dissertation angenommen. Für den Druck habe ich sie überarbeitet und die bis Ende 1996 erschienene Literatur berücksichtigt. Herr Prof. Dr. Alexander Patschovsky hat dankenswerterweise die Arbeit begutachtet. Herrn Prof. Dr. Johannes Kunisch bin ich für die Empfehlung und dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme meiner Dissertation in die "Schriften zur Verfassungsgeschichte" zu Dank verpflichtet. Der Druck der Dissertation wurde großzügig gefördert durch einen Zuschuß des Trächsel-Fonds des Kantons Bern. Wenn ich in den Jahren der Arbeit an meiner Dissertation nicht mehr als notwendig zu einem a-sozialen Wesen wurde, so verdanke ich dies den Menschen in meiner Umgebung und der Tatsache, daß ich diese Arbeit unter optimalen äußeren Bedingungen schreiben konnte. Diese Bedingungen hat nicht zuletzt mein Doktorvater, Prof. Dr. Dr. Horst Rabe, geschaffen. Ganz zu Beginn meines Studiums hat er mich für die Geschichte zunächst der Reformationsepoche, dann der Frühen Neuzeit allgemein, begeistert. In über zehn Jahren an seinem Lehrstuhl hat er mich stets gefördert und gefordert. Seine ständige Gesprächsbereitschaft, der unablässige - wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche - Austausch an seinem Lehrstuhl und im Kreise seiner Mitarbeiter und Schüler haben nicht nur wesentlich zum Gelingen dieser Studie beigetragen, sie haben auch je länger desto mehr ein Stück Heimat geboten. Manches Stück aus der politischen Korrespondenz Karls V. wäre mir verschlossen geblieben, hätte mir nicht Frau Dr. Heide Stratenwerth immer wieder mit ihrer paläographischen Kenntnis und Erfahrung, die auch noch offensichtlich unleserlichen Konzepten einen Sinn zu geben vermag, unschätzbare Hilfe geleistet. Frau Dr. Christine Roll hat das Entstehen der Arbeit über die Jahre hinweg begleitet. Ihre ständigen Fragen nach Einzelheiten wie nach den größeren Zusammenhängen haben mir geholfen, über manches Problem Klarheit zu

Vorwort

6

gewinnen. Ihr und Frau Dr. Sabine von Heusinger danke ich, daß sie große Teile der Arbeit Korrektur gelesen haben. Herr Prof. Dr. Frank Göttmann hat es in den gut zwei Jahren, die ich inzwischen an seinem Lehrstuhl an der Universität - Gesamthochschule - Paderborn arbeite, stets akzeptiert, daß ich mich immer noch nicht endgültig von der Geschichte der Eidgenossenschaft ab- und derjenigen Westfalens zugewandt hatte. Für seine schier unendliche Geduld und Großzügigkeit möchte ich ihm herzlich danken. Da die Arbeit zu weiten Teilen auf ungedruckten Quellen beruht, war ich in hohem Maße auf das freundliche Entgegenkommen und die unbürokratische Hilfe der Mitarbeiter in den von mir aufgesuchten Archiven angewiesen. Beides ist mir reichlich zuteil geworden. Frau Prof. Dr. Christiane Thomas vom HHStA Wien danke ich besonders für den Hinweis auf Bestände, in denen ich sicherlich keine "Helvetica" vermutet hätte. Zunächst ein Stipendium der Graduiertenförderung des Landes BadenWürttemberg, dann eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem von der VW-Stiftung geförderten Projekt "Strukturen und Strukturwandlungen der Reichsverfassung im 16. Jahrhundert" unter der Leitung von Prof. Horst Rabe ermöglichten mir ein von finanziellen Sorgen unbelastetes Arbeiten. Danken möchte ich auch meinen Eltern, die, als ich nach einem nicht eben kurzen Studium den Wunsch äußerte zu promovieren, mir auch noch die Promotion wie selbstverständlich finanzierten. Mein Mann hat mit mir nicht nur einzelne Fragen und ganze Kapitel stets von neuem durchdiskutiert und mich durch seine stupende Kenntnis der oberdeutsch-schweizerischen Geschichte der Reformationsepoche vor mancher zu einfachen Erklärung bewahrt - sondern er hat mich jahrelang regelrecht "mit den Eidgenossen geteilt". Der Teil, der dabei für ihn abfiel, war über weite Strecken viel zu gering, der der Eidgenossen schier übermächtig. Manchmal dachte er, die Arbeit würde überhaupt kein Ende nehmen. Ihm ist diese Arbeit gewidmet. Mainz/Paderborn, im Juni 1997

Bettina Braun

Inhalt Einleitung und Forschungsttberblick

11 Teil 1

Die Eidgenossenschaft und das Reich

24

A. Reichsreform und Schwabenkrieg: Die faktische Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom Reich?

24

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V

38

C. Das Reich als Legitimationsbasis für die Eidgenossenschaft: Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen I. Die Eidgenossenschaft als Bund reichsunmittelbarer Städte und Länder . II. Die Frage der Privilegienbestätigungen unter Friedrich m. und Maximilian 1 m. Die Privilegienbestätigungen durch Karl V. und Ferdinand 1 D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik I. Die Eidgenossen und der Reichstag 1. Die Eidgenossen auf den Tagen des 15. Jahrhunderts 2. Die Eidgenossen und die Reichstage unter Karl V II. Die Einbeziehung der Eidgenossenschaft in die Kreisverfassung des Reichs m. Die eidgenössischen Städte und der Städtetag E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs I. Die Eidgenossen und die Finanzierung der Reichsverteidigung im 15. Jahrhundert II. Die Beteiligung der Eidgenossen an den finanziellen Lasten des Reichs zur Zeit Karls V 1. Die Eidgenossen in der Reichsmatrikel 2. Die tatsächlichen Leistungen der Eidgenossen für das Reich a) Der Beitrag der Eidgenossen zum Romzug b) Der Beitrag der Eidgenossen zur Türkenhilfe

65 65 69 74 92 92 92 99 118 124 127 127 137 137 146 147 153

8

Inhalt c) Der Beitrag der Eidgenossen zum Unterhalt von Kammergericht und Reichsregiment

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

177 185

Teil 2 Die Eidgenossen und das politische System Karls V. A. Bündnisse und Einungen als Mittel zur Einbindung der Eidgenossenschaft.. I. Die Erbeinung 1. Die Erbeinung von 1511 und ihre Vorläufer: Die Bedingungen für das Entstehen der einzelnen Verträge 2. Der Wortlaut der Verträge a) Die einzelnen Vertragsbestimmungen als Spiegel der historischen Realität (1) Die zeitliche und räumliche Gültigkeit der Verträge (2) Vereinbarungen über gute Nachbarschaft (3) Hilfsverpflichtung b) Die Bemühungen um eine Erweiterung der Erbeinung zu Beginn der Regierungszeit Karls V c) Die Verträge der Eidgenossen mit Habsburg und mit Frankreich 3. Die Erbeinung und ihre Umsetzung in der Praxis a) Die Erbeinung als Bezugsrahmen der Politik b) Das Erbeinungsgeld II. Konfessionelle Sonderbünde 1. Die Christliche Vereinigung von 1529 a) Die Entstehung der Christlichen Vereinigung b) Die Christliche Vereinigung - der Wortlaut des Vertrages c) Die Christliche Vereinigung und der Erste Kappeler Krieg 2. Vom Ersten zum Zweiten Kappeler Landfrieden: Bündnispolitik ohne Bündnis 3. Das Ringen um ein Bündnis der katholischen Orte mit Kaiser und Papst 1532/33 B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft I. Die Gesandtschaften und Gesandten Karls in der Eidgenossenschaft 1. Die großen Gesandtschaften Karls zu Beginn der 20er Jahre 2. Diplomatie unter konfessionellen Vorzeichen: Von den Bündnisverhandlungen zur ständigen Gesandtschaft bei den katholischen Orten

204 205 206 206 232 233 233 241 247 252 265 276 276 290 311 311 313 326 332 341 364

389 392 392

405

Inhalt 3. Der Ausbau der ständigen Gesandtschaft und ihre Zuständigkeit für die ganze Eidgenossenschaft 4. Nach dem Ende der ständigen Gesandtschaft: Die Rückkehr zu ad-hoc-Lösungen 5. Die Wiedererrichtung einer ständigen Gesandtschaft: Die Dominanz mailändischer Interessen II. Die Gesandtschaften und Gesandten Ferdinands in der Eidgenossenschaft 1. Die Anfange der Regierung Ferdinands: Die Suche nach der geeigneten Form für die diplomatische Vertretung 2. Dr. Jakob Sturtzel als.ständiger Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft: Eine besondere Form der Diplomatie 3. Die Suche nach einem Nachfolger für Sturtzel: Die Anforderungen an einen ständigen Vertreter 4. Hans Melchior Heggentzer als ständiger Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft IE. Die Koordination der Aktivitäten Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft IV. Kundschafter und Spione: Die konspirative Seite des Gesandtschaftswesens

413 443 451 457 458 464 477 481 492 502

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

516

Zusammenfassung

537

Anhang I:

546

Die Bezahlung des Erbeinungsgeldes

Anhang II: Biographische Skizzen zu den wichtigsten Gesandten Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft

553

Quellen- und Literaturverzeichnis

567

Register

587

Abkürzungsverzeichnis AÖG

Archiv für Österreichische Geschichte

ASG

Archiv für Schweizerische Geschichte

EA

Amtliche Sammlung der ältern Eidgenössischen Abschiede

HBLS

Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz

HZ

Historische Zeitschrift

JSG

Jahrbuch für Schweizerische Geschichte

MIÖG

Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichte

MVG

Mitteilungen zur Vaterländischen Geschichte

QFRG

Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte

QSG

Quellen zur Schweizer Geschichte

RTA ÄR

Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe

RTA MR

Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe

RTA JR

Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe

SBAG

Schweizerische Beiträge zur allgemeinen Geschichte

SRQ

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen

SVGB

Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung

SVRG

Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte

SZG

Schweizer Zeitschrift für Geschichte

ZGO

Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins

ZHF

Zeitschrift für historische Forschung

ZSG

Zeitschrift für Schweizer Geschichte

Zwa

Zwingliana

ZWLG

Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte

Einleitung und Forschungsüberblick Die politische Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft in den ersten zwei Jahrhunderten ihres Bestehens ist in hohem Maße eine Geschichte ihres Verhältnisses zum Reich und zu Habsburg-Österreich. Die Wechselwirkungen dieser beiden für die Eidgenossenschaft zentralen Außenverhältnisse hat Karl Mommsen in seinem Buch "Eidgenossen, Kaiser und Reich" ausführlich beschrieben1. Mommsen arbeitet heraus, daß zu Zeiten, in denen die Habsburger das Reichsoberhaupt stellten, die Eidgenossen eher auf Distanz zum König gingen, was auf die Dauer nicht ohne Auswirkungen auf ihr Verhältnis zum Reich bleiben konnte. Bereits bei flüchtigem Hinsehen wird freilich deutlich, daß diese Grundkonstante auch über die von Mommsen behandelte Zeit hinaus - seine Darstellung endet im wesentlichen mit der Regierungszeit Kaiser Sigismunds - in der Regierungszeit Kaiser Friedrichs III. wirksam blieb. Die um 1500 sichtbar werdende zunehmende Distanzierung der Eidgenossen vom Reich scheint diesen Wirkungsmechanismus auch für die Regierungszeit Maximilians I. zu bestätigen. Dagegen haben sich die Verhältnisse hundert Jahre später grundlegend gewandelt. Um nur zwei Aspekte zu nennen: Das Verhältnis zu Frankreich ist für die Eidgenossenschaft mindestens ebenso wichtig wie das zu Österreich, und die katholischen Orte gehen mit dem Bündnis von 1587 eine enge Verbindung mit Spanien-Mailand ein. Das Reich scheint demgegenüber nur noch eine quantité négligeable zu sein. Dieser vorläufige Befund evoziert unweigerlich die Frage, wann und weshalb sich diese tiefgreifenden Änderungen im außenpolitischen Koordinatensystem der Eidgenossenschaft vollzogen haben. Für das Verhältnis zum Reich ist zu vermuten, daß die Wandlungen der Reichs Verfassung zwischen 1495 und 1555 nicht ohne Auswirkungen auf die Position der Eidgenossen im Reich geblieben sind. Das, was 1648 im Westfälischen Frieden fixiert wurde: zwar nicht die Souveränität der Eidgenossenschaft, aber doch ihre weitestgehende

1

Die neueste Darstellung zum Thema: Wilhelm Baum, Reichs- und Territorialgewalt (1273-1437). Königtum, Haus Österreich und Schweizer Eidgenossen im späten Mittelalter, Wien 1994, kommt zu keinen über Mommsen hinausgehenden Ergebnissen.

12

Einleitung und Forschungsüberblick

Unabhängigkeit2, dürfte mithin die Folge eines Prozesses der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gewesen sein. Für das Verhältnis zu Habsburg wiederum markieren sicherlich die Daten 1499 und 1511 wichtige Abschnitte: Der Basler Frieden von 1499 steht für die endgültige Etablierung des Rheins als Grenze, d.h. die Fixierung des Territorialbestandes beider Seiten3. Er beendete damit die lange Reihe kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich, in deren Verlauf sich die Eidgenossenschaft nicht zuletzt auf Kosten Österreichs konsolidiert hatte. Die Erbeinung von 1511 zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich-Burgund wiederum stellte das Verhältnis zwischen den Nachbarn dann endgültig auf eine neue, in die Zukunft weisende Grundlage. Freilich konnten erst die kommenden Jahre und Jahrzehnte zeigen, ob diese Grundlage tragfähig sein würde. Für das Verhältnis zum Reich wie zu Habsburg sind die entscheidenden Weichenstellungen demnach in der Spätzeit Maximilians I. und vor allem in der Regierungszeit Karls V. zu vermuten. Die Regierungszeit Karls ragt aber noch aus einem anderen Grund heraus: Die Länder, die Karl in seiner Hand vereinigte, umgaben die Eidgenossenschaft fast völlig 4 . Venedig einmal außer acht gelassen, war Frankreich - zunächst in Mailand, ab 1536 in Savoyen - der einzige Nachbar von Gewicht, gleichzeitig der Konkurrent Karls V. im Kampf um die Hegemonie in Europa. Diese außergewöhnliche Konstellation könnte für die vorher genannten Änderungsprozesse eine Katalysatorfunktion gehabt haben.

2

Selbst der Westfälische Frieden schnitt freilich noch nicht alle Verbindungen der Eidgenossenschaft zum Reich ab, da er eben keine Souveränitätserklärung, sondern lediglich eine Exemtion enthielt. So bereits Gauss 1948: "Nach 1648 bestand die Streitfrage über das staatsrechtliche Verhältnis der Schweiz zum Reich weiterhin fort." (Gauss, Mission Wettsteins, S. 186); ebenso: V. Press , Kriege und Krisen, Deutschland 1600-1715, München 1991: "Sie (die Eidgenossenschaft, B.B.) erreichte - entgegen verbreiteter Meinung - ihre Souveränität de jure noch nicht, aber blieb von allen Pflichten und Lasten gegenüber dem Reich befreit, auch dies eine offene Formel, die dennoch der bereits praktisch vollzogenen Ablösung weiter Vorschub leistete" (S. 259). 3

Die Aufnahme von Basel und Schaffhausen in die Eidgenossenschaft 1501 brachte diesbezüglich die letzten Klärungen. 4

Die österreichischen Erblande, die Karl 1522 an seinen Bruder Ferdinand abtrat, waren weiterhin Teil des politischen Systems, mit dem der Kaiser die einheitliche Gesamtleitung dieses einzigartigen Imperiums sicherzustellen trachtete, und werden deshalb hier mitgerechnet.

Einleitung und Forschungsüberblick Diese vielfältig miteinander verflochtenen Wandlungsprozesse werden zum Zwecke der Analyse in die beiden Themenkomplexe Verhältnis zum Reich und Einbindung der Eidgenossen in das politische System Karls V. getrennt. Auch die bisherige Forschung zu den beiden Themen - soweit überhaupt vorhanden steht unverbunden nebeneinander und muß von daher getrennt betrachtet werden. Die modernen politischen Grenzziehungen haben eine vorbehaltlose Untersuchung der Reichszugehörigkeit der Eidgenossenschaft erschwert. In der Schweiz war lange Zeit das Bemühen deutlich spürbar, die staatliche Eigenständigkeit möglichst früh anzusetzen und sich so von dem übermächtigen Nachbarn im Norden abzugrenzen. Zwar gehören die Versuche nachzuweisen, daß die drei Urkantone von jeher frei und keinem Herrn, also vor allem nicht dem Reich, unterworfen gewesen seien, längst der Vergangenheit an - daß die Eidgenossenschaft im Mittelalter selbstverständlich Teil des Reichs war und die einzelnen Orte ihre Freiheiten gerade auf die kaiserlichen Privilegien zurückführten, ist seit langem communis opinio der Forschung. Aber wenigstens im Basler Frieden 1499 wollte man dann doch einen großen Schritt in Richtung Unabhängigkeit sehen. Es ist das große Verdienst Hans Sigrists, in seinem Aufsatz "Reichsreform und Schwabenkrieg" den entscheidenden Impuls für eine Neubewertung des Schwabenkriegs und daraus folgend auch des Basler Friedens gegeben zu haben5, und dies unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, der in der Schweiz den Wunsch nach Abgrenzung noch einmal verstärkt hatte6. Sigrist wies nach, daß der Schwabenkrieg keineswegs ein Unabhängigkeitskrieg der Eidgenossenschaft gegen das Reich gewesen war, sondern eine regionale Auseinandersetzung zwischen den Eidgenossen und Habsburg, vertreten durch den Schwäbischen Bund7. Vertragspartner der Eidgenossen im Basler Frieden war demzufolge auch nicht Maximilian als König, sondern als Erzherzog von Österreich, weshalb der Basler Frieden auch keine Neuregelung des Verhältnisses der Eidgenossenschaft zum Reich enthielt. Wenngleich sich einige von Si-

5

In: SBAG 5 (1947), S. 114-141.

6

Siehe auch: H. Sigrist , Zur Interpretation des Basler Friedens von 1499, in: SBAG 7 (1949), S. 153-155. 7

Zur Entstehung des Konflikts zuletzt: H. Carl , Eidgenossen und Schwäbischer Bund - feindliche Nachbarn?, in: P. Rück (Hrg.), Die Eidgenossen und ihre Nachbarn im Deutschen Reich des Mittelalters, Marburg 1991, S. 215-265.

Einleitung und Forschungsüberblick

14

grists Kollegen mit dieser Interpretation anfangs recht schwer taten8, so hat sich diese Sichtweise mittlerweise doch allgemein durchgesetzt9. Aufgrund der Forschungen Sigrists erschien die Stellung der Eidgenossenschaft zum oder genauer: im Reich aber erst recht klärungsbedürftig, wollte man sich nicht einfach damit zufriedengeben, daß es sich bei der Reichszugehörigkeit der Eidgenossenschaft um eine überkommene Form handelte, die nur noch auf dem Papier stand - ohne praktische Bedeutung für die eidgenössische Politik. Solche Fragen waren freilich mit den Methoden einer traditionell verstandenen Verfassungsgeschichte, die sich - weil häufig von späteren Verfassungszuständen ausgehend - weitgehend auf die Analyse der rechtlich relevanten Texte beschränkte, nicht zu beantworten. Erstaunlicherweise regten die Thesen Sigrists die Schweizer Geschichtsschreibung jedoch nicht zu einer Untersuchung dieses Gegenstandes an. Wohl entstanden einige Aufsätze zum Thema 10 , aber sie blieben doch - bei allen richtigen Beobachtungen im einzelnen - ziemlich allgemein und kamen im Grunde zu dem Schluß, daß hier ein Forschungsdesiderat vorliege, daß nämlich eine detaillierte, aus den Quellen gearbeitete Darstellung des Prozesses der Entfernung der Eidgenossenschaft vom Reich bislang fehle. Immerhin zeigt René Hauswirth in seinem Aufsatz "Zur Realität des Reiches in der Eidgenossenschaft im Zeitalter der Glaubenskämpfe" von 1970 für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts einige Elemente dieser Entwicklung auf. Er geht für die Eidgenossenschaft von einem länger andauernden Prozeß der "Trennung von der Verfassungsentwicklung des Reichs" aus 11 und untersucht jene Wandlungen des Reichs und der Eidgenossenschaft, die für diesen Prozeß verantwortlich waren. Dabei differenziert er zwischen dem Verhältnis der Eidgenossen zum Kaiser und zum Reich, eine Unterscheidung, deren Bedeutung bereits Mommsen für das Mittelalter herausgearbeitet hatte. Hauswirths Quintessenz "Soweit das Heilige Römische Reich Deutscher Nation mehr sein wollte als ein Substrat der Legitimität - wenn es als ein System der politischen Wil8

F. Gallati, Die formelle Exemtion der Schweiz vom Deutschen Reich im Westfälischen Frieden, in: ZSG 28 (1948), S. 453-478, hier S. 455. 9

Siehe stellvertretend für andere: Handbuch 1, S. 347f.

10

Hauswirth, Zur Realität des Reiches; Mohnhaupt, Das Verhältnis des "Corpus Helveticum"; J. Gauss, Etappen zur Ablösung der reformierten Schweiz vom Reich, in: Zwa 18/Heft 3 (1990/1), S. 234-255. 11

Hauswirth, Zur Realität des Reiches, S. 153.

Einleitung und Forschungsüberblick lensbildung, der Äußerung und Durchsetzung politischer Ordnungsvorstellungen und Interessen zu wirken hatte, so verlor es gegenüber und in der Eidgenossenschaft jede Verbindlichkeit, die über die Usanzen der internationalen Diplomatie und des Völkerrechts hinausgingen"12 ist im Grunde nichts anderes als die Erkenntnis, daß die Eidgenossenschaft zwar das Reich als Legitimationsbasis nach wie vor benötigte, sich aber den um 1500 neu geschaffenen Institutionen nicht unterwerfen wollte. Hinter dem Aufsatz von Hauswirth bleibt die zuletzt erschienene Darstellung zum Thema, der posthum herausgegebene Aufsatz von Julia Gauss "Etappen zur Ablösung der reformierten Schweiz vom Reich" 13 doch weit zurück. Gauss schildert die Jahre vom Schmalkaldischen Krieg bis zum Augsburger Religionsfrieden und betont die konfessionelle Differenz als entscheidendes Moment für die Entfernung der Eidgenossenschaft vom Reich. Dieser Ansatz kann zumindest in dieser Ausschließlichkeit nicht überzeugen: Zum einen ist er schwer mit der Tatsache in Einklang zu bringen, daß die Verbindungen der evangelischen Städte ins Reich länger anhielten und enger waren als die der katholischen Orte. Zum anderen differenziert Gauss nicht zwischen Kaiser und Reich. Dem Anspruch nach gilt ihre Untersuchung dem Verhältnis zum Reich, sie behandelt aber fast ausschließlich das Verhältnis zu Karl V. Gerade der Aufsatz von Gauss macht deutlich, daß die Ergebnisse einer solchen Untersuchung nicht zuletzt davon abhängen, welche Vorstellung vom Reich der Analyse zugrunde liegt. Das Bild des Reichs im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit war in den letzten Jahrzehnten einem starken Wandel unterworfen. Dabei bot die traditionelle, noch stark dem anstaltsstaatlichen Modell verpflichtete Verfassungsgeschichtsschreibung, die von dieser Voraussetzung her auch Grenzen eher betonte, wenig Ansätze zu einer Neubewertung des Verhältnisses der Eidgenossenschaft zum Reich. Innerhalb dieses Modells gab es nämlich keinen Platz für nicht eindeutige Verhältnisse, danach konnte es zugespitzt formuliert - nur "Reich" oder "Ausland" geben. Der Begriff der defacto-Unabhängigkeit, mit dem das Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reich zwischen 1499 und 1648 vielfach beschrieben wurde 14 , ist somit auch eine Reaktion auf dieses Reichsmodell. Dagegen entwickelte die deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung der letzten Jahrzehnte und vor allem Peter 12

Hauswirth, Zur Realität des Reiches, S. 160f.

13

In: Zwa 18/Heft 3 (1990/91), S. 234-255.

14

Hauswirth , Zur Realität des Reiches, S. 152.

Einleitung und Forschungsüberblick

16

Moraw ein neues Verständnis von der Territorialstruktur des Reichs15. Dieses Modell, zunächst entwickelt, um die unterschiedliche Intensität königlicher Herrschaft zu erklären, arbeitet vor allem mit dem Begriff der Verdichtung von Herrschaft, wobei gerade die räumliche Verdichtung eine zentrale Rolle spielt. Diese Vorstellung wird dem Reich insoweit wesentlich besser gerecht, als hier Abstufungen möglich sind. Moraw diente dieses Modell zunächst dazu, die räumliche Binnenstruktur des Reichs adäquat zu beschreiben. Es bietet aber auch die Möglichkeit, die Teilhabe der peripheren Regionen am Reich in ihrer vermutlich unterschiedlichen Intensität zu erfassen, ohne diese Regionen von vornherein an der Meßlatte einer abstrakten Reichszugehörigkeit zu messen und dann entweder in das Reich "einzugliedern" oder "auszusondern". Denkbar sind damit nicht nur Abstufungen in der Intensität königlicher Herrschaft, sondern auch - und das ist keineswegs mit dem ersteren gleichbedeutend - Abstufungen in der Zugehörigkeit zum Reich oder vielleicht besser: der Teilnahme am Reich als politischem System und Handlungszusammenhang. Freilich wurde diese Chance bisher kaum genutzt16. Lediglich Moraw selbst hat einen kurzen Aufsatz mit dem Titel "Reich, König und Eidgenossen im späten Mittelalter" vorgelegt, der für das Mittelalter die groben Entwicklungslinien aufzeigt und damit andeutet, an welchen Punkten eine genaue Analyse ansetzen müßte 17 . Im übrigen ist in der deutschen Geschichtswissenschaft das Interesse für die Schweiz doch relativ gering. In der Schweiz hingegen werden diese Ansätze der neueren deutschen Verfassungsgeschichte offenbar kaum rezipiert - zumindest schlagen sie sich bisher nicht in entsprechenden Publikationen nieder -, obwohl sie doch gerade auch für die Erforschung der inneren 15

In ihrem programmatischen Aufsatz "Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit" (in: ZHF 2 (1975), S. 95-108), zählen Peter Moraw und Volker Press neben der Einbeziehung sozialgeschichtlicher Aspekte in die Geschichte der politischen Ordnungen ausdrücklich auch die Territorialstruktur des Reichs zu den bisher vernachlässigten Forschungsgebieten. 16

Eine Ausnahme bildet die - bei aller kartographisch notwendigen Vereinfachung - immerhin zwischen zwei Stufen von Reichszugehörigkeit differenzierende Karte in H. Rabe, Reich und Glaubensspaltung. Deutschland 1500-1600, München 1989, S. 514/15. Für die Niederlande hat Horst Rabe bereits 1971 die im Burgundischen Vertrag 1548 fixierte abgestufte Form der Reichszugehörigkeit ausführlich dargestellt, siehe vor allem Rabe, Reichsbund, S. 391-398. 17

In: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzem 4 (1986), S. 15-33.

Einleitung und Forschungsüberblick Struktur der Eidgenossenschaft mancherlei Ansatzpunkte böten 18 . Eine entsprechende Verfassungsgeschichtsschreibung für die Eidgenossenschaft fehlt fast völlig 19 . Zwar ist die Geschichte der Schweiz in der frühen Neuzeit im allgemeinen gut erforscht, aber eben unter ganz anderen Fragestellungen. Was die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts betrifft, so bestimmt die Reformationsgeschichte fast allein das Bild 2 0 , die politische Geschichte dieses Zeitraumes ist dagegen kaum präsent. Hinzu kommt, daß die Selbständigkeit der eidgenössischen Orte offensichtlich bis heute Untersuchungen erschwert, die eine vergleichende Analyse eines Problems in verschiedenen Orten erfordern. Die Frage der Reichszugehörigkeit der Eidgenossenschaft ist aber genau von solcher Qualität: 18

Zu denken wäre dabei z.B. an eine Untersuchung der Tagsatzung in der Art und Weise, wie dies Georg Schmidt für den Städtetag (Schmidt , Städtetag) oder Helmut Neuhaus für den Reichstag (Reichstag und Supplikationsausschuß (Schriften zur Verfassungsgeschichte 24), Berlin 1977; Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert. Reichstag - Reichskreistag - Reichsdeputationstag (Schriften zur Verfassungsgeschichte 33), Berlin 1982) getan haben (Ansätze dazu bei Mohnhaupt, Verhältnis des "Corpus Helveticum", S. 63f.). Vielversprechend erscheint auch eine Anwendung des Klientelkonzepts auf die Eidgenossenschaft, und zwar sowohl auf Personen wie auf Orte bezogen (hierzu erste Ansätze bei U. Pfister, Politischer Klientelismus in der frühneuzeitlichen Schweiz, in: SZG 42 (1992), S. 28-68, aber stark auf wirtschaftliche Fragen und auf das 17. und 18. Jahrhundert konzentriert). Untersuchungen über die Führungsschichten einzelner Orte gibt es z.T. seit langem (Jacob, Politische Führungsschicht; H. Füglister, Handwerksregiment. Untersuchungen und Materialien zur sozialen und politischen Struktur der Stadt Basel in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 143), Basel/Frankfurt a.M. 1981; K. Messmerf?. Hoppe, Luzerner Patriziat. Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Studien zur Entstehung und Entwicklung im 16. und 17. Jahrhundert (Luzerner historische Veröffentlichungen 5), Luzern/München 1976); eine entsprechende Untersuchung für Bern wäre dringend wünschenswert. Zu fragen wäre aber nach den Verbindungen zwischen den Orten und ihren führenden Gruppierungen, also nach der Existenz einer gesamteidgenössischen Führungsschicht. 19

Peyer, Verfassungsgeschichte, geht zwar durchaus von solchen Ansätzen aus, aber seine Darstellung beschränkt sich doch auf einen sehr knappen Überblick, der keinen Ersatz für Detailuntersuchungen bieten kann. 20

Diese Schwerpunktsetzung tritt z.B. deutlich in dem - anläßlich der 700-JahrFeier 1991 erschienenen - Band der Schweizer Zeitschrift für Geschichte mit Forschungsberichten verschiedener historischer Teildisziplinen zutage, der zwar einen Forschungsbericht zur Reformationsgeschichte enthält, aber keinen zur politischen Geschichte der frühen Neuzeit. Ein ähnliches Bild bietet sich bei einem Blick in die Inhaltsverzeichnisse der verschiedenen Handbücher zur Schweizer Geschichte. 2 Braun

Einleitung und Forschungsüberblick

18

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Orten sind zu berücksichtigen und herauszuarbeiten, ohne dabei die Gesamtperspektive zu vernachlässigen, zum einen, weil auch die Eidgenossen in solchen Fragen zumeist eine einheitliche Position für wünschenswert hielten, zum anderen, weil die Eidgenossenschaft von außen zunehmend als Einheit gesehen wurde. Ausführlicher behandelt wurde das Verhältnis der Eidgenossen zu ihren nördlichen Nachbarn an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit in den letzten Jahren lediglich von der Mentalitätsgeschichte. Zu nennen ist hier vor allem das schmale, aber wegweisende Buch von Helmut Maurer "Schweizer und Schwaben". Maurer zeigt auf, wie die beiden Volksgruppen sich im 15. Jahrhundert langsam ihrer Unterschiedlichkeit bewußt wurden - was immer wieder zu Schwierigkeiten im Umgang miteinander führte - und wie diese Konflikte mit zunehmender Schärfe ausgetragen wurden, bis sie sich im Schwabenkrieg entluden. Außerdem entstanden und entstehen in der Schweiz im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes einige Arbeiten zu mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen für die Zeit um 1500, so daß die Forschung sich hier momentan im Fluß befindet 21. Diese Arbeiten können den Blick für einen wichtigen Teilaspekt des Auseinanderlebens der Eidgenossen und der Reichsbewohner nördlich des Rheins abseits der "großen" Politik schärfen. Sobald auf diesem Gebiet gesicherte Ergebnisse vorliegen, wird selbstverständlich auch zu fragen sein, welche Auswirkungen die Ausbildung von Mentalitätsunterschieden auf das Verhältnis der Eidgenossen zum Reich hatte. Zunächst aber gilt es zu untersuchen, in welchem Ausmaß die Eidgenossen im 16. Jahrhundert überhaupt noch am Handlungszusammenhang Reich teilgenommen haben. Dies bedeutet eine Abkehr von der Untersuchung normativer Texte und d.h. der Fixierung auf 1499 und 1648. Dieser Ansatz folgt der Erkenntnis, daß die Analyse der entsprechenden Passagen des Basler bzw. des Westfälischen Friedens für die Frage nach der Reichszugehörigkeit der Eidgenossenschaft keine neuen Aufschlüsse mehr verspricht. Ausgehend von der 21

Siehe Maurer , Schweizer und Schwaben, S. 147. Einen Überblick über die aktuellen Tendenzen gibt C. Sieber-Lehmann , Ein neuer Blick auf allzu Vertrautes: Mentalitätsgeschichte in der deutschschweizerischen Geschichtsforschung, in: SZG 41 (1991), S. 38-51, sowie ders., "Teutsche Nation" und Eidgenossenschaft. Der Zusammenhang zwischen Türken- und Burgunderkriegen, in: HZ 253 (1991), S. 561-602. Zuletzt C. Sieber-Lehmann , Spätmittelalterlicher Nationalismus. Die Burgunderkriege am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft (Veröff. des Max-Planck-Instituts für Geschichte 116), Göttingen 1995.

Einleitung und Forschungsüberblick

19

Prämisse, daß eine über die bloße Legitimierung der eigenen Herrschaft hinausgehende Teilhabe am Reich im 16. Jahrhundert nicht mehr denkbar war ohne eine Beteiligung an den durch die Reichsreform neugeschaffenen Institutionen, wird die Beteiligung der Eidgenossen an diesen Institutionen im Vordergrund der Untersuchung stehen. Da die Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Eidgenossenschaft wie gesagt - die Geschichte ihres Verhältnisses zu Österreich einschließt, ist dieser Fragenkomplex für das Mittelalter recht gut aufgearbeitet. Auch die ersten Ansätze zur Zusammenarbeit der lange verfeindeten Nachbarn zur Zeit Herzog Sigmunds haben bereits vor längerem die Beachtung der Forschung gefunden 22. Den für die Eidgenossenschaft bei allen Rückschlägen im einzelnen insgesamt glanzvollen Jahren zwischen den Burgunderkriegen und der Schlacht von Marignano 1515 galt von jeher ein erhebliches Interesse23, befand sich die Eidgenossenschaft doch in diesen Jahren im Zenit ihrer außenpolitischen Bedeutung infolge ihrer beeindruckenden militärischen Erfolge. Freilich galten diese Untersuchungen mehr den einzelnen Ereignissen und Kriegszügen, als daß versucht worden wäre, die Kontinuitäten und Wandlungen eidgenössischer Außenbeziehungen herauszuarbeiten oder beispielsweise genauer nach der Position der Eidgenossenschaft im sich gerade in diesen Kriegen allmählich herauskristallisierenden europäischen Staatensystem zu fragen. Für die Jahre nach 1520, d.h. mit dem Einsetzen der reformatorischen Bewegung, versiegt die genuin politische Geschichtsschreibung der Eidgenossenschaft dann für Jahrzehnte fast völlig. Die Außenbeziehungen der Eidgenossenschaft, die nun ohnehin zumeist die der Religionsparteien sind, geraten nur noch in den Blick, sofern sie mit den konfessionellen Auseinandersetzungen in Zusammenhang stehen. Symptomatisch für diese Tendenz sind die beiden bedeutendsten Untersu22 23

Hegi , Die geächteten Räte; Janeschitz-Kriegl , Geschichte der ewigen Richtung.

Neben den im engeren Sinne militärhistorischen Arbeiten Walter Schaufelbergers (vor allem: Der Alte Schweizer und sein Krieg, Studien zur Kriegführung vornehmlich im 15. Jahrhundert, Zürich 21966; an Einzeluntersuchungen z.B: Morgarten (1315) und Marignano (1515), in: Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift 131 (1965), S. 667688; Marignano. Strukturelle Grenzen eidgenössischer Militärmacht zwischen Mittelalter und Neuzeit, Frauenfeld 1993) siehe beispielsweise E. Gagliardi, Der Anteil der Schweizer an den italienischen Kriegen 1494-1516, 2 Bde., Zürich 1919; ders., Novara und Dijon. Höhepunkt und Verfall der schweizerischen Großmacht im 16. Jahrhundert, Zürich 1907; A. Gasser , Ewige Richtung und Burgunderkriege. Zur Klärung einer alten Streitfrage, in: SZG 23 (1973), S. 697-749; E. Usteri, Marignano. Das Schicksalsjahr 1515/1516 im Blickfeld der historischen Quellen, Zürich 1974. 2*

20

Einleitung und Forschungsüberblick

chungen zu diesem Thema, Oskar Vasellas "Österreich und die Bündnispolitik der katholischen Orte 1527-1529" und Hermann Eschers "Die Glaubensparteien in der Eidgenossenschaft und ihre Beziehungen zum Ausland, vornehmlich zum Hause Habsburg und zu den deutschen Protestanten 1527-1531". Insofern ist auch das Verhältnis zu Österreich, das doch so lange die eidgenössische Geschichte entscheidend bestimmt hatte, für die Zeit nach 1500 weitgehend terra incógnita; der mächtige Nachbar im Norden scheint plötzlich nicht mehr zu existieren, wenn er nicht gerade zur Unterstützung der altgläubigen Partei in Aktion trat. Und dabei waren die Habsburger nicht mehr nur im Norden der Eidgenossenschaft präsent. Die Eidgenossen selbst hatten ja mit ihren Siegen gegen Karl den Kühnen den Weg dazu bereitet, daß Habsburg auch im Westen zum Nachbarn der Eidgenossen wurde. 1511 fand diese neue Konstellation ihren sichtbaren Ausdruck darin, daß Maximilian die Erbeinung mit den Eidgenossen für Oberösterreich und die Franche Comté abschloß. Zwar nicht Österreich, aber doch Habsburg in Gestalt Karls V. war zudem nach der Rückeroberung Mailands 1521, endgültig dann ab 1535/40, auch im Süden zum Nachbarn geworden: Die habsburgische Einkreisung war nahezu perfekt. Die Landesherrschaft in diesen Territorien lag zwar nicht in einer Hand: Bereits 1522 hatte Karl zunächst geheim, ab 1525 dann öffentlich die österreichischen Erblande an seinen Bruder Ferdinand abgetreten. Und auch in den anderen Ländern war Karl - aufgrund der Vielzahl seiner Territorien zwangsläufig nur sporadisch präsent und deshalb gezwungen, die Regierung anders als auf der Grundlage persönlicher Anwesenheit des Herrschers zu organisieren. Um ein Auseinanderdriften der einzelnen Teile seines Imperiums zu vermeiden und die Unterordnung der Einzelinteressen der Teilreiche unter das von ihm definierte Gesamtinteresse sicherzustellen, etablierte er ein ausgeklügeltes Herrschaftssystem, basierend auf den beiden Grundpfeilern der Einsetzung von Regenten - zumeist aus der eigenen Familie - und einer ausgedehnten Korrespondenz mit diesen Regenten und weiteren wichtigen Ratgebern. Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten in den 20er Jahren glückte das ehrgeizige Projekt doch über weite Strecken in geradezu erstaunlichem Maße, so daß inzwischen vom politischen System Karls V. gesprochen wird. Dies berechtigt dazu, für die Regierungszeit Karls von einer habsburgischen Einkreisung der Eidgenossenschaft, nämlich in der spezifischen Form der durch das politische System Karls V. zusammengehaltenen Einzelreiche, zu sprechen - im Unterschied zur zweiten Jahrhunderthälfte, als von diesem habsburgischen Gesamtinteresse nicht mehr ohne weiteres ausgegangen werden kann und eher mit einer weitge-

Einleitung und Forschungsüberblick hend selbständigen österreichischen und spanischen Politik gerechnet werden muß. Über das Verhältnis der Eidgenossen zu Karl V. ist freilich noch weniger bekannt als über ihr Verhältnis zu Österreich, von ihrem Stellenwert für das politische System Karls ganz zu schweigen. Dies verwundert nicht, ist doch das politische System Karls V. selbst erst in den letzten Jahrzehnten in den Blickpunkt der Forschung gerückt, vor allem durch die Arbeiten von Heinrich Lutz 2 4 und Horst Rabe 25 . Dabei galten die bisher vorgelegten Untersuchungen vor allem der Binnenstruktur des Systems26, weniger den Außenbeziehungen27. Um eine solche Außenbeziehung handelt es sich bei dem Verhältnis der Eidgenossenschaft zu Karl und zu Ferdinand - ein Verhältnis, welches gleichzeitig auch im Rahmen der internationalen Beziehungen in dem sich ausbildenden europäischen Staatensystem gesehen werden muß. In welche Richtung eine solche Untersuchung gehen kann, hat Rudolf Bolzern mit seiner Arbeit über Spanien und die katholische Eidgenossenschaft um 1600 gezeigt28. Darin behandelt er das Verhältnis der Eidgenossenschaft zu einem Teil des Erbes Karls V. Sein Zugang ist allerdings insofern ein anderer, auch stärker ereignisgeschichtlich orientierter, als er von der Wirksamkeit einer wichtigen Gesandtenpersönlichkeit ausgeht und weniger von einer allgemeinen Fragestellung. Das Verhältnis der katholischen Orte zu Spanien ist freilich weit weniger komplex als das der gesamten Eidgenossenschaft zum politischen System Karls V., so daß sich die Darstellung Bolzerns nicht ohne weiteres auf die Zeit Karls V. übertragen läßt.

24

H. Lutz (Hrg.), Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V. (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 1), München 1982. 25

Z.B. H. Rabe, Elemente neuzeitlicher Politik und Staatlichkeit im politischen System Karls V. Bemerkungen zur spanischen Zentralverwaltung und zur politischen Korrespondenz des Kaisers, in: H. Lutz (Hrg.), Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V. (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 1), München 1982, S. 161-187. Siehe neuerdings auch den Sammelband Rabe, Karl V. 26

Rabe/Marzahl, "Comme représentant nostre propre personne". Siehe außerdem die Mehrzahl der Beiträge in dem Sammelband Rabe, Karl V. 27

Dazu vor allem Lunitz, Diplomatie und Diplomaten. Auch hier geht es freilich nicht so sehr um das Verhältnis zu Frankreich im Sinne einer Außenbeziehung des Systems, als um die Arbeit der Gesandten als eines Teils des Systems. Zusammenfassung einiger Ergebnisse in Lunitz, Die ständigen Gesandten. 28

Bolzem, Spanien.

22

Einleitung und Forschungsüberblick Daß die Eidgenossen dem Verhältnis zu Karl V. einige Aufmerksamkeit

schenken mußten, liegt angesichts der geographischen Gegebenheiten auf der Hand. Aber auch umgekehrt mußten die Eidgenossen in den Überlegungen Karls V. eine über die schiere Größe des Landes hinausgehende Rolle spielen, vor allem wegen ihres Söldnerpotentials, dem in den Augen der Zeitgenossen ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt - eine fast kriegsentscheidende Bedeutung zukam. Außerdem empfahlen die zahlreichen gemeinsamen Grenzen eine sorgsame Beachtung der Eidgenossenschaft: Selbst wenn keine Seite mehr ernsthaft expansionistische Ziele verfolgte, gab es ja keine Garantie, daß sich lokale Probleme nicht zu größeren Konflikten auswuchsen - der aufgrund eines solchen lokalen Scharmützels ausgebrochene Schwabenkrieg lag erst 20 Jahre zurück. Zumindest aber konnten solche lokalen Unruheherde dafür sorgen, daß sich die Stimmung in der Eidgenossenschaft zuungunsten Karls entwickelte und den Zugriff auf die schweizerischen Söldner in unerreichbare Ferne rücken ließ, ja: die Söldner Frankreich zuführte. Karl mußte es deshalb darum gehen, Konflikte mit den Eidgenossen zu vermeiden und sie möglichst für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Karl hat dies auch versucht. Diesen Versuchen gilt der zweite Teil der Arbeit, und zwar durch die Analyse der beiden wohl wichtigsten Instrumente dieser Politik: Verträge und Gesandtschaften. Das traditionelle Mittel zur Regelung "zwischenstaatlicher" Beziehungen waren Verträge; sollten nicht nur Streitigkeiten vermieden, sondern auch eine Zusammenarbeit begründet werden, schloß man Bündnisse: Österreich hatte dies bereits seit langem praktiziert, und Karl hat dieses Instrument in Gestalt der Erbeinung geerbt. Die konfessionelle Spaltung ließ dann hier wie anderswo konfessionelle Bündnisse naheliegend erscheinen - auch diese Option haben die Habsburger in ihrer Politik gegenüber den Eidgenossen ergriffen. Ausgehandelt wurden die Verträge - wie seit Jahrhunderten üblich - von Gesandten. Im 15. Jahrhundert hatte sich freilich - zunächst in Italien - eine neue Form der Diplomatie entwickelt, die über diesen punktuellen Einsatz von Gesandten hinausging und eine dauernde Präsenz von Gesandten in wichtigen Partnerländern und somit einen kontinuierlichen Kontakt ermöglichte. Diese verschiedenen Varianten der Diplomatie kamen auch gegenüber der Eidgenossenschaft zum Einsatz. Sie interessieren hier freilich nicht so sehr als ein Beitrag zur Diplomatiegeschichte, sondern als Spiegel für das Verhältnis zwischen den Eidgenossen und ihren habsburgischen Nachbarn, für den Stellenwert, den diese den Eidgenossen in ihrem Kalkül beimaßen. Daß alle diese Fragen bisher kaum auf das Interesse der Historiker gestoßen sind, könnte neben den erwähnten Ursachen freilich auch an der Art der hier zu

Einleitung und Forschungsüberblick behandelnden Prozesse liegen. Kaum einmal ist dabei von spektakulären Ereignissen die Rede, auch "Erfolgsstories" sind kaum zu vermelden. Wichtiger als die Ergebnisse von Verhandlungen erscheinen häufig die in den Verhandlungen zutagetretenden Einschätzungen. Wenn sich die Ereignisse zuspitzten, wie 1519 mit dem Kampf um die Kaiserkrone und den gleichzeitigen Auseinandersetzungen um Württemberg, in den Kappeler Kriegen oder 1535/36 auf dem Höhepunkt der Kriege zwischen Karl V. und Franz I., dann sind nicht so sehr die tatsächlich realisierten Frontstellungen interessant, zumal diese in ihren Grundzügen durchaus bekannt sind, sondern die dahinterstehenden Lagebeurteilungen, kurz- und langfristigen strategischen Interessen, Einschätzungen der handelnden Parteien und die Wahl der Mittel, um die jeweiligen Ziele zu erreichen: Erst aus einer größeren Zahl solcher Informationen lassen sich die Wandlungen des Verhältnisses der Eidgenossen zum Reich, aber auch ihrer Stellung zum politischen System Karls V. und letztlich ihrer Rolle im sich ausbildenden europäischen Staatensystem erkennen. Dabei handelte es sich mindestens ebenso sehr um Wandlungen der gegenseitigen Wahrnehmung wie um Veränderungen der realen Konstellationen. Die Vielzahl mehr oder weniger gescheiterter Projekte, von denen im folgenden auch zu handeln sein wird, ist in diesem Zusammenhang ebenso aufschlußreich wie die eher seltenen Beispiele erfolgreicher Zusammenarbeit oder herausragender Ereignisse mit unmittelbar sichtbaren Folgen.

Teil 1

Die Eidgenossenschaft und das Reich A. Reichsreform und Schwabenkrieg: Die faktische Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom Reich? 1499 wurde die Schweizer Eidgenossenschaft zwar nicht de jure, aber doch de facto vom Reich unabhängig - so oder ähnlich steht es in vielen Handbüchern geschrieben. Der den Schwabenkrieg beendende Basler Frieden als entscheidender Schritt der Eidgenossen in die Unabhängigkeit - das war und ist im Grunde bis heute die communis opinio, auch wenn Hans Sigrist bereits vor einem halben Jahrhundert nachgewiesen hat, daß der Basler Frieden keine Neuregelung des Verhältnisses der Eidgenossenschaft zum Reich enthielt1. Die Forschung hat auf diesen Befund mit der "de facto-Unabhängigkeit" reagiert eine wenig befriedigende Lösung. Dabei hatte Sigrist in seinem wegweisenden Aufsatz schon im Titel auf einen zweiten Faktor hingewiesen, der für das Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reich von entscheidender Bedeutung gewesen sein könnte: die Reichsreform. Unsere Kenntnisse über die Reichsreform 2 haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten enorm verbessert - unter anderem durch die Forschungen Heinz Angermeiers sowie die von ihm durchgeführte Edition der Reichstagsakten von 1495. Insbesondere aber hat Peter Moraw mit seinen Arbeiten das Verständnis vom spätmittelalterlichen Reich auf eine neue Grundlage gestellt und damit auch den Blick dafür geschärft, worin denn nun die prinzipiellen Veränderungen der Jahre um 1495 bestanden, wie also das Reich durch die Reform seinen Charakter verändert hat. Die Grundlage für eine Erörterung des Themenkom1 2

Hans Sigrist, Reichsreform und Schwabenkrieg, in: SBAG 5 (1947), S. 114-141.

Am Begriff der Reichsreform soll hier, trotz mancher nicht unberechtigter Einwände vor allem von seiten Peter Moraws, festgehalten werden, nicht zuletzt mangels ähnlich prägnanter Alternativen. So auch Rabe, Deutsche Geschichte, S. 103-109; die maßgeblichen Positionen bei Roll, Reichsregiment, S. 17-19.

A. Reichsreform und Schwabenkrieg

25

plexes "Reichsreform und Schwabenkrieg" ist heute also eine ganz andere, als sie es für Sigrist gewesen war. Das rechtfertigt eine erneute Behandlung des Themas, und sei es nur, um auf festerer Basis die Ergebnisse Sigrists zu bestätigen. Die Eidgenossen waren - obwohl zum Reichstag geladen3 - nicht am Zustandekommen der Wormser Reformbeschlüsse vom Sommer 1495 beteiligt gewesen4. Sowohl Maximilian als auch die auf dem Reichstag versammelten Reichsstände und -Städte hielten es indessen für nötig, die Eidgenossen über die in Worms gefaßten Beschlüsse zu informieren. Am 22. September 1495 erschienen eine Gesandtschaft König Maximilians und eine Gesandtschaft der Reichsstände auf der Tagsatzung in Zürich 5. Sie teilten den Eidgenossen mit, daß auf dem Wormser Reichstag ein gemeiner Landfrieden, die Errichtung eines Kammergerichts und "ein gemeine stur" zur Finanzierung des Türkenkrieges beschlossen worden seien, und baten die Eidgenossen, daß sie "als liephaber des fridens und gerechtigkeit sölichen friden und recht annemen und uns darin begeben wellen als gehorsamen des Hl. R." 6 . Eine Antwort auf diese Bitte blieben die Eidgenossen nicht nur den Gesandten auf der Tagsatzung schuldig, auch auf schriftliche Bitten um Antwort 7 in den folgenden Monaten erfolgte keine Reaktion. Die Eidgenossen scheinen diese Frage nicht einmal auf ihren Tagsatzungen diskutiert zu haben8. Es ist deshalb irreführend, wenn immer wieder zu lesen ist, die Eidgenossen hätten die Wormser Beschlüsse abgelehnt9, da solche Formulierungen suggerieren, es hätte einen eidgenössischen Beschluß zum Gesamtkomplex der Wormser Reformen gegeben. Vielmehr ist es so, daß man im Grunde relativ wenig über die Haltung der Eidgenossen zu dieser Frage unmittelbar nach 1495 weiß. Zunächst empfanden die Eidgenossen die Wormser Beschlüsse wohl einfach als etwas Fremdes, von dem man sah, 3

RTA MR 5/1.1, Nr. 27.

4

Zu den Details siehe S. 95-97.

5

Bereits Ende Juni waren eine ständische und eine königliche Gesandtschaft in der Eidgenossenschaft gewesen, um die Eidgenossen zur Mitwirkung am Romzug aufzufordern (RTA MR 5/1.2, Nr. 1231). 6

RTA MR 5/1.2, Nr. 1248, S. 969.

7

RTA MR 5/1.2, Nr. 1255 und 1257.

8

Zu diesem Ergebnis kommt man bei einer Durchsicht der gedruckten EA.

9

Maitz, Maximilian I. und die Eidgenossenschaft, S. 33; Wiesflecker, lian 2, S. 319; Öchsli, Beziehungen, S. 550.

Maximi-

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

26

daß es vor allem Lasten bedeutete, während man den Nutzen für sich selbst gering einschätzte. Denn ein Reich, das Gehorsam verlangte, wie es das Anbringen der Gesandten auf der Tagsatzung formuliert hatte, das wäre nun in der Tat ein anderes Reich gewesen, als es die Eidgenossen - und viele andere auch bisher gekannt hatten. Zudem war ja noch keineswegs gesichert, daß die Wormser Beschlüsse auch realisiert und die entsprechenden Institutionen und Vorhaben sich durchsetzen würden. Es war mithin keineswegs von vornherein ausgeschlossen, daß die Sache sich praktisch von selbst erledigen würde; aus beiden Gründen schien daher eine abwartende Haltung nicht unangebracht zu sein. Die Eidgenossen sahen demzufolge wohl keine Veranlassung, auf eine so allgemein gehaltene Aufforderung zu reagieren. Sie konnten sich eine Meinung immer noch bilden, wenn konkrete Forderungen an sie herangetragen wurden. Dies war zuerst in der Steuerfrage der Fall, und die Antwort der Eidgenossen erfolgte in aller nur wünschenswerten Eindeutigkeit, wenn auch nicht mit dem von den königlichen Gesandten gewünschten Ergebnis: Auf die Bitte der königlichen Gesandten auf der Tagsatzung am 27. Februar 1496 um Stellungnahme zu den Wormser Beschlüssen im allgemeinen und dem Gemeinen Pfennig im besonderen antworteten die Eidgenossen, "man hoffe, seine königliche Majestät lasse die Eidgenossen der Steuer wegen unersucht, wie andere seine Vorfahren auch gethan hätten"10. Die Eidgenossen entschieden sich also gegen die Entrichtung des Gemeinen Pfennigs, womit sie bekanntlich nicht allein standen; zu den anderen Teilen des Wormser Reformpakets äußerten sie sich nicht. Eine bewußte Entscheidung gegen das Reich haben die Eidgenossen 1495/96 damit aber sicher nicht gefällt; wie viele andere im Reich haben auch sie die Tragweite der in Worms beschlossenen Reformen wohl nicht erfaßt. Daß der Wormser Reichstag für die Verfassungsentwicklung des Reichs dennoch eine wichtige Zäsur markiert, liegt daran, daß die dort beschlossenen Institutionen Bestand hatten. Die Eidgenossen wollten sich in diese Ordnung, wie sich allmählich zeigen sollte, nicht einfügen. Die häufig konstatierte Entfremdung der Eidgenossen vom Reich war damit zunächst eine Entfremdung von gewissen Institutionen bzw. - genauer formuliert - ein Sich-nicht-Einlassen auf gewisse Institutionen (wie Reichstag, Reichskammergericht, Gemeiner Pfennig). Erst im Laufe der Zeit gewann diese Ablehnung einen prinzipiellen Charakter, zuerst in der Steuerfrage, indem das alte Herkommen und die vom Reich verliehenen 10

EA 3/1, Nr. 525, S. 497.

A. Reichsreform und Schwabenkrieg

27

Freiheiten als Argument gegen die Neuerungen ins Feld geführt wurden 11 . Die Eidgenossen bezogen sich hier auf die den einzelnen Orten, vor allem den Städten, von Königen und Kaisern verliehenen Privilegien, auf deren Bestätigung man stets größten Wert gelegt hatte und deren Inhalt nach Meinung der Eidgenossen vom Gemeinen Pfennig und Kammergericht befreite. Diese Argumentation lag noch ganz auf der Linie, wie sie zahlreiche Reichsstände und Städte im Reich verfolgten: Man versuchte, sich unter Hinweis auf einzelne Privilegien von bestimmten Forderungen befreien zu lassen, ohne an einer grundsätzlichen Verpflichtung Kaiser und Reich gegenüber oder gar an der Reichszugehörigkeit als solcher zu rütteln. Eine neue Qualität erreichte die Argumentation der Eidgenossen jedoch, als die Orte aus der reinen Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft die Nichtberechtigung gewisser Forderungen des Reichs ableiteten. In diesem Moment wurde die Sonderstellung der Eidgenossenschaft greifbar, obwohl das praktische Ergebnis für das Reich zunächst das gleiche war. Diese Argumentationslinie beinhaltete für das Reich nämlich eine wesentlich größere Sprengkraft, da sie kaum weniger bedeutete, als daß jedes neue Mitglied der Eidgenossenschaft für das Reich verloren war. In letzter Konsequenz hieß das, daß die Eidgenossenschaft nicht mehr ein Subsystem des Reichs, sondern ein unabhängiges System neben dem Reich war 1 2 . Kommt den Wormser Reformbeschlüssen also letztlich eine die Abwendung der Eidgenossenschaft vom Reich beschleunigende und verstärkende Wirkung zu, so blieb dies nicht zuletzt deshalb so lange weitgehend unbeachtet, weil sich die Eidgenossen nur wenige Jahre später angeblich eindeutig und unwiderruflich vom Reich entfernten: Der Schwabenkrieg verstanden als Unabhängigkeitskrieg der Eidgenossenschaft vom Reich und der Basler Frieden als Anerkennung der eidgenössischen Unabhängigkeit - das Pathos reichte kaum aus, um diesen "Wendepunkt" schweizerischer Geschichte angemessen zu charakterisieren: "Im Jahre 1499 ging sie (die Schweiz, B.B.) aus dem strategisch und politisch bedeutendsten Kriege ihrer Geschichte an Kraft und Ehren reich hervor und nahm in Folge dieser tapfern Haltung vom Beginn des 16. Jahrhunderts an ihren Platz als selbständiges Staatswesen in Europa ein (...). Das 11 12

EA 3/1, Nr. 586, S. 553.

Mit Sicherheit waren diese Konsequenzen ihrer Argumentation den Eidgenossen nicht bewußt, als sie 1498 auf die Frage Schaffhausens, wie es auf die Mandate zur Bezahlung des Gemeinen Pfennigs reagieren solle (EA 3/1, Nr. 624, S. 585), antworteten, daß die Schaffhauser den Gemeinen Pfennig nicht bezahlen sollten, "da sie dem Reich nicht zu mehr verpflichtet seien als wir" (ebd., Nr. 626, S. 586).

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

28

Jahr 1499 war der thatsächliche Abschluss eines allmähligen, in verschiedenen Entwicklungsstadien durchlaufenen Wachsens des eidgenössischen Staatsgedankens"13. Inzwischen freilich hat eine größere Sachlichkeit in diese Diskussion Einzug gehalten und dabei Tatsachen zutage gefördert, die dem heroischen und pathetischen Bild doch erhebliche Kratzer zufügen. Fest steht heute: Der Schwabenkrieg nahm als lokales Scharmützel infolge eines Überfalls Tiroler Truppen auf das Kloster Münster (Müstair) in Graubünden, nahe der Grenze zu Tirol, seinen Anfang. Und auch als nach einer raschen Ausweitung der Auseinandersetzungen der Krieg schließlich fast ein dreiviertel Jahr lang von Graubünden bis zum Elsaß tobte, blieb er stets ein Krieg zwischen den Drei Bünden und der Eidgenossenschaft einerseits, Österreich und dem Schwäbischen Bund andererseits. Auch wenn König Maximilian zuweilen versuchte, das Reich für seinen Kampf gegen die Eidgenossen zu mobilisieren, handelte es sich in keiner Phase um einen Reichskrieg 14. Dem trägt der Basler Frieden Rechnung, der als vertragschließende Parteien die Eidgenossen sowie Maximilian "von wegen Ir Graffschafft Tyrol" und "als Ertzhertzog zu Oesterrich" angibt. Die ersten acht Artikel des Vertrages regeln denn auch durchgehend Streitigkeiten zwischen diesen beiden Parteien. Dies gilt freilich nicht für den vieldiskutierten Art. 9 des Vertrages 15, in dem es um die Aufhebung von gegen die Eidgenossen anhängigen Prozessen geht. Dabei kann es sich nur um die vor dem Kammergericht anhängigen Prozesse gegen 13

C. Hilty, Fin de Siècle, in: Hiltys Polit. Jb. der Schweizerischen Eidgenossenschaft 13 (1899), S. 1-61, hier S. 12f. Ein weiteres Beispiel mag genügen: "Die Eidgenossen waren entschlossen, nachdem einmal das Schwert aus der Scheide geflogen war, dasselbe nicht eher wieder einzustecken, als bis sie das Reich zur Anerkennung ihrer Unabhängigkeit gebracht hätten" (Öchsli, Beziehungen, S. 587). 14

Eine kurze Zusammenfassung der neueren Historiographie in: Handbuch 1, S. 340f., Anm. 499. An seither erschienenen Arbeiten ist vor allem zu nennen: Meyer, Der Thurgau im Schwabenkrieg. 15

"Zum Nündten, das damit die küngklich Majestät vß gnaden vfheben vnd abtun soi, Alle vnd Jegklich vechden, vngnad, Acht, processen vnd beswärungen, so In dem krieg oder vor dem krieg wider die Eydtgnossen Ir vnndertanen zugehörigen oder verwanndten nyemands gesündert oder vßgeslossen, angesechen oder vßgangen sind, Vnd das sunst vmb all annder Sachen, so hierinn nit begriffen sind, beydteil bliben söllen, Wie sy vor dem krieg gestannden vnd harkommen sind alles getrüwlich an arglist vnd gefärde" (EA 3/1, Beilage Nr. 35, S. 761).

A. Reichsreform und Schwabenkrieg

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Zugewandte der Eidgenossen, nicht zuletzt also um den Varnbüler-Prozeß 16, handeln. Hier kommt also durchaus das Verhältnis der Eidgenossen zum Reich zur Sprache. Freilich besteht die Bedeutung dieses Artikels nicht, wie lange angenommen, darin, daß durch das Weglassen des sich ursprünglich an die Passage über die Aufhebung der Prozesse anschließenden Nebensatzes "unnd sy (die Eidgenossen, B.B.) allso zu gnaden unnd hullden alls ein gelid des heiigen reichs kommen lassen"17 die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom Reich anerkannt worden sei; die Eidgenossen also auf der Streichung dieses Passus bestanden hätten, weil er ihre Zugehörigkeit zum Reich festgeschrieben hätte 18 . Vielmehr hat Sigrist nachgewiesen, daß die Eidgenossen deshalb so hartnäckig auf der Streichung bestanden, weil der Nebensatz den Vorwurf gegen sie beinhaltete, etwas gegen das Reich unternommen zu haben, so daß sie jetzt des Gnadenaktes des Königs bedürften, um wieder zur Gnade und Huld eines Reichsgliedes zu kommen 19 .

16

Zu diesem Prozeß des ehemaligen St. Galler Bürgermeisters Varnbüler und seiner Erben gegen die Stadt St. Gallen siehe unten S. 194-196 und Braun!Dobras, St. Gallen, S. 401-404. 17

Der Entwurf vom 25.8. in HHStA Wien, AUR 1499 IX 22, fol. 19r-20v, Zitat auf fol. 20r; gedruckt (mit etlichen Ungenauigkeiten) in: Klüpfel, Urkunden 1, S. 378. 18 19

Öchsli, Beziehungen, S. 609.

Diese Deutung hat nicht nur den Vorteil der Logik auf ihrer Seite, Sigrist untermauerte seine zunächst unbewiesene Behauptung aus "Reichsreform und Schwabenkrieg" in dem späteren Beitrag "Zur Interpretation des Basier Friedens von 1499" durch die Heranziehung eines Schreibens des solothurnischen Rates an seine Boten auf dem Friedenskongreß vom 28.8.1499, in dem der Rat ausführt, daß er den betreffenden Passus deshalb ablehne, weil ihm dies "nach gestalt und ursachung dis kriegs anzuonemen eben schächlich sin wil beduncken, in betrachtung der uncristenlichen und onmentschlichen schmechwortten, so uns allen bißhar zuogelegt sind" (ebd., S. 154). Ebenso argumentiert der Solothurner Rat in einem Schreiben vom gleichen Tag an Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug, Glarus und Freiburg (Witte, Urkundenauszüge 2, S. m53). Auch Meyer betont, daß der von den Eidgenossen abgelehnte Passus ein Schuldeingeständnis beinhaltet hätte. Sein Hinweis, daß nach Auffassung Maximilians die Eidgenossen sich gegen ihren Herrn erhoben hätten, weshalb sie zuerst dessen Huld durch ein Eingeständnis ihrer Schuld erlangen müßten (Meyer, Der Thurgau im Schwabenkrieg, S. 88), ist zwar nicht aus den Quellen belegt, erscheint aber durchaus plausibel, zumal angesichts der immer wiederkehrenden Bezeichnungen der Eidgenossen als Rebellen, Verächter jeglicher Obrigkeit, etc.

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

30

Die Eidgenossen nutzten also die Friedensverhandlungen, um das Problem der gegen ihre Zugewandten anhängigen Kammergerichtsprozesse, die bereits fast ein Jahrzehnt die Beziehungen zwischen der Eidgenossenschaft und dem Reich belasteten, aus der Welt zu schaffen - ungeachtet der Tatsache, daß diese Fragen in einem Vertrag zwischen der Eidgenossenschaft und Maximilian als österreichischem Herzog eigentlich nichts zu suchen hatten. Noch deutlicher war dieses Bestreben in dem ersten eidgenössischen Entwurf für Friedensbedingungen gewesen, wo es an erster Stelle heißt, daß die "Eidgenossen und alle ihre Unterthanen, Zugehörigen und Verwandten, geistliche und weltliche ... bei allen ihren Privilegien und Herkommen gelassen und weder mit dem Kammergericht, noch andern ausländischen Gerichten fürgenommen" und bereits anhängige Prozesse unter Zahlung von Schadensersatz aufgehoben werden sollten. Außerdem verlangten sie den Erlaß "aller Steuern, Anschläge, Tribute und Auflagen" 20. Der Basler Frieden bedeutete also keineswegs die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vom Reich, ist aber für das Verhältnis der Eidgenossen zum Reich auch nicht völlig belanglos. Seine Bedeutung besteht vielmehr darin, daß die Eidgenossen nunmehr zu zwei zentralen Punkten der Wormser Reichsreform - dem Kammergericht und dem Gemeinen Pfennig - klar Stellung bezogen: Sie lehnten beides deutlich ab. Der Schwabenkrieg dürfte diesen Klärungsprozeß beschleunigt haben - nun aber nicht, weil er ein Krieg zwischen der Eidgenossenschaft und dem Reich gewesen wäre, sondern weil in ihm die zahlreichen großen und kleinen Streitigkeiten, die sich zwischen den Eidgenossen und ihren nördlichen Nachbarn angestaut hatten, zum Ausbruch und zum Austrag kamen und weil dadurch die Distanz zu den nördlichen Nachbarn einerseits und das eidgenössische Zusammengehörigkeitsgefühl andererseits deutlicher zum Vorschein kamen. Daß Maximilian versucht hatte, das Reich gegen die Eidgenossen zu mobilisieren, dürfte deren Bereitschaft, sich diesem Reich juristisch zu unterwerfen und zu dessen Finanzierung beizutragen, nicht gerade gefördert haben.

20

EA 3/1, Nr. 659, S. 629. Auch zu einem späteren Zeitpunkt der Verhandlungen spielten solche Überlegungen noch eine Rolle. So betonte Freiburg in seiner Bewertung des Entwurfs vom 25.8., daß es darauf bestehe, daß "das Kammergericht und alle andre Beschwerung ab sind" (Witte, Urkundenauszüge 2, S. m54). Auch Luzem begründete seine Ablehnung des Entwurfs unter anderem damit, daß man "Abstellung des Kammergerichts und sturgeltz" erreichen wolle (ebd., S. m54f.).

A. Reichsreform und Schwabenkrieg

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Abgesehen davon, daß die Verhandlungen über den Basler Frieden die Eidgenossen veranlaßten, ihre Position zu Kammergericht und Reichssteuer präzise zu formulieren und so ihre Haltung zu den sich im Reich vollziehenden Neuerungen zu bestimmen, wirkte der Schwabenkrieg noch in einer weiteren Hinsicht grenzziehend, indem er nämlich die gegenseitigen Einflußsphären klar schied. Insofern bildete die Linie Rhein - Bodensee - Rhein von nun an wirklich eine Grenze 21 . Dies war das eigentlich dauerhafte Ergebnis des Krieges. Habsburg fand sich nun endgültig damit ab, daß seine ehemaligen Gebiete südlich des Rheins verloren waren; es gab nach 1500 keine Versuche mehr, diese Territorien wiederzugewinnen. Auf der anderen Seite nahmen die Eidgenossen dauerhaft Abschied von den - ohnehin nie sehr nachdrücklich betriebenen Versuchen, sich über den Rhein nach Norden auszudehnen. Der Expansionsdrang der Eidgenossen wandte sich vielmehr ganz dem Süden zu. Der Erwerb des Landgerichts im Thurgau, den die Eidgenossen im Basler Frieden erreichten, war der entscheidende Schritt auf dem Weg zur endgültigen Etablierung des Rheins als Grenze. Die Schrecken des erbitterten und langen Krieges, nicht zuletzt auch seine finanziellen Belastungen, wirkten auf beiden Seiten so nachhaltig und lange nach, daß jede Seite sorgsam darauf bedacht war, eine Eskalation der nach wie vor vorhandenen Konfliktpunkte zu vermeiden, und das hieß eben nicht zuletzt: die Einflußsphäre der anderen Seite zu respektieren. Die klare Trennung der Interessensphären implizierte auch, daß für Dritte eine neutrale Haltung zwischen den Parteien immer weniger möglich war. Das mußten vor allem die drei Städte erfahren, die um 1500 noch nicht eindeutig einer der beiden Seiten zugerechnet werden konnten: Basel, Schaffhausen und Konstanz. Die Stadt Basel war während des Krieges aufgrund ihrer neutralen Position von beiden Parteien angefeindet und der Kollaboration mit der jeweils anderen Partei verdächtigt worden. Es war deshalb nur folgerichtig, daß Basel aus dieser Erfahrung die Konsequenz zog und sich für eine Seite entschied: die Eidgenossen. Dies bedeutete einen radikalen Kurswechsel der Basler Politik, 21

Es sei an dieser Stelle noch einmal betont, daß es hier um die schweizerische Nordgrenze geht, um die Grenze zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den habsburgischen Vorlanden, nicht jedoch um eine Grenze zum Reich. Nur am gut 50 km langen Rheinabschnitt von Kaiseraugst bis fast nach Waldshut verlief die Grenze ein Stück südlich des Rheins: Das südlich des Rheins gelegene Fricktal blieb auch weiterhin österreichisch. An diesem Rheinabschnitt lagen die österreichischen vier Waldstädte am Rhein, nämlich Rheinfelden, Säckingen, Laufenburg und etwas weiter östlich Waldshut, die eine wichtige strategische Rolle als Rheinübergänge spielten.

32

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

die bisher in jeder Hinsicht - wirtschaftlich, politisch und kulturell - nach Norden orientiert gewesen war. Während des Schwabenkrieges aber warben die Eidgenossen intensiv um Basel und forderten die Stadt zum Beitritt in die Eidgenossenschaft auf 2 2 . Ein solches Werben war höchst ungewöhnlich, da bisher stets die Beitrittskandidaten um die Mitgliedschaft in der Eidgenossenschaft nachgesucht hatten und teilweise, wie z.B. Solothurn, sehr lange auf die Aufnahme hatten warten müssen. Basel freilich beantwortete alle diese Gesuche zunächst hinhaltend, dann mit Hinweis auf seine Neutralität. Während des ganzen Krieges verfolgte der Basler Rat eine Politik der strikten Neutralität zwischen den Kriegsparteien; gemessen an der Vergangenheit war das aber doch ein Schritt weg vom Reich und von Österreich. Erstaunlich ist weniger diese Tatsache an sich - die Eidgenossenschaft dieser Jahre war ja wahrlich ein attraktiver Partner - als vielmehr, daß Maximilian offenbar kaum versuchte, diese Abkehr zu verhindern. Er hatte Basel wohl schon preisgegeben, und dies, obgleich in Basel 1499 die Entscheidung zugunsten der Eidgenossenschaft noch gar nicht endgültig gefallen war 2 3 . Basel versuchte nämlich zunächst, seine neutrale Haltung in den Frieden hinüberzuretten, mußte dabei aber feststellen, daß die Durchführung einer auf Neutralität ausgerichteten Politik in Friedenszeiten noch schwieriger war als im Krieg. Zusätzlich erschwert wurde der Stadt diese Politik durch zahlreiche Angriffe gegen Basler Bürger und ihren Handel, die von österreichischem Territorium ausgingen, gegen die Österreich aber nichts unternahm. Erst jetzt, ungefähr im Spätsommer 1500, gewann die eidgenössische Partei in Basel die Oberhand: man hatte erkannt, daß eine neutrale Haltung nicht länger durchzuhalten war 2 4 . Die Aufnahme in die Eidgenossenschaft als elfter Ort am 9. Juni 1501 25 war die logische Konsequenz aus dieser Erkenntnis. Schaffhausen, obwohl ganz rechtsrheinisch gelegen, hatte sich bereits im 15. Jahrhundert für die eidgenössische Option entschieden26. Die Aufnahme in die

22

Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel 2/1, S. 161 und S. 163.

23

Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel 2/1, S. 177.

24

Bruckner, Basels Weg, S. 113.

25

EA 3/2, Beilage Nr. 5.

26

Gegen die Bemühungen Österreichs, die 1415 verlorengegangene Stadt wiederzugewinnen, hatte Schaffhausen Rückhalt bei den Eidgenossen gesucht: 1454 wurde ein auf 25 Jahre befristeter Bund zwischen Schaffhausen und den Orten Zürich, Bern,

A. Reichsreform und Schwabenkrieg

33

Eidgenossenschaft als zwölfter Ort am 10. August 1501 27 besiegelte diese Verbindung unwiderruflich. War die Entscheidung über die Zukunft Basels und Schaffhausens also recht bald nach dem Schwabenkrieg gefallen, so dauerte das Ringen um die dritte Reichsstadt am Rhein mehr als ein halbes Jahrhundert 28: Erst 1548 war endgültig klar, daß es für Konstanz keine eidgenössische Zukunft geben würde; die Stadt gehörte fortan als Landstadt zu Österreich. Bis dahin hatten sowohl die Eidgenossen als auch Österreich heftig um die Stadt geworben, beginnend mit der Aufforderung Friedrichs III. an Konstanz 1488, in den Schwäbischen Bund einzutreten, eine Aufforderung, die von den Eidgenossen mit einem Beitrittsangebot beantwortet wurde. Diese Angebote von beiden Seiten führten in Konstanz offenbar zu einer Überschätzung der eigenen Bedeutung und der eigenen Möglichkeiten: An den Konstanzer Forderungen, vor allem nach dem Landgericht im Thurgau, das die Stadt im Basler Frieden ungefragt hatte abgeben müssen, scheiterte der Beitritt zur Eidgenossenschaft denn auch mehrfach. Maximilian dagegen kam den Konstanzer Forderungen - sobald wieder einmal eine Annäherung an die Eidgenossenschaft sich abzeichnete - stets sehr weit entgegen, allerdings, wie die Konstanzer schmerzlich erfahren mußten, ohne seine Versprechungen auch tatsächlich einzulösen. Daß Maximilian auf den 2. Februar 1507 zu einem Reichstag ausgerechnet nach Konstanz einlud, ist auch vor dem Hintergrund dieses Ringens um die Bodenseestadt zu sehen: Auf diese Weise wurde für jedermann sichtbar die Zugehörigkeit der Stadt zum Reich unterstrichen. In Konstanz fand dann, selbstverständlich begünstigt durch den Tagungsort, eine intensive Begegnung zwischen König, Reich und Eidgenossen statt; es sollte die letzte dieser Art überhaupt sein. Hauptthema des Reichstages war der geplante Romzug Maximilians, für dessen Unterstützung der König auch die Eidgenossen zu gewinnen suchte. Letztlich freilich ging es Maximilian um mehr als nur um eine Teilnahme der Eidgenossen am Romzug. Er wollte sich der militärischen Schlagkraft der EidLuzern, Schwyz, Zug und Glarus abgeschlossen (EA 2, Beilage Nr. 34), der 1479, erweitert um Uri und Unterwaiden, erneuert wurde (Handbuch 1, S. 307f.; Schib, Geschichte Schaffhausens, S. 128-137). 27 28

EA 3/2, Beilage Nr. 6.

Dazu ausfuhrlich: Maurer, Vom Konzil bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, S. 205-272; Dobras, Konstanz zur Zeit der Reformation, S. 21-32; Dobras, Karl V. 3 Braun

34

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

genossen spätestens nach dem Auslaufen des französisch-eidgenössischen Bündnisses 1509 versichern. Deshalb war Maximilian bereits Ende 1506 mit einem Bündnisangebot an die Eidgenossen herangetreten 29. Nachdem die Eidgenossen den Eintritt in diesbezügliche Verhandlungen unter Hinweis auf das mit Frankreich bestehende Bündnis abgelehnt hatten30, wandte sich Maximilian am 13. März 1507 schriftlich an die Eidgenossen und bat sie erneut um 6000 Knechte, dieses Mal aber nicht als Teil einer Vereinigung der Eidgenossen mit dem Hause Habsburg, sondern zur Unterstützung seines geplanten Romzugs31. Auf einem Tag in Baden am 9. April sollten sie ihm ihre Antwort erteilen. Damit begannen die parallel zum Konstanzer Reichstag und darüber hinaus geführten Verhandlungen Maximilians mit den Eidgenossen über deren Beteiligung am Romzug 32 ; das Erscheinen einer eidgenössischen Delegation während des Reichstages in Konstanz bildete nur einen Teil dieser Verhandlungen. Die Eidgenossen erschienen auf dem Konstanzer Reichstag also nicht als Teilneh-

29

EA 3/2, Nr. 256, S. 355. Maximilian bot in seinem und seiner Enkel Namen eine Vereinigung auf 50 Jahre an; die Eidgenossen sollten ihm auf sein Verlangen 6000 Knechte stellen, er versprach dafür die Zahlung einer jährlichen Pension von 1500 fl. für jeden Ort. Der finanzielle Teil des Angebots lag weit über allem, was Habsburg den Eidgenossen vorher und nachher je angeboten hat. 30

EA 3/2, Nr. 261, S. 360.

31

Anshelm, Berner Chronik 3, S. 1-3. Außerdem verlangte er den Rückruf der eidgenössischen Knechte aus französischem Dienst. Es war also von vornherein klar, daß das Anbringen Maximilians im Zusammenhang des Kampfes um die Vorherrschaft in Oberitalien gesehen werden mußte. 32

Tag in Baden am 10.4., Tag in Schaffhausen am 9.5., Verhandlungen in Konstanz 18.-22.5., Tag in Zürich am 6.6., Tage in Luzem am 26.7. und 7.8., Tage in Zürich am 16.8., 30.9. und 13.10., Tag in Kaufbeuren zwischen dem 7. und 10.11., Tag in Zürich am 8.12. Zur Datierung der Kaufbeurer Verhandlungen: In den EA wird als Zeitraum dieser Verhandlungen "October oder November" angegeben (EA 3/2, Nr. 294, S. 409). Laut Itinerar (Christoph Friedrich von Stälin, Aufenthaltsorte Kaiser Maximilians I. seit seiner Alleinherrschaft 1493 bis zu seinem Tode 1519, in: Forschungen zur Deutschen Geschichte 1 (1862), S. 347-395, hier S. 367) war Maximilian vom 7.-10. November 1507 in Kaufbeuren, so daß die Verhandlungen in diesen Tagen stattgefunden haben müssen. Dies stimmt mit der Angabe von Anshelm "um S. Martins tag" (Anshelm, Berner Chronik 3, S. 38) überein.

A. Reichsreform und Schwabenkrieg

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mer des Reichstages, sondern hatten eher den Status von Abgesandten einer auswärtigen Macht; zumindest war ihr Status unklar 33 . Die Konstanzer Verhandlungen endeten mit einem Angebot Maximilians, das den Eidgenossen fllr die Teilnahme am Romzug nicht nur einen - überdurchschnittlichen - Sold von 4 1/2 fl. pro Mann pro Monat in Aussicht stellte. Der König versprach ihnen darüber hinaus die Bestätigung all ihrer Privilegien und - in einer gesonderten "Nottel der königlichen freiheyt der Eydgenosschaft" 34 - die ausdrückliche Befreiung von der Reichsgerichtsbarkeit. Mit dem Versprechen, ihnen ihre Privilegien zu konfirmieren, betonte Maximilian zwar die Reichszugehörigkeit der Eidgenossen, war gleichzeitig jedoch bereit, sie für ihre Teilnahme am Romzug gut zu besolden35, obwohl die Reichsglieder ja eigentlich zum Romzug - auf eigene Kosten - verpflichtet waren. Die Zusage über die Befreiung von der Reichsgerichtsbarkeit bestätigte vollends die Sonderstellung der Eidgenossenschaft. Maximilian war den Eidgenossen also sehr weit entgegengekommen. Die Eidgenossen bestätigten denn auch das königliche Angebot in einem Revers 36. Die Reichsstände allerdings hatten erhebliche Bedenken gegen die geplanten Abmachungen37. Insbesondere die Besoldung der Eidgenossen für den Romzug erregte ihren Unmut, da die Eidgenossen daraus den Schluß ziehen könnten, "als solten sie einem romischen kunig oder keyser on besoldung zudienen nit schuldig" sein und von solchen Reichsdiensten befreit sein, obwohl "sie doch von meniglich für verwandten unnd unnderthanen des reichs geachtet unnd gehalten, sich auch selbs darfur achten nennen unnd erkennen" 38. Eigenartiger33

Dem entspricht, daß in einer Aufzählung der fürstlichen Teilnehmer des Reichstages sowie der Vertreter auswärtiger Mächte und sonstiger schwer einzuordnender Gebilde die Eidgenossen unter letztere subsumiert wurden: Nach der Erwähnung der Botschaft des Königs von Frankreich werden aufgezählt: "Botschaften der Eidgenossen, der Venediger, der Weißrussen, des schwäbischen Bundes, von dem Niderland; Herzog Georg aus Schlesien" (EA 3/2, Nr. 274, S. 375). 34

HHStA Wien, MEA RTA 3a, fol. 470r-474r.

35

Dem entspricht, daß die Eidgenossen (mit Ausnahme Basels und Schaffhausens) im Reichsanschlag von 1507 für den Romzug weder einzeln noch gemeinsam veranschlagt wurden. Der Reichsanschlag ist gedruckt in: Neue Sammlung II, S. 104-111.

3'

36

HHStA Wien, MEA RTA 3a, fol. 475r-v; EA 3/2, Nr. 274, S. 374.

37

HHStA Wien, MEA RTA 3a, fol. 468v, 477r-v.

38

HHStA Wien, MEA RTA 3a, fol. 479v.

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

36

weise waren die ständischen Einwände gegen die geplante Befreiung von der Reichsgerichtsbarkeit weit weniger grundsätzlich; in diesem Punkt verbissen sie sich vielmehr in Detailfragen. Die Tendenz des geplanten Vertragswerkes sahen sie allerdings durchaus richtig: Es könnte so verstanden werden, "als ob die eydtgenossen vom romischen reich gesundert unnd nit darunder gehörig weren" 39 . Die durch den Widerstand der Reichsstände ausgelöste Verzögerung brachte den Vertrag letztlich zu Fall. Zwar war Maximilian entschlossen, sich über die Bedenken der Stände hinwegzusetzen, aber nun waren die Eidgenossen nicht mehr zur Unterschrift bereit. Als Mitte August die königlichen Gesandten endlich mit den ausgefertigten Urkunden auf der Tagsatzung in Zürich erschienen 40 , hatte sich die Stimmung in der Eidgenossenschaft - nicht zuletzt aufgrund massiver französischer Propaganda und Zahlungen - wesentlich zuungunsten Maximilians verändert: Mit fadenscheinigen Argumenten verweigerten nun auch die Orte, die dem Vertrag noch zwei Monate zuvor zugestimmt hatten, dessen Besiegelung41. Wenn dieser Vertrag Rechtskraft erlangt hätte, wäre die Sonderstellung der Eidgenossenschaft auch rechtlich zweifelsfrei fixiert gewesen42. Es findet sich jedoch kein Hinweis darauf, daß Maximilian oder die Eidgenossen diese Folgen bedacht hätten; bei beiden stand offenbar die konkrete militärische Lage im 39

HHStA Wien, MEA RTA 3a, fol. 482v.

40

EA 3/2, Nr. 284, S. 390.

41

EA 3/2, Nr. 284, S. 390. Wenn die Eidgenossen nun darauf hinwiesen, daß sie zwar zum Romzug bereit seien, nicht aber zum Kampf gegen den französischen König und dessen Position in Oberitalien und vor allem Mailand, so ist diese Argumentation eindeutig vorgeschoben: Es war von vornherein klar, daß ein Zug Maximilians über die Alpen mit einem starken Heer (und bereits die von den Eidgenossen verlangten 6000 Mann stellten ein solches dar) zu einem Konflikt mit Frankreich fuhren mußte. 42

Die Formulierungen von Mommsen "Als Maximilian 1507 die Hilfe der Eidgenossen zum Romzug wünschte, wurden diese Fragen im Einzelnen nochmals verhandelt und vom Könige und einer Reihe von Fürsten den Eidgenossen urkundlich bestätigt. Mit dem Basler Frieden und besonders mit den Vereinbarungen auf dem Konstanzer Reichstag von 1507 erhielten die Eidgenossen von Maximilian eine bevorzugte Stellung innerhalb des Reiches eingeräumt" legen nahe, daß die Vereinbarungen tatsächlich in Kraft getreten sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Uneingeschränkt zuzustimmen ist allerdings Mommsens in diesem Zusammenhang gemachter Bemerkung: "Ist noch näher zu untersuchen" (Mommsen, Eidgenossen, S. 287).

A. Reichsreform und Schwabenkrieg

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Vordergrund der Erwägungen. Unter diesen Voraussetzungen verwundert es nicht, daß Maximilian zu solch weitreichenden Zugeständnissen bereit war: im Gegensatz zu seinem Vater war er ohnehin eher bereit, undurchsetzbare juristische Ansprüche zugunsten aktueller Vorteile aufzugeben oder zumindest hintanzustellen43. Die Verhandlungen von 1507 waren der letzte Versuch in der Regierungszeit Maximilians, die Position der Eidgenossen im Reich zu regeln und sogar vertraglich zu fixieren. Dieser Versuch entsprang jedoch nicht der Einsicht der handelnden Personen in die Regelungsbedürftigkeit dieser Frage, sondern ergab sich aus der konkreten Notwendigkeit, den Eidgenossen für die erbetene militärische Unterstützung eine Gegenleistung bieten zu müssen. Da die Finanzkraft Maximilians begrenzt war und nur schwer mit der Frankreichs konkurrieren konnte, war klar, daß diese Leistung nicht rein monetärer Natur sein konnte. Hier bot die Reichszugehörigkeit der Eidgenossen die Möglichkeit, den Nachteil der geringeren finanziellen Ressourcen auszugleichen, und zwar gleich in zweierlei Hinsicht: Zum einen besaß ein Romzug eine weit größere Legitimation als ein gewöhnlicher Kriegszug zur Durchsetzung irgendwelcher Machtansprüche fremder Potentaten. Damit wurde dem in der Eidgenossenschaft latent stets vorhandenen Unbehagen gegenüber einem rein macht- und geldorientierten Söldnerwesen Rechnung getragen, wie es im Pensionenbrief von 1503 seinen deutlichsten Ausdruck gefunden hatte. Zudem wies ein solches Vorgehen einen Ausweg aus der Schwierigkeit, daß die Eidgenossenschaft sich nach wie vor in einem Bündnis mit Frankreich befand: Mit einer Teilnahme am Romzug verstießen die Eidgenossen formal nicht gegen dieses Bündnis, zumal darin das Reich vorbehalten war. Zum anderen wurde die Position der Eidgenossenschaft im Reich selbst zum Verhandlungsgegenstand, indem der Eidgenossenschaft eine Regelung der Frage der Unterwerfung unter die Reichsgerichtsbarkeit als "Entlohnung" für ihre Teilnahme am Romzug angeboten wurde. Die Reichszugehörigkeit der Eidgenossen, die zu sichern eine der Aufgaben des Kaisers war, wurde hier also von Maximilian in einem nicht unbedenklichen Maße für seine außen- und d.h. vor allem hausmachtpolitischen Ziele instrumentalisiert.

43

Ein Beispiel für die starre Haltung Friedrichs III. und sein Festhalten an alten Rechtsansprüchen ist seine Weigerung, den eidgenössischen Orten ihre Privilegien zu bestätigen, bevor sie nicht die ehemals habsburgischen Gebiete in der Schweiz zurückgaben.

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V. Obwohl das Reich ein Wahlkönigtum war und eine gewisse Offenheit der Nachfolgefrage somit systemimmanent, war die Frage, wer künftig die römische Königskrone tragen würde, doch selten so offen wie 1519. Die Details dieses Wahlkampfes sind vielfach beschrieben worden, wobei der Schwerpunkt der Darstellungen auf den Versuchen der beiden Thronprätendenten lag, sich die Zustimmung einer Mehrheit unter den Kurfürsten zu sichern. Dies entsprach der in der Goldenen Bulle niedergelegten Rolle der Kurfürsten, da sie allein es waren, die den König zu wählen hatten. Dabei wird jedoch häufig übersehen, daß auch "die Kurfürsten (...) ja in vielfältiger Weise in das politische Gefüge des Reichs eingebunden, in ihrer Wahlentscheidung zwar rechtlich, aber nicht politisch unabhängig von den Meinungen und Optionen im Reich" waren 1. Diese anderen politischen Kräfte mußten ein um so größeres Gewicht erhalten, je unsicherer der Wahlausgang war. Der Wahlkampf 1519 hatte indessen darüber hinaus eine europäische Dimension, da sich um die Königskrone König Karl I. von Spanien, der Enkel Maximilians I., und König Franz I. von Frankreich bewarben. Die Wahl bildete mithin einen Teil der Auseinandersetzung der beiden Häuser Habsburg und Valois um die Vorherrschaft in Europa. Beide Seiten schienen denn auch die Möglichkeit einzukalkulieren, daß der Wahlkampf zu einem militärischen Kampf eskalierte - entsprechend bemüht waren beide, ihre Heerscharen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne, um sich zu sammeln. Die Tendenz eines sehr breit angelegten Wahlkampfes wurde nicht erst 1519 nach dem Tode Maximilians sichtbar; bereits Maximilian selbst hatte seinem Enkel Karl den Weg in diese Richtung gewiesen. In einem Schreiben an Karl vom 18. Mai 1518 entwarf Maximilian ein ausladendes Tableau dessen, was es bei der bevorstehenden Wahlkampagne alles zu beachten gelte: Neben den Versprechungen für die Kurfürsten spielten Franz von Sickingen, Robert von der Mark, die Venezianer oder Dänemark ebenso eine Rolle wie der Plan einer dynastischen Verbindung mit Bayern. Deutlich wird das Bemühen Maximilians,

Rabe, Deutsche Geschichte, S. 220.

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

39

alles auszuschalten, was einer erfolgreichen Bewerbung Karls in die Quere kommen konnte. In dieser breit angelegten Konzeption finden auch die Schweizer ihren Platz2. Es gelte, schrieb Maximilian, die Schweizer auf "unsere" Seite zu ziehen. Dahinter stehen die wiederholten Bemühungen dieser Jahre, ein großes Bündnis gegen Frankreich zustandezubringen, dem neben Maximilian und Karl der englische König, die Schweizer und, wenn möglich, auch der Papst angehören sollten3. Kaiserliche, spanische und englische Gesandte sollten deshalb gemeinsam in der Eidgenossenschaft für einen Beitritt der Schweizer zu diesem Bündnis werben. Karl hatte für diese Mission Jean de Courteville 4 vorgesehen, den er wegen der Wahl zu Maximilian geschickt hatte. Maximilian wies Karl indessen mit Nachdruck darauf hin, daß Courteville mit der Wahlsache vollauf beschäftigt sei und daß überdies in einer so wichtigen Angelegenheit die Entsendung einer hochrangigen Persönlichkeit nötig sei, und schlug dafür den Herrn von Zevenbergen5 vor 6 . 2

Maximilian an Karl, Innsbruck, 18.5.1518 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 40, S. 125-133). 3

Am 29. Oktober 1516 war in London ein Bündnis zwischen Maximilian, Karl und Heinrich VIII. von England abgeschlossen worden, das offiziell der Türkenabwehr dienen sollte, dessen antifranzösische Ausrichtung aber nicht zu übersehen war. In einem Zusatzvertrag wurde der Beitritt der Eidgenossen zu diesem Bündnis vorgesehen (EA 3/2, Beilagen Nr. 34 und 35), die Eidgenossen sollten in diesem Falle jährliche Pensionen von 30.000 fl. erhalten. Englische und kaiserliche Gesandte warben daraufhin in der Eidgenossenschaft um den Beitritt der Schweizer zu diesem Bündnis (ebd., Nr. 687, S. 1025 und Nr. 689, S. 1027). In dem Anbringen der Gesandten vor der Tagsatzung wurde nunmehr die gegen Frankreich gerichtete Tendenz des Bündnisses klar ausgesprochen und nicht länger mit der Türkenabwehr verbrämt. Die Gesandten wurden jedoch von den Eidgenossen abschlägig beschieden (ebd., Nr. 692, S. 1033). Freilich errang das Bündnis ohnehin keine weitere Bedeutung, da die Interessensunterschiede zwischen den Bündnispartnern doch zu groß waren. 4

Jean de Courteville, Herr von Coremont, de la Bussière et de Preurelles, war für Philipp den Schönen in verschiedenen diplomatischen Missionen tätig gewesen. 1513 war er an einer Gesandtschaft beteiligt, die Maximilian nach Spanien geschickt hatte. Im April 1518 wurde er von Karl wegen der römischen Königswahl zu Maximilian geschickt. Unter Hinweis auf sein hohes Alter bat er Margarete für den Fall, daß er die Reise nicht überlebe, für seine Kinder zu sorgen (Le Glay, Négociations 1, S. XXIV XXVI; Biographie nationale de Belgique 4, Sp. 425-427). 5

Maximilian von Bergen, Herr von Zevenbergen, entstammte einer bedeutenden niederländischen Familie und war als ältester Sohn auch Haupterbe des Familienbesitzes. Er war Philipp dem Schönen nach Spanien gefolgt und gehörte als "chambellan"

40

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich In dem Schreiben Maximilians wird deutlich, daß der Kampf um die römi-

sche Königskrone von der europäischen Auseinandersetzung letztlich nicht zu trennen war 7: Der Wahlkampf war Teil des Kampfes um die Vorherrschaft in Europa, ebenso wie die Lage in Europa - konkret: die Sorge vor der drückenden Überlegenheit einer Dynastie - für viele ein wichtiges Argument in der Entscheidung für den einen oder den anderen Kandidaten war. Die Schweizer wurden von Maximilian vor allem deshalb in die Überlegungen mit einbezogen, weil sie in der Auseinandersetzung um Oberitalien gewissermaßen als "Zünglein an der Waage" galten. Dem Ziel, die Eidgenossen in ein antifranzösisches Bündnis zu ziehen oder sie zumindest von einer Unterstützung Frankreichs abzuhalten, galten denn auch die Anstrengungen Maximilians im Jahre 1518; von der Königswahl war dabei nicht die Rede. Allerdings kamen die Bemühungen Maximilians nicht recht voran, was nicht zuletzt daran lag, daß Maximilian von seinen präsumtiven Bündnispartnern ziemlich allein gelassen wurde8. Zwar baten auf der Tagsatzung am 14. Juni 1518 kaiserliche Gesandte die Eidgenossen, nicht auf die französischen Werbungen einzugehen, sondern

dessen Hofstaat an. Im Jahre 1516 wurde er in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen. Zevenbergen starb Anfang August 1521 auf dem Weg zu erneuten Verhandlungen in die Eidgenossenschaft (Karl an seine Gesandten in der Eidgenossenschaft, Brügge, 10.8.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol.45r-v, hier fol. 45r)). Das von Kooperberg angegebene Sterbejahr 1544 ist also falsch (Kooperberg, Bergen (Maximilian van), in: Niew Nederlandsch Biografisch Woordenbock, bearb. von P.C. MolhuyseAî/Fr.K.H. Kossmann, Bd. 10, Leiden 1937, Sp. 51 f.). 6

Maximilian argumentierte, daß Karl ein ebenso bedeutender König sei wie Franz I. und deshalb ebenso bedeutende Persönlichkeiten als Gesandte in die Eidgenossenschaft schicken müsse (Maximilian an Karl, Innsbruck, 18.5.1518 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 40, S. 125-133, hier S. 132)). Wenige Tage später, am 24. Mai, wiederholte Maximilian seine Bitte, Zevenbergen als Gesandten zu den Schweizern abzufertigen (Maximilian an Karl, Innsbruck, 24.5.1518 (Mone, Briefwechsel, Nr. 1, Sp. 13f.)). 7

In der vorliegenden Arbeit werden die beiden Themenkomplexe aus Darstellungsgründen jedoch getrennt. Die Bemühungen um eidgenössische Unterstützung der Wahl Karls werden in diesem Kapitel als ein Aspekt der Stellung der Eidgenossen im Reich behandelt; die Analyse der Verhandlungen um ein Bündnis erfolgt im zweiten Teil über die Stellung der Eidgenossen im politischen System Karls V. 8

Heinrich VIII. hatte mittlerweile eine Kehrtwendung in seiner Außenpolitik vollzogen und sich von Maximilian ab- und dem französischen König zugewandt. Diese Wendung führte im Oktober 1518 zu einem Vertrag mit Frankreich, der auch eine französisch-englische Heiratsverbindung vorsah.

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

41

zunächst das Anbringen kaiserlicher, spanischer und englischer Gesandter abzuwarten9, doch die angekündigte Gesandtschaft ließ auf sich warten. Zwei Monate später legten schließlich Gesandte Maximilians das versprochene Angebot schriftlich vor 1 0 ; von der (erneut) angekündigten Gesandtschaft der drei Monarchen war nach wie vor nichts zu sehen. Angesichts dieser Verhandlungsführung nimmt es nicht wunder, daß die Eidgenossen Mitte September das Bündnisangebot ablehnten, und zwar mit dem Argument, daß Spanien und England zu weit entfernt seien und man mit Maximilian ja bereits seit langem eine Erbeinung habe, so daß ein weiteres Bündnis nicht nötig sei1 Maximilian hatte zwar die beiden erwähnten Gesandtschaften in die Eidgenossenschaft entsandt, aber von einem energischen Vorantreiben der Verhandlungen kann auch bei ihm nicht die Rede sein. Die führenden Politiker in der Umgebung Maximilians und Maximilian selbst waren im Sommer 1518 wohl zu sehr mit der Gewinnung der Kurfürsten beschäftigt. Erst nachdem auf dem Augsburger Reichstag 1518 die Zusage von fünf Kurfürsten für die Wahl Karls vorlag, dachte man offenbar auch wieder an die Verhandlungen mit den Eidgenossen. Diese Prioritätensetzung zeigt, daß Maximilian der Wahl Karls zum römischen König überragende Bedeutung beimaß und sie für das entscheidende Mittel hielt, die Frage der Vorherrschaft in Europa zugunsten seines Hauses zu klären. Die habsburgische Agitation in der Schweiz hatte in diesen Monaten aber nicht völlig brachgelegen: Neben den offiziellen Gesandtschaften bediente sich Maximilian in seiner Politik gegenüber den Schweizern vor allem des Kardinals Matthäus Schiner, des Bischofs von Sitten 12 . Schiner war radikal antifranzö-

9

EA 3/2, Nr. 748, S. 1114f.

10

EA 3/2, Nr. 756, S. 1124 und S. 1125f.

11

EA 3/2, Nr. 759, S. 1128f. Der Hinweis auf die zu große Entfernung muß angesichts der engen Kontakte der Eidgenossen zu England in den Jahren zuvor als Vorwand gelten. Vgl. dazu W. Gisi, Die Beziehungen zwischen der Schweiz und England während der Jahre 1515-1517, in: ASG 15 (1861), S. 221-281. 12

Matthäus Schiner folgte 1499 seinem Onkel Nikolaus Schiner als Vertreter einer an Maximilian und Mailand orientierten Partei auf den Bischofsstuhl von Sitten, nachdem der ganz auf Frankreich ausgerichtete Bischof Jost von Silenen 1496 gestürzt worden war. Treibende Kraft dieser Entwicklung war Jörg auf der Flüe gewesen (auch Georg Supersaxo genannt), dem Schiner maßgeblich seinen Aufstieg zu verdanken hatte. Nachdem Jörg - aus nicht ganz geklärten Motiven - zu Beginn des 16. Jahrhunderts zur

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Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

sisch eingestellt und damit nach Lage der Dinge ein treuer Anhänger Habsburgs, und er verfügte über eine genaue Kenntnis der eidgenössischen Verhältnisse. Alles dies machte ihn zur zentralen Figur der habsburgischen Schweizpolitik in diesen Jahren. Auch nach dem Eintreffen Zevenbergens und der anderen Gesandten in der Schweiz spielte er weiterhin eine wichtige Rolle, vor allem als landeskundiger Ratgeber der mit den Verhältnissen nicht so vertrauten Diplomaten13. In einem Schreiben an Jean Hesdin 14 , Karls Gesandten in Engfranzösischen Partei übergewechselt war, kam es 1510 zum endgültigen und offenen Bruch zwischen Jörg auf der Flüe und Matthäus Schiner. Die beiden führenden politischen Köpfe des Wallis standen von nun an nicht nur in einem persönlichen Kampf gegeneinander, sondern waren zugleich Exponenten der wichtigsten europäischen Mächte in dem wegen seiner Pässe militärisch wichtigen Landstrich. Der Kampf erreichte 1517 seinen Höhepunkt, als sich im Wallis - tatkräftig unterstützt von Jörg auf der Flüe - ein Aufstand gegen den Bischof erhob, der Schiner zwang, das Bistum zu verlassen, und der ihn auch seiner Einkünfte beraubte. Zu Schiner siehe ausführlich: Büchi, Schiner. 13

Karl hatte seine Gesandten ausdrücklich gebeten, sich mit Schiner zu beraten (Karl an Graf Rudolf von Sulz, Ulrich von Schellenberg, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Barcelona, 16.3.1519 (Regest: RTA JR 1, S. 481, Anm. 2)), und Zevenbergen berichtete in seiner ersten Schilderung aus der Schweiz denn auch, daß er und seine Kollegen in Rücksprache mit Schiner ihr Vorgehen auf der Tagsatzung festgelegt hätten (Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 364)). An der Wichtigkeit der Tätigkeit Schiners besteht kein Zweifel; Zevenbergen berichtete darüber an Margarete (Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 5./6.2.1519 (ebd., Nr. 56, S. 202-208, hier S. 205f.)) und bat um finanzielle Unterstützung für den Bischof, eine Bitte, die Margarete an Karl weiterleitete (Margarete und Conseil privé an Karl, Mechelen, 20.2.1519 (ebd., Nr. 70, S. 253-262, hier S. 255)). Dieser Bitte hätte es aber gar nicht bedurft, denn Karl hatte bereits Geld für Schiner angewiesen (Karl an Margarete und Conseil privé, Barcelona, 22.2.1519 (ebd., Nr. 72, S. 265-268, hier S. 267); Karl an Margarete und Conseil privé, Barcelona, 5.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 127, S. 352-358, hier S. 356)). Dennoch geht es nicht an, Schiner zum "Einzelkämpfer" gegen die französischen Praktiken in der Eidgenossenschaft zu stilisieren und ihm allein das Verdienst an dem bei den Eidgenossen im Interesse Karls Erreichten zuzuschreiben; vgl. Büchi, Schiner 2, S. 268-284 passim. 14

Schiner an Hesdin, Brüssel, 8.10.1518 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 48, S. 158165). Das Stück ist allerdings in mehrerlei Hinsicht problematisch. Es ist überschrieben als "Substance de ce que M. le cardinal de Syon escript à Hesdin, de l'instruction qu'il lui a envoyée, et ce qu'il semble se devoir faire". Die Angabe "Brüssel" als Ausstellungsort macht mißtrauisch: Nach den bei Büchi, Schiner-Korrespondenz, abgedruckten Briefen Schiners war Schiner am 3.10. und dann (wahrscheinlich) am 10.10. in Zürich, von daher erscheint ein dazwischenliegender Aufenthalt in Brüssel als sehr unwahr-

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

43

land, gab Schiner eine realistische Analyse der Lage im Herbst 1518. Er betonte, daß es schwierig werde, die Entsendung eidgenössischer Knechte in französischen Dienst zu verhindern, da die Freunde Habsburgs in der Eidgenossenschaft durch die lange Verzögerung enttäuscht seien, weshalb die baldige Entsendung Zevenbergens nötig sei. Weiterhin hob er hervor, daß der Gesandte mit ausreichend Geld versehen sein müsse, um den einzelnen Orten und wichtigen Persönlichkeiten Pensionen gewähren zu können15 - auf diesem Gebiet sollten dann in der Tat die Hauptschwierigkeiten Zevenbergens bei seiner Mission in der Schweiz liegen. Dieses Schreiben Schiners ist die einzige Quelle dafür, daß die von Maximilian ja bereits im Mai vorgeschlagene Entsendung Zevenbergens in die Schweiz nunmehr in ein konkreteres Stadium getreten war. Zevenbergen wurde denn auch aus den Niederlanden abgefertigt, um sich wegen genauerer Anweisungen

scheinlich. Damit stimmt die Aussage Büchis überein, daß Schiner "seit Anfang September 1517 seinen Wohnort an den Sitz der Tagsatzung nach Zürich verlegt, wo er bis in den August 1520 mit geringen Unterbrechungen sich nunmehr ständig aufhielt" (Biichi, Schiner 2, S. 216; ebenso in Büchi, Schiner-Korrespondenz 2, S. 570, Anm. 1: "Im Jahre 1518 ist Sch. nur in Zürich nachzuweisen, abgesehen von seinen Reisen nach Schwyz-Uri am 9. Juli und vielleicht zum Reichstag in Augsburg."). Da das Schreiben Schiners vermutlich in lateinischer Sprache abgefaßt war (Ein Brief Schiners an Hesdin vom 13.2.1518 war, wie auch die übrige Korrespondenz Schiners, lateinisch; J.S. Brewer (Hrg.), Letters and Papers, foreign and domestic, of the reign of Henry VIII., Bd. 2, London 1864, Nachdruck Vaduz 1965, Nr. 3950), könnte es sich bei dem vorliegenden Stück in der von Le Glay gebotenen Form um ein von Hesdin angefertigtes Sommaire handeln; der Ausstellungsort (vielleicht auch das Datum) könnte dann der Ort der Abfassung des Sommaires sein. Hesdin könnte das Sommaire abgefaßt haben, um es Margarete vorzulegen. Für diese Annahme spricht, daß der letzte Teil des Stückes überschrieben ist "Ce qu'il semble estre à fere sur ce que dessus". Da der vorangegangene Teil Vorschläge Schiners für den Abschluß eines Bündnisses mit der Eidgenossenschaft enthält ("La maniéré qu'il semble au cardinal que l'on doit fere l'alliance et ce que l'on doit proposer"), muß es sich bei diesem letzten Teil um Vorschläge Hesdins handeln, die aber - wie aus dem Inhalt eindeutig hervorgeht - nicht an Schiner, sondern an eine(n) Dritte(n) gerichtet sind. Margarete wäre eine mögliche Adressatin solcher Vorschläge, zumal von der Notwendigkeit, sie zu informieren, in dem Schreiben die Rede ist. Da Le Glay den Fundort des Originals nicht angibt, war eine eindeutige Klärung dieser Unstimmigkeiten nicht möglich. 15

Schiner an Hesdin, Brüssel, 8.10.1518(7) (Le Glay, Négociations 2, Nr. 48, S. 158-165, hierS. 163).

44

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

zunächst zu Maximilian zu begeben16. Beim Tode Maximilians am 12. Januar 1519 befand er sich immer noch in Augsburg, d.h. bis zu diesem Zeitpunkt hatten keinerlei Verhandlungen mit den Eidgenossen stattgefunden: Der letzte Stand der Dinge war weiterhin die eidgenössische Ablehnung eines Beitritts zu einem Bündnis mit Maximilian, Karl und Heinrich VIII. Ende Januar 1519 erhielt Zevenbergen schließlich Briefe Karls und des Herrn von Chièvres vom 12. Januar, in denen er angewiesen wurde, in die Schweiz zu gehen, um mit den Eidgenossen über ein engeres Bündnis sowie die Erlaubnis für die Anwerbung von 4000 Knechten für zwei Monate zu verhandeln 17 . Für die Details sollte er den Rat Maximilians einholen. Da diese Instruktion Karls für Zevenbergen nicht erhalten ist, läßt sich nicht feststellen, wie die von Zevenbergen auszuhandelnde "plus estroicte amitié" aussehen sollte 18 , ob es sich dabei um ein ganz neues Bündnis oder um eine - wie auch immer geartete - Erweiterung der Erbeinung handeln sollte. Sicher ist indessen, daß diese Verhandlungen Teil der konkurrierenden Bemühungen Habsburgs und Frankreichs waren, die Schweizer enger an sich zu binden und ein Monopol auf deren Söldner zu erhalten, um so im Bedarfsfall nur noch Anwerbungen durchführen zu müssen, ohne erneut zu langwierigen und teuren Verhandlungen mit unsicherem Ausgang gezwungen zu sein. Frankreich hatte dieses Ziel mit dem Frieden von Gallarate 1515 bereits fast erreicht gehabt; nach massiven Interventionen vor allem Schiners und des englischen Gesandten Pace war die Gesamtheit der Orte dann jedoch nur zum Abschluß eines Friedensvertrages bereit gewesen19. Seither hatte die französische Diplomatie das Ziel eines engeren Bündnisses mit den Eidgenossen allerdings 16

RTA JR 1, S. 113f., Anm. 3.

17

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 1.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 54, S. 189-193, hier S. 191; Regest: RTA JR 1, Nr. 20, S. 180-182, hier S. 181). Die Briefe Karls und Chièvres' sind nicht erhalten. 18

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 1.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 54, S. 189-193, hierS. 191). 19

Ewiger Frieden vom 29.11.1516 (EA3/2, Beilage Nr. 36). Den Eidgenossen wurden in diesem Vertrag immense Zahlungen zugesagt: 400.000 Kronen aufgrund des Vertrages von Dijon, 300.000 Kronen für den von ihnen in den Zügen nach Mailand erlittenen Schaden, jährliche Pensionen von 2000 Fr. für jeden Ort, das Wallis, jeden der Drei Bünde und für die Gesamtheit der Zugewandten, insgesamt also 36.000 Fr. Pensionen pro Jahr. Im Jahre 1519 erhielten die Eidgenossen die letzte Rate in Höhe von 100.000 Kronen.

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

45

nie aus den Augen verloren und im Jahre 1518 einen erneuten Anlauf in diese Richtung unternommen. Zu dieser allgemeinen Rivalität kam mit dem Überfall Herzog Ulrichs auf Reutlingen im Januar 1519 ein konkreter Konfliktherd unweit der Nordgrenze der Eidgenossenschaft, der die Spannungen auch deshalb verschärfte, weil Habsburg - zu Unrecht - Frankreich als Drahtzieher und Geldgeber hinter der Aktion Ulrichs vermutete 20, während Frankreich in dem Vorgehen des Schwäbischen Bundes gegen Württemberg eine Maßnahme zur Ausdehnung des habsburgischen Machtbereichs sah. Es ist immer wieder behauptet worden, die Eidgenossen hätten im Vorfeld der Wahl von 1519 nur wegen der württembergischen Vorgänge eine so wichtige Rolle gespielt21. Ein kurzer Blick auf diese Ereignisse erscheint von daher gerechtfertigt. Nach dem Überfall Herzog Ulrichs auf Reutlingen, der eine rasche und heftige Gegenwehr des Schwäbischen Bundes hervorrief, rechnete man auf allen Seiten mit einer Unterstützung des Herzogs durch die Eidgenossen, die von Ulrich aufgrund ihrer alten Freundschaft um Hilfe angerufen wurden 22. Allen Beteiligten, nicht zuletzt Herzog Ulrich selbst, war klar, daß in einer Anwerbung eidgenössischer Söldner die einzige Chance Ulrichs bestand. Sogleich nach Bekanntwerden des Konflikts waren dem Herzog die ersten Schweizer zugelaufen 23; gleichzeitig fanden heimliche Werbungen des Herzogs statt24. Die Regierung in Innsbruck erkannte die drohende Gefahr sofort und ließ bereits am 9. Februar - also noch bevor sie vom Auslaufen der Söldner wissen konnte - durch ihre Gesandten auf der Tagsatzung die Eidgenossen um getreues Aufsehen laut der Erbeinung und um das 20

Die 10.000 Kronen, die Herzog Ulrich über die Eidgenossenschaft von Frankreich erhielt, waren der Anteil des Herzogs für seine Unterstützung im Zug gegen Dijon von 1513 und standen mit dem gegenwärtigen Konflikt in keinerlei ursächlichem Zusammenhang. Siehe dazu Fueter, Anteil, S. 14f. 21

Fueter, Anteil, S. 10; Feyler, Beziehungen, S. 94.

22

Der Vertrag Herzog Ulrichs mit der Mehrheit der eidgenössischen Orte von 1509 (EA3/2, Beilage Nr. 15) enthielt keinerlei Hilfsverpflichtung. Gleichzeitig wurden die Eidgenossen auch vom Schwäbischen Bund um Hilfe angerufen, und zwar aufgrund ihrer Reichszugehörigkeit (ebd., Nr. 771, S. 1139). 23

Der Herzog besaß seit dem Zug gegen Dijon 1513 in eidgenössischen Söldnerkreisen ein beträchtliches Ansehen, verfügte durch die Auszahlung seines Anteils vom Dijoner Zug auch über Geld, und seine Zahlungsmoral stand überhaupt in gutem Rufe (Feyler, Beziehungen, S. 103f.). 24

Feyler, Beziehungen, S. 97f.

46

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

Verbot eines Aufbruchs aus der Eidgenossenschaft bitten 25 . Dieser Ermahnung hätte es indessen nicht bedurft: Die Eidgenossen waren nämlich keineswegs gewillt, das Reislaufen ihrer Untertanen nach Württemberg zu dulden oder gar Anwerbungen zu gestatten. So hatte der Berner Rat bereits am 4. Februar beschlossen, in den Aargau die Mahnung ergehen zu lassen, "still zu sitzenn vnd niendenhin zuziechen"26; ähnlich verhielten sich die anderen Orte 27 . Den Eidgenossen ging es dabei nicht um eine Parteinahme in dem württembergischen Konflikt, sondern um die Wahrung ihrer eigenen Obrigkeit. Wie empfindlich sie auf deren Mißachtung durch die Reisläufer reagierten, zeigt die Tatsache, daß sie sogar bereit waren, die ausgelaufenen Untertanen mit Gewalt zurückzuholen 28. Die eidgenössische Entscheidung stand also bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt fest, und sie war weitgehend aus innenpolitischen Erwägungen gefallen, unabhängig von den weltpolitischen Verwicklungen ringsum und unbeeinflußt von den Abgesandten der verschiedenen Mächte in der Eidgenossenschaft 29. Daß die Eidgenossen damit freilich Habsburg und der Kandidatur Karls einen wertvollen Dienst geleistet hatten, steht außer Frage, ihre Absicht war dies jedoch keineswegs gewesen. Den größten Dienst hatte der habsburgischen Sache ohnehin Herzog Ulrich selbst mit seiner unüberlegten Tat geleistet, wie bereits die Zeitgenossen erkannten 30. Denn der württember25

EA 3/2, Nr. 769, S. 1136.

26

Feyler, Beziehungen, S. 95.

27

Feyler, Beziehungen, S. 97-99.

28

Die dafür aufgebotenen Fähnlein hatten sich bereits in Schaffhausen versammelt. Ihr Eingreifen wurde jedoch unnötig, da die mehrmaligen schriftlichen Abmahnungen an die eidgenössischen Untertanen im herzoglichen Heer mit der Ankündigung drakonischer Strafen Wirkung zeigten und die Söldner freiwillig zurückkehrten. 29

Dies zeigt sich auch daran, daß die eidgenössischen Boten auf die Tagsatzung vom 4. März bereits Instruktionen mitgebracht hatten, die einen Rückruf der Ausgelaufenen forderten. Die von der Tagsatzung erlassenen Briefe waren also keine Reaktion auf entsprechende Bitten, die die Gesandten der Regierung Innsbruck und des Schwäbischen Bundes vorbrachten (Feyler, Beziehungen, S. 101). 30

Schiner an Margarete, Zürich, 12.2.1519: "Certain grant personnaige de ce lieu m'a dit, que ce duc de Wiertemberg estoit le plus grant amis du roy de monseigneur et de la maison d'Austrice, car à cause de sa folie la grant Lighe de Zwave et les pays de l'empire feront de si grosses années et excercitez, qui donront crainte de la puissance du roy aux François et autres qui veuillent empecher son élection, la quelle par ce moyen se fera aux despens d'aultruy" (Mone, Briefwechsel, Nr. 6, Sp. 20).

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

47

gische Konflikt bot den Habsburgern einen willkommenen Vorwand, mit dem Heer des Schwäbischen Bundes Truppen bis zum Wahltag zu unterhalten. Außerdem schürte der Vorfall das Mißtrauen gegen Franz I., da allgemein davon ausgegangen wurde, daß Herzog Ulrich zumindest in heimlichem Einverständnis mit dem französischen König gehandelt hatte. Die Rolle der Eidgenossen in dieser Angelegenheit war letztlich eine sehr mittelbare, auch wenn das Thema die Tagsatzung und die dort vertretenen Gesandten noch bis Anfang April beschäftigte. Ein Zusammenhang dieser Frage mit der Wahl war für die Eidgenossen jedoch nicht gegeben. Die Lage zu Beginn des Jahres 1519 war also für die in der Eidgenossenschaft tätigen Diplomaten wie auch für die eidgenössischen Verantwortlichen selbst einigermaßen kompliziert: Die Eidgenossenschaft mußte ihre Haltung in dem württembergischen Konflikt ebenso bestimmen wie ihre Position zu den Begehren Franz' I. und Karls um ein Bündnis, während sich zur gleichen Zeit zwischen diesen beiden Monarchen ein erbittertes Ringen um die römische Königskrone abspielte. Die habsburgische Diplomatie war auf diese Situation in keiner Weise vorbereitet; sie konnte es auch nicht sein, da das Zusammentreffen dieser unterschiedlichen Fragen so nicht vorhersehbar gewesen war. Die Nachfolge Maximilians galt nach dem Augsburger Reichstag 1518 als im wesentlichen bereits geklärt, und die engere Einbindung der Schweizer lag zwar - unabhängig von aktuellen Konflikten - im langfristigen Interesse Habsburgs, ohne jedoch besondere Dringlichkeit zu besitzen. Unter dieser Prämisse hatte Zevenbergen den Auftrag erhalten, in die Eidgenossenschaft zu gehen. Mit der veränderten Situation ergab sich für die habsburgische Diplomatie nicht nur die Aufgabe einer inhaltlichen Neuformulierung ihrer Politik, sondern es tauchten auch eine Vielzahl von Schwierigkeiten aufgrund völlig ungeklärter Zuständigkeiten und Vollmachten auf. Darüber kam es im Februar und in der ersten Märzhälfte zu einer ausgedehnten Korrespondenz zwischen Karl in Spanien, Margarete in den Niederlanden, den Kommissaren in Augsburg 31 und der 31

Bei diesen handelt es sich um die sogenannten Wahlkommissare Karls, oft auch als spanische Kommissare bezeichnet. Beim Tode Maximilians waren einige seiner Räte gerade in Augsburg (u.a. Villinger, Ziegler, Zevenbergen), wo sie sogleich die Arbeit für eine erfolgreiche Regelung der Nachfolgefrage und überhaupt für eine allgemeine Stabilisierung der politischen Lage aufnahmen. Zu ihnen stießen im Verlauf der nächsten Wochen und Monate andere Räte, so daß es sich bei den sogenannten Augsburger Kommissaren nicht um einen genau umgrenzten Personenkreis handelte, es herrschte vielmehr ein ständiges Kommen und Gehen. Einige der Räte waren jedoch immer anwe-

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

48

Regierung in Innsbruck. Zum Problem wurde dabei vor allem die Kommunikation über weite Entfernungen angesichts der Notwendigkeit rascher Entscheidungen und damit zusammenhängend: die Koordinierung der Politik der Innsbrucker Regierung mit der - durch Margarete vermittelten - Politik der Beauftragten Karls. Der Auftrag Maximilians an Zevenbergen, in die Schweiz zu gehen, war nun bereits einige Monate alt. Nach dem Tode des Kaisers hielt Zevenbergen indessen seine Anwesenheit in Augsburg für wichtiger als eine Reise in die Eidgenossenschaft. Deshalb beauftragte er Schiner damit, eine Tagsatzung zu beantragen, stellte aber in Aussicht, auf der Tagsatzung persönlich zu erscheinen32. Dieser Mission stellte sich nun aber das Problem, daß die Zevenbergen von Karl erteilte Instruktion nur sehr allgemein war, da er von Maximilian eine detaillierte Instruktion erhalten sollte. Und über eine Vollmacht, die ihn gegenüber den Eidgenossen ausweisen konnte, verfügte er offenbar überhaupt nicht 33 . Völlig unabhängig von der Mission Zevenbergens entsandte die Innsbrucker Regierung Ende Januar 1519 Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg und Hans Acker nach Zürich, ohne daß Zevenbergen über deren Auftrag auch nur informiert war 3 4 . Daß eine Koordination zwischen den einzelnen Trägern habsburgischer Politik nötig war, und das bedeutete nicht zuletzt: eine Festlegung von Zuständigkeiten und Weisungsbefugnissen, lag auf der Hand. Karl ergriff send, um auf diese Weise eine gewisse Kontinuität zu sichern. Zunächst waren die Räte ohne Vollmacht und genaue Anweisungen tätig, erst am 8.3.1519 erteilte Karl Kardinal Lang, Pfalzgraf Friedrich, Markgraf Kasimir, dem Bischof von Lüttich, Cles, Heinrich von Nassau, Zevenbergen, Gérard de Pleine, Semtein, Armerstorff, Villinger, Ziegler und Renner eine Vollmacht für die Verhandlungen im Vorfeld der Wahl (RTA JR 1, S. 427, Anm. 2). 32

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 1.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 54, S. 189-193, hier S. 192). 33

Noch zu Lebzeiten Maximilians hatte Zevenbergen Karl vorgeschlagen, Karl solle eine Vollmacht schicken, in die die Regierung Innsbruck dann den Namen einer ihr geeignet erscheinenden Person eintragen könnte. Dies hielt er auch unter den veränderten Bedingungen für eine gute Lösung und hoffte auf das baldige Eintreffen der erbetenen Vollmacht (Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 1.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 54, S.189-193, hier S. 193)). 34

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 5./6.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 56, S. 202-208, hier S. 206).

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

49

auch sofort die nötigen Maßnahmen, nachdem er vom Tode Maximilians erfahren hatte, bestätigte Zevenbergens Auftrag und ordnete ihn der Regierung Innsbruck unter 35 . So sinnvoll diese Maßnahme aufgrund der größeren Vertrautheit der Innsbrucker Regierung mit den Schweizer Gegebenheiten auch sein mochte, Zevenbergen empfand sie, zusammen mit der Tatsache, daß er von Karl zunächst nicht bei der Ernennung der mit der Wahlsache beauftragten Kommissare berücksichtigt worden war, als unerhörte und ungerechtfertigte Zurücksetzung und wollte in die Niederlande zurückkehren 36. Dieser Koordinierungsversuch war also gescheitert, größerer Schaden konnte aber vermieden werden 37 . Margarete schickte nämlich, noch bevor sie das Schreiben Zevenbergens mit der Rückzugsdrohung erhalten hatte, Zevenbergen eine Vollmacht, die ihm ein unabhängiges Verhandeln in der Eidgenossenschaft ermöglichte 38. Die Frage der Vollmacht war deshalb so schwierig, weil die Eidgenossen auf der Tagsatzung vom 9. Februar auf Karls Begehren eine Tagsatzung auf den 13. März angesetzt hatten. Es war nun aber äußerst fraglich, ob es in der kurzen Zeit gelingen würde, von Karl aus Spanien die benötigte Vollmacht und Instruktion (sowie Geld) zu erhalten; ohne Vollmacht, Instruktion und Geld aber hatte eine Gesandtschaft auf der Tagsatzung keine Chance, ihr Anliegen durchzusetzen und richtete womöglich größeren Schaden an, als wenn sie der Tagsatzung überhaupt fernblieb. Zur Chronologie der Bemühungen um die benötigte Vollmacht: Die Tagsatzung in Zürich begann am 9.2. 39 , am 12.2. berichteten die österreichischen Gesandten der Re-

35

Karl an Zevenbergen, Montserrat, 6.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 57, S. 208-210, hier S. 209). 36

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 26./27.2.1519 (RTA JR1, Nr. 100, S. 308-313, hier S. 309). Es gelang Margarete gerade noch, dies zu verhindern (ebd., S. 309, Anm. 2). 37

Mit einem solchen wäre zu rechnen gewesen, wenn Zevenbergen seine Drohung in die Tat umgesetzt hätte, da er den Eidgenossen bereits als Gesandter angekündigt worden war und ein "gleichrangiger" Ersatz angesichts der Vielzahl parallel laufender Missionen so schnell kaum zu beschaffen gewesen wäre. 38

Die Vollmacht, die auf einen Entwurf von Mamix zurückging und die Zevenbergen in drei geringfügig voneinander sich unterscheidenden Varianten zugeschickt wurde, ist nicht erhalten (Margarete an Zevenbergen, Mechelen, 28.2.1519 (RTA JR 1, Nr. 104, S. 317-319, hier S. 318f.)). 39

4 Braun

Angegeben ist in den EA jeweils der Beginn der Tagsatzung.

50

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

gierung Innsbruck über die Festsetzung einer Tagsatzung auf den 13.3.40. Am 15.2. schrieb Zevenbergen an Margarete41 vor allem wegen der Notwendigkeit, bis zu der Tagsatzung genügend Geld von Karl zu erhalten. Falls dies nicht möglich sei, solle Margarete einen Ausweg finden, dies von den Niederlanden aus zu regeln42. Gleichzeitig schrieb Zevenbergen an Karl 43 . Am 18.2. bat Zevenbergen Margarete dann ausdrücklich um eine Vollmacht44 und ließ ihr ein Konzept für die von ihr auszufertigende Vollmacht zukommen. Am 25.2. bat Margarete Zevenbergen, zusammen mit den anderen Gesandten sich eine Instruktion zu konzipieren45. Drei Tage später hatte sie den Entwurf, den Mamix und die Gesandten aufgesetzt hatten, erhalten und schickte Zevenbergen die ausgefertigte Vollmacht46. Zevenbergen erhielt dieses Schreiben am 7.3. 47 . Parallel dazu verliefen die Bemühungen, doch noch rechtzeitig von Karl Vollmacht und Instruktion zu erlangen. Am 22.2. schrieb Karl an Margarete, daß er Zevenbergen eine neue Vollmacht schicke48, dabei bezog er sich auf Briefe Margaretes vom 8. und 40

Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Hans Acker an Regierung Innsbruck, Zürich, 12.2.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 248r-250r, hier fol. 248r). Die Gesandten hatten einen Termin etwa zehn Tage später gewünscht. 41

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 15.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 63). Zevenbergens Informationen über die Tagsatzung stammten offenbar von Schiner, da er von einem Brief der Gesandten erst drei Tage später schrieb (Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 18./19.2.1519 (ebd., Nr. 67, S. 242-250, hier S. 246)), einen Bericht Schiners aber an verschiedenen Stellen erwähnte und diesen Margarete bereits am nächsten Tag schickte (Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 16.2.1519 (ebd., Nr. 65)). 42

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 15.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 63, S. 225-235, hier S. 231). 43

Der Brief ist nicht erhalten, Zevenbergen erwähnte ihn jedoch in seinem Schreiben an Margarete vom 15.2. (Le Glay, Négociations 2, Nr. 63, S. 231). 44

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 18./19.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 67, S. 242-250, hier S. 247f.). Er wurde darin von dem Sekretär Mamix unterstützt, der Margarete am 19.2. das Konzept für die Vollmacht schickte (Mamix an Margarete, Augsburg, 19.2.1519 (RTA JR 1, Nr. 76, S. 259-261, hier S. 259)). 45

Margarete an Zevenbergen, Mechelen, 25.2.1519 (RTA JR 1, Nr. 94, S. 294-301, hier S. 300); in Antwort auf Zevenbergens Schreiben vom 15.2. 46

Margarete an Zevenbergen, Mechelen, 28.2.1519 (RTA JR 1, Nr. 104, S. 317319, hier S. 318f.); die Vollmacht selbst ist nicht erhalten. 47

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 8./9.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 138, S. 387391, hier S. 390). 48

Karl an Margarete und Conseil privé, Barcelona, 22.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 72, S. 265-268, hier S. 266). Margarete erhielt dieses Schreiben Karls am 4.3. und kündigte Zevenbergen noch am gleichen Tag die Vollmacht und Instruktion Karls

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

51

11.2., d.h. die Vollmacht Karls war noch keine Reaktion auf die Tagsatzung in Zürich und die daraufhin ergangenen Bitten um Bevollmächtigung und Instruierung der Gesandten. Dieses Schreiben Karls traf am 13.3. bei den Kommissaren in Augsburg ein, die es Zevenbergen zwar in die Schweiz nachsandten49, gleichzeitig aber an Karl schrieben, daß die mitgesandte Instruktion ihrer Meinung nach ungeeignet sei. Deshalb sollten sich die Gesandten nach der Instruktion richten, die die Kommissare ihnen am 9.3. erteilt hatten50. Am 5.3. sandte Karl dann der Regierung Innsbruck noch eine Instruktion für Verhandlungen mit den Eidgenossen, in der die Regierung den Namen einer ihr geeignet erscheinenden Person eintragen sollte51; diese Fassung spielte aber im weiteren Verlauf der Verhandlungen keine Rolle. Zu diesem Zeitpunkt hatten die aufgrund der Tagsatzung vom 9.2. ergangenen Bitten um Vollmacht Karl immer noch nicht erreicht 52. Erst am 12.3. sandte Karl die verlangte Vollmacht und Instruktion ab, mittlerweile hatte er die Kopie des Schreibens Zevenbergens an Margarete vom 14. oder 15.2. erhalten53, d.h., die Befürchtung, daß Vollmacht und Instruktion Karls nicht rechtzeitig vor dem 13.3. bei Zevenbergen eintreffen würden, hatte sich als begründet erwiesen, und selbst die Vollmacht Margaretes war erst im letzten Augenblick angekommen. Am 10. März verließ Zevenbergen Augsburg, um sich auf die Tagsatzung zu begeben54, am 15. März traf er in Zürich ein 5 5 , wo die Gesandten der Regierung Innsbruck ihn bereits erwarteten 56, ebenso Kardinal Matthäus Schiner. Bei an, mit der Bemerkung, daß, falls diese rechtzeitig einträfen, er die von ihr geschickten nicht mehr benötige (Margarete an Zevenbergen, Mechelen, 4.3.1519 (Mone, Briefwechsel, Nr. 15, Sp. 121 f., hierSp. 121)). 49

RTA JR 1, S. 415, Anm. 1.

50

Instruktion der Augsburger Kommissare für Zevenbergen, Graf Rudolf von Sulz, Ulrich von Schellenberg, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r). 51

Karl an Margarete und Conseil privé, Barcelona, 5.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 127, S. 352-358, hier S. 356). 52

Karl bezieht sich auf einen Brief Margaretes vom 20.2.; Zevenbergen hatte Margarete aber erst am 18.2. um Vollmacht gebeten. 53

Instruktion Karls für Jean de la Sauch zu Zevenbergen, Barcelona, 12.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 153, S. 422-425, hier S. 423). 54

RTA JR 1, S. 415, Anm. 1.

55

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 364). 56

Im Auftrag der Regierung Innsbruck waren auf der Tagsatzung anwesend: Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Christoph Fuchs, Martin Stör und Hans Acker. Diese Namen gibt Zevenbergen an (Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zü4»

52

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

sich trug Zevenbergen sowohl die Instruktion vom 22. Februar, die die Augsburger Kommissare ihm nachgesandt hatten ("celle en latin que le roy a envoyé d'Espaigne"), als auch die der Augsburger Kommissare vom 9. März ("la lettre en allemand")57. Da die beiden Instruktionen sich erheblich voneinander unterschieden58, ergab sich für Zevenbergen und seine Mitgesandten ein beträchtlicher Handlungsspielraum, weil sie nunmehr allein und lediglich in Beratung mit Schiner entscheiden mußten, welche Linie sie auf der Tagsatzung verfolgen wollten. Da sie für ihre Entscheidung nur wenige Tage Zeit hatten, kam die Möglichkeit, auch nur mit den Augsburger Kommissaren Rücksprache zu halten, von vornherein nicht in Frage, von Anfragen an Margarete oder Karl ganz zu schweigen. Zevenbergen schilderte diese Voraussetzung und den Prozeß der Entscheidungsfindung in seinem Bericht über die Tagsatzung an die Augsburger Kommissare59:

rieh, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 364)), diese Personen berichten auch (mit Ausnahme von Christoph Fuchs) zusammen mit Zevenbergen an die Regierung über ihre Verhandlungen (Zevenbergen, Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Martin Stör, Hans Acker an die Regierung Innsbruck, Zürich, 21.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 274r-v, 278r)). Die Anwesenheit Fuchs' ist jedoch zweifelsfrei, da er das Anliegen vor der Tagsatzung vortrug. Die Instruktion der Augsburger Kommissare vom 9.3.1519 lautete auf Zevenbergen, Rudolf von Sulz, Ulrich von Schellenberg, Wolf von Homburg und Dr. Sturtzel, d.h. sie ging teilweise von anderen Gesandten aus (ebd., fol. 270r-273r). 57

Wahrscheinlich hatte er auch die Vollmacht Margaretes bei sich, obwohl er diese nicht eigens erwähnt. Fueter geht mit keinem Wort darauf ein, daß Zevenbergen über mindestens zwei Instruktionen verfügte, obwohl der (von ihm angeführte) Brief der Augsburger Kommissare an Karl (Augsburger Kommissare an Karl, Augsburg, 13.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 90, S. 340-344)), in dem diese Karls Instruktion kritisieren und ihm mitteilen, daß sie Zevenbergen angewiesen hätten, sich nach der von ihnen erteilten Instruktion zu richten (ebd., S. 340f.), ihn hätte stutzig machen müssen. Fueter schreibt lediglich von "der" Instruktion Zevenbergens und meint damit die ihm von Karl erteilte (Fueter, Anteil, S. 29). 58

Ein direkter Vergleich ist nicht möglich, da die Instruktion Karls vom 22.2. nicht erhalten ist. Die Unterschiedlichkeit der beiden Texte geht aber aus dem Schreiben der Augsburger Kommissare an Karl vom 13.3. hervor, in der sie ihre deutliche Kritik an Karls Instruktion formulieren (Augsburger Kommissare an Karl, Augsburg, 13.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 90, S. 340-344, hier S. 340f.)). 59

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 364).

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

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Après estre arrivé, MM. mes adjoinctz, nommeement M. le conte de Zultz, M e Wolf de Zouburgh, Christoffle Fox, ung du gouvernement d'Ysbrouch, M e Martin Stuer, d'Enghese et Hans Hacker secrétaire, avons regardé noz instructions, tant celle en latin que le roy a envoyé d'Espaigne, que la lettre en allemand; et pensé tous les moyens pour moyns lyer le roy et neantmoings pour besongner selon que le temps et les affaires du roy lerequièrent; ayant aussi ouy l'advis de monseigneur le cardinal de Syon, et prenant devant nous le texte de la lighe héréditaire de la maison d'Austriche avec les cantons et icelle bien regardée, avons conclud faire nostre proposicion par la bouche dudit Christoffle Fox, et en effect, avec autres parolles à ce duisantes telle qui s'ensuyt. Die Unsicherheiten über die bestmögliche Vorgehensweise betrafen indessen nur die Verhandlungen über das angestrebte Bündnis mit den Eidgenossen. Ganz eindeutig steht die Bündnisfrage im Vordergrund der Verhandlungen, d.h. die Fortsetzung der bereits im Jahre 1518 von Maximilian verfolgten Politik. Da jedoch die Instruktionen, die Zevenbergen noch zu Lebzeiten Maximilians erhalten hatte, nicht überliefert sind, läßt sich nicht entscheiden, ob sich die Bündniskonzeption durch den Tod Maximilians geändert hatte 60 . Geplant war jedenfalls kein völlig neues Bündnis, sondern eine Erweiterung der Erbeinung, wobei insbesondere an eine Ausdehnung des Gültigkeitsbereichs (und damit auch der Hilfsverpflichtung der Eidgenossen) auf alle jetzigen und künftigen Besitzungen Karls gedacht war. Als Anknüpfungspunkt für die Verhandlungen diente dabei ein Passus aus der Erbeinung von 1511, in dem festgelegt war, daß Karl bei Erreichen der Volljährigkeit die Erbeinung ratifizieren sollte. Diese Ratifikation war bisher jedoch unterblieben. Auf diesen Passus in der Erbeinung hatte der Sekretär Hans Acker seine Mitgesandten aufmerksam gemacht61. Auf dieser Grundlage 60

Selbstverständlich abgesehen von der Formalie, daß Bündnispartner der Eidgenossen jetzt nur noch Karl war und nicht mehr Maximilian und Karl gemeinsam. 61

Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Hans Acker an Regierung Innsbruck, Zürich, 31.1.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 244r-245v, hier fol. 244v-245r). Nach Ansicht der Gesandten war eine solche Ratifizierung nach dem Tode Maximilians jetzt nötig. Weiter argumentierten sie, daß der Erfolg ihrer Mission äußerst zweifelhaft sei, wenn sie lediglich nach ihrer Instruktion verhandelten. Leider ist die Instruktion nicht erhalten. Sie scheint freilich recht mangelhaft gewesen zu sein, da sie nach Aussage der Gesandten die falsche Information enthielt, Karl stehe neben der Erbeinung mit der Eidgenossenschaft noch in einem weiteren Bündnis. Gemeint war damit wohl das 1515 zwischen Ferdinand von Aragon, Maximilian, dem Herzog von Mailand und der Eidgenossenschaft geschlossene Bündnis (EA 3/2, Beilage Nr. 30), das aber aufgrund der

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Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

Ratifikation und Erweiterung der Erbeinung - verhandelten die habsburgischen Gesandten in der Eidgenossenschaft fortan, ohne daß jedoch klar wäre, ob dies von vornherein beabsichtigt gewesen war oder auf die Anregung Ackers und der österreichischen Gesandten zurückging 62. Trotz dieser Unsicherheiten spielte der Inhalt der Verhandlungen mit den Eidgenossen in der Korrespondenz der auf habsburgischer Seite Handelnden kaum eine Rolle; meist ist unbestimmt von der Notwendigkeit, "die Eidgenossenschaft zu gewinnen", die Rede 63 . Dies dürfte daran liegen, daß das Hauptziel völlig klar und unumstritten war: Es galt vor allem, eine eindeutige Hinwendung der Eidgenossen zu Frankreich zu verhindern. Im Vergleich mit den Bündnisverhandlungen nimmt die Kaiserwahl - konkret: die gewünschte Unterstützung der Wahl Karls durch die Eidgenossen veränderten politischen Rahmenbedingungen - wie so viele der in diesen Jahren in rascher Folge abgeschlossenen Verträge und Bündnisse - längst obsolet geworden war. 62

Karl selbst scheint Zevenbergen ursprünglich nicht sehr detailliert instruiert zu haben, da er offenbar keine genauen Kenntnisse über die mit den Eidgenossen bestehenden Abmachungen besaß. Er wies Zevenbergen am 6.2.1519 nämlich an, vor seiner Abreise in die Schweiz "vous informer quelle intelligence mondit feu seigneur et grand-pere avoit en son vivant avec lesdits Suysses en général ou en particulier" (Karl an Zevenbergen, Montserrat, 6.2.1519 (Le Glay , Négociations 2, Nr. 57, S. 208-210, hier S. 209)). Karl betonte lediglich allgemein die Notwendigkeit einer "plus estroicte alliance et confédération avec iceulx Suysses pour le bien de nos estais" (ebd.) und verwies Zevenbergen für die Details an die Regierung Innsbruck. Die Vermutung liegt nahe, daß Karl einfach eine Verbindung mit den Eidgenossen aufgrund ihrer militärischen Bedeutung für erstrebenswert hielt, ohne über die Erbeinung genauer informiert zu sein. Gegenüber Margarete wurde Karl am 22.2. dann konkreter; er schrieb von den an Zevenbergen geschickten Vollmachten "pour envoyer devers les Suisses renouveller et confirmer les alliances que noz maisons d'Austriche et de Bourgogne ont avec eulx et les faire plus estroictes et meilleures, s'il est possible" (Karl an Margarete und Conseil privé, Barcelona, 22.2.1519 (ebd., Nr. 72, S. 265-268, hier S. 266)); dies stellt eine exakte Umschreibung des dann tatsächlich durchgeführten Verhandlungsauftrags dar. 63

Instruktion und Memoire Margaretes für Mamix, um 3.2.1519: "entretenir desdits Suyches" (Le Glay, Négociations 2, Nr. 55, S. 194-202, hier S. 199). Margarete an Zevenbergen, Mechelen, 13.2.1519: Entsendung einer geeigneten Persönlichkeit in die Schweiz, "pour les gaigner, praticquer et entretenir" (RTA JR 1, Nr. 55, S. 224-226, hier S. 226). Margarete und der Conseil privé an Karl, Mechelen, 4.3.1519: "la nécessité qu'avez de praticquer et gaigner les Zuysses à vostre service" (Le Glay, Négociations 2, Nr. 80, S. 294-302, hier S. 294). Siehe auch RTA JR 1, Nr. 137, S. 382 und Le Glay, Négociations 2, Nr. 85, S. 323.

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

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sowohl in der internen habsburgischen Korrespondenz als auch in den Gesprächen auf der Tagsatzung verhältnismäßig geringen Raum ein. Zevenbergen hatte Margarete am 15. Februar geschrieben, daß er die in der Eidgenossenschaft anwesenden Gesandten der Regierung Innsbruck angewiesen habe, die Eidgenossen zur Entsendung eines Gesandten zum Wahltag zu bewegen64. Diese Anweisung wurde von Karl ausdrücklich gebilligt 65 und fand auch Eingang in die Instruktion der Augsburger Kommissare für die Gesandten zur Tagsatzung66. Andere Möglichkeiten, wie die Eidgenossen die Wahl Karls unterstützen könnten, wurden in diesem Zusammenhang nicht diskutiert. Um so mehr erstaunt es, daß Christoph Fuchs auf der Zürcher Tagsatzung am 18. März nach einem Verweis auf die französischen Praktiken und dem Hinweis auf die guten Erfahrungen, die das Reich mit Kaisern aus dem Haus Österreich gemacht habe, nicht um die Entsendung eines Gesandten nach Frankfurt, sondern um einen Brief an die Kurfürsten zugunsten Karls bat 67 . Es finden sich keine Hinweise darauf, was oder wer diese Änderung bewirkt hat. Die Eidgenossen erteilten den Gesandten auf dieses Begehren nicht sofort eine Antwort, reagierten aber doch insoweit positiv, als sie verlauten ließen, daß sie keinen Franzosen auf dem römischen Königsthron dulden, sondern lediglich einen deutschen Fürsten akzeptieren würden, ohne allerdings Karl ausdrücklich zu nennen68. Dies war immerhin ein Teilerfolg für Karls Gesandte. Auf der nächsten Tagsatzung, ab 1. April wiederum in Zürich, beschlossen die Eidgenossen, in diesem Sinne an die Kurfürsten und den Papst zu schreiben69. In dem weitläufigen Schreiben stellten die Eidgenossen nach einem Hinweis auf die französischen Praktiken 64

Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 15.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 63, S. 225-235, hier S. 230; Regest mit Datum 14.2.: RTA JR 1, Nr. 61). 65

Instruktion Karls für Jean de la Sauch zu Zevenbergen, Barcelona, 12.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 153, S. 422-425, hier S. 423) und Karl an Graf Rudolf von Sulz, Ulrich von Schellenberg, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Barcelona, 16.3.1519 (ebd., S. 481, Anm. 2 (Regest)). 66

Instruktion der Augsburger Kommissare für Zevenbergen, Graf Rudolf von Sulz, Ulrich von Schellenberg, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r, hier fol. 273r). 67

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 365). 68

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 366). 69

EA 3/2, Nr. 775, S. 1146f. Das Schreiben an die Kurfürsten auf S. 1150-1152.

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Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

ihre Treue zu den "houptstetten" des Christentums, nämlich zum Papst und zum Reich, heraus, verwiesen auf die Größe der deutschen Nation und baten schließlich, "ein hopt von der tütschen vnd nit der weltschen Nation" zu wählen 70 . Die Tatsache, daß die Eidgenossen sich innerhalb von nur zwei Wochen zu diesem Schreiben entschlossen, und daß nicht mehrere Rückfragen bei den jeweiligen Obrigkeiten nötig waren, läßt darauf schließen, daß das Schreiben nicht umstritten war. Den Gesandten Karls wäre es zwar lieber gewesen, wenn die Eidgenossen eine ausdrückliche Empfehlung für Karl ausgesprochen hätten71; angesichts der klaren Stellungnahme gegen Franz I. drängten sie aber nicht weiter auf Karls explizite Erwähnung, zumal dies mit Sicherheit eine Verzögerung des Schreibens bedeutet hätte. Da kein ernsthafter deutscher Konkurrent für Karl in Sicht war, erfüllte das eidgenössische Schreiben auch so den angestrebten Zweck. Dieser lag darin, den Kurfürsten klar vor Augen zu führen, daß allenthalben die Wahl Karls gewünscht werde, daß sie sich also mit einem anderen Votum gegen die öffentliche Meinung innerhalb und außerhalb des Reichs stellen würden. In diesem Sinne wurden nicht nur die Schweizer um Fürschriften für Karl gebeten: Beim englischen König wollte man zunächst ebenfalls die Entsendung eines Gesandten zum Wahltag erreichen 72, um sich dann auch in diesem Fall mit einer Fürschrift zu begnügen73. Die Augsburger

70

EA 3/2, Nr. 775, S. 1151.

71

Zevenbergen schilderte Karl am 12. April, daß er den Eidgenossen für die Briefe an den Papst und die Kurfürsten einen Text mit ausdrücklicher Nennung Karls vorgeschlagen habe, sich damit aber nicht habe durchsetzen können (Zevenbergen an Karl, Konstanz, 12.4.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 125, S. 415-424, hier S. 417)). Zevenbergen fügte hinzu, daß die Eidgenossen ihm aber mündlich versichert hätten, daß sie Karl für einen der bedeutendsten deutschen Fürsten hielten. In dieselbe Richtung ging die Beurteilung der eidgenössischen Briefe an die Kurfürsten durch Heinrich von Nassau und Gerard de Pleine: "Nous vous (Margarete, B.B.) envoyons en cestes les double d'unes lettres, que les dis Suisses au mesmes propoz ont escript aux électeurs, lesquelles trouverez bonnes, mais elles seraient meilleures, si ilz recommandassent le roy" (Heinrich von Nassau, Gérard de Pleine an Margarete, Altenburg, 30.4.1519 (. Mone, Briefwechsel, Nr. 50, Sp. 403f., hier Sp. 403)). 72

Augsburger Kommissare an Karl, Augsburg, 8./9.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 137, S. 376-387, hier S. 383). Als Gesandter war zeitweise Schiner vorgesehen (Karl an die Augsburger Kommissare, Barcelona, 31.3.1519 (ebd., Nr. 192, S. 506-512, hier S. 510)). 73

Karl an die Augsburger Kommissare, Barcelona, 31.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 192, S. 506-512, hier S. 511). Heinrich VIII. entsandte dann zwar Richard Pace nach Frank-

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

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Kommissare hatten darüber hinaus vorgeschlagen, die Könige von Portugal und Dänemark um Gesandte zum Wahltag zu bitten 74 , was Karl aber aus Kostengründen ablehnte und statt dessen von vornherein für die billigere Lösung einer Fürschrift plädierte 75. Eine solche Empfehlung für Karl erhielten die Kurfürsten auch von den spanischen Großen 76. Die Antworten, die die Eidgenossen auf ihre Schreiben bekamen, enthielten, wie kaum anders zu erwarten, neben einer freundlichen Danksagung die unverbindliche Zusicherung des jeweiligen Kurfürsten, daß er nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden werde 77 . Rätselhaft bleibt das Schreiben des sächsischen Rates Fabian von Feilitzsch an Kurfürst Friedrich, in dem er berichtete, daß ein Zürcher Bote ihm die Unterstützung der Eidgenossen für eine Wahl Friedrichs angezeigt habe78. Es hat von daher immer wieder Vermutungen gegeben, daß das Schreiben der Eidgenossen an die Kurfürsten in Wirklichkeit der Unterstützung Friedrichs des Weisen gegolten habe79; eine Vermufurt, aber nicht, um die Wahl Karls zufördern, sondern um die Chancen für eine eigene Kandidatur zu sondieren. 74

Augsburger Kommissare an Karl, Augsburg, 8./9.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 137, S. 376-387, hier S. 383). 75

Karl an die Augsburger Kommissare, Barcelona, 31.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 192, S. 506-512, hier S. 511). Ob die beiden Könige tatsächlich an die Kurfürsten zur Unterstützung Karls geschrieben haben, ist unklar. In den gedruckten RTA sind solche Schreiben jedenfalls nicht verzeichnet. 76

Karl an Conseil privé, Barcelona, 23.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 181, S. 480-484, hier S. 481). 77

Kurfürst Ludwig von der Pfalz an die Eidgenossen, Heidelberg, 15.4.1519 (RTA JR 1, Nr. 223); Kurfürst Albrecht von Mainz, 19.4.1519 (ebd., S. 556, Anm. 3); Kurfürst Richard von Trier, 25.4.1519 (ebd.); Kurfürst Joachim I. von Brandenburg, 1.5.1519 (ebd.); Kurfürst Friedrich von Sachsen, Altenburg, 5.5.1519 (ebd., S. 586, Anm. 1). 78

Fabian von Feilitzsch an Kurfürst Friedrich von Sachsen, 21.4.1519 (RTA JR 1, Nr. 242). 79

Dies betont vor allem Fueter (Fueter, Anteil, S. 44-46), ohne dafür jedoch andere Belege als das Schreiben von Feilitzsch und einen Brief Herzog Georgs von Sachsen an Friedrich den Weisen anzuführen, in dem Georg die Möglichkeit erwähnt, daß von den Kurfürsten "der drit erwelt werd", womit sowohl der Papst als auch die Eidgenossen zufrieden wären (RTA JR 1, S. 605, Anm. 2). Dies ist als Beweis für die These, daß "sich die Wünsche der Eidgenossen auf den einzigen deutschen Fürsten, der in Frage kam, auf Friedrich den Weisen von Sachsen" richteten (Fueter, Anteil, S. 44), freilich zu dürftig und berücksichtigt z.B. nicht die Möglichkeit, daß der Zürcher Bote eigenmächtig oder auch nur ungeschickt handelte - der von Fueter behauptete "Auftrag, mit

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

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tung, die aus dem Text des Schreibens selbst weder zu be- noch zu widerlegen ist. In Anbetracht der Umstände mußte den Eidgenossen jedoch klar sein, daß ihr Schreiben als Unterstützung Karls aufgefaßt würde. Wenn sie eine ausdrückliche Unterstützung Friedrichs des Weisen angestrebt hätten, hätten sie dies deutlicher formulieren müssen. Es findet sich indessen auch in den eidgenössischen Quellen kein Hinweis auf eine solche Absicht. Daß den Eidgenossen die Kandidatur eines anderen deutschen Fürsten als Karls wohl nicht unlieb gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt80; ernsthaft zur Debatte standen jedenfalls nur Karl und Franz I. Der sächsische Rat scheint den Zürcher Boten jedenfalls nicht sonderlich ernst genommen zu haben, bemerkte er doch am Schluß seines Briefes, der Gesandte werde nun weiter zu Kurfürst Joachim von Brandenburg reiten, den er wohl ebenfalls zum König machen wolle81. Während das Bemühen Karls und seiner Gesandten ebensowenig wie die Reaktion der Kurfürsten erstaunt, ist freilich ungewiß, was die Eidgenossen zu ihrer - angesichts der Verhältnisse doch ziemlich eindeutigen - Stellungnahme für Karl bewogen hat. Quellen über die innereidgenössische Meinungsbildung in der Wahlfrage liegen nicht vor. Zu vermuten ist allerdings, daß die nationale Herkunft der Kandidaten eine entscheidende Rolle spielte. In diese Richtung Kurfürst Friedrich mündlich über die Wahl zu verhandeln" (ebd., S. 44), ist jedenfalls nicht vorhanden. Andererseits rechnet Fueter mit der Möglichkeit, daß "die Zürcher hier etwas eigenmächtig vorgegangen sind" (ebd., S. 44, Anm. 3). Ganz abgesehen davon, daß dies Fueters Annahme widerspricht, daß "die Eidgenossen" die Wahl Kurfürst Friedrichs wünschten, läßt sich auch diese These weder be- noch widerlegen. Ein solches Vorgehen Zürichs erscheint aber angesichts der ansonsten durchgehend prohabsburgischen Haltung der Stadt unwahrscheinlich. Diese Haltung äußerte sich z.B. deutlich in dem Votum Zürichs vom Mai 1519, Karl auf seine Bitten Knechte zu gewähren, falls Franz I. die Wahl behindere (ebd., S. 57). Es ist kaum vorstellbar, daß Zürich fast gleichzeitig einen Boten ins Reich entsandte, um Unterstützung für eine Wahl Friedrichs des Weisen zu sammeln und Karl militärische Hilfe für seine Wahl zusagte. 80

Dies sah auch Zevenbergeft so. Am 15. Mai schrieb er an die Augsburger Kommissare über die Praktiken Frankreichs und des Papstes, die Wahl eines Dritten durchzusetzen, wenn schon die Wahl Franz' I. nicht zu erreichen wäre, und fügte hinzu: "ce qu' est aussi entièrement l'intencion de mess, les Suyches, car ilz craindent la puissance des deux roys" (Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 15.5.1519 (StA Marburg, PA 384, fol. 17r-20v, hier fol. 18v; Mone, Briefwechsel, Nr. 52, Sp.405)). Solche Äußerungen beziehen sich indessen auf die Wünsche der Eidgenossen und nicht auf die von ihnen tatsächlich verfolgte Politik. Es gibt keinerlei Hinweis auf irgendeine Initiative der Eidgenossen, diesem Wunsch zur Realisierung zu verhelfen. 81

Fabian von Feilitzsch an Kurfürst Friedrich von Sachsen, 21.4.1519 (RTA JR 1, Nr. 242, S. 585f., hier S. 585).

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

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deutet das Begehren Franz' I., die Eidgenossen sollten an die Kurfürsten schreiben, Karl auch nicht zu wählen, da er ebenfalls ein Welscher sei 82 . Franz I. hatte zu diesem Zeitpunkt Anfang Mai bereits eingesehen, daß er gegen das nationale Argument keine Chance hatte 83 , und wollte nun wenigstens die Wahl Karls verhindern. Es ist immer wieder hervorgehoben worden, wie es der habsburgischen Propaganda in diesem Wahlkampf gelang, Karl als Deutschen darzustellen und an das Nationalgefühl der Deutschen zu appellieren. Diese Taktik verfing offenbar auch bei den Schweizern, die sich in dieser Zeit uneingeschränkt zur deutschen Nation zugehörig fühlten. Dieses Nationalgefühl kam in der Entscheidung des Jahres 1519 voll zum Tragen, und zwar weitgehend unabhängig von realpolitischen Erwägungen. Freilich legten auch ein Blick auf die Landkarte und die herrschenden Machtverhältnisse den Eidgenossen die Unterstützung Karls nahe. Zwar verfügte Karl nach seiner Wahl mit Spanien, Neapel, Burgund, Österreich, dazu dem Reich über eine beeindruckende Machtbasis. Den Eidgenossen mußte die ihnen bei einer Wahl Franz' I. drohende fast völlige Einkreisung durch Frankreich (Mailand, Frankreich, Reich) jedoch gefährlicher erscheinen84. Ihr Ziel, die Eidgenossen zumindest von einer Befürwortung der französischen Kandidatur abzuhalten, hatten Zevenbergen und seine Kollegen also vergleichsweise schnell erreicht. Zu dem Zeitpunkt, als die eidgenössischen Schreiben an die Kurfürsten expediert wurden, waren die Gesandten in ihren Wünschen für eine Unterstützung Karls aber bereits einen Schritt weitergegangen. Auf der Tagsatzung am 1. April legte Zevenbergen den Tagsatzungsboten dar, daß mit einem gewaltsamen Vorgehen Franz' I. zu rechnen sei und Karl für diesen Fall um die Erlaubnis bitte, eidgenössische Knechte anwerben zu dürfen 85 . Hierüber ohne Rückfrage zu entscheiden, waren die Boten selbstverständlich nicht befugt, und so wurde das Begehren auf Hintersichbringen angenommen und eine Antwort für die Tagsatzung am 8. Mai in Aussicht gestellt. Daß die Gewährung von Knechten für eine der beiden Seiten stets zu unangenehmen Verwicklungen führen konnte, hatten die Eidgenossen in den letzten 82

EA 3/2, Nr. 778, S. 1164.

83

Die nationale Argumentation der Eidgenossen tritt besonders in dem Schreiben an Franz I. (Fueter, Anteil, S. 38f.) und in dem mit diesem weitgehend identischen an Papst Leo X. vom 6. April (ebd., S. 41) hervor. 84

So auch Fueter, Anteil, S. 6f.

85

EA 3/2, Nr. 775, S. 1147.

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Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Jahren zur Genüge erfahren, und so gingen die Meinungen über die den Gesandten Karls zu erteilende Antwort weit auseinander, wie man aus der erhaltenen Aufzählung der Voten der einzelnen Orte zu dieser Frage ersehen kann 86 .

86

StA Zürich, A 176.2, Nr. 14. Die (mit Fragezeichen versehene) archivarische Datierung auf den 15.9.1518 ist mit Sicherheit falsch. Die Kombination der Fragen Erbeinung - erweitertes Bündnis - Bitte um Knechte - Kaiserwahl verweist eindeutig auf das Frühjahr 1519. Da aus den Voten z.T. hervorgeht, daß über das Festhalten an der Erbeinung bereits eine Entscheidung gefallen war (z.B: "Nidt dem wald latz der erbeynung halb bj voriger antwurt bliben"), Zevenbergen das Begehren um Knechte erst auf der Tagsatzung am 1.4. gestellt hatte und außerdem an zwei Stellen auf die Schreiben an den französischen König, den Papst und die Kurfürsten Bezug genommen wird, gehört die Liste mit Sicherheit in den Umkreis der Tagsatzung vom 10.5. Die nächste Tagsatzung am 3.6. kommt nicht in Frage, da Freiburg zu Protokoll gab, vor einer Entscheidung die Antwort auf die Schreiben an die Kurfürsten abwarten zu wollen, diese Antworten aber am 3.6. bereits vorlagen und auf der Tagsatzung verlesen wurden (EA 3/2, Nr. 780, S. 1166). Auf der Tagsatzung am 10.5. wurde wegen der Uneinigkeit der Orte den Gesandten Karls noch keine endgültige Entscheidung mitgeteilt, Zevenbergen berichtete aber bereits am 15.5. den Augsburger Kommissaren, zu welcher Meinung die einzelnen Orte tendierten (Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 15.5.1519 (StA Marburg, PA 384, fol. 17r-20v; in Auszügen gedruckt bei Mone, Briefwechsel, Nr. 52, Sp. 405; als Regest in RTA JR 1, Nr. 294)). Die von ihm wiedergegebene Tendenz stimmt mit den Voten der Liste weitgehend überein. Die Liste ist offenbar in der Zürcher Kanzlei entstanden, worauf nicht nur ihr heutiger Aufbewahrungsort im StA Zürich hindeutet, sondern auch die Tatsache, daß hier alle Voten außer dem Zürichs verzeichnet sind. Zürich hat also die Voten der anderen Orte gesammelt, eventuell, um sie dann im Abschied, den Zürich als Tagungsort ausfertigen mußte, richtig wiedergeben zu können. Dabei wurde das Votum der eigenen Stadt nicht aufgezeichnet, weil als bekannt vorausgesetzt. Eine zweite Liste mit Voten der einzelnen Orte zu diesem Fragenkomplex existiert im StA Bern (UP 52, Nr. 72, gedr. in P. Ochs, Geschichte der Stadt und Landschaft Basel, Bd. 5, Basel 1821, S. 327ff.; von Fueter, Anteil, S. 55-57 ausführlich referiert und teilweise zitiert). Diese Liste enthält am Schluß auch das Votum Zürichs. In welchem Verhältnis die beiden Listen zueinander stehen, ist unklar, ob etwa eine Liste einen früheren und die andere einen späteren Stand der Diskussion widerspiegelt. Die von den einzelnen Orten vertretenen Meinungen stimmen in beiden Listen überein, die Formulierungen sind jedoch sehr unterschiedlich. Lediglich bei Freiburg ist ein inhaltlicher Unterschied zwischen den beiden Listen zu konstatieren: In der Zürcher Liste heißt es, daß Freiburg sich, was die Frage der Knechte betreffe, nicht "erlutret" habe und die Antworten auf die ausgegangenen Schriften abwarten wolle. In der Berner Liste sprach sich Freiburg dafür aus, niemandem Knechte zu gewähren, und bemerkte unter Hinweis auf die ausgegangenen Schreiben, daß die Überlassung von Knechten an Karl so gedeutet

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

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Die Antworten der einzelnen Orte sind zwar, wie üblich, relativ allgemein und verklausuliert formuliert, es lassen sich aber doch eindeutige Tendenzen feststellen. Um die Wahl des französischen Königs zum römischen König zu verhindern, waren Schwyz, Obwalden, Basel und Schaffhausen unter Umständen bereit, Karl Knechte zu gewähren87. Bern, Uri und Glarus wollten keine Knechte gewähren; Luzern wollte sich der Mehrheit anschließen "damit dz rieh bj tutscher nation blib"88, tendierte also eher zu Zustimmung als zu Ablehnung, Nidwaiden wollte sich der Mehrheit der Waldstätte anschließen, falls diese der Gewährung von Knechten zustimmten; Zug und Freiburg äußerten keine Meinung; Solothum wollte zwar keine Anwerbung von Knechten gestatten, betonte aber ausdrücklich, daß es Franz nicht als römischen König dulden würde; die Zugewandten wollten sich allesamt dem Votum der Mehrheit anschließen. Zürich sprach sich dafür aus, Karl auf seine Bitte Knechte zu gewähren, und kritisierte die anderen Orte wegen deren Haltung, die nicht mit den Schreiben an den französischen König, den Papst und die Kurfürsten übereinstimme. Zürich verstand diese Schreiben demnach als klare Unterstützung Karls. Der eigenen pro-habsburgischen Haltung blieb Zürich somit treu, indem es auch vor dem letzten Schritt, der Gewährung militärischer Hilfe, nicht zurückschreckte89. Zevenbergen zog aus diesen beträchtlichen Meinungsverschiedenheiten den Schluß, daß nicht mit einer Bewilligung von Knechten zu rechnen sei, und zwar

werden könnte, "als ob ein Eidgnoschafft jm zu der keiserlichen krön gehellfen weldt, das doch nach inhalt ergangner geschafften in niemans willen noch Meynung sin well" (Fueter, Anteil, S. 56). Fueter interpretiert diese Äußerung so, daß Freiburg die eidgenössischen Schreiben an den französischen König, den Papst und die Kurfürsten als deutliche Ablehnung von Karls Kandidatur verstand (ebd., S. 59f.), mithin also wohl als Votum für einen dritten Kandidaten. Bei einem Vergleich dieser Passage mit dem Brief an die Kurfürsten erscheint es freilich auch möglich, daß Freiburgs Ablehnung lediglich der Einmischung in die Wahl galt, da insbesondere der Schlußteil des Briefes an die Kurfürsten nicht nur die Forderung nach der Wahl eines Deutschen, sondern auch ein Plädoyer für die Freiheit der Wahl enthält. 87

Dies deckt sich weitgehend mit der Aussage Zevenbergens von den sechs "guten" Orten Zürich, Schwyz, Uri, Unterwaiden, Schaffhausen und Basel. 88 89

StA Zürich, A 176.2, Nr. 14.

Weshalb Fueter dieses Votum für "am merkwürdigsten" (Fueter, Anteil, S. 57) hält, bleibt rätselhaft, zumal er selbst zwei Seiten später schreibt: "Während der ganzen Zeit der Wahlverhandlungen hatte Zürich treu zur Partei König Karls gehalten" (ebd., S. 59), ein "unpolitisches... Votum" (ebd.) war es bestimmt nicht. Die Versuche Fueters, die Haltung Zürichs dadurch zu erklären, daß in Zürich im Gegensatz zu den anderen Orten die Annahme von Privatpensionen verpönt gewesen sei, überzeugt nicht.

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

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weder für Karl noch für Franz 90 . Daß kein Ort sich auch nur andeutungsweise für eine Unterstützung Frankreichs ausgesprochen hatte, mochte ihn beruhigen, zumal Habsburg im Notfall über die Truppen des Schwäbischen Bundes verfügen konnte. Die Eidgenossen hatten die Entscheidung zwar erneut an ihre Oberen verwiesen, aber Zevenbergens Einschätzung darüber, wie die eidgenössische Entscheidung ausfallen würde, war doch einigermaßen realistisch. Da er nicht endlos warten konnte und wollte - die nächste Tagsatzung war auf den 2. Juni angesetzt -, verhandelte er nun gesondert mit den Boten der von ihm so genannten "guten" Orte, nämlich Zürich, Schwyz, Uri, Unterwaiden, Schaffhausen und Basel. Über diese Beratungen schrieb er den Augsburger Kommissaren, daß diese sechs Orte bei einem französischen Angriff auf Deutschland oder einem Versuch, die freie Wahl zu behindern, Karl auf seine Bitte hin Knechte überlassen würden, ohne dabei Rücksicht auf die anderen Orte zu nehmen91. Die Entscheidung der Eidgenossen fiel schließlich so aus, wie Zevenbergen vermutet hatte: Auf der Tagsatzung am 3. Juni beschlossen sie, in diesen unruhigen Zeiten niemandem Knechte zu bewilligen, falls aber jemand (und damit konnte nach Lage der Dinge nur Frankreich gemeint sein) die Kurfürsten behindere, um so die römische Königskrone aus deutscher Hand zu entwenden, so würden sie auf Bitten der Kurfürsten und Stände "als Liebhaber deutscher Nation und des heiligen Reichs zusammentreten" und sich als fromme Eidgenossen zeigen 92 . Damit blieben die Eidgenossen bei ihrer lange zuvor festgelegten Position: Sie sprachen sich offiziell für keinen Kandidaten aus; die Betonung, daß der zu Wählende der deutschen Nation angehören sollte, mußte aber als Votum zugunsten Karls verstanden werden. Daß sie sich militärisch aus dem Kampf zwischen Karl und Franz möglichst heraushalten wollten, verdeutlicht der Passus, daß sie bereit wären, auf Bitten der Kurfürsten und Stände tätig zu werden, also nicht auf Bitten einer Partei - nota bene: der habsburgischen; und von konkreter militärischer Unterstützung war vollends nicht die Rede. Als den Gesandten Karls auf der Tagsatzung vom 2. Juni erneut eine Tagsatzung gewährt wurde, betraf diese schon nicht mehr die Wahlangelegenheit,

90

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 15.5.1519 (StA Marburg, PA 384, fol. 17r-20v, hier fol. 17v). 91

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 15.5.1519 (StA Marburg, PA 384, fol. 17r-20v, hier fol. 18r). 92

EA 3/2, Nr. 780, S. 1169.

B. Die Eidgenossenschaft und die Wahl Karls V.

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sondern allein die Bündnisverhandlungen. Dem Ziel, die Eidgenossen für ein weitreichendes Bündnis zu gewinnen, hatte die Entsendung Zevenbergens in die Schweiz in erster Linie gegolten. Dies wird leicht übersehen, vor allem auch, weil Zevenbergen erstmals im März 1519 in der Eidgenossenschaft auftauchte, was den Zusammenhang mit der Wahl nahelegt. Sein Auftrag war aber bereits wesentlich älter, und an ihm hatte sich auch durch den Tod Maximilians grundsätzlich nichts geändert. Bedingt durch den Tod des Kaisers waren indessen drei weitere Problemkreise hinzugekommen: die Wahl des römischen Königs, der württembergische Konflikt und die Ansprüche zahlreicher Gläubiger Maximilians, die massiv auf die Bezahlung ihrer Außenstände drängten. Insbesondere den ersten beiden Punkten galt aufgrund der Dramatik der Ereignisse die Aufmerksamkeit der zeitgenössischen Beobachter wie der späteren Historiker. Dies erscheint insoweit paradox, als gerade diese Punkte innerhalb der Eidgenossenschaft kaum umstritten waren und die eidgenössischen Entscheidungen sich hier außergewöhnlich rasch abzeichneten. Demgegenüber verlief das Ringen der Habsburger und Franzosen um die Verfügungsgewalt über die eidgenössischen Söldner zwar vergleichsweise unspektakulär, aber die wirklich zähen Verhandlungen fanden allein auf diesem Gebiet statt, wobei der Ausgang dieses Ringens 1519 noch keineswegs abzusehen war. Die Entsendung Zevenbergens in die Schweiz im Frühjahr 1519 gehört somit in eine lange Reihe ähnlicher Missionen vorher und nachher 93. Durch das zeitliche Zusammentreffen dieser Gesandtschaft mit dem Wahlkampf widerfuhr dieser Mission gesteigerte Aufmerksamkeit; sie wurde dadurch aber auch erschwert, da insbesondere die Frage der Schulden Maximilians die Verhandlungen zumindest zu Beginn stark belastete. Die im Grunde routinemäßigen Bündnisverhandlungen gerieten durch den Tod Maximilians unversehens in die weitgefächerten Bemühungen um eine "Pflege der politischen Landschaft", um die sich unzählige Gesandte in diesen Monaten quer durch das Reich und darüber hinaus bemühten. Für die Frage nach der Reichszugehörigkeit der Eidgenossen sind diese Verhandlungen, auch wo sie direkt die Kaiserwahl betreffen, nicht aussagekräftig. Karl wandte sich nicht an die Eidgenossen, weil sie Reichsglieder waren, sondern weil er sie als relevante politische Kraft in diesem Ringen, das über eine Entscheidung innerhalb des Reichs weit hinausging, einschätzte.

93

Zevenbergen selbst war in dieser Frage erneut im August 1519 und im Frühjahr 1521 in der Schweiz tätig.

Die Eidgenossenschaft und das Auch daß die Eidgenossen sich über das Ansinnen Karls nicht nur nicht befremdet zeigten, sondern sogar wie gewünscht eine Empfehlung aussprachen, sollte nicht vorschnell als Ausweis ihrer Zugehörigkeit zum Reich interpretiert werden 94 .

94

Eindeutige Aussagen der Eidgenossen etwa der Art, daß sie an der Wahl interessiert seien, weil dabei über ihr Oberhaupt, ihren Herrn, entschieden werde, fehlen jedenfalls.

C. Das Reich als Legitimationsbasis für die Eidgenossenschaft: Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen Die Legitimierung von Herrschaft im Reich war nicht nur im Mittelalter, sondern bis weit in die Neuzeit hinein nur durch den König bzw. Kaiser möglich. So trugen die Reichsfürsten ihre Herrschaften vom König zu Lehen; die außerhalb des Lehensrechts stehenden - Reichsstädte waren auf die Privilegierung durch den König angewiesen. Diese Wirksamkeit älterer Rechtsschichten der Reichsverfassung auch noch nach den durch die Reichsreform bewirkten Strukturveränderungen ist freilich erst allmählich ins Bewußtsein der Forschung getreten. Deshalb wurde bislang auch nicht gefragt, wie lange die Eidgenossen an der Legitimierung ihrer Herrschaft durch König und Reich festhielten, die ihnen im Mittelalter ganz selbstverständlich gewesen war. Denn solange sie glaubten, auf diese Legitimierung angewiesen zu sein, verstanden sie sich zweifelsfrei als zum Reich gehörig.

I. Die Eidgenossenschaft als Bund reichsunmittelbarer Städte und Länder Die Eidgenossenschaft, auf deren Bedeutung Maximilian I. seinen Enkel so nachdrücklich hingewiesen hatte1, war ein Bund reichsunmittelbarer Städte und Länder, d.h. die dreizehn Orte gründeten die Legitimation ihrer Herrschaft allesamt direkt auf das Reich, genauer: auf königliche bzw. kaiserliche Privilegierung. Diese Einheitlichkeit der reichsrechtlichen Stellung war freilich erst das Ergebnis eines langandauernden Prozesses gewesen. Zu dem Geflecht von Bünden, das dann die Eidgenossenschaft wurde, hatten sich nämlich nicht von Anfang an nur reichsunmittelbare Herrschaften zusammengeschlossen. Vielmehr scheint die Verbindung mit reichsunmittelbaren Bundesgenossen den unter ei-

1

Maximilian an Karl, Innsbruck, 18.5.1518 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 40, S. 125-133, hier S. 131). Vgl. oben, S. 39. 5 Braun

Die Eidgenossenschaft und das

66

ner Landesherrschaft - notabene: zumeist der habsburgischen - stehenden Verbündeten die Erlangung der Reichsunmittelbarkeit erleichtert zu haben. So schlossen sich im Bund von 12912 die reichsunmittelbaren Uri und Schwyz3 mit Unterwaiden zusammen, das keine entsprechenden königlichen Privilegien vorweisen konnte, ohne daß aber die Bundesurkunde irgendeinen Hinweis auf den unterschiedlichen Status der Partner enthielt. Knapp 30 Jahre später hatte dann auch Unterwaiden den entscheidenden Schritt in Richtung Reichsunmittelbarkeit getan, und zwar offensichtlich gerade aufgrund der Verbindung mit Uri und Schwyz. Am 3. Juni 1309 verlieh nämlich König Heinrich VII. in gleichlautenden Urkunden Uri, Schwyz und Unterwaiden die Befreiung vonfremden Gerichten4. 1332 verbanden sich diese drei Orte mit der österreichischen Landstadt Luzern. An deren rechtlichem Status als Landstadt hatte sich auch noch nichts geändert, als Luzern 1351 den Bünden mit Zürich und Zug beitrat5. Praktisch freilich verfolgte Luzern eine Politik, die gegen die habsburgische Herrschaft und auf die Erlangung einer möglichst unabhängigen Stellung ausgerichtet war 6 , doch dauerte es einige weitere Jahrzehnte, bis diese Politik auch juristisch Früchte trug: Am 16. Oktober 1379 verlieh König Wenzel der Stadt die Freiheit von fremder Gerichtsbarkeit und das Recht, Geächtete aufzunehmen; 1390 er-

2

Einen guten Überblick über die Entstehung der Eidgenossenschaft gibt unter Darstellung der Hauptkontroversen und Diskussion der wichtigsten älteren Literatur P. Blickle, Friede und Verfassung. Voraussetzungen und Folgen der Eidgenossenschaft von 1291, in: Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft. Jubiläumsschrift 700 Jahre Eidgenossenschaft, hrg. vom Hist. Verein der Fünf Orte, 2 Bde., Ölten 1990, Bd. 1, S. 15-202. 3

Urkunde König Heinrichs (VII.) für Uri 1231 (QWI/1, Nr. 325, S. 152f.); Urkunde Friedrichs II. für Schwyz 1240 (ebd., Nr. 422, S. 197f.). 4

QW1/2, Nr. 480.

5

Deshalb behielt sich Luzem sowohl in dem Bund mit Zürich (QW 1/3, Nr. 942, Art. 14) als auch in dem Bund mit Zug (ebd., Nr. 995, Art. 14) die Rechte des österreichischen Herzogs vor. Daß Luzem dem Bund der drei Waldstätte und Zürichs mit Glarus fernblieb, wird allgemein ebenfalls als Rücksichtnahme auf Österreich interpretiert, da dieser Bund keinen Vorbehalt der Rechte Österreichs enthielt (Dierauer, Geschichte 1, S. 189; Mommsen, Eidgenossen, S. 223). 6

In den Auseinandersetzungen zwischen Zürich und Habsburg Mitte des 14. Jahrhunderts hatte Luzem Partei für Zürich und gegen Habsburg ergriffen.

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

67

hielt die Stadt von Wenzel auch den Blutbann7. Dies bedeutete die juristische Anerkennung der gewachsenen Unabhängigkeit von Österreich. Die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft hat Luzern demnach zunächst zu einem größeren Handlungsspielraum gegenüber Österreich und letztlich zur - endgültig 1415 bestätigten - Reichsunmittelbarkeit verholfen. Zürich und Bern hingegen bedurften nicht erst des Bundes mit den Waldstätten, um die Reichsfreiheit zu erlangen, da beide Städte bereits seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts nur noch die Oberhoheit des Königs anerkennen mußten8. Dieses Konglomerat von mehr oder weniger reichsfreien Städten und Ländern bat König Sigismund nach der Verhängung der Reichsacht gegen Herzog Friedrich IV. von Österreich am 30. März 1415 um Hilfe bei der Eroberung der österreichischen Gebiete im Aargau9. Als Gegenleistung bestätigte er den Orten in einer summarischen Privilegienbestätigung, für die Peyer den schönen Ausdruck "Privilegienregen" geprägt hat 10 , die wichtigsten, mit der Reichsunmittelbarkeit verbundenen Rechte wie Blutbann und Gerichtshoheit. Davon profitierten vor allem die Orte mit minderer reichsrechtlicher Stellung wie Zug und Glarus. Hier zeigt sich also erneut die Interdependenz von Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft und Reichsunmittelbarkeit. Die Privilegienbestätigungen erneuerte Sigismund nach seiner Krönung zum Kaiser 1433 n . In der Hauptsache, nämlich der unmittelbaren Stellung zum Reich, waren die eidgenössischen Orte nunmehr gleich. Doch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihr "Pri7

Mommsen, Eidgenossen, S. 223.

8

1219 erhielt Zürich von Friedrich II. die Bestätigung der Reichsfreiheit (Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, 13 Bde., Zürich 1888-1957, Bd. 1, Nr. 385). Bern erhielt nach dem Tod des letzten Zähringers 1218 die Reichsfreiheit und konnte sie trotz verschiedener Gefährdungen während des Interregnums auch auf Dauer behaupten (Handbuch 1, S. 217f.). 9

Zu diesem Themenkomplex siehe Schuler-Alder,

10

Peyer, Verfassungsgeschichte, S. 15.

11

Reichsprivilegien.

Als Sigismund nach seiner Kaiserkrönung auf der Rückreise von Italien in Basel beim Konzil Station machte, nutzten Uri, Luzern, Unterwaiden, Zug, Bern, Glarus und Schwyz die Gelegenheit und ließen sich ihre Privilegien bestätigen, ebenso Solothum (Schuler-Alder, Reichsprivilegien, S. 229-231). Zürich hatte sogar eine Gesandtschaft mit Bürgermeister Rudolf Stüssi an der Spitze nach Rom zur Kaiserkrönung entsandt und ließ sich - besonders prestigeträchtig - vom frisch gekrönten Kaiser die städtischen Privilegien noch in Rom bestätigen (Dändliker, Geschichte Zürichs 2, S. 29 mit Verweis auf Öchsli, Beziehungen, S. 381; Schuler-Alder, Reichsprivilegien, S. 228f.). *

Die Eidgenossenschaft und das

68

vilegienschatz" nach wie vor sehr unterschiedlich war 1 2 , von der realen Macht ganz zu schweigen. 1481 verbanden sich die acht - von nun an "alte" genannten - Orte mit Solothurn und Freiburg, zwei Reichsstädten13, die bereits seit langem ihre Politik eng an die Berns angelehnt hatten14. Mit Basel und Schaffhausen fanden 1501 zwei weitere Reichsstädte Aufnahme in die Eidgenossenschaft 15. Der Beitritt Appenzells 1513 komplettierte dann den Bestand vollberechtigter Orte der Eidgenossenschaft 16.

12

Bern und Zürich waren nicht nur die mächtigsten eidgenössischen Städte, sie waren von den Königen auch am reichsten mit Privilegien bedacht worden. Bern z.B. hatte, was seine Privilegien anbelangt, eine Stellung erreicht, die der bedeutender Reichsflirsten entsprach (Schuler-Alder, Reichsprivilegien, S. 29). 13

Während Solothum wie Bern nach dem Aussterben der Zähringer 1218 Reichsstadt geworden war und diese Freiheit trotz verschiedener Anfechtungen auch bewahren konnte, hatte Freiburg die Reichsunmittelbarkeit erst 1477 mit der durch Bern erwirkten Entlassung aus dem savoyischen Untertanenverhältnis, in das sich die Stadt 1452 aus Enttäuschung über den mangelnden Schutz durch den österreichischen Landesherrn geflüchtet hatte, erreicht. 14

Dies gilt vor allem für Solothum, das bereits seit 1295 mit Bern verbündet war, seit 1345 gar auf ewig. Nach dem Beitritt Berns zur Eidgenossenschaft orientierte auch Solothum seine Politik enger an diesem Bund; gemeinsam kämpften Solothum und die Eidgenossen 1382/83 gegen die Kiburger und 1386-89 gegen Österreich und dessen Verbündete. Zwar wurde Solothum aufgrund dieser engen Zusammenarbeit in den Sempacherbrief von 1393 einbezogen; Gesuche um eine Aufnahme in die Eidgenossenschaft als vollberechtigter Ort wurden 1411 und 1451 jedoch abschlägig beschieden, nicht zuletzt aus Sorge um das labile Gleichgewicht zwischen Städte- und Länderorten. Es bedurfte dann erst des Stanser Verkommnisses, um diesen Konflikt so weit zu entschärfen, daß mit Solothum und Freiburg zwei weitere Städte in die Eidgenossenschaft aufgenommen werden konnten. 15

Basel war eine sogenannte Freie Stadt, doch hatte sich deren Rechtsposition im 15. Jahrhundert der - schlechteren - der Reichsstädte angeglichen. Schaffhausen hatte im Zusammenhang mit den Ereignissen rund um die Ächtung Herzog Friedrichs IV. von Österreich die Reichsfreiheit erlangt und in der Folgezeit bei den Eidgenossen Rückhalt gegen die österreichischen Versuche, die Stadt erneut unter österreichische Herrschaft zu bringen, gesucht (1454 Bund mit Zürich, Bern, Luzem, Schwyz, Zug, Glarus auf 25 Jahre (EA 2, Beilage Nr. 34), 1479 erneuert unter Beitritt Uris und Unterwaldens). 16

S. 47).

Appenzell hatte 1507 die Reichsfreiheit erlangt (Peyer, Verfassungsgeschichte,

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

69

II. Die Frage der Privilegienbestätigungen unter Friedrich III. und Maximilian I. Nachdem die acht alten Orte durch die Privilegierungen Sigismunds seit 1415 allesamt gleichermaßen unbestreitbar reichsunmittelbar geworden waren, bemühten sie sich entsprechend dem allgemeinen Usus auch bei Sigismunds Nachfolgern um eine Bestätigung ihrer Privilegien. Bei Friedrich III. trafen sie dabei allerdings auf hartnäckigen Widerstand, da er die Frage der Privilegienbestätigung mit der Forderung nach Rückgabe der ehemals habsburgischen Gebiete in der Eidgenossenschaft verband. Bereits bei der ersten Kontaktaufhahme der Eidgenossen zum neugewählten König anläßlich Friedrichs Aufenthalt in Freiburg i.Ü. 1442 zeigte sich die Unvereinbarkeit der Positionen beider Seiten: Auf die Bitte um Bestätigung ihrer Privilegien wies der König die Boten der eidgenössischen Orte an, ihn in Konstanz erneut aufzusuchen, um ihnen dann dort freilich die gewünschte Bestätigung zu verweigern 17. Auf den Zusammenhang zwischen dieser Weigerung und der Frage der habsburgischen Gebiete im Aargau deutet auch die Tatsache, daß Uri, das sich nicht an der Eroberung des Aargaus beteiligt und keinen Anteil an dessen Verwaltung hatte, von dieser "Bestrafungsaktion" ausgespart blieb und seine Privilegien konfirmiert bekam 18 . Rätselhaft bleibt allerdings, weshalb ausgerechnet Bern, das 1415 die treibende Kraft gewesen war, eine Privilegienbestätigung erlangte 19, wenn auch nicht beim ersten Versuch 20.

17

Niederstätter, Die ersten Regierungsjahre, S. 125f., geht in der Interpretation dieses Vorfalls sogar noch weiter, indem er der Privilegienverweigerung in Konstanz einen erheblichen symbolischen Charakter beimißt: In Konstanz hatte König Sigismund 1415 Herzog Friedrich IV. geächtet, hatte also der Verlust des Aargaus für Österreich seinen Anfang genommen, "am selben Ort wollte Friedrich III. nun einen entscheidenden Akt zur Wiedergewinnung der damals verlorenen Gebiete setzen, indem er den Eidgenossen unter Hinweis auf sein von ihnen zurückgehaltenes väterliches Erbe die Ausstellung von Konfirmationen verweigerte". 18 19

Chmel, Regesta, Nr. 1171.

SRQ Bern, Stadtrechte 4/1, Nr. 152d, S. 199f.; Chmel, Regesta, Nr. 1201. Die Erklärung Niederstätters, daß der König Bern "damit wohl in Verlegenheit bringen wollte", ist allzu dürftig und unterstreicht im Grunde nur, daß auch er sich diese Konfirmation nicht erklären kann (Niederstätter, Die ersten Regierungsjahre, S. 126, Anm. 59); ebenfalls unsicher: Berger, Der Alte Zürichkrieg, S. 113.

70

Die Eidgenossenschaft und das Nicht betroffen von der königlichen Weigerung war auch Zürich. Während

der ersten Regierungsjahre Friedrichs III. kam es zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Zürich und dem König, als Zürich sich in den Auseinandersetzungen mit Schwyz um das toggenburgische Erbe nach Verbündeten außerhalb der Eidgenossenschaft umsah, da die anderen Orte Schwyz unterstützten. Bei den Verhandlungen um ein Bündnis zwischen Zürich und Friedrich III. war die Privilegienbestätigung Bestandteil der zürcherischen Forderungen 21. Zwar kam Friedrich III. der Bitte nach und bestätigte der Stadt unter dem Datum des 17. Juni 1442, dem Tag seiner Krönung in Aachen, die städtischen Privilegien 22 ; aber auch in diesem Fall hatte die Diskussion um die habsburgischen Besitzungen in der Eidgenossenschaft den Gang der Verhandlungen verzögert 23. Noch Jahrzehnte später markierte das Problem der ausstehenden Privilegienbestätigungen den neuralgischen Punkt in den Beziehungen zwischen Friedrich III. und den Eidgenossen24. Besonders deutlich trat dies im Jahre 1473 bei einem Treffen des Kaisers mit den Boten der eidgenössischen Orte in Basel zutage25. Nachdem die Forderung Friedrichs nach Rückgabe aller Öster20

Die Stadt hatte nämlich ihre Gesandten bereits auf den ersten Tag des neuen Herrschers im Sommer 1442 nach Frankfurt geschickt. Daß ein Zweck der Gesandtschaft in der Erlangung der Privilegienbestätigung bestand und daß Friedrich diese offenbar an Bedingungen knüpfte, die den Gesandten und ihren Oberen unannehmbar zu sein schienen, geht aus dem Bemer Schreiben an die Gesandten hervor, in denen diesen erlaubt wird, auch ohne Privilegienbestätigung heimzukehren, falls diese nicht "ane furwort und inzug" zu erlangen sei (RTA ÄR 16, Nr. 251, S. 620). 21

Dazu ausführlich Nieder stätter, Der Alte Zürichkrieg.

22

Nieder stätter, Der Alte Zürichkrieg, Quellenanhang, Nr. 14-16.

23

Nieder stätter, Der Alte Zürichkrieg, S. 98-117.

24

Nach der Kaiserkrönung Friedrichs 1452 berieten die Eidgenossen über eine Gesandtschaft zu Friedrich zur Einholung der Privilegienbestätigungen (EA 2, Nr. 410 und 417), ohne daß es jedoch zu einer entsprechenden Initiative kam. 25

Friedrich befand sich gerade auf der Reise nach Trier zu der Begegnung mit Karl dem Kühnen. Über den Gang der Verhandlungen in Basel geben zwei Quellen Auskunft. Das Diarium des Basler Domherrn Johannes Knebel (gedruckt in: Basier Chroniken 2, hrg. v. Wilhelm Vischer und Heinrich Boos, Leipzig 1880, S. 5-10) gibt im Anschluß an die (nicht genauer wiedergegebene) Aufforderung Friedrichs, dem Haus Österreich das ihm Weggenommene zurückzugeben, ausführlich die Rechtfertigungsrede des Bemer Boten Nikolaus von Diesbach wieder, in der dieser die Rechtmäßigkeit der Gebietserwerbungen seit 1386 darlegt. Der daraufhin von Friedrich vorgelegte

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

71

reich abgenommenen Gebiete von den Eidgenossen als unzumutbar zurückgewiesen worden war 2 6 , präsentierte Friedrich einen Kompromißvorschlag. Darin unterschied er - allerdings ohne die Gebiete zu benennen - zwischen älteren Verlusten, die Österreich später den Eidgenossen pfandweise überlassen hatte und dem Aargau. Für beide Arten von Gebieten verlangte er nicht deren sofortige Rückgabe, sondern letztlich nur die Anerkennung der österreichischen Rechtsansprüche. Im Detail schlug Friedrich vor: Das Land, das die Eidgenossen als österreichisches Pfand innehatten, also die ehemals österreichischen Gebiete, die die Eidgenossenschaft sich im Sempacherkrieg angeeignet und die Österreich dann im Friedensvertrag von 1394 oder später offiziell an die Eidgenossen, genauer gesagt: einzelne eidgenössische Orte, verpfändet hatte, sollte "zue loesen geben wurden"27. Nach eidgenössischer Auffassung hatte Österreich nämlich 1415 das Wiedereinlösungsrecht auf diese Pfandschaften verloren, und genau dieses Wiedereinlösungsrecht Österreichs wollte Friedrich in seinem Vorschlag anerkannt wissen28. Das Land jedoch, das die Eidgenossen Österreich im Krieg abgenommen hatten, sollte den Eidgenossen gegen eine hohe Pfandsumme von Österreich verpfändet werden. Die Eidgenossenschaft sollte ausdrücklich bestätigen, daß Österreich stets das Recht zur Einlösung der Pfandschaft habe, um damit klarzustellen, daß Österreich sich keiner Rechte begebe. Dieser Passus betrifft eindeutig den Aargau, und zwar nur den Aargau29. Da Friedrich III. die Ächtung Herzog Fried-

Kompromißvorschlag findet sich in einem Bericht der Räte Herzog Sigmunds (gedruckt in: Chmel, Actenstücke und Briefe 1/1, Nr. 10, S. 41-44; die hier interessierende Stelle aufS. 43). 26

Knebel, S. 59 und Chmel, Actenstücke und Briefe 1/1, S. 43.

27

Chmel, Actenstücke und Briefe 1/1, S. 43.

28

Die Gebiete, um die es dabei ging, werden nirgends explizit genannt, sie lassen sich nur aufgrund der Argumentation und der vorgetragenen Rechtsauffassung rekonstruieren. Zu den hier gemeinten Gebieten gehören auf jeden Fall Rotenburg, Entlebuch und Ruswil, möglicherweise auch Sempach und Einsiedeln; vgl. Gasser, Die territoriale Entwicklung, S. 46-50. 29

Auch hier fehlt eine explizite Nennung der Gebiete im Text. Die Beschreibung "im Krieg abgenommen" trifft selbstverständlich noch auf weitere Gebiete zu (z.B. auch auf den Thurgau, im Grunde aber auf alle ehemals österreichischen Gebiete, die nicht an die Eidgenossenschaft verpfändet waren, so auch Luzem, Glarus, Zug). Es ist jedoch vollkommen unvorstellbar, daß die Eidgenossen sich darauf eingelassen hätten, Gebiete, deren Abtretung Österreich in Friedensverträgen zugestimmt hatte, nun pfandweise zu erwerben. Bezüglich dieser Gebiete waren die Eidgenossen in einer gesicherten Rechtslage, was selbstverständlich auch Österreich wußte (so ärgerlich für Friedrich III.

Die Eidgenossenschaft und das

72

richsIV. als unrechtmäßig ansah, stellte die Eroberung des Aargaus für ihn einen widerrechtlichen Kriegszug dar. Wenn die Eidgenossenschaft diese Gebiete jetzt als österreichisches Pfand (und also nicht als von Sigismund verliehene Reichspfandschaft) erhalten sollte, wurde damit der österreichische Rechtsstandpunkt, daß es sich nämlich um österreichisches Gebiet handle, bestätigt, ohne daß sich an den realen Besitzverhältnissen zunächst etwas änderte. Obwohl die Umwandlung von einer Reichs- in eine österreichische Pfandschaft für die Eidgenossen auf den ersten Blick wie eine Verschlechterung ihrer Position erscheinen mag30, konnten auch sie mit diesem Vorschlag zufrieden sein. Da Österreich die Folgen von 1415 nie anerkannt hatte, mußten die Eidgenossen stets mit einer gewaltsamen Revision der damals geschaffenen Besitzstände rechnen, die Personalunion von Haupt des Hauses Österreich und Reichsoberhaupt vergrößerte zudem die Möglichkeiten zur Durchsetzung des österreichischen Rechtsstandpunktes. Wenn die Eidgenossen den Aargau nun als österreichisches Pfand erhielten, waren sie Österreich gegenüber rechtlich abgesichert, und angesichts der chronischen Finanzmisere Österreichs mochte ihnen bei der vorgeschlagenen hohen Pfandsumme das Risiko einer Wiedereinlösung als nicht allzu groß erscheinen. Von daher erscheint auch ihre Zufriedenheit mit Friedrichs Vorschlag verständlich31. Der vielversprechende Kompromiß wurde freilich nicht Realität, ohne daß wir die Ursachen dafür kennen32. Die Mehrzahl der eidgenössischen Orte wartete also nach über vier Jahrzehnten der Herrschaft Friedrichs weiter vergeblich auf eine Bestätigung ihrer Privilegien - und daran sollte sich auch nichts ändern, solange Friedrich in diesem Punkt das alleinige Sagen hatte 33 . natürlich gerade der erst 13 Jahre zurückliegende Verlust des Thurgaus sein mußte), bezüglich des Aargaus indessen nicht. 30

Ganz abgesehen davon, daß sie zunächst die Pfandsumme hätten entrichten müs-

sen. 31

Chmel, Actenstücke und Briefe 1/1, S. 43.

32

Auf der Tagsatzung vom 22.9.1473 wurden die Boten beauftragt, auf den nächsten Tag eine Antwort mitzubringen, ob sie dem Kaiser einen Tag zu Augsburg leisten wollten (EA 2, Nr. 720, S. 457). Da von anderen Verhandlungen mit Friedrich nichts bekannt ist, ist anzunehmen, daß es um einen Tag zur Beantwortung der Basler Vorschläge Friedrichs ging. 33

Gegen Ende der Regierungszeit Friedrichs verwendeten die Eidgenossen dann ihrerseits die ihnen verweigerte Privilegienbestätigung als Argument, wenn von Seiten des Kaisers eine Bitte an sie herangetragen wurde. Mit nicht zu überbietender Deutlichkeit formulierten sie ihren Standpunkt, als Friedrich sie 1481 um die Entsendung einer Botschaft an den Kaiserhof bat. Dem kaiserlichen Gesandten auf der Tagsatzung antworteten sie: "... nachdem vnd aber der Keiser vns bißhar vnser fryheiten nit hat wollen bestätigen, als andern des Richs Glidern vnd er vns allwegen ein vngnädiger Herr ge-

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

73

Eine neue Chance zur Sicherung ihrer reichsrechtlichen Position ergab sich für die Eidgenossen deshalb erst mit der Wahl Maximilians zum Römischen König am 12. Februar 1486. Dem neuen König und - angesichts der Kinderlosigkeit und des Alters Herzog Sigmunds - präsumtiven Erben der Vorlande mußte an einem Ausgleich mit den Eidgenossen gelegen sein, um einen möglichen Unruheherd auszuschalten. Solange nämlich die Eidgenossen in einer derart ungesicherten Position wie unter Friedrich III. verblieben, der ihnen sowohl die reichsrechtliche Sicherung durch die Bestätigung ihrer Privilegien als auch die Sicherung ihres territorialen Besitzstandes verweigerte, waren sie der gegebene Adressat für jede antihabsburgische Opposition. Herzog Sigmund hatte bereits seit längerem versucht, Maximilian auf seine Politik einer Zusammenarbeit mit den Eidgenossen einzuschwören34. Durch seine Bereitschaft, eine Vereinigung mit sieben eidgenössischen Orten einzugehen35, machte Maximilian 1487 deutlich, daß er in der Politik gegenüber den Eidgenossen mit der starren Haltung seines Vaters brechen wollte. In der Vertragsurkunde vom 14. September 1487 sagte Maximilian den eidgenössischen Orten die Bestätigung ihrer

wesen ist, ouch das wir, es sye gen Basell, gen Ougspurg oder gen Costenz, dahin er vns hat beschriben, Im nachgeritten vnd aber so gar verachtet worden sind, das wir nie nüt gutes oder gnaden von Im haben mögen ervolgen, sind wir nit willig, sölicher Vngnad also wyter zu erwarten" (EA3/1, Nr. 113, S. 101f.). Auch auf die Bitte Friedrichs um Reichshilfe gegen Burgund begründeten einige Orte ihre Ablehnung mit der Verweigerung der Privilegienbestätigung durch Friedrich (Öchsli, Beziehungen, S. 470). 34

Seit 1477 hatte Sigmund eine Einbeziehung Maximilians in die Ewige Richtung von 1474, die seine Auseinandersetzungen mit den Eidgenossen beendet hatte, angestrebt (Hegi, Die geächteten Räte, S. 137). 35

Text: EA 3/1, Beilage Nr. 22. Die Vereinigung erlangte allerdings keine Rechtskraft: Zuerst verweigerten Uri, Unterwaiden und Freiburg die Besiegelung des Vertrages, und ein Jahr nach Abschluß der Vereinigung war endgültig klar, daß diese nicht realisiert würde, nachdem auch die verbliebenen vier Orte Zürich, Bern, Zug und Solothum die Ratifikation des auf die vier Orte umgeschriebenen Vertrages (StA Zürich, CI, Nr. 1408) abgelehnt hatten. Der Text ist bis auf die durch die Umschreibung auf die vier Orte notwendig gewordenen Änderungen identisch mit dem Vertragstext vom 14.9.1487. Die Urkunde ist im StA Zürich in doppelter Ausfertigung vorhanden und trägt an beiden Exemplaren nur das Siegel Maximilians. Die beiden Urkunden waren also offensichtlich von Maximilian nach Zürich gesandt worden, damit die eidgenössischen Orte ihre Siegel anbringen und anschließend ein Exemplar zum König zurückschicken konnten. Da aber mittlerweile keiner der eidgenössischen Orte mehr zu dieser Vereinigung bereit war, verblieben beide Urkunden in Zürich.

Die Eidgenossenschaft und das

74

Privilegien zu 3 6 ; im November 1487 kam der König seiner Verpflichtung nach und bestätigte Zürich, Bern, Uri, Unterwaiden, Zug, Freiburg und Solothurn ihre Privilegien 37. Glarus mußte auf die Bestätigung seiner Privilegien dagegen fast bis zum Ende der Regierungszeit Maximilians warten: Erst 1515 bestätigte der Kaiser die Freiheitsbriefe des Landes38.

III. Die Privilegienbestätigungen durch Karl V. und Ferdinand I. Wie bei manchen anderen Reichsgliedern auch, war die Weigerung der Eidgenossen, sich dem in Worms 1495 eingeleiteten Reformprozeß anzuschließen und sich den neugeschaffenen Institutionen zu unterwerfen, keinesfalls als Tendenz zum Verlassen des Reichs zu verstehen; ungeachtet aller Selbständigkeit und Unabhängigkeit ihrer Politik konnten sich die eidgenössischen Orte die Legitimation ihrer eigenen Herrschaft ja nicht anders als durch König und Reich vorstellen. Diese Legitimation der einzelörtischen Herrschaft erfolgte vor allem durch die königlichen und kaiserlichen Privilegien; die Gesuche um Privilegienbestätigung bei den jeweiligen Königen und Kaisern bilden deshalb das deutlichste Zeichen für die Reichszugehörigkeit der Eidgenossen und die Existenz eines mehr oder weniger lebendigen Reichsbewußtseins in den eidgenössischen Orten. 36

EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 728. Wie wichtig für die Eidgenossen gerade die Bestätigung der Privilegien war, erhellt aus den Tagsatzungen im Sommer 1487, nachdem die grundsätzliche Bereitschaft zum Abschluß der Vereinigung gesichert erschien. Die Eidgenossen gingen dabei sogar so weit, daß sie den Gesandten Maximilians die Bundesurkunde nur im Austausch gegen die Privilegienbestätigungen aushändigen wollten (ebd., Nr. 299, S. 268). An dieser Bedingung wurde dann im weiteren Verlauf zwar nicht festgehalten, doch zeigen auch die folgenden Tagsatzungen, wie sehr die Privilegienbestätigungen für die Eidgenossen im Vordergrund standen (ebd., Nr. 302, S. 273; Nr. 309, S. 277). 37

Bern gab sich damit jedoch nicht zufrieden, sondern beauftragte seinen Gesandten zum Reichstag 1489, Maximilian nicht nur für die Privilegienbestätigung zu danken, sondern ihn auch zu bitten, sich dafür einzusetzen, daß Kaiser Friedrich III. der Stadt ihre Privilegien ebenfalls bestätige (RTA MR 3/1, Nr. 231g, S. 894). Damit wäre die Berner "Privilegienkette" lückenlos gewesen, denn als König hatte ihnen Friedrich III. die städtischen Freiheiten ja bereits 1442 bestätigt. 38

Jürg Davatz (Hrg.), Glarus und die Schweiz, Glarus 1991, S. 22. Über Privilegienbestätigungen Maximilians für Luzem und Schwyz liegen keine Nachrichten vor.

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

75

So nimmt es nicht wunder, daß die meisten eidgenössischen Orte sich von Karl V. ihre Privilegien bestätigen ließen. Seine grundsätzliche Bereitschaft dazu hatte Karl den Eidgenossen bereits in seiner Einladung nach Worms angekündigt, so wie allen anderen Ständen des Reichs auch 39 . Einige Orte nutzten denn auch den ersten Reichstag des neuen Herrschers, um sich ihre Privilegien bestätigen zu lassen, nämlich Zürich 40 , U r i 4 1 und Schaffhausen 42, außerdem St. Gallen 43 , Stein am Rhein 44 und Chur 45 . Die Orte wandten sich allerdings - mit Ausnahme St. Gallens - nicht direkt durch die Entsendung eines Boten an Karl, sondern offenbar schriftlich oder über die in der Eidgenossenschaft tätigen Gesandten Karls 46 . Besonders reichlich mit Privilegien bedacht wurde Zürich. Unter dem Datum des 16. Mai 1521 wurden insgesamt sechs Urkunden für Zürich ausgefertigt 47, 39

RTA JR 2, Nr. 2. Die Gesandten Karls wiederholten auf der Tagsatzung in Zürich am 1.12.1520 diese Bereitschaft Karls (EA 3/2, Nr. 845, S. 1269). 40

StA Zürich, CI, Nr. 315-320; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1404-1409.

41

Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1458.

42

Hans Betz, Stadtschreiber von Schaffhausen an Veit Sutor, 19.4.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 69r); Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1465. 43

Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 602.

44

Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1396.

45

Veit Sutor und Wolf von Homburg an Karl, [Zürich, Mai 1521] (HHStA Wien, Schweiz 5/3, fol. 57r-60v, hier fol. 60r); Jakob Sturtzel und Veit Sutor an Karl, Zürich, 19.6.1521 (ebd., fol. 60r-65r, hier fol. 63v); Karls Gesandte in der Eidgenossenschaft an Karl, Zürich, 8.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/2, fol. llr-12v, 21r-22r, hier fol. 21r); [Jakob Sturtzel und Veit Sutor an Karl, Zürich, August 1521] (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. 11 lr-v, 123r-v, 119r-122r, hier fol. 122r). 46

So scheinen sich Uri und Schaffhausen in dieser Sache an die kaiserlichen Gesandten in Zürich gewandt zu haben. Karl nimmt in seiner Antwort vom 4.5.1521 (Karl an seine Gesandten in der Eidgenossenschaft, Worms, 4.5.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 26r-28r)) auf einen (nicht erhaltenen) Brief der Gesandten vom 28.4. zu dem Begehren Uris und Schaffhausens Stellung (fol. 27v). Bürgermeister und Rat der Stadt Chur hatten dem kaiserlichen Sekretär Sutor Abschriften und Originale der Churer Freiheiten übergeben; dieser überprüfte die Übereinstimmung der Originale mit den Kopien und bat daraufhin den Kaiser um die Bestätigung der Privilegien (Veit Sutor und Wolf von Homburg an Karl, [Zürich, Mai 1521] (HHStA Wien, Schweiz 5/3, fol. 57r-60v, hier fol. 60r). 47

StA Zürich, C I, Nr. 315-320.

Die Eidgenossenschaft und das

76

in denen Karl der Stadt ihre bisherigen Freiheiten wie das Gesetzgebungsrecht 48 , die Freiheit von fremder Gerichtsbarkeit 49 sowie das Recht, den Reichsvogt selbst zu wählen 50 , bestätigte und ihr weitere Rechte gewährte. Neu waren das Recht, den Blutbann auch an Beamte und Hauptleute zu delegieren51 und gegen den Mißbrauch des Asylrechts vorzugehen52. Außerdem wurde Zürich ausdrücklich die Gültigkeit der städtischen Privilegien für alle Zukunft garantiert und der Stadt das Recht zu deren Verteidigung eingeräumt; Karl schützte Zürich also insoweit vor Eingriffen seiner Nachfolger 53. Es wurde verschiedentlich behauptet, diese reiche Privilegierung sei der Lohn dafür gewesen, daß Zürich dem am 5. Mai 1521 abgeschlossenen Soldbündnis der Eidgenossenschaft mit Frankreich nicht beigetreten war 5 4 . Dies trifft so freilich nicht zu. Bereits in einem Schreiben vom 11. April 1521 kündigte Karl seinen Gesandten in der Schweiz an, daß er ihnen die Privilegienbestätigungen für Zürich schicken wolle, damit sie diese dann übergeben könnten55. Zu diesem Zeit-

48

StA Zürich, C I, Nr. 317; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1409.

49

StA Zürich, C I, Nr. 318; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1405.

50

StA Zürich, C I, Nr. 316; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1408.

51

StA Zürich, C I, Nr. 315; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1406. Zugleich enthielt die Urkunde eine Bestätigung des Blutbanns. 52

StA Zürich, C I, Nr. 319; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1407.

53

StA Zürich, C I, Nr. 320; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1404. Darin eine Bekräftigung der Exemtionsprivilegien des Basler Friedens zu sehen (Hauswirth, Zur Realität des Reiches, S. 155), geht sicherlich zu weit. Es handelt sich hier vielmehr um einen der immer wiederkehrenden Versuche von Privilegieninhabem, nicht nur den gegenwärtigen Herrscher, sondern auch dessen Nachfolger auf die Gültigkeit der Privilegien zu verpflichten (D. Hewig, Kaiserliche Bestätigungen von Stadt- und Landrechten, Diss. München 1969, S. 47f.). Ebenso gehörten das den Zürchem eingeräumte Selbsthilferecht zum Schutz ihrer Freiheiten und die Nichtigkeitsformeln, wonach Handlungen, die einen Verstoß gegen die bestätigten Freiheiten darstellten, keine Rechtswirksamkeit erlangen sollten, durchaus zum üblichen Bestand kaiserlicher Konfirmationsbriefe (ebd., S. 67-70). Daß einer Stadt all diese Rechte gewährt wurden, bedeutete ein besonderes Entgegenkommen; insofern befand sich Zürich hier durchaus in einer hervorgehobenen Position. Ein Zusammenhang mit dem Basier Frieden ist jedoch nicht gegeben. 54

So auch Hauswirth, der hervorhebt, daß die Privilegien vom 16.5.1521 datiert sind, "wenige Tage also nach dem Abschluß des Soldbündnisses der anderen zwölf Orte mit Frankreich. Die Pergamentflut ist als Gegenleistung für die politische Haltung Zürichs zu betrachten." (Hauswirth, Zur Realität des Reiches, S. 155).

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

77

punkt war die französische Allianz noch nicht abgeschlossen, und nicht nur Zürich, sondern auch einige andere Orte waren noch unsicher, ob sie der Allianz beitreten sollten. Die Absicht Karls, Zürich reichlich zu privilegieren, stand also längst fest, bevor der Kaiser definitiv wissen konnte, wie Zürich in der Bündnisfrage entscheiden würde. Dennoch ist die Frage der Privilegienbestätigung selbstverständlich nicht unabhängig von der Bündnisfrage zu sehen. Die Erteilung oder Verweigerung von Privilegien war eben nicht nur ein formaler Akt ohne größere Bedeutung, sondern nach wie vor auch ein Mittel der Politik oder konnte dies bei entsprechenden Verhältnissen zumindest sein. Für den Fall, daß "die Sachen mit gemainer aidgnosschafft in ewer gegenwurtigen hanndlung widerwertig begegnen wurden", überließ es Karl den Gesandten, "denen von Zürich nichtdestmynnder solhe unnsere brief sonnderlich der freiheit unnd gnaden so wir inen von newem geben zu uberanntwurten oder die zubehalten"56. Selbst bei einem Beitritt Zürichs zum französischen Bündnis wäre Karl also zu einer Bestätigung und Ausweitung der Zürcher Privilegien bereit gewesen. Dies läßt sich nur so erklären, daß Karl die bisherigen Verdienste, also die traditionell pro-habsburgische Haltung der Stadt, so hoch einschätzte, daß er es für ratsam hielt, dem Wunsch Zürichs entgegenzukommen, um die Stadt so in ihrer Haltung zu bestärken. Die Motive, die die einzelnen Orte veranlaßten, sich ihre Freiheiten bestätigen zu lassen und die Auswahl des Zeitpunktes dafür lassen sich oft nicht klä-

55

Karl an seine Gesandten in der Eidgenossenschaft, Worms, 11.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 6r). Eine ähnliche Ankündigung folgte am 23.4.1521 (Karl an seine Gesandten in der Eidgenossenschaft, Worms, 23.4.1521 (ebd., fol. 3r-4r, hier fol. 3r)), doch schrieb Karl erst am 25.5., daß Sturtzel nun mit den Bestätigungen für Zürich in die Schweiz unterwegs sei (Karl an Veit Sutor, Worms, 25.5.1521 (ebd., fol. 72rv)). Drei der sechs Urkunden sind auch bereits unter dem Datum des 5. April in den Reichsregisterbüchern aufgeführt (Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1028-1030, es handelt sich dabei um die späteren Nr. 1406, 1404 und 1409). Da die Eintragungen in die Reichsregisterbücher nach den Konzepten erfolgten (ebd., Einleitung, S. XIX-XXII, bes. S. XXI), wurden die betreffenden drei Urkunden also bereits Anfang April konzipiert; ausgefertigt und expediert wurden sie allerdings erst Mitte Mai. So läßt sich auch die doppelte Eintragung der drei Urkunden in den Registerbüchem erklären. Unklar sind jedoch die Gründe für die Verzögerung. 56

Karl an seine Gesandten in der Eidgenossenschaft, Worms, 11.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI6, fol. 6r).

Die Eidgenossenschaft und das

78

ren 57 . Der Zeitpunkt Wormser Reichstag 1521 bedarf freilich keiner besonderen Erklärung, da dies - der erste Reichstag eines neuen Herrschers - der traditionell übliche Moment war. Dagegen ist z.B. unklar, was Schaffhausen gerade 1529 veranlaßte, sich die städtischen Privilegien bestätigen zu lassen58, zumal Karl der Stadt bereits 1521 eine Privilegienbestätigung erteilt hatte 59 . Ebenfalls unklar sind die Motive von Freiburg, Zug und Unterwaiden, die sich 1541 ihre Privilegien bestätigen ließen 60 . Hin und wieder nützte ein Ort die eigentlich wegen anderer Angelegenheiten erfolgte Entsendung einer Botschaft zum Kaiser, um die Bestätigung seiner Privilegien zu erbitten. So ließen sich Luzern 61 und Solothurn 62 während des Augsburger Reichstages 1530 ihre Privilegien konfirmieren. Im Zusammenhang mit Verhandlungen über ein Bündnis der fünf Orte mit Karl und Ferdinand erwogen dann 1532 auch Uri, Schwyz, Unterwaiden und Zug, sich von Karl ihre Freiheitsbriefe bestätigen zu lassen63. Daß die Bitte um Privilegien57

Es ist nicht festzustellen, ob es in den einzelnen Orten Diskussionen über diese Frage gegeben hat, ob also die Bitte um die Konfirmation der Privilegien das Ergebnis eines mehr oder weniger kontroversen Entscheidungsprozesses oder einfach das Festhalten an alten Gewohnheiten war, bzw. ob die Unterlassung einer solchen Bitte lediglich eine Nachlässigkeit darstellte. Ebensowenig ist bekannt, ob die Erteilung der Privilegienbestätigung am kaiserlichen Hof ein einfacher Routinevorgang war, oder ob im einen oder anderen Falle überlegt wurde, die Privilegienbestätigung an Bedingungen zu knüpfen. Ein solcher Gedankengang war nicht völlig abwegig: 1522 empfahlen die Reichsstände dem Kaiser, Rottweil die Privilegien nicht zu erneuern, solange die Stadt an ihrem Bündnis mit den Eidgenossen festhalte (Schmidt, Städtetag, S. 56). 58

StA Schaffhausen, Urk. 4375/1; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 3967.

59

Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1465. Während die Bestätigung von 1521 einzelne Freiheiten der Stadt aufzählte, bestätigte die Urkunde von 1529 summarisch alle der Stadt bisher von Königen und Kaisem erteilten Privilegien. Möglicherweise liegt hier das Motiv für die Bitte um eine zweite Bestätigung. 60

Freiburg: Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 7273; Zug: Bürgerarchiv Zug, Nr. 484; Unterwaiden: StA Obwalden, Urk. 121. 61

StA Luzem, Urk. 22/855; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 4854. Zu der Reise des Luzerners Jakob am Ort nach Augsburg siehe unten, S. 106f. 62

StA Solothum, H 239; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 4940. Zum Aufenthalt des Solothumer Schultheißen Hebolt in Augsburg siehe unten, S.107f. 63

EA 4/1 b, Nr. 709, S. 1330; Nr. 717, S. 1338 und 1340. Ausdrücklich wird hier auch Uri genannt, das sich bereits 1521 seine Freiheiten hatte konfirmieren lassen.

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

79

bestätigung nur ein Nebenzweck der geplanten Botschaft zum Kaiser war, sah auch die Innsbrucker Regierung; ja, sie ging in ihrer Beurteilung sogar noch einen Schritt weiter und sprach die Vermutung aus, daß die Bitte um Privilegienbestätigung lediglich ein Vorwand für die Entsendung der Botschaft sei, deren wirklichen Auftrag man geheimhalten wolle 64 . Die Botschaft unterblieb dann aber, weil die Bündnisverhandlungen ins Stocken gerieten und die politischen Umstände die Entsendung einer Botschaft nicht mehr geraten sein ließen 65 . Die Frage der Privilegienbestätigung schien freilich inzwischen eine gewisse Eigendynamik entwickelt zu haben, denn es wurde über eine Botschaft zu Karl wegen der Privilegienbestätigungen weiter debattiert, als von den Bündnisverhandlungen längst nicht mehr die Rede war. Die Abkoppelung von den Bündnisverhandlungen wird auch daraus ersichtlich, daß Schwyz sich nunmehr an Glarus mit der Frage wandte, ob es sich der Schwyzer Botschaft zum Kaiser anschließen wolle 66 . Offenbar machte sich der Schwyzer Gesandte dann aber doch allein auf den Weg, denn es existieren nur Privilegienbestätigungen für Schwyz 67 . Wenn die Informationen über die Umstände und Hintergründe der Privilegienbestätigungen im allgemeinen also recht dürftig sind, so gibt es davon doch eine Ausnahme: Die sich 1535/36 fast ein Jahr hinziehenden Bemühungen Basels, von König Ferdinand die städtischen Freiheiten konfirmiert zu bekommen, sind außerordentlich gut dokumentiert 68. Basel hatte sich seine Freiheiten zu64

Regierung Innsbruck an Bernhard von Cles, 25.5.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 5, fol. 54v-55r, hier fol. 54v). 65 66

EA 4/1 b, Nr. 721, S. 1346.

Strickler, bekannt. 67 68

Actensammlung 4, Nr. 1704, S. 597. Eine Reaktion von Glarus ist nicht

Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 6545f.

Die Verhandlungen brachten eine ansehnliche Korrespondenz zwischen Basel, Ferdinand, Karl und den von der Stadt mit der Unterstützung ihres Anliegens Betrauten hervor. Der Basler Stadtschreiber Heinrich Ryhiner legte eine Akte über die Angelegenheit an: Dabei verfaßte er einen Bericht über den ganzen Vorgang und fügte diesem Bericht zahlreiche Dokumente im Original oder in Kopie bei: StA Basel, Verfassung, Al. Die Stücke sind unnumeriert und unfoliiert, sie werden deshalb im folgenden unter Angabe des Datums zitiert. Bei den beigefügten Dokumenten handelt es sich vor allem um eingehende Korrespondenz, aber z.B. auch um die schriftliche Fassung des Vortrags der Basler Gesandten vor Ferdinand. Die ausgehende Korrespondenz ist in den Missivenbüchem erhalten. Der Bericht Ryhiners zerfällt wegen der eingefügten Stücke in drei Teile.

Die Eidgenossenschaft und das

80

letzt von Maximilian 1495 bestätigen lassen69. Daß die Stadt sich ausgerechnet jetzt, nach vierzig Jahren, an Ferdinand wandte, um von ihm eine Bestätigung der städtischen Privilegien zu erlangen, war keineswegs zufällig: Die Stadt war nämlich von Michel Hagenbach, einem ehemaligen Bürger, vor das Reichskammergericht zitiert worden, was nach Meinung der Basler Stadtoberen gegen die Freiheiten der Stadt verstieß. Diese Begründung gibt auch der Stadtschreiber Heinrich Ryhiner in seinem Bericht über den Vorgang an: Alls dann einer stat Basel ire fryheitten damit sy von dem heiigen (sie!) remischen ryche hochloblich begabt so lang alls sy ein ort loblicher eidgnoschaft gewesen by hochloblichister gedechtnuß keyser Maximiliano, keyser Carolo dem funfften auch konnig Ferdinando nit bestetigt. Ouch in vierzigk jaren ungeverlich die leuff unnd der unwylln dermassen gegen einer stat Basl gestanden das sy umb bestetigung irer fryheytten nit angesuecht. Dahar dann einer statt Basel allerley beschwerde dergestalt das ein rath von Michel Hagenbachs anruffen der stat fryheyt zu wider an das camergericht citiert, ire burger hin unnd wider mit främbden gerichten bekumbert, verbotten etc. begegneten. Und vil vermeinen wollen diewyl unnsere fryheitten so lange zyt nit bestetigt, das die nut me gelten sonder verschinnen unnd gefallen sin soltn, das aber dann die fryheitten in eewigkeyt geben nit allso gsin ist. 70 Die Stadt wurde also durch eine vermeintliche oder tatsächliche Verletzung ihrer Freiheiten veranlaßt, sich diese erneut bestätigen zu lassen. Und dies ungeachtet der Überzeugung, daß das wegen der ewigen Gültigkeit der Freiheiten eigentlich nicht nötig sei. Der Rat wollte aber offenbar sichergehen, in dieser Frage nichts versäumt zu haben. Wie wichtig der Stadt dieses Anliegen war, zeigt der enorme Aufwand, der in den folgenden Monaten getrieben wurde, um zu der gewünschten Urkunde zu gelangen. Auch daß die Stadt sich am 11. September 1535 mit einer entsprechenden Bitte an Ferdinand 71 und nicht an Karl wandte - er war zu dieser Zeit gerade auf dem Rückweg von Tunis und also 69

StA Basel, Urk. Nr. 2434. Im Basler Urkundenbuch ist die Urkunde nicht abge-

druckt. 70 71

Bericht Ryhiners, o.D. (StA Basel, Verfassung A 1).

Der Brief selbst ist nicht erhalten, aber Ferdinand erwähnt ihn in seiner Antwort vom 8.10. und referiert dessen Inhalt (Ferdinand an Basel, Wien, 8.10.1535 (StA Basel, Verfassung A 1)). Die Basler hatten Ferdinand gebeten, dem Abt von Lützel zu erlauben, ihre Stadtfreiheiten zu vidimieren, und ihnen diese dann aufgrund des Vidimus zu bestätigen. Ferdinand sagte ihnen dies zu, allerdings sollte die Anfertigung des Vidimus durch die Regierung Ensisheim oder den Abt von Murbach erfolgen.

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen schwer erreichbar

81

zeigt, wie sehr die Angelegenheit den Baslern auf den

Nägeln brannte. Üblicherweise bezogen sich Privilegienbestätigungen auf die zuletzt erteilte Bestätigung und/oder Privilegierung, in diesem Fall also auf diejenige Maximilians. Hier ergab sich nun indessen für die Basler das Problem, daß die Privilegienbestätigung Maximilians einen Passus über die Oberhoheit des Reichs enthielt 72 , den die Stadt in der neuen Urkunde keinesfalls wiederholt sehen wollte. Ferdinand sollte deshalb die Basler Freiheiten in der von Friedrich III. 1452 gewährten Form bestätigen. Ferdinand gegenüber erwähnten die Basler ihr "Problem" offenbar nicht, sondern vertrauten einfach darauf, daß Ferdinand anhand des Vidimus die gewünschte Bestätigung ausstellen würde, ohne nachforschen zu lassen, ob auch Maximilian der Stadt die Freiheiten konfirmiert hatte. Diese Rechnung der Basler ging auf. Als die Basier Gesandten am 17. Februar 1536 vor König Ferdinand in Innsbruck erschienen, ergaben sich indessen andere Schwierigkeiten. Ferdinand machte die Gesandten darauf aufmerksam, daß er noch nie Freiheiten bestätigt habe, die nicht zuvor auch schon von Karl bestätigt worden waren. Er könne Karl hier nicht vorgreifen und werde ihm deshalb den Vidimus und die Supplikation Basels schicken und ihn um die Bestätigung bitten73. Daraufhin begann ein reger Schriftverkehr, da sich Basel auf verschiedenen Wegen um eine Erledigung der Sache bemühte. Die Basier schrieben an den Hofmarschall Leonhard von Fels ebenso wie an Johann Fabri, den Bischof von Wien 72

Der beanstandete Passus lautete: "Und meinen und wellen, das sy und ir nachkumen nu furbasser dabey beleiben und sich der nach irer ynnhalltung geprauchen und geniessen sollen und mögen von allermeniglich unverhinndert doch unns unnd dem reiche unnser oberkeit und gerechtigkeit und sunst meniglich sein recht hieiynnen vorbehalten und daran unvergriffen und unschedlich" (StA Basel, Urkunde Nr. 2434). Maximilian hatte diesen Absatz mit kleinen Änderungen aus dem Privilegienbrief Friedrichs III. für Basel von 1488 übernommen und in der Urkunde von 1495 inseriert. Auf diesen Privilegienbrief Friedrichs III., der in zahlreichen Einzelbestimmungen unter anderem die Festlegung enthielt, daß Basel in Rechtsstreitigkeiten außer vor dem Stadtgericht nur vor dem Kaiser oder dem Hofgericht in Rottweil belangt werden dürfe, wurde später nicht mehr Bezug genommen, sondern lediglich auf die allgemeine Konfirmation Friedrichs III. von 1452. Wackemagel sieht in der Urkunde von 1488 wegen der Nennung von Friedrich als Stadtherrn den Verzicht Basels auf den freistädtischen Charakter der Stadt (Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel 2, S. 134) - ein Verzicht, der 1488 offenbar als nicht so gravierend eingeschätzt wurde, da es damals in erster Linie darum ging, die Position der Stadt gegenüber dem Bischof zu stärken. 73

Antwort Ferdinands auf den Vortrag der Basler Gesandten, Innsbruck, 20.2.1536 (StA Basel, Verfassung A 1). 6 Braun

82

Die Eidgenossenschaft und das

und Rat Ferdinands74. Außerdem wandte sich die Stadt an Gabriel Salamanca, Graf von Ortenburg75, und bat ihn um seine Hilfe 76 . Als Salamanca ihnen auch am 23. Juni 1536 lediglich eine hinhaltende Antwort Karls auf entsprechende Nachfragen melden konnte77, wandte sich Basel am 5. Juli direkt an den Kaiser und erinnerte ihn daran, daß er ihnen vor Jahren nicht nur die Erneuerung, sondern sogar eine Erweiterung ihrer Privilegien angeboten hatte78. Inzwischen war Basel in dieser Sache offenbar auch an Karls Gesandte in der Eidgenossenschaft, Leonard de Gruyeres und den Herrn von Mamoz, herangetreten79. Diese empfahlen nämlich Karl, falls er die Privilegien bestätigen wolle, in den Text einen Passus einzufügen, der die Gültigkeit der Privilegien davon abhängig mache, daß Basel künftig nichts gegen Karl oder das Reich unternähme80. Gleichzeitig entsandte Basel einen Boten zu Karl in die Provence, wo der 74

Am 10.4.1536; StA Basel, Missiven B 1, S. 535ff.

75

Salamanca war der ehemalige Schatzmeister Ferdinands.

76

Salamanca an Basel, Innsbruck, 20.4.1536 (StA Basel, Verfassung A 1).

77

Salamanca an Basel, Ortenburg, 23.6.1536 (StA Basel, Verfassung A 1).

78

Basel an Karl, 5.7.1536 (StA Basel, Verfassung A 1). In dem Schreiben bezieht sich Basel auf einen Brief Karls mit Datum vom 15.1.1520 (Karl an Basel, Barcelona, 15.1.1521 (ebd.)); das Schreiben ist jedoch nach Osterstil datiert, die richtige Jahreszahl lautet also 1521, dies ergibt sich auch zweifelsfrei aus dem Ausstellungsort Barcelona. Der Brief gehört in den Zusammenhang der Bemühungen Karls, mit den Eidgenossen in ein engeres Bündnis zu kommen, weshalb er für die Zeit nach seiner Ankunft im Reich diesbezügliche Verhandlungen ankündigte. Die Bereitschaft, die Basler Privilegien zu bestätigen und zu mehren, ist also als eine Art "Vorleistung" zu verstehen, um die Basler für sein Ansinnen günstig zu stimmen. 79

Eine entsprechende Anfrage Basels ist zwar nicht überliefert, aber die genaue Sachkenntnis der beiden Gesandten läßt eine direkte Information durch Basel wahrscheinlich erscheinen. Es ist zu vermuten, daß dies mündlich auf der Jahrrechnung in Baden geschehen war, von der die Gesandten gerade zurückkehrten und auf der auch Basel vertreten gewesen war (Gruyeres und Marnoz an Karl, Luzem, 7.7.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 227r-229r)). Marnoz erwähnt überdies in einem etwas späteren Brief an Granvelle eine entsprechende Bitte Basels (Marnoz an Granvelle, Luzern, 16.7.1536 (ebd., fol. 249r-253r, hier fol. 253r)). 80

Gruyeres und Marnoz an Karl, Luzern, 7.7.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 227r-229r, hier fol. 228r-v). Die Gesandten versuchten gerade wieder einmal, die Bewilligung von Söldnern für Frankreich zu verhindern. Vermutlich hatten die Gesandten eine solche militärische Unterstützung der Gegner Karls bzw. des Reichs im Hinterkopf, als sie ihren Vorschlag formulierten. Der Zusammenhang mit diesen Bemühungen wird dann explizit erwähnt in dem Schreiben Gruyeres' vom 26.7., in dem er eine Bestätigung der Basler Privilegien - dieses Mal ohne Wenn und Aber - empfahl, da die Gesandten nach der Meinungsänderung einiger Orte zuungunsten Karls sich nunmehr ver-

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

83

Kaiser gegen Frankreich Krieg führte. Diese massiven Bemühungen hatten insofern Erfolg, als Karl Basel am 20. Juli zusagte, Ferdinand zu ermächtigen und zu bitten, ihre Privilegien zu bestätigen81. Damit hatten die Basler immerhin erreicht, daß sie nun "nur" noch Ferdinand nachreisen mußten. Bald nach Eintreffen der kaiserlichen Antwort entsandte Basel deshalb Stadtschreiber Heinrich Ryhiner und Oberstzunftmeister Balthasar Hilprant zu Ferdinand82, ohne freilich zu versäumen, sich emeut an Salamanca mit der Bitte zu wenden, ihr Anliegen bei Hof zufördern 83.Dieses Mal war die Reise zu Ferdinand nicht vergeblich. Am 25. August erhielten Hilprant und Ryhiner Audienz bei König Ferdinand und legten mündlich und schriftlich ihr Begehren vor. Das "Problem" der Bestätigung Maximilians mit dem "unpassenden" Hinweis auf die Oberhoheit des Reichs umgingen sie elegant, indem sie um eine Bestätigung mit der Klausel baten, daß hiermit "alle und yede der statt Basel brieff, privilegia, recht, gnad unnd gute gewonheiten" bestätigt würden, insbesondere aber der Bestätigungsbrief Friedrichs III. über die von Sigismund erteilten Freiheiten 84. Dies wurde ihnen auch gewährt, ebenso die Bestätigung des Beibriefs Maximilians zur Erbeinung von 1511 85 . Damit hatten die Basler nach fast einem Jahr intensiver

stärkt um Basel bemühen wollten, das bis jetzt zusammen mit Zürich und Bern noch am ehesten auf Seiten Karls sei (Gruyeres an Karl, Luzem, 26.7.1536 (ebd., fol. 262r-263v, hier fol. 263r)). 81

Karl an Basel, Feldlager bei "Burgo", 20.7.1536 (StA Basel, Verfassung A 1). Karl verwies darauf, daß er für solche "Particularia" im momentanen Kriegszug keine Zeit habe, machte Basel aber das erwähnte Zugeständnis, auch, "dieweil aber ewer gesandter fuesspot sich des nachraisens beschwerdt". 82

Der Brief Karls vom 20.7. dürfte Ende Juli/Anfang August in Basel eingetroffen sein, am 6.8. teilte Basel dem Grafen von Ortenburg mit, daß man eine Botschaft nach Innsbruck senden wolle (Basel an Salamanca, 6.8.1536 (StA Basel, Missiven B2, fol. 19r-v)). Am 24.8. trafen die Basler in Innsbruck ein. 83

Basel an Salamanca, 6.8.1536 (StA Basel, Missiven B 2, fol. 19r-v). Ortenburg bedauerte, daß er zu der Zeit, wenn die Basler in Innsbruck sein würden, nicht dort sein könne, versprach aber, sich für ihre Sache einzusetzen (Salamanca an Basel, Augsburg, 28.8.1536 (StA Basel, Verfassung A 1)). 84 85

Vortrag Hilprants und Ryhiners, o.D. (StA Basel, Verfassung A 1).

In dem Beibrief vom 11.5.1511 erklärte Maximilian, daß die Erbeinung früheren Vereinbarungen Österreichs mit der Stadt Basel keinen Abbruch tun solle (Basler Urkundenbuch 9, Nr. 375); Bestätigung Ferdinands: Basler Urkundenbuch 10, Nr. 1891. 6*

Die Eidgenossenschaft und das

84

Bemühungen ihr Ziel erreicht 86. Aus der Schilderung dieser Aktivitäten wird deutlich, daß der Stadt sehr an der Erlangung der Privilegienbestätigung gelegen war. Dies zeigt auch die Zusammenstellung der Kosten, die der Stadt in dieser Sache erwachsen waren: Die Ausgaben für die beiden Gesandtschaften zu Ferdinand, die Geschenke für den Grafen von Ortenburg, den Hofmarschall Leonhard von Fels und Ferdinands Sekretär Neuner, die Kanzleitaxen usw. beliefen sich insgesamt auf die beträchtliche Summe von knapp 1243 lb 8 7 . Nachdem die Basler den Wert von möglichst aktuellen Privilegienbestätigungen erst einmal erkannt hatten, begnügten sie sich nicht mit der Konfirmation durch den Römischen König, sondern nutzten die nächste Anwesenheit Karls im Reich 1541, um eine kaiserliche Privilegienbestätigung zu erlangen. Dieses Mal bedienten sich die Basier der Hilfe des kaiserlichen Diplomaten Marnoz, der für Basel bei Karl vorsprach 88. Erneut ließ sich Basel die Freiheitsbriefe Friedrichs III. von 1452 und Sigismunds bestätigen, verschwieg also wie 1536 die Bestätigung durch Maximilian und die zweite Bestätigung durch Friedrich I I I . 8 9 . Anläßlich des Besuchs Ferdinands in Basel im Januar 1563 bat ihn die Stadt erneut um die Bestätigung ihrer Freiheiten 90. Der Kaiser entsprach dem Anliegen aber nicht sofort, so daß erneut eine kostspielige Gesandtschaft

86

Allerdings konnten die Basler Gesandten die Urkunde nicht gleich mitnehmen, da sich die Kanzlei Ferdinands bereits auf dem Weg nach Trient befand. Die Privilegienbestätigung wurde dann am 3. September in Bozen ausgestellt. 87

StA Basel, Finanzakten H, Jahrrechnungen 1535/36 und 1536/37; zitiert nach: Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt 1, Basel 1932, S. 673f. 88

Marnoz erhielt für seine Dienste 495 lb (StA Basel, Finanzakten H, Jahrrechnung 1541/42). Außerdem hatte ihm die Stadt eine Anleihe von 5000 Goldsonnenkronen gegen die Verpfändung der Herrschaften Barmont und Lemnys sowie eines jährlichen Zinses von 250 Kronen von den Salzbrunnen in Salins (Basier Urkundenbuch 10, Nr. 239) gewährt. 89

Während die Erlangung der Privilegienbestätigung dieses Mal reibungslos vonstatten ging, gab es jetzt Schwierigkeiten bei der Weiterleitung der Urkunde nach Basel. Es dauerte ziemlich genau ein Jahr, bis die Privilegienbestätigung endlich in Basel eintraf. Am 3.8.1542 bestätigte Basel Marnoz den Empfang der Urkunde und bedankte sich für seine Bemühungen (Basel an Mamoz, 3.8.1542 (StA Basel, Missiven B 3, fol. 214v)). 90

R. Luginbühl, Der letzte offizielle Kaiserbesuch in Basel, in: Basler Jahrbuch 1903, S. 49-71.

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

85

nach Innsbruck erforderlich wurde 91 . Am 1. März 1563 wurde schließlich in Innsbruck die Urkunde ausgestellt. Dies war die letzte Privilegienbestätigung eines Königs oder Kaisers für Basel. Außer Bern, Glarus 92 und Appenzell hatten sich damit alle eidgenössischen Orte von Karl ihre Privilegien konfirmieren lassen. Auch danach reißt die Reihe der Privilegienbestätigungen für die Eidgenossen nicht ab. Die Frage der Privilegien wurde in der Eidgenossenschaft nämlich erneut erörtert, nachdem die Tagsatzung Anfang 1559 beschlossen hatte, wegen des vom Augsburger Reichstag erlassenen Verbots der Ausfuhr von Silber aus dem Reich, und das hieß für die Eidgenossen: des Verbots des Silberkaufs im Reich 93 , eine Botschaft auf den Reichstag nach Augsburg zu entsenden. Zürich regte daraufhin Bern gegenüber an, ob man diese Gelegenheit nicht nutzen sollte, um bei Ferdinand zugleich um die Bestätigung der Privilegien der eidgenössischen Orte zu bitten 94 . Die Argumentation Zürichs macht deutlich, daß man die Privilegienbestätigung nicht für existentiell notwendig hielt 95 , aber wenn sich schon eine so günstige Gelegenheit bot, wollte man diese auch nicht versäumen, da die Bestätigung irgendwann einmal vielleicht doch nützlich sein konnte. Diese Haltung Zürichs entspricht ziemlich genau derjenigen, die die Stadt Bern bereits 1520 in einer Instruktion für ihren Gesandten Christoph von Diesbach einnahm, als sie ihn anwies, sich bei Karl um eine Privilegienbestätigung zu bemühen,

91

Die Kosten für die Gesandtschaft und für das Ausstellen der Urkunde beliefen sich auf 1111 lb 17 ß 8 d (StA Basel, Finanzakten H, Jahrrechnung 1562/63). 92

Jan gibt an, daß Glarus sich 1546 seine Privilegien von Karl V. habe bestätigen lassen (Jan, Staatsrechtliches Verhältnis 1, S. 147). Eine solche Privilegienbestätigung ist jedoch weder in den Reichsregisterbüchern Karls V. noch im Landesarchiv Glarus zu finden. 93

Es ist bezeichnend, daß die Eidgenossen diesen Erlaß auf sich bezogen: In dieser Frage endete für sie offensichtlich das Reich am Rhein. 94 95

Zürich an Bern, 1.2.1559 (StA Bern, AIV 135, fol. 112r-v).

Zürich betonte, daß dadurch keine zusätzlichen Kosten entstünden, ging also offensichtlich davon aus, daß die Bestätigung den Orten nicht so viel wert war, daß sie dafür größere Kosten auf sich nehmen würden. Der Hinweis Zürichs ist nur insofern korrekt, als in diesem Fall keine Kosten für eine eigens zu diesem Zweck entsandte Botschaft anfielen; das Ausstellen der Urkunde wurde den Eidgenossen mit Sicherheit berechnet.

Die Eidgenossenschaft und das

86

falls diese nicht zu viel koste 96 . Der Privilegienbestätigung kam also nicht mehr absolute, sondern nur noch relative Bedeutung zu, sie gewährte in den Augen der Eidgenossen ein erwünschtes zusätzliches Maß an Legitimation, auf das man zwar noch nicht verzichten mochte, für das man aber auch nicht mehr viel zu zahlen (finanziell oder politisch) bereit war. Die anderen Orte schlossen sich der Auffassung Zürichs offenbar an, so daß die Botschaft zu Ferdinand zusätzlich beauftragt wurde, sich um die Konfirmation der eidgenössischen Freiheiten zu bemühen. Ferdinand gewährte den Eidgenossen auf ihre Bitte 97 die gewünschte Privilegienbestätigung98. Dabei handelte es sich im Unterschied zur bisherigen Praxis um eine Sammelbestätigung für alle 13 Orte der Eidgenossenschaft und die Stadt St. Gallen. Deshalb erfolgte die Bestätigung auch nicht unter Bezug auf einzelne Konfirmationen, sondern rekurrierte summarisch auf alle früher von römischen Kaisern und Königen erteilten Privilegien. Von gleicher Art war die Privilegienbestätigung Maximilians II. von 1566". Danach traten die Eidgenossen - weder einzeln noch gemeinsam - nicht mehr an das Reichsoberhaupt wegen einer Bestätigung ihrer vom Reich herrührenden Freiheiten heran. Immerhin gab jedoch Zürich auf einer Tagsatzung im Jahre 1597 zu bedenken, ob es nicht ratsam sei, sich nun auch von Rudolf II. die Privilegien bestätigen zu lassen, wie dies bisher stets üblich gewesen sei 1 0 0 . Über den weiteren Entscheidungsprozeß geht zumindest aus den Eidgenössischen Abschieden nichts hervor 101 . Da eine solche Privilegienbestätigung nicht erfolgte, auch über eine entsprechende Bitte der Eidgenossen nichts bekannt ist, ist anzunehmen, daß Zürich im Gegensatz zu 1559 dieses Mal mit seinem Vorstoß nicht durchdrang. Zehn Jahre später nahm Zürich die Einberufung eines Reichstages nach Regensburg und die erwartete persönliche Anwesenheit des Kaisers erneut 96

Instruktion Berns für Christoph von Diesbach zu Karl, o.D. (StA Bern, A V 1417, Nr. 5). Zu dieser Gesandtschaft siehe unten, S. 102f., Anm. 48. 97

Vortrag der eidgenössischen Gesandten vor Ferdinand, o.D. (StA Bern, A I V 135, S. 113-117). 98

StA Luzern,Urk. 22/757.

99

StA Zürich, CI, Nr. 367.

100

SRQ Bern, Stadtrechte 4/1, Nr. 152e, S. 203f.

101

Die Sache wurde auf den Tagsatzungen des Jahres 1597 mehrmals behandelt (EA 5/1, Nr. 330, S. 444; Nr. 334, S. 449; Nr. 342, S. 459), ohne daß jedoch ein Beschluß gefaßt worden wäre.

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

87

zum Anlaß, um den anderen Orten vorzuschlagen, sich um eine Bestätigung der Privilegien zu bemühen 102 . Es konnte aber unter den Orten keine Einigkeit in dieser Frage erzielt werden, so daß eine Gesandtschaft unterblieb. Rudolf II. war demnach der erste Kaiser, an den die Bitte um eine Bestätigung der eidgenössischen Privilegien nicht herangetragen wurde und der diese Privilegien demzufolge auch nicht konfirmierte. Später ist die Frage der Privilegienbestätigung dann anscheinend nicht einmal mehr diskutiert worden. Insgesamt zeigen die Privilegienbestätigungen von 1559 und 1566 sowie die Vorstöße Zürichs, daß die eidgenössischen Orte es nunmehr als selbstverständlich ansahen, ihr Vorgehen in dieser Frage mit den anderen Orten abzustimmen 1 0 3 . Noch während der Regierungszeit Karls V. waren derartige Rückfragen nicht üblich gewesen104. Die veränderte Praxis in der zweiten Jahrhunderthälfte läßt darauf schließen, daß die Frage der Privilegienbestätigung nunmehr als eine Angelegenheit angesehen wurde, in der ein einheitliches Vorgehen ratsam erschien. Die Stellung der eidgenössischen Orte zum Reich war damit von einer einzelörtischen zu einer gesamteidgenössischen Angelegenheit geworden, was auch dadurch betont wurde, daß die Privilegienbestätigungen Ferdinands I. und Maximilians II. für die Eidgenossenschaft insgesamt erfolgten. Dies entsprach nicht nur der Wahrnehmung der Eidgenossenschaft von außen, nach der - wohl mehr als es der Wirklichkeit entsprach - die Eidgenossenschaft eine Einheit darstellte. Es entsprach auch einer, wenngleich nicht strikt durchgehaltenen Tendenz innerhalb der Eidgenossenschaft, nach außen möglichst geschlossen aufzutreten. Daß sich diese Tendenz nun auch in den Privilegienbestätigungen widerspiegelte, markiert einen spürbaren Wandel im Verhältnis zum Reich und vor allem zum Kaiser: Im Vordergrund stand nicht mehr die direkte Beziehung des einzelnen Ortes zum Kaiser, der die einzelörtische Herrschaft legitimieren konnte, sondern das politische Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reich, zu dem man sich zwar nach wie vor zugehörig fühlte und das von daher in den politischen Kalkulationen eine gewisse - zumindest moralische - Vorrangstellung

102

EA 5/1, Nr. 618, S. 816f.; Nr. 625, S. 832.

103

Daran ändert auch die Einzelbestätigung für Basel 1563 nichts, die eine Folge des Besuchs Kaiser Ferdinands in der Stadt war. 104

Anfragen wie die Schaffhausens an Zürich vom 26.1.1521 (Strickler, Actensammlung 1, Nr. 14, S. 5) oder die Verhandlungen der fünf Orte 1532 bezogen sich nicht auf die Privilegienbestätigung an sich, sondern auf die Möglichkeiten zur Bildung einer gemeinsamen Gesandtschaft.

88

Die Eidgenossenschaft und das

genoß, das jedoch stets in Konkurrenz mit anderen politischen Größen gesehen wurde. Gewandelt hatte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts aber auch die Einschätzung der Eidgenossen, wie wichtig es sei, sich vom Kaiser die eigenen Privilegien bestätigen zu lassen. Während zur Zeit Karls V. die Notwendigkeit oder doch zumindest Wünschbarkeit einer Privilegienbestätigung durch das Reichsoberhaupt noch weitgehend allgemein anerkannt wurde und die Kosten und Nutzen abwägende Haltung Berns von 1520 die Ausnahme darstellte, verlor die Legitimation der eigenen Obrigkeit durch die kaiserliche Konfirmation im Laufe des Jahrhunderts an Bedeutung und wurde nicht mehr als unbedingt notwendig angesehen, so daß sie nur noch unter besonders günstigen Bedingungen erbeten wurde, bis dann schließlich selbst das unterblieb. Die Beziehungen der Stadt St. Gallen zum Reich waren seit langem enger gewesen als die der eidgenössischen Orte und blieben dies auch weiterhin 105 , obwohl die Stadt in die Privilegienbestätigungen Ferdinands I. 1559 und Maximilians II. 1566 einbezogen und insofern den eidgenössischen Orten gleichgestellt worden war. Dieses engere Verhältnis fand seinen Niederschlag auch darin, daß die Stadt St. Gallen sich noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von den Kaisern ihre Privilegien bestätigen ließ. Im Jahre 1619 wurde im Rat festgestellt, daß eine Konfirmation der Privilegien seit 1566 nicht mehr erfolgt sei, und daraufhin beschlossen, beim Kaiser um eine solche Bestätigung zu bitten 106 . Für diese lange Pause wurden keine Gründe angegeben. Vermutlich hatte St. Gallen damit gerechnet, daß die Eidgenossenschaft sich wieder insgesamt um die Konfirmation ihrer Freiheiten bemühen und St. Gallen dabei eingeschlossen sein würde. Dies war aber während der Regierungszeit Rudolfs II. nicht geschehen. Von Rudolfs Nachfolgern ließ sich die Stadt ihre Privilegien dann wieder bestätigen, ohne auf eine entsprechende eidgenössische Initiative zu warten, und zwar von Ferdinand II. 1619 1 0 7 und 1631 1 0 8 sowie von Ferdinand III. 1637 1 0 9 und 1642 1 1 0 . Mit dem Westfälischen Frieden enden 105

Zur besonderen Stellung St. Gallens siehe: Braun!Dobras, St. Gallen.

106

StadtA St. Gallen, RP 1619, S. 67f.

107

Moser-Nef, St. Gallen 1, S. 61.

108

Moser-Nef, St. Gallen 1, S. 61; Jan, Staatsrechtliches Verhältnis 1, S. 197.

109

StadtA St. Gallen, RP 1637, S. 32 und 173; Moser-Nef, St. Gallen 1, S. 61.

110

StadtA St. Gallen, RP 1642, S. 129; Moser-Nef, St. Gallen 1, S. 61.

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

89

dann freilich auch für die Stadt St. Gallen die kaiserlichen Privilegienbestätigungen. So wie die Orte auf die Privilegienbestätigungen waren die Äbte der in der Schweiz gelegenen reichsunmittelbaren Klöster zur Begründung ihrer Herrschaft auf die Belehnung angewiesen. Diese wurde nicht nur beim Regierungsantritt jedes Königs fällig, sondern auch beim Amtsantritt jedes neuen Abtes. So war der Abt von St. Gallen zwar seit 1451 mit den Eidgenossen verbündet, blieb dem Reich jedoch weiterhin als Reichsfürst verbunden. Dem entspricht, daß die St. Galler Äbte sich stets ordnungsgemäß von den jeweiligen Kaisern belehnen ließen, und zwar bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, und das heißt, bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs. Zuletzt belehnte Kaiser Franz II. am 12. Juni 1797 den neuen Abt Pankraz 111 . Sowohl die Stadt als auch der Abt von St. Gallen bemühten sich also wesentlich länger als die eidgenössischen Orte um die Legitimation ihrer Herrschaft durch das Reich. Dies war aus ihrer Sicht schon deshalb notwendig, da sie innerhalb der Eidgenossenschaft nicht den gleichen Schutz genossen wie die eidgenössischen Orte selbst. An eine Änderung ihrer nicht ganz einfachen Position zwischen Eidgenossenschaft und Reich war nicht mehr zu denken: Eine völlige Abkehr von der Eidgenossenschaft verbot sich seit 1460 von selbst, als St. Gallen sich nach der Eroberung des Thurgaus durch die Eidgenossen von eidgenössischem Gebiet umgeben sah. Eine völlige Abwendung vom Reich wäre wohl - wenn sie denn überhaupt gewollt gewesen wäre - nur möglich gewesen bei Aufnahme beider St. Gallen als eidgenössische Orte, und dazu war die Eidgenossenschaft im 16. Jahrhundert nicht mehr bereit. So hielt sich gerade die Stadt St. Gallen in ihrer alltäglichen Politik weitgehend an die Eidgenossenschaft, ohne jedoch die Beziehungen ins Reich zu vernachlässigen. Die Bitte um Privilegienbestätigung war ein Ausdruck dieser Beziehungen. Die Äbte der anderen reichsunmittelbaren Klöster in der Schweiz konnten sich von ihrer Bedeutung her bei weitem nicht mit dem St. Galler Abt messen. Aber auch ihre weltliche Herrschaft war an die Belehnung und Regalienverleihung sowie -bestätigung durch den Kaiser gebunden, und die Äbte wurden bis weit in die Neuzeit hinein deshalb stets von neuem am Kaiserhof vorstellig. Der Abt von Einsiedeln, nach seinem St. Galler Kollegen sicher der bedeutendste Schweizer Abt, machte hier keine Ausnahme. Joachim Eichhorn, Abt von 1544-69 und 111

Im HHStA Wien hat sich in den Reichslehensakten der deutschen Expedition eine lückenlose Reihe von Belehnungen für die St. Galler Äbte erhalten.

Die Eidgenossenschaft und das

90

damit in der Regierungszeit dreier Kaiser, ließ sich von allen dreien die klösterlichen Privilegien bestätigen, von Karl V. 1546, von Ferdinand I. 1558 und von Maximilian II. 1566 112 . Auch seine Nachfolger hielten an dieser Regel fest 113 . Daß derlei kaiserliche Legitimation nicht nur als schönes, aber im Grunde überflüssiges Beiwerk angesehen wurde, zeigt die Tatsache, daß Einsiedeln noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts den Blutbann über die Herrschaft St. Gerold erwarb 114 Auch im Falle von Einsiedeln reicht die Reihe der Belehnungen der Äbte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts; 1794 ließ sich Abt Beat von Kaiser Franz II. belehnen115. Der Abt von Disentis, führende Macht im Grauen Bund, fühlte sich, nachdem der Bund 1497 zugewandter Ort der Eidgenossenschaft geworden war, dadurch keineswegs veranlaßt, die Verbindung zum Reich zu lösen und somit auf die kaiserliche Legitimation seiner weltlichen Herrschaft zu verzichten116. So ließ sich Abt Christian von Maximilian II. 1571 die Privilegien bestätigen117, ebenso Abt Augustin in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts118. Es ist sicher richtig, daß die Privilegienbestätigung eine Handlung war, "deren ideeller Wert bedeutend schwerer wog als der reale Gehalt"119, insbesondere wenn man sich als "realen Gehalt" wie im Falle des Klosters Pfäfers vielleicht Unterstützung gegen die diversen Einmischungen durch die Schirmherren Zürich, Luzem, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Glarus und Zug erhoffte 120. Dennoch ließen sich auch die Äbte von Pfäfers ihre Privilegien immer wieder von neuem bestätigen, und zwar ebenfalls bis zum

112

Salzgeber, Einsiedeln, S. 572.

113

Salzgeber, Einsiedeln, S. 529.

114

Salzgeber, Einsiedeln, S. 529.

115

HHStA Wien, Reichslehensakten der deutschen Expedition.

116

Da das Kloster Disentis zu Graubünden gehörte, das in dieser Arbeit nicht behandelt werden soll, müßte es in dieser Übersicht strenggenommen weggelassen werden. Von Reichsseite her (z.B. bei den Beratungen über die Matrikel und die Steuerforderungen) wurde es aber meist den anderen Schweizer Klöstern gleichgestellt, weshalb es auch in dieser Übersicht erwähnt werden soll. Entsprechendes gilt für die folgenden Kapitel. 117

Gilomen-Schenkel/Müller,

Disentis, S. 500.

118

Gilomen-Schenkel/Müller,

Disentis, S. 480.

119

Perret/Vogler,

120

Pfäfers, S. 988.

Perret/Vogler, Pfäfers, S. 986. 1712 kam noch Bern als Schirmort hinzu. Diese Einmischung äußerte sich z.B. dadurch, daß bei den Abtswahlen im 15. und 16. Jahrhundert regelmäßig Boten dieser Orte zugegen waren.

C. Die kaiserlichen Privilegienbestätigungen

91

Ende des 18. Jahrhunderts121. Abt Michael besuchte deshalb 1613 sogar persönlich den Reichstag in Regensburg, um von Kaiser Matthias die Privilegienbestätigung zu erhalten, und auch bei dessen Nachfolger Ferdinand II. bemühte er sich erfolgreich darum 122. St. Johann im Thurtal war ebenfalls reichsunmittelbar, und der Abt erinnerte sich dieser Verbindung zu Kaiser und Reich, als nach der Durchsetzung der Reformation im Toggenburg 1528 das Kloster geplündert wurde. Der Abt und der Konvent flüchteten nach Feldkirch, und am 16.7.1530 übergab der Abt das Kloster in den Schirm Kaiser Karls V . 1 2 3 . 1555 wurde St. Johann dem Kloster St. Gallen inkorporiert, wodurch sich die Frage der Privilegienbestätigung erledigte. Ähnliches gilt für das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen, das bereits 1524 in eine Propstei umgewandelt und nach der Einführung der Reformation in Schaffhausen 1529 säkularisiert wurde. Solange jedoch die verschiedenen reichsunmittelbaren Klöster in der Schweiz ihre Selbständigkeit bewahrten und als Klöster existierten, bemühten sich ihre Äbte um die kaiserliche Belehnung. An dieser Verbindung zum Reich hielten sie fest, auch wenn sie im allgemeinen längst keine Reichstage mehr besuchten oder Reichssteuern bezahlten, sofern sie dies überhaupt je getan hatten.

121

Perret/Vogler,

Pfäfers, S. 1023.

122

Perret/Vogler,

Pfäfers, S. 1023.

123

Müller, St. Johann, S. 1403 und 1418.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik I. Die Eidgenossen und der Reichstag Der Reichstag war das wichtigste Forum politischer Diskussion und Entscheidung im Reich. Nach dem noch heute gültigen Diktum Leopold von Rankes, daß in "den Grenzen des Reichs [...] nichts Bedeutendes vorkommen, was man nicht hier in Erwägung genommen, nichts Neues sich erheben (konnte, B.B.), was sich nicht hier hätte durchsetzen müssen"1, bedeutete Teilnahme an der Reichspolitik nicht zuletzt Teilnahme an den Reichstagen. Demzufolge ist zu fragen, ob und in welchem Maße die eidgenössischen Städte und Länder Gesandte auf die Reichsversammlungen schickten, und welche Aufmerksamkeit sie überhaupt den zahlreichen und häufig genug zukunftsweisenden Reichstagen der Epoche schenkten.

1. Die Eidgenossen auf den Tagen des 15. Jahrhunderts Als unmittelbare Reichsglieder, die sie seit der summarischen Privilegienbestätigung König Sigismunds von 1415 alle zweifelsfrei waren, waren die Eidgenossen aufgerufen, dem König mit "Rat und Hilfe" zur Seite zu stehen, die Teilhabe am Reich nicht nur durch den Empfang königlicher und kaiserlicher Privilegienbestätigungen zu dokumentieren, sondern auch durch eine aktive Teilnahme an den Reichsangelegenheiten. Dies bedeutete nicht zuletzt, sich auf den vom König einberufenen Tagen einzufinden, um mit ihm über alle das Reich betreffenden Fragen zu beraten und zu beschließen. Der Teilnehmerkreis dieser Versammlungen war lange Zeit kaum festgelegt. Es kam, wer vom König geladen war oder wer ein eigenes Anliegen vorzubringen hatte. Traditionell gut besucht waren die ersten Tage neu gewählter Könige, da die Privilegieninhaber sich ihre Freiheiten bestätigen lassen wollten. Daß nicht wenige nur aus diesem Grund auf dem Hoftag erschienen, also nicht an den Beratungen des Tages interessiert waren, zeigt beispielsweise ein Blick auf Zitiert nach Rabe, Deutsche Geschichte, S. 120.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

93

die eidgenössischen Teilnehmer am ersten Tag Friedrichs III. 1442: Anwesend waren Gesandte aus Zürich, Bern, Solothurn, Schwyz und Luzern 2; an den Beratungen nahmen aber nur die Vertreter Zürichs und Berns teil 3 . Vermutlich wollten sich die anderen Orte lediglich ihre Privilegien bestätigen lassen4. Der enge Zusammenhang zwischen Privilegienbestätigung und Besuch eines königlichen Tages wird auch anläßlich des Regensburger Tages 1454 deutlich. Die Eidgenossen hatten auf die Einladung zu diesem Tag5 zunächst nicht reagiert; lediglich Zürich entsandte eine Botschaft nach Regensburg6. Als die Gesandten bereits unterwegs waren, fragte Zürich in Luzern an, ob man die Gesandten nach Regensburg nachträglich schriftlich instruieren solle, sich um eine Konfirmation der Privilegien zu bemühen7. Ein solcher Auftrag erging offensichtlich nicht, denn am 9. Juni war die Frage der Privilegienbestätigung erneut Gegenstand der Beratungen auf der Tagsatzung8. Von einer Gesandtschaft der Eidgenossen zu einer Reichsversammlung erfahren wir dann erst wieder 14719. Auf dem sogenannten Großen Christentag zu Regensburg 1471, dem ersten Tag seit 1444, den der Kaiser selbst leitete, waren Gesandte aus Zürich und Bern anwesend10. Ob sie nur im Auftrag ihrer Oberen oder im Auftrag aller Eidgenossen nach Regensburg reisten, bleibt unklar. Jedenfalls haben vor Entsendung der Boten Beratungen auf der Tagsat-

2

RTA ÄR 16, Nr. 201 f.

3

RTA ÄR 16, Nr. 206.

4

Ausdrücklich bekannt ist dies freilich nur für Bern (RTA ÄR 16, Nr. 251). Zürich hatte die städtischen Privilegien bereits im Juni im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Bündnisses mit Friedrich III. bestätigt bekommen. 5

RTA ÄR 19/1, S. 95.

6

RTA ÄR 19/1, S. 206.

7

RTA ÄR 19/1, S.206f.

8

EA 2, Nr. 417, S. 269.

9

Dies scheint keine Folge der Lücke in der Edition der Reichstagsakten zu sein, da auch die Eidgenössischen Abschiede für diese Zeitspanne nichts von einer solchen Gesandtschaft wissen. Lediglich Tschudi berichtet, daß Zürich, Bern, Luzem und Solothum im Oktober 1468 beabsichtigten, Gesandte zum Kaiser zu schicken (EA 2, Nr. 616). 10

EA 2, Nr. 676.

94

Die Eidgenossenschaft und das

zung stattgefunden, wobei für Bern erneut die Frage der Privilegienbestätigung im Vordergrund stand1 Zürcher und Berner Vertreter haben mithin an drei der wichtigeren Tage in der Regierungszeit Friedrichs III. teilgenommen. Dies entspricht dem Befund aus der Regierungszeit Sigismunds: Die Reichspolitik der Eidgenossen lief vorwiegend über Zürich und Bern, bei denen eine grundsätzliche Bereitschaft zu einer derartigen Teilnahme an der Reichspolitik vorhanden war. Freilich läßt sich nicht feststellen, ob die anderen Orte überhaupt Einladungen zu den Tagen erhalten haben12. 1489 leitete dann erstmals Maximilian - noch in Vertretung seines Vaters zusammen mit Bischof Wilhelm von Eichstätt einen Reichstag13. Der Kreis der Eingeladenen war relativ groß, auch die Eidgenossen waren eingeladen worden 14 . Über den Meinungsbildungsprozeß in der Eidgenossenschaft gibt es, was die Beschickung des Reichstages anbetrifft, keine Nachrichten; bekannt ist lediglich, daß allein Bern und Freiburg ihre Gesandten zum Reichstag abordneten 15 . Daß Zürich keine Gesandten schickte, liegt daran, daß an der Limmat damals gerade die innerstädtischen Auseinandersetzungen mit der Hinrichtung Bürgermeister Hans Waldmanns kulminierten. Damit bestätigen sich die bisherigen Beobachtungen, daß für eine aktive Teilnahme an der Reichspolitik im Grunde genommen nur Zürich und Bern in Frage kamen 16 . Aber auch die Berner und Freiburger Gesandten nahmen nicht am Reichstag teil, in Basel er11

EA 2, Nr. 671, S. 420.

12

Es ist jeweils nur von "einer Schrift des Kaisers, in der er 'uns allen darzu ze körnen ouch geschriben und beruft hat'" (RTA ÄR 19/1, S. 206) bzw. von einer "Aufforderung des Kaisers den Reichstag zu Regensburg [zu] besuchen" (EA 2, Nr. 671, S. 419) die Rede. 13

Vollmacht Friedrichs III. für Maximilian und Bischof Wilhelm von Eichstätt: RTA MR 3/1, Nr. 239e+f. 14

EA 3/1, Nr. 338, S. 308; RTA MR 3/1, Nr. 22b, S. 197f.

15

RTA MR 3/1, Nr. 231 e-g, S. 893f.

16

Die Berner Oberen selbst formulierten dies mit aller Deutlichkeit in einem Schreiben an ihre Boten nach Zürich vom 13.4.1489: "Und wir versechen unß nitt, das unßer Eydgnoßen iemand zuo dem tag gen Franckfurt schicken: so ist ein statt Zürich ietz leyder so beswärt, das sie des ouch nitt statt hat." (Gagliardi, Waldmann 2, Nr. 265, S. 42f.). Bern rechnete also gar nicht damit, daß noch ein anderer Ort eine Gesandtschaft schicken könnte.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

95

reichte sie die Nachricht von der Verschiebung der Reichsversammlung, worauf sie umkehrten 17. So fand denn also der Reichstag 1489 ohne eidgenössische Beteiligung statt. Dabei hätte gerade dieser Reichstag ihnen bessere Teilnahmemöglichkeiten als bisher geboten: Die Entwicklung weg vom Hoftag mit seinem engen Bezug auf Hof und König hin zum Reichstag mit seiner Kurienverfassung eröffnete für die nichtadligen Reichsglieder, also vor allem für die Städte18, potentiell aber auch für ein nichtadliges Gebilde wie die Eidgenossenschaft, neue Möglichkeiten. 1489 zeichnete sich erstmals die Teilnahme der Städte an den Beratungen des Reichstages als eigener Kurie ab. Zwar hätte sich hier das Problem gestellt, daß die Eidgenossenschaft nicht nur aus Städten bestand. Angesichts der Tatsache, daß die Reichspolitik faktisch jedoch bereits seit langem allein in den Händen von Zürich und Bern lag, hätte sich hier wohl eine Lösung finden lassen19. Auch 1495 wurden die Eidgenossen zum Reichstag eingeladen20. Unklar ist allerdings, ob alle eidgenössischen Orte eine Ladung zum Reichstag erhalten haben 21 , es liegt jedoch die Vermutung nahe, daß die Ladung nur an die eidgenössischen Städte ergangen ist. Daß aber offenbar alle eidgenössischen Städte geladen worden sind, ist einzuordnen in die nunmehr weit fortgeschrittene Entwicklung vom Hoftag zum Reichstag. Während es beim Hoftag weitgehend im Belieben des Königs stand, wen er einlud, war der Reichstag dem Anspruch und 17

RTA MR 3/1, S. 894, Anm. 55.

18

Schmidt, Städtetag, S. 249f.

19

Die Reichsverfassung sollte sich in der Zukunft zudem als durchaus flexibel erweisen, wenn es galt, unkonventionelle Problemlösungen zu finden. Dies zeigte sich z.B. bei der Integration des Deutschen Ordens in die Reichstagsverfassung oder der Einbindung der Reichsritterschaft. 20 21

RTA MR 5/1.1, Nr. 27.

Der Passus in dem Schreiben Berns an Zürich vom 17.1.1495 "... unser lb. Eidgenossen, die, als wir merken, unglicher gestalt gemant sind" (RTA MR 5/1.2, Nr. 1212, S. 953) deutet daraufhin, daß nicht alle Orte eine Ladung erhalten hatten. Mit Sicherheit haben Zürich und Bern eine Ladung erhalten (ebd., Nr. 1212f.), höchstwahrscheinlich auch Luzem (Maximilian bezieht sich in seiner erneuten Aufforderung zum Besuch des Reichstages vom 17.3.1495 an Luzem auf eine solche Ladung; ebd., Nr. 1215, siehe auch Nr. 1223), Freiburg (Anfrage Freiburgs an Bern wegen Ladung setzt voraus, daß auch Freiburg eine Ladung erhalten hat; ebd., Nr. 1217) und Solothum (sonst hätte Solothum wohl kaum einen Gesandten zum Reichstag abgeordnet, siehe auch ebd., Nr. 1219, Anm. 3).

Die Eidgenossenschaft und das

96

bald auch der Realität nach in der Tat eine "Versammlung des Reichs", und der Kreis der Einzuladenden nicht mehr der Willkür des Königs unterworfen 22. Die Zugehörigkeit der Reichsstädte zu diesem Kreis stand außer Frage. Falls die Ladungen in der Tat nur an die Städte ergangen sein sollten23, wäre dies zudem ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Länder offenbar nicht in das "System" des Reichstages paßten. Die Städte haben deren Ladung aber auch nicht angemahnt, und die Länder sich nicht über ihre Nichtberücksichtigung beschwert, vielleicht, weil dies ja der seit langem geübten politischen Praxis entsprach, daß nämlich die Reichspolitik nur durch die Städte betrieben wurde. Die Einladungen zum Reichstag 1495 lösten in der Eidgenossenschaft intensive Beratungen aus 24 , d.h. ein Besuch des Reichstages wurde nicht von vornherein ausgeschlossen, die Ladungen nicht, wie dann vielfach im 16. Jahrhundert, einfach zu den Akten gelegt. Gefolgt sind der Ladung zum Reichstag dann freilich nur Bern, Solothurn und Freiburg, wobei Bern eindeutig die treibende Kraft war 2 5 . Des weiteren hatten die Eidgenossen den Schwyzer Ammann Rudolf Reding und den Luzerner Bürgermeister Ludwig Seiler zu Maximilian entsandt, um sich bei ihm für St. Gallen und Appenzell wegen der vor dem Kam22

Schmidt, Städtetag, S. 254.

23

Dies läßt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen, da gerade in den Ländern die Überlieferung sehr schlecht ist. In der Edition der RTA findet sich jedenfalls kein Hinweis auf eine Ladung auch der eidgenössischen Länder; allerdings haben die Bearbeiter der RTA von den betreffenden Archiven nur Schwyz besucht. Da jedoch auch die Korrespondenzen der eidgenössischen Städte keinerlei Hinweis in dieser Richtung bieten, ist wohl davon auszugehen, daß die Länder nicht geladen wurden. 24 25

RTA MR 5/1.2, Nr. 1212-1219.

RTA MR 5/1.2, Nr. 1217, Nr. 1219, Nr. 1221, Nr. 1223f. Die Forschung war bislang zumeist davon ausgegangen, daß nur Bern einen Gesandten, nämlich den Altschultheißen Wilhelm von Diesbach, zum Reichstag entsandt hatte (so Maitz, Maximilian I. und die Eidgenossenschaft, S. 30; ihr folgend Wiesflecker, Maximilian 2, S. 318; Öchsli, Beziehungen, S. 545; Probst, Beziehungen, S. 117), doch geht aus der Edition der RTA hervor, daß Diesbach vom Solothumer Schultheißen Nikiaus Konrad und vom Freiburger Dietrich von Endlisberg begleitet wurde (RTA MR 5/1.2, Nr. 1221; Nr. 1259; Nr. 1442; Nr. 1594, S.l 164; Nr. 1595, S.l 168; RTA MR 5/2, Nr. 1803). Richtig dagegen Dierauer, Geschichte 2, S. 384. Außerdem war der Berner Adrian von Bubenberg "eigner gschaften halb" in Worms (Anshelm, Bemer Chronik 2, S. 5). Um was es sich dabei handelte, ist unbekannt. Immerhin hielt der Bemer Rat Bubenbergs Anliegen jedoch für so berechtigt, daß er Maximilian ein Empfehlungsschreiben sandte (RTA MR 5/1.2, Nr. 1222).

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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mergericht anhängigen Prozesse zu verwenden 26. St. Gallen hatte aber auch selbst noch einen Gesandten zum Reichstag geschickt, Konrad Döring 27 . Diese beschränkten sich aber auf die Erledigung ihres Auftrags und nahmen nicht an den Reichstagsverhandlungen teil. Die Gesandten Berns, Freiburgs und Solothurns fühlten sich auf dem Reichstag ehrenvoll behandelt28 und berichteten ihren Oberen, daß die Reichsstädte großen Wert auf ihre Anwesenheit und Mitwirkung legten 29 , d.h., die drei Städte wurden von den anderen offenbar als vollberechtigte Mitglieder der sich bildenden Städtekurie angesehen - von einer Sonderstellung ist nicht die Rede. Wenn die drei Gesandten sich dann doch langsam von den Verhandlungen zurückzogen, so lag das an ihren mangelnden Vollmachten30. Dies war indessen kein spezifisch eidgenössisches Problem; eine wirksame Beteiligung der Städte auf dem Reichstag scheiterte vielfach überhaupt an den unzureichenden Vollmachten der städtischen Gesandten31. Bereits Anfang Juni war der Berner Gesandte dann wieder daheim32, also bevor die großen Reformbeschlüsse gefaßt wurden. Ab Juni fand demnach der Reichstag ohne eidgenössische Beteiligung statt. Die zwischen 1496 und 1499 in rascher Folge zusammentretenden Reichstage sahen allesamt eidgenössische Teilnehmer 33. Was zunächst nach einer engeren Einbindung der Eidgenossen in die Reichspolitik aussieht, offenbart bei genauerem Hinsehen freilich deren sich immer deutlicher herausschälende Sonderstellung. Dies hängt mit der sich verfestigenden Struktur des Reichstages in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts zusammen. Infolge der Konstituierung 26

Ans heim, Berner Chronik 2, S. 5; EA 3/1, Nr. 505, S. 481.

27

RTAMR 5/1.2, Nr. 1594, S.l 165; Nr. 1595, S.l 168.

28

RTAMR5/2,Nr. 1803.

29

RTAMR5/2,Nr. 1806.

30

RTA MR 5/2, Nr. 1806. Laut einem Schreiben Berns an Zürich vom 20.4.1495 hatte der Berner Gesandte Diesbach nur die Vollmacht, die königliche Proposition anzuhören und darüber zu berichten (RTA MR 5/1.2, Nr. 1224). 31

Schmidt, Städtetag, S. 132-139.

32

Am 5.6. berichtete er vor dem Rat über seine Mission (RTA MR 5/2, Nr. 1807).

33

Lindau 1496: RTA MR 6, Lindaull, Nr. 162, S. 238; Worms 1497: ebd., Worms II, Nr. 82, S. 426f.; Nr. 98f., S. 436f.; Freiburg 1498: ebd., Freiburg III, Nr. 30, S. 635. 7 Braun

Die Eidgenossenschaft und das

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des Reichstages in drei Kurien anstatt der bis dahin üblichen relativ ungeordneten Versammlung einer Anzahl "Großer" des Reichs an einem Ort mit oder ohne König ließ sich nun "Teilnahme am Reichstag" genauer definieren als Teilnahme an den Sitzungen der Vollversammlung und einer der drei Kurien. Die bloße Anwesenheit am Tagungsort des Reichstages ließ sich nunmehr von der regulären Reichstagsteilnahme klar abgrenzen: Die eidgenössischen Gesandten auf den Reichstagen 1496-98 verhandelten dort wegen der gegen ihre Zugewandten anhängigen Kammergerichtsprozesse; dabei trugen sie ihre Anliegen entweder vor den Ständen34 oder dem König vor 3 5 . Sie nahmen jedoch nicht an den Beratungen des Reichstages teil. Während der Berner Wilhelm von Diesbach und seine Mitgesandten sich 1495 wohl nur aufgrund ihrer unzureichenden Vollmacht von den Reichstagsberatungen zurückgezogen hatten, lehnte der Zürcher Bürgermeister Heinrich Röist 1498 das königliche Angebot "zu deß richs gespräch zu sitzen" eindeutig ab 3 6 . Die eidgenössischen Gesandten brachten also ihre genau definierten Anliegen vor, blieben aber ansonsten den Reichstagsverhandlungen fern. Insofern ist ihre Stellung mit der von Gesandtschaften auswärtiger Mächte zu vergleichen37. Diese Sonderstellung war auf den Reichstagen nicht verborgen geblieben: 1498 forderten sowohl Maximilian als auch die Reichsstände die in Freiburg anwesenden eidgenössischen Vertreter zur "ordentlichen" Reichstagsteilnahme auf 38 .

34

Lindau 1496: zuerst vor Kurfürst Berthold von Mainz und den königlichen Räten, dann vor einem Ausschuß des Reichstages (RTA MR 6, Lindau II, Nr. 162f.); Worms 1497: vor dem Reichstag (ebd., Worms II, Nr. 82), Freiburg 1498: vor dem Reichstag (ebd., Freiburg III, Nr. 30). 35

Freiburg 1498 (RTA MR 6, Freiburg III, Nr. 42, S. 655).

36

RTA MR 6, Freiburg III, Nr. 30, S. 635.

37

Es entspricht dieser Stellung der Eidgenossen, daß sie nicht in den Listen der offiziellen Reichstagsteilnehmer geführt wurden: Für den Freiburger Reichstag gibt es zwar keine offizielle Teilnehmerliste, doch hat Konrad Peutinger im Mai und im Juli eine Liste der anwesenden Stände erstellt (RTA MR 6, Freiburg II, Nr. 140; ebd., Freiburg III, Nr. 40a), in beiden Listen tauchen die Eidgenossen nicht auf. Darüber hinaus existiert ein Verzeichnis der abwesenden Stände (ebd., Freiburg III, Nr. 51), in dem neben den Äbten aus dem Gebiet der Eidgenossenschaft (Kreuzlingen, Stein a. Rh., Einsiedeln, Pföfers, St. Johann im Thurtal) auch "stette und örter der eydgenoßschaft" (ebd., S. 669) aufgeführt sind. Vom Lindauer und vom Wormser Reichstag liegen keine Teilnehmerlisten vor. 38

RTA MR 6, Freiburg III, Nr. 42, S. 655.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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Unübersehbar vorangeschritten war diese Ausbildung einer eidgenössischen Sonderrolle auf dem Konstanzer Reichstag von 1507. Der Tagungsort legte eine zahlreiche Teilnahme der Eidgenossen geradezu nahe 39 : Eine große eidgenössische Gesandtschaft fand sich dann auch tatsächlich in Konstanz ein und erfuhr überaus freundliche und ehrenvolle Aufnahme 40. Die Gesandten blieben allerdings nur eine Woche, was bereits darauf hindeutet, daß sie nicht als Reichstagsteilnehmer gekommen waren. Sie waren nämlich nur angereist, um mit Maximilian über die Gewährung von 6000 Söldnern für den geplanten Romzug zu verhandeln. Der Romzug fungierte indessen nur als reichsrechtliches "Deckmäntelchen" für das Anliegen Maximilians, in der Auseinandersetzung mit Frankreich in Oberitalien sich der Eidgenossen zu bedienen, obwohl diese mit Frankreich verbündet waren. Auch dieses recht spektakuläre Auftreten einer eidgenössischen Gesandtschaft auf einem Reichstag hatte also nichts mit einer regulären Reichstagsteilnahme zu tun. So ergibt sich bereits nach der Betrachtung der Reichstagsteilnahme der eidgenössischen Orte um 1500 ein spezifischer Zusammenhang zwischen Reichsreform und Reichszugehörigkeit der Eidgenossenschaft. Als wichtigstes Ergebnis der Reichsreform hatte sich der Reichstag in der Form, wie er für die Neuzeit bestimmend bleiben sollte, herausgebildet und verfestigt. Gerade in der Nichteinbindung in den Reichstag manifestierte sich deshalb deutlicher als in der ablehnenden Stellungnahme zu einzelnen Beschlüssen der Stände das langsame Abdriften der Eidgenossen aus dem Reich. Das schloß freilich eine gelegentliche Anwesenheit einzelner eidgenössischer Vertreter auf den Reichstagen nicht aus, eine reguläre Reichstagsteilnahme war aber um 1500 bereits zur großen Ausnahme geworden.

2. Die Eidgenossen und die Reichstage unter Karl V. Im Reformationszeitalter schlug die große Stunde des Reichstages: Reichspolitik in dieser Zeit war zu einem erheblichen Teil Politik auf den Reichstagen. 39

Dies war möglicherweise auch ein Grund für die Wahl des Tagungsortes: Haupttraktandum des Reichstages war der geplante Romzug, und zu dessen Gelingen sollten nicht zuletzt die Eidgenossen durch ihre Beteiligung beitragen. Deren Zusage zu erlangen, war deshalb eines der wichtigsten Anliegen Maximilians auf dem Reichstag. 40

EA 3/2, Nr. 274, S. 373; Maurer, Vom Konzil bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, S. 264; Wiesflecker, Maximilian 3, S. 363; Anshelm, Bemer Chronik 3, S. 6. 7*

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Die Eidgenossenschaft und das

Die Frage nach der Beteiligung der Eidgenossen an der Reichspolitik zur Zeit Karls V. ist also nicht zuletzt die Frage nach der Präsenz der Eidgenossen auf den Reichstagen der Epoche. Auf den ersten Blick scheint diese Frage rasch beantwortet und erledigt zu sein: Unter den Reichsabschieden aus der Zeit Karls V. finden sich keine eidgenössischen Orte als Unterzeichner, mit Ausnahme von Basel 1521 41 . Freilich hatten die Eidgenossen nie grundsätzlich entschieden, an den Reichstagen nicht mehr teilnehmen zu wollen, und wenn die Tendenz in der Regierungszeit Maximilians auch eindeutig verlaufen war, so erlaubte sie doch weiterhin eine erhebliche Bandbreite von Reaktionen auf königliche Reichstagsausschreiben42.

41 42

Aulinger, Bild des Reichstages, S. 359-374.

Darauf deutet auch ein weiterer Befund hin: In der von Aulinger anhand der Unterzeichner der Reichsabschiede angefertigten Übersicht über die Anwesenheit der einzelnen Reichsstände auf den Reichstagen von 1521-1581 ist mit Ausnahme von Basel 1521 kein einziger eidgenössischer Ort vertreten (Aulinger, Bild des Reichstages, S. 359-374). Bereits ein zweiter Blick mahnt indessen zur Vorsicht: Bei den sogenannten "ausgezogenen" Ständen verwendet Aulinger eine durchgehende gestrichelte Linie und fügt den Namen des "ausziehenden" Standes ein, während die Abwesenheit eines Standes auf einem Reichstag durch einen waagrechten Strich bei dem jeweiligen Reichstag gekennzeichnet wird. Im Falle von Basel erscheint für die Reichstage von 1524-1530 ein solcher waagrechter Strich, während ab 1532 eine gestrichelte Linie zu finden ist, mit dem (in Klammem gesetzten) Vermerk "seit 1501 bei der Eidgenossenschaft" (ebd., S. 372). Diese Beobachtung macht einigermaßen mißtrauisch, da überhaupt nicht zu erklären ist, weshalb die Nichtanwesenheit Basels auf den Reichstagen seit 1532 eine andere Qualität gehabt haben soll als bis dahin, zumal der Vermerk "seit 1501 bei der Eidgenossenschaft" ja nahelegt, daß sich ab diesem Datum etwas bezüglich der Vertretung Basels auf den Reichstagen geändert haben müßte. Schaffhausen erhält diese gestrichelte Linie mit demselben Vermerk übrigens für den ganzen untersuchten Zeitraum, ebenso St. Gallen, dieses allerdings mit dem Zusatz "seit 1554 bei der Eidgenossenschaft" (bei dieser Jahreszahl muß es sich um ein Versehen handeln. Gemeint ist mit Sicherheit 1454, also das Jahr des Bundes zwischen St. Gallen und sechs eidgenössischen Orten). Die Äbte der in der Schweiz liegenden Klöster sind ebenfalls mit dieser gestrichelten Linie gekennzeichnet und dem - ebenfalls in Klammem stehenden - Vermerk "Eidgenossenschaft". Die einzige Ausnahme bildet der Abt von Kreuzlingen, der 1542, 1543 und 1545 durch einen Gesandten auf den Reichstagen vertreten war. Die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft oder die bloße Lage innerhalb des von der Eidgenossenschaft umschlossenen Gebietes wird demnach als ein Grund für die Nichtanwesenheit auf den Reichstagen angesehen, ohne daß hierfür eine Begründung angegeben wird. Die Setzung des Vermerks in Klammem weist auf die - ja nicht zu übersehende -

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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Als Karl V. seinen ersten Reichstag auf den 6. Januar 1521 nach Worms ausschrieb, erhielten auch die Eidgenossen eine Einladung43. Das Ausschreiben erging an die Eidgenossen insgesamt; der heutige Aufbewahrungsort der Ladung im Staatsarchiv Zürich deutet darauf hin, daß es an Zürich als den sogenannten Vorort der Eidgenossenschaft geschickt wurde 44 . Was die kaiserliche Kanzlei bewogen hat, das Ausschreiben an die Eidgenossenschaft insgesamt zu richten, ist unklar. Diese Form der Einladung blieb jedenfalls ein singulärer Vorgang, so daß - zunächst ja durchaus naheliegende - Schlußfolgerungen der Art, daß die Eidgenossenschaft von außen inzwischen so sehr als Einheit gesehen wurde, daß sie nur eine Einladung erhielt, sich verbieten. Mindestens ebenso wahrscheinlich ist ein Versehen der Kanzlei in der Anfangsphase einer neuen Regierung. In der Folgezeit erhielt die Eidgenossenschaft jedenfalls keine Einladungen zum Reichstag mehr, weder als Ganzes noch die Orte als einzelne; letzteres allerdings mit zwei Einschränkungen: Basel und Schaffhausen wurden weiterhin zu den Reichstagen eingeladen45. Außerdem erhielten Abt und Stadt St. Gallen Einladungen auf den Reichstag, ebenso die in der Eidgenossenschaft ansässigen Äbte reichsunmittelbarer Klöster. Die Liste der Eingeladenen stimmt mit den in der Reichsmatrikel verzeichneten Ständen und Städten überein, d.h. hier zeigt sich deutlich die normative Kraft der Reichsmatrikel für die Festlegung der Reichsstandschaft bzw. die Einladung auf Reichstage. Die kaiserlichen Ausschreiben führten auf den Tagsatzungen von Zeit zu Zeit zu Diskussionen über die Frage, ob den Einladungen Folge geleistet werden solle. Nun wäre zu erwarten gewesen, daß diese Frage gerade 1521 Tatsache hin, daß es sich dabei um etwas anderes als um das gewöhnliche "Ausziehen" eines Reichsstandes durch einen anderen handelte. 43

StA Zürich, A 176.2, Nr. 43; RTA JR 2, Nr. 2.

44

In den Archiven der anderen eidgenössischen Orte ist das Ausschreiben nicht überliefert, was ebenfalls für diese Annahme spricht. 45

Im StA Basel hat sich eine lange Reihe dieser Reichstagsausschreiben erhalten, für die Zeit Karls V. allein 14 Stücke, also eine relativ vollständige Sammlung. Von Maximilian II. sind in Basel 6 Reichstagseinladungen erhalten, von Rudolf 7 und von Matthias 4. Am 26.5.1640 wurde Basel von Ferdinand III. letztmalig zu einem Reichstag eingeladen (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 1). Für Schaffhausen ist die Überlieferungssituation nicht so gut wie für Basel. Da die Behandlung Schaffhausens in Reichssachen aber stets parallel zu der Basels war, ist davon auszugehen, daß die Reichstagsausschreiben ebenso an Schaffhausen ergangen sind.

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Die Eidgenossenschaft und das

intensiv erörtert wurde, da der erste Reichstag eines Herrschers traditionell auch Gelegenheit bot, sich die Privilegien bestätigen zu lassen; Karl V. selbst hatte in seinem Reichstagsausschreiben seine diesbezügliche Bereitschaft betont. Indessen haben die eidgenössischen Orte 1521 eine Beschickung des Reichstages nicht in Erwägung gezogen: Die gedruckten Eidgenössischen Abschiede enthalten jedenfalls keine diesbezüglichen Beratungen, und Augustin Rosenberg, der Luzerner Informant des kaiserlichen Sekretärs Veit Sutor, berichtete am 4. Februar 1521, daß bis jetzt noch nicht über eine Entsendung zum Reichstag beraten worden sei 46 . Die Gelegenheit, sich ihre Privilegien bestätigen zu lassen, wollten sich einige Orte freilich nicht entgehen lassen; sie schickten zu diesem Zweck aber nicht eigens einen Gesandten nach Worms, sondern richteten ihre entsprechenden Gesuche schriftlich an Karl 4 7 . So fand der erste Reichstag Karls V. ohne eidgenössische Beteiligung statt 48 .

46

Rosenberg an Sutor, Luzem, 4.2.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 14r-15v, hierfol. 15v). 47

St. Gallen: Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 602; Zürich: StA Zürich, C I, Nr. 315-320; Uri: Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 1458; Schaffhausen: ebd., Nr. 1465. 48

Der Hinweis auf eine "Instruktion Berns für Junker Christoph v. Diesbach, der mit dem Boten von Schwyz die Bestätigung der Privilegien erwirken sollte" in den RTA (RTA JR 2, S. 767, Anm. 1) im Anschluß an die Erwähnung der Basier Gesandtschaft nach Worms suggeriert, daß es sich dabei um eine Instruktion auf den Reichstag handelt; und die Entsendung eines Gesandten auf den ersten Reichstag des neuen Kaisers zur Erlangung einer Privilegienbestätigung erscheint ja auch plausibel. Der Zusammenhang ist indessen ein anderer und die zeitliche Nachbarschaft zum Reichstag rein zufällig. Die Instruktion ist undatiert und enthält die Anweisung an Diesbach, wenn er "die houptsach, darumb ir mitt dem botten von Schwytz abgeferttiget sind, ußgericht haben", solle er bei Karl die Bestätigung der Berner Privilegien erbitten (StA Bern, A V 1417, Nr. 5). Die Erlangung der Privilegienbestätigung war demnach nicht das Hauptziel der Mission, die oben zitierte Zusammenfassung der Instruktion ist mithin ungenau. Im Anschluß an die Instruktion folgen zwei Formulare für die korrekte Anrede Karls und für einen Briefanfang der Eidgenossen an Karl. Karl wird darin ebenso wie in der Überschrift der Instruktion nur als römischer und spanischer König bezeichnet, d.h. die Abfassung muß vor der Krönung in Aachen, in deren Zusammenhang Karl vom Papst die Erlaubnis zum Führen des Kaisertitels erhielt, bzw. genauer: vor dem Bekanntwerden dieses Sachverhalts in Bern, liegen. In dem Formular für einen Briefanfang ist von "elf Orten der Eidgenossenschaft" die Rede. Alle diese Indizien weisen nun eindeutig auf einen bestimmten Sachverhalt, nämlich die im Spätherbst 1520 von den Eidgenossen diskutierte Entsendung von Gesandten zu Karl, um zwischen Karl und dem Herzog von Württemberg nach der habsburgischen Inbesitznahme Württembergs zu vermitteln und

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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Auch an den folgenden Reichstagen in der Regierungszeit Karls V. nahmen die Eidgenossen nicht teil, ja: eine Teilnahme wurde nicht einmal ernsthaft erwogen. Wenn auf den Tagsatzungen am 7. und 21. April 1544 über eine Entsendung von Gesandten auf den Reichstag nach Speyer beraten wurde, so ging es dabei nicht um eine Reichstagsteilnahme der Eidgenossen, sondern um eine Vermittlung zwischen Karl V. und Franz I. Derfranzösische König hatte die Eidgenossen um diese Botschaft gebeten, um seine eigene Gesandtschaft in Speyer, die vor allem den Vorwurf derfranzösischen Kollaboration mit den Türken entkräften sollte, zu unterstützen. Die Eidgenossen konnten sich allerdings nicht auf die Entsendung einer Gesandtschaft einigen und beließen es bei einem Schreiben an die Reichsstände49. Mehr mit Reichspolitik zu tun hatte die Diskussion im Februar 1545, als die Entsendung einer eidgenössischen Botschaft zum Reichstag erwogen wurde, um dem Kaiser die eidgenössischen Freiheiten zu präsentieren und ihn so davon zu überzeugen, daß Basel, Mülhausen und der Abt von Kreuzlingen nicht zur Zahlung von Türkenhilfe und Kammergerichtsunterhalt verpflichtet seien50. Falls dies nicht geschehe, sei die Durchführung der deswegen vom Reichsfiskal angestrengten Kammergerichtsprozesse bis zur Achterklärung und daraus folgend ein Krieg zu befürchten. Die Entsendung von Gesandten wurde aber schließlich doch verworfen, und die Begründung macht deutlich, daß es sich auch in diesem Fall nicht um eine Beschickung des Reichstages gehandelt hätte: so einen neuerlichen Krieg zu verhindern. Luzem und Solothum, deren Bürger Herzog Ulrich war, wollten Gesandte zu Karl schicken und erbaten Begleitgesandte von Bern und Schwyz (EA 3/2, Nr. 844, S. 1265); dies war also der in der Instruktion nicht genannte Hauptzweck der Gesandtschaft. In diesem Stadium der Beratungen ist wohl die Bemer Instruktion entstanden. Tätig wurden in diesem Zusammenhang stets nur 11 Orte, da Luzem und Solothum als parteilich galten; ein Brief Karls in dieser Sache erging denn auch nur an die 11 Orte (ebd., Nr. 843, S. 1261). Es handelt sich hier also um eine Vermittlungstätigkeit der Eidgenossen zwischen Karl V. und Herzog Ulrich, ein Zusammenhang mit dem bevorstehenden Reichstag war nicht gegeben. Zur Absendung der Gesandten scheint es nicht gekommen zu sein, jedenfalls sind keine diesbezüglichen Nachrichten überliefert. 49

EA 4/1 d, Nr. 175, S. 371. Bern und vor allem Zürich hatten sich gegen eine solche Gesandtschaft ausgesprochen, da sie deren Erfolgsaussichten gering einschätzten und fürchteten, diese Parteinahme für Frankreich und gegen die Mehrheit der Reichsstände könnte als feindliche Haltung gegenüber Kaiser und Reich interpretiert werden (ebd., Nr. 173, S. 364f.; Nr. 175, S. 369). 50

EA 4/1 d, Nr. 212, S. 458.

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Die Eidgenossenschaft und das

Die Entscheidung wurde unter anderem damit begründet, daß es nicht sicher sei, ob der Kaiser nach Worms komme 51 , d.h. gedacht war überhaupt "nur" an eine Botschaft zum Kaiser, nicht auf den Reichstag. Die Eidgenossen nahmen also an den Reichstagen unter Karl V. nicht teil, und sie wurden auch gar nicht mehr dazu eingeladen. Sobald indessen an zugewandte Orte oder an Basel und Schaffhausen Reichstagseinladungen ergingen, machte sich eine gewisse Unsicherheit breit, wie darauf zu reagieren sei und ob eine Nichtbefolgung der Ladung negative Auswirkungen nach sich ziehen könnte. Die betroffenen Städte oder Äbte fragten dann bei einem ihnen nahestehenden eidgenössischen Ort oder bei der Tagsatzung an, wie sie sich verhalten sollten52. Ein übergroßes Interesse an der Beschickung des Reichstages ist aus diesen Anfragen freilich nicht herauszulesen. Der Zweck dieser Anfragen dürfte eher darin gelegen haben, sich bestätigen zu lassen, daß man den Reichstag nicht besuchen müsse, um sich auf diese Weise - ohne daß dies jedoch offen ausgesprochen wurde - Rückendeckung bei der Eidgenossenschaft für den Fall zu holen, daß man von Reichs wegen deshalb belangt würde 53 . Wenn dennoch auf einigen Reichstagen Karls V. Gesandte einzelner eidgenössischer Orte anwesend waren, so handelte es sich dabei regelmäßig nicht um eine reguläre Reichstagsteilnahme. Vielmehr nutzten die Orte die Anwesenheit 51

EA 4/1 d, Nr. 212, S. 458.

52

EA 3/2, Nr. 813, S. 1231 (Mülhausen); EA 4/1 a, Nr. 8, S. 18 (Mülhausen); ebd., Nr. 156, S. 336f. (Basel); Strickler, Actensammlung 1, Nr. 1908, S. 596 (Basel); Zürich an Basel, 10.12.1544 (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 1) (Basel); EA 4/1 d, Nr. 204, S. 435 (Basel, Schaffhausen, Stadt und Abt St. Gallen); EA 4/le, Nr. 123, S. 324 (Basel, Schaffhausen, Äbte St. Gallen, Kreuzlingen, Einsiedeln). 53

Mit weitreichenden Folgen mußte zwar nicht im Emst gerechnet werden - dazu war die Nichtteilnahme an Reichstagen viel zu verbreitet. Daß entsprechende Drohungen in den Reichstagsausschreiben aber nicht einfach ignoriert wurden, zeigt ein Schreiben Basels an Zürich, Schaffhausen und St. Gallen. Darin teilten die Basler mit, daß sie eine Einladung zum Reichstag nach Regensburg auf den 1.3.1528 erhalten hätten, mit Androhung des Verlusts der Reichsfreiheit bei Nichterscheinen. Seit ihrem Beitritt zur Eidgenossenschaft hätten sie bereits mehrere Male solche Einladungen erhalten und diese stets beiseite gelegt, jetzt aber enthalte die Einladung diese Drohklausel. Da Basel tatsächlich viele Freiheiten vom Reich besitze und diese nicht verlieren wolle, werden die angeschriebenen Orte um Rat gebeten, in der Annahme, daß auch sie solche Einladungen erhalten und sich dazu eine Meinung gebildet hätten (Strickler, Actensammlung 1, Nr. 1908, S. 596). Leider ist keine Reaktion der angeschriebenen Orte bekannt.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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des Kaisers auf dem Reichstag, um ihm ihre spezifischen Anliegen vorzutragen. Dies gilt z.B. für die erwähnte Gesandtschaft Basels zum Reichstag 1521. Basel entsandte den Ratsherrn Hans Oberried nicht deshalb nach Worms, weil die Stadt auf dem Reichstag vertreten sein wollte, sondern um ein territorialpolitisches Anliegen vorzubringen. Basel war sich mit Humprecht von Wessenberg über den Kauf des Dörfchens Liebenswiller einig geworden und benötigte zum Vollzug des Geschäfts nur noch die österreichische Erlaubnis, da es sich bei dem Dorf um ein österreichisches Lehen handelte54. Eingeschaltet wurde von den Baslern auch Kardinal Schiner, der dem Basler Ratsherrn zu einer Audienz bei Karl verhalf 55 . Die Basler Gesandtschaft hatte demnach nicht den Reichstag zum Ziel, sondern Karl V., und zwar nicht als Reichsoberhaupt, sondern als Oberhaupt des Hauses Österreich. Deshalb reiste der Basler Ratsherr am 16. Februar bereits wieder aus Worms ab 5 6 , zu einem Zeitpunkt also, als die eigentlichen Reichstagsverhandlungen gerade erst begonnen hatten. Die Mission hatte übrigens nicht den gewünschten Erfolg: der Kaiser vertröstete Basel auf die nächste Tagsatzung, auf der eine kaiserliche Botschaft erscheinen sollte, die auch in dieser Frage Antwort erteilen werde 57 . Damit war der Auftrag Oberrieds erschöpft, weitere Aufträge hatte er für seine Reise nicht erhalten. Der Basler Rat nutzte also nicht die Gelegenheit, um eine Bestätigung der städtischen Privilegien zu erbitten oder am Reichstag teilzunehmen58. Auf den folgenden Reichstagen unter Karl V. war Basel ebenfalls nicht vertreten 59.

54

Strickler, Actensammlung 1, Nr. 16-18, Nr. 25. Liebenswiller ist der heutige Name des Dorfes, die Bezeichnungen in den Quellen sind unterschiedlich (Liepoltswyler, Liebenzweiler, etc.). Das Dorf liegt ca. 15 km südwestlich von Basel, nahe der französisch-schweizerischen Grenze auf französischer Seite. Zu dem Vorgang siehe Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel 3, S. 71-73. 55

Strickler,

Actensammlung 1, Nr. 16-18, Nr. 25.

56

Strickler,

Actensammlung 1, Nr. 25, S. 8.

57

Dort wurden die Basier erneut vertröstet (Instruktion Karls für Bischof Hugo von Konstanz, Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Veit Sutor, Worms, 4.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 60r65r, hier fol. 64v). Schließlich teilten die Gesandten dann aber die ablehnende Entscheidung Karls mit, so daß der Kauf im Sommer 1521 rückgängig gemacht wurde (Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel 3, S. 73). 58

Deshalb erstaunt es auch, daß Basel in der von Aulinger erstellten Liste unter den Reichstagsteilnehmern auftaucht, zumal sie nach eigenen Angaben diese Liste anhand der Reichstagsabschiede angefertigt hat (Aulinger, Bild des Reichstages, S. 358). In der

106

Die Eidgenossenschaft und das

Abgesandte eidgenössischer Orte fanden sich dann erst wieder 1530 auf einem Reichstag ein. Luzern entsandte nämlich seinen Ratsherrn Jakob am Ort zu Karl und Ferdinand, um ihnen darzulegen, welchen Bedrängnissen die fünf Orte von seiten der evangelischen Orte ausgesetzt seien, da die Evangelischen sich nicht an die Bestimmungen des Ersten Kappeler Landfriedens hielten. Karl und Ferdinand wurden deshalb um Hilfe für die Erhaltung des katholischen Glaubens gebeten60, wozu sie auch ihre grundsätzliche Bereitschaft bekundeten, ohne allerdings konkrete Versprechungen zu machen. Während Jakob am Ort in dieser Angelegenheit zugleich für Uri, Schwyz, Unterwaiden und Zug tätig war, nutzte Luzern die Gelegenheit und beauftragte ihn zusätzlich damit, von Karl die Bestätigung der Luzerner Privilegien zu erlangen 61. Karl kam diesem Wunsch am 29. Juli nach 62 . Daß die Gesandtschaft insgesamt auf positive Re"Neuen Sammlung" jedenfalls ist Basel nicht als Unterzeichner des Abschieds aufgeführt. 59

Im Zusammenhang mit den Bemühungen Basels, von König Ferdinand 1536 die Bestätigung der städtischen Privilegien zu erlangen, behauptete Basel zwar, lange Zeit alle Reichstage besucht zu haben, doch kann diese Aussage nicht in ihrem Wortlaut emstgenommen werden, da der damit verfolgte Zweck eindeutig darin bestand, die Reichstreue Basels hervorzuheben (Bericht Ryhiners, 24.9.1536 (StA Basel, Verfassung Al)). Daß die Beschickung der Reichstage in den letzten Jahren unterblieben war, wurde damit begründet, daß auf einem Reichstag in Augsburg (1530?, 1518?) dem Basier Gesandten der Zutritt zur Reichsversammlung verwehrt worden war: Basel habe alle Reichstage besucht, "bitz unnsern botten uff dem rychstag zu Ougspurg in bysin herrn Jost von Rynachs eins thumbherren, so noch in leben ist, ein grosse schmach begegneten, zu dem sy auch in die versamlungen nit berufft noch gelassen unnd allso von den Stenden des rychs ußgeschlossen wurden, besuecht und gehorsamlich leisten gehulffen" (ebd.). Leider ist über diesen Vorgang nichts Weiteres bekannt. 60

Die Instruktion für Jakob am Ort: HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 21r-24r. Sie ist in französischer Übersetzung gedruckt in EA 4/1 b, Nr. 360, S. 720-722 und in Lanz, Correspondenz 1, Nr. 137. Jakob am Ort berichtete aus Augsburg, der Bischof von Konstanz habe veranlaßt, daß sein Vortrag abgeschrieben - dies dürfte die deutsche Kopie in Schweiz 9 sein - und dem Kaiser übergeben worden sei - dafür dürfte die französische Übersetzung angefertigt worden sein (StA Luzem, Al Fl Sch. 54, 22.7.1530; EA 4/1 b, Nr. 360, S. 718). Siehe zu dieser Gesandtschaft unten, S. 349f. 61

Instruktion Luzerns für Jakob am Ort: HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 17r-18v; auch hier wieder die französische Übersetzung in Lanz, Correspondenz 1, Nr. 138, und allerdings nur die letzten beiden, nicht die Privilegienbestätigung betreffenden Absätze in EA 4/1 b, Nr. 360, S. 722. 62

StA Luzem, Urk. 22/855; Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 4854.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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sonanz stieß, läßt sich auch daran erkennen, daß Karl seinem Kammermeister befohlen hatte, für Jakob am Ort die Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu bezahlen63. Ungefähr einen Monat später als Jakob am Ort reiste der Solothurner Schultheiß Peter Hebolt nach Augsburg - mißtrauisch beobachtet von den evangelischen Orten 64 . Hebolt sollte den von Solothurn mit dem Basier Bischof und Domkapitel 1522 abgeschlossenen Kaufvertrag für das österreichische Lehen Tierstein bestätigen lassen65, und außerdem um eine Konfirmation der städtischen Privilegien nachsuchen66. Beide Ziele erreichte der Solothurner Schult-

63

Strickler, Actensammlung 2, Nr. 1565, S. 630f. Gleichzeitig mit Jakob am Ort waren noch weitere Bürger aus den fünf Orten in Augsburg anwesend, sie nutzten den Reichstag, um Privatangelegenheiten und Geschäfte zu regeln. Dies entsprach der Funktion des Reichstages als Forum für jegliche Art von Begegnungen und Geschäften. Die diesbezüglichen Nachrichten sind allerdings nur bruchstückhaft. Jakob am Ort wird in der Instruktion angewiesen, für Nikiaus von Meggen aus Luzem, Martin Geiser aus Schwyz und Heini Schönbrunner aus Zug um Geleit für eine geplante Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela zu bitten; von den Genannten war wohl zumindest Schönbrunner selbst in Augsburg (ebd., Nr. 1471, S. 587f.). Verschiedentlich wird außerdem die Anwesenheit des Sohns des Luzemer Schultheißen Hug in Augsburg erwähnt (ebd., Nr. 1455, S. 582; Nr. 1471, S. 587), jedoch ohne weitere Informationen. Der Genueser Baptist de Insula, seit 1528 Bürger von Luzem, war in eigenen Angelegenheiten in Augsburg, wurde aber von den Informanten der evangelischen eidgenössischen Städte ebenso wie der Sohn Hugs der Luzemer Botschaft zugerechnet (ebd., Nr. 1455, S. 582; Nr. 1471, S. 587). Jakob am Ort wurde angewiesen, beim Kaiser auch de Insulas Anliegen zufördern (Instruktion Luzems für Jakob am Ort, o.D. (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 17r-18v, hier fol. 18v)). 64

Strickler, Actensammlung 2, Nr. 1578, S. 637. Im Nachhinein mußte sich Hebolt wegen dieser Reise verteidigen, und zwar gegen den von einem Bemer Wirt gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe vor dem Kaiser in Augsburg erklärt, Solothum werde sich eher unter das Haus Österreich begeben als evangelisch werden (ebd., Nr. 1662, S. 664; auch Nr. 1680, Nr. 1716, Nr. 1740, Nr. 1846, Nr. 1959). 65 66

Strickler,

Actensammlung 2, Nr. 1561, S. 629.

StA Solothum, RM 1530, S. 310: "Min herr Schultheiß Hebollt ist von der statt fryheytten unnd lechen wegen zu dem keyser und dem künig Ferdinand zu rytten verordne« uff den rychstag zu Augspurg". Laut Ratsmanual war Hebolt zwischen dem 8.8. und dem 2.9. abwesend.

Die Eidgenossenschaft und das

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heiß 67 . Solothurn nutzte also die Anwesenheit des Kaisers im Reich für seine Zwecke. Dabei dürfte die Sicherung der umstrittenen Herrschaft Tierstein im Vordergrund gestanden haben - man wollte den Besitz auf diese Weise rechtlich einwandfrei absichern

denn die Möglichkeit, sich die Privilegien konfirmie-

ren zu lassen, hätte ja schon 1521 bestanden. Ähnlich wie 1530 nutzten die fünf Orte auch 1532 die Anwesenheit des Kaisers auf einem Reichstag, um eine Gesandtschaft zu ihm zu senden68. Diese Gesandtschaft diente möglicherweise dem Zweck, die Bezahlung der ihnen im Herbst 1531 gesandten Büchsenschützen zu erhalten 69. Auf den späteren Reichstagen sind dann keine Vertreter eidgenössischer Orte mehr anzutreffen 70. Dies heißt indessen nicht, daß die Eidgenossen für das Geschehen auf den Reichstagen und im Reich jegliches Interesse verloren hätten. Sie schickten zwar keine eigenen Gesandten auf die Versammlungen, aber die evangelischen Städte nutzten z.B. ihre Verbindungen nach Konstanz und Straßburg oder zur St. Galler Kaufmannschaft, um sich über Verhandlungen und Beschlüsse zu informieren. Während die eidgenössischen Orte - sofern sie überhaupt je an Reichsversammlungen teilgenommen hatten - sich von den Reichstagen nunmehr endgültig zurückgezogen hatten und für sie aktive Politikgestaltung ausschließlich auf der Tagsatzung stattfand, waren die zugewandten Orte in einer Zwick67

Strickler, Actensammlung 2, Nr. 1561, S. 629 (Bestätigung des Kaufvertrages); Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 4940 (Privilegienbestätigung). 68

RTA JR 10/2, Nr. 234, S. 930. Einer der Gesandten war der Luzemer Thomas Wellenberg: Fridbolt an Vadian, München, 28.4.1532 (VBS 5, Nr. 681, S. 55). Der St. Galler Christian Fridbolt teilte Vadian zwar die Anwesenheit Wellenbergs in Regensburg mit, wußte über dessen Absichten aber nicht Bescheid. Er stellte in Aussicht, diese zu erkunden, doch enthalten seine folgenden Briefe vom Reichstag keine diesbezüglichen Informationen. Fridbolt erwähnte übrigens keinen weiteren Vertreter aus den fünf Orten, während der Augsburger Gesandte von "Gesandten" der fünf Orte im Plural schrieb (RTA JR 10/2, Nr. 234, S. 930). Der Nuntius Aleander berichtete ebenfalls nur von einem Gesandten (ebd., S. 930, Anm. 10). 69 70

Zum Zusammenhang siehe S. 362f.

Dieses Bild bietet sich nach der Durchsicht der einschlägigen Editionen und der Reichsangelegenheiten betreffenden Bestände der Archive der eidgenössischen Orte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich durch die Edition der restlichen RTA für die Zeit Kaiser Karls V. noch geringfügige Korrekturen ergeben.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

109

mühle: An den Tagsatzungen durften sie nur teilnehmen und mitreden, wenn sie ausdrücklich darum gebeten wurden, und der eidgenössische Schutz galt für sie nur in eingeschränktem Maße. Ganz verzichten wollten sie auf ihn aber nicht, obwohl diese Verbindung im Reich nicht gern gesehen wurde. Ihre minderberechtigte Stellung in der Eidgenossenschaft verwies die Zugewandten dann doch wieder auf das Reich. Ob die Verbindung zum Reich oder die zur Eidgenossenschaft überwog, hing nicht zuletzt ab von der geographischen Lage der Zugewandten. So verbot schon ein Blick auf die Landkarte den zugewandten Orten Mülhausen und Rottweil, sich allein auf die Eidgenossenschaft zu verlassen und die Verbindungen ins Reich zu vernachlässigen. Mülhausen war eine eher kleine Reichsstadt71, gehörte also zu einer Gruppe, für die die Teilnahme am Reichstag - nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen - eher die Ausnahme darstellte. Dementsprechend verhielt sich auch Mülhausen: Die Stadt lehnte einen Reichstagsbesuch nicht prinzipiell ab 7 2 , gelegentliche Anfragen bei den Eidgenossen nach dem Erhalt von Einladungen verraten allerdings eine gewisse Unsicherheit. Rottweil war im Vergleich zu Mülhausen nicht nur die größere Stadt, sondern beherbergte mit dem kaiserlichen Hofgericht auch eine Reichsinstitution 73 . Die Stadt beschickte denn auch weiterhin unregelmäßig - wie die mei71

Die Verbindungen der Stadt zu den Eidgenossen waren relativ eng: Bereits im 15. Jahrhundert hatte Mülhausen Bündnisse mit einzelnen Orten abgeschlossen, seit 1515 bestand ein ewiger Bundesvertrag mit allen eidgenössischen Orten. Formal war Mülhausen damit enger an die Eidgenossenschaft angebunden als z.B. St. Gallen, das nur mit sechs Orten verbündet war. Aber die geographischen Gegebenheiten wogen auf Dauer schwerer als diese Formalien. 72

Auf den Reichstagen 1523 und 1529 war Mülhausen beispielsweise mit einem eigenen Gesandten vertreten (RTA JR 3, Nr. 117, S. 758; RTA JR 7/2, Nr. 148, S. 1313). Die Angabe von Aulinger "von Hagenau (Landvogtei) vertreten" (Aulinger, Bild des Reichstages, S. 373) ist nicht zutreffend, und zwar in zweierlei Hinsicht: Die entsprechende Passage in den Reichsabschieden lautet - mit kleinen Varianten "Hagenaw, mit bevelch der andern stett, in die landvogthey Hagenaw in Unnderelsas gehörig" (RTA JR 10/3, Nr. 303, S. 1086), vertreten wurden die Städte also vom Gesandten der Stadt Hagenau (manchmal noch begleitet von einem Gesandten Colmars), der Hinweis auf die Landvogtei diente lediglich der geographischen Einordnung. Gemeint waren mit dieser Bezeichnung die Städte der elsässischen Dekapolis, und zu diesen gehörte Mülhausen gerade nicht. 73

Die Annäherung Rottweils an die Eidgenossenschaft war ähnlich wie bei Mülhausen verlaufen. Nach ersten Bündnissen mit der Eidgenossenschaft in der zweiten

110

Die Eidgenossenschaft und das

sten anderen Reichsstädte auch - die Reichstage. Rottweil folgte dabei eigenem Ermessen, ohne sich bei der Eidgenossenschaft Rat zu holen. 1522 hätte dennoch selbst dieses relativ lockere Verhältnis zur Eidgenossenschaft die Rottweiler fast die Reichstagsteilnahme gekostet, als die Reichsstände der Rottweiler Delegation unter Hinweis auf den ewigen Bund mit der Eidgenossenschaft von 1519 die Reichstagsteilnahme verweigerten. Die Reichsstände ließen die Rottweiler dann lediglich vorbehaltlich einer endgültigen kaiserlichen Entscheidung zu den Beratungen zu. Ab 1526 war die Reichstagsteilnahme Rottweils dann jedoch wieder unbestritten, wozu vermutlich die katholische Haltung der Stadt beigetragen hat: Sie dürfte Karl und seinen Beratern eine großzügigere Haltung in dieser Frage nahegelegt haben74. Auch wenn die geographische Lage der Stadt St. Gallen eine engere Abstimmung ihrer Politik mit ihren eidgenössischen Nachbarn und Bundesgenossen gebot, so wurden doch auch die Verbindungen ins Reich weiterhin gepflegt. Wirtschaftlich bestanden stets viele Kontakte nach Norden, nach der Einführung der Reformation in St. Gallen und Konstanz wurden die - ohnehin engen Verbindungen zwischen diesen beiden Städten noch einmal intensiviert 75. Die Stadt St. Gallen erhielt während der gesamten Regierungszeit Karls V. ganz selbstverständlich Einladungen zu den Reichstagen. Im Stadtarchiv St. Gallen hat sich wie in Basel eine lange Reihe von Reichstagsausschreiben erhalten, allein aus der Zeit Karls V. (einschließlich Verschiebungen u.ä.) 25 Stücke. Wie Basel und Schaffhausen wurde St. Gallen noch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein zu Reichstagen geladen, zuletzt - wie Basel - von Ferdinand III. im Jahre 1640 76 . Versucht man, wie Aulinger dies getan hat, anhand der Reichsabschiede festzustellen, ob St. Gallen diesen Einladungen Folge leistete, erfährt man, daß St. Gallen keinen einzigen Reichsabschied in diesen

Hälfte des 15. Jahrhunderts trat um die Jahrhundertwende eine gewisse Entfremdung ein, bevor 1519 ein ewiges Bündnis mit allen Orten geschlossen wurde. 7 4

Schmidt, Städtetag, S. 56.

75

Zur Position St. Gallens zwischen Eidgenossenschaft und Reich siehe Braun/ Dobras, St. Gallen. 76

Aus der Zeit Maximilians II. sind in St. Gallen sechs Reichstagseinladungen bzw. -erstreckungen erhalten, von Rudolf II. sieben, von Matthias vier und von Ferdinand III. die erwähnte Ladung von 1640. Die Ladungen liegen im StadtA St. Gallen in Tr. VII, Nr. 1.26-1.70.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

111

Jahrzehnten unterzeichnet hat. Ein etwas anderes Bild ergibt indessen eine Untersuchung offizieller und weniger offizieller St. Galler Quellen 77 . Auf die Einladung Karls V. zu seinem ersten Reichstag reagierte St. Gallen wie viele andere Reichsstände und -Städte auch: Die Stadt nutzte die erste Anwesenheit des neuen Herrschers im Reich und ließ durch eine Botschaft um die Bestätigung der städtischen Privilegien bitten 78 , eine Bitte, der Karl am 23. Februar 1521 nachkam79. Die darüber in den Ratsprotokollen enthaltene Notiz läßt vermuten, daß die beiden Gesandten Lienhart Keller und Konrad Appenzeller keinen weitergehenden Auftrag für eine offizielle Teilnahme am Reichstag erhielten. Damit stimmt überein, daß weder Keller oder Appenzeller noch die Stadt St. Gallen in den gedruckten Reichstagsakten als auf dem Reichstag anwesend Erwähnung finden 80 . Daß zumindest Lienhart Keller 1521 tatsächlich in Worms gewesen war, ohne indessen an den Beratungen der Städtekurie teilgenommen zu haben, geht aus dem Ratschlag Ulrich Varnbülers für das Verhalten des St. Galler Gesandten auf dem Speyrer Reichstag 1529 hervor 81 . Die

77

Allerdings konnte die reichhaltige St. Galler Überlieferung dieser Zeit nicht umfassend und systematisch für diese Frage herangezogen werden. Es wurden die Ratsprotokolle und die Seckelamtsbücher durchgesehen, außerdem die Edition der Vadianischen Briefsammlung (VBS). Für die Reichstage von 1529 und 1530 hat E.G. Rüsch entsprechende Untersuchungen vorgelegt (Rüsch, St. Gallen am Reichstag zu Speyer 1529; und Rüsch, St. Gallen und der Reichstag zu Augsburg 1530), die die hier interessierenden Fakten für diese beiden Reichstage bieten. Rüschs Untersuchungen machen darüber hinaus deutlich, daß der Briefwechsel Vadians oft ergiebiger ist als die offizielle städtische Überlieferung; insofern ist die Konzentration auf diesen gerechtfertigt. 78

StadtA St. Gallen, RP 1518-28, fol. 37r, 4.2.1521: "Ist Lienhart Keller seckelmeister mitsampt Conratten Appentzeller alt stattschriber an den kaiserlichen hof verordnet unnd inen in befelh geben. Item das sy gemainer statt fiyhaiten emüwem unnd bestetten söllend lassen. Item unnd darby wo das sin mag fryhat erlangen sollend das man gold möge müntzen. Item ob sich begebe dz sy für k. mt. kome das sy s. mt. klagen um siner mt. anhern im glück wünschen unnd bitten, statt s.g. befolhen zehaben". 79

Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 602.

80

Die Vadianische Briefsammlung enthält für diese frühe Zeit noch keine genaueren Informationen über die St. Galler Politik: Vadian wurde erst Mitte 1521 Mitglied des Kleinen Rates (Näf, Vadian 2, S. 129). 81

Der St. Galler Gesandte, Christian Fridbolt, referierte in einem Schreiben an den St. Galler Rat die ihm für sein Auftreten in Speyer von Vambüler erteilten Ratschläge:

112

Die Eidgenossenschaft und das

Reichstage 1522-24 sowie der von 1526 scheinen ohne st. gallische Beteiligung stattgefunden zu haben. Dagegen entsandte der St. Galler Rat auf den Reichstag 1529 in Speyer einen offiziellen Gesandten, nämlich Christian Fridbolt 82 . Obwohl seine Entsendung nach Speyer im Ratsprotokoll nicht erwähnt ist, kann kein Zweifel daran bestehen, daß Fridbolt offiziell vom Rat der Stadt entsandt war, bezeichnet er sich in einem Schreiben an den Rat doch als von "Ewer ersam Wysheit ... abgefertigt" 83 . Für die offizielle Sendung spricht auch, daß Fridbolt im Namen der Stadt die Appellation der Evangelischen unterzeichnete84. Auf dem Reichstag spielte er allerdings nur eine untergeordnete Rolle, in den Berichten über die Verhandlungen ist von ihm nirgends die Rede 85 . Dies entspricht freilich der im Vergleich zu den führenden Reichsstädten geringen Bedeutung St. Gallens 86 . Eine weitere Erklärung findet sich in dem bereits erwähnten Bericht Fridbolts vom Reichstag an den St. Galler Rat. Nach seiner Ankunft in Speyer hatte er sich sofort an Ulrich Varnbüler gewandt, der ihm für sein Verhalten auf dem Reichstag detaillierte Ratschläge gab, denen Fridbolt auch folgte: Nachdem Ewer ersam Wyshait mich abgefertiget, bin ich uff Mitwuch nach dem palmtag woll gen Speyr komen und mich demnach rats befra"Zuo dem erstenn ratt er mir, ich sölle mich nit insetzen in der steet rat; dan Lienhart Keller selig sige zuo Wurms och nit bin in gesessenn." (VBS 4, Nr. 567, S. 170). 82

Christian Fridbolt, geb. ca. 1480-85, Spitalschreiber in St. Gallen seit 1510, Leinwandhändler, 1529-31 Zunftmeister der Schneiderzunft. Er war für St. Gallen in vielerlei diplomatischen Missionen tätig, u.a. nach Frankreich, nahm 1526 in französischem Dienst am Krieg in Italien teil, ebenso 1536 in der Provence. 1531 befehligte er das St. Galler Kontingent im 2. Kappeler Krieg. Er starb 1538, nachdem er bereits 1533 das St. Galler Bürgerrecht aufgegeben hatte, vermutlich, um nicht mit den städtischen Reislaufverboten in Konflikt zu geraten. Die biographischen Angaben nach Rüsch, Fridbolt. 83

VBS 4, Nr. 567, S. 170. Zu dieser Mission siehe Rüsch, St. Gallen am Reichstag zu Speyer 1529. 84

RTA JR 7/2, Nr. 167, S. 1354.

85

Lediglich in einer Liste der anwesenden Stände ist Fridbolt verzeichnet (RTA JR 7/2, Nr. 171, S. 1392). Der Reichsabschied kann in diesem Falle nicht als Anhaltspunkt dienen, da er von den Evangelischen nicht unterzeichnet wurde. 86

Varnbüler bringt dies in bezug auf die Religionsfrage mit folgenden Worten auf den Punkt: "des gloubens halb, es habe kain nott; es syen vill grosser steet, die werden ewer E. W. forfechten." (VBS 4, Nr. 567, S. 171).

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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get am Ulrich Farnbuler, dem ich ewer E.W. fruntlichenn grus angesagt mit erbietung alles diensts. Hab ich in (!) ratt bin imfanden, wie folgt, ist och gantz guttwillig gewesenn; dan er sagt, ain stat Sant Gallenn sige im lieber, dan vor nie, angesehen die cristenlich handlung und tatten, so mir tuyen. Er ist an gut Crist. Zu dem erstenn ratt er mir, ich sölle mich nit insetzen in der steet rat; dan Lienhart Keller selig sige zu Wurms och nit bin in gesessenn; es wurde och ewer E.W. nachteilig sin. So man ain stür wider den Turcken anlegen wurde, folgte woll halbe bewilgnuss, oder so man der Schwitzer gedechte, wer ich argwönig. Aber ich mög mich woll inschriben laussen in die stend des richs; sige gnug, ewer E.W. zu entschuldigen. Auff solichs hab ich mich dem cantzler von Mentz anzaigt, der mich ingeschribenn und woll benugig ist gewesenn. Wyrd also in die stend desrichsgon und dem rat des Farnbulers gefolgt. 87. Aus dieser Passage geht deutlich hervor, daß Fridbolt - wie Keller 1521 nicht an den Beratungen in der Städtekurie teilgenommen hat. Die Interpretation des Varnbülerschen Ratschlags durch Rtlsch, Fridbolt "solle sich vielmehr ... in die Stände des Reichs, also in die dritte, viele und verschiedenartige politische Grössen umfassende Kurie, eintragen lassen"88, beruht auf einer falschen Vorstellung von der Kurienverfassung des Reichstages; eine dritte Kurie, wie sie von ihm beschrieben wird, existierte nicht 89 . Der Annahme Rüschs, daß eine Einschreibung Fridbolts in der Städtekurie für St. Gallen von Nachteil gewesen sein könnte, "weil im Falle einer für die Städte zu beschliessenden Türkenhilfe aus seiner Anwesenheit eine 'halbe bewilgnuss' gefolgert werden könnte" 90 , kann ebenfalls nicht gefolgt werden: Zum einen wurde eine Türkenhilfe nicht alleine für die Städte beschlossen, und die Vorstellung, daß man sich dieser durch Einschreibung in eine andere Kurie hätte entziehen können, ist vollends absurd. Zum anderen galten die Beschlüsse des Reichstages im Prinzip auch für die abwesenden Stände, die Durchsetzung dieser Beschlüsse war mehr eine Frage politischer Machtverhältnisse als solcher Formalien. Der Ratschlag Varnbülers ist vielmehr dahingehend zu interpretieren, daß sich Fridbolt allein in die Liste der auf dem Reichstag Anwesenden eintragen lassen sollte, und dort ist 87

VBS 4, Nr. 567, S. 170f.

88

Rüsch, St. Gallen am Reichstag zu Speyer 1529, S. 354.

89

Die dritte Kurie war ja gerade die Städtekurie. Sollte Rüsch indessen die Fürstenkurie meinen, auf die die Beschreibung "viele und verschiedenartige politische Grössen umfassende Kurie" am ehesten paßt, bleibt unverständlich, wie es St. Gallen gelungen sein soll, sich unter die Fürsten einschreiben zu lassen. 90

8 Braun

Rüsch, St. Gallen am Reichstag zu Speyer 1529, S. 354.

114

Die Eidgenossenschaft und das

sein Name ja auch tatsächlich verzeichnet 91. Die genaueren Details von Fridbolts Teilnahme am Speyrer Reichstag 1529 bleiben indessen im dunkeln. Fest steht nur, daß Fridbolt an diesem Reichstag als offizieller St. Galler Gesandter teilnahm und als einer von 14 Städtevertretern die evangelische Appellation an den Kaiser unterzeichnete92. Auch 1530 wollte die Stadt St. Gallen auf dem Reichstag präsent sein, und zwar offenbar vor allem deshalb, um direkt über das Reichstagsgeschehen informiert zu sein 93 . Deshalb beschritt St. Gallen einen für eine Reichsstadt eher ungewöhnlichen Weg und schickte einen heimlichen Beobachter auf den Reichstag94. Dieser war offiziell vom Rat entsandt95 und besoldet96, aber eben nicht als Gesandter, sondern als Beobachter. Mit dieser Aufgabe betraut wurde Andreas Eck, ein St. Galler Bürger, der lange in kaiserlichem Kriegsdienst in 91

RTA JR 7/2, Nr. 171, S. 1392.

92

Dies wohl in Absprache mit Lindau und Konstanz. Einem Bericht der Innsbrukker Regierung zufolge logierten nämlich der Lindauer Bürgermeister Hans Vambüler sowie der Konstanzer Ratsherr Konrad Zwick zusammen mit Fridbolt in einer Herberge (RTA JR 7/1, S. 679, Anm. 1). 93

Vermutlich war die Stadt nicht zuletzt an Informationen über die Aktivitäten des St. Galler Abtes interessiert, da die Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Abt 1529 einen neuen Höhepunkt erreicht hatten und zu befürchten war, daß der Abt den Reichstag nützen würde, um seine Klagen gegen die Stadt vorzubringen. 94

Daß die Stadt auf eine offizielle Beschickung des Reichstages verzichtete, könnte damit zusammenhängen, daß man trotz des in versöhnlichem Ton gehaltenen Reichstagsausschreibens Karls V. die Chancen für eine Einigung in der Religionsfrage gering einschätzte. Für diese Annahme spricht die Bemerkung Vadians im Anschluß an die Erwähnung des Reichstagsausschreibens "Sind blauwe enten" in seinem Diarium (Vadian, DHS 3, Nr. 40, S. 243). Nun kann Vadian zwar nicht mit dem St. Galler Rat gleichgesetzt werden, aber Vadian bestimmte doch wie kein anderer in diesen Jahrzehnten die St. Galler Politik, so daß seine Meinung auch in dieser Frage von erheblichem Gewicht gewesen sein dürfte. 95

Auch hier fehlt wie 1529 ein entsprechender Eintrag in den Ratsprotokollen, doch läßt der Eintrag Vadians in seinem Diarium keine Zweifel an der offiziellen Entsendung aufkommen: "Nota, daß min herrn Andres Eggen, iren burger, der an des kaisers hof wol bekant was und in Hispania lang daran dient hatt, gen Ougsburg uf den richstag schiktend, haimlich ze losen und si durch brief aller sach berichten" (Vadian, DHS 3, Nr. 72, S. 254). 96

St. Gallen habe "ain sonderbare spech zu Ougspurg uf unsem kosten (Vadian, DHS 3, Nr. 83, S. 257, siehe auch ebd., Nr. 100, S. 260).

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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Spanien gewesen und erst Ende 1527 wieder nach St. Gallen zurückgekehrt war 9 7 . Seine in langjährigem kaiserlichen Dienst gewonnenen Beziehungen zu zahlreichen Persönlichkeiten an Karls Hof ließen ihn wohl für diese Aufgabe besonders geeignet erscheinen98. Eck war bereits 1529 auf dem Speyrer Reichstag gewesen, jedoch nicht in offiziellem St. Galler Auftrag 99 . Die ihm nun gestellte Aufgabe der Nachrichtensammlung und -Übermittlung erfüllte Eck gewissenhaft: Er schrieb im Zeitraum zwischen dem 28. Mai und Mitte bis Ende August mindestens sechs Briefe an Vadian und den St. Galler Rat 1 0 0 . Auf diese Weise war nicht nur St. Gallen über die Vorgänge in Augsburg auf dem laufenden, die Informationen wurden meist auch gleich an Zürich und Bern weitergeleitet 101. Daß Andreas Eck zwar im Auftrag des Rats in Augsburg weilte, jedoch nicht als Reichstagsgesandter, wird auch daraus deutlich, daß Ulrich Varnbüler, an den sich Eck wie Fridbolt ein Jahr zuvor sofort nach seiner Ankunft in Augsburg gewandt hatte, nach wie vor auf die Beschickung des Reichstages durch einen St. Galler Gesandten, am liebsten durch Vadian selbst, hoffte 102 .

97

Zu Andreas Eck siehe den Artikel: Eck (Eckg, Eggius, Eccius usw.), Andreas, in: Conradin Bonorand (Hrg.), Personenkommentar II zum Vadianischen Briefwerk (Vadian-Studien, Untersuchungen und Texte, hrg. vom Histor. Verein des Kantons St. Gallen), St. Gallen 1983, S. 268-272. Die Angaben kurz zusammengefaßt bei Rüsch, St. Gallen und der Reichstag zu Augsburg 1530, S. 26. 98

So bat z.B. 1527 der Reichsvizekanzler Balthasar Merklin Vadian, dafür zu sorgen, daß Eck und andere die ihnen vom Kaiser als Entgelt für besondere Verdienste übertragene Stadtsteuer der Stadt St. Gallen (Gross, Reichsregisterbücher, Nr. 3685) auch tatsächlich erhielten (VBS 4, Nr. 479, S. 51 f.). 99

VBS 4, Nr. 569, S. 173.

100

Rüsch, St. Gallen und der Reichstag zu Augsburg 1530, S. 27-30. Ende August verließ Eck Augsburg, am 5. September schrieb er aus Baden/Aargau (VBS 4, Nr. 613, S. 222f.). 101

Strickler, Actensammlung 2, Nr. 1455, S. 581; Vadian, DHS 3, Nr. 83, S. 257; Strickler, Actensammlung 2, Nr. 1554, S. 625-627; Vadian, DHS 3, Nr. 100, S. 260; Strickler, Actensammlung 2, Nr. 1520, S. 610. Siehe auch Rüsch, St. Gallen und der Reichstag zu Augsburg 1530, S. 37-41. 102

Andreas Eck an Vadian, 28.5.1530: "Nachmals hatt mich eegedachter Ulrich Fambuler emstlich erinnert, ob ir, m. herren, nitt ir gesanten und rattsbotten hiehar gen Augspurg uff den richstag welind schycken.... er möchti wol liden, das ir gsant wurdind; 8*

116

Die Eidgenossenschaft und das

Auch der nächste Reichstag, 1532 in Regensburg, sah wieder einen St. Galler, und erneut war es Christian Fridbolt. Allerdings ist sein Status auf dem Reichstag unklar. Vadian schreibt in seinem Diarium, daß Fridbolt "von uns och etwas befelchs hatt" 1 0 3 , was an eine offizielle Beobachtertätigkeit wie die Ecks 1530 denken läßt. Um eine solche hat es sich aber wohl nicht gehandelt. Fridbolt war hauptsächlich in französischem Auftrag in Regensburg, mit den Worten Vadians: "der haimlich in des Franzosen Namen zuo Regenspurg lag" 1 0 4 . Als St. Galler Bürger fühlte er sich aber verpflichtet 105, seine Heimatstadt über den Reichstag und die parallel dazu in Nürnberg stattfindenden Verhandlungen auf dem laufenden zu halten 106 . Die Stadt St. Gallen war also auf dem Regensburger Reichstag 1532 nicht vertreten, wurde aber über das dortige Geschehen durch einen ihrer Bürger fortlaufend informiert. Auf den Regensburger Reichstag 1532 folgte eine Pause von fast einem Jahrzehnt, bis sich zu Beginn der 40er Jahre die Reichsversammlungen erneut in rascher Folge ablösten. Im Herbst 1541 traf in St. Gallen eine Ladung zum

wann es aines sölchen witberuemten, verstendigen mans not were" (VBS 4, Nr. 604, S. 213). 103

Vadian,, DHS 3, Nr. 428, S. 402. Emeut fehlt ein entsprechender Eintrag in den Ratsprotokollen. 104

Vadian, DHS 3, Nr. 428, S. 402.

105

In diese Richtung geht die Bemerkung Fridbolts "So ich aber der genaigt und willig bin, wie ich mich erbotten, und, ob got will, nichts anders, dan aim fromen Santz Galler zuogehört, handien will." (VBS 5, Nr. 681, S. 54). 106

Fridbolt hatte also im Gegensatz zu Eck 1530 keinen offiziellen Informationsauftrag. Es ist nämlich kaum anzunehmen, daß der Rat, der ja, wie die Notiz Vadians zeigt, von dem französischen Auftrag Fridbolts wußte, ihn seinerseits offiziell mit einer Kundschaftertätigkeit betraute. Rüsch deutet die oben zitierte Bemerkung Vadians "von uns ouch etwas befelchs hatt" als Beauftragung durch den Rat (Rüsch, Fridbolt, S. 29). Da die Notiz Vadians dies nicht eindeutig enthält, und weitere Indizien in diese Richtung fehlen, scheint diese Interpretation doch etwas zu weit zu gehen, zumal einige Hinweise für eine Nichtbeauftragung sprechen. Für die Tatsache, daß Fridbolt nicht im offiziellen Auftrag des Rats berichtete, spricht femer, daß die erhaltenen Berichte Fridbolts allesamt an Vadian gerichtet sind und nicht an den Rat (VBS 5, Nr. 681, Nr. 683f., Nr. 691, Nr. 697, Nr. 702). Zwar hatte Fridbolt zunächst an den Rat geschrieben, von diesem aber keine Antwort erhalten (ebd., Nr. 681, S. 54), danach aber richtete er sämtliche Briefe nur noch an Vadian.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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Reichstag nach Speyer am 14. Januar 1542 ein 1 0 7 . St. Gallen kam dieser Aufforderung nach und entsandte Martin Hux auf den Reichstag. Die Instruktion für Hux ist erhalten 108 , und sie verwies Hux wie seine Vorgänger zunächst an Ulrich Varnbüler. Mit dessen Rat sollte Hux versuchen, auf dem Reichstag für St. Gallen Erleichterungen in bezug auf die Türkenhilfe zu erlangen. Daß es St. Gallen lediglich um die der Stadt auferlegten Zahlungen ging, geht daraus hervor, daß die St. Galler Lindau und Konstanz gebeten hatten, sie über den Fortgang der Verhandlungen zu informieren, und nur falls über die Reichsanlagen verhandelt würde, "weitend sy ir bottschafft och dahin verordnen und schicken"109. Erneut kam in der Instruktion die Frage des Sitzes des St. Galler Gesandten zur Sprache, und wie schon 1529 scheint sich auch 1542 der St. Galler Rat hierüber nicht sicher gewesen zu sein und verwies seinen Gesandten in dieser Frage an Varnbüler: "Item des sitz halben, da sol er ach herr ulrich Varnbülerns rath han" 1 1 0 . Falls Gesandte aus Basel oder Schaffhausen anwesend seien, könne er sich auch mit ihnen beraten. Genauere Informationen über Hux1 Reichstagsaufenthalt, z.B. darüber, wie er das Problem des "Sitzes" löste, sind nicht erhalten. Im Reichsabschied taucht der Name von Hux ebenfalls nicht auf. Damit reißt die Reihe St. Galler Gesandtschaften auf den Reichstagen ab. Aus der Übersicht über die Präsenz St. Gallens auf den Reichstagen in den ersten zwei Jahrzehnten der Regierung Karls V. läßt sich der Schluß ziehen, daß St. Gallen die Frage der Vertretung auf dem Reichstag außerordentlich pragmatisch handhabte. Es ging für die Stadt dabei nicht um Grundsatzfragen der Zugehörigkeit zum Reich oder zur Eidgenossenschaft - einen solchen Gegensatz sahen die St. Galler ohnehin nicht -, sondern lediglich um die Frage, ob die Interessen der Stadt eine Vertretung auf dem Reichstag nötig erscheinen ließen oder nicht. Damit unterschied sich St. Gallen nicht vom Gros der Reichs-

107

StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 1.43; EA 4/ld, Nr. 53, S. 96.

108

StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.5. Im Ratsprotokoll heißt es unter dem Datum 3.2.: "uff den reichs (sie!) gen Spyr ist verordnet zerytten marty hux" (StadtA St. Gallen, RP 1541-43, S. 16). Bereits am 2. März 1542 rechnete Hux die Kosten für den Ritt nach Speyer mit dem Seckelmeister ab. Insgesamt beliefen sich die Kosten für die Gesandtschaft auf 24 lb 17 ß 11 d (StadtA St. Gallen, Seckelamtsbuch 1542, fol. 40r). 109

StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.5.

110

StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.5.

118

Die Eidgenossenschaft und das

Städte111. Es waren ja nur wenige große Reichsstädte, die wirklich regelmäßig auf den Reichstagen anwesend waren und deren Gesandte im wesentlichen die Politik der Städte bestimmten. Die Mehrheit der Reichsstädte kam den Ladungen nicht nach oder ließ sich von den großen Städten vertreten, und nur wenn es das besondere Interesse der Stadt erforderte, nahm man die Mühen und Kosten einer eigenen Gesandtschaft zum Reichstag auf sich. Exakt dieses Verhalten ist auch bei St. Gallen zu beobachten. Daß die Stadt dem Reich aber vielleicht doch schon etwas ferner gerückt war als andere, läßt sich daran ablesen, daß der St. Galler Rat 1529 nicht recht wußte, wie er seinen Gesandten hinsichtlich des Reichstagssitzes instruieren sollte und der Gesandte an den Beratungen der übrigen Reichsstädte bewußt nicht teilnahm.

II. Die Einbeziehung der Eidgenossenschaft in die Kreisverfassung des Reichs Zu den wichtigsten Ergebnissen der Reichsreform gehörte die Errichtung der Reichskreise 112. Um den Grad der Einbindung der Eidgenossen in die Reichsverfassung bestimmen zu können, ist also auch danach zu fragen, inwieweit die Eidgenossenschaft in die Kreisverfassung des Reichs einbezogen wurde und inwieweit sie sich aktiv an den Kreisinstitutionen beteiligte 113 . 111

Es ist also sicher richtig, wenn Schmidt, ohne das St. Galler Material zu kennen, über die Haltung St. Gallens aussagt: "Von allen Freien und Reichsstädten, die sich der Eidgenossenschaft angeschlossen hatten, hielt St. Gallen am längsten Kontakt zum Reich und seinen Institutionen ... Seine Delegierten gingen auf den Reichstagen allerdings keine Verpflichtungen mehr ein, sondern beschränkten sich auf eine passive, beobachtende Rolle" (Schmidt, Städtetag, S. 66). Schmidt hat dabei offensichtlich nur die schweizerischen Bundesverwandten südlich des Rheins im Blick, obwohl er an anderer Stelle ausführlich auf die Position Rottweils und Mülhausens zwischen Reich und Eidgenossenschaft eingeht. 112

Zur Entwicklung der Reichskreise siehe den Überblick in Dotzauer, Reichskreise, S. 8-46. 113

Es war im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, für dieses Kapitel direkt an die Kreisüberlieferung zu gehen. Was die Seite der Kreise angeht, stützen sich die Aussagen deshalb allein auf die Literatur, d.h. vor allem auf Malzan, Geschichte des Oberrheinischen Kreises, und Laufs, Schwäbischer Kreis, sowie die Überblicksdarstellung von Dotzauer, Reichskreise. Für die Seite der präsumtiven Kreisstände wurden neben den gedruckten EA die Archive von Basel und St. Gallen herangezogen.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

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Für eine Einbeziehung der Eidgenossen kamen die beiden den Südwesten des Reichs abdeckenden Kreise, also der Oberrheinische und der Schwäbische Kreis, in Betracht. In der Regimentsordnung von 1500 wurde die Ausdehnung der einzelnen Kreise nur relativ grob festgelegt, ohne genaue Aufzählung der den Kreis bildenden Kreisstände. Dabei hieß es über den Schwäbischen Kreis: Der dritt Kreyß begreift die Bißthumb, Fürstenthum, Landt und Gebiet der Bischoffen von Chur, Costentz, Augspurg, des Hertzogen von Wirtenberg, des Marggrafen von Baden, die Geselschaft von St. Georgen Schild, die Ritterschaft in Hegaw, auch alle und jede Prelaten, Grafen, Herren, Reichstätt im Landt zu Schwaben.114 Da das Bistum Konstanz den größten Teil der Eidgenossenschaft umfaßte, mußten diese Gebiete folglich zum Schwäbischen Kreis gehören, auch wenn sie an der Wende zum 16. Jahrhundert nicht mehr eigentlich als "im Landt zu Schwaben" gelegen angesehen wurden. Dies gilt ebenso für das Bistum Chur, das an einigen Stellen über Graubünden hinaus in die Eidgenossenschaft ausgriff. Die westlich der Aare gelegenen eidgenössischen Gebiete unterstanden dem Bistum Basel und gehörten somit zum Bereich des Oberrheinischen Kreises, über dessen Ausdehnung es in der Regimentsordnung heißt: Der vierte Kreyß begreift die Bistumb, Fürstenthum, Land und Gebiet der Bischoffen von Worms, Speyr, Straßburg, Basel, Apt zu Fuld, Herzog Hansen auf dem Hundtsrück, Hertzog Alexander, beyde von Beyern, Lothringen, Westerrich, das Landgrafthum zu Hessen, die Wedderaw, auch Prelaten, Grafen, Heim, Frey- und Reichstätt, der Ort gesessen oder gelegen.115 Ungeachtet dieses Wortlauts der Kreisfestlegungen, der in die Regimentsordnung von 1521 übernommen wurde, war die Eidgenossenschaft nicht in die Kreisverfassung einbezogen116. Die eidgenössischen Orte tauchen weder in späteren Auflistungen der Kreisstände auf, noch haben sie Einladungen zu Kreistagen oder Aufforderungen zur Zahlung von Kreisumlagen erhalten. Dieser Befund untermauert die bisherige Beobachtung, daß die langsame Ablösung 114

Regimentsordnung von 1500, §8 (Neue Sammlung II, S. 58).

115

Regimentsordnung von 1500, §9 (Neue Sammlung II, S. 58).

116

Ebenfalls zum Reich gehörend, aber ebensowenig in die Kreisverfassung einbezogen waren Reichsitalien, Böhmen, Schlesien, der Deutsche Orden und die Territorien der Reichsritterschaft (Dotzauer, Reichskreise, S. 13).

120

Die Eidgenossenschaft und das

der Eidgenossenschaft vom Reich ihren Anfang damit nahm, daß die Eidgenossenschaft an den Institutionen der Reichsreform und den durch sie bewirkten Veränderungen nicht teil hatte. Zu diesen Institutionen zählten nicht zuletzt die Reichskreise. Eine Ausnahme von dieser Nichteinbeziehung in die Kreisverfassung bildeten die Städte Basel und Schaffhausen, die zum Zeitpunkt der Abfassung der ersten Regimentsordnung 1500 noch nicht zur Eidgenossenschaft gehörten und deshalb dem Oberrheinischen bzw. dem Schwäbischen Kreis zugeordnet wurden. Zum Schwäbischen Kreis gehörten daneben die zugewandten Orte Stadt und Abt St. Gallen sowie die Äbte der in der Schweiz gelegenen reichsunmittelbaren Klöster 117 . Da die Kreise in den 20er Jahren noch kaum in Er-

117

Die Arbeiten von Malzan und Laufs - und ihnen folgend Dotzauer - gehen nicht näher auf die Zusammensetzung der Kreisstände ein. In Malzans Darstellung kommt die Stadt Basel als Kreisstand überhaupt nicht vor, lediglich in einem Verzeichnis der säumigen Zahler im Anhang vom Februar 1595 taucht Basel auf (Malzan, Geschichte des Oberrheinischen Kreises, S. 250). In der von Malzan angeführten ersten spezifizierten Aufgliederung der Kreisstände von 1532 ist Basel nicht verzeichnet (ebenso Dotzauer, Reichskreise, S. 238-240), was insofern erstaunt, als die Stadt 1531 zum Kreistag nach Speyer geladen worden war. Dagegen ist die Stadt Basel in der von Andermann publizierten Kreismatrikel von 1531 verzeichnet (K. Andermann, Eine Matrikel des Oberrheinischen Reichskreises aus dem Jahre 1531, in: Jb. für westdt. Landesgeschichte 5 (1979), S. 83-90). Auch Laufs gibt keine Liste aller Kreisstände an. Bei der Schilderung der einzelnen Kreistage zählt er teilweise die anwesenden Kreisstände auf (Laufs, Schwäbischer Kreis, S. 160, Anm. 13; S. 168, Anm. 42; S. 200, Anm. 168). Aus diesen Übersichten geht hervor, daß die Städte und Äbte in der Eidgenossenschaft die Kreistage nicht besuchten, lediglich 1549 ließen sich die Äbte von Kreuzlingen und Stein am Rhein durch den Konstanzer Bischof vertreten (ebd., S. 217, Anm. 11). Laufs geht aber an einigen Stellen auf die Schwierigkeiten ein, die es macht, eine genaue Übersicht über die Kreisstände zu gewinnen: "Eine bis in alle Einzelheiten klare und eindeutige Matrikel läßt sich für keinen einzelnen Zeitpunkt des 16. Jahrhunderts wiedergeben oder rekonstruieren" (ebd., S. 225). Die von ihm in diesem Zusammenhang abgedruckte Matrikel von 1552 führt die in der Schweiz gelegenen Städte und Äbte sowie den Bischof von Chur nicht auf (ebd., S. 226). Das Problem der "Schweizer Kreisangehörigen" erwähnt Laufs explizit lediglich bei der Einladung für den Kreistag 1541: Die Bemerkung "Unter den Eingeladenen fanden sich auch Stände, die zu jener Zeit nicht mehr als unmittelbare Reichsglieder gelten konnten" wird ergänzt durch eine Anmerkung mit der Aufzählung der "von der schweizerischen Eidgenossenschaft 'eximierten' Stände" (ebd., S. 167f.). Seinen Ausführungen läßt sich aber nicht entnehmen, ob solche Einladungen eher die Ausnahme oder die Regel waren. Dotzauer druckt eine Auflistung der Kreisstände des

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

121

scheinung traten, finden sich auch keine Nachrichten über Kreisaktivitäten gegenüber den in der Schweiz gelegenen Kreisständen. Ab 1531 erhielten Basel und St. Gallen dann aber immer wieder Einladungen zu Kreistagen, um z.B. einen Kreishauptmann zu wählen, oder Aufforderungen, im Rahmen des Kreiskontingentes Truppen zu stellen 118 . Diesen Aufforderungen kamen die Städte jedoch nicht nach 119 . Eine grundsätzliche Entscheidung wurde dabei freilich nicht gefällt; in den meisten Fällen wurden die Einladungen offenbar einfach beiseite gelegt. Es steht zu vermuten, daß die Eidgenossen keine sehr ausgeprägten Vorstellungen davon besaßen, was ein Kreis und ein Kreistag waren; in den Stellungnahmen ist beispielsweise vage von einem "gemeinen Tag" 1 2 0 oder auch von "solche[n] ausländische^] Tagsatzungen"121 die Rede. Die zuletzt genannte Formulierung stammt aus einem Briefwechsel der Eidgenossen mit dem Kaiser, in dem es um Ladungen zu Tagen nach Schlettstadt Schwäbischen Kreises von 1521 ab, die die in der Schweiz ansässigen Kreisangehörigen mit aufführt (Dotzauer, Reichskreise, S. 207). x n

Basel. StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 3 [12.3.1531]; StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 6.1 [24.6.1532]; ebd. [23.12.1536]; StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 3 [5.7.1537]; ebd. [15.4.1542]; ebd. [1.6.1542]; ebd. [19.9.1542]; ebd. [23.6.1544]; EA 4/ld, Nr. 362, S. 804 [18.4.1547]; StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 3 [31.12.1548]; EA 4/le, Nr. 12, S. 35 [22.2.1549]. St. Gallen: StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 7.28 [29.4.1542]; EA 4/le, Nr. 2, S. 11 [14.23.1.1549]; ebd., Nr. 12, S. 35 [22.2.1549]; StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.29 [25.2.1549]; ebd., Nr. 9.1 [27.2.1549]; ebd., Nr. 9.2 [27.2.1552]; ebd., Nr. 9.3 [17.9.1552]; ebd., Nr. 9.4a [12.2.1554]. 119

In den meisten Fällen sind lediglich die Ladungen und Aufforderungen vorhanden, so daß auf deren Nichtbefolgung aufgrund der Tatsache geschlossen werden muß, daß über entsprechende Aktivitäten keinerlei Nachrichten überliefert sind. Auch führen z.B. Anwesenheitslisten von Kreistagen die entsprechenden Kreisstände nicht auf. In einigen Fällen finden sich allerdings - durchweg ablehnende - Stellungnahmen zu derartigen Aufforderungen. So betonten Basel und St. Gallen 1531 auf einem Tag der evangelischen Verbündeten, daß sie der Ladung des Bischofs von Speyer nicht folgen würden 0Strickler, Actensammlung 3, Nr. 395, S. 172). St. Gallen fragte 1542 immerhin bei Schaffhausen an, ob die Stadt der Einladung auf den Kreistag nach Worms folgen würde, "dann wyr gar ungern weitter handien und faren weiten dann ander unser getruw lieb aidgnosen" (St. Gallen an Schaffhausen, 29.4.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 7.28)). 120

Strickler,

121

EA 4/le, Nr. 2, S. 11.

Actensammlung 3, Nr. 395, S. 172.

122

Die Eidgenossenschaft und das

und Ulm im Vorfeld des Augsburger Reichstages 1547/48 und des von Karl geplanten Reichsbundes ging 1 2 2 . Die geladenen Städte brachten die Einladungen auf der Tagsatzung zur Sprache 123 und erreichten, daß die Eidgenossen deshalb an Karl V. schrieben 124. Nach einer Aufzählung der ergangenen Ladungen argumentierten die Eidgenossen, daß ihre Eids- und Bundesverwandten "söllicher rychs unnd annderer ußlenndischen tagsatzungen zubesuchen nit genöttet" gewesen seien und diese deshalb seit ihrem Bündnis mit den Eidgenossen auch nicht besucht hätten. Sie baten den Kaiser, ihnen die Teilnahme zu erlassen und sie künftig auch nicht mehr zu laden. Das Schreiben ist für die Haltung der Eidgenossen zu Kaiser und Reich in höchstem Maße aufschlußreich. Die Eidgenossen erwiesen Karl V. die ihm als Kaiser gebührende Reverenz in Anrede und ausgiebigem Gebrauch aller üblichen Floskeln und Formeln 125 und zeigten sich somit als gehorsame Glieder des Reichs. Gleichzeitig jedoch leiteten sie aus dem Bündnis Basels und Mülhausens mit der Eidgenossenschaft ab, daß diese zu dem Besuch "gemeltter rychs unnd annderer ußlenndischen pundtstagen oder versamlungen" 126 nicht verpflichtet seien. Dies erstaunt insbesondere im Falle Mülhausens um so mehr, als die Stadt ja nur zugewandter Ort war. Die Eidge122

Im Frühjahr 1547 hatten Basel und Mülhausen von Graf Philipp von Hanau Einladungen zu einem Tag nach Schlettstadt erhalten (Basel: EA 4/1 d, Nr. 362, S. 804; Mülhausen: ebd., Nr. 378, S. 828). Basel erwähnt eine Einladung auf den 21.4., Mülhausen eine auf den 13.6., im Schreiben der Eidgenossen an den Kaiser vom 8.7. ist ebenfalls vom 13.6. die Rede. Möglicherweise war der Tag tatsächlich zunächst auf den 21.4. angesetzt worden, wegen mangelnder Anwesenheit aber verschoben und erneut ausgeschrieben worden. Als im Mai 1547 die kaiserlichen Einladungen zu einem Tag nach Ulm wegen des geplanten Reichsbundes an die Städte ergingen, erhielt auch Mülhausen eine Einladung, ebenso Rottweil, das auch einen Boten nach Ulm entsandte (ebd., Nr. 378, S. 828). Das Einladungsschreiben (mit Datum 6.5.1547) mit einem Verzeichnis der anzuschreibenden Städte in HHStA Wien, RAig 15, fol. 32f. 123

EA 4/1 d, Nr. 362, S. 804; Nr. 378, S. 828.

124

Eidgenossenschaft an Karl, Baden, 9.7.1547 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 219r-220v; kurzes Referat in EA 4/1 d, Nr. 378, S. 828f.). 125

Und dies unmittelbar nach Karls Sieg im Schmalkaldischen Krieg, den zumindest die evangelischen Städte wohl kaum begrüßten. Dahinter stand vermutlich das Kalkül, den siegreichen Kaiser nicht zu reizen, zumal zahlreiche Gerüchte umherschwirrten, als nächstes werde Karl sich der Eidgenossenschaft zuwenden und diese unterwerfen. 126

Eidgenossenschaft an Karl, Baden, 9.7.1547 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 219r-220v, hier fol. 220r).

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

123

nossen verstanden sich also als Reichsglieder, aber die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft (und sei es nur als zugewandter Ort) konstituierte in ihren Augen offenbar eine andere Ausformung von Reichszugehörigkeit127. In seiner Antwort vom 28. Juli 1547 sprach der Kaiser die Vermutung aus, daß die Schreiben nach alten - also überholten - Registraturen ausgefertigt worden seien, und wunderte sich, daß die Eidgenossen sich nunmehr darüber beschwerten, obwohl die Betroffenen doch schon öfter solche Aufforderungen erhalten hätten 128 . Karl erließ den Geladenen also nicht förmlich die Teilnahme an den Tagen in Schlettstadt und Ulm, signalisierte indessen mit seiner Antwort hinreichend deutlich, daß eine Nichtbefolgung der Ladungen keine negativen Folgen nach sich ziehen würde. Trotz dieser unbestimmten Formulierung bekam das kaiserliche Schreiben im Nachhinein die Qualität einer Grundsatzentscheidung129. Als nämlich zu Beginn des Jahres 1549 erneut Einladungen zu Kreistagen ergingen, brachten Basel, Schaffhausen, St. Gallen, der Bischof von Chur, die Äbte von St. Gallen, Einsiedeln und Disentis dies bei der Tagsatzung

127

Daraus folgte aber nicht, daß die Eidgenossen ihren Zugewandten die Teilnahme an solchen Versammlungen verboten. Rottweil nahm ja an Reichstagen teil und hatte auch einen Gesandten auf den Bundestag nach Ulm geschickt, wandte sich nun aber an die Eidgenossen, weil es dem geplanten Reichsbund nicht beitreten wollte (EA 4/1 d, Nr. 378, S. 828). Hinter der zurückhaltenden Politik der Eidgenossen stand auch die Sorge, ihre Zugewandten im Emstfall unterstützen zu müssen. 128

Karl an die Eidgenossenschaft, Augsburg, 28.7.1547 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 222r-v; EA 4/ld, Nr. 409, S. 891f.). 129

Noch im Jahre 1597 bezogen sich die Gesandten Mülhausens auf der Tagsatzung auf dieses Schreibens Karls V., und zwar, um zu beweisen, daß sie seit dem Abschluß des Bündnisses mit der Eidgenossenschaft nicht mehr zur Zahlung von Türkenhilfe und anderen Reichssteuem verpflichtet seien: "schon Kaiser Karl V. habe an Mühlhausen und an Basel dergleichen Begehren gestellt, auf Verwendung der XII Orte aber erklärt, es könne wohl sein, daß in der kaiserlichen Kanzlei etliche Schreiben nach den ältem Registraturen ausgefertigt worden seien" (EA 5/1, Nr. 330, S. 441). Zwar erging das Schreiben Karls keineswegs in Zusammenhang mit einer Forderung nach Türkenhilfe, der letzte Teil des Satzes zeigt aber eindeutig, daß eben dieses Schreiben Karls vom 28.7.1547 gemeint war. Bemerkenswert ist übrigens auch die Annahme der Gesandten, daß ihre Vorfahren genau deshalb, nämlich um der Veranlagung zur Reichssteuer zu entgehen, das Bündnis mit den Eidgenossen abgeschlossen hätten; ein Gedankengang, der den Mülhauser Politikern von 1515 ziemlich fem gelegen haben dürfte.

124

Die Eidgenossenschaft und das

vor 1 3 0 . Dort erinnerte man sich des kaiserlichen Schreibens von 1547 und befragte die auf der Tagsatzung anwesenden Gesandten Ferdinands und Karls, Heggentzer und Ritio, wie die jetzigen Ladungen zu erklären seien. Die Eidgenossen sahen also in dem Schreiben des Kaisers keine Erklärung zu einem Einzelfall, sondern eine Grundsatzentscheidung, und sie hielten die im Zusammenhang mit dem geplanten Reichsbund angesetzten Tage von 1547 für vergleichbar mit den Kreistagen; ja: es handelte sich eben in beiden Fällen um "ausländische Tage", also wohl im Unterschied zu den Tagsatzungen, und jene zu besuchen war man nicht gewillt. Heggentzer machte die Eidgenossen darauf aufmerksam, daß die Einladungen zu Kreistagen nicht aus der kaiserlichen Kanzlei, sondern aus der der kreisausschreibenden Fürsten erfolgten. Zugleich versprach Ritio jedoch, den Kaiser zu bitten, bei den kreisausschreibenden Fürsten des Oberrheinischen und Schwäbischen Kreises dafür zu sorgen, daß solche Einladungen künftig unterblieben. Ob er dies tatsächlich getan hat, ist unbekannt. Zumindest im Fall des Schwäbischen Kreises war der Erfolg zunächst nur gering, wie die Einladungen an St. Gallen aus der ersten Hälfte der 50er Jahre zeigen. Die Verhandlungen auf der Tagsatzung machen zweierlei deutlich: Zum einen waren die Eidgenossen sich ganz offensichtlich über die Unterschiede zwischen den einzelnen Tagen nicht im klaren und besaßen wohl überhaupt keine allzu klaren Vorstellungen über Kreise und Kreistage. Zum anderen hielten offenbar auch die königlichen und kaiserlichen Gesandten das Anliegen der Eidgenossen für berechtigt, d.h. auch sie akzeptierten, daß die Eidgenossen außerhalb der Kreisverfassung standen, und zwar nicht nur die Orte selbst (was außer bei Basel und Schaffhausen ja unstrittig war), sondern auch deren Zugewandte und die im Gebiet der Schweiz gelegenen Klöster.

III. Die eidgenössischen Städte und der Städtetag Für die Freien und Reichsstädte gab es neben dem Besuch des Reichstages noch eine weitere Möglichkeit zur Beteiligung an der Reichspolitik in Form der 130 E A 4/i e , Nr. 12, S. 35. Wenn die Gesandten behaupteten, daß ihren Obrigkeiten in den vergangenen Jahren der Besuch solcher Kreis- oder Reichstage von den Eidgenossen verboten worden sei, so ist dies nicht ganz zutreffend. Ein direktes Verbot ist nie ergangen, aber bei Anfragen empfahlen die Eidgenossen doch stets den Nicht-Besuch.

D. Die Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik

125

Teilnahme an den Städtetagen131. Der zur Teilnahme an den Städtetagen berechtigte Teilnehmerkreis war zwar grundsätzlich der gleiche wie bei der Städtekurie des Reichstages, nämlich die von Schmidt als "Städtecorpus" bezeichneten Städte, dennoch handelt es sich bei den Städtetagen um "Veranstaltungen des Städtecorpus sui generis" 132 . Dies bedeutete nicht nur, daß die Städtetage "weitgehend frei von direkten Einflußmöglichkeiten anderer Glieder oder Institutionen des Reiches" waren 133 , sondern auch, daß von den städtischen Teilnehmern an Reichstagen nicht zwingend auf die Teilnehmer an Städtetagen geschlossen werden kann. Aus dem Gebiet der Eidgenossenschaft kamen grundsätzlich Bern, Zürich, Luzern, Solothurn, Freiburg, Basel und Schaffhausen für eine Teilnahme in Frage, dazu St. Gallen, Mülhausen und Rottweil. Keiner der eidgenössischen Orte, auch Basel und Schaffhausen nicht, erhielt aber Einladungen zu Städtetagen. Das Städtecorpus ging also - ganz im Gegensatz zur kaiserlichen und Reichskanzlei - weniger von einer formalen Reichszugehörigkeit als von der tatsächlichen Beteiligung an der Reichspolitik aus. Für die Städte scheint dabei die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft mit einer aktiven Teilnahme am Reich unvereinbar gewesen zu sein. Wobei der Begriff "Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft" ebensowenig formal verstanden werden darf wie der der Reichszugehörigkeit. Rottweil, das auf dem Reichstag 1522 wegen seines Bundes mit der Eidgenossenschaft Schwierigkeiten bekommen hatte, an der Reichsversammlung teilzunehmen, wurde offenbar ohne Bedenken zum Städtecorpus gerechnet und zu den Städtetagen eingeladen134. Mülhausen erhielt wie Rottweil Einladungen zu den Städtetagen und fragte deshalb z.B. 1522 bei der Tagsatzung um Rat a n 1 3 5 , scheint aber den Einladungen nicht gefolgt zu sein. St. Gallen hingegen, das ja immer noch gelegentlich Vertreter zu den Reichstagen entsandte und relativ intensive Kontakte ins Reich pflegte, wurde von den Städtevertretern offenbar so fest zur Eidgenossenschaft gerechnet, daß man die Stadt für die Reichspolitik für verloren hielt. Hier dürfte sich die unklare Posi131

Zu den Städtetagen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts siehe grundlegend: Schmidt, Städtetag. Auf seine Darstellung stützen sich im wesentlichen die folgenden Ausführungen. 132

Schmidt, Städtetag, S. 35.

133

Schmidt, Städtetag, S. 35.

134

Schmidt, Städtetag, S. 56.

135

RTA JR 3, S. 266, Anm. 1.

126

Die Eidgenossenschaft und das

tion St. Gallens auf den Reichstagen ausgewirkt haben: Hätte sich die Stadt eindeutig in die Städtekurie integriert, wäre sie von den Städten wohl als ihresgleichen angesehen und demzufolge zu den Städtetagen eingeladen worden. Der Städtetag war damit noch weniger als der Reichstag ein Forum zur aktiven Teilnahme der Eidgenossen an der Reichspolitik. Ja: die südlich des Rheins gelegenen, zur Eidgenossenschaft gehörenden Städte wurden vom Städtetag von vornherein ausgeschlossen, ihre Einladung nicht einmal erwogen 136 .

136

Die Position der Schweizer Städte war damit ähnlich wie die der norddeutschen "selbständigen Städte" (Schmidt, Städtetag, S. 45f.). Sie waren weder einem Landesherrn unterworfen noch von Kaiser und Reich abhängig. Zu ihrem Schutz waren die norddeutschen selbständigen Städte dennoch eng auf die Kooperation mit den benachbarten Landesherren angewiesen, da an einen Schutz durch Kaiser und Reich nicht zu denken war. Diese Schutzfunktion übernahm für die Schweizer Städte die Eidgenossenschaft. So grundsätzlich verschieden die Verhältnisse auch waren, gemeinsam ist beiden Städtegruppen, daß das Interesse an der Reichspolitik auch deshalb so gering war, weil man sich von dieser nichts für die Wahrnehmung der eigenen Interessen versprach. Gegenüber dieser Freiheit hätte die "übliche" Reichsunmitttelbarkeit einen Rückschritt bedeutet, da damit auch Pflichten wie die Beteiligung an den finanziellen Lasten des Reichs verbunden gewesen wären.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs I. Die Eidgenossen und die Finanzierung der Reichsverteidigung im 15. Jahrhundert Im 15. Jahrhundert wurde das Reich in einem Ausmaß von äußeren Feinden bedroht, das es dringend notwendig erscheinen ließ, die Verteidigung des Reichs - und das hieß nicht zuletzt: die Finanzierung dieser Verteidigung - auf eine neue Grundlage zu stellen1. Da der König nur sehr begrenzt über eigene finanzielle Mittel und Einnahmen verfügte 2, die nicht im entferntesten ausreichten, um die Kriege gegen die Hussiten bzw. die Türken zu finanzieren, gab es keinen anderen Ausweg als den, das Reich in irgendeiner Weise an diesen Lasten zu beteiligen. Für die reichsunmittelbaren Reichsglieder waren damit die Zeiten vorbei, in denen die Beteiligung am Romzug praktisch ihre einzige Pflicht gegenüber König und Reich gewesen war. Bei der Organisation der Reichsverteidigung und der Verteilung der Lasten auf die einzelnen Reichsglieder kamen im 15. Jahrhundert zwei Möglichkeiten zur Anwendung: zum einen die Stellung von Truppenkontingenten durch die einzelnen Reichsstände, wobei die Kontingente in einer Matrikel festgelegt wurden, zum anderen die Erhebung direkter Steuern, die dann zur Besoldung von Truppen verwendet wurden. Zu beiden Arten der Kriegsfinanzierung sollten auch die Eidgenossen herangezogen werden. Der erste Versuch zur Erhebung einer Reichssteuer wurde auf dem königlosen Tag 1427 in Frankfurt unternommen, um einen Zug gegen die Hussiten zu finanzieren. In der Narratio zu dem Reichskriegssteuergesetz3 wurde die Abwehr der hussitischen Ketzerei als allgemeine Christenpflicht dargestellt, also nicht auf die Reichsangehörigen beschränkt. Aus der Festlegung der

1

Zum Zusammenhang zwischen Krieg und Finanzpolitik siehe Isenmann, Reichsfinanzen, S. 1-9. 2

Isenmann, Reichsfinanzen, S. 10-76.

3

RTA ÄR 9, Nr. 76.

128

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Legstätten4 wird dann aber deutlich, daß im wesentlichen eben doch nur an die Reichsangehörigen gedacht war 5 . Bei den Regionen, deren Steueraufkommen in Nürnberg abgeliefert werden sollte, wurden nach einer Aufzählung der südlich der Alpen gelegenen Gebiete auch "Berren, Zuerch und ir eidgenoßen" genannt, ebenso die Bistümer von Konstanz, Chur und Basel6. Praktisch blieb dieses Steuergesetz so gut wie folgenlos, und die Eidgenossen dürften wohl kaum erfahren haben, daß sie zur Abwehr der Hussiten ihren Teil hätten beitragen sollen7. Erst 1471 kam man, nunmehr, um den Kampf gegen die Türken zu finanzieren, wieder auf die Idee einer allgemeinen Reichssteuer zurück, nachdem verschiedene Versuche mit einer Matrikel in den vorangegangenen Jahrzehnten genausowenig zum Erfolg geführt hatten wie die Reichssteuer von 1427. 1471 sollten dann beide Verfahren parallel eingesetzt werden: Anhand einer Matrikel sollten 10.000 Mann zur sofortigen Grenzsicherung aufgeboten werden, ein geplanter großer Zug gegen die Türken sollte mit Hilfe einer allgemeinen Reichssteuer finanziert werden8. Dieses Steuerprojekt von 1471 ist dann erst gar nicht in ein so konkretes Stadium getreten, daß der Gültigkeitsbereich und die Einzugsmodalitäten hätten genauer festgelegt werden müssen9. Von daher fehlt auch jeder konkrete Hinweis auf die Eidgenossen. Da die Reichszugehörigkeit der Eidgenossen zu dieser Zeit aber völlig unumstritten war, muß davon ausge4

Köln, Nürnberg, Erfurt, Salzburg, Breslau (RTA ÄR 9, Nr. 76, S. 101).

5

Ein Reflex auf diese Christenpflicht besteht lediglich darin, daß auch Dänemark, Schweden, Norwegen und Polen zu der Steuer beitragen sollen (RTA ÄR 9, Nr. 76, S. 103). 6

RTA ÄR 9, Nr. 76, S. 102. In der lateinischen Fassung wird neben Bern und Zürich noch Luzem explizit erwähnt. 7

Jedenfalls findet sich in den Eidgenössischen Abschieden keinerlei Hinweis auf dieses und spätere Steuerprojekte vor 1495. 8

Entwurf Friedrichs III. für die Reichssteuer: Neue Sammlung I, Nr. LVI/2. Wie 1427 die Bekämpfung der Hussiten wurde nun der Krieg gegen die Türken zur Christenpflicht erklärt (ebd., v.a. §1, S. 230 und §23, S. 232), doch war auch hier nur an eine Erhebung der Steuer im Reich gedacht (vgl. ebd., §1, S. 230 und §12, S. 231). 9

Zwar wurde das Projekt von 1471 auf einem Tag in Augsburg 1474 mit einigen Änderungen beschlossen (zu den Änderungen siehe Isenmann, Reichsfinanzen, S. 162167). Dabei wurden die Einzugsmodalitäten der Steuer etwas präzisiert, es fehlte aber erneut eine genauere geographische Festlegung des Geltungsbereichs (Text: Neue Sammlung I, Nr. LVII).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

129

gangen werden, daß man bei einer Realisierung der Steuer auch an die Eidgenossen herangetreten wäre 10 . Häufiger als diese Reichssteuerprojekte waren im 15. Jahrhundert die Versuche, die Verteidigung des Reichs durch Festlegung der Truppenkontingente der einzelnen Reichsstände in Matrikeln zu sichern. Dies stellte - im Gegensatz zur Erhebung der Reichssteuer - kein völliges Novum dar, da auch in der Vergangenheit die Leistungen für den Romzug in matrikelähnlichen Listen aufgezeichnet worden waren 11 . Die Reichsmatrikel, wie sie sich vor allem in den hundert Jahren zwischen 1422 und 1521 entwickelte, beruhte auf dem Prinzip der Aufzählung aller reichsunmittelbaren Glieder des Reichs und der Zuteilung bestimmter Leistungen zu diesen einzelnen Reichsgliedern. Dieses Prinzip bedingte und bewirkte eine genauere Bestimmung der Reichszugehörigkeit und der Reichsunmittelbarkeit. Es ist deshalb von besonderem Interesse, ob und wie die Eidgenossen in diesen Reichsmatrikeln vertreten waren 12 . Für die Zeit vor dem Wormser Reichstag 1495 sind neun Matrikeln vollständig erhalten, die auch gedruckt vorliegen, und zwar die Matrikeln von 1422, 1431, 1454, 1467, 1471, 1480, 1481, 1489 und 149113. Die Eidgenossen sind - mit Ausnahme von 1491 10

Diese Vermutung wird gestützt durch die Einbeziehung der Eidgenossen in das Türkenzugsprojekt von 1471. In den Bestimmungen über die Entsendung von 10.000 Mann an die Grenze wird bezüglich der Ernennung von sechs Kriegsräten festgelegt, daß einer von ihnen durch "die Frey- und Reichs-Städte auch der Eydgenossen Botschaften" (Neue Sammlung I, Nr. LVI/3, S. 234) ernannt werden soll. 11

Willoweit,

Art. "Matrikel", in: HRG 3, Sp. 389-391.

12

Die frühen Matrikeln sind indessen noch mit mancherlei Unzulänglichkeiten behaftet, so daß insbesondere aus dem Fehlen eines Reichsglieds nicht geschlossen werden kann, daß dieses als nicht zum Reich gehörig oder als nicht reichsunmittelbar betrachtet wurde. Welch großen Wandlungen die Reichsmatrikel zwischen 1422 und 1521 unterworfen war, zeigt allein schon die Tatsache, daß die Zahl der zu Leistungen herangezogenen Reichsglieder von 239 auf 385 stieg, während die Zahl der Städte von 90 auf 80 sank. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts näherte sich die Matrikel dann aber in Form und Inhalt dem ftlr die Folgezeit im wesentlichen entscheidenden Aussehen von 1521. Zu den Veränderungen in der Reichsmatrikel in diesem Zeitraum siehe Sieber, Reichsmatrikelwesen. 13

1422: RTA ÄR 8, Nr. 145, dazu Nr. 147; 1431: RTA ÄR 9, Nr. 408; 1454: König von Königsthal Nachlese I, S. 59-67; 1467: Neue Sammlung I, Nr. LIV b; 1471: ebd., Nr.LVI/4; 1480: Müller, Reichstagstheatrum V, Cap. LXXXI; 1481: ebd., Cap. LXXXIV; 1489: Müller, Reichstagstheatrum VI, Cap. XXXIX; Neue Sammlung I, Nr. LXIV; RTA MR 3/2, Nr. 296; 1491: Neue Sammlung I, Nr. LXVI. 9 Braun

130

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

in jeder dieser Matrikeln verzeichnet, und zwar stets im Zusammenhang mit den Städten. Was die Aufzählung der einzelnen Mitglieder der Eidgenossenschaft angeht, ergibt sich folgendes Bild: Stets genannt werden Bern, Luzern, Zürich, mit Ausnahme von 1422 auch Solothum, und mit Ausnahme von 1431 und 1454 auch Freiburg. Schwyz wiederum kommt nur 1431 und 1454 vor; Uri, Unterwaiden, Zug und Glarus werden nur ein einziges Mal erwähnt, nämlich 1454, während Freiburg und Solothum für Außenstehende offenbar lange vor ihrer Vollmitgliedschaft fest zur Eidgenossenschaft gehörten. Die Art und Weise, wie die Eidgenossen in den Matrikeln angeführt werden, ist im Laufe des 15. Jahrhunderts einer signifikanten Entwicklung unterworfen. In den ersten drei Matrikeln wurden die Städte jeweils zu Städtebünden oder -gruppen zusammengefaßt, wobei die eidgenössischen Städte eine Gruppe wie die anderen auch bildeten14. Die Eidgenossen werden hier auch jeweils als solche bezeichnet, während die anderen Städtegruppen nur mit einer Klammer zusammengefaßt und 1431 noch mit dem Zusatz "ein pund" oder einer geographischen Angabe wie "Eylsass" oder "in Duringen" versehen werden. Das Wort "Eidgenossen", das ja zunächst nichts anderes bedeutete als "durch Eid miteinander verbundene Glieder eines Bundes" hatte sich im 15. Jahrhundert schon so weit als Bezeichnung für diesen einen Bund durchgesetzt, daß es als Bezeichnung für andere Bünde nicht verwendet wurde und außerdem bei der Bezeichnung dieses Bundes fast durchgängig auftauchte und so weniger prägnante Formulierungen wie "Zürich, Bern und die mit ihnen in einung sind" verdrängte. Abgesehen von dieser terminologischen Besonderheit sind die Eidgenossen in die Matrikeln von 1422, 1431 und 1454 jedoch eingebunden wie andere Städtegruppen auch, eine besondere Stellung wird nicht sichtbar. In den Matrikeln ab 1467 werden die Städte dann nicht mehr in Gruppen zusammengefaßt, sondern einzeln aufgezählt. Dadurch fällt die Nennung der Eidgenossen als Gruppe um so mehr auf. Sie stehen 1467, 1471 und 1480 jeweils vor oder nach der Aufzählung der Städte als "Eydgenoßen von Bern, Lucern, Zürich, Solotom, Freyburg in Uchtland und ander, die mit In in Ainung sind"15. Dem folgt die Bemerkung, daß die vorher genannten Prälaten, Grafen und Herren, die "in der Eydgnoßen Landt gesessen" sind16, in der Summe für die Eidgenossen nicht mit einbegriffen seien, sondern mit den für sie genannten Beträgen einzeln veranlagt werden. 1481 und 1489 fällt dann auch die 14

Während 1422 und 1454 jede dieser Städtegruppen mit einer summarischen Zahl von Gleven veranschlagt wurde, deren Aufteilung unter die einzelnen Städte wohl intern in den einzelnen Gruppen vorgenommen werden sollte, wurde 1431 für alle Städte zusammen überhaupt nur eine Gesamtsumme von 1000 Gleven festgelegt. 15

1467, Neue Sammlung I, Nr. LIVb, S.221; 1471 fast wörtlich gleich, ebd., Nr. LVI/4, S. 244; 1480 zuerst Aufzählung der Städte und dann Zusatz "und alle gemeine Eydgenoßene" (Müller, Reichstagstheatrum V, Cap. LXXXI, S. 743). 16

1471, Neue Sammlung I, Nr. LVI/4, S. 244.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

131

Aufzählung einzelner Städte der Eidgenossenschaft weg, und es heißt nur noch "Städte und Oehrter in der Eydgnoßschafft" 17. Sie treten nunmehr also vollends als fest umgrenzte Gruppe in Erscheinung, deren nähere Spezifizierung unnötig erscheint. Ab 1467 wird der Beitrag der Eidgenossen dann auch nicht mehr in die Summe der Städte mit einbezogen, sondern erscheint als eigener Posten, gefolgt von Böhmen und Burgund. Gerade diese "Nachbarschaft" läßt die Sonderstellung der Eidgenossen deutlich hervortreten. Dazu kommt, daß die Eidgenossen mit teilweise astronomischen Summen veranlagt werden, 1467 beispielsweise mit 200 Mann zu Pferd und 1700 zu Fuß 18 . Hier zeigt sich für das 15. Jahrhundert dasselbe Phänomen wie im frühen 16. Jahrhundert, wo, wie Roll nachgewiesen hat, der Anschlag oft dann besonders hoch angesetzt wurde, wenn seine Bezahlung unwahrscheinlich war 19 . Nimmt man alle diese Einzelheiten zusammen, so wird aus dem spröden Material der Matrikeln zwischen 1422 und 1489 die zunehmende Sonderstellung der Eidgenossen auf exemplarische Weise deutlich. Der begrifflichen Zuspitzung von der einfachen Aufzählung der eidgenössischen Städte hin zur Eidgenossenschaft korrespondiert die Aussonderung aus der Abteilung "Städte" und die Gleichstellung mit Böhmen und Burgund; hinzu kommt die geradezu utopische Höhe der Forderung. Der auf dem Reichstag 1486 von den Kurfürsten und Fürsten vorgelegte Matrikelentwurf 20 übernimmt die Veranlagung der Eidgenossenschaft auf 2000 Mann zu Roß und zu Fuß aus der Matrikel von 1481, zeigt aber insofern einen Sinn für Realität, als er in der der Matrikel folgenden Liste der Beiträge, die "villeicht so ylents nit ufbracht werden" können 21 , auch die Eidgenossenschaft aufführt 22. Ähnliches ist 1489 festzustellen, als die Eidgenossen zwar in der Reichsmatrikel für die große Reichshilfe 23,

17

1481, Müller, Reichstagstheatrum V, Cap. LXXXIV, S. 760.

18

Zum Vergleich: alle Städte zusammen mit 972 bzw. 2009 Mann, die sechs Kurfürsten mit 320 bzw. 870 Mann. 19

Roll, Reichsregiment, S. 113.

20

RTA MR 1/1, Nr. 330.

21

RTA MR 1/1, Nr. 330, S. 373.

22

RTA MR 1/1, Nr. 330, S. 374. Da die Liste überhaupt keine Äbte und Prälaten enthält, ist keine Aussage darüber möglich, für wie realistisch man die Eintreibung der Beiträge der auf eidgenössischem Gebiet ansässigen Äbte hielt. 23

*

RTA MR 3/2, Nr. 296, S. 1168.

132

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

nicht jedoch in dem Anschlag für die Eilende Hilfe 2 4 verzeichnet sind. 1491 sind die Eidgenossen überhaupt nicht in der Matrikel aufgeführt. Die erst später eidgenössisch gewordenen Städte Basel und Schaffhausen werden in den Matrikeln unterschiedlich behandelt: Während Basel in keiner Matrikel fehlt, taucht Schaffhausen innerhalb der Städtegruppen 1422, 1431 und 1454 auf, und zwar 1422 in der Gruppe der ehemals (bis zur Ächtung Friedrichs IV. 1415) österreichischen Städte am Hochrhein und im Thurgau 25 und 1431 bei den Bodenseestädten. Danach kommt Schaffhausen erst wieder in den Matrikeln von 1481 und 1489 vor. Das Fehlen Schaffhausens in der Zwischenzeit ist wohl auf eine Unsicherheit über den Status der Stadt zurückzuführen 26 . Nun verfügte die Eidgenossenschaft bekanntermaßen über kein vollkommen geschlossenes Territorium, sondern "in der Eydgnoßen Land" 27 befanden sich zahlreiche reichsunmittelbare Klöster und saßen noch einige wenige Adlige. Der bedeutendste Vertreter des Adels war der Graf von Toggenburg, der 1422 bzw. 1431 mit 5 bzw. 20 Gleven veranlagt wurde. Es findet sich kein Hinweis darauf, daß sein Teil nach dem Aussterben des Grafengeschlechts den Eidgenossen zugeschlagen worden wäre 28. Durchgängig werden in den Matrikeln des 15. Jahrhunderts die Grafen von Werdenberg genannt, wobei die Matrikeln jedoch nur unzureichend die komplizierten Familienund Besitzverhältnisse derer von Werdenberg berücksichtigen29. 1422 finden sich in der Liste derer, die bereit waren, den hundertsten Pfennig zu bezahlen, Heinrich von Werdenberg, der Herr von Sargans und Hugo von Heiligenberg verzeichnet. Bei Hugo von Heiligenberg30 handelt es sich um den letzten Vertreter der Heiligenberger Linie, deren Besitz nach Hugos Tod 1428 an die Linie Werdenberg-Sargans-Trochtelfingen 24

RTA MR 3/2, Nr. 300a.

25

Schaffhausen, Waldshut, Laufenburg, Säckingen, Rheinfelden, Winterthur, Rapperswil und Frauenfeld. 26

Da den anderen ehemals österreichischen Städten die Bewahrung der Reichsfreiheit in der Folgezeit nicht gelang, wurde Schaffhausen vermutlich mit diesen Städten aus der Matrikel gestrichen (Sieber, Reichsmatrikelwesen, S. 83f.). 27

1471, Neue Sammlung I, Nr. LVI/4, S. 244.

28

Eine rechnerische Überprüfung ist nicht möglich, da die Eidgenossen ja stets nur summarisch veranlagt wurden. 29

Siehe dazu: Krüger, Die Grafen von Werdenberg; Sieber, Reichsmatrikelwesen.

30

Verzeichnet als MHug vom Heiligenberg" (RTA ÄR 8, Nr. 147, S. 166).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

133

überging. Heinrich von Werdenberg31 ist eindeutig als Heinrich II. von WerdenbergSargans-Vaz zu identifizieren. Nicht eindeutig zu klären ist, wer mit dem "herre von Santgans"32 gemeint ist; zu vermuten ist indessen, daß hier das vage Wissen um die Existenz einer weiteren Linie der Familie seinen Niederschlag gefunden hat. Diese Linie - Werdenberg-Sargans-Vaduz - war allerdings bereits 1416 ausgestorben. Deutlich wird das Bemühen, die einzelnen Zweige der Familie zu erfassen. Das spätere Prinzip, die Aufnahme in die Reichsmatrikel an den Besitz eines Reichslehens zu knüpfen, kommt hier ganz offensichtlich noch nicht zur Anwendung; entscheidend ist allein die Familienzugehörigkeit. Das kann allerdings nicht verwundern, setzte sich das Territorialprinzip praktisch weitgehend erst im 16. Jahrhundert parallel zur Territorialisierung der Reichsstandschaft durch. Bei strikter Anwendung des Territorialprinzips hätte Heinrich II. von Werdenberg-Sargans-Vaz wohl kaum Aufnahme in die Reichsmatrikel gefunden, da er über fast kein Territorium, geschweige denn ein Reichslehen verfugte 33. "Herr von Sargans", also tatsächlicher Inhaber der Grafschaft, war 1422 Graf Friedrich VII. von Toggenburg. Von "einem einheitlichen, folgerechten Prinzip" kann bei diesem ersten Versuch der Erstellung einer Reichsmatrikel noch "nicht die Rede sein"34, weder das Familien-, noch das Territorialprinzip sind auch nur annähernd durchgehalten. Dies gilt aber auch noch für die Matrikeln Ende des Jahrhunderts. Nach 1422 werden die Werdenberger offenbar alle zusammen erfaßt, und zwar unter Bezeichnungen wie "Brüder von Werdenberg" (1467, 1471), "Grafen von Werdenberg" (1454, 1480, 1481, 1489) oder gar "alle Grafen von Werdenberg" (1491). Trotzdem werden 1489 und 1491 Wilhelm und Georg von Werdenberg-Sargans-Vaz eigens aufgeführt und veranschlagt, und dies, obwohl Georg als einer der geächteten Räte Herzog Sigmunds seit 1488 in Glarus lebte und praktisch ohne Besitz war und Wilhelm zu diesem Zeitpunkt mit großer Sicherheit nicht mehr lebte 3 Die Grafschaft Sargans war bereits 1483 in den Besitz der sieben östlichen eidgenössischen Orte übergegangen. 31

RTA ÄR 8, Nr. 147, S. 166.

32

RTA ÄR 8, Nr. 147, S. 167.

33

Die Grafschaft Sargans war zu dieser Zeit nicht im Besitz der Grafen von Werdenberg-Sargans, und die Vazer Besitzungen, die dieser Linie den Namen gegeben hatten, waren keine Reichslehen, sondern Lehen des Bischofs von Chur, und überdies ihr Besitz umstritten (Krüger, Die Grafen von Werdenberg, S. 332). Ähnlich schlecht verhielt es sich mit den von der Vaduzer Linie nach dem Tode Hartmanns IV. von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416 geerbten Besitzungen: Vaduz war an die von Brandis verpfändet, Blumenegg war bereits 1391 an die von Brandis verkauft worden (ebd., S. 369), lediglich Sonnenberg befand sich noch im Besitz Heinrichs II. (ebd., S. 366). 34 35

Sieber, Reichsmatrikelwesen, S. 72.

Krüger gibt kein genaues Sterbejahr an, die letzte Nachricht über Wilhelm stammt nach ihm aus dem Jahre 1474 (Krüger, Die Grafen von Werdenberg, S. 338), Hegi nennt 1487 als Sterbejahr (Hegi, Die geächteten Räte, Stammtafel nach S. 608).

134

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Die Unsicherheiten über das der Erfassung zugrunde zu legende Prinzip und der schlechte Informationsstand sind im Falle dieser Adelsfamilien quasi mit Händen zu greifen; genauso unübersehbar ist jedoch der Wille, auch diese in die Eidgenossenschaft hineinragenden Einsprengsel in der Reichsmatrikel zu erfassen. Dies gilt nicht nur für die Adelsgeschlechter im Osten der Eidgenossenschaft, sondern genauso für die Grafen von Thierstein, die sich südlich des Hochrheins behauptet hatten. Sie sind 1422 ebenfalls unter denjenigen zu finden, die den hundertsten Pfennig geben wollten, tauchen 1431 und 1454 nicht auf, werden dann aber seit 1467 regelmäßig zur Matrikel veranlagt, wobei auch in diesem Falle die Familienzugehörigkeit das entscheidende Kriterium für die Aufnahme in die Reichsmatrikel gewesen sein dürfte 36. Während der reichsunmittelbare Adel im Gebiet der Eidgenossenschaft im 15. Jahrhundert nur noch in spärlichen Resten vorhanden war und im 16. Jahrhundert ganz verschwand37, bestand unverändert eine erhebliche Anzahl zum Teil bedeutender Reichsklöster als Einsprengsel zwischen den eidgenössischen Gebieten. An erster Stelle ist hier das Kloster St. Gallen zu nennen, dessen Abt als Reichsfürst die ihm benachbarten Äbte an Bedeutung bei weitem überragte. Seine Position unterscheidet sich auch insofern von der der anderen Äbte, als er sowohl zum Reich 38 als auch zur Eidgenossenschaft 39 enge Verbindungen unterhielt. Es ist insofern nur logisch, daß der St. Galler Abt fortwährend in der Reichsmatrikel veranlagt wurde, und zwar stets mit dem größten Beitrag der

36

Die namengebende Herrschaft (Neu-)Thierstein war zwischen 1406 und 1469 verpfändet gewesen und wurde 1469 von den Thiersteinern wieder ausgelöst (Gasser, Die territoriale Entwicklung, S. 118). Die Herrschaft Pfeffingen hingegen, die im 15. Jahrhundert den Mittelpunkt der Thiersteinischen Besitzungen bildete, war kein Reichslehen, sondern Lehen des Bischofs von Basel (HBLS 6, Art. Tierstein, S. 789). Die Herrschaft Famsburg war nach dem Tode des letzten männlichen Vertreters der Linie Thierstein-Famsburg an die Freiherren von Falkenstein übergegangen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verlegten die Thiersteiner ihren Schwerpunkt ins Elsaß, wo sie 1480 von Friedrich III. mit der Hohkönigsburg belehnt wurden (Burckhardt, Ausgang, S. 76). 37

Die letzte Linie der Werdenberger auf dem Gebiet der heutigen Schweiz starb 1504 aus, bereits 1482 wurde Sargans an die Eidgenossen verkauft. Die Grafen von Thierstein starben 1519 mit dem Tod Graf Heinrichs von Thierstein-Pfeffingen aus; die Linie Thierstein-Farnsberg war bereits 1418 erloschen. 38

Ablesbar ist dies z.B. an einer ununterbrochenen Reihe von Belehnungen bei jedem Abts- oder Kaiserwechsel bis 1797 (HHStA Wien, Reichslehen der deutschen Expedition). 39

Zugewandter Ort seit 1451.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

135

Äbte auf eidgenössischem Gebiet 40 . Durchgehend zur Reichsmatrikel veranlagt wurden außerdem die Äbte von Schafihausen und Einsiedeln; Kreuzlingen 41 fehlt nur 1454, Pfäfers wurde ab 1467 stets in der Matrikel verzeichnet. Die Veranlagung der Klöster Stein a.Rh. und St. Johann im Thurtal unterlag Schwankungen42, deren Ursachen nicht geklärt werden können. Das Kloster Rheinau war 1422 bereit, den hundertsten Pfennig zu geben, taucht dann aber in keiner der folgenden Matrikeln mehr auf. Erstaunlicherweise kommt die Fraumünsterabtei Zürich in keiner Matrikel vor, obwohl sie als Reichsabtei galt 43 . Von ihrem Beitrag her fallen die Adligen und Prälaten auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft in der Matrikel zwar kaum ins Gewicht, ihr Verschwinden aus der Matrikel hätte für das Reich also keinen spürbaren Verlust bedeutet; daß sie mit ihren Minimalanteilen aber weiter unermüdlich verzeichnet wurden, zeigt, daß sie zweifellos dazugehörten wie viele andere kleine und kleinste Herrschaften im Reich auch. Auf dem Wormser Reichstag 1495 griff man dann zur Finanzierung von Kammergericht und Türkenabwehr auf das Modell einer allgemeinen Steuer zurück: Der Gemeine Pfennig als Kopfsteuer sollte von allen Reichsangehörigen, also auch von den Eidgenossen, eingezogen werden; die erste Jahresrate war bis zum 2. Februar 1496 zu bezahlen. So erklärten die Gesandten des Königs und der Reichsstände, die am 22. September 1495 vor der Tagsatzung erschienen, den Eidgenossen, daß in Worms auch "ein gemeine stur" beschlossen worden sei, deren Ertrag allein zur Abwehr der Türken und zum Kampf gegen Frankreich verwendet werden sollte 44 . Auf der Tagsatzung am 27. Februar

40

Weshalb der Abt von St. Gallen in der Matrikel 1422 fehlt, ist unklar. Da seine reichsunmittelbare Stellung aber keinem Zweifel unterliegen konnte, ist wohl eher von einem Versehen auszugehen. 41

Kreuzlingen hat 1489 als einziges dieser Klöster seinen Teil der Eilenden Hilfe auch gezahlt (RTA MR 3/2, Nr. 316b, S. 1280). 42

Stein a.Rh.: 1422 bei denjenigen, die den hundertsten Pfennig geben wollen, dann erst wieder ab 1481. St. Johann im Thurtal ist in den Matrikeln von 1422, 1467, 1480,1481,1489 und 1491 verzeichnet, 1431,1454 und 1471 jedoch nicht. 43 44

Sieber, Reichsmatrikelwesen, S. 71.

RTA MR 5/1.2, Nr. 1248. Die Instruktion für die Gesandten in RTA MR 5/2, Nr. 1723. Schmid weist darauf hin, daß gegenüber den Eidgenossen genauso wie gegenüber dem böhmischen König die Verwendung des Gemeinen Pfennigs für die Türkenabwehr besonders betont und die Finanzierung des Kammergerichts kaum oder gar

136

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

1496 - nachdem die Zahlungsfrist bereits verstrichen war - erhielten die königlichen Gesandten auf eine entsprechende Anfrage die zwar vorsichtig formulierte, nichtsdestoweniger aber eindeutige Antwort, "man hoffe, seine königliche Majestät lasse die Eidgenossen der Steuer wegen unersucht, wie andere seine Vorfahren am Reich auch gethan hätten"45. Diese Hoffnung der Eidgenossen erfüllte sich indessen nicht, die einzelnen Orte erhielten in der Folgezeit immer wieder Aufforderungen, den Gemeinen Pfennig zu entrichten 46. Die Orte blieben aber bei der einmal gefundenen Haltung und bezahlten den Gemeinen Pfennig nicht 47 . Am deutlichsten formulierte die Stadt Bern den eidgenössischen Standpunkt, als sie den Gemeinen Pfennig als Neuerung bezeichnete, der zu unterwerfen man nicht willens sei 48 . Dies bedeutete allerdings selbst in dieser dezidierten Formulierung keineswegs eine Entscheidung gegen das Reich 49 ; entscheidend war vielmehr der Widerstand

nicht erwähnt wurde, da man in beiden Fällen so mit einer größeren Bereitwilligkeit zur Zahlung rechnen konnte (Schmid, Der Gemeine Pfennig, S. 269, Anm. 410). 45

EA 3/1, Nr. 525, S. 497.

46

Schmid, Der Gemeine Pfennig, S. 418, Anm. 218.

47

Darüber hinaus verwehrten sie es den Bischöfen von Konstanz und Basel, zu deren Bistümern der überwiegende Teil der Eidgenossenschaft gehörte, die Steuern in der Eidgenossenschaft einzusammeln (Schmid, Der Gemeine Pfennig, S. 411 f.), und setzten sich mit ihren Verboten auch tatsächlich durch (ebd., S. 503 und S. 507). Aufschlußreich ist das Verhalten des Abts von St. Gallen: Er bezahlte für sich und seine Klosterinsassen, erhob die Steuer aber nicht von den ihm unterstehenden Klerikern außerhalb des Klosters und von seinen weltlichen Untertanen. Diese Haltung macht abermals die prekäre Stellung des Abts zwischen Reich und Eidgenossenschaft deutlich. Daß er hier nicht aus freien Stücken handelte, macht die von ihm zu Protokoll gegebene Notiz in dem auf dem Freiburger Reichstag 1498 erstellten Verzeichnis der zahlungswilligen Stände deutlich, wo es heißt: "Abt von St. Gallen vor sich und sein convent und nit weyter ist er mechtig" (RTA MR 6, Freiburg III, Nr. 50, S. 665). Von den der Eidgenossenschaft zugewandten Städten bezahlten Mülhausen (Schmid, Der Gemeine Pfennig, S. 536) und Rottweil (ebd., S. 537) - Rottweil allerdings nur unter massivem Druck, da die Bezahlung des Gemeinen Pfennigs Bedingung für die Entlassung Rottweils aus der Reichsacht war -, nicht jedoch Schaffhausen (ebd., S. 538, Anm. 624). Unbekannt ist, ob St. Gallen bezahlt hat. 48

Gleichzeitig betonte die Stadt, daß sie bereit wäre, Knechte für einen Türkenzug zu stellen (StA Bern, A II 48, S. 14-16; Schmid, Der Gemeine Pfennig, S. 412f.).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

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gegen eine als unerhört empfundene Neuerung. Dieser Widerstand war prinzipieller Natur und von politischen Tagesfragen wie dem Varnbüler-Handel 50 oder dem Verhältnis der Eidgenossen zu Frankreich 51 unabhängig.

II. Die Beteiligung der Eidgenossen an den finanziellen Lasten des Reichs zur Zeit Karls V. 1. Die Eidgenossen in der Reichsmatrikel Nachdem die zahlreichen Versuche des 15. und der ersten Jahre des 16. Jahrhunderts, die Reichsfinanzen auf eine auch nur halbwegs tragfähige Grundlage zu stellen, letztlich allesamt gescheitert waren, stand diese Frage auf dem Wormser Reichstag 1521 erneut auf der Tagesordnung. Hier eine Lösung zu finden war um so dringender, als das wieder errichtete Kammergericht und das Reichsregiment einer regelmäßigen Finanzierung bedurften, wenn sie nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein sollten. Außerdem mußte Geld für den geplanten Romzug Karls aufgebracht werden. Angesichts dieser Notwendigkeiten einigten sich die Reichsstände auf eine Reichsmatrikel sowohl für die von den einzelnen Ständen für den Romzug zu stellenden Truppen als auch für die Geldbeträge für den Unterhalt von Kammergericht und Reichsregiment52. Was als vorläufige Regelung gedacht war, erwies sich - ungeachtet aller Mängel 49

Schmid, Der Gemeine Pfennig, S. 413, Anm. 191 weist zu Recht gegen Sigrist, Reichsreform, S. 122 daraufhin, daß die angeblich hohe finanzielle Belastung mit Sicherheit nicht ausschlaggebend für die Zahlungsunwilligkeit der Eidgenossen war. 50

Im Gegensatz zu Schmid, der in der Ablehnung des Gemeinen Pfennigs eine Folge des Varnbüler-Handels sieht. Schmid überschätzt die Grundsätzlichkeit der eidgenössischen Haltung bezüglich des Varnbülerprozesses, indem er darin einen Kampf der Eidgenossen gegen die Zuständigkeit des Kammergerichts in der Eidgenossenschaft sieht (Schmid, Der Gemeine Pfennig, S. 414f.). Siehe dazu Braun!Dobras, St. Gallen, S. 403f. 51

Schmid bewertet diesen Aspekt völlig über, wenn er schreibt: "Auch die außenpolitische Entscheidung der überwiegenden Mehrheit der eidgenössischen Orte zugunsten eines Vertrages mit Frankreich machte ein Eingehen auf die Forderung nach dem Gemeinen Pfennig unmöglich" (Schmid, Der Gemeine Pfennig, S. 416). Gerade weil die Eidgenossen in ihrer Entscheidung nicht eine Entscheidung für oder gegen das Reich sahen, war dieser außenpolitische Aspekt für sie ohne Bedeutung. 52

RTA JR 2, Nr. 56.

138

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

und Beschwerden - als außerordentlich langlebig: Abgesehen von kleineren Korrekturen blieb die Matrikel von 1521 die Basis des Reichssteuerwesens bis zum Ende des alten Reichs. Die Matrikel von 1521 war selbstverständlich nicht unabhängig von ihren zahlreichen Vorgängerinnen, weder was die Höhe der den einzelnen Ständen abverlangten Leistungen noch was die in der Matrikel verzeichneten Stände betrifft. So nimmt es denn nicht wunder, daß aus der Schweiz die gleichen Städte und Äbte Aufnahme fanden, die bereits zuvor regelmäßig aufgeführt gewesen waren. Von den Städten waren Basel, Schaffhausen und St. Gallen verzeichnet, also die beiden zuletzt der Eidgenossenschaft beigetretenen Städte und der zugewandte Ort 5 3 . Die Eidgenossenschaft insgesamt fand keine Erwähnung mehr. An Äbten wurden genannt die Äbte der Klöster St. Gallen, Stein am Rhein, Schaffhausen, Einsiedeln, St. Johann, Disentis, Pfäfers und Kreuzlingen 54. Daß freilich die Chancen für die Eintreibung zumindest der Beiträge für Kammergericht und Regiment bei den Schweizern nicht allzu groß waren, war auch den Reichsständen klar: In dem Gutachten des kleinen Ausschusses über die Finanzierung von Kammergericht und Regiment auf dem Wormser Reichstag 1521 wurde mit Bezug auf einen Ratschlag über die Unterhaltung des Kammergerichts von 1518 und die Matrikel von 1507 festgestellt: "So man allein di für ungewies achtet, die in Schweyz oder ausserhalb Teutscher landen gesessen sein, so triefft derselben ungewiessen abgang 769 gülden"55. Diese realistische Einschätzung fand allerdings keinen Eingang in die Reichsmatrikel. Dort wurden weiterhin zahlreiche Stände aufgeführt, bei denen im Ernst niemand damit rechnen konnte, daß sie ihren Zahlungsverpflichtungen je nachkommen würden 56 . Das Reich war indessen nicht bereit, durch Streichung dieser Stände die Rechtsansprüche von vornherein preiszugeben.

53

Selbstverständlich waren auch Mülhausen und Rottweil in der Matrikel aufgeführt. Die Aufnahme der Stadt St. Gallen, die im 15. Jahrhundert noch Schwankungen unterworfen war, war nunmehr unumstritten. 54

In der Matrikel von 1521 steht sowohl "Krutzlingen" als auch "Kintzlingen". Damit ist mit Sicherheit beide Male Kreuzlingen gemeint. Die Identifizierung dieses Klosters bereitete Schwierigkeiten, wie auch die Moderationsverhandlungen in den 40er Jahren zeigen. Siehe Sieber, Reichsmatrikelwesen, S. 70. 55

RTA JR 2, Nr. 52, S. 410f.

56

Siehe Roll, Reichsregiment, S. 110-112.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

139

Man war lediglich bereit, die Beschwerden einzelner Reichsglieder zu prüfen, die sich zu hoch veranschlagt fühlten. Dies traf vor allem für die Städte zu, deren Beiträge im Vergleich zu denen der Fürsten sehr hoch ausgefallen waren. Deshalb setzten praktisch gleichzeitig mit der Publikation der Matrikel auch die Beschwerden über ungerechte Veranlagung und damit die Bemühungen um eine Veränderung der Matrikel ein. Den ernsthaftesten Versuch in diese Richtung stellten die Matrikelmoderationsverhandlungen in den 40er Jahren dar. Nach der Rekusation des Kammergerichts und der bereits über ein Jahrzehnt vorher erfolgten Auflösung des Reichsregiments ging es zu diesem Zeitpunkt nur um die Finanzierung von Truppen. Statt für den Romzug wurden die Truppen inzwischen für die Türkenabwehr benötigt, wobei als Rechnungseinheit nach wie vor der sogenannte "Römermonat" zugrunde gelegt wurde. Nachdem auf dem Regensburger Reichstag 1541 erstmals seit 1530 wieder eine Türkenhilfe bewilligt worden war - eine halbe Romzugshilfe für drei oder vier Monate, d.h. 1 1 / 2 - 2 Römermonate -, bekam die Matrikel wieder praktische Bedeutung. Auf dem Speyrer Reichstag 1542 wurde dann der Vollzug der bereits 1530 bewilligten Türkenhilfe beschlossen, nämlich in Höhe einer Romzugshilfe für drei Jahre, d.h. 36 Römermonate. Dies war die bedeutendste Türkenhilfe, die die Reichsstände während der Regierungszeit Karls V. bewilligten. Die 1544 bewilligte Türkenhilfe fiel demgegenüber gering aus und wurde zudem als Vermögenssteuer erhoben. Allerdings wurde dem Kaiser daneben eine bedeutende Hilfe gegen Frankreich bewilligt, erhoben auf der Grundlage der Romzugshilfe. Die vermeintlichen oder tatsächlichen Ungerechtigkeiten der Matrikel waren aufgrund dieser erheblichen Bewilligungen der 1540er Jahre für die Betroffenen deutlicher spürbar als je zuvor, eine Revision der Matrikel mithin unabdingbar. Auf dem Speyrer Reichstag 1544 wurde beschlossen, das Problem endlich in Angriff zu nehmen. Die mit der Neufassung der Matrikel beauftragte Kommission von je vier Delegierten aus jedem Kreis erarbeitete zwar eine ausführliche Relation 57 unter Darlegung aller Schwierigkeiten, erstellte aber keine endgültige Matrikel. Die Aufgabe der Kreisverordneten war dabei eine doppelte: Zum einen mußten sie feststellen, welche Stände überhaupt zu Recht in der Matrikel verzeichnet waren, d.h. es ging um die Frage der sogenannten "ausgezogenen" und sich selbst ausziehenden Stände. Bei der Auflistung dieser Stände stellte sich heraus, daß sie mit mehr als einem Viertel der Gesamtsumme 57

HHStA Wien, MEA Matr.mod la (Relation Worms 1545).

140

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

veranlagt waren 58 . Zum anderen mußten die Anschläge der verbliebenen Stände gerecht verteilt werden, d.h. es wurde über die seit 1521 nie abreißenden Beschwerden über ungerechte - und das hieß selbstverständlich immer: zu hohe Veranlagung verhandelt. Bei den Exemtionen ist noch einmal zu unterscheiden: Es gab Stände, die von einem anderen Reichsstand "ausgezogen" worden waren; hier ging es vor allem um die Frage, ob der ausziehende Stand die Steuerpflichten des ausgezogenen Standes mit übernahm. Außerdem gab es die Stände, die "sich selbst auszogen" oder die von einerfremden Macht "ausgezogen" worden waren 59 . Hierbei handelte es sich regelmäßig um Stände in den Randgebieten des Reichs. Im Grunde ging es dabei um die Reichszugehörigkeit dieser Stände überhaupt. In diese Kategorie gehörten das Königreich Böhmen, die Städte Danzig und Elbing, das Herzogtum Holstein, die Niederlande, die Bistümer Metz, Toul und Verdun, Reichsitalien und eben die Schweizer Äbte und Städte60. Sie alle sind in der Relation der Kreisverordneten vom 31. März 1545 im Anschluß an die Aufzählung der nicht auffindbaren Stände61 aufgelistet als Stände, "welche sich selbst vom reich abziehen und man vor ungewiss achtet". Unter ihnen bildeten die Schweizer Äbte und Städte die größte Gruppe, wobei auch die Stadt Mülhausen zu diesen sich selbst ausziehenden Ständen gerechnet wurde. Die 58

Rabe, Reichsbund, S. 334; Müller, Veränderungen, S. 121-123 und 128-136.

59

Diese wurden bei den Verhandlungen über die Matrikelmoderation jedoch stets unter "Stände, die sich selbst ausziehen" zusammengefaßt. 60

Siehe dazu die Zusammenfassung bei Rabe, Reichsbund, S. 340-351. Die Bischöfe von Basel, Wallis, Genf, Lausanne und Chur saßen zwar auch im Gebiet der heutigen Schweiz und wurden im Zusammenhang mit der Matrikelmoderation immer zusammen mit den Äbten und Städten genannt, sollen hier jedoch nicht eigens behandelt werden. Der Bischof von Basel war eindeutig ein Reichsfürst, das Bistum Basel gehörte zweifellos zum Reich. Der Bischof von Chur gehörte nicht zur Eidgenossenschaft, sondern zu Graubünden, auf das hier nicht eingegangen werden soll. Die Bistümer Genf und Lausanne kamen erst durch die bemische Eroberung der Waadt in unmittelbare Berührung mit der Eidgenossenschaft und hörten gleichzeitig auf zu existieren. Das Wallis, das praktisch gleichbedeutend mit dem Sprengel des Bischofs von Sitten war, war zwar mit der Eidgenossenschaft verbündet, die Verbindung war aber eher locker. Entscheidend für die Nichtberücksichtigung ist jedoch, daß die Eidgenossenschaft sich der Anliegen dieser Bischöfe nicht annahm, im Unterschied eben zu den Äbten, deren Beschwerden über Veranlagung zur Reichssteuer auf den Tagsatzungen debattiert wurden. 61

Zu diesen gehörte auch der Abt von "Kentzlingen", womit sicherlich Kreuzlingen gemeint ist (s. Anm. 54), das dann in der folgenden Liste fehlt.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

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Kreisverordneten beließen es freilich nicht bei der Auflistung dieser Stände, sondern unterbreiteten auch einen Vorschlag, wie mit ihnen verfahren werden sollte: Dieser stennde halber wurdet bedacht ob kay. unnd kon. maten. churfursten, fursten unnd gemaine stennde, bey den aidgnossen durch schrifft oder schickhung gesucht hetten das sie nicht allain diese stennde so von alters here in den reichs anschlegen gewesen weren unnd zu dem reich gehören an raichung irer schuldigen anlagen nit verhinderten sonnder auch sie die ortter unnd stette der eidgnoßschafft als glider der teutschen nation unnd des hailigen reichs zu diesem christlichen vorhaben unnd werckh des widerstannds gegen gemainen veindt der christenhait ir hilff auch thetten, daneben ist auch zu irer kay. unnd kon. maten. unnd der stennden bedenncken gestellt, dieweil vil derselbigen itzberuerten stennden so die eidgnossen ausziehen in dem hailigen reich gueter ligen haben, ob sie durch arrestierung solcher guter im fall der waigerung zu bezalung irer anlag sollten angehalten werden, oder ob besser das sie allain derselbigen guter halben angeschlagen und zu bezalung angehalten unnd des uberigen halben noch zur zeit gedult getragen wurde.62 Die Kreisverordneten waren also nicht nur nicht bereit, den Anspruch des Reichs auf Bezahlung der Türkenhilfe durch die Schweizer Äbte und die Städte Basel, Schaffhausen und St. Gallen aufzugeben, sondern sie gingen sogar noch einen Schritt weiter und forderten die Beteiligung der eidgenössischen Orte an dem "christlichen Vorhaben" der Türkenabwehr. Das Bestreben, zunächst einmal Maximalansprüche aufzustellen, kennzeichnet nicht nur den die Eidgenossenschaft betreffenden Passus der Relation, auch der Versuch der Erneuerung der Ansprüche des Reichs in Italien war nicht gerade von Realitätssinn gekennzeichnet. Allerdings scheinen auch die Kreisdelegierten Zweifel an der Realisierbarkeit dieser Ansprüche gehabt zu haben, da sie gleich im Anschluß an diese Maximalforderung einen Rückzieher machten und darauf drangen, daß die Schweizer zumindest für ihre im Reich - und das sollte ja wohl heißen: nördlich des Rheins - gelegenen Güter die Reichsanlagen bezahlten63.

62 63

HHStA Wien, MEA Matr.mod. la (Relation Worms 1545), fol. 4v-5v.

In der Tat hatten die Schweizer Klöster - mit Ausnahme von Disentis - alle mehr oder weniger umfangreiche Besitzungen nördlich des Rheins. Bei Pfäfers war dieser Besitz verschwindend gering (Perret/Vogler, Pfäfers, S. 982 und S. 985), St. Johann besaß einige Güter in Vorarlberg. Auch der Einsiedler Besitz außerhalb der Schweiz fiel kaum ins Gewicht. Bedeutender war da schon der St. Galler Besitz nördlich des Rheins, er bildete jedoch nur einen verschwindend kleinen Teil der umfangreichen St. Galler Lände-

142

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

An dem prinzipiellen Anspruch auf Entrichtung der Reichsanlagen durch die Schweizer Äbte und die drei Städte wurde also nicht gerüttelt. Da die Schweizer an den Beratungen über die Matrikelmoderation weder auf Kreis- noch auf Reichsebene teilnahmen, also auch keine Beschwerden über die Höhe ihres Anschlages vorbrachten, blieben auch die von ihnen geforderten Summen unverändert. In den ausführlichen Darlegungen der Kreisverordneten zu den Veranlagungen einzelner Stände wurde deshalb in bezug auf die Schweizer Äbte und Städte stets festgestellt, daß ihr Anschlag gleich bleibe, weil sie zu den sich selbst ausziehenden Ständen gehörten 64. Eine Ausnahme hiervon bildete der Abt von Kreuzlingen, der eine Beschwerde über seine Veranlagung in der Ma-

reien. Dagegen hatten die Klöster Schaffhausen und Stein am Rhein einen Großteil ihres Besitzes nördlich des Rheins, beide Klöster existierten freilich 1542 längst nicht mehr. Allzu groß wäre der Ertrag also wohl kaum gewesen, selbst wenn sich dieser Vorschlag durchgesetzt hätte. Umgekehrt wäre es dann auch logisch gewesen, die Bischöfe von Konstanz und Basel nur mit ihren nördlich des Rheins gelegenen Gütern zu veranlagen, eine Idee, die von den Verordneten verständlicherweise nicht vorgebracht wurde. Auf die Güter eidgenössischer Städte und Äbte in der Landgrafschaft Nellenburg hatten der Landvogt und die Amtleute in Stockach die Innsbrucker Regierung auf einem Landtag in Riedlingen wegen der Türkenhilfe 1545 aufmerksam gemacht. Die Regierung teilte in einem Schreiben an Ferdinand zwar grundsätzlich deren Meinung, daß es billig wäre, wenn die Eidgenossen für diese Besitzungen zur Türkensteuer herangezogen würden, fügte aber sofort hinzu, daß mit einer Bezahlung freilich nicht zu rechnen sei (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 13.5.1545 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 8, fol. 430r-437v, hier fol. 437r)). 64

Drei Beispiele mögen hier genügen: "Dieweil die statt Basell sich vom reich abgezogen und zu den eydgenossen gethan hatt, so ist sie in irem alten anschlag als nemlich zehen zu roß unnd hundert und achzigk zu fueß gelaßen und bedacht worden den Stenden des reichs bericht darvon zuthuen." (HHStA Wien, MEA Matr.mod. la (Classes), fol. 53v). "Nachdem der abt zu Sant Gallen zum theil in der eidgenoßschafft und zum theil in dem romischen reich begüttet unnd aber sich selbst von dem reich abzuziehen understehet auch kein sondere beschwerden einpracht hatt, so haben gemeyne kraißverordenten denselben in seinem alten anschlag darinn er jetzund befunden worden nemlich sechs zu roß und dreissig zu fueß lassen pleiben. Doch soll obberurt gelegenhait dieses abts an churfursten fiirsten und gemeyne stende des heyligen reichs uf jetzwerendem reichstage gepracht und gelanget werden." (ebd., fol. 79v). "Der abt zu Sant Dissidis liegt inn Schweitz, ist bei seim alten anschlag als ein zu roß und zehen zu fueß gelaßen und bej die so sich selbst außziehen gesteh worden." (ebd., fol. 115r).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

143

trikel vorgebracht hatte, die zu einer Verringerung seines Anschlages führte 65. Die Schweizer blieben also in der Matrikel, und zwar mit den Beträgen, wie sie 1521 in Worms für den Romzug festgelegt worden waren. Daran änderten auch die erneuten Verhandlungen über die Matrikel auf dem Augsburger Reichstag 1547/48 nichts. Während die Detailverhandlungen über die Höhe der einzelnen Anschläge einer besonderen Kommission übertragen wurden, wurde über die Frage der ausgezogenen Stände auf dem Reichstag selbst beraten. In dem kurfürstlichen Entwurf für ein gemeinständisches Bedenken über die Ringerung der Anschläge vom 17. November 1547 66 wurden unter den sich selbst vom Reich abziehenden Ständen genau die gleichen Stände aufgezählt wie in der Wormser Relation von 1545 und dann in bezug auf die Schweizer empfohlen: Aber die bischoff zue Genff, Lusan unnd Chur, des gleichen die äbbt Sanct Gallen, Schaffhausen, Stein am Rein, Einsidell, Pfeffers, Dissidis, S. Johan im Thurthal auch die stedt S. Gallen, Schaffhausen, Mulhausen im Elsaß unnd Basell belangenden wirdet durch die churfursten fursten stende und der abwesenden rethe bedacht, das auß allerhand beweglichenn Ursachen, und sonderlich damit auß langem stillstandt, dem reich zue nachteill unnd abbruch einige prescription oder verjherung nit ervolgen oder angetzogen werden möcht, das demnach des keyserlichen camergerichts fiscall obgedachter stende und stedt ein vertzeichnuß zugeschickt, und ihme daneben geschribenn unnd bevolhen werdenn soll, wider dieselbenn biß auff die declaration der acht exclusive zu procediren, und es dieser zeit dabej biß auf femer bedencken und bescheid beruhen lassen.67 Diese Stellungnahme ist immerhin etwas mehr der Realität verpflichtet als die Relation von 1545. Der Rechtsanspruch auf Zahlung der Reichsanlagen durch die Schweizer wurde zwar auch hier aufrechterhalten, es ist aber nicht zu übersehen, daß an dessen Durchsetzbarkeit doch erhebliche Zweifel bestanden. Durch den Hinweis auf die mögliche Verjährung, die es zu verhindern gelte, wird deutlich, daß es in der Tat nur noch um den theoretischen Anspruch ging 65

"Deß abtts zu Kreutzlingen einbracht beschwerungen seindt durch die kraißverordenten dahin vermerckt worden, das er an seynem alten anschlag umb ein zu roß zu ringem sey, also das er hinfurter vier zu fueß zu reichs anlag geben soll." (HHStA Wien, MEA Matr.mod. la(Classes), fol. 12 lr). 66

Rabe, Reichsbund, S. 342; HHStA Wien, MEA RTA 16a (H), fol. 16r-44v.

67

HStA Hannover, Hildesheim Br. 1, Nr. 84, fol. 349r-366v, hier fol. 353v.

144

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

eventuell mit dem Hintergedanken, daß es in einer veränderten politischen Konstellation vielleicht einmal möglich sein könnte, diese Ansprüche zu reaktivieren, weshalb sich das Reich ihrer nicht vorschnell begeben sollte. Für die Gegenwart hatten diese Ansprüche indessen keine Relevanz, weshalb man auch davor zurückscheute, sie mit letzter Konsequenz einzutreiben. Daß die Beschränkung auf schriftliche und gerichtliche Schritte aber einem Verzicht auf die Durchsetzung gleichkam, brachten die Fürsten in ihrem Bedenken vom 10. Dezember zum Ausdruck: Weither sovill die stend belangt so zum theill sich selbs auß ziehen, zum theill wider ihren willen außgetzogen werden, unnd darwider nach auß-

weisung des churfurstlichen bedenckens biß auff die declaration der acht procediert werden soll, wird onangesehen gedachten churfurstlichen bedenckens, für radtsamer geacht, das dißer zeit, mit den processen stillgehalten, und durch denn fiscall nit procedirt werde, auß Ursachen das die prescription bej diesen Stenden nit hohes ansehen ist, und sie der Consti-

tutionen gemeines rechtens wenig achten, wan auch interruption beschehen soll, mer der faust gegen ihnen als der geschribnen recht von nötten sein wird, unnd über das muß auch inn disem fall sonderlich bej denn ungehorsamen Stenden, die sich zue Schweitzern geschlagen oder zue ihnen thuen muessten, der anraynenden stend verschont werden, damit

die an ir schuld auch dem reich an frucht beschedigt werden.68 Das fürstliche Bedenken brachte damit das Problem auf den Punkt. Bei den sich selbst ausziehenden Ständen, die in den Randgebieten des Reichs lagen und die Zuständigkeit der Reichsinstitutionen für sich nicht mehr anerkannten, hatte es keinen Sinn, mit Hilfe der von ihnen nicht anerkannten Reichsgerichtsbarkeit die Reichssteuern einzutreiben, zumal, wenn man von vornherein auf den letzten Schritt - die Achterklärung - verzichtete 69. Es handelte sich hier eben doch um ein grundsätzlich anderes Problem als bei den zahlungsunwilligen Ständen im Innern des Reichs: Nicht um puren Ungehorsam, Zahlungsunwilligkeit oder -Unfähigkeit ging es hier, sondern um die prinzipielle Frage der Zugehörigkeit zum Reich als einer politischen, Rechts- und Leistungsgemeinschaft. 68 69

HStA Hannover, Hildesheim Br. 1, Nr. 84, fol. 407r-415r, hier fol. 409v.

Eine Achterklärung fürchteten vor allem die Städte, da dann die Güter ihrer im Reich Handel treibenden Kaufleute hätten eingezogen werden können. Auf diese Gefahr machten die Boten Basels, St. Gallens und Mülhausens 1544 aufmerksam, als der Fiskal gegen sie wegen Nichtbezahlung der Türkenhilfe prozessierte, und baten die Eidgenossen um Rat (EA 4/1 d, Nr. 197, S. 418f.).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

145

Die Kurfürsten konnten sich dieser Argumentation nicht verschließen. In ihrem Bedenken über das Bedenken der Fürsten erklärten sie, daß sie zwar nicht auf eine Weiterführung bereits laufender Prozesse gegen Vertreter dieser Ständegruppe verzichten wollten, daß neue Prozesse jedoch nicht mehr eröffnet werden sollten. Der Satz, daß der Kaiser gebeten werden solle, "solche hilffliche und rätliche weg aller gnedigst furtzunemen, damit diser stende anschlege widerumb zum Reich gebracht werden möchten, in ansehung das diese stende villeicht jetzundt thuen wurden, das sie vormals zuthun nitt willens gewesen"70, brachte dann freilich die Aussichtslosigkeit des Unterfangens, diese Beiträge jemals einzubringen, mehr als deutlich zum Ausdruck. Realiter war der Anspruch auf diese Beiträge aufgegeben, nur auf dem Papier bestand er noch fort. Trotz der Erkenntnis über den illusionären Charakter der Ansprüche konnte man sich jedoch zum letzten Schritt, dem Streichen der Stände aus der Matrikel, nicht durchringen. Die gemeinständische Relation an den Kaiser von Anfang März 1548 faßte dann die Argumente der verschiedenen Entwürfe zusammen. Sie erwähnte das Bemühen, eine Verjährung der Ansprüche durch Prozesse zu verhindern, wie es in dem kurfürstlichen Entwurf enthalten gewesen war, aber auch die Erkenntnis des fürstlichen Bedenkens, daß diese Prozesse nicht zum Erfolg führen würden, weshalb zumindest keine neuen Prozesse angestrengt werden sollten, um dann mit der Bitte an den Kaiser aus der kurfürstlichen Antwort zu enden71. Der Kaiser ging in seiner Antwort noch einen Schritt weiter und erklärte, daß momentan ein entsprechendes Schreiben an die Eidgenossen wenig ausrichten würde, "in bedencken, das auf hievor dergleichen beschehene schreiben wenig frucht erlanngt" 72, eine Meinung, der sich die Stände anschlossen73. Die Schweizer Äbte und die Städte Basel, Schaffhausen und St. Gallen blieben also in der Matrikel, das Reich verzichtete indessen auf jegliche Maßnahmen zur Realisierung dieser Ansprüche. Auf diese Weise konnte freilich das Ziel, eine der Realität entsprechende Matrikel zu erstellen, nicht erreicht werden.

70

HHStA Wien, MEA RTA 16 (H), fol. 119r-128r, zit. nach Rabe, Reichsbund, Anhang, S. 892. 71

HStA Stuttgart, A 262, Bü 26, fol. 2r-30v.

72

HHStA Wien, MEA RTA 16 (H), fol. 282r-285r, zit. nach Rabe, Reichsbund, Anhang, S. 956. 73

10 Braun

HStA Stuttgart, A 262, Bd. 30, fol. 87r-92v.

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

146

Die Städte Basel, Schaffhausen und St. Gallen sowie die Schweizer Äbte wurden auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der Reichsmatrikel "mitgeschleppt". In der Matrikel von 1577 sind sie genau so wie 1521 verzeichnet, da bei ihnen ja keine "Ringerung" der Anschläge stattgefunden hatte, lediglich beim Anschlag des Abtes von Kreuzlingen hatte sich der 1545 erfolgte Erlaß eines Reisigen niedergeschlagen74. Erst in der Matrikel von 1593 wird der Realität Rechnung getragen und kein eidgenössischer Anschlag mehr verzeichnet75.

2. Die tatsächlichen Leistungen der Eidgenossen für das Reich Die Reichsmatrikel erfaßte also bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts mit Basel und Schaffhausen zwei eidgenössische Orte, mit St. Gallen, Mülhausen und Rottweil drei der Eidgenossenschaft zugewandte Städte sowie etliche in der Schweiz gelegene Klöster. Nun zog freilich die Verzeichnung in der Matrikel allein noch keine unmittelbare Zahlungsverpflichtung nach sich; beschloß aber der Reichstag eine Steuererhebung auf Matrikelbasis, so ergingen an die in der Matrikel Verzeichneten entsprechende Zahlungsaufforderungen. Während der Regierungszeit Karls V. erhielten die Stände solche Aufforderungen vor allem für den Romzug, den Unterhalt von Kammergericht und (bis 1530) Reichsregiment und die Türkenhilfe. Es stellt sich von daher die Frage, ob diese Leistungen auch von den genannten Äbten und Städten gefordert, und wenn ja, erbracht wurden. Zu untersuchen ist des weiteren, wie sich die Eidgenossenschaft zu diesen Zahlungsaufforderungen stellte, nachdem sie selbst 1496 eine Beteiligung am Kammergerichtsunterhalt abgelehnt hatte, ja: ob die eidgenössischen Orte sich dem Reich gegenüber überhaupt finanziell verpflichtet fühlten und ob sie aus ihrer Haltung in diesen Finanzfragen prinzipielle Rückschlüsse auf ihr Verhältnis zum Reich zogen. 74 75

Neue Sammlung, Bd. 2, Anhang, S. 35-43.

Da es sich bei dem in der Neuen Sammlung gedruckten "Extract aus den ReichsMatriculn des Römer-Zugs" (Neue Sammlung, Bd. 2, Anhang, S. 35-43) um eine spaltenweise Nebeneinanderstellung der Matrikeln von 1521, 1577 und 1593 handelt, läßt sich nicht entscheiden, ob in der Originalmatrikel von 1593 die Schweizer überhaupt nicht mehr aufgeführt wurden oder ob sie zwar aufgelistet wurden, ohne jedoch mit einem Anschlag versehen zu werden.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

147

a) Der Beitrag der Eidgenossen zum Romzug Karl V. hatte in seiner Wahlkapitulation versprochen, sich möglichst bald um die Kaiserkrone zu bemühen. Auf dem Wormser Reichstag 1521 wurde deshalb eine Matrikel für den Romzug erstellt. In dieser waren - wie bereits ausführlich dargestellt - die Städte Basel, Schaffhausen und St. Gallen sowie die Äbte der in der Schweiz gelegenen reichsunmittelbaren Klöster verzeichnet. Diese Äbte und Städte sollten also mit den in der Matrikel verzeichneten Kontingenten zum Romzug beitragen. Die Eidgenossenschaft insgesamt war in der Matrikel nicht aufgeführt. Dies bedeutete allerdings nicht, daß Karl auf die Dienste der Eidgenossen verzichten wollte, zumal absehbar war, daß der Romzug nicht friedlich verlaufen würde. In der Wahlkapitulation hatte Karl nämlich auch zugesagt, dem Reich entzogene Fürstentümer und Herrschaften zurückzugewinnen. Damit war nicht zuletzt Mailand gemeint, das seit 1515 in französischer Hand war. Der geplante Zug über die Alpen sollte also nicht nur dem Erwerb der Kaiserkrone, sondern auch der Rückeroberung von Mailand dienen. Nur deshalb war eine so große Streitmacht vonnöten, wie sie Karl 1521 von den Reichsständen verlangte: 20.000 Knechte und 4.000 Reisige für ein Jahr 76. Dies war der Anteil des Reichs. Was seinen eigenen Anteil betraf, stellte Karl unter anderem in Aussicht, 10.000 Schweizer auf seine Kosten anzunehmen und zu unterhalten77. Damit war ge-

76 77

RTA JR 2, Nr. 44, S. 392.

Ein völliges Novum war eine gewisse Sonderstellung der Eidgenossen, genauer: der eidgenössischen Truppen, allerdings nicht. Bereits König Sigismund hatte den Eidgenossen im Rahmen seiner Romzugsplanungen insofern eine Sonderstellung zugedacht, als er überhaupt nur Eidgenossen und Ritter der Gesellschaft mit St. Jörgenschild als Begleitung für seinen Zug nach Italien wünschte (RTA ÄR 10, S. 128). Auf sein Begehren um Unterstützung des Romzugs sagte Zürich ihm 500 bis 600 Mann zu (ebd., Nr. 85, S. 157: Zusage von 500 Mann laut Beschluß vom 17.5., dagegen ebd., S. 129, Anm. 2: 250 Mann aus Konstaffel und Zünften, d.h. aus der Stadt, und 350 Mann von der Landschaft, also insgesamt 600 Mann, laut Beschluß vom 28.5.) und bemühte sich bei Bern und Solothum um eine gleichlautende Antwort (ebd., Nr. 85). Der Aufbruch verzögerte sich aber, Sigismund trat erneut mit seiner Bitte an die Eidgenossen heran und lud sie zur Besprechung weiterer Einzelheiten auf einen Tag nach Feldkirch (ebd., Nr. 88, S. 160 und Nr. 89, S. 160f.). Zwar folgten zahlreiche Orte der Einladung (ebd., Nr. 90f., siehe auch S. 130), zu einer Beteiligung der Eidgenossen am Romzug Sigismunds scheint es aber nicht gekommen zu sein (ebd., S. 130, Anm. 6). Die Verhandlungen machen zweierlei deutlich: Die Eidgenossen lehnten eine Beteiligung am Romzug 10*

148

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

nau das eingetreten, was die Reichsstände 1507 befürchtet hatten78: Die Beteiligung der Eidgenossen am Romzug gegen Bezahlung. Im Unterschied zu damals versuchte der Kaiser jetzt nicht einmal mehr, die Eidgenossen aufgrund ihrer Reichszugehörigkeit zur unbezahlten Teilnahme am Romzug zu bewegen, sondern bot von vornherein die Bezahlung an. Sein vordringliches Ziel war es, überhaupt eidgenössische Söldner zu erhalten oder doch wenigstens zu verhindern, daß Frankreich über die eidgenössischen Söldner verfügen konnte - die Eidgenossen standen zu dieser Zeit ja in Verhandlungen mit Frankreich über ein Soldbündnis. Deshalb entsandte Karl Anfang April 1521 eine hochrangige Gesandtschaft in die Eidgenossenschaft 79. Die Gesandten sollten die Eidgenossen an ihre Pflichten als Reichsglieder und als Deutsche erinnnern. Dabei dachte Karl aber nun nicht etwa in erster Linie an die Teilnahme am Romzug auf eigene Kosten, nein: die Eidgenossen wurden aufgefordert, sich nicht vom Reich zu sondern und sich nicht mit Gegnern des Reichs zu verbünden. Frankreich wurde zwar nicht explizit erwähnt, aber der Sinn dieser Aufforderung war klar: Die Eidgenossen sollten darauf hingewiesen werden, daß sich ihre Reichszugehörigkeit nicht mit einem Bündnis mit Frankreich vereinbaren ließ. Das Ersuchen Karls, ihm 10.000 Söldner für den Romzug zur Verfügung zu stellen, wurde dann ohne Hinweis auf die Reichspflichten der Eidgenossen vorgebracht. Dieses Ersuchen war im Grunde eine logische Konsequenz der ersten Bitte. Vordringlich war zunächst, eine eidgenössische Unterstützung für Frankreich zu verhindern; war dies erreicht, war es nur folgerichtig, die eidgenössischen Söldner selbst in Dienst zu nehmen. Zum einen sollten diese Söldner selbstverständlich das eigene Heer stärken, zum anderen waren die Eidgenossen kaum bereit, auf die Soldeinnahmen zu verzichten, so daß es für Karl geradezu notwendig war, den

nicht von vornherein und prinzipiell ab; in der Absicht Sigismunds, sich nur von den Eidgenossen und den Rittern mit St. Jörgenschild begleiten zu lassen, deutet sich eine Sonderstellung der Eidgenossen an, ohne daß freilich zu entscheiden wäre, ob diese nur eine Folge des besonderen Verhältnisses der Eidgenossen zu diesem König war oder ob hier der Keim für eine weitergehende Entwicklung angelegt war. 78 79

Siehe oben S. 35.

Der Gesandtschaft gehörten an: Bischof Hugo von Konstanz, Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel und Veit Sutor. Die Instruktion Karls für die Gesandten vom 7.4.1521 in: StA Luzem, Al Fl Sch. 54. Ihr Anbringen auf der Tagsatzung in Zürich am 9.4. in EA 4/1 a, Nr. 9, S. 26f.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

149

Eidgenossen ein Gegenangebot zu unterbreiten, wenn sein Anliegen überhaupt eine Chance haben sollte. Daß der Romzug bei dem geplanten Unternehmen, aber auch in den Verhandlungen mit den Eidgenossen nur zweitrangig war, zeigt die Vorgeschichte der kaiserlichen Gesandtschaft. Um seinen Forderungen größeren Nachdruck und größere Legitimität zu verleihen, hatte Karl zunächst an eine gemeinsame ständische und kaiserliche Gesandtschaft zu den Eidgenossen gedacht. Er legte deshalb den Ständen am 7. März 1521 eine Proposition vor, in der er den Zweck der geplanten Botschaft darlegte80. Auch in der Proposition steht der Krieg gegen Frankreich in Oberitalien im Vordergrund - ohne jedoch explizit erwähnt zu werden. Die Eidgenossen sollten kein Bündnis mit einer anderen Nation gegen das Reich schließen und den Feinden des Reichs auch keine Soldaten zuziehen lassen. Vielmehr sollten sie Karl für seinen Romzug 10.000 Söldner anwerben lassen, außerdem "ain anzale ires kriegsvolk" für die Wiedergewinnung dem Reich entzogener Gebiete81. Daß die letzte Forderung so vage ausgefallen war, ist sicherlich kein Zufall. Karl nannte hier keine genaue Truppenzahl, da dieser Zug ja mit dem Romzug zusammenfiel. Dies konnte er indessen nicht öffentlich erklären, da er dann mit Vorwürfen rechnen mußte, den Romzug für die Interessen seines Hauses zu mißbrauchen. Ungeachtet der Bestimmung in der Wahlkapitulation über die Wiedergewinnung verlorener Reichsgebiete wollten die Reichsstände ja keineswegs in die Auseinandersetzungen zwischen Habsburg und Valois hineingezogen werden. Im Anschluß an diese militärischen Bestimmungen folgen in der Proposition Karls zwei Absätze, die an den Basler Frieden von 1499 bzw. die "Nottel der königlichen Freiheit der Eidgenossenschaft" Maximilians von 1507 anknüpfen. Zunächst wurde vorgeschlagen, daß ein Vertrag zwischen dem Reich und der Eidgenossenschaft geschlossen werden sollte, der die Eidgenossenschaft verpflichtet hätte, sich nicht auf Kosten des Reichs auszudehnen82. 1499 bzw. 1507 war das entsprechende Verbot noch gegenseitig gewesen, dieser Absatz war also wohl weniger als Angebot an die Eidgenossen denn als Beruhigung der Reichsstände zu verstehen83. Außerdem wurde für

80

RTA JR 2, Nr. 31.

81

RTA JR 2, Nr. 31, S. 364f.

82

RTA JR 2, Nr. 31, S. 365.

83

Daß der Adressat jeweils genau bedacht wurde, zeigt ein Vergleich mit dem zweiten Entwurf einer Instruktion für die geplante Gesandtschaft in die Eidgenossenschaft (RTA JR 2, Nr. 35). Hier wurde in beiden Absätzen ausdrücklich auf den Basier Frieden von 1499 Bezug genommen (ebd., S. 374), also auf einen für die Eidgenossenschaft vorteilhaften Text. Außerdem war in diesem Entwurf das Verbot, Untertanen des anderen anzunehmen, gegenseitig, galt also auch für das Reich.

150

Teil 1 : Die Eidgenossenschaft und das Reich

Streitigkeiten zwischen dem Reich und der Eidgenossenschaft bzw. ihren Untertanen ein Schiedsgerichtsverfahren vorgeschlagen, ohne daß jedoch auf Einzelheiten eingegangen wurde. Beide Absätze sind sehr knapp und unbestimmt gehalten, also bei weitem nicht so detailreich wie 1499 und 150784. Überhaupt enthält die ganze Proposition keine Zusagen an die Eidgenossenschaft, lediglich Forderungen, abgesehen von dem Versprechen Karls, die Eidgenossen nach Abschluß eines solchen Vertrages wie andere Reichsglieder zu schützen. Der Text war eindeutig auf die Reichsstände ausgerichtet, denen zu große Zugeständnisse an die Eidgenossen suspekt waren. Aber auch mit dieser Proposition ließen sich die Stände nicht zur Entsendung einer gemeinsamen Botschaft bewegen. In ihrem Gutachten85, das die Botschaft zu den Eidgenossen überhaupt verwarf, argumentierten die Stände allerdings nicht so sehr gegen die Gesandtschaft86 als vielmehr gegen die Beteiligung der Eidgenossen an dem geplanten Zug überhaupt, da sie notorisch unzuverlässig seien und es außerdem zu Konflikten zwischen Eidgenossen und Landsknechten kommen könnte87. Die antieidgenössische Tendenz des Gutachtens wird besonders deutlich daran, daß der - für die Eidgenossen ja ungünstige - Absatz über das Verbot einer Expansion ins Reich mit dem Hinweis abgelehnt wurde, daß dies eine Anerkennung bisheriger eidgenössischer Expansion bedeute88. Während dieses Gutachten vor allem von antieidgenössischen Ressentiments geprägt war, argumentierte die wenig später entstandene Antwort des Ausschusses der Kurfürsten und Fürsten stärker von der Reichsverfassung her 89. Vor allem gab der Ausschuß

84

Dies hängt natürlich auch damit zusammen, daß es sich 1499 und 1507 um tatsächliche Vertragstexte handelte, die genaue Ausführungsbestimmungen enthalten mußten. In der Proposition Karls 1521 dagegen waren die beiden Absätze Teil eines ersten Vorschlags, so daß zunächst grobe Festlegungen genügten. 85

RTA JR 2, Nr. 33.

86

In diesem Zusammenhang wird lediglich erwähnt, daß es für den Kaiser und die Stände "verächtlich und schimplich" sei, "zü einer commun eins sölchen nideren stands zü schicken" (RTA JR 2, Nr. 33, S. 368). Hier schimmert das Stereotyp von den Schweizern als Bauern durch. 87

Die Unzuverlässigkeit der Eidgenossen wurde in zweierlei Richtungen gesehen: Zum einen sei ihnen in einem Kriegszug nicht zu trauen, vielmehr mit einem Verrat zu rechnen - in Erinnerung gerufen wurde der Verrat an Ludovico Moro durch die Eidgenossen 1500. Zum anderen seien die eidgenössischen Obrigkeiten nicht Herren ihrer Untertanen, weshalb zu befürchten sei, daß trotz eines Vertrages im Kriegsfall zahlreiche Eidgenossen Frankreich zulaufen würden (RTA JR 2, Nr. 33, S. 368). 88

RTA JR 2, Nr. 33, S. 368.

89

RTA JR 2, Nr. 34. Die Argumente über die Unzuverlässigkeit der Eidgenossen,

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

151

zu bedenken, daß es schimpflich für den Kaiser sei, den Eidgenossen für ihre Hilfe, die zu leisten sie als unmittelbare Reichsglieder ja verpflichtet seien, Geld anzubieten. Die Schlichtung eventuell auftretender Streitigkeiten durch ein Schiedsgerichtsverfahren lehnte der Ausschuß mit der Begründung ab, daß Karl im Reich "ein ustreglich, entlich recht ufrichten wurdet", das dann auch für die Eidgenossen als Reichsglieder gelte90. Die weiteren Verhandlungen brachten keine Annäherung der Standpunkte, und so verzichtete Karl auf eine Beteiligung der Stände an der Gesandtschaft zu den Eidgenossen. Die Stände hielten also weit mehr als der Kaiser an den Pflichten der Eidgenossen als Reichsglieder fest. Im Gegensatz zu Maximilian stellte Karl jedoch nicht Reichsrechte wie die Reichsgerichtsbarkeit für die Beteiligung der Eidgenossen am Romzug zur Disposition. Er verzichtete auch darauf, die Frage der Privilegienbestätigung mit der Beteiligung am Romzug zu verknüpfen. Dies geschah jedoch nicht aus größerem Respekt vor den Reichsrechten, sondern weil Karl - zu Recht - ein solches Vorgehen für wenig erfolgversprechend hielt. Karls Vorgehen war demnach rein an militärischen und machtpolitischen Erwägungen und Notwendigkeiten orientiert. Da sowohl in den Überlegungen Karls als auch in denen der Eidgenossen der Konflikt Karls mit Frankreich den Romzug überlagerte, ist es kaum möglich, Stellungnahmen zum Romzug aus den unterschiedlichen Standpunkten zu destillieren und diese als Indikator für das Verhältnis der Eidgenossen zum Reich zu werten. Dafür war allen Beteiligten zu klar, daß es in Wirklichkeit um die Vorherrschaft in Oberitalien ging. Demzufolge gingen die Tagsatzungsboten in ihren Antworten auf den Antrag der kaiserlichen Gesandten, wenn sie überhaupt über pure Floskeln von Reichstreue und Festhalten an der Erbeinung hinausgingen, mehr auf die Alternative Söldner für Frankreich oder für Karl ein als auf den Romzug 91 . Außerdem zogen sich die Boten teilweise auf das Argument zurück, daß der Zeitpunkt des Romzugs völlig unklar und somit noch keine Entscheidung notwendig sei. Kein Ort äußerte sich klar zur Frage des Romzugs. Auch auf einer Tagsatzung einen Monat später, am 9. Mai 1521, erteilten die Eidgenossen den kaiserlichen Gesandten keine eindeutige Antwort. Allerdings schlossen die eidgenössischen Orte mit Ausnahme Zürichs kurz darauf das Soldbündnis mit Frankreich, womit die Entscheidung im Grunde gefallen war. Weitere Verhandlungen über den Romzug fanden nicht mehr statt. die gegenüber dem Gutachten der Stände noch ausgebaut worden waren, sollten dem Kaiser mündlich vorgetragen werden (ebd., S. 369, Anm. 1). 90

RTA JR 2, Nr. 34, S. 372.

91

EA 4/1 a, Nr. 9, S. 27.

152

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Eine klare Entscheidung über den Romzug, d.h. eine Stellungnahme zu dieser Reichspflicht, fällten die Eidgenossen 1521 also nicht. Sie lehnten die Forderungen Karls nach Beteiligung am Romzug nicht rundweg ab, entscheidend war für sie vielmehr der Zusammenhang mit dem Kampf zwischen Franz I. und Karl V. in Oberitalien 92, bei dem sie auf alle Fälle vermeiden wollten, daß Schweizer auf beiden Seiten kämpften. Bereits 1519 hatten die Eidgenossen zwar Karls Bitte um Söldner und um ein weitergehendes Bündnis abgeschlagen, für den Fall eines Romzugs Karl aber ihre Unterstützung in Aussicht gestellt93. Auch die Stadt Basel, die ihre Befreiung von verschiedenen Reichsdiensten weniger auf ihre Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft als auf ihren Status als freie Stadt gründete, erkannte die Verpflichtung zur Romzugshilfe grundsätzlich an. In einem wahrscheinlich 1542 entstandenen "Bericht, wie loblich unnd eerlich ein fryger stat Basel herkomen" 94 wurde die Pflicht zur Beteiligung an der Türkenabwehr und dem Unterhalt des Kammergerichts abgelehnt, "aber hiegegen ist war, das ein stat Basel von sollicher frygung wegen einem romischen könnig zu erholung der key11 krön, wann sy darzu ervordert ein anzal volks oder gelt zu solchem Romzug zugeben schuldig"95. Dies entsprach der Position der freien Städte insgesamt, die sich gegenüber dem König nur zur Leistung der Romzugshilfe verpflichtet fühlten. 92

Die Vorstellung, die hinter dieser Ablehnung einer Verwicklung in die oberitalienischen Kämpfe stand, daß nämlich die für den Romzug bereitgestellten Truppen gleichsam als "Begleitschutz" den König auf einer ansonsten friedlichen Reise nach Rom begleiten sollten, war nicht nur 1521 illusorisch, sondern war es wohl immer gewesen. Der Zug des künftigen Kaisers durch Oberitalien blieb nie unberührt von den dortigen Machtverhältnissen, und gerade Mailand war stets ein heikler Punkt, zumal der König dort nicht nur durchreiste, sondern auch die Eiserne Krone der Lombardei empfing und somit die Ansprüche des Reichs manifestierte. 93

EA 3/2, Nr. 798, S. 1198. Allerdings fiel die eidgenössische Zusage recht vage

aus. 94

StA Basel, Verfassung A 1, o.D. Zur Datierung: In dem Bericht wird die Tagsatzung vom 17.4.1542 erwähnt außerdem Aufforderungen an Basel, seinen Anteil an Türkenhilfe und Kammergerichtsunterhalt zu bezahlen. Eine Aufforderung zur Zahlung von Türkenhilfe hatte Basel Anfang Januar 1542 erhalten, eine Aufforderung zur Zahlung von Kammergerichtsunterhalt datierte vom 20.4.1542. 95

"Bericht, wie loblich unnd eerlich ein fryger stat Basel herkomen" (StA Basel, Verfassung A 1).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

153

Da Karl mit Unterstützung des Papstes im November 1521 Mailand eroberte, fiel das wichtigste Motiv für den Romzug weg. Karl war in den folgenden Jahren zudem in Spanien beschäftigt. Die in Worms bewilligte Romzugshilfe wurde ab 1522 in eine Türkenhilfe umgewandelt und als solche nach und nach eingefordert und ausgegeben96. Im Februar 1530 ließ sich Karl dann auf dem Weg von Spanien über Italien nach Deutschland von Papst Clemens VII. in Bologna zum Kaiser krönen. Es bedurfte mithin keines speziellen Romzugs und damit auch keiner Romzugshilfe, um die Kaiserkrone zu erlangen. Da nach Karl V. kein Herrscher mehr vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde, entfiel auch die Forderung der Romzugshilfe an die Reichsstände, und d.h. auch an die Eidgenossen, ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Damit wurde aber - und zwar von Seiten des Reichs - ausgerechnet die Verpflichtung gegenüber dem Reich gelöst, die die Eidgenossen noch am ehesten anerkannt hatten, da es sich dabei um eine jahrhundertealte Pflicht aller Reichsglieder handelte, um ein Kennzeichen des mittelalterlichen Reichs.

b) Der Beitrag der Eidgenossen zur Türkenhilfe Die Abwehr der nach Europa vordringenden Türken gehörte zu den größten Herausforderungen, mit denen sich das Reich und insbesondere Österreich im 16. und 17. Jahrhundert konfrontiert sahen. Der Türkenkrieg als Kampf gegen die Ungläubigen hatte insofern die Hussitenkriege abgelöst, die hundert Jahre zuvor erstmals die Bündelung der militärischen und finanziellen Ressourcen des Reichs erfordert und somit wesentlich zum Ausbau des Reichssteuerwesens in seinen beiden Hauptformen Matrikel und Gemeiner Pfennig beigetragen hatten. Nach einigen Jahrzehnten relativer Ruhe wurde die Türkengefahr zu Beginn der 20er Jahre des 16. Jahrhunderts mit dem Regierungsantritt Sultan Suleimans II. wieder akut. Ihren Höhepunkt erreichten die türkischen Angriffe mit der Belagerung Wiens 1529. Gegen Ende der 40er Jahre ließ die Bedrohung durch die Türken vorübergehend nach, im Jahre 1547 schloß Ferdinand I. mit dem Sultan einen fünfjährigen Waffenstillstand. Bis dahin gehörten die Bemühungen um ausreichende Mittel zur Abwehr der türkischen Bedrohung zweieinhalb Jahrzehnte lang zu den zentralen Agenden der Reichspolitik. Die Eidgenossenschaft war von dem türkischen Vormarsch zwar nicht unmittelbar

96

Zu den Details siehe Steglich, Reichstürkenhilfe.

154

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

betroffen, mit der Türkenhilfe mußte sie sich aber dennoch befassen, da auch sie mit entsprechenden Forderungen konfrontiert wurde. Auf dem Reichstag 1522 wurde beschlossen, die 1521 bewilligte, aber vorerst nicht benötigte Romzugshilfe für die Türkenabwehr zu verwenden 97. Die Romzugshilfe blieb auch in den kommenden Jahren bis 1532 die Grundlage der von den verschiedenen Reichstagen bewilligten Türkenhilfen. Nach einer mehrjährigen Pause wurde dann erneut 1541 eine Türkenhilfe fällig, die wiederum auf der Romzugshilfe basierte, wie auch die 1542 und 1543 bewilligten Hilfen. Mit Ausnahme von 1530 und 1542 wurde stets die Leistung in Geld verlangt. Wenn die Türkenhilfe auf der Grundlage der Matrikel für den Romzug erhoben wurde, so bedeutete dies, daß alle in der Matrikel verzeichneten Städte und Stände zur Zahlung eines Beitrags in der Höhe eines Teils oder eines Vielfachen des in der Wormser Romzugsmatrikel enthaltenen Anschlags aufgefordert wurden. 1542, 1544 und 1548 griff man dagegen zur Finanzierung der Türkenhilfe auf den Gemeinen Pfennig zurück. Zahlungsaufforderungen bzw. Aufforderungen zur Truppenstellung ergingen an alle in der Matrikel verzeichneten Städte und Äbte in der Schweiz, und zwar regelmäßig und ohne Ausnahme98. Basel und Schaffhausen sowie die Äbte kamen diesen Aufforderungen indessen kein einziges Mal nach 99 . Dieser Befund allein sagt freilich noch nichts darüber aus, wie die betreffenden Äbte und Städte sowie die Eidgenossen insgesamt ihr Verhältnis zum Reich sahen, denn pure Zahlungsverweigerung war auch bei Ständen, die an ihrer vollwertigen Zugehörigkeit zum und Teilhabe am Reich nicht den geringsten

97

Steglich, Reichstürkenhilfe, S. 15.

98

Erneut ist die Oberlieferungssituation für Basel und St. Gallen am besten. Für beide Städte hat sich eine nahezu lückenlose Reihe von Aufforderungen zur Leistung der Türkenhilfe erhalten. Aus den sich an die Zahlungsaufforderungen zumeist anschließenden Beratungen und Korrespondenzen läßt sich rekonstruieren, daß auch Schaffhausen und die Schweizer Äbte regelmäßig solche Aufforderungen erhielten. Auch wenn sich diese Aufforderungen bzw. Nachrichten darüber nicht in jedem Einzelfall erhalten haben, gibt es keinen Grund, Ausnahmen von dieser Regel anzunehmen. 99

Dies läßt sich zumindest für die Städte mit Sicherheit feststellen. In den städtischen Rechnungsbüchem finden sich keine Nachrichten über die Bezahlung der Türkenhilfe. Die Nichtbezahlung ergibt sich darüber hinaus aus der erhaltenen Korrespondenz und den wiederholten Mahnungen des Kammerprokuratorfiskals.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

155

Zweifel aufkommen ließen, nicht eben selten. Entscheidend ist vielmehr, wie die Weigerung, die Reichsanschläge zu bezahlen, begründet wurde. Die Zahlungsverweigerungen hatten zur Folge, daß der Fiskal die Betreffenden vor das Reichskammergericht lud 1 0 0 . Häufig enthielten bereits die Zahlungsaufforderungen für den Fall der Zahlungsverweigerung den Befehl, in einer bestimmten Frist vor dem Kammergericht zu erscheinen 101. In den 20er Jahren blieb es bei diesen routinemäßigen Androhungen, ohne daß ihnen weitere Schritte folgten. Die Eidgenossen scheinen diese Drohungen auch nicht sonderlich ernst genommen zu haben, zumindest zeigten sie keinerlei Reaktion. Lediglich nach der ersten Aufforderung zur Leistung von Türkenhilfe 1522 brachten die Städte Basel, Schaffhausen und Mülhausen diese auf der Tagsatzung am 8. Oktober 1522 zur Sprache, nachdem sie wegen Nichtbezahlung vor das Kammergericht zitiert worden waren 102 . Die Tagsatzung war auf Bitten Basels angesetzt worden, um die Frage der kaiserlichen Zitation zu besprechen ein Indiz dafür, daß man der Vorladung durchaus einige Bedeutung beimaß 103 . Auf die Frage der Boten der anderen Orte, ob sie schon früher solche Aufforderungen erhalten oder sich gar auf Reichstagen zu solchen Zahlungen verpflichtet hätten, antworteten die Boten der drei Städte, daß solche Zahlungen wohl begehrt worden seien, daß sie aber seit ihrer Zugehörigkeit zu den Eidgenossen, "ja seit Menschengedenken" nie etwas gezahlt hätten. Während die Antwort "seit Menschengedenken" sich auf altes Herkommen als Argument stützte, könnte der Verweis auf die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft andeuten, daß die Städte der Ansicht waren, seit dem Abschluß der Bünde mit den Eidgenossen von den Reichspflichten befreit zu sein 104 . Da die Argumente an dieser

100

11.8.1522: Basel (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B6.1; Strickler, tensammlung 1, Nr. 465).

Ac-

101

18.4.1524: Schaffhausen, St. Gallen (Strickler, Actensammlung 1, Nr. 794), Basel (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 6.1); 30.8.1526: Schaffhausen, St. Gallen (Strickler, Actensammlung 1, Nr. 1525); 22.4.1529: Basel (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B6.1), Schaffhausen, Abt und Stadt St. Gallen, Basel (Strickler, Actensammlung 2, Nr. 315a-b); 21.11.1541: Basel (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 6.1). 102

EA 4/1 a, Nr. 115, S. 242.

103

EA 4/la,Nr. 115, S. 243.

104

St. Gallen hatte übrigens einen Teil der geforderten Türkenhilfe bezahlt, 100 fl. von 256 fl. (RTA JR 3, Nr. 50, S. 281). Die Stadt beschwerte sich lediglich über die

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

156

Stelle indessen nicht weiter ausgeführt wurden, verbieten sich allzu weitreichende Schlüsse. Aufschlußreicher ist dagegen die Instruktion, die den Basler Boten auf diese Tagsatzung mitgegeben worden war 1 0 5 . Aus ihr geht hervor, daß der Basler Rat bereits beschlossen hatte, die geforderte Türkenhilfe auf keinen Fall zu bezahlen. Die Basler hatten nämlich nicht deshalb um die Einberufung der Tagsatzung gebeten, um ihre Reaktion auf die Zahlungsaufforderung und Zitation mit den anderen Orten abzustimmen, sondern um sich wegen eventueller Folgen ihrer Weigerung des Schutzes und der Unterstützung der Eidgenossenschaft zu versichern. Dabei lehnte Basel zwar die Leistung der Türkenhilfe in der geforderten Form a b 1 0 6 , erkannte aber prinzipiell die Türkenabwehr als allgemein christliche Aufgabe an, und somit auch die Pflicht, sich daran zu beteiligen. Falls das Reich mit dem Banner gegen die Türken ausziehen sollte, so waren sie überzeugt, würde die Eidgenossenschaft sich dem anschließen, und dann würde auch Basel seinen Teil leisten. In dieser Form hätte es sich dann aber nicht mehr um eine Verpflichtung aufgrund von Reichszugehörigkeit gehandelt, sondern um einen freiwilligen Beitrag, den die christliche Verantwortung gebot. Längere Diskussionen scheint es auf der Tagsatzung über die Türkenhilfe nicht gegeben zu haben. Den Städten wurde empfohlen, die geforderten Zahlungen nicht zu leisten. Außerdem schrieben die Eidgenossen an das Reichsregiment und das Kammergericht und baten, den Städten diese Zahlungen zu erlassen 107 . Begründet wurde diese Bitte nun aber nicht etwa mit der Zugehörigkeit der Städte zur Eidgenossenschaft, wodurch die Städte von den Reichspflichten befreit seien, sondern damit, daß diese Aufforderung sicher ohne Wissen des Kaisers ergangen sei, von Leuten, die lediglich Geld von den EidgenosHöhe ihres Anschlags (ebd., Nr. 50, S. 269), was zugleich bedeutete, daß sie dessen prinzipielle Berechtigung anerkannte. 105

EA 4/1 a, Nr. 115, S. 244.

106

Möglicherweise spielte auch eine Rolle, daß die Türkenhilfe in Geld verlangt wurde, was den Steuercharakter und damit den Beigeschmack von Unterwerfung verstärkte. 107

Der Abt von Kreuzlingen hatte ebenfalls ein Mandat vom Kammergericht erhalten. Der Landvogt im Thurgau sollte sich deshalb bei ihm erkundigen, ob er diese Zahlung dem Kaiser schuldig sei und ob er eine solche je geleistet habe. Er sollte überdies in dem eidgenössischen Schreiben an das Regiment und Kammergericht erwähnt werden.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

157

sen erpressen wollten 108 . Die Eidgenossenschaft sah in den Zahlungsaufforderungen also keine Grundsatzfrage über die Pflichten dieser Städte gegenüber dem Reich oder wollte sie nicht sehen. Im letzteren Fall hätte die Eidgenossenschaft die Frage bewußt heruntergespielt, um einem Konflikt auszuweichen, möglicherweise aus Respekt vor dem in Italien zuletzt siegreichen Kaiser, mit dessen unterlegenem Gegner die Eidgenossen verbündet waren. Da es noch zwei Jahrzehnte dauern sollte, bis die Eidgenossen zu einer fundierten Meinung über die Frage der Türkenhilfe fanden, erscheint es jedoch wahrscheinlicher, daß sie die prinzipielle Bedeutung dieser Frage 1522 tatsächlich nicht erkannten109 Die Tagsatzung befaßte sich in den 20er Jahren dann nicht mehr mit der Türkenhilfe, obwohl die betroffenen Äbte und Städte weiterhin entsprechende Aufforderungen erhielten. Offensichtlich hielten sie weitere Rückfragen nach der Entscheidung von 1522 nicht mehr für nötig und legten die kaiserlichen Mandate einfach zu den Akten 1 1 0 .

108

EA 4/1 a, Nr. 115, S. 242.

109

Das Reichsregiment leitete das eidgenössische Schreiben an den Fiskal weiter, der dem Regiment daraufhin erklärte, daß die Betreffenden nicht nur in der neuesten Wormser Matrikel, sondern auch in älteren Matrikeln verzeichnet seien, weshalb es seine Pflicht sei, das Geld bei ihnen einzutreiben (Fiskal an Reichsregiment, o.D. (StA Luzem, Al Fl Sch. 60)). Das Reichsregiment schickte diese Antwort des Fiskals an die Eidgenossen, mit der Bemerkung, daß sie dem Schreiben des Fiskals entnehmen könnten, daß das Regiment ihrer Bitte nicht nachkommen könne (Reichsregiment an Eidgenossenschaft, Nürnberg, 31.10.1522 (ebd.)). Bei diesem Brief des Reichsregiments dürfte es sich um das Schreiben handeln, auf das die Eidgenossen in den 40er Jahren stets mit der Behauptung verwiesen, Pfalzgraf Friedrich als Statthalter habe den Städten und Äbten die Zahlungen erlassen. In dem Schreiben heißt es nämlich: "Wir haben ewr schreiben unns Friderichen phalltzgrafen bey Rein herzogen in Baym etc getan...". Ein anderes Schreiben des Reichsregiments an die Eidgenossen aus der ersten Amtszeit Pfalzgraf Friedrichs als Statthalter ist nicht bekannt, weshalb nur das vorliegende Schreiben in Frage kommt, auch wenn es mitnichten die von den Eidgenossen behauptete Erlassung der Zahlungen beinhaltete. 110

Erst 1531 war die Türkenhilfe wieder Thema von Beratungen zwischen den Städten Basel, St. Gallen und Schaffhausen im Rahmen einer Tagung der evangelischen Burgrechtsstädte (Dürr!Roth, Aktensammlung 5, Nr. 187, S. 171; Strickler, Actensammlung 3, Nr. 395, S. 172), wobei man auch die Meinung Straßburgs einholte (EA 4/1 b, Nr. 465, S. 903; Dürr/Roth, Aktensammlung 5, Nr. 187, S. 171 und Nr. 219, S. 197f.). An eine Bezahlung wurde dabei aber nicht ernsthaft gedacht. Auch in diesem

158

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Als nach einer längeren Pause 1541 wieder Reichsmandate zur Leistung von Türkenhilfe ergingen 111 , waren die alten Beschlüsse offensichtlich nicht mehr ausreichend präsent, um sich ohne weiteres auf sie beziehen zu können. Die Orte informierten sich nämlich über die ergangenen Mandate 112 , vermutlich, weil sie sich nicht ganz im klaren darüber waren, was nun zu tun sei. Während die Reaktionen auf die Mandate vom 10. August 1541 nur von einer gewissen Unsicherheit zeugten, löste die erneute Forderung vom 23. Dezember 1541 deutlichen Protest aus 1 1 3 : Kaiserliche Mandate, Beratungen in der Eidgenossenschaft, Korrespondenz zwischen der Eidgenossenschaft, dem Kaiser sowie den mit der Angelegenheit befaßten Reichsinstitutionen wechselten sich darauf in den folgenden drei Jahren in rascher Folge ab. Die Haltung zu der geforderten Türkenhilfe war von seiten der Eidgenossenschaft nun eine ganz andere als in den 20er Jahren: Angestrebt wurde zunehmend eine endgültige und grundsätzliche Regelung der Frage. Erneut ging die Initiative von Basel aus. Basel hatte am 9. Januar 1542 das kaiserliche Mandat erhalten und informierte einen Tag später den Landvogt von Baden 114 . Auf der Tagsatzung vom 6. Februar 1542 brachten dann Boten der Fall argumentierte Basel nicht nur juristisch, also mit den städtischen Freiheiten (Basler Instruktion auf den Burgrechtstag in Zürich am 23.4.1531 (ebd., Nr. 218)), sondern damit, daß der Müsserkrieg für die Stadt eine größere Bedeutung besitze als die Türkenabwehr (ebd., Nr. 187, S. 171). 111

StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 6.1.

112

Zürich an Schaffhausen, 8.9.1541 (StA Zürich, BIV12, Nr. 104); EA4/ld, Nr. 35, S. 76; Nr. 53, S. 93. 113

Dabei handelte es sich nicht um eine neue Türkenhilfe, sondern um die Ergänzung der Forderung vom 10.8.1541. Diese kleine eilende Hilfe war nämlich für 3-4 Monate bewilligt worden. Zunächst wurden die Gelder für drei Monate eingefordert, bei Bedarf sollte ein 4. Monat nachgefordert werden. Dies geschah am 23.12.1541. Die etwas mißverständliche Aufforderung an St. Gallen, "den restirenden 4. Monatssold von 114 Gl. für den Türkenkrieg binnen zwei Wochen zu erlegen" (EA 4/1 d, Nr. 53, S. 96), bedeutete also nicht, wie man zunächst vermuten könnte, daß St. Gallen drei Monatssolde gezahlt hatte und noch einen schuldig geblieben war, sondern bezog sich auf diesen nachträglich geforderten vierten Monatssold. 114

Basel an den Landvogt in Baden, 10.1.1542 (StA Basel, Missiven A 31, S. 231). Basel zeigte dem Landvogt an, daß bereits vor Jahresfrist - damit waren wohl die Mandate vom 10. August 1541 gemeint - solche Mandate ergangen seien und daß daraufhin die Eidgenossenschaft mehrmals an König Ferdinand und das Kammergericht geschrieben habe. Sie seien deshalb davon ausgegangen, daß sie von derartigen

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

159

Äbte von St. Gallen und Kreuzlingen die an sie gerichteten Mandate zur Sprache 115. Die Eidgenossenschaft schrieb unter dem Datum des 12. Februar an das Kammergericht und bat, die Äbte mit solchen Forderungen nicht zu behelligen, da sie "mit den Eidgenossen zu reisen verpflichtet seien" 116 . Hier klingt erstmals das Motiv der Doppelbelastung an, der die Äbte und Städte unterworfen seien, wenn sie sowohl vom Reich als auch von den Eidgenossen zu militärischen Leistungen verpflichtet würden. Das Kammergericht war für die Beschwerde der Eidgenossen aber insofern die falsche Adresse, als es ja weder die Zahlungsaufforderung ergehen ließ noch für die Anklageerhebung gegen die säumigen Stände zuständig war. Der Kammerrichter leitete deshalb das eidgenössische Schreiben an den Fiskal weiter. Der Fiskal antwortete, daß er mit den Prozessen weder stillstehen könne noch wolle, da die Äbte vom Reich mit Regalien versehen und von daher auch dem Reich verpflichtet seien 117 . Die Antwort des Fiskals wurde offenbar nach Zürich geschickt, da Zürich andere Orte und die betroffenen Äbte von dem Schreiben in Kenntnis setzte 118 , damit sie ihre Boten auf die nächste Tagsatzung entsprechend instruieren konnten 119 . Auf der Tagsatzung am 20. März 1542 zeigten sich die Boten dann Aufforderungen künftig verschont und unbehelligt bei ihren alten Freiheiten gelassen würden. Dies sei jedoch nicht der Fall, wie das ihnen jetzt zugestellte Mandat zeige. Die erwähnten Briefe aus dem Jahre 1541 ließen sich nicht finden. 115

Von Basel war hier nicht die Rede, obwohl ein Basler Bote auf der Tagsatzung anwesend war. 116

EA 4/1 d, Nr. 63, S. 107.

117

Die Antwort des Fiskals ist nicht erhalten, doch geht ihr Inhalt aus den Zusammenfassungen des Schreibens durch Zürich hervor. 118

Alle Schreiben sind vom 6.3.1542: StA Luzem, Al Fl Sch. 56 (an Luzem); StA Zürich, B IV 13, Nr. 213 (an Abt von St. Gallen); ebd., Nr. 99 (an Schaffhausen); StA Bern, A I V 135, S. 93 (an Bern). Siehe auch EA 4/ld, Nr. 67, S. 114. 119

Auffallend ist, daß stets nur von den Äbten von St. Gallen, Kreuzlingen und Schaffhausen die Rede ist, nicht jedoch von den Städten Basel, Schaffhausen und St. Gallen, die ja ebenfalls die kaiserlichen Mandate erhalten hatten. Es ist nicht anzunehmen, daß die Eidgenossen die Angelegenheit der Äbte für eine prinzipiell andere hielten als die der Städte, es war wohl eher so, daß auf der Tagsatzung vom 6. Februar 1542 nur die Beschwerden der Äbte von St. Gallen und Kreuzlingen vorlagen, auf die die Eidgenossenschaft mit ihrem Schreiben vom 12. Februar reagierte. Daß die anderen Äbte nicht genannt wurden, läßt sich dagegen erklären: Sie hatten ihre

160

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

wohl informiert. Nunmehr meldeten sich nicht nur die Boten der Äbte von St. Gallen und Kreuzlingen sowie der Stadt Schafihausen, sondern auch Basel, Mülhausen und Ammann Amberg von Schwyz im Namen des Abtes von Einsiedeln 120 zu Wort und klagten über die kaiserlichen Mandate. Dabei verwiesen die Boten auf ähnliche Mandate von vor 20 Jahren. Damals habe die Eidgenossenschaft ihnen geraten, nichts zu unternehmen, und habe in dieser Sache an das Kammergericht geschrieben. Da sie seither verschont geblieben seien, bäten sie auch jetzt um die Hilfe der Eidgenossenschaft 121. Die Eidgenossen schrieben deshalb erneut an Kammergericht und Fiskal sowie an König Ferdinand 122 . Die Argumente des eidgenössischen Schreibens waren zwar nicht grundsätzlich neu, doch wurde nun deutlicher als zuvor juristisch argumentiert: Die Städte und Äbte hätten seit ihrer Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft keine solche Steuer mehr bezahlt, und da die Eidgenossenschaft einschließlich ihrer Zugewandten123 von Kaisern und Königen vom Kammergericht gänzlich befreit worden sei, sollten die Äbte und Städte von der Steuerbezahlung befreit und die Prozesse gegen sie nicht weitergeführt werden. Hinsichtlich der Steuerzahlung argumentierten die Eidgenossen also Angelegenheit nicht bei der Tagsatzung vorgebracht. Disentis lag ja ohnehin in Graubünden, St. Johann war im Niedergang begriffen und hatte bereits erhebliche Teile seiner Selbständigkeit eingebüßt; Stein a.Rh. existierte nicht mehr. Auch Pfäfers war zu dieser Zeit in seiner Existenz bedroht - dort wohnten nur noch 2-3 Konventualen - und nicht zu weitergehenden politischen Handlungen in der Lage. Allein von Einsiedeln hätte man eine Reaktion erwarten können, aber die Kontakte der Abtei zu den Eidgenossen waren doch recht spärlich, jedenfalls wesentlich dünner als die Kreuzlingens oder gar St. Gallens. Daß das Kloster Schafthausen stets mit genannt wurde, obwohl auf der Tagsatzung vom 6.2.1542 nur von den Äbten von St. Gallen und Kreuzlingen die Rede gewesen war, erstaunt nicht: Die Stadt Schaffhausen hatte im Zuge der Reformation das Kloster Allerheiligen säkularisiert, die kaiserlichen Mandate für den Abt gingen also wohl bei der Stadt ein, so daß der städtische Bote auf der Tagsatzung dann vermutlich dafür sorgte, daß auch Schafthausen in den eidgenössischen Beschwerdebriefen erwähnt wurde. 120

Schwyz übte die Vogtei über das Kloster Einsiedeln aus.

121

EA 4/ld, Nr. 71, S. 118f.

122

EA 4/1 d, Nr. 71, S. 118.

123

Der Begriff "Zugewandte" wurde dabei sehr weit gefaßt: Der Abt von Kreuzlingen gehörte nie zu den Zugewandten im eigentlichen Sinne, ebensowenig der Abt von Einsiedeln, der aber immerhin über den Schirmort Schwyz mit den Eidgenossen verbunden war.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

161

primär mit dem Gewohnheitsrecht. Die Aussage über die Befreiung der Eidgenossenschaft vom Kammergericht schien dagegen auf einen expliziten königlichen oder kaiserlichen Rechtsakt zu verweisen. Den Beweis für ihre Behauptung trat die Eidgenossenschaft indessen nicht an, so daß unklar bleibt, ob sie dabei an den Art. 9 des Basler Friedens oder an die nicht rechtskräftig gewordenen Vereinbarungen mit Maximilian 1507 dachte 124 . Von der postulierten Befreiung von der Reichsgerichtsbarkeit zogen die Eidgenossen nun eine Verbindung zur Befreiung von der Reichssteuer, ohne daß jedoch ein streng logischer Bezug hergestellt wurde. Selbst wenn man die Befreiung von der Gerichtsbarkeit anerkannte, lag hier eine deutliche Schwäche der Argumentation der Eidgenossen, weil sie den letzten Schritt nicht taten, der sie aus dem argumentativen Dilemma befreit hätte: Sie erklärten nämlich nicht, daß die betreffenden Städte und Äbte durch ihre Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft sich vom Reich gelöst hätten und deshalb nur noch der Eidgenossenschaft, nicht jedoch dem Reich, verpflichtet seien. Die Eidgenossenschaft argumentierte vielmehr innerhalb der Reichsverfassung und innerhalb des Reichs. Innerhalb des Reichs konnte die Zugehörigkeit zu einem Bund aber nicht von den Reichspflichten befreien. Eine juristisch saubere Lösung war auf dieser Grundlage also schlechterdings nicht möglich. Möglich war nur eine politische Lösung. Auf eine solche hoffte wohl auch der Fiskal, der den Eidgenossen auf ihr Schreiben mitteilte, er wolle den Bescheid König Ferdinands abwarten 125 . Ferdinand wiederum schrieb am 12. April 1542, daß er die Sache dem Reichstag vorlegen wolle, wobei er den Eidgenossen einen positiven Bescheid in Aussicht stellte 126 .

124

Die Formulierung, die sich auf die Eidgenossenschaft insgesamt bezog, schließt dagegen aus, daß die Eidgenossen damit die einzelnen Orten verliehenen Befreiungen von fremder Gerichtsbarkeit meinten. 125

Der Kammerrichter hatte dem Fiskal das eidgenössische Schreiben übergeben, worauf der Fiskal sich an die Eidgenossenschaft wandte (Fiskal an die Eidgenossenschaft, 11.4.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.2)). 126

Ferdinand an die Eidgenossenschaft, Speyer, 12.4.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.2). Bereits einen Monat später, am 15.5., bezogen sich die Eidgenossen auf die Zusage Ferdinands, ihre "sachen by den selben (= den Reichsständen) dermaßen fordern das ewere verwandte und zugehörige wider alt harkommen nit beschwärdt werden sollen", wie auf einen definitiven Bescheid (EA 4/1 d, Nr. 79, S. 143f.). Gleichermaßen verwies St. Gallen in einem Schreiben an die schwäbischen Kreisstände auf diesen angeblichen Bescheid des Königs (St. Gallen an die schwäbischen Kreisstände, 11 Braun

162

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Während die Eidgenossen noch mit den letzten kaiserlichen Forderungen beschäftigt waren, trafen im April 1542 bereits neue Mandate ein, die zur Türkenhilfe, und zwar dieses Mal zur Stellung von Truppen, aufforderten. Auf diese erneute Aufforderung hin wandte sich nun auch die Stadt St. Gallen an die Eidgenossen127, zuerst mit einem Schreiben an Schaffhausen 128, dann durch die Entsendung von Boten auf die Tagsatzung am 14. Mai 1542 1 2 9 . Damit wurden nunmehr die Anliegen aller in Frage kommender Städte und Äbte von den Eidgenossen beraten und vertreten. Die St. Galler Instruktion für die Boten verwies zum einen auf die Doppelbelastung, die St. Gallen auf diese Weise tragen müßte 130 , zum anderen bat St. Gallen, die Stadt an "irer (= der Eidgenossen) loblichen freyhayten tailhaftig sein [zu] lassen"131, d.h. auch St. Gallen ging davon aus, daß die Eidgenossen weitergehende Freiheiten besaßen, deren man durch Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft teilhaftig wurde. Die Eidgenossen brachten ihre Empörung über die neuerlichen Mandate auch gegenüber den auf der Tagsatzung anwesenden königlichen Gesandten zum Ausdruck und baten sie, ihre Beschwerden weiterzuleiten 132. In einem erneuten Schreiben an das Kammergericht vom 27. Juni 1542 rekapitulierten die Eidgenossen die verschiedenen Zahlungsaufforderungen und die darauf erfolgten Reaktionen und wiesen insbesondere auf einen zwanzig Jahre alten angebli-

29.5.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 7.28)), ähnlich daraufhin die Eidgenossen ebenfalls in einem Brief an die schwäbischen Kreisstände (EA 4/1 d, Nr. 85, S. 155). 127

Zu Beginn des Jahres 1542 hatte St. Gallen noch Martin Hux auf den Reichstag nach Speyer entsandt, um dort um Erlaß der Türkenhilfe zu bitten (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.5). St. Gallen hatte sein Anliegen also zuerst beim Reich vorgebracht, bevor sich die Stadt an die Eidgenossen wandte. 128

St. Gallen an Schaffhausen, 29.4.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 7.28).

129

Instruktion St. Gallens für die Boten auf die Tagsatzung am 14.5.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.6). 130

"der Ursachen das wir mit loblicher aydgnosschafft leybs und guts halb verpflicht und deshalb zu inen zu setzen schuldig sygend und uns nit möglich were söllich beschwerden wie dise anlag innhalt zu ertragen und der gestalt zweyfach bürden uff unser statt zu nemen" (Instruktion St. Gallens für die Boten auf die Tagsatzung am 14.5.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.6)). 131

Instruktion St. Gallens für die Boten auf die Tagsatzung am 14.5.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.6). 132

EA 4/1 d, Nr. 79, S. 143f.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

163

chen Bescheid Pfalzgraf Friedrichs als Regimentsstatthalters hin, in dem der Pfalzgraf den drei Städten und den Äbten die Bezahlung erlassen habe 1 3 3 . Zwar erwähnten die Eidgenossen auch wieder ihre Freiheiten von fremder Gerichtsbarkeit und die Tatsache, daß die Äbte und Städte seit ihrer Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft keine Zahlungen mehr an das Reich geleistet hatten. In erster Linie aber begründeten sie ihr Anliegen nun mit der Entscheidung Pfalzgraf Friedrichs. Die Eidgenossen sahen wohl, daß sich ihr Anliegen rein juristisch kaum durchfechten ließ: Sie suchten nach einem Präzedenzfall, einer politischen Entscheidung, und nahmen bereitwillig alles auf, was irgendwie danach aussah: sei es die vage Absichtserklärung Ferdinands vom 12. April 1542 oder den Bescheid Pfalzgraf Friedrichs von 1522. Eine neue Qualität bekam die Streitfrage, als Mitte Oktober 1542 in erneuten kaiserlichen Mandaten an säumige Zahler direkt mit der Reichsacht gedroht wurde 134 . Bisher hatten die Mandate zwar Vorladungen vor das Kammergericht, nicht jedoch die Androhung der Reichsacht enthalten. Daraufhin wurde vor allem St. Gallen aktiv. Die Stadt nutzte ihre Verbindungen ins Reich, zu Felix Raitter 135 und Ulrich Varnbüler 136 , um sich zu informieren, wie ernst diese Drohungen zu nehmen seien und wie sie darauf reagieren solle 137 . Eine sichere Auskunft konnte ihr jedoch keiner ihrer Verbindungsmänner erteilen 1 3 8 , so daß sich St. Gallen an die Eidgenossen wandte. Schriftlich und durch 133

Eidgenossenschaft an das Reichskammergericht, Baden, 27.6.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.4). Dabei muß es sich um das Schreiben des Reichsregiments vom 31.10.1522 handeln (s.o.), obwohl dieses einen solchen Erlaß nicht enthält. 134

StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 6.1.

135

Dr. Felix Raitter war Prokurator am Reichskammergericht. Sein Bruder Wolf wohnte in St. Gallen. 136

Ulrich Varnbüler, Sohn des ehemaligen St. Galler Bürgermeisters Ulrich Varnbüler, der 1490 nach dem Rorschacher Klosterbruch die Stadt hatte verlassen müssen, war in den zwanziger Jahren Kanzlei Verwalter des Reichsregiments, nach dessen Auflösung Kanzler am Reichskammergericht. 137 138

StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.16.

Raitter schrieb zwar am 27.11.1542, er glaube, daß St. Gallen aufgrund des eidgenössischen Schreibens an das Kammergericht nunmehr in Ruhe gelassen werde, mußte aber zugleich eingestehen, daß der Fiskal sich von weiterem Prozessieren kaum würde abhalten lassen. St. Gallen könne dann zwar erneut auf das eidgenössische Schreiben verweisen, "dasselbig entschuldigen helff nuhn oder nit" (Raitter an St. Gallen, 27.11.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.16)). Ii*

164

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Entsendung von Boten 1 3 9 setzte St. Gallen die eidgenössischen Orte von den mittlerweile eingetroffenen Exekutorialbriefen des Kammergerichts in Kenntnis. Da auch Basel, Schaffhausen und Mülhausen solche Mandate erhalten hatten und den Äbten mit Verlust ihrer Regalien gedroht worden war, nahm sich die Tagsatzung erneut der Sache a n 1 4 0 . Wieder einmal verfaßten die Eidgenossen ein Schreiben an Kaiser und König, die Reichsstände sowie das Kammergericht und wiederholten die sattsam bekannten Argumente 141 . Deutlicher als zuvor machte die Eidgenossenschaft nun aber klar, daß sie den Städten und Äbten empfohlen habe, die Steuern nicht zu zahlen und auch nicht vor dem Kammergericht zu erscheinen. Durch das schärfere Vorgehen von seiten des Reichs wurde also auch die Position der Eidgenossenschaft entschiedener und grundsätzlicher. Wie ein Jahr zuvor leitete auch dieses Mal das Kammergericht das Schreiben an den Fiskal weiter 142 , dessen daraufhin verfaßten Bericht das Kammergericht mit einem kurzen Begleitschreiben an die Eidgenossenschaft schickte 143 . In dem Bericht des Fiskals heißt es, daß er den Eidgenossen schon einmal geschrieben habe, daß es nicht in seiner Macht stehe, mit den Prozessen stillzustehen, sondern daß er zur Eröffnung von Prozessen gegen alle verpflichtet sei, die nicht zahlten und keine entsprechenden Privilegien vorlegten, die sie von solchen Zahlungen befreiten. Damit waren die Grundpositionen noch einmal klar abgesteckt: Der Fiskal verwies auf seine Amtspflichten; die Eidgenossen verwiesen auf ihre alten Freiheiten, ohne daß sie jedoch bereit waren, diese dem Kammergericht vorzulegen. Auf diesem Weg war, wie gesagt, keine Lösung zu finden. Aber auch König Ferdinand war nicht bereit, den Anspruch des Reichs auf die Steuerzahlung durch die Schweizer Äbte und die Städte aufzugeben. Auch er verwies - nach Beratung auf dem Reichstag - auf die Rechtslage und forderte die Eidgenossen 139 140

StadtA St. Gallen, RP 1543, S. 49; EA 4/ld, Nr. 115, S. 215.

EA4/ld,Nr. 116, S.216.

141

Eidgenossenschaft an Karl, Baden, 14.2.1543 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.9); Zusammenfassung in EA 4/ld, Nr. 116, S. 216. 142

Reichskammergericht an Eidgenossenschaft, Speyer, 27.2.1543 (StA Bern, A I V 135, S. 101; StA Luzem, Al Fl Sch. 56; StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.12). 143

StA Bern, AIV 135, S. 101; StA Luzem, Al Fl Sch. 56; StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.12. Der Bericht in StA Bern, AIV 135, S. 95-97; StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.12.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

165

auf, bis Pfingsten ihre Freiheiten vorzulegen 144. Begründet wurde die Veranlagung der Schweizer Äbte und Städte mit ihrer Reichsunmittelbarkeit und damit, daß sie in den Reichsregistern, also wohl in der Matrikel, verzeichnet seien 145 . Damit wurde erstmals von Seiten des Reichs eindeutig die Grundlage benannt, aufgrund derer man die Eidgenossen - wie andere auch - zu den Reichspflichten heranzog: Das entscheidende Dokument war die Matrikel, in der die Äbte und Städte in der Tat alle aufgeführt waren. Gegen diesen Beweis konnten nur Gegendokumente helfen. Diese aber war die Eidgenossenschaft nicht bereit vorzulegen, möglicherweise, weil das in ihren Augen bereits eine indirekte

Anerkennung

des Kammergerichts

bedeutet

hätte 146 .

Erneut

informierte Zürich alle Orte und die betroffenen Prälaten über die eingetroffene Antwort 147 , erneut beriet die Tagsatzung am 16. April 1543 1 4 8 , erneut schrieben die Eidgenossen an König Ferdinand 149. Der Ton des eidgenössischen Schreibens war nun aber merklich gereizter als früher: Die Eidgenossen beschwerten sich, daß der König ihnen nicht glaube. Zudem habe Karl ihnen ihre Freiheiten bestätigt, weshalb es nicht nötig sei, diese eigens vorzulegen. Karl hatte zwar in der Tat inzwischen den meisten Orten ihre Freiheiten bestätigt. Dabei handelte es sich jedoch um die Freiheiten der einzelnen Orte, aus denen keine Gesamtfreiheit der Eidgenossenschaft und ihrer Zugewandten abgeleitet werden konnte. Genau eine solche Gesamtfreiheit aber behaupteten die 144

Die Aussetzung der Prozesse bis zu diesem Zeitpunkt war das einzige Zugeständnis, das Ferdinand machte (Ferdinand an die Eidgenossen, Nürnberg, 13.3.1543 (StA Bern, A IV 135, S. 103f.; StA Luzern, Al Fl Sch. 60; StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.13)). 145

Zusätzlich wurde erwähnt, daß der Bischof von Chur durch den Bevollmächtigten des Bischofs von Konstanz sogar auf dem gegenwärtigen Reichstag vertreten sei. 146

Die Eidgenossen selbst begründeten ihre Weigerung an keiner Stelle explizit, weshalb nicht völlig ausgeschlossen werden kann, daß auch die Furcht, die vorgelegten Dokumente könnten nicht ausreichend sein, eine Rolle spielte. Die Unsicherheit der eidgenössischen Argumentation an vielen Stellen spricht aber eher gegen diese Annahme, die ein Wissen über die Schwäche der eigenen Rechtsposition voraussetzt. 147

Zürich an die übrigen Orte, 26.3.1543 (StA Zürich, B IV 13, Nr. 266); Zürich an Bern, 26.3.1543 (StA Bern, A IV 135, S. 105). 148 149

EA 4/ld, Nr. 123, S. 238.

Eidgenossenschaft an Ferdinand, Baden, 18.4.1543 (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C 2; StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.14); Zusammenfassung in EA 4/ld, Nr. 123, S. 246.

166

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Eidgenossen stets. Erneut war die juristische Argumentation der Eidgenossen recht schwach und alles andere als stringent. Die Eidgenossen wiesen nämlich unter anderem darauf hin, daß die Äbte und Städte die Steuern nicht mit beschlossen hatten. Das Prinzip der Verbindlichkeit der Reichstagsbeschlüsse auch für Nichtanwesende hatte sich freilich mittlerweile im wesentlichen durchgesetzt, so daß dieses Argument kaum dazu angetan war, Ferdinand oder gar das Kammergericht zu überzeugen. Dies galt ebenso für den Hinweis, daß die Äbte und Städte verpflichtet seien, im Kriegsfall mit der Eidgenossenschaft zu ziehen. Auch wenn dies richtig war, es entband die Äbte und Städte ja keineswegs von ihren Pflichten gegenüber dem Reich, solange sie sich als Reichsglieder verstanden. Aus all diesen Begründungsversuchen geht vor allem eines deutlich hervor: Daß es den Eidgenossen ungeheuer schwer fiel, ihre Stellung und die der Äbte und Städte gegenüber dem Reich zu definieren 150. Am ehesten traf noch ihre Behauptung, die Eidgenossenschaft sei eine "sonndere frige Oberkeyt" die wahre Sachlage, aber dies war keine reichsrechtliche Kategorie, die vor dem Kammergericht Bestand haben würde. Während die Eidgenossen also ganz offensichtlich nicht klar erkannten, wo das Problem lag, wurde dieses in der St. Galler Instruktion für Ambrosi Eigen auf die Tagsatzung vom 15. April 1543 deutlich benannt. Dort heißt es, daß die Eidgenossenschaft in ihren zuletzt verfaßten Briefen sich nicht auf einzelne Freiheiten bezogen, sondern begehrt habe, daß man sie bei ihrem alten Herkommen lasse, und zwar aus gutem Grund: Denn wol zu erachten ist, das weder stett noch prelaten sonderbar der maß ainich freyhayten habend, mit denen sie sich vor Röm. Künig. Mt. und dem chammerrichter vertruwtend zu behelfen. Darumb uns von noten sein bedunke daß sie unser lieb aydgnossen ire mit aydgnossen und verwandten so mit inen uff allen infall reysen und in gemain kosten leyb und gutz ston und beharren müsstend, und zwar nicht zwayen herren dienen könnend, bey ire langwiriger besitzung und altem harkhomen darzu bey gegebnem brychtz und fridung briefen und fryhaiten wo man die endert hat und haben mag vor usslendischen beschwerden und anla-

150

Die Sache wurde selbstverständlich nicht gerade einfacher durch die Tatsache, daß die Position der einzelnen Orte, Städte und Äbte keineswegs gleich war. Dieses Problem erkannten die Eidgenossen aber offensichtlich überhaupt nicht, da an keiner Stelle in dieser Hinsicht differenziert wird.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

167

gen vergönne und bey ihrem harkhomen handhaben schützen und schirmen wellind.151 Erst nach der prinzipiellen Einsicht in das juristische Grundproblem wird politisch argumentiert mit dem Hinweis auf die unzumutbare Doppelbelastung bei Veranlagung durch die Eidgenossenschaft und das Reich. Es wird auch klar zum Ausdruck gebracht, daß die Eidgenossenschaft geschlossen auftreten müsse, weil sie nur so politisch eine Chance habe. Am Schluß wird dann folgerichtig vorgeschlagen, eine Gesandtschaft zum König zu verordnen, um ihm diese Argumente vorzutragen, in der Hoffnung, daß er dann seine Meinung ändere. Das Ziel der Gesandtschaft wäre also ein politisches gewesen, verhandelt werden sollte über politische Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit und nicht über die Durchsetzung juristischer Ansprüche. Deshalb sollte die Gesandtschaft auch an den König erfolgen, Briefe oder eine Gesandtschaft an das Kammergericht wären sinnlos. Verfasser der Instruktion war der St. Galler Bürgermeister Vadian 1 5 2 . Die Klarheit und Schärfe ihrer Argumentation hebt sich deutlich von den zahllosen Schreiben der Eidgenossen ab. Es hätte wohl nicht der unzähligen Beratungen und Briefe bedurft, wenn die Eidgenossen das Problem so klar analysiert hätten, wie Vadian es hier tat. Dann hätten sie nämlich bereits früher erkennen können und müssen, daß ihre Versuche, rechtlich zum Erfolg zu kommen, von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Sie hätten sich vielmehr darüber im klaren sein müssen, daß sie nur politisch zum Erfolg kommen konnten. Von solchen Überlegungen waren sie jedoch, wie gesagt, weit entfernt. Im April 1543 deutete sich endlich eine politische Lösung an. Nachdem Granvelle, der wichtigste Minister des Kaisers, von den schwebenden Prozessen erfahren hatte, kündigte er an, daß Karl sich mit der Sache befassen werde 153 . Auch die Eidgenossen schwenkten nun auf politische Verhandlungen um, indem sie versuchten, die Erneuerung der Erbeinung von der Abstellung ihrer Be151

Instruktion St. Gallens für Ambrosi Eigen auf die Tagsatzung am 15.4.1543 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.10). 152

Die Instruktion ist von Vadian eigenhändig geschrieben. Für diesen Hinweis danke ich dem St. Galler Stadtarchivar, Dr. Emst Ziegler. Den Eidgenossen kam die St. Galler Instruktion entweder nicht zu Gesicht bzw. zu Gehör oder sie erkannten nicht deren Wert: Es ist jedenfalls nicht zu bemerken, daß sie in den Verhandlungen einen Niederschlag fand. 153

Vortrag der kaiserlichen Gesandten auf der Tagsatzung am 16.4.1543 (HHStA Wien, Schweiz 11/3, fol. 3r-4v, hier fol. 3v).

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

168

schwerden wegen der Türkenhilfe abhängig zu machen 154 - allerdings zunächst ohne Erfolg 1 5 5 . Ohne daß zunächst ein Anlaß oder Grund dafür erkennbar wäre, gewährte der Kaiser der Eidgenossenschaft dann im Frühjahr 1544 plötzlich, worum sie so lange vergeblich gekämpft hatte. In einem Schreiben vom 26. März 1544 kassierte Karl alle Prozesse wegen Türkenhilfe gegen die Schweizer Äbte und Städte 156 . Er betonte, daß er dies alles aus kaiserlicher Macht tue und fuhr fort: doch uns und dem heilligen ryche an unser oberkeit und gerechtigkeit unvergryffenlich sin unnd onschädlich, ouch also, wo die sach inn der gütte nit hingelegt, was alßdann durch uns unnd gemeine stände des heilligen rychs verordnet wirt, das es darbi ouch blyben sölle. 157 Karl schlug also die anhängigen Prozesse nieder, aber er verwarf nicht den Rechtsanspruch des Reichs auf Leistung der Türkenhilfe durch die Städte und Äbte. Die Ansprüche des Reichs blieben vielmehr unverändert bestehen, falls die anvisierte gütliche Einigung nicht Zustandekommen sollte. Auch die Kassation der Prozesse galt damit nur bedingt und - wenn auch nicht genau festgelegt - zeitlich befristet. Dennoch hatten die Eidgenossen ihr Hauptanliegen zunächst erreicht: Sie waren nunmehr sicher, daß vorläufig gegen die Städte und Äbte keinerlei Zwangsmittel eingesetzt würden, um die Türkenhilfe einzutreiben. Daß der Rechtsanspruch aufrechterhalten wurde, war ihnen zwar nicht gerade gleichgültig, aber im Moment zunächst zweitrangig 158 . Der Weg einer politischen Lösung hatte damit letztlich zum Erfolg geführt. Obwohl er diesen Zusammenhang noch im August 1543 ausdrücklich abgelehnt hatte, beugte sich Karl zuletzt doch dem Druck der Eidgenossen wegen der Er154

Basel, Geheimer Rat, an Straßburg, Geheimer Rat, 1.5.1543 (StA Basel, Missiven A 31, S. 309-311, hier S. 310). 155

In einem Brief vom 23.8.1543 lehnte Karl dieses Junktim ausdrücklich ab (EA 4/1 d, Nr. 154, S.316). 156

Basler Urkundenbuch 10, Nr. 273.

157

Basier Urkundenbuch 10, Nr. 273, S. 307.

158

Lediglich Basel meldete deshalb auf der Tagsatzung am 19.5.1544 Bedenken an: Da in dem Schreiben Karls die kaiserlichen und die Reichsrechte ausdrücklich vorbehalten seien, sei für den Fall des Scheitems einer gütlichen Einigung die Situation um keinen Deut besser als zuvor (EA 4/1 d, Nr. 178, S. 377). Basel empfahl deshalb, mit der Erneuerung der Erbeinung zu warten, bis der Kaiser die Eidgenossen endgültig und in aller Form vom Kammergericht befreit habe.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

169

neuerung der Erbeinung 159 . Wenn die Eidgenossen die Erneuerung der Erbeinung verweigert hätten, wäre diese Verbindung Habsburgs zu den Eidgenossen abgerissen, und die Eidgenossen wären vertraglich nur noch mit Frankreich verbunden gewesen. Dies mußte Karl verhindern, und es war ihm offenbar so wichtig, daß er dafür auf die - ohnehin zweifelhafte - Durchsetzung von Reichsrechten gegenüber einigen Städten und Äbten verzichtete. Trotz der kaiserlichen Entscheidung ergingen erneut Mandate um Türkenhilfe 1 6 0 , worauf die Eidgenossen den burgundischen Gesandten auf der Tagsatzung baten, den Kaiser zu informieren, da diese Mandate nicht mit seiner letzten Entscheidung in Einklang stünden161. Könnte man sich dies noch mit Kommunikationsschwierigkeiten zwischen dem Kaiser und den Reichsinstitutionen erklären, so erstaunt es doch, daß Karl den Eidgenossen am 17. August 1544 ein Schreiben sandte, das in krassem Widerspruch zu seinem Brief vom März stand. Er teilte nun nämlich mit, daß er einen einhelligen Beschluß des Reichstages nicht eigenmächtig ändern könne, befahl aber immerhin die Sistierung der Prozesse bis zu seiner Ankunft im Reich 162 . Damit schien das Ganze von vorne loszugehen. Die zur Genüge bekannten Mechanismen wurden erneut in Gang gesetzt: gegenseitige Informierung 163, Ansetzung einer Tagsatzung164, Schreiben an das Kammergericht 165 und Antwort des Fiskals 166 . Immerhin erkannten die Eidgenossen jetzt ihre juristisch schwache Position deutlicher: Auf der Tagsatzung am 14. Dezember 1544 un-

159

Der Gesandte Burgunds, Jehan Mouchet, nannte diesen Zusammenhang gegenüber Bern explizit (Bern an seine Boten auf der Tagsatzung, 20.4.1544 (StA Bern, A III 26, S. 520f., hier S. 520)). 160

StA Basel, Fremde Staaten Deutschland B 6.1 [7.6.1544].

161

EA 4/1 d, Nr. 184, S. 393.

162

Karl an die Eidgenossenschaft, St. Dizier, 17.8.1544 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.17); Zusammenfassung in EA 4/1 d, Nr. 184, S. 398. 163

Basel an Zürich, 21.10.1544 (StA Basel, Missiven A 31, S. 659); Zürich an Luzem, 24.10.1544 (StA Luzern, Al Fl Sch. 56). 164

Basel an Mülhausen, 28.10.1544 (StA Basel, Missiven A 31, S. 663; EA4/ld, Nr. 197, S. 418f.). 165

EA 4/1 d, Nr. 197, S.419.

166

Fiskal an die Eidgenossenschaft, Speyer, 1.12.1544 (StadtA St. Gallen, Tr. VII,

170

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

tersuchten sie verschiedene Freiheitsbriefe und mußten dabei feststellen, daß diese zwar die Befreiung vonfremden Gerichten, nicht aber die Befreiung von der Veranlagung zu Türkenhilfe und Kammergerichtsunterhalt enthielten 167 . In ihrem Schreiben an den Kaiser vom 18. Dezember 1544 bezogen sie sich deshalb auch nicht auf ihre Freiheiten, sondern auf das kaiserliche Schreiben vom März und baten Karl, für die Einstellung der Prozesse zu sorgen 168 . Dieses Mal war ihnen endlich Erfolg beschieden, obwohl die kaiserliche Antwort keine weitergehenden Zusagen enthielt als ein Jahr zuvor. Am 14. Januar 1545 schrieb Karl aus Gent, daß er dem Kammergericht und dem Fiskal abermals befehlen werde, die Prozesse einzustellen, und zwar bis zu seiner Ankunft im Reich auf dem Wormser Reichstag169. Dies war wiederum nur eine zeitlich befristete Sistierung der Prozesse, was dieses Mal durch die ausdrückliche Nennung der Frist auch deutlicher zum Ausdruck kam als in dem Schreiben vom 26. März 1544 1 7 0 . In der Praxis jedoch blieb es bei der Aufhebung der Prozesse auch über den Wormser Reichstag 1545 hinaus: Die Eidgenossen wurden fortan vom Fiskal nicht mehr wegen der nichtbezahlten Türkenhilfe behelligt. Und nicht nur dies: Die Äbte und Städte erhielten nicht einmal mehr Aufforderungen zur Zahlung von Türkenhilfe. Damit waren die in der Matrikel aufgeführten eidgenössischen Orte Basel und Schaffhausen, die Zugewandten Stadt und Abt St. Gallen sowie die in der

Nr. 8.21; EA 4/ld, Nr. 204, S. 435). Der Fiskal schrieb, daß er keinen kaiserlichen Befehl über die Kassation der Prozesse erhalten habe. 167

EA 4/ld, Nr. 204, S. 436.

168

EA 4/ld, Nr. 204, S. 443.

169

Karl an die Eidgenossenschaft, Gent, 14.1.1545 (StadtA St. Gallen, Tr.VII, Nr. 8.22). 170

Die Eidgenossen waren sich denn auch in der Beurteilung des kaiserlichen Schreibens nicht einig: Zürich bewertete die Antwort als "nicht ungnädig" (Zürich an die übrigen Orte, 7.2.1545 (StA Zürich, BIV 15, fol. 176r)), während Basel auf die Befristung der Prozeßeinstellung verwies und befürchtete, daß der Fiskal sich wie bisher nicht daran halten werde, außerdem sei völlig unsicher, wie der Kaiser und die Stände auf dem Reichstag sich entscheiden würden, wenn die Eidgenossen sich nicht zu der Frage äußerten. Basel plädierte deshalb für die Ansetzung einer Tagsatzung, um zu beraten, ob man eine Botschaft auf den Reichstag abordnen solle (Basel an Luzem, 12.2.1545 (StA Luzem, Al Fl Sch. 56)).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

171

Schweiz residierenden Äbte praktisch von der Verpflichtung zur Leistung von Türkenhilfe befreit. Zwar gab das Reich den Anspruch auf diese Leistung juristisch nicht auf, aber es verzichtete darauf, ihn geltend zu machen. Paradoxerweise geschah das genau zu der Zeit, als die Eidgenossen nach jahrzehntelangem Suchen und Tasten endlich erkannten, daß juristisch am Anspruch des Reichs nicht zu rütteln war. Es dauerte überhaupt erstaunlich lange, bis die Eidgenossenschaft in dieser Frage zu einer auch nur einigermaßen klaren Position fand. Erst in den Beratungen ab 1542 wurde die Frage der Türkenhilfe mit der grundsätzlichen Frage der Pflichten gegenüber dem Reich verknüpft. Zu dieser Unsicherheit trug wohl auch bei, daß die Forderungen zwar aufgrund der Matrikel erhoben wurden, mithin also eine Reichspflicht darstellten, daß die Abwehr der Türken aber gleichzeitig eine allgemein anerkannte Christenpflicht war. Die Verquickung der Türkenhilfe mit der Frage der Anerkennung der Reichsgerichtsbarkeit, die durch die Zitationen vor das Kammergericht ausgelöst wurde, dürfte entscheidend für den Widerstand der Eidgenossen gewesen sein. Die Aufrechterhaltung ihrer gerichtlichen Autonomie stellte für die Eidgenossen einen neuralgischen Punkt dar, an dem für sie jede Kompromißbereitschaft aufhörte. Daher verminderte das juristische Vorgehen des Reichs die Chance, von den Eidgenossen Türkenhilfe zu erhalten. Andererseits versperrte sich die Eidgenossenschaft durch das Eingehen auf die juristische Argumentation lange den Weg zu einer Lösung, weil sie die Probleme und Schwächen ihrer juristischen Argumentation nicht erkannte. Wenn bisher von Türkenhilfe die Rede war, so war damit stets die aufgrund der Reichsmatrikel geforderte Hilfe gemeint. Davon war indessen nur eine Minderheit der eidgenössischen Orte betroffen: nämlich Basel und Schaffhausen. Das heißt nun aber nicht, daß den anderen Orten vom Reich überhaupt kein Beitrag zur Abwehr der Türken abverlangt wurde. So finden sich erstmals im Jahre 1529 Nachrichten darüber, daß Ferdinand versuchte, die Eidgenossen zur Unterstützung der Türkenabwehr heranzuziehen. Nachdem Karl den von Ferdinand nicht zuletzt wegen der Bedrohung durch die Türken für 1528 nach Regensburg einberufenen Reichstag kurzfristig abgesagt hatte 171 , bemühte sich Ferdinand außerhalb des üblichen Bewilligungsweges um Unterstützung für seinen Kampf im Osten. Er schickte zu diesem Zweck nicht nur Gesandte zu verschiedenen europäi171

Zur Vorgeschichte dieser Absage siehe C. Roll, Reichstags-Absage und Waldkirch-Mission. Überlegungen zur kaiserlichen Reichspolitik im ersten Jahrzehnt der Regierung Karls V., in: Rabe, Karl V., S. 279-315.

172

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

sehen Mächten, sondern instruierte auch Dr. Sturtzel, sich bei der Eidgenossenschaft um Türkenhilfe zu bemühen172. Sturtzel kam diesem Befehl aber nicht nach. Offenbar hielt er solche Verhandlungen angesichts der sich zuspitzenden konfessionellen Auseinandersetzungen in der Schweiz für wenig ratsam oder aussichtsreich. Bereits knapp zwei Jahre zuvor hatte die Innsbrucker Regierung Überlegungen darüber angestellt, daß man nach einer Bewilligung von Türkenhilfe durch den Reichstag auch an die Eidgenossenschaft mit der Bitte um Türkenhilfe herantreten könnte, ohne daß dieser Vorschlag jedoch in ein konkreteres Stadium getreten wäre 173 . 1532 erreichte dann erstmals eine konkrete Bitte um Türkenhilfe die Eidgenossen. Auf der Tagsatzung am 7. Juli trugen Eiteleck von Reischach und Dr. Sturtzel den Eidgenossen vor, daß der Reichstag eine Türkenhilfe bewilligt habe. Da die Eidgenossen Verwandte des Reichs und nicht der kleinste Stand der deutschen Nation seien, sollten auch sie ihren Beitrag leisten und mit ihren Truppen neben dem Heer des Kaisers und der Reichshilfe bis 15. August auf dem Musterplatz bei Wien erscheinen174. Die Eidgenossen wurden also aufgrund ihrer Reichszugehörigkeit um Hilfe gebeten, wären aber nicht Teil des Reichsheeres gewesen. Noch deutlicher wurde ihre Sonderstellung in dem abschließenden Angebot der beiden Gesandten: Falls die Eidgenossen nicht auf eigene Kosten in den Türkenkrieg ziehen wollten, aber bereit wären, in kaiserlichem Sold zu kämpfen, sollten sie dies mitteilen175. Karl und Ferdinand war also offenbar klar, daß die Eidgenossen zur Kriegsbeteiligung auf eigene Kosten kaum bereit sein würden. Da sie indessen nicht auf die eidgenössischen Truppen verzichten wollten, war deren Anwerbung als Söldner der einzige Ausweg. Die Eidgenossen konnten sich nicht auf eine einhellige Antwort auf das kaiserliche Begehren einigen, was im Endergebnis einer Ablehnung gleichkam, obwohl eine gewisse Bereitschaft und ein Gefühl der Verpflichtung bei den Orten durchaus zu erkennen war 176 . Daß sich zumindest einige Orte bei dieser 172

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Greifenberg, 3.1.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 2, fol. 310v). Die Instruktion selbst ist nicht überliefert. 173

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 13.5.1527 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 43r-v). Der Vorschlag hat mehr den Charakter einer allgemeinen Anregung und ist von daher nicht genauer ausgearbeitet. Offensichtlich war aber vor allem an die Anwerbung von eidgenössischen Söldnern gedacht, da von Auszahlung des Geldes an die einzelnen Orte die Rede ist. 174

EA 4/1 b, Nr. 734, S. 1370.

175

EA 4/lb, Nr. 734, S. 1370.

176

Die Meinung der meisten Orte scheint zumindest nicht völlig ablehnend gewesen zu sein. Auf der Tagsatzung am 2.8.1532 hatten die kaiserlichen Gesandten vorgetragen, daß sie mit den Eidgenossen nur verhandeln wollten, wenn alle 13 Orte für den Zuzug seien. Auf diese Bedingung waren die Eidgenossen nicht vorbereitet und erklärten, daß sie aber auf das auf der letzten Tagsatzung vorgebrachte Begehren geantwortet hätten, wie es Gliedern der Christenheit und des heiligen Reichs gezieme (EA4/lb, Nr. 741,

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

173

Nichtbeteiligung an einer durchaus als Christenpflicht verstandenen Aufgabe unwohl fühlten, zeigt ein Schreiben Basels vom 12. August 1532, in dem die Stadt gegenüber Zürich und Bern angesichts beunruhigender Nachrichten über einen türkischen Vormarsch ihre offensichtlich bereits auf der Tagsatzung vorgetragene Ansicht wiederholte, daß man sich der Bitte des Kaisers um eidgenössische Söldner nicht verschließen sollte177. Der Anregung Basels, deshalb eine Tagsatzung anzuberaumen, folgte Zürich jedoch nicht, womit dieser Vorstoß Basels folgenlos blieb. 1538 ließ Ferdinand bei den Eidgenossen einen erneuten Versuch wegen der Türkenhilfe unternehmen. Das Vorgehen war dasselbe wie 1532. Zuerst sollte versucht werden, die Eidgenossen zur Leistung von Türkenhilfe auf eigene Kosten zu bewegen, falls dies nicht gelänge, sollten die Gesandten die Bezahlung der eidgenössischen Söldner anbieten 178 . Auf der Tagsatzung am 18. März trugen die Gesandten zunächst nur die Bitte um die Entsendung von Soldaten auf eigene Kosten vor 1 7 9 , was die Eidgenossen erwartungsgemäß ablehnten180. Immerhin erklärten die fünf Orte dem königlichen Gesandten heimlich, daß sie im Notfall bereit wären, dem König Söldner auf seine Kosten zur Verfügung zu stellen181. Der König kam auf das Angebot indessen nicht zurück. Offiziell scheint der Eidgenossenschaft insgesamt die Bitte, wenigstens gegen Bezahlung ihre Soldaten zur Verfügung zu stellen, nicht vorgetragen worden zu sein. Das ganze Procedere wiederholte sich 1542, und erneut lehnten die Eidgenossen die Bitte um Stellung eines Heeres auf eigene Kosten ab1»2. Dieses Mal waren sicher die gleichzeitig stattfindenden und auch auf der gleichen Tagsatzung diskutierten Prozeßdrohungen des Fiskals der Erfüllung der Bitte nicht günstig. Im August 1542 wurden die Eidgenossen dann sogar vom Reichstag zur Leistung von Türkenhilfe aufgefordert 183, S. 1387). Der Bemer Bote, der eindeutigen Befehl abzulehnen hatte (Instruktion in Strickler, Actensammlung 4, Nr. 1804), beteiligte sich nicht an dieser Antwort, was daraufhindeutet, daß sie nicht völlig ablehnend ausgefallen war. 177

Strickler,

Actensammlung 4, Nr. 1833.

178

Regierung Innsbruck an Ulrich von Schellenberg, Hans Friedrich von Landeck, 11.3.1538 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 1 v-2r). Zur gleichen Zeit trat Ferdinand auch mit einer entsprechenden Bitte an die Drei Bünde in Graubünden heran (ebd., fol. 154r). 179

EA 4/1 c, Nr. 572, S. 947f.

180

EA 4/1 c, Nr. 584, S. 964.

181

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 27.5.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 6, fol. 444r-v); Bericht Hans Friedrichs von Landeck an Regierung Innsbruck, o.D. (TLA Innsbruck, Hofreg. A5 (111,22)). 182

EA 4/1 d, Nr. 79, S. 143.

183

Reichstag an Eidgenossenschaft, Nürnberg, 25.8.1542 (StA Bern, A I V 134,

S. 17f.).

174

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

doch stand im Mittelpunkt des Schreibens die Bitte an die Eidgenossen, ihre Knechte aus französischem Dienst zurückzurufen. Der Türkenkrieg und auch die Bitte um Türkenhilfe dienten vor allem der christlichen Verbrämung dieses Anliegens, indem argumentiert wurde, daß der Kaiser durch den Krieg mit Frankreich an der Türkenabwehr gehindert würde und daß Frankreich diesen Krieg ohne eidgenössische Unterstützung nicht angefangen hätte. Daß die Bitte um Türkenhilfe hier mehr Beiwerk war, ist auch daraus ersichtlich, daß keine konkreten Forderungen gestellt wurden 184. Danach traten weder der Kaiser oder der König noch der Reichstag mehr mit entsprechenden Bitten an die Eidgenossen heran. Alle Versuche zur Zeit Karls V., die Eidgenossen zur Beteiligung am Türkenkrieg zu bewegen, waren somit vergeblich. Weder leisteten die in der Matrikel verzeichneten Städte und Äbte den von ihnen geforderten Beitrag, noch ließ sich die Eidgenossenschaft insgesamt bewegen, zu diesem gesamtchristlichen Werk der Abwehr der Ungläubigen beizutragen. Zwar verschlossen sich die Eidgenossen gerade dem Appell an ihre Christenpflicht nicht völlig und von vornherein, doch standen sie letztendlich stets abseits. Es muß allerdings auch festgestellt werden, daß die Bemühungen um einen eidgenössischen Beitrag im Rahmen einer allgemein christlichen Hilfe nicht gerade hartnäckig verfolgt wurden: Auf eine erste Ablehnung durch die Eidgenossenschaft unterblieben weitere Anfragen sofort. Damit steht das Bemühen Karls und vor allem Ferdinands um eine Einbindung der Eidgenossen in die Türkenabwehr in deutlichem Kontrast zu der Beharrlichkeit, mit der andere, oft weit weniger aussichtsreiche Anliegen bei den Eidgenossen verfolgt wurden. Dagegen wurde über Jahrzehnte hinweg versucht, die in der Matrikel verzeichneten Äbte und Städte zur Zahlung der dort festgelegten Beiträge zu bewegen, sie also aufgrund ihres Status als unmittelbare Reichsglieder zu verpflichten. Wenn man rein vom Nutzen für die Türkenhilfe ausgeht, war dieser Weg über die Reichspflichten sicherlich der falsche - weil wenig erfolgversprechende - Weg. Daß Karl und Ferdinand dies zumindest in Ansätzen erkannten, zeigt die Tatsache, daß sie auch den anderen Weg zuweilen probierten. Vom Standpunkt der Wahrung der Reichsrechte aus konnten die Reichsinstitutionen, allen voran der Fiskal, indessen gar nicht anders handeln, als auf dem rechtlichen Standpunkt zu beharren. Aus ihrer Sicht war die politische Frage der fi-

184

Zwei Wochen zuvor, am 10.8.1542, hatte Karl selbst die Eidgenossen zum Rückruf ihrer Knechte aus französischem Dienst aufgefordert (EA 4/1 d, Nr. 99, S. 187), ebenfalls mit Verweis auf die durch den Krieg mit Frankreich erschwerte Türkenabwehr.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

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nanziellen Ergiebigkeit des jeweiligen Vorgehens vollkommen irrelevant und konnte keine Berücksichtigung in ihren Stellungnahmen finden. Daß Appelle an das christliche Gewissen bei den Eidgenossen durchaus auf fruchtbaren Boden fallen konnten, zeigte sich dann gegen Ende des Jahrhunderts. Auf dem Regensburger Reichstag des Jahres 1594 war eine beträchtliche Türkenhilfe beschlossen worden; überdies hatte der Reichstag Kaiser Rudolf II. aufgefordert, sich auch bei der Eidgenossenschaft um Unterstützung für den Türkenkrieg zu bemühen. Rudolf wandte sich daraufhin am 23. Dezember 1594 an die Eidgenossen und kündigte eine Gesandtschaft an, der unter anderem der Reichspfennigmeister Zacharias Geizkofler angehören sollte 185 , die die Eidgenossen um die Bereitstellung von 20 Fähnlein auf eigene Kosten bitten sollte 186 . Während seine Vorgänger in der ersten Jahrhunderthälfte die Eidgenossen noch aufgrund ihrer Reichszugehörigkeit um Hilfe gebeten hatten - auch wenn diese Hilfe schon damals neben der regulären Reichshilfe stand -, so erscheint in dem Schreiben Rudolfs II. das Verhältnis der Eidgenossen zum Reich um einiges lockerer. Rudolf bezeichnete die "gemayn aydgnosschafft sampt iren zuegewannten als cristliche comunen unnd die jederzeit mit dem heiligen reiche teutscher nation inn alltem loblichem verstandt und gueter verwahntnuß wolherkommen ainer nation, zungen, sitten und gebrauch seyen" 187 . Für Rudolf war die Bindung der Eidgenossen an das Reich offenbar nicht mehr so stark, daß darauf Forderungen gegründet werden konnten 188 . In der Wiederholung seiner Bitte 1 8 9 am 1. April 1595 wurde Rudolf dann noch deutlicher, als er erklärte, daß die von den Eidgenossen erbetene Hilfe "zue gar kheinem nachtheiligen eingang oder einicher anderen intention mainung und gedanken dann allain das es bloß uß frygem willen christenlichen mitlaiden auch zu uweren sölbs eignen Versicherung ohne schmelerung der aydtgnosschafft oder ihrer zuege-

185

Die Gesandtschaft war dann auf der Tagsatzung in Baden am 19.2.1595 anwesend (EA 5/1, Nr. 277, S. 364, dort auch ausführliche Wiedergabe des Vortrags der Gesandten, der den Inhalt des kaiserlichen Briefes aufnimmt). 186

Rudolf II. an Zürich, Prag, 23.12.1594 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 2.58a).

187

Rudolf II. an Zürich, Prag, 23.12.1594 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 2.58a).

188

Freilich benutzte auch Rudolf in seinen Schreiben an die Eidgenossen die übliche Anrede "Den Ersamen unseren und des Reichs lieben getreuen". 189

Auf der Tagsatzung am 19.2.1595 waren die kaiserlichen Gesandten nämlich abschlägig beschieden worden (EA 5/1, Nr. 277, S. 365).

176

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

wandten herbrachten exemption und libertet beschehen möcht" 190 . Abschließend bat Rudolf die Eidgenossen, falls sie keine Truppen schicken könnten, doch wenigstens Geld, Munition oder Pulver bereitzustellen 191. Zur Entsendung von Truppen war die Eidgenossenschaft zwar nicht bereit, aber Zürich machte darauf aufmerksam, daß es nicht ratsam sei, auf die wiederholten Anfragen überhaupt keine Hilfe zu leisten, und verwies dabei unter anderem auf die Privilegierungen der eidgenössischen Orte durch die Könige und Kaiser und auf die eidgenössischen Handelsinteressen im Reich 1 9 2 . Um ihren guten Willen zu zeigen, beschlossen die Eidgenossen deshalb, dem Kaiser 259 Zentner Büchsenpulver zur Verfügung zu stellen 193 . Ein Jahr später bat der Kaiser die Eidgenossen dann gar nicht mehr um Truppen, sondern von vornherein um Pulver 194 . Die Eidgenossenschaft kam dieser Bitte auch nach und beschloß, pro Ort 15 Zentner Pulver bereitzustellen 195. Der Wandel, der sich in dieser Frage innerhalb von gut sieben Jahrzehnten vollzogen hatte, war deutlich, wenn er auch keineswegs linear und ohne Windungen und Brüche vor sich gegangen ist. Gegen Ende des Jahrhunderts war klar, daß an eine Verpflichtung der Eidgenossenschaft zur Türkenhilfe - insgesamt oder in Teilen - aufgrund ihrer Reichszugehörigkeit nicht mehr zu denken war. Besondere Beziehungen zum Reich und zum Reichsoberhaupt bestanden

190

Rudolf II. an die Eidgenossenschaft, Prag, 1.4.1595 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 2.58d). In einem gesonderten Schreiben an St. Gallen bat er übrigens die Stadt, sich für sein Anliegen bei den Eidgenossen einzusetzen (ebd., Nr. 2.58c). 191

Das Schreiben Rudolfs auch erwähnt in EA 5/1, Nr. 279, S. 370. Die Lieferung von Pulver hatten bereits die kaiserlichen Gesandten auf der Tagsatzung vom 19.2.1595 als Minimalforderung nachgeschoben, nachdem die Stellung von Truppen abgelehnt worden war. 192

Zürich an St. Gallen, 14.4.1595 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 2.58d).

193

Zürich an St. Gallen, 14.4.1595 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 2.58d); EA 5/1, Nr. 279, S. 370; Nr. 283, S. 376. Der Anteil der einzelnen Orte lag zwischen fünf (Mülhausen) und 25 Zentnern (Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen). 194 195

EA 5/1, Nr. 307, S. 409.

Eidgenossenschaft an St. Gallen, Baden, 5.11.1596 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 2.58e); EA 5/1, Nr. 316, S. 424. In diesen Quellen ist jeweils von 15 "Tonnen" die Rede. Es dürfte sich aber um Zentner gehandelt haben, was auch dadurch bestätigt wird, daß Luzem auf der vorangegangenen Tagsatzung der katholischen Orte sich bereit erklärt hatte, 15 Zentner Pulver zur Verfügung zu stellen (EA 5/1, Nr. 315, S. 422).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

177

freilich nach wie vor, und auf diese konnte in besonderen Situationen auch nach wie vor rekurriert werden, um freiwillige Leistungen zu erlangen.

c) Der Beitrag der Eidgenossen zum Unterhalt von Kammergericht und Reichsregiment Auf dem Wormser Reichstag 1521 war die Wiedererrichtung von Kammergericht und Reichsregiment beschlossen worden. Zu deren Finanzierung mußten die Reichsstände einen Beitrag leisten, und zwar mit dem in der Matrikel für den Kammergerichtsunterhalt genannten Betrag 196 . Wie bei der Türkenhilfe ergingen deshalb Mandate mit der Aufforderung zur Entrichtung der Beiträge an alle in der Matrikel verzeichneten Städte und Stände, also auch an Basel, Schaffhausen, St. Gallen und Mülhausen sowie an die Schweizer Äbte. Diesen Zahlungsaufforderungen kamen die Städte mit Ausnahme St. Gallens und die Äbte indessen genausowenig nach wie den Aufforderungen zur Türkenhilfe. Der Mechanismus, der durch die Zahlungsaufforderungen in Gang gesetzt wurde, war im wesentlichen der gleiche wie bei der Türkenhilfe: Von Seiten des Reichs erfolgte auf die Nichtbezahlung eine Mahnung mit der Aufforderung, bei fortgesetzter Weigerung nach einer bestimmten Frist vor dem Kammergericht zu erscheinen, die betroffenen Schweizer Städte und Äbte informierten einander sowie die eidgenössischen Orte, anschließend wurde auf der Tagsatzung beraten und daraufhin zumeist an den Kaiser und/oder das Kammergericht und das Regiment geschrieben. Der erste, der sich bei den Eidgenossen wegen des von ihm erbetenen Kammergerichtsunterhalts meldete, war am 12. Juni 1522 der Abt von Kreuzlingen 1 9 7 . Kurz darauf, am 24. Juni, klagten auch Basel, Schaffhausen, Mülhausen und der Abt von St. Gallen über die bei ihnen eingetroffenen Mandate 198 . Von der Tagsatzung am 1. Juli schrieben die Eidgenossen deshalb an den Kaiser und 196

Die Matrikel für den Kammergerichtsunterhalt wurde unabhängig von der Romzugsmatrikel erstellt, d.h. die Beträge der beiden Matrikeln stehen nicht in einem festen proportionalen Verhältnis zueinander. Die Beträge für den Unterhalt von Kammergericht und Regiment waren im Vergleich zu denen der Romzugsmatrikel zwar relativ gering, doch mußten sie jährlich bezahlt werden. Den Städten wurde dabei ein im Verhältnis noch größerer Anteil aufgebürdet als in der Romzugsmatrikel. 197

EA 4/1 a, Nr. 90, S. 204.

198

EA 4/1 a, Nr. 92, S. 206.

12 Braun

178

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

baten ihn, den genannten Städten und Äbten die Steuer zu erlassen, da sie bisher von solchen Beschwerden befreit gewesen seien 199 . Karl antwortete den Eidgenossen, daß er ihnen die Steuer nicht erlassen könne, solange sie keine Beweise für ihre Befreiung vorlegten 200 . Darauf wollten sich die Eidgenossen freilich nicht einlassen; sie rieten den Betroffenen vielmehr, die Sache vorerst auf sich beruhen zu lassen und abzuwarten, bis sie von Seiten des Reichs erneut angegangen würden 201 . Bei den weiteren, im Verlauf der 20er Jahre in regelmäßigen Abständen eintreffenden Mandaten sahen offensichtlich weder die Betroffenen noch die Eidgenossen insgesamt einen Handlungsbedarf, da die Mandate nicht einmal auf der Tagsatzung zur Sprache gebracht wurden. Erst nach einer Pause von ziemlich genau zwei Jahrzehnten war der von den Städten Basel, Schaffhausen und Mülhausen geforderte Beitrag zum Unterhalt des Kammergerichts erneut Thema innereidgenössischer Beratungen. Für die Wiederaufnahme der Beratungen dürfte entscheidend gewesen sein, daß jetzt nicht mehr nur eine Geldstrafe angedroht wurde, sondern daß der Fiskal ankündigte, bis zur Verhängung der Reichsacht zu prozessieren. Nachdem Basel weder auf das Mandat zur Zahlung des Kammergerichtsunterhalts vom 20. April 1542 2 0 2 noch auf das anschließende Monitorial des Fiskals reagiert hatte, informierte der Kammergerichtsprokurator Dr. Christoph Hos Basel über das

199

EA 4/1 a, Nr. 96, S.213. Die Eidgenossen zählten bei den betroffenen Städten auch St. Gallen auf, obwohl die Stadt sich gar nicht mit einer entsprechenden Bitte an die Tagsatzung gewandt hatte. Daß die genannten Städte und Äbte bisher "von solchen Beschwerden befreit gewesen seien", trifft nicht zu. So haben sich für die Stadt St. Gallen einige Mandate aus den beiden ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts erhalten, in denen die Stadt aufgefordert wurde, ihren Beitrag zum Unterhalt des Kammergerichts zu bezahlen (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 7.3 [14.4.1508]; Nr. 7.4 [7.9.1508]; Nr. 7.6 [28.6.1509]; Nr. 7.8 [19.12.1509]; Nr. 7.10 [1.12.1510]; Nr. 7.13 [15.1.1512]; Nr. 7.14 [18.1.1513]; Nr. 7.15 [2.1.1514]; Nr. 7.16 [20.1.1515]). Diesen Zahlungsaufforderungen kam die Stadt meistens auch nach (ebd., Nr. 7.5 [10.11.1508]; Nr. 7.7 [12.2.1509]; Nr. 7.9 [14.3.1510]; Nr. 7.11 [1.4.1511]). 1511 beschwerte sich die Stadt St. Gallen über die Höhe des geforderten Betrags (ebd., Nr. 7.12). Es ist davon auszugehen, daß die anderen Städte und die Äbte diese Aufforderungen auch erhalten haben. Ob sie ihnen jedoch Folge leisteten, ist sehr fraglich. 200

EA 4/la, Nr. 124, S. 262.

201

EA 4/la, Nr. 124, S. 262.

202

StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C 2.

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

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schwebende Verfahren und die drohende Gefahr der Reichsacht203. Hos hatte zudem außergerichtlich vom Fiskal die Zusage erhalten, daß er 3 Wochen mit weiterem Vorgehen still stehen werde, damit Hos Basel informieren könne 204 . Basel schrieb zwar daraufhin an das Kammergericht und den Fiskal, war aber nicht bereit, vor Gericht Beweise dafür vorzulegen, daß die Stadt zum Unterhalt des Kammergerichts nicht verpflichtet sei 2 0 5 . Um sicherzugehen, hatte Basel Bonifatius Amerbach, den anerkanntesten Juristen der Stadt, um ein Gutachten in der Angelegenheit gebeten 206 . Amerbach riet der Stadt davon ab, sich auf einen Prozeß gegen den Fiskal einzulassen, da Basel nicht nur von der Rechtsprechung des Kammergerichts befreit sei, sondern ein solches Vorgehen den städtischen Privilegien insgesamt nachteilig sein könne. Eine Pflicht Basels zur Bezahlung des Kammergerichtsunterhalts verneinte Amerbach eindeutig, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sei Basel als Freie Stadt dem Kaiser gegenüber nur zum Romzug verpflichtet. Zum anderen sei Basel - im Gegensatz zu anderen Freien Städten, die Kammergerichtsunterhalt bezahlten - von der Rechtsprechung des Kammergerichts befreit und appelliere auch nicht an das Kammergericht, weshalb man auch nicht verpflichtet sei, sich an dessen Finanzierung zu beteiligen 207 . Die Befreiung von der Kammergerichtsjurisdiktion führte Amerbach auf die alten Freiheiten der Stadt, nicht auf die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft zurück 208 . Der Hinweis, daß Basel ähnliche Veranlagungen vor 8, 10 und mehr Jahren bereits er-

203

Dr. Christoph Hos an Basel, Speyer, 15.10.1542 (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C 2). Hos hatte Basel in den 30er Jahren in einem Prozeß vor dem Kammergericht vertreten (siehe unten S. 198-202). 204

Dr. Christoph Hos an Basel, Speyer, 15.10.1542 (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C 2). 205

Dr. Christoph Hos an Basel, Speyer, 7.11.1542 (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C 2). 206

Gutachten Amerbachs, o.D. (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C 2).

207

Diese beiden Hauptargumente tauchen auch in einem weiteren Basler Gutachten von 1542 auf, in dem es hauptsächlich um die Türkenhilfe geht, nämlich im "Bericht, wie loblich unnd eerlich ein fryger stat Basel herkomen" (StA Basel, Verfassung A 1). 208

Amerbach verweist auf die Bestätigung der Privilegien vor wenigen Jahren, gemeint war die Privilegienbestätigung durch Ferdinand 1536, und darauf, daß Basel seit 1495, also bereits vor dem Anschluß an die Eidgenossenschaft, nichts für den Unterhalt des Kammergerichts bezahlt hatte. 1*

180

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

lassen worden seien, entspricht wohl kaum den Tatsachen; es scheint eher so gewesen zu sein, daß Basel die eingetroffenen Mandate einfach ignoriert hatte. Die Stadt war sich damit vollends juristisch ihrer Sache ganz sicher. Solange sie indessen nicht bereit war, dem Kammergericht Dokumente über ihre Freiheiten vorzulegen, fuhr der Fiskal in seinem Prozeß fort 2 0 9 . Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Basel die Angelegenheit offensichtlich allein geregelt, es finden sich zumindest keine Nachrichten über Beratungen mit anderen Orten. Nun wurde die Frage der Reichsanlagen und der deshalb drohenden Prozesse vor dem Kammergericht aber von der Stadt St. Gallen an die eidgenössischen Orte herangetragen 210, da St. Gallen ebenfalls mit der Reichsacht gedroht worden war. St. Gallen hatte sich in der Vergangenheit im Gegensatz zu Basel, Schaffhausen oder Mülhausen nicht von vornherein und grundsätzlich geweigert, einen Beitrag zum Unterhalt von Kammergericht und Reichsregiment zu leisten, sondern sich lediglich um eine Verringerung des geforderten Anschlags bemüht 211 . Die Stadt beteiligte sich deshalb 1522 auch nicht an den diesbezüglichen Beratungen und Beschwerdebriefen der Eidgenossen. Diese Bemühungen St. Gallens waren denn auch nicht vergebens: 1524 erreichte St. Gallen eine Verringerung des Anschlags von 180 fl. auf 60 f l . 2 1 2 . In den folgenden Jahren mußte sich die Stadt wiederholt wegen verspäteter, nur teilweise geleisteter oder auch gar nicht erfolgter Zahlungen entschuldigen - man verwies dabei unter anderem auf die Notlage infolge der Kappeler Kriege. Noch 1537 erkannte St. Gallen ausdrücklich die Pflicht, zum Unterhalt des Kammergerichts beizutragen, a n 2 1 3 .

209

Dies teilte Hos der Stadt als Reaktion auf ihr Schreiben an das Gericht mit (Hos an Basel, Speyer, 7.11.1542 (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C2)). Immerhin hatten die Bemühungen Hos' bewirkt, daß Basel im Gegensatz zu den anderen Städten und Äbten bis Anfang 1543 noch nicht "in die peen aussgangner monitorialn erklert" worden war (Dr. Felix Raitter an St. Gallen, Speyer, 6.1.1543 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.16)). 210

Instruktion St. Gallens für die Boten auf die Tagsatzung am 31.1.1543 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.7); EA 4/ld, Nr. 115, S. 215. 211

Zu der Position St. Gallens in dieser Frage siehe Braun!Dobras, St. Gallen, S. 411-415. 212 213

Bescheid des Reichsregiments, 18.8.1524 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 7.28).

Gleichzeitig schickte die Stadt 41 1/4 fl. zum Kammergerichtsunterhalt mit. Aus dem Brief geht hervor, daß St. Gallen gerade diese Pflicht vor anderen anerkannte. Der

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

181

Dies änderte sich erst, als ab 1541 dann auch wieder Mandate über die Bezahlung von Türkenhilfe St. Gallen erreichten. Die Stadt lehnte die Leistung eines Beitrags zur Türkenabwehr nämlich ab, da sie sich in Militärfragen völlig der Eidgenossenschaft zugehörig fühlte und in jedem militärischen Beitrag für das Reich eine Doppel Veranlagung erblickte 214 . In Rechtsfragen war St. Gallen dagegen stärker auf das Reich angewiesen, nicht zuletzt auf Rechtssicherheit für die eigenen Kaufleute 215 . In einem Schreiben an den Fiskal vom 29. August 1542 machte die Stadt die weitere Bezahlung des Kammergerichtsunterhalts sogar davon abhängig, daß sie, wie ihrem deshalb auf den Speyrer Reichstag 1542 geschickten Gesandten Martin Hux zugesagt worden war, wegen der Türkenhilfe nicht weiter gerichtlich belangt werde 216 . Da der Fiskal indessen mit dem Prozeß gegen St. Gallen wegen Nichtbezahlung von Kammergerichtsunterhalt und Türkenhilfe fortfuhr 217 , wandte sich St. Gallen nunmehr an die Eidgenossen und verwies auf die Bünde der Stadt mit den Eidgenossen218.

Fiskal wurde gebeten, wie bisher sein Bestes zu tun, damit sie "anderer Sachen halb ledig und unersucht belibend, dann by uns bisher nit gehöret noch in bruch gewesen ist, daß wyr witter dann zu underhaltung kayserlich regiments und kamergerichts ersucht syen". Bezüglich der Türkenhilfe waren sich die St. Galler da schon weniger sicher oder einig, denn neben diesem Satz steht am Rand geschrieben und durchgestrichen: "es were von wegen der hilff wider den turcken oder in ander weg" (St. Gallen an den Reichsfiskal, 8.6.1537 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 7.28)). So ganz schienen die St. Galler bezüglich der Verhältnisse im Reich aber nicht auf dem laufenden zu sein: Sie nahmen offenbar an, daß das von ihnen geforderte Geld weiterhin wie in den 20er Jahren für den Unterhalt von Kammergericht und Reichsregiment bestimmt sei; das Reichsregiment existierte aber 1537 längst nicht mehr. 214

Dieser Gedankengang kommt auch in der Instruktion vom April 1543 zum Ausdruck, in der mit dieser Argumentation ein Beitrag zur Türkenhilfe abgelehnt wurde, es in bezug auf das Kammergericht aber vorsichtig hieß, daß man diesbezüglich den Basier Frieden untersuchen müsse (Instruktion St. Gallens für Ambrosi Eigen auf die Tagsatzung am 15.4.1543 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.10)). 215

Die Verhängung der Reichsacht gar - wie sie 1496 im sogenannten VambülerHandel erfolgt war - konnte die Stadt in große wirtschaftliche Bedrängnis bringen, da in einem solchen Fall die Handelsware St. Galler Kaufleute im Reich konfisziert werden konnte. 216

St. Gallen an den Reichsfiskal, 29.8.1542 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 7.28).

182

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Mit dieser Botschaft auf die Tagsatzung am 31. Januar 1543 hatte die Stadt St. Gallen ihre Sonderposition in der Frage des Kammergerichtsunterhalts aufgegeben und ihre Beschwerden ebenfalls in die Hände der Eidgenossen gelegt. Von der Tagsatzung am 6. August 1543 brachte Ambrosi Eigen eine ausdrückliche Schutzzusage der Eidgenossen für den Fall mit, daß St. Gallen oder einem ihrer Bürger wegen der Nichtbefolgung der kaiserlichen Mandate irgendein Schaden zustoße 219 . Während die Eidgenossen für die Forderung des Reichs nach Türkenhilfe noch ein gewisses Verständnis zeigten, den Kammergerichtsunterhalt aber von vornherein ablehnten und dann gerade wegen der Verknüpfung der Türkenhilfe mit der Frage des Kammergerichts auch bei der Türkenhilfe zu einer kompromißlosen Haltung fanden, war es bei St. Gallen genau umgekehrt: Die grundsätzliche Bereitschaft, zum Unterhalt des Kammergerichts beizutragen, geriet erst ins Wanken, als das Reich sich in der Frage der Türkenhilfe unnachgiebig zeigte. Da seit 1541 die in der Matrikel aufgeführten Städte und Äbte auch mehrfach wieder zur Türkenhilfe aufgefordert worden waren, wurden nunmehr beide Arten von Reichsanlagen häufig gemeinsam behandelt, und zwar sowohl von Reichs- als auch von eidgenössischer Seite. In dem Schreiben der Eidgenossenschaft an Karl vom 14. Februar 1543 wurde denn auch auf beide Forderungen eingegangen220 und zur Begründung auf die angebliche Befreiung von der Zahlungsverpflichtung durch Pfalzgraf Friedrich 1522 verwiesen, d.h. die Eidgenossen hielten es nicht für nötig, eigens zu begründen, warum die Städte und Äbte nicht zum Unterhalt des Kammergerichts verpflichtet seien. Eine Begründung blieben auch die folgenden Briefe, die sich zumeist gegen Türkenhilfe und Kammergerichtsunterhalt verwahrten, schuldig. Erstaunlicherweise stand die

217

Dr. Felix Raitter an St. Gallen, Speyer, 6.1.1543 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.16). 218

Instruktion auf die Tagsatzung am 31.1.1543 an die sechs Orte (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.7). St. Gallen wandte sich also zunächst nicht an die Eidgenossenschaft an sich, sondern ganz korrekt an die sechs Orte, mit denen die Stadt 1454 den Bund abgeschlossen hatte. 219

StadtA St. Gallen, RP 1543, S. 60.

220

Eidgenossenschaft an Karl, Baden, 14.2.1543 (StadtA St. Gallen, Tr.VII,

Nr. 8.9).

E. Die Eidgenossen und die Finanzverfassung des Reichs

183

Türkenhilfe dabei stets im Vordergrund der Argumentation, und so nimmt es auch nicht wunder, daß das Schreiben Karls vom 26. März 1544 lediglich die Prozesse wegen Türkenhilfe kassierte. Die Prozesse wegen Nichtbezahlung des Kammergerichtsunterhalts wurden vom Fiskal demzufolge fortgesetzt. Am 2. Oktober 1544 informierte Hos Basel, daß die Stadt nun endgültig mit der Verhängung der Acht rechnen müsse 221 , das gleiche gelte für St. Gallen und Mülhausen 222 . Da die Städte und Äbte im Sommer 1544 auch erneut Mandate zur Leistung von Türkenhilfe erhalten hatten, schrieben sie am 18. Dezember ein weiteres Mal an den Kaiser und baten um die Einstellung der Prozesse, wie er es ihnen am 26. März zugesagt habe 2 2 3 . In diesem Schreiben erwähnten sie nun ausdrücklich sowohl die Prozesse wegen der Türkenhilfe als auch die wegen des Kammergerichtsunterhalts, und in seiner Antwort vom 14. Januar 1545 nahm Karl auch explizit auf beides Bezug 2 2 4 . Zwar sistierte Karl die Prozesse nur bis zu seiner Ankunft im Reich auf dem Reichstag in Worms, doch sollte die Regelung Bestand haben. Ebenso wie bei der Türkenhilfe hatten Kaiser und Reich also nicht den Anspruch auf einen Beitrag der Städte und Äbte zum Kammergerichtsunterhalt aufgegeben, sondern nur dessen juristische Durchsetzung für eine gewisse Zeit ausgesetzt. Für einige Jahre jedenfalls herrschte Ruhe. Im August 1547 jedoch erfuhr Basel erneut von Prozessen des Fiskals gegen die Stadt wegen des Kammergerichtsunterhalts 225. Offenbar brachte Basel dies vor die Tagsatzung, denn auf einer Tagsatzung am 7. Mai 1548 erklärten die kaiserlichen Gesandten, daß Karl ihnen geschrieben habe, die Zusendung der Mandate sei aus Versehen geschehen226. Mehr noch als diese Zusicherung dürfte die Tagsatzungsboten das Schriftstück beruhigt haben, das Schaffhausen im städtischen Archiv gefunden 221

Hos an Basel, 2.10.1544 (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C 2).

222

Schaffhausen wurde von Hos nicht erwähnt. Es ist jedoch anzunehmen, daß gegen Schaffhausen genauso vorgegangen wurde. Basel erwähnte in einem Schreiben an Mülhausen, in dem es Mülhausen zur Teilnahme an der nächsten Tagsatzung aufforderte, denn auch Prozesse gegen alle vier Städte (Basel an Mülhausen, 28.10.1544 (StA Basel, Missiven A 31, S. 663)). 223

EA 4/ld, Nr. 204, S. 443.

224

Karl an die Eidgenossenschaft, Gent, 14.1.1545 (StadtA St. Gallen, Tr.VII, Nr. 8.22). 225

Basel an N.N., 26.8.1547 (StA Basel, Missiven A 32, S. 195).

226

EA 4/ld, Nr. 430, S. 942.

184

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

hatte. Es handelte sich dabei um einen Auszug aus dem Abschied des Augsburger Reichstages 1547/48, in dem der Beschluß über einen Anschlag zum Kammergerichtsunterhalt wiedergegeben wurde, mit der Ergänzung, daß auf dem Reichstag beschlossen worden sei, gegen folgende Stände deshalb nicht zu prozessieren: die Bischöfe von Lausanne und Genf, die Äbte von St. Gallen, Schaffhausen, Stein a.Rh., Einsiedeln, Pfäfers, Disentís, die Städte St. Gallen, Schaffhausen, Mülhausen und Basel 227 . Mit diesem Beschluß des Reichstages hatte das Reich vor der Zahlungsverweigerung der Eidgenossen kapituliert: Der Anspruch wurde zwar aufrechterhalten, aber es wurde gleichzeitig erklärt, daß man auf die Eintreibung der Gelder verzichten werde. Dieser Beschluß klingt zunächst so, als ob die betreffenden Äbte und Städte weiterhin zur Zahlung aufgefordert worden wären. Dies scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein, da in den eidgenössischen Archiven solche Mandate nicht überliefert sind. In der Liste der Äbte, gegen die nicht prozessiert werden sollte, fehlten die Äbte von Kreuzlingen und St. Johann. Von daher war es nur folgerichtig, daß die beiden Äbte wegen Nichtbezahlung des Kammergerichtsunterhalts vor das Kammergericht zitiert wurden 228 . Dabei handelte es sich aber erneut um ein Versehen, wie Heggentzer, der Gesandte Ferdinands in der Eidgenossenschaft, den Eidgenossen versichern konnte: Er, Heggentzer, habe den Fiskal deswegen angesprochen, der ihm geantwortet habe, er habe nicht gewußt, daß diese Klöster in der Schweiz lägen; er werde also mit den Prozessen stillstehen229. Damit war das Kapitel Kammergerichtsunterhalt für die Eidgenossen endgültig erledigt. Auch hier hatten die Eidgenossen kaum eigentlich Position bezogen, obwohl ihre Stellung in diesem Fall klarer war als in der Frage der Türkenhilfe. Im Grunde waren sie wohl allesamt der Meinung, daß sie, da sie von der Reichsgerichtsbarkeit befreit wären (bzw. sich befreit glaubten), nicht verpflichtet seien, zum Unterhalt eines Reichsgerichts beizutragen. Dies wurde so explizit - mit Ausnahme des Amerbach-Gutachtens - aber nicht ausgesprochen. Noch weniger als bei der Türkenhilfe führten die Eidgenossen wirklich Argumente für ihre Überzeugung an, von den Zahlungen befreit zu sein.

227

EA 4/1 d, Nr. 430, S. 948.

228

EA 4/1 e, Nr. 12, S. 35. Zwar brachte auf der Tagsatzung nur der Abt von Kreuzlingen seine diesbezügliche Beschwerde vor, doch erwähnte Heggentzer in seinen Ausführungen auch ein Mandat gegen den Abt von St. Johann. 229

EA 4/1 e, Nr. 12, S. 35.

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit Alle eidgenössischen Orte hatten im Laufe des Spätmittelalters in der einen oder anderen Form Privilegien erworben, die sie von fremder Gerichtsbarkeit befreiten 1. Damit konnten Prozesse gegen ihre Bürger und Untertanen in erster Instanz nur vor den Gerichten der jeweiligen Orte angestrengt werden. Dies bedeutete indessen zunächst nicht notwendigerweise eine Abwendung von der Reichsgerichtsbarkeit, sondern entsprach dem allgemeinen Streben der spätmittelalterlichen Obrigkeiten in allen Teilen des Reichs nach Festigung ihrer Gerichtshoheit und damit auch ihrer Obrigkeit schlechthin. Mit der Errichtung des Reichskammergerichts im Jahre 1495 verloren diese Privilegien freilich an Bedeutung, da Prozesse gegen Untertanen von Reichsständen in erster Instanz nunmehr grundsätzlich an das Gericht des jeweiligen Reichsstandes gewiesen waren. Das Evokationsrecht des Königs war somit hinfällig geworden und die privilegia de non evocando praktisch überflüssig. Dessen ungeachtet ließen sich die eidgenössischen Orte diese Privilegien weiterhin bestätigen. Die Zuständigkeit des Reichskammergerichts erstreckte sich - außer auf Landfriedenssachen - in erster Linie auf Prozesse gegen Reichsunmittelbare und auf Appellationsverfahren. Um die Möglichkeit der Appellation ihrer Untertanen von ihrem Gericht an das Kammergericht zu verhindern, konnten die Reichsstände sich privilegia de non appellando verleihen lassen, was sie denn auch in großer Zahl taten2. Die eidgenössischen Orte verfügten indessen nicht über Appellationsprivilegien, von ihren Gerichten konnte also an das Reichskammergericht appelliert werden. Daß sie sich nicht um den Erwerb solcher Privilegien bemühten, dürfte daran gelegen haben, daß deren Erwerb erst zu einem Zeitpunkt - nämlich nach der Errichtung des Reichskammergerichts dringlich erschien, als die Eidgenossen ohnehin glaubten, von der Reichsgerichtsbarkeit befreit zu sein, den Erwerb derartiger Privilegien also für unnötig 1

Siehe die Übersicht bei Schuler-Alder, Reichsprivilegien, S. 236-238. Auch die später hinzukommenden Orte verfügten über solche Privilegien. 2

Siehe dazu U. Eisenhardt, Die kaiserlichen privilegia de non appellando (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 7), Köln/Wien 1980, der eine Übersicht und einen Abdruck der wichtigsten Appellationsprivilegien bietet.

186

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

erachteten. Die territoriale Zuständigkeit des Reichskammergerichts war nirgends genau festgelegt, d.h. aber auch, sie war in keiner Weise eingeschränkt und erstreckte sich demnach auf das ganze Reich, mithin auch auf die Eidgenossenschaft. Die rechtliche Situation für die Eidgenossenschaft stellte sich nach der Errichtung des Kammergerichts 1495 folgendermaßen dar: Klagen gegen eidgenössische Bürger und Untertanen mußten vor dem Gericht des Ortes des Beklagten vorgebracht werden; so bestimmten es nicht nur die Freiheiten von fremder Gerichtsbarkeit der einzelnen Orte, sondern auch die Kammergerichtsordnung von 14953. Lediglich bei Rechtsverweigerung konnte sich der Kläger bereits in erster Instanz an das Kammergericht wenden; außerdem konnte (unter Beachtung der Appellationssumme) an das Kammergericht appelliert werden. Prozesse gegen die eidgenössischen Orte jedoch gehörten vor das Reichskammergericht, und zwar bereits in erster Instanz. Dies galt freilich nicht für Streitigkeiten der eidgenössischen Orte untereinander, für die schiedsgerichtliche Verfahren vorgesehen waren 4, so daß die subsidiäre Tätigkeit des Reichskammergerichts hier nicht zum Zuge kam. Verändert wurde die Rechtslage auch nicht durch den Basler Frieden 1499, in dessen Art. 9 zwar alle beim Kammergericht anhängigen Prozesse gegen die Eidgenossen und ihre Zugewandten aufgehoben wurden, der aber mit keinem Wort die prinzipielle Zuständigkeit des Reichskammergerichts für die Eidgenossenschaft bestritt. Die Eidgenossen verfügten also nicht - weder insgesamt noch die einzelnen Orte - über eine Exemtion von der Reichsgerichtsbarkeit, die jegliche Tätigkeit der Reichsjustiz ausgeschlossen hätte und die damit wesentlich umfassender gewesen wäre

3

Auch zahlreiche eidgenössische Bundesbriefe enthielten einen entsprechenden Artikel, der die Kläger an das Gericht des Heimatortes des Beklagten verwies. Vgl. Bund der 4 Waldstätte mit Zürich von 1351 (QW 1/3, Nr. 942); Bund mit Zug (ebd., Nr. 995); Bund zwischen Zürich und Bern (SRQ Bern 4/1, Nr. 145). Diese Regelungen waren allerdings nicht so sehr gegen die Reichsgerichtsbarkeit gerichtet, sondern sollten die gerichtliche Zuständigkeit der einzelnen Orte für ihre Bürger und Untertanen vor Eingriffen anderer Herrschaften schützen. 4

Die eidgenössischen Bundesbriefe enthielten alle mehr oder weniger detaillierte Vorschriften, wie bei Streitigkeiten zwischen den Orten verfahren werden sollte. Gemeinsam war allen Briefen, daß sie eine Pflicht zur Lösung solcher Streitigkeiten durch schiedsgerichtliche Verfahren enthielten, unterschiedlich waren lediglich die Details über die Wahl des Schiedsgerichts und des Ortes, die Wahl eines Obmanns bei Stimmengleichheit etc.

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

187

als eine Freiheit von fremder Gerichtsbarkeit 5. Es bleibt also festzuhalten, daß formal das Reichskammergericht auch für das Gebiet der Eidgenossenschaft zuständig war und daß die eidgenössischen Orte keinerlei Privilegien vorweisen konnten, die sie mehr als andere Städte im Reich von den höchsten Reichsgerichten befreiten. Dennoch waren die Eidgenossen überzeugt, von der Reichsgerichtsbarkeit befreit zu sein. Dies betonten sie insbesondere aus Anlaß der Verfahren, die wegen der nicht bezahlten Reichsanlagen vor dem Reichskammergericht gegen einige Orte angestrengt worden waren. Diese Tatsache schien für die Eidgenossen so zweifelsfrei festzustehen, daß sie eine genauere Begründung ihrer Behauptung für unnötig erachteten. Die typische und so stets wiederkehrende Formulierung lautete vielmehr, "weil sie von ausländischen Gerichten und besonders vom Kammergericht befreit seien"6. So allgemein diese Formulierung auch ist, so erlaubt sie doch gewisse Rückschlüsse, worauf die Eidgenossen ihre Befreiung von der Reichsgerichtsbarkeit zurückführten. Die Rede ist stets von 5

Dies zu betonen erscheint vor allem auch deshalb wichtig, weil selbst in der modernen rechtsgeschichtlichen Literatur die Begriffe zum Teil nicht streng auseinandergehalten werden, so daß auch das Verhältnis der Eidgenossenschaft zur Reichsgerichtsbarkeit unklar bleibt. Sellert z.B. formuliert insoweit korrekt, als er ziemlich allgemein bleibt und eindeutige juristische Termini vermeidet: "Fremder Rechtsprechung hatte sich die Schweiz entzogen und duldete keine Appellation mehr an die Reichsgerichte.... Im Frieden von Basel 1499 mußte das Reich seine Forderungen fallen lassen und die schwebenden Prozesse niederschlagen. Praktisch schied die Schweiz damit aus dem Reich aus". (W. Sellert, Über die Zuständigkeitsabgrenzung von Reichshofrat und Reichskammergericht insbesondere in Strafsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte N.F. 4) Aalen 1965, S. 41). Lorenz schreibt dann unter Hinweis auf die zitierte Stelle bei Sellert: "Mit der Schweiz, die seit 1499 nicht mehr der Rechtsprechung des Reichskammergerichts unterlag, habe ich bereits zu jenen Territorien des Reiches übergeleitet, die von jeglicher Jurisdiktion der höchsten Reichsgerichte befreit - exemt - waren." (S. Lorenz, Das Reichskammergericht. Ein Überblick für den angehenden Benutzer von Reichskammergerichts-Akten über Geschichte, Rechtsgang und Archiv des Reichsgerichtes mit besonderer Berücksichtigung des südwestdeutschen Raumes, in: ZWLG 43 (1984), S. 175-203, hier S. 193). Dies ist freilich eine unzulässige und unzutreffende Zusammenfassung der vorsichtigeren Formulierungen Sellerts, aber nicht untypisch für die Aussagen über das Verhältnis der Eidgenossenschaft zur Reichsgerichtsbarkeit. 6

EA 4/ld, Nr. 116, S. 216; Eidgenossenschaft an Karl, Baden, 14.2.1543 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.9); Eidgenossenschaft an Ferdinand, Baden, 18.4.1543 (StA Basel, Fremde Staaten Deutschland C2).

188

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

den Eidgenossen allgemein und nicht von den einzelnen Orten, ebensowenig von den einzelörtischen Privilegien. Die Eidgenossen rekurrierten also nicht auf die den einzelnen Orten erteilten Freiheiten vonfremder Gerichtsbarkeit 7, sondern führten ihre Befreiung von der Reichsgerichtsbarkeit auf den Basler Frieden zurück, der die Eidgenossenschaft insgesamt anging und der das Kammergericht ausdrücklich erwähnte. Die behauptete Befreiung von der Rechtsprechung des Kammergerichts enthielt der Frieden jedoch, wie bereits festgestellt, keineswegs. Dessen ungeachtet verwies der Abt von Kreuzlingen bereits 1522 auf den Basler Frieden, als er nach Erhalt eines kaiserlichen Zahlungsmandates die Tagsatzung um Hilfe bat, da er glaube, "wie Andere in der Eidgenossenschaft durch den Vertrag von Basel von dem Kammergericht und dergleichen Mandaten befreit zu sein"8. Etwas vorsichtiger äußerte sich der St. Galler Stadtarzt und Politiker Vadian 1543. Er empfahl nämlich, den Basler Frieden wegen der Pflicht zum Kammergerichtsunterhalt zu untersuchen, in der Hoffnung, dabei festzustellen, daß mit dem Wegfall der Reichsanlagen auch das Kammergericht hinfällig würde 9. Vadian war sich also in der Beurteilung der Rechtslage unsicher, sah aber ebenfalls im Basler Frieden den entscheidenden Text. Hier dürfte die politische Bedeutung des Basler Friedens seine juristische Beurteilung überlagert haben. Der Schwabenkrieg wurde zu Recht als einschneidendes Ereignis für das Verhältnis zwischen der Eidgenossenschaft und Habsburg empfunden. Allerdings war offensichtlich bereits wenige Jahrzehnte später das Wissen weitgehend verlorengegangen, daß es sich 1499 um einen Konflikt mit Österreich und nicht mit dem Reich gehandelt hatte. Statt dessen wurde der Krieg nun von eidgenössischer Seite als ein Krieg mit dem Reich verstanden. Aus dieser politischen Interpretation wurde dann der Schluß gezogen, daß der am Ende dieses Konflikts stehende Vertrag demzufolge das entscheidende juristische Dokument für das Verhältnis von Eidgenossenschaft und Reich sein müsse, eine Fehleinschätzung, die bekanntlich außerordentlich langlebig war. Die Erwähnung des Kammergerichts in Art. 9 erleichterte diese Interpretation. Eine präzise juristische Auseinandersetzung mit dieser Frage fand offensichtlich nicht statt, zumindest finden sich nirgends Spuren davon. Entscheidend war

7

Darauf deutet auch die Verwendung des Ausdrucks "ausländische Gerichtsbarkeit" hin. 8 9

EA 4/la, Nr. 90, S. 204.

Instruktion St. Gallens für Ambrosi Eigen auf die Tagsatzung vom 15.4.1543 (StadtA St. Gallen, Tr. VII, Nr. 8.10).

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

189

vielmehr der politische Wille, daß man sich der Reichsgerichtsbarkeit nicht unterwerfen wollte. Konfrontiert mit der Jurisdiktion des Reichskammergerichts wurden die Eidgenossen vor allem durch die Prozesse, die der Fiskal gegen Basel, Schaffhausen und St. Gallen sowie die Schweizer Äbte wegen Nichtbezahlung der Reichsanlagen anstrengte. Diese Prozesse zeigen, daß das Reich - in Gestalt des Fiskals - von der Zuständigkeit des Reichskammergerichts auch für das Gebiet der Eidgenossenschaft überzeugt war. Daß die Verfahren gegen verschiedene eidgenössische Orte wegen Nichtbezahlung der Reichsanlagen nicht weiterverfolgt, sondern vom Kaiser aus politischen Gründen niedergeschlagen wurden, bedeutete freilich keine Aufgabe des Rechtsstandpunktes, daß das Reichskammergericht für solche Prozesse gegen die eidgenössischen Orte zuständig war. Die Fiskalprozesse bildeten aber nur einen Sonderbereich der Rechtsprechung des Reichskammergerichts und können keineswegs als repräsentativ für die Tätigkeit des Gerichts gelten. Zu fragen ist deshalb nach der tatsächlichen Rechtsprechung des Reichskammergerichts über eidgenössische Untertanen wie über die eidgenössischen Orte selbst. Ranieri hat nämlich zu Recht darauf hingewiesen, daß die formale Zuständigkeit der Reichsjustiz nicht mit ihrer räumlichen Wirksamkeit gleichgesetzt werden kann und darf, sondern daß die tatsächliche Inanspruchnahme und damit auch Wirksamkeit des Reichskammergerichts eigens untersucht werden müsse10. Aus dem von ihm erhobenen Datenmaterial läßt sich denn auch "der Rückzug der Reichsjustiz aus der Eidgenossenschaft deutlich herauslesen"11. Dieser Prozeß soll im folgenden etwas genauer beleuchtet werden 12: 10

Ranieri, Recht und Gesellschaft 1, S. 155-158.

11

Ranieri, Recht und Gesellschaft 1, S. 183.

12

Die Prozeßakten des Reichskammergerichts wurden nach dem Wohnsitz des Beklagten archiviert; die Akten mit Beklagten aus der Schweiz liegen heute gesammelt im sogenannten "Untrennbaren Bestand" im Bundesarchiv in Frankfurt. Akten mit Klagen aus der Schweiz gegen andere Reichsstände befinden sich dagegen in den Archiven der Nachfolgestaaten der beklagten Reichsstände, dies gilt entsprechend für eventuelle Appellationsverfahren. Um solche Fälle stichprobenartig zu erfassen, wurde der bisher vorliegende, die Buchstaben A-D umfassende Band der Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Stuttgart durchgesehen. Den Stuttgarter Akten wurde trotz ihrer Unvollständigkeit der Vorzug vor Akten anderer Territorien gegeben, da gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem nahegelegenen Württemberg wahrscheinlicher sind als mit weiter entfernten Gebieten. Auf eine quantifizierende Auswertung der Prozesse

190

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Aufgrund der Akten des Bundesarchivs Frankfurt und des HStA Stuttgart kommt man zu dem Ergebnis, daß das Reichskammergericht für die Rechtsprechung in der Eidgenossenschaft insgesamt nur eine geringe Rolle spielte. Es gibt allerdings einige typisch gelagerte Fälle von Prozessen, die vor das Reichskammergericht gelangten: Der Weg vor das Reichskammergericht war beispielsweise die einzige Möglichkeit, vor Gericht Recht zu erlangen, wenn eidgenössische Bürger Ansprüche gegen Reichsfürsten durchsetzen wollten. So sah sich der Herzog von Württemberg 1631 zwei Klagen aus Basel wegen nicht erfüllter Obligationen gegenüber13. Ebenfalls vor das Reichskammergericht führten Verfahren, bei denen eidgenössische Bürger in erster Instanz vor einem

mußte verzichtet werden, da die Datenmenge hierfür viel zu klein ist. Im Untrennbaren Bestand finden sich nicht einmal zwanzig Prozesse mit eidgenössischer Beteiligung, im HStA Stuttgart, A-D, sogar nicht einmal halb so viele, deren Zahl sich bei genauer Betrachtung zudem weiter reduziert: Von den in der Einleitung des Stuttgarter Repertoriums genannten 10 Prozessen mit Schweizer Parteien (Akten des Reichskammergerichts im HStA Stuttgart 1, S. 68) fällt einer von vornherein weg, da es sich um eine Klage des Bischofs von Chur handelt (ebd., Bü 658). Drei Fälle sind Klagen von eidgenössischen Bürgern, die diese zusammen mit Personen, die nicht in der Eidgenossenschaft ansässig waren, vorbrachten (ebd., Bü 94, Bü 549, Bü 630; ebenso Koser, Repertorium 1, Nr. 316), weil es sich bei den Klägern z.B. über eine auf mehrere Städte verteilte Familie handelte (Akten des Reichskammergerichts im HStA Stuttgart 1, Bü 630. Mitglieder der Familie Conrater aus Schaffhausen und Memmingen traten hier als Kläger auf) oder um Güterstreitigkeiten mit Beteiligten aus verschiedenen Orten. Diese Fälle taugen demnach nicht als Beispiel für die eidgenössische Inanspruchnahme des Reichskammergerichts; sofern es sich dabei um Appellationsverfahren handelte, wurde auch nicht von einem eidgenössischen Gericht an das Reichskammergericht appelliert. In einem weiteren Fall appellierte eine Zürcherin, die aber mittlerweile nach Ulm gezogen war, vom Stadtgericht Ulm an das Reichskammergericht (ebd., Bü 66), der Fall gehört also ebensowenig in diesen Zusammenhang. Dies gilt auch für die Klage eines Basler Domkapitulars gegen seine Verwandten, da das Fürstbistum Basel trotz zeitweilig enger Verbindungen zu den katholischen Orten hier nicht behandelt werden soll, da die Fürstbischöfe von Basel sich stets als Reichsfürsten und nie als Eidgenossen verstanden. Eine Appellation vom bischöflichen Hofgericht in Pruntrut an das Kammergericht unterschied sich von daher prinzipiell nicht von der Appellation von einem beliebigen anderen bischöflichen Gericht im Reich; entsprechende Fälle sind denn auch nicht selten. 13

Akten des Reichskammergerichts im HStA Stuttgart 1, Bü 521 und 522.

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

191

nichtschweizerischen Gericht geklagt hatten, wenn es in diesen Verfahren zu einer Appellation kam 1 4 . Dagegen war es der Eidgenossenschaft gelungen, die Appellation von eidgenössischen Gerichten an das Reichskammergericht zu unterbinden 15, Appellationen von eidgenössischen Gerichten an das Reichskammergericht finden sich in dem vorliegenden Material mit einer Ausnahme nicht 16 . Bei innereidgenössischen Streitigkeiten bestand offensichtlich kein Bedürfnis, sich an die Reichsgerichte zu wenden: Dies gilt für Klagen von Bürgern gegen Bürger ebenso wie für Klagen von Bürgern gegen Obrigkeiten. Für Streitigkeiten zwischen einzelnen Orten waren Schiedsgerichtsverfahren in den meisten Bundesbriefen ohnehin vorgeschrieben 17. Schiedsgerichtliche Verfahren hatten sich in der Eidgenossenschaft aber weit über diesen vorgeschriebenen Bereich hinaus verbreitet; sie kamen auch bei Klagen von Bürgern gegeneinander oder von Bürgern gegen einen Ort zum Einsatz. Genau festgelegte Verfahren und Zuständigkeiten gab es dabei nicht. Häufig war es indessen so, daß Bürger - vor oder nach einer ersten gerichtlichen Klage - ihre Sache beim Rat ihres Heimatortes vorbrachten und um Unterstützung baten. Gelang es ih-

14

Akten des Reichskammergerichts im HStA Stuttgart 1, Bü 71, Bü 86; Koser, Repertorium 1, Nr. 144 und Nr. 519. 15

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Gerichtsbarkeit der eidgenössischen Orte. Für die Gemeinen Herrschaften fungierte die Tagsatzung als Appellationsinstanz. 16

Jakob Fislissdorfer aus Freiburg hatte 1640 gegen einige Basler wegen einer Kaution von 8700 fl. geklagt und war damit auch erfolgreich gewesen. Die Verhandlung fand in erster Instanz vor dem Rat in Freiburg statt, ungeachtet der wiederholten Proteste Basels, daß dies gegen die Freiheiten der Stadt von fremder Gerichtsbarkeit verstoße (EA 5/2.1, Nr. 854, S. 1082; Nr. 904, S. 1140). Daraufhin appellierten die Beklagten an das Reichskammergericht. Der weitere Verlauf des Prozesses ist dann bereits Teil der Vorgeschichte der Mission Wettsteins zum Friedenskongreß von Münster und Osnabrück, da dieser Prozeß in die Reihe derjenigen Fälle gehört, die Basel veranlaßten, auf eine Klärung der Rechtsverhältnisse zu drängen. Während der Prozeß weiter andauerte, war inzwischen der Westfälische Frieden geschlossen worden, und am 30.12.1650 erging ein kaiserliches Schreiben an das Reichskammergericht, daß die Stadt Basel ebenso wie die übrigen eidgenössischen Orte exemt sei. Dennoch scheint es zu einem Urteil gekommen zu sein (Koser, Repertorium 1, Nr. 518). 17

Einige wenige Bundesbriefe sahen die Schiedsgerichtsbarkeit auch bei Klagen

192

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

nen, den Rat für ihre Angelegenheit zu interessieren, brachten die Gesandten die Sache auf der Tagsatzung und gegenüber den Gesandten des Ortes der Gegenpartei zur Sprache und schlugen eventuell ein Schiedsgerichtsverfahren oder eine anderweitige gütliche Einigung vor. Zu einem solchen Vorgehen waren die Orte insbesondere dann bereit, wenn zu befürchten stand, daß der Streitfall sich ausweiten und zu einer Bedrohung des allgemeinen Friedens oder der Eintracht zwischen den Orten werden könnte18. Hatte ein solches Schiedsgerichtsverfahren stattgefunden, erledigte sich auch die Frage einer Appellation von selbst, da von diesen schiedsgerichtlichen Urteilen nicht appelliert werden durfte. Der Eidgenossenschaft war damit gelungen, was zahlreiche Reichsfürsten später versuchten, nämlich die Appellation an das Reichskammergericht durch das Angebot landesherrlicher Güteverfahren für die eigenen Untertanen unattraktiv zu machen und damit die Prozesse im Land zu halten19. Lediglich Basel, wo diese jahrhundertealte Tradition eidgenössischer Schiedsgerichtsbarkeit nicht bestand, erließ 1517 ein Appellationsverbot20, stand damit in der Eidgenossenschaft jedoch offensichtlich allein. So läßt sich bei aller gebotenen Vorsicht wegen der äußerst schmalen Datenbasis folgender Schluß formulieren: Zur Lösung innereidgenössischer Streitigkeiten wurde das Reichskammergericht nicht in Anspruch genommen. Wenn dennoch einzelne Bürger hin und wieder mit dem Reichskammergericht in Berührung kamen, so handelte es sich dabei stets um Streitigkeiten zwischen eidgenössischen Bürgern und Untertanen nichteidgenössischer Obrigkeiten, die in erster Instanz vor einem nichteidgenössischen Gericht ausgetragen worden wa-

von Untertanen bzw. Bürgern gegen einen Ort vor, so der Bund zwischen Zürich und Bern von 1423 (SRQ Bern 4/1, Nr. 145) und der Basler Bund (EA 3/2, Beilage Nr. 5). 18

E. Usteri, Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht in der schweizerischen Eidgenossenschaft des 13.-15. Jahrhunderts, Zürich 1925, S. 209-211. Diese eidgenössischen Schiedsgerichtsverfahren waren wesentlich älter als das Reichskammergericht und bei dessen Errichtung 1495 längst so etabliert, daß das Kammergericht für die eidgenössischen Untertanen keine emsthafte Alternative darstellte. 19

J. Weitzel, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 4), Köln/Wien 1976, S. 270. Auf diese Weise vermieden die Fürsten den - ungesetzlichen - Weg eines Appellationsverbotes, wenn es ihnen z.B. nicht gelungen war, ein Privilegium de non appellando zu erlangen. 20

Rechtsquellen von Basel, Stadt und Land 1, Basel 1856, S. 313f.

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

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ren. Auch in diesen Fällen appellierten im allgemeinen nicht die eidgenössischen Prozeßbeteiligten an das Reichskammergericht, sondern der jeweilige Gegner. Eine völlige Abschottung der Eidgenossenschaft von der Reichsgerichtsbarkeit fand bis zum Westfälischen Frieden also zwar nicht statt, allerdings war die Bedeutung der Rechtsprechung des Reichskammergerichts für die Eidgenossenschaft minimal. Überhaupt war von vornherein nicht die gesamte Eidgenossenschaft von der Rechtsprechung des Reichskammergerichts betroffen, sondern nur deren nördlicher Rand: Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Appenzell und der Thurgau. Es finden sich keine Prozeßbeteiligten aus der Innerschweiz, aus Bern oder Zürich. Dies entspricht den Verhältnissen vor 1495, als für diese Gebiete die Reichsgerichtsbarkeit - sei es in Gestalt des Rottweiler Hofgerichts oder gar des königlichen Hofgerichts - ebenfalls schon keine Rolle mehr spielte. Insofern ist der oben zitierten Aussage Ranieris über den Rückzug der Reichsjustiz aus der Eidgenossenschaft nur bedingt zuzustimmen, da dieser Rückzug für den größten Teil der Eidgenossenschaft keineswegs erst im Zusammenhang mit der Errichtung des Reichskammergerichts einsetzte, sondern eine wesentlich ältere Erscheinung darstellt. Die Eidgenossen hatten sich an ihre jurisdiktionelle Autonomie gewöhnt, was ihren Widerstand gegen das Reichskammergericht zu einem beträchtlichen Teil erklärt. Zudem hatten sie mit ihrer Jurisdiktion überwiegend positive Erfahrungen gemacht und ein Maß an Rechtssicherheit erreicht, das über das sonst im Reich übliche weit hinausging. Von daher empfanden sie die Errichtung eines neuen Gerichtes keineswegs als notwendig; auch hierin unterschieden sie sich wesentlich von anderen Teilen des Reichs21. Dies gilt für die achtörtige Eidgenossenschaft und wohl auch für Solothurn, das 21

Die durch die Rechtsprechung des Reichskammergerichts geförderte Rezeption des gemeinen Rechts im Reich vertiefte den Graben zwischen der Rechtsentwicklung in der Eidgenossenschaft und im übrigen Reich zusätzlich, da die Eidgenossen diesen Prozeß kaum nachvollzogen. Dies äußerte sich z.B. ganz konkret darin, daß kaum mehr Studenten aus der Schweiz an den juristischen Fakultäten des Reichs studierten (F. Elsener, Die Schweizer Rechtsschulen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Privatrechts, Zürich 1975, S. 32). Eine Ausnahme bilden erneut Basel und St. Gallen (Vadian). So enthielt z.B. die Amerbachsche Bibliothek in Basel ganz selbstverständlich alle bedeutenden reichsrechtlichen Texte wie Reichsabschiede, Kammergerichtsordnungen oder den Augsburger Religionsfrieden (Thieme, Amerbach, S. 150). Und Basilius Amerbach verbrachte im Rahmen seiner Ausbildung 1560 auch 9 Monate am Reichskammergericht in Speyer, ein deutliches Indiz für die Hochschätzung der Bedeutung des Gerichts durch seinen Vater (ebd., S. 147). 13 Braun

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Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

ja ungeachtet der Tatsache, daß es erst 1481 die vollberechtigte Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft erlangte, längst eng mit den Eidgenossen verbunden war 2 2 . Die Eidgenossen hielten deshalb an ihrem gut ausgebauten Schiedsgerichtswesen fest, während das Reichskammergericht sich im übrigen Reich nicht zuletzt deshalb durchsetzte, weil die - 1495 ja durchaus vorgesehenen Austrägalverfahren nicht funktionierten. Grundsätzlich anders hatte sich die Gerichtsbarkeit in den genannten nördlichen Regionen entwickelt. Zwar hatten selbstverständlich auch Basel, Schaffhausen und St. Gallen versucht, ihre Gerichtsbarkeit möglichst innerhalb der Stadtmauern zu halten. Wenn dies aber nicht durchführbar war, blieb nur der Weg an die Reichsgerichte23. Das Landgericht im Thurgau war als kaiserliches Landgericht ohnehin ein unteres Reichsgericht und damit fest in die Reichsgerichtsbarkeit eingebunden. Die Reichsgerichte als Möglichkeit, sein Recht zu erlangen, waren hier also viel mehr in der Rechtspraxis und im Bewußtsein verankert. So ist es zu erklären, daß auch nach der Zugehörigkeit dieser Gebiete zur Eidgenossenschaft von hier eher der Weg an das Reichskammergericht beschritten wurde als aus der übrigen Eidgenossenschaft. Hinzu kam, daß in den nördlichen Randgebieten die Kontakte ins Reich - nicht zuletzt auf wirtschaftlichem Gebiet - weiterhin wesentlich enger und damit das Potential an Rechtsstreitigkeiten größer war. Entscheidend für die unterschiedliche Inanspruchnahme des Reichskammergerichts waren also nicht eine unterschiedliche Rechtslage und Zuständigkeit, sondern eine unterschiedliche Tradition. Weitgehend allen üblichen Kategorien entzog sich der berühmteste Prozeß gegen St. Gallen vor dem Kammergericht: der sogenannte Varnbüler-Prozeß 24. 22

In bezug auf die Rechtsprechung wird dies z.B. aus dem Bund Solothums mit Bern deutlich, der auch Regelungen über Schiedsgerichtsverfahren enthielt (SRQ Solothum I, Nr. 23). Keine genaueren Aussagen lassen sich dagegen über die Orientierung der Gerichtsbarkeit in Freiburg treffen, das von Österreich über Savoyen zur Eidgenossenschaft kam, aber stets über enge Kontakte zu Bern verfügte. 23

Im Untrennbaren Bestand sind selbstverständlich auch Fälle aus der Anfangszeit des Reichskammergerichts enthalten, so z.B. der Schwendiner- und der Vambüler-Prozeß CKoser, Repertorium 1, Nr. 535 und Nr. 619). Hierher gehören auch einige Klagen von Baslem aus den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts, also aus der Zeit vor der Zugehörigkeit Basels zur Eidgenossenschaft (Koser, Repertorium 1, Nr. 10 und Nr. 20). 24

Parallel dazu verlief der Schwendiner-Prozeß, also der Prozeß des ehemaligen Appenzeller Landammanns Hermann Schwendiner gegen seinen Heimatort. Im Vorder-

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

195

Der Prozeß war eine Folge des Rorschacher Klosterbruchs von 1489, d.h. des Versuchs St. Gallens und Appenzells, die Verlegung des St. Galler Klosters nach Rorschach zu verhindern 25. Nach einem Krieg der vier Schirmorte des Klosters - Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus - gegen St. Gallen und Appenzell wurde Bürgermeister Varnbüler 1490 im Friedensvertrag zwischen St. Gallen und den vier Schirmorten als der vermeintlich Hauptverantwortliche vom Frieden ausgeschlossen: Varnbüler, der inzwischen über Innsbruck nach Lindau geflohen war, durfte nicht mehr in seine Heimatstadt zurückkehren; seine außerhalb der Stadt St. Gallen gelegenen Güter wurden beschlagnahmt26. Bitten Varnbülers an seine Heimatstadt um Rehabilitierung waren vergebens; der Stadt waren in dieser Frage die Hände gebunden, war sie doch auf den Ausgleich mit den Schirmorten und der hinter diesen stehenden Eidgenossenschaft angewiesen: Varnbüler wandte sich deshalb zuletzt an den Kaiser, der den Prozeß dem königlichen Kammergericht übertrug. Ab 1495 wurde dann vor dem neuerrichteten Reichskammergericht verhandelt. Angeklagt war die Stadt St. Gallen, indirekt aber auch die Schirmorte und letztlich die Eidgenossenschaft, denn es ging ja um den Friedensvertrag von 1490. Das Reichsgericht entschied zugunsten der Varnbüler 27, doch St. Gallen verweigerte unter dem Druck der Eidgenossen die Zahlung des geforderten Schadensersatzes. Die Verhandlungen gingen weiter, am 9. September 1497 konnte schließlich unter Vermittlung König Maximilians eine 'Verständigung" erzielt werden: die Varnbüler erhielten ihren Besitz zurück.

grund der politischen Verhandlungen stand freilich stets der Vambüler-Prozeß, entsprechendes gilt für die Forschung. Dies dürfte nicht zuletzt an der größeren Bedeutung St. Gallens und den besseren Einflußmöglichkeiten der Varnbüler liegen. Es ist indessen nicht richtig, daß die Akten über den Schwendiner-Prozeß "grösstenteils verlorengegangen" sind, wie Bütler behauptet (Butler, Vambüler-Prozeß, S. XXXVIIIf.). Dies mag für die von Bütler durchgesehenen Archive (schweizerische Archive, Stadtarchiv Konstanz, TLA Innsbruck) zutreffen; sowohl über den Varnbüler- als auch über den SchwendinerProzeß hat sich jedoch ein umfangreicher Akt im sogenannten Untrennbaren Bestand der Akten des Reichskammergerichts erhalten (BA Frankfurt, AR 1 - A/293 und AR 1 A/335). 25

Zu den Ereignissen im einzelnen: Bütler, Vambüler-Prozeß, S. IX-XXVII; Härte, Klosterbruch. 26 27

Häne, Klosterbruch, S. 171f.; EA 3/1, Nr. 372.

Der ehemalige Bürgermeister war im Winter 1495/96 verstorben, Kläger waren nun seine Söhne Hans und Ulrich. 13*

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

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In den jahrelangen Auseinandersetzungen hatten die Eidgenossen St. Gallen in jeder Phase unterstützt. Sie hatten der Stadt nicht nur ausdrücklich empfohlen, den kaiserlichen Vorladungen Folge zu leisten28, sondern sogar etliche Male ihre Gesandten zu Reichstagen und zum König entsandt29. Dabei richtete sich der eidgenössische Protest stets nur gegen die inhaltliche Seite der gegen St. Gallen getroffenen Entscheidungen. Die Eidgenossen bestritten also dem König und den Reichsinstitutionen an keiner Stelle prinzipiell die Zuständigkeit in diesem Rechtsfall. Es handelte sich deshalb keineswegs um den Kampf der Eidgenossen gegen den Anspruch des Reichs auf die jurisdiktionelle Oberhoheit in der Eidgenossenschaft, nicht, wie Näf und andere behaupteten, darum, "ob die eidgenössischen Orte sich einem reichsgerichtlichen Spruche zu fügen hätten, oder wie weit sie "zugewandte" Aussenposten wie St. Gallen von der Reichsgewalt abzulösen, ihrem Schirm und Gebot zu unterstellen vermöchten" 30 . Die Eidgenossenschaft erklärte in diesem Fall, im Gegensatz zum 16. Jahrhundert, gerade nicht unter Hinweis auf ihre althergebrachten Privilegien die Jurisdiktion des Reichs von vornherein für unzulässig, sondern ließ sich auf den Prozeß über Jahre hinweg vor den unterschiedlichsten Instanzen und Gremien ein. Von den eidgenössischen Orten hatte insbesondere Basel immer wieder einmal mit dem Reichskammergericht zu kämpfen und war somit gezwungen, seine Haltung gegenüber dem Gericht eindeutig zu bestimmen. Dies soll an zwei Fällen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts illustriert werden. Im Jahre 1536 sah sich die Stadt der Klage eines ehemaligen Bürgers vor dem Reichskammergericht gegenüber: Michel Hagenbach, der mittlerweile in Straßburg ansässig war, klagte auf Lossprechung von einer Urfehde, die er in Basel geschworen hatte 31 . Daß eine der ersten Reaktionen Basels auf das Bekannt28

EA 3/1, Nr. 440, S. 415.

29

Zürcher Gesandte auf Rechtstag in Überlingen 1493 (Butler, Vambüler-Prozeß, Nr. 28); eidgenössische Gesandte auf Reichstag in Worms 1495 (EA 3/1, Nr. 505, S. 481); auf Reichstag in Lindau 1496 (ebd., Nr. 550, S. 519); zum König und verschiedenen Fürsten 1497 (Butler, Vambüler-Prozeß, Nr. 71, Nr. 73, Nr. 75-77); auf Reichstag in Worms 1497 (ebd., Nr. 86, Nr. 88f.); bei Maximilian in Innsbruck 1497 (ebd., Nr. 97, Nr. 100); auf Reichstag in Freiburg 1498 (ebd., Nr. 124-130). 30 31

Näf, Vadian 1, S. 106.

Hagenbach begründete seine Klage damit, daß die Urfehde unrechtmäßig gewesen sei. Die Vorgeschichte der Klage war einigermaßen verwickelt. Hagenbach hatte Klagen gegen Schuldner vor dem geistlichen Gericht vorgebracht und glaubte, daß die

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

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werden der Klage die Bemühungen um eine Bestätigung der städtischen Privilegien war, zeigt, wie wichtig die Stadt die Angelegenheit nahm. Offenbar war der Basler Rat überzeugt, daß die Klage Hagenbachs auch eine Folge der Tatsache war, daß sich die Stadt in den letzten Jahrzehnten ihre Privilegien nicht hatte bestätigen lassen, und glaubte, sich mit einer erneuten Privilegienbestätigung künftig vor solchen Klagen schützen zu können. Das Verfahren selbst ist außerordentlich gut dokumentiert 32, so daß sich die Argumentation der Parteien im Detail verfolgen läßt. Nachdem die Klage Hagenbachs zunächst zugelassen und Basel damit vor das Kammergericht geladen worden war 3 3 , stand die Stadt vor der Frage, ob sie sich auf einen Prozeß vor dem Reichskammergericht einlassen sollte oder nicht. Den offenen Ungehorsam gegen die Klage durch einfaches Ignorieren der Ladung scheinen die Basler Stadtväter nicht erwogen zu haben34. Auffallend ist ferner, daß Basel

Stadt ihm von da an ungünstig gesonnen gewesen sei. Deshalb seien bei Prozessen, die er vor dem Stadtgericht geführt habe, stets - völlig unberechtigt - für ihn ungünstige Urteile ergangen. Außerdem sei er ohne Grund ins Gefängnis geworfen worden und habe nach seiner Freilassung die Urfehde schwören müssen, die nun den Anlaß für die Klage bildete. Dadurch sei ihm die Möglichkeit genommen worden, weiter vor dem Basler Stadtgericht Recht zu erlangen, weshalb er sein Bürgerrecht aufgegeben habe. Da er das Unrecht nicht auf sich beruhen lassen wollte, klagte er auf Aufhebung der Urfehde, um seine Beschwerden vor dem Basier Stadtgericht vorbringen zu können (BA Frankfurt, AR 1- A/125, Q. 3). 32

Das Protokoll des Prozesses und die beim Reichskammergericht vorgelegten Schriftstücke der Parteien sind erhalten (BA Frankfurt, AR 1- A/125). Überdies finden sich im Staatsarchiv Basel Teile der Korrespondenz zwischen Basel und dem von der Stadt mit ihrer Vertretung beim Kammergericht beauftragten Prokurator, Dr. Christoph Hos. 33

Bei einem Antrag auf Lossprechung von einer Urfehde ("relaxatio iuramenti ad effectum agendi") mußte nach den Bestimmungen des Reichabschieds von 1530 zunächst die betroffene Obrigkeit um einen Bericht über ihre Sicht des Sachverhalts gebeten werden (B. Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 10), Köln/Wien 1981, S. 103). Dies geschah auch im vorliegenden Fall (Bitte um Bericht vom 6.4.1536 (BA Frankfurt, AR 1- A/125, Q. 18)). Erst dann konnte die Ladung ergehen. 34

Sie wollten "uff der Rom. key11 mt. unnsers aller gnedigistenn herrenn ußgangene citation gar ungern als ungehorsame vor irer mt. camergericht uß zeplibenn gegen ye-

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Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

sich mit dieser Frage nicht an die Eidgenossen wandte. Offenbar strebte die Stadt von vornherein eine juristische Klärung der Frage an, ob das Reichskammergericht auch für sie zuständig sei, und dabei konnten ihr die Eidgenossen nicht behilflich sein. Dies bedeutet nun freilich nicht, daß Basel sich auf einen ordentlichen Prozeß vor dem Reichskammergericht einließ. Basel nutzte vielmehr die Möglichkeit, mittels dilatorischer Einreden die Zuständigkeit des Gerichts zu bestreiten, und ließ sich auf die von Hagenbach erhobenen Vorwürfe erst in zweiter Linie und lediglich um der Erklärung willen ein. Diese Grundhaltung betonte die Stadt in den von ihr bei Gericht vorgelegten Schriftsätzen immer wieder 35 und wies auch ihren Prokurator entsprechend an 3 6 . Dabei begründete Basel die Ablehnung des Kammergerichts stets mit den alten Freiheiten der Stadt von fremder Gerichtsbarkeit 37 und wies in diesem Zusammenhang auch auf die erst

mandenn verdacht sin" (Basel an Dr. Christoph Hos, 13.3.1537 (StA Basel, Missiven B 2, fol. 64r-v, hierfol. 64r)). 35

Besonders deutlich ist diese Position Basels in der "Protestatio" gegen die Ladung formuliert: "Deßhalbenn so bezügen wir unns hiemit offenthlich, das wir die vermeinte ladung nit annemen, in des keyserlichen camergerichts jurisdiction nit bewilligen, sonder by unser ingelegten frigheiten one alles mittel zepliben" willens sind. Doch wolle die Stadt Basel "mit vorbehaltung obgesagter protestation allein zu bericht der sachenn unnd gar nit der meynung, das wir unns damit gegen gedachten Hagenbach vor v.gn. inn recht inlassen" den Sachverhalt aus ihrer Perspektive schildern (BA Frankfurt, AR 1- A/125, Q. 9; ähnlich der Beginn von Q. 21). 36

In der Vollmacht für Hos betont die Stadt, daß sie "inhalt unser statt fryheit und guldin bullen an hochgemeltem keyserlichenn camergericht rechtlich zu erschinen noch irer jurisdiction zu gehorsamen nit schuldig" sei. Deshalb solle Hos nur ihre Freiheiten vor Gericht vorbringen, "aber sich sunst vemer mit Hagenbach rechtlich nit inzulassen, sondern by unser entschuldigung und statt frygheit beharlichen zebliben" verpflichtet sein (BA Frankfurt, AR 1- A/125, Q. 5). Siehe auch die Schreiben Basels an Hos vom 2.4.1537 (StA Basel, Missiven B2, fol. 73r-74r, hier fol. 73r) und 28.7.1537 (ebd., fol. 93r)). 37

Bereits in dem ersten in dieser Sache an das Kammergericht ergangenen Schreiben verwies Basel auf seine Freiheiten von fremder Gerichtsbarkeit, weshalb die Klage Hagenbachs unzulässig sei: wir "für das keyserliche camergericht auch für alle andere frömde gericht vermög und innhalt unser gülden bullen von den heiigen romischen riche befrigt und also begnadiget sind, das alle, die an unns oder die unsem zusprech haben, ir recht gegen uns allein vor unser schultheissen und Stattgerichten und sunst an keinen andern ortem suchen geben und nemen sollen" (Basel an Kammerrichter Pfalzgraf Jo-

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

199

kürzlich erfolgte Bestätigung dieser Freiheiten durch Ferdinand hin 3 8 . Die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft wurde von Basel dagegen nicht als Argument angeführt. Basel setzte also wie die anderen eidgenössischen Orte die Freiheit von fremden Gerichten mit einer Exemtion von der Reichsgerichtsbarkeit gleich 39 . Eine genauere Beweisführung, die über den Verweis auf die Privilegien hinausging, erfolgte nicht. Die Tatsache der Exemtion stand für Basel so eindeutig fest, daß es eines eingehenderen Beweises nicht bedurfte. In dieser Haltung wurde die Stadt auch von ihrem bedeutendsten Juristen, Bonifatius Amerbach, bestärkt, den der Rat im Laufe des Verfahrens mehrfach konsultierte 40. Inwieweit das Reichskammergericht der Argumentation Basels folgte, läßt sich nicht feststellen. Zwar wurde die Klage Hagenbachs letztendlich abgewiesen, doch Bezug genommen wurde in dem Urteil lediglich auf die Zulässigkeit der Urfehde, nicht jedoch auf die Frage der Zuständigkeit des Kammergerichts. Insofern erhielt die Stadt Basel die von ihr sicherlich gewünschte Grundsatzentscheidung nicht. Dennoch war Basel mit dem Ausgang des Verfahrens zufrieden 41 . Auffallend bei dem Vorgehen Basels ist das Bemühen, nicht offen gegen Kaiser und Reich zu handeln, weshalb ein einfaches Ignorieren der Klage für die Stadt nicht in Frage kam. Umgekehrt lehnte Basel jedoch Überlegungen, die aus dem Gehorsam gegen Kaiser und Reich eine Unterwerfung unter die Reichsgerichtsbarkeit ableiteten, entschieden ab 4 2 . Damit vertrat Basel, das am

hann, 1.6.1536 (StA Basel, Missiven B 2, fol. lr-4r, hier fol. 3v-4r)). Vergleichbare Passagen finden sich in allen Einlassungen Basels vor dem Reichskammergericht. 38

BA Frankfurt, AR 1-A/125,Q. 7.

39

Wie aus der Basler Duplik hervorgeht, deckte die Gegenseite diese Schwachstelle der Basler Argumentation übrigens auf. Sie wies nämlich darauf hin, daß diese Freiheiten für Klagen gegen Basler Bürger galten, nicht jedoch für Klagen gegen die Stadt selbst (BA Frankfurt, AR 1- A/125, Q. 21). 40

Amerbachkorrespondenz 4, Nr. 2098, S. 468f.; Basel an Hos, 6.11.1538 (StA Basel, Missiven B 2, fol. 204r-v). Dazu kamen Kontakte zwischen Amerbach und Dr. Christoph Hos (Amerbachkorrespondenz 5, Nr. 2124, S. 38). Amerbach verfaßte umfangreiche Gutachten zu dem Fall (UB Basel, C Via, 47, S. 1-148; ebd., 45, S. 931-972). 41 42

Basel an Hos, 20.3.1540 (StA Basel, Missiven B 2, fol. 312v).

"wiewol ein statt Basel sich gegen keyr und kor mten irer aller gnedigisten hem bißhar gehalten wie sy auch furer zethunt gesynnet das ire mten dessenn gnedigsts gefallenns gehept, so mag doch obgemelte consequentz (...) daruß nit volgenn: Nec enim

200

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

Reichstag von 1495 teilgenommen und insofern die Anfänge der Reichsreform mitgetragen hatte, nunmehr eindeutig die Position der Eidgenossenschaft, die die durch die Reichsreform initiierte Verdichtung des Reichs ablehnte. Ein gutes halbes Jahr nach dem Ende des Hagenbach-Verfahrens traf erneut ein Kammergerichtsbote in Basel ein, um die Stadt vor das Reichskammergericht zu laden. Dieses Mal ging es um die Besetzung der Basler Dompropstei, da dieses Recht sowohl von der Stadt Basel als auch vom Papst reklamiert wurde 43 . Der vom Papst ernannte Dompropst, der Wiener Bischof Johann Fabri, wandte sich an das Reichskammergericht, um seinen Anspruch auf die von der Stadt einbehaltenen Einkünfte durchzusetzen44. Fabri erwirkte ein Poenalmandat des Gerichts gegen die Stadt Basel und den von ihr eingesetzten Dompropst, Sigmund von Pfirt, in dem diese aufgefordert wurden, Fabri den ihm vorenthaltenen Besitz innerhalb von sechs Tagen zu übergeben oder ihre Einwände gegen das Mandat vorzubringen 45. Wiederum informierte Basel Dr. Christoph Hos, aber erneut mit der Anweisung, sich nicht rechtlich einzulas-

sequitur "imperio aut imperatori debetur fidelitas", ergo in omnibus et singulis legum imperialium prescriptum sequi cogimur, cum quid statutis aut moribus introductum apud nos sit ab imperatore confirmatum" (BA Frankfurt, AR 1- A/125, Q. 21). 43

Das Basier Domkapitel hatte 1529 die Stadt verlassen und war nach Freiburg/Br. gegangen, worauf die Stadt Basel dem Domkapitel die im städtischen Herrschaftsbereich gelegenen Einkünfte entzog. Besonders betroffen von dieser Maßnahme war der Dompropst, dessen Einkünfte zum überwiegenden Teil in der Stadt lagen. Der amtierende Dompropst, Dr. Andreas Sturtzel, ein Bruder des Gesandten Ferdinands, Dr. Jakob Sturtzel, schloß daraufhin einen Kompromiß mit der Stadt, die ihm wenigstens einen Teil der auf städtischem Gebiet gelegenen Propsteieinkommen zugestand. Als Sturtzel 1537 starb, entbrannte ein Streit um die Neubesetzung der Stelle. Da Papst Clemens VII. das Recht zur Besetzung der Propstei der Stadt übertragen hatte, ernannte sowohl die Stadt einen Dompropst - den Domherrn Sigmund von Pfirt - als auch der päpstliche Legat - Johann Fabri, der ebenfalls Basier Domherr war (siehe Kundert, Dompropsteihandel). 44

Die Akten dieses Prozesses müßten eigentlich im Untrennbaren Bestand im BA Frankfurt liegen. Da auch Einkünfte in Baden betroffen waren, wurden die Akten bei der Aufteilung des Kammergerichtsarchivs 1846 jedoch Baden zugeteilt; seither sind die Akten verschwunden (Kundert, Dompropsteihandel, S. 106f.). Übrigens sind die Akten des Prozesses, den der Schlettstädter Weinhändler Florian Wächter gegen Basier Fuhrleute vor dem Reichskammergericht anstrengte und der die Reise Wettsteins nach Münster auslöste, ebenfalls nicht im Untrennbaren Bestand vorhanden. 45

Kundert, Dompropsteihandel, S. 105f.

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

201

sen 46 . Zwar entsandte die Stadt innerhalb der vorgeschriebenen Frist einen Boten an das Kammergericht, aber auch dieser hatte nur Anweisung, formale Einwände vorzubringen, sich also nicht auf ein Verfahren einzulassen47. Folgerichtig erging ein Exekutionsmandat gegen Basel. Auch in diesem Fall wandte sich die Stadt an Bonifatius Amerbach mit der Bitte um juristischen Rat 4 8 . Amerbach empfahl eine politische Lösung der Angelegenheit mit Hilfe der Eidgenossenschaft, ein Rat, dem die Stadt folgte und der auch zum Erfolg führte. Nach einem Schreiben der Eidgenossen an den Kaiser 49 sistierte Fabri den Prozeß 50; er hatte wohl einen entsprechenden Wink vom Kaiserhof erhalten. Amerbach hatte die politische Brisanz der Auseinandersetzung richtig eingeschätzt und auch erkannt, daß Basel vor dem Reichskammergericht keine großen Chancen hätte. Rein juristisch argumentierte er übrigens erneut mit der Freiheit Basels vonfremder Gerichtsbarkeit 51. Ob Basel sich dieses Mal vielleicht nicht nur wegen der größeren Brisanz des Falles mit der Bitte um Unterstützung an die Eidgenossenschaft wandte, sondern auch, weil die Stadt hatte erfahren müssen, daß selbst der günstige Ausgang eines Verfahrens nicht vor weiteren Ladungen schützte und eine Grundsatzentscheidung des Kammergerichts gegen seine eigene Zuständigkeit nicht zu erwarten war, läßt sich nur vermuten. Wie bei der Frage der Reichsanlagen führte auch hier der politische, nicht der juristische Weg zum Erfolg. Dies hatte seine Ursache nicht zuletzt darin, daß die juristische Position der eidgenössischen Städte 46

Kundert, Dompropsteihandel, S. 106.

47

Kundert, Dompropsteihandel, S. 106.

48

Amerbach hat im Laufe der Jahre insgesamt sechs Gutachten in dieser Angelegenheit verfaßt (Kundert, Dompropsteihandel, S. 95). Im Verlauf der Auseinandersetzung, die sich mit den Nachfolgern Fabris bis in die 70er Jahre hinzog, ging es aber zunehmend um die Frage, ob hier ein geistliches oder ein weltliches Gericht zuständig sei, weshalb hier nur der Anfang der Auseinandersetzung interessiert. 49

Eidgenossenschaft an Karl, Baden, 18.12.1540 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 95r-96v). 50

EA 4/1 d, Nr. 21, S. 36. Die Antwort Karls an die Eidgenossen war zunächst zwar freundlich, aber doch recht unverbindlich gewesen (EA 4/1 d, Nr. 10, S. 21). 51

Dazu allgemein: Kundert, Dompropsteihandel, S. 117. Daß auch bereits das erste Gutachten Amerbachs vom 3.12.1540 wohl einen solchen Hinweis enthielt, läßt sich daraus schließen, daß Basel - als die Stadt gemäß dem Rat Amerbachs die Sache auf der Tagsatzung zur Sprache brachte - den Eidgenossen die städtischen Privilegien vorwies und sie bat, sie bei ihren alten Freiheiten zu schützen (EA 4/1 c, Nr. 764, S. 1280f.).

Teil 1: Die Eidgenossenschaft und das Reich

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relativ schwach war, eine Ursache, die diese sich freilich nicht eingestehen mochten. Die Haltung Basels zu den Ladungen vor das Kammergericht war im Prinzip und im Ergebnis die gleiche wie die der alten Orte, nicht jedoch in der Begründung: Mehr noch als die alten Orte bezog sich Basel allein auf die kaiserlichen Privilegien und zusätzlich auf seinen Status als freie Stadt, während die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft Basel nicht als Argument diente, da diese - wie Basel richtig erkannte - im Hinblick auf die Verpflichtungen gegenüber Kaiser und Reich keine neue Rechtslage schuf. Da die Basler Gerichtsprivilegien aber keineswegs so umfassend waren, wie die Stadt glaubte und wünschte, kam Basel immer wieder einmal mit dem Reichskammergericht in Berührung. Nun erwies es sich zunehmend als Nachteil, daß Basel die Nichtzuständigkeit des Reichskammergerichts nicht einfach mit der Zugehörigkeit der Stadt zur Eidgenossenschaft begründete. Diese Unsicherheiten führten dann bekanntlich zu der Mission Bürgermeister Wettsteins zum Friedenskongreß von Münster und Osnabrück. Selbst jetzt blieb es bei einer Lösung im Rahmen der alten Reichsverfassung, indem die Eidgenossenschaft für exemt erklärt wurde 52 , nunmehr allerdings bezogen auf das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft, womit bestehende reichsrechtliche Unterschiede in der Rechtsposition der einzelnen Orte - beispielsweise durch verschiedene Privilegierungen - aufgehoben wurden. Von nun an begründete wirklich allein die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft die Befreiung der eidgenössischen Orte von der Reichsgerichtsbarkeit, aber eben erst jetzt. Daß der Hinweis auf die kaiserlichen Privilegien ihnen diesen Schutz nicht gewähren konnte, hatten die Eidgenossen bei der Vorbereitung der Reise Wettsteins und dann während der Verhandlungen selbst erfahren müssen, und es scheint, daß ihnen das wirklich erst zu diesem Zeitpunkt richtig klar geworden ist. Zunächst waren die Eidgenossen nämlich durchaus der Meinung gewesen, daß sie auf dem traditionellen Weg über den Hinweis auf ihre Privilegien beim Kaiser ein Ende der Prozesse erreichen könnten. Erst als sie zur Vorbereitung dieses Schrittes die entsprechenden Urkunden systematisch untersuchten, stellten sie fest, daß diese zur Begründung der behaupteten Freiheit vom Kammergericht nicht ausreichten53. In Münster kam als Problem hinzu, daß Wettstein nur die Basler Privilegien vorlegte, so daß auf diese Weise eine Regelung für 52

IPO Art. 6. Siehe dazu: Gauss, Mission Wettsteins.

53

Gauss, Mission Wettsteins, S. 179f.

F. Die Eidgenossen und die Reichsgerichtsbarkeit

203

die ganze Eidgenossenschaft nicht zu erreichen war. Diese Erkenntnisse ließen Wettstein, mit tatkräftiger Unterstützung derfranzösischen Diplomaten, seine Zuflucht zur Souveränitätslehre nehmen. Der Artikel 6 des Westfälischen Friedens ist dann eine eigenartige Mischung der beiden Prinzipien: Zwar enthält der Artikel keine Souveränitätserklärung der Eidgenossenschaft, sondern eben "nur" die Exemtion vom Reich, also eine Erklärung im Rahmen des Reichsrechts. Auch der Zusatz, daß die Eidgenossen nicht den Reichsgerichten unterworfen seien und daß die entsprechenden Prozesse kassiert würden, bewegt sich in diesem Rahmen, da dieser Zusatz bei einer Souveränitätserklärung überflüssig gewesen wäre. Zur Begründung der Exemtion wird hingegen nicht auf die kaiserlichen Privilegien verwiesen, sondern darauf, daß die Eidgenossenschaft sich "in possessione vel quasi libertatis" befinde, ein Begriff, der der Souveränitätstheorie entlehnt ist. Der Artikel zeigt aber auch, welch zentrale Rolle der Gerichtsbarkeit im Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reich zukam. Alle anderen Punkte - wie die Bezahlung von Reichssteuern oder der Besuch von Reichsversammlungen waren längst im Sinne der Eidgenossen gelöst, wenn auch nicht grundsätzlich. Der Bereich der Gerichtsbarkeit entzog sich aber einer solch pragmatischen Lösung naturgemäß am meisten. Deshalb waren hier die Reibungspunkte am größten, und diese Auseinandersetzung war auch mit dem Westfälischen Frieden nicht endgültig beendet54.

54

Siehe z.B. den Fislissdorfer-Prozeß, der auch nach dem Westfälischen Frieden noch weitergeführt wurde (Anm. 16). Vgl. auch Gauss, Mission Wettsteins, S. 187.

Teil 2

Die Eidgenossen und das politische System Karls V. Im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts erfuhr das Koordinatensystem, in dem die eidgenössische Politik agierte, grundlegende Wandlungen, die auf die eidgenössische Politik zurückwirkten. Auch wenn die Eidgenossen weiterhin unbestritten zum Reich gehörten, waren das Reich und seine Glieder doch nicht mehr der einzige Bezugsrahmen eidgenössischer Politik. Ebensowenig war freilich gelegentlichen Bestrebungen innerhalb der Eidgenossenschaft, sich auf sich selbst zurückzuziehen, dauerhafter Erfolg beschieden. Die Burgunderkriege bedeuteten für die eidgenössische Politik dann insofern eine irreversible Wende, als mit Frankreich eine weitere Macht dauerhaft ins Blickfeld der Eidgenossen trat. Die alleinige Fixierung der eidgenössischen Politik auf Habsburg gehörte damit der Vergangenheit an - neue Möglichkeiten (auch für Bündnisse und Koalitionen), aber auch neue Gefahren taten sich auf. Durch ihre militärischen Erfolge fand sich die Eidgenossenschaft unversehens im sich ausbildenden europäischen Staatensystem wieder, konkret: als möglicher Partner für die Kontrahenten Valois und Habsburg, die sich die Vorherrschaft in diesem System zu sichern trachteten. Diese Entwicklung änderte das Verhältnis zwischen Habsburg und den Eidgenossen nachhaltiger als alle Verträge und Waffenstillstandsvereinbarungen der Vergangenheit. Aus habsburgischer Sicht war die Eidgenossenschaft nicht mehr allein Okkupant ehemals habsburgischen Besitzes, sondern auch Herr über ein äußerst attraktives Söldnerheer; die Habsburger mußten ihre alten territorialen gegen die neuen militärisch-strategischen Interessen abwägen. Die habsburgische Politik gegenüber der Eidgenossenschaft trug dieser Entwicklung aber erst nach der Übernahme der Regierung durch Maximilian Rechnung - Friedrich III. war zu entsprechenden Kurskorrekturen nicht bereit gewesen, hatte vielmehr starr an den territorialen Ansprüchen seines Hauses in der Schweiz festgehalten. Für seinen Sohn Maximilian waren diese Ansprüche freilich kein Thema mehr, er versuchte statt dessen, die Eidgenossen in seine Politik einzubinden, sie für seine Ziele einzusetzen. Für dessen Enkel Karl gilt dies in noch ungleich stärkerem Maße.

A. Bündnisse und Einungen

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Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts waren die Beziehungen zwischen Habsburg und den Eidgenossen vor allem mit Hilfe von Waffenstillstandsvereinbarungen und Friedensverträgen geregelt worden. Diese Instrumente der Politik zwischen einander feindlich gesinnten Parteien taugten aber nur zur Abgrenzung von Positionen und Interessen, zur Wahrung eines Status quo. Sie konnten kein Mittel zur Anknüpfung und zum Ausbau konstruktiver Beziehungen, zur Begründung von Zusammenarbeit sein. Unter den veränderten Rahmenbedingungen mußte Habsburg also auf andere Instrumente zurückgreifen, wenn es die Eidgenossen in seine Politik einbinden wollte. Traditionelles Instrument, um eine Zusammenarbeit zu begründen, waren Bündnisse und Einungen, sie waren denn auch für Maximilian die erste Wahl. Hinzu kam für Karl und Ferdinand die Diplomatie, vor allem auch das noch relativ neue Instrument ständiger Gesandtschaften.

A. Bündnisse und Einungen als Mittel zur Einbindung der Eidgenossenschaft Während für die Untersuchung der Stellung der Eidgenossenschaft in der Reichsverfassung insbesondere mit den von Peter Moraw eingeführten Kategorien ein brauchbares methodisches Instrumentarium vorliegt, gestaltet sich eine Beschreibung der Position der Eidgenossenschaft im politischen System Karls V. weit schwieriger, wenn man über eine reine Ereignisgeschichte hinaus zu strukturellen Aussagen gelangen möchte. Die sich zunächst scheinbar anbietende Systemtheorie kommt dafür nicht in Frage, da mit ihrer Hilfe zwar Verschiebungen im internationalen Kräftegleichgewicht zu erfassen sind1, nicht jedoch die bilateralen Beziehungen zwischen Habsburg und den Eidgenossen. Außerdem ist es auf diese Weise nicht möglich, den institutionellen Rahmen zu erfassen, innerhalb dessen sich die Beziehungen zweier Partner abspielten.

1

Die Systemtheorie wäre geeignet für eine Darstellung der internationalen Verschiebungen und wechselnden Koalitionen im Rahmen des Hegemonialkonflikts zwischen Valois und Habsburg. Dieser interessiert hier aber nur als Hintergrund der Beziehungen zwischen Habsburg und der Eidgenossenschaft, ist also nicht eigentlich Gegenstand der Darstellung.

206

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Für die Beziehungen zwischen Habsburg und den Eidgenossen erscheinen die verschiedenen Formen von Bündnissen und Einungen als der wichtigste Bezugsrahmen2. Mit Hilfe solcher Verträge versuchte die Eidgenossenschaft im 15. Jahrhundert, sich vor österreichischen Territorialansprüchen zu sichern, mit ihrer Hilfe versuchte Karl V., die Eidgenossen an sich zu binden und damit von Frankreich abzuziehen. Auch bei der Lösung der konfessionellen Konflikte wurde auf Bündnisse zurückgegriffen.

I. Die Erbeinung I. Die Erbeinung von 1511 und ihre Vorläufer: Die Bedingungen für das Entstehen der einzelnen Verträge Das Verhältnis der Eidgenossen zu ihren habsburgischen Nachbarn war über die Jahrhunderte hinweg zumeist unfreundlich bis feindselig gewesen, was nicht zuletzt daran lag, daß die Eidgenossenschaft sich gerade auch im Kampf gegen Habsburg konsolidierte und territorial ausdehnte. Im Laufe dieses langandauernden Kampfes hatten die beiden verfeindeten Nachbarn aber auch immer wieder Verträge miteinander geschlossen: Waffenstillstandsabkommen und Friedensverträge von meist beschränkter Dauer und begrenzter Wirksamkeit, zuletzt, nach dem Sundgauer- und Waldshuterkrieg, den Frieden von Waldshut 1468. Die Ewige Richtung von 1474 war dann ein völliger Neuansatz in den beiderseitigen Beziehungen3, da es hier nicht um die Beendigung eines aktuellen habsburgisch-eidgenössischen Konflikts ging, sondern um den Kampf gegen einen gemeinsamen Gegner, Karl den Kühnen4. Diesem ersten Vertrag 2

Eine andere denkbare Möglichkeit wären z.B. Friedensverträge oder Waffenstillstandsabkommen. Diese hatten für das Verhältnis zwischen Österreich und den Eidgenossen über Jahrhunderte die wichtigste Grundlage gebildet; der Basler Frieden war der letzte Vertrag in dieser langen Reihe. 3

Die Zusammenarbeit zwischen Zürich und Friedrich III. während des Alten Zürichkrieges wird als Sonderfall außer acht gelassen, da es sich dabei um das Bündnis eines Ortes mit einem auswärtigen Partner gegen die anderen Orte handelte. 4

Daß es sich bei der Ewigen Richtung aber nicht nur um ein Bündnis im üblichen Sinne, sondern eben auch um einen Vertrag zur Regelung von Streitigkeiten (konkret: die Frage der Anerkennung des eidgenössischen Besitzstandes durch Habsburg) handelte, ist aus der Bezeichnung "Ewige Richtung" ersichtlich. Richtung bedeutete damals überwiegend noch "Schlichtung", die Bedeutung wandelte sich erst allmählich zu "di-

A. Bündnisse und Einungen

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folgte in den nächsten Jahrzehnten eine Reihe ähnlicher Verträge: Zunächst die Erbeinung von 1477, zehn Jahre später die nicht in Kraft getretene Vereinigung einiger Orte mit Maximilian, 1500 dann eine Erneuerung der Erbeinung durch Maximilian mit vier eidgenössischen Orten und 1511 schließlich die Erneuerung der Erbeinung mit allen Orten. Der Vertrag von 1511 bildete fortan die Grundlage für die Beziehungen Habsburgs zur Eidgenossenschaft. Die Ewige Richtung von 1474 markierte eine vollständige und auf den ersten Blick erstaunliche Kurskorrektur in der Politik Herzog Sigmunds. Noch fünf Jahre zuvor hatte er sich im Vertrag von St. Omer mit Karl dem Kühnen verbündet - gegen eben jene Eidgenossen, mit denen er jetzt einen Vertrag schloß, der eindeutig gegen den Vertragspartner von 1469, Karl den Kühnen, gerichtet war. Der Vertrag von St. Omer hatte zwar die im Waldshuter Frieden für den Fall der Nichtbezahlung der Kriegsentschädigung von 10.000 fl. vorgesehene Abtretung Waldshuts und des Schwarzwalds an die Eidgenossenschaft verhindert, ansonsten hatte der Vertrag die Erwartungen Sigmunds jedoch nicht erfüllt 5 , da Karl der Kühne in erster Linie seine eigenen Interessen verfolgte und die Pfandlande im Elsaß in seinen endgültigen Besitz bringen wollte. Sigmund mußte immer deutlicher erkennen, daß die Zusammenarbeit mit Karl dem Kühnen im Grunde gleichbedeutend war mit dem dauerhaften Verlust der verpfändeten Gebiete, von einer Rückgewinnung eidgenössischen Territoriums ganz zu schweigen. Die logische Konsequenz dieser Erkenntnis war die Suche nach neuen Partnern. Hier boten sich vor allem Frankreich und die Eidgenossen an. Die Politik Karls des Kühnen und der Aufbau der burgundischen Herrschaft im Elsaß beunruhigten auch die Eidgenossen zutiefst, sie befürchteten ein Ausgreifen des burgundischen Expansionsdrangs auf ihr Gebiet; zudem war die mit Bern und Solothurn verbündete Stadt Mülhausen dem burgundischen Druck in rectio" (vgl. Art. Richtung in: J. u. W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 8, Leipzig 1893, S. 905f.). In diesem Sinne hatte die Tagsatzung bereits am 9.6.1454 eine ewige Richtung mit dem Kaiser gewünscht (EA 2, Nr. 417, S. 269), und hatte der Waldshuter Frieden Herzog Ludwig von Bayern-Landshut mit der Vermittlung einer solchen beauftragt (ebd., Beilage Nr. 43, S. 902). 5

Sigmund hatte gehofft, Karl würde ihn militärisch gegen die Eidgenossen unterstützen und ihm so bei der Rückeroberung der ehemals österreichischen Gebiete helfen. Außerdem setzte sich Sigmund für die Heirat Maximilians mit Maria von Burgund ein, so daß die an Karl den Kühnen verpfändeten Gebiete nach Karls Tod wieder an Österreich fallen mußten, und zwar ohne daß Österreich die Pfandsumme entrichtete.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

besonderem Maße ausgesetzt. Die Eidgenossenschaft suchte deshalb Rückhalt bei Frankreich, den Ludwig XI. ihr bereitwillig gewährte, wünschte er eine Zusammenarbeit mit den Eidgenossen in seinem Kampf gegen Karl den Kühnen doch mindestens ebenso sehr wie diese: Der Neutralitätsvertrag von 1470 entsprach denn auch mehr noch denfranzösischen Interessen als den eidgenössischen6. Damit hatte die Eidgenossenschaft jedoch nur erreicht, daß sie in einer Auseinandersetzung mit Burgund, die zunehmend als unvermeidlich angesehen wurde, nicht gegen alle drei bedeutenden Mächte in der Nachbarschaft auf einmal würde kämpfen müssen. Das Bedrohungspotential durch die burgundischhabsburgische Koalition war aber weiterhin beträchtlich, zumal zu der aktuellen burgundischen Bedrohung die latenten Territorialstreitigkeiten mit Österreich kamen. Die Habsburger, allen voran Kaiser Friedrich III., hatten sich nämlich nach wie vor nicht mit den Gebietsverlusten in der Schweiz abgefunden, an einen offiziellen Verzicht war schon gar nicht zu denken. Die Friedensverträge, zuletzt der 50jährige Frieden von 1418, waren immer nur befristet gewesen und garantierten der Eidgenossenschaft nicht den endgültigen Besitz des von ihr eroberten Territoriums. Ein dauernder Ausgleich mit Habsburg lag mithin in eidgenössischem Interesse, freilich nicht um den Preis einer Rückgabe der ehemals habsburgischen Gebiete. Es gab also sowohl auf habsburgischer als auch auf eidgenössischer Seite gute Argumente, die für einen Ausgleich zwischen den Nachbarn sprachen. Zugleich waren aber die Vorstellungen darüber, wie ein solcher Ausgleich aussehen müßte und was für die beiden präsumtiven Partner dabei unverzichtbar schien, doch so unterschiedlich, daß ein solcher Ausgleich als nicht sehr wahrscheinlich galt. Hinzu kam, daß er einen Bruch mit der fast 200jährigen Konfrontationspolitik bedeutet hätte, die auf beiden Seiten doch tiefe Wunden hinterlassen hatte und die Verhandlungen zusätzlich zu den aktuellen Interessengegensätzen erheblich erschweren mußte. Das Anknüpfen dieser Verbindung

6

EA 2, Beilage Nr. 48. Der Vertrag enthielt die wohlwollende Neutralität der Vertragspartner, falls einer von ihnen sich im Kampf mit Karl dem Kühnen befinden sollte. Da ein Zusammengehen Frankreichs mit Burgund völlig unwahrscheinlich war, jedenfalls weit unwahrscheinlicher als eine Koalition zwischen Burgund und der Eidgenossenschaft, war die Zusage der Eidgenossen, in einem Kampf Frankreichs gegen Burgund neutral bleiben zu wollen, wesentlich wertvoller als die entsprechende französische Zusicherung.

A. Bündnisse und Einungen

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war entsprechend mühsam7. An einer Einigung zwischen Herzog Sigmund und den Eidgenossen war aber auch und nicht zuletzt König Ludwig XI. von Frankreich gelegen, da eine solche Koalition sich gegen Frankreichs Hauptgegner Burgund richten mußte, der dadurch völlig isoliert werden würde. Dieses französische Interesse gab letztlich den Ausschlag für das Zustandekommen der Vereinbarung zwischen Sigmund und den Eidgenossen8. Am 30. März 1474 einigten sich Sigmund und die Eidgenossen in Konstanz auf einen Vertrag. Die verbliebenen Differenzen wurden dem französischen König zur Schlichtung übergeben, der sie allesamt zugunsten der Eidgenossen entschied. Die Eidgenossen hatten ihm nämlich als Gegenleistung ihre Bereitschaft signalisiert, Frankreich in künftigen Kriegen ihre Söldner zulaufen zu lassen - ein vergleichbares Angebot konnte Sigmund nicht unterbreiten. Erst mit dem Schiedsspruch Ludwigs XI. vom 11. Juni 1474 in Senlis war die Ewige Richtung perfekt - die Urkunde trägt denn auch dieses Datum und diesen Ausstellungsort, Ludwig XI. erscheint als Aussteller der Urkunde, obwohl die Einigung zwischen Sigmund und den Eidgenossen zu diesem Zeitpunkt längst ihre Wirkung entfaltet hatte: Bereits nach Bekanntwerden der Vereinbarung von Konstanz hatte sich in den Pfandlanden ein Aufstand gegen die burgundische Herrschaft erhoben, Anfang Mai hatte Sigmund das ganze Gebiet wieder an sich genommen. Mitte Oktober 1474 siegelte Herzog Sigmund in Feldkirch den Vertrag, nachdem die letzten Differenzen über das eidgenössische Öffnungsrecht in den vier Waldstädten am Rhein und die Gültigkeit des Vertrags für die Nachkommen Sigmunds ausgeräumt worden waren 9. Alle drei an dem Vertrag 7

Zu den Details siehe ausführlich: Janeschitz-Kriegl, Richtung.

Geschichte der ewigen

8

Es war in der schweizerischen Historiographie lange heftig umstritten, ob die Ewige Richtung allein das Ergebnis der raffinierten Politik Ludwigs XI. war, der, unterstützt von dem Berner Nikiaus von Diesbach, so die Eidgenossen gegen Burgund führen wollte, um seinen Hauptgegner entscheidend zu schwächen, oder ob die Eidgenossen diese Verbindung aus eigenem Interesse eingegangen sind. Gasser hat ausführlich dargelegt, daß die Frage so falsch gestellt ist, daß vielmehr beides zutrifft, und die Ewige Richtung sowohl französischen als auch eidgenössischen Interessen entsprach (A. Gasser, Ewige Richtung und Burgunderkriege. Zur Klärung einer alten Streitfrage, in: SZG 23 (1973), S. 697-749). 9

Nikiaus von Diesbach hatte erklärt, daß die Eidgenossen das Öffnungsrecht in den Waldstädten niemals zum Schaden Österreichs nutzen würden, eine Erklärung, die auf Drängen Sigmunds von einem Notar beglaubigt worden war. Was die Gültigkeit des Vertrages für die Erben Sigmunds anbelangt, war strittig, ob sich diese Bestimmung nur 14 Braun

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unmittelbar Beteiligten konnten in diesem Moment mit dem Erreichten zufrieden sein; welche Seite letztendlich für sich den größten Nutzen aus der neuen Konstellation ziehen würde, mußte die Zukunft zeigen. Sigmund hatte zwar in den Vertragsbedingungen erhebliche Zugeständnisse machen müssen, hatte aber die verpfändeten Gebiete, die er bereits verloren glauben mußte, zurückbekommen, und dies, ohne die Pfandsumme bezahlt zu haben. Den Eidgenossen war es gelungen, die habsburgisch-burgundische Koalition von St. Omer aufzubrechen; vor allem aber hatte ihnen erstmals ein Habsburger ihren territorialen Besitzstand garantiert. Ludwig XI. wiederum hatte sich unentbehrlich gemacht, die Isolierung seines Hauptgegners Burgund erreicht und die Eidgenossen noch mehr auf seine Seite gezogen; die französisch-eidgenössische Allianz vom 26. Oktober 1474 war der logische Abschluß dieser Politik. Die Konsequenz der geänderten Machtverhältnisse war der bald einsetzende Kampf gegen Burgund, dessen Hauptlast die Eidgenossen trugen und der mit dem Tode Karls des Kühnen in der Schlacht von Nancy am 5. Januar 1477 endete. Damit war die Situation erneut schlagartig anders geworden. Durch die Heirat des Kaisersohnes Maximilian mit Karls des Kühnen einziger Tochter Maria im August 1477 fiel der burgundische Länderkomplex an Habsburg - aus einem Mächteviereck war ein Dreieck geworden. Die Eidgenossenschaft verfügte zwar über ein erhebliches militärisches Gewicht, konnte sich aber aufgrund ihrer inneren Struktur, die rasche Entscheidungen erschwerte bis unmöglich machte, mit den beiden anderen Mächten an außenpolitischem Potential kaum messen. Deshalb fiel ihr in der neuen Konstellation zunehmend die Rolle des Züngleins an der Waage zwischen den beiden Großmächten zu. Trotz der Erwerbung Burgunds durch Habsburg war der eindeutige Gewinner der Situation von 1477 aber zunächst Frankreich, und dies fast ohne selbst in den Kampf einzugreifen. Der habsburgische Länderkomplex - obwohl auf den ersten Blick von beeindruckender Größe - steckte voller Probleme: Burgund befand sich zunächst in den Händen Marias, und selbst dies war unsicher; Maximilian war überhaupt nicht an der Regierung beteiligt. In den Vorlanden regierte nach wie vor Herzog Sigmund, dessen Verzicht auf die österreichischen Ansprüche in der Schweiz Friedrich III. nie anerkannt hatte, und Friedrich III. selbst wurde im Osten seiner Erblande weiterhin durch Matthias Corvinus in Atem gehalten. Im auf leibliche Erben Sigmunds bezog. Sigmund stimmte schließlich zu, diese Frage erneut der Entscheidung Ludwigs XI. anzuvertrauen, trotz der schlechten Erfahrungen mit dem Schiedsspruch von Senlis vom Juni. Der französische König war aber zu keinerlei Änderungen an seinem damaligen Spruch mehr bereit.

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Vergleich dazu stand die französische Monarchie glänzend da - aber gerade dies ließ die Eidgenossen vorsichtig werden. Zudem hatten sie in den vorangegangenen Jahren erkannt, daß Ludwig XI. bei seinen unterschiedlichen Schachzügen vor allem seinen eigenen Nutzen verfolgte; so mußten die Eidgenossen den Kampf gegen Karl den Kühnen ohne französische Hilfe bestehen, nachdem Ludwig XI. noch 1474 einen Waffenstillstand mit Karl geschlossen hatte. Dieses Mißtrauen gegenüber Frankreich, gepaart mit der Angst vor einer französischen Übermacht, und die Erfahrung eines gemeinsamen eidgenössischösterreichischen Waffengangs 10, ließen einige Orte bald an eine engere Verbindung zu Österreich, genauer: zu Herzog Sigmund, denken. Als Zürich, Bern, Solothurn und Luzern für ihren Vorschlag jedoch nicht die Zustimmung der Innerschweizer Länderorte erreichen konnten, schlug Bern vor, daß die vier Städte den Anfang machen sollten, wobei den anderen Orten ein nachträglicher Beitritt möglich sein sollte. Am 13. Oktober 1477 schlossen die genannten vier Städte zusammen mit Uri die Erbeinung mit Herzog Sigmund, die anderen Orte folgten am 26. Januar 1478. Der Vertrag kam nur deshalb so rasch zustande, weil die größten Probleme bereits mit der Ewigen Richtung aus dem Weg geräumt worden waren, nämlich die Frage der Gültigkeit der Vereinbarungen auch für die Nachfolger Sigmunds und die territoriale Besitzstandsgarantie für die Eidgenossen. Im Vergleich dazu waren Themen wie die konkrete Ausgestaltung der Hilfsverpflichtung von geringerer Brisanz, zumal sich hier ein erheblich größerer Spielraum für Kompromißlösungen eröffnete, während es bei den erstgenannten Fragen nur ein entweder - oder gab. Die mit der Ewigen Richtung angebahnte Verbindung zwischen Herzog Sigmund und den Eidgenossen war mit der Erbeinung auf eine stabile Grundlage gestellt worden. Zu betonen bleibt freilich, daß es sich dabei nicht um eine Vereinbarung mit dem Hause Habsburg insgesamt handelte, sondern lediglich mit Sigmund als dem Herrn der Vorlande. Bedeutung für das Gesamthaus erhielt die Erbeinung indessen dadurch, daß Sigmund den Vertrag für sich und seine Erben geschlossen hatte. Da der Herzog bereits 50 Jahre alt und ohne legitime Nachkommen war, konnte damit gerechnet werden, daß Maximilian, der

10

Sigmund hatte die Eidgenossen militärisch in den Burgunderkriegen unterstützt, wenn auch mit verhältnismäßig bescheidenen Kontingenten. 14*

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Erbe der übrigen habsburgischen Besitzungen, auch Vorderösterreich erhalten würde 11 . Vollständige Sicherheit vor habsburgischen Restitutionsansprüchen konnte den Eidgenossen nur eine Vereinbarung mit dem Gesamthaus Habsburg bringen. Die Eidgenossen hatten aber in den letzten Jahrzehnten - zuletzt anläßlich der Tagung in Basel 1473 - die Erfahrung gemacht, daß an eine solche Vereinbarung mit Friedrich III. nicht zu denken war. Der Kaiser war ja nicht einmal bereit, den eidgenössischen Orten ihre Privilegien zu bestätigen, solange die Frage der ehemals habsburgischen Territorien nicht in seinem Sinne gelöst war. Es war von daher ganz unvorstellbar, daß Friedrich bereit sein könnte, die Erbeinung zu unterzeichnen, die eine Garantie des eidgenössischen Territorialbesitzes enthielt. Die Eidgenossen haben einen Versuch, Friedrich für die Erbeinung zu gewinnen, denn auch gar nicht erst unternommen12. Als Adressat für die eidgenössischen Bemühungen kam also nur Maximilian in Frage. An einem guten Verhältnis zu ihm mußte den Eidgenossen schon deshalb gelegen sein, weil Maximilian seit dem Tod Marias 1482 als Vormund seines Sohnes Philipp in Burgund regierte. Wenn die Eidgenossen also nicht wieder über kurz oder lang einer burgundisch-habsburgischen Front gegenüberstehen wollten, mußten sie zu einer Vereinbarung mit Maximilian finden. Dieser Wunsch der Eidgenossen fand auch von anderer Seite Unterstützung: Herzog Sigmund versuchte nämlich, die Einbeziehung Maximilians in die Erbeinung zu erreichen, um sich dadurch auch selbst besser abzusichern. Da eine Zustimmung Friedrichs III. zu der Erbeinung nicht zu erhalten war, hätte die Unterzeichnung durch den künftigen Erben den Weiterbestand der Einigung garantiert und damit auch ihre Stabilität in der Gegenwart gestärkt. Eine günstige Möglichkeit zur Anknüpfung entsprechender Verhandlungen ergab sich nach der Königswahl Maximilians im Jahre 1486: Der neue König wandte sich nun stärker deutschen Belangen zu, und für die Eidgenossen eröffnete sich eine Chance, 11

An eine Einbeziehung Burgunds in den Vertrag wurde damals nicht gedacht, Maximilian hatte ja gerade erst Maria von Burgund geheiratet, Erben waren von daher wahrscheinlich, weshalb es nicht vorhersehbar war, daß der gesamte habsburgisch-burgundische Besitz später in eine Hand kommen würde. 12

Dies lag zwar auch daran, daß er nicht ihr direkter Nachbar war und beispielsweise Vereinbarungen über Hilfsverpflichtungen angesichts der weiten Entfernung zu Friedrichs Ländern und seiner Beanspruchung im Osten sinnlos erscheinen mußten, ausschlaggebend dürften jedoch die jahrzehntelangen schlechten Erfahrungen der Eidgenossen mit diesem Kaiser gewesen sein.

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endlich die gewünschte Bestätigung ihrer Privilegien zu erlangen. Nachdem die Verhandlungen einmal in Gang gekommen waren, bedurfte es auch der Unterstützung Sigmunds nicht mehr, der sich 1487 völlig von den Eidgenossen abund Bayern zuwandte. Die Vereinbarungen kamen rasch zu einem erfolgreichen Abschluß: am 14. September 1487 war die Vereinigung ausgehandelt13, wobei sich allerdings Luzern, Schwyz und Glarus abseits hielten. Im November 1487 kam Maximilian der in dem Vertrag eingegangenen Verpflichtung, den Eidgenossen ihre Privilegien zu bestätigen, nach. Zu einer Ratifizierung der Vereinigung kam es allerdings nicht, da die eidgenössischen Orte sich nach und nach von dem Vertrag zurückzogen14. Obwohl der Vertrag also nie rechtskräftig wurde, ist er für das Verhältnis der Eidgenossen zu Habsburg dennoch von erheblicher Bedeutung. Maximilian signalisierte, daß er bereit war, gegenüber den Eidgenossen eher die Politik Sigmunds zu verfolgen, also nicht an der starren Position seines Vaters festzuhalten. Er schien willens, die vorgefundenen Verhältnisse zu akzeptieren, wozu eben auch der Verlust der habsburgischen Gebiete in der Schweiz gehörte, und, von dieser Realität ausgehend, nüchtern Chancen und Risiken einer Zusammenarbeit mit den Eidgenossen abzuwägen und sich nicht lediglich auf Grundsatzpositionen zurückzuziehen. Die gescheiterten Verhandlungen zeigen aber auch, daß die Schwierigkeiten für eine solche Zusammenarbeit - und sei sie noch so begrenzt - eben nicht nur 13 14

Text: EA 3/1, Beilage Nr. 22.

Zunächst siegelten - außer Maximilian - Zürich, Bern, Zug und Solothum die Urkunde (StA Zürich, C I, Nr. 1407). Da auf der Tagsatzung in Zürich indessen noch "die Mehrheit der Orte [...] die Vereinigung mit dem römischen König zugesagt" hatte (EA 3/1, Nr. 309b), wobei als Orte mit ablehnender Haltung nur Schwyz und Glarus erwähnt wurden, ist anzunehmen, daß die Tagsatzungsboten von Uri, Unterwaiden und Freiburg die zugesagte Besiegelung nach ihrer Heimkehr bei ihren Oberen nicht durchsetzen konnten. Nachdem ersichtlich wurde, daß an eine Zustimmung dieser Orte bis auf weiteres nicht zu denken war, wurde der Vertrag - ohne sonstige Änderungen im Vertragstext - auf die vier Orte umgeschrieben (StA Zürich, C I, Nr. 1408). Inzwischen traf der Vertrag aber auch in Zürich, Bern, Zug und Solothum nicht mehr auf Gegenliebe, so daß eine Ratifikation unterblieb. Als Ergebnis dieser veränderten Konstellation befindet sich die auf die vier Orte umgeschriebene Vertragsurkunde heute in doppelter Ausfertigung im StA Zürich. Sie trägt an beiden Exemplaren nur das Siegel Maximilians, war also offensichtlich nach der Siegelung durch Maximilian in doppelter Ausfertigung nach Zürich gesandt worden, um von den eidgenössischen Orten gesiegelt zu werden. Da die Siegelung unterblieb, landeten beide Exemplare im StA Zürich und spiegeln so auf anschauliche Weise den Meinungsumschwung in der Eidgenossenschaft.

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auf habsburgischer Seite lagen. Gerade in der Innerschweiz, wo eine antihabsburgische Haltung fast Teil der politischen Kultur war, waren doch ganz erhebliche Widerstände zu überwinden. In den Jahren nach dem gescheiterten Annäherungsversuch von 1487 aber entfernten sich die Eidgenossen und Habsburg erst wieder einmal voneinander. Zwar wurden die Verhandlungen über eine Ratifizierung des 1487 ausgehandelten Vertrages noch bis 1492 weitergeführt, aber mit geringer Intensität und wenig Aussicht auf Erfolg 15 . Die Chancenlosigkeit des Unterfangens erkannte schließlich auch Maximilian. Die Gesandten, die am 10. September 1492 auf der Tagsatzung waren, um die Antwort der Eidgenossen entgegenzunehmen, antworteten deshalb auf die erneut dilatorischen Einlassungen der Eidgenossen, daß Maximilian, "da es sich der Vereinigung halben diesmal nicht fügen wolle, [...] als Erbe des Erzherzogs Sigmund und kraft der Uebergabe seiner Länder, die ewige Richtung halten und thun [wolle], wozu ihn selbe verpflichte" 16. Damit waren die Verhandlungen um die Vereinigung von 1487 endgültig beendet. Indem Maximilian aber den Eidgenossen zusagte, die Ewige Richtung als Erbe Sigmunds halten zu wollen, erkannte er deren Gültigkeit für das Haus Habsburg an. Von jetzt an war klar, daß die Ewige Richtung künftig die Grundlage für die Beziehungen zwischen Österreich und den Eidgenossen bilden würde. In den Folgejahren entwickelte die Ewige Richtung freilich keine größere Wirksamkeit. Der Schwabenkrieg 1499 schien dann alle Hoffnungen auf ein friedliches Mit- oder auch nur Nebeneinander von Eidgenossen und Habsburg endgültig zunichte zu machen17. Um so mehr erstaunt es, daß bereits knapp ein Jahr nach diesen blutigen Auseinandersetzungen Maximilian sich mit vier Orten über eine Erneuerung 15

Innerhalb der Eidgenossenschaft führten diese Verhandlungen zu einer scharfen Kontroverse zwischen Uri und Schwyz auf der einen sowie Luzern auf der anderen Seite, da Uri und Schwyz Luzem unbedingt von dem Beitritt zu der Vereinigung abhalten wollten (EA 3/1, Nr. 409, S. 382f.; Nr. 425, S. 399f.). Der Streit ging so tief, daß ein förmliches Schiedsgerichtsverfahren nach den Vorschriften der Bünde in die Wege geleitet wurde (ebd., Nr. 425, S. 399f.; Nr. 440, S. 416). Dieses erübrigte sich dann allerdings, weil Maximilian auf die Durchsetzung der Vereinigung verzichtete (ebd., Nr. 444, S. 419). 16 17

EA 3/1, Nr. 444, S. 419.

Interessanterweise sind einige Artikel des Basier Friedens zu erheblichen Teilen den Texten von 1474 und 1487 entnommen, so die Bestimmungen über die Schiedsgerichtsbarkeit und die Vorschrift, daß keine Partei Angehörige der anderen in ihr Burgrecht aufnehmen dürfe.

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der Erbeinung verständigte, und zwar mit Zürich, Bern, Uri und Unterwaiden. Erleichtert worden war dies dadurch, daß auch nach Abschluß des Basler Friedens im Spätsommer 1499 weiterhin recht rege diplomatische Kontakte zwischen Maximilian und den Eidgenossen bestanden, da noch einige Detailprobleme des Friedensschlusses zu klären waren und außerdem die Siegelung des Vertrages noch ausstand. Diese Verhandlungen nützte Maximilian, um den Eidgenossen auf der Tagsatzung am 11. März 1500 in Zürich den Vorschlag einer Einung unterbreiten zu lassen18. Maximilians Gesandte nahmen Bezug auf die Einung mit Sigmund und empfahlen den Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung, "damit der friden bekrefftiget vnd ewige früntschaft zwüschen vns beidersyt zu nuz vnd frommen beider teilen landen vnd lüten vffgericht vnd beuestnet wurde" 19 . Hinter dieser hehren Absicht, die so kurz nach dem erbittert geführten Krieg des Vorjahres und angesichts der nach wie vor hart geführten Verhandlungen um das Thurgauer Landgericht und die Bezahlung der Brandschatzung doch erstaunen würde, verbarg sich freilich handfestes politisch-militärisches Kalkül, wie aus den weiteren Ausführungen der Gesandten hervorgeht. Hintergrund des Angebots war der Kampf um Mailand. In diesem Kampf sollten die Eidgenossen "abwenden helfen [...] die swären Ingriff des küngs zu Frankrich, die er dann wider Meiland als ein kamer des heiligen Richs vnd do ein keiser sin krönung empfacht, vnderstanden"20. Deshalb versprach Maximilian den Eidgenossen auch eine jährliche Pension von 20.000 Franken 2 1 , also genau die Summe, die die Eidgenossen von Frankreich erhielten 22. Außerdem bot Maximilian den Eidgenossen eine Sicherheitsgarantie vor Über18

EA 3/2, Nr. 6, S. 19.

19

EA 3/2, Nr. 6, S. 19.

20

EA 3/2, Nr. 6, S. 19.

21

Wohl angesichts der allgemein bekannten Geldknappheit der Habsburger hielt es Maximilian für angebracht, den Eidgenossen zu versichern, daß sie das Geld auch sicher erhalten würden. In den Jahren zuvor war allerdings auch Frankreich seinen Zahlungsverpflichtungen den Eidgenossen gegenüber nur sporadisch nachgekommen, so daß diese Versicherung Maximilians möglicherweise auch ein Hinweis auf seine im Vergleich mit Frankreich größere Zuverlässigkeit sein sollte. Maximilian stellte zudem, wenn auch nur äußerst vage, weitere Zahlungen durch den Herzog von Mailand in Aussicht. Ein entsprechendes Angebot des Herzogs wurde den Eidgenossen dann auf der Tagsatzung vom 7. April vorgelegt (EA 3/2, Nr. 9, S. 24). 22

Eine Jahrespension von 20.000 Franken wurde den Eidgenossen in den Verträgen mit Frankreich von 1474,1495 und 1499 zugesagt.

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griffen des Reichs und des Schwäbischen Bundes, letzteres ein eindeutiger Reflex auf den Schwabenkrieg und für die Eidgenossen ein sicher nicht unwichtiger Punkt. Auffallend ist die Einbeziehung des Reichs - Maximilian wollte die Vereinbarung "als Römische[r] Küng und Fürst zu Oesterrich" abschließen23. Sowohl Friedrich III. als auch im Schwabenkrieg Maximilian selbst hatten ja immer wieder versucht, das Reich und ihre Position als Reichsoberhaupt im Kampf für die habsburgischen Interessen gegen die Eidgenossen einzusetzen; das Vertragsangebot stellte nun eine Abkehr von dieser Politik in Aussicht24. Von einer Bestätigung der Privilegien der eidgenössischen Orte war übrigens nicht die Rede. Konkrete Forderungen in bezug auf militärische Hilfe der Eidgenossen gegen Frankreich wurden in diesem ersten Vorschlag nicht erhoben. Maximilian wollte wohl zunächst einmal die grundsätzliche Haltung der Eidgenossen zu einem solchen Angebot erkunden, bevor er mit Details aufwartete. Die Tagsatzungsboten hatten selbstverständlich keine Vollmacht, auf das weitgehende und wahrscheinlich auch ziemlich überraschende Angebot zu antworten, doch signalisierte die an die Boten ergangene Aufforderung zum Heimbringen in ihrem Wortlaut ein deutliches Maß an Zustimmung25. Auf der Tagsatzung am 7. April wurde dann festgestellt, daß die Mehrheit der Orte zwar für eine solche Einung mit Maximilian sei 26 , daß diese jedoch keine Hilfsverpflichtung enthalten solle. Als Grundlage für die neue Vereinbarung sollte die Ewige Richtung dienen, also nicht die Erbeinung von 1477; d.h. der unverbindlichere Text wurde zum Vorbild genommen27. Damit nahmen die Eidgenossen aber gerade den für Maximilian zentralen Punkt aus der Vereinbarung

23

EA 3/2, Nr. 6, S.19.

24

Daß den Eidgenossen der Wert dieses Angebots durchaus bewußt war, geht aus der Formulierung hervor, mit der die Boten angewiesen wurden, das königliche Anbringen an ihre Oberen zu bringen. Sie und ihre Oberen sollten bedenken, "wie sicher vnser wesen stunde, wo wir mit dem heiligen Rieh vnd tütscher Nation in friden sind" (EA 3/2, Nr. 6, S. 20). 25

Da die Tagsatzung in Zürich stattfand, oblag die Tagungsleitung und das Anfertigen des Protokolls Zürich. Man geht wohl nicht fehl, in diesen Formulierungen vor allem die Position Zürichs zu vermuten. Diese Annahme wird gestützt durch den weiteren Verlauf der Verhandlungen. 26

Welche Orte diese Mehrheit bildeten, geht aus den EA nicht hervor.

27

EA 3/2, Nr. 9, S. 25.

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heraus. Ihnen war klar, daß sie sonst noch mehr als bisher in den Konflikt zwischen Habsburg und Frankreich hineingezogen würden. Einen Monat später hatten die Eidgenossen dann einen entsprechenden Vertragsentwurf ausgearbeitet28. Trotz der erheblichen Abweichungen von dem von Maximilian vorgeschlagenen Text und dem gänzlich andersgearteten Grundtenor wurde dieser Entwurf von Maximilian akzeptiert und zwar offensichtlich ohne den geringsten Versuch, seine ursprünglichen Intentionen durchzusetzen. Diese Nachgiebigkeit Maximilians war eine Folge der Änderung der Lage in Oberitalien seit dem Vorlegen des Bündnisangebots im März. Damals hatte Herzog Ludovico gerade Mailand zurückerobert, und es bestand die Chance, entscheidend gegen die Franzosen in Oberitalien vorzugehen. Maximilian war deshalb an den Eidgenossen interessiert. Anfang April, als die Eidgenossen den königlichen Gesandten ihre Bereitschaft zum Abschluß einer Einung - jedoch ohne Hilfsverpflichtung - übermittelten, kippten die Machtverhältnisse in Italien aber erneut 29. Ludovico unterlag in der Schlacht von Novara und geriet in französische Gefangenschaft; die französische Herrschaft über Mailand wurde wiedererrichtet. Zu dem Zeitpunkt, als die Verhandlungen mit den Eidgenossen über die Details der geplanten Einung hätten beginnen müssen, war der Kampf in Italien also bereits zugunsten Frankreichs entschieden; die Hauptmotivation Maximilians für den Abschluß der Vereinbarung war damit hinfällig. Von daher dürften die königlichen Gesandten kaum besonders intensiv verhandelt oder auf dem Punkt der Hilfsverpflichtung bestanden haben, um nicht dadurch das Zustandekommen der erneuerten Erbeinung überhaupt zu gefährden, denn ein Scheitern der Verhandlungen wäre in dieser Situation der 28

EA 3/2, Nr. 16, S. 43, der Entwurf auf S. 45. Dieser Entwurf entspricht bis auf einige Änderungen, die nötig wurden, weil der Vertrag nur noch von vier Orten unterzeichnet wurde, der Entwurf aber noch von allen Orten als Vertragspartner ausgegangen war, dem endgültigen Vertragstext. So enthält der endgültige Text auch einen Passus über die Möglichkeit eines Beitritts der übrigen Orte. Jetzt wurde den königlichen Gesandten übrigens auch der eidgenössische Wunsch nach Bestätigung ihrer Privilegien vorgetragen (EA 3/2, Nr. 16, S. 43f.). Einige Orte hatten von Maximilian ja bereits 1487 ihre Privilegien bestätigt bekommen, seit dem Tod Friedrichs III. hatte jedoch kein eidgenössischer Ort mehr eine Konfirmation seiner Freiheiten erhalten. 29

Der sogenannte "Verrat von Novara", als Ludovico, der sich als einfacher Krieger verkleidet unter den eidgenössischen Söldnern verstecken und so in Sicherheit bringen wollte, von einem Urner an die Franzosen verraten wurde, erfolgte am 10. April 1500.

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größere Schaden gewesen, zudem ein eindeutiges Signal an Frankreich 30. Auch die finanzielle Großzügigkeit Maximilians war merklich geringer geworden: Seine Gesandten hatten im September 10.000 fl. bei sich "für ein gnädige Erung", wobei mit diesem Geld auch die aus dem Schwabenkrieg noch strittige Brandschatzung abgegolten sein sollte 31 . Bei dieser Summe handelte es sich um eine einmalige Zahlung, eine jährliche Pension war in dem Vertrag nicht vorgesehen32. Aber selbst dieser die Eidgenossen kaum verpflichtende Vertragsentwurf traf in der Eidgenossenschaft nicht auf ungeteilte Zustimmung. Auf der Tagsatzung am 1. Juni in Luzern wurden die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern der geplanten Erbeinung deutlich sichtbar: Zürich und Bern sprachen sich für die Vereinigung aus, Schwyz und Zug waren entschieden dagegen; Luzern und Uri hatten noch keinen entsprechenden Beschluß gefaßt, während die übrigen Orte angaben, sich der Mehrheit anschließen zu wollen 33 . Am 2. September erschienen die königlichen Gesandten auf der Tagsatzung, um den Vertrag abzuschließen. Von den eidgenössischen Orten waren nur Zürich, Bern, Uri und Unterwaiden zur Unterzeichnung des Vertrages bereit. Für diesen Fall waren

30

Auf den Tagsatzungen des Jahres 1500 war meist auch ein französischer Gesandter anwesend, ein Mißerfolg der Einungsbemühungen wäre Frankreich also nicht verborgen geblieben. 31

In der zweiten Geheimverschreibung Viscontis zum Basler Frieden (EA 3/1, Beilage Nr. 35B) wurde den Eidgenossen die Bezahlung eines Brandschatzes und eines Schatzgeldes für die Gefangenen in Höhe von 10.500 fl. zugesichert. Maximilian fühlte sich durch die geheimen Abmachungen jedoch nicht gebunden (die erste Geheimverschreibung betraf das Thurgauer Landgericht); die Eidgenossen ihrerseits verweigerten die Besiegelung des Vertrages, solange diese Bedingungen nicht erfüllt waren. Siehe dazu Schlund, Maximilian I. und die Eidgenossen, S. 75. 32

Eine Pensionszahlung hatten jedoch die Eidgenossen selbst nicht in den Vertragsentwurf aufgenommen. Es war also keineswegs so, daß Maximilian die Zuwendung gestrichen hatte, weil ihm die entsprechende Gegenleistung fehlte. Der Grund für dieses Verhalten der Eidgenossen ist wohl kaum in einer plötzlichen Bescheidenheit zu suchen, sondern in der Erkenntnis, daß eine Pension ohne gewisse Verpflichtungen nicht zu haben sein würde. 33

So ist wohl die Formulierung "die übrigen Orte wollen thun was andere Eidgenossen" zu verstehen (EA 3/2, Nr. 20, S. 48).

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die königlichen Gesandten jedoch nicht instruiert, der Vertragsabschluß wurde deshalb erneut verschoben34. Auf der am 30. Oktober 1500 in Zürich beginnenden Tagsatzung unterzeichneten die vier Orte die Erneuerung der Erbeinung, den anderen Orten wurde der Beitritt freigestellt 35. Von dieser Möglichkeit machte freilich kein Ort Gebrauch. Erneut ging es auch um die immer noch ausstehende Besiegelung des Basler Friedens, was den engen Zusammenhang zwischen beiden Verträgen abermals verdeutlicht. Hatte die Erneuerung der Erbeinung schon in der von Maximilian vorgeschlagenen Fassung den Charakter einer zusätzlichen Bekräftigung des Basler Friedens gehabt, so stand diese Absicht in der von den Eidgenossen entworfenen und schließlich auch unterzeichneten Fassung ganz im Vordergrund; alle auf eine künftige Zusammenarbeit gerichteten Bestimmungen waren gestrichen worden 36. Für die praktische Ausgestaltung der beiderseitigen Beziehungen hatte diese Vereinbarung denn auch keine Bedeutung. In späteren Verhandlungen wurde nie auf diesen Vertrag von 1500, sondern stets auf die Vereinbarungen von 1474 und 1477 Bezug genommen. Deutlich ablesen lassen sich an den Verhandlungen von 1500 aber die Parteiungen innerhalb der Eidgenossenschaft. Zürich war traditionell das Haupt der pro-habsburgischen Partei und tat sich auch hier als treibende Kraft hervor. Bern hatte seit den Burgunderkriegen einen Kurswechsel vollzogen und sich von Frankreich abgewandt. Unübersehbar ist auch die nach wie vor stark antihabsburgische Stimmung in der Innerschweiz, die sich in diesem Falle aber mit den italienischen Interessen eines Teils dieser Orte kreuzte. Das gilt vor allem für das jenseits der Alpen besonders engagierte Uri. Als Mailand nach der Schlacht von Novara seit Anfang April 1500 wieder in französischem Besitz war, kam es nämlich zwischen Frankreich und den drei Urkantonen zu Streitigkeiten wegen Bellinzona37,

34

EA 3/2, Nr. 29, S. 66.

35

EA 3/2, Nr. 33, S. 73f.; Vertragstext ebd., Beilage Nr. 4.

36

Die 10.000 fl. wurden nun allein als Bezahlung der Brandschatzung angesehen, hatten also keinen unmittelbaren Bezug zu der Erbeinung. 37

Während der Kämpfe um Mailand, d.h. als die französischen Truppen dort gebunden waren, nutzten Söldner aus Uri und Schwyz die günstige Gelegenheit, eroberten Bellinzona und nahmen die Grafschaft offiziell in Besitz. Unterwaiden schloß sich diesem Schritt an. Hieraus ergab sich ein hartnäckiger Streit mit Frankreich, der erst durch

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weshalb sich für diese Orte eine Anlehnung an Maximilian empfahl 38. Luzern stand auf der Seite der Gegner Habsburgs - eine Politik, der die Stadt auch künftig treu bleiben sollte. Dies war nicht zuletzt deshalb von besonderer Bedeutung, weil die anderen Waldstätte und Zug sich häufig nach Luzern richteten, wenn sie nicht gerade wie Uri in diesem Fall einen dezidiert eigenen Standpunkt vertraten. Deutlich wird in diesen Verhandlungen aber auch, welche Rolle Maximilian den Eidgenossen zugedacht hatte: Entscheidend war für ihn vor allem deren militärisches Potential, dahinter traten alle anderen Überlegungen zurück. Deshalb erwog er eine Vereinbarung mit ihnen, und dies nicht einmal ein Jahr nach dem Schwabenkrieg. Im Unterschied zu seinem Vater war das Verhältnis zu den Eidgenossen für ihn nicht eine Frage des Prinzips, also der Beharrung auf den alten habsburgischen Gebieten in der Schweiz, sondern des machtpolitischen Kalküls. Auch nach diesem Rückschlag gab Maximilian die Hoffnung nicht auf, doch noch zu einer Vereinbarung zu kommen, die ihm eidgenössische Söldner garantierte. Als Ludwig XII. 1501 zu einem Zug nach Neapel rüstete, wandte sich Maximilian erneut an die Eidgenossen und bat sie, Frankreich nicht zu unterstützen, sondern statt dessen seinen Truppen den Durchzug zu gestatten. Zugleich bot er ihnen seinerseits ein Bündnis an 3 9 . Die Eidgenossen lehnten dieses Angebot freilich mehrheitlich ab 4 0 . In der Folge führte Maximilian den Kampf gegen Frankreich zwar vor allem in Geldern, bemühte sich aber weiterhin um den Beitritt der übrigen Orte zu der

den Vertrag von Arona vom 11.4.1503 geschlichtet wurde. Ludwig XII. mußte nachgeben, die drei Orte erhielten Stadt und Grafschaft Bellinzona. 38

Maximilian wurde von den Orten denn auch zweimal um Unterstützung gebeten, lehnte aber beide Male ab (Schlund, Maximilian I. und die Eidgenossen, S. 90). 39

EA 3/2, Nr. 59, S. 122. Auf der Tagsatzung am 17.8.1501 wiederholten die königlichen Gesandten ihr Angebot (ebd., Nr. 67, S. 134), dieses Mal auch unter Hinweis auf Maximilians Vorhaben eines Romzugs. Dahinter stand die Überlegung, daß der Romzug bei den Eidgenossen gewiß auf größere Sympathie stoßen würde und sie in diesem Fall eher zur Mitwirkung bereit wären als bei einem Zug ins weit entfernte Neapel. 40

EA 3/2, Nr. 74, S. 145. Die EA geben keine Auskunft, welche Orte zustimmten und welche nicht.

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Erneuerung der Erbeinung 41. Schwyz und schließlich auch Glarus waren zum Beitritt bereit, wurden jedoch von Luzern daran gehindert 42. Weder der Hinweis auf den Romzug oder die Türkengefahr noch das Versprechen hoher Pensionszahlungen43 vermochten eine Entscheidung zugunsten Maximilians herbeizuführen. Neu war in den Angeboten Maximilians übrigens der Wunsch nach Einbeziehung seines Sohnes Philipp, nachdem dieser von Ferdinand von Aragon zum Erben seiner spanischen Königreiche erklärt worden war 44 . Die Attraktivität dieser Offerte für die Eidgenossen bestand vor allem in der Aussicht auf hohe Pensionszahlungen von Seiten Spaniens, die Maximilians Geldknappheit und schlechte Zahlungsmoral ausgleichen sollten45. Die von Maximilian gewünschte Einbeziehung Spaniens zeigt, daß die - bisher vor allem um Oberitalien geführte - Auseinandersetzung zwischen Maximilian und Ludwig XII. sich endgültig zum Kampf zwischen Valois und Habsburg um die Hegemonie in Europa ausgeweitet hatte. Die Eidgenossen wurden dabei von beiden Seiten heftig umworben. Allerdings dürfte das spanische Angebot die Eidgenossen von einem Beitritt zur Erbeinung eher abgehalten als ihre Bereitschaft vergrößert haben, wären sie doch damit endgültig an jedem westeuropäischen Konflikt beteiligt gewesen. Zudem kam die Offerte zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: 1503 sah es nämlich eine Zeitlang so aus, als ob sich die Eidgenossen von den internationalen Verwicklungen künftig ganz fernhalten wollten. Der am 21. Juni 1503 beschlossene Pensionenbrief enthielt ein Verbot der Annahme privater 41

EA 3/2, Nr. 96, S. 173; Nr. 99, S. 177; Nr. 107, S. 194; Nr. 115, S. 207; Nr. 136, S. 232; Nr. 139, S. 235; Nr. 154, S. 249. 42

EA 3/2, Nr. 115, S. 206f.; Nr. 119, S. 212; Nr. 139, S. 235.

43

EA 3/2, Nr. 136, S. 232; Nr. 154, S. 249.

44

EA 3/2, Nr. 96, S. 173; Nr. 115, S. 207. Teilweise war sogar von der Einbeziehung König Ferdinands von Aragon die Rede (ebd., Nr. 115, S. 207). 45

EA 3/2, Nr. 96, S. 173. Durch die spanischen Zahlungen sollte den Eidgenossen auch ein eventueller Verlust bei den französischen Pensionen ausgeglichen werden (ebd., Nr. 115, S. 207). Auf den schlechten Ruf Maximilians in Geldangelegenheiten wirft vor allem der Hinweis der königlichen Gesandten, daß Ferdinand und Philipp sich für die Zahlungen Maximilians verbürgen würden, ein bezeichnendes Licht (ebd., Nr. 154, S. 249). Außerdem bot der spanische König den Eidgenossen zusätzlich eine erhebliche spanische Pension an (ebd.).

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Pensionen und des Reislaufens; in einem Beibrief wurde sogar vereinbart, daß die einzelnen Orte keine Bündnisse ohne Zustimmung der Mehrheit der Orte mehr abschließen dürften 46. Offizielle Anwerbungen, wie sie in dem Bündnis mit Frankreich von 1499 vorgesehen waren, wurden damit zwar nicht untersagt, allerdings hätte bereits die Erneuerung der Erbeinung mit Maximilian von 1500 einen Verstoß gegen diese Bestimmungen bedeutet. Ziel des Pensionenbriefs war es vor allem, Situationen wie in Novara 1500 zu vermeiden, als aufgrund des von den Obrigkeiten nicht autorisierten Reislaufens auf beiden Seiten der Front eidgenössische Söldner standen. Darüber hinaus stellte die Vereinbarung ein deutliches Signal dar, daß die Eidgenossen nicht mehr in die Kämpfe der europäischen Großmächte hineingezogen werden wollten. Die Bestimmungen des Pensionenbriefes blieben freilich überwiegend toter Buchstabe, Auswirkungen auf die Pensionennehmer oder die Reisläufer sind kaum festzustellen 47. Daß die Jahre nach 1503 für die Eidgenossen verhältnismäßig ruhig waren, lag nicht am Pensionenbrief, sondern an einer kurzen Pause im Kampf um Mailand. 1504/05 war Maximilian nämlich im bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieg beschäftigt, was ihn unter anderem dazu bewog, zumindest für den Augenblick den Status quo in Italien anzuerkennen und Ludwig XII. mit Mailand zu belehnen48. Ende 1505 schienen sich die Machtverhältnisse wieder einmal schlagartig zu ändern, und zwar zuungunsten Maximilians. Ferdinand von Aragon heiratete nämlich Germaine de Foix, eine Nichte Ludwigs XII. Damit stand nicht nur eine spanisch-französische Koalition gegen Habsburg zu befürchten, sondern auch der Verlust des spanischen Erbes für Philipp. In dieser Situation wandte sich Maximilian erneut an die Eidgenossen und bat sie, unter ausdrücklichem Verweis auf die neue Lage, um ein Bündnis mit ihm und Philipp auf zehn

46

EA 3/2, Beilage Nr. 10.

47

Schlund behauptet, daß "mit dem Hinweis auf dieses Verkommnis [...] die Anträge Maximilians, der alle Orte in die Ewige Richtung zu bringen suchte, abgelehnt" wurden (Schlund, Maximilian I. und die Eidgenossen, S. 91). Die von ihr angeführten Belegstellen enthalten diesen Hinweis jedoch nicht, können ihn größtenteils gar nicht enthalten, da sie fast alle aus der Zeit vor dem Abschluß des Pensionenbriefs stammen. 48

Durch die Verlobung von Maximilians Enkel Karl mit Claudia, der Tochter Ludwigs XII., schien sich zudem eine Möglichkeit zu eröffnen, Mailand auf lange Sicht friedlich wiederzuerlangen.

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Jahre 49. Der König verlangte das Recht, 6.000 Söldner anwerben zu dürfen und eine Aufkündigung des französischen Bündnisses durch die Eidgenossenschaft; dafür sollten die Eidgenossen jährliche Pensionen mindestens in Höhe der französischen bekommen50. Maximilian machte nicht einmal den Versuch, den Zweck des angestrebten Bündnisses zu verbrämen: Es sollte sich einzig und allein um ein gegen Frankreich gerichtetes Bündnis handeln. Deshalb griff er auch nicht auf die Erbeinung zurück, sondern wählte - nach französischem Vorbild - die Form eines zeitlich befristeten Bündnisses mit klarer Zielsetzung. Wie kaum anders zu erwarten, lehnten die Eidgenossen unter Hinweis auf ihr Bündnis mit Frankreich ab 5 1 . Gerade die von Maximilian gewählte Form eines eindeutigen Militärbündnisses machte ihnen eine Zustimmung unmöglich, da somit der Widerspruch zu dem Bündnis mit Frankreich allzu offensichtlich gewesen wäre 52 . Maximilian scheint seinen Fehler auch alsbald erkannt zu haben. Auf der Tagsatzung am 25. Mai 1506 ließ er die Eidgenossen nochmals um das zehnjährige Bündnis bitten, nur hoben die Gesandten dieses Mal hervor, daß dieses "nicht gerade gegen den König von Frankreich, sondern behufs des vorhabenden Romzugs für Erlangung der Kaiserkrone, auch gegen die Ungläubigen" sei 53 . Die Eidgenossen ließen sich freilich so leicht nicht täuschen und lehnten erneut ab 5 4 . Ungeachtet der deutlichen Ablehnung erschienen wenige Monate später, im Dezember 1506, abermals Gesandte Maximilians mit einem Bündnisangebot auf der Tagsatzung. Kurz zuvor war Philipp gestorben, weshalb Maximilian jetzt um ein Bündnis für sich und im Namen seiner Enkel Karl und

49

EA 3/2, Nr. 231, S. 328.

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EA 3/2, Nr. 231, S. 328.

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EA 3/2, Nr. 237, S. 334.

52

So war z.B. bei einer Erbeinung, die ja vor allem Bestimmungen über ein gedeihliches Nebeneinander und höchstens unter anderem auch einen Absatz über - meist gegenseitige - Hilfsverpflichtungen enthielt, der Spielraum für die Interpretation eines solchen Vertrages größer, so daß zumindest auf dem Papier derartige Widersprüche zu anderen Verträgen nicht bestanden. 53 54

EA 3/2, Nr. 248, S. 345.

EA 3/2, Nr. 253, S. 351. Die Ablehnung erfolgte in ziemlich schroffer Form, da dem König nicht einmal die von ihm begehrte Tagsatzung gewährt wurde, um die Antwort der Eidgenossen entgegenzunehmen.

224

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Ferdinand bat, und zwar auf 50 oder 60 Jahre 55. Es sollte sich dabei um ein Bündnis für die Lande Österreich und Burgund handeln, von Spanien war nicht mehr die Rede 56 . Hier zeichnen sich erstmals die Vertragspartner und der Gültigkeitsbereich der Erbeinung von 1511 ab. Die Verhandlungen zogen sich hin, sie gehören bereits zur Vorgeschichte der Verhandlungen im Umfeld des Konstanzer Reichstages von 1507 57 . Alle Anstrengungen Maximilians waren jedoch vergeblich: Solange das Bündnis mit Frankreich bestand, waren die Eidgenossen nicht bereit, eine Vereinbarung mit Maximilian einzugehen. Im Jahre 1509 lief das französische Bündnis aus 58 . Damit war die Situation wieder einigermaßen offen, die Eidgenossen waren jetzt frei in der Wahl eines Bündnispartners. Zunächst jedoch verbündeten sie sich weder mit Maximilian noch mit Ludwig XII., sondern schlossen - auf Vermittlung Kardinal Schiners, des Bischofs von Sitten, -1510 ein Bündnis mit Papst Julius I I . 5 9 . Bereits wenige Monate nach Abschluß des Vertrages machte der Papst von dem ihm zugesicherten Recht, 6.000 eidgenössische Söldner anzuwerben, Gebrauch 60 - angeblich, um gegen einen ungehorsamen Vasallen, den Herzog von Ferrara, vorzugehen, tatsächlich jedoch richtete sich der Feldzug gegen die französische Herrschaft in Mailand. Dieser sogenannte Chiasserzug fand indessen ein rasches Ende, bevor es überhaupt zu ernsthaften Kämpfen kam: Die Tagsatzung rief nämlich die eidgenössischen Söldner zurück, da sie nicht als Instrument der päpstlichen Offensivpolitik mißbraucht werden sollten61. 55

EA 3/2, Nr. 256, S. 355.

56

Die habsburgische Erbfolge in Spanien war zu diesem Zeitpunkt ja keineswegs

sicher. 57

Siehe dazu oben S. 34-37.

58

Der französische König beantragte zwar eine Erneuerung, überzog aber seine Forderungen derart, daß die Eidgenossen ablehnten (EA 3/2, Nr. 330, S. 458f.). Siehe Dierauer, Geschichte 2, S. 479. 59

EA 3/2, Beilage Nr. 16.

60

EA 3/2, Nr. 365, S. 493.

61

EA 3/2, Nr. 370, S. 503. Die Beurteilung dieses Vorgangs ist in der Forschung umstritten. Während Dierauer davon ausgeht, daß die Eidgenossen den päpstlichen Angaben, der Zug richte sich gegen Ferrara, zunächst glaubten und erst nach dem Auszug der Truppen das wahre Ziel des Unternehmens erkannten (Dierauer, Geschichte 2, S. 483f.), hält Schlund es für unwahrscheinlich, daß die Eidgenossen die päpstliche Ab-

A. Bündnisse und Einungen

225

Der Papst war über das Verhalten der Eidgenossen einigermaßen verstimmt. Auch ansonsten hatte sich das Ansehen der Eidgenossenschaft durch diese Aktion nicht gerade vergrößert. Die Eidgenossen nahmen dies jedoch in Kauf, weil ihnen das Risiko, einer französisch-habsburgischen Übermacht gegenüberzustehen, zu groß erschien. Maximilian, Ludwig XII., Ferdinand von Aragon und Papst Julius II. hatten sich nämlich Ende 1508 in der Liga von Cambrai zusammengeschlossen. Da sich das Bündnis vor allem gegen Venedig richtete, war es zunächst für die Eidgenossenschaft ohne unmittelbare Bedeutung. Nachdem Julius II. sich mit seinem Vorhaben gegen Ferrara, das aber tatsächlich Frankreich galt, von der Liga entfernt und sich dazu die eidgenössische Unterstützung gesichert hatte, bestand für die Eidgenossen die Gefahr, den verbliebenen Ligamitgliedern, und das hieß konkret vor allem Maximilian und Ludwig XII., gegenüberzustehen. Bei einer Fortsetzung des Zuges nach Italien wäre es wohl unweigerlich zu einem Zusammenstoß mit französischen Truppen gekommen, und Maximilian hatte nördlich des Rheins bereits Truppen zusammengezogen, um die Eidgenossen von einer Fortsetzung des Italienzugs abzuhalten62. Maximilian beschränkte sich aber nicht auf die Androhung militärischer Gewalt. Er versuchte vielmehr erneut, die Eidgenossen an sich zu binden, um sie auf diese Weise nicht nur nicht gegen sich zu haben, sondern sich ihrer Unterstützung zu versichern. Auf der Tagsatzung am 9. September 1510 ließ er den Eidgenossen ein Bündnisangebot unterbreiten, nachdem er sie noch am 20. August eindringlich vor dem Zug nach Italien in päpstlichem Dienst gewarnt hatte. Maximilians Gesandter, Freiherr Ulrich von Sax, legte der Tagsatzung allerdings noch keine konkreten Vertragsbedingungen vor, sondern zeigte ihnen lediglich die Vorteile auf, die die Eidgenossen aus einer solchen Übereinkunft ziehen würden. Dabei verwies er auch unverblümt auf das hohe Alter des Papsicht nicht von vornherein durchschauten (,Schlund, Maximilian I. und die Eidgenossen, S. 105). Es spricht einiges für die Argumentation Schlunds (das Zögern bei der Zustimmung zu den päpstlichen Werbungen, die frühe Verstärkung der Truppen, der Hinweis auf den normalerweise guten Informationsstand der Eidgenossen). Für den plötzlichen Meinungsumschwung der Tagsatzung dürfte laut Schlund entscheidend gewesen sein, daß nach Beginn des Feldzugs sowohl Maximilian (EA 3/2, Nr. 369, S. 500-502) als auch Mailand (ebd., Nr. 367, S. 496-498) mit massiven Beschwerden bis hin zu Drohungen bei der Tagsatzung vorstellig wurden (Schlund, Maximilian I. und die Eidgenossen, S. 106), so daß die Eidgenossen befürchten mußten, ringsum von Feinden umgeben zu sein. Die mangelhafte Lebensmittelversorgung der Truppen erleichterte dann die Durchsetzung des Rückrufs der Truppen. 62 15 Braun

Schlund, Maximilian I. und die Eidgenossen, S. 107.

226

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

stes, also - ohne dies freilich explizit zu formulieren - auf die Möglichkeit, daß die Eidgenossen ihren momentan einzigen Bündnispartner von einem Tag auf den anderen verlieren könnten63. Überhaupt kam es Sax offenbar darauf an, den Eidgenossen das Gefühl zu vermitteln, ziemlich alleine zu stehen, indem er auch den Widerwillen Frankreichs gegen die Eidgenossenschaft erwähnte. Sax scheint mit diesem Vorgehen Erfolg gehabt zu haben, da den Boten an ihre Oberen mitgegeben wurde zu bedenken, "daß es in diesen Zeitläufen rathsam sei, sich 'nit Jedermans zu entziehen'"64. Als Gegenmodell stellte Sax den Eidgenossen vor Augen, daß Maximilian und die Eidgenossen gemeinsam nahezu unschlagbar wären und alle anderen Nationen Respekt vor ihnen haben müßten 65 . Der Begriff der Nation taucht hier nicht von ungefähr auf; Maximilian appellierte ausdrücklich an die Eidgenossen als Angehörige der deutschen Nation, weshalb sie sich ihm doch mehr verbunden fühlen müßten als anderen. Der Antipode zu der deutschen Nation war die "welsche" Nation, die stets versuche, die deutsche Nation auseinanderzudividieren. In der konkreten Situation ist hier insbesondere an Julius II. zu denken, der ja in der Tat die Eidgenossen auf die Maximilian feindlich gegenüberstehende Seite ziehen wollte. Allerdings befremdet es doch etwas, daß Maximilian sich hier des nationalen Arguments bediente, war er doch selbst mit einem "Welschen", dem französischen König, verbündet und versuchte gerade, die Eidgenossenschaft in eben dieses Bündnis zu integrieren. Von einer national geprägten Auseinandersetzung konnte demnach nicht die Rede sein. Erklären läßt sich dieser nationale Hinweis nur damit, daß Maximilian offenbar kein auch nur irgendwie erfolgversprechendes Argument ungenutzt lassen wollte, um die Eidgenossen zu gewinnen. Diesem Ziel dienten auch die vagen Hinweise auf die Bereitschaft Maximilians zu erheblichen Gegenleistungen66.

63

Zudem stellte Sax den Papst als einen unzuverlässigen Partner dar, der die Eidgenossen durch den Bischof von Sitten, Matthäus Schiner, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Zug über die Alpen gelockt hätte (EA 3/2, Nr. 372, S. 507). 64

EA 3/2, Nr. 372, S. 506.

65

"Dann wo sy (= die Eidgenossen, B.B.) mit key. M. zuhielten vnd in einickeit kernen, müßten darnach all nationen ein vffsechen vf sy haben vnd Inen von niemand kein widerstand beschechen" (EA 3/2, Nr. 372, S. 507). 66

Sax teilte den Eidgenossen mit, der Kaiser sei bereit, ihnen für die Einung "alles mögliche, viel mehr als früher, zu gewähren" (EA 3/2, Nr. 372, S. 506). In dieselbe Richtung ging der Hinweis, den Eidgenossen solle vom Reich und vom Haus Österreich alles widerfahren, was auf dem Reichstag zu Konstanz verabredet worden war (ebd.,

A. Bündnisse und Einungen

227

Auf der Tagsatzung vom 20. September 1510 schlugen die kaiserlichen Gesandten der Eidgenossenschaft dann ein Bündnis mit Maximilian und Ludwig XII. vor 6 7 . Dies stellte eine erhebliche Abweichung von dem vorigen Anliegen dar, weshalb die Tagsatzungsboten sich auch nicht in der Lage sahen, darauf zu antworten. Wiederum zehn Tage später erschien dann sowohl eine französische als auch eine kaiserliche Gesandtschaft auf der Tagsatzung, um den Eidgenossen ein Bündnis anzubieten68. Die kaiserlichen Gesandten präzisierten ihr Angebot dahingehend, daß, wenn die Eidgenossen sich nicht mit beiden Monarchen verbünden wollten, sie doch wenigstens ein Bündnis mit Maximilian eingehen sollten69. In der Folge war von dem Dreierbündnis freilich nicht mehr die Rede, ohne daß die Ursachen dafür ganz klar werden. Der Gedanke wurde fallengelassen, noch bevor die Eidgenossen sich dazu offiziell geäußert hatten. Auf der Tagsatzung am 29. Oktober verkündeten die Boten ihre Antworten auf die Anträge der beiden Monarchen jedenfalls getrennt, d.h. so als ob es sich um zwei unabhängig voneinander vorgebrachte Anträge handelte. Beide Anträge lagen mit der gerade wieder einmal deutlich hervortretenden Tendenz in der Eidgenossenschaft, sich von den internationalen Auseinandersetzungen zurückziehen zu wollen, im Widerstreit. Diese Tendenz kommt in den Antworten von Uri, Schwyz, Nidwaiden und Glarus zum Ausdruck, die angaben, "sy wöllend mit niemen nüt machen vnd ouch nieman weren" 70. Bern wollte die Angebote beider Könige prüfen, um nicht eine günstige Gelegenheit für ein nützliches Abkommen zu versäumen71. Zürich hielt eine Einung mit Maximilian für überflüssig, da mit ihm als Erzherzog von Österreich ein Abkommen bestehe, das

Nr. 372, S. 507). Dort war Maximilian den Eidgenossen ja außerordentlich weit entgegengekommen, wenn er also jetzt ein ähnliches oder gar noch weitergehendes Entgegenkommen in Aussicht stellte, so zeigt dies sein starkes Interesse an einer Einigung mit den Eidgenossen. 67

EA 3/2, Nr. 374, S. 510.

68

EA 3/2, Nr. 376, S. 512.

69

Ob auch die französischen Gesandten zunächst ein solches Dreierbündnis anboten und erst in zweiter Linie ein Bündnis nur mit Frankreich, geht aus den EA nicht hervor. Dort ist nur ein Bündnis mit Frankreich erwähnt (EA 3/2, Nr. 376, S. 512).

15*

70

EA 3/2, Nr. 378, S. 517.

71

EA 3/2, Nr. 378, S. 517.

228

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

erst kürzlich erneuert worden sei 72 . Außerdem habe man ja den Basler Frieden geschlossen, der "gnugsam lutrung gegen einandern vßtruckend" 73. Aus diesen Einwänden wird deutlich, daß selbst Zürich nicht an ein weitergehendes Bündnis mit Maximilian dachte. Deutlich für ein Abkommen mit Maximilian plädierte lediglich Basel, allerdings für ein Abkommen mit Maximilian als Erzherzog von Österreich, da dessen Länder ringsum an Basler Gebiet stießen. Der Wunsch Basels ist verständlich, da die Stadt im Unterschied zu den anderen Orten weder in der Ewigen Richtung oder in der Erbeinung noch im Basler Frieden Vertragspartner war 7 4 . Offenbar waren aber auf seiten Maximilians die neuralgischen Punkte des Antrags bereits erkannt worden, bevor die Vorbehalte der Eidgenossen - wenn auch ziemlich verklausuliert - auf der Tagsatzung zur Sprache kamen. Die Gesandten baten nämlich nicht einfach um Antwort auf das kaiserliche Anliegen, sondern ergänzten ihre früheren Ausführungen dahingehend, daß Maximilian auch zu einer Einung als Erzherzog von Österreich bereit sei, wenn die Eidgenossen nicht mit ihm als Kaiser abschließen wollten. Außerdem sei er bereit, auf einen Artikel über Hilfsverpflichtungen zu verzichten 75. Maximilian wollte die Eidgenossen also auf alle Fälle vertraglich an sich binden und sei es in einem Vertrag, dessen unmittelbarer militärischer Nutzen gering war. Hier kommt das Minimalziel maximilianeischer Politik gegenüber den Eidgenossen zum Ausdruck, wenigstens zu verhindern, daß die Eidgenossen auf der gegnerischen Seite kämpften. Ergebnis der doch reichlich unklaren Meinungsbildung war jedenfalls, daß die Eidgenossen sich das kaiserliche Angebot näher anhören wollten und zu diesem Zweck eine Tagsatzung auf den 1. Dezember 1510 ansetzten76. Auf der Tagsatzung erschienen dann gleich sechs kaiserliche Gesandte, ein Indiz dafür, 72

EA 3/2, Nr. 378, S. 517. Hier ist wohl an die Ewige Richtung zu denken, da Zürich das Wort "bericht" benützte, sowie an die Erneuerung von 1500. 73

EA 3/2, Nr. 378, S. 517.

74

Zudem hatte Basel gerade eine langwierige Auseinandersetzung mit den oberösterreichischen Behörden in Ensisheim wegen des Dorfs Hüningen hinter sich (Zu den Herrschaftsverhältnissen in Hüningen, s. Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel 3, S. 73-75). Das mochte den Basier Stadtvätern die Notwendigkeit einer solchen Vereinbarung verstärkt vor Augen geführt haben. 75

EA 3/2, Nr. 378, S. 514.

76

EA 3/2, Nr. 378, S. 515.

A. Bündnisse und Einungen

229

daß es nun ernst wurde und die Verhandlungen in ihre entscheidende Phase traten. Der Gedanke an ein neues Bündnis war inzwischen völlig fallengelassen worden; das Ganze firmierte nunmehr unter "Erneuerung und Verbesserung der Ewigen Richtung"77. Zu den notwendigen Neuerungen gehörte selbstverständlich die Anpassung des Kreises der Vertragspartner an die geänderten Verhältnisse: Auf eidgenössischer Seite sollte die Erbeinung auf die inzwischen der Eidgenossenschaft beigetretenen Orte ausgedehnt werden - eine unproblematische Änderung -, auf der Gegenseite wünschte Maximilian die Einbeziehung seines Enkels Karl "mit sinen erblichen landen", was eine Ausdehnung zumindest auf Burgund, wahrscheinlich aber auch auf Spanien bedeutet hätte 78 . Maximilian wünschte darüber hinaus einige Änderungen in den Bestimmungen über die Schiedsgerichtsbarkeit, den Verzicht der Eidgenossen auf das Öffnungsrecht in den vier Waldstädten am Rhein und daß die Erbeinung bei künftigen Verträgen der beiden Partner vorbehalten sein solle 79 . Der auf der Tagsatzung am 6. Januar 1511 von beiden Parteien beschlossene Abschied80 entsprach weitgehend den Vorschlägen der kaiserlichen Gesandten vom Dezember 81. Deutlich wurde auf 1474 und 1477 Bezug genommen, doch ist inhaltlich die Verwandtschaft zu 1474 enger. Im Vergleich zu ihren ursprünglichen Vorschlägen mußten sich die kaiserlichen Gesandten lediglich 77

In den Vorträgen der Gesandten ist zwar stets von der Erbeinung die Rede, die erneuert werden sollte, aus den Ausführungen geht aber eindeutig hervor, daß die Ewige Richtung von 1474 gemeint war. Nur auf die Ewige Richtung trifft nämlich zu, daß sie von König Ludwig XI. von Frankreich vermittelt wurde, und nur in ihr war ein Artikel über das Öffnungsrecht in den Waldstädten am Rhein enthalten, der jetzt wegfallen sollte. Offensichtlich waren Vereinbarungen mit dem Haus Österreich mittlerweile fest mit dem Begriff Erbeinung verbunden, so daß dieser Begriff rückwirkend auch auf die Ewige Richtung von 1474 angewandt wurde. 78

Die zweite Frau Ferdinands von Aragon, Germaine de Foix, hatte im Mai 1509 einen Sohn zur Welt gebracht, der aber unmittelbar nach der Geburt gestorben war. Es war also zunehmend unwahrscheinlich, daß aus dieser Ehe noch ein Erbe hervorgehen würde. Im Oktober 1510 wurde denn auch die habsburgische Thronfolge in Spanien offiziell anerkannt. 79

EA 3/2, Nr. 383, S. 524f.

80

EA 3/2, Nr. 386.

81

Der Abschied entspricht inhaltlich im wesentlichen dem endgültigen Text der Erbeinung. Lediglich die Narratio wurde noch relativ stark verändert, außerdem einzelne Formulierungen und die Reihenfolge der Artikel.

230

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

zwei Änderungen von einiger Bedeutung gefallen lassen: Die Gültigkeit der Erbeinung für Maximilian und Karl wurde eindeutig auf Österreich und Burgund begrenzt. Eine automatische Ausdehnung auf Spanien im Fall der spanischen Erbfolge Karls war also ausgeschlossen. Es dürften mit Sicherheit die Eidgenossen gewesen sein, die auf dieser Klarstellung bestanden hatten, um nicht in die Konflikte der spanischen Königreiche hineingezogen zu werden. Außerdem wurde der Artikel über das öffnungsrecht in den vier Waldstädten nicht ausdrücklich aufgehoben. Da überdies vereinbart wurde, daß alle nicht explizit genannten Artikel von 1474 und 1477 ihre Gültigkeit behalten sollten, galt dies demnach auch für das öffnungsrecht. Über die Ursachen für diese Änderung kann nur spekuliert werden: Möglicherweise wollte man eine genaue Festlegung dieses heiklen Punktes, an dem die Einigung 1474 ja fast gescheitert wäre, vermeiden. Erleichtert wurde dies wohl dadurch, daß das Hauptaugenmerk 1511 im Gegensatz zu 1474/77 nicht auf den Oberrhein und dessen nähere und weitere Umgebung gerichtet war, sondern auf Italien. Neu waren übrigens auch die den Eidgenossen gewährten jährlichen Pensionen, die allerdings relativ bescheiden ausfielen 82 und deren Bezahlung Maximilian auf Karl abwälzte. Die Tagsatzungsboten wurden beauftragt, diesen Abschied an ihre Oberen heimzubringen und mit entsprechenden Vollmachten am 2. Februar wieder in Baden zu erscheinen. Auf der am 3. Februar in Baden beginnenden Tagsatzung wurde der Vertrag aufgerichtet, die Urkunde trägt das Datum 7. Februar 1511. Allerdings waren auf der Tagsatzung bei weitem nicht alle Boten zur Unterzeichnung des Vertrages bevollmächtigt. Luzern, Uri, Schwyz, Nidwaiden und Zug, also die Innerschweizer Orte, sowie Basel waren zunächst nicht zum Beitritt bereit. Ihren Boten wurde allerdings dringend nahegelegt, bei ihren Oberen eine Zustimmung zu erwirken 83. In den kommenden Wochen und Monaten bemühten sich die Orte, die die Erbeinung bereits ratifiziert hatten, zusammen mit den Gesandten Maximilians um die Zustimmung der übrigen Orte 84 . Das Hauptaugenmerk bei den Bemühungen galt dabei Luzern, da die Stadt als Meinungsführer der Innerschweiz zu gelten hatte und hier auch der entschiedenste

82

Vereinbart wurde eine jährliche Pension von 2.000 fl.; im Vergleich zu den 20.000 Franken, die Frankreich gezahlt hatte und die Maximilian den Eidgenossen 1500 ebenfalls angeboten hatte, kaum mehr als ein Trinkgeld. 83

EA 3/2, Nr. 391, S. 554.

84

EA 3/2, Nr. 409, S. 572.

A. Bündnisse und Einungen

231

Widerstand zu vermuten war 8 5 . Zunächst sah es ganz danach aus, als ob diesen Bemühungen kein Erfolg beschieden sein sollte. Im Juni wurde beschlossen, daß die bis jetzt beigetretenen Orte die Urkunde siegeln und dafür ihren Anteil an der Pension erhalten sollten86. Schließlich kam aber doch noch Bewegung in die Angelegenheit. Zunächst traten Nidwaiden und Basel bei 8 7 ; Anfang Januar 1512 gab schließlich auch Luzern den Widerstand gegen die Erbeinung auf, nachdem zuvor bereits Uri und Schwyz ihre Bereitschaft zum Beitritt erklärt hatten88. Die Vertragsurkunde spiegelt diesen zähen, sich fast ein Jahr lang hinziehenden Kampf freilich nicht wider. Es wurde nämlich eine neue Urkunde angefertigt, die alle eidgenössischen Orte sowie Appenzell, Stadt und Abt St. Gallen aufzählte, wobei das ursprüngliche Datum, also 7. Februar 1511, beibehalten wurde. Damit wurde die Fiktion einer einhelligen Zustimmung und eines gleichzeitigen Beitritts aller Orte geschaffen. Die inneren Richtungskämpfe der Eidgenossen sollten nicht in einer Urkunde verewigt und somit aller Welt sichtbar vor Augen geführt werden 89. Die lange Dauer der Verhandlungen 90 und der Wunsch, diese Uneinigkeit nach außen hin zu verdecken, sind auch ein Indiz dafür, wie tief diese Meinungsverschiedenheiten gingen. Bei dem Wunsch, nach außen hin Geschlossenheit zu demonstrieren, mag auch eine Rolle gespielt haben, daß den Eidgenossen nach den Erfahrungen mit Reisläufern und nicht zuletzt nach dem lange als geradezu traumatisch empfundenen Erlebnis von Novara 1500 bewußt geworden war, daß diese inneren Parteibildungen einen hervorragenden Ansatzpunkt für verfeindete Mächte bildeten, um

85

EA 3/2, Nr. 409, S. 572.

86

EA 3/2, Nr. 409, S. 572.

87

Der Beitrittsbeschluß selbst ist in den EA nicht erwähnt, im November ist aber nur noch von vier nicht beigetretenen Orten, nämlich Luzern, Uri, Schwyz und Zug, die Rede (EA 3/2, Nr. 420, S. 587). 88

EA 3/2, Nr. 426, S. 593.

89

1477 hatte man ein solches Vorgehen nicht für nötig gehalten. Damals schloß Herzog Sigmund die Erbeinung zunächst nur mit Zürich, Bern, Luzem, Uri und Solothum ab. 1478 folgte dann ein entsprechender Vertrag mit Schwyz, Unterwaiden, Zug und Glarus. 90

Das Ringen um den Beitritt der übrigen eidgenössischen Orte hatte wesentlich länger gedauert als die Aushandlung des Vertrages.

232

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

in der Eidgenossenschaft Fuß zu fassen, und daß hierin eine erhebliche Gefahr für eine Spaltung der Eidgenossenschaft lag. Dabei war die Zusammensetzung der Parteien in der Eidgenossenschaft verhältnismäßig konstant. Zürich konnte als Hauptvertreter einer pro-habsburgischen Politik gelten, während Luzern die Gegenpartei anführte. Basel neigte ebenfalls zu Habsburg, schon weil die geographische Lage der Stadt kaum etwas anderes zuließ. Daß Basel die Erbeinung zunächst nicht unterzeichnen wollte, lag nicht an einer grundsätzlichen Gegnerschaft zu dem Vertragswerk Basel hatte ja als einer der ersten Orte überhaupt den Abschluß eines solchen Vertrages empfohlen -, sondern daran, daß die Stadt einige Sonderbestimmungen für sich anerkannt haben wollte, was der Stadt auch gelang91. Schaffhausen orientierte seine Politik zumeist an Basel. Auch Bern tendierte zu Habsburg, im einzelnen war die Haltung der Stadt allerdings stark von ihren jeweiligen Interessen im Westen abhängig. Solothurn gehörte ebenfalls lange zur pro-habsburgischen Partei, was sich allerdings ändern sollte. Die Urkantone waren einerseits traditionell feindlich gegenüber Habsburg eingestellt, hinzu kam die in dieselbe Richtung gehende Meinungsführerschaft Luzerns. Andererseits war ihr Votum aber auch stark von ihren "ennetbirgischen", d.h. südlich der Alpen gelegenen, Interessen abhängig, und das konnte von Fall zu Fall eben auch eine Entscheidung zugunsten Habsburgs bedeuten. Für die ganze Eidgenossenschaft war überdies die Tendenz bestimmend, möglichst nicht eine der beiden Großmächte übermächtig werden zu lassen: Daraus ergab sich die Neigung, jeweils mit der Macht zu koalieren, die gerade etwas ins Hintertreffen geraten war. 1511 war dies eben Maximilian, obwohl sich durch die Anerkennung der habsburgischen Erbfolge in Spanien das Blatt schon wieder zu wenden begann.

2. Der Wortlaut der Verträge Die in dem Zeitraum von 1474 bis 1511 zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich geschlossenen Verträge spiegeln die Kräfteverhältnisse zwischen

91

In einem Beibrief zur Erbeinung (Basier Urkundenbuch 9, Nr. 375) vom 17.5.1511 bestätigte Maximilian der Stadt die Gültigkeit der früher zwischen Basel und Österreich geschlossenen Vereinbarungen über die geistliche Gerichtsbarkeit und die Verhaftung österreichischer Untertanen durch Basel.

A. Bündnisse und Einungen

233

den Vertragspartnern wider. Dabei ähneln sich die Verträge auf den ersten Blick teilweise recht stark. Nicht selten sind es nur Nuancen in den Formulierungen, die die einzelnen Texte unterscheiden. Erst wenn man diese feinen Unterschiede zu der jeweiligen konkreten historischen Situation in Beziehung setzt, erschließt sich ihre - zuweilen doch ganz erhebliche - Tragweite 92.

a) Die einzelnen Vertragsbestimmungen als Spiegel der historischen Realität (1) Die zeitliche und räumliche Gültigkeit der Verträge Rein formal unterscheiden sich die Verträge zunächst einmal hinsichtlich der Vertragspartner. Auf eidgenössischer Seite impliziert die Frage nach den Vertragspartnern diejenige nach der Akzeptanz der Vereinbarung in der Eidgenossenschaft - und wurde deshalb bereits im Zusammenhang der Entstehungsgeschichte der Verträge behandelt93. Auf österreichischer Seite war die Frage des Vertragspartners jedoch eng mit der Frage der zeitlichen Gültigkeit der Verträge verknüpft und spielte insofern eine ganz entscheidende Rolle. Die Ewige Richtung von 1474 enthielt - wie schon ihr Name andeutet - keine zeitliche Beschränkung. Genau dieser Punkt war in den Verhandlungen aber lange strittig gewesen, und zwar so sehr, daß der Vertragsabschluß nicht zuletzt wegen dieses Punktes immer wieder gefährdet war. Streitpunkt war die Frage, ob die Verpflichtung Sigmunds nur für seine Person oder auch für seine Nach92

Außer acht bleiben Artikel, die nur in einer ganz bestimmten Situation wichtig waren und die deshalb keine Parallelen in den anderen Verträgen aufweisen. Hierzu zählt beispielsweise die Bestimmung der Ewigen Richtung, daß die Eidgenossenschaft Herzog Sigmund alle sich in ihrem Besitz befindenden, Österreich betreffenden Akten übergeben sollte. Singulär ist auch - in der Vereinigung von 1487 - das eidgenössische Versprechen, alles zu tun, was die Eidgenossen Maximilian als Römischem König und dem Reich schuldig seien sowie die Zusage Maximilians, ihnen ihre Privilegien zu bestätigen. In den späteren Verträgen, vor allem bei der Erbeinung von 1511, handelte Maximilian stärker als Chef des Hauses Österreich-Burgund, so daß von daher Bestimmungen, die ihn als Reichsoberhaupt betroffen hätten, keinen Eingang fanden. 93

Es ist hier also nicht näher darauf einzugehen, welche der eidgenössischen Orte jeweils den Vertrag geschlossen haben. In der Folge wird der Einfachheit halber stets von "den Eidgenossen" die Rede sein, unabhängig davon, ob es sich um alle Orte oder nur um einen Teil handelte.

234

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

folger gelten sollte. Dies war deshalb eminent wichtig, weil die Ewige Richtung die Anerkennung des territorialen Status quo zwischen den vertragschließenden Parteien festlegte, d.h. die Erwerbungen und Eroberungen ehemals habsburgischer Gebiete durch die Eidgenossen anerkannte. Den Eidgenossen lag selbstverständlich daran, diese Besitzstandsgarantie nicht auf die Regierungszeit Sigmunds begrenzt zu wissen, sondern eine endgültige Sicherheit zu erhalten. Deshalb wünschten sie eine Einbeziehung der Erben Sigmunds in den Vertrag, eben eine "ewige" Richtung. Da Sigmund keine ehelichen Nachkommen hatte, war davon auszugehen, daß seine Länder nach seinem Tod Maximilian als dem einzigen Erben des habsburgischen Gesamtbesitzes zufallen würden. Das Dilemma Sigmunds bestand also darin, daß er bei der - von den Eidgenossen gewünschten - Einbeziehung aller möglichen Erben in den Vertrag unweigerlich in Konflikt mit Friedrich III. geraten mußte, der dem damit ausgesprochenen endgültigen Verzicht auf die ehemals habsburgischen Gebiete in der Schweiz nie zustimmen würde. Der Streit ging deshalb darum, ob Sigmund den Vertrag für sich und seine leiblichen Erben abschließen würde - hier war sein Handlungsspielraum etwas größer, der Nutzen für die Eidgenossen jedoch gering -, oder für sich und seine Erben, was im Grunde eine Verpflichtung für das Haus Habsburg insgesamt bedeutete. Bereits im Abschied der ersten Verhandlungen zwischen Sigmund und den Eidgenossen in Einsiedeln im Oktober 1471 ist von einer ewigen Richtung die Rede, die Sigmund für sich und seine Erben abschließen wolle. Ausdrücklich enthält dieser erste Entwurf den Verzicht Sigmunds und seiner Erben auf die Gebiete, die die Eidgenossen zu diesem Zeitpunkt innehatten94. Offenbar hielt Sigmund in einer so weitreichenden Angelegenheit eine Rücksprache mit Friedrich III. denn doch für geraten und entsandte deshalb Boten zum Kaiser - vergeblich: Friedrich III. war zu keinem Abkommen mit den Eidgenossen bereit95. Im Juli 1472 wurden die Verhandlungen unter Vermittlung des Bischofs von Konstanz fortgesetzt, der auch selbst einen Vorschlag für die Einigung vorlegte. Dort ist nur von einem Bericht und Frieden mit Sigmund und "seiner gnaden lybserben" die Rede96. Janeschitz-Kriegl ist wohl zuzustimmen, daß diese Änderung eine Reaktion darauf war, daß es Sigmund nicht gelungen war, für seine Aussöhnung mit den Eidgenossen das Placet des Kaisers zu erhalten97. Die auf dem Konstanzer Tag vorgebrachten Ver94

Chmel, Urkunden, Briefe und Actenstücke 2/2, S. 381 f.

95

Janeschitz-Kriegl,

96

Chmel, Urkunden, Briefe und Actenstücke 2/2, S. 406.

97

Janeschitz-Kriegl,

Geschichte der ewigen Richtung, S. 185.

Geschichte der ewigen Richtung, S. 190.

A. Bündnisse und Einungen

235

tragsentwürfe differierten denn auch in diesem Punkt: Die Eidgenossen verlangten, daß Sigmund den Verzicht auf die ehemals habsburgischen Gebiete "für sich das haws vnd die herrschafft Österreich alle ir erben vnd nachkommen" aussprechen sollte98 - eine denkbar umfassende Formulierung, die Sigmund eigenmächtig freilich nicht akzeptieren konnte. So wollte er den Bericht nur für sich und "seiner gnaden leybs erben" abschließen99. Der von den beiden Vermittlern, dem Bischof von Konstanz und dem Grafen von Eberstein, am 12. August 1472 vorgelegte Kompromiß bemühte sich denn auch, den heiklen Punkt zu umgehen. Zwar ist von einem "ewigen vnd ymmerwerenden friden" die Rede 100 , in dem Artikel über die Garantie des gegenseitigen Besitzstandes wurde aber eine zeitliche Präzisierung vermieden. Ließen diese Artikel noch die Vermutung zu, daß es sich selbstverständlich um eine Vereinbarung ohne zeitliche Beschränkung handeln sollte, so wird diese Annahme durch die Bestimmung über die alle 10 Jahre zu erneuernde Beschwörung des Vertrages durch Sigmund "vnd siner gnaden leybserben" 101 widerlegt. Der Konstanzer Kompromißvorschlag ist also, was die zeitliche Gültigkeit der angestrebten Vereinbarung anbelangt, nicht konsistent. Dies ist aber nicht etwa das Ergebnis von Nachlässigkeiten der Unterhändler, sondern Ausdruck tiefgehender Meinungsverschiedenheiten. Im Moment kamen diese Differenzen freilich nicht zum Tragen, weil Sigmund nach burgundischen Interventionen die Verhandlungen abbrach. Als die Verhandlungen Ende 1473 wieder aufgenommen wurden, stellte sich die Frage der zeitlichen Gültigkeit abermals als eine der Hauptschwierigkeiten heraus. Die Verhandlungsbasis bildete nun der Konstanzer Vorschlag vom 12. August 1472, der vom Herzog als Vertragsentwurf in die Verhandlungen eingebracht wurde 102 . Die dann von dem Konstanzer Tag im März 1474 an König Ludwig XI. zur Entscheidung geschickte Fassung enthielt zwar unverändert die gegenseitige Besitzstandsgarantie, er-

98

Chmel, Urkunden, Briefe und Actenstücke 2/2, S. 407.

99

Chmel, Urkunden, Briefe und Actenstücke 2/2, S. 410. Ein anderer von Sigmund in Konstanz vorgelegter Entwurf, der von Janeschitz-Kriegl einem früheren Stadium zugeordnet wird, enthielt gar nur die Anerkennung des eidgenössischen Besitzstands für Sigmunds "lebtag lanng" (ebd., S. 414). In der Praxis lief das zwar auf das gleiche hinaus, aber so wurde doch noch unverschleierter zum Ausdruck gebracht, daß Sigmund hier wirklich nur für sich handelte. Außerdem: In einer an dynastische Zufälle gewöhnten Zeit pflegte man auch unwahrscheinliche Konstellationen nicht von vornherein auszuschließen. 100

EA 2, Nr. 692, S. 435.

101

EA 2, Nr. 692, S. 436.

102

EA 2, Nr. 735, S. 474-476.

236

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

wähnte aber eine Beschwörung durch Sigmund und seine Erben 103 ; die Beschränkung auf Sigmunds leibliche Nachkommen war also fallengelassen worden 104. Die zeitliche Gültigkeit der Ewigen Richtung zählte zu den Fragen, über die Ludwig XI. einen Schiedsspruch fällen sollte. In der Instruktion, die Sigmund seinen Gesandten zum französischen König mitgab, wurde diese Frage deshalb auch angeschnitten, und zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit der Besitzstandsgarantie. Die Gesandten sollten sich darum bemühen, daß diese Garantie nur zu Lebzeiten Sigmunds gelten sollte, oder, wenn es nicht anders ginge, nur für die leiblichen Erben Sigmunds 105 . Ludwig XI. war indessen nicht willens, den Wünschen Sigmunds zu entsprechen, und entschied diesen wie die anderen Streitpunkte im Sinne der Eidgenossen. Auf dem für die Unterzeichnung des Vertrages Anfang Oktober 1474 nach Feldkirch angesetzten Tag kam diese Frage erneut zur Sprache. Die beiden Parteien überwiesen den Artikel abermals dem französischen König zur Entscheidung106. Sigmund schickte deshalb wiederum Gesandte an den französischen Hof, um seine Position zu verdeutlichen 107 . Die Gesandten sollten dem König erläutern, daß kein Fürst von Österreich ohne Zustimmung der anderen berechtigt sei, einen ewigen Gebietsverzicht auszusprechen108. Auch das neuerliche Anbringen vor dem französischen

103

EA 2, Nr. 735, S. 476-478, hier S. 478.

104

Die genaueren Umstände der Entstehung dieser Fassung sind ungeklärt. Insbesondere ist unbekannt, ob Sigmund diese Fassung vor ihrer Absendung nach Frankreich überhaupt zu Gesicht bekommen hat (.Janeschitz-Kriegl, Geschichte der ewigen Richtung, S. 426f.). 105

Chmel, Actenstücke und Briefe 1/1, Nr. 75, S. 243.

106

EA 2, Nr. 760, S. 508f.

107

In der Instruktion für die Gesandten heißt es, daß dem König eine Fassung der Ewigen Richtung übersandt worden sei, "darinn ain artickel begreiffet auf vns vnd vnnser erben", daß der König aber "nit recht bericht sey, das die bericht solt gen auf vns vnd vnnser erben, wann die artickel zu Costenntz das nit innhalten, aber auf posz vnderrichtung sey er erstreckt, daz wir doch nit ze tun oder macht haben" (Chmel, Actenstücke und Briefe 1/1, Nr. 76, S. 248f.). 108

Chmel, Actenstücke und Briefe 1/1, Nr. 76, S. 249. Hier bezieht sich Sigmund offenbar auf den Hollenburger Vertrag von 1395, in dem anläßlich der Teilung des habsburgischen Gebietes festgelegt worden war, daß keiner der Fürsten ohne Zustimmung der anderen Gebiete verkaufen dürfe. Was dort für den Verkauf von Gebieten vorgeschrieben war, übertrug Sigmund auf den Verzicht von Gebieten. Als Sigmund

A. Bündnisse und Einungen

237

König brachte Sigmund keinen Erfolg: Ludwig XI. blieb bei seiner Entscheidung109. Für Sigmund stellte sich nun die Frage, ob er wegen dieses Streitpunktes die ganze Vereinbarung platzen lassen wollte. Dies war freilich kaum mehr möglich, denn die Ewige Richtung hatte längst ihre Wirkung entfaltet. Eine Rückkehr auf die burgundische Seite war für den Herzog völlig ausgeschlossen, und daß der französische König sich nur sehr bedingt für ihn einsetzen würde, hatte er gerade schmerzlich erfahren müssen. Bei einem Rückzug von der Ewigen Richtung wäre Sigmund mithin völlig isoliert gewesen. Die Entscheidung des französischen Königs hatte Sigmund in eine mißliche Lage gebracht 110. Deshalb versuchte er, nachträglich die Zustimmung des Chefs des Hauses Österreichs einzuholen, wenngleich seine diesbezüglichen Hoffnungen wohl nicht allzu groß waren. Die Antwort Friedrichs III. fiel relativ vage aus, sie enthielt - wie kaum anders zu erwarten - keine Billigung der Vereinbarung, aber immerhin auch keine allzu deutliche Ablehnung. Die Formulierung, Friedrich hoffe, daß der Vertrag "vnserm haws Oesterreich in seinen Sprüchen vnd Vorderungen gen den Aidgenossen vnvergriffenlich vnd vnschedlich sey" 11 \ enthielt zwar der Sache nach eine deutliche Mißbilligung der von Sigmund den Eidgenossen gegebenen Besitzstandsgarantie, war aber dadurch, daß sie der Form nach eine Hoffnung ausdrückte, auch keine explizite Anweisung an Sigmund, in diesem Falle den Vertrag nicht anzuerkennen. Die Positionen der beiden habsburgischen Vettern waren klar, und sie waren unvereinbar. Die politische Lage erlaubte jedoch keinen anderen Ausweg. Friedrich konnte Sigmund nicht öffentlich brüskieren, denn damit hätte er die habsburgi1487 seinen Besitz an Bayern verschrieb, hielt er sich freilich nicht an diese Abmachung. 109

EA 2, Beilage Nr. 55.

110

In der Instruktion für seine Gesandten zu Friedrich III. kommt dies deutlich zum Ausdruck. Nach einem Hinweis auf das ununterbrochene Vordringen der Eidgenossen und die ungenügende Unterstützung durch das Reich in diesem Kampf schildert Sigmund, wie der Passus über die Erben in den Vertrag gekommen war und daß er hierfür keine Verantwortung trage, den Artikel so auch nicht akzeptieren werde, daß er aber weiterhin auf eine Entscheidung des französischen Königs in seinem Sinne hoffe (EA 2, Nr. 760, S. 510). Sigmund hatte seine Gesandten zu Friedrich III. unmittelbar nach dem Feldkircher Tag im Oktober 1474 abgesandt, d.h. bevor die neuerliche Entscheidung des französischen Königs gefallen war. 111

EA 2, Nr. 760, S. 510.

238

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

sehe Position in Vorderösterreich, die Sigmund ja gerade zu stabilisieren trachtete, endgültig aufs Spiel gesetzt. Der Kaiser mochte auf die Möglichkeit einer Revision des Vertrages in der Zukunft hoffen, und dann war es wichtig für ihn, nie selbst seine Zustimmung zu der Vereinbarung gegeben zu haben. Friedrich hat deshalb diesen und die folgenden Verträge mit den Eidgenossen nie gebilligt und darüber hinaus versucht, Maximilian auf diesen Kurs einzuschwören 112. Die Ewige Richtung beanspruchte also ewige Gültigkeit, aber dieser Anspruch stand wegen der ablehnenden Haltung Friedrichs III. auf etwas wackligen Beinen. Nachdem die Eidgenossen einmal eine unbefristete Vereinbarung mit Österreich erreicht hatten - wenn auch mit den erwähnten Einschränkungen -, erstrebten sie fortan stets die unbefristete Gültigkeit ihrer Abmachungen mit Österreich. Die Erbeinung von 1477 betonte denn auch gleich zu Beginn, daß Sigmund für sich und seine Erben eine ewige Vereinigung mit den Eidgenossen abschließe113. Die unbeschränkte zeitliche Gültigkeit findet sich hier also an hervorgehobener Stelle und nicht in einer Detailbestimmung versteckt wie 1474 1 1 4 . Für die Eidgenossen hatte die Ewige Richtung und dann nochmals die Erbeinung von 1477 die ersehnte Anerkennung ihrer Eroberungen gebracht, allerdings zunächst lediglich durch einen einzigen Habsburger, nämlich Sigmund, und unter Mißbilligung des Kaisers 115 . Für die Zukunft war es für die Eidgenossen demnach von ausschlaggebender Bedeutung, wie sich ihr Verhältnis zu Maximilian gestalten würde. Die Verei112

So schrieb Friedrich III. 1478 an Maximilian: "Ob an dich gesuecht wurde, daz du dich mit den Sweitzern von unsers haws Österreich wegen solt in eine ganeze und ewige bericht geben also daz in das so sy demselben unserm haws Osterreich abgewunen haben zu ewigen zeiten beleiben solt, daz ist uns in kainem weg gemaint wolten auch darinn nymmer verwilligen noch das zugeben, wann solh bericht unserm haws Österreich nit allain gross schedleich sunder auch gancz schimphleich und verderbleich weer." (Chmel, Actenstücke und Briefe 1/2, Nr. 85, S. 394). 113

E A 2, Beilage Nr. 66, S. 944.

114

Außerdem taucht die Formulierung von Sigmund und seinen Erben noch an etlichen Stellen des Vertrages auf. Am Schluß wird dann erneut hervorgehoben, daß Sigmund sich für sich und seine Erben verbinde (EA 2, Beilage Nr. 66, S. 946). 115

Zwar hatten die Eidgenossen von der Erklärung Friedrichs III. vom 28. Oktober 1474 wohl kaum etwas erfahren, aber sie kannten den Standpunkt Friedrichs III. ihnen gegenüber ja zur Genüge, so daß sie sich in dieser Beziehung sicherlich keinerlei Illusionen hingaben.

A. Bündnisse und Einungen

239

nigung von 1487 war deshalb für die Eidgenossen ein nicht unbeträchtlicher Erfolg, auch wenn sie nie in Kraft trat. Sie machte nämlich deutlich, daß Maximilian bereit war, den territorialen Status quo anzuerkennen und auf die Rückeroberung ehemals habsburgischer Gebiete zu verzichten 116. Im Vergleich dazu wog es nicht allzu schwer, daß die Gültigkeit der Vereinigung auf die Lebenszeit Maximilians beschränkt war 1 1 7 . Entscheidend für die Eidgenossen war vielmehr, daß der künftige Erbe des habsburgischen Gesamtbesitzes ihnen ihren Besitz garantierte, und angesichts von Maximilians Alter - er war damals 28 Jahre alt - war seine Lebenszeit nach menschlichem Ermessen noch in Jahrzehnten zu zählen. Nur so läßt sich erklären, daß die Eidgenossen dieses Mal nicht versuchten, die ewige Gültigkeit durchzusetzen, an der ihnen 1474 so viel gelegen w a r 1 1 8 . Was Maximilian bewog, den Vertrag nur für seine Lebenszeit abzuschließen, ist unbekannt, zumal seine Gesandten bei ihrem ersten Anbringen vor der Tagsatzung am 9. Oktober 1486 noch von einem "Bündniß zwischen den Eidgenossen und ihm und seinem Sohne" gesprochen hatten 119 . War es Rücksicht auf Friedrich III.? Das ist nicht auszuschließen, obwohl der Kaiser die Vereinbarung auch in der vorliegenden Form wohl kaum gutgeheißen haben dürfte. War die zeitliche Gültigkeit des Vertrages von 1487 also eingeschränkt im Vergleich zu den früheren Verträgen, so erfuhr die räumliche Gültigkeit eine beträchtliche Ausweitung. Sigmund handelte als Herr der Vorlande, zu seinen Besitzungen gehörte zwar auch Tirol, aber daß er die Verträge mit den Eidgenossen vor allem für und wegen der Vorlande abgeschlossen hatte, erhellt nicht zuletzt aus den Bestimmungen der Erbeinung über die Hilfsverpflichtungen der Eidgenossen, die für die Gebiete jenseits des Arlbergs, also Tirol, doch erheblich eingeschränkt wurden. Selbstverständlich war auch Maximilian für die Eidgenossen in erster Linie als Erbe Vorderösterreichs, also als ihr künftiger Nachbar, interessant. Die Vereinbarung mit ihm war aber schon deshalb nicht so ausschließlich auf Vorderösterreich zugeschnitten, weil 1487 dort nach wie vor Sigmund regierte. Immerhin wurde die Gültigkeit der Bestimmungen für die jetzt von Sigmund regierten Lande für die Zeit nach dessen Tod ausdrück116

EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 728.

117

EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 729.

118

Es liegen zumindest keine Informationen darüber vor, daß dieser Punkt in den Verhandlungen strittig gewesen wäre. 119

E A 3/1,Nr. 281, S. 251.

240

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

lieh im Vertrag festgehalten 120. In dem Artikel über die gegenseitige Anerkennung vergangener Eroberungen ist mehrmals von den Häusern Österreich und Burgund die Rede, zumindest in diesem Punkt handelte Maximilian also nicht nur als Erbe Österreichs, sondern auch als Regent Burgunds. Dies bedeutete zwar noch keine förmliche Ausdehnung der Vereinigung auf Burgund, sicherte die Eidgenossen aber doch auch im Westen a b 1 2 1 . Die förmliche Ausdehnung der Erbeinung auf Burgund brachte dann erst der Vertrag von 1511. Zu Beginn des Textes wird genau definiert, für welche Länder Maximilian die Erbeinung abschloß: Kaiser Maximilian als Ertzherzog zu Oesterreich [...] von wegen vnser land, so durch abgang des genannten vnseres lieben vetters Ertzherzog Sigmunds an vns gefallen vnd komen vnd in Regierung derselben gehörig sind, ouch als Vormunder des gedachten vnseres lieben Enckels vnd fürsten, Ertzherzog Karlins, von wegen seiner Grafschaft Burgundi vnd was in Regierung derselben Grafschaft gehört, für vns vnd vnser baider erben vnd nachkomen122. Maximilian handelte also für sich als Erbe Sigmunds, d.h. als Herr Vorderösterreichs und Tirols, und für Karl als Herzog von Burgund für die Grafschaft Burgund, d.h. für die Länder, die der Eidgenossenschaft benachbart waren. Auch wenn in dem Text immer wieder vom Haus Österreich und Burgund die Rede ist, so daß zunächst der Eindruck entstehen könnte, als ob die ganzen österreichischen und burgundischen Besitzungen in den Vertrag eingeschlossen wären, so ist dies nach dem Wortlaut eindeutig nicht der Fall. Die Erbeinung umfaßte also weder Inner- noch Niederösterreich und auch nicht das gesamte burgundische Erbe, sondern lediglich die Franche Comté, nicht jedoch die Niederlande. Der Text ist deshalb, wenn es um Territorien geht, äußerst präzise, indem stets hinzugefügt wird "in diser ainung begriffen" 123 . Der Sinn dieser Be120

EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 727.

121

Die Eidgenossen, allen voran Bern, hatten in den Burgunderkriegen neben savoyischen Gebieten auch kleinere burgundische Besitzungen erobert, insbesondere Orbe (Gasser, Die territoriale Entwicklung, S. 126). Gleichzeitig sicherte Maximilian auf diese Weise Burgund vor einem weiteren Ausgreifen der Eidgenossen nach Westen. 122 123

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1343.

Ein Beispiel möge genügen: In dem Artikel über die Verpflichtung zu getreuem Aufsehen heißt es, "wir kayser Maximilian in vnsem landen in diser ainung wie obsteet begriffen oder wir Erzherzog Karin in vnser Grafschaft Burgundi" (EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1344).

A. Bündnisse und Einungen

241

schränkung liegt auf der Hand: Die Eidgenossen wollten vermeiden, in Konflikte der Habsburger in weit entfernten Gebieten hineingezogen zu werden, an denen sie selbst kein unmittelbares Interesse hatten. Zwar enthielt die Erbeinung von 1511 keine Hilfsverpflichtung mehr wie 1474 und 1477, so daß diese Gefahr an sich gering war. Aber eine zusätzliche Absicherung schien den Eidgenossen wohl ratsam zu sein, zumal der statt der Hilfsverpflichtung eingefügte Begriff des "getreuen Aufsehens" einen erheblichen Interpretationsspielraum bot. Lediglich an einer Stelle fiel diese enge Beschränkung weg: Der Artikel über die Nichtangriffsverpflichtung galt auch für künftige Erwerbungen; eine notwendige Erweiterung, um nicht doch ein Hintertürchen für mögliche Angriffe zu öffnen. Signalisiert schon der Vertragsabschluß im Namen Karls, daß es sich hier um eine längerfristige Verbindung handeln sollte, so wird am Schluß ausdrücklich die ewige Gültigkeit der Erbeinung betont 124 . Dementsprechend findet sich in diesem Vertrag erstmals die Bezeichnung "erbliche Vereinigung" 125 , nachdem bisher stets von "bericht", "verstentnuß" oder nur "verainigung" die Rede gewesen war. Der Begriff, der im allgemeinen Sprachgebrauch zur Bezeichnung der Vereinbarungen zwischen den Eidgenossen und Österreich schon früher anzutreffen ist 1 2 6 , taucht hier erstmals in einem Vertrag selbst auf und wird jetzt auch rückwirkend auf den Vertrag von 1477 angewandt127. (2) Vereinbarungen

über gute Nachbarschaft

Die Verträge zwischen Österreich und den Eidgenossen verfolgten nicht zuletzt das Ziel, militärische Auseinandersetzungen, wie sie das Verhältnis zwischen den verfeindeten Nachbarn zwei Jahrhunderte lang geprägt hatten, künftig zu vermeiden. Eine ganze Reihe von Bestimmungen, die unter "Vereinbarungen über gute Nachbarschaft" subsumiert werden können, diente diesem Ziel. Gleichsam die Grundvoraussetzung für die Beendigung der alten Feindschaft war der förmliche Verzicht auf jeglichen gegen den Vertragspartner gerichteten

124

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1347.

125

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1347.

126

EA 3/2, Nr. 96, S. 173 (26.7.1502).

127

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1343.

16 Braun

242

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Angriff. Alle Verträge enthalten denn auch eine Nichtangriffsklausel 128. War diese 1474 noch ganz knapp gefaßt, so enthielt die Regelung 1477 nicht nur das Verbot eines Angriffs auf den Vertragspartner, sondern auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, "davon krieg aufersteen mocht" 129 . In dieselbe Richtung geht das Verbot von Schmähreden, das die Erbeinung von 1511 nach dem Vorbild des Basler Friedens enthielt 130 . Dieses Verbot stellt gleichsam eine Konkretisierung der allgemeinen Bestimmung von 1477 dar, denn der Schwabenkrieg hatte allen deutlich vor Augen geführt, daß gerade solche gegenseitigen Verleumdungen eine militärische Konfrontation provozieren konnten. Die Bestimmung von 1487 war fast identisch mit der von 1474, allerdings mit der Ergänzung, daß, falls es doch zu einem Bruch dieser Vereinbarung kommen sollte, der Friedbrecher von seiner Obrigkeit ergriffen und gerichtlich belangt werden sollte 131 . Dies bezog sich in erster Linie auf die sogenannten Freischarenzüge, die in der Vergangenheit zu erheblicher Unruhe geführt und sogar Kriege verursacht hatten. Gegen diese sollten die Eidgenossen - denn sie betraf dieser Paragraph vor allem - künftig vorzugehen verpflichtet sein, die Orte sollten sich nicht länger hinter diesen Auszügen - ihre Ohnmacht beteuernd - verschanzen können, wie dies wiederholt der Fall gewesen war. Diese Bestimmung erläuterte demnach das, was 1477 noch ganz allgemein formuliert worden war, daß die Parteien niemand "von den vnsern, noch yemand anderm aus vnsern landen, Stetten noch Schlossen zu thun gestatten sollen 132 , etwas vorzunehmen, was zu Krieg führen könne. Am deutlichsten und ausführlichsten wurden die Nichtangriffsklausel und das Verbot von Handlungen, die zum

128

EA 2, Beilage Nr. 51, S. 914; Beilage Nr. 66, S. 944; EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 726f., EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1344. 129

EA 2, Beilage Nr. 66, S. 944.

130

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1347.

131

EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 727. Die Bestimmung ist freilich etwas unklar formuliert: "vnd ob darüber eyntwedere parthy oder die Im durch der anndem parthy sloß, stett, lannd oder gebiet bekriegt oder beschediget wurden, das dann von stund an die parthy, da sölichs beschechen were, zu den beschedigem griffen vnd zu Inen nach recht fürderlich richten lassen"; d.h. bei einem Angriff solle die Partei, der die Angreifer entstammen - "die parthy, da sölichs beschechen were" - die Angreifer gefangennehmen und gerichtlich gegen sie vorgehen. 1

EA , Beilage Nr.

, S.

.

A. Bündnisse und Einungen

243

Krieg führen könnten, im Vertrag von 1511 verankert 133. All diese Erklärungen markierten eine bewußte Abkehr von der bisherigen Politik, die über temporäre Waffenstillstands- oder Friedensverträge nicht hinausgekommmen war. Die Nichtangriffsklauseln implizierten den Verzicht auf eine gewaltsame Revision der Grenzen. Insofern war es nur logisch, daß die Verträge von 1474 und 1487 die Anerkennung des gegenseitigen Besitzstandes enthielten. Dies war für die Eidgenossen ein zentraler Punkt: Denn wenn diese Artikel auch wie alle anderen stets reziprok formuliert waren, ging es in diesem Punkt konkret doch nur um eines, nämlich die Anerkennung der eidgenössischen Eroberungen ehemals habsburgischen Besitzes, und das war, wenn man bis in die Anfänge der Eidgenossenschaft zurückging, der weit überwiegende Teil des eidgenössischen Territoriums. Aber selbst, wenn man nur an die neueren eidgenössischen Erwerbungen dachte, vor allem also den Aar- und den Thurgau, war damit eine für die Eidgenossenschaft existentielle Frage angesprochen. Strittig scheint dieser Punkt in den Verhandlungen nie ernsthaft gewesen zu sein 134 . Sigmund und Maximilian waren realistisch genug zu sehen, daß eine Vereinbarung mit den Eidgenossen ohne eine derartige Garantie nicht zu haben sein würde. Auch wenn eine solche Bekräftigung des territorialen Status quo 1477, 1500 und 1511 nicht explizit in den Vertragstext aufgenommen wurde, bedeutete dies keineswegs, daß die Vertragspartner damit den territorialen Besitzstand zur Disposition stellten. Zum einen war für die Eidgenossen mit dem beiderseitigen Verzicht auf gewaltsame Grenzrevision ihr Hauptziel erreicht, zum anderen war der Artikel in den Verträgen von 1500 und 1511 indirekt doch enthalten, da in beiden Verträgen festgelegt wurde, daß die Artikel von 1474 und 1477, die jetzt

133

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1344. Die Bestimmung über Übergriffe der Untertanen wurde jetzt eindeutig gefaßt und verpflichtete die jeweiligen Obrigkeiten zur Verfolgung entsprechender Handlungen. Die völlige Neuformulierung dieses Artikels ist möglicherweise die Reaktion auf die mißverständliche Formulierung von 1487. Vielleicht stand dieser Text den Unterhändlern aber gar nicht zur Verfügung, da auch sonst stets auf 1474 und 1477 Bezug genommen wurde. 134

Es geht hier um die Verhandlungen selbst, also nicht um die Zustimmung oder Ablehnung durch Friedrich III. und auch nicht um die Frage der zeitlichen Gültigkeit einer solchen Bestimmung. 1*

244

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nicht ausdrücklich verändert worden waren, unverändert Gültigkeit haben sollten, so als ob sie wörtlich im Text enthalten seien 135 . Einer möglichst genauen Grenzziehung und damit der Vermeidung von Konflikten diente die Bestimmung, daß keine Seite Angehörige der anderen in ihr Burgrecht aufnehmen oder ein Bündnis mit diesen abschließen durfte, die in allen Vereinbarungen außer 1477 1 3 6 sowie im Basler Frieden 137 enthalten war. Die einzelnen Bestimmungen ähnelten einander stark, lediglich 1511 erfuhr der Artikel insofern eine Präzisierung und Verschärfung, als der bisherige einschränkende Zusatz "dem anndern teil zu schaden oder vnfüg" nunmehr wegfiel. Damit war jeglicher Interpretationsspielraum genommen, das Verbot galt nun ohne Ausnahme 138 . Mit diesen Bestimmungen sollte vermieden werden, daß die eine Seite durch Burgrechts- oder Schirmverträge mit Angehörigen der anderen Seite versuchte, den eigenen Einflußbereich und als Fernziel vielleicht sogar das eigene Territorium auf Kosten des Vertragspartners zu vergrößern. Obwohl der Artikel auf den ersten Blick präzise und eindeutig scheint, warf er doch einige Probleme auf. Auf eidgenössischer Seite war die Sache noch einigermaßen klar: Verboten waren Vereinbarungen Österreichs mit einzelnen Orten. Schon bei den zugewandten Orten war die Sache schwieriger: Da sie ohne Zustimmung der Orte ohnehin keine Bündnisse schließen durften, war für sie eine solche Vereinbarung eigentlich überflüssig. Und die übrigen Städte, Dörfer, Gemeinen Herrschaften besaßen ohnehin keine Bündnisfreiheit. Bezogen auf die Gefahr von Bündnissen mit einzelnen Orten war die Vorschrift jedoch unmittelbar einleuchtend139. Schwieriger war es umgekehrt: Die Fälle, an die auf österreichischer Seite vermutlich gedacht worden war, nämlich Verbindungen der Eidgenossen mit einzelnen Reichsstädten wie Mülhausen oder Rottweil oder mit reichsunmittelbaren Adligen 140 waren rechtlich durch die Vereinbarung nicht erfaßt, 135

EA 3/2, Beilage Nr. 4, S. 1290; Beilage Nr. 19, S. 1346f.

136

EA 2, Beilage Nr. 51, S. 914f.; EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 726; EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1345. 1500 war die Bestimmung enthalten durch die Bekräftigung der Ewigen Richtung von 1474. 137

EA 3/1, Beilage Nr. 35, S. 759f.

138

Die jeweils aufgeführte Ausnahme, daß dies nicht für Personen gelte, die ihren Wohnsitz über die Grenze hinweg verlegen, betrifft im Grunde einen anderen Fall und besagt lediglich, daß die allgemein geltende Freizügigkeit von dieser Vorschrift nicht tangiert wird. 139

Die folgenreichste Verbindung dieser Art war das Bündnis Friedrichs III. mit Zürich im Alten Zürichkrieg gewesen. 140

So waren z.B. die Grafen von Sulz mit Zürich verburgrechtet.

A. Bündnisse und Einungen

245

da die Betreffenden nicht Vertragspartner waren und Sigmund ihnen gegenüber auch keine rechtliche Handhabe hatte141. Denjenigen, über die Sigmund verfügen konnte, also Landstädte und landsässige Adlige, konnte er auch ohne eine solche Bestimmung derartige Vereinbarungen untersagen. Es hat freilich den Anschein, daß die Unterhändler in dieser Frage weniger juristisch, als vielmehr geographisch gedacht haben und einfach das Ausgreifen der einen Seite in die Einflußsphäre der anderen verhindern wollten. Die doch etwas problematische Formulierung dieses Artikels wurde auch in den späteren Fassungen nicht geändert. Abgesehen von ihrer friedensstabilisierenden Absicht ist diese Bestimmung auch Ausdruck der allgemeinen Tendenz zur Territorialisierung, die ja überhaupt eine Klärung und Ausscheidung der Besitz- und Zugehörigkeitsverhältnisse anstrebte. Diese Bestimmungen haben also nichts mit einer gegenseitigen Abschottung zu tun; vielmehr war eine genaue Grenzziehung geradezu die Voraussetzung für ein friedliches Nebeneinander und damit auch für zahlreiche Kontakte über die Grenze hinweg. An einem reibungslosen Ablauf der grenzüberschreitenden Kontakte interessiert waren beide Seiten vor allem, wenn es um Handelsbeziehungen ging. Deren Sicherstellung und Förderung galten zwei Bestimmungen, die in fast allen Verträgen begegnen. So enthalten alle Verträge bis auf 1477 einen Artikel, der die Sicherheit von Leib und Gut der Angehörigen einer Seite im Gebiet der anderen garantierte 142. Dabei stehen ausdrücklich das "kouffen vnd verkouffen", also der Schutz des Handels, im Vordergrund. Diese Bestimmung wurde 1511 verknüpft mit der Vorschrift, keine neuen Zölle für den Warenaustausch zwischen beiden Seiten aufzurichten, was nochmals hervorhebt, daß die Sicherheitsgarantie dieses Artikels vor allem den Handeltreibenden gelten sollte. Ein Verbot der Errichtung neuer Zölle war in den Verträgen von 1474 und 1487 ebenfalls enthalten143, allerdings in eigenen Artikeln. Die Handelsbestimmungen sind übrigens geographisch nicht in dem Maße einge141

Bei Maximilian lag die Sache etwas anders. Als Reichsoberhaupt konnte er gegen Vereinbarungen von Reichsstädten oder reichsunmittelbaren Adligen einschreiten, wenn diese gegen das Reichsinteresse verstießen. Dies konnte vor allem für Bündnisse mit Partnern außerhalb des Reichs gelten. Voraussetzung für eine Mißbilligung von Bündnissen mit den Eidgenossen war also, daß diese als nicht zum Reich gehörig betrachtet wurden, eine Argumentation, wie sie z.B. gegen das Christliche Burgrecht von Konstanz mit Zürich und Bern ins Felde geführt wurde (vgl. Rublack, Einführung, S. 123-126 und Dobras, Konstanz zur Zeit der Reformation, S. 65). 142

EA 2, Beilage Nr. 51, S. 913; EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 726; EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1344. 143

EA 2, Beilage Nr. 51, S. 915; EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 728.

246

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

schränkt wie z.B. die Bestimmungen über die Hilfspflicht. Sie gelten jeweils für die gesamten Besitzungen der Vertragspartner, was insbesondere für die Eidgenossen von erheblicher Bedeutung war, da somit diese Garantien für sämtliche Länder Maximilians galten 144 . Die Vertragspartner gaben sich freilich keineswegs der Illusion hin, daß mit diesen Verträgen sämtliche Streitigkeiten zwischen ihnen oder ihren Untertanen ein für allemal beseitigt wären. Für die kleineren und größeren Streitfälle vereinbarten sie vielmehr ein genau geregeltes Schiedsgerichtsverfahren, um die gewaltsame Austragung von Konflikten zu vermeiden 145. Diese Bestimmungen wurden zwar im Laufe der Zeit verfeinert, die grundlegenden Regeln waren aber bereits in der Ewigen Richtung enthalten und wurden so auch in die anderen Verträge übernommen 146, ebenso in den Basler Frieden 147 . Änderungen gab es dagegen im Kreis der für ein solches Schiedsgerichtsverfahren vorgesehenen Richter. 1474 und 1487 wurden als mögliche Richter die Bischöfe von Konstanz und Basel, sowie die Städte, d.h. genauer: die Räte der Städte, Konstanz und Basel genannt. Diese Bischöfe und Städte wurden also demnach von beiden Seiten als so unabhängig und neutral angesehen, daß von ihnen ein für beide Seiten akzeptables Urteil zu erwarten war. Im Basler Frieden war dann jedoch die Stadt Konstanz nur noch unter der Bedingung als Richter zugelasssen, daß die gesamte Eidgenossenschaft

dem ausdrücklich zu-

144

1487 gewährte Maximilian ihnen diese Garantie für alle seine Erblande; 1511 gar für alle seine und seiner Nachkommen Länder, was zur Zeit Karls V. ja ein ganz erheblicher Länderkomplex war. 145

Auf die Einzelheiten des Verfahrens ist hier nicht einzugehen. Streitigkeiten um Erbfälle, Landbesitz und geringe Geldschulden waren von dem Verfahren ausgenommen, sie sollten vor dem jeweils zuständigen ordentlichen Gericht verhandelt werden. Bei allen anderen Streitfragen sollte, sofem eine gütliche Einigung nicht möglich war, das vereinbarte Schiedsgerichtsverfahren seinen Lauf nehmen. Dies galt für Streitigkeiten der Untertanen beider Seiten, für Streitigkeiten zwischen den Untertanen der einen Seite mit der anderen vertragschließenden Partei wie auch für Streitigkeiten der beiden Vertragspartner selbst. Um eine zügige Durchführung des Verfahrens zu gewährleisten, waren Fristen für das Verfahren festgelegt: 1474, 1487 und im Basler Frieden waren 3 Monate vorgesehen, 1511 dann 6 Monate. Wie bei schiedsgerichtlichen Verfahren üblich, wurde die Möglichkeit der Appellation ausgeschlossen. 146

EA 2, Beilage Nr. 51, S. 913f.; EA 3/1, Beilage Nr. 22, S. 727; EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1345f. 147

EA 3/1, Beilage Nr. 35, S. 760f.

A. Bündnisse und Einungen

247

stimmte 148 . Dies war eine Folge der Teilnahme von Konstanz am Schwabenkrieg auf österreichischer Seite, wodurch die für ein Schiedsrichteramt notwendige Neutralität nicht mehr ohne weiteres gewährleistet schien. 1511 waren dann nur noch die beiden Bischöfe als Schiedsrichter vorgesehen: Basel war 1501 der Eidgenossenschaft beigetreten und kam deshalb nicht mehr in Frage. Konstanz hatte nach einigem Hin und Her 1510 einen Schirmvertrag mit Österreich abgeschlossen, so daß die Stadt der österreichischen Seite zugerechnet wurde. Wenn man alle diese Artikel zusammen sieht, enthielten die Verträge also ein umfangreiches Regelwerk für das künftige friedliche Zusammenleben der bisherigen Gegner. Neben die Beendigung der bisherigen Streitigkeiten durch eine klare Abgrenzung der jeweiligen Einflußsphären traten Regeln für den friedlichen Umgang miteinander und den Verkehr über die Grenzen hinweg. Abgesichert und abgerundet wurde das Ganze durch detaillierte Regelungen für eventuell doch auftretende Konfliktfälle. (3) Hilfsverpflichtung Die Ewige Richtung wurde 1474 nicht nur zur Lösung von Problemen zwischen den Vertragsparteien geschlossen, sondern auch angesichts eines starken gemeinsamen Gegners, dessen Angriff beide Partner zu gewärtigen hatten. Insofern war es naheliegend, in den Vertrag Bestimmungen über eine gegenseitige Unterstützung aufzunehmen; diese gingen konkret von der Bedrohung durch Karl den Kühnen aus, sollten aber selbstverständlich auch für andere, jetzt noch nicht vorhersehbare Bedrohungen gelten. In Anbetracht der militärischen Kräfteverhältnisse mußte vor allem Herzog Sigmund an einer solchen Vereinbarung gelegen sein, um auf diese Weise im Bedarfsfall über die hochgelobten eidgenössischen Krieger verfügen zu können. Das gilt vollends für Maximilian, nachdem die Eidgenossen in den Burgunderkriegen, in Italien, aber auch im Schwabenkrieg ihren militärischen Ruhm ja noch gemehrt hatten. Die Eidgenossen selbst waren freilich durch diese Kriege, die ihnen nicht nur positive Erfahrungen beschert hatten, vorsichtig geworden und verhielten sich - zumindest phasenweise - zunehmend zurückhaltend gegenüber den Wünschen anderer Mächte nach eidgenössischen Söldnern. Die Bestimmungen über die Hilfsverpflichtung gehörten deshalb stets zu den am meisten umkämpften Punkten in den Vertragsverhandlungen und spiegelten 148

EA 3/1, Beilage Nr. 35, S. 760.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

die aktuellen Kräfteverhältnisse und Interessenlagen denn auch viel unmittelbarer wider als die meisten anderen Artikel. Dies läßt sich allein schon daran ablesen, daß sie nicht wie manche andere mit mehr oder weniger großen Veränderungen von einem Vertrag in den anderen übernommen wurden, sondern daß sie, abgesehen von einer gewissen Kontinuität von 1474 zu 1477, jedes Mal völlig neu formuliert wurden. Die Ewige Richtung enthielt die Verpflichtung beider Parteien, der anderen Partei zu Hilfe zu kommen, wenn sie deren Beistand "in ihren Geschäften" benötigte, und zwar gegen den üblichen Sold 1 4 9 . Diese Bestimmung war denkbar summarisch ausgefallen: Weder wurde genauer definiert, für welche Fälle die Hilfspflicht gelten sollte 150 oder mit welcher Truppenstärke die Parteien zur Hilfe verpflichtet waren, noch wurde ein Mahnverfahren vereinbart. Die Verpflichtung enthielt lediglich die Einschränkung, daß sie mit der Ehre des hilfeleistenden Partners vereinbar sein müsse, eine sehr dehnbare Bestimmung, die der zunächst sehr umfassenden Hilfspflicht viel von ihrer Unbedingtheit nahm. Diese Formulierung war das Ergebnis langer und harter Verhandlungen; neben der Frage der zeitlichen Gültigkeit wurde in den Verhandlungen vor allem um diesen Artikel gerungen. Welch weite Wegstrecke dabei zurückgelegt werden mußte, zeigt am besten ein Vergleich mit der Bestimmung über die Hilfspflicht aus dem Einsiedler Abschied vom 12. Oktober 1471. Danach sollten die Eidgenossen in den nächsten zehn Jahren Sigmund bei Bedarf 4.000 Mann kostenlos zur Verfügung stellen, allerdings nur in seinen Gebieten diesseits des Arlbergs. Nach Ablauf der zehn Jahre sollte Sigmund die eidgenössischen Krieger dann besolden müssen151. Die Hilfspflicht war also nur einseitig, und die Hilfeleistung sollte zudem unentgeltlich erfolgen, denn entscheidend waren selbstverständlich die Bestimmungen für die unmittelbare Zukunft. Der ursprüngliche Zweck der angestrebten Vereinbarung kommt in dieser Fassung wesentlich unverschleierter zum Ausdruck als in dem endgültigen Text der Ewigen Richtung: Nach der Rückgewinnung der im Vertrag von St. Omer an Karl den Kühnen verpfändeten Gebiete durch Sigmund sollten die Eidgenossen dem Herzog bei der zu erwartenden Auseinandersetzung mit Karl dem Kühnen beistehen, dafür garantierte ihnen Sigmund ihren territorialen Besitzstand.

149

EA 2, Beilage Nr. 51, S. 914.

150

In dieser summarischen Formulierung konnte sie auch Hilfe bei internen Konflikten, z.B. Aufständen von Untertanen, beinhalten. Daß so etwas nicht völlig abwegig war, zeigt die Erbeinung von 1477, die die Eidgenossen zur Hilfe für Sigmund bei Aufständen seiner Untertanen verpflichtete (EA 2, Beilage Nr. 66, S. 945). 151

Chmel, Urkunden, Briefe und Actenstücke, S. 381 f.

A. Bündnisse und Einungen

249

So sehr den Eidgenossen auch an einer Anerkennung ihrer territorialen Erwerbungen gelegen war - die unbedingte Verpflichtung zu militärischer Hilfe für Sigmund, dazu ohne Bezahlung, stieß in der Eidgenossenschaft doch auf erheblichen Widerstand. Auf der Tagsatzung am 26. Januar 1472 war nur noch von der Pflicht zur Hilfeleistung in den nächsten vier Jahren die Rede, und zwar "vmb ein bescheidnen sold", was wohl heißen sollte, daß es sich um einen unterhalb des Üblichen liegenden Sold handeln sollte152. Am 11. März 1472 favorisierten die Eidgenossen dann sogar einen Vertrag ganz ohne Hilfsverpflichtung 153, was wiederum für Sigmund kaum annehmbar war. Die Positionen vor den Konstanzer Verhandlungen im August 1472 waren in dieser Frage also weit auseinander, und sie blieben es auch während der Verhandlungen154. Bezeichnenderweise stand dabei nie die Reziprozität der Hilfeleistung zur Debatte. Allen Beteiligten war klar, daß es sich in der Realität nur um eidgenössische Hilfe für Sigmund handeln konnte, weshalb um die Details dieser Hilfe gerade von eidgenössischer Seite heftig gestritten wurde. Wenn in dem endgültigen Text dann doch von gegenseitiger Hilfeleistung die Rede ist, war dies mehr eine "kosmetische Korrektur", die auch deshalb erforderlich geworden war, weil sich der Charakter der angestrebten Vereinbarung im Laufe der Verhandlungen doch deutlich geändert hatte. Aus dem Einsiedler Abschied mit seiner engumgrenzten Zielsetzung war ein umfassender Nachbarschafts- und Nichtangriffsvertrag geworden, der seine ursprüngliche - und ja nach wie vor aktuelle - Zielsetzung verleugnete 155. In einen solchen Vertrag paßte eine einseitige Hilfsverpflichtung nicht, auch wenn es konkret weiterhin um die Ausgestaltung der eidgenössischen Hilfeleistung ging. Es ist nicht festzustellen, auf wessen Betreiben die gegenseitige Hilfsverpflichtung in den Vertrag aufgenommen wurde. Noch der Konstanzer Entwurf, der dann Ludwig XI. zur Entscheidung vorgelegt wurde, enthielt nur die Verpflichtung der Eidgenossen zur 152

EA 2, Nr. 685, S. 429.

153

EA 2, Nr. 687, S.431.

154

Die Eidgenossen legten einen Entwurf ohne Hilfsverpflichtung vor (Chmel, Urkunden, Briefe und Actenstücke, S. 407-409), in dem es lediglich heißt, daß Sigmund sich "alles guten ouch wol" von der Eidgenossenschaft versehen könne (ebd., S. 409). Die von den herzoglichen Räten eingebrachten Artikel (ebd., S. 410-413) beinhalteten dagegen eine eidgenössische Hilfe von 1-4.000 Mann, ohne zeitliche Einschränkung und ohne Angaben über deren Besoldung (ebd., S. 412). Der vom Konstanzer Bischof schließlich ausgearbeitete Entwurf sah eine eidgenössische Hilfe gegen üblichen Sold vor, ohne jede genauere Erläuterung (EA 2, Nr. 692, S. 436). 155

Dazu gehört auch, daß die Rückerwerbung der Pfandlande, die noch in den Konstanzer Texten erwähnt worden war, in der Ewigen Richtung nicht mehr vorkam.

250

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Hilfe, jetzt allerdings mit dem auch im endgültigen Vertragstext enthaltenen Zusatz, "wo Inen das eren halb gepürlich sin mag" 1 5 6 . Der entsprechende Artikel in der Erbeinung von 1477 wies im Vergleich zu 1474 einige gravierende Veränderungen auf, wobei einige der neuen Bestimmungen aber bereits damals zur Diskussion gestanden hatten. Die Hilfsverpflichtung war erneut gegenseitig, sie sollte auf Ermahnung der Hilfe bedürfenden Partei und gegen Bezahlung erfolgen. Das Ausmaß der Hilfe, also die Truppenstärke, bestimmte jedoch allein die Hilfe leistende Partei. Die Einschränkung, daß die Unterstützung mit der Ehre der jeweiligen Partei vereinbar sein müsse, war weggefallen und wurde ersetzt durch die Bedingung, daß die Hilfe mit den Bünden vereinbar sein müsse. Damit wurde scheinbar eine schwammige Formulierung durch eine präzisere ersetzt. Diese vorgebliche Präzisierung wird aber größtenteils dadurch wieder aufgehoben, daß keineswegs klar wird, was mit diesen Bünden gemeint ist, zumal der Begriff im Zusammenhang mit Sigmund nur im Singular auftaucht 157. Ob der neu formulierte Artikel 1 5 8 über die Hilfspflicht weiter ging als der von 1474, ist schwer zu entscheiden. Beide Artikel waren so unpräzise und vorsichtig formuliert, daß man deutlich spürt, daß beide Vertragspartner, vor allem aber die Eidgenossen, zwar gewillt waren, den Schein der guten Beziehungen zu wahren, nach Möglichkeit aber einander nicht zu Hilfe kommen wollten. Die Situation war also einigermaßen paradox: Die Verträge von 1474 und 1477 enthielten eine Hilfsverpflichtung, obwohl klar war, daß gerade dieser Artikel wohl kaum in die Realität umgesetzt werden würde. Dies läßt sich nur mit den Entstehungsbedingungen der Ewigen Richtung erklären: Die Hilfsverpflichtung der Eidgenossen war die Gegenleistung für die Anerkennung der eidgenössischen Grenzen durch Sigmund. Mit zunehmender Dauer der Verträge verlor die Besitzstandsgarantie Sigmunds jedoch insofern an Wert, als eine gewaltsame Revision der Grenzen im156

EA 2, Nr. 735, S. 477.

157

Bei den Eidgenossen wäre denkbar, daß es sich um die eidgenössischen Bünde handeln soll, dann ist aber rätselhaft, welcher Bund bei Sigmund gemeint ist. Dieses Problem bleibt auch bestehen, wenn man annimmt, daß damit ganz allgemein ältere Bündnisse gemeint sein sollen. 158

Neu war überdies, daß die Hilfsverpflichtung für die Eidgenossen nur für Sigmunds Gebiete diesseits des Arlbergs gelten sollte, jenseits des Arlbergs aber die Bestimmungen der Ewigen Richtung galten.

A. Bündnisse und Einungen

2

mer unwahrscheinlicher wurde. Für diese Garantie ließ sich von österreichischer Seite in Verhandlungen somit immer weniger an Gegenleistungen einfordern, vollends nachdem Maximilian bald nach seiner Wahl zum Römischen König signalisiert hatte, daß er an einem guten Verhältnis zu den Eidgenossen interessiert war. Besitzstandsgarantie und Hilfsverpflichtung waren also nicht länger gleichwertige Angebote; für die Garantie der territorialen Integrität allein waren die Eidgenossen nicht mehr bereit, Maximilian ihre Hilfe gegen potentielle Gegner zuzusagen. Zwar stellte Maximilian ihnen die seit langem gewünschte Bestätigung ihrer Privilegien in Aussicht, aber mehr hatte er nicht zu bieten. Zudem war Maximilian durch die Verbindung mit Burgund zumindest potentiell so mächtig geworden, daß die Eidgenossen ihn nicht auch noch militärisch unterstützen wollten. An einem übermächtigen Österreich-Burgund konnten sie kein Interesse haben. Es entsprach von daher den realen Gegebenheiten durchaus, daß die Vereinigung von 1487 keinen Artikel über eine wie auch immer geartete Hilfspflicht mehr enthielt. Damit war zugleich eine Vorentscheidung für die künftigen Verträge gefallen. Nachdem die Hilfspflicht einmal herausgefallen war, gelang es nicht mehr, sie wieder in den Vertragstext aufzunehmen. Folgerichtig war in der Erneuerung der Erbeinung von 1500 die Hilfspflicht eine von zwei Bestimmungen der Ewigen Richtung, die ausdrücklich aufgehoben wurden 159 . Dies stand zu der ursprünglichen Intention Maximilians, mit Hilfe dieser Vereinbarung die Unterstützung der Eidgenossen gegen Frankreich in Mailand zu erlangen 160 , zwar in krassem Widerspruch, aber gerade in diesem Punkt zeigten sich die Eidgenossen unerbittlich 161. Die Einsicht, daß an die Durchsetzung einer Hilfsverpflichtung bei den Eidgenossen nicht zu denken war, hatte sich auf österreichischer Seite 1510/11 endgültig Bahn gebrochen. Denn als Maximilians Gesandte auf der Tagsatzung am 29. Oktober 1510 den Wunsch nach einer Einung vorbrachten, betonten sie ausdrücklich, daß diese keine Hilfsverpflichtung enthalten solle 162 . Für den

159

EA 3/2, Beilage Nr. 4, S. 1290.

160

EA 3/2, Nr. 6, S. 19.

161

Bereits zu Beginn ihrer Beratungen über das Bündnisangebot Maximilians hieß es, "das dem merteil gevalt, von einer früntlichen Eynung an Hilff ze reden, besunder vff form der ewgen bericht, doch dz die hilff daruß komme" (EA 3/2, Nr. 9, S. 25). 162

"vnd dheiner hilff darin ze gedenken" (EA 3/2, Nr. 378, S. 514).

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

25

Fall, daß einer der Partner angegriffen würde, vereinbarte man "getrew aufsehen" 1 6 3 - dies verpflichtete im Grunde zu nichts, demonstrierte aber nach außen eine gewisse Geschlossenheit164. Dies dürfte auch das Motiv für die Aufnahme dieses Artikels gewesen sein, nämlich eine Verunsicherung potentieller Gegner. Eine Garantie für eine wie auch immer geartete Unterstützung im Bedarfsfall bot dieser Artikel den vertragschließenden Parteien nicht, insofern hatte sich gegenüber 1487 eigentlich kaum etwas geändert.

b) Die Bemühungen um eine Erweiterung der Erbeinung zu Beginn der Regierungszeit Karls V. Mit dem Abschluß der Erbeinung 1511 fanden die Bemühungen Maximilians, die Eidgenossen an sich zu binden, keineswegs ein Ende. Maximilian versuchte vielmehr in immer neuen Verhandlungen, doch noch die militärische Unterstützung der Eidgenossen, insbesondere für seine oberitalienischen Pläne, zu gewinnen. Diesem Ziel dienten verschiedene Anläufe, die Eidgenossen in die wechselnden anti-französischen Koalitionen einzubinden. Nach der Niederlage von Marignano 1515, als die Eidgenossen ihre eigenen Ambitionen in Oberitalien endgültig aufgaben, waren sie aber auch weniger denn je bereit, für andere Mächte über die Alpen zu ziehen. Insofern war es für jeden Bewerber um eidgenössische Söldner schwer, von der Eidgenossenschaft eine Zustimmung zu seinem Anliegen zu erhalten. Hinzu kam, daß meist zwei Bewerber gleichzeitig mit einem solchen Anliegen in der Eidgenossenschaft erschienen, von denen höchstens einer erfolgreich sein konnte - immer häufiger aber zogen beide Bewerber mit leeren Händen davon. So lehnten die Eidgenos-

163 164

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1344.

Wie sehr man bemüht war, den Eindruck zu vermeiden, daß unter getreuem Aufsehen eben doch militärische Hilfe verstanden wurde, zeigt ein Vergleich des nach gemeinsamen Beratungen in Baden am 6.1.1511 beschlossenen Entwurfs mit dem endgültigen Text. In dem Badener Entwurf sollte durch das getreue Aufsehen erreicht werden, daß der bedrohte Partner "vor sölichem gewalt vnd vberzug beschirmpt" werde (EA 3/2, Nr. 386, S. 546), während in dem Vertragstext als Ziel des getreuen Aufsehens nur angegeben wurde, "damit sy wider Recht oder billicheit nit beswert noch gedrungen werden" (ebd., Beilage Nr. 19, S. 1344). Während die erste Formulierung geradezu zwangsläufig die Vorstellung militärischer Unterstützung oder zumindest Präsenz evoziert, ist die endgültige Formulierung wesentlich ziviler.

A. Bündnisse und Einungen

2

sen 1516 sowohl die französischen Anträge auf eidgenössische Söldner 165 als auch den Beitritt zu dem Bündnis zwischen Maximilian, Karl und dem englischen König a b 1 6 6 . Trotz dieser Absage gab Maximilian seine Absicht nicht auf, wobei in seine Überlegungen stets auch sein Enkel Karl als König von Spanien mit einbezogen wurde. Dies entsprach der Grundkonstellation, daß es nicht um irgendwelche regionalen Konflikte ging, in denen die eidgenössischen Söldner eingesetzt werden sollten, sondern um den säkularen Kampf zwischen Habsburg und Valois, der eben auch als Auseinandersetzung um einzelne Regionen, vor allem Oberitalien, ausgetragen wurde. In diesem Kampf hielten es die beiden Gegner für mitentscheidend, die Eidgenossen auf die eigene Seite zu ziehen. Entsprechend intensiv und nahezu ununterbrochen waren ihre Anstrengungen, um zu diesem Ziel zu gelangen. Die traditionelle Form dafür war der Abschluß eines Bündnisses - Bündnis verstanden als eine Art der Vereinbarung mit überwiegend nach außen, gegen einen Gegner, gerichteter Zielsetzung und mehr oder weniger genauen Bestimmungen über Form und Umfang der im Ernstfall zu leistenden Unterstützung 1 6 7 . Ein solches Bündnis bedeutete ein hohes Maß an Verpflichtung und schränkte die außenpolitische Bewegungsfreiheit der Vertragspartner ein. Da die Eidgenossen eine solche Festlegung nach Möglichkeit vermieden, waren sie im allgemeinen zum Abschlußförmlicher Bündnisse nicht bereit. Unterhalb der Ebene solcher Bündnisse gab es freilich die Möglichkeit zum Abschluß von Vereinbarungen in einer großen Bandbreite der gegenseitigen Verpflichtung, die sich terminologisch auch nicht eindeutig voneinander abgrenzen lassen 168 . 165

Frankreich glaubte mit dem Frieden von Gallarate 1515 sein Ziel bereits erreicht zu haben, da der gleichzeitig abgeschlossene Bündnisvertrag die Eidgenossen verpflichtete, dem französischen König im Kriegsfall die Anwerbung von eidgenössischen Söldnern zu gestatten (EA 3/2, Nr. 624, S. 910). Der endgültige Friedensvertrag vom 29.11.1516 (ebd., Beilage Nr. 36) enthielt dagegen keine Vereinbarung über eine militärische Unterstützung oder das Recht auf Anwerbung von Söldnern. 166

EA 3/2, Nr. 692, S. 1033.

167

"Bündnis" wird hier also im modernen Verständnis des Wortes gebraucht. Im 16. Jahrhundert war der Begriff "Bündnis" keineswegs für Verbindungen mit außenpolitischer Zielsetzung reserviert. Siehe dazu Koselleck, Bund, S. 582-618 passim. 168

Die zeitgenössischen Bezeichnungen führen dabei häufig in die Irre. Auch findet die moderne Trennung in innen- und außenpolitische Verträge keine Entsprechung in der Terminologie der Zeit. Die Bezeichnungen der vorliegenden Arbeit folgen deshalb

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

In diese Reihe können Friedensverträge ebenso gehören wie Erbeinungen, zumeist waren die Vereinbarungen einfach als "Vereinigung" oder "Einung" betitelt. Dabei hatten die um die Gunst der Eidgenossenschaft konkurrierenden Mächte zumeist keine bestimmte Form der Vereinbarung als Ziel ihrer Verhandlungen vor Augen; sie versuchten vielmehr, das irgend Erreichbare aus den Verhandlungen herauszuholen, und paßten die Form der zu erzielenden Vereinbarung den Gegebenheiten an. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn Maximilian in seinem Schreiben an Karl vom 18. Mai 1518, in dem er einen Überblick über die Lage in Europa und im Reich sowie über die zur Sicherstellung der Kaiserwahl Karls notwendigen Maßnahmen gab, auch betonte, "que nous les (= die Schweizer, B.B.) devons practiquer et par tous moyens les attraire de nostre party" 169 . Welch große Bedeutung Maximilian den Verhandlungen mit den Eidgenossen beimaß, läßt sich daran erkennen, daß er Karl mit Nachdruck empfahl, Zevenbergen mit dieser Mission zu betrauen, also einen seiner besten Diplomaten 170 . Vor der Entsendung Zevenbergens in die Schweiz 171 bemühte sich Maximilian im Sommer 1518 selbst um eine Verbindung mit den Eidgenossen, und zwar erneut um deren Beitritt zu dem Bündnis zwischen Maximilian, Karl und Heinrich VIII. Allerdings wurden die Verhandlungen nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben, was nicht zuletzt daran lag, daß Maximilian sich in diesen Monaten vor allem um die Gewinnung der Kurfürsten für die Wahl Karls bemühte 172 . Mitte September 1518 lehnten die Eidgenossen den ihnen im allgemeinen nicht den Quellen, sondern bedienen sich der modernen Termini. Einung wird dabei - und dies nun allerdings in Analogie zur Praxis des 16. Jahrhunderts - als sehr weit gefaßter Begriff verstanden, während ein "Bund" durch einen höheren Grad an Institutionalisierung gekennzeichnet ist. 169

Maximilian an Karl, Innsbruck, 18.5.1518 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 40, S. 125-133, hierS. 131). 170

Maximilian an Karl, Innsbruck, 18.5.1518 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 40, S. 125-133, hier S. 132); Maximilian an Karl, Innsbruck, 24.5.1518 (Mone, Briefwechsel, Nr. 1, Sp.l3f., hier Sp. 14). 171

Zu den Details im Vorfeld der Entsendung Zevenbergens, insbesondere zur Frage der Instruktionen und der Abgrenzung der Kompetenzen siehe oben, S. 48-51. 172

Außerdem existierte das Bündnis, dem die Eidgenossen beitreten sollten, ohnehin nur noch auf dem Papier, da der englische König sich mittlerweile Frankreich zugewandt hatte.

A. Bündnisse und Einungen

2

angetragenen Beitritt ab, wobei sie gegenüber Maximilian darauf hinwiesen, daß sie mit ihm bereits seit langem durch eine Erbeinung verbunden seien, so daß ein weiteres Bündnis nicht notwendig sei 1 7 3 . Nun war das Ziel des von Maximilian angestrebten Bündnisses freilich ein ganz anderes als das der Erbeinung, weshalb die Erbeinung das Bündnis keineswegs von vorneherein überflüssig machte. Dies wußten natürlich auch die Eidgenossen, und genau deshalb lehnten sie das angebotene Bündnis ab. Der Hinweis auf die Erbeinung ermöglichte ihnen eine Absage, ohne damit eine generelle Zurückweisung Maximilians zu verbinden 174 . Parallel zu den Bemühungen Maximilians war weiterhin die Entsendung Zevenbergens durch Karl in die Schweiz geplant 175 . Über die genauen Ziele dieser Mission und die am ehesten erfolgversprechende Vorgehensweise scheinen bei Karl und seiner Umgebung freilich keine genaueren Vorstellungen entwickelt worden zu sein, die über die allgemeine Feststellung aus Maximilians Brief vom 18. Mai 1518 hinausgingen. Als Zevenbergen im Herbst 1518 schließlich abgefertigt wurde, wies man ihn lediglich an, sich wegen konkreter Anweisungen an Maximilian zu wenden. Ähnlich lauteten noch Briefe Karls und des Herrn von Chièvres vom 12. Januar 1519. Zevenbergen beschrieb den ihm in diesen Briefen erteilten Auftrag als "pratiquer plus estroicte amitié" 176 ; präzise war immerhin die Anweisung, die Erlaubnis für die Anwerbung von 4000 eidgenössischen Söldnern zu erlangen. Da dieses Schreiben Karls an Zevenbergen nicht erhalten ist, läßt sich nicht feststellen, wie die von Zevenbergen auszuhandelnde "plus estroicte amitié" aussehen sollte, ob es sich dabei um

173

EA 3/2, Nr. 759, S. 1128f.

174

Dies war auch deshalb wichtig, weil die außenpolitische Ausrichtung der eidgenössischen Politik in der Eidgenossenschaft selbst zu dieser Zeit strittig war. Von daher waren eindeutige Signale an die beiden rivalisierenden Mächte in der Eidgenossenschaft nicht durchzusetzen. 175

Über dieses frühe Stadium der Planung von Zevenbergens Mission liegen keine Informationen vor. Lediglich aus einem Schreiben Schiners von Anfang Oktober 1518 geht hervor, daß Zevenbergen für die Mission zu den Eidgenossen ausgewählt worden war (Schiner an Jean Hesdin, Brüssel (?), 8.10.1518 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 48, S. 158-165, hierS. 159)). 176

Die Briefe selbst sind nicht erhalten; lediglich ihre Zusammenfassung durch Zevenbergen in einem Schreiben an Margarete (Zevenbergen an Margarete, Augsburg, 1.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 54, S. 189-193, das Zitat auf S. 191)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

ein ganz neues Bündnis oder um eine - wie auch immer geartete - Erweiterung der Erbeinung handeln sollte. Als Maximilian am 12. Januar 1519 starb, war Zevenbergen erst in Augsburg. Es war ihm also nicht gelungen, sich von Maximilian detaillierte Anweisungen für seine Reise in die Schweiz geben zu lassen. An der Notwendigkeit der Reise wurde aber weiterhin festgehalten. Zu dem umfassenden Ziel einer engeren Einbindung der Eidgenossen in die habsburgische Politik waren noch zwei Punkte hinzugekommen: Die Eidgenossen sollten für eine Unterstützung der Wahl Karls gewonnen werden, und sie sollten Herzog Ulrich von Württemberg keine Hilfe leisten. Über diese beiden Punkte bestand weitgehende Klarheit, während über die "plus estroicte amitié" und den besten Weg dorthin durchaus unterschiedliche Vorstellungen existierten. Mit diesen sah sich Zevenbergen bei seiner Ankunft in Zürich am 15. März 1519 konfrontiert. Er mußte nämlich entscheiden, nach welcher der zwei ihm vorliegenden Instruktionen er handeln wollte, nach der Instruktion Karls vom 22. Februar 177 oder der der Augsburger Kommissare vom 9. März 1 7 8 . Übereinstimmung herrschte zwischen den beiden Instruktionen lediglich darin, daß in den Verhandlungen an die bestehende Erbeinung angeknüpft werden sollte. Es sollte sich also nicht um ein völlig neues Bündnis oder die Aufnahme der Eidgenossen in ein bestehendes Bündnis Karls mit anderen Mächten handeln 179 . So verwiesen die Augsburger Kommissare in ihrer Instruktion für 177

Die Instruktion Karls ist nicht erhalten. Ihr Inhalt läßt sich teilweise aus der Kritik erschließen, die die Augsburger Kommissare in ihrem Schreiben an Karl vom 13.3. an ihr übten (Matthäus Lang, J. Villinger, Ziegler und Mamix an Karl, Augsburg, 13.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 90, S. 340-344)). Karl erwähnte die Absendung der Instruktion in einem Schreiben an Margarete (Karl an Margarete, Barcelona, 22.2.1519 (ebd., Nr. 72, S. 265-268, hier S. 266), von daher das Datum. Zevenbergen selbst erwähnte sie in seinem Bericht über die Tagsatzung am 15.3. und bezeichnete sie als "celle en latin que le roy a envoyé d'Espaigne" (Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (ebd., Nr. 102, S. 364-373, hier S. 364). 178

Instruktion der Augsburger Kommissare für Karls und Ferdinands Gesandte in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r). 179

Karl beschrieb in seinem Schreiben an Margarete vom 22.2., in dem er die Absendung einer Vollmacht und Instruktion für Zevenbergen meldete, die Aufgabe der Gesandtschaft als "renouveller et confirmer les alliances que noz maisons d'Austriche et de Bourgogne ont avec eulx et les faire plus estroictes et meilleures, s'il est possible" (Karl an Margarete, Barcelona, 22.2.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 72, S. 265-268, hier S. 266)). Ob Karl über den Inhalt dieser Abmachungen mittlerweile genauer informiert

A. Bündnisse und Einungen

2

Zevenbergen und seine Mitgesandten auf die bestehende Erbeinung 180 . Zusätzlich zu der Erbeinung sollte mit den Eidgenossen aber noch "ein newe Eynung" gemacht werden 181 . Die neue Einung sollte alle jetzigen und künftigen Länder Karls und Ferdinands umfassen. Sie garantierte jedem eidgenössischen Ort eine jährliche Pension von bis zu 1500 f l . 1 8 2 . Dafür sollten sich die Eidgenossen verpflichten, keine Söldner gegen Karls oder Ferdinands Lande ziehen zu lassen 1 8 3 . Konkret bedeutete dies vor allem, daß bei einem Krieg Karls oder Ferdinands mit Frankreich die Eidgenossenschaft Frankreich nicht mit Truppen unterstützen durfte. Außerdem sollten die Eidgenossen den habsburgischen Brüdern auf ihr Begehren jederzeit die gewünschte Zahl Truppen gegen Bezahlung zur Verfügung stellen 184 . Umgekehrt wollten Karl und Ferdinand aber auch den Eidgenossen zu Hilfe kommen, wenn diese angegriffen würden, wobei es den Eidgenossen überlassen wurde, die Bedingungen für diese Hilfe genauer

war, geht aus dem Schreiben nicht hervor. Noch am 6.2. hatte er nämlich Zevenbergen angewiesen, sich vor seiner Abreise in die Schweiz "informer quelle intelligence mondit feu seigneur et grand-pere avoit en son vivant avec lesdits Suysses en general ou en particulier" (Karl an Zevenbergen, Montserrat, 6.2.1519 (ebd., Nr. 57, S. 208-210, hier S. 209)). 180

Instruktion der Augsburger Kommissare für Karls und Ferdinands Gesandte in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r). 181

Instruktion der Augsburger Kommissare für Karls und Ferdinands Gesandte in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r, hier fol. 27 lr). Die Vorstellung war offenbar, daß die Erbeinung in Kraft bleiben sollte. Die Gesandten sollten den Eidgenossen nämlich die Bereitschaft und den Willen Karls und Ferdinands, die Erbeinung "auch anzenemen zu hallten unnd der getrewlich zu leben" (ebd., fol. 270r), verkünden. Die jetzt angestrebte Vereinbarung sollte zusätzlich abgeschlossen werden - "über die gedacht erbeynung" (ebd., fol. 27lr), wie dies in der Instruktion formuliert wurde. 182

Zum Vergleich: Nach der Erbeinung von 1511 bekam jeder Ort 200 fl. Die hier in Aussicht gestellte Pension lag immer noch einiges unter den französischen Angeboten, im Soldbündnis mit Frankreich von 1521 wurden jedem Ort 3.000 Fr. zugesagt. 183

Instruktion der Augsburger Kommissare für Karls und Ferdinands Gesandte in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r, hier fol. 27lr). 184

Instruktion der Augsburger Kommissare für Karls und Ferdinands Gesandte in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r, hier fol. 27 lv). 17 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

festzulegen 185. Falls die Eidgenossen solche Bedingungen nicht formulieren würden, sollten die Gesandten ihnen vorschlagen, "vi c dewtscher gerusster pherd über die antzall pherdt, die inen die erst erbeynung zugibt und ob sy des geschutz in derselben erbaynung begriffen nit benuegig sein woltn, soll inen dasselb geschutz auch gepessert werden" 186 . Dieser Vorschlag ist insofern rätselhaft, als keine der Erbeinungen eine solche Hilfszusage an die Eidgenossen enthält. Nicht zu klären ist, welcher Text den Augsburger Kommissaren als Vorlage diente, ganz offensichtlich gingen sie von einem "falschen" Text aus, keinesfalls jedoch von der Erbeinung von 1511 1 8 7 .

185

Ein Unterschied fällt aber sofort auf: Während das Recht Karls und Ferdinands auf die Anwerbung eidgenössischer Söldner "allzeit" gelten sollte und an keinerlei Bedingungen geknüpft war, galt das Angebot der Hilfe Karls und Ferdinands für die Eidgenossen nur für den Fall, daß die Eidgenossen angegriffen würden. Diese Einschränkung relativiert doch etwas die in den Worten "das die Eydgenossen sich ytz vememen lassen wie sy solhe hilff gern haben weiten" zunächst zum Ausdruck kommende Großzügigkeit (Instruktion der Augsburger Kommissare für Karls und Ferdinands Gesandte in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r, hier fol. 27 lv)). 186

Instruktion der Augsburger Kommissare für Karls und Ferdinands Gesandte in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 9.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 270r-273r, hier fol. 27lv). 187

Als Grundlage für die jetzigen Verhandlungen hatte ebenfalls der Sekretär Hans Acker die Erbeinung in die Diskussion gebracht. Er hatte nämlich Graf Rudolf von Sulz und Wolf von Homburg, mit denen er Ende Januar 1519 nach Zürich geschickt worden war, um den Eidgenossen den Tod Maximilians zu verkünden und weitere Verhandlungen mit ihnen anzuknüpfen, darauf aufmerksam gemacht, daß nach der Erbeinung von 1511 Maximilian bei Erreichen der Volljährigkeit Karls sich bemühen wollte, daß Karl die Erbeinung erneuere und ratifiziere, was aber nicht geschehen sei. Durch den Tod Maximilians sei eine solche Ratifizierung nun erst recht notwendig geworden und damit ein guter Anknüpfungspunkt für Verhandlungen mit den Eidgenossen gegeben (Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Hans Acker an die Regierung Innsbruck, Zürich, 31.1.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 244r-245v, hier fol. 244v-245r)). Da die Ausführungen Ackers nicht nur inhaltlich, sondern teilweise sogar wörtlich mit der Erbeinung von 1511 übereinstimmten, hatte er mit Sicherheit den Text zur Hand, und zwar den richtigen.

A. Bündnisse und Einungen

259

Offenbar noch weniger brauchbar war die Instruktion Karls 1 8 8 , und zwar schon deshalb, weil sie keine gegenseitige Hilfsverpflichtung enthielt, also wohl nur die Eidgenossen zur Hilfe verpflichten wollte. Die Augsburger Kommissare schrieben darüber völlig zu Recht an Karl, daß die Eidgenossen einem solch einseitigen Vertrag nie zustimmen würden 189 . Die Gesandten orientierten sich deshalb für ihren Vortrag auf der Tagsatzung weitgehend an der Instruktion der Augsburger Kommissare. Sie betonten zunächst die Notwendigkeit der Bestätigung und Ratifizierung der Erbeinung durch Karl und dann auch durch die Eidgenossen. Entsprechend der Instruktion schlugen sie den Eidgenossen die Einbeziehung aller jetzigen und künftigen Länder Karls vor. Die Eidgenossen sollten sich verpflichten, nicht gegen diese Länder zu handeln und insbesondere nicht ihre Söldner gegen sie ziehen zu lassen. Überhaupt sollte keine Partei die Feinde der anderen unterstützen. Falls die Eidgenossen ihre Krieger ausziehen lassen wollten, sollten sie sie nur Karl zuziehen lassen. Dieser Artikel ersetzte die unbeschränkte Anwerbeerlaubnis der Augsburger Instruktion, möglicherweise, weil die Gesandten eingesehen hatten, daß eine solche nur schwer zu erlangen sein würde und die ganzen Verhandlungen gefährden könnte. Auf diese Weise erledigte sich auch das Problem der gegenseitigen Hilfsverpflichtung, die nun nicht mehr notwendig war. Die Eidgenossen sollten eine jährliche Pension von 1000 fl. pro Ort erhalten 190 . Dieser Vorschlag bildete fortan die Grundlage der weiteren Verhandlungen 1 9 1 . Dabei firmierten die strittigen Artikel unter "Erweiterung der Erbei188

Karl billigte übrigens die Instruktion der Augsburger Kommissare nachträglich, auch die Höhe der angebotenen Pension von 1500 fl. pro Ort (Karl an die Augsburger Kommissare, Barcelona, 31.3.1519 (RTA JR 1, Nr. 192, S. 506-512, hier S. 508)). 189

Matthäus Lang, J. Villinger, Ziegler und Mamix an Karl, Augsburg, 13.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 90, S. 340-344, hier S. 340). 190

Eine Zusammenfassung des Vortrags der Gesandten über das Bündnisangebot liegt dem Bericht der Gesandten an die Regierung in Innsbruck vom 21.3.1519 bei (Bericht: HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 274r-v, 278r; die Beilage: fol. 275r-v). Eine knappe Wiedergabe auch in EA 3/2, Nr. 772, S. 1142. 191

Auf der Tagsatzung am 1. April versuchten die Eidgenossen, nicht nur über die Ratifizierung der Erbeinung von 1511, sondern auch über Änderungen an deren Text zu verhandeln, indem sie auf Übernahme einiger Bestimmungen aus älteren Verträgen drängten, vor allem die Bestimmung über das Öffnungsrecht in den vier Waldstädten am Rhein aus der Ewigen Richtung von 1474 (Dr. Hieronymus Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 6.4.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 289r-v)). Zevenbergen 17*

260

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nung" und "Hilfe". Letzteres ist bezeichnend für die eidgenössische Wahrnehmung von Karls Anbringen. Obwohl das Angebot Karls gerade keine Hilfspflicht enthielt, sondern nur die Verpflichtung der Eidgenossen, ihre Krieger niemand anderem als Karl zulaufen zu lassen, durchschauten die Eidgenossen selbstverständlich die dahinter stehende Absicht und brachten sie so auf einen Nenner. Diese Erkenntnis dürfte auch entscheidend gewesen sein für die Ablehnung des Bündnisangebots, die die Eidgenossen Zevenbergen bereits auf der Tagsatzung am 10. Mai 1519 mitteilten 192 . Zevenbergen bat sie zwar, ihre Haltung nochmals zu überdenken 193, doch waren diese Versuche erfolglos: Die Eidgenossen blieben bei ihrer Ablehnung 194 . Dies sahen schließlich auch Karls Gesandte ein und verkündeten auf der Tagsatzung am 12. Juli, daß sie diesen Beschluß der Eidgenossen - wenn auch mit Bedauern - zur Kenntnis nehmen. In diesem Zusammenhang wiesen sie die Eidgenossen aber noch darauf hin, daß sie nach den Bestimmungen der Erbeinung keine Feindseligkeiten auch gegen die nicht in der Erbeinung enthaltenen Länder Karls vornehmen oder solchen Vorschub leisten dürften 195 . Damit sollte eine eidgenössische Unterstützung Frankreichs bei einem Krieg gegen Karl ausgeschlossen werden. Die Verhandlungen im Frühjahr und Sommer 1519 zeigen deutlich die unterschiedliche Einschätzung der durch die Erbeinung verbundenen Partner über den Zweck dieser Verbindung: Für die Eidgenossen stand die Regelung der Beziehungen zu den benachbarten habsburgischen Gebieten im Vordergrund. Deshalb antworteten sie auf Zevenbergens Vortrag: "Da sich dieselbe (= die Erbeinung, B.B.) weit erstrecke und zu gutem nachbarlichem Verhalt hinreiche, so trete man zur Zeit in die begehrte Erweiterung nicht ein" 1 9 6 . Die Erbeinung sollte primär die bilateralen Beziehungen regeln und nicht nach lehnte dieses Ansinnen jedoch entschieden ab (Zevenbergen an Karl, Konstanz, 12.4.1519 0le Glay, Négociations 2, Nr. 125, S. 415-424, hier S. 420)). Diese Bestrebungen waren aber offenbar nicht Gegenstand der offiziellen Verhandlungen, zumindest fanden sie keinen Niederschlag im Text des Abschieds. Die Eidgenossen kamen auf diesen Vorschlag auch später nicht mehr zurück. 192

EA 3/2, Nr. 778, S. 1164.

193

Vortrag Zevenbergens vor der Tagsatzung am 13.5. (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 292r-296r; StA Zürich, A 176.2, Nr. 21). 194

EA 3/2, Nr. 780, S. 1169.

195

EA 3/2, Nr. 783, S. 1176.

196

EA 3/2, Nr. 778, S. 1164.

A. Bündnisse und Einungen

2

außen, gegen Dritte, gerichtet sein. Dieses Ziel hatten die Eidgenossen von Anfang an mit der Ewigen Richtung und dann der Erbeinung verfolgt, und es hatte dabei immer mehr an Gewicht gewonnen. Dies lag daran, daß sich 1474 und auch noch 1477 die möglichen Konflikte mit Dritten in der unmittelbaren Nachbarschaft der Eidgenossen abspielten, der "außenpolitische" Aspekt der Verbindung deshalb nicht so klar abzutrennen war. Außerdem bildete 1474 die eidgenössische Unterstützung Sigmunds gegen Karl den Kühnen nach der auch von den Eidgenossen gewünschten - Rückgewinnung der Pfandlande durch Sigmund die eidgenössische Gegenleistung für die Anerkennung ihres Territoriums, auch wenn dies so in dem Vertrag nicht zu lesen stand. Die außenpolitischen Interessen der beiden Vertragspartner in der umkämpften Region am Oberrhein gingen also zumindest zu diesem Zeitpunkt konform. Als sich die möglichen Konfliktherde in der Regierungszeit Maximilians aber in weiter entfernte Regionen verlagerten, die von der Erbeinung nicht erfaßt wurden, sahen die Eidgenossen in der Erbeinung immer mehr nur noch einen Nachbarschaftsvertrag. Eine Erweiterung der Erbeinung zu einem Bündnis lehnten sie entschieden ab. Auf habsburgischer Seite verlief die Entwicklung genau umgekehrt. Dies hängt zum einen damit zusammen, daß sich die Interessen Sigmunds, des Vertragspartners von 1474 und 1477, mit Ausnahme Tirols ganz auf die Nachbarschaft der Eidgenossenschaft konzentriert hatten. Maximilian und erst recht Karl hatten dagegen wesentlich weiter gefaßte Interessen, und die Erbeinung sollte ihnen als Instrument dienen, um die Eidgenossen für die Durchsetzung dieser Interessen einsetzen zu können, so wie die Ewige Richtung Sigmund gegen Karl den Kühnen gedient hatte 197 . Da sich die Konflikte aber nicht mehr im österreichisch-eidgenössischen Grenzgebiet abspielten, konnte Österreich aus der Erbeinung immer weniger Gewinn ziehen. Zum anderen hatte sich das Verhältnis Österreichs zu den Eidgenossen doch erheblich entspannt, da der Streit über den territorialen Besitzstand beigelegt worden war 1 9 8 . In dem Maße aber, wie die Habsburger nicht länger einen eidgenössischen Angriff fürchten muß197

Dabei hatte die Ewige Richtung allein durch ihre Existenz bereits große Wirkung entfaltet; auf einen solchen Effekt konnten Maximilian und Karl freilich nicht hoffen. Sie waren darauf angewiesen, daß sie die Hilfe der Eidgenossen auch tatsächlich erhielten. 198

Hierzu gehörte nicht nur der Verzicht Österreichs auf seine ehemaligen Gebiete in der Schweiz, sondern auch die deutlich erkennbare Tendenz, daß die Eidgenossen nicht weiter in österreichisches Gebiet ausgreifen würden.

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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ten, der zudem durch die Erbeinung verboten war, gewann für sie die außenpolitische Komponente der Vereinbarungen an Gewicht. Deshalb wurde versucht, mit den Eidgenossen zusätzlich ein Bündnis abzuschließen oder die außenpolitisch-militärische Komponente in der Erbeinung zu stärken, verbunden mit einer geographischen Erweiterung. Dies ist die Konstante hinter den vielfältigen, oft verwirrenden Angeboten vor allem Maximilians und dann eben auch Karls 1519 an die Eidgenossen. Die Erbeinung von 1511 war dann regelmäßig der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich in den Verhandlungen zurückzog, wenn sich abzeichnete, daß über weitergehende Vereinbarungen keine Übereinstimmung zu erzielen war. Trotz der eindeutigen Absage der Eidgenossen zogen sich die Gesandten Karls im Sommer 1519 aber nicht aus der Eidgenossenschaft zurück. Die Verhandlungen wurden vielmehr von Tagsatzung zu Tagsatzung fortgesetzt, zum Teil mit leicht modifizierten Angeboten 199 . Dahinter stand wohl weniger die Hoffnung, doch noch zu der gewünschten Vereinbarung zu kommen - dazu war die Ablehnung der Eidgenossen zu deutlich gewesen -, als vielmehr der Wunsch, die Verhandlungen unter allen Umständen in Gang zu halten. Solange es keine ständige Gesandtschaft gab, erlaubte nur dies die ständige Präsenz von Gesandten in der Eidgenossenschaft und eröffnete damit die Möglichkeit zu ungehinderter Informationsbeschaffung, allgemeinen Sondierungen, inoffiziellen Verhandlungen, kurz: zu all dem, was die Zeitgenossen mit dem Ausdruck "Praktiken machen", "pratiquer" umschrieben. Deshalb mußte ein Abbruch der Verhandlungen auf alle Fälle vermieden werden. Dies galt selbstverständlich in besonderem Maße, wenn, wie zumeist, gleichzeitig französische Gesandte in der Eidgenossenschaft anwesend waren, die sich genauso um ein Bündnis mit den Eidgenossen bemühten und ansonsten ebenfalls eifrig "praktizierten".

199

Auf der Tagsatzung am 14. August 1519 erklärten die Gesandten, daß über den Antrag Karls auf Hilfe bei Gefahr für Deutschland nie verhandelt worden sei; nachdem die Wahl Karls nunmehr erfolgt sei, erbitte er Hilfe gegen diejenigen, die seine Wahl hatten verhindern wollen. Außerdem überreichten die Gesandten die mittlerweile eingetroffene Ratifikation der Erbeinung durch Karl und baten erneut um ein weitergehendes Bündnis. Falls die Eidgenossen ein solches nicht eingehen wollten, sollten sie zumindest bis zur Ankunft Karls in Deutschland kein neues Bündnis abschließen (Vortrag der Gesandten Karls: StA Zürich, A 176.2, Nr. 22; gedr. in EA 3/2, Nr. 790, S. 1184). Damit lag ein neuer Antrag auf dem Tisch, der weitere Verhandlungen erlaubte und der auf den folgenden Tagsatzungen behandelt wurde (EA 3/2, Nr. 798, S. 1198; Nr. 799, S. 1200; Nr. 801, S. 1206f.).

A. Bündnisse und Einungen

2

Das Angebot eines engeren Bündnisses zieht sich weiter durch die Korrespondenz200 und die Verhandlungen der Jahre 1520/21 201 . Von Seiten Karls hatte das auch die Funktion, den Eidgenossen seine freundschaftliche Gesinnung zu bezeugen, vor allem aber, sie von einem Bündnis mit Frankreich abzuhalten. Deshalb bat er die Eidgenossen gleich nach seiner Ankunft in den Niederlanden, eine Gesandtschaft zu ihm abzuordnen, um die immer wieder angekündigten Verhandlungen führen zu können 202 . Nachdem die Eidgenossen darauf nicht eingegangen waren, verordnete Karl selbst Anfang April 1521 eine Gesandtschaft zu den Eidgenossen, die im Grunde das bekannte Angebot mit leichten Modifikationen unterbreitete 203. Zu ernsthaften Verhandlungen über dieses Angebot kam es aber nicht mehr, da die Eidgenossen - mit Ausnahme Zürichs - Anfang Mai dem Abschluß eines Soldbündnisses mit Frankreich zustimmten. Die Verhandlungen "plätscherten" zwar weiter vor sich hin, aber nun war doch nicht mehr zu übersehen, was eigentlich bereits seit Mitte 1519 klar war: Die Eidgenossen waren nicht bereit, die Erbeinung zu einem Bündnis zu

200

Karl an Zürich, Barcelona, 15.1.1520 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 28); Karl an Basel, Barcelona, 15.1.1520 (StA Basel, Verfassung A 1); Karl an Luzem, Santiago de Compostela, 12.4.1520 (StA Luzem, Urk. Nr. 22/853); Zürich an Karl, Zürich, 29.6.1520 (StA Zürich, B IV 2, Nr. 373). 201

EA 3/2, Nr. 810, S. 1228f.; Nr. 814, S. 1232; StA Zürich, A 176.2, Nr. 37 (Vortrag der Gesandten Karls auf der Tagsatzung am 17.7.1520). 202

EA 3/2, Nr. 823, S. 1243; Vortrag der Gesandten auf der Tagsatzung am 17.7.1520 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 37); EA 3/2, Nr. 833, S. 1250; Vortrag der Gesandten am 26.7.1520 (StA Zürich A 176.2, Nr. 38); EA 3/2, Nr. 834, S. 1251; Karl an Zürich, Antwerpen, 28.9.1520 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 40). 203

Instruktion Karls für Bischof Hugo von Konstanz, Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Veit Sutor, Worms, 4.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 61r-65r). Karl ließ die Eidgenossen bitten, sich nicht mit Feinden des Reichs zu verbünden, eine Reaktion auf die in ihr entscheidendes Stadium getretenen Verhandlungen der Eidgenossen über ein Soldbündnis mit Frankreich. Außerdem bat er die Eidgenossen um 10.000 Söldner für seinen geplanten Romzug. In bezug auf die Erbeinung wünschte er eine Präzisierung des Artikels über die Aufnahme von Angehörigen der anderen Seite in Schutz oder Burgrecht sowie die alle 10 Jahre fällige öffentliche Verkündung der Erbeinung (EA 4/1 a, Nr. 9, S. 25-27).

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

2

erweitern 204 . Die Erbeinung blieb also in der 1511 geschlossenen Form bestehen, und sie galt auch weiterhin für den damals festgelegten Geltungsbereich.

204

Versuche, die Erbeinung in dem einen oder anderen Punkt abzuändern, gab es freilich immer wieder. So strebten die Habsburger nach dem Erwerb Württembergs eine Einbeziehung des Herzogtums in die Erbeinung an (Instruktion Karls für Bischof Wilhelm von Straßburg, Graf Laurens de Pont-de-Vaulx, Graf Rudolf von Sulz, Johann von Metten, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Veit Sutor in die Eidgenossenschaft, Gent, 19.12.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 118r-125r, hier fol. 123r)). Da 1519 nicht zuletzt die Tatsache, daß die Eidgenossen Herzog Ulrich militärische Unterstützung versagt hatten, zum Übergang des Herzogtums an Habsburg geführt hatte, mußte aus dem Blickwinkel der habsburgischen Politik eine Aufnahme Württembergs in die Erbeinung, was ein Vorgehen der Eidgenossen gegen Württemberg und das hieß: gegen die habsburgische Herrschaft in Württemberg, verboten hätte, fast gleichbedeutend sein mit einer Garantie des Besitzes Württembergs für Habsburg. An eine Zustimmung der Eidgenossen zu dieser Erweiterung war freilich nicht zu denken. Dies scheint auch Wolf von Homburg und Dr. Sturtzel bewußt gewesen zu sein, die dem Befehl Ferdinands, über eine solche Erweiterung mit den Eidgenossen zu verhandeln, nicht nachkamen (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Linz, 29.8.1523 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 1, fol. 3r)). Ausschlaggebend für die Haltung der Eidgenossen dürfte neben der generell geringen Bereitschaft zu jeglicher Erweiterung aber vor allem gewesen sein, daß Herzog Ulrich ein Burgrecht mit Luzem und Solothum besaß. Auf diesen Zusammenhang machte Basel aufmerksam, als es den Vorwurf Ferdinands, das Auslaufen eidgenössischer Krieger gegen Württemberg verstoße gegen die Erbeinung (EA 4/1 a, Nr. 261, S. 613) mit dem Argument zurückwies, daß Württemberg nicht in der Erbeinung eingeschlossen sei, und daß überdies der Herzog ihr Bundesgenosse sei, der nur versuche, seinen Besitz wiederzuerlangen (ebd., Nr. 263, S. 627f.). Ein ähnliches Problem stellte sich nach 1548, nachdem Konstanz österreichische Landstadt geworden war. Bei einem Rechtsstreit um Abgaben, die auf die Güter von Konstanzer Bürgern in Emmishofen erhoben wurden, schlug der Konstanzer Stadthauptmann v. Pollweil vor, die Angelegenheit durch ein Rechtsverfahren nach der Erbeinung zu schlichten, d.h. er ging davon aus, daß Konstanz auf österreichischer Seite in die Erbeinung eingeschlossen war (Nikolaus von Pollweil an Ferdinand, Konstanz, 28.6.1549 (HHStA Wien, Vorderösterreich 4, fol. 233r-236r, hier fol. 234v)). Demgegenüber riet die Innsbrucker Regierung zur Vorsicht: Es sei nicht ratsam, wegen der Einbeziehung von Konstanz in die Erbeinung eine Diskussion zu entfachen (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 5.9.1549 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 10, fol. 157r-158v, hier fol. 157v)). Von burgundischer Seite wurde insbesondere in den 50er und 70er Jahren immer wieder versucht, wenn nicht eine Änderung der Erbeinung, so doch wenigstens eine Erläuterung der Eidgenossen zu erhalten, daß unter getreuem Aufsehen nicht nur politische Bemühungen, sondern auch militärische Hilfe zu verstehen sei (EA 4/1 e, Nr. 226,

A. Bündnisse und Einungen

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c) Die Verträge der Eidgenossen mit Habsburg und mit Frankreich In dem halben Jahrhundert, in dem die Eidgenossen ihr Verhältnis zu ihrem habsburgischen Nachbarn durch den Abschluß verschiedener Verträge auf eine neue und friedliche Grundlage stellten, gingen sie auch mit Frankreich zahlreiche Vereinbarungen ein. Da die Verträge der Eidgenossen mit Frankreich und mit Habsburg zumeist in Konkurrenz zueinander und in Reaktion aufeinander entstanden sind 2 0 5 , erleichtert die Kenntnis derfranzösischen Verträge auch das Verständnis der Abmachungen mit Habsburg. Ein Vergleich der Verträge unter Berücksichtigung der im Laufe der Jahrzehnte vorgenommenen Änderungen verspricht darüber hinaus Einblick in die Struktur der eidgenössisch-habsburgischen und der eidgenössisch-französischen Beziehungen. Auf diese Weise lassen sich Erkenntnisse über grundlegende Bedingungen und Konstanten eidgenössischer (Außen)politik der Jahrzehnte vor und nach 1500 gewinnen, abseits von aktuellen militärischen Überlegungen, die die Forschung bis jetzt zumeist interessierten 206. Zunächst zur Chronologie der eidgenössischen Vereinbarungen mit Frankreich 207 . In direkten Kontakt zueinander traten Eidgenossen und Franzosen erst relativ spät und zwar als Gegner, nicht als Partner: In dem aus der Auseinandersetzung um das Toggenburger Erbe erwachsenen Krieg bat Friedrich III. denfranzösischen König gegen die Eidgenossen um Hilfe: Karl VII. kam dieser S. 673; Nr. 267, S. 781 f.). Siehe dazu: A. Ziegler, Bemühungen der Burgunder für Erweiterung der burgundisch-eidgenössischen Erbeinung im Jahre 1579, Winterthur 1889. 205

Ein Indiz dafür ist z.B., daß Maximilian sein Pensionsangebot an den französischen Zahlungen orientierte. Auch verwiesen die Gesandten beider Seiten immer wieder auf die Unzuverlässigkeit und Unglaubwürdigkeit des Konkurrenten, um das eigene Angebot in besserem Licht erscheinen zu lassen. Der Konkurrent war auf diese Weise in den Verhandlungen meist indirekt präsent. 206

Die schweizerische Historiographie über diese Epoche ist - angesichts der militärischen Erfolge der Eidgenossen und der Bedeutung dieser Erfolge für die Zukunft der Eidgenossenschaft durchaus zu Recht - stark an den militärischen Ereignissen orientiert. Symptomatisch dafür die Gliederung des Abschnittes "Spätmittelalter" im Handbuch der Schweizer Geschichte entlang der einzelnen Kriege: Auf das "Zeitalter des Toggenburger Erbschaftskrieges" folgt das "Zeitalter des Burgunderkrieges", schließlich das "Zeitalter des Mailänderkrieges". 207

Hier werden nur die allgemeinen Verträge mit Frankreich berücksichtigt, nicht jedoch die speziell Mailand betreffenden Vereinbarungen, die den sogenannten Mailänder Kapitulaten zuzurechnen sind.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Bitte nach und entsandte die sogenannten Armagnaken - nicht unglücklich darüber, dieses Söldnerheer, in dem sich unzählige zwielichtige Gestalten tummelten, auf diese Weise außer Landes zu wissen. Unter den Augen des Dauphins, des späteren Königs Ludwigs XI., fügten die Armagnaken den Eidgenossen bei St. Jakob an der Birs im August 1444 eine empfindliche Niederlage zu. Der daraufhin am 28. Oktober in Ensisheim geschlossene Friedensvertrag war die erste Vereinbarung zwischen der Eidgenossenschaft und Frankreich 208. Der Vertrag beendete nicht nur den kurzen Kampf zwischen den vertragschließenden Parteien, sondern sollte die Grundlage für ein freundschaftliches Verhältnis in der Zukunft legen. Ein gutes Verhältnis zueinander war auch das Ziel des Vertrages zwischen der Eidgenossenschaft und Frankreich aus den Jahren 1452/53 209 . Dieser Vertrag ging kaum weiter als der Friedensvertrag von 1444: Er betonte in allgemeinen Worten den beiderseitigen Willen zur Freundschaft, verpflichtete die Vertragsparteien, keine feindlichen Handlungen gegeneinander zu unternehmen oder zuzulassen und garantierte die Sicherheit der eigenen Untertanen im Territorium des Vertragspartners. Ausdrücklich wurde betont, daß der Vertrag auf ewig gelten sollte. Es war ein bloßer Freundschaftsvertrag, der die Partner kaum wirklich aneinander band. Direkter politischer oder gar militärischer Nutzen war aus ihm nicht zu ziehen. Dies versuchte Ludwig XI. bald nach seinem Regierungsantritt 1461 zu ändern, indem er auf den Abschluß eines neuen Vertrages drängte. Doch erreichte er 1463 zunächst nur die Bestätigung des Vertrages von 1452/53 210 . Erst im Jahre 1470 waren die Eidgenossen zum Abschluß eines neuen Vertrages mit Ludwig XI. bereit 21

der die wohlwollende Neutralität für den Fall vorsah, daß

sich eine der Vertragsparteien im Krieg mit Burgund befinden sollte. Dieser 208

EA 2, Beilage Nr. 20.

209

Die eidgenössische Urkunde trägt das Datum 8.11.1452 (EA 2, Beilage Nr. 31), die französische das Datum 27.2.1453 (ebd., Beilage Nr. 33). 210

Die Eidgenossen hatten sich auch diesem Ansinnen zunächst widersetzt, indem sie erklärten, die Erneuerung und Bestätigung auf ewig abgeschlossener Verträge sei nicht notwendig und bei ihnen nicht üblich. Ludwig XI. erreichte die gewünschte Erneuerung dann aber doch, was insofern wichtig war, als später auf diesen Präzedenzfall verwiesen werden konnte, wenn man eine solche Erneuerung wünschte, um Gelegenheit zum Anknüpfen von Verhandlungen zu erhalten. 211

EA 2, Beilage Nr. 47.

A. Bündnisse und Einungen

267

Vertrag unterschied sich von den bisherigen erheblich, weil mit ihm erstmals ein konkretes politisch-militärisches Ziel verfolgt und auch explizit benannt wurde. Zwar enthielt der Vertrag - noch - keine Verpflichtung zur militärischen Hilfe, aber mit diesem Vertrag war die Grenze eines bloßen Freundschaftsvertrages überschritten. Um ein richtiggehendes Bündnis handelte es sich dann bei dem Vertrag vom 26. Oktober 1474 bzw. 2. Januar 1475 2 1 2 . Die Partner versicherten sich der gegenseitigen Unterstützung bei einem Kampf gegen Burgund, aber auch in anderen Kriegen. Die Eidgenossenschaft gestattete demfranzösischen König die unbegrenzte Anwerbung von Söldnern bei Bedarf, sofern sie diese nicht selbst benötigte. Derfranzösische König versprach den Eidgenossen seine Hilfe gegen Burgund oder die Zahlung erheblicher Subsidien, falls er zu militärischer Hilfe nicht in der Lage sein sollte. Die Eidgenossen sollten eine jährliche Pension von insgesamt 20.000 Fr. erhalten. Der Vertrag war befristet auf die Lebenszeit Ludwigs XI. Mit seinen sehr konkret gegen Burgund gerichteten Bestimmungen war der Vertrag stark auf die aktuelle politische Lage zugeschnitten, von daher ist auch die zeitliche Beschränkung nicht erstaunlich. Durch die Aufnahme von Formulierungen wie "und in anderen Kriegen" war er aber flexibel genug gestaltet, um auch in anderen Konflikten Anwendung zu finden, und wies damit doch weit über eine bloße ad-hoc-Verbindung hinaus. Das aktuelle politische Ziel des Vertrages wurde mit der Schlacht von Nancy im Januar 1477 erreicht, wenn sich die Eidgenossen diefranzösische Hilfe auch sicher anders vorgestellt hatten. Mit dem Tode Ludwigs XI. 1483 wurde dann auch der Vertrag selbst hinfällig. Bereits ein Jahr später wurde ein Vertrag zwischen den Eidgenossen und dem neuenfranzösischen König Karl VIII. unterzeichnet, der zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht volljährig war. Der Vertrag vom 4. August 1484 2 1 3 griff in vielem auf die Vereinbarung von 1452 zurück, war also ein allgemeiner Freundschaftsvertrag. Er garantierte den freien und sicheren Handel und Wandel für die Einwohner beider Länder im Gebiet des Vertragspartners, enthielt eine Nichtangriffsklausel und verbot die Unterstützung der Feinde des Vertragspartners, insbesondere den Durchzug von Truppen. Den einzigen Hinweis auf die seit 1452 doch stark gewandelten Beziehungen gab der Artikel über das Verbot französischer Werbungen in der 212

Die eidgenössische Urkunde datiert vom 26.10.1474 (EA 2, Beilage Nr. 53); die französische Urkunde vom 2.1.1475 (ebd., Beilage Nr. 54). 213

EA 3/1, Beilage Nr. 18.

2

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Eidgenossenschaft gegen den Willen der Orte. Eine generelle Anwerbeerlaubnis oder Hilfszusage enthielt der Vertrag nicht, dementsprechend auch keine Pensionszusage. Wie 1474 war die Gültigkeit des Vertrages an die Lebenszeit des französischen Königs geknüpft. Ungeachtet dieser Bestimmung versuchte Karl VIII. ab 1487, als er zu selbständiger Regierung gelangt war, zu einem umfassenden Bündnis mit den Eidgenossen zu kommen, nach dem Vorbild der Allianz von 1474. Dies gelang ihm freilich erst 1495, und auch dann nicht mit allen Orten 214 . Der Vertrag knüpfte nicht nur inhaltlich, sondern über weite Strecken auch wörtlich an den Text von 1474 an, mit dem Unterschied, daß sich der Vertrag jetzt nicht gegen einen konkreten Feind, wie 1474 Burgund, sondern gegen alle möglichen Feinde richtete 215 . Neu war auch das Verbot nicht genehmigter Werbungen in der Eidgenossenschaft, das aus dem Vertrag von 1484 übernommen worden war. Nach dem frühen Tod Karls VIII. 1498 waren neue Verhandlungen notwendig. Dabei profitierte der neue französische König Ludwig XII. von den sich verschärfenden Spannungen zwischen den Eidgenossen und Österreich, so daß der neue Vertrag bereits am 16. März 1499 ausgehandelt war. Dieses Mal traten alle eidgenössischen Orte bei. Obwohl die Urkunde sprachlich relativ wenig an 1474 und 1495 anknüpfte, ist die inhaltliche Kontinuität unübersehbar. Die Bestimmungen über die militärische Unterstützung oder deren Ablösung in Geld, die Pensionszahlungen und der Vorbehalt des Vertragspartners in Friedensverträgen entsprachen denen von 1474. Neu war die Bestimmung, daß der französische König ihm über das vereinbarte Kontingent hinaus zugelaufene eidgenössische Söldner nicht in Sold zu nehmen brauchte. Das Verbot nicht genehmigter Werbungen war in dem Vertrag nicht mehr enthalten; ja es fand sich sogar eine Bestimmung, daß die Eidgenossen Freiwilligen den Dienst im französischen Heer nicht untersagen durften. Damit gab die Eidgenossenschaft die Kontrolle über ihre Söldner weitgehend aus der Hand - die Ereignisse von Novara 1500, als sich eidgenössische Söldner in beiden feindlichen Heeren gegenüberstanden, waren die Folge. Der Vertrag enthielt keine ausdrückliche Bestimmung über seine Gültigkeitsdauer, da aber die Pensionszahlungen für die nächsten zehn Jahre vereinbart wurden, ist anzunehmen, daß die vertragschließenden Parteien von einer Dauer von 10 Jahren ausgingen. Dies kam in den kommenden Jahren in den Verhandlungen mit Maximilian immer wieder 214

Bern, Schwyz und Obwalden traten dem Vertrag nicht bei.

215

Vertrag vom 1.11.1495: EA 3/1, Beilage Nr. 29.

A. Bündnisse und Einungen

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dadurch zum Ausdruck, daß seine Bündnisangebote an die Eidgenossen stets mit dem Hinweis auf das noch bestehende französische Bündnis abgelehnt wurden. Erst nach dessen Auslaufen 1509 waren die Eidgenossen zu ernsthaften Verhandlungen mit Maximilian bereit, die dann zum Abschluß der Erbeinung von 1511 führten. Auch diese Verhandlungen waren aber erst möglich, nachdem Ludwig XII. 1509 durch das Aufstellen inakzeptabler Bedingungen deutlich sein Desinteresse an einer Fortsetzung der Verbindung mit den Eidgenossen zum Ausdruck gebracht hatte. Es gelang dann erst Ludwigs Nachfolger Franz I., mit den Eidgenossen wieder einen Bündnisvertrag abzuschließen, und zwar am 8. September 1515 in Gallarate zugleich mit einem Friedensvertrag 216. Der Vertrag enthielt die bereits bekannte Bestimmung über die Anwerbung eidgenössischer Söldner durch Frankreich, mit dem Zusatz, daß diese nicht ohne Zustimmung der Eidgenossen erfolgen dürfe. Die französische Hilfe für die Eidgenossenschaft wurde genau festgelegt, war jedoch nicht allzu großzügig ausgefallen 217. Die Eidgenossen sollten eine jährliche Pension von 2.000 Fr. pro Ort erhalten, das entsprach den früheren Zahlungen 218 . Eine Neuerung erfuhr die Festlegung der Gültigkeitsdauer: Der Vertrag sollte zehn Jahre über die Lebenszeit des französischen Königs hinaus bestehen. Damit sollte wohl die Phase der Unsicherheit zu Beginn jeder neuen Regierungszeit überbrückt und verhindert werden, daß dem Tod des Königs automatisch eine bündnislose Zeit folgte. Der Vertrag von Gallarate spiegelt die aktuellen Machtverhältnisse nach den französischen Erfolgen in Oberitalien wider. Die Eidgenossen mußten dem französischen König uneingeschränkte Werbungen gestatten, sie selbst bekamen im Bedarfsfall nur eine geringe Hilfe. Die französischen Hilfsverpflichtungen in den früheren Verträgen waren doch sehr viel weiter gegangen und hatten z.B. für den Fall, daß der französische König zu einer Hilfeleistung nicht in der Lage sein würde, die Zahlung

216

EA 3/2, Nr. 624, S. 909-911.

217

Frankreich sollte 500 Gleven, 1000 Bogenschützen und ein Geschütz stellen, und auch dies nur, wenn sich das Land nicht selbst im Krieg befand. 218

Die Vereinbarungen von 1474 und 1499 waren jeweils mit 10 Orten (1474 genauer: mit den acht Orten sowie Freiburg und Solothum) abgeschlossen worden, was bei einer Summe von 20.000 Fr. 2.000 Fr. pro Ort entsprach. 1495 traten nicht alle Orte bei, doch hielt man an der Gesamtsumme von 20.000 Fr. fest. 1515 war durch die Zahl von mittlerweile 13 Orten die Gesamtsumme größer, nämlich 26.000 Fr., die Summe, die die einzelnen Orte erhielten, war aber gleichgeblieben.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nicht unbeträchtlicher Subsidien vorgesehen 219. Der für die Eidgenossen so ungünstige Vertrag erlangte freilich keine Gültigkeit, und als im November 1515 erneut über einen Friedens- und Bündnisvertrag verhandelt wurde, war der Widerstand mehrerer eidgenössischer Orte so groß, daß der Abschluß eines Bündnisvertrages unterblieb. Es wurde dann in der Folge nur ein Friedensvertrag geschlossen, der Ewige Frieden vom 29. November 1516 2 2 0 . Franz I. gab aber die Hoffnung auf ein Bündnis mit den Eidgenossen, wie es seine Vorfahren gehabt hatten, nicht auf und schickte immer wieder Gesandte mit entsprechenden Offerten in die Eidgenossenschaft. 1521 waren sie schließlich erfolgreich; am 5. Mai 1521 wurde das Bündnis zwischen Franz I. und den eidgenössischen Orten außer Zürich sowie den zugewandten Orten Abt und Stadt St. Gallen, den drei Bünden, Wallis, Mülhausen, Rottweil und Biel abgeschlossen. Der König erhielt erneut die Erlaubnis zur Anwerbung eidgenössischer Söldner, und zwar in einer Zahl von 6-16.000 Mann unter genau festgelegten Modalitäten. Die Eidgenossen sollten im Bedarfsfall Hilfe in Form von 200 Lanzen und 12 Büchsen erhalten, vor allem aber umfangreiche Subsidien. Außerdem enthielt der Vertrag einige Bestimmungen über das Verbot der Unterstützung von Feinden des Vertragspartners. Nicht unwichtig dürfte den Eidgenossen die Zusage gewesen sein, in Frankreich Salz kaufen zu dürfen, falls ihnen im Kriegsfall ihre üblichen Bezugsstätten gesperrt sein sollten 221 . Die den Eidgenossen jährlich zu zahlende Pension wurde auf 3.000 Fr. pro Ort erhöht. Gelten sollte der Vertrag drei Jahre über den Tod Franz' I. hinaus. Damit hatte der französische König sein Ziel erreicht: einen Vertrag, der ihm den Zugriff auf die eidgenössischen Söldner sicherte. Der Vertrag von 1521 bildete die Grundlage für die eidgenössisch-französischen Beziehungen bis ins beginnende 18. Jahrhundert hinein, da an ihn immer wieder angeknüpft und hinter seine Bestimmungen auch nicht mehr zurückgegangen wurde. Er stand indessen nicht am Anfang einer Entwicklung, sondern fußte auf einer Reihe von Vorläufern, deren Bestimmungen er in wesentlichen Teilen übernahm. Einen 219

Im Schwabenkrieg hatte sich der französische König der Subsidienzahlung freilich dadurch entzogen, daß er eine minimale Hilfe in Form von Geschützen schickte und somit seiner Hilfspflicht formal genügte. 220 221

EA 3/2, Beilage Nr. 36.

Die Eidgenossen bezogen ihr Salz vor allem aus Burgund (Salins), aber auch aus Tirol (Hall). Seit beide Länder in einer Hand waren, war die Gefahr, daß die Eidgenossen im Kriegsfall von der Salzzufuhr abgeschnitten würden, erheblich gewachsen.

A. Bündnisse und Einungen

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Anfang bildete er lediglich insofern, als die vertraglichen Beziehungen zwischen der Eidgenossenschaft und Frankreich sich nunmehr kontinuierlich entwickelten, im Unterschied zu den teilweise recht sprunghaften Wechseln der Jahrzehnte zuvor. Bereits dieser knappe Überblick über die französischen Verträge der Eidgenossenschaft zeigt, daß diese sich doch deutlich von den Vereinbarungen mit den Habsburgern unterschieden, und zwar im gesamten betrachteten Zeitraum. Es wäre also zu kurz gegriffen, lediglich die Verhandlungen Karls V. und Franz' I. in der Eidgenossenschaft um Söldner und Bündnisse zu untersuchen, und dann festzustellen, daß Frankreich - möglicherweise wegen seiner größeren finanziellen Freigiebigkeit - die größeren Erfolge erzielte, und vor allem mit dem Soldbündnis von 1521 einen nur schwer einzuholenden Vorsprung gewann. Dieses Bild ist selbstverständlich nicht falsch, aber es berücksichtigt nicht die sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen der beiden konkurrierenden Mächte, die sich in den Verträgen des 15. Jahrhunderts niederschlugen und damit auch noch die Verhandlungen des 16. Jahrhunderts bestimmten, da diese zumeist von den alten Verträgen ausgingen. Das Verhältnis der Eidgenossen zu Frankreich war zunächst völlig unbelastet, von daher also ganz anders als das zum Hause Habsburg, mit dem die Eidgenossen eine zweihundertjährige, häufig genug blutige Feindschaft "verband". Zwar machten in der Folge die Eidgenossen auch mit Frankreich unangenehme Erfahrungen, nicht nur 1444 in der Schlacht bei St. Jakob an der Birs, sondern auch in den zahlreichen Kriegszügen Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts 222 . Durch diese Ereignisse wurde aber nie eine der beiden Seiten - objektiv oder auch nur subjektiv - in ihrer Existenz gefährdet, weshalb die Differenzen stets im Rahmen der üblichen Auseinandersetzungen blieben. Grundvoraussetzung für das gute eidgenössisch-französische Verhältnis war nicht zuletzt, daß es keine gemeinsame Grenze zwischen Frankreich und der Eidgenossenschaft gab. Grenzstreitigkeiten und gegenseitige Territorialansprüche, wie sie lange das Verhältnis zwischen Habsburg und der Eidgenossenschaft bestimmten, fielen daher von vornherein weg. Lange Zeit gab es auch keine konkurrie-

222

Diese reichten von Unstimmigkeiten bei Soldzahlungen und Klagen über mangelnde französische Unterstützung bis zu direkter militärischer Gegnerschaft in Italien.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

renden Ansprüche auf Gebiete Dritter. Dies sollte sich freilich mit dem Ausgreifen der Eidgenossenschaft, vor allem Berns, nach Westen ändern 223 . Aufgrund dieser Ausgangslage waren die Vereinbarungen der Eidgenossen mit Frankreich von Anfang an anderer Natur als die mit Habsburg. Während die Vereinbarungen mit Sigmund der Notwendigkeit entsprangen, die beiderseitigen Beziehungen auf eine friedliche Basis zu stellen, um so die für beide Seiten existenzbedrohende Gefährdung durch Karl den Kühnen abwenden zu können, waren die Vereinbarungen mit Frankreich von vornherein weniger der Regelung des bilateralen Verhältnisses gewidmet - hier war der Regelungsbedarf gering -, als vielmehr nach außen gerichtet. Dies wird 1474 besonders augenfällig: Während der französisch-eidgenössische Vertrag den Kampf gegen Karl den Kühnen ausdrücklich thematisierte, ja: ins Zentrum stellte, hatte die Ewige Richtung diesen Kampf zwar auch als Ziel, ohne dies freilich im Text festzuhalten. Von diesen beiden Texten ausgehend, entwickelten sich die Verträge immer weiter auseinander: Während in den Vereinbarungen mit Österreich das militärische Element zurückgedrängt wurde - ab 1487 enthielten die Vereinbarungen keine Hilfsverpflichtung mehr -, rückte es in den französischen Verträgen weiter in den Vordergrund. Die Verträge von 1474, 1495 und 1499 waren Bündnisse mit gegenseitiger, wenn auch nicht gleicher Hilfsverpflichtung. Der Vertrag von 1521 war demgegenüber ein "Soldbündnis", wobei der Schwerpunkt auf "Sold" lag 2 2 4 . Diese Bezeichnung trifft den Kern der Vereinbarung besser als "Vereinung" oder "Allianz", die eine Vereinbarung zwischen doch annähernd gleichberechtigten Partnern suggerieren. Auch von einem Bündnis kann kaum geredet werden, weil mit dem Abschluß des Vertrages die eidgenössischen Orte als Partner des französischen Königs praktisch zurücktraten. Hatten in den Bündnissen von 1474, 1495 und 1499 die eidgenössischen Orte dem französischen König auf seinen Antrag ein entsprechendes Söldnerkontingent zur Verfügung gestellt, so gaben sie nun, sobald der König ihnen einen entsprechenden Bedarf gemeldet hatte, praktisch alle Rechte an ihn ab. Es stellte also nicht ein Bündnispartner dem anderen ein Hilfskontingent zur Ver223

Die Konkurrenz um Mailand zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als die Eidgenossen dort eigene Ansprüche verfochten, blieb demgegenüber Episode. 224

Von Muralt bezeichnet die Vereinbarung zwar als Allianz, schreibt dann aber zutreffend: "Im engem Sinne verstanden, war sie kein Bündnis, das die beiden Länder zu totaler und unbedingter Hilfe und einer gemeinsamen Politik verpflichtete, sie war zunächst ein Staatsvertrag, der gegenseitige Leistungen vorsah, für Frankreich der Lizenzvertrag zur Werbung von Söldnern" (Handbuch 1, S. 430).

A. Bündnisse und Einungen

273

fügung, sondern eine Seite trat die Verfügungsgewalt über ihr Militärpotential unter bestimmten Bedingungen und für bestimmte Fälle an die andere Seite ab. Es stellte sich in der Praxis dann zwar heraus, daß gerade die Bestimmung, daß der französische König die eidgenössischen Söldner nur defensiv einsetzen durfte, den Eidgenossen einige Einflußmöglichkeiten offen hielt. Dadurch aber, daß sie die Aufstellung der Kontingente aus der Hand gegeben hatten, war auch das Vorgehen gegen das unautorisierte Reislaufen wesentlich schwieriger geworden. Die Vereinbarungen mit Österreich hatten demgegenüber ihre anfangs ja durchaus vorhandenen außenpolitischen Elemente ganz eingebüßt und konzentrierten sich auf die Regelung der beiderseitigen Beziehungen. Der ab 1477 übliche Begriff der Erbeinung ist allerdings etwas irreführend, besagt er doch lediglich, daß die Vereinbarung auch für die Erben des jeweils handelnden österreichischen Fürsten gelten sollte. Die Vereinbarungen hatten also nichts mit den zwischen Fürstenhäusern geschlossenen Erbeinungen oder Erbverbrüderungen zu tun, die eine Beerbung im Falle des Aussterbens des einen Hauses durch das andere Haus vorsahen. Auch der Begriff der "Einung" ist problematisch, weil die Vertragspartner keine gemeinsamen Ziele verfolgten 225 . Lediglich die Etablierung eines Schiedsgerichtsverfahrens für den Konfliktfall deutete auf eine Einung hin, wobei die Tatsache, daß die Schiedsrichter von außen genommen, also nicht aus den Parteien selbst gewählt wurden, es von vornherein unmöglich machte, daß sich daraus Ansätze zur Institutionalisierung hätten entwickeln können. Es ist von daher zutreffend, wenn die Vereinbarungen zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich in der Narratio der Erbeinung von 1511 als "Nachpawerlich ainung, verstentnuß vnd vertrag" bezeichnet werden 226 - ein Nachbarschaftsvertrag, das war der Kern gerade auch der Erbeinung von 1511. Der Fortentwicklung zum Bündnis, wie von den Habsburgern gewünscht, widersetzten sich die Eidgenossen. An einen Ausbau zu einer Einung war vollends nie gedacht, dazu waren die Gegensätze doch zu groß. Einige Artikel, gerade auch der über das "getreue Aufsehen", waren aber so offen formuliert, daß hier durchaus ein beträchtlicher Interpretationsspielraum und demzufolge auch Möglichkeiten zu einer engeren Kooperation angelegt waren. Solange indessen

225

Selbstverständlich war die Erhaltung des Friedens ein Ziel der Verträge, aber nicht im Sinne einer allgemeinen Landfriedenswahrung, sondern als Verhinderung von Übergriffen der einen Seite auf die andere. 226

18 Braun

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1343.

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Teil : Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nur einer der Partner zu einer restriktiven Auslegung des Vertrages neigte, blieb es beim Nachbarschaftsvertrag. Zum Schluß sei noch ein vergleichender Blick auf die außenpolitischen und militärischen Bestimmungen der beiden Verträge geworfen, die während der Regierungszeit Karls V. die Position der Eidgenossen zu Österreich und zu Frankreich bestimmten: die Erbeinung von 1511 und das Soldbündnis von 1521, und darauf, was diese für die Verhandlungsposition der beiden Konkurrenten und den Entscheidungsspielraum der Eidgenossen bedeuteten. Die Erbeinung verbot nicht nur direkte Angriffe eines Partners gegen den anderen, sondern auch jegliche Übergriffe und jegliches Vorgehen von Untertanen gegen den Vertragspartner und dessen Territorium. Dieses Verbot feindlicher Handlungen schloß ausdrücklich alle jetzigen und künftigen Länder Karls und Maximilians ein, galt also nicht nur für Oberösterreich und Burgund. Zu gegenseitiger Hilfeleistung waren die Parteien nicht verpflichtet, lediglich zu "getreuem Aufsehen" bei einem Angriff auf das in der Erbeinung eingeschlossene Gebiet des Vertragspartners. Einen direkten militärischen Nutzen konnten die Vertragspartner aus diesen Bestimmungen kaum ziehen, da damit zu rechnen war, daß die Formel vom getreuen Aufsehen eher eng interpretiert werden würde. Das Verbot feindlicher Handlungen schloß aber eindeutig den Einsatz eidgenössischer Söldner gegen habsburgisches Gebiet aus. Nach dem Text der Erbeinung konnte Österreich-Burgund also zwar nicht auf eidgenössische Söldner zurückgreifen, war aber immerhin davor geschützt, daß diese vom Gegner eingesetzt wurden. Für die Eidgenossen ergab sich daraus die Pflicht, ein Auslaufen ihrer Söldner gegen habsburgische Territorien zu verhindern. Bei einem Angriff auf die in der Erbeinung eingeschlossenen Gebiete galt dies erst recht, da sich die Formel vom getreuem Aufsehen auch bei großzügiger Interpretation nicht mit der Unterstützung eines Angriffs auf das entsprechende Gebiet vereinbaren ließ. Das Soldbündnis erlaubte dem französischen König die Anwerbung eidgenössischer Söldner bei einem Angriff auf sein Land, also nur für den Verteidigungsfall 227 . Ausdrücklich bestimmte der Vertrag, daß dies auch bei einem An-

227

Nur in einem Fall mußten die Eidgenossen ihm keine Söldner gewähren, nämlich, wenn sie sich selbst im Krieg befanden.

A. Bündnisse und Einungen

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griff einer der von den Eidgenossen vorbehaltenen Mächte galt, also z.B. bei einem Angriff Österreichs oder des Reichs. Der Vorbehalt war also für die Vorbehaltenen ohne jeden Wert. Bei einem Angriff Karls gegen Frankreich gerieten die Eidgenossen demnach in ein unauflösliches Dilemma, da das Soldbündnis dem französischen König für diesen Fall die Anwerbung eidgenössischer Söldner erlaubte, die Erbeinung aber feindliche Handlungen gegen Karl und seine Länder verbot. Für den Fall eines Angriffs Karls gegen Frankreich widersprachen sich also die Verträge, was den Eidgenossen einen Entscheidungsspielraum darüber eröffnete, ob sie Frankreich unterstützen wollten oder nicht. Für den Fall einesfranzösischen Angriffs gegen Karl war von beiden Verträgen eine eidgenössische Hilfe für Frankreich ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut der Verträge war Karl gegenüber Franz, was eidgenössische Unterstützung anbelangt, eindeutig ins Hintertreffen geraten. Er selbst konnte auf solche Hilfe in keinem Fall rechnen, bei einem Angriff auf Frankreich mußte er sogar die Beteiligung eidgenössischer Söldner auf französischer Seite fürchten. Gerade der offensichtliche Widerspruch zwischen den Verträgen für den Fall eines Angriffs Karls auf Frankreich deutet aber an, daß die Eidgenossen durchaus nicht gewillt waren, sich von den Verträgen ihre Entscheidungen ohne weiteres diktieren zu lassen - denn daß ihnen diese Widersprüchlichkeit nicht bewußt gewesen war, ist höchst unwahrscheinlich. Mit diesem Willen zu eigenen Entscheidungen mußten beide Konkurrenten rechnen, eine feste Entscheidung für alle Eventualitäten war mit den Verträgen nicht gefallen, und einen Automatismus gab es schon gar nicht. Durchaus interpretationsabhängig war übrigens auch die Abgrenzung zwischen defensivem und offensivem Vorgehen. So neigte die französische Seite dazu, Angriffe zur Präventionsmaßnahme und damit als defensiv zu erklären. Damit eröffnete sich den Eidgenossen auch hier ein Spielraum, da es bei ihnen lag, ob sie dieser Argumentation folgen wollten oder nicht. Von daher konnte Karl auch bei einem französischen Angriff nie sicher sein, ob die Eidgenossen Frankreich nicht doch die Anwerbung von Söldnern gestatten würden. Der Vergleich der Verträge zeigt Frankreich also klar in der besseren Position. Allerdings boten beide Verträge noch hinreichende Möglichkeiten, um sie nach den politischen Gegebenheiten und Wünschbarkeiten zu interpretieren. Hier lag dann auch ein wichtiger Ansatzpunkt für die Diplomaten beider Mächte für ihre Verhandlungen mit der Eidgenossenschaft.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. 3. Die Erbeinung und ihre Umsetzung in der Praxis Die Analyse der Vertragsbestimmungen hat deutlich gemacht, daß die Erbei-

nung von 1511 in erster Linie ein Nachbarschaftsvertrag war - zugeschnitten auf das Gebiet zwischen Franche Comté und Arlberg, nicht auf die weitgespannten Interessen Karls V. Alle Anstrengungen Karls, die Erbeinung der geänderten habsburgischen Interessenlage anzupassen, waren freilich erfolglos. So hatte Karl keine andere Wahl, als die - geringen - Möglichkeiten, die der Vertrag bot, so gut es ging zu nutzen und daraus einen größtmöglichen Gewinn für die eigene Politik zu ziehen. Eigentlicher Nutznießer der Erbeinung auf habsburgischer Seite war Ferdinand, der als Landesherr Vorderösterreichs und Nachbar der Eidgenossen in die Fußstapfen Sigmunds und Maximilians trat und der sich des Vertrages bedienen konnte, wenn zwischen seinen Ländern und der Eidgenossenschaft wieder einmal Irritationen drohten. Den Eidgenossen war in der Erbeinung eine jährliche Pensionszahlung zugesichert worden, das sogenannte Erbeinungsgeld, das im folgenden einer gesonderten Betrachtung unterzogen wird. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die größeren und zuverlässigeren Pensionszahlungen Frankreichs häufig als Argument dafür ins Feld geführt werden, daß die französische Politik in der Eidgenossenschaft die größeren Erfolge erzielte.

a) Die Erbeinung als Bezugsrahmen der Politik Die Erbeinung war der wesentliche normative Bezugsrahmen für die Politik Habsburgs gegenüber der Eidgenossenschaft zur Zeit Karls V. Die Reichsverfassung bot, abgesehen von der Pflicht zum Romzug, kaum Ansatzpunkte für konkrete Forderungen an die Eidgenossen. Zudem konnte die Reichszugehörigkeit der Eidgenossen nur für Sachverhalte aktiviert werden, die Karl als Kaiser oder Ferdinand als seinen Statthalter sowie später als römischen König betrafen. Karl als Herrscher über eine europäische Großmacht oder Ferdinand als Landesherr Österreichs konnten auf die Reichszugehörigkeit der Eidgenossen nicht rekurrieren, wenn sie sich mit irgendwelchen Anliegen an die Tagsatzung wandten.

A. Bündnisse und Einungen

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Für Österreich stand als Bezugsrahmen außerdem der Basler Frieden zur Verfügung. In den Artikeln von allgemeiner Bedeutung, die nicht nur konkrete Probleme im Gefolge des Kriegs behandelten, stimmten seine Regelungen aber vielfach mit denen der Erbeinung überein. Dies gilt insbesondere für das Verbot der Aufnahme von Angehörigen der anderen Seite in ein Burg- oder Schirmrecht oder die Schlichtung von Streitigkeiten. Von daher berief sich Österreich nicht selten sowohl auf die Erbeinung als auch auf den Basler Frieden, um den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen 228 . Die beiden Verträge wurden in einem so engen Zusammenhang gesehen, daß sie häufig in einem Atemzug genannt wurden, so etwa, wenn die Eidgenossen gegenüber Karls Gesandten verlangten, daß alles abgestellt werden solle, was gegen die Erbeinung und den Basler Frieden verstoße 229. Lediglich im Fall von Konstanz wurde den Eidgenossen aus wohlkalkulierten Überlegungen heraus vorwiegend nicht die Erbeinung, sondern der Basler Frieden vorgehalten. Als Ende 1527 Konstanz das Christliche Burgrecht mit Zürich und Bern abschloß, wurde dies von österreichischer Seite als Verstoß gegen den Basler Frieden gewertet 230 . Weshalb man sich in diesem Fall des

228

Nachdem die Stadt Basel 1525 die Stadt Laufen und einige Dörfer im Hochstift Basel in ihr Burgrecht aufgenommen hatte, schrieb Ferdinand an Dr. Sturtzel, daß dies gegen den Basler Frieden und die Erbeinung verstoße, da das Stift Basel sich in Österreichs Schirm befinde (Dürr/Roth, Aktensammlung 2, Nr. 187, S. 131). 229

EA 3/2, Nr. 798, S. 1198. Anfang der 40er Jahre beschäftigte der Kauf der in der Landgrafschaft Nellenburg gelegenen Dörfer Ramsen und Bibem durch Stein a.Rh. lange Zeit die zuständigen Stellen. Wenn Ferdinand die Regierung Innsbruck anwies, auf die nächste Tagsatzung Gesandte mit der Forderung zu instruieren, Stein a.Rh. solle auf den Kauf verzichten und sich künftig solcher Käufe, die gegen den Basier Frieden verstießen, enthalten, dann aber fortfuhr, daß Stein ihm in dieser Angelegenheit laut Erbeinung vor dem Bischof von Konstanz zu Recht stehen solle, dann waren Erbeinung und Basler Frieden vollends eine kaum mehr auflösbare Verbindung eingegangen (Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Wiener Neustadt, 8.9.1540 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 6, fol. 402r-403r)). 230

Für diese Ansicht ließen sich unzählige Beweise anführen, zwei Beispiele mögen genügen: In einem ausführlichen Bericht über den drohenden "Abfall der Stadt Konstanz" durch ihr Bündnis mit der Eidgenossenschaft betonte die Innsbrucker Regierung, daß diese Absonderung gegen den Basler Frieden und den Schirmvertrag sei (Regierung

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Basler Friedens bediente, ist offensichtlich: Die Erbeinung war eine Vereinbarung mit Österreich, bei dem Konstanzer Schritt handelte es sich aber nicht um einen Übergang der Stadt von Österreich zur Eidgenossenschaft. Zwar war auch der Basler Frieden mit Maximilian als Erzherzog von Österreich abgeschlossen, aber im allgemeinen Bewußtsein galt er als Vereinbarung mit dem Reich, zumindest weit mehr als die Erbeinung 231 . Gegen einen "Abfall vom Reich" ließ sich zudem viel eher Unterstützung mobilisieren, da es dann nicht mehr um ein österreichisches Partikularinteresse ging.

Innsbruck an Ferdinand, 27.12.1527 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 136r-138v, hier fol. 137v)). Die Regierung Ensisheim informierte das Reichsregiment über das Burgrecht von Konstanz mit Zürich und darüber, daß dieser Schritt gegen Art. 6 des Basier Friedens verstoße (Regierung Ensisheim an das Reichsregiment, 5.1.1528 (HHStA Wien, Vorderösterreich 1, fol. 196r-v, hier fol. 196r)). Daraufhin erließ das Reichsregiment ein mahnendes Schreiben an Konstanz (Reichsregiment an Konstanz, Speyer, 9.1.1528 (StA Zürich, A 205.1, Nr. 59)), in dem das Regiment unter anderem ausführte, daß nach den Bestimmungen des Basler Friedens niemand sich vom Reich zur Eidgenossenschaft "in verwanndtnuß thun" dürfe. Das allerdings stand so nicht im Basler Frieden: Im Art. 6 ist nur vom Verbot, Untertanen der einen Partei in das Burgrecht der anderen aufzunehmen, die Rede, und das Reich war im Basler Frieden eben nicht Partei. Bern machte übrigens in einem Schreiben an das Reichsregiment auf diese Schwäche der Argumentation aufmerksam: Maximilian habe den Basler Frieden nicht als Kaiser, sondern als Erzherzog von Österreich abgeschlossen (Bern an das Reichsregiment, o.D. (StA Bern, A V 1417, Nr. 13)). Zu diesem Themenkomplex siehe Escher, Glaubensparteien, S. 55f.; Vasella, Österreich, S. 64f. 231

Juristisch war die Argumentation, das Burgrecht mit Konstanz verstoße als "Abfall vom Reich" gegen den Basler Frieden, gleich in mehrerlei Hinsicht unhaltbar: Nicht nur, daß der Basler Frieden keine Vereinbarung mit dem Reich war, es konnte sich auch nicht um einen "Abfall vom Reich" handeln, da die Eidgenossenschaft ja Teil des Reichs war und Zürich und Bern Reichsstädte - Karl V. selbst hatte Zürich 1521 die reichsstädtischen Freiheiten bestätigt und erweitert. Juristisch einwandfrei wäre der Bezug auf den Schirmvertrag Maximilians mit Konstanz von 1510/11 gewesen, der der Bodenseestadt den Abschluß von Verträgen gegen den Willen Österreichs untersagte. Doch Österreich war den im Schirmvertrag eingegangenen Verpflichtungen, nämlich Konstanz erhebliche Pensionen zu zahlen und der Stadt als Ersatz für das 1499 verlorengegangene Landgericht im Thurgau ein Territorium zu verschaffen, nur ungenügend nachgekommen. Deshalb überging Österreich diesen Vertrag nach Möglichkeit mit Stillschweigen, entsprechende Hinweise wären ohnehin nur gegenüber Konstanz, nicht aber gegenüber den Eidgenossen einsetzbar gewesen.

A. Bündnisse und Einungen

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Insgesamt berief sich Habsburg aber wesentlich häufiger auf die Erbeinung als auf den Basler Frieden. Dies verstand sich von selbst, sobald es sich um Probleme handelte, die auch oder ausschließlich Burgund betrafen. Das war regelmäßig dann der Fall, wenn Karl mitbetroffen war, also beispielsweise im Zusammenhang der militärischen Auseinandersetzungen mit Frankreich. Sobald es aber um Streitigkeiten entlang des Rheins zwischen Vorarlberg und Elsaß ging, waren Erbeinung und Basler Frieden häufig genug austauschbar. Dies verwundert nicht angesichts der Tatsache, daß die Erbeinung in ihren wesentlichen Teilen ein Nachbarschaftsvertrag war und daher in der Funktion einem Friedensvertrag nicht unähnlich. Im folgenden soll nun genauer untersucht werden, welche Rolle der Bezug auf die Erbeinung in der Politik der Eidgenossen und Habsburgs spielte, welche Bestimmungen der Erbeinung dabei im Vordergrund standen und inwieweit sich mit der Erbeinung erfolgreich Politik betreiben ließ. Zunächst ist festzustellen, daß die Erbeinung als Argument in den die Eidgenossenschaft betreffenden Verhandlungen und Korrespondenzen geradezu omnipräsent war. Der Vertrag führte keineswegs ein Schattendasein in den staubigen Tiefen irgendeiner Schublade, sondern war ganz offensichtlich vor allem in den Köpfen der Innsbrucker Regierung stets abrufbereit, um bei jeder auch nur einigermaßen passenden Gelegenheit angeführt zu werden. So gehörte es geradezu zum Ritual eidgenössisch-habsburgischer Verhandlungen und Korrespondenzen, sich zu versichern, daß man gewillt sei, die Erbeinung zu halten 232 . Entsprechende Zusicherungen ergingen während der ganzen Regierungszeit Karls in großer Zahl, nicht zuletzt in Zeiten, in denen das gegenseitige Verhältnis größeren Belastungen ausgesetzt war 2 3 3 . Dabei 232

Ferdinand betonte 1523 gegenüber der Eidgenossenschaft seinen Willen, die Erbeinung zu halten (Ferdinand an die Eidgenossenschaft, Nürnberg, 22.12.1523 (StA Luzem, Al Fl Sch. 63)). Als die kaiserlichen Gesandten Bern ermahnten, das Auslaufen von Söldnern in französischen Dienst zu verhindern, antwortete die Stadt, daß man dieses Auslaufen nicht dulden und die Erbeinung befolgen werde (Bern an Gruyeres und Marnoz, 16.3.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 123r)). 233

So gab es während des Schmalkaldischen Krieges, als die Eidgenossen, insbesondere die evangelischen Städte, befürchteten, daß der Kaiser sich nach einem Sieg in Deutschland gegen sie wenden würde, wiederholt derartige Versicherungen. Siehe z.B. Karl in einem Schreiben an die Eidgenossen gleich zu Beginn des Krieges, verbunden mit der Bitte, anderslautenden Gerüchten nicht zu glauben (Karl an die Eidgenossenschaft, Regensburg, 13.7.1546 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 157)). Ende des Jahres emeu-

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

entwickelte sich das Bekenntnis zur Erbeinung nachgerade zum Synonym für das Versprechen, mit dem Vertragspartner in guter Nachbarschaft leben zu wollen. Beide Versicherungen stehen deshalb nicht selten tautologisch nebeneinander 234 . Ungeachtet aller Tendenzen, die Erbeinung jeweils den eigenen Interessen entsprechend auszulegen, müssen diese Versicherungen, gerade auch von Seiten Karls und Ferdinands, durchaus ernstgenommen werden. Einen offenen Bruch der Erbeinung wollten sie keinesfalls riskieren und damit das einzige vertragliche Band, das sie mit den Eidgenossen verband, zerschneiden, da nur dieses es ihnen erlaubte, politische Forderungen rechtlich zu begründen, diese damit ihres rein machtpolitischen Gehalts zu entkleiden und die Eidgenossen auf diese Weise immerhin in Begründungszwang zu versetzen. In diesem Sinne ist die Ermahnung Karls an Ferdinand zu verstehen, die Erbeinung unter allen Umständen zu erfüllen, auch, um den Eidgenossen keinen Vorwand zu liefern, die Erbeinung als von Österreich gebrochen und damit als nicht mehr bindend zu betrachten, weil Frankreich eine solche Situation sofort ausnützen würde 235 . Der grundsätzliche Willen, an der Erbeinung festzuhalten, war also auf beiden Seiten vorhanden. Dadurch war aber keineswegs ausgeschlossen, daß es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten darüber kam, ob die Gegenseite die Bestimmungen des Vertrages einhielt. Dabei spielte das Verbot des direkten Angriffs auf den Vertragspartner, das beim Abschluß der ersten Vereinbarungen mit Sigmund noch im Mittelpunkt gestanden hatte, praktisch überhaupt keine Rolle mehr 2 3 6 . Verboten war in der erte Karl seine Zusage (Karl an die Eidgenossenschaft, Heilbronn, 27.12.1546 (ebd., Nr. 165)). 234

So z.B., wenn Karl Bern gegenüber seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, daß die Stadt weiter bei ihrer bisherigen Haltung bleiben werde, wie es sich für gute Nachbarschaft und entsprechend der Erbeinung gezieme (Karl an Bern, Burgos, 31.5.1542 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 104r)). Zu Beginn des Schmalkaldischen Krieges wies Karl seinen Gesandten in der Schweiz an, er solle den Eidgenossen versichern, daß Karl der Eidgenossenschaft gegenüber gute Nachbarschaft und die Erbeinung halten wolle (Instruktion Karls für Jehan Mouchet in die Eidgenossenschaft, Regensburg, 14.6.1546 (StA Basel, Politisches M 8.3, fol. 43r-47r, hier fol. 46v)). 235

Karl an Ferdinand, Madrid, 9.12.1534 (HHStA Wien, Hs. blau 595, fol. 88v-90v, hier fol. 89r-v). 236

Lediglich im Schmalkaldischen Krieg kam in der Eidgenossenschaft die Sorge vor einem kaiserlichen Angriff auf. Ansonsten ging es jedoch nicht um direkte Konflikte

A. Bündnisse und Einungen

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Erbeinung aber nicht nur der direkte Angriff eines Vertragspartners auf den anderen, sondern jedes feindliche Verhalten zwischen Angehörigen der beiden Vertragsparteien. Die Obrigkeiten waren nicht nur verpflichtet, selbst solche Handlungen zu unterlassen und bei ihren Untertanen nicht zu erlauben, sondern mußten, wenn sie bei ihren Untertanen Verstöße gegen diese Bestimmung entdeckten, diese auch ahnden. Diese Vorschrift gewann Bedeutung nicht nur bei Übergriffen Einzelner, sondern vor allem für das autorisierte wie das unautorisierte Auslaufen eidgenössischer Söldner zu den Feinden Habsburgs. Dementsprechend waren es immer wieder die Eidgenossen, die ermahnt wurden, die Erbeinung zu halten oder die gar des Bruchs der Erbeinung geziehen wurden. Unter Hinweis auf die Erbeinung wurden die Eidgenossen mehrfach aufgefordert, Herzog Ulrich von Württemberg als einem Feinde des Hauses Österreich keinerlei Unterstützung zukommen zu lassen und solche auch nicht zu dulden. Diese generelle Anweisung wurde konkretisiert durch Aufforderungen wie die, den Aufenthalt Herzog Ulrichs und seiner Anhänger in der Eidgenossenschaft nicht zu dulden237, seinen Truppen den Durchzug durch eidgenössisches Territorium zu verwehren 238 und das Auslaufen von Söldnern zu Ulrich zu verhindern 239. Wie flexibel die Bestimmung über das Verbot feindlicher Handlungen den eigenen Bedürfnissen angepaßt wurde, zeigt der Versuch der Innsbrucker Regierung, unter Berufung auf die Erbeinung zu verhindern, daß einige oberschwäbische Reichsstädte die evangelischen Städte der Eidgenossenschaft im Zweiten Kappeler Krieg unterstützten. Die Regierung argumentierte, daß eine solche Unterstützung gegen die Erbeinung verder Vertragspartner, da die Grenzziehung und der territoriale Status quo nicht mehr zur Disposition standen. 237

EA 4/la, Nr. 261, S. 613.

238

Regierung Innsbruck an die Eidgenossenschaft, 2.5.1534 (HStA Stuttgart, B17, Bd. 12*, fol. 52v). 239

Regierung Innsbruck an die Eidgenossenschaft, 16.2.1525 (HStA Stuttgart, B17, Bd. 11*, fol. 33v-34v); Regierung Innsbruck an die Eidgenossenschaft, 26.2.1525 (ebd., fol. 35r-36r); Ferdinand an Zürich, Innsbruck, 26.2.1525 (StA Zürich, A 184.1, Nr. 153; gedr.: EA 4/la, Nr. 250, S. 598); Regierung Innsbruck an die Eidgenossenschaft, 28.3.1525 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 37v). Auf das Gerücht, Herzog Ulrich wolle die Situation nach dem Tod Margaretes nutzen und mit Hilfe der Eidgenossen Burgund überfallen, bat eine burgundische Botschaft vor dem Rat in Solothum darum, Herzog Ulrich keine Knechte zu gewähren (,Strickler, Actensammlung 3, Nr. 74). Siehe auch EA 4/lb, Nr. 454, S. 889; Nr. 463, S. 899; Ferdinand an die Regierung Innsbruck, Regensburg, 4.2.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 3, fol. 238r-239r)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

stoße, weil damit von Seiten des Reichs und Österreichs eine feindliche Handlung gegen die Eidgenossenschaft vorgenommen werde. Aus diesem Grund sei Anweisung ergangen, eventuell doch ausziehenden Söldnern den Durchzug durch österreichisches Territorium zu verweigern 240. Zentrale Bedeutung gewann dieser Artikel für die habsburgische Politik aber dadurch, daß er stets herangezogen wurde, wenn eine Unterstützung Frankreichs durch eidgenössische Söldner zu befürchten war. Dabei versuchte man zum einen zu verhindern, daß die Eidgenossen Frankreich die Anwerbung von Söldnern nach den Bestimmungen des Soldbündnisses von 1521 erlaubten, zum anderen wurden die eidgenössischen Orte aufgefordert, gegen das unautorisierte Reislaufen nach Frankreich vorzugehen. Beide Varianten der Unterstützung für Frankreich fielen nach habsburgischer Auffassung unter das in der Erbeinung festgehaltene Verbot feindlicher Handlungen. Diese Bemühungen Habsburgs sind freilich Ausdruck einer defensiven Strategie gegenüber der Eidgenossenschaft. Sie basierten auf der Einsicht, daß es nicht möglich sein würde, selbst die Erlaubnis zu Anwerbungen in der Eidgenossenschaft zu erhalten. Also galt es, mit dem Gegner insoweit "Waffengleichheit" herzustellen, als man alles unternahm, um auch Frankreich nicht in den Genuß der begehrten eidgenössischen Söldner kommen zu lassen. Dies war beim ersten großen Krieg zwischen Karl V. und Franz I. noch anders gewesen. Selbst als Frankreich der Abschluß des Soldbündnisses gelungen war und die Eidgenossenschaft dem französischen König im Sommer 1521 gestattet hatte, entsprechend dem neuen Vertrag Söldner anzuwerben, verlegte sich die habsburgische Diplomatie nicht allein darauf, dies zu verhindern, sondern Karl bemühte sich ebenfalls um eidgenössische Söldner. Allerdings ließ der Kaiser nicht in eigenem Namen werben, sondern der mit ihm verbündete Papst entsandte zu diesem Zwecke den Bischof von Veroli in die Schweiz. Dies hatte den Vorteil größerer Legitimität, nicht nur, weil der Papst unter dem Banner der Verteidigung des Kirchenstaats warb, sondern auch, weil er sich ebenso wie Frankreich auf einen Soldvertrag berufen konnte 241 . Die Erbeinung diente 240

Regierung Innsbruck an Ulm, Memmingen, Biberach, Isny und Lindau, 30.10.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 35r); Regierung Innsbruck an Vogt zu Feldkirch, Vogt zu Bregenz, Landvogt zu Nellenburg, Unterlandvogt, Landschreiber und Amtleute der Landvogtei Schwaben, 30.10.1531 (ebd., fol. 35r-v); Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 30.10.1531 (ebd., fol. 36v-37r). 241

Da beide Werbungen erfolgreich waren, standen sich in Italien wieder einmal eidgenössische Söldner in feindlichen Heeren gegenüber.

A. Bündnisse und Einungen

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deshalb 1521 nicht als Argument, da sie nicht als Mittel taugte, um eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen 242 . In den folgenden Jahren unternahm Karl keine Versuche, von den Eidgenossen eine Anwerbeerlaubnis zu erhalten. Die Kämpfe in Italien gingen zwar weiter, aber die Intensität des diplomatischen Ringens um die eidgenössischen Söldner ließ nach 1521 doch für etliche Jahre merklich nach. Dies änderte sich erst Mitte der 30er Jahre wieder: 1536 erreichten die diplomatischen Aktivitäten Karls in der Eidgenossenschaft ihren Höhepunkt. Der Kaiser hatte zu diesem Zeitpunkt zwei ständige Gesandte in der Schweiz, Leonard de Gruyeres, den Offizial von Besançon, und Nicolas de Gilley, Herrn von Marnoz. Diese versuchten unablässig, eidgenössische Unterstützung für Frankreich zu verhindern und sogar einzelne Orte zu einer Aufkündigung des französischen Soldbündnisses zu bewegen 243 . Die Erbeinung diente den Gesandten dabei immer wieder als Argument, so, wenn sie von Bern verlangten, die Stadt solle Söldnern auf dem Weg zum französischen Heer kein Durchzugsrecht gewähren 244 , oder wenn die Eidgenossen aufgefordert wurden, die Reisläufer aus französischem Dienst heimzumahnen245. Auch später wurde dieser Artikel immer wieder herangezogen, sei es im Schmalkaldischen Krieg, als in der Ehrenberger Klause auch einige Schweizer gegen Karl gekämpft haben sollen 246 , sei es, als 1552 der Söldnerführer Seba242

Eine Ausnahme bildete das Schreiben Karls direkt nach dem französischen Überfall auf Navarra, in dem Karl die Eidgenossen an die in der Erbeinung niedergelegte Pflicht erinnerte, Frankreich keine Hilfe zu leisten und auch keine Söldner zulaufen zu lassen (Karl an die Eidgenossen, Mainz, 4.6.1521 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 47)). 243

Sie hielten ein solches Aufbrechen des französischen Bündnisses durchaus für wahrscheinlich und machten dem Kaiser in dieser Hinsicht übertriebene Hoffnungen, wie sich bald zeigen sollte. Siehe Gruyeres an Karl, Luzem, 1.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 181r-v, 184r-185r, hier fol. 181 r-v); Marnoz an Granvelle, Luzem, 16.7.1536 (ebd., fol. 249r-253r, hier fol. 249v-250r). 244

Vortrag Marnoz' in Bern am 12.5.1536 (EA 4/lc, Nr. 423, S. 689); Vortrag Marnoz' in Bern am 12.7.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 242r-243r). 245

Mamoz an die Eidgenossenschaft, Zürich, 12.6.1536 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 96); EA 4/lc, Nr. 453, S. 736. 246

Regierung Innsbruck an Heggentzer, 23.7.1546 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 20r-v); Instruktion Ferdinands für Heggentzer in die Eidgenossenschaft, 4.8.1546 (ebd., fol. 21r-22r, hier fol. 21v).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

stian Schärtlin von Burtenbach Werbungen auf eidgenössischem Gebiet durchführte 247 . Im gleichen Jahr mußten sich die Eidgenossen überdies vorwerfen lassen, daß der französische König im Markgräflerkrieg Albrecht Alcibiades mit eidgenössischen Söldnern unterstütze und dabei gegen kaiserliche Länder vorgehe, was gegen die Erbeinung verstoße 248. Die eidgenössische Antwort zeigt anschaulich das Dilemma, in das die einander widersprechenden Verträge die Eidgenossen brachten und zu welchen diplomatischen Verrenkungen sie dadurch gezwungen wurden: Die Eidgenossen stellten nicht in Abrede, daß eidgenössische Söldner in französischem Dienst standen, behaupteten aber, diese hätten zugesagt, gemäß dem Soldbündnis und nicht gegen die Erbeinung zu dienen, d.h. nur zur Verteidigung Frankreichs und nicht bei einem französischen Angriff gegen Gebiete Karls. Falls die Söldner dieses Versprechen gebrochen haben sollten, was man aber nicht glauben könne, würden sie bestraft werden 2 4 9 . Derartige Schwierigkeiten waren eine unausweichliche Folge der den militärischen Realitäten nicht gerecht werdenden Bestimmungen der Verträge sowie der Tatsache, daß die anwerbenden Mächte wohl von vornherein nicht gewillt waren, sich allzu genau an diese Bestimmungen zu halten. Auch wenn es Karl und seinen Gesandten von daher relativ leicht fiel, den Eidgenossen immer wieder die Verletzung der Erbeinung nachzuweisen, konnten sie daraus doch keinen unmittelbaren politischen oder militärischen Nutzen ziehen. Die Erbeinung war im Kampf um das eidgenössische Söldnerpotential eben eine ziemlich stumpfe Waffe, nicht nur, weil sie allenfalls den Zuzug zu Frankreich verhindern konnte, sondern vor allem auch, weil die Eidgenossenschaft sich bei der Frage der Erteilung von Anwerbeerlaubnissen nicht so sehr am Buchstaben der Verträge orientierte als vielmehr an den eigenen Interessen, denen die Interpretation der Verträge angepaßt wurde. Wenn die Eidgenossen dabei den französischen Gesuchen immer öfter zurückhaltender entgegentraten, als dies nach dem Soldbündnis eigentlich zu erwarten gewesen wäre, so lag dies nicht so sehr an der Erbeinung oder irgendwelchen Vorhaltungen Karls an die Adresse der Eidgenossen, sondern war in erster Linie in der Sorge begründet, daß diese Solddienste die - nach den beiden Kappeler Kriegen so mühsam wiedergewonnene - innere Stabilität der Eidgenossenschaft gefährden könnten.

247

EA 4/1 e, Nr. 206, S. 612; Nr. 207, S. 615; Nr. 209, S. 622.

248

EA 4/1 e, Nr. 239, S.716.

249

EA 4/1 e, Nr. 239, S. 716f.

A. Bündnisse und Einungen

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In der Kombination von Verträgen mit den beiden wichtigsten Hegemonialmächten der Zeit und der Sorge um den inneren Zusammenhalt infolge der konfessionellen Spaltung liegt denn auch eine der wichtigsten Wurzeln der eidgenössischen Neutralität. Lange bevor sie explizit als Prinzip eidgenössischer Politik formuliert wurde, nahm sie in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts in den Köpfen zahlreicher eidgenössischer Politiker Gestalt an: Als sich im Frühsommer 1536 der neuerliche Ausbruch von Feindseligkeiten zwischen Karl V. und Franz I. abzeichnete, waren die Eidgenossen zunächst entschlossen, keinen der beiden Kontrahenten zu unterstützen 250. Was in der Eidgenossenschaft selbst als "sich aller fremden Fürsten und Herren zu müssigen"251 oder einfach als "stillsitzen" bezeichnet wurde, begegnet in den Berichten der kaiserlichen Gesandten expressis verbis als "se tenir neutres" 252 und "neutralite" 253. Eine ungleich größere Bedeutung als für die Söldnerfrage erlangte die Erbeinung für die Freigrafschaft Burgund. Das Interesse der Eidgenossen an friedlichen Verhältnissen in dem Nachbarterritorium, aus dem sie zudem ihr Salz bezogen, führte dazu, daß die Eidgenossen - auch unter Berufung auf die Pflicht zu getreuem Aufsehen aus der Erbeinung - zwischen demfranzösischen Herzogtum und der habsburgischen Grafschaft Burgund vermittelten und den Abschluß eines Neutralitätsvertrages zwischen den beiden burgundischen Gebieten erreichten. Der erste Neutralitätsvertrag datiert vom 8. Juli 1522, er war auf drei Jahre befristet. In der Folge gelang es den Eidgenossen wiederholt, eine Erneuerung dieser Vereinbarung zu erlangen 254. Diese Verträge trugen dazu bei, daß Burgund in den zahlreichen Kriegen zwischen Karl V. und Franz I., deren Gegenstand ja auch teilweise Burgund war, doch nie zum Kriegsschauplatz wurde, 250

EA 4/1 c, Nr. 408, S. 667.

251

EA 4/1 c, Nr. 453, S. 738.

252

Gruyeres an Karl, Luzem, 23.3.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 133r-v, 136r-v, hier fol. 133r). 253

Gruyeres an Karl, Luzem, 14.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 194r-v, 196r, hier fol. 194r). 254

1527 wurde die Neutralität um 3 Jahre verlängert, 1536 gelang den Eidgenossen immerhin die Vermittlung eines Waffenstillstands, ebenso 1542. Diese Politik endete keineswegs mit der Regierungsübernahme durch Philipp. 1562 wurde der Neutralitätsvertrag vielmehr auf 20 Jahre verlängert, 1580 dann um weitere 29 Jahre. Siehe zu diesem Thema: R. Maag, Die Freigrafschaft Burgund und ihre Beziehungen zu der schweizerischen Eidgenossenschaft vom Tode Karls des Kühnen bis zum Frieden von Nymwegen( 1477-1678), Zürich 1891.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

was freilich nicht bedeutete, daß die Neutralität stets und ohne Einschränkung eingehalten wurde. An ihr wurde grundsätzlich festgehalten, weil alle Beteiligten aus ihr Vorteile zogen. Für ihre Einhaltung aber war es von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß mit der Eidgenossenschaft eine "Garantiemacht" hinter den Vereinbarungen stand, mit der es weder Frankreich noch Habsburg verderben wollte. Über den Zusammenhang zwischen Eidgenossenschaft, Erbeinung und Sicherheit Burgunds schrieb Kardinal Granvelle noch 1564 an Philipp II., daß ein Aufgeben der Erbeinung den Ruin der Franche-Comté bedeuten würde, da allein der Name der Schweizer die Grafschaft bis jetzt vor Frankreich geschützt habe 255 . Während diese Artikel der Erbeinung vor allem wegen ihrer Bedeutung in den militärischen Auseinandersetzungen der Zeit herangezogen wurden, war das Verbot, Angehörige des Vertragspartners in Burg- oder Schirmrecht aufzunehmen, in erster Linie dazu gedacht, die gegenseitigen Einflußsphären abzugrenzen. Der klassische Fall, an den wohl auch die Autoren der Erbeinung gedacht haben mögen, war die offizielle Annahme einer Stadt oder auch eines Adligen in das Burgrecht eines oder mehrerer eidgenössischer Orte, wie es 1527 mit dem Burgrecht zwischen Konstanz, Zürich und Bern geschah. Der Bezug auf die Erbeinung war in diesem Fall indessen problematisch, weil Konstanz keine österreichische, sondern Reichsstadt war, weshalb auch erst in zweiter Linie mit der Erbeinung, primär aber mit dem Basler Frieden argumentiert wurde 256 . Anders verhielt es sich mit der Aufnahme des Städtchens Laufen und einiger Dörfer im Hochstift Basel in das Stadt-Basler Burgrecht 1525, gegen die Österreich protestierte, weil das Hochstift einen Schirmvertrag mit Österreich besaß 257 . Hier bot wirklich nur die Erbeinung eine Handhabe für Österreich, um sich über diese Ausdehnung der Eidgenossenschaft und der Reformation zu beschweren. Ansonsten aber war die Abgrenzung der Einflußsphären entlang des Rheins so weit fortgeschritten, daß derartige Versuche gar nicht erst unternommen wurden. Bezeichnenderweise ist die neben dem Abschluß des Christlichen Burgrechts einzige Ausnahme ebenfalls ein konfessionelles Bündnis, nämlich die Christliche Vereinigung Ferdinands mit den fünf Orten von 255

Ch. Weiss, Papiers d'Etat du cardinal de Granvelle, d'après les manuscrits de la bibliothèque de Besançon Bd. 8 (Collection de documents inédits sur l'histoire de France 48/8), Paris 1850, Nr. 110, S. 395-408, hier S. 398. 256

Reichsregiment an Zürich, Speyer, 14.1.1528 (EA 4/1 a, Nr. 504, S. 1271); Zürich und Bern an das Reichsregiment, 7.3.1528 (ebd., Nr. 513, S. 1285). 25 1

Dürr!Roth, Aktensammlung 2, Nr. 160-162, Nr. 187.

A. Bündnisse und Einungen

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1529. Rein territorialpolitisch war der Status quo zwischen den beiden Partnern der Erbeinung anerkannt - erst die Dynamik der konfessionellen Auseinandersetzung war so groß, daß sie über die etablierten Grenzen und Verträge hinwegging. Während dieser Artikel mithin für den Fall, für den er ursprünglich vorgesehen war, kaum Bedeutung erlangte, wurde er immer wieder herangezogen zur Stabilisierung der eigenen Herrschaft im Innern, also zur Bekämpfung von Aufruhr und Aufständen. Dabei lag - zumindest in den Augen Österreichs - ein Verstoß gegen die Erbeinung dann vor, wenn die Aufständischen irgendwelche Unterstützung aus dem Gebiet der Eidgenossenschaft erhielten. Die Bestimmungen der Erbeinung wurden also sehr umfassend ausgelegt, was dadurch erleichtert wurde, daß nach dem Text nicht nur die Annahme in ein Bündnis, Burg- oder Landrecht verboten war, sondern auch in "Schutz, Schirm" oder "versprechen" 258, wobei gerade der letzte Begriff äußerst dehnbar war und nicht nur förmliche Vereinbarungen umfaßte. So ließ Ferdinand 1524 die Eidgenossen auffordern, Zürich dazu zu bewegen, die Unterstützung Waldshuts zu beenden, da diese einen Verstoß gegen die Erbeinung darstelle 259. In engem Zusammenhang mit der Waldshuter Angelegenheit stand der Vorwurf an Zürich, später auch an Basel und Schaffhausen, die aufrührerischen Bauern zu unterstützen 260. Allerdings wurde dabei nicht nur auf die Erbeinung verwiesen, sondern zugleich auf das Interesse, welches die eidgenössischen Orte als Obrigkeit an Ruhe in den eigenen Gebieten haben müßten - verbunden mit der Zusage, daß Österreich im umgekehrten Fall aufrührerische Elemente in der Eidgenossenschaft auch nicht unterstützen werde 261 . Auch beim Kampf gegen 258

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1345.

259

Instruktion Ferdinands für Dr. Wilhelm von Reichenbach und Veit Sutor auf die Tagsatzung am 13.10.1524 in Frauenfeld, 9.10.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 2v-7r, hier fol. 5v); EA 4/la, Nr. 218, S. 510f.; Nr. 224, S. 524f.; Nr. 226, S. 531; Instruktion Ferdinands für Dr. Sturtzel in die Eidgenossenschaft, 3.12.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 16r-17v); Instruktion Ferdinands für Wolf von Homburg und Dr. Sturtzel in die Eidgenossenschaft, 31.1.1525 (ebd., fol. 27r-30v). 260

EA 4/la, Nr. 224, S. 525; Nr. 276, S. 670; Nr. 300, S. 764 und S. 767; Nr. 359,

S. 880. 261

Instruktion Ferdinands für Wolf von Homburg und Dr. Sturtzel in die Eidgenossenschaft, 31.1.1525 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 27r-30v, hier fol. 28r-v). Eine entsprechende Zusage hatte Österreich den Eidgenossen bereits nach dem Ittinger Sturm gegeben (Instruktion Ferdinands für Dr. Wilhelm von Reichenbach und Veit Sutor auf

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

die Täufer, deren Duldung Zürich vorgeworfen wurde, verwies die Innsbrucker Regierung neben der Erbeinung ergänzend auf das allen Obrigkeiten gemeinsame Prinzip der Ablehnung von Aufruhr und Sektierertum 262. Die angeführten Beispiele zeigen deutlich den Funktionswandel dieses Artikels zwischen 1474 und den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts: Während er 1474 vor allem dazu dienen sollte, den territorialen Status quo zu sichern und territoriales Ausgreifen eines Vertragspartners auf Kosten des anderen zu unterbinden, ging es nunmehr darum, in den in ihrem Besitzstand unumstrittenen Territorien die obrigkeitliche Gewalt, nicht zuletzt die Gerichtsbarkeit, in einer Hand zu konzentrieren und gegen Einmischungen von außen zu schützen, d.h. auch auf diese Weise die fortschreitende Territorialisierung abzusichern. In den bisher geschilderten Fällen war es fast durchweg Österreich gewesen, das auf die Einhaltung der Erbeinung pochte und die Eidgenossenschaft des Vertragsbruchs verdächtigte oder zieh. Beim ersten Artikel der Erbeinung, der den ungehinderten und sicheren Handel und Wandel im Gebiet des Vertragspartners garantierte und überdies die Erhebung neuer Zölle und Abgaben untersagte, war das eher umgekehrt: Hier waren es vor allem die Eidgenossen, die sich beschwerten, daß Österreich die Erbeinung nicht einhielt. Ein immer wiederkehrendes Problem war dabei das Ausfuhrverbot lebensnotwendiger Güter wie Getreide oder Salz in Krisen- oder Kriegszeiten, was oft genug nicht nur der Sicherstellung der Ernährung der eigenen Bevölkerung diente, sondern zugleich als "Waffe" im Krieg eingesetzt wurde 263 . Auch der Vorwurf von

die Tagsatzung am 13.10.1524 in Frauenfeld, 9.10.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 2v-7r, hier fol. 3r)). 262

Regierung Innsbruck an Zürich, 21.8.1529 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 59r-60r, hier fol. 59r-v). 263

Die Proviantsperre gegen die fünf Orte spielte im Zweiten Kappeler Krieg eine zentrale Rolle. Wenn die evangelischen Städte auf diese Weise den Handel der fünf Orte mit Österreich und Burgund unterbanden, stellte dies einen Verstoß gegen die Erbeinung dar. Dies sah auch die Innsbrucker Regierung so (Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 15.7.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. llr-v)), ohne dadurch aber zu mehr als verbalem Protest veranlaßt zu werden (Regierung Innsbruck an Bern, 4.8.1531 (ebd., fol. 17r-v)). Im Schmalkaldischen Krieg mußte sich dann die Innsbrucker Regierung gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, daß sie Zürich und anderen Orten die Salzzufuhr sperre (Regierung Innsbruck an Zürich, 29.9.1546 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 22r-v)). Anfang 1547 wiederum wurde von eidgenössischer Seite ein entsprechender Vorwurf gegen Burgund erhoben, nur mit dem Unterschied, daß es sich

A. Bündnisse und Einungen

29

Zollerhöhungen tauchte hin und wieder auf, spielte insgesamt aber eine eher geringe Rolle 2 6 4 . Daß gerade die Eidgenossen besonders stark auf die Einhaltung dieser Handelsbestimmungen drängten, verwundert nicht, da Österreich und Burgund für den eidgenössischen Handel selbstverständlich eine größere Bedeutung besaßen als dies umgekehrt der Fall war 2 6 5 . Alles in allem standen die wirtschaftlichen Bestimmungen der Erbeinung aber doch eher am Rande, waren mehr ein Nebenprodukt der Vereinbarung, wenn auch für die Eidgenossen ein durchaus willkommenes. In erster Linie aber sollte durch die Erbeinung die Herrschaft der beiden Vertragspartner in ihren Territorien gegen Angriffe von außen und innen gesichert werden, indem der Vertrag die Unterstützung feindlicher Handlungen gegen den Vertragspartner verbot. Während der Regierungszeit Karls V. war es vor allem die habsburgische Seite, die die Einhaltung dieser Bestimmungen einforderte: Karl, um eidgenössische Unterstützung für Frankreich zu verhindern, und Ferdinand, um seine Herrschaft in den Vorlanden zu sichern.

dieses Mal um Getreide und Schweine handelte, nicht um Salz (EA 4/1 d, Nr. 344, S. 754; Nr. 350, S. 772). 264

So beschuldigte Basel 1522 Ulrich von Habsberg als Herrn von Laufenburg, Basel mit neuen Zöllen zu beschweren (EA 4/1 a, Nr. 117, S. 250). 1549 mußte sich dann Basel den Vorwurf gefallen lassen, einen neuen Zoll aufgerichtet zu haben (Regierung und Kammer Innsbruck an Regierung Ensisheim, 9.4.1549 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 23, fol. 202v-203r)). 1554 wandten sich Abt und Stadt St. Gallen an die Eidgenossen mit der Bitte, ihnen zu helfen, daß Österreich die Erhöhung des Zolls in Konstanz wieder zurücknehme (EA 4/1 e, Nr. 312, S. 936). 265

Entsprechendes läßt sich übrigens im Verhältnis der Eidgenossen zu Frankreich beobachten. Ein ähnlicher Artikel aus dem Ewigen Frieden von 1516 sicherte den Eidgenossen nahezu völlige Zollfreiheit im Handel mit Frankreich, da zum Zeitpunkt des Friedensschlusses kaum Zölle bestanden. Nachdem Frankreich nach der Jahrhundertmitte seine Zölle drastisch erhöht hatte, profitierte insbesondere der eidgenössische Textilexport nach Frankreich von der Bestimmung. Die Eidgenossen bestanden entsprechend hartnäckig auf seiner Einhaltung; alle französischen Versuche, Änderungen durchzusetzen, schlugen fehl. 19 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. b) Das Erbeinungsgeld

In der Erbeinung heißt es in einer der letzten Bestimmungen: "Vnd hierauf aus besondem gnaden, so bewilligen wir Kaiser Maximilian, als Vormunder für vns vnd vnser lieben Enckeln vnd fürsten Erzherzogen Karlin, das derselb Erzherzog Karin vmb merung guots willens den oberürten aydgnossen, nemlich einem yeden ort vorgemelt zu einer vererung jerlichs zweyhundert Guldin Reinsch vnd dem Abt vnd Stat zu Sant Gallen, auch dem Land zu Appenzell yedem jerlichs hundert guldin Reinsch auf des heiligen Crewztag Inuentionis im Mayen in der Stat Zürich allweeg auf derselben Stat Zürich notdürftig vnd gebürlich quittung geben vnd antwurten lassen sol, so lang bis er in die Regierung seiner erblichen fürstenthumb vnd landen treten wirdet". 266 Damit waren die Höhe und der Auszahlungsmodus des sogenannten Erbeinungsgeldes festgelegt. Dieses Erbeinungsgeld war das Geld, das die Eidgenossen von Habsburg als öffentliche Pension bezogen 267 . Die Pension war am 3. Mai eines jeden Jahres fällig und sollte in Zürich abgeliefert werden. Die weitere Verteilung blieb den Eidgenossen überlassen. Diese Bestimmung spiegelt die herausgehobene Stellung Zürichs in der Eidgenossenschaft im allgemeinen und im Verhältnis zu Habsburg im besonderen wider. So sehr die eidgenössischen Orte auch sonst auf ihre Selbständigkeit bedacht waren - im Verkehr mit auswärtigen Mächten war es unumgänglich, geschlossen aufzutreten. Der Auszahlungsmodus des Erbeinungsgeldes wie auch der französischen Pensionen268 war Ausdruck dieses Zwangs zu einer engen Zusammenarbeit in außenpolitischen Fragen. In Krisenzeiten, in denen die innere Stabilität der Eidgenossenschaft gefährdet war und die einzelnen Orte kaum mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren, bildeten diese Vereinbarun-

266

EA 3/2, Beilage Nr. 19, S. 1347. Daraus ergab sich eine Gesamtsumme von

2.700 fl. 267

Es sei nur noch einmal daran erinnert, daß diese Zahlungen im Vergleich zu den französischen doch recht bescheiden ausfielen. Im Ewigen Frieden von 1516 sicherte Frankreich den Eidgenossen eine jährliche Pension von 2.000 Fr. pro Ort zu, im Soldbündnis von 1521 sogar eine Pension von 3.000 Fr. pro Ort. 268

Diese wurden jährlich auf Mariä Lichtmeß, also den 2. Februar, in Lyon hinterlegt. Schon aus Kostengründen verbot es sich, daß jeder Ort einzeln seinen Teil abholte.

A. Bündnisse und Einungen

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gen mit auswärtigen Mächten deshalb auch ein wichtiges Element für den inneren Zusammenhalt der Eidgenossenschaft 269. An der Hinterlegung des Geldes in Zürich wurde auch später prinzipiell festgehalten. Fand gerade keine Tagsatzung in Zürich statt, informierte Zürich die übrigen Orte vom Eintreffen des Geldes und forderte sie auf, ihren Anteil abzuholen 270 . Dabei quittierte Zürich den Erhalt des Geldes für alle Orte 2 7 1 , und die einzelnen Orte quittierten dann wiederum dem Zürcher Seckelmeister, wenn sie das Geld abholten 272 . Die Orte wandten sich auch an Zürich, um sich zu erkundigen, ob eine fällige Zahlung schon eingetroffen war 2 7 3 . In Zürich gingen aber nicht nur die Gelder selbst ein, sondern auch eventuell nötige Entschuldigungsschreiben Österreichs, falls es - wie so oft - zu Verzögerungen bei der Bereitstellung des Geldes kam. Auch hierüber wurden die anderen Orte von Zürich informiert 274 . Obwohl die Bestimmung über den Ablieferungsort des Erbeinungsgeldes hinreichend klar formuliert war, kam es doch immer wieder zu Unsicherheiten in dieser Frage. Abweichend vom Wortlaut der Erbeinung wurde es nämlich zunehmend üblich, daß die österreichischen und burgundischen Gesandten das Geld auf die Tagsatzung mitbrachten, und diese tagte seit Mitte der 20er Jahre

269

So schreibt Feiler über das Bündnis der Eidgenossenschaft mit Frankreich, bezogen auf das ausgehende 16. Jahrhundert, "es gehörte zu dem Wenigen, das die alte Eidgenossenschaft noch zusammenhielt." (R. Feller, Bündnisse und Söldnerdienst 1515-1798, Schweizer Kriegsgeschichte Heft 6, Bern 1916, S. 14). 270

So berichtete Zürich auf der Tagsatzung am 23. Mai 1520 in Luzem den übrigen Orten, daß Karl die Pension beim Zürcher Seckelmeister habe hinterlegen lassen (EA 3/2, Nr. 818, S. 1235f.). Siehe auch EA 4/la, Nr. 184, S. 436. 271

Solche Quittungen haben sich in Zürich erhalten, z.B. StA Zürich, B IV 3, Nr. 29 (17.6.1522), gedruckt in: Strickler, Actensammlung 1, Nr. 439. 272

Konzept einer Quittung des Basier Tagsatzungsboten: Strickler, sammlung l,Nr. 842.

Acten-

273

So Luzem am 13.1.1524 (EA 4/la, Nr. 164, S. 356), wobei Zürich aus der Anfrage auch die leise Verdächtigung herauslas, die Stadt habe den anderen Orten die Zahlung vielleicht nicht weitergeleitet, was die Zürcher selbstverständlich entrüstet zurückwiesen (ebd., S. 359). Eine entsprechende Anfrage von Basel am 30.5.1526 (Strickler, Actensammlung 1, Nr. 1447, S. 472). 274

Am 11.5.1524 sandte Zürich den anderen Orten ein Schreiben Wolfs von Homburg mit der Ankündigung einer baldigen Bezahlung (EA 4/la, Nr. 178, S. 419). 19*

2

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

in aller Regel in Baden im Aargau. In Baden wurde das Geld dann beim jeweiligen Landvogt hinterlegt 275 . Fand die Tagsatzung an einem anderen Ort statt, konnte auch dort die Auszahlung des Erbeinungsgeldes erfolgen 276 . Diese sehr variable Handhabung der Auszahlung des Geldes führte indessen bei der Innsbrucker Regierung zu einer gewissen Verunsicherung, weshalb sie 1539 sowohl bei der Regierung Ensisheim als auch bei der Eidgenossenschaft selbst anfragte, wohin das Erbeinungsgeld gebracht werden sollte 277 . Die Zürcher Antwort verwies dann einerseits auf die Theorie, d.h. den Text der Erbeinung, aus dem

275

1532 berichteten der Vizestatthalter und die Kammer Innsbruck, daß Sturtzel das Erbeinungsgeld dem Landvogt zu Baden übergeben habe (Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v, hier fol. 80v)). Ein Jahr später war das Geld an Bern wegen des Streits um die Einkünfte des Klosters Königsfelden noch nicht ausgezahlt worden, weshalb der aus dem Amt scheidende Landvogt bei Sturtzel anfragte, was er mit dem Geld machen solle (Heinrich Schönbrunner an Sturtzel, 15.6.1533 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 7, fol. 221 r)). Auf eine entsprechende Rückfrage Sturtzels antwortete die Kammer, daß der Anteil Berns in die Hände des neuen Landvogts übergehen solle, und wies Sturtzel an, wie er mit den Quittungen zu verfahren habe (Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 28.6.1533 (ebd., fol. 220r-221r)). Sturtzel folgte dieser Anweisung (Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 29.7.1533 (ebd., fol. 282r-v)). Anfang 1535 verlangte der Landvogt dann von Bern die Quittung für das nunmehr ausgezahlte Geld (Gilg Tschudi an Bern, 14.1.1535 (StA Bern, A V 11, S. 73)). Auch 1535 schickte die Innsbrucker Kammer das Geld wieder nach Baden (Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 28.6.1535 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 9, fol. 177r-v, hier fol. 177r)), wo es den eidgenössischen Boten von Sturtzel übergeben wurde (Bericht über die Tagsatzung in Baden vom 17.-20.8.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 33r-34r, hier fol. 33r); Dr. Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 24.8.1535 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 21))). 276

Die Gesandten Margaretes überbrachten den burgundischen Anteil für 1523 und 1524 auf der Tagsatzung in Luzem am 10.2.1525 (EA 4/1 a, Nr. 247, S. 582), Luzem quittierte den burgundischen Gesandten für den gesamten Betrag unter dem Datum des 11.2.1525 (StA Luzem, Al Fl Sch. 62). 1527 erlegten die Gesandten Margaretes ihren Anteil auf einer Tagsatzung in Neuenburg (EA 4/1 a, Nr. 449, S. 1101). Im November 1532 tagten die Eidgenossen in Frauenfeld und nahmen dort das Erbeinungsgeld von Burgund entgegen (EA 4/lb, Nr. 764, S. 1423). 277

Regierung und Kammer Innsbruck an Regierung Ensisheim, 8.2.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 13, fol. 37r-v); Regierung und Kammer Innsbruck an die Eidgenossenschaft, 7.3.1539 (ebd., fol. 59v).

A. Bündnisse und Einungen

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die Regierung "erlernen" könne, daß das Geld nach Zürich erlegt werden solle, andererseits machte Zürich aber auch auf die Möglichkeit aufmerksam, das Geld nach Baden auf die nächste Tagsatzung zu schicken278. Die Innsbrucker Regierung entschied sich für die zuletzt genannte Variante 279 . Das heißt nun aber nicht, daß ab einem bestimmten Zeitpunkt die Zahlungen stets in Baden eintrafen und Zürich als Ort der Hinterlegung des Erbeinungsgeldes keine Rolle mehr spielte. Es gingen auch weiterhin immer wieder Zahlungen in Zürich ein. So informierte Zürich am 10. Mai 1546 die anderen Orte vom Eintreffen des burgundischen Anteils für 1545 und 1546 und fragte an, ob die Orte eine Zusendung des Geldes gegen Quittung oder eine Übergabe auf der Jahrrechnung in Baden wünschten280. Ihren Anfang hatte die von der Erbeinung abweichende Übergabepraxis genommen, als Zürich wegen der Einführung der Reformation bei den anderen Orten in Mißkredit geraten war und diese deshalb nicht wünschten, daß das Geld in Zürich hinterlegt wurde. Der österreichische Gesandte in der Eidgenossenschaft, Dr. Jakob Sturtzel, erhielt Mitte Januar 1525 ein Schreiben der Tagsatzung in Einsiedeln, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß er das ausstehende Erbeinungsgeld dem Landvogt in Baden übergeben solle. Sturtzel war über diese Bitte offensichtlich erstaunt, denn er fragte in Zürich an, ob dies stimme, da er das Geld doch bisher stets an Zürich übergeben habe 281 . Noch deutlicher wurde die Ursache für die Abweichung vom bis dahin üblichen Verfahren anderthalb Jahre später, als Sturtzel an Zürich schrieb, er habe erfahren, daß die Mehrheit der Orte ihren Teil des Erbeinungsgeldes zur Zeit "nit gern von uch" empfangen wolle, weshalb er bitte, dieses Mal jedem Ort seinen Anteil schicken zu dürfen 282 . Die Eidgenossenschaft wünschte dann aber eine Hinterlegung des

278

Zürich an die Regierung Innsbruck, 15.3.1539 (StA Zürich, BIV 10, Nr. 65).

279

Regierung Innsbruck an Hans Friedrich von Landeck und Dr. Leonhard Jung, 1.4.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 13, fol. 72v-73r). 280

Zürich an Luzem, 10.5.1546 (StA Luzem, Al Fl Sch. 77); Zürich an die fünf Orte, Glarus, Appenzell, Abt und Stadt St. Gallen, 10.5.1546 (StA Zürich, B IV 16, fol. 25r-v). 281

Sturtzel an Zürich, Baden, 20.1.1525 (StA Zürich, A 184.1, Nr. 149). Auf der nächsten Tagsatzung in Luzem fragte Sturtzel erneut, ob er das Geld in Zürich hinterlegen solle, was von den Eidgenossen jetzt bejaht wurde (EA 4/1 a, Nr. 244, S. 570). 282

Sturtzel an Zürich, Baden, 11.7.1526 (StA Zürich, A 184.1, Nr. 179).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Geldes in Luzern 283 . Es bleibt festzuhalten, daß nicht etwa Habsburg das Erbeinungsgeld wegen der in Zürich eingeführten religiösen Neuerungen nicht mehr dorthin bringen und Zürich zur Weiterverteilung anvertrauen wollte, sondern daß es die anderen Orte waren, die auf der Abweichung von der in der Erbeinung festgelegten Ordnung bestanden. Nachdem die Bestimmung aber einmal aufgeweicht war, wurden diese Abweichungen häufig zur Regel. Die Vorbehalte der anderen Orte gegen Zürich waren dafür das auslösende Moment gewesen. Die Verlegung der meisten Tagsatzungen nach Baden, die ebenfalls in der Reformation ihre Ursache hatte, ließ dann Baden zum häufigen Übergabeort werden 284 . Auch auf der Geberseite war die Zahlung des Geldes nicht von Anfang an klar geregelt, weil es nämlich Streitigkeiten über die Zuständigkeit gab. Diese Streitigkeiten waren eine Folge der Struktur des weitverzweigten habsburgischen Länderkomplexes zur Zeit Karls V., d.h. vor allem der Übertragung der Regierung der einzelnen Länder auf verschiedene Regenten. Durch die Geld-

283

Ulrich von Habsberg und Dr. Sturtzel an Ferdinand, Luzem, 20.7.1526 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 14r-16r, hier fol. 16r). Zwar heißt es in den EA, daß Ferdinand und Burgund das Erbeinungsgeld in Baden hinterlegt hätten (EA 4/1 a, Nr. 377, S. 964), aber die Ortsangabe ist ganz offensichtlich falsch. Philibert de Chalon kündigte Luzem in einem Schreiben die Übersendung des burgundischen Teils an (Philibert de Chalon an Luzem, 4.7.1526 (StA Luzem, Al Fl Sch. 77)), und die anderen Orte quittierten Luzem später den Erhalt des Geldes (Quittung Berns: Strickler, Actensammlung 1, Nr. 1532; Schreiben Berns an Luzem vom 17.9.1526 mit der Bitte, ihrem Boten gegen diese Quittung 400 fl. für die letzten Jahre auszuhändigen (ebd., Nr. 1542)). Aus der Summe von 400 fl. für zwei Jahre ist ersichtlich, daß es sich dabei um das ganze Erbeinungsgeld handelte, also den österreichischen und den burgundischen Anteil, d.h. auch die Zahlung Ferdinands gelangte nach Luzem. 284

Die wechselnden Übergabeorte führten auch innerhalb der Eidgenossenschaft insofern zu Verwirrungen, als die einzelnen Orte dadurch hin und wieder in Zweifel waren, wo von ihnen noch nicht abgerufenes Geld liegen könnte bzw. welche Gelder überhaupt eingegangen waren. So wandte sich Basel am 14.2.1528 mit der Frage an Zürich, ob bei ihnen noch Gelder lägen, da ihnen die Erbeinungsgelder von 1523-27 fehlten, der Seckelmeister in Luzem aber nur die Gelder von 1525 und 1526 bei sich liegen habe (Strickler, Actensammlung 1, Nr. 1902). Die Verwirrung war offenbar allseits ziemlich groß, denn die Auskunft des Luzerner Seckelmeisters, falls Basel eine solche tatsächlich eingeholt haben sollte, war falsch, denn auch der burgundische Anteil für 1523 und 1524 war in Luzem erlegt worden (s. Anm. 276). Eine erneute Anfrage Basels, dieses Mal an Luzem, vom 8.12.1529 in Strickler, Actensammlung 2, Nr. 972.

A. Bündnisse und Einungen

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knappheit vor allem Österreichs wurde der Streit schließlich noch verschärft. Da diese Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Abfassung der Erbeinung noch nicht existierten und mithin die daraus erwachsenden Fragen auch nicht geregelt sein konnten, ließen sich diese Streitigkeiten nicht durch einen Rückgriff auf den Text der Erbeinung lösen. Damals, 1511, hatte Maximilian die Zahlungen ganz auf Karl abgewälzt. Dies erstaunt nicht angesichts von Maximilians chronischer Geldknappheit, ist aber insofern bemerkenswert, als Karl in alle sonstigen Rechte und Pflichten des Vertrages frühestens mit Erreichen der Volljährigkeit eintreten sollte. Daß Maximilian sich veranlaßt sah, bei der Bestimmung über die finanziellen Leistungen von dieser Regel abzuweichen, wirft ein bezeichnendes Licht auf seine desolate Finanzsituation - offenbar bereitete bereits eine so verhältnismäßig kleine Summe größere Probleme. Eigentlich sollte man annehmen, daß nach dem Tode Maximilians die Auszahlung des Erbeinungsgeldes dann unstreitig gewesen wäre. Da Karl seinen Großvater in dessen sämtlichen Ländern beerbte, mußte er auch dessen finanzielle Verpflichtungen übernehmen, in diesem Fall also die Bezahlung des Erbeinungsgeldes. Das war zunächst auch so. Im April 1521 beauftragte Karl seine Gesandten in die Schweiz mit der Bezahlung des Erbeinungsgeldes, und zwar mit der gesamten Summe von 2.700 f l . 2 8 5 . Im Jahr darauf lieferte dann Veit Sutor den gesamten Betrag a b 2 8 6 . Bevor Karl 1522 nach Spanien abreiste und dem Reich für mehrere Jahre den Rücken kehrte, hatte er die Verhältnisse in seinen mitteleuropäischen Ländern geregelt. In den Niederlanden sollte in seiner Abwesenheit seine Tante Margarete die Regentschaft ausüben, wie schon in den Jahren zuvor. Die österreichischen Erblande dagegen überließ er seinem Bruder Ferdinand, und zwar nicht 285

Karl an Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Dr. Sturtzel, Veit Sutor, Worms, 20.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 18r). In dem Schreiben heißt es, daß Karl den Eidgenossen am 1. Mai 27.000 fl. Erbeinungsgeld bezahlen müsse, die er jedoch nicht habe. Obwohl die Summe nochmals wiederholt wird, scheint doch ein Irrtum um eine Dezimale vorzuliegen, es handelt sich mit Sicherheit um 2.700 fl. Darauf deutet nicht nur die Formulierung hin, daß in Kürze der 1. Mai komme, an dem das Erbeinungsgeld fällig werde; ein Rückstand von 10 Jahren wäre wohl auch eigens erwähnt worden. Insbesondere wäre aber bei 27.000 fl. die Anweisung an die Gesandten sinnlos, das Geld aus den 10.000 fl. zu "gewinnen", die Karl ihnen für verschiedene "Praktiken" hatte zuschicken lassen. 28 6

Strickler,

Actensammlung 1, Nr. 439.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nur zur Regentschaft, sondern als sein Erbteil. Die Übertragung des gesamten österreichischen Erbes an Ferdinand blieb jedoch zunächst geheim. Entsprechend lautete auch die Mitteilung an die Eidgenossen, daß Ferdinand Niederösterreich als Erbe erhalten habe und in Tirol und den Vorlanden sowie in Württemberg an Karls Statt regiere 287 . Mit diesen Regelungen war Karl für die Regierung aller in der Erbeinung inbegriffenen Länder nicht mehr zuständig. Was Österreich angeht, war für die Eidgenossen fortan Ferdinand ihr Ansprechpartner, zunächst nur als Statthalter Karls, nach der Bekanntgabe der geheimen Vereinbarungen 1525 auch aus eigenem Recht. In Burgund blieb zwar weiterhin Karl der Landesherr, die Regierungsgeschäfte führte aber Margarete, nach deren Tod 1531 dann Karls Schwester Maria. Die in der Erbeinung inbegriffenen Länder waren ab 1522 also nicht länger in einer Hand. Damit stellte sich die Frage, wer künftig das Erbeinungsgeld zu bezahlen hatte, zumal die Erbeinung selbst für eine Teilung keine Regelung vorsah. Erstmals tauchte die Frage der Zuständigkeit für die Bezahlung des Erbeinungsgeldes im Herbst 1523 auf - in der Folge kam es darüber zu hartnäckigen Meinungsverschiedenheiten zwischen Ferdinand und Margarete. Sutor hatte sich nämlich an Innsbruck gewandt wegen des Erbeinungsgeldes. Der Hofrat vertrat dann nach Rücksprache mit der Kammer gegenüber Ferdinand folgenden Standpunkt: "und gehöre der aidtgnossen pensionen betzallung auf die burgundischen lannde und seyen hievor auch von denselben lannden bezalt worden" 288 . Dies war insoweit richtig, als diese Zahlungen bisher durch Karl erfolgt waren. Immerhin setzte Ferdinand Nachforschungen über die Sache in Gang, ließ den Text der Erbeinung überprüfen und die Regierung beraten. Das Ergebnis lautete, daß Ferdinand zur Zahlung nicht verpflichtet sei, die Bezahlung vielmehr Karls Aufgabe sei. Margarete teilte dies alles Karl mit und kündigte ihm an, daß sie angeordnet habe, die Erbeinung ins Französische übersetzen zu las-

287

Karl an Bern, Brüssel, 4.4.1522 (StA Bern, A V 1417, Nr. 42); Karl an Luzem, Brüssel, 4.4.1522 (StA Luzem, Urk. 22/8554); gedr. in Strickler, Actensammlung 1, Nr. 407. Zum Brüsseler Vertrag siehe Lhotsky, Zeitalter, S. 118; Rabe/Marzahl, "Comme représentant nostre propre personne", S. 84. 288

Hofrat an Ferdinand, Innsbruck, 19.9.1523 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An fürstl. Durchl. 1, fol. 20v-21v, hier fol. 21r). In gleichem Sinne schrieb kurz darauf auch die Innsbrucker Regierung an Ferdinand (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 7.10.1523 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven 19, fol. 82v-83v, hier fol. 83r)).

A. Bündnisse und Einungen

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sen und ihm zu schicken, damit er sich eine eigene Meinung bilden könne 289 . Nach dem Text der Erbeinung hatten Ferdinand und seine Räte selbstverständlich recht, sie übersahen dabei - oder wollten es vielleicht auch übersehen -, daß die Erbeinung in einer ganz anderen Situation entstanden war und diese Bestimmung insofern einer Anpassung an die jetzigen Gegebenheiten bedurfte. Auf diesen Aspekt machte der burgundische Rat Hannart aufmerksam, der im Auftrag Margaretes über das Erbeinungsgeld mit Ferdinand verhandelte. Seine Argumentation stützte sich nicht auf den Text der Erbeinung, er vertrat vielmehr den Standpunkt, daß jedes Land in dem Maße beisteuern müsse, in dem es von der Erbeinung profitiere - um zu dem Ergebnis zu gelangen, daß Ferdinand in erheblich größerem Maße profitiere als Margarete 290 . Auf dieser Ebene wurde die Diskussion in den kommenden Monaten geführt: Es war abzusehen, daß die Bezahlung durch Österreich und Burgund erfolgen solle; um die Festlegung der Anteile wurde indessen hart gerungen 291. Am 25. Mai 1524 verlangte Karl, daß Ferdinand und Margarete sich einigen sollten, da sowohl Österreich als auch Burgund aus der Erbeinung Nutzen zögen, d.h. Karl nahm die Argumentation Hannarts auf. Gleichzeitig teilte Karl mit, wie er sich die Aufteilung vorstellte: Margarete sollte ein Viertel bezahlen, Ferdinand drei Viertel; auch in diesem Punkt folgte Karl also der Meinung Hannarts, daß der Vorteil aus der Erbeinung mehr auf Seiten Österreichs liege 2 9 2 . Ungeachtet dieser klaren Vorgabe Karls gingen die Streitigkeiten zwischen Ferdinand und Margarete weiter 293 . Ferdinand wollte sich mit dieser Aufteilung durchaus 289

Margarete an Karl, Mechelen, 21.2.1524 (FK 1, Nr. 71, S. 137, Anm. 3).

290

Hannart an Margarete, Nürnberg, 14.3.1524 (RTA JR 4, Nr. 220, S. 723-725, hier

S. 724). 291

Von einer Teilung der Bezahlung ging auch Karl bereits am 23.3.1524 aus, also noch bevor er von den Verhandlungen Hannarts wissen konnte, wohl in Reaktion auf Margaretes Schreiben vom 21.2.1524. Am 23.3. beauftragte Karl nämlich Margarete, die Bezahlung anzuordnen und das gleiche auch von Ferdinand "pour sa porcion" zu verlangen (Karl an Margarete, Burgos, 23.3.1524 (FK 1, Nr. 71, S. 138, Anm. 3)). 292

Karl an Ferdinand, Burgos, 25.5.1524 (FK 1, Nr. 69, S. 131-134, hier S. 133). Die Möglichkeit, selbst zu bezahlen, schloß Karl übrigens kategorisch aus. 293

Am 8.6.1524 erklärte sich Ferdinand Margarete gegenüber dazu bereit, die Hälfte der Zahlung zu übernehmen und forderte sie auf, die andere Hälfte zu bezahlen (FK 1, Nr. 71, S. 136-138, hier S. 137). Am 7. Juli dann antwortete er Karl auf dessen Schreiben vom 25.5., daß er die Hälfte bezahlen wolle, dieses eine Mal aber sogar einverstanden sei, drei Viertel zu übernehmen (ebd., Nr. 79, S. 196-199, hier S. 197). Nachdem die Eidgenossen den Anteil Margaretes angemahnt hatten (Hofrat an Fer-

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nicht einverstanden erklären und beschwerte sich bei Karl, der sich davon jedoch ungerührt zeigte 294 . Schließlich gab Ferdinand nach und erklärte seine Bereitschaft, künftig drei Viertel des Erbeinungsgeldes zu bezahlen 295 . Nach vielen Mahnungen 296 entrichtete endlich auch Margarete ihr Viertel 2 9 7 , beklagte sich aber bei Ferdinand, daß dieses Viertel, angesichts ihrer geringen Einnahmen aus Burgund, ein zu hoher Anteil sei, worauf ihr Ferdinand wiederum seine geringen Einkünfte vorrechnete 298. Auf diese Weise war es selbstverständlich nicht möglich, zu einer Einigung zu kommen: Es blieb denn auch künftig bei der von Karl vorgeschlagenen Regelung, daß Österreich drei Viertel und Burgund ein Viertel bezahlen sollte 299 .

dinand, 16.9.1524 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An fürstl. Durchl. 1, fol. 271r-272v, hier fol. 271 v)), erklärte sich Ferdinand bereit, ein weiteres Viertel zu bezahlen, obwohl er bereits die Hälfte bezahlt hatte (Ferdinand an die Regierung Innsbruck, Wien, 26.9.1524 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 1, fol. 167v-170v, hier fol. 168r)) und mahnte das ausstehende Viertel emeut bei Margarete an (Ferdinand an Margarete, Wien, 30.9.1524 (FK l,Nr. 91, S. 221 f., hier S. 221)). 294

Karl an Ferdinand, Tordesillas, 16.10.1524 (FK 1, Nr. 100, S. 227-229, hier

S. 228). 295

Ferdinand an Karl, Innsbruck, 10.2.1525 (FK 1, Nr. 122, S. 262-264, hier S. 262).

296

Ferdinand an Margarete, Wien, 30.9.1524 (FK 1, Nr. 91, S. 221 f., hier S. 221); Hofrat an Ferdinand, 18.11.1524 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An fürstl. Durchl. 1, fol. 303r-v); Karl an Margarete, Madrid, 11./20.12.1524 (FK 1, Nr. 118, S. 249, Anm.); Ferdinand an Margarete, Innsbruck, 1.1.1525 (ebd., Nr. 118, S. 248f.). 297

Ferdinand an Margarete, Innsbruck, 19.2.1525 (FK 1, Nr. 125, S.268f., hier

S. 269). 298

Ferdinand an Margarete, Innsbruck, 19.2.1525 (FK 1, Nr. 125, S. 268f., hier

S. 269). 299

Zwar dauerte es offensichtlich noch eine Weile, bis sich das Wissen, daß Österreich nunmehr drei Viertel zu zahlen habe, wirklich in den Köpfen festgesetzt hatte, denn in der Korrespondenz ist immer wieder einmal von der Hälfte als dem österreichischen Anteil die Rede, so z.B.: Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 21.6.1527 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 26, fol. 156v-158r, hier fol. 157v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 13.7.1530 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 102v-103r, hier fol. 103r). Aus den tatsächlich erfolgten Zahlungen ist jedoch ersichtlich, daß Österreich wie vereinbart drei Viertel bezahlte. Die für die Zahlung zuständigen Stellen achteten offenbar auf den korrekten Betrag, während Ferdinand und die Regierung, nachdem der Streit um die Anteile einmal ausgefochten war, sich wieder

A. Bündnisse und Einungen

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Diese Auseinandersetzung ist nicht so sehr wegen der Bestrebungen, die Zahlungen auf andere abzuwälzen, interessant - dies war kaum anders zu erwarten -, sondern wegen der Einschätzung der Erbeinung, die hier zutage tritt. Wenn auch nicht ganz auszuschließen ist, daß bei Karls Aufteilung der Anteile eine Rolle spielte, daß Burgund sein Land war, während er Österreich an Ferdinand abgetreten hatte, so ist es doch wohl nicht zu gewagt, aus dieser Aufteilung zu folgern, daß Karl die Erbeinung in erster Linie als eine österreichische Angelegenheit ansah. Ferdinands Nachgeben und Margaretes langandauernde Zahlungsverweigerung weisen auf eine ähnliche Sichtweise hin. Offenbar überwog auch bei ihnen die Einschätzung der Erbeinung als eines Nachbarschaftsvertrages - und gerade 1524, während der Kämpfe in Waldshut, beriefen sich Ferdinand und die Regierung Innsbruck stets auf die Erbeinung, um eidgenössische Unterstützung für die Stadt zu verhindern. Erst Mitte der 30er Jahre wurde die Erbeinung als Mittel im Kampf gegen Frankreich neu "entdeckt", dann allerdings ging es nicht um ein bestimmtes Land, sondern um Habsburg als Großmacht. Am Zahlungsmodus des Erbeinungsgeldes änderte sich freilich auch dadurch nichts. Nach der Aufteilung des Erbeinungsgeldes in einen österreichischen und einen burgundischen Anteil betrug der österreichische 2025 fl. pro Jahr. Das war nun nicht gerade eine exorbitante Summe. Dennoch bereitete deren Beschaffung fast jedes Mal größere Probleme. Die Mittel und Wege, auf die man dabei verfiel, um das Geld zu beschaffen, waren höchst unterschiedlicher Art und lassen die Verzweiflung ahnen, in die die kleinste Geldforderung die zuständigen Stellen stürzte. Der erste Ausweg war zumeist das Hinausschieben der Zahlung 300 , doch ließ sich dieses Mittel nicht unbegrenzt anwenden. Und eine Lösung bedeutete es schon gar nicht, da nicht damit zu rechnen war, daß die Finanzlage in einigen Monaten oder in einem Jahr besser sein würde. Ein mehr der politischen Seite der Angelegenheit zuwandten und sich um solche Details nicht kümmerten. 300

Am 24.8.1530 wies Ferdinand die Regierung Innsbruck an, die Zahlung des Erbeinungsgeldes "aufzuhalten"; er werde sich in der Zwischenzeit bemühen, Geld zu beschaffen (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Augsburg, 24.8.1530 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 3, fol. 107r-v)). Ein Jahr später war es immer noch nicht gelungen, das Geld aufzutreiben, so daß Ferdinand keine andere Lösung sah, als die Eidgenossen erneut zu vertrösten (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Budweis, 10.7.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 30, fol. 134r-136r, hier fol. 135rv)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Vorschlag wie derjenige Ferdinands vom 11. Juni 1531, das Erbeinungsgeld "von yetzigen oder aber wo es je nit sein möcht von könnfftigen vinanntzen zubezalen" 301 , war für die Kammer vermutlich nicht sonderlich hilfreich. Inzwischen war das Erbeinungsgeld seit 1526 unbezahlt, es waren also fünf Jahresraten fällig 3 0 2 . Im Frühjahr 1532 willigten die Stände der Vorlande deshalb ein, von den 40.000 fl. Türkenhilfe 10.000 fl. zu diesem Zweck zu verwenden, was ungefähr zwei Drittel des benötigten Geldes ausmachte303. Damit konnte endlich die Anweisung zur Bezahlung des Geldes ergehen 304 .

301

Ferdinand an Kammer Innsbruck, Prag, 11.6.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 30, fol. 90v-91r, hier fol. 91r). 302

Die Innsbrucker Kammer ging zunächst davon aus, daß das Erbeinungsgeld seit 1524 nicht bezahlt worden sei, mithin 7 Jahre fällig seien (Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 15.3.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 6, fol. 85r-v)), und kam von daher auf eine benötigte Gesamtsumme von 15.120 fl. Das Erbeinungsgeld war aber bis einschließlich 1526 bezahlt worden. Bei der späteren Schilderung des Zahlungsvorgangs gegenüber dem Hofzahlmeister verfügte die Kammer dann über die richtigen Zahlen. Sie berichtete, daß 12.960 fl. gezahlt worden seien, also 6 x 2.160 fl., und daß damit die Zahlungen bis einschließlich 1532 geleistet seien. Rechnet man zurück, so bedeutet dies die Jahrgänge 1527-32, da seit den Berechnungen der Kammer vom März ja ein weiterer Zahlungstermin eingetreten war (Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v)). Daß ein Jahrgeld hier mit 2.160 fl. gerechnet wurde, liegt an der Umrechnung von Gold in Münze (vorgerechnet in: Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 15.3.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 6, fol. 85r-v)). 303

Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 15.3.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 6, fol. 85r-v); Regierung und Kammer Innsbruck an Regierung Ensisheim, 15.3.1532 (ebd., fol. 85v-86r); Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v, hier fol. 80r). 304

Auch später kam immer wieder einmal die Türkenhilfe ins Gespräch, wenn es darum ging, das Erbeinungsgeld aufzutreiben (Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 17.12.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 37, fol. 248r-249r, hier fol. 248v)). Ferdinand wies den Vorschlag der Regierung, für die Bezahlung des Erbeinungsgeldes die Türkenhilfe zu verwenden, allerdings zurück. 1544 wurde dann erneut auf die Türkenhilfe der Vorlande zurückgegriffen, um das Erbeinungsgeld der Jahre 1539-41 zu bezahlen (TLA Innsbruck, Kammer-Raitbuch 1544, fol. 77r-78r (23.5.1544)). Es ist hier die Rede vom Erbeinungsgeld von 3 Jahren, nämlich vom 3.5.1538-3.5.1541, gemeint sind aber die Fälligkeiten von 1539-41, das

A. Bündnisse und Einungen Daß die Bezahlung aus der Türkenhilfe die ultima ratio darstellte, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren, zeigte sich deutlich 1553. Die naheliegende Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen, kam nicht in Frage, weil die Kammer, wie sie bereits Anfang des Jahres an Ferdinand geschrieben hatte, keine Sicherheiten bieten konnte 305 - so blieb erneut nur der Ausweg einer Zweckentfremdung der Türkenhilfe. In früheren Jahren dagegen war es hin und wieder gelungen, das Geld mit Hilfe eines Kredits zu beschaffen. 1521 hatte Karl diesen Weg beschritten und das Geld bei den Fuggern geliehen 306 . 1535 war es dann Hans Paumgartner, der der Kammer Innsbruck aus der Klemme half 3 0 7 . Auch 1538 mußte man die Hilfe Augsburger Kaufleute in Anspruch nehmen, wobei die Regierung Innsbruck Ferdinand aber darauf aufmerksam machte, daß die Lösung des Problems damit nur hinausgezögert sei, da "wir nit wissen mugen wie doch dise wider-

Geld für 1538 war bereits bezahlt. Auch aus der Summe (6.480 fl.) geht hervor, daß es sich um 3 Jahrgänge handelte, und nicht um vier, wie die Datumsangaben glauben machen könnten. Die Regierung hoffte, daß Ferdinand zustimmen würde, auch die noch ausstehenden Jahrgänge aus der Türkenhilfe zu bezahlen (Kammer Innsbruck an Ferdinand, 28.11.1544 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 40, fol. 242r244v, hier fol. 244r)), eine Lösung, der Ferdinand mangels Alternativen dann auch sein Placet gab (Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Worms, 27.4.1545 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 44, fol. 85v-86r)). Auch 1547 sah man keine andere Möglichkeit, an das benötigte Geld zu kommen (Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Prag, 3.9.1547 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 46, fol. 163v-164r)), ebenso 1550 (Regierung und Kammer Innsbruck an Heggentzer, 22.11.1550 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 24, fol. 893v-894v, hier fol. 893v)), 1553 (Regierung Innsbruck an Heggentzer, vor 4.9.1553 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 27, fol. 675r-v)) und 1556 (30.6.1556 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Entbieten 58, fol. 628r-v)). 305

Kammer Innsbruck an Ferdinand, 25.1.1553 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 49, fol. 16r-17r, hier fol. 16v). Offenbar versuchte es die Kammer dann aber doch, da sie ein halbes Jahr später an Heggentzer schrieb, daß den potentiellen Kreditgebern die Einkommen des Bergwerks im Lebertal als Sicherheit nicht genügten (Regierung Innsbruck an Heggentzer, 1.8.1553 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 27, fol. 664r-v)). 306

Sturtzel an Veit Sutor, 27.6.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/3, fol. 50r-v); Sturtzel an Jakob Villinger, Zürich, 12.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 56r-v). 307

Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 6.6.1535 (TLA Inns-

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

betzalung geschehen sol, dann die camer des zu solher zeit gleich so wenig statthafft sein wirdet also yetzo" 308 . Wie mühsam die Beschaffung des Geldes gewesen war, geht aus der Schilderung der Regierung hervor. Es war nämlich nicht gelungen, das Geld bei einem einzigen Geldgeber aufzutreiben: Anton Fugger gab 3.000 fl., Anton Haug, Sebastian Neidhart und Verwandte 2.000 fl. für ein Jahr gegen 5% Zins, Hans Paumgartner ebenfalls 2.000 fl. für ein halbes Jahr zinslos. Vor dem Hintergrund dieser enormen finanziellen Probleme wird erst recht verständlich, weshalb sich die Innsbrucker Regierung und Kammer über Jahre hinweg bemühten, die Zuständigkeit für diese Zahlungen von sich zu weisen. Nachdem es nicht gelungen war, die Entrichtung des Erbeinungsgeldes auf Burgund abzuwälzen, strebte Innsbruck eine "Umverteilung" innerhalb von Ferdinands Ländern an, und zwar von der oberösterreichischen Kammer auf den Hof Ferdinands. Dies wurde zunächst ganz allgemein damit begründet, daß die Innsbrucker Kammer das nötige Geld nicht aufbringen könne, ein Argument, von dem die Innsbrucker wohl selbst wußten, daß es ihnen kaum nützen würde, weil der Hof das nötige Geld genauso wenig hatte 309 . Von daher gipfelte die Argumentation häufig in der Behauptung, eine Ursache der Innsbrucker Finanznöte - neben dem Unterhalt der Regierungen in Innsbruck und Ensisheim sei darin zu suchen, daß die Kammer für die Kinder Ferdinands und deren Hofstaat aufzukommen habe - Ausgaben, für die eigentlich der Hof zuständig

brück, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 5, fol. 105v-106v, hier fol. 106r); Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 27.6.1535 (ebd., fol. 123v-124r). 308

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 31.12.1538 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (111,21)). 309

Die Antworten Ferdinands lauteten denn auch häufig entsprechend, so Ferdinand an die Kammer Innsbruck, Prag, 11.6.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 30, fol. 90v-91r); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Linz, 8.8.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 37, fol. 154v-155r). 310

Erstmals taucht dieser Hinweis auf die Kinder Ferdinands 1531 auf (Kammer Innsbruck an Ferdinand, 27.6.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 27, fol. 91v-93v, hier fol. 92r)), erneut 1538 (Regierung und Kammer Innsbruck an Bernhard von Cles, 13.8.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 12, fol. 248r); Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 17.8.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 34, fol. 166r-167v, hier fol. 166v); Regierung und

A. Bündnisse und Einungen Ähnlich konstruiert wirkt die Behauptung, Maximilian habe das Erbeinungsgeld absichtlich nicht von der Tiroler Kammer bezahlen lassen, damit die Eidgenossen zu diesem Land "deßhalb dhain ansprach sollen noch mögen haben" 3 1 1 , was im Klartext wohl heißen sollte, daß auf diese Weise vermieden werden sollte, daß die Eidgenossen sich bei Nichtbezahlung an den oberösterreichischen Gebieten schadlos halten würden 312 . Ferdinand wies diese Argumentation mit der Begründung zurück, daß das Erbeinungsgeld Tirol "zu erhaltung gueter ainigkait am maissten betrifft" 313 , es wurde also wie bei der Auseinandersetzung mit Burgund darauf rekurriert, daß derjenige bezahlen solle, der auch von der Vereinigung profitiere 314 . Erstaunlicherweise verwies

Kammer Innsbruck an Ferdinand, 5.11.1538 (ebd., fol. 222v-224r, hier fol. 223v)). Geradezu groteske Züge nimmt dieses Hin und Her an, wenn Ferdinand allen Ernstes darauf hinweist, daß der Innsbrucker Kammer die Bezahlung nun nicht mehr so schwer fallen dürfte, da sie doch für drei seiner Kinder nicht mehr aufkommen müsse (Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 17.12.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 37, fol. 248r-249r, hier fol. 248v)). Die Kammer beharrte freilich auf ihren diesbezüglichen Klagen (Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 28.3.1541 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 37, fol. 64v65v, hier fol. 64v)). 311

Statthalter und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 17.5.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 27, fol. 63r-v, hier fol. 63v). Ebenso Regierung und Kammer Innsbruck an Bernhard von Cles, 15.7.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 34, fol. 140r-141r, hier fol. 140v), Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 23.7.1538 (ebd., fol. 142r-143r, hier fol. 142v) mit deutlicher Benennung der sonst für Tirol drohenden Kriegsgefahr. 312

Den Ausführungen der Innsbrucker Regierung und Kammer ist immer wieder zu entnehmen, daß ihnen offenbar wirklich nicht bewußt war, weshalb die Zahlungen zur Zeit Maximilians nicht von Innsbruck aus erfolgt waren, weil nämlich Maximilian sie auf Karl abgewälzt hatte. 313

Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Prag, 4.3.1534 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 4, fol. 381v-382v, hier fol. 382r). 314

Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 29.11.1534 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 4, fol. 636r-v); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Linz, 8.8.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 37, fol. 154v-155r); Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Linz, 31.8.1538 (ebd., fol. 168r-169r, hier fol. 168v); Ferdinand an Vizestatthalter, Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 26.10.1538 (ebd., fol. 205r-v); Ferdinand an Kammer Innsbruck, Wien, 14.2.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 38, fol. 28v-30v, hier fol. 29v); Ferdinand

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Ferdinand nicht auf die naheliegende Tatsache, daß in der Erbeinung nicht die österreichischen Länder insgesamt, sondern allein Oberösterreich inbegriffen sei, weshalb die oberösterreichische Kammer auch allein für das Erbeinungsgeld aufzukommen habe. Den Bedenken der Innsbrucker, wenn sie offiziell für die Zahlung des Erbeinungsgeldes zuständig wären, müßten sie allein die eventuellen Folgen einer Nichtbezahlung tragen, wurde insofern Rechnung getragen, als die Zahlungen offiziell und pro forma durch den Hofzahlmeister erfolgten 315 . Die Eidgenossen quittierten den Erhalt des Geldes dem Hofzahlmeister, der wiederum der Innsbrucker Kammer für das Geld quittierte 316 . Dieses Verfahren war nicht nur an Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 15.3.1541 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 40, fol. 45r-46r, hier fol. 45v). 315

Die Zahlungen für die Drei Bünde in Graubünden (600 fl. pro Jahr), mit denen Österreich ebenfalls eine Erbeinung hatte, leistete die Tiroler Kammer sehr wohl, wie aus den Raitbüchem hervorgeht, und zwar mit beachtlicher Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. 316

Dieses Verfahren wurde während der gesamten Regierungszeit Ferdinands durchgehalten, die Belege dafür sind zahlreich, wenn sie auch häufig nicht das Verfahren selbst thematisieren; dieses wird aber z.B. aus den Ausstellern der Quittungen ersichtlich. So quittierte Sturtzel dem tirolischen Kammermeister Heidenreich für 2960 fl. Erbeinungsgeld. Sobald er von den Eidgenossen eine Quittung von Hofzahlmeister Angerer erhalten habe, solle Heidenreich ihm seine Quittung wieder zuschicken. Am Rande findet sich dann der Vermerk, daß dies geschehen sei (22.4.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 83r)). 1535 teilten Regierung und Kammer Sturtzel mit, daß die Eidgenossen für das bald eintreffende Erbeinungsgeld Quittungen auf den Hofzahlmeister Angerer ausstellen sollten (Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 16.6.1535 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 9, fol. 166r-v)). Als Sturtzel dann die Quittung für das Erbeinungsgeld nach Innsbruck geschickt hatte, schrieben Regierung und Kammer Innsbruck an den Hofzahlmeister, daß die Quittung auf ihn laute, da aber der tirolische Kammermeister das Geld gegeben habe, müsse Angerer erst diesem dafür quittieren, dann könnten sie ihm die Quittung der Eidgenossen schicken (Regierung und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 4.9.1535 (ebd., fol. 234v-235r)). Siehe auch die Quittung des Tiroler Kammermeisters Gregor Maschwander (4.4.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Entbieten 41, fol. 288r-v)), daß diese Zahlung in die Raitung aufgenommen werden solle, solange bis die Vergleichung mit Angerer geschehe (Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 26.4.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 35, fol. 87r-v)). Vgl. Quittung der Eidgenossen für das Erbeinungsgeld an Hofzahlmeister Michel Mandorffer (HHStA Wien, AUR 1560 V 7).

A. Bündnisse und Einungen umständlich und trug kaum zur Transparenz über die tatsächlich geleisteten und noch ausstehenden Zahlungen b e i 3 1 7 - es diente der Innsbrucker Kammer auch als Argument, um die wiederkehrenden Zahlungsaufforderungen mit dem Hinweis zurückzuweisen, wie man an den Quittungen sehen könne, sei bisher die Zahlung stets vom Hof aus erfolgt 318 . Bei Ferdinand verfing diese Argumentation freilich nicht. Der König rückte in aller Deutlichkeit die Tatsachen zurecht und betonte, daß die Erbeinung vor allem Tirol und die Vorlande betreffe und deshalb das Erbeinungsgeld auch von dort bezahlt werden solle, die Bezahlung von Hof aus geschehe "allain in schein unnd der ursach, das die lannde desstweniger ansprach zubesorgen haben" 319 . Deutlich wird aus diesen zahllosen Schreiben und Verhandlungen nicht nur die desolate Finanzlage, sondern auch, daß der Erbeinung doch eine ganz erhebliche Bedeutung beigemessen wurde. Man war geradezu ängstlich bemüht, sich nicht den Vorwurf einzuhandeln, Österreich habe durch die Nichtbezahlung des Erbeinungsgeldes die Erbeinung gebrochen. Die einzelnen Orte wurden bei den öffentlichen Pensionen gleich behandelt 3 2 0 , Unterwaiden erhielt also ebenso 200 fl. wie Zürich oder Bern. Dies entsprach der formalen Gleichberechtigung aller Orte in der Eidgenossenschaft, wo auch bei Abstimmungen jeder Ort eine Stimme hatte 321 . Die zusätzlich 317

So herrschte 1535 Unklarheit darüber, ob noch ein Jahr zur Bezahlung ausstehe. Die Innsbrucker Regierung und Kammer war der Meinung, daß alles bezahlt sei, wollte sich aber beim Hofzahlmeister erkundigen (Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 4.9.1535 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 9, fol. 232r); Regierung und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 4.9.1535 (ebd., fol. 234v-235r)). 318

Regierung und Kammer Innsbruck an Bernhard von Cles, 15.7.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 34, fol. 140r-141r, hier fol. 140v). 319

Ferdinand an Kammer Innsbruck, Wien, 14.2.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 38, fol. 28v-30v, hier fol. 29v). 320

Lediglich Appenzell war benachteiligt: Da Appenzell 1511 noch zugewandter Ort gewesen war, erhielt es wie Abt und Stadt St. Gallen nur 100 fl. Das änderte sich auch nicht, als Appenzell 1513 in den Kreis der Orte aufgenommen wurde. 321

Daß eine solche Regelung nicht den tatsächlichen Machtverhältnissen entsprach, liegt auf der Hand. Welch enormer Sprengstoff aber Bestrebungen innewohnte, bei irgendwelchen Vereinbarungen das tatsächliche Gewicht der einzelnen Orte zu berücksichtigen, hatten die Auseinandersetzungen um die Verteilung von Kriegsbeute gezeigt, die im Sempacherbrief 1393 und dann erneut im Stanser Verkommnis 1481 geregelt worden waren. 20 Braun

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gezahlten Privatpensionen eröffneten den auswärtigen Mächten jedoch die Möglichkeit, Gelder gezielt dorthin zu lenken, wo sie sich den größten Nutzen von ihnen versprachen. Von dieser Möglichkeit wurde denn auch reichlich Gebrauch gemacht, und es braucht kaum eigens erwähnt zu werden, daß die einzelnen Orte bei der Verteilung der Privatpensionen sehr unterschiedlich abschnitten. In der Erbeinung war zwar die Höhe des Erbeinungsgeldes festgelegt worden, nicht jedoch die Währung, in der das Geld erlegt werden sollte. Solange die Zahlungen in rheinischen Gulden erfolgten, gab es keine Probleme. Falls nicht, konnte es den Gesandten passieren, daß die Eidgenossen das Geld zunächst nicht akzeptierten oder zumindest über den Umrechnungskurs verhandelten. Tatsächlich zurückgewiesen haben die Eidgenossen eine österreichische Zahlung freilich nie 3 2 2 , das war ihnen wohl doch zu riskant. Sie beließen es vielmehr bei Ermahnungen, das nächste Mal in Gold oder "guter Münze" zu bezahlen 323 . Nach Möglichkeit bemühten sich allerdings bereits die Gesandten oder die Regierung, das Geld in der gewünschten Form bereitzustellen 324. Auch wenn die Innsbrucker Regierung behauptete, da im Text der Erbeinung diesbezüglich nichts bestimmt werde, müßten die Eidgenossen nach allgemeinem Brauch auch Münzen akzeptieren 325, beharrten die Eidgenossen doch auf ihren Forderungen. Während sie zunächst beispielsweise offensichtlich Kronen ak-

322

Es handelte sich dabei stets um Streitigkeiten mit den österreichischen Gesandten, mit Burgund gab es in dieser Hinsicht offenbar keine Probleme. 323

EA 4/1 d, Nr. 178, S. 377f. Die Eidgenossen wiesen zunächst das Erbeinungsgeld in Kronen und Baslermünze zurück, nahmen es nach einer entsprechenden Entschuldigung Heggentzers dann aber doch an, mahnten für die Zukunft allerdings eine korrekte Bezahlung an. 324

1532 schrieb Sturtzel, daß der Graf von Ortenburg das Geld in neuen Sechsem geschickt habe, die Eidgenossen aber nur rheinische Gulden akzeptieren wollten, weshalb er hier bleiben werde, bis das Geld in rheinischen Gulden geschickt würde (Sturtzel an Hieronymus Baidung, 30.1.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 6, fol. 40r)). Wenig später teilte die Regierung in Ensisheim mit, daß die 10.000 fl. (von der Türkenhilfe der Vorlande) vorhanden seien, "aber in allerlei muntz, so den aidgnossen an iren vortail nit annemlichen sein werden", weshalb sich die Ensisheimer um deren Umwechslung bemühten (Statthalter und Kammer Innsbruck an Regierung Ensisheim, 26.3.1532 (ebd., fol. 109r-v)). 325

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 14.10.1545 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 41, fol. 222r-223v, hier fol. 222r-v).

A. Bündnisse und Einungen zeptiert hatten 326 , verweigerten sie später deren Annahme 327 und wollten außer rheinischen Gulden nur noch Batzen akzeptieren 328. Obwohl die Frage der Währung immer wieder zu Diskussionen führte, kam es darüber doch zu keiner ernsthaften Konfrontation 329 - ganz offensichtlich wollten es beide Seiten darüber nicht zu einer Verstimmung kommen lassen. Österreich war bereit, notfalls auch einen kleinen Verlust wegen eines ungünstigeren Umrechnungskurses in Kauf zu nehmen 330 , und die Eidgenossen wollten nicht Gefahr laufen, durch Unnachgiebigkeit in der Währungsfrage den Erhalt des Geldes überhaupt aufs Spiel zu setzen 331 . Der gute Wille beider Seiten ist mithin deutlich spürbar. Die immer wiederkehrende Erörterung dieser Frage beleuchtet aber schlaglichtartig die Schwierigkeiten, die mit solchen Finanztransaktionen auch jenseits der reinen Beschaffung der entsprechenden Summe verbunden waren. Zwar wurde von beiden Seiten hin und wieder ein Zusammenhang zwischen dem Einhalten der Erbeinung und der Bezahlung des Erbeinungsgeldes herge-

326

TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Entbieten 41, fol. 288r-v (4.4.1539).

327

EA 4/1 d, Nr. 178, S. 377f.; Regierung Innsbruck an Ferdinand, 21.10.1547 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 43, fol. 286r-v). 328

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 21.10.1547 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 43, fol. 286r-v); Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Augsburg, 29.10.1547 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 46, fol. 208r-v). 329

Einmal wies die Innsbrucker Regierung Heggentzer zwar an, falls die Eidgenossen die Münzen nicht annehmen wollten und sich auch nicht kompromißbereit zeigten, solle er ihnen das Recht anbieten und das Geld wieder mitnehmen, aber dazu kam es nicht (Regierung und Kammer Innsbruck an Heggentzer, 10.11.1547 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 21, fol. 822r-823r, hier fol. 822v)). 330 R e gi e r U ng und Kammer Innsbruck an Hans Jakob Schmidt, Ratsschreiber zu Ensisheim, 24.12.1550 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 24, fol. 979v980r). 331

1553 brachte Heggentzer das Erbeinungsgeld in Sonnenkronen, kaiserlichen Kronen und Talem und bot den Eidgenossen an, falls sie das Geld so nicht oder nicht zu dem angebotenen Umrechnungskurs akzeptieren wollten, würde er es bis zur nächsten Tagsatzung wechseln. Die Eidgenossen nahmen das Geld dann aber an, da "die Zeitläufe veränderlich" seien (EA 4/1 c, Nr. 278, S. 828). 20*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

stellt 332 . Dies ging aber nicht so weit, daß die Habsburger die Zahlung des Geldes vom politischen Wohlverhalten der Eidgenossen abhängig machten. Die fünf katholischen Orte gingen aber offensichtlich von einer solchen Haltung Österreichs aus, als sie 1532 den Gesandten Ferdinands mitteilten, wenn der König den acht anderen Orten das Erbeinungsgeld nicht zahlen wolle, solle er es wenigstens ihnen zahlen 333 . Für die fünf Orte existierte also ein Zusammenhang zwischen dem Ausstehen mehrerer Jahrgänge des Erbeinungsgeldes und den konfessionellen Auseinandersetzungen, d.h. aus ihrer Sicht: dem Fehlverhalten der anderen Orte. Die Vermutung der fünf Orte war aber falsch: Das lange Ausbleiben des Geldes war allein auf den Geldmangel in den Kassen Ferdinands, vor allem infolge der gerade in diesen Jahren besonders großen Anstrengungen im Osten, zurückzuführen. Politisch wäre ein solches Verfahren zudem wenig sinnvoll gewesen: Wenn Innsbruck über die Bezahlung oder Nichtbezahlung des Geldes hätte Druck ausüben wollen, wäre eine Bezahlung gerade an die in konfessioneller Hinsicht schwankenden Orte angezeigt gewesen. So kam es nur in einem Fall zur Zurückhaltung der Gelder und zwar, als Österreich sich Anfang der 30er Jahre mit Bern, Zürich und Basel wegen Klostereinkünften stritt. Allerdings hielt Österreich auch dann die Zahlungen nicht einfach zurück, sondern hinterlegte sie beim Landvogt in Baden mit der Anweisung, sie erst auszuzahlen, wenn der Konflikt beseitigt sei 3 3 4 . Bei dem Streit um die Klostereinkünfte, der sich über einen langen Zeitraum hinzog, ging es - kurz zusammengefaßt - um folgendes: In den Klöstern Stein a.Rh. und Königsfelden war die Reformation eingeführt, die Klöster als solche also aufgehoben worden. Zürich und Bern weigerten sich nicht nur, die Klöster zu restituieren, sondern bezogen 332

Anfang 1524 wurde Luzern beauftragt, bei Zürich anzufragen, ob das Erbeinungsgeld inzwischen eingegangen sei, da die Kaiserlichen immer auf die Erbeinung pochten (EA 4/la, Nr. 164, S. 356). 1543 schrieb Karl den Eidgenossen, daß die Tatsache, daß Ferdinand den österreichischen Teil des Erbeinungsgeldes nicht immer rechtzeitig bezahlt habe, sie nicht von der Erfüllung ihrer Pflichten abhalten dürfe (EA 4/1 d, Nr. 154, S. 316). 333 334

EA 4/1 b, Nr. 683, S. 1282.

Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v). Da der Landvogt von Baden bis Ende Juni 1531 von Unterwaiden, anschließend von Zug und ab Juli 1533 von Glarus gestellt wurde, war gewährleistet, daß das Geld den Orten nicht gegen den Willen Österreichs ausgezahlt wurde.

A. Bündnisse und Einungen

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auch weiterhin die Einnahmen aus den Klostergütern. Nun war aber Königsfelden eine habsburgische Stiftung, und Stein a.Rh. stand unter österreichischer Kastvogtei. Deshalb war Österreich nicht gewillt, das Vorgehen der beiden Städte hinzunehmen und sperrte im Gegenzug die Einkünfte dieser Klöster auf österreichischem Gebiet; im Falle von Königsfelden handelte es sich dabei vor allem um Einkünfte in Waldshut. Umgekehrt verweigerten Zürich dem Kloster St. Blasien und Bern dem Kloster St. Peter die in ihrem Gebiet gelegenen Einkünfte. Basel hatte Einkünfte des Deutschordenskomturs von Beuggen mit Haft belegt. Deshalb ließ Österreich den drei Städten das Erbeinungsgeld nicht aushändigen, Zürich und Bern verweigerte es den gesamten ausstehenden Betrag von 900 fl., Basel nur eine Jahresrate von 150 fl. Der Streit mit Basel war relativ schnell beigelegt, Zürich gab immerhin im Streit mit St. Blasien nach, beide Städte erhielten daraufhin ihren Anteil ausbezahlt335. Die Auseinandersetzung mit Bern zog sich weiter hin, auf Vermittlung der anderen Orte wurde schließlich ein Kompromiß gefunden, der es beiden Seiten ermöglichte, ihr Gesicht zu wahren. Auf das Versprechen Berns hin, mit Österreich in der Hauptsache zu einer rechtlichen Einigung zu kommen und sich mit dem Abt von St. Peter zu vertragen, wurde dann auch Bern das Erbeinungsgeld ausbezahlt336. Auch hier wird einmal mehr der Wille deutlich, es nicht zum äußersten kommen zu lassen: Weder mit Zürich noch mit Bern war ja der Hauptkonfliktpunkt beseitigt, Österreich hatte sich vielmehr auf relativ nebensächliche Zusagen hin zur Auszahlung des zunächst einbehaltenen Geldes bereit erklärt. Wenn die Bezahlung des Erbeinungsgeldes oft nicht pünktlich erfolgte, so hatte dies nichts mit politischem Kalkül zu tun, sondern mit den Schwierigkeiten, das benötigte Geld aufzubringen. Die wiederholten Klagen der Eidgenossen - so berechtigt sie waren - dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß Österreich und Burgund im großen und ganzen ernsthaft bemüht waren, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen337. Dies ist nicht zuletzt daran zu erkennen, daß in der Regierungszeit Karls das Erbeinungsgeld vollständig gezahlt wurde 338 . Zunächst gab es zwar einige Anlaufschwierigkeiten, vor allem wegen 335

Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 29.8.1533 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 29, fol. 174r-v). 336

EA 4/1 c, Nr. 225, S.419; Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 12.12.1534 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 8, fol. 439r). 337

Entsprechende eidgenössische Klagen gegenüber Frankreich sind übrigens auch nicht gerade selten. Es wäre von daher nötig, auch einmal das französische Zahlungsverhalten genauer zu untersuchen. 338

Zu den Details der Zahlungen siehe die Tabelle im Anhang. Unsicherheiten bestehen lediglich zu 1519, bis August 1519 wurde jedenfalls nichts bezahlt (Augsburger Kommissare an Hans Acker, Augsburg, 6.8.1519 (HHStA Wien,

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

der Festlegung des österreichischen und burgundischen Anteils. Nachdem dies geklärt war, traf der burgundische Anteil relativ zuverlässig ein. Häufig war es dabei so, daß die Gesandten zwei Jahresraten auf einmal ablieferten, wenn die zweite Rate fällig war 3 3 9 . Größere Probleme gab es mit der Bezahlung durch Österreich: So mußten 1532 gleich sechs Jahresraten auf einmal beglichen werden, und auch danach war Österreich meist mit 2-3 Jahresraten im Rückstand. Österreich zahlte übrigens häufig drei Jahrgänge auf einmal. Daß die Eidgenossen stets recht hartnäckig auf die ausstehenden Zahlungen verwiesen, dürfte nicht so sehr an der Höhe der Zahlungen gelegen haben: Um für die Haushalte der einzelnen Orte wirklich Bedeutung zu erlangen, wie dies z.B. bei den französischen Pensionen der Fall war 3 4 0 , war der Betrag denn doch zu gering. Die politische Bedeutung der Zahlungen dürfte vielmehr im Vordergrund gestanden haben: Das Erbeinungsgeld war das sichtbare Zeichen für den grundsätzlichen Willen zu einem guten Verhältnis zueinander. In diesem Rahmen - Bemühungen um eine gute Nachbarschaft - ist auch die Bedeutung der Erbeinung für die Regierungszeit Karls V. einzuschätzen. Die direkten territorialen Konflikte zwischen den Vertragsparteien, die ein halbes Jahrhundert zuvor zum Entstehen der ersten Vereinbarungen geführt hatten, waren bereinigt. Spannungsfrei war das Verhältnis dadurch aber noch lange nicht geworden, die üblichen Reibereien zwischen Nachbarn waren nie frei von der Gefahr, sich aufgrund der gegenseitigen Ressentiments und Vorurteile zu größeren Konflikten auszuweiten. Gerade das Bewußtsein dieser Gefahr ließ beide Seiten vorsichtig agieren, an einer Neuauflage des Schwabenkrieges war niemandem gelegen. Vor diesem Hintergrund bildete die Erbeinung ein nicht gering zu schätzendes Instrument zur Regelung der beiderseitigen Beziehungen, durch die konkreten Bestimmungen ebenso wie durch ihre pure Existenz. Die Erbeinung bot vielfältige Möglichkeiten und auch Vorwände für Verhandlungen; band die Partner zwar nicht aneinander, setzte sie aber doch bei einer geSchweiz 4, fol. 60r-61v, hier fol. 60v)). Im Mai 1520 wurde dann Erbeinungsgeld entrichtet, ohne daß jedoch eine Summe genannt wurde, so daß nicht festzustellen ist, ob es sich dabei möglicherweise um die Zahlungen für 1519 und 1520 handelte. In den Zürcher und Schaffhauser Seckelamtsbüchern klafft für diese Zeit eine Lücke, eine Überprüfung von dieser Seite her ist also nicht möglich. 339

Einige Male bezahlte Burgund bereits vor dem Fälligkeitstermin, so im April 1542 für 1542 und 1543, und im April 1546 für 1545 und 1546. 340

Vgl. z.B. M. Körner, Luzerner Staatsfinanzen 1415-1798. Strukturen, Wachstum, Konjunkturen (Luzemer histor. Veröff. 13), Luzern/Stuttgart 1981.

A. Bündnisse und Einungen gen den Vertragspartner gerichteten Politik unter massiven Rechtfertigungsdruck. Sie drückte den Willen zweier Nachbarn zur friedlichen Koexistenz aus, und das war nach Jahrhunderten erbitterter Kämpfe ein nicht unbeträchtlicher Fortschritt. Von daher hatte die Erbeinung zentrale Bedeutung vor allem für den direkten Nachbarn der Eidgenossen, also für Österreich. Insofern war die Festlegung des österreichischen Anteils des Erbeinungsgeldes auf drei Viertel der Gesamtsumme durchaus gerechtfertigt. Ihre friedenserhaltende Rolle für Burgund ergab sich aus der Kombination von Erbeinung, wirtschaftlichen Interessen der Eidgenossen in Burgund, vor allem wegen des Salzes, und dem Wunsch von Grafschaft und Herzogtum Burgund, im Kampf zwischen Habsburg und Valois möglichst unbehelligt zu bleiben. Wenn es um die Erbeinung ging, trat also zumeist Ferdinand bzw. die Innsbrucker Regierung in Erscheinung. Karl konnte aus der Erbeinung, abgesehen von Burgund, kaum direkten Nutzen ziehen, da es ihm nicht gelang, ihre Ausdehnung auf alle seine Länder und eine Stärkung des militärischen Elements zu erreichen. Die erfolglosen Versuche seiner Gesandten 1536, auch mit Hilfe der Erbeinung eine eidgenössische Unterstützung für Frankreich zu verhindern, zeigten, daß die Erbeinung dafür nicht das geeignete Instrument war.

II. Konfessionelle Sonderbünde 1. Die Christliche Vereinigung von 1529 Die Christliche Vereinigung zwischen Ferdinand und den fünf katholischen Orten von 1529 erschien einer auf die konfessionellen Auseinandersetzungen fixierten Geschichtsschreibung als die logische und geradezu zwangsläufige Antwort auf die Christlichen Burgrechte der evangelischen Städte. Dabei wurde und wird allzu leicht übersehen, daß die eidgenössischen Orte nach der Ausprägung der konfessionellen Spaltung fortan nicht einfach als Vertreter einer der beiden Glaubensparteien agierten oder - eine Zeitlang wenigstens - konfessionell unentschieden waren, sondern daß sie weiterhin auch oder gar zuallererst langfristige territorial- oder wirtschaftspolitische Interessen verfolgten, die mit der konfessionellen Orientierung nicht unbedingt konform gehen mußten. Es bedurfte schon einer ganz ungewöhnlichen Zuspitzung der konfessionellen Kämpfe, damit diese Interessen hintangestellt wurden und nur noch die konfessionelle Zugehörigkeit zählte. Eine solche Zuspitzung erfuhren die konfessio-

2

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nellen Auseinandersetzungen in der Eidgenossenschaft in der Zeit der beiden Kappeler Kriege. Überlegungen dieser Art kommen in den Standarddarstellungen zur schweizerischen Geschichte über diesen Zeitraum freilich kaum vor. Die Zusammenarbeit längs der konfessionellen Grenzen erscheint vielmehr vorgegeben. Thematisiert wird allenfalls die Position der konfessionell noch unentschiedenen Orte oder der Städte Freiburg und Solothurn, da deren Festhalten am alten Glauben ihr traditionell enges Verhältnis zu Bern belastete. Für die führenden Orte auf beiden Seiten schien es solche abwägenden Überlegungen freilich nicht gegeben zu haben, "alles schied sich nach dem Glauben", wie Dierauer formulierte 341 . Einzig Oskar Vasella hat in seiner Studie "Österreich und die Bündnispolitik der katholischen Orte 1527-1529" darauf aufmerksam gemacht, daß erst beträchtliche Hindernisse überwunden werden mußten, bevor im April 1529 in Waldshut die Christliche Vereinigung unterzeichnet werden konnte. Die Hindernisse waren dabei durchaus auf beiden Seiten zu finden, denn das konfessionell so naheliegende Bündnis bedeutete politisch für beide Seiten eine teilweise doch erhebliche Kurskorrektur. Der bevorzugte Partner Österreichs in der Eidgenossenschaft war bisher zumeist Zürich gewesen, während in den Innerschweizer Orten alte Vorbehalte gegen Habsburg bestanden; aktuelle Gegensätze wegen Mailand kamen hinzu 3 4 2 . Luzern war seit einiger Zeit einer der zuverlässigsten Parteigänger Frankreichs in der Eidgenossenschaft. Ein Zusammengehen Luzerns mit Österreich, und sei es nur in einem konfessionellen Sonderbündnis, das die sonstigen Bündnisse unberührt lassen sollte, erforderte demnach eine deutliche Abkehr von der bisherigen Linie. Betrachtet man diese Voraussetzungen, erscheint der Abschluß der Christlichen Vereinigung weniger selbstverständlich und schon gar nicht zwangsläufig. Von daher dürfte es sinnvoll sein, sich der Entstehung der Christlichen Vereinigung etwas genauer zuzuwenden, und zwar unter Vernachlässigung der konfessionellen Aspekte, da diese bekannt und vielfach beschrieben sind 3 4 3 . Auszugehen ist vielmehr von

341

Dierauer, Geschichte 3, S. 142.

342

Die Orte fürchteten eine kaiserliche Herrschaft in Mailand. Am liebsten wäre ihnen eine schwache Herrschaft der Sforza gewesen, eine französische Herrschaft schien gegenüber einer kaiserlichen immerhin noch das kleinere Übel zu sein. 343

Jede Darstellung der Schweizer Geschichte der Zeit enthält entsprechende Abschnitte. Grundlegend: Escher, Glaubensparteien; ihm folgt z.B. weitgehend Dierauer.

A. Bündnisse und Einungen

313

den Bemerkungen Vasellas über die Schwierigkeiten, die bis zum Zustandekommen der Christlichen Vereinigung überwunden werden mußten 344 .

a) Die Entstehung der Christlichen Vereinigung Am 25. Dezember 1527 schloß Zürich ein Burgrecht mit Konstanz, das erste der sogenannten Christlichen Burgrechte, dem bald weitere folgten 345 . Damit trat die konfessionelle Auseinandersetzung in der Eidgenossenschaft in eine neue Phase, indem die Ausbreitung des neuen Glaubens mit Hilfe politischer Bündnisse gefördert werden sollte. Das Burgrecht mit Konstanz signalisierte überdies die Absicht, sich dabei nicht auf die Eidgenossenschaft zu beschränken, sondern nach Oberdeutschland auszugreifen. Die Vereinbarung der beiden Städte erregte denn auch beträchtliches Aufsehen inner- wie außerhalb der Eidgenossenschaft. Die katholischen Orte der Eidgenossenschaft fürchteten nicht zuletzt um ihre Herrschaftsrechte im Thurgau, da man annahm, Zürich könnte den Thurgau besetzen und an Konstanz übergeben, womit einerseits ein langgehegter Konstanzer Wunsch nach einem städtischen Territorium in Erfüllung gegangen und andererseits die evangelische Lehre im Thurgau gesichert worden wäre 3 4 6 . Aus der Sicht Österreichs bedeutete das Konstanzer Burgrecht den

344

Vorab eine Bemerkung zur Quellenlage: An archivalischen Quellen hat Vasella neben dem sogenannten "Schwabenbuch. Eidgenossen 1" (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*) vor allem Akten aus der Innsbrucker Hofregistratur Ferdinands benutzt, die damals noch nach ihrem ehemaligen Aufbewahrungsort in einem früher für die Unterbringung von Pestkranken genutzten Raum der Innsbrucker Hofburg als "Pestarchiv" bezeichnet wurden. Die für die 1520er Jahre in Frage kommende Abteilung der Hofregistratur im Tiroler Landesarchiv, nämlich A 5 (III, 18-20), der die meisten von Vasella aus dem Pestarchiv genannten Stücke entstammen, ist seit den 50er Jahren unauffindbar. Manchmal, aber bei weitem nicht immer, bieten die Kopialbücher der Regierung, die Vasella nicht verwendet hat, Ersatz; ansonsten ist man auf die Zitate und Zusammenfassungen bei Vasella angewiesen. 345

Am 31.1.1528 wurde das Burgrecht zwischen Bern und Konstanz geschlossen, am 25.6.1528 das zwischen Zürich und Bern, dem sich am 3.3.1529 Basel und am 15.10.1529 Schaffhausen anschlossen. Am 3.11.1528 schlossen Zürich und Bern ein Burgrecht mit St. Gallen, am 28.1.1529 mit Biel und am 17.2.1529 mit Mülhausen. 346

Vasella, Österreich, S. 62.

314

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

immer wieder befürchteten "Abfall vom Reich", eine im Reich weit verbreitete Interpretation des Vertrages 347 . Infolgedessen setzte auf das Bekanntwerden des Burgrechts eine geradezu hektische Aktivität ein. Nachdem schriftliche Ermahnungen ohne Ergebnis geblieben waren, entsandte die Innsbrucker Regierung Gesandte auf die Tagsatzung am 5. Februar 1528, um eine Aufhebung des Burgrechts zu fordern. Im Zusammenhang mit dieser Mission taucht erstmals der Gedanke an ein Bündnis Österreichs mit den katholischen Orten auf. In der Instruktion für die Gesandten heißt es, sie sollten sich wegen des Gerüchts, daß die katholischen Orte ein Bündnis mit Österreich anstrebten, erkundigen, aber nicht in Verhandlungen über diese Frage eintreten 348 . In einem gesonderten Schreiben wies die Regierung Dr. Sturtzel an, er solle den Orten die Möglichkeit eines Bündnisses mit Ferdinand andeuten, aber keine genaueren Zusagen machen 349 . Ob die Gesandten die Frage eines Bündnisses abseits der offiziellen Tagsatzungsverhandlungen im Gespräch mit Vertretern der katholischen Orte anschnitten, läßt sich nicht ermitteln 350 . Selbst wenn das Thema berührt worden sein sollte, weiterverfolgt wurde es jedenfalls nicht, denn in den nächsten Monaten ist von einer solchen Verbindung nirgends die Rede. Für das vorläufige Verschwinden der Bündnisüberlegungen, wenn sie denn überhaupt zur Sprache gekommen sein sollten, dürfte entscheidend gewesen sein, daß alle Beteiligten nach wie vor auf eine friedliche Beilegung des sich zuspitzenden Konflikts zwischen Altund Neugläubigen hofften. Gespräche über ein Bündnis aber hätten die Stimmung mit Sicherheit weiter angeheizt. Eine gerade Linie von diesen vagen 347

Die Debatte um Konstanz wurde in hohem Maße emotional geführt, siehe dazu Dobras, Karl V., S. 202f. Bei nüchterner Betrachtung hätte man eigentlich erkennen können, daß ein Abfall vom Reich und das heißt ein entscheidender Schritt in Richtung Aufnahme in die Eidgenossenschaft schon deshalb nicht emsthaft zu befürchten war, weil mit einer Zustimmung der katholischen Orte, die zudem überwiegend Länderorte waren, zum Beitritt der evangelischen Stadt nicht zu rechnen war. 348

Instruktion Ferdinands für Graf Friedrich von Fürstenberg, Dr. Sturtzel, Hans von Fridingen auf die Tagsatzung am 5.2.1528 in Luzem, Innsbruck, 26.1.1528 (HHStA Wien, Vorderösterreich 1, fol. 215r-216v, hierfol. 216r). 349

Regierung Innsbruck an Dr. Sturtzel, 26.1.1528 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 2, fol. 13lr-132r, hierfol. 13lv). 350

In den EA taucht ein entsprechender Punkt selbstverständlich nicht auf. Daraus können allerdings keine Rückschlüsse gezogen werden, da solche Gespräche ja auf keinen Fall Teil der offiziellen Verhandlungen gewesen wären.

A. Bündnisse und Einungen

31

Überlegungen bis zur Christlichen Vereinigung vom April 1529 kann jedenfalls nicht gezogen werden. Die Anweisungen an die Gesandten müssen vielmehr in die doch recht nervöse Stimmung nach Bekanntwerden des Burgrechts zwischen Konstanz und Zürich mit unzähligen Gerüchten, Überlegungen und Verdächtigungen eingeordnet werden. Zunächst freilich blieb eine weitere Zuspitzung der Lage aus. Zwar war an eine Aufhebung des Burgrechts nicht zu denken, das System der Burgrechte wurde vielmehr im Laufe des Jahres 1528 weiter ausgebaut, aber der mancherorts befürchtete rasche Angriff der evangelischen Städte erfolgte - noch - nicht. An Konflikten, die jederzeit in eine bewaffnete Auseinandersetzung münden konnten, mangelte es indessen nicht, so in Schwyz, im Toggenburg oder in Glarus. Die österreichischen Bemühungen im Frühjahr und Sommer 1528 galten aber vor allem dem Streit um Klostereinkünfte mit Zürich und Bern 3 5 1 . Für Karl spielten die religiösen Kämpfe innerhalb der Eidgenossenschaft zu diesem Zeitpunkt keine größere Rolle 3 5 2 . Er war nach wie vor in erster Linie an den eidgenössischen Söldnern für den Krieg gegen Franz I. in Italien interessiert: Ende Januar 1528 wurde Balthasar Merklin, der Propst von Waldkirch, beauftragt, die Eidgenossen zu gewinnen oder sie wenigstens neutral zu halten, d.h. die Erlaubnis für die Anwerbung eidgenössischer Söldner zu erlangen oder zumindest eine solche Erlaubnis für Frankreich zu verhindern 353. Auch im weiteren Jahresverlauf drehte sich die Korrespondenz zwischen den Brüdern stets um dieses Thema, wenn von den Eidgenossen die Rede war 3 5 4 . 351

Siehe dazu die Ausführungen im Kapitel über das Erbeinungsgeld.

352

Immerhin erging am 3.2.1528 ein kaiserliches Schreiben an Solothum, in dem die Stadt für ihr Verharren beim alten Glauben gelobt wurde (.Strickler, Actensammlung 1, Nr. 1893). Informationen über das Vordringen der evangelischen Lehre in der Eidgenossenschaft waren also an Karl bzw. seine Umgebung durchaus weitergeleitet worden. 353

Instruktion Karls für Wilhelm von Montfort zu Margarete und Ferdinand, Burgos, 31.1.1528 (FK 2, Nr. 149, S. 176-185, hierS. 182). 354

Ferdinands Antwort auf die Instruktion Karls für Wilhelm von Montfort, Prag, 29.5.1528 (FK 2, Nr. 189, S. 222-227, hier S. 226); Instruktion Karls für Wilhelm von Montfort an Margarete und Ferdinand, Madrid, 8.10.1528 (ebd., Nr. 232, S. 295-308, hier S. 302f.); Karls Antwort auf die Instruktion Ferdinands für Gabriel Sanchez, Toledo, 8.11.1528 (ebd., Nr. 240, S. 318-332, hier S. 322f.); Instruktion Karls für den Herrn de Moqueron und Wilhelm von Montfort zu Margarete und Ferdinand, Toledo, 28.11.1528 (ebd., Nr. 247, S. 335-346, hier S. 344). Auch in dem zuletzt genannten

31

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. Gerade die Auseinandersetzungen in Italien erschwerten aber den Inner-

schweizer Orten ein Zusammengehen mit Österreich. Im Frühjahr 1528 hatte Habsburg in Oberitalien einen für diese Orte nicht unbedenklichen Erfolg errungen, indem es gelungen war, Gian Giacomo de' Medici, der von seiner Feste Musso das Gebiet am Corner See kontrollierte, für Habsburg zu gewinnen. Eine habsburgische Kontrolle Oberitaliens, die mit diesem Erfolg ein beträchtliches Stück näherrückte, war den Innerschweizer Orten freilich ein Dorn im Auge, da Habsburg ihnen dann z.B. die Bedingungen für ihren Handel nach Süden diktieren konnte. Im Spätsommer 1528, nach dem kaiserlichen Sieg bei Neapel, wendete sich das Kriegsglück in Italien endgültig zugunsten Karls. Die Auswirkungen auf die Kriegslage mußten von den eidgenössischen Orten in ihren Überlegungen fortan nicht mehr in dem Maße wie bisher mitbedacht werden, da die Entscheidung gefallen war; man konnte sich allein den inneren Problemen, und das hieß vor allem: der Religionsfrage, zuwenden. Erst diese völlige Konzentration auf die konfessionelle Frage, das Zurücktreten aller übrigen politischen Interessen ermöglichte das Bündnis der fünf Orte mit Österreich. Bezeichnenderweise ergriffen aber auch jetzt nicht die katholischen Orte die Initiative zu einer erneuten Anknüpfung der Gespräche, sondern Bischof Hugo von Konstanz, Rudolf von Sulz, Statthalter des Innsbrucker Regiments, und Mark Sittich von Hohenems, Vogt von Bregenz. Während die Innsbrucker Regierung sich weiterhin vor allem um den Streit mit Zürich und Bern wegen der Klostereinkünfte kümmerte und die Spannungen innerhalb der Eidgenossenschaft nur wenig beachtete, versprachen die drei Genannten - wie es scheint, aus eigener Initiative und ohne Rücksprache mit Innsbruck - den fünf Orten für den Kriegsfall Unterstützung 355. Außerdem bot der Bischof von Konstanz gemeinsam mit dem Abt von St. Gallen an, im Kriegsfall die Soldaten mit Proviant zu versorgen 356. Hintergrund dieser Angebote waren die zunehmenden Auseinandersetzungen im Toggenburg und der Beginn des Aufstandes im Berner Oberland, der von Unterwaiden unterstützt wurde. Die Motive der beiden Geistlichen für ihren Vorstoß liegen auf der Hand. Ihnen ging es nicht nur um den Erhalt des alten Glaubens, sondern auch ihrer weltliStück begegnet die konfessionelle Spaltung in der Eidgenossenschaft nur als Ursache für das eidgenössische Verhalten in der Söldnerfrage, nicht jedoch als Problem oder Gefahr sui generis. 355 356

Strickler,

Actensammlung 1, Nr. 2127, S. 674.

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 14.10.1528 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 313r-v, hier fol. 313v).

A. Bündnisse und Einungen

31

chen Herrschaft, die bei einem weiteren Vordringen der evangelischen Lehre akut gefährdet war. Mark Sittich von Hohenems und Rudolf von Sulz befanden sich in einer ähnlichen Situation. Zwar waren sie katholisch geblieben und befanden sich in österreichischem Dienst, entscheidend dürften aber ihre eigenen Interessen in Gebieten unweit der Eidgenossenschaft gewesen sein. Mark Sittich amtete nämlich nicht nur als Vogt von Bregenz, auch sein Besitz lag dort in der Gegend; und Rudolf von Sulz besaß Gebiete im Klettgau, rund um die Küssaburg. Beide Männer hielten sich im Spätsommer 1528 in ihren Besitzungen auf, dürften also über die Vorgänge in der Eidgenossenschaft gut informiert gewesen sein. Für sie stellte sich die Gefahr und wohl nicht selten auch die Hysterie wesentlich unmittelbarer dar als für die vergleichsweise ferne Innsbrucker Regierung. Die Gefahr sahen sie nicht so sehr in der Ausbreitung der evangelischen Lehre in der Eidgenossenschaft - das hätte sie wohl kaum zum Eingreifen veranlaßt -, sondern in der Ausbreitung der Bewegung über den Rhein hinweg, die das Burgrecht mit Konstanz ja andeutete. Dies war für sie aber gleichbedeutend mit Aufruhr - die Erfahrung des Bauernkrieges und der Waldshuter Ereignisse von 1524 war allzeit präsent - und Opposition gegen jede Obrigkeit. Das tiefe Mißtrauen gegen die Eidgenossen, das auf österreichischer Seite nach wie vor herrschte, gründete sich nicht zuletzt auf die Annahme, daß das fremde politische System der Eidgenossen, dessen hervorstechendstes Merkmal das Fehlen des Adels als Stand war, eine Gefährdung der ständischen Ordnung des Reichs darstellte, da den Eidgenossen ein Drang zur Expansion und damit zum "Export" ihres Systems unterstellt wurde. Die Bereitschaft der Eidgenossen zur Zusammenarbeit bei der Unterdrückung der Unruhen auf beiden Seiten 1524 Ittinger Sturm hier, Waldshut dort - hätte Österreich und den Adel eines Besseren belehren oder zumindest eine etwas differenziertere Sicht nahelegen können, aber so leicht ließ sich das alte Vorurteil nicht beseitigen - und das Burgrecht mit Konstanz schien die Befürchtungen zu bestätigen. Dies ungefähr muß als die Gedankenwelt von Männern wie Mark Sittich oder Rudolf von Sulz angenommen werden, derartige Ängste dürften sie zu dem Versprechen an die fünf Orte veranlaßt haben 357 . 357

Deutlich kommt diese Haltung bei den Beratungen im Januar 1529 in Innsbruck zum Ausdruck, bei denen die beiden Männer anwesend waren. Dort wurde unter anderem argumentiert, daß "die kö. mt. nit lenger zusehen, noch feiern (sollte, B.B.), so man waist, mit was practic die besen bei den gueten und allenthalben handln und auch khein weil noch zeit feiern und sollte Teutscheland noch drew jar in der irrung sten, so seie verwettet, man werd khein herrn haben" (Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, S. 24). Für Ferdinand sei es überdies günstiger, wenn die Eidgenossen un-

31

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. Zunächst traf der Vorstoß aber weder bei den fünf Orten noch bei der Inns-

brucker Regierung auf Zustimmung. Die fünf Orte konnten sich auf ihrer Tagsatzung am 21. Oktober 1528 nämlich nicht auf eine Antwort auf das überraschende Angebot einigen 358 . Sie waren sich wohl im klaren darüber, daß eine solche Anknüpfung auswärtiger Verbindungen zu einer Verschärfung des Konflikts führen mußte, die sie, wenn möglich, vermeiden wollten. Innerhalb weniger Tage spitzte sich die Lage im Berner Oberland dann aber so zu, daß derartige Überlegungen in den Hintergrund traten, da nunmehr täglich mit einem Ausbruch des Krieges zwischen alt- und neugläubigen Orten gerechnet wurde. Bei einem erneuten Treffen verfaßten die fünf Orte deshalb ein Schreiben an Mark Sittich, in dem sie für das Angebot dankten und um "getreues Aufsehen" baten 359 . Dabei wiesen die fünf Orte auch darauf hin, daß es sich bei dem sich anbahnenden Konflikt mitnichten um eine rein innereidgenössische Angelegenheit handle, da Zürich auf die Hilfe der Bauern im Klettgau und Schwarzwald rechne 360 . Damit trafen die fünf Orte genau den für Österreich entscheidenden Punkt. Dennoch reagierte die Innsbrucker Regierung äußerst zurückhaltend, als Mark Sittich ihr einen Bericht über die Lage in der Eidgenossenschaft und das Schreiben der fünf Orte zusandte361. In einem Gutachten für Ferdinand riet die Regierung nicht nur von einer Unterstützung der fünf Orte ab, da dann ein Übergreifen des Krieges auf die österreichischen Erblande zu befürchten sei. Sie ging sogar noch weiter und empfahl nachdrücklich ein Einhalten der Erbeinung gegenüber Zürich und Bern, "die allermeist an E. kn. Mt. vordem erblande gräntzen und mit denen man täglich zu schaffen hat" 3 6 2 . Zu verhindern sei vieleins wären, da sich sonst der gemeine Mann in allen Gebieten erheben würde und dann würde "der fall... durch alle geburg und auf der ebne, durch das gantz reich gen, all underthanen hin nach fallen, alle oberkait und erberkhait, veriagt, vertriben und abgethan und solher fall nymer widerbracht werden" (ebd., S. 24). 358

Strickler,

Actensammlung 1, Nr. 2127.

35 9

Vasella, Österreich, S. 76f. Dieses Schreiben gehört in den Bestand, der im TLA Innsbruck nicht auffindbar ist. Man ist deshalb auf das Referat bei Vasella angewiesen. 360

Vasella fügt dieser Bemerkung den Ausruf an: "Seht zu, welches auch euer Schicksal sein wird, wenn jemals unsere Gegner, die auch euere Feinde sind, den Sieg erlangen", wohl ein modernisiertes Zitat aus dem Brief (Vasella, Österreich, S. 77). 361

Escher, Glaubensparteien, S. 60.

362

Escher, Glaubensparteien, S. 60.

A. Bündnisse und Einungen

31

mehr, daß die eidgenössischen Kriegsparteien aus dem übrigen Reichsgebiet Hilfe erhielten, was vor allem auf eine Unterstützung Zürichs und Berns durch die evangelischen oberdeutschen Reichsstädte zielte. Demzufolge war die einzige Maßnahme, die die Innsbrucker Regierung in dieser Situation ergriff, die Aufforderung an alle Vögte und zahlreiche Adlige entlang der Grenze zur Eidgenossenschaft zu erhöhter Wachsamkeit und Rüstung, um einen Zuzug zu den Eidgenossen zu verhindern 363. Außerdem sorgte man für eine Verbesserung des Informationsflusses, indem eine Postlinie von Füssen nach Ensisheim gelegt wurde 364 . Die Position der Innsbrucker Regierung ist eindeutig: Im Vordergrund stand die Sicherung des eigenen Landes, von konfessionellem Eifer ist nichts zu spüren. Die Antwort Ferdinands an die Regierung ging in dieselbe Richtung 365 , auch ihm kam es vor allem auf eine Eindämmung des Konflikts an. In der Eidgenossenschaft selbst war die unmittelbare Kriegsgefahr zwar vorläufig gebannt, von einer allgemeinen Entspannung konnte indessen keine Rede sein. Die gegenseitige Gereiztheit nahm vielmehr weiter zu, die überall umherschwirrenden Gerüchte taten ein übriges. Diese wollten von einer Zusammenarbeit der fünf Orte mit Österreich schon wissen, lange bevor die Verhandlungen darüber ernsthaft begannen366. Außerdem verdichteten sich die Spekulationen über ein bevorstehendes Burgrecht der evangelischen Städte mit Straßburg, was die Ausdehnung des Konflikts auf das übrige Reich befürchten ließ. Ganz rissen in dieser Zeit die Kontakte zwischen Österreich und den katholischen Orten aber tatsächlich nicht mehr ab. Allerdings handelte es sich dabei nicht um offizielle Gespräche, sondern um mehr oder minder informelle und konspirative Treffen, von denen auch nicht klar ist, inwieweit sie auf die Eigeninitiative der betreffenden Personen zurückgingen oder im Auftrag oder wenigstens mit Billigung der jeweiligen Obrigkeiten erfolgten. So berichtete Rudolf von Sulz von einem Treffen Ulrichs von Habsberg, des Vogts der vier Waldstädte am Rhein, mit Schultheiß Hebolt von Solothurn, Melchior Fruonz 363

Vasella, Österreich, S. 85f., Anm. 64.

364

Regierung Innsbruck an Mark Sittich, 9.11.1528 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 53v-54r). 365 366

Escher, Glaubensparteien, S. 61.

Bern an Zürich, 25.11.1528 (Strickler, an Zürich, 30.11.1528 (ebd., Nr. 2185).

Actensammlung 1, Nr. 2178); St. Gallen

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

3

aus Unterwaiden und N. Brandenburger aus Z u g 3 6 7 . Mark Sittich wiederum hatte seinen Unterlandvogt auf eine Landsgemeinde im Rheintal gesandt, die dort von den fünf Orten abgehalten wurde. Dabei wurde dem Unterlandvogt signalisiert, daß die fünf Orte, wenn sie bei Karl oder Ferdinand auf "Trost" rechnen könnten, bereit seien, die Vereinigung mit Frankreich aufzukündigen und statt dessen mit Karl und Ferdinand ein ewiges Bündnis einzugehen368. Damit hatten die fünf Orte einen entscheidenden Umschwung vollzogen 369 : Wegen der von ihnen als aussichtslos eingeschätzten Lage in der religiösen Auseinandersetzung waren sie nunmehr zu einer völligen Umorientierung ihrer Politik bereit. Aus ihrer - freilich nur indirekt aus dem Schreiben Mark Sittichs bekannten - Formulierung des Angebots wird sehr deutlich, wie einschneidend sie diesen Kurswechsel empfanden; das Bündnis mit Österreich war eben gerade nicht die selbstverständliche Lösung ihres Dilemmas. Deutlich wird aber auch, daß die Initiative zu dem Bündnis jetzt von den fünf Orten ausging, die in Mark Sittich einen bereitwilligen Vermittler fanden. Währenddessen bemühte sich die Innsbrucker Regierung um eine Zusage des Schwäbischen Bundes, daß er im Kriegsfalle die österreichischen Gebiete schützen werde 370 . Ihr Augenmerk richtete sich also nach wie vor auf die Sicherung des eigenen Herrschaftsbereiches. Erst Ende Dezember 1528 trat die Regierung dann dem Gedanken eines Bündnisses näher, nachdem Ulrich von 367

Rudolf von Sulz an die Regierung Innsbruck, Küssaberg, 21.11.1528 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 71r-72v, hier fol. 71 v). 368

Mark Sittich an die Regierung Innsbruck, Bregenz, 2.12.1528 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 92r-93r), siehe auch Vasella, Österreich, S. 95, Anm. 83. 369

Im folgenden wurden nur noch die fünf Orte bei den Verhandlungen aktiv, die ebenfalls katholischen Städte Freiburg und Solothum nahmen an den Bündnisgesprächen nicht teil. Dies war freilich keineswegs von vornherein klar gewesen, wie das Treffen des Solothumer Schultheißen Hebolt mit Ulrich von Habsberg zeigt. Das Papier, das den Räten in Innsbruck Mitte Januar 1529 als Beratungsgrundlage diente, ging dann aber davon aus, daß die beiden Städte zwar fest zum alten Glauben stünden, zu einem Bündnisbeitritt aber nicht bereit sein würden (Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, S. 14). Dennoch rechnete man bei dem Tag in Feldkirch mit einer Teilnahme von Boten beider Städte (Vasella, Österreich, S. 108, Anm. 109), zumal Solothum Ferdinand die Teilnahme angekündigt hatte (Ferdinand an Solothum, 1.2.1529 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 57v-58r, hier fol. 57v)). 370

Christoph Fuchs an die Regierung Innsbruck, Augsburg, 5.12.1528 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 87r-90v, hier fol. 90r-v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 9.12.1528 (ebd., fol. 84r-v, 94r, hier fol. 84r).

A. Bündnisse und Einungen

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Habsberg ihr berichtet hatte, daß der Luzerner Schultheiß Hug ihm und Dr. Sturtzel bei einem Treffen in Laufenburg die Bereitschaft der fünf Orte zu einem Bündnis signalisiert hatte 371 . Die Regierung lehnte ein Bündnis jetzt nicht mehr rundweg ab, sondern stellte es Habsberg und Sturtzel frei, die fünf Orte zur Entsendung einer Botschaft zu Ferdinand nach Innsbruck auf den 6. Januar zu bewegen und ihnen eine günstige Antwort des Königs in Aussicht zu stellen. Auf den 6. Januar 1529 hatte die Regierung nämlich eine Beratung Ferdinands mit Mark Sittich, Ulrich von Habsberg, Hans Jakob von Landau 372 und Dr. Sturtzel sowie Räten der Innsbrucker Regierung und Kammer über die Lage in der Eidgenossenschaft anberaumt 373. Dieser Termin war für die fünf Orte allerdings zu kurzfristig, erst auf einer Tagsatzung am 17. Januar 1529 in Luzern berieten sie über die Frage eines Bündnisses374. Selbst durch den nüchternen Text des Abschieds scheint noch die politische Brisanz dieses Bündnisses durch: Nicht nur, daß man nicht zugab, die Initiative zu dem Bündnis selbst ergriffen zu haben 375 , es wurde auch betont, daß durch dieses Bündnis alle anderen Bündnisse, insbesondere das mit Frankreich, nicht berührt würden und außerdem durch ein solches Bündnis der allgemeine Frieden gefördert würde. Erleichtert wurde den fünf Orten ihre Argumentation durch das Abflauen der Kämpfe zwischen Karl und Franz I . 3 7 6 . Bezeichnend ist ferner, daß man sich scheute, mit dieser Angelegenheit vor die Gemeinden zu treten, es wurde ausdrücklich Geheimhaltung in den Räten vereinbart - offenbar war man sich der Zustimmung der Gemeinden keineswegs si371

Regierung Innsbruck an Ulrich von Habsberg, 23.12.1528 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 2, fol. 333r-v). 372

Hans Jakob von Landau, Landvogt zu Nellenburg, war über Jahrzehnte hinweg einer der rührigsten Räte Habsburgs in den Vorlanden, allerdings nicht immer ganz zu durchschauen in seinen Aktivitäten und Interessen, so in den Auseinandersetzungen um die Inkorporation der Reichenau in das Konstanzer Hochstift in den 30er Jahren. Siehe auch Dobras, Karl V., S. 212. 373

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 20.12.1528 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 363r-v, hier fol. 363v). 374

EA 4/lb, Nr. 5, S. 16.

375

In dem Abschied hieß es nämlich, Ferdinand habe ihnen ein Bündnis angeboten.

376

Von daher stellte jetzt auch eine Aufkündigung des französischen Bündnisses nicht länger eine Voraussetzung für den Abschluß mit Österreich dar, weil angesichts der zu erwartenden Friedensverhandlungen nicht mehr zu befürchten war, daß die fünf Orte durch das Nebeneinander beider Bündnisse in ein größeres Dilemma kämen. 21 Braun

3

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

eher. Denn gegenüber den evangelischen Städten machte die Geheimhaltung keinen Sinn, hätte vielmehr ein frühzeitiges Bekanntgeben der Verhandlungen ein nicht unwillkommenes Drohpotential bilden können. Auf einer weiteren Tagsatzung in Luzern wenige Tage später beschloß man dann, die Regierung Innsbruck um die Ansetzung eines Tages in Feldkirch zu bitten 377 , wo über das in Aussicht genommene Bündnis verhandelt werden sollte. Mit diesem Schreiben kreuzte sich ein Schreiben Ferdinands, in dem dieser einen Tag nach Feldkirch auf den 15. Februar 1529 ansetzte378. Mittlerweile hatte nämlich in Innsbruck die auf den 6. Januar angesetzte Beratung Ferdinands mit seinen Räten stattgefunden 379. Dabei war erneut eine erhebliche Skepsis gegenüber den Eidgenossen im allgemeinen und dem geplanten Bündnis im besonderen zum Ausdruck gekommen: Das Mißtrauen gegenüber den Eidgenossen war groß 3 8 0 , zudem fürchtete man den Vorwurf eines Bruchs der Erbeinung 381 . Letztlich setzten sich aber doch die Argumente für ein Bündnis durch: Dazu gehörte neben der Verteidigung des alten Glaubens vor allem auch die Furcht vor einem Aufruhr der eigenen Untertanen bei einer weiteren Ausbreitung der evangelischen Lehre 382 . In bezug auf die Erbeinung 377

EA 4/1 b, Nr. 9, S. 24.

378

Luzern an Ferdinand, 26.1.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/1, fol. lr-v).

379

Die Protokolle der Verhandlungen sind gedruckt in: Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, Nr. 2, S. 12-28. 380

Besonders stark tritt dieses Mißtrauen in dem Argument zutage, es sei zu befürchten, daß die Eidgenossen sich doch noch einigen würden und dann mit vereinten Kräften Österreich überfallen würden, falls Österreich zwar ein Bündnis eingehen würde, zu Hilfe aber dann nicht in der Lage wäre (Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, S. 18 und S. 20). 381 382

Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, S. 18.

Zwei Beispiele für diese Befürchtung mögen genügen: Unter den Argumenten für das Eingehen eines Bündnisses wurde genannt, daß eine weitere Ausbreitung der neuen Lehre "all underthanen zu neuer aufruer verursachen und bewegen werde, wie dann zu besorgen, das vil der gestraften underthanen auf den ausgang der aidgenossen handlung ir vleyßig aufmergkhen haben" (Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, S. 18). Bei den abschließenden Beratungen zeichneten sich drei unterschiedliche Standpunkte ab: "Die dritten, der merer tail, bewege, erstlich den vergangen pawemkrieg, da seien die stet noch mit uns gewesen und die eidgenossen stil und fridlich gesessen, hab man genug zuschaffen gehabt sich zu erweren. Und wo der pundt zu Swaben nit gewesen, das es nit wol im reich gestanden were. Sollen yetze die bösen die

A. Bündnisse und Einungen

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wurde argumentiert, daß Zürich diese durch die Unterstützung Waldshuts 1524 und das Burgrecht mit Konstanz zuerst gebrochen habe 383 . Eindeutig war auch das Ziel, das die Räte mit dem Abschluß des Bündnisses verfolgten: Das Bündnis war nicht gedacht, um den fünf Orten in einem Religionskrieg zum Sieg zu verhelfen, es sollte durch seine abschreckende Wirkung den Krieg vielmehr verhindern 384. Aus diesem Grund sollten auch andere katholische Mächte zum Anschluß an das Bündnis bewogen werden wie der Bischof von Konstanz und weitere oberschwäbische Prälaten, die Herzöge von Savoyen und Lothringen, katholische Städte wie Überlingen, Ravensburg und Wangen, sogar an den Herzog von Bayern und den Erzbischof von Salzburg war gedacht. Das Wissen, im Kriegsfall einer erdrückenden Übermacht gegenüberzustehen, sollte die evangelischen Städte von einem Angriff abhalten. Falls der Krieg aber nicht zu verhindern sein sollte, wäre es besser, Österreich wäre mit den fünf Orten verbündet und müßte dann nur gegen einen Teil der Eidgenossenschaft kämpfen als allein gegen die gesamte Eidgenossenschaft 385. Auffallend an der Diskussion der Räte in Innsbruck ist, daß die politischen Argumente so deutlich im Vordergrund standen. Zwar wurde die Erhaltung des alten Glaubens selbstverständlich als erstrebenswertes Ziel vorausgesetzt, weshalb es darüber auch keiner weiteren Diskussion bedurfte, aber dieses religiöse Ziel besaß nicht einen solch hohen Stellenwert, daß sich deshalb politische Erwägungen von vornherein erübrigten. Wären diese politischen Erwägungen, und das heißt konkret: die Sorge um die innere Stabilität in den Vorlanden, nicht dazugekommen - für den Erhalt des alten Glaubens in der Eidgenossenschaft allein hätte Österreich die Christliche Vereinigung wohl kaum abgeschlossen. Vom 14.-20. Februar 1529 tagten die österreichischen Räte und die Boten der fünf Orte in Feldkirch. Am Ende der Verhandlungen stand ein Vertragsentwurf 3 8 6 , den die Gesandten beider Seiten 387 auf Hintersichbringen annahgueten vergewaltigen und die reichstett und gemeinen man an sich bringen, sy wurden ein feur anzinden das niemandt erlöschen möcht" (ebd., S. 23). 383

Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, S. 25.

384

Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, S. 25f.

385

Weisz, Quellen zur Geschichte der Kappelerkriege, S. 27.

386

Der Entwurf ist gedruckt in EA 4/1 b, Nr. 23, S. 52-57, nach dem Exemplar im StA Luzem, Al Fl Sch. 63, fol. 126r-131 v. Dort finden sich im ersten Absatz, der in den EA nicht abgedruckt ist, die Namen der Gesandten. Der letzte Absatz, der in den EA 21*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

men 3 8 8 . Für den 6. April wurde ein neuerliches Treffen vereinbart, und zwar in Waldshut, auf dem der endgültige Vertragstext beschlossen werden sollte. Wenn die Gesandten in Feldkirch fast eine Woche über den Vertrag verhandelten, so deutet dies darauf hin, daß die Verhandlungen keineswegs einfach waren; genauere Informationen darüber gibt es freilich nicht 3 8 9 . Augenfällig wur-

ebenfalls fehlt, enthält die Festsetzung des Tags in Waldshut (fol. 13lr). Im erwähnten ersten Absatz ist von der Vereinbarung übrigens als einer "cristenlichen veraynigung" die Rede, hier begegnet also die Bezeichnung, unter der der Vertrag später allgemein firmierte. In den einzelnen Artikeln taucht dann bloß die Bezeichnung "ainung" auf. 387

Die beiden Seiten waren mit sechs bzw. sieben Gesandten vertreten. Von den fünf Orten waren dies Jakob Feer aus Luzem, Caspar Imhof aus Uri, Joseph Arnberg aus Schwyz, Hans Arnstein aus Unterwaiden, Hans Georg und Ulrich Staub aus Zug. Die österreichische Delegation bestand aus Graf Rudolf von Sulz, Dr. Jakob Frankfurter, Ulrich von Habsberg, Mark Sittich, Dr. Jakob Sturtzel, Jakob Khuen von Belasi und Heinrich Treusch von Butlau. Die fünf Orte hatten also jeweils Ratsherren entsandt, aber nicht unbedingt die allererste Garnitur ihrer Politiker, wie z.B. die Schultheißen. Die Regierung Innsbruck bot die Männer auf, die mit den eidgenössischen Angelegenheiten am vertrautesten waren: Sturtzel hatte Österreich in den letzten Jahren zumeist auf den Tagsatzungen vertreten, auch Rudolf von Sulz und Ulrich von Habsberg waren verschiedentlich als Gesandte in der Eidgenossenschaft tätig gewesen. Ebenso wie Mark Sittich waren sie wegen ihres Amtes bzw. wegen der Lage ihres Besitzes gut über die Verhältnisse in der Eidgenossenschaft informiert. Mit Mark Sittich nahm überdies ein erfahrener Militär an den Verhandlungen teil; für die Entsendung Dr. Frankfurters, des oberösterreichischen Kammerprokurators, war möglicherweise entscheidend gewesen, daß man auch einen Finanzfachmann bei den Verhandlungen wissen wollte. Jakob Khuen war einer der Informanten der Regierung über die Verhältnisse in Graubünden, eine für die konfessionelle Auseinandersetzung - auch in militärischer Hinsicht - ja sehr wichtige Region. Die Zusammensetzung der österreichischen Delegation war mithin wohl durchdacht und ein Indiz dafür, wie wichtig diese Verhandlungen genommen wurden. 388

Die Gesandten Ferdinands waren nämlich ausdrücklich angewiesen worden, "nit besließlich, sonder allain auf ain hindersichbringen" zu verhandeln (Instruktion Ferdinands für seine Gesandten in EA 4/1 b, Nr. 23, S. 50f., hier S. 51), bei den eidgenössischen Orten war das ohnehin das übliche Verfahren. 389

Auch die Spione der evangelischen Städte, die in Feldkirch anwesend waren, konnten nicht mit genaueren Informationen aufwarten, sondern blieben auf sehr vage Spekulationen angewiesen, siehe Vasella, Österreich, S. 107f.

A. Bündnisse und Einungen

3

den die Schwierigkeiten dann an den zahlreichen Änderungsvorschlägen, die beide Seiten auf der Grundlage des Feldkircher Entwurfs vorlegten 390 . Die Waldshuter Verhandlungen wurden auf österreichischer Seite sorgfältig vorbereitet. Die Gesandten, die in Feldkirch verhandelt hatten, schickten Ferdinand den Vertragsentwurf z u 3 9 1 , die Innsbrucker Regierung arbeitete auf Befehl Ferdinands 392 ein Gutachten über den Vertragsentwurf aus 3 9 3 und nahm anschließend zu den - freilich minimalen - Änderungswünschen Ferdinands Stellung 394 . In Waldshut waren dann noch einmal zwei Wochen Verhandlungen nötig, bis der Vertrag unterschriftsreif war 3 9 5 .

390

Die Änderungsvorschläge sind gedruckt in EA 4/1 b, Nr. 23, S. 52-57, ebenfalls nach dem Exemplar im StA Luzem, Al Fl Sch. 63, fol. 124r-125v, 123r (kgl. Vorschlag) und fol. 132r-138r (Vorschlag der fünf Orte). Da die Änderungsvorschläge in den EA dem Feldkircher Entwurf synoptisch beigefügt sind und somit ebenfalls unter dem Datum 14.-18.2.1529 stehen, könnte leicht der Eindruck entstehen, es handle sich dabei um Vorschläge, die in Feldkirch vorgebracht worden sind, zumal eine entsprechende Erläuterung fehlt. Die Änderungsvorschläge setzen aber eindeutig den Feldkircher Entwurf voraus und bilden vielfach eine Vorstufe des endgültigen Textes. Außerdem drückt die Überschrift des königlichen Vorschlags "Die kö. Mt. zu Hungern und Behem etc....hat sich auf den Abschid, zu Feldkirch gefertigt, nachfolgender merung und besserung gnediklich entschlossen" (EA 4/1 b, Nr. 23, S. 52) deutlich aus, daß es sich um eine Reaktion auf den Feldkircher Entwurf handelte. 391

Ferdinand an die Regierung Innsbruck, Stuttgart, 1.3.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 2, fol. 317r). 392

Ferdinand an die Regierung Innsbruck, Stuttgart, 1.3.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 2, fol. 317r). 393

Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 14.3.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 375r); das Gutachten: ebd., fol. 375r-377r. Die Antwort Ferdinands auf das Gutachten vom 31.3. ist nicht erhalten, wird aber in einem Schreiben der Regierung und Kammer Innsbruck erwähnt und läßt sich danach weitgehend rekonstruieren (Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 9.4.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 389v-391r)).

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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b) Die Christliche Vereinigung - der Wortlaut des Vertrages Am 22. April 1529 wurde die Christliche Vereinigung in Waldshut unterzeichnet 396 . Die vertragschließenden Parteien waren Ferdinand als Erzherzog von Österreich für Oberösterreich und Württemberg auf der einen und die fünf Orte auf der anderen Seite. Als Ziel des Vertrages wurde genannt, die Gebiete der Vertragspartner beim alten Glauben zu erhalten, bis von einem Konzil eine

394

Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 9.4.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 389v-391r). 395

Über den Verlauf der Verhandlungen in Waldshut liegen keinerlei Informationen vor. Die fünf Orte waren nun mit einer stärkeren Delegation vertreten als in Feldkirch, jeder Ort hatte zwei Boten entsandt, und zwar waren jetzt außer den bereits in Feldkirch tätigen Boten noch anwesend: aus Luzem Altschultheiß Hans Hug, aus Uri der Altammann Josua von Beroldingen, aus Schwyz Alt-Landammann Gilg Richmuth, aus Unterwaiden der Nidwaldner Ratsherr Anton Adacker und aus Zug Götschi Zhag statt Ulrich Staub. Die Delegation war also nicht nur zahlenmäßig verstärkt, sondern auch mit hochrangigen Persönlichkeiten besetzt worden. Die Ursache hierfür dürfte gewesen sein, daß es jetzt wirklich um den Abschluß des Vertrages ging, und die fünf Orte noch zahlreiche Änderungen durchsetzen wollten. Auch im Hinblick auf die Vertretung des Vertrages vor den heimischen Gemeinden schien es angebracht, daß die führenden Männer in die Entscheidung und die Verhandlungen eingebettet waren, was durch ihre Teilnahme an den Verhandlungen gewährleistet war. 396

EA 4/1 b, Beilage Nr. 5. Eine detaillierte Analyse der verschiedenen Stadien des Vertrages erwies sich als nicht ergiebig, obwohl die einzelnen Vorstufen gut dokumentiert sind: der Feldkircher Entwurf, der Änderungsvorschlag der fünf Orte, der königliche Änderungsvorschlag mit den Vorstufen Gutachten der Regierung und königliche Antwort. Es ergeben sich keine substantiellen Unterschiede zwischen den einzelnen Vorschlägen, die Rückschlüsse auf prinzipielle Differenzen erlauben. Der Herausgeber der EA hat angesichts der auffallenden Übereinstimmungen die Vermutung geäußert, "daß die österreichischen Anträge den V Orten zu einer Vorberathung mitgetheilt wurden" (ebd., Nr. 23, S. 57). Dies erscheint zunächst durchaus plausibel; dem steht allerdings entgegen, daß die Regierung Innsbruck dem König auf seine Antwort erst am 9.4. antwortete, nachdem sie auch die Aufforderung, ein Gutachten anzufertigen, erst am 13.3. erhalten hatte (Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 14.3.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 375r)). Denkbar ist auch, daß beide Änderungsvorschläge auf einem gemeinsamen Papier des Feldkircher Tages basierten, das eine Übersicht über die unklaren Punkte enthielt.

A. Bündnisse und Einungen

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allgemeine Reformation vorgenommen würde 397 . Damit handelte es sich eindeutig um ein konfessionelles Sonderbündnis. Dieses war rein defensiv ausgerichtet. Die Verbreitung der lutherischen Lehre sollte streng untersagt werden 3 9 8 , die Partner sagten sich Unterstützung bei der Durchsetzung dieser Bestimmung z u 3 9 9 . An eine Ausbreitung des alten Glaubens - mit friedlichen oder militärischen Mitteln - war aber nicht gedacht 400 . Die Vertragspartner sollten auf keinen Fall den Krieg beginnen, höchstens in größter Gefahr waren sie aus Notwehr zu einem Angriff berechtigt 401. Selbst bei einem Angriff des Gegners sollte der Angegriffene, sofern nicht eine Notwehrsituation bestand, keineswegs sofort in den Krieg eintreten, sondern alle Glieder der Christlichen Vereinigung zu einem Treffen einladen, auf dem eine gütliche Beilegung des Konflikts versucht werden sollte. Erst wenn diese mißlang, sollte über Hilfsmaßnahmen beraten und beschlossen werden 402 . Nur wenn ein Vertragspartner aus Notwehr in den Krieg eintrat, waren die Verbündeten auch ohne vorherige Konsultation zu Hilfe verpflichtet, ansonsten mußte über einen Kriegseintritt und die daraus folgende Hilfspflicht in gegenseitigem Einvernehmen entschieden werden 403 . Die Sicherungsmechanismen, die verhindern sollten, daß Ferdinand unverse-

397

EA 4/1 b, Beilage Nr. 5, S. 1468f.

398

In dem Vertragstext - wie übrigens auch in den vorhergehenden Verhandlungen wird der Gegner stets als "lutherisch" bezeichnet, die Differenzen innerhalb der reformatorischen Bewegung wurden offenbar nicht wahrgenommen. 399

EA 4/1 b, Beilage Nr. 5, Art. 2 und 3, S. 1469.

400

Dies lag wohl nicht nur daran, daß insbesondere Ferdinand an einer solch offensiven Ausrichtung des Bündnisses kein Interesse hatte, da dann ein großer, auf das übrige Reich übergreifender Krieg zu befürchten gewesen wäre. Ein solcher Gedanke scheint auch von den fünf Orten nicht vorgebracht worden zu sein, was daran gelegen haben dürfte, daß die Reformation sich in diesen Jahren mit einer solchen Stoßkraft ausbreitete, daß die Eindämmung der Bewegung bereits als großer Erfolg angesehen wurde, an eine "Gegenreformation" aber noch nicht zu denken war und auch nicht gedacht wurde. 401

EA 4/1 b, Beilage Nr. 5, Art. 4, S. 1469f.

402

EA 4/lb, Beilage Nr. 5, Art. 5a, S. 1470.

403

Die Bestimmung über die unbedingte Hilfspflicht im Notfall war im endgültigen Text im Vergleich zum Feldkircher Entwurf präzisiert worden, da sie jetzt nicht nur wie im Feldkircher Entwurf im Art. 4 über das Verbot eines Angriffs stand, sondern auch im Art. 5a über die Maßnahmen bei einem feindlichen Angriff.

3

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

hens und gegen seinen Willen von den fünf Orten in einen Krieg gezogen werden konnte, waren mithin stark ausgebaut, ein Automatismus der Hilfeleistung sollte vermieden werden 404 . Für den Kriegsfall wurde in detaillierten Bestimmungen die Art und Höhe der zu leistenden Hilfe festgelegt. Die Hilfe sollte dabei jeweils auf Kosten des Hilfe leistenden Teils erfolgen; nur wenn die fünf Orte über den Rhein hinweg Österreich zu Hilfe zögen, sollten sie besoldet werden. Wenn Österreich also die Hilfe der fünf Orte benötigte, konnte Ferdinand in den fünf Orten Söldner zu den üblichen Konditionen anwerben lassen. Allerdings mußte er den fünf Orten vorher nachweisen, daß seine im Vertrag inbegriffenen Lande aus religiösen Gründen angegriffen würden. Wenn man einmal davon ausgeht, daß unter den Voraussetzungen der Jahre um 1530 die Glaubhaftmachung eines religiösen Hintergrunds bei einem Konflikt nicht allzu schwer gewesen sein dürfte, dann hätte diese Bestimmung wenigstens für den Verteidigungsfall für Ferdinand die Anwerbegarantie bedeutet, um die sich Karl bei den Verhandlungen um die Erweiterung der Erbeinung 1519 vergeblich bemüht hatte. Die Hilfe Ferdinands für die fünf Orte sollte für jene kostenlos sein. Mindestens genauso wichtig dürfte für die fünf Orte die Zusage gewesen sein, daß im Kriegsfall dem Gegner die Proviantzufuhr gesperrt werden sollte, die Vertragspartner sich aber gegenseitig alles Nötige zukommen lassen würden. Die Verhängung einer Proviantsperre durch die evangelischen Städte gehörte nämlich zu den Maßnahmen, die die fünf Orte mit am meisten fürchteten, da ihr Import von Norden her überwiegend über Zürcher und Berner Gebiet erfolgte, und mit dem Rheintal ein weiterer Zufuhrweg inzwischen weitgehend zur Reformation übergetreten war. Die Bestimmungen über die Modalitäten der gegenseitigen Hilfeleistung nahmen in dem Vertragstext breiten Raum ein und waren auch wesentlich ausführlicher gehalten als in dem Feldkircher Entwurf, und zwar auf Wunsch beider Seiten 405 . Wenn Escher schreibt, daß den Hilfsbestimmungen "eine Aus404

Zwar sind alle Bestimmungen reziprok formuliert, es ist aber klar, daß der Vertrag für einen Konflikt innerhalb der Eidgenossenschaft gemacht war, daß also Österreich der Hilfe leistende Teil sein würde. 405

Die Bestimmung im Feldkircher Entwurf war noch sehr summarisch gewesen, die Änderungsvorschläge beider Seiten enthielten dann zahlreiche Präzisierungswünsche, so bezüglich der Kostenverteilung und des Umfangs der Hilfe. Dabei gingen die Wünsche beider Seiten aber im wesentlichen in die gleiche Richtung. Es ist also keineswegs so, daß diese ausführliche Fassung im endgültigen Text "auf Veranlassung der V Orte" geschah, wie Escher behauptet (Escher, Glaubensparteien, S. 66).

A. Bündnisse und Einungen

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fuhrlichkeit gegeben (wurde), wie sie sich in keinem der eidgenössischen Bünde vorfinden dürfte" 406 , so ist die behauptete Tatsache richtig, die von ihm in diesem Zusammenhang gemachte Unterstellung, daß sich daran erneut die aggressive und kriegstreibende Haltung der katholischen Seite zeige, freilich nicht. Daß die Hilfsbestimmungen der Christlichen Vereinigung ausführlicher waren als die der eidgenössischen Bünde, liegt zum einen daran, daß es sich um eine andere Art von Vereinbarung handelte, nämlich um ein Bündnis und nicht um eine Einung. Ein Bündnis, das vor allem nach außen gerichtet war, gegen einen präsumtiven oder konkreten Gegner, enthielt im Verhältnis stets mehr derartige Bestimmungen als eine Einung, die wesentlich stärker die Binnenbeziehungen der Partner im Blick hatte. Zum anderen aber bedeuteten ausführliche Hilfsbestimmungen ja nicht unbedingt eine umfassendere Hilfe, vielmehr diente die Ausführlichkeit dazu, die Hilfe auf einen möglichst präzise festgelegten Fall zu beschränken und somit jeden Automatismus zu verhindern. Zu berücksichtigen ist auch, daß einer kurzen, summarischen Hilfsbestimmung, die einfach Hilfeleistung auf Anforderung der anderen Seite vorsah, ein ganz anderes Vertrauensverhältnis zugrunde liegen mußte. Die detaillierten, oft geradezu kleinlichen Bestimmungen der Christlichen Vereinigung zeugen genau vom Gegenteil. Die Ausführlichkeit der Bestimmungen hatte also gerade nicht die von Escher unterstellte Ursache und Wirkung. Sodann wurde festgelegt, was mit möglichen Eroberungen geschehen sollte. Dabei wurde hervorgehoben, daß man den Eindruck vermeiden wolle, die Verteidigung des Glaubens diene nur als Vorwand für einen Eroberungskrieg. Deshalb sollten eventuelle Eroberungen außerhalb der Eidgenossenschaft Ferdinand zukommen, Eroberungen innerhalb der Eidgenossenschaft den fünf Orten. Escher sieht hierin erneut eine aggressive Tendenz des Bündnisses407, einen Angriff auf den Gebietsbestand der evangelischen Städte. Vasella betont dagegen zu Recht, daß Voraussetzung für einen Krieg laut Vertragstext ja ein Angriff auf die katholischen Orte war, von einer offensiven Tendenz insofern also nicht die Rede sein könne 408 . Außerdem ziele die Bestimmung weniger auf das Gebiet der Städte selbst als vielmehr auf die Gemeinen Herrschaften, in denen beide Seiten versuchten, ihren Einfluß zu vergrößern. Der eigentliche Sinn dieser Bestimmung dürfte aber noch ein anderer gewesen sein. Es ging 406

Escher, Glaubensparteien, S. 66.

407

Escher, Glaubensparteien, S. 67f.

408

Vasella,, Österreich, S. 110.

3

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nicht darum festzulegen, daß die katholische Seite im Falle eines Sieges eventuell eroberte Gebiete behalten dürfte - dies verstand sich von selbst und wäre im Detail ohnehin Gegenstand von Friedensverhandlungen geworden. Von vornherein festgeschrieben werden sollte vielmehr, daß keiner der Vertragspartner der Christlichen Vereinigung auf die andere Rheinseite übergreifen sollte. Ziel war also die Aufrechterhaltung der in der Erbeinung festgelegten Einflußsphären. Die Bestimmung war demnach Ausdruck des Mißtrauens, das zwischen den Vertragspartnern weiterhin herrschte, drückte aber auch den Willen aus, durch den als unvermeidlich angesehenen Konfessionskrieg nicht zusätzliche Konfliktherde zu schaffen, nachdem sich die Regelung der Erbeinung ja bewährt hatte. Diese Interpretation des strittigen Artikels wird gestützt durch die Bestimmung, daß Konstanz nicht zum Zirkel der Eidgenossenschaft gerechnet werden sollte. Das Burgrecht mit Zürich und Bern wurde nicht als Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft gewertet, insofern galten auch im Falle von Konstanz die Grenzen der Erbeinung und des Basler Friedens. Ob Österreich damit freie Hand gegenüber Konstanz gelassen wurde, die Stadt in die österreichische Herrschaft einzugliedern, erscheint freilich fraglich. Betont werden sollte vielmehr, daß Konstanz nicht Teil der Eidgenossenschaft war. Wohl kaum wurde damals bereits an eine Degradierung von Konstanz zur österreichischen Landstadt gedacht. Eine solche Maßnahme wäre 1529 vermutlich zu riskant gewesen - wenn auch Österreich selbstverständlich prinzipiell nicht unerwünscht -, zumal die Propaganda nach dem Burgrecht mit Zürich gerade auf den Erhalt der Stadt beim Reich, und das hieß auch: als Reichsstadt, gezielt hatte. Für eine solch einschneidende Maßnahme bedurfte es schon des großen Sieges von 1547, ein innereidgenössischer Konflikt konnte dazu kaum die ausreichende Rechtfertigung bieten. Aufmerksamkeit verdienen noch die Vorbehaltsklauseln am Schluß des Vertrages. Während Ferdinand seinen Bruder Karl, den Schwäbischen Bund und "all älter püntnussen" vorbehielt, behielten die fünf Orte "all älter püntnussen, nämlich unser loblich fryheiten, alt harkomen, gerechtigkeiten und zuogehörden" sowie alle Bündnisse mit demfranzösischen König und anderen Königen, Fürsten und Herren vor 4 0 9 . Ausdrücklich ausgenommen wurde außerdem von beiden Seiten die Erbeinung 410 . Entgegen den üblichen Gepflogenheiten verzichteten die fünf Orte mithin auf eine ausdrückliche Nennung der eidgenössi-

409

EA 4/1 b, Beilage Nr. 5, Art. 11, S. 1474.

410

EA 4/1 b, Beilage Nr. 5, Art. 10, S. 1474.

A. Bündnisse und Einungen

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sehen Bünde, im Gegensatz auch zu den Christlichen Burgrechten, in denen die eidgenössischen Bünde stets vorbehalten worden waren. Es ist umstritten, ob mit dem Passus über die älteren Bündnisse unter anderem die eidgenössischen Bünde gemeint sein könnten41

doch spricht der Wortlaut eher gegen diese An-

nahme, da im Anschluß daran die "älteren Bündnisse" als Freiheiten und Gerechtigkeiten erläutert werden 412 . Unabhängig davon spricht jedoch bereits die Tatsache, daß die eidgenössischen Bünde nicht eigens genannt wurden, eine hinreichend deutliche Sprache, zumal wenn man bedenkt, daß das Bündnis mit Frankreich ausdrücklich erwähnt wurde 413 . Das Verhältnis der alt- und der neugläubigen Orte in der Eidgenossenschaft war so sehr zerrüttet, daß die alten Bünde kaum noch als bindend und verbindend empfunden wurden, wofür beispielsweise auch die weitverbreitete Praxis getrennter Tagsatzungen Zeugnis ablegt. Weit mehr als die Hilfsbestimmungen zeigt dieses Detail den radikalen Kurswechsel der fünf Orte weg von der eidgenössischen Gemeinschaft hin zu einer allein an der konfessionellen Frage ausgerichteten Politik. Zu fragen ist schließlich nach dem Verhältnis von Erbeinung und Christlicher Vereinigung. Die Erbeinung war in der Christlichen Vereinigung von beiden Seiten vorbehalten, was insofern seltsam anmutet, als die Christliche Vereinigung gegen das Verbot der Erbeinung, Angehörige der anderen Seite in Burgoder Schirmrecht anzunehmen, verstieß. Mit der Christlichen Vereinigung wurde scheinbar eines der Hauptziele der Erbeinung, nämlich die Abgrenzung der Einflußsphären beider Seiten entlang des Rheins, verletzt. Bei genauerem Hinsehen verhalten sich die Dinge jedoch ein wenig anders. Die konfessionelle Spaltung und besonders die Offensivkraft der zwinglischen Reformation hatten auf österreichischer Seite die Vorbehalte gegen die Eidgenossen wieder lebendig werden lassen. Die Zürcher Reformation bestätigte in vollem Umfang die gegen die Eidgenossen traditionell bestehenden Vorurteile: Expansionsdrang sowie Unterstützung aufrührerischer Bewegungen und somit Destabilisierung der Obrigkeit. Die Unruhen in Waldshut und der Bauernkrieg boten den scheinbar unumstößlichen Beweis für diese These, und das Burgrecht Zürichs

411

Escher, Glaubensparteien, S. 70.

412

Andererseits ist es unüblich, Freiheiten und Herkommen als Bündnisse zu bezeichnen. Es ist also allein auf der Grundlage des Wortlautes nicht möglich, diese Frage abschließend zu beantworten. 413

S. 70).

Escher hat zu Recht auf diesen Punkt hingewiesen (Escher, Glaubensparteien,

3

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

mit Konstanz bildete hierfür ein weiteres Indiz. Vor diesem Hintergrund bot die Erbeinung aus der Sicht Österreichs nicht mehr die gewünschte Garantie für die Abgrenzung der Einflußsphären entlang des Rheins, weil ein Teil der Eidgenossenschaft - so die österreichische Auffassung - sich nicht mehr an diese Abmachungen hielt. Um die Stabilität der österreichischen Herrschaft in den Vorlanden und in Württemberg zu sichern, waren deshalb unter den veränderten Bedingungen der konfessionellen Auseinandersetzung andere Mittel nötig. Männern wie Rudolf von Sulz und Mark Sittich sowie den fünf Orten gelang es, die Regierung Innsbruck und Ferdinand zu überzeugen, daß ein Bündnis zwischen den katholischen eidgenössischen Orten und Ferdinand ein solches Mittel sein könnte. Insofern war die Christliche Vereinigung für Österreich nicht primär ein konfessionelles Sonderbündnis, sondern sollte von ihrer Funktion her vielmehr die Erbeinung ersetzen, zumindest für die Zeit der konfessionellen Kämpfe. Für Österreich hatte die Christliche Vereinigung also weit weniger die Funktion eines Bündnisses als für die fünf Orte, die sich davon wirklich Unterstützung in einem Krieg gegen die evangelischen Städte erhofften. Die unterschiedlichen Zielvorstellungen, die auf beiden Seiten mit dem Vertrag verbunden waren, ließen mithin Schwierigkeiten bei seiner Umsetzung erwarten.

c) Die Christliche Vereinigung und der Erste Kappeler Krieg Zwar ist die Christliche Vereinigung in der einschlägigen Forschung, also insbesondere von Escher, gebührend gewürdigt worden, aber dies geschah nur aus dem Blickwinkel der eidgenössischen Religionskriege. Aufgrund dieser Perspektive wurde allerdings die österreichische Seite des Vertrages fast völlig übersehen, nämlich, daß die Bereitschaft Österreichs, einen solchen Vertrag abzuschließen, nur zu verstehen ist, wenn man den Vertrag einordnet in die langfristigen Bemühungen Habsburgs, die Beziehungen zu dem als potentiellen Unruheherd eingeschätzten Nachbarn vertraglich zu regeln und so die österreichische Herrschaft in den Vorlanden zu sichern. Eine solcherart allein von den konfessionspolitischen Prämissen ausgehende Forschung tat sich von daher auch schwer, die Probleme bei der Umsetzung des Vertrages und sein letztlich klägliches Scheitern einzuordnen, denn in konfessioneller Hinsicht herrschte zwischen den Vertragspartnern ja prinzipielle Übereinstimmung. Hinzu kommt, daß sich bislang nur die schweizerische Forschung der Christlichen Vereinigung angenommen hat und diese für die österreichischen Entscheidungsprozesse kein Interesse gezeigt hat 4 1 4 .

A. Bündnisse und Einungen

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Österreich hatte die Christliche Vereinigung abgeschlossen, obwohl Ferdinand und seine Räte wissen mußten, daß es im Ernstfall große Schwierigkeiten bereiten würde, die geforderte Hilfe aufzubringen. Demzufolge hatten die Bedenken des Königs gegen einige Punkte des Regierungsgutachtens zum Feldkircher Entwurf auch weniger dem Vertragstext an sich gegolten, sondern den Vorschlägen der Regierung über die im Ernstfall notwendigen Maßnahmen, vor allem über die Aufteilung der Hilfeleistung 415 . Unproblematisch war der Punkt, daß nach Abschluß der Christlichen Vereinigung die Regierung Ensisheim mit der Durchführung aller Maßnahmen beauftragt werden sollte, die mit dem Bündnis zusammenhingen416. Eine derartige Regelung diente der klaren Kompetenzverteilung und der Vermeidung entsprechender Streitigkeiten; die Regierung Ensisheim saß zudem wesentlich näher an der Eidgenossenschaft als die Innsbrucker Regierung. Mit Dr. Jakob Sturtzel war überdies ein Mann aus ihren Reihen seit langem als "Fachmann in eidgenössischen Angelegenheiten" mit der Materie bestens vertraut. Die Kompetenzverlagerung in die Vorlande war insofern ein Gebot der Vernunft. Anders sah es dagegen mit der zumindest teilweisen Verlagerung der aus dem Vertrag resultierenden finanziellen und sonstigen Verpflichtungen auf die Vorlande und Württemberg aus, wie sie von der Innsbrucker Regierung gewünscht wurde. Der König wies die Regierung darauf hin, daß die Vorlande und erst recht Württemberg zu einem solchen Beitrag möglicherweise nicht bereit wären, beauftragte die Regierung aber dennoch, mit den Ständen der betreffenden Gebiete zu verhandeln 417. Diese Beratungen lassen erkennen, daß auf österreichischer Seite mit einem baldigen Eintreten des Bündnisfalles gerechnet wurde, denn nur so sind die detaillierten Erwägungen noch vor Abschluß des Vertrages zu verstehen. Nach der

414

Vasellas Darstellung dagegen endet im wesentlichen mit dem Abschluß der Vereinigung, ist also für die Frage der Umsetzung der Christlichen Vereinigung unergiebig. 415

Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 9.4.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 389v-391r). 416

Die Innsbrucker Regierung hatte für diese Aufgabe zunächst einige Mitglieder der Regierung Ensisheim vorgeschlagen, der König wollte die gesamte Regierung damit beauftragt wissen. 417

Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 9.4.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 389v-391r, hier fol. 390r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Unterzeichnung der Christlichen Vereinigung nahmen die Vorsorgemaßnahmen dann konkrete Gestalt an: Entgegen dem ursprünglichen Vorschlag sollte nun nicht mehr allein die Regierung Ensisheim für die Umsetzung der Christlichen Vereinigung zuständig sein, sondern je zwei Räte der Regierungen in Innsbruck, Ensisheim und Stuttgart 418 . Vor allem aber waren diese Wochen ausgefüllt mit Beratungen und Verhandlungen über die Aufbringung des Geldes für die den fünf Orten zugesagte Hilfe. Zu dieser Hilfe sollten Tirol, die Vorlande und Württemberg beitragen, was Verhandlungen mit den jeweiligen Ständen nötig machte 419 . Dabei wirkte sich negativ aus, daß die Vorlande und Württemberg nicht in die Verhandlungen über die Christliche Vereinigung einbezogen worden waren. Die Stände sollten Geld für die Durchführung eines Vertrages bewilligen bzw. der Umwidmung der Türkenhilfe für diesen Zweck zustimmen, an dessen Aushandlung sie nicht beteiligt, ja: über den sie nicht einmal informiert worden waren. Die vorderösterreichischen Stände wollten deshalb dem Vertrag nicht zustimmen, von finanzieller Hilfe ganz zu schweigen 4 2 0 . In Innsbruck wiederum war man sich noch uneinig darüber, ob zur Erlangung einer derartigen Hilfe die Einberufung eines Landtages notwendig sei,

418

Anstatt zwei Räten der Regierung Innsbruck sollten die Landvögte von Neuenbürg und Schwaben, also Hans Jakob von Landau und Hans von Fridingen, bevollmächtigt werden, damit nicht ständig zwei Innsbrucker Räte allein zu diesem Zweck in die Vorlande abgestellt werden mußten (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Linz, 11.5.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 2, fol. 361r-v)). Schließlich zum Delegierten ernannt wurde Adam von Homburg, da Landau gerade nicht verfügbar war. Der zweite Gesandte war tatsächlich Hans von Fridingen, aber erst als zweite Wahl anstelle Mark Sittichs, der auf dem Weg nach Ungarn war. 419

Ferdinand an Rudolf von Sulz, Dr. Hieronymus Baidung, Dr. Jakob Frankfurter, Linz, 12.5.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 2, fol. 361v-363v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 13.5.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 410r-41 lv); Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 22.5.1529 (ebd., fol. 416v-418r). 420

Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 17.5.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/1, fol. 25r-26r); Regierung Ensisheim an Ferdinand, 17.5.1529 (ebd., fol. 27r28v, 33r-v). In diesem Schreiben beklagte sich auch die Regierung Ensisheim bitter über die mangelhafte Informationspolitik. Sturtzel habe die Regierung nur davon unterrichtet, daß die Artikel in Feldkirch und in Waldshut auf Hintersichbringen angenommen worden seien; erst im Nachhinein hätten sie erfahren, daß auch sie direkt betroffen seien.

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was man gern vermeiden wollte; auf jeden Fall aber sollte die Vereinigung den Ständen bekanntgegeben werden 421 . Obwohl man mit entsprechenden Beratungen sehrfrühzeitig begonnen hatte, war deshalb noch überhaupt nichts geregelt, als die fünf Orte entsprechend der Vereinigung einen Tag auf den 8. Juni 1529 nach Waldshut ansetzten, um mit den königlichen Räten über die fortdauernden "Praktiken" Zürichs in den Gemeinen Herrschaften zu beraten 422 . In dieser mißlichen Lage sah Sturtzel nur den einen Ausweg, daß die Räte in Waldshut nicht den Krieg beschließen dürften, obwohl dafür genügend Ursachen vorhanden seien, sondern daß sie eine gütliche Einigung vermitteln sollten. Nur so könne Österreich dem Vorwurf des Vertragsbruchs entgehen423. Alle diese Überlegungen wurden aber durch den raschen Kriegsausbruch hinfällig. Am 6. Juni beschloß Zürich den Aufbruch, worauf erste Fähnlein auszogen, am 8. Juni erklärte Zürich den fünf Orten den Krieg. Damit war für die fünf Orte der in der Christlichen Vereinigung vorgesehene Notfall eingetreten. Dementsprechend begannen sie ohne weitere Rücksprache mit der Gegenwehr

421

Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 22.5.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 416v-418r). 422

Fünf Orte an Regierung Ensisheim und Ferdinand, 25.5.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/1, fol. 45r-46v); EA 4/1 b, Nr. 102, S. 192. Daneben wandte sich Luzem übrigens direkt an Mark Sittich, zu dem die fünf Orte offenbar ganz besonderes Vertrauen hatten, informierten ihn über den Tag in Waldshut und baten ihn um "getreues Aufsehen" und Hilfe im Notfall (Luzem an Mark Sittich, 26.5.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/1, fol. 47v)). 423

Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 31.5.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/1, fol. 58r-v). Auch noch wesentlich später setzten die königlichen Räte auf eine Vermittlungsaktion. Am 19.6. schrieben die königlichen Kommissare in Waldshut an einen Straßburger, der auf dem Weg in die Eidgenossenschaft war, und baten ihn, gütlich oder mit Recht zu vermitteln, wofür sie ihm ihre Unterstützung anboten (Königliche Kommissare in Waldshut an einen Straßburger Gesandten in der Eidgenossenschaft, Waldshut, 19.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 80r-v)). Dieser verzweifelte Versuch (von einem Straßburger war nicht emsthaft eine Entscheidung zugunsten der fünf Orte zu erwarten) ist nur verständlich als letzter Ausweg, um der Pflicht zur Hilfe bzw. dem Vorwurf des Bruchs der Christlichen Vereinigung zu entgehen, auch wenn die Kommissare am Schluß des Schreibens versicherten, daß Ferdinand bei einem Scheitern der Vermittlungsbemühungen seine Bundesverwandten nicht im Stich lassen würde.

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und baten Österreich um sofortige Hilfe 4 2 4 . Als die königlichen Kommissare am 9. Juni in Waldshut eintrafen 425 , hatte der Krieg bereits begonnen. Gesandte der fünf Orte waren angesichts der veränderten Lage gar nicht erst in Waldshut erschienen. Den königlichen Räten blieb in dieser Situation nur noch, von allen Seiten Hilfe für die fünf Orte anzufordern - auch damit der König nicht in den Ruf der Unzuverlässigkeit gerate, wie sie betonten 426 . Bei ihren ersten Bitten, nämlich um eine Besatzung für die vier Waldstädte am Rhein und Pferde für eine Grenzpatrouille, stand freilich erneut die Sorge um das eigene Gebiet im Vordergrund 427. Obwohl der ursprüngliche Zweck ihrer Anwesenheit in Waldshut sich durch den Kriegsausbruch erledigt hatte, blieben die Kommissare weiter in der Stadt, um Informationen zu empfangen und zu verteilen sowie eventuell notwendige Maßnahmen zu koordinieren. Sie übernahmen damit scheinbar genau die Aufgabe, die Ferdinand ihnen zugedacht hatte, nämlich über alle Fragen der Christlichen Vereinigung zu entscheiden. Vor selbständigen Entscheidungen scheuten die Kommissare freilich zurück, ließen vielmehr alle Probleme an die Regierung in Innsbruck gelangen 428 , wodurch der Nutzen ihrer Präsenz unweit des Ortes des Geschehens doch stark verringert wurde. Zwar traten die Kommissare mit zahlreichen Schreiben in Aktion und waren auch stets gut über die Ereignisse in der Eidgenossenschaft informiert 429 . An 424

Fünf Orte an [Regierung Innsbruck (?)], Luzern, 8.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 5r-6r). 425

Es handelte sich dabei um folgende Personen: Hans von Fridingen, Adam von Homburg, Rudolf von Ehingen, Hug von Ehingen, Hans Immer von Gilgenberg, Dr. Jakob Sturtzel. 426

Königliche Kommissare in Waldshut an Regierung Innsbruck, Waldshut, 10.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 14r-v, 16r, 15r). 427

Königliche Kommissare in Waldshut an Regierung Innsbruck, Waldshut, 10.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 14r-v, 16r, 15r, hier fol. 15v). 428

Die Beispiele für diese Haltung sind zahlreich, zuerst läßt sich dies beobachten in: Königliche Kommissare in Waldshut an die fünf Orte, Waldshut, 10.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 24r-v). 429

Die Berichte an die Regierung Innsbruck sind sehr detailliert und berichten präzise z.B. über die Truppenbewegung in der Eidgenossenschaft, aber auch über die Vermittlungsbemühungen der nicht am Krieg beteiligten Orte (Königliche Kommissare in Waldshut an Regierung Innsbruck, Waldshut, 11.6.1521 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 32r-v); Königliche Kommissare in Waldshut an Regierung Innsbruck, Waldshut, 12.6.1529 (ebd., fol. 34r-v)). Die Informationsübermittlung scheint dabei zumindest teilweise über den Landvogt in Baden, den Schwyzer Jakob an der Rüti, gelaufen zu

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ernsthaften Anstrengungen, eine Hilfe für die fünf Orte zu organisieren, ließen sie es aber fehlen; möglicherweise, weil sie nur zu gut wußten, daß eine entsprechende Bitte kaum auf offene Ohren stoßen würde. Die Regierung in Stuttgart beteuerte zwar ihre Bereitschaft, Hilfe zu leisten, falls eine gütliche Vermittlung erfolglos sein sollte. Wie eine solche Zusicherung einzuschätzen war, zeigte aber die Reaktion auf die Bitte um Entsendung von Pferden an die Grenze: Diese wurde abgelehnt, weil die Entsendung von bis zu 50 Pferden unzweckmäßig sei und überdies für den Hegau die Regierung in Innsbruck zuständig sei 4 3 0 . Diese Antwort ist typisch für das Verhalten der Stände und auch der Regierungen der betreffenden österreichischen Länder: Die Verantwortung wurde hin und her geschoben, jedes Land fürchtete, über Gebühr zu der Hilfe beitragen zu müssen 431 . Immer wieder wurde auch erwogen, die bereits bewilligte Türkenhilfe für diesen Zweck zu verwenden. Ganz abgesehen davon, daß angesichts der nach Westen vorrückenden Türken dieses Geld dringend für seinen eigentlichen Bestimmungszweck gebraucht wurde, hatte dieser vermeintliche Ausweg aber noch einen entscheidenden Haken: Die Türkenhilfe war zwar bewilligt, aber noch nicht eingezogen worden, an eine schnelle Hilfe war also auch auf diesem Weg nicht zu denken 432 .

sein (Königliche Kommissare in Waldshut an den Landvogt zu Baden, Waldshut, 14.6.1529 (ebd., fol. 53r-v)). 430

Regierung Stuttgart an die königlichen Kommissare in Waldshut, 13.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 43r-44r). 431

Regierung Ensisheim an Ferdinand, 18.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 57r-60r); Hans Jakob von Landau an Regierung Innsbruck, Weingarten, 18.6.1529 (ebd., fol. 61r-70r); Regierung Stuttgart an Regierung Innsbruck, 19.6.1529 (ebd., fol. 76r-77r); Regierung Stuttgart an Ferdinand, 20.6.1529 (ebd., fol. 86r-89r); Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 20.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/3, fol. 86r-87r); Hans von Fridingen an Regierung Innsbruck, Waldshut, 22.6.1529 (ebd., fol. 18r-v); Regierung Ensisheim an die königlichen Kommissare in Waldshut, 24.6.1529 (ebd., fol. 51r-53r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 24.6.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 454r-455r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 25.6.1529 (ebd., fol. 455r-456v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 25.6.1529 (ebd., fol. 457r-v); Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 25.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/3, fol. 50r-v, 55r). 432

Hans Jakob von Landau an Regierung Innsbruck, Weingarten, 18.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 61r-70r, hier fol. 66v); Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 20.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/3, fol. 86r-87r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 24.6.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 454r22 Braun

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Dessen ungeachtet machten die Waldshuter Kommissare den fünf Orten noch am 19. Juni Hoffnung auf baldige Hilfe und entschuldigten deren bisheriges Ausbleiben mit starkem Hochwasser 433. Freilich schienen die Kommissare zu diesem Zeitpunkt bereits zu ahnen, daß die fünf Orte das Eintreffen dieser Hilfe vielleicht nicht würden abwarten können. Die Kommissare gaben nämlich ihrer Hoffnung Ausdruck, die fünf Orte würden keinen nachteiligen "Bericht" annehmen. Wenige Tage später wurde diese Ahnung bestätigt: Bereits am 25. Juni, dem Tag des Friedensschlusses, berichteten die königlichen Kommissare aus Waldshut nach Innsbruck, daß sie von einer Beilegung des Konflikts gehört hätten 434 . Die fünf Orte informierten die Waldshuter Kommissare noch am selben Tag über den Frieden, wobei sie, wenn auch sehr vorsichtig, Kritik an ihrem unzuverlässigen Bündnispartner anklingen ließen 435 : "So haben wir ylends die ko. mt. auch E.g. und gunst umb ylende hilff und zuzug ervordert und ermant, lut der brieven euch zugeschickt, wie ir dann noch gut Wissens tragen, da sich aber die sach euwerthalb gnug lang verzogen haben, auch nichts entlichs von E.g. konden vememen, ob die hilff unnd euwer angriff vorhanden, dann jetzt inn euwerm letsten schreiben uff denn xviiiiden tag brachmonats ußgangen, darzu wir gemerckt das euwer kriegs folck von wegen der grossen wasser nit so ylends ankörnen mögen und besonder das ir dem ratsboten von Straßburg geschriben in gütlichen underhandlung das best zuthun, welches uns mer untrost dan gute hoffnung gebracht, angesehen das die Straßburger unsem finden im glauben gleichförmig und inen mer dann uns zuhelffen genaigt sind, dardurch wir gefercht, das euwere hilff und zuzug uns zu spat geschehen wurde".

455r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 25.6.1529 (ebd., fol. 455r-456v); Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 25.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/3, fol. 50r-v, 55r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 28.6.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 460r-461r); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Linz, 4.7.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 2, fol. 388v-392r). 433

Königliche Kommissare in Waldshut an die fünf Orte, Waldshut, 19.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/2, fol. 82r-v). 434

Königliche Kommissare in Waldshut an Regierung Innsbruck, Waldshut, 25.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/3, fol. 60r). 435

Fünf Orte an die königlichen Kommissare in Waldshut, Zug, 25.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/3, fol. 63r-64v, hier fol. 63v-64r).

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In Anbetracht des insgesamt doch als ziemlich kläglich zu bezeichnenden Verhaltens Österreichs während des Ersten Kappeler Krieges mutet es schon seltsam an, wenn Ferdinand Kritik daran übte, daß die fünf Orte ohne Rücksprache einen Frieden abgeschlossen hatten, und beteuerte, daß Österreich ihnen die benötigte Hilfe sicher hätte zukommen lassen 436 . Von der ersten Nachricht der fünf Orte mit der Ansetzung eines Tages nach Waldshut bis zum Friedensschluß waren immerhin mehr als vier Wochen vergangen, in denen die fünf Orte vergeblich auf irgendeine Hilfe gewartet hatten; außer zahlreichen Briefen hatten sie nichts erhalten 437 . Österreich scheint nicht einmal eine Proviantsperre gegen die evangelischen Städte verhängt zu haben. Hans Jakob von Landau machte nämlich am 24. Juni die Regierung Innsbruck auf den entsprechenden Artikel der Christlichen Vereinigung aufmerksam und bemängelte, daß bisher nichts in diese Richtung geschehen sei, so daß weiterhin von Radolfzell oder Überlingen Getreide an die evangelischen Städte geliefert werden könne 438 . Die Ursachen für das Versagen der österreichischen Politik sind in der Uneinigkeit zwischen den einzelnen österreichischen Ländern zu suchen, in der mangelnden Einbindung insbesondere der Regierung Ensisheim in die Ver436

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Regensburg, 1.7.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 2, fol. 386v-388r). Zwei Wochen später bat er die Regierung Innsbruck, den fünf Orten mitteilen zu lassen, daß er bereit gewesen sei, ihnen auf seine Kosten Hilfe zu schicken und daß der Zuzug bereits beschlossen gewesen sei, als sie sich in einen Vertrag mit ihren Widersachern eingelassen hätten. Allerdings sollte diese Mitteilung nicht offiziell in Ferdinands Namen, sondern in dem der Regierung erfolgen; ein Indiz, daß Ferdinand das Aufstellen einer derartigen Behauptung doch nicht allzu eng mit seinem Namen verknüpft wissen wollte (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Budweis, 14.7.1529 (ebd., fol. 404v-405r)). 437

Unsicher ist auch, ob die fünf Orte das ihnen zugesagte Pulver erhalten hatten. Mitte Mai wurden für die fünf Orte auf königlichen Befehl 10 Zentner Pulver und 15 Zentner Blei aus dem Innsbrucker Zeughaus nach Waldshut verordnet (Ferdinand an Kammer Innsbruck, Linz, 13.5.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 28, fol. lOOv); Kammer Innsbruck an Ferdinand, 26.5.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 25, fol. 104r-v)), noch bevor eine entsprechende Bitte der fünf Orte die Regierung Innsbruck oder den König erreicht hatte (Boten der fünf Orte in Baden an Regierung Ensisheim, Baden, 13.5.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/1, fol. 22r24v, 21r; hier fol. 23r)). Da über das Eintreffen des Pulvers aber nirgends etwas verlautet, ist es zweifelhaft, ob die Lieferung die fünf Orte erreichte. 438

Hans Jakob von Landau an Regierung Innsbruck, Nellenburg, 24.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/4, fol. 57r-v, 59r, 58r, hier fol. 57v). 22*

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tragsverhandlungen und fehlender Entschlossenheit auf österreichischer Seite. Niemand - weder die Räte in Waldshut noch die Regierung in Innsbruck - war bereit, klare Anweisungen zu geben sowie für deren Durchsetzung zu sorgen und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen. Ferdinand selbst befand sich nach dem Reichstag von Speyer auf dem Weg nach Osten, wo die anrückenden Türken ihm zunehmend Sorgen bereiteten. Die Kommissare in Waldshut waren mit der ihnen durch die Überstürzung der Ereignisse zugefallenen Aufgabe restlos überfordert: Sie beklagten sich, daß Innsbruck keinen hochrangigen Mann zu ihnen schicke. Sie selbst seien nur zu Verhandlungen hierher geschickt worden, aber nicht, um zu beschließen, und zur Kriegführung hätten sie weder Befehl noch Gewalt 4 3 9 . Auf diese Bitte reagierte die Innsbrucker Regierung erst, als es schon zu spät war: Am 28. Juni entsandte sie Dr. Jakob Frankfurter und Sigmund Brandisser mit detaillierten Anweisungen, wo sie Hilfe eintreiben sollten 440 . Erklären läßt sich dieses Verhalten nur damit, daß der Hilfe für die katholischen Orte der Eidgenossenschaft von den Entscheidungsträgern auf österreichischer Seite eben doch keine allzu große Bedeutung beigemessen wurde: Zwar fürchtete man um die Sicherheit der eigenen Gebiete, aber solange sich die katholischen und evangelischen Eidgenossen bei dem doch weit von den Grenzen entfernten Kloster Kappel gegenüberlagen, sahen die österreichischen Behörden keinen dringenden Handlungsbedarf 441. 439

Königliche Kommissare in Waldshut an Regierung Innsbruck, Waldshut, 24.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/3, fol. 35r-36v, hier fol. 35v-36r). 440

Instruktion der Regierung Innsbruck für Sigmund Brandisser und Dr. Jakob Frankfurter, 28.6.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Entbieten 31, fol. 609r-615v). 441

Eine Ausnahme auf österreichischer Seite bildete lediglich Mark Sittich. Eigentlich schon auf dem Weg nach Ungarn, war er an den Bodensee zurückgekehrt und hatte sofort begonnen, Truppen anzuwerben, war dabei allerdings auf große Widerstände gestoßen. Dies ging sogar so weit, daß z.B. die Grafen von Montfort und einige Städte ihren Untertanen den Auszug verboten, als Mark Sittich zur Unterstützung der fünf Orte Truppen anwerben lassen wollte (Mark Sittich an Regierung Innsbruck, Bregenz, 22.6.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/3, fol. 19r-21v, 24r); Mark Sittich an Hugo und Wolf von Montfort, Überlingen, Ravensburg, Wangen und Buchhorn, Bregenz, 22.6.1529 (ebd., fol. 22r-23r)). Mark Sittich brachte das teilweise geradezu heuchlerische Verhalten der königlichen Kommissare in Waldshut schonungslos zur Sprache, indem er den Vermittlungsauftrag an einen Straßburger kritisierte und die Entschuldigung, das Hochwasser habe eine Hilfeleistung verhindert, als das anprangerte, was sie war: nämlich eine Ausrede (Mark Sittich an Regierung Innsbruck, Bregenz, 29.6.1529 (ebd., fol. 84r-85v, hier fol. 85r)).

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Angelegt waren diese Schwierigkeiten freilich bereits in den unterschiedlichen Erwartungen, die mit der Christlichen Vereinigung auf beiden Seiten verbunden waren, und insofern stellten sie ein grundsätzliches Problem dieser Vereinbarung dar und nicht nur eines der mangelhaften Umsetzung. Die fünf Orte hatten das Bündnis abgeschlossen, um im Kriegsfall Unterstützung zu erhalten, Österreich dagegen, um die weitere Ausbreitung der zwinglischen Reformation, die mit Aufruhr gleichgesetzt wurde, in seine Gebiete zu verhindern. Solange ein innereidgenössischer Krieg zwischen evangelischen und katholischen Orten die Gebiete nördlich des Rheins nicht tangierte, hatte Österreich demnach kein Interesse an einem Kampf gegen die evangelischen Städte. Dies hatten die fünf Orte schmerzlich erfahren müssen. Die fünf Orte mußten im ersten Kappeler Frieden die Christliche Vereinigung kündigen. Das Bündnis Ferdinands mit den fünf Orten blieb damit eine kurze Episode von gerade einmal zwei Monaten. Den fünf Orten hatte es nicht das gebracht, was sie sich von ihm erhofft hatten. Ferdinand hätte es aufgrund der reziprok formulierten Hilfsbestimmungen bei längerer Dauer vielleicht die Möglichkeit geboten, sich das militärische Potential der fünf Orte verfügbar zu machen. So aber mußte es Ferdinand und seinen Räten zunächst einmal um Schadensbegrenzung gehen, da ihr Verhalten in diesem Krieg kaum dazu beigetragen haben dürfte, die Reputation Österreichs in der Innerschweiz zu verbessern.

2. Vom Ersten zum Zweiten Kappeler Landfrieden: Bündnispolitik ohne Bündnis Mit dem Ersten Kappeler Landfrieden hörte zwar die Christliche Vereinigung auf zu existieren, die Verbindung der fünf Orte zu Ferdinand und zu Österreich riß aber keineswegs abrupt ab, ja: in den gegenseitigen Beziehungen markierten die Kappeler Vereinbarungen kaum einen Einschnitt. Diese Tatsache erscheint zunächst erstaunlich: Die fünf Orte hätten wahrlich Ursache gehabt, ihrem unzuverlässigen Bündnispartner zu zürnen und deshalb die Verbindung zu Österreich abzubrechen. Für Österreich wiederum hätte die durch den Kappeler Frieden erzwungene Aufkündigung der Christlichen Vereinigung der nicht unwillkommene Anlaß sein können, sich von der Eidgenossenschaft abzuwenden, nachdem die befürchtete Gefährdung der Vorlande ausgeblieben war. Statt dessen setzten beide Seiten ihren Briefwechsel und Informationsaustausch fort, als ob nichts geschehen wäre 4 4 2 .

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. Dies lag zunächst daran, daß der Friedensschluß kaum eine wirkliche Verän-

derung der Situation in der Eidgenossenschaft gebracht hatte. Die konfessionellen Spannungen bestanden unverändert fort, der Frieden hatte keine der kontroversen Fragen wirklich gelöst, die Kriegskostenfrage war in dem Dokument sogar von vornherein ausgespart worden und harrte noch der Entscheidung. Zürich und die Reformation Zwingiis waren aus der Auseinandersetzung gestärkt hervorgegangen, mit einer weiteren Ausbreitung der Reformation mußte also gerechnet werden. Und tatsächlich vollzog sich gerade in den Wochen und Monaten nach dem Ersten Kappeler Frieden in Schaffhausen der entscheidende Umschwung zur Reformation 443. Damit mußte sich die Furcht der fünf Orte vor einer endgültigen Durchsetzung der neuen Lehre in den Gemeinen Herrschaften und letztlich in der Eidgenossenschaft überhaupt verstärken. Auch die Sorgen der Innsbrucker Regierung und Ferdinands um die innere Stabilität in den Vorlanden waren keineswegs geringer geworden 444 . Allgemein war die Überzeugung verbreitet, daß ein erneuter Waffengang in absehbarer Zeit unvermeidlich sein würde 445 .

442

Escher erwähnt einige der Kontakte zwischen Österreich und den fünf Orten bald nach Abschluß des Ersten Kappeler Landfriedens und weist auf die Befürchtungen hin, die diese Kontakte auf evangelischer Seite auslösten. Diese Befürchtungen seien jedoch kaum berechtigt gewesen, da aus den österreichischen Antworten an die katholischen Orte "kaum mehr als allgemein gehaltene, höchst unzuverlässige Zusicherungen zu entnehmen waren" (Escher, Glaubensparteien, S. 112), und "man in Lucern auf blosse ungewisse Versprechungen hin sich nicht zum zweiten Male eine solche Enttäuschung wie die im Juni erlittene bereiten mochte" (ebd., S. 111). 443

Am 15.10.1529 schloß sich Schaffhausen dann dem Christlichen Burgrecht mit Zürich und Bern an. 444

In einem ausführlichen Ratschlag vom 25. Juli erläuterte die Innsbrucker Regierung ihre Sicht der Dinge. Sie betonte, daß die Lage jetzt noch gefährlicher sei als zuvor. Die Vorlande, zu deren Sicherheit die Christliche Vereinigung ja überhaupt abgeschlossen worden sei, hätten durch ihre mangelnde Hilfsbereitschaft eine hervorragende Chance zur Demütigung der Eidgenossen verpaßt (Escher, Glaubensparteien, S. 113f.). Da die Quellenangabe bei Escher "Stuttg. Arch." allzu ungenau ist, war ein Rückgriff auf das Original leider nicht möglich. Im Kopialbuch B 17, Bd.l 1* befindet sich das angegebene Stück jedenfalls nicht. 445

Sigmund Brandisser, Dr. Jakob Frankfurter an Regierung Innsbruck, Überlingen, 16.7.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/4, fol. 45r-v, hier fol. 45r); Ferdinand an Regierung

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Die Bedingungen, die zur Kontaktaufhahme zwischen den fünf Orten und Österreich und dann zum Abschluß der Christlichen Vereinigung geführt hatten, bestanden also fort. Dementsprechend änderte sich auch wenig an der Politik der fünf Orte und vor allem Österreichs. Neu war lediglich, daß diese Politik sich jetzt nicht mehr auf die Christliche Vereinigung berufen konnte. Praktisch wirkte sich dies aber nicht aus, da die Bestimmungen der Christlichen Vereinigung nie in die Realität umgesetzt worden waren. Für Österreich hatte sich die Lage damit vereinfacht. Österreich hatte sein mit der Christlichen Vereinigung verbundenes Hauptanliegen, nämlich die Sicherung der Vorlande, auch ohne die Erfüllung des Bündnisses erreicht. Daraus konnte der Schluß gezogen werden, daß die von Österreich vor und im Kappeler Krieg getroffenen Maßnahmen zusammen mit der Angst der evangelischen Orte vor einer Zusammenarbeit der fünf Orte mit Österreich und eventuell weiteren katholischen Mächten ausreichend waren. Diese Politik setzte Österreich nun fort, und zwar ohne Gefahr zu laufen, des Bündnisbruchs geziehen zu werden. Anfragen nach einer engeren Zusammenarbeit oder gar einem neuen Bündnis konnte sich Österreich unter Hinweis auf den Ersten Kappeler Landfrieden entziehen. Österreich konzentrierte sich dementsprechend auch in den folgenden Monaten darauf, die eigenen Grenzen zu sichern 446 , sich über die Vorgänge in der Innsbruck, Budweis, 17.7.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 2, fol. 410rv); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 6.8.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 484v-488r, hier fol. 485r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 28.9.1529 (ebd., fol. 523r-526v, hier fol. 523r-v); Regierung Innsbruck an Karl, 13.12.1529 (ebd., fol. 569v-570r); Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 8.2.1530 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 36v-38r, hier fol. 37r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 19.3.1531 (ebd., fol. 299v-301r, hier fol. 300r); Regierung Innsbruck an Rudolf von Sulz, Gangolf von Hohengeroldseck, Dr. Hieronymus Baidung, 3.8.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.12*, fol. 16v-17r); EA 4/lb, Nr. 597, S. 1127. 446

Die von der Regierung Innsbruck nach Waldshut entsandten Räte Brandisser und Frankfurter kehrten nach Bekanntwerden des Friedens nicht sofort nach Innsbruck zurück, sondern blieben zunächst am Bodensee und bemühten sich um die Koordination der Maßnahmen der drei Regierungen in Innsbruck, Ensisheim und Stuttgart, um eine Aufteilung der Aufgaben und damit der Kosten sowie um die Gewinnung der Stände nördlich des Bodensees für eine Beteiligung an dieser Aufgabe (ihre zahlreichen Berichte, vor allem an die Regierung Innsbruck, in HHStA Wien, Schweiz 8/4 und 8/5). Zu diesem Zweck fand Anfang August eine Versammlung von Räten der drei Regierungen und zahlreichen Adligen, Prälaten und Städtevertretern in Überlingen statt (Frankfurter und Brandisser an Regierung Innsbruck, Überlingen, 14.8.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/5, fol. 7r-llr, 12r-15v)). Siehe außerdem: Regierung Innsbruck an Landvogt zu

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Eidgenossenschaft und an den Grenzen möglichst umfassend informieren zu lassen 447 und die fünf Orte mit vagen Versprechungen hinzuhalten448. Auf die Schwaben, Vögte zu Nellenburg, Bregenz, Feldkirch, Bludenz und Sonnenberg, Hauptmann der vier Waldstädte, Vögte zu Laufenburg, Neuburg, Gutenberg, 3.10.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 2, fol. 515r-v). Auch auf die im Frühsommer 1531 zunehmend dringlicher klingenden Briefe der Regierung Innsbruck empfahl Ferdinand neben der Einziehung von Kundschaften vor allem die Fürsorge für die königlichen Lande (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 10.6.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 3, fol. 327r-v)). 447

Ulrich Staub an Balthasar von Ramschwag, Sargans, 17.8.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/5, fol. 23r); Balthasar von Ramschwag an Regierung Innsbruck, Gutenberg, 19.8.1529 (ebd., fol. 26r-v); Balthasar von Ramschwag an Mark Sittich, Gutenberg, 19.8.1529 (ebd., fol. 27r-v); Mark Sittich an Regierung Innsbruck, Bregenz, 22.8.1529 (ebd., fol. 28r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 26.8.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 500r); Kundschaft (aus Luzem?) an Sturtzel, 28.9.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/5, fol. 34r-35r). Am 1.10.1529 fragte Sturtzel bei der Regierung Innsbruck an, ob er seine Kundschafter in der Eidgenossenschaft weiter in Dienst halten solle (Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 1.10.1529 (ebd., fol. 33r, 34r-35r, 38r)). Dies wurde von der Regierung für gut geheißen (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 7.10.1529 (ebd., fol. 39r)). Regierung Innsbruck an Balthasar von Ramschwag, 27.3.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 157v); Regierung Innsbruck an Veit Sutor, 8.5.1531 (ebd., fol. 8v-9r); Veit Sutor an Konrad Bachmann, Landvogt zu Baden, Waldshut, 30.7.1531 (StA Luzem, Akten 13/2099; gedr. in: Scherer-Boccard, 349 Acten, Nr. 50). Der rege Informationsaustausch zwischen den österreichischen Regierungen, ihren Informanten und den fünf Orten blieb aber auch den evangelischen Städten nicht verborgen (Bericht Konrad Daldis von Zurzach, Mai(?) 1531 (StA Zürich, A 230.1, Nr. 63; gedr. in: Strickler, Actensammlung 3, Nr. 508); Hans Rudolf von Grafenried, Hofmeister zu Königsfelden, an Zürich, 28.8.1531 (,Strickler, Actensammlung 3, Nr. 1238)). 448

So empfahl Ferdinand Karl, an die fünf Orte zu schreiben, um sie in ihrem guten Willen zu bestärken und seine baldige Ankunft anzukündigen (Ferdinand an Karl, Linz, 7.9.1529 (FK 2, Nr. 349, S. 489-493, hier S. 491)). Anfang 1530 beabsichtigte die Regierung Innsbruck die Entsendung Sturtzels "zum Trost" zu den fünf Orten, ohne daß er ihnen freilich irgendwelche konkreten Angebote zu unterbreiten gehabt hätte (Regierung Innsbruck an Karl, 26.1.1530 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 31 v32r)). Aus der Reise wurde nichts, statt dessen sollte Sturtzel die fünf Orte nun schriftlich damit "trösten", daß Karl in Bologna zum Kaiser gekrönt und anschließend wegen der Glaubensspaltung sofort nach Deutschland kommen werde (Regierung Innsbruck an Sturtzel, 9.2.1530 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 64v-65r)). Anfang 1531riet die Regierung Innsbruck Ferdinand, den fünf Orten, die sich an ihn gewandt hatten, keineswegs so zu antworten, daß sie daraus auf Hilfe hoffen könnten, sondern ihnen nur einen

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Verbindung zu den fünf Orten wollte Österreich nämlich keineswegs ganz verzichten, hatte man doch entdeckt, daß die Spaltung innerhalb der Eidgenossenschaft dem eigenen Sicherheitsbedürfnis gar nicht ungelegen kam. Solange man bei den fünf Orten die vage Hoffnung auf Unterstützung aufrechterhielt, mochten diese gegenüber den evangelischen Städten zu einer kompromißloseren Haltung geneigt sein, womit der Konflikt zumindest latent bestehen blieb und ein (gesamt-)eidgenössischer Übergriff auf österreichisches Territorium nicht zu befürchten war 4 4 9 . Die Verhandlungen mit den fünf Orten über ein Bündnis waren allein von Ferdinand geführt worden, ohne irgendeine Beteiligung Karls. Informiert hatte Ferdinand seinen Bruder aber selbstverständlich, und Karl hatte das anvisierte Bündnis auch begrüßt 450 . Vertragspartner der fünf Orte in der Christlichen Vereinigung war aber nur Ferdinand mit seinen in der Erbeinung eingeschlossenen Gebieten und Württemberg gewesen. An eine Einbeziehung Burgunds und damit Karls, wie in der Erbeinung, wurde offenbar von keiner Seite auch nur gedacht. Dabei mochte die Erwartung eine Rolle gespielt haben, daß mit

unverbindlichen Trostbrief zu schicken und die Christliche Vereinigung nicht zu erwähnen (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 30.1.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 269r-v)). Ein ander Mal bat Ferdinand die Regierung, an die fünf Orte zu schreiben, daß er, Ferdinand, sich bei Karl für sie verwendet habe; er selbst könne den fünf Orten nämlich nicht schreiben, da sie sein letztes Schreiben weiter ausgelegt hätten, als es gemeint gewesen sei (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 22.4.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 3, fol. 309r-v)). Kurz daraufbrachte Ferdinand das Dilemma dieser Briefe auf den Punkt: er schrieb der Regierung, er könne den fünf Orten keine Antwort geben, die ihnen angenehm sei, da daraus Hilfe in der Not folge, zu der er nicht in der Lage sei (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 27.4.1531 (ebd., fol. 297v-298r)). Schließlich mußte auch die bevorstehende Einberufung eines Reichstages als Trost für die fünf Orte herhalten (Regierung Innsbruck an die fünf Orte, 18.7.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12», fol. 12v); Ferdinand an die fünf Orte, Budweis, 20.7.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 3, fol. 353r-354v, hier fol. 354r); Veit Sutor an die fünf Orte, Waldshut, 30.7.1531 (Scherer-Boccard, 349 Acten, Nr. 51)). 449

Explizit formuliert hatte diese Taktik die Innsbrucker Regierung in einem Schreiben an Ferdinand (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 6.8.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 484v-488r)). Siehe auch: Escher , Glaubensparteien, S. 116. 450

Instruktion Karls für Wilhelm von Montfort an Ferdinand, Saragossa, 3.4.1529 (FK 2, Nr. 279, S. 386-390, hier S. 389); siehe auch Karl an Ferdinand, Saragossa, 3.4.1529 (ebd., Nr. 280, S. 390-393, hier S. 392).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

dem Ausbruch des Kampfes in den nördlichen Teilen der Eidgenossenschaft gerechnet wurde, also in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ferdinands Gebieten 451 . Obwohl Karl - wenn auch äußerst summarisch - über die Vorgänge in der Eidgenossenschaft auf dem laufenden gehalten wurde, war die Eidgenossenschaft außer als Söldnerreservoir bis zum Herbst 1529 noch kaum in sein Blickfeld geraten. Dementsprechend war er an der Christlichen Vereinigung nicht beteiligt und auch in keiner Weise in den Ersten Kappeler Krieg involviert. Als er nach der Landung in Genua im August 1529 weiter nach Bologna und im Mai 1530 schließlich über die Alpen zog, rückten ihm die Schweizer nicht nur geographisch näher; ihr innerer Zwist und dessen mögliche Konsequenzen beschäftigten ihn auch zunehmend. Dazu kam, daß sowohl die fünf Orte als auch Österreich, d.h. die Regierung Innsbruck und auch Ferdinand selbst, den Kaiser zunehmend in ihr Kalkül mit einbezogen. Auslöser für diese Entwicklung war die im Ersten Kappeler Krieg von Österreich und den katholischen Orten gewonnene Erkenntnis gewesen, daß Österreich zu einer nennenswerten Unterstützung der fünf Orte nicht in der Lage war. Während der türkische Ansturm immer bedrohlicher wurde - im Herbst 1529 lagen die Türken vor Wien -, war Karl durch den Frieden von Cambrai erheblich entlastet worden. Bereits wenige Wochen nach dem Friedensschluß von Kappel mehrten sich deshalb die Bemühungen, die Hilfe für die fünf Orte auf eine breitere Grundlage zu stellen, wobei Karl zunächst nur einer von mehreren Adressaten war 4 5 2 . Da es aber äußerst fraglich war, ob es gelingen würde, z.B. die Herzöge von Savoyen, Lothringen oder Bayern für eine Unterstützung der katholischen Orte zu gewinnen, verwies die Innsbrucker Regierung Ferdinand verstärkt auf Karl, der den fünf Orten von Mailand aus direkt Hilfe zukommen lassen könnte, ohne daß dabei, wie bei Hilfe von den Vorlanden aus, erst feindliches Gebiet, d.h. 451

Ein Abschluß auch mit Karl hätte außerdem die fünf Orte in größere Schwierigkeiten wegen des Festhaltens am französischen Bündnis gebracht, denn noch war der Kampf in Italien nicht beendet, der Frieden noch nicht geschlossen. Und jeder neue Krieg zwischen Karl und Franz hätte sie erneut in einen unlösbaren Konflikt gestürzt. 452

Am 26.8.1529 betonte die Regierung Innsbruck die Notwendigkeit, Karl sowie etliche Kurfürsten und Fürsten um Unterstützung für die Erhaltung des alten Glaubens in der Eidgenossenschaft zu bitten (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 26.8.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 500r)). Am gleichen Tag berieten die fünf Orte über einen entsprechenden Antrag, nämlich, ob man dem Kaiser und einigen anderen Herren schreiben solle. Die Beschlußfassung über diesen Antrag wurde aber einstweilen vertagt (EA 4/1 b, Nr. 171, S. 342).

A. Bündnisse und Einungen

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Territorium der evangelischen Städte oder evangelische Gemeine Herrschaften, überquert werden müßte 453 . Dieser Gedanke war einfach und von bestechender Logik. Daß er nicht früher aufgekommen war, lag daran, daß an eine solche Möglichkeit erst nach dem Friedensschluß mit Franz I. und der Sicherung der Herrschaft Karls in Oberitalien gedacht werden konnte. Für die Innsbrucker Regierung hatte diese Konzeption darüber hinaus den Vorteil, daß die Verantwortung für die Hilfe, und damit auch die Querelen über deren Finanzierung, zu Karl verlagert werden konnten. Jedenfalls markierte dieser Vorschlag der Innsbrucker Regierung einen deutlichen Umschwung in der Diskussion um eine Unterstützung der katholischen Orte, da die Überlegungen nicht länger allein auf die Rheingrenze fokussiert waren, wenn auch für die Regierung in Innsbruck das Motiv ihres Engagements für die fünf Orte, nämlich die Sicherung der Vorlande, dasselbe blieb. Man hatte erkannt, daß unter den neuen Gegebenheiten in Italien die Hilfe, die letztlich den Vorlanden zugute kommen sollte, nicht notwendigerweise auch von dort ausgehen mußte. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde die Lage in der Eidgenossenschaft regelmäßiger Gegenstand der Korrespondenz zwischen Karl und Ferdinand, selbstverständlich nicht an hervorgehobener Stelle - dies zu erwarten, hieße die Bedeutung der Eidgenossenschaft im Gefüge der gesamteuropäischen Politik der Brüder erheblich zu überschätzen 454. Von Ferdinand stammte denn auch die erste Aufforderung an Karl, sich doch brieflich direkt an die fünf Orte zu wenden 4 5 5 . Ferdinand selbst zog sich angesichts der Bedrohung durch die Türken weitgehend aus den Beratungen zurück 456 , was die Innsbrucker Regierung veranlaßte, sich häufiger direkt an Karl zu wenden 457 . 453

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 21.9.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 521r-523r); siehe auch Escher, Glaubensparteien, S. 119. 454

Eine Durchsicht der in FK 2 edierten Briefe zwischen Karl und Ferdinand aus dieser Zeit zeigt, daß die Eidgenossenschaft nun als Thema in einem erheblichen Teil der Briefe vorkommt. 455

Ferdinand an Karl, Linz, 7.9.1529 (FK 2, Nr. 349, S. 489-493, hier S. 491).

456

Am 7.10.1529 schrieb er der Regierung Innsbruck, daß er mit den Türken vollauf beschäftigt sei, daß er aber Karl informiert habe, und ließ ansonsten der Regierung freie Hand (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 7.10.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 2, fol. 497v-498v)). 457

Regierung Innsbruck an Karl, 13.12.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 569v-570r); Regierung Innsbruck an Karl, 26.1.1530 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 4, fol. 31v-32r); Regierung Innsbruck an Karl, 9.2.1530 (ebd.,

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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Inzwischen traten die fünf Orte anscheinend auch in direkten Kontakt zu Karl, indem sie einen Gesandten zu ihm nach Italien schickten458; die Informationen hierüber sind freilich nicht ganz eindeutig. Mit Sicherheit kam es aber auf dem Augsburger Reichstag 1530 zu einer direkten Begegnung Karls mit Vertretern der fünf Orte. Der Luzerner Ratsherr Jakob am Ort wurde von den fünf Orten zu Karl und Ferdinand gesandt, um ihnen die bedrängte Lage der fünf Orte darzulegen und sich zunächst unverbindlich und allgemein Unterstützung zusichern zu lassen. An eine förmliche Unterstützung durch ein neues Bündnis beispielsweise war offensichtlich nicht gedacht 459 . Die Instruktion enthält denn auch keine exakte Vorgabe, was Jakob am Ort von Karl und Ferdinand erreichen sollte - vielleicht könnte man das Ziel der Mission am ehesten so umschreiben: Der Gesandte sollte die Sache der katholischen Eidgenossenschaft bei den habsburgischen Brüdern in Erinnerung rufen, auch für den Fall, daß die katholischen Orte irgendwann wieder auf konkrete Hilfe angewiesen wären. Der Zeitpunkt für die Gesandtschaft war allerdings insofern ungünstig gewählt, als den Augsburger Reichstag die Einigungsbemühungen zwischen den Religionsparteien beherrschten, und als der Luzerner Gesandte sein fol. 39r); Regierung Innsbruck an Karl, 27.2.1530 (ebd., fol. 55r); Regierung Innsbruck an Statthalter und Räte nach Trient zum Empfang Karls, 1.4.1530 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 68r-v). 458

Mehr als verschiedene Gerüchte ist darüber nicht bekannt. Die Innsbrucker Regierung hatte bereits Ende September 1529 von einer solchen Gesandtschaft durch Mark Sittich erfahren (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 25.9.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 517r-518r, hier fol. 517v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 28.9.1529 (ebd., fol. 523r-526v, hier fol. 524v)). Entsprechende Gerüchte auf evangelischer Seite kursierten allerdings erst Ende November, und zwar mit ganz genauen Informationen: Danach sollte der Ammann von Zug, Oswald Toß, sich am 14.11. von Turin aus nach Bologna zu Karl begeben haben (Anonymus an Stadtschreiber von Bern, Ende Nov. 1529 (Strickler, Actensammlung 2, Nr. 955)). Bern gab diese Informationen unverzüglich weiter (Bern an Zürich, 14.12.1529 (StA Zürich, A 229.2, Nr. 167); Bern an Zürich und Basel, 23.1.1530 (Strickler, Actensammlung 2, Nr. 1074a)). Der ständige Gesandte Ferdinands an Karls Hof, Martin de Sahnas, schrieb in seinen regelmäßigen Berichten an Ferdinand freilich nichts von einer solchen Gesandtschaft der fünf Orte zu Karl (A. Rodriguez Villa (Hrg.), El emperador Carlos V. y su corte segun las cartas de M. de Sahnas, embajador del re Fernando 1522-39, Madrid 1903). 459

Genau diesen Zweck vermuteten nämlich die evangelischen Städte hinter der Gesandtschaft, die sie mit höchstem Mißtrauen verfolgten (Konstanz an Zürich, 1.9.1530 0Strickler, Actensammlung 2, Nr. 1622, S. 650f.)).

A. Bündnisse und Einungen

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Anliegen vorbrachte, waren diese Verhandlungen gerade voll im Gange 460 . In dieser Situation waren deutliche Stellungnahmen oder gar Hilfszusagen für eine der Religionsparteien nicht opportun, wie Karl in seiner Antwort auf das Vorbringen Jakobs hinreichend deutlich machte 461 . Die Luzerner Gesandtschaft erreichte zwar keine direkte Hilfszusage - dies war, wie gesagt, auch nicht zu erwarten -, aber sie bewirkte immerhin, daß Ferdinand die Regierung Innsbruck bat, ihm Material über die Verhandlungen mit den fünf Orten zu schicken 462 . Wenn man also das Ziel der Gesandtschaft wie oben damit umschreibt, die eigene Sache in Erinnerung zu rufen, so ist dies offensichtlich gelungen. Das Jahr 1530 verging, ohne daß die Konfrontation zwischen den Konfessionsparteien in der Eidgenossenschaft sich kriegerisch entlud. Im Frühjahr 1531 spitzte sich die Lage dann plötzlich zu, allerdings unter ganz anderen Vorzeichen als allgemein erwartet. Giangiacomo de' Medici, der Kastellan von Musso, hatte zwei Bündner Gesandte, die sich auf dem Rückweg aus Mailand befanden, ermorden lassen, besetzte Morbegno im Veltlin und löste damit den sogenannten "Müsserkrieg" aus 4 6 3 . Die drei Bünde baten die Eidgenossen um Hilfe. Da 460

Die Instruktionen der fünf Orte sind undatiert, die Credenz ist jedoch vom 29.6.1530 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 7r); am 22.7. berichtete Jakob am Ort dem Rat über seinen Empfang in Augsburg (StA Luzem, Al Fl Sch. 54, 22.7.1530; EA 4/1 b, Nr. 360, S. 718), er hat seine Anliegen also ungefähr im zweiten Drittel Juli vorgebracht. Die Confessio Augustana wurde am 25.6. verlesen, danach beriet der Kaiser mit den altgläubigen Ständen bis Mitte Juli die weitere Vorgehensweise. 461 «war ir k. Mt. gnedigs willens und gemüets, inen jetz von stund (an) hilf und beistand zu thun, domit sy vor solhen beschwerungen und Überfall von den andern (Orten) verhüet würden; aber ir k. Mt. bedenkt, daß sein k. Mt. jetz mit des Reichs Ständen in handlung stet, sich des glaubens halb mit inen zu verainen und zu vergleichen, damit man allenthalben zu friden, ruhe und ainigkait kommen möchte; söllte nu ir k. Mt jetz inen die hilf thun und daß sy den krieg wider die andern Eidgnossen anfahen söllten, so wurde ir k. Mt. alles ir fümemen verhindert, dardurch die gemain Christenhait nimmer zu frid, ruhe noch ainigkeit komen möchte" (EA 4/1 b, Nr. 360, S. 717f.). 462

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Augsburg, 23.7.1530 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 3, fol. 91r); Regierung Innsbruck an Dr. Jakob Frankfurter, 26.7.1530 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 71v-72r). 463

Giangiacomo de' Medici, seit 1525 Kastellan von Musso, war durch seine beherrschende Stellung am Corner See in diesen Jahren zu einer gewissen Bedeutung gelangt. Vasella bezeichnet ihn zutreffend als "bedenkenlosen, ränkevollen Condottiere" (Vasella, Österreich, S. 66). 1528 war es Antonio de Leyva, Karls Statthalter in Mailand, gelungen, ihn auf die kaiserliche Seite zu ziehen. Giangiacomos Bruder Gianangelo de

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Graubünden evangelisch war, Medici jedoch katholisch und kaiserlich 464 , wurde der Konflikt konfessionell aufgeladen, was ihm zusätzliche Brisanz verlieh. An sich war das Anliegen der drei Bünde berechtigt und auch unproblematisch, zumal die beherrschende Stellung Medicis am Corner See auch den nach Süden orientierten inneren Orten ein Dorn im Auge war. Acht Orte erklärten sich denn auch zu einer Unterstützung der drei Bünde bereit. Die fünf Orte aber befürchteten bei einer Unterstützung der Bünde und einer daraus folgenden Niederlage Mussos ein völliges Übergewicht der Evangelischen und lehnten eine Unterstützung Graubündens deshalb ab. Während die fünf Orte also vor allem die Auswirkungen dieses Konflikts auf das konfessionelle Kräfteverhältnis in der Eidgenossenschaft bedachten, war der Konflikt auch für die Verhältnisse in Oberitalien von Bedeutung, da der Kampf über die Kontrolle der wichtigen Zufahrtswege zum Veltlin und zum Splügenpaß entscheiden mußte. Wegen dieser Kombination aus konfessionellen und territorialpolitischen Überlegungen maß auch die Regierung Innsbruck diesem zunächst rein lokalen Konflikt schnell erhebliches Gewicht bei und machte Ferdinand auf die möglichen negativen Folgen eines Sieges der Bündner aufmerksam 465. Ferdinand sah sich zu einer Hilfe für die fünf Orte aber nicht in der Lage, weshalb Karl um Unterstützung für die fünf Orte gebeten werden sollte. Da es in dem Konflikt eben auch um einen der wichtigen Alpenübergänge ging, d.h. um die Verbindung zwischen Oberitalien und Österreich, konnte Ferdinand damit rechnen, daß Karl an der Sache gelegen sein würde, mehr jedenfalls, als wenn es sich "nur" um einen innereidgenössischen Konfessionskonflikt gehandelt hätte. Der Medici, damals Erzpriester zu Mazzo im Veltlin, war der spätere Papst Pius IV. Seine Schwester Clara hatte er 1528 mit Wolf Dietrich von Hohenems, dem Sohn Mark Sittichs, verheiratet und somit eine für Graubünden bedrohliche Verbindung geschaffen. Zum Müsserkrieg siehe Escher, Glaubensparteien, S. 210-241. 464

Zudem war er 1528 - wenn auch wohl zu Unrecht - im Verdacht gestanden, seinen Bruder zum Bischof von Chur machen zu wollen (Handbuch 1, S. 510). 465

Die Regierung legte dem König dar, daß bei einem Sieg des Kastellans von Musso und der von ihm geplanten Eroberung des Veltlins die drei Bünde und die evangelischen Städte sich größere Sorgen machen müßten und deshalb ruhig bleiben, d.h. keinen Angriff gegen die katholischen Orte oder gar königliche Gebiete wagen würden. Bei einer Niederlage des Kastellans dagegen wären die fünf Orte einem Angriff der dann gestärkten evangelischen Partei schutzlos ausgeliefert (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 27.3.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 306r-307v)).

A. Bündnisse und Einungen

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Müsserkrieg bildete also die wesentliche Voraussetzung dafür, daß Karl sich 1531 wieder näher mit den Verhältnissen in der Eidgenossenschaft befaßte, nachdem 1529/30 bereits erste Kontakte stattgefunden hatten. Die Regierung Innsbruck informierte Karl fortan regelmäßig über die Entwicklung in der Eidgenossenschaft 466, auch nachdem der Müsserkrieg im Mai 1531 zumindest für die Eidgenossen beendet worden war 4 6 7 . Überhaupt verlagerten sich die Bemühungen um Unterstützung für die fünf Orte nun zunehmend nach Süden. Die fünf Orte hatten sich nämlich auch an den Bischof von Veroli, Ennius Filonardi, den ehemaligen päpstlichen Nuntius in der Eidgenossenschaft, gewandt, der inzwischen Nuntius in Mailand war. Dieser versprach ihnen, sich beim Papst, beim Herzog von Mailand und auch beim Kaiser um Unterstützung zu bemühen 468 . Der Müsserkrieg war der letzte und entscheidende Schritt, um aus dem innereidgenössischen Religionskonflikt eine weit über die Grenzen der Eidgenossenschaft hinaus beachtete Auseinandersetzung zu machen, indem jetzt auch die südlichen Nachbarn in die Überlegungen einbezogen wurden. Die evangelischen Städte wiederum hatten mit dem Straßburger Burgrecht vom 5. Januar 1530 weit nach Norden ausgegriffen, am 18. November 1530 folgte das Burgrecht mit Landgraf Philipp von Hessen 469 . Trotz des Mißerfolgs des Marburger Religionsgesprächs vom Herbst 1529 bestand immer noch Hoffnung auf ein politisches Zusammengehen der Burgrechtsstädte mit den lutherischen Fürsten und Städten im Reich; bis in den Juli 1531 zogen sich die Verhandlungen über einen Beitritt der Schweizer zum Schmalkaldischen Bund hin. Zudem warteten Philipp von Hessen und sein Protégé Herzog Ulrich von Württemberg weiterhin auf eine günstige Gelegenheit, um Ulrich wieder in den Besitz seines Herzogtums zu bringen. Die Bindung österreichischer Truppen durch einen eidgenössi-

466

Regierung Innsbruck an Karl, 20.4.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 4, fol. 323r-v); Regierung Innsbruck an Karl, 4.6.1531 (ebd., fol. 353r); Regierung Innsbruck an Karl, 30.6.1531 (ebd., fol. 363r-364r). 467

Zwischen den Bündnern, den Eidgenossen und Herzog Francesco Sforza von Mailand war am 6. Mai 1531 ein Vertrag geschlossen worden, der den Krieg gegen den Kastellan dem Herzog überließ. 468

Filonardi an Luzem, Mailand, 25.6.1531 (,Strickler,

469

Partner Philipps waren allerdings nur Zürich, Basel und Straßburg; Bern blieb ab-

seits.

Actensammlung 3, Nr. 785).

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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sehen Krieg - sei es als direkte Unterstützung für die fünf Orte, sei es zur Sicherung der Grenzen - hätte eine solche Gelegenheit sein können. Während die eidgenössischen Konfessionsparteien seit dem Ersten Kappeler Krieg ihre Verbindungen nach außen intensiviert hatten und die Polarisierung auch im Reich, nicht zuletzt durch den Augsburger Reichsabschied 1530, fortgeschritten war, wirkte allein Frankreich auf einen Abbau der innereidgenössischen Spannungen hin. Die französischen Vermittlungsbemühungen sind freilich nicht purer Friedensliebe zuzuschreiben, sondern erfolgten aus klarem politischen Kalkül: Nur von einer einigen Eidgenossenschaft konnte Frankreich Hilfe gegen Karl V. erwarten. Dies war die allgemeine Lage, als die evangelischen Städte - in Reaktion auf fortgesetzte Schmähreden vor allem in Zug - am 16. Mai 1531 eine Lebensmittelsperre gegen die fünf Orte verhängten. Damit trat die Auseinandersetzung in eine neue Phase. Die fünf Orte traf die Sperre an einer besonders empfindlichen Stelle, da vor allem der Mangel an Getreide und Salz sich bald bemerkbar machen mußte. Zudem war es eine Situation, in der Hilfe von außen unabdingbar war: Eine militärische Auseinandersetzung hätten sie versuchen können, alleine zu bestehen, die Zufuhr lebensnotwendiger Güter mußte indessen von außen geschehen. Die fünf Orte wandten sich deshalb verstärkt an alle Mächte, mit denen sie schon bisher in Kontakt gestanden hatten. Sie informierten Veit Sutor in Waldshut 470 und schrieben an die Regierung Ensisheim471. Die Regierung Innsbruck wurde über die sich zuspitzende Lage von ihren bewährten Informanten entlang des Rheins auf dem laufenden gehalten 472 . Sie sah sich aber selbst zu Hilfe nicht in der Lage, ebensowenig Ferdinand, der deswegen an Karl schrieb 473 . Immerhin sann die Regierung Innsbruck auf Möglichkeiten, wie dem Mangel der fünf Orte an Salz und Getreide abgeholfen werden könnte 474 ,

470

Bericht Konrad Daldis von Zurzach, Mai 1531 (StA Zürich, A 230.1, Nr. 63; gedr. in: Strickler, Actensammlung 3, Nr. 508). 471

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 15.7.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 379v-380v). 472

Regierung Innsbruck an Adam von Homburg, 10.6.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 9v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 10.6.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 353v). 473

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 10.6.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 3, fol. 327r-v).

A. Bündnisse und Einungen

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und beriet über Maßnahmen, die Grenzen durch ein erhebliches Aufgebot aus den Vorlanden zu sichern und so gleichzeitig die evangelischen Städte einzuschüchtern 475. Gerade die zu befürchtenden Weiterungen eines erneuten eidgenössischen Krieges ließen Karl freilich besonders vorsichtig agieren. An tatkräftige Unterstützung war nicht zu denken. Selbst sein - auf Bitten Ferdinands verfaßtes Schreiben an die fünf Orte, das sie zum Durchhalten ermuntern sollte, fiel so vage aus, daß Ferdinand im Zweifel war, ob es ratsam sei, das Schreiben an die fünf Orte weiterzuleiten 476. Wenn sowohl Karl als auch Ferdinand erneut den Hinweis auf einen bevorstehenden Reichstag für ein probates Mittel hielten, um den fünf Orten Hilfe aus ihrer bedrängten Lage in Aussicht zu stellen und sie von einem überstürzten Vorgehen abzuhalten477, zeigt das entweder, daß sie die Sprengkraft des Konflikts erheblich unterschätzten, oder, da ihre Briefe die gefährlichen Konsequenzen des Konflikts ja ständig hervorhoben, daß sie wirklich keine Möglichkeit sahen, den fünf Orten zu Hilfe zu kommen. Unübersehbar war freilich: Von kaiserlicher oder königlicher Seite war keine Unterstützung zu erwarten. Aufgrund der geographischen Gegebenheiten war, wie die Innsbrucker Regierung ja bereits im September 1529 festgestellt hatte, die Unterstützung von 474

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 30.8.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 4, fol. 406r); Regierung Innsbruck an Graf Rudolf von Sulz, 30.8.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 18v-19r); Regierung Innsbruck an Eiteleck von Reischach und Veit Sutor, 30.8.1531 (ebd, fol. 19r-v); Regierung Innsbruck an Balthasar von Ramschwag, 15.9.1531 (ebd, fol. 22v). 475

Eiteleck von Reischach, Veit Sutor an Konrad Bachmann, 21.8.1531 (StA Luzem, Akten 13/2102; gedr. in: Scherer-Boccard, 349 Acten, Nr. 61, S. 227f.). Siehe auch Escher, Glaubensparteien, S. 268f. 476

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 21.6.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 3, fol. 336v-337r). Die Regierung riet Ferdinand, das Schreiben zurückzuhalten (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Budweis, 11.7.1531 (ebd, fol. 347v348r). 477

Karl an seinen Gesandten in der Eidgenossenschaft, Brüssel, 18.7.1531 (Lanz, Correspondenz 1, Nr. 192). Der Name des Gesandten wird nicht genannt; es muß sich dabei um den Herrn d'Asnel handeln, der im Juli im Auftrag Karls in Bern war wegen des Streits mit Savoyen. Regierung Innsbruck an Ferdinand, 18.7.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 4, fol. 380v-382r, hier fol. 381 v); Ferdinand an die fünf Orte, Budweis, 20.7.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 3, fol. 353r-354v). 23 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Süden her, und zwar sowohl mit Lebensmitteln als auch im Notfall militärisch, mindestens ebenso naheliegend. Mit dem Gotthardpaß verfügten die fünf Orte über einen direkten Weg nach Süden, den die evangelischen Städte ihnen nicht sperren konnten. Jetzt erwies es sich als günstig, daß die fünf Orte bereits während des Müsserkrieges ihre Kontakte über die Alpen intensiviert hatten - an diese Bemühungen konnte jetzt nahtlos angeknüpft werden. Die fünf Orte wandten sich vor allem an den Papst und an den Herzog von Mailand. Das Verhältnis der fünf Orte zum Herzog von Mailand war zwar zuletzt etwas gespannt gewesen, da der Herzog im Müsserkrieg zusammen mit den anderen eidgenössischen Orten gegen den Kastellan gekämpft hatte, dessen Machtposition an einem der wichtigen Zufahrtswege nach Mailand für ihn eine potentielle Bedrohung darstellte. Durch Vermittlung des Nuntius Filonardi gelang es aber, diese Spannungen weitgehend zu beseitigen und sogar eine, wenn auch sehr vage, mailändische Zusage über die Zufuhr von Getreide und sonstige Unterstützung zu erhalten 478 . Der Nuntius bemühte sich auch, den kaiserlichen Vertreter in Mailand, Marino Caracciolo, für die Sache der fünf Orte zu gewinnen 4 7 9 . Verbindliche Zusagen konnten die fünf Orte allerdings auch hier nicht erlangen. Immerhin zeichnete sich aber eine Möglichkeit ab, Unterstützung, ja viel478

Allerdings nahm der Herzog seine Zusage über die Getreideausfuhr bald darauf wieder zurück (,Escher, Glaubensparteien, S. 259). 479

Caracciolo deutete immerhin die Möglichkeit an, die fünf Orte durch die sich noch in der Lombardei befindlichen spanischen Truppen zu unterstützen (Filonardi an Luzem, Mailand, 29.7.1531 (Strickler, Actensammlung 3, Nr. 1051)). Detailliert zu den Verhandlungen der fünf Orte in Italien siehe Escher, Glaubensparteien, S. 256-262. Escher weist zu Recht daraufhin, daß es sich bei den in EA 4/1 b, Nr. 567b erwähnten Konzepten von Schreiben der fünf Orte wohl nicht um Schreiben an den Kastellan von Musso und seinen Bruder gehandelt haben dürfte, wie vom Herausgeber der EA vermutet (Escher, Glaubensparteien, S. 258, Anm. 2), sondern eher um Schreiben an Filonardi und Caracciolo, zu denen in der Tat eine Botschaft abgesandt worden war. Eschers Vermutung, daß das unter c angeführte Konzept an Andrea da Burgo, Ferdinands Gesandten in Rom, gerichtet war, trifft dagegen nicht zu. Laut Angabe in den EA war das Schreiben an einen Geistlichen gerichtet. Burgo war aber keineswegs Kardinal von Trient, wie Escher behauptet, hier liegt eine Verwechslung mit Bernhard Cles vor; er war überhaupt nicht Geistlicher (Zu Burgo siehe G. Rill, Fürst und Hof in Österreich von den habsburgischen Teilungsverträgen bis zur Schlacht von Mohäcs (1521/22 bis 1526), Wien 1993, S. 141-150). Stichhaltiger erscheint die Vermutung in den EA, daß es sich auch hier um ein Schreiben an Caracciolo handelt.

A. Bündnisse und Einungen

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leicht sogar einen Ersatz für die Christliche Vereinigung zu erhalten. Von einem förmlichen Bündnis ist zwar - außer in den Gesprächen mit dem Herzog von Mailand - nirgends die Rede. Die von den fünf Orten geäußerten Wünsche - Lebensmittelzufuhr, militärische Unterstützung - entsprachen aber genau dem, was Österreich den fünf Orten in der Christlichen Vereinigung zugesagt hatte. Die fünf Orte gingen zwar nach der Herausgabe der Christlichen Vereinigung kein neues Bündnis mehr ein und hielten sich insoweit an die Vorschriften des Kappeler Friedens. Ihre ganzen Aktivitäten in dieser Zeit zielten aber sehr wohl darauf ab, einen Ersatz für die Christliche Vereinigung zu erhalten, nur eben ohne offiziellen Bündnisvertrag. Auch die fünf Orte betrieben also ihre Politik aus der Zeit vor dem Ersten Kappeler Landfrieden weiter, sie bemühten sich um Bündnispartner ohne Bündnis. Trotz dieser ausgedehnten Verhandlungen und der weitverbreiteten Überzeugung von der Unvermeidbarkeit eines erneuten Krieges kam die Absage der fünf Orte an Zürich am 9. Oktober 1531 doch für die auswärtigen Partner der eidgenössischen Kontrahenten völlig überraschend. Sowohl der Kaiser als auch der Papst hatten sich nämlich bemüht, die fünf Orte von einem weiteren Waffengang abzuhalten, nicht zuletzt unter Hinweis auf den geplanten Reichstag 4 8 0 . Mit der Schlacht bei Kappel am 11. Oktober und dem Tod Zwingiis in der Schlacht fiel bereits zwei Tage nach Kriegsbeginn eine wichtige Vorentscheidung zugunsten der fünf Orte, ihr folgte am 23 ./24. Oktober in der Schlacht am Gubel ein zweiter entscheidender Sieg der fünf Orte. Damit war der Krieg nach nur zwei Wochen beendet, obwohl es noch bis zum 16. November dauerte, bis ein Frieden, der Zweite Kappeler Landfrieden, geschlossen wurde 481 . Aufgrund dieser kurzen Kriegsdauer ergibt sich eine eigenartig an-

480

Auch nach Ausbruch des Krieges bedauerten sie diesen zutiefst und rieten zum Abschluß eines Waffenstillstandes, während dessen Dauer die fünf Orte ihr Heer an einem festen Platz zusammenhalten und die weitere Entwicklung und insbesondere die Nachrichten von Kaiser und Papst abwarten sollten (Filonardi an die fünf Orte, Mailand, 26.10.1531 (Strickler, Actensammlung 4, Nr. 551); Caracciolo an die fünf Orte, Mailand, 26.10.1531 (ebd., Nr. 550)). Deutlich spürbar sind hier die Bedenken gegen ein Vorpreschen der fünf Orte, durch das Kaiser und Papst zu Maßnahmen genötigt werden könnten, die sie aus übergeordneten politischen Überlegungen für nicht wünschenswert hielten. Wenn irgend möglich, wollten sie selbst den Gang der Ereignisse bestimmen und nicht gegen ihren Willen in diese hineingezogen werden. 481

Am 16.11.1531 wurde der Frieden zwischen den fünf Orten und Zürich geschlossen, allerdings erst am 20.11. in Zug beurkundet, die Urkunde trägt denn auch dieses 23*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

mutende Phasenverschiebung zwischen der eigentlichen Kriegshandlung und den Unterstützungsbemühungen der auswärtigen Partner 482 . Der Kriegsausbruch in der Eidgenossenschaft löste eine deutliche Intensivierung der Korrespondenz aus, der Informationsaustausch war dicht und funktionierte hervorragend. So berichtete Veit Sutor Ferdinand und der Regierung Innsbruck bereits am 12. Oktober vom Sieg der fünf Orte bei Kappel und dem Tod Zwingiis 483 . Bis aber irgendwelche Beschlüsse gefaßt wurden, war die Entscheidung in der Eidgenossenschaft längst gefallen. Der Krieg war also wie zwei Jahre zuvor eine rein innereidgenössische Angelegenheit; die auswärtigen Partner beider Seiten griffen in die militärische Entscheidung nicht ein. Insofern gleichen sich die Ereignisse von 1529 und 1531, was die Beteiligung auswärtiger Mächte betrifft, im Ergebnis; die Ursachen und die Umstände der Nichtbeteiligung waren 1531 aber doch ganz andere als 1529. Das Bewußtsein der Gefahren, die mit diesem Krieg weit über die Grenzen der Eidgenossenschaft hinaus verbunden waren, war 1531 wesentlich weiter entwickelt als 1529. Die Folge war, daß den Maßnahmen vor allem der Regierung Innsbruck doch ein entschiedenerer Zug anhaftete als zwei Jahre zuvor. Zwar betonte die Regierung auch jetzt immer wieder, daß sie ohne königlichen Befehl keine weitergehenden Maßnahmen wie z.B. einen Angriff unternehmen könne 484 . Am 20. Oktober entschloß sie sich dann aber doch ohne vorherige Rücksprache mit dem König zur Entsendung von 200-300 Pferden in den He-

Datum. Am 24.11. folgte ein entsprechender Friede mit Bern, am 22.12. mit Basel und am 31.1.1532 mit Schaffhausen. 482

Hier werden nur die Bemühungen um Hilfe für die fünf Orte näher beleuchtet, Entsprechendes gilt aber für die Burgrechtsstädte. Auf evangelischer Seite kam hinzu, daß Zürich seinen Verbündeten das Ausmaß der Niederlage bei Kappel und den Tod Zwingiis zunächst verschwieg (siehe Escher, Glaubensparteien, S. 274f. und S. 296299). 483

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Speyer, 16.10.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 3, fol. 404v-405v, hier fol. 405r-v); Regierung Innsbruck an Veit Sutor, 17.10.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.12*, fol. 27r). 484

Regierung Innsbruck an Eiteleck von Reischach, 12.10.1531 (HStA Stuttgart, B17, Bd.12*, fol. 26r-v); Regierung Innsbruck an Mark Sittich, 18.10.1531 (ebd., fol. 27r-v); Regierung Innsbruck an Eiteleck von Reischach und Veit Sutor, 21.10.1531 (ebd., fol. 30v-31r); Regierung Innsbruck an Mark Sittich, 26.10.1531 (ebd., fol. 33v34r).

A. Bündnisse und Einungen

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gau 4 8 5 . Bereits am 10. Oktober hatte sie Eiteleck von Reischach angewiesen, die vier Waldstädte am Rhein mit einer Besatzung zu versehen 486. Einige Adlige boten der Regierung gar aus eigenem Antrieb ihre Unterstützung a n 4 8 7 . Das ängstliche Abwarten und das Schielen auf den Nachbarn von 1529 war mithin einer wenigstens begrenzten Eigeninitiative gewichen. An einen Angriff über den Rhein hinweg, mit dem die evangelischen Städte in der Eidgenossenschaft zunächst fest rechneten, wurde zwar nicht gedacht - ein solch riskantes Unternehmen konnte und wollte man nicht auf eigene Faust beginnen. Immerhin hatte man aber begriffen, daß man für die Sicherung des eigenen Gebietes selbst verantwortlich war, nachdem der seit 1529 nie ganz zur Ruhe gekommene Konflikt in der Eidgenossenschaft vor allem den Adligen an der Grenze die eigene Gefährdung deutlich vor Augen geführt und die Angst insbesondere vor Zürich fast ins Unermeßliche hatte wachsen lassen. Während die Grenzsicherung dieses Mal also direkt "vor Ort" erledigt wurde, ohne daß dafür allzu umfangreiche Beratungen notwendig waren, war die Entscheidung über die prinzipielle Haltung in diesem Konflikt weiter nach oben verlagert. Die Regierungen in Ensisheim und Stuttgart traten deshalb 1531 im Gegensatz zu 1529 praktisch überhaupt nicht in Erscheinung, und selbst die Regierung Innsbruck diente in dieser grundsätzlichen Frage fast nur als Nach-

485

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 20.10.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 4, fol. 446r-448r, hier fol. 446v). 486

Regierung Innsbruck an Eiteleck von Reischach, 10.10.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.12*, fol. 25r; gedr. in: Dürr/Roth, Aktensammlung 5, Nr. 459, S. 383); Basel an Zürich, 18.10.1531 (Strickler, Actensammlung 4, Nr. 303). Zürich interpretierte diese Maßnahmen durchaus richtig, wenn es an Bern schrieb, daß die Besetzung der vier Waldstädte am Rhein mehr aus Angst vor der Eidgenossenschaft denn in böser Absicht erfolgt sei (Zürich an Bern, 22.10.1531 (ebd., Nr. 444, S. 138f.)). Denn selbst wenn Ferdinand ihnen übel wolle, fuhren die Zürcher fort, so seien sie "ouch gänzlich vergwisst [...] dass kein gelt da". Die anfangs durchaus weitverbreitete Angst vor einem österreichischen Angriff ließ offenbar nach, nachdem der Krieg bereits fast zwei Wochen dauerte, ohne daß Österreich eingegriffen hatte. 487

Jos von Laubenberg: Regierung Innsbruck an Ferdinand, 10.10.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 4, fol. 437r-438v, hier fol. 437v), Regierung Innsbruck an Jos von Laubenberg, 20.10.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.12*, fol. 27v-28r). Hugo und Wolf von Montfort: Regierung Innsbruck an Hugo und Wolf von Montfort, 20.10.1531 (ebd., fol. 28v-29v). Mark Sittich: Regierung Innsbruck an Mark Sittich, 27.10.1531 (ebd., fol. 34r-v).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

richtenübermittler 488. Die Entscheidung über eine Unterstützung der fünf Orte mußte zwischen Karl und Ferdinand fallen. Dies war eine direkte Folge der nun ganz anderen Einschätzung des Konflikts. Es handelte sich nicht mehr um einen begrenzten Konflikt mit Auswirkungen auf die unmittelbaren Nachbarn wie die Vorlande, sondern um einen Konflikt, der potentiell Konsequenzen für das Reich, Italien und damit Europa überhaupt haben konnte. Die Korrespondenz und die Beratungen über die Lage in der Eidgenossenschaft gegen Ende des Jahres 1531 sind deshalb international. Daß sie auch mit dem Friedensschluß vom 20. November zunächst keine Unterbrechung erfuhren, lag an der weitverbreiteten Einschätzung, daß die endgültige Entscheidung damit noch keineswegs gefallen sein mußte, so wie der Erste Kappeler Frieden ja auch nur eine Episode im eidgenössischen Glaubenskampf gewesen war. Von Anfang an war es Ferdinand, der Karl drängte, zugunsten der fünf Orte einzugreifen, und der auch Maria bat, bei ihm in diese Richtung zu wirken 4 8 9 . Gerade nach den ersten Erfolgen der fünf Orte legte Ferdinand dem Bruder dar, wie günstig die Gelegenheit nunmehr sei und daß es gelte, diesen Erfolg auszunützen 490 . Dabei hatte Ferdinand nicht so sehr die Lage innerhalb der Eidgenossenschaft im Blick - hier berechtigten die Siege der fünf Orte auch ohne Eingreifen von außen zu den größten Hoffnungen -, sondern die Auswirkungen auf die Konfessionsparteien im Reich. Wie 1529 ging es also erneut nicht so sehr um die Kräfteverhältnisse innerhalb der Eidgenossenschaft, sondern um deren Konsequenzen. Allerdings hatte das konfessionelle Element nun ein ganz anderes Gewicht bekommen und stand zumindest für Ferdinand deutlich im Vordergrund. Wenn Ferdinand Karl gegenüber emphatisch formulierte, daß jedes Eintreten für die fünf Orte für Gott, Kirche und den katholischen Glauben 488

Immerhin bestärkte die Regierung Ferdinand in seiner Überzeugung, daß die Gelegenheit für ein Eingreifen in der Eidgenossenschaft ungewöhnlich günstig sei (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 16.10.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 444v-445r)). 489

Ferdinand an Maria, Kaufbeuren, 26.10.1531 (FK 3, Nr. 571, S. 339f.); Ferdinand an Maria, Innsbruck, 24.11.1531 (ebd., Nr. 591, S. 406-408, hier S. 408). 490

Ferdinand an Karl, 15.10.1531 (FK 3, Nr. 562, S. 323); Instruktion Ferdinands für Wilhelm von Rogendorf zu Karl, Stuttgart, 10.10.1531 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 82r-84v); Ferdinand an Karl, Illertissen, 24.10.1531 (FK 3, Nr. 570, S. 335-338, hier S. 336); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 1.11.1531 (ebd., Nr. 575, S. 348f.); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 8.11.1531 (ebd., Nr. 582, S. 365-367, hier S. 366); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 24.11.1531 (ebd., Nr. 590, S. 393-406, hier S. 399).

A. Bündnisse und Einungen

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geschehe, so traf dies wohl den Kern seiner Motivation 491 . Daß die konfessionspolitischen Fragen eng mit den im eigentlichen Sinne machtpolitischen verknüpft waren, steht dazu nicht im Widerspruch. Ein weitreichender Sieg der katholischen Partei im Reich hätte selbstverständlich Auswirkungen auf die Machtstellung Karls und Ferdinands im Reich gehabt. In diesem Sinne ist auch Ferdinands Aufforderung an Karl zu verstehen, er solle die einmalige Gelegenheit nützen und sich zum Herrn von Deutschland machen 492 . Ferdinand maß ganz offensichtlich dem Protestantismus in der Schweiz eine Schlüsselrolle für die Entwicklung des Protestantismus überhaupt zu, woraus er folgerte, daß umgekehrt ein entscheidender Schlag gegen die evangelischen Städte in der Eidgenossenschaft nicht ohne Rückwirkungen auf die Evangelischen nördlich des Rheins bleiben würde. Die Schweizer Protestanten waren für ihn die schlimmsten Ketzer überhaupt 493 und zwar aus der Verknüpfung der konfessionellen Beurteilung mit den traditionellen anti-eidgenössischen Ressentiments: Die von Zwingli ausgehende Bewegung stellte in Ferdinands Augen nicht nur die alte Kirche in Frage, sondern auch die Obrigkeit an sich 4 9 4 , und diese Kombination machte sie so gefährlich. Konkrete Vorschläge für eine Intervention machte Ferdinand allerdings nicht 4 9 5 ; zunächst galt es, die grundsätzliche Zustimmung Karls zu einer aktiven Unterstützung der fünf Orte zu erhalten. Obwohl Ferdinand ihn ständig drängte und obwohl auch der Papst wiederholt in diese Richtung intervenierte, konnte sich Karl nicht zum Eingreifen in 491

Ferdinand an Karl, Innsbruck, 16.11.1531 (FK 3, Nr. 587, S. 378-386, hier

S. 382). 492

Ferdinand an Karl, Innsbruck, 1.11.1531 (FK 3, Nr. 575, S. 348f.).

493

Ferdinand an Karl, Illertissen, 24.10.1531 (FK 3, Nr. 570, S. 335-338, hier

S. 336). 494

Ferdinand ließ diese Sicht auch dem Kaiser vortragen. In der Instruktion für seinen Gesandten zu Karl heißt es, der Kaiser wisse wohl, "mit was grossem hochmuet, trutz und pomp gemeine aydgnossen bisher für sich selbs regiert, kein obrigkeit erkent, sonnder aigens regiment gefuert, und sich gegen kaysem und kunigen und auch dem haws osterreich so trutzlich, stoltz und hochmuetig erzeigt und gehalten" (Instruktion Ferdinands für Wilhelm von Rogendorf zu Karl, Stuttgart, 20.10.1531 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 82r-84r, hier fol. 82v)). 495

Wenn man einmal von einem Vorschlag wie dem absieht, die für den Kampf gegen Christian II. von Dänemark vorgesehenen und nach dessen Abzug aus den Niederlanden nun überflüssigen Truppen zur Unterstützung der fünf Orte einzusetzen (Ferdinand an Karl, Innsbruck, 8.11.1531 (FK 3, Nr. 582, S. 365-367, hier S. 366)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

der Eidgenossenschaft entschließen. Zwar stand auch für ihn die Wünschbarkeit eines Sieges der fünf Orte und einer möglichst vollständigen Niederlage der evangelischen Städte außer Zweifel und damit ebenso die Berechtigung der Interventionsbitten. Im Gegensatz zu Ferdinand war Karl aber trotz des Erfolgs der fünf Orte das Risiko zu groß. In einem ausführlichen Gutachten seiner Räte über die Frage der Unterstützung der katholischen Orte vom Oktober 1531 4 9 6 wurden die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Unterstützung und deren Risiken sorgfältig abgewogen. Dabei wurde gleich zu Beginn auf die Gefahren hingewiesen, die mit einer wie auch immer gearteten Hilfe aus Deutschland verbunden wären. In diesem Fall drohe ein Eingreifen der deutschen Protestanten und damit ein allgemeiner Religionskrieg. Damit wäre der zunächst auf den 29. September 1531 in Speyer angesetzte und gerade verschobene Reichstag, auf dem über die Religionsfrage verhandelt werden sollte, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen497. Ein großer Krieg in Deutschland könnte außerdem die Türken oder auch Johann Zapolya, den Woiwoden von Siebenbürgen, zu neuen Angriffen ermuntern 498. Im weiteren Verlauf des Gutachtens wurden dann die Vorteile einer Unterstützung aus dem Süden angesprochen, wozu unter anderem die kurze Entfernung nach Mailand, die einen schnellen Informationsaustausch ermögliche, und die Tatsache, daß diese Wege nicht von der gegnerischen Partei gesperrt werden konnten, gehörten 499. Die von päpstlicher Seite ins Gespräch gebrachte Möglichkeit der Entsendung der in Italien stehenden spanischen Truppen in die Eidgenossenschaft wurde wegen der Auswirkungen auf die Lage in Italien abgelehnt500. In Erwägung gezogen wurden neben der "moralischen Unterstützung" durch Briefe und Gesandte finanzielle Subsidien zum Kauf von Waffen oder zur Anwerbung von Truppen sowie die Versorgung mit Getreide und anderen Lebensmitteln. Große Bedeutung wurde der Zusammenarbeit vor allem mit dem Papst, aber auch mit den Herzögen von Mailand und Savoyen beigemessen. Direkte militärische Hilfe von kaiserlicher Seite war nicht vorgesehen. Mit entscheidend für Karls Zögern in diesem Punkt dürfte

496

Lanz, Staatspapiere, Nr. 15, S. 73-78.

497

Lanz, Staatspapiere, Nr. 15, S. 73-78, hier S. 73. Siehe auch: Karl an Ferdinand, Brüssel, 31.10.1531 (FK 3, Nr. 574, S. 343-347, hier S. 346); Karl an Ferdinand, Tournai, 6./9.12.1531 (ebd., Nr. 598, S. 427-435, hier S. 433). 498

Lanz, Staatspapiere, Nr. 15, S. 73-78, hier S. 73.

499

Lanz, Staatspapiere, Nr. 15, S. 73-78, hier S. 75.

500

Lanz, Staatspapiere, Nr. 15, S. 73-78, hier S. 77.

A. Bündnisse und Einungen

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gewesen sein, daß er ein Eingreifen des französischen Königs auf Seiten der evangelischen Städte fürchtete 501. Um den fünf Orten aber wenigstens das Gefühl zu vermitteln, in ihrem Kampf nicht allein gelassen zu sein und auch, um sie vom Abschluß eines ungünstigen Friedensvertrages abzuhalten, beauftragte Karl seinen Rat Cornelius Schepper, zu den fünf Orten zu gehen 502 . Konkrete Hilfe freilich konnte auch Schepper den fünf Orten nicht in Aussicht stellen, wenn man einmal davon absieht, daß Karl die vom Papst versprochenen 2.000 Büchsenschützen zur Hälfte bezahlen wollte 5 0 3 . Von daher bedeutete es für die fünf Orte kaum einen Verlust, daß Schepper, nachdem er von dem Friedensschluß erfahren hatte, seine Reise abbrach und nicht in die Schweiz weiterreiste 504. Somit unterblieb selbst dieser Ansatz, den fünf Orten wenigstens moralischen Beistand zu gewähren.

501

Karl an Ferdinand, Brüssel, 26.11.1531 (FK 3, Nr. 593, S. 413-418, hier S. 415), siehe auch Escher, Glaubensparteien, S. 286. 502

Instruktion Karls für Cornelius Schepper, Brüssel, 27.11.1531 (Lanz, Correspondenz 1, Nr. 248). Ungefähr um die gleiche Zeit entsandte Ferdinand einen Gesandten in die Eidgenossenschaft, und zwar Veit Wähinger, den Pfleger zu Landeck. Wähinger sollte den fünf Orten gegenüber die Verdienste Ferdinands hervorheben, z.B. die Besetzung der Grenzen und seine Bemühungen beim Herzog von Mailand und bei Karl um Unterstützung für die fünf Orte. Wenn der Gesandte aber im übrigen Ferdinands Bereitschaft zu weiterer Hilfe betonen und sich erkundigen sollte, wie den fünf Orten am besten geholfen werden könnte, so mußte ihnen das fast wie Hohn in den Ohren klingen. Daß er nicht direkt militärisch eingegriffen habe, rechtfertigte Ferdinand mit der Gefahr eines dann drohenden großen Religionskrieges im Reich (Instruktion Ferdinands für Veit Wähinger zu den fünf Orten, Innsbruck, 15.11.1531 (Lanz, Correspondenz 1, Nr. 241)). 503

Instruktion Karls für Cornelius Schepper, Brüssel, 27.11.1531 (Lanz, Correspondenz 1, Nr. 248, S. 610-615, hier S. 612); Campeggio an Salviati, Brüssel, 14.11.1531 (Wirz, Akten, Nr. 134, S. 242). 504

Er hatte sich über diese Frage mit dem Gesandten Karls in Savoyen, dem Herzog von Savoyen selbst, dem kaiserlichen Gesandten in Mailand, Caracciolo, und dem Mailänder Herzog beraten. Alle rieten ihm von der Reise in die Eidgenossenschaft ab, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Lediglich der Gesandte des Herzogs von Savoyen, der gerade aus der Eidgenossenschaft zurückkehrte, empfahl die Durchführung des ursprünglichen Auftrags. Zu den Details siehe Escher, Glaubensparteien, S. 306-309.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. Der Zweite Kappeler Krieg erregte also weit mehr als der erste überregionale

Aufmerksamkeit, er wurde einbezogen in das allgemeine Kalkül der europäischen Politik und der konfessionellen Auseinandersetzung. Als solcher wurde er von Ferdinand und von Karl wahrgenommen und in seiner Bedeutung wie in seiner Gefährlichkeit erfaßt. Gerade der letztere Aspekt bewog Karl, nicht einzugreifen, und Ferdinand fügte sich dieser Ansicht. Vordergründig glichen sich die Ereignisse von 1529 und 1531 also - in beiden Kriegen waren die fünf Orte auf sich allein gestellt. Während 1529 ein Streit über Kompetenzen und Finanzen in Kombination mit der für Habsburg schwierigen Lage die Hilfeleistung für die fünf Orte verhinderte, waren es 1531 übergeordnete politische Überlegungen, die Karl auf eine Intervention verzichten ließen. Anders als 1529 bestand 1531 keine formale Verpflichtung, den fünf Orten zu Hilfe zu kommen, aber genauso wie 1529 hatten die fünf Orte mit dieser Hilfe gerechnet. Daß sie vom Verhalten Karls und Ferdinands tief enttäuscht waren, zeigen zwei Äußerungen aus der Zeit des Krieges, also aus einer Zeit, bevor der Sieg sie vielleicht milder stimmte und die Enttäuschung etwas in den Hintergrund treten ließ. In einem Schreiben vom 29. Oktober beschwerten sich die Hauptleute der fünf Orte bei Karl und Ferdinand: Obwohl die beiden Monarchen ihnen vor dem Krieg verschiedene Male mündlich und schriftlich Hilfe zugesichert hätten, erhielten sie jetzt, wenn sie sich an die Regierungen der angrenzenden Länder wendeten, nur die Antwort, daß die Regierungen ohne Befehl seien, so daß die Last des Krieges allein auf ihnen, den fünf Orten, ruhe. Das Schreiben schließt mit einem Appell an Karl und Ferdinand, sich ihrer Zusagen zu erinnern und die evangelischen Städte anzugreifen 505. Vergleicht man diese klaren Worte mit der zaghaften Kritik nach dem Ersten Kappeler Krieg, wird die tiefe Enttäuschung auf seiten der fünf Orte deutlich. Zwar konnten sie Karl und Ferdinand keinen Bündnisbruch vorwerfen, aber sie waren doch fest davon ausgegangen, daß jene ihnen zu Hilfe kommen würden, so als ob ein Bündnis bestünde. Wahrte dieses Schreiben immerhin noch die Form diplomatischer Höflichkeit, so brach sich die Verbitterung über das Verhalten Karls und Ferdinands in einem Brief Gilg Tschudis und Christoph Kramers, des Landvogts und des Bürgermeisters zu Sargans, ungehindert Bahn:

505

Hauptleute der fünf Orte an Karl und Ferdinand, Inwil, 29.10.1531 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 56r-57r).

A. Bündnisse und Einungen

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"Alsdann jn disen seltzamen vnnd gfaarlichen löuffen üch von kheyser oder dem römischen küng oder dero anwält vil zugesagt worden, vnnd aber jr vnnser gnedig herren vor anfang diss kriegs vnnd vilicht yetzund in wesendem krieg mermals zugeschriben, vnnd jnen sölch schriben ganntz vngehindert zukomen ist, vnnd wiewol, gnedigen lieben herren, sy hinwider geschriben vil gutter glatter wortten geben vnnd aber mitt der hand ganntz khein hilff, ja nun nit den glichen thun, als obs üch gern helffen weiten, .... dann vnns das pest bedunckt, üch an jr schriben vnd hole wort nit mer ze lassen noch vertruwen, dieweil jr ding vnd zusagen bisshar nutz dann lufft gewessen vnnd vngezwifelt fürter von jnen nutz annders zu verhoffen noch zue vertruwen ist" 506 . Ferdinand und Karl hatten mithin eine große Chance verpaßt, die Stimmung in den fünf Orten, die traditionell ja eher gegen sie gerichtet war, zu ihren Gunsten zu beeinflussen 507. Für das politische Kräfteverhältnis innerhalb der Eidgenossenschaft zwischen französisch und kaiserlich gesinnten Orten brachten die Kappeler Kriege mit Sicherheit keine Verschiebung zugunsten Karls, auch wenn es im Moment aufgrund der konfessionellen Konstellationen vielleicht so aussah. Es stellte sich vielmehr die Frage, wie lange konfessionelle Überlegungen noch so sehr die Oberhand behielten, daß die katholischen Orte a priori für die kaiserliche Seite votierten. Für den im Zweiten Kappeler Landfrieden gefundenen Kompromiß zwischen den eidgenössischen Konfessionsparteien zeigten Karl und Ferdinand nur geringes Verständnis. So wie sie für den Fall eines Sieges der evangelischen Städte die Ausbreitung der neuen Lehre in der gesamten Eidgenossenschaft gefürchtet hatten, erwartete insbesondere Ferdinand nach dem Sieg der fünf Orte die Rekatholisierung der Eidgenossenschaft oder zumindest ernsthafte Bemü-

506

Gilg Tschudi, Christoph Kramer an die fünf Orte, Sargans, 23.11.1531 CSchererBoccard, 349 Acten, Nr. 326, S. 397-401, hier S. 397; auch in Strickler, Actensammlung 5, Nr. 108). 507

Ferdinand hatte den Bruder frühzeitig auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht, als er ihm zu bedenken gab, daß, wenn man den fünf Orten nach ihrem Sieg (gemeint war die Schlacht bei Kappel) nun weiter helfe und die fünf Orte dadurch "aufrecht beleiben, so mug das gedachter kay. mt. auch ihrer ko. mt. zu erhaltung irer reputation auch dem heiligen reich und dem haus Osterreich zu sonderm fromen und nutz raichen" (Instruktion Ferdinands für Wilhelm von Rogendorf zu Karl, Stuttgart, 20.10.1531 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 82r-84r, hier fol. 82r-v)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

hungen in diese Richtung 508 . Daß es in Fragen des Glaubens einen Kompromiß, eine Vereinbarung über "friedliche Koexistenz" geben könnte, war dem König zu dieser Zeit noch eher fremd. Es sollte noch zwei Jahrzehnte dauern, bis er im Reich eine Lösung anstreben und auch verwirklichen sollte, die der des Zweiten Kappeler Landfriedens in ihren Grundprinzipien ähnelte.

3. Das Ringen um ein Bündnis der katholischen Orte mit Kaiser und Papst 1532/33 Mit dem Abschluß des Zweiten Kappeler Friedens versiegt das Interesse der Forschung für die politischen Aktivitäten der eidgenössischen Orte und ihre auswärtigen Kontakte wieder ziemlich abrupt. Aus diesem Grunde waren bereits die Überlegungen Habsburgs im Spätherbst 1531, ob und wie den fünf Orten geholfen werden könne, bisher gänzlich unbeachtet geblieben, da sie eben zeitlich zu einem erheblichen Teil nach Ende der Kriegshandlungen stattfanden, während die Bemühungen der Kontrahenten um auswärtige Unterstützung zwischen den beiden Kappeler Kriegen immerhin von Escher eine ausführliche Darstellung erfahren hatten. Das geringe Interesse der Forschung für die habsburgischen Überlegungen liegt vermutlich auch darin begründet, daß diese wieder einmal - nicht zu vorzeigbaren Ergebnissen führten. Wichtig waren sie dennoch, leiteten sie doch den Umschwung vor allem der kaiserlichen Politik weg von der nördlichen, österreichischen Sicht auf die Eidgenossen hin zu einer von Süden kommenden Sichtweise ein. Diese Perspektive wurde nach dem Ende der Kappeler Kriege die dominierende. Daß die fünf Orte wenigstens vorübergehend in den Kalkulationen Karls und seiner Berater eine feste Größe ge508

Am 1. Dezember 1531 hatte Ferdinand durch Balthasar von Ramschwag den fünf Orten gegenüber die Erwartung aussprechen lassen, daß die Klöster restituiert würden (EA 4/1 b, Nr. 655, S. 1229). Diese Erwartungshaltung spricht auch aus der - unzutreffenden - Mitteilung an Karl, daß die katholischen Orte sich mit ihren wichtigsten Feinden verglichen und diese rekatholisiert hätten (Ferdinand an Karl, Innsbruck, 24.11.1531 (FK 3, Nr. 590, S. 393-406, hier S. 399)). Anfang Januar 1532 machte Ferdinand einen erneuten Versuch, die fünf Orte zu einer Politik der Rekatholisierung zu bewegen, freilich vergebens (EA 4/1 b, Nr. 669, S. 1260). Instruktion Karls für Cornelius Schepper, Brüssel, 27.11.1531 (Lanz, Correspondenz 1, Nr. 248, S. 610-615, hier S. 613). Am weitesten ging Caracciolo in seinem Urteil, der den Frieden als schändlich bezeichnete, weil er den Glauben freistelle (Schepper an Ferdinand, Vigevano, 30.12.1531, (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 77r-80v, hier fol. 79r)).

A. Bündnisse und Einungen

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worden waren, geht aus den langandauernden Verhandlungen um ein Bündnis mit den Orten in den Jahren 1532/33 hervor. Diese Bemühungen blieben der allgemeinen Forschung bislang gänzlich verborgen, obwohl die Bündnisprojekte seit langem ediert sind 5 0 9 . Wie gesehen hatte bereits während des Zweiten Kappeler Krieges die Verbindung nach Süden für die fünf Orte im Vergleich zu 1529 eine erhebliche Rolle gespielt, obwohl entscheidende Hilfe auch von dieser Seite letztlich ausblieb. Nach dem Krieg entwickelten sich aus diesen Verbindungen allmählich Gespräche über ein Bündnis. Die Rahmenbedingungen in Oberitalien waren für ein solches Vorhaben günstig: Der Frieden von Cambrai sicherte Karls Herrschaft in Oberitalien; Francesco II. Sforza war wieder in das Herzogtum Mailand eingesetzt, die Franzosen aus Italien vertrieben. Der Frieden von Barcelona vom Juni 1529 zwischen Karl V. und dem Papst läutete eine Phase der Zusammenarbeit zwischen den beiden Häuptern der Christenheit ein. Daß auch die fünf Orte die Zusammenarbeit mit den südlichen Nachbarn suchten und entsprechende Angebote bereitwillig aufnahmen, war nicht nur eine Folge ihrer bedrängten Lage. Sie hatten vielmehr lange Zeit eine sehr aktive Politik Richtung Süden betrieben, die sogenannte "ennetbirgische Politik", bei der Uri federführend gewesen war. Erst in den letzten anderthalb Jahrzehnten war es hier etwas ruhiger geworden. Die Bemühungen um Unterstützung aus dem Süden, die mit dem Müsserkrieg einsetzten, stellten also keinen völligen Neuansatz in der Politik der fünf Orte dar, sondern die Wiederaufnahme einer Politik mit langer Tradition. Neu war lediglich die konfessionelle Motivation dieser Politik. Erst diese konfessionellen Überlegungen ließen die Bedenken gegen eine Zusammenarbeit mit dem Kaiser schwinden und ermöglichten eine Kooperation mit dem Herzog von Mailand. Auch der Papst wurde erst im Zeichen der konfessionellen Spaltung zum selbstverständlichen Partner. Eine Einbeziehung des Herzogs von Mailand war schon wegen der zentralen Lage Mailands in Oberitalien unabdingbar, weshalb sinnvollerweise Mailand der Ort sein sollte, von dem aus die Bemühungen zu koordinieren waren. Zudem mußte etwaige Hilfe über mailändisches Gebiet zu den fünf Orten gelangen. Zu mehr als wohlwollender Neutralität war der Herzog aber nicht zu bewegen. Selbst das bedeutete für die fünf Orte indessen bereits einen nicht unbeträchtlichen Fortschritt, da der Herzog im Müsserkrieg mit den acht Orten ge509

Lediglich in der biographischen Arbeit von Wirz über den Nuntius Filonardi finden sich einige Hinweise.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

gen den Kastellan von Musso verbündet gewesen war. Freilich waren die fünf Orte noch in der zweiten Oktoberhälfte nicht restlos von der freundschaftlichen Gesinnung des Herzogs überzeugt, so daß sowohl Caracciolo als auch Filonardi, in Reaktion auf entsprechende Äußerungen der fünf Orte, versuchten, die fünf Orte von den lauteren Absichten des Herzogs zu überzeugen 510. Insbesondere in den kaiserlichen Überlegungen ist auch immer wieder vom Herzog von Savoyen die Rede. Dessen Gebiet grenzte an das Wallis, das mit den fünf Orten verbündet war. Des Herzogs Haltung war also wichtig für die Sicherheit des Wallis, das sonst möglicherweise seinem übermächtigen Nachbarn im Norden, Bern, mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert gewesen wäre. Der latente territoriale Konflikt mit Bern ließ den Herzog freilich vorsichtig agieren, so daß er in den Überlegungen über eine Unterstützung der fünf Orte zwar immer wieder auftauchte, in der Praxis aber keine Rolle spielte. Um so zentraler war dagegen die Position des Papstes. Das Verhältnis der fünf Orte zum Papst war nicht zuletzt abhängig von der Stellung des jeweiligen Papstes im Hegemonialkonflikt zwischen Habsburg und Valois. Üblicherweise konnte daher ein pro-französisch eingestellter Papst leichter auf die Sympathie der fünf Orte zählen. Unabhängig von ihrer politischen Orientierung fanden die Päpste traditionell vor allem bei Zürich Rückhalt, wie sich zuletzt 1521 gezeigt hatte, als Zürich dem Papst 2.000 Mann bewilligt hatte. Die päpstliche Politik in der Eidgenossenschaft hatten in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts vor allem zwei Männer vertreten: Kardinal Matthäus Schiner, der 1522 gestorben war, und Ennius Filonardi, Bischof von Veroli 5 1 1 . Beide waren stark antifranzösisch eingestellt, was ihre Position in den innerschweizerischen Orten nicht gerade erleichterte und auch die fünf Orte dem Papst nicht unbedingt näher brachte. Filonardi war von 1514-1517 päpstlicher Nuntius in der Eidgenossenschaft gewesen und hatte in Zürich residiert. Nach Abschluß des Bündnisses zwischen Papst Leo X. und Karl V. 1521 kehrte er als Legat nach Zürich zurück, um Truppen für den Papst anzuwerben, hatte damit aber nur bei Zürich Erfolg. Da sich aber aus den anderen Orten eine erhebliche Zahl Freiwilliger meldete, konnte Filonardi schließlich doch 6.000 Söldner über die Alpen führen. Als Filonardi Ende 1521 auf dem Weg in die Schweiz war, um 510

Filonardi an die fünf Orte, Mailand, 26.10.1531 (Strickler, Actensammlung 4, Nr. 551); Caracciolo an die fünf Orte, Mailand, 26.10.1531 (ebd., Nr. 550). Sowohl Filonardi als auch Caracciolo beziehen sich aufschreiben der fünf Orte vom 18. und 21. Oktober, die jedoch nicht überliefert sind. 511

Zu Filonardi siehe Wirz, Filonardi.

A. Bündnisse und Einungen

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die Eidgenossen über den Erfolg der kaiserlich-päpstlichen Koalition und die Einnahme Mailands zu informieren, wurde er von einem Zuger Hauptmann überfallen und auf Beschluß Luzems, Uris und Zugs gefangengesetzt. Filonardi gelang es jedoch zu entkommen, und er flüchtete nach Zürich. Diese Episode veranschaulicht, daß das Verhältnis Filonardis zu den ftlnf Orten durchaus gespannt war, während er Zürich auch noch nach Beginn der religiösen Neuerungen für im Grunde gut päpstlich hielt. Daß Filonardi sich im Frühjahr 1522 in Zürich nicht mehr sicher fühlte und nach Konstanz übersiedelte, lag nicht am Wirken Zwingiis, sondern an den Soldrückständen, mit denen der Papst in Zürichs Schuld stand. Von Konstanz aus war Filonardi weiter für den Papst tätig, seine Position wurde allerdings zusehends schwieriger. Die Frankreich zuneigenden Orte lehnten seine Versuche, die Eidgenossen wenigstens zur Neutralität zu bewegen, ab, und in Zürich schritt die Reformation mittlerweise so voran, daß an eine Zusammenarbeit mit dem Papst und seinem Nuntius nicht mehr zu denken war. Ende 1522 kehrte er nach Rom zurück. Im Februar 1525 wurde Filonardi dann als Nuntius erneut in die Eidgenossenschaft entsandt, dieses Mal ausdrücklich wegen der Glaubensspaltung. Die katholischen Orte waren über die Entsendung ausgerechnet Filonardis freilich wenig erfreut, hatten sie sich doch einen kompetenten Theologen als Nuntius erhofft, der Zwingli hätte Paroli bieten können. Filonardi aber war durch und durch Politiker. Die Mission war denn auch ein völliger Fehlschlag, Filonardi erhielt nicht einmal von allen Orten sicheres Geleit, so daß er in Chur blieb. Hier wird deutlich, daß von nun an eine Zusammenarbeit des Papstes nur noch mit den katholischen Orten denkbar war, ungeachtet der sonstigen politischen Interessen. Im Frühjahr 1531 übernahm Filonardi den Posten eines Nuntius in Mailand 512 , just zu dem Zeitpunkt also, als sich die Aufmerksamkeit der fünf Orte wegen des Müsserkrieges wieder verstärkt nach Süden richtete. Nachdem die fünf Orte sich zuvor bereits an den Papst gewandt 513 , von dort aber nur eine sehr unverbindliche Antwort erhalten hatten 514 , schrieb Luzern am 7. Juni an den soeben in Mailand eingetroffenen Nuntius und bat ihn in sehr 512

Nachdem Filonardi seinen Posten in Mailand angetreten hatte, nahm er bezeichnenderweise offenbar zuerst Kontakt zu Zürich und den anderen Orten auf, die gegen den Kastellan von Musso kämpften, und ermunterte sie zur Fortführung ihres Kampfes (Jörg Göldli an Zürich, Domaso, 20.4.1531 (Strickler, Actensammlung 3, Nr. 454, S. 198)). Als Zürich auf diese erste Kontaktaufnahme von päpstlicher Seite seit Jahren aber mit Hinweisen auf die noch immer ausstehenden Soldzahlungen des Zugs von 1521 reagierte (Wirz, Filonardi, S. 71), wurde der Kontakt schnell wieder abgebrochen. 513

Die fünf Orte hatten Stephan de Insula mit einem Schreiben zum Papst gesandt, wie aus der Antwort des Papstes hervorgeht (Clemens VII. an die fünf Orte, Rom, 28.4.1531 (Strickler, Actensammlung 3, Nr. 497)). 514

Der Papst sah sich zu tätiger Hilfe nicht imstande, versprach aber, beim Herzog von Mailand zu ihren Gunsten vorzusprechen.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

allgemeinen Worten um Hilfe 5 1 5 . Damit waren die Weichen für die Bemühungen der fünf Orte, aus Italien Hilfe zu erhalten, gestellt. Der Nuntius Filonardi nahm fortan eine zentrale Mittlerstelle ein. Die fünf Orte wandten sich meist an ihn, entweder schriftlich oder sehr häufig durch die Entsendung von Baptist oder Stephan de Insula 516 . Der Nuntius nutzte seine Verbindungen zum Papst, zum Kaiser (über dessen Gesandten in Mailand, Caracciolo) und zum Herzog von Mailand, um den fünf Orten zu der gewünschten Unterstützung zu verhelfen. Sowohl der Kaiser als auch der Herzog wurden vom Papst aber auch direkt um Beistand für die fünf Orte angegangen, der Kaiser vor allem über seinen Gesandten an der Kurie, Miguel Mai. Auf diese Weise bildete sich in kürzester Zeit ein ganzes Netz von Kontakten, mit dem Ziel, Unterstützung für die fünf Orte zu organisieren. Ferdinand war übrigens in dieses Kommunikationsnetz kaum einbezogen, obwohl er mit Andrea da Burgo ebenfalls einen Gesandten in Rom sitzen hatte. Vielmehr lassen sich 1531/32 deutlich zwei unterschiedliche Kommunikationsnetze der fünf Orte beobachten: Das eine nach Norden, mit Verbindungslinien über den Landvogt in Baden zu Veit Sutor in Waldshut und Eiteleck von Reischach, oder zu Mark Sittich, den die fünf Orte im Ersten Kappeler Krieg als einen entschiedenen Fürsprecher ihrer Angelegenheiten schätzen gelernt hatten, oder direkt zur Regierung Innsbruck. Indirekt flössen zusätzlich zahlreiche Nachrichten über die österreichischen Informanten, vor allem Adlige entlang des Rheins, von den fünf Orten nach Innsbruck. Alle diese Informationen gelangten in Abschriften oder Zusammenfassungen zu Ferdinand. Das südliche Kommunikationsnetz hatte als zentralen Knotenpunkt den Nuntius Filonardi und war an den Endpunkten auf den Kaiser und den Papst ausgerichtet. Zusammen kamen diese

515 516

Luzem an Filonardi, 7.6.1531 (Strickler,

Actensammlung 3, Nr. 700).

Die Brüder Insula waren fast unaufhörlich zwischen Luzem, Mailand und Rom unterwegs, um Informationen und Briefe hin und her zu transportieren. Die zwischen dem Nuntius und den fünf Orten gewechselten Schreiben hatten deshalb häufig den Charakter von Begleitschreiben für die Gesandten und verwiesen auf deren mündlichen Bericht. Insofern ist die Quellenlage trotz der recht zahlreichen Korrespondenz relativ schlecht, weil wenig aussagekräftig. Die Brüder Stephan und Baptist de Insula spielen zwischen 1530 und 1550 eine wichtige und z.T. recht schillernde Rolle im Verkehr der fünf Orte mit Italien. Sie stammten aus Genua, Baptist de Insula wurde am 4.11.1528 in Luzem als Bürger aufgenommen (StA Luzem, COD 3665 (Bürgerbuch), fol. 15r), über eine Aufnahme Stephans als Bürger ist nichts bekannt.

A. Bündnisse und Einungen

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beiden Netze in der Korrespondenz zwischen Karl und Ferdinand. Während 1529 nur das nördliche Netz (wenn auch in etwas anderer Form) existiert hatte, gewann das südliche Netz, kaum war es geknüpft, rasch an Bedeutung und wurde entscheidend für die Unterstützung der fünf Orte. Während des Zweiten Kappeler Krieges trugen die Bemühungen Filonardis freilich noch kaum Früchte. Allein der Papst setzte seine Hilfsversprechen für die fünf Orte wenigstens ansatzweise in die Tat um. In einem ersten Schritt bewilligte er 6.000 Dukaten für die Unterstützung der fünf Orte. Da er das Geld jedoch nicht auf einmal beschaffen konnte, konnten die von den fünf Orten erbetenen Büchsenschützen nur nach und nach angeworben und in die Eidgenossenschaft entsandt werden 517 . Wenn der Papst dann am 19. November 1531 Filonardi zum Legaten für den Schutz des Glaubens in der Schweiz ernannte, folgte er damit zum einen dem Wunsch des Kaisers nach Entsendung eines Nuntius in die Schweiz 518 , zum anderen war diese Ernennung im Grunde nur die Bestätigung der Funktion, die Filonardi in der Praxis bereits seit einigen Monaten ausübte, wenn auch nicht in der Eidgenossenschaft selbst, sondern vom benachbarten Mailand aus 5 1 9 . Gleichzeitig erteilte der Papst den Auftrag, 4.000 Mann zur Unterstützung der fünf Orte anzuwerben, und ernannte Filonardi zusätzlich zum Generalkommissar beim katholischen Heer 5 2 0 . Für den Ausgang des Krieges in der Eidgenossenschaft kamen diese Ansätze einer Unterstützung freilich zu spät.

517

Escher, Glaubensparteien, S. 292f. Escher schätzt, daß Mitte November 1531 ca. 1.000 Büchsenschützen bei den fünf Orten eingetroffen waren. Aus der Korrespondenz erhellt immer wieder, wie mühsam die Geldbeschaffung war. So brachte Stephan de Insula am 2.11.1531 200 Kr. nach Bellinzona (Stephan de Insula an Luzem, Bellinzona, 2.11.1531 0Strickler, Actensammlung 4, Nr. 748)), mit denen die erwarteten 200 Knechte erst einmal abgefertigt werden sollten (Jakob Feer an Luzem, Bellinzona, 2.11.1531 (ebd., Nr. 747)). Bei einem üblichen Monatssold von 4 1/2 fl. war dies freilich nur ein kleiner Anfang. Immer wieder ist in den folgenden Tagen von der Entsendung kleinerer Mengen Geld oder Soldaten die Rede (Filonardi an Hauptleute und Räte der fünf Orte, Mailand, 4.11.1531 (ebd., Nr. 794); Filonardi an Hauptleute und Räte der fünf Orte, Mailand, 11.11.1531 (ebd., Nr. 943); Jakob Feer an Hauptleute der fünf Orte, Bellinzona, 13.11.1531 (ebd., Nr. 958)). 518

Lanz, Staatspapiere, Nr. 15, S. 73-78, hier S. 75.

519

Wirz, Filonardi, S. 75.

52 0

Wirz, Filonardi, S. 75.

24 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. Wegen der allgemein verbreiteten Skepsis hinsichtlich der Dauer des Frie-

dens in der Eidgenossenschaft gingen die Bemühungen um eine Unterstützung der fünf Orte aber unvermindert weiter. Aus diesem Grund wünschte Karl auch weiterhin die Reise Scheppers zu den fünf Orten 521 . In den Anweisungen an Schepper vom Januar 1532 tauchte dann erstmals der Gedanke eines Bündnisses mit den fünf Orten auf 5 2 2 . Gedacht war dabei zunächst an ein Bündnis des Papstes mit den fünf Orten, wobei Schepper dem Nuntius aber, falls notwendig, helfen sollte, ein solches Bündnis zustandezubringen. Dies entsprach der bisherigen Politik Karls in den schweizerischen Angelegenheiten, die Sache der fünf Orte zwar zu fördern, dabei aber möglichst selbst nach außen nicht in Erscheinung zu treten. Der wohl wichtigste Grund für diese Zurückhaltung begegnet ebenfalls in der Anweisung an Schepper, nämlich: darauf zu achten, daß ein solches Bündnis nicht gegen die Verträge zwischen Karl und Franz I. verstoße 523. Über diese erste Phase der Bündnispläne ist kaum etwas bekannt. Klar ist jedoch, daß die Initiative dazu vom Papst ausging 524 . Die anfängliche Konzeption des Bündnisses, nämlich als Bündnis mit der gesamten Eidgenossenschaft oder wenigstens den fünf Orten, trägt deutlich die Handschrift Filonardis. Der Nuntius ging nämlich nach wie vor davon aus, daß eine Rekatholisierung der Eidgenossenschaft relativ leicht zu erreichen sei. In dieser erblickte er das Hauptziel seiner Tätigkeit als Legat in der Schweiz. Insofern wollte Filonardi nunmehr nachholen, was er und die Kurie 1525 versäumt hatten. Sein Ver521

Karl an Schepper, Brüssel, 6.1.1532 (Lanz, Correspondenz 1, Nr. 264); Karl an Schepper, Köln, 26.1.1532 (ebd., Nr. 270); Karl an Ferdinand, Bonn, 29.1.1532 (FK 3, Nr. 614, S. 493-497, hier S. 495). 522

Zwar findet sich bereits in der Instruktion für Schepper vom 27.11.1531 der Gedanke an ein Bündnis, doch betraf dieser damals die Frage, wie Schepper auf ein eventuelles Ansinnen der fünf Orte reagieren sollte, mit Karl, sei es als Kaiser oder als Erzherzog von Österreich und Herzog von Burgund, ein Bündnis zu schließen (Instruktion Karls für Schepper in die Schweiz, Brüssel, 27.11.1531 (Lanz, Correspondenz 1, Nr. 248, S. 610-615, hier S. 614)). Jetzt aber ging es um ein Bündnis auf Initiative des Papstes, also etwas völlig anderes. 523 524

Karl an Schepper, Köln, 26.1.1532 (Lanz, Correspondenz 1, Nr. 270, S. 668).

Karl an Ferdinand, Brüssel, 23.12.1531/2.1.1532 (FK 3, Nr. 605, S. 454-459, hier S. 457). Karl teilte Ferdinand in diesem Brief mit, "que nostre sainct pere m'a adverty qu'il desireroit traicter quelque lighe generalement, si faire se peut, avec lesd. des lighes pour la desfension de l'Italie ou du moings particulièrement avec les cinq quantons, que me sembleroit très bonne oeuvre, si elle se pouvoit conduire."

A. Bündnisse und Einungen

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ständnis für theologische Fragen scheint in der Zwischenzeit aber nicht größer geworden zu sein, denn er glaubte, durch Zahlung des noch ausstehenden Solds und durch Aufwendung von weiteren 4.000 fl. Zürich zum alten Glauben zurückführen zu können 525 . Die Rekatholisierung stand im Vordergrund seiner Überlegungen, der Abschluß eines Bündnisses kam erst an zweiter Stelle 526 und hatte in der von Filonardi bevorzugten Form eines Bündnisses mit der gesamten Eidgenossenschaft überdies die Rekatholisierung zur Voraussetzung. Um sein Ziel zu erreichen, erschien es Filonardi günstiger, zunächst allein, d.h. ohne Begleitung eines kaiserlichen Gesandten, in die Eidgenossenschaft zu reisen, damit der politische Zweck der Reise nicht allzu schnell offenbar und somit das Mißtrauen Frankreichs geweckt würde 527 . Damit war er, solange es um die Unterstützung der fünf Orte ging, von der Position Karls gar nicht so weit entfernt, der hierbei ja nur ungern in Erscheinung treten wollte, wie die vergangenen Wochen und Monate gezeigt hatten 528 . Allerdings war die Unterstützung der fünf Orte wohl nicht der Hauptgrund, der Karl veranlaßte, diesem Bündnisprojekt näherzutreten. Er bezeichnete das Bündnis vielmehr stets als auf "la desfension de l'Italie" ausgerichtet 529, d.h. er sah darin eine Möglichkeit, die fünf Orte zur Absicherung seiner Herrschaft in Italien zu gewinnen 530 . Karl verfolgte somit das alte Ziel, die Eidgenossen - in 525

Wirz, Filonardi, S. 81. Die Fehleinschätzung der Reformation in der Schweiz durch Filonardi und ihm folgend die Kurie betont auch Müller, Die römische Kurie, S. 274. 526

Auch in den zahlreichen Briefen Filonardis aus dem Frühjahr 1532 an den päpstlichen Geheimsekretär Salviati geht es häufig um die Rückführung der Zürcher in den Schoß der alten Kirche, kaum um das Bündnis. Die Briefe sind gedruckt in Wirz, Akten. 527

Wirz, Filonardi, S. 82.

528

Genau dies schrieb Campeggio, der Nuntius am Kaiserhof, über die Haltung Karls nach Rom (Campeggio an Salviati, Brüssel, 25.11.1531 (Wirz, Akten, Nr. 142, S. 249f., hier S. 249)). 529

Karl an Ferdinand, Brüssel, 23.12.1531/2.1.1532 (FK 3, Nr. 605, S. 454-459, hier S. 457). Während der Bündnisverhandlungen bezeichnete der Gesandte Karls in der Eidgenossenschaft, Leonard de Gruyeres, die Sicherheit Italiens als den zentralen Punkt seines Auftrags (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 10.6.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 35r-37v, hier fol. 35v)). 530

Wie Karl sich dieses Bündnis genauer vorstellte, bleibt allerdings im dunkeln, zumal er Ferdinand gegenüber betonte, daß Schepper den Nuntius zwar bei den Bündnisverhandlungen unterstützen solle, allerdings "sans monstrer y vouloir entrevenir de 24*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

diesem Fall: einen Teil der Eidgenossen - für die eigenen Belange einsetzen zu können. An eine vorige Rekatholisierung, wie sie dem Nuntius vorschwebte, dachte Karl freilich nicht 5 3 1 . Was den Papst zu seiner Initiative bewog, ist nicht ganz klar. Möglicherweise war es der Wunsch, den Kaiser vertraglich in die Bemühungen um eine Rekatholisierung der Eidgenossenschaft oder wenigstens eine Unterstützung der fünf Orte einzubinden. Mit Sicherheit spielten aber auch bei ihm politische Motive eine Rolle. Clemens VII. scheint das geplante Bündnis wenigstens zeitweise auch als Chance zur Absicherung seiner Familie, der Medici, und ihrer Herrschaft in Florenz gesehen zu haben 532 . par nous, pour non prejudicier ä la lighe hereditaire" (Karl an Ferdinand, Bonn, 29.1.1532 (FK 3, Nr. 614, S. 493-497, hier S. 495)). Es ist nicht klar, wie ohne eine Zugehörigkeit Karls zu dem Bündnis seine Interessen sichergestellt werden sollten. Daß er einfach dem Papst vertraute, daß dieser schon für die "desfension de l'Italie", und das konnte ja nur heißen: für die Verteidigung der jetzigen Machtverhältnisse, sorgen würde, ist kaum vorstellbar. Es handelt sich bei diesen Bündnisplänen eindeutig um ein anderes Bündnis als die während des zweiten Zusammentreffens Karls und Clemens' VII. in Bologna am 27.2.1533 abgeschlossene italienische Defensivliga (Müller, Die römische Kurie, S. 234). Allerdings scheint es in den Bündnisplänen eine Entwicklung gegeben zu haben: Während zunächst von einem Bündnis des Papstes mit den fünf Orten die Rede war, ging es später bei den konkreten Verhandlungen um ein Bündnis des Papstes und des Kaisers mit sechs Orten, wobei den italienischen Fürsten der Beitritt ausdrücklich offengehalten und nahegelegt wurde. Die Defensivliga vom 27.2.1533 nahm dieses umfassende Bündnis in einem Teil vorweg. 531

Darauf weist die Tatsache hin, daß die kaiserliche Seite auf die Wiedergewinnung Zürichs verzichten wollte (Wirz, Filonardi, S. 83f.). Allerdings geschah dies nicht aus Kostengründen, wie Wirz behauptet, ohne dafür jedoch Belege anzuführen, sondern sicherlich, weil der kaiserlichen Seite die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens im Gegensatz zu Filonardi klar war, ein entsprechender Versuch also unnütz und insofern tatsächlich Vergeudung von Zeit und Geld war. 532

Nur so ist die Überlegung über ein Bündnis zwischen den Eidgenossen, dem Papst und Florenz zu verstehen, die im Frühjahr 1532 auftaucht (Wirz, Filonardi, S. 84). Da war es nur logisch, daß die Kurie nicht länger auf der gemeinsamen Mission mit dem Kaiser bestand (ebd., S. 85). Daß "die Kaiserlichen [...] sich lange nicht von einem gemeinsamen Vorgehn abbringen lassen" wollten (ebd., S. 83), erscheint angesichts dieses Vorschlags verständlich und das dahinter stehende Mißtrauen berechtigt. Das Verhältnis zwischen Kaiser und Papst war keineswegs so ungetrübt, als daß nicht beide Seiten eine gewisse Kontrolle der anderen für ratsam hielten.

A. Bündnisse und Einungen Zunächst blieb es freilich bei diesen Überlegungen. Schepper war nämlich schon aus Mailand abgereist, als Karl ihm die Anweisungen bezüglich eines Bündnisses erteilte. Karl folgte auch nicht Ferdinands Empfehlung, an seiner Stelle jemand anderen in die Eidgenossenschaft zu senden 533 . Zudem war Filonardi noch nicht in die Eidgenossenschaft abgereist 534. Die nach wie vor recht engen Kontakte zwischen den fünf Orten und ihren möglichen Partnern in Oberitalien in den ersten Monaten des Jahres 1532 galten allerdings nicht derartigen Bündnisüberlegungen. Die fünf Orte versuchten vielmehr, endlich die Bezahlung für die ihnen im Herbst 1531 gesandten Büchsenschützen zu erhalten 535 , was sich als ein ziemlich mühsames Unterfangen erweisen sollte. Am 11. Juli 1532 brach Filonardi schließlich - allein - in die Eidgenossenschaft auf 5 3 6 . Auf einer Tagung der fünf Orte in Luzern am 17. August schlug Filonardi ihnen ein Bündnis mit dem Papst vor 5 3 7 . Der Vorschlag des Nuntius stieß bei den fünf Orten auf Zustimmung, und sie bedankten sich schriftlich bei Clemens V I I . 5 3 8 . Mehr als um ein Bündnis für die Zukunft war es den fünf Orten allerdings um direkte Hilfe für die Gegenwart zu tun, da sie einen erneuten Kriegsausbruch für unmittelbar bevorstehend hielten. Entsprechenden Bitten galt denn auch der Hauptteil ihres Schreibens. Danach wurde es erst wieder einmal still um das geplante Bündnis. Im Oktober 1532 zog Karl über die Alpen nach Italien, wo er erneut mit dem Papst zusammentreffen wollte. Damit ergab sich für die fünf Orte die günstige Gele-

533

Ferdinand an Karl, Innsbruck, 21.1.1532 (FK 3, Nr. 610, S. 477-485, hier S. 480).

534

Insofern war die Ankündigung des kaiserlichen Gesandten in Rom, Miguel Mai, an die fünf Orte über eine entsprechende Initiative des Papstes und des Kaisers durch Filonardi und Schepper etwas voreilig (Miguel Mai an die fünf Orte, Rom, 18.2.1532 (StA Luzem, Al Fl Sch. 60; gedr. in: Strickler, Actensammlung 4, Nr. 1413)). 535

EA 4/1 b, Nr. 698, S. 1305; fünf Orte an Filonardi, Luzem, 19.3.1532 0Strickler, Actensammlung 4, Nr. 1482); fünf Orte an Clemens VII., Luzem, 19.3.1532 (Wirz, Akten, Nr. 148, S. 256-258, hier S. 257f.). Siehe auch Wirz, Filonardi, S. 76. 536

Filonardi an Salviati, Mailand, 11.7.1532 (Wirz, S. 291); Wirz, Filonardi, S. 86. 537 538

306).

Akten, Nr. 166, S.291f., hier

Filonardi, S. 92. Der Vortrag des Nuntius ist leider nicht erhalten. Fünf Orte an Clemens VII., Luzem, 28.8.1532 (Wirz,

Akten, Nr. 175, S. 304-

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. genheit, ihre Anliegen und Sorgen gleichzeitig dem Kaiser und dem Papst vorzutragen und um Hilfe zu bitten. Sie nützten diese Chance und entsandten eine Botschaft nach Bologna. Die Gespräche mit Kaiser und Papst führten zu einem ersten Vertragsentwurf für ein Bündnis zwischen den fünf Orten, Karl V. und Clemens V I I . 5 3 9 . In dem Entwurf wurde zunächst die schwierige Lage der katholischen Orte dargestellt, und welchen Gefahren sie von den Evangelischen ausgesetzt seien. Mit dieser Situation wurde der Abschluß eines Bündnisses zur Bewahrung des alten Glaubens in der Schweiz motiviert. Bündnispartner waren der Papst und der Kaiser einerseits, die sechs Orte 540 andererseits, wobei den übrigen italienischen Fürsten sowie anderen katholischen oder zur katholischen Kirche zurückkehrenden Orten der Beitritt angeboten wurde. Die Vereinbarungen sahen im einzelnen vor, daß den sechs Orten im Verteidigungsfall von Kaiser und Papst für die Dauer des Krieges 2.000 italienische Büchsenschützen zur Verfügung gestellt und bezahlt werden sollten, es sei denn, Kaiser und Papst wären in Italien selbst in einen Krieg verwickelt. Bei einem Angriff auf Italien verpflichteten sich die sechs Orte, dem Angreifer keine Soldaten zuziehen zu lassen und seinen Truppen keinen Durchzug zu gestatten. Als Ursache für einen solchen Angriff

539

Preliminar-Akten, Nr. 4, S. 555-557; EA 4/1 c, Nr. 9, S. 14f.; in lateinischer Fassung in: Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 4r-5v. Der Entwurf ist wie die anderen erhaltenen Entwürfe undatiert, die Erwähnung der Zusammenkunft von Kaiser und Papst in Bologna und der Entsendung einer Botschaft dorthin verweist aber eindeutig auf die Jahreswende 1532/33. Karl war laut Itinerar vom 13.11.1532-28.2.1533 in Bologna. Der Papst traf am 8. Dezember in Bologna ein und verließ die Stadt wieder Mitte März (L.v. Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance und der Glaubensspaltung von der Wahl Leos X. bis zum Tode Klemens VII. (1513-1534), Bd. 2, Freiburg/Br. 1925, S. 467-473). Die Verhandlungen mit den fünf Orten müssen also zwischen dem 8.12.1532 und dem 28.2.1533 stattgefunden haben. Gesandter der fünf Orte war Baptist de Insula (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 2r), seine Credenz datiert vom 18.1.1533 (fünf Orte an Clemens VII, Luzem, 18.1.1533 ( Wirz, Akten, Nr. 179)). Baptist de Insula scheint allein in Bologna gewesen zu sein, von weiteren Gesandten ist nichts bekannt, obwohl in dem (allerdings durchaus fehlerhaften) Entwurf von Sendboten im Plural die Rede ist. 540

Wenn in diesem Zusammenhang von den sechs Orten die Rede ist, sind damit stets die fünf Orte und Freiburg gemeint. In bezug auf die Verhandlungen wird stets summarisch die Bezeichnung sechs Orte verwendet, auch wenn Freiburg auf der einen oder anderen Tagsatzung, auf der über das Bündnis geredet wurde, nicht anwesend war, oder bei einzelnen Beratungen zudem das Wallis vertreten war, weil der Bündnistext ein Bündnis mit den sechs Orten vorsah.

A. Bündnisse und Einungen

375

wurde zunächst der Glauben genannt, dann aber ergänzt "oder jn ander wäg oder anderer gesuchter färben oder funden halb, was wäsens condition oder würde die sin möchten"541. Auffallend ist, daß die Berechtigung dieses Artikels eigens begründet wurde: Es sei ziemlich, daß die sechs Orte auch Kaiser und Papst diesen Dienst erweisen, da das Bündnis umgekehrt ja auch den Schutz der sechs Orte garantiere. Offensichtlich stuften die Verfasser diesen Punkt - die Hilfe der sechs Orte zur Sicherung der gegenwärtigen Machtverhältnisse in Italien - als heikel ein. Die Erwähnung eines religiösen Grundes für einen Angriff auf Italien diente nur als Vorwand, denn mit einem protestantischen Einfall in Italien rechnete im Emst niemand, und wenn an dieser Stelle ein Angriff der Türken gemeint gewesen wäre, so hätte man dies sicher expressis verbis formuliert. Gemeint war nur eins: ein französischer Angriff auf Italien. Überhaupt versprachen die sechs Orte, dafür zu sorgen, daß ihre Leute, wenn sie in fremden Solddienst ziehen wollten, möglichst dem Kaiser oder Papst zuzögen, auch dies eine klar gegen Frankreich gerichtete Bestimmung. Den eidgenössischen Orten wurde schließlich eine Pension zugesagt, deren Höhe aber nicht genannt wurde 542 .

541 542

Preliminar-Akten, Nr. 4, S. 556.

Dieser - hier in seinen Grundzügen vorgestellte - Entwurf, im folgenden als A bezeichnet, ist an vielen Stellen recht vage gefaßt und somit deutlich als erster Entwurf, ja fast als eine Art Absichtserklärung, zu erkennen. Für einen Vertragstext waren gerade die Hilfsbestimmungen viel zu unpräzise. Insofern erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß dieser Text nicht das Ergebnis längerer Verhandlungen war, sondern ein Entwurf, der Baptist de Insula als Diskussionsgrundlage mitgegeben wurde. Von dem Bündnis existieren weitere Textvarianten, allesamt undatiert und von daher schwer einzelnen Verhandlungsphasen zuzuordnen. Ein Entwurf liegt sowohl in lateinischer als auch in deutscher Sprache vor, im folgenden als B l a t (Preliminar-Akten, Nr. 1; EA 4/1 c, Nr. 9, Text III, S. 17 (dt. Zusammenfassung)) und B d t (Preliminar-Akten, Nr. 2; EA 4/1 c, Nr. 9, Text IV, S. 17f. (Regest)) bezeichnet. Über weite Strecken ist B d t eine Übersetzung von B l a t , es existieren jedoch etliche Passagen, die nur in einem der beiden Texte enthalten sind. Die Unterschiede zwischen beiden Texten folgen einem durchgehenden Prinzip: B dt ist für die sechs Orte günstiger, stärkt ihre Rechte und erweitert die Pflichten von Kaiser und Papst. So fehlt beispielsweise in B d t der Passus, der Kaiser und Papst von der Hilfspflicht befreit, falls sie selbst in Italien Krieg führen. B d t enthält auch eine Bestimmung, die den sechs Orten im Bedarfsfall über die garantierten 2.000 Büchsenschützen hinaus so viel Hilfe wie nötig zusagt. Aufgenommen wurde auch ein Artikel über "feilen Kauf' im Herzogtum Mailand, ein altes Anliegen der fünf innerschweizerischen Orte. Außerdem wollten die sechs Orte die Dauer des Vertrages auf die Lebenszeit von Clemens VII. und Karl V. begrenzen, sich also nicht an irgendwelche Nachfolger, deren politische Ausrichtung nicht vorherzusehen war, binden. Es ist deshalb wohl davon auszugehen, daß die katholischen Orte den Text B l a t (oder eine deutsche Übersetzung) genommen und mit ihren Änderungswünschen versehen haben. Das in EA kurz wiedergegebene Stück aus dem StA Freiburg (EA 4/1 c, Nr. 9, Text V, S. 18)

376

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Am 24. März 1533 trafen Leonard de Gruyeres, der Offizial von Besançon, und Jacques Chambrier in Luzern ein 5 4 3 , um zusammen mit dem Nuntius Filonardi mit den fünf Orten über das anvisierte Bündnis zu verhandeln 544. Am

ist weitgehend identisch mit B d t , nur mit dem Unterschied, daß neben den sechs Orten als Bündnispartner auf eidgenössischer Seite noch das Wallis genannt ist. Die beiden Entwürfe sind zwar nicht datiert, doch enthält das Kopialbuch Gruyeres' einen lateinischen Entwurf, der inhaltlich weitgehend mit B d t übereinstimmt (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 85r-87r) und der zu den Akten der Tagsatzung vom 4.8.1533 gehört. Bei dem hier als C bezeichneten Text (Preliminar-Akten, Nr. 3, S. 553, deutsche Übersetzung mit Ausnahme des ersten Absatzes auf S. 554f.; Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 51r-52r; EA 4/lc, Nr. 9, Text II, S. 16 (Regest)) handelt es sich nicht um einen Vertragsentwurf im strengen Sinne, sondern um eine Stellungnahme der sechs Orte zu dem geplanten Vertragswerk. Dies ist daran zu erkennen, daß von den sechs Orten stets als "wir" die Rede ist, und an Formulierungen wie der, daß bezüglich des Verbots des Zuzugs zu den Feinden der Bündnispartner "wir vns entschlossen" haben, "das erstlich angezoigt werden, wer oder wöllich die syen, wider die wir nütt züchen vnd in diser pundtnus vergriffen sin sollen" (Preliminar-Akten, Nr. 3, S. 554). Der enge inhaltliche Zusammenhang zu B d t ist evident. Zeitlich ist C zwischen A und B anzusiedeln. Dafür spricht vor allem, daß Kaiser und Papst aufgefordert werden, die Höhe sowie Auszahlungsort und -tag der jährlichen Pension festzulegen, was in B bereits geschehen ist. C dürfte ungefähr Anfang Juli 1533 entstanden sein, da es im Kopialbuch Gruyeres' zwischen Briefen vom 3.7. und 7.7. eingefügt ist. Hier ist es auch klar als Stellungnahme der sechs Orte bezeichnet (Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 51r). Bei D (Wirz, Akten, Nr. 180; Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 103v-106v) handelt es sich um den spätesten Entwurf. Er ist inhaltlich über weite Strecken identisch mit B d t , aufgrund der sprachlichen Form ist mit Sicherheit davon auszugehen, daß eine Übersetzung von B d t vorliegt, da die lateinischen Konstruktionen zumeist wörtlich dem deutschen Satzbau folgen. Neu im Vergleich zu B d t sind umfangreiche Bestimmungen über die Annahme von Söldnern und Hauptleuten aus den katholischen Orten. Als Bündnispartner ist neben den sechs Orten das Wallis genannt, was ebenfalls auf eine späte Phase der Verhandlungen hindeutet. Die Wiedergabe im Kopialbuch Gruyeres' zwischen Schreiben vom 17. und 30.8. weist auf Mitte August als Entstehungszeit hin. 543 544

Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 6r.

Instruktion Karls für Gruyeres zu den fünf Orten, Parma, 3.3.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 2r-4r); Vollmacht Karls für Gruyeres, Mailand, 14.3.1533 (ebd., fol. 18v). Vollmacht und Instruktion lauteten nur auf Gruyeres, Chambrier fungierte offenbar lediglich als Begleiter. Seine Anwesenheit in Luzern ist aber durch zahlreiche Erwähnungen gesichert, Mitte Mai verließ er dann die Eidgenossenschaft (Gruyeres an Karl, Luzem, 10.6.1533 (ebd., fol. 33v-35r, hier fol. 34r)), von diesem Zeitpunkt an verhandelte Gruyeres allein.

A. Bündnisse und Einungen

377

31. März traten die kaiserlichen Gesandten mit ihrem Anliegen vor den großen und kleinen Rat in Luzern 545 . Auf Anraten Filonardis und Baptist de Insulas kamen sie dabei nicht direkt auf das Bündnis zu sprechen, sondern erläuterten in allgemeinen Worten ihren Auftrag, die fünf Orte in ihrem Festhalten am alten Glauben zu bestärken. Auf diese Weise wollten die Gesandten zunächst einmal die Stimmung in den fünf Orten erkunden 546. Auf einer Tagsatzung am 16. April unterbreiteten die Gesandten des Kaisers und des Papstes dann den katholischen Orten den Bündnisvorschlag547. Damit begannen die eigentlichen Bündnisverhandlungen548, die sich über den ganzen Sommer hinzogen 549 - allein dies ein deutliches Indiz dafür, daß es beträchtliche Schwierigkeiten zu überwinden gab.

545

Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 6v-7r; die Proposition der Gesandten auf fol. 7r-8r. 546

Gruyeres und Chambrier an Karl, Luzem, 6.4.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. lOv-1 lv, hier fol. 1 lr). Die positive Reaktion auf ihren ersten Vortrag ließ Gruyeres auch die Chancen seines eigentlichen Auftrags optimistisch beurteilen. 547

Bibl. mun. Besançon, Ms.1145, fol. 17v-18r; EA 4/lc, Nr. 36, S. 58; Nr. 41,

S. 65. 548

Die Verhandlungen sollen hier freilich nicht im Detail vorgestellt, sondern lediglich in ihren Grundlinien erläutert werden, sofern diese aufschlußreich für die grundsätzlichen Positionen Karls und der katholischen Orte sind. Die Berichte Gruyeres' an Karl und an Granvelle erlauben einen detaillierten - wenn auch einseitigen - Blick auf die Verhandlungen und auf die Schwierigkeiten, auf die Gruyeres dabei stieß. Eines seiner größten Probleme, das in fast allen Briefen angesprochen wird, war dabei der Mangel an Geld, und zwar sowohl für seinen eigenen Unterhalt als auch für die Durchführung seines Auftrags, also für Bestechungsgelder, Bewirtungen etc. Unklar war auch die Höhe der den Orten in Aussicht zu stellenden Pensionen, Gruyeres plädierte für 3.000 fl. pro Ort. Die Privatpensionen wollte Karl erst nach Abschluß des Bündnisses ausgezahlt wissen (Instruktion Karls für Gruyeres zu den fünf Orten, Parma, 3.3.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 2r-4r, hier fol. 3v)), während Gruyeres ihn zu überzeugen versuchte, daß deren Auszahlung sofort erfolgen müsse, um die entscheidenden Männer erst einmal für den Abschluß des Bündnisses zu gewinnen (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 13.8.1533 (ebd., fol. 97r-98v, hier fol. 97r)). 549

EA 4/lc, Nr. 54, S. 80; Nr. 66, S. 109f.; Zug an Luzem, 31.7.1533 (StA Luzem, Al Fl Sch. 55); EA 4/lc, Nr. 78, S. 134f.; Nr. 85, S. 140f.; Nr. 92, S. 152 und S. 154; Nr. 97, S. 164.

378

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Die Schwierigkeiten waren zum einen technisch-organisatorischer Art, und zwar auf beiden Seiten. Die Boten der sechs Orte waren nicht berechtigt, über eine Angelegenheit von solcher Tragweite auf der Tagsatzung selbständig zu entscheiden. Die Verhandlungsergebnisse mußten vielmehr jeweils in den Heimatorten vorgelegt werden, und der dort gefaßte Beschluß wurde auf der nächsten Tagsatzung in die Verhandlungen eingebracht. Dieses Procedere mußte auf jeder Verhandlungsstufe beachtet werden - rasche Entscheidungen waren so nicht zu erzielen. Aber auch die kaiserlichen und päpstlichen Gesandten sahen sich mehrmals an der Grenze ihrer Vollmachten und wollten ohne Rücksprache mit ihren Auftraggebern einigen Anträgen der katholischen Orte bezüglich des Vertragstextes nicht stattgeben. Insbesondere die Rücksprache mit dem inzwischen in Spanien weilenden Kaiser war äußerst zeitraubend, Gruyeres mahnte deshalb immer wieder eine zügige Beantwortung seiner Anfragen a n 5 5 0 . Zum anderen waren die Schwierigkeiten aber auch inhaltlicher Art, weil die Vorstellungen über das Bündnis erheblich auseinandergingen. Das kaiserlichpäpstliche Angebot war doch weit entfernt von dem Bündnis, das sich die sechs Orte erhofft hatten, nämlich ein Bündnis zur Behauptung des katholischen Glaubens in der Schweiz; in der vorgeschlagenen Form sollte es aber nicht zuletzt den politischen Zielen des Kaisers und des Papstes dienen. Der Schwyzer Bote brachte die Bedenken der Orte auf der Tagsatzung am 6. August 1533 auf den Punkt: "Man merke wohl, daß es um das Herzogthum Mailand zu thun sei, wohin man schon oft gezogen, viel Leibs und Guts verkrieget, und das wolle man fürder gänzlich müßiggehen."551. Überhaupt war die Ablehnung des Bündnisses in Schwyz am stärksten ausgeprägt 552. Freilich waren die anderen Orte ebensowenig zu einer vorbehaltlosen Annahme des Bündnisses bereit. Sämtliche Orte, auch Schwyz, betonten zwar stets ihre Bereitschaft, alles zur Verteidigung des alten Glaubens zu tun, aber in internationale Verwicklungen wollten sie sich nicht ziehen lassen - und genau das hätte die Annahme des Bündnisses bedeutet. Auch dem Nuntius und Gruyeres blieb nicht verborgen, 550

Gruyeres an Karl, Luzem, 10.6.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms.1145, fol. 33v35r, hier fol. 34v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 10.6.1533 (ebd., fol. 35r-37v, hier fol. 35v und 37r); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 7.7.1533 (ebd., fol. 54v-55v, hier fol. 55r). 551 552

EA 4/1 c, Nr. 78, S. 134.

Gruyeres berichtete auch von intensiven Schwyzer Bemühungen, die anderen Orte ebenfalls von der Zustimmung zu dem Bündnis abzubringen (Gruyeres an Karl, Luzem, 30.8.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 112r-l 14v, hier fol. 113r).

A. Bündnisse und Einungen

379

daß in den "außenpolitischen Implikationen des Bündnisses der neuralgische Punkt lag: Bereits am 24. Mai, also ziemlich zu Beginn der Verhandlungen, wandten sie sich gegen die Vermutung, das Bündnis könnte gegen Frankreich gerichtet sein 5 5 3 . Dabei mußten sich die Gesandten nicht nur mit den Anhängern - und d.h. den Pensionenempfängern - des französischen Königs auseinandersetzen554, sondern auch mit direkten Eingriffen Frankreichs. Es war nämlich nicht gelungen, die Verhandlungen geheimzuhalten, was angesichts der Entscheidungsstrukturen in der Eidgenossenschaft auch ungewöhnlich gewesen wäre. Frankreich reagierte auf die Verhandlungen in Luzern mit der Ankündigung einer hochrangigen Gesandtschaft, die vor allem die längst überfälligen Pensionen wenigstens teilweise bezahlen sollte 555 . Die Zahlungen dürften ihre Wirkung nicht verfehlt haben; zudem argumentierten die französischen Gesandten auf den Tagsatzungen auch explizit gegen das Bündnis 556 . Die Position Gruyeres' und Filonardis wurde durch die Anwesenheit der Franzosen selbstverständlich nicht gerade erleichtert 557. Jetzt wirkte es sich negativ aus, daß die Verhandlungen am Anfang nur schleppend vorangegangen waren, denn das Aufeinandertreffen der Gesandten der beiden konkurrierenden Mächte führte den katholischen Orten ihre schwierige Lage besonders deutlich vor Augen. Wenn die sechs Orte sich vor allem hartnäckig gegen die Bestimmungen wehr553 4/lc, Nr. 54, S. 80; Gruyeres und Filonardi an die sechs Orte, Luzem, nach dem 20.5.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 30v-31r). 554

Gruyeres wies immer wieder darauf hin, daß diese befürchteten, beim Abschluß des Bündnisses ihre französischen Pensionen zu verlieren - um so dringender erschien eine großzügige Gewährung von Pensionen durch den Kaiser (Gruyeres an Granvelle, 10.6.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 35r-37v, hier fol. 36r); Gruyeres an Karl, Luzem, 27.7.1533 (ebd., fol. 79v-82r, hier fol. 80v)). 555

Beweisen läßt sich dieser Zusammenhang freilich nicht. Gruyeres interpretierte die Ankündigung der Gesandtschaft jedenfalls in diesem Sinne und drängte deshalb auf einen raschen Abschluß des Bündnisses vor Eintreffen der französischen Gesandten (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 10.6.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 35r37v, hier fol. 35v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 7.7.1533 (ebd., fol. 54v-55v, hier fol. 54v)). 556

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 13.8.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 97r-98v, hier fol. 98r); Gruyeres an Karl, Luzem, 30.8.1533 (ebd., fol. 112r-114v, hier fol. 113r); Bericht über die Tagsatzung in Luzem am 12.9.1533 (ebd., fol. 126r128v, hier fol. 126v-127r). 557

So auch Gruyeres an Karl am 27.7. (Bibl. mun. Besançon, Ms.l 145, fol. 79v-82r, hier fol. 80r).

380

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

ten, die sie zur militärischen Hilfeleistung in Italien verpflichteten 558, so geschah dies eben genau deshalb, weil sie nicht in den Kampf zwischen Habsburg und Valois um Italien hineingezogen werden wollten, zumindest nicht aufgrund von Verpflichtungen, die ihnen jeglichen Entscheidungsspielraum im Einzelfall raubten. Es sind denn auch einige Versuche zu beobachten, das Bündnis rein auf die Verteidigung des Glaubens zu reduzieren, indem vorgeschlagen wurde, die Pflicht zur Hilfeleistung in Italien eindeutig auf den Fall eines Glaubenskrieges zu beschränken 559. Andererseits versuchten aber auch die sechs Orte, das geplante Bündnis zur Durchsetzung ihrer Interessen in Italien, also vor allem ihrer wirtschaftlichen Interessen gegenüber Mailand, zu benützen. Insbesondere Uri wollte die Hauptanliegen der sogenannten mailändischen Kapitulate, nämlich Zollfreiheit bis an die Stadtgrenzen von Mailand und freien Handelsverkehr, mit Hilfe des Bündnisses durchsetzen 560. Die sechs Orte hatten zwar mit Herzog Francesco II. von Mailand am 8. Januar 1533 ein Kapitulat geschlossen561, es gab aber bereits vor dessen Inkrafttreten Unstimmigkeiten über die Auslegung einiger Bestimmungen562. Deshalb sollte das Bündnis das Kapitulat zusätzlich bekräftigen. Inwieweit Uri wirklich seine alten handelspolitischen Forderungen durchsetzen wollte, in der durchaus zutreffenden Einschätzung, daß der Herzog sich einem kaiserlichen Machtwort in dieser Frage wohl kaum würde widersetzen können, oder ob Uri diesen Punkt nur als geeigneten Vorwand benutzte, um die Ablehnung des Bündnisses nicht deutlich aussprechen zu müssen, läßt sich nicht entscheiden. Dieses Problem stellt sich grundsätzlich auch bei den übrigen von den sechs Orten vorgebrachten Änderungsvorschlä-

558

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 10.6.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 35r-37v, hier fol. 35v). 559

So Freiburg am 6.8.1533 (EA 4/lc, Nr. 78, S. 134f.); Uri am 27.8.1533 (ebd., Nr. 85, S. 140); Bericht über die Tagsatzung in Luzem am 4.8.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 92r-94v, hier fol. 93r). 560

Am 27.8. erklärte Uri das zu einer der Bedingungen für die Annahme des Bündnisses (EA 4/lc, Nr. 85, S. 140), ähnlich Obwalden (ebd., Nr. 85, S. 141). Karl bezeichnete diese Forderungen übrigens als nicht unangemessen (Karl an Gruyères, Monzon, 6.10.1533 (ebd., Nr. 108, S. 206). 561 562

EA 4/lc, Beilage Nr. 1.

EA 4/lc, Nr. 58, S. 92f. In dem Bündnisentwurf C wird ausdrücklich auf diese Unstimmigkeiten verwiesen (Preliminar-Akten, S. 553f.).

A. Bündnisse und Einungen

381

gen 5 6 3 . Die Lage der sechs Orte war ja in der Tat schwierig: Sie durften Kaiser und Papst mit einer Ablehnung nicht vor den Kopf stoßen, da sehr schnell wieder eine Situation eintreten konnte, in der sie auf deren Hilfe angewiesen sein würden. Denn die Lage in der Eidgenossenschaft im Sommer 1533 war keineswegs stabil, zumal der Tod Zwingiis und die evangelische Niederlage im Zweiten Kappeler Krieg nicht den großen Rückschlag für die Reformation in der Schweiz bedeuteten, den die katholischen Orte erhofft und erwartet hatten. Andererseits wollten sie sich aber auch nicht zu sehr an den Kaiser und den Papst binden und so in deren italienische Kämpfe gezogen werden. Hinzu kam, daß eine solch eigenständige "Außenpolitik" den Zusammenhalt der Eidgenossenschaft aufs Spiel gesetzt hätte 564 . Im September 1533 mußte dann selbst Gruyeres einsehen, daß zumindest ein Bündnis mit allen sechs Orten nicht zu erreichen sein würde 565 . Die daraufhin von ihm favorisierte Lösung eines Abschlusses zunächst mit Luzern, Uri und Unterwaiden - in der Hoffnung, daß die anderen Orte anschließend nachziehen würden 566 - übersah freilich den Willen der katholischen Orte, gemeinsam zu handeln. Der Abschluß eines Bündnisses nur durch einen Teil der katholischen Orte war undenkbar, dazu war insbesondere das Gemeinschaftsbewußtsein der

563

Informationen von Seiten der Orte liegen nicht vor. Den Berichten Gruyeres' ist in dieser Beziehung nur begrenzt zu trauen, da sie lange Zeit über die Maßen optimistisch ausfielen. Alle auftretenden Schwierigkeiten führte er überdies allein auf die französischen "Praktiken" zurück. Daß es in den Orten relativ tief wurzelnde Antipathien sowohl gegen Habsburg als auch gegen ein Engagement in Italien geben könnte, scheint ihm nicht in den Sinn gekommen zu sein. 564

Die Einwände der evangelischen Orte, denen die Verhandlungen nicht verborgen geblieben waren, scheinen dagegen für die Entscheidung der sechs Orte keine Rolle gespielt zu haben. Nicht nur, daß die katholischen Orte den Vorwurf, durch das Bündnis Zwietracht in der Eidgenossenschaft zu streuen, zurückwiesen (EA 4/1 c, Nr. 95, S. 160); entsprechende Überlegungen wurden auch in den internen Beratungen, soweit erkennbar, nicht vorgebracht und tauchen in den Voten der einzelnen Orte nicht auf. 565

Möglicherweise war selbst seine Einschätzung, daß Luzem, Uri und Unterwaiden zum Abschluß bereit seien (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 19.9.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 124r-126r, hier fol. 124r)), noch zu optimistisch, da auch die Boten dieser Orte weiterhin Bedenken gegen einige Artikel zu Protokoll gaben (EA 4/1 c, Nr. 92, S. 152). 566

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 19.9.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 124r-126r, hier fol. 124r).

382

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

fünf Orte - nicht zuletzt nach den beiden Kappeler Kriegen - zu stark ausgeprägt. Auf der Tagsatzung am 4. Oktober 1533 gelangten die sechs Orte abermals nicht zu einer einhelligen Stellungnahme567. Da nach den bereits seit Monaten andauernden Beratungen mit einer Einigung auch nicht zu rechnen war, teilten sie dem päpstlichen und dem kaiserlichen Gesandten die einzelnen Voten m i t 5 6 8 . Diese schlugen daraufhin vor, die zustimmenden Orte sollten Boten zu den anderen entsenden, um sie vom Nutzen des Bündnisses zu überzeugen. Ansonsten erkannten aber auch sie, daß weitere Verhandlungen im Grunde sinnlos waren, da sich in der Haltung der Orte nichts mehr bewegte 569 . Zwar hatte keine Seite dem Bündnis eine endgültige Absage erteilt, aber es stand doch allen Beteiligten klar vor Augen, daß dieses kaum mehr Chancen auf Realisierung hatte. Dies lag nun aber nicht nur an den Meinungsverschiedenheiten der sechs Orte, sondern auch daran, daß die französischen Bemühungen, den Abschluß des Bündnisses zu vereiteln, zunehmend von Erfolg gekrönt waren. Der französische König ließ zum einen in der Eidgenossenschaft selbst, also durch seinen Gesandten auf der Tagsatzung, gegen das Bündnis agitieren 5 7 0 , zum anderen wandte er sich direkt an den Papst. Dabei kam ihm zugute, daß der Papst sich ohnehin wieder mehr Richtung Frankreich orientierte, was in der Reise Clemens' VII. nach Marseille, seinem Treffen mit Franz I. und der am 28. Oktober 1533 dort vollzogenen Trauung zwischen Clemens' Nichte Katharina von Medici und Heinrich von Orléans einen weithin sichtbaren Ausdruck fand 5 7 1 . Unmittelbare Konsequenz dieser päpstlich-französischen Annäherung 567

EA 4/1 c, Nr. 97, S. 164. Die Voten der einzelnen Orte in: HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 209r-v. 568

Dies war ein durchaus unübliches Verfahren, da es die Eidgenossen im allgemeinen sorgfältig vermieden, ihre internen Differenzen ausländischen Gesandten offenzulegen. Den Gesandten wurde in solchen Fällen üblicherweise nur mitgeteilt, daß kein einheitliches Votum zustandegekommen sei. 569

Antwort Filonardis und Gruyères', das Bündnis betreffend, auf der Tagsatzung am 4.10.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 21 lr-v; EA 4/1 c, Nr. 97, S. 164). 57 0 57 1

Wirz, Filonardi, S. 94f.

Müller, Die römische Kurie, S. 251. Bereits im Juni hatte Gruyères in einer drohenden Wendung des Papstes zu Frankreich eine Gefahr für das Zustandekommen des Bündnisses gesehen (Gruyères an Karl, Luzem, 10.6.1533 (Bibl. mun. Besançon, fol. 33v-35r, hier fol. 34r)).

A. Bündnisse und Einungen

383

für die Schweiz war die Abreise Filonardis nach Mailand 5 7 2 . Damit war an weitere gemeinsame Verhandlungen des Kaisers und des Papstes bei den Eidgenossen nicht mehr zu denken. Kaum waren die Bündnisverhandlungen sichtbar gescheitert, trat der Fall ein, der die sechs Orte den ganzen Sommer über so vorsichtig hatte agieren lassen: Die konfessionellen Auseinandersetzungen in der Eidgenossenschaft spitzten sich so zu, daß der erneute Ausbruch eines Krieges zu befürchten war. In Solothurn eskalierten nämlich die Kämpfe zwischen Altgläubigen und Reformierten. Die Reformierten wurden dabei nachhaltig von Bern unterstützt, die Altgläubigen wandten sich hilfesuchend an die fünf Orte 5 7 3 . In der nach wie vor spannungsgeladenen Atmosphäre in der Eidgenossenschaft bedeutete eine solche Situation immer auch Kriegsgefahr für das ganze Land, so daß sich beide Seiten nach möglichen Bündnispartnern umsahen. Die fünf Orte wandten sich deshalb an all jene, mit denen sie in den letzten Monaten in so engem Kontakt gestanden hatten: an den Herzog von Mailand, den Nuntius Filonardi, Caracciolo und an den kaiserlichen Gesandten Leonard de Gruyeres, der auch nach dem Ende der Verhandlungen in der Schweiz, genauer: in Luzern, geblieben

572

Filonardi wurde zunächst aus der Schweiz abberufen, diese Anweisung wurde aber kurz darauf rückgängig gemacht. "Filonardi zog es aber angesichts der Anweisungen und Gegenanweisungen der Kurie vor, nicht in der Schweiz zu bleiben" (Müller, Die römische Kurie, S. 252), vor dem 4.11. zog er sich nach Mailand zurück, wie aus einem Schreiben Gruyeres' hervorgeht (Gruyeres an Caracciolo, Luzern, 4.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 217r-v)). In einer Proposition vor dem Weggang aus der Schweiz begründete Filonardi diesen Schritt folgendermaßen: Der Papst habe gesehen, daß die Verhandlungen kaum Fortschritte machten und außerdem dazu führen könnten, daß Zwietracht zwischen den Orten entstehe, was der Papst nicht wünsche und weshalb er die Verhandlungen abbreche (ebd., fol. 245r-v). Das Stück ist nicht datiert, es gehört in den Zeitraum zwischen dem 4.10.1533 (letzte Verhandlungen Filonardis und Gruyeres' über das Bündnis) und dem 4.11.1533 (s.o.). Wenn man davon ausgeht, daß Filonardi diese Proposition auf einer Tagsatzung der fünf oder sechs Orte gehalten hat, kommt dafür nur die am 2.11. beginnende Tagsatzung der fünf Orte in Frage (EA 4/1 c, Nr. 108), da dies die erste Tagsatzung der fünf Orte nach dem 4.10. war. 573

Zu den Unruhen in Solothum siehe: H. Haefliger, Solothum 1945.

Solothum in der Reformation,

384

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

war und von daher erster und direkter Ansprechpartner der fünf Orte war 5 7 4 . Das Hilfeersuchen der fünf Orte erfolgte offenbar mit großer Selbstverständlichkeit 575 - kein Wort davon, daß sie monatelang einem Bündnis, das auch die Verteidigung des Glaubens enthalten hätte, ihre Zustimmung verweigert hatten. Im Grunde gingen sie wohl davon aus, daß es zum einen für den Kaiser und den Papst eine gewisse moralische Verpflichtung gab, ihnen zu Hilfe zu kommen, und daß es zum anderen auch in deren politischem Interesse lag, den Abfall einer weiteren Stadt von der alten Kirche zu verhindern 576. Damit hatten sie gar nicht so unrecht: Caracciolo und Filonardi entschieden kurzfristig und eigenmächtig, den fünf Orten 500 Büchsenschützen zur Verfügung zu stellen 577 . Allerdings - und hier erwies sich das Fehlen eines Bündnisses eben doch als Nachteil - sahen sie sich zu weitergehender Hilfe nicht in der Lage und ließen die Angelegenheit an den Kaiser und den Papst gelangen. Hätte das Bündnis existiert, hätten sie ohne weitere Rücksprache die dort vorgesehenen Maßnahmen in die Wege leiten können 578 , zumindest theoretisch. Denn die Praxis, gerade auch im Ersten Kappeler Krieg, hatte gezeigt, daß beim Eintreten eines Bündnisfalles nicht ohne weiteres der im Vertragstext vorgesehene Automatismus einsetzte.

574

Die Briefe der fünf Orte liegen nicht vor, sie werden aber von Gruyeres in seiner Korrespondenz erwähnt, so z.B. in: Gruyeres an Stephan und Baptist de Insula, Luzem, 4.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 219r-220r). 575

Caracciolo schrieb dazu, die Orte erbäten Söldner und Geld, als ob das Bündnis abgeschlossen worden wäre (Caracciolo an Gruyeres, Mailand, 10.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 237r-v)). 576

Caracciolo machte übrigens zu Recht darauf aufmerksam, daß ein Fall wie die Unruhen in Solothum in dem Bündnis überhaupt nicht vorgesehen gewesen war. Dort war ja nur von einer Unterstützung im Fall eines Angriffs auf die sechs Orte und ihre Verbündeten die Rede gewesen; die fünf Orte hätten also selbst, wenn sie das Bündnis abgeschlossen hätten, nach dem Buchstaben des Vertrages nicht ohne weiteres Anspruch auf Hilfe gehabt (Caracciolo an Gruyeres, Mailand, 10.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 237r-v)). 577

Caracciolo an Gruyeres, Mailand, 10.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 237r-v). 578

Filonardi und Caracciolo wiesen auf diesen Zusammenhang in ihrer Antwort auf das Hilfegesuch der sechs Orte hin (Filonardi und Caracciolo an die sechs Orte, Mailand, 10.11.1533 (EA 4/1 c, Nr. 108, S. 208)).

A. Bündnisse und Einungen

385

Die kaiserlichen Vertreter sahen sich jedenfalls durchaus in die Pflicht genommen, die fünf Orte und den katholischen Glauben nicht einfach sich selbst zu überlassen. In ihren Schreiben ist aber eine gewisse Distanz zu den fünf Orten und ein nicht unbeträchtliches Maß an Schadenfreude unübersehbar. Gruyeres und Caracciolo verwiesen darauf, daß die fünf Orte es nun wohl bereuten, das Bündnis nicht abgeschlossen zu haben 579 . Caracciolo hielt die Forderungen der fünf Orte für unbillig und empfahl Gruyeres "Umsicht" im Umgang mit ihnen, was in diesem Fall wohl zutreffender als Mißtrauen zu umschreiben wäre 5 8 0 . Gruyeres wollte außerdem die Eidgenossenschaft so schnell wie möglich verlassen und beneidete Filonardi, der rechtzeitig abgereist sei 5 8 1 . Aus diesen Äußerungen wird ähnlich wie aus den Stellungnahmen der sechs Orte zu dem Bündnis mehr als deutlich, daß es sich nach wie vor um Partner wider Willen handelte, zwischen denen häufig genug das gegenseitige Mißtrauen überwog. Einer größeren Belastungsprobe wurde die Partnerschaft aber auch dieses Mal nicht unterzogen: Am 17. November wurde in Solothurn ein Vertrag unterzeichnet, mit dem die Unruhen beendet und die Kriegsgefahr gebannt wurde. Die Reformierten hatten eine empfindliche Niederlage erlitten, Solothurn blieb katholisch. Wenn Filonardi und Caracciolo den sechs Orten und Solothurn zum Frieden gratulierten 582, so geschah dies sicher nicht nur aus Freude über den unblutigen Sieg der Katholiken, sondern auch aus Erleichterung darüber, daß sie damit der leidigen Frage der Unterstützung der katholischen Orte fürs erste enthoben waren. Freilich wies Gruyeres auch jetzt noch auf den Nutzen des

579

Caracciolo an Gruyeres, Mailand, 10.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 237r-v); Gruyeres an Stephan und Baptist de Insula, Luzern, 4.11.1533 (ebd., fol. 219r-220r). Gruyeres war übrigens der Meinung, daß, wenn Filonardi hier wäre, jetzt ein Abschluß des Bündnisses wohl möglich wäre (ebd., fol. 219v). 580 Caracciolo sich das Verhalten gegenüber den fünf Orten vorstellte, geht mit aller Deutlichkeit aus seinem Schreiben an Gruyeres hervor. Er schrieb, daß man den fünf Orten 1.000 Büchsenschützen versprechen könne, daß Gruyeres ihnen dies aber nicht sagen solle, sondern nur von den 500, wie in seinem und Filonardis Schreiben an die fünf Orte zugesagt, reden solle, da sie stets mehr forderten als versprochen (Caracciolo an Gruyeres, Mailand, 10.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 237r-v)). 581

Gruyeres an Stephan und Baptist de Insula, Luzem, 4.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 219r-220r). 582

25 Braun

EA 4/1 c, Nr. 119, S. 230.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Bündnisses hin 5 8 3 . Ernsthafte Verhandlungen darüber wurden jedoch nicht mehr aufgenommen. Sobald sich aber die Lage in der Eidgenossenschaft wieder krisenhaft zuspitzte, erinnerten sich die sieben Orte 5 8 4 und der Kaiser einander. Die sieben Orte wandten sich in solchen Fällen, z.B. während der Kämpfe in Württemberg oder beim Berner Feldzug in die Waadt, in bewährter Weise an den nach wie vor in Mailand sitzenden Nuntius Filonardi, an Caracciolo und selbstverständlich an den oder die kaiserlichen Gesandten in der Eidgenossenschaft 585. Auf habsburgischer Seite kam in solchen Situationen gelegentlich der Gedanke auf, zu den Bündnisverhandlungen von 1533 zurückzukehren 586. Dabei handelte es sich allerdings mehr um Gedankenspiele, die Verhandlungen wurden nicht wiederaufgenommen. Im Grunde war die Situation ganz ähnlich wie zwischen den fünf Orten und Ferdinand nach dem Ersten Kappeler Landfrieden. Beide Seiten waren - mangels Alternativen - Partner ohne Bündnis. Die katholischen Orte wußten, daß in einem Glaubenskonflikt dies die einzige Möglichkeit war, überhaupt Hilfe zu erhalten. Kaiser und Papst sicherten ihnen denn auch für diesen Fall stets Unterstützung z u 5 8 7 , ihr Versprechen wurde allerdings nicht auf die 583

Vortrag Gruyeres' vor den sieben Orten (EA 4/1 c, Nr. 119, S. 230).

584

Solothum gehörte nach dem gescheiterten Reformationsversuch endgültig zum katholischen Lager. 585

EA 4/1 c, Nr. 165, S. 323; Nr. 217, S. 411; Nr. 314, S. 536; Gruyeres an Granvelle, Luzem, 25.8.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 32r-v). 586

Während der Kämpfe in Württemberg 1534 versuchte Ferdinand auf Anregung der Regierung Innsbruck, Karl zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen zu bewegen, notfalls auch ohne den Papst (Regierung, Kammer und Landräte Innsbruck an Ferdinand, 19.6.1534 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 5, fol. 345r-v); Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Prag, 6.7.1534 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 33, fol. 129v-130r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 29.7.1534 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 5, fol. 360v-361r)). Karl schien an dem Bündnis allerdings nicht mehr sonderlich interessiert zu sein. Er antwortete Ferdinand, daß er bei seiner Abreise aus Italien Caracciolo und dem General Antonio de Leyva Vollmacht gegeben habe, das Bündnis abzuschließen und daß er annehme, daß sie alles dazu Nötige tun werden (Karl an Ferdinand, Valencia, 14.8.1534 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 282r-v)). Seither war über ein Jahr vergangen, und daß Karl die Angelegenheit einfach so laufen ließ, zeigt, trotz der gegenteiligen Versicherung, daß er das Bündnis längst abgeschrieben hatte. 587

Gruyeres sah sehr deutlich, daß in diesen Versprechen die einzige Chance bestand, die katholischen Orte auf kaiserlicher Seite zu halten, und es von daher nötig sei,

A. Bündnisse und Einungen

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Probe gestellt, da es zu einem dritten Glaubenskrieg vorerst nicht kam. Für die Kaiserlichen boten sich in der Eidgenossenschaft weiterhin nur die katholischen Orte als Ansprechpartner an, und so blieb die Zweckgemeinschaft weiter bestehen, ohne jedoch schriftlich fixiert zu werden. Dies scheint indessen keine Seite als Manko empfunden zu haben, vergrößerte es doch den eigenen Spielraum. Zweifel sind deshalb an Gruyeres' Einschätzung von Anfang 1536 angebracht, daß die katholischen Orte nunmehr bereit seien, das Bündnis mit dem Kaiser einzugehen, ja sogar das französische Bündnis aufzukündigen 588. Zwar schien auch Karl zeitweise einer Wiederaufnahme der Bündnisverhandlungen gegenüber nicht abgeneigt 589 , aber die internationale Lage hatte sich doch seit 1532/33 zu stark gewandelt, als daß an die damaligen Verhandlungen einfach hätte angeknüpft werden können. Francesco II. Sforza, der Herzog von Mailand, war am 1. November 1535 ohne Erben gestorben, so daß eine neue Runde im Kampf um Mailand zu erwarten war. Diese ließ denn auch nicht lange auf sich warten, im Februar 1536 begann Franzi, seinen Feldzug gegen Savoyen, dessen endgültiges Ziel unverkennbar Mailand war. Die in den Bündnisentwürfen festgelegte Verpflichtung der katholischen Orte, Karls Feinden keine Söldner zuziehen zu lassen, sondern ihm vielmehr selbst die Erlaubnis zu Anwerbungen zu erteilen, wäre für Karl jetzt von einigem Wert gewesen. Aber gerade in einer solchen Situation war an eine Zustimmung eidgenössischer Orte zu einer derartigen Verpflichtung nicht zu denken, das hatten die vergangenen Jahre mehr als einmal gezeigt. Dies wußte wohl auch Karl und ging von daher auf entsprechende Anregungen Gruyeres' nicht weiter ein. Der Versuch, wenigstens die katholischen Orte durch das Angebot der Unterstützung im Glaubenskampf unter dem Vorwand eines konfessionellen

den Worten auch Taten folgen zu lassen. Er wies deshalb Granvelle auf die Notwendigkeit hin, den katholischen Orten das versprochene Geld zukommen zu lassen (Gruyeres an Granvelle, Luzern, 25.8.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 32r-v)). Entsprechende kaiserliche Zusagen ergingen immer wieder, siehe z.B. EA 4/1 c, Nr. 400, S. 652. 588

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 24.1.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 109rv). Entsprechende Überlegungen tauchen bei Gruyeres einige Monate später nochmals auf (Gruyeres an Karl, Luzem, 1.6.1536 (ebd., fol. 181r-v, 184r-185r; hier fol. 181r-v); Gruyeres an Karl, Luzem, 26.6.1536 (ebd., fol. 225r-226r, hier fol. 225v)). 589

Karl an Antonio de Leyva, Neapel, 22.2.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 116r). 25*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Bündnisses für die Durchsetzung der eigenen Ziele zu gewinnen - und dies hieß im Kern stets: über eidgenössische Söldner verfügen zu können -, war gescheitert. Was 1521 mit der Erbeinung bei allen Orten mißglückt war, gelang auch nicht mit den katholischen Orten unter konfessionellen Vorzeichen. Die Eidgenossen waren nicht bereit, sich durch Bündnisse in die Politik Habsburgs einbinden zu lassen.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft Die Diplomatie1 hatte sich zu Beginn der Regierungszeit Karls V. längst fest als Organisationsform zur Regelung der Beziehungen zwischen voneinander unabhängigen Staaten und Gemeinwesen des europäischen Staatensystems etabliert. Zum europäischen Staatensystem, dessen Ausbildung im 15. Jahrhundert eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Entstehen des diplomatischen Verkehrs darstellt, gehörte auch die Eidgenossenschaft, ungeachtet der Tatsache, daß sie schwerlich als "Staat" - auch nicht mit den Maßstäben des 16. Jahrhunderts - zu bezeichnen ist. Von außen, also von den Mächten, die ihre diplomatischen Vertreter in die Schweiz entsandten, wurde sie aber als ein Gemeinwesen betrachtet. Demzufolge gab es Gesandte in die Schweiz, in die Eidgenossenschaft, zu den Eidgenossen, und wie die Bezeichnungen auch immer lauten mögen, aber nicht Gesandte nach Zürich, Bern oder Luzern 2. Dies entsprach auch umgekehrt aus eidgenössischer Sicht insofern der Realität, als die Eidgenossen sich gerade auf dem Felde der Außenpolitik um ein einheitliches Auftreten bemühten. So selbstverständlich den eidgenössischen Orten in den meisten anderen Bereichen unabhängiges, eigenständiges Handeln war, so sehr versuchten sie, insbesondere gegenüber den sie umgebenden Großmächten geschlossen aufzutreten. Dies geschah in dem Wissen, daß genau darin ihre Stärke begründet lag, während Uneinigkeit in der Außenpolitik stets auch eine Bedrohung des inneren Friedens bedeutete, da dann die Gefahr bestand, von den Großmächten auseinanderdividiert zu werden. Unter dem Blickwinkel des europäischen Staatensystems ist es also durchaus berechtigt, die Eidgenossenschaft als einen Teil dieses Staatensystems und damit als ein Gemeinwesen zu betrachten3. Diese Einstufung der Eidgenossenschaft als Teil des europäischen 1

Zum Begriff der Diplomatie siehe Lunitz, Diplomatie und Diplomaten, S. 1-3.

2

Das schließt nicht aus, daß auswärtige Mächte wegen bestimmter Detailfragen, die nur einen Ort betrafen, einen Gesandten zur Klärung dieser Frage dorthin schickten, aber diese Missionen fallen nicht unter das oben skizzierte Verständnis von Diplomatie. 3

Daß die Eidgenossenschaft dabei aber nicht mit Frankreich, Spanien oder den italienischen Staaten auf eine Stufe gestellt werden kann, zeigt sich auch daran, daß die

390

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Staatensystems impliziert zugleich eine gewisse Unabhängigkeit vom Reich. Die Eidgenossenschaft war zwar rein rechtlich unbestritten Teil des Reichs, aber sie war doch auch so unabhängig, daß sie sich vom Reich oder vom Kaiser nicht diplomatisch mit vertreten fühlte. Nun trifft dies sicher so auch für die Mehrzahl der deutschen Landesfürsten zu, aber es gab doch einige signifikante Unterschiede. Daß Frankreich Diplomaten in die Eidgenossenschaft entsandte und sehr bald dort einen ständigen Gesandten unterhielt, war eine selbstverständlich akzeptierte Tatsache, deren Berechtigung von niemandem in Zweifel gezogen wurde. Entsandte der französische König jedoch Gesandte zu einzelnen Reichsständen, wurde dies als "Einmischung in innere Angelegenheiten" angesehen. Die Einrichtung einer ständigen französischen Gesandtschaft beim Landgrafen von Hessen z.B. wäre völlig undenkbar gewesen. Noch deutlicher wird die besondere Stellung der Eidgenossenschaft zum Reich daran, daß auch der Kaiser Gesandte in die Eidgenossenschaft schickte, also einen regelrechten diplomatischen Verkehr mit den Eidgenossen unterhielt4. Neben Karl war auch sein Bruder Ferdinand in der Eidgenossenschaft diplomatisch vertreten 5. Der Diplomatie Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft gilt denn auch das folgende Kapitel. Dabei geht es allerdings weniger um formale und institutionelle Aspekte der Diplomatie6 als vielmehr um deren

Eidgenossenschaft zwar diplomatische Vertreter empfing, in der Eidgenossenschaft auch ständige Gesandte residierten, daß sie selbst aber nicht über Diplomaten im eigentlichen Sinne verfügte und keine Gesandtschaften bei auswärtigen Mächten unterhielt. Wenn die Entsendung von Vertretern zu ausländischen Mächten, vor allem nach Frankreich, unumgänglich wurde, wählte die Tagsatzung zumeist zwei Männer aus, die den genau umgrenzten Auftrag erledigen sollten. Derartige Missionen waren jedoch vergleichsweise selten, an den Aufbau ständiger Gesandtschaften war schon gar nicht zu denken. 4

Dabei ist selbstverständlich nicht genau zu trennen zwischen Karls Funktionen als Kaiser, König von Spanien, Herzog von Burgund, Landesherr Oberitaliens. Mehr als gegenüber den Reichsständen spielten gegenüber den Eidgenossen auch diese nicht-kaiserlichen Funktionen eine Rolle. 5

Alle Aussagen, die sich auf das Nebeneinander von Karls und Ferdinands Diplomatie in der Eidgenossenschaft beziehen, gelten selbstverständlich erst für die Zeit nach den Brüsseler Teilungsverträgen 1522, ohne daß dies jeweils eigens erwähnt wird. 6

Diesem Thema ist am Beispiel der Gesandten Karls in Frankreich die Arbeit von Lunitz gewidmet. Das vorliegende Kapitel folgt ihr in der Theorie und Terminologie.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Aussagekraft für die Politik Karls und Ferdinands. Gezeigt werden soll, warum ihre Diplomatie so und nicht anders aussah, und was dies über den Inhalt ihrer Politik, also z.B. über ihre Einschätzung der Bedeutung der Eidgenossenschaft, aussagt. Dabei ergeben sich, das sei bereits vorweggenommen, erhebliche Unterschiede zwischen Karls und Ferdinands Politik; diese gilt es zu analysieren und zu begründen. Eine zentrale Frage wird weiterhin sein, ob und wie eine Koordination zwischen der Diplomatie der beiden Brüder stattgefunden hat. Es geht also nicht um eine möglichst detaillierte Rekonstruktion der einzelnen Missionen7, sondern um die Herausarbeitung von Strukturen. Dabei wird allerdings den einzelnen Gesandten durchaus einige Aufmerksamkeit gewidmet8, zumal ihre Auswahl selbst ein wichtiges Strukturmerkmal der Diplomatie darstellt. Die Untersuchung versteht sich insofern auch als Beitrag zur Erhellung der Frühzeit der Diplomatie. Zwar ist seit längerem bekannt, daß - nach Anfängen in der italienischen Staatenwelt des 15. Jahrhunderts - die Diplomatie im 16. Jahrhundert ihre entscheidende Ausprägung erfahren hat, doch fehlt es nach wie vor an Einzeluntersuchungen, die die Struktur der diplomatischen Beziehungen zwischen einzelnen Staaten beleuchten. Gleichzeitig verspricht eine Analyse der diplomatischen Aktivitäten Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft Aufschluß über die Organisation der Diplomatie im politischen System Karls V., das darauf basierte, eine Balance zwischen der Vertretung der Einzelinteressen der verschiedenen Länder bzw. Regenten und einer Gesamtkonzeption zu finden. Für eine Erhellung dieser Zusammenhänge bietet sich das Verhältnis zur Eidgenossenschaft besonders an, da hier sowohl Karl als auch Ferdinand diplomatisch vertreten waren und außerdem die burgundischen und mailändischen Interessen berücksichtigt werden mußten9.

7

Einzelne Missionen wurden auch bereits an anderen Stellen der Arbeit eingehend vorgestellt, z.B. die erste Entsendung Zevenbergens in die Eidgenossenschaft im Kapitel über die Wahl Karls. 8 9

Zu den wichtigsten Gesandten siehe die biographischen Notizen im Anhang.

Entsprechende Untersuchungen wären möglich für die Beziehungen zu Venedig oder zum Papst, wo ebenfalls sowohl Karl als auch Ferdinand diplomatisch vertreten waren. Im Unterschied dazu entsandte allein Karl Botschafter nach Frankreich und England.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

I. Die Gesandtschaften und Gesandten Karls in der Eidgenossenschaft "Die Schweizer auf unsere Seite zu ziehen" - dies gehörte zu den Anliegen, die Maximilian seinem Enkel Karl im Mai 1518 ans Herz legte, um dessen Wahl zum Kaiser zu sichern 10, und dies könnte als Motto über allen Gesandtschaften Karls V. zu den Eidgenossen stehen. Aus dieser Formulierung wird bereits ein wichtiges Charakteristikum der beiderseitigen Beziehungen deutlich: Es handelte sich nicht um Beziehungen zwischen einigermaßen gleichberechtigten Partnern (oder auch Gegnern), sondern um ein sehr ungleiches Verhältnis, in dem der übermächtige Teil gleichwohl fast immer der fordernde Teil war 1 ^ Dem entspricht die Einseitigkeit der diplomatischen Vertretung.

1. Die großen Gesandtschaften Karls zu Beginn der 20er Jahre Aus der obigen Aufforderung Maximilians erwuchs die erste diplomatische Aktivität Karls bei den Eidgenossen mit der bereits mehrfach erwähnten Entsendung Zevenbergens in die Eidgenossenschaft im März 1519 12 . Mit Zevenbergen stand ein hochrangiger Rat aus den Niederlanden an der Spitze der Botschaft, die übrigen Mitglieder der Delegation entstammten den Vorlanden 13.

10

Maximilian an Karl, Innsbruck, 18.5.1518 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 40, S. 125-131, hier S. 131). 11

Insofern unterschied sich die Tätigkeit von Karls Botschaftern in der Eidgenossenschaft doch wesentlich von der der Gesandten z.B. am französischen Hof. Zwar war auch ihre Aufgabe "diplomatische Beobachtertätigkeit und Berichterstattung" sowie "Wahrung der kaiserlichen Interessen" (Lunitz, Diplomatie und Diplomaten, S. 197), aber die Tätigkeit fand nicht in einem prinzipiell ebenbürtigen und tendenziell feindlichen Land statt und beruhte dadurch auf einer Wechselseitigkeit des Verhältnisses und des diplomatischen Verkehrs, sondern in einem Land, zu dem feste vertragliche Beziehungen bestanden und das man für die eigene Politik nutzbar machen wollte. 12 13

Zu den Details siehe das Kapitel über die Wahl Karls.

Die Verhandlungen der Gesandtschaft mit den Eidgenossen nahmen mehrere Monate in Anspruch. Während dieser Zeit blieb die Zusammensetzung nicht völlig konstant, einige Mitglieder verließen Zürich immer wieder für einige Zeit, insbesondere zwischen den einzelnen Tagsatzungen.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

393

Dies war eine für eine Sondergesandtschaft durchaus typische Zusammensetzung: Eine hochrangige Persönlichkeit sollte der Gesandtschaft die nötige Autorität verleihen, diese mußte mit den Verhältnissen nicht unbedingt im Detail vertraut sein, eher schon mit den Zielen der kaiserlichen Politik. Die nötige Sachkompetenz, und in diesem Falle auch: die nötigen Sprachkenntnisse, besaßen die übrigen, weniger hochrangigen Mitglieder der Delegation. Derartige Sondergesandtschaften, d.h. Gesandtschaften, die einen bestimmten, in einer Instruktion festgelegten Auftrag zu erfüllen hatten, blieben oft relativ lange in der Eidgenossenschaft. Dies lag an den Besonderheiten der Verhandlungsführung der Eidgenossen: Da ein von auswärtigen Gesandten auf einer Tagsatzung vorgebrachtes Anliegen stets an die Oberen der einzelnen Orte "heimgebracht" werden mußte und diese Antworten auf der nächsten Tagsatzung miteinander verglichen und, falls sie nicht einhellig ausgefallen waren, nochmals heimgebracht werden mußten, waren rasche Verhandlungsergebnisse nicht zu erzielen, zumal zwischen den einzelnen Tagsatzungen oft mehrere Wochen lagen. Von daher war es üblich, daß auch eine Sondergesandtschaft mehrere Wochen oder Monate in der Eidgenossenschaft agierte. Dennoch handelte es sich dabei eindeutig um Sondergesandtschaften und nicht etwa um ständige Gesandtschaften, wie ihre im Vergleich zu Sondergesandtschaften an europäischen Höfen lange Verweildauer vielleicht zunächst nahelegen könnte. Da die Verhandlungen aber nicht kontinuierlich geführt wurden, sondern hauptsächlich auf den Tagsatzungen - und das bedeutete eben oft mehrwöchige Unterbrechungen -, blieb zumeist nicht die ganze Gesandtschaft ununterbrochen am Verhandlungsort, sondern einzelne Mitglieder verließen die Eidgenossenschaft zwischendurch, um anderen Geschäften nachzugehen. Zurück blieben ein bis drei Delegationsmitglieder von eher niederem Rang, die die Entwicklung weiter verfolgten, Informationen sammelten und weitergaben und die anderen Delegationsmitglieder rechtzeitig vor Beginn einer Tagsatzung wieder zurückriefen. Trotz dieser zeitlichen und personellen Aufsplitterung erscheint es sinnvoll, jeweils von einer Gesandtschaft zu sprechen, da diese einen festgelegten Auftrag ausführte und die Besonderheiten eine Folge der eidgenössischen Verhältnisse waren. Diese Merkmale treffen auf alle großen Gesandtschaften Karls in die Eidgenossenschaft in den ersten Jahren seiner Regierungszeit zu und sollen am Beispiel der ersten Gesandtschaft Zevenbergens etwas näher erläutert werden. Zevenbergen war am 15. März 1519 in Zürich angekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gesandtschaft außerdem folgende Mitglieder: Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Christoph Fuchs, Martin Stör und den Sekretär Hans Acker 14 . Christoph Fuchs verließ Zürich nach der Tagsatzung, um den

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Kommissaren in Augsburg und der Regierung in Innsbruck Bericht zu erstatten 15 , und kehrte danach nicht mehr nach Zürich zurück. Die nächste Tagsatzung fand in den ersten Apriltagen in Zürich statt. Auf dieser war auch Dr. Hieronymus Baidung anwesend, der von nun an kontinuierlich in Zürich nachzuweisen ist 16 . Die Stellung Baidungs innerhalb der Gesandtschaft ist nur schwer zu bestimmen17, offensichtlich war er in besonderem Maße der Innsbrucker Regierung verantwortlich und hielt sie über die Verhandlungen auf dem laufenden 18 . Dies dürfte ein Reflex auf die ungeklärten Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Kommissaren in Augsburg und der Regierung in Innsbruck sein, die

14

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 364). Mit letzter Sicherheit läßt sich nicht feststellen, welche Delegierten jeweils in Zürich anwesend waren, da häufig nicht alle Anwesenden einen ausgehenden Brief unterzeichneten. 15

Rudolf von Sulz, Zevenbergen, Wolf von Homburg, Martin Stör, Hans Acker an die Regierung Innsbruck, Zürich, 21.3.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 274r-v, 278r, hier fol. 274v); Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 372). 16

Dr. Hieronymus Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 6.4.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 289r). Zevenbergen hatte bei den Regierungen in Innsbruck und Ensisheim Leute angefordert, um wegen der Schulden Maximilians mit den in großer Zahl auftretenden Gläubigem zu verhandeln (Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S.371)), möglicherweise war die Entsendung Baidungs eine Reaktion auf diese Bitte. 17

Am 17.4.1519 schrieben Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg und Hans Acker an die Regierung Innsbruck (Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg und Hans Acker an die Regierung Innsbruck, Zürich, 17.4.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 263r-v, 265rv, 264r)), Baidung schrieb einen Tag später der Regierung einen gesonderten Brief (Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 18.4.1519 (ebd., fol. 290r)). Dies könnte darauf hindeuten, daß er nicht eigentlich zu der Gesandtschaft zählte. Inhaltlich erwecken seine zahlreichen Schreiben an die Regierung freilich stets den Eindruck, daß er Mitglied der Verhandlungsdelegation war. 18

Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 6.4.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 289r-v); Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 18.4.1519 (ebd., fol. 290r); Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 10.6.1519 (ebd., fol. 309r310v); Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 22.6.1519 (ebd., fol. 313r-314r); Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 1.7.1519 (ebd., fol. 40r-v); Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 5.7.1519 (ebd., fol. 42r-v); Baidung an die Regierung Innsbruck, Küssaberg, 11.10.1519 (ebd., fol. 89r).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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in der Vorbereitungsphase der Gesandtschaft fast zur Absage der Mission durch Zevenbergen geführt hatten, als dieser der Innsbrucker Regierung unterstellt werden sollte. Mitglied der Delegation war außerdem Andreas Täubler, wenn auch in untergeordneter Funktion, da er nicht unter den Absendern und Empfängern der Korrespondenz auftaucht, aber mehrmals erwähnt wird 1 9 . Zevenbergen blieb bis zu der Tagsatzung am 1. April in Zürich 20 und verließ anschließend die Eidgenossenschaft 21, um nach Augsburg zu gehen. Auf der Tagsatzung am 10. Mai war er dann wieder in Zürich, um den Eidgenossen erneut Karls Standpunkt vorzutragen 22 und die eidgenössische Antwort auf die Anträge Karls von Anfang April entgegenzunehmen23. Den nächsten Tagsatzungen jedoch blieb er fern 24 , weil er beim momentanen Stand der Dinge, wie er sich ihm auf der Tagsatzung am 10. Mai präsentiert hatte, die Chancen für eine Bewilligung von Söldnern für gering hielt und auch nicht mit Fortschritten in der Frage eines engeren Bündnisses rechnete25. Daher schien Zevenbergens Beteiligung an den unmittelbaren Wahlvorbereitungen dringender und erfolgversprechender. Daß die Einschätzung Zevenbergens zutreffend war, zeigten die 19

Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Hans Acker an die Regierung Innsbruck, Zürich, 11.4.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol.251r-v); Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 1.7.1519 (ebd., fol. 40r). Er diente auch als Bote zu dem bereits wieder abgereisten Zevenbergen (Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Hans Acker an die Regierung Innsbruck, Zürich, 17.4.1519 (ebd., fol. 263r-v, 265r-v, 264r; hier fol. 265r)). 20

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 373); EA 3/2, Nr. 775, S. 1147-1149. 21

Am 12.4. schrieb er aus Konstanz, daß er einige Räte von den Regierungen Innsbruck und Ensisheim in Zürich zurückgelassen habe, die unter anderem wegen der Schulden Maximilians verhandeln sollten (Zevenbergen an Karl, Konstanz, 12.4.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 125, S. 415-424, hier S. 421)). 22

Vortrag Zevenbergens vor der Tagsatzung, 13.5.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 292r-296r). 23

EA 3/2, Nr. 778, S. 1164f.; Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 15.5.1519 (StA Marburg, PA 384, fol. 17r-20v). 24

Instruktion der Augsburger Kommissare für die Gesandten Karls auf die Tagsatzung in Zürich am 2.6, Esslingen, 30.5.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 266r-267v): Die Gesandten sollten Zevenbergens Ausbleiben entschuldigen. Siehe auch Baidung an die Regierung Innsbruck, Zürich, 10.6.1519 (ebd., fol. 309r-310v). 25

Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 15.5.1519 (StA Marburg, PA 384, fol. 17r-20v, hier fol. 17v-18r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Tagsatzungen der kommenden Wochen, auf denen zwar immer wieder über Karls Gesuch verhandelt wurde, ohne daß dabei jedoch Fortschritte erzielt werden konnten. Auch nach der Wahl Karls schien Zevenbergen die weitere Arbeit bei den Augsburger Kommissaren zur Stabilisierung der Lage in Deutschland wichtiger als eine Rückkehr in die Eidgenossenschaft. Karls Befehl, zur Tagsatzung am 10. August nach Zürich zu reisen, erreichte ihn zu spät, so daß die übrigen Gesandten erneut ohne ihn auftraten 26. Daß Zevenbergen eine Entschuldigung seines Ausbleibens für nötig befand, zeigt aber auch, daß er nach wie vor als "Kopf' der Gesandtschaft galt, obwohl er bereits drei Monate nicht mehr an entsprechenden Verhandlungen teilgenommen hatte. Dies galt auch noch für die Tagsatzung am 4. Oktober 1519, zu der Zevenbergen wegen einer Krankheit nicht kommen konnte27. Die Gesandtschaft bestand nun aus Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Dr. Hieronymus Baidung, Andreas Täubler 28 und Hans Acker. Daß Rudolf von Sulz ebenfalls die Eidgenossenschaft verlassen hatte, war ein Indiz für die nachlassende Bedeutung der Gespräche; dagegen war mit Dr. Jakob Sturtzel der Mann zu der Delegation gestoßen, der fortan fast zwanzig Jahre lang in der Eidgenossenschaft verhandeln sollte, zunächst für Karl, dann für Ferdinand. Auf der Tagsatzung am 14. November wurde Karls Gesandten dann mitgeteilt, daß die Eidgenossen auf ihr letztes Begehren, bis zur Ankunft Karls im Reich kein Bündnis gegen ihn abzuschließen, zu keiner einhelligen Meinung gefunden hätten29. Damit waren die Verhandlungen nach insgesamt acht Monaten endgültig zu einem Abschluß gelangt. Der Auftrag der Gesandten hatte sich dem Verhandlungsstand und der allgemeinen Lage folgend - in diesen Monaten verändert, und zwar stärker als dies sonst bei Sondergesandtschaften üblich war, aber infolge der langen Verhandlungsdauer auch unvermeidlich. Es ist deshalb berechtigt, von einer Gesandtschaft zu sprechen, da die Verhandlungen jeweils direkt von einer Tagsatzung zur anderen vertagt wurden. Es bedurfte mithin 26

Zevenbergen an die Eidgenossenschaft, Augsburg, 16.8.1519 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 24). In diesem Entschuldigungsschreiben verwies er im übrigen auf seine schlechte Gesundheit, die eine Reise ohnehin unmöglich gemacht hätte, selbst wenn der Befehl ihn rechtzeitig erreicht hätte. 27

Die Credenz Karls lautete allein auf Zevenbergen (Credenz Karls für Zevenbergen in die Eidgenossenschaft, Barcelona, 31.8.1519 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 25)). 28

In den EA ist als Name "Johann Tübler" angegeben, es dürfte sich aber mit Sicherheit um Andreas Täubler handeln (EA 3/2, Nr. 798, S. 1198). 29

EA 3/2, Nr. 801, S. 1206f.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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keiner Neuanknüpfung der Gespräche von außen, also von Seiten Karls oder der Augsburger Kommissare, und keines förmlichen Gesuchs um eine Tagsatzung. Das Vertagen von einer Tagsatzung auf die nächste bot die Rechtfertigung dafür, daß einige Mitglieder der Gesandtschaft am Tagungsort verblieben, um Informationen zu beschaffen und die Sache ihres Auftraggebers zu vertreten, ohne offiziell zu verhandeln. Diese Männer nahmen damit eine wichtige Funktion ständiger Gesandter wahr, ohne allerdings ständige Gesandte zu sein, denn sie verfügten eben nicht über eine Akkreditierung auf unbestimmte Dauer und auch nicht über ein Verhandlungsmandat, sondern übten lediglich eine Statthalterfunktion für die häufig abwesenden "Haupf'gesandten aus. Zwischen derartigen großen Gesandtschaften wurden immer wieder einzelne Gesandte oder auch kleinere Delegationen in die Eidgenossenschaft entsandt. Deren Aufgabe bestand neben der Behandlung von Problemen geringerer Bedeutung30 nicht zuletzt darin, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Für 30

So hatte die nächste Gesandtschaft, bestehend aus Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Andreas Täubler, Hans Acker und Veit Sutor (EA 3/2, Nr. 823, S. 1243; Credenz der Augsburger Kommissare für Wolf von Homburg, Sturtzel, Täubler, Acker, Sutor in die Eidgenossenschaft, Augsburg, 10.6.1520 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 32)), vor allem den Auftrag, die Eidgenossen um die Entsendung von Gesandten zu Karl in die Niederlande zu bitten. Außerdem wurde der Antrag wieder aufgenommen, daß die Eidgenossen kein anderes Bündnis abschließen sollten bis zu dieser Gesandtschaft, d.h. das eidgenössische Bündnis mit Frankreich sollte verhindert werden. Wie 1519 wurden die Verhandlungen jeweils von Tagsatzung zu Tagsatzung vertagt (EA 3/2, Nr. 833, S. 1250; Vortrag der kaiserlichen Gesandten auf der Tagsatzung in Zürich am 17.7.1520 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 37); EA 3/2, Nr. 834, S. 1251; Vortrag der kaiserlichen Gesandten auf der Tagsatzung in Luzem am 26.7.1520 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 38)). Zwischen den einzelnen Tagsatzungen blieben Sutor und Acker in der Eidgenossenschaft und informierten von dort aus ihre Mitgesandten und auch das Regiment in Augsburg. So wies Sturtzel Sutor am 27.8. an, in Zürich zu bleiben und das Ende der Tagsatzung in Baden abzuwarten, er selbst werde in einer Woche auch nach Zürich kommen, um ihn zu unterstützen (Sturtzel an Sutor, Ensisheim, 27.8.1520 (HHStA Wien, Schweiz 5/1, fol. 76r)). Über die Entsendung einer Botschaft zu Karl in die Niederlande konnte selbstverständlich nicht monatelang beraten werden, da Karl ja weiterreiste. Zudem zeichnete sich sehr bald ab, daß dafür keine Mehrheit vorhanden war. Am 29. August erteilte das Oberste Regiment in Augsburg den Gesandten eine zusätzliche Instruktion, um eine eidgenössische Unterstützung Herzog Ulrichs von Württemberg zu verhindern (Instruktion des Obersten Regiments in Augsburg für Wolf von Homburg, Dr. Sturtzel, Hans Acker, Veit Sutor auf die Tagsatzung am 1.9.1520, Augsburg, 29.8.1520 (ebd., fol. 83r-v); ein Bericht über diese Tagsatzung und den Vortrag der Gesandten in HHStA Wien, AUR 1520-21, fol. 15r-16r). Personell bestand hier zwar eine

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Anfang Januar 1521 war dann erneut die Entsendung einer hochrangigen Delegation in die Eidgenossenschaft geplant31. Am 7. Januar 1521 instruierte Karl Dr. Sturtzel und Veit Sutor zu den Eidgenossen, um die Verzögerung der angekündigten Gesandtschaft zu entschuldigen32. Sutor blieb auch nach der Erledigung dieses Auftrags in Zürich 33 und ließ sich sogar mit seiner Familie dort nieder. Seine Funktion läßt sich kaum in eindeutige Kategorien fassen. Vasella bezeichnet ihn als "Leiter des gesamten geheimen Nachrichtendienstes aus der Schweiz nach Österreich", als "politische[n] Agentfen] der österreichischen Regierung und als Bote[n] des Kaisers" 34. Dies - so wenig eindeutig es zunächst klingt - beschreibt Sutors Rolle doch recht genau. Er war kein Gesandter; war eine Gesandtschaft anwesend, diente er dieser als Sekretär. Als solcher war er in die Instruktionen - wie eben in die vom 7. Januar 1521 - eingeschlossen, für seine eigentliche Aufgabe liegt dagegen keine Beauftragung vor. Ein Verhandlungsmandat besaß er nicht, war aber der Ansprechpartner für alle kaiserlich Gesinnten in der Eidgenossenschaft 35. Damit hatte Karl zwar keinen ständigen Gesandten in der Eidgenossenschaft, war aber doch dauernd präsent - im Konkurrenzkampf mit Frankreich keine gering zu achtende Tatsache. Auf der Tagsatzung am 7. April 1521 in Zürich erschienen dann als kaiserliche Gesandte Bischof Hugo von Konstanz, Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg 36, Wolf von Homburg, Dr. Sturtzel und Veit Sutor 37 , vor allem Kontinuität in der Gesandtschaft, aber es handelte sich doch um einen eigenen Auftrag. Daß Hans Acker und Veit Sutor trotzdem offenbar ununterbrochen in Zürich blieben, lag auch daran, daß die Bezahlung der Schulden Maximilians nach wie vor nicht geklärt war und die Beauftragten Karls sich mit den unzähligen Ansprüchen der Gläubiger beschäftigen mußten. 31

Auf die Tagsatzung am 1. Dezember 1520 entsandte Karl Wolf von Homburg, Sturtzel und Hans Acker, und zwar, um den Eidgenossen eine große Gesandtschaft anzukündigen (EA 3/2, Nr. 845, S. 1269, die Instruktion Karls vom 24.11. auf S. 1271 f.). 32

Instruktion Karls für Sturtzel und Sutor nach Zürich, Worms, 7.1.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 4r-5r); Credenz Karls für Sturtzel und Sutor, Worms, 7.1.1521 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 45). 33

Zu Sutor siehe Vasella, Österreich, S. 7-17.

34

Vasella, Österreich, S. 7.

35

Zu seiner Funktion als "Leiter des Informationsdienstes" siehe unten, S. 504-514.

36

Die Ensendung ausgerechnet eines norddeutschen Fürsten zu den Eidgenossen fällt aus dem Rahmen und bedarf deshalb einer kurzen Erläuterung: Herzog Heinrich (1479-1552) war von 1496 bis zu seinem Regierungsantritt 1503 in Diensten Kaiser

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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um den Abschluß des Bündnisses der Eidgenossen mit Frankreich zu verhindern. Die Gesandtschaft war mit zwei Reichsfürsten und Zevenbergen an der Spitze außergewöhnlich hochkarätig besetzt, ein Indiz dafür, welche Bedeutung den Verhandlungen beigemessen wurde 38 . Nachdem die Mehrzahl der Orte auf einer Tagsatzung am 24. April in Luzern die Annahme des französischen Bündnisses beschlossen hatte, war der Hauptauftrag der Gesandtschaft hinfällig geworden. Die Gesandten erschienen zwar noch auf der Tagsatzung in Zürich am 2. Mai 1521 39 , aber es war doch allzu offensichtlich, daß ihre Mission gescheitert war. Bis auf Sutor reiste die Delegation denn auch alsbald ab 4 0 . Maximilians. Zwar ließ sich Heinrich 1519 für eine Unterstützung der französischen Thronkandidatur gewinnen, exponierte sich dabei aber offensichtlich kaum. Im Sommer 1520 suchte er Karl V. in den Niederlanden auf, wohl um negative Folgen seiner "falschen" Parteinahme gar nicht erst aufkommen zu lassen. Da er im Frühjahr 1521 auf dem Reichstag in Worms weilte, war die Reise in die Schweiz nicht allzu weit. Nach der Rückkehr von dieser diplomatischen Mission ernannte ihn Karl zum kaiserlichen Rat und versprach ihm ein Gehalt von 1500 fl. Alle Angaben nach H. Schnell, Heinrich V , der Friedfertige, Herzog von Mecklenburg. 1503-1552 (SVRG 72), Halle 1902. 37

Instruktion Karls für Bischof Hugo von Konstanz, Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Dr. Sturtzel und Sutor, Worms, 4.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI6, fol. 61r-65r). 38

Die Gesandten blieben mit Ausnahme Bischof Hugos in der Eidgenossenschaft, um die Antwort auf ihr Vorbringen auf der Tagsatzung am 30. April entgegenzunehmen. Bischof Hugo hatte gebeten, von der Gesandtschaft entpflichtet zu werden, Karl entsprach dieser Bitte am 23.4. (Karl an Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Dr. Sturtzel und Sutor, Worms, 23.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 3r-4r, hier fol. 3v)). Den anderen Gesandten befahl Karl, bei einer hinhaltenden Antwort der Eidgenossen auf der Tagsatzung am 30. April auch noch die nächste Tagsatzung abzuwarten (Karl an Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Dr. Sturtzel und Sutor, Worms, 27.4.1521 (ebd., fol. 13r-14v, hier fol. 13r)). Ausdrücklich wies Karl zusätzlich den Herzog von Mecklenburg und Zevenbergen an, in Zürich zu bleiben, also nicht, wie sonst üblich, zwischen den Tagsatzungen den Verhandlungsort zu verlassen (ebd., fol. 14r). 39 40

EA 4/1 a, Nr. 12, S. 33.

Zevenbergen und der Herzog von Mecklenburg verließen alsbald Zürich, Sturtzel reiste zu Karl nach Worms, um weitere Anweisungen und Geld in Empfang zu nehmen (Karl an Sutor, Worms, 25.5.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI6, fol. 72r-v)), und Wolf von Homburg ritt nach Schaffhausen, um die Stadt von der Siegelung des französischen Bündnisses abzuhalten (Sutor und Wolf von Homburg an Karl, Zürich, 9.-19.5.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/3, fol. 57r-60v, hier fol. 60r)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Für das diplomatische Routinegeschäft war es freilich nicht möglich, jedes Mal eine derart hochrangige Gesandtschaft abzuordnen; Veit Sutor konnte oder wollte man derartige Missionen aber nicht anvertrauen. In solchen Fällen griff der Kaiser auf Dr. Jakob Sturtzel zurück, der mit den Verhältnissen in der Eidgenossenschaft vertraut und als Mitglied der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim nicht allzu weit entfernt von der Schweiz war. So beauftragte Karl Sturtzel, die Eidgenossen vom französischen Überfall auf Navarra zu informieren und sie von einer Unterstützung Frankreichs abzumahnen41. Sobald jedoch wichtige Verhandlungen anstanden, betraute Karl wieder eine große Gesandtschaft in der üblichen Zusammensetzung mit der Mission. Um seiner Forderung, daß die Eidgenossen Frankreich nicht unterstützen sollten, Nachdruck zu verleihen, entsandte Karl deshalb im Juli 1521 Kardinal Schiner, Zevenbergen, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Dr. Hieronymus Brunner und Veit Sutor in die Eidgenossenschaft 42, wo sie auf der Tagsatzung am 4. August das kaiserliche Anliegen vortragen sollten43. 41

Karl an Sturtzel, Mainz, 5.6.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. llr-v). Karl stellte es Sturtzel anheim, sich bei der Mission von Wolf von Homburg begleiten zu lassen. Dessen Stammsitz Homburg befand sich unweit des Dorfes Möggingen (in der Nähe von Radolfzell), d.h. ebenfalls nicht weit von der Schweiz entfernt. Sturtzel folgte dem Befehl, vom 10.-19.6. ist er in Zürich nachzuweisen (Sutor und Sturtzel an Karl, Zürich, 10.6.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/3, fol. 24r-25v, 27r-v, 26r-v); Sutor und Sturtzel an Karl, Zürich, 13.6.1521 (ebd., fol. 44r-45v); Sutor und Sturtzel an Karl, Zürich, 19.6.1521 (ebd., fol. 60r-65r)). 42

Instruktion Karls für Kardinal Schiner, Zevenbergen, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Dr. Hieronymus Brunner, Veit Sutor, o.D. (StA Zürich, A 176.2, Nr. 50). Schiner gehörte in diesem Fall der Gesandtschaft offiziell an, während er bisher stets als in der Eidgenossenschaft ansässiger Berater fungiert hatte. 43

Von den Mitgliedern der angekündigten großen Gesandtschaft war Dr. Brunner bereits ab dem 28. Juli in Zürich (Dr. Sturtzel, Dr. Brunner, Sutor an den Bischof von Konstanz, Zürich, 28.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 68r); Dr. Sturtzel, Dr. Brunner, Sutor an Jakob Fugger, Zürich, 29.7.1521 (ebd., fol. 72r)). Zevenbergen entschuldigte sich wegen Krankheit (Dr. Sturtzel, Dr. Brunner, Sutor an Zevenbergen, Zürich, 1.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/2, fol. 105r-v)), kurz darauf starb er (Karl an seine Gesandten in Zürich, Brügge, 10.8.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 45rv)). An seiner Stelle wurde dann auf Anweisung Schiners der in der Instruktion nicht erwähnte Graf Rudolf von Sulz nach Zürich beordert (Dr. Sturtzel, Dr. Brunner, Sutor an Graf Rudolf von Sulz, Zürich, 1.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/2, fol. 104r); Kardinal Schiner, Dr. Sturtzel, Sutor an Karl, Zürich, 4.8.1521 (ebd., fol. 118r-v, 125r-v, 119r124v, hier fol. 118r)), außerdem - wie vorgesehen - Wolf von Homburg (Dr. Sturtzel, Dr.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Zugleich wurden Sturtzel und Sutor mit kleineren Aufträgen betraut 44, obwohl die "große Gesandtschaft" bereits angekündigt war. Diese Konstellation ähnelt dem Nebeneinander von ständigem Gesandten und Sondergesandten z.B. in Frankreich, allerdings mit dem Unterschied, daß Sutor und Sturtzel keine ständigen Gesandten waren, wenn ihre Aufgaben sich der ständiger Gesandter auch bisweilen annäherten. Sutor war zwar ununterbrochen in Zürich, aber kein Gesandter, und Sturtzel reiste jeweils ad hoc an, wenn sich dies als notwendig erwies, was bei der geringen Entfernung von Ensisheim auch keine großen Schwierigkeiten bereitete. Inzwischen hatte die Regierung in Innsbruck ihre Arbeit wieder aufgenommen, die sie nach dem Tode Maximilians unterbrochen hatte 45 . Sturtzel und Brunner, Sutor an Wolf von Homburg, Zürich, 1.8.1521 (ebd., fol. 104v)). Auf der Tagsatzung in Zürich am 3. August forderten die Gesandten emeut vor allem den Rückruf eidgenössischer Söldner aus französischem Dienst und erbaten für Karl eine Anwerbeerlaubnis (Kardinal Schiner, Wolf von Homburg, Sturtzel, Brunner, Sutor an Karl, Zürich, 8.8.1521 (ebd., fol. 1 lr-12v, 21r-22r); EA 4/1 a, Nr. 35, S. 73). Die Antwort, die den Gesandten auf der Tagsatzung am 17. August erteilt wurde, entsprach keineswegs deren Hoffnungen und Erwartungen, aber die Eidgenossen blieben auch auf nochmalige Nachfrage dabei, daß sie in dem gegenwärtigen Krieg neutral bleiben und außerdem kein engeres Bündnis mit Karl eingehen wollten (EA 4/1 a, Nr. 37, S. 84). Damit waren die Verhandlungen dieses Mal sehr schnell beendet und die Gesandten verließen - mit Ausnahme Sutors - wieder die Eidgenossenschaft. Kardinal Schiner, Wolf von Homburg, Sturtzel und Brunner zogen dann im Herbst 1521 mit den für den Papst angeworbenen Truppen über die Alpen (Kardinal Schiner, Wolf von Homburg, Dr. Sturtzel, Ulrich N. an Karl, "Meni", 14.10.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/1, fol. 108r109v)), nachdem Wolf von Homburg, Sturtzel und Brunner unter anderem in Chur die Truppen gemustert hatten (Wolf von Homburg, Sturtzel und Brunner an Karl, Chur, 3.10.1521 (StA Marburg, PA 382, fol. 33r-v)). 44

Dazu gehörte z.B. der Protest gegen die Überlassung des Hohentwiel durch Hans Heinrich von Klingenberg an Herzog Ulrich von Württemberg einschließlich der Darstellung der Rechtslage aus österreichischer Sicht (Instruktion der Regierung Innsbruck für Sturtzel und Sutor auf die Tagsatzung in Baden am 23.7.1521, 11.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 53r-54v)) sowie die Übergabe des Erbeinungsgeldes (Sturtzel an Jakob Villinger, Zürich, 12.7.1521 (ebd., fol. 56r-v)). 45

Trotz einer Verfügung Maximilians in seinem Testament, daß alle Regenten und Amtleute bis zu weiteren Verordnungen seiner Erben im Amt bleiben sollten (F.B.v. Bucholtz, Geschichte der Regierung Ferdinand des Ersten, 9 Bde., ND der Ausgabe Wien 1831-38, mit einer Einleitung von Berthold Sutter, Graz 1968-71, Bd. 1, S. 165), hatte sich die Regierung Innsbruck nach dem Tode Maximilians ihrer Gewalt begeben 26 Braun

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Sutor erhielten nun zunehmend Anweisungen von dort und berichteten auch regelmäßig nach Innsbruck 46. Die Korrespondenz Sturtzels und Sutors mit Karl einerseits und mit der Regierung Innsbruck andererseits lief nebeneinander her, ohne daß eine klare Trennung der Zuständigkeiten erkennbar wäre; die Anweisungen bzw. Berichte ergänzten einander vielmehr. Konflikte waren auch deshalb unwahrscheinlich, weil die österreichischen Erbländer zu diesem Zeitpunkt Karl und Ferdinand gemeinsam gehörten, die Regierung Innsbruck also beiden unterstand, was aber praktisch bedeutete, daß die Entscheidungen bei Karl lagen. Die Regierung Innsbruck agierte also nicht in Konkurrenz zu Karl, sondern als eine ihm unterstehende Behörde 47. Ende des Jahres 1521 beschloß Karl, erneut eine "treffennlich potschafft" in die Eidgenossenschaft zu schicken48. Die Gesandtschaft bestand aus Bischof Wilhelm von Straßburg 49, Graf Rudolf von Sulz, Johann von Metten, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel und Veit Sutor 50 , also eine nach dem bewährten (ebd., S. 174). Am 27.7.1519 ernannte Karl eine Reihe von Kommissaren, die die einstweilige Statthalterschaft in Österreich führen und den Huldigungseid für Karl und Ferdinand entgegennehmen sollten (ebd., S. 177). Dabei handelte es sich im wesentlichen um die sogenannten Augsburger Kommissare. 46

Instruktion der Regierung Innsbruck für Sturtzel und Sutor auf die Tagsatzung in Baden am 23.7.1521, 11.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 53r-54v); Sturtzel und Sutor an Regierung Innsbruck, Zürich, 17.7.1521 (ebd., fol. 13r); Regierung Innsbruck an Sturtzel und Sutor, 21.7.1521 (ebd., 26r-v); Sturtzel und Sutor an Regierung Innsbruck, Zürich, 26.7.1521 (ebd., fol. 51r); Regierung Innsbruck an Sturtzel und Sutor, 26.7.1521 (ebd., fol. 56r); Regierung Innsbruck an Sturtzel und Sutor, 30.7.1521 (ebd., fol. 98r). 47

Die Regierung Innsbruck wurde auch über die Tätigkeit der Sondergesandtschaft informiert. Diese Schreiben sind allerdings nur von Wolf von Homburg, Sturtzel, Brunner und Sutor unterzeichnet, nicht von Kardinal Schiner, dessen Stellung innerhalb der Delegation deutlich hervorgehoben war und der nicht der Regierung Innsbruck unterstand, ihr damit auch nicht rechenschaftspflichtig war (Zum Beispiel: Wolf von Homburg, Dr. Sturtzel, Dr. Brunner, Sutor an Regierung Innsbruck, Zürich, 8.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/2, fol. 29r-v)). 48

Karl an Sutor, Oudenarde, 2.12.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI6, fol. 30r-v).

49

Wilhelm von Honstein, Bischof von Straßburg seit 1507, war bereits unter Maximilian I. kaiserlicher Rat gewesen und bekleidete diese Würde auch unter Karl V. 50

Instruktion Karls für Bischof Wilhelm von Straßburg, Graf Laurens von Pont-deVaux, Graf Rudolf von Sulz, Johann von Metten, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Veit Sutor, Gent, 19.12.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 118r-125r); Voll-

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Muster - mit hochrangigen Persönlichkeiten an der Spitze und "Experten" von niederem Rang - zusammengesetzte Gesandtschaft. Sie sollte auf der Tagsatzung am 7. Januar 1522 zusammen mit dem päpstlichen und mailändischen Gesandten die Eidgenossen um Unterstützung Mailands bitten und sie zum Beitritt in ein Bündnis zwischen Karl, dem Papst, dem englischen König, den Herzögen von Mailand und Savoyen bewegen51 - also eine weitere Variante des "die Schweizer auf unsere Seite ziehen". Freilich erreichte auch diese Gesandtschaft ihr Ziel nicht. Statt dessen bewilligten auf einer gleichzeitig stattfindenden Tagsatzung in Luzern einige Orte Frankreich Söldner 52. Die Gesandten warteten zwar noch die Tagsatzung am 31. Januar 1522 in Baden ab 5 3 , da ihnen dort offiziell Antwort erteilt werden sollte, aber es war auch so nicht zu übersehen, daß ihr Auftrag gescheitert war. macht: Karl an die Eidgenossenschaft, Gent, 19.12.1521 (HHStA Wien, AUR 1521 XII 19); Credenz: Karl an die Eidgenossenschaft, Gent, 20.12.1521 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 56). Laurens de Gorrevod, Graf von Pont-de-Vaux und Marschall von Burgund, folgte dem Befehl offensichtlich nicht. Er wird unter den in Zürich anwesenden Gesandten nicht aufgezählt, und am 11. Januar 1522, also einen Tag nach dem Vortrag der Gesandten, ist. von ihm als abwesend die Rede (Bischof Wilhelm von Straßburg, Graf Rudolf von Sulz, Johann von Metten, Dr. Jakob Sturtzel, Veit Sutor an Karl, Zürich, 11.1.1522 (StA Marburg, PA 382, fol. 50r-53r, hier fol. 50r)). 51

Instruktion Karls für Bischof Wilhelm von Straßburg, Graf Laurens von Pont-deVaux, Graf Rudolf von Sulz, Johann von Metten, Wolf von Homburg, Dr. Jakob Sturtzel, Veit Sutor, Gent, 19.12.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 118r-125r, hier fol. 122r). In der Instruktion werden noch weitere Bündnisvarianten erörtert, falls dieses Maximalziel nicht zu erreichen sein sollte. Der Vortrag der Gesandten auf der Tagsatzung in HHStA Wien, AUR 1522 1 10. 52

Bischof Wilhelm von Straßburg, Johann von Metten, Veit Sutor an Karl, Zürich, 14.1.1522 (StA Marburg, PA 382, fol. 57r-59v). Zudem war die Gesandtschaft etlichen Behinderungen ihrer Arbeit ausgesetzt, da Briefpakete Sutors und des päpstlichen Gesandten einem Boten weggenommen und geöffnet wurden (Baidung und Sutor an Karl, Zürich, 29.12.1521 (ebd, fol. 37r-41v, hier fol. 37r); EA 4/la, Nr. 65, S. 153; Sturtzel an Sutor, Möggingen, 31.12.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. 26r-v)) - ein deutliches Indiz, daß die Kaiserlichen keineswegs überall willkommen waren. Die Gesandten fürchteten deshalb um ihre Sicherheit, zumal der päpstliche Nuntius, Ennius Filonardi, gerade gefangengenommen worden war. Karl wies die Gesandten an, sicherheitshalber in Zürich zu bleiben, wo ihnen keine Gefahr drohe (Karl an die Gesandten, Brüssel, 29.1.1522 (HHStA Wien, Belgien PA 4a, fol. 10r-12v, hier fol. 10r)). 53

26*

EA 4/la, Nr. 69, S. 168.

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In diesen Tagen wurde in Brüssel zwischen Karl und Ferdinand die Übergabe der österreichischen Erbländer an Ferdinand festgeschrieben. Damit trug Ferdinand allein die Verantwortung für die an die Eidgenossenschaft angrenzenden habsburgischen Gebiete. In Mailand war Francesco II. Sforza wieder eingesetzt worden, wobei allerdings klar war, daß er nur mit Unterstützung Habsburgs das Herzogtum würde halten können. Auch in Mailand war Karl also nicht mehr der direkte Ansprechpartner der Eidgenossen. Im Frühsommer 1522 verließ Karl die Niederlande zunächst Richtung England und schiffte sich von dort nach Spanien ein. Diese Ereignisse markieren einen deutlichen Einschnitt im Verhältnis Karls zu den Eidgenossen. Die Kontakte in den ersten Regierungsjahren Karls waren recht intensiv gewesen - in weniger als drei Jahren schickte er rund ein halbes Dutzend hochrangiger Gesandtschaften in die Eidgenossenschaft, die dort jeweils einige Wochen oder gar Monate verhandelten. Aber auch zwischen den Verhandlungen war Karl meist direkt mit einem oder mehreren Vertretern in der Eidgenossenschaft, und das hieß zu jener Zeit immer: in Zürich, präsent. Diese engen Kontakte dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Verhandlungen sich für die kaiserlichen Gesandten zunehmend schwierig gestalteten; bei der letzten Gesandtschaft unter Führung des Bischofs von Straßburg war ihre Unerwünschtheit in der Mehrzahl der Orte nicht mehr zu übersehen. Trotzdem war es nicht die zunehmende Hinwendung der Eidgenossen zu Frankreich, die die Beziehungen Karls zu den Eidgenossen für fast ein Jahrzehnt mehr oder weniger unterbrach, sondern die Veränderungen im politischen System Karls, verbunden mit seiner Abreise nach Spanien, die die Eidgenossen bis zum Beginn der 30er Jahre aus seinem Blickfeld verschwinden ließen. Für die Eidgenossen mochte diese Änderung zunächst kaum spürbar sein, da Sturtzel und Sutor, aber auch Wolf von Homburg, die schon bisher die Hauptarbeit der diplomatischen Vertretung Karls in der Eidgenossenschaft geleistet hatten, weiterhin dort tätig waren - nunmehr allerdings im Auftrag Ferdinands. Endgültig vorbei war indessen die Zeit der großen Gesandtschaften zu den Eidgenossen: Ferdinand verzichtete im Umgang mit den Eidgenossen auf diese Form der Diplomatie, und als Karl sich wieder den Eidgenossen zuwandte, organisierte er seine diplomatische Vertretung ebenfalls auf andere Weise.

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2. Diplomatie unter konfessionellen Vorzeichen: Von den Bündnisverhandlungen zur ständigen Gesandtschaft bei den katholischen Orten Erst während des Zweiten Kappeler Krieges trat Karl zu den Eidgenossen wieder in regelmäßigen Kontakt 54 . Angesichts der konfessionellen Auseinandersetzung in der Schweiz erstreckten sich diese Kontakte aber nicht auf die ganze Eidgenossenschaft, sondern beschränkten sich auf die fünf Orte als den Kern der katholischen Eidgenossenschaft 55. Damit war zugleich auch klar, daß die Verbindung Karls in die Eidgenossenschaft, d.h. jetzt: zu den fünf Orten, nicht wie zu Beginn der 20er Jahre über Zürich laufen konnte, sondern daß die Anlaufstelle für die kaiserlichen Bemühungen Luzern - als der unumstrittene Mittelpunkt der fünf Orte - sein mußte. Um die fünf Orte in ihrem Kampf für den alten Glauben seiner Unterstützung zu versichern - ohne allerdings konkrete Hilfe in Aussicht zu stellen -, entsandte Karl Ende 1531 Cornelius Schepper in die Eidgenossenschaft. Schepper brach seine Reise jedoch ab, als er vom Kappeler Friedensschluß erfuhr 56, so daß es bei dieser Gelegenheit noch nicht zu einer Wiederaufnahme der diplomatischen Kontakte Karls zu den Eidgenossen kam. Dennoch bestanden auch in den folgenden Monaten enge Verbindungen zwischen den fünf Orten und Karl. Diese Verbindungen wurden jedoch angeknüpft und aufrechterhalten, ohne daß der Kaiser einen eigenen diplomatischen Vertreter zu den fünf Orten entsandte. Der Kontakt wurde vielmehr hergestellt über den päpstlichen Nuntius Filonardi, der ab Juli 1532 wieder in Luzern residierte, so daß Nachrichten aus Luzern über Rom, d.h. über Karls Vertreter an der Kurie, Miguel Mai, oder über Karls Gesandten in Mailand, Caracciolo, zu Karl gelangten. Dorthin wie auch nach Rom schickten die fünf Orte ein ums andere Mal die Brüder Baptist und Stephan de Insula. Nach dem Zusammentreffen zwischen Kaiser und Papst in Bologna um die Jahreswende 1532/33 nahmen die bis dahin nur sehr vagen Bündnisverhandlungen konkrete Gestalt an. Es galt nun, auf der Grundlage des in Bologna aus54

Die Entsendung von Gesandtschaften zum Reichstag in Augsburg 1530 durch die fünf Orte und durch Solothum bleibt hier außer Betracht, weil diese nicht in den Bereich der Diplomatie Karls gehören. 55

Bald kam Freiburg als sechster Ort hinzu.

56

Zu den Details siehe oben, S. 361.

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gearbeiteten Entwurfs das Bündnis mit den fünf Orten auszuhandeln. Der Papst war durch seinen Nuntius Filonardi bereits diplomatisch in der Eidgenossenschaft vertreten, dieser übernahm dann auch die Bündnisverhandlungen. Karl mußte nun ebenfalls einen Gesandten zu den fünf Orten benennen, denn es war nicht vorstellbar, daß er die Verhandlungen allein dem Papst überließ. Am 3. März 1533 instruierte er als seinen Gesandten für die Bündnisverhandlungen Leonard de Gruyeres 57, am 24. März trafen Gruyeres und sein Begleiter Chambrier in Luzern ein 5 8 . Damit war Karl nach einer Pause von über zehn Jahren wieder mit einem Gesandten in der Eidgenossenschaft vertreten. 57

Instruktion Karls für Leonard de Gruyeres zu den fünf Orten, Parma, 3.3.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 2r-4r). Die Instruktion ebenso wie die Vollmacht lautete nur auf Gruyeres, obwohl er bis Mitte Mai von Jacques Chambrier begleitet wurde. Die beiden hatten Karl noch bis Mailand begleitet (ebd., fol. 5v), die Vollmacht datiert vom 14.3. aus Mailand (ebd., fol. 18v). Bei der in den EA bei den Akten zur Tagsatzung vom 25. Juni 1533 abgedruckten angeblichen Instruktion für Gruyeres und Chambrier (EA 4/1 c, Nr. 66, S. 109f.) handelt es sich nicht um eine Instruktion. Aufbau und Wortlaut (die fünf Orte als Adressaten!) weisen das Stück vielmehr deutlich als Proposition der Gesandten aus, die Erwähnung Chambriers verweist auf den Zeitraum von Ende März bis Mitte Mai 1533. Das Stück ist die deutsche Fassung der Proposition der Gesandten vor dem großen und kleinen Rat in Luzem am 31. März 1533 (latein. Fassung: Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 7r-8r). 58

Die Informationen über Gruyeres' Tätigkeit in der Eidgenossenschaft sind vom Beginn im März 1533 bis Mitte September 1533 sehr dicht. Dies verdanken wir dem Kopialbuch, das Gruyeres während seines Aufenthaltes anlegen ließ (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145). Das Kopialbuch besteht aus zwei Teilen, bezeichnet als erstes und zweites Buch. Der erste Teil umfaßt die Zeit von März bis September 1533, der zweite die Zeit von Dezember 1535 bis Juni 1536. Beide Teile behandeln also jeweils nicht die ganze Zeit von Gruyeres' beiden Gesandtschaften, ohne daß die Ursachen dafür deutlich werden. Die durchgehende Foliierung erweckt den Eindruck, daß beide Teile von vornherein zusammengehörten. Die Foliierung ist aber wohl nicht zeitgenössisch, so daß die Einheit der beiden Teile durchaus eine später hergestellte sein kann. Es ist zumindest ebenso wahrscheinlich, daß für die zweite Phase der ersten Gesandtschaft und für die erste Phase der zweiten Gesandtschaft ebenfalls solche Kopialbücher existierten, die aber nicht mehr erhalten sind. Die beiden erhaltenen Bücher wären dann später zu einer Einheit zusammengefügt worden, deren Titel "Relations et dépêches concernant les deux ambassades accomplies en 1533 et 1535, par Léonard de Gruyères, comme envoyé de l'empereur Charles-Quint aux cantons catholiques de la Suisse" Vollständigkeit suggeriert. Das Kopialbuch enthält Abschriften ein- und ausgehender Korrespondenz und der von Gruyeres gehaltenen Vorträge vor der Tagsatzung sowie Abschriften von Verträgen, die

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Der Auftrag Gruyeres' war genau definiert: Er sollte in enger Zusammenarbeit mit Filonardi das Bündnis mit den fünf Orten aushandeln. Auch der zeitliche Rahmen der Gesandtschaft war eng gesteckt: Karl wünschte eine Nachricht über das Bündnis noch vor seiner Abreise nach Spanien59. Es lag also eine typische Sondergesandtschaft vor, deren Kennzeichen ja gerade ein genau beschriebener Verhandlungsauftrag war. Der Auftrag ähnelte dem der Sondergesandtschaften zu Beginn der 20er Jahre, als es ebenfalls um eine engere Einbindung der Eidgenossen mit Hilfe eines Bündnisses gegangen war. Karl bediente sich nun aber nicht mehr hochrangiger und vielköpfiger Gesandtschaften, sondern eines einzelnen Gesandten oder höchstens zweier Gesandter. Gruyeres kam auch nicht wie die bisherigen Gesandten aus Deutschland oder den Niederlanden, sondern entstammte der Franche-Comté und gehörte zur weitverzweigten Klientel Granvelles, des wichtigsten Ministers des Kaisers 60. Diese Änderung dürfte kaum zufällig sein. Eine Ursache wird darin zu suchen sein, daß Karl jetzt eben nicht in Deutschland oder den Niederlanden weilte, von daher auch nicht so viele Männer aus diesen Ländern um sich hatte. Zudem gehörten die Räte der Regierungen in Innsbruck und Ensisheim nunmehr in den Dienst Ferdinands, auf sie konnte Karl also nicht zurückgreifen. Verschoben hatte sich aber auch der geographische Schwerpunkt der Verhandlungen und der in den Verhandlungen erörterten Regionen. Bei Verhandlungen in Zürich war die Entsendung von Männern aus den Vorlanden auch geographisch nahefür Gruyeres' Arbeit wichtig waren, wie z.B. des Zweiten Kappeler Landfriedens (mit Bern: fol. 12r-14v (in lateinischer Sprache), mit Zürich fol. 14v-17r (in italienischer Sprache)), des Friedensvertrages und des Bündnisses der Eidgenossen mit Frankreich von 1516 (fol. 39v-46v) oder des französischen Soldbündnisses von 1521 (fol. 87r-89v). Das Kopialbuch wurde nicht im Nachhinein angelegt, sondern die Stücke wurden jeweils sofort nach ihrem Entstehen bzw. Eintreffen eingetragen. Dies geht aus einer Notiz über ein Schreiben an Granvelle hervor. Dort heißt es (fol. 97r), daß das Schreiben wegen der schnellen Abreise des Boten nicht in das "Register" habe eingetragen werden können, worauf der Inhalt kurz zusammengefaßt wird. Das Kopialbuch ist für die Kenntnis der Verhandlungen 1533 um so wertvoller, als die Informationen in den EA wie überhaupt in den schweizerischen Archiven sehr dürftig sind und die Korrespondenz zwischen Gruyeres und dem Kaiserhof sich auf kaiserlicher Seite nicht erhalten hat. 59

Instruktion Karls für Leonard de Gruyeres zu den fünf Orten, Parma, 3.3.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 2r-4r, hier fol. 2v). 60

Zur Bedeutung dieser Klientel für den diplomatischen Dienst Karls siehe Lunitz, Diplomatie und Diplomaten, S. 28f.

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liegend. Jetzt fanden die Verhandlungen in Luzern statt, der Zugang von Norden her war infolge der konfessionellen Auseinandersetzungen zumindest schwierig - all dies sprach gegen einen deutschen Gesandten. Für die Auswahl gerade eines Franc-Comtois dürfte dann wohl Granvelle entscheidend gewesen sein, die Entscheidung für einen Mann aus kirchlichem Dienst - Gruyeres war Offizial von Besançon - war angesichts des Verhandlungsauftrages zumindest nicht gerade abwegig. Für die praktische Durchführung der Verhandlungen brachte diese Auswahl allerdings ein nicht unerhebliches Problem mit sich: Gruyeres war des Deutschen nicht mächtig, benötigte also für alle direkten Kontakte mit den Eidgenossen einen Dolmetscher 61. Zwar hatten die französischen Gesandten die gleiche Sprachbarriere zu überwinden, die Entsendung eines deutschsprachigen Gesandten hätte Karl aber vielleicht einen nicht unbeträchtlichen Wettbewerbsvorteil sichern können, weniger für die offiziellen Verhandlungen, als für die Anknüpfung inoffizieller Kontakte62. Möglicherweise wurde dieser Punkt aber auch deshalb nicht in Erwägung gezogen, weil nur an eine kurze Verweildauer Gruyeres' in der Eidgenossenschaft gedacht war bis zum erwarteten baldigen Abschluß des Bündnisses. Damit, daß die Verhandlungen sich über Monate hinziehen würden, hatte sicherlich niemand gerechnet63. 61

Die Propositionen, die er, meist zusammen mit Filonardi, vor den Tagsatzungen hielt, mußten jeweils vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt werden. Die Korrespondenz Gruyeres' mit Personen aus der Eidgenossenschaft erfolgte offenbar zumeist auf Lateinisch, zumindest erscheinen diese Schreiben in dem Kopialbuch Gruyeres' auf Lateinisch, ebenso wie die Propositionen, anders als bei den letzteren fehlt aber jeder Hinweis auf eine Übersetzung. 62

Hier war Gruyeres völlig auf die Hilfe anderer angewiesen. Vor allem Baptist de Insula scheint die Aufgabe der Kontaktpflege für Gruyeres übernommen zu haben. Daß es von Vorteil war, wenn ein Gesandter die Sprache des Gastlandes sprach, sahen auch Gruyeres und sein Kollege Mamoz. Im Zusammenhang der Verhandlungen um Savoyen baten sie Karl, in eine deshalb auszustellende Instruktion auch Sturtzel aufzunehmen, "qu'est personnaige scavant et volentiers veu des ces srs. des lighes et est de leur langue" (Gruyeres und Mamoz an Karl, Luzem, 7.7.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 227r-229r, hier fol. 228r)). 63

Am wenigsten wohl Gruyeres selbst, der deshalb auch in Besançon keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen hatte. Nach einigen Monaten häufen sich seine Hinweise, daß seine Heimkehr wegen dringender Angelegenheiten unumgänglich sei und daß sein Herr, der Erzbischof von Besançon, aufgrund seiner langen - und das heißt ja wohl auch: seiner ungeplant langen - Abwesenheit ärgerlich sei.

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Gruyeres blieb die ganze Zeit über in Luzern, verließ den Verhandlungsort also nicht zwischen den Tagsatzungen wie teilweise die Gesandten zu Beginn der 20er Jahre. Bis zum endgültigen Scheitern der Verhandlungen im Oktober 1533 kümmerte er sich ausschließlich um das Bündnis, zumindest enthalten seine Berichte fast keine Nachrichten, die nicht mit diesen Verhandlungen in Zusammenhang stehen. Er hielt sich also eng an seinen Auftrag, von einer umfassenden Wahrung der kaiserlichen Interessen und einer allgemeinen Informations- und Beobachtertätigkeit kann in diesen Monaten nicht die Rede sein. Um so erstaunlicher ist es, daß Gruyeres die Eidgenossenschaft nicht verließ, nachdem die Verhandlungen - wenn auch nicht erfolgreich - beendet worden waren 64 . Die Gründe für sein Bleiben sind unklar 65 , sicher ist nur, daß Gruyeres es außerordentlich bedauerte, bleiben zu müssen66. Auf einer Tagsatzung der sieben Orte am 16. Dezember 1533 trat Gruyeres erneut mit einem Vortrag vor die Orte 67 . Über die Zeit zwischen Mitte Dezember 1533 und Anfang Mai 1534 fehlen jegliche Nachrichten über einen Aufenthalt Gruyeres' in der Eidgenossenschaft 68. Allerdings fehlen auch Nachrichten über eine Abreise und Wiederaufnahme seiner diplomatischen Tätigkeit, wie z.B. Instruktionen oder

64

Auch in seiner Korrespondenz mit dem Kaiserhof war stets die Rede davon gewesen, daß Gruyeres bis zum Ende der Verhandlungen in der Eidgenossenschaft bleiben sollte, also bis zum Abschluß des Bündnisses oder dem endgültigen Fehlschlagen dieser Bemühungen (Karl an Gruyeres und Chambrier, Barcelona, 12.5.1533 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 31r-32r, hier fol. 31 v); Karl an Gruyeres, Barcelona, 29.6.1533 (ebd., fol. 62r-v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 19.7.1533 (ebd., fol. 67r68v, hier fol. 68r)). 65

Der erste Teil des Kopialbuchs Gruyeres' endet mit dem 19.9., geht also nicht einmal bis zum Ende der Bündnisverhandlungen auf der Tagsatzung am 4.10. Ab Mitte September ist man deshalb auf die spärlichen Nachrichten in den EA angewiesen. 66

Gruyeres an Stephan und Baptist de Insula, Luzem, 4.11.1533 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 219r-220r). 67

EA 4/1 c, Nr. 119, S. 230. Die Zuordnung des undatierten Vortrags zu dieser Tagsatzung durch den Herausgeber der EA erscheint plausibel, vor allem wegen der Erwähnung der Beendigung der Glaubensunruhen in Solothum. Die Kämpfe zwischen Alt- und Neugläubigen in Solothum waren mit dem Vertrag vom 17.11.1533 beendet worden, nachdem die Altgläubigen die Oberhand gewonnen hatten. 68

Vom 4.5.1534 datiert dann ein Vortrag Gruyeres' vor den sieben Orten (EA 4/1 c, Nr. 165, S. 323f.).

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Credenzen 69. Daß Gruyeres die ganze Zeit ununterbrochen in Luzern tätig war, läßt aber insbesondere seine Bitte um Urlaub vermuten 70. Die Bitte um Urlaub stellt nämlich ein typisches Element ständiger Gesandtschaften dar. Die Gesandtschaft Gruyeres' hätte somit nach Ende des ursprünglichen Auftrags Züge einer ständigen Gesandtschaft angenommen. Auch daß Gruyeres dann von Besançon aus seinen Neffen, Dr. Estienne Clerc, an seiner Stelle nach Luzern schickte, um mit den Eidgenossen zu verhandeln und vor allem, um ihnen bei der Bewahrung des alten Glaubens beizustehen, bis er selbst die Stelle wieder einnehmen könne oder bis der Kaiser jemand anderen entsende71, deutet eher auf eine ständige Gesandtschaft als auf einen konkreten und eingegrenzten Verhandlungsauftrag 72. Von August 1534 bis Mai 1535 versah dann Dr. Estienne Clerc die Stelle eines kaiserlichen Gesandten in der Eidgenossenschaft 73. Eine eigene Beauftra69

Die Selbstverständlichkeit, mit der Gruyeres Zürich ein Schreiben der Regierung Innsbruck übermittelte und um Zustellung der Antwort auf demselben Weg bat, spricht ebenfalls für eine langfristige Anwesenheit Gruyeres' in Luzem (Gruyeres an Zürich, Luzern, 2.7.1534 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 84)). 70

23.7.1534 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54). Gruyeres begründete seine Bitte mit seiner angeschlagenen Gesundheit. Wenn Gruyeres in diesem Zusammenhang schrieb, wie ungem er Luzem verlassen habe, so war das wohl eher diplomatische Höflichkeit als die Wahrheit. Bereits im November 1533 hatte er es bedauert, nicht wie der Nuntius Filonardi die Eidgenossenschaft verlassen zu können. Bei seinem zweiten Aufenthalt häuften sich dann seine Klagen, und er bedrängte Granvelle unablässig mit seiner Bitte um Ablösung von dem ungeliebten Posten. Dies soll nun allerdings nicht bedeuten, daß der Hinweis auf seinen Gesundheitszustand nur vorgeschoben war. Er war wohl in der Tat emsthaft krank, wie auch aus den Berichten seines Neffen Dr. Etienne Clerc hervorgeht, zumal es kaum ein kaiserlicher Gesandter gewagt haben dürfte, aufgrund einer nur behaupteten Erkrankung seinen Posten zu verlassen. 71

Gruyeres an Luzem, Besançon, 20.8.1534 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54).

72

In eine ähnliche Richtung geht Karls Bemerkung, daß Gruyeres jemand anderen an seiner Stelle nach Luzem geschickt habe, um die Stelle nicht unversehen zu lassen (Karl an Ferdinand, Palencia, 26.9.1534 (HHStA Wien, Hs. blau 595, fol. 87r-88r, hier fol. 87v)), auch hier ist also nicht von einem konkreten Verhandlungsauftrag die Rede. 73

Am 31.8.1534 zeigte Clerc den sieben Orten die Aufnahme seiner Tätigkeit an (EA 4/1 c, Nr. 217, S. 412). Als Vorname Clercs begegnet manchmal Stephan(us), manchmal die französische Form von Stephan "Estienne". Über seinen Aufenthalt in der Eidgenossenschaft liegen über lange Zeit nur sporadische Informationen vor (Vortrag Clercs vor den fünf Orten in Luzem am 11.10.1534 (ebd., Nr. 221, S. 416); Clerc an Lu-

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gung für Clerc liegt nicht vor, er übernahm offenbar einfach die Gesandtschaft für Gruyeres. Da auch Karl Ferdinand diesen Personalwechsel einfach so mitteilte, ist eine spezielle Instruktion wohl in der Tat nicht erfolgt 74. Bezeichnenderweise teilte Clerc seinen Dienstantritt nur den sieben Orten mit, ein Indiz dafür, daß auch er sich nur als Gesandter bei den katholischen Orten verstand und deren Unterstützung im Kampf um den Erhalt des alten Glaubens als seine Hauptaufgabe ansah. Diese konfessionell geprägte Perspektive stellte ein Erbe des ursprünglichen Auftrags Gruyeres' dar, also der Bündnisverhandlungen. Da die Wiederanknüpfung engerer Kontakte Karls zu den Eidgenossen deutlich unter konfessionellen Vorzeichen stand, erstaunt es nicht, daß Gruyeres bei seiner ersten Mission ebenso wie anschließend Clerc fast ausschließlich in Kontakt zu den katholischen Orten trat. Für Clerc bot die Tätigkeit in der Eidgenossenschaft offenbar die Gelegenheit, sich für größere Aufgaben zu empfehlen. Granvelle drückte ihm ausdrücklich seine Zufriedenheit mit der von ihm geleisteten Arbeit aus, über die er auch dem Kaiser laufend berichte, "pour tesmoingner vostre bon et soingneux devoir". Er versprach ihm, weiterhin seine Hand über ihn zu halten, und stellte ihm wegen seiner weiteren Verwendung eine baldige positive Antwort in Aussicht 75 . Wenn Granvelle des weiteren Gruyeres als seinen "confrere und compere" bezeichnete, wird klar, daß Gruyeres und in seinem Gefolge auch sein Neffe Clerc zu Granvelles Klientel in der Franche Comté gehörten, die aufgrund der Zugehörigkeit zu diesem Kreis mit Aufstiegsmöglichkeiten im kaiserlichen Dienst rechnen konnte. Granvelle hielt sein Versprechen und schlug

zem, 3.11.1534 (ebd., Nr. 217, S. 41 lf.); Vortrag Clercs vor den katholischen Orten in Luzem am 5.4.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. lr-v, 3r-v); Clerc an Granvelle, Luzem, 6.4.1535 (ebd., fol. 4r-v); Clerc an Karl, Luzem, 6.4.1535 (ebd., fol. 5r-6r)). Erst gegen Ende seiner Tätigkeit, ab April 1535 werden die Informationen dichter, von nun an ist vor allem eine rege Korrespondenz mit dem Kaiserhof überliefert. 74

Karl an Ferdinand, Palencia, 26.9.1534 (HHStA Wien, Hs. blau 595, fol. 87r-88r, hier fol. 87v). Diese Stellvertreterfunktion zeigt sich auch daran, daß Karl im Februar 1535 Credenzen für Gruyeres zu den eidgenössischen Orten ausstellte (Karl an Luzem, Madrid, 20.2.1535 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54); Karl an Solothum, Madrid, 20.2.1535 (StA Solothum, Deutschland-Akten, AH 4,16)). 75

Granvelle an Clerc, Lager bei La Goletta, 24.6.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 13r-v).

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Clerc als "advocat fiscal oder baillagier" vor 76 . Karl folgte dem Vorschlag und ernannte Clerc zum "advocat fiscal von Amont" 77 , wobei er diese Ernennung ausdrücklich mit Granvelles Empfehlung begründete. Ende Mai 1535 kehrte Gruyeres nach Luzern zurück 78 . Am 4. Juni 1535 trat er wieder mit einer Proposition vor die katholischen Orte. Er teilte den sieben Orten mit, daß der Kaiser ihn beauftragt habe, sie zum Frieden zu ermahnen, damit kein Krieg in der Christenheit entstehe, während er gegen die Türken kämpfe - Karl unternahm gerade den Kriegszug nach Tunis gegen Chaireddin Barbarossa. Für den Fall, daß die katholischen Orte jedoch wegen ihres Glaubens angegriffen würden, stellte ihnen Karl Unterstützung einschließlich militärischer Hilfe in Aussicht79. Die katholischen Orte der Unterstützung Karls zu versichern, war Gruyeres' Auftrag - auch seine zweite Mission in die Eidgenossenschaft war also konfessionell motiviert. Erneut agierte Gruyeres nicht so sehr als Vertreter Karls in der Eidgenossenschaft insgesamt als bei den katholischen Orten. Im Unterschied zu seiner ersten Gesandtschaft scheint Gruyeres aber dieses Mal keinen konkreten Auftrag erhalten zu haben. Er sollte die von ihm bereits nach dem Scheitern der Bündnisverhandlungen im Herbst 1533 wahrgenommene Aufgabe der Bestärkung der katholischen Orte im alten Glauben und der allgemeinen Interessenvertretung Karls fortsetzen, so wie es auch sein Neffe in den vergangenen Monaten getan hatte. Das war nun freilich eine klassische Aufgabenbeschreibung für einen ständigen Gesandten. Spätestens mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit Gruyeres' ist deshalb der Beginn einer ständigen Gesandtschaft Karls in der Eidgenossenschaft anzusetzen, vorerst freilich beschränkt auf die katholischen Orte. Tatsächlich hatte sich bereits die 76

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 17.9.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 40r41v, hier fol. 40r). 77

Karl an Gruyeres, Messina, 22.10.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 59r-v).

78

Clerc blieb zunächst noch einige Zeit in der Eidgenossenschaft, um seinen Onkel zu unterstützen, dessen Gesundheit noch nicht völlig wiederhergestellt war (Clerc an Karl, Luzem, 12.6.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 20r-v)). Anfang August 1535 verließ Clerc die Eidgenossenschaft kurzzeitig für eine Reise nach Besançon (Gruyeres an Karl, Luzem, 2.8.1535 (ebd., fol. 27r-28r, hier fol. 28r)). Am 20.8. war er jedoch wieder in Luzem und Mitte des Monats wohl auch bereits auf der Tagsatzung in Baden gewesen (Clerc an Granvelle, Luzem, 20.8.1535 (ebd., fol. 30r-v)). 79

Proposition Gruyeres' vor den sieben Orten, Luzem, 4.6.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 14r-v). Die von Gruyeres erwähnte Credenz ist nicht erhalten, ebensowenig eine Instruktion.

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erste Gesandtschaft Gruyeres' in Luzern 1533/34 allmählich von einer Sondergesandtschaft zu einer ständigen Gesandtschaft entwickelt.

3. Der Ausbau der ständigen Gesandtschaft und ihre Zuständigkeit für die ganze Eidgenossenschaft Im Sommer 1535 war die Lage in der Eidgenossenschaft so ruhig wie schon seit Jahren nicht mehr, so daß die Tätigkeit Gruyeres' sich auf das diplomatische Routinegeschäft beschränkte. Dabei verließ er - wie schon bei seinem ersten Aufenthalt - Luzern nicht 80 . Reisen zu Tagsatzungen außerhalb Luzerns überließ er seinem Neffen oder Baptist de Insula 81 . Im Spätsommer 1535 kündigten sich dann jedoch Veränderungen im Westen der Eidgenossenschaft an. Diese waren nicht zuletzt deshalb so brisant, weil sich territorialpolitische Interessen und konfessionelle Fragen zu einer explosiven Mischung verbanden. Bern war seit langem an einer Ausweitung seines Territoriums im Westen interessiert. Dieser Expansionsdrang richtete sich gegen die savoyische Waadt. Nach der Einführung der Reformation in Bern wurde der Konflikt zusätzlich konfessionell aufgeladen, da Bern in seinen Gebieten mit Entschiedenheit der neuen Lehre zum Durchbruch verhalf. Mit einem solchen Vorgehen war auch bei einer Eroberung savoyischen Territoriums zu rechnen. Herzog Karl III. von Savoyen war aber nicht nur ein politischer Parteigänger des Kaisers, sondern auch ein entschieden katholischer Fürst - nicht zufallig spielte er in den Bündnisplänen des Kaisers mit den katholischen Orten stets eine wichtige Rolle. Die Berner riskierten also bei einem Angriff auf Savoyen sowohl ein Eingreifen des Kaisers wie auch der katholischen Orte in den Konflikt 82 .

80

Er zog sich lediglich immer wieder für einige Zeit nach Sursee, 20 km nordwestlich von Luzem, zurück, wohl aus gesundheitlichen Gründen. 81

Auf der Tagsatzung in Baden von Anfang Juni 1535 übergab Clerc einen Brief des Kaisers, in dem das Unternehmen gegen Tunis angekündigt wurde (Bericht über die Tagsatzung in Baden (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 16r-v)). Auf einer Tagsatzung der fünf Orte in Brunnen Ende Juli 1535 war Baptist de Insula anwesend und unterrichtete Gruyeres über die dort gefaßten Beschlüsse (Gruyeres an Karl, Luzem, 2.8.1535 (ebd., fol. 27r-28r, hier fol. 27v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 4.8.1535 (ebd., fol. 29r-v)). 82

Zudem waren die fünf Orte mit dem Wallis verbündet, und dieses wiederum mit Savoyen.

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Unlösbar mit diesem Konflikt verbunden war die Frage Genfs. Die Stadt hatte durch ihre günstige Lage stets die Begehrlichkeiten ihrer Nachbarn auf sich gezogen. Die Herrschaft des Bischofs hatte Genf zwar weitgehend abgeschüttelt, aber damit war die Freiheit der Stadt noch keineswegs gesichert. Savoyen versuchte seit langem, seine Rechte in der Stadt auszubauen. Unter Herzog Karl III. erfuhren diese Anstrengungen dann eine deutliche Intensivierung, mit dem Ziel, Genf ganz der eigenen Landeshoheit zu unterwerfen. Zur Abwehr dieser Bestrebungen wandten sich die Genfer an Bern und an Freiburg, denen daran gelegen sein mußte, eine savoyische Kontrolle des Verkehrsknotenpunktes am Ausgang des Genfer Sees zu verhindern. Zunächst war freilich Savoyen erfolgreich. Nach dem Wechsel Karls III. vom französischen ins kaiserliche Lager 1524 war Bern allerdings nicht mehr zur Rücksichtnahme auf Savoyen gezwungen und setzte sich nunmehr - wie bisher schon Freiburg - offen für die Belange Genfs ein. 1530 eskalierte der Konflikt zum offenen Kampf, der Frieden von St. Julien und der Schiedsspruch von Payerne/Peterlingen brachten keine wirkliche Lösung der anstehenden Fragen 83. Ende 1533 setzte sich die Reformation in Genf durch, der Bischof hatte bereits im Sommer die Stadt für immer verlassen. Dieser Schritt führte zur Kündigung des Burgrechts durch Freiburg im Frühjahr 1534 und zu einer noch engeren Bindung Genfs an Bern. Unterdessen hatte die Bedrängung Genfs durch Savoyen nie ganz aufgehört, so daß Bern jederzeit unter Berufung auf den Vertrag von St. Julien in die Waadt hätte ziehen können. Aber Bern wollte kein zu großes Risiko eingehen und wartete auf eine günstige politische Situation. Die Berner Geduld sollte belohnt werden. Am 1. November 1535 starb Herzog Francesco II. von Mailand. Sofort eröffnete Frankreich den Kampf um Oberitalien neu. Vorgesehen war zunächst freilich nicht ein direkter Angriff auf Mailand, sondern ein Zug gegen Savoyen. Im Dezember bot Frankreich Genf an, die Stadt gegen Savoyen zu schützen. Dies veranlaßte Bern zum Eingreifen. Zum einen war Bern eine französische Herrschaft über Genf genauso wenig erwünscht wie eine savoyi-

83

EA 4/1 b, Beilage Nr. 14 und 17. Beide Seiten wurden zum Frieden verpflichtet. Dem Herzog verblieben zwar einige Rechte in Genf, die aber so eingeschränkt waren, daß ein Ausbau dieser Rechte zur Landeshoheit nicht zu befürchten war. Das Burgrecht Genfs mit Freiburg und Bern wurde bekräftigt. Wichtig war aber vor allem, daß der Friedensvertrag Bern eine Rechtfertigung für eine Eroberung der Waadt an die Hand gab: Als Pfand für die Erfüllung des Vertrages setzte der Herzog nämlich die Waadt ein, die Bern und Freiburg bei der geringsten Belästigung Genfs besetzen durften. Zu den Ereignissen siehe Handbuch 1, S. 526-531.

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sehe - Bern mußte Frankreich hier also zuvorkommen. Zum anderen waren Savoyen und seine Verbündeten mit der Abwehr der französischen Drohungen beschäftigt, so daß Bern bei einem Einmarsch in die Waadt keinen allzu großen Widerstand befürchten mußte. Die am 16. Januar 1536 begonnene Eroberung der Waadt vollzog sich denn auch in weniger als einem Monat. In Genf wollten die siegreichen Berner zunächst die bischöflichen und savoyischen Rechte übernehmen, aber die Genfer bestanden auf ihrer Unabhängigkeit, und Bern war klug genug, nicht auf diesem Punkt zu beharren. In den Folgemonaten betrieb Bern in den eroberten Gebieten mit Entschiedenheit die Durchsetzung der Reformation, auch in Genf siegte die neue Lehre erst jetzt endgültig. Bern hatte einen überragenden territorialen und konfessionellen Erfolg errungen, und dies weitgehend im Alleingang und ohne Rücksprache mit den anderen Orten. Die eigentliche Entscheidung fiel dabei so rasch, daß die eidgenössischen Orte von der Entwicklung formlich überrannt wurden und gar keine Zeit hatten zu reagieren. Der Feldzug hatte aber doch ein längeres Vorspiel gehabt, da sich die Spannungen langsam aufgebaut hatten, und er hatte ein noch längeres Nachspiel, in dem es um die Konsolidierung der bernischen Macht ging. Diese Vorgänge waren deshalb über Monate hinweg immer wieder Gegenstand der Beratungen auf der Tagsatzung. Ein so beherrschendes Thema erregte selbstverständlich auch die Aufmerksamkeit der kaiserlichen Gesandten. In einem Schreiben vom 20. August 1535 berichtete Clerc vom Auftritt des savoyischen Gesandten auf der Tagsatzung und seinen Ausführungen über Genf 84 . Am 15. September legte Gruyeres dann sowohl der Tagsatzung insgesamt als auch den katholischen Orten eine Proposition vor, in der die Eidgenossen gewarnt wurden, für die ungehorsame Stadt Partei zu ergreifen 85. Von nun an stellten Genf und Savoyen ein regelmäßiges Thema in den Berichten Gruyeres' dar. Nach dem Tode des Herzogs von Mailand wurden Schwierigkeiten in Italien erwartet, und die Aufmerksamkeit des

84 85

Clerc an Granvelle, Luzern, 20.8.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 30r-v).

Proposition Gruyeres' vor den katholischen Orten, Luzem, 15.9.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 38r-39r); Proposition Gruyeres' vor der Eidgenossenschaft, Luzem, 15.9.1535 (ebd., fol. 44r-45r). Gruyeres argumentierte, daß Genf eine Reichsstadt sei. Die vom Bischof und dem Herzog ausgeübten Rechte seien ihnen nur verliehen, die Auflehnung gegen diese Fürsten bedeute also gleichzeitig eine Auflehnung gegen den Kaiser. Gegenüber den katholischen Orten verwies Gruyeres zusätzlich auf den Abfall der Stadt vom alten Glauben.

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Kaisers wie auch seines Gesandten konzentrierte sich zunächst hierauf 86. Nachdem die Lage in Mailand wider Erwarten ruhig geblieben war, richteten sich die Blicke ganz auf Genf und Savoyen. Gruyeres informierte den Kaiser fortlaufend über die Entwicklung87. Seine Möglichkeiten, über diese Informationstätigkeit hinaus etwas zur Beilegung des Konflikts und zur Wahrung der kaiserlichen und savoyischen Interessen beizutragen, waren dagegen minimal. Am 19. Januar 1536 fand in Luzern eine Tagsatzung statt, an der außer den sieben katholischen Orten auch Zürich teilnahm. Gruyeres trat auf der Tagsatzung auf und ermahnte die eidgenössischen Orte, Bern von dem geplanten Friedensbruch abzuhalten88 - damit waren seine Möglichkeiten aber auch bereits erschöpft. Mit der Krise um Genf und Savoyen hatte sich der Schwerpunkt von Gruyeres' Tätigkeit deutlich verlagert. Hatte seine Aufmerksamkeit bei seiner ersten Gesandtschaft 1533/34 vorwiegend Italien gegolten und hatte er sich nach seiner Rückkehr zunächst vor allem um die Stärkung der kaiserlichen Partei in den fünf Orten gekümmert, so sah er sich nun mit einem territorialen und religiösen Konflikt konfrontiert, der die Eidgenossen wieder direkt in die großen internationalen Auseinandersetzungen verstrickte. Diese Entwicklung war bei Antritt der Gesandtschaft nicht absehbar gewesen. Gruyeres besaß demzufolge keine Instruktion, wie hier vorzugehen sei, und mußte vorläufig völlig selbständig agieren, bis als Antwort auf seine Berichte Anweisungen vom Kaiserhof eintrafen. Gleichwohl gab es an seiner Zuständigkeit für diese Verhandlungen keinerlei Zweifel - als ständiger Gesandter hatte er sich mit allen auftretenden

86

Am 9.11.1535 hatte Karl Gruyères über die schwere Erkrankung Sforzas informiert und ihm bereits Anweisungen für den Fall des Todes Sforzas gegeben (Karl an Gruyeres, Cosenza, 9.11.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 69r-70r, hier fol. 69v)). Vier Tage später teilte er ihm dessen Tod mit und ergänzte seine Anweisungen (Karl an Gruyeres, Castrovillari, 13.11.1535 (ebd., fol. 71r-72r)). 87

Zur Tätigkeit Gruyeres' um den Jahreswechsel 1535/1536 vgl.: Charles Gilliard, La politica di Carlo V al principio del 1536, in: Archivio storico italiano 1939/Heft 1, S. 229-235, basierend ebenfalls auf dem Kopialbuch Gruyeres'. 88

EA 4/1 c, Nr. 372; Proposition Gruyeres' vor der Tagsatzung (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 170v-171v; Zusammenfassung in EA 4/1 c, Nr. 372, S. 611); Proposition Gruyeres' vor den katholischen Orten (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 171v172r); Antwort der eidgenössischen Orte auf die Proposition (ebd, fol. 172v-173r).

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Fragen zu befassen, auch ohne eine spezielle Instruktion und Vollmacht zu jeder Einzelfrage zu besitzen89. Trotzdem sandte ihm Karl am 3. Januar 1536 zwei Credenzbriefe 90. Die eine Credenz war an die katholischen Orte gerichtet und diente wohl vor allem der Bekräftigung von Gruyeres' Autorität. Die andere Credenz war für Bern bestimmt. Damit wurde Gruyeres erstmals mit direkten Verhandlungen mit einem evangelischen Ort beauftragt, bisher hatte er stets nur mit den katholischen Orten direkt verhandelt und höchstens der Tagsatzung aller Orte schriftliche Propositionen vorgelegt. Von diesem Zeitpunkt an war Gruyeres zumindest vom Anspruch her Gesandter Karls in der Eidgenossenschaft und nicht mehr nur bei den katholischen Orten. Dies bedeutete freilich keineswegs ein Entgegenkommen gegenüber den evangelischen Städten, sondern war eine Folge der Einsicht, daß in dieser Frage kein Weg an direkten Verhandlungen mit Bern vorbei führte. Die Anweisung und die Credenzen des Kaisers erreichten Gruyeres Ende Januar 1536 91 . Von der Credenz für Bern machte er freilich nur eingeschränkten Gebrauch, indem er der Stadt ein mahnendes Schreiben schickte, worin er sie aufforderte, nichts zum Schaden der kaiserlichen Autorität und des Reiches zu unternehmen92. Zu diesem Zeitpunkt standen bernische Truppen bereits seit zwei Wochen in der Waadt, und das Schreiben des kaiserlichen Gesandten dürfte die Berner Politiker kaum sonderlich beeindruckt haben. Als die Lage um Genf und Savoyen sich allgemein sichtbar zuspitzte und alle Anzeichen auf eine unmittelbar bevorstehende militärische Auseinandersetzung deuteten, hielt Karl die Vertretung durch Gruyeres nicht mehr für ausreichend. Am 1. Februar 1536 instruierte der Kaiser deshalb den Herrn von Marnoz, Nicolas de Gilley, in die Eidgenossenschaft 93, obwohl er erst einen 89

Gruyeres selbst schrieb über sein Auftreten bei der Tagsatzung, daß diese "pro meo officio et generali commissione mihi a cesarea mate demandata" erfolgt sei (Gruyeres an Antonio de Leyva, Luzem, 19.1.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 172r-v, hier fol. 172v). 90

Karl an Gruyeres, Neapel, 3.1.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 98r-99r); Credenz Karls für Gruyeres zu den fünf Orten, Neapel, 3.1.1536 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54). 91

Gruyeres an Bern, Luzem, 30.1.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 11 Or-v).

92

Gruyeres an Bern, Luzem, 30.1.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 110r-v).

93

Instruktion Karls für Marnoz in die Eidgenossenschaft, Neapel, 1.2.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 100r-105r; Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 198v-201r). 27 Braun

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Monat zuvor Gruyeres für Verhandlungen über Savoyen und Genf zusätzliche Credenzen geschickt hatte. Entscheidend für diese Maßnahme war, daß Karl zu Recht, wie sich zeigen sollte - eine neue Runde im Ringen mit Franzi, erwartete. In diesem Fall war die Haltung der Eidgenossen wichtig, zumal, wenn sich, wie absehbar, der Kampf in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft abspielen würde. Diese Frage stand im Vordergrund der Überlegungen Karls, die Situation Genfs war dabei zunächst zweitrangig. Neben sicherlich echter Sorge um den Erhalt des alten Glaubens in der Stadt war Genf vor allem deshalb wichtig, weil bei einem Eingreifen Berns zugunsten Genfs der Herzog von Savoyen sich einem Zweifrontenkrieg gegenübersehen würde. Marnoz sollte deshalb Bern von einem gewaltsamen Schritt abhalten, vor allem aber versuchen, die Eidgenossen von einer Unterstützung Frankreichs abzubringen, sie zumindest zur Neutralität zu bewegen. Dabei sollte Marnoz in enger Absprache mit Gruyeres vorgehen, der in der Instruktion als Karls "ambassadeur resident devers lesdts. des lighes"94 betitelt wird. Marnoz sollte also den ständigen Gesandten Gruyeres in dieser schwierigen Situation unterstützen. Eine solche Stärkung der diplomatischen Vertretung war eine übliche Reaktion95 und zeigt, welche Bedeutung Karl der Haltung der Eidgenossen in dieser Lage beimaß. Mitte Februar 1536 traf Marnoz in der Eidgenossenschaft ein 9 6 . Zwischen Gruyeres und Marnoz zeichnete sich sehr bald eine Aufgabenteilung ab: Die Verhandlungen mit Bern, die, wenn sie überhaupt irgendeine Aussicht auf Er94

Instruktion Karls für Mamoz in die Eidgenossenschaft, Neapel, 1.2.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 198v-201r, hier fol. 198v). 95

Zum Nebeneinander von Botschaftern und Sondergesandten siehe Lunitz, Diplomatie und Diplomaten, S. 188-190. 96

Gruyeres hatte am 16.2. durch Mamoz die kaiserlichen Briefe erhalten, Mamoz dürfte also an diesem Tag in Luzern angekommen sein (Gruyeres an Karl, Luzem, 21.2.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 203v-205v, hier fol. 203v)). Am 18.2. beantwortete Bern die Bitte Mamoz' um sicheres Geleit (Bern an Mamoz, 18.2.1536 (StA Bern, A III 158, fol. 38 lv)), die er sofort nach seiner Ankunft an die Stadt gerichtet hatte. Es ist übrigens sehr bezeichnend für die Einschätzung der Lage, daß Mamoz sich mit der allgemeinen Zusicherung sicheren Geleites durch Bern und der Bemerkung, daß dies eigentlich unnötig sei, da man dem Kaiser und seinen Untertanen alle Ehre erweisen wolle, nicht zufriedengab. Erst die Erklärung, daß das sichere Geleit auch für den Fall eines Krieges zwischen Karl und Franz I. gelte, erschien ihm ausreichend (ebd., fol. 382r). Mamoz rechnete also fest mit einem Kriegsausbruch und zählte Bern für diesen Fall zur gegnerischen Seite.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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folg haben sollten, Reisen nach Bern erforderlich machten, wurden von Marnoz geführt 97. Auch die übrigen Reisen, z.B. nach Zürich 98 und Freiburg 99, unternahm Marnoz. Gruyeres blieb in Luzern und vertrat bei den katholischen Orten die Interessen Karls. Bereits beim ersten Auftreten Marnoz1 in Bern war unübersehbar, daß das zentrale Anliegen Karls darin bestand, eidgenössische Unterstützung für Frankreich zu verhindern. Zwar wurde Bern auch aufgefordert, die eroberte Waadt zurückzugeben, aber wenn Marnoz erklärte, der Kaiser besitze Mailand zu Recht und die anderslautenden Behauptungen des französischen Königs seien Verleumdungen, wurde deutlich, daß Karl einen Angriff Frankreichs erwartete und den französischen Rechtfertigungen bei den Eidgenossen den Boden entziehen und so eine Anwerbeerlaubnis für Frankreich verhindern wollte 1 0 0 . Der konfessionelle Konflikt, der die Tätigkeit Gruyeres' - zumindest vordergründig - bislang dominiert hatte, war inzwischen ganz zurückgetreten. Ausschlaggebend war jetzt die Haltung der Eidgenossen gegenüber Frankreich und dem Kaiser. Die Reisen Marnoz' nach Bern galten also nicht primär der evangelischen Stadt, sondern dem Gegner Savoyens und damit des Kaisers. Die konfessionelle Spaltung der Eidgenossenschaft spielte allerdings insofern eine Rolle, als der Kaiser dazu neigte, bei den evangelischen Städten von vornherein Sympathien für Frankreich zu vermuten und dementsprechend die katholischen Orte für seine "natürlichen" Bündnispartner zu halten 101 . Karl war somit über97

Mamoz war am 20./24.2.1536 in Bern (EA 4/lc, Nr. 392), erneut am 26.3. (ebd., Nr. 407), am 13.5. (ebd., Nr. 423), Anfang Juni (Gruyeres an Karl, Luzem, 1.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 181r-v, 184r-185r, hier fol. 181v)), am 12.7. (Proposition Mamoz' vor dem Rat zu Bern (ebd., fol. 242r-243r)). 98

Am 16.3.1536 sprach er dort vor dem großen und kleinen Rat (StA Zürich, A 176.2, Nr. 89). Mitte Juni war Mamoz zusammen mit dem burgundischen Gesandten Claude Tissot in Zürich, um das Erbeinungsgeld zu bezahlen (Gruyeres an Karl, Luzem, 14.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 194r-v, 196r, hier fol. 194r)), anschließend reiste er nach Schaffhausen und Basel (Gruyeres an Karl, Luzem, 20.6.1536 (ebd., fol. 202r-203r, hier fol. 202v-203r)). 99

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 1.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 209v-21 lr, hier fol. 210v). 100

EA 4/lc, Nr. 392, S. 643; Bericht über den Vortrag Mamoz' und die anschließenden Beratungen (StA Bern, A III 24, S. 201-207). 101

So schlug Karl beispielsweise Antonio de Leyva eine Wiederaufnahme der Bündnisverhandlungen mit den katholischen Orten vor, während er mit einem Angriff 21*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

zeugt, daß die politische Orientierung der eidgenössischen Orte von ihrer konfessionellen Zugehörigkeit abgeleitet sei. Dabei hatte Gruyeres bereits frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, daß die katholischen Orte "kälter" seien als erwartet und keineswegs bedingungslos den Herzog von Savoyen unterstützen wollten, weil sie nämlich eine französische Einmischung in den Konflikt befürchteten 102. Die katholischen Orte waren also zu einer konfessionell ausgerichteten Politik nur bereit, solange sie nicht eine Verwicklung in einen großen Krieg zwischen Karl und Franz und eine klare Stellungnahme gegen Frankreich bedeutete. Während der Verhandlungen im Frühjahr 1536 verstärkte sich bei den kaiserlichen Gesandten die Überzeugung, daß die politische Orientierung keineswegs nur eine Funktion der konfessionellen Zugehörigkeit darstellte. So berichtete Marnoz Karl am 22. März, daß Zürich sich völlig von Frankreich gelöst habe 103 , und daß er überhaupt bei den evangelischen Orten eine größere Bereitschaft angetroffen habe, auf das kaiserliche Anliegen einzugehen als bei den katholischen104, wobei man förmlich das Erstaunen über diesen Befund spürt. Als Begründung gab Marnoz an, daß die katholischen Orte in viel stärkerem Maße von den Pensionszahlungen abhängig seien - eine sicherlich richtige Beobachtung, die aber nichts mit der Konfession zu tun hatte, sondern viel mehr mit dem Unterschied zwischen Städten und Länderorten. Daß die katholischen Orte nicht von vornherein auf kaiserlicher und savoyischer Seite standen, wurde den Kaiserlichen dann auf schmerzliche Weise bewußt, als sie erfuhren, daß der Evangelischen gegen Burgund rechnete (Karl an Antonio de Leyva, Neapel, 22.2.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 116r)). In der Instruktion für Mamoz wurde neben der Neutralität der Eidgenossenschaft als zweite Möglichkeit eidgenössischer Reaktion in Erwägung gezogen, daß die evangelischen Orte Frankreich unterstützten, d.h. es wurde ganz selbstverständlich von einer Aufspaltung in dieser politischen Frage entlang der konfessionellen Linie ausgegangen (Instruktion Karls für Mamoz in die Eidgenossenschaft, Neapel, 1.2.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 198v-201r, hier fol. 200v)). Ähnlich Karl an Gruyeres, Neapel, 23.2.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 115r-v, 119r, hier fol. 115v). 102

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 23.1.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 108r); Gruyeres an Karl, Luzem, 1.2.1536 (ebd., fol. 112r-l 13v, hier fol. 113r). 103

Auch Mamoz ging also davon aus, daß Zürich als evangelischer Ort Frankreich angehangen hatte. 104

Mamoz an Karl, Luzem, 22.3.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 128r-130v, hier fol. 128r).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

421

Freiburg und das Wallis im Schatten Berns sich ebenfalls einen Teil des savoyischen Herzogtums angeeignet hatten. Mit der Erkenntnis der Gesandten, daß es nicht oder wenigstens nicht primär von der Konfession abhing, ob ein Ort Karl oder Frankreich unterstützte, verlor die kaiserliche Gesandtschaft endgültig ihre konfessionelle Prägung. Es ging einzig und allein darum, die Anwerbung eidgenössischer Söldner für Frankreich zu verhindern, und dabei spielte es keine Rolle, ob diese Söldner evangelisch oder altgläubig waren. Bezeichnend ist auch, daß Karl gerade jetzt seine diplomatische Vertretung in der Eidgenossenschaft verstärkt hatte. Hier bietet sich ein ähnliches Bild wie in den beiden Kappeler Kriegen: Allein wegen des konfessionellen Kräfteverhältnisses in der Eidgenossenschaft - und hier wäre auch der Kampf um Genf einzuordnen - waren Karl und Ferdinand damals nicht bereit gewesen, militärisch einzugreifen, und dies hätte Karl auch jetzt nicht veranlaßt, seine diplomatischen Bemühungen zu intensivieren. Erst die Verknüpfung der konfessionellen Frage mit der Auseinandersetzung mit Frankreich bewog ihn zu diesem Schritt. Sitz der Gesandtschaft war zwar nach wie vor Luzern als der wichtigste katholische Ort, aber die Gesandten verhandelten von dort aus ohne Scheu auch mit Zürich oder Bern. Eine logische Konsequenz der Hintanstellung des konfessionellen Auftrags war die Tatsache, daß die kaiserlichen Gesandten nun auch auf gesamteidgenössischen Tagsatzungen erschienen, zum ersten Mal am 27. März 1536 1 0 5 . Mit zwei Gesandten war Karl in der Eidgenossenschaft nunmehr gut vertreten. Indirekt war Karls Vertretung aber sogar noch stärker. Als nach dem Tode des Herzogs von Mailand Italien zunächst im Mittelpunkt des Interesses stand, verwies Gruyeres auf die Verdienste Baptist de Insulas, dessen Anwesenheit gerade jetzt sehr wichtig sei 1 0 6 . Baptist de Insulas Position in dieser Zeit ist 105

EA 4/1 c, Nr. 408, S. 668; Gruyeres an Karl, Luzern, 2.4.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 144r-145r). Baptist de Insula war gerade im Auftrag der katholischen Orte unterwegs zu Kaiser und Papst (Gruyeres an Granvelle, Sursee, 17.11.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 73r-v, 75r, hier fol. 73r); Gruyeres an Karl, Sursee, 8.12.1535 (ebd., fol. 82r-83r, hier fol. 83r)). Auch der Herzoginwitwe von Mailand empfahl Gruyeres Baptist de Insula wegen dessen Verdiensten um den Kaiser und um Mailand und bat sie, sich bei Gelegenheit seiner zu erinnern (Gruyeres an Herzogin Christine von Mailand, Sursee, 15.12.1535 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 147v-148r)). Gegenüber Antonio de Leyva ging Gruyeres gar so weit, Baptist de Insula das entscheidende Verdienst am Sieg

422

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

schwer zu bestimmen, an seiner Wichtigkeit besteht jedoch kein Zweifel. Er diente den katholischen Orten als Verbindungsmann nach Italien, zum Papst und zum Kaiser (über Mailand). Gleichzeitig arbeitete er eng mit Gruyeres zusammen, führte für ihn wohl auch Aufträge aus und erhielt eine Pension vom Kaiser 107 . Dabei ging die Tätigkeit Insulas über eine reine Informantentätigkeit offenbar erheblich hinaus. Er gehörte beiden Seiten an und doch keiner Seite richtig 108 . Offenbar vermittelte er jedoch beiden Seiten das Gefühl, in ihrem Interesse tätig zu sein. Anfang 1536 trat Baptist de Insula dann allerdings ganz auf die kaiserliche Seite über. Dieser "Seitenwechsel" steht offenbar in Zusammenhang mit seinem Aufenthalt am Kaiserhof, wohin er im Auftrag der fünf Orte gereist war. Zusammen mit Marnoz kehrte er aus Neapel in die Eidgenossenschaft zurück 109 . Baptist de Insula gehörte von nun an zur diplomatischen Vertretung des Kaisers in Luzern, konnte aber nicht selbständig offizielle Verhandlungen führen. Er trat zusammen mit den Gesandten auf oder in deren Auftrag 110 . Auch Gruyeres erwähnte ihn fortan immer wieder in einem Atemzug mit sich und Marnoz, d.h. er rechnete ihn ebenfalls zu den kaiserlichen Vertretern in der Eidgenossenschaft 11

der katholischen Orte im Zweiten Kappeler Krieg zuzuschreiben (Gruyeres an Antonio de Leyva, Sursee, 15.12.1535 (ebd., fol. 148v-149r)). 107

Mit deren Auszahlung gab es allerdings erhebliche Probleme. Es handelte sich um Einkünfte aus Sizilien, die Baptist und Stephan de Insula vom Kaiser übertragen worden waren. Die Brüder beklagten sich aber immer wieder, daß keine Zahlungen an sie gelangten, und Gruyeres setzte sich für sie ein (Gruyeres an Granvelle, Sursee, 17.11.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 73r-v, 75r, hier fol. 73v); Gruyeres an Karl, Sursee, 8.12.1535 (ebd., fol. 82r-83r, hier fol. 83r)). 108 £ r w a r z w a r Bürger von Luzem, blieb aber dennoch erkennbar ein Fremder, gehörte mit Sicherheit nicht dem inneren Zirkel der Luzerner Entscheidungsträger an. 109

Perrenin an Gruyeres, Neapel, 3.2.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 202v). Perrenin schrieb, daß der Kaiser Insula "zurückgeschickt" habe, bereits dies ein Indiz dafür, daß er in kaiserlichem Dienst stand. 110

So auf der Tagsatzung der fünf Orte am 11. April, als er "im Namen des kaiserlichen Gesandten" bat, gegen die französischen Werbungen vorzugehen (EA 4/1 c, Nr. 416, S. 679). 111

Erstmals am 25.2., als er schrieb, er und Insula hätten die katholischen Orte gebeten, Frankreich keine Söldner zulaufen zu lassen (Gruyeres an Antonio de Leyva, Luzem, 25.2.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 206r-207v, hier fol. 206v)). Ähnlich Gruyeres an Granvelle, Luzem, 1.3.1536 (ebd., fol. 209v-21 lr, hier fol.210v);

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

423

Zu diesen ist auch der mailändische Sekretär Giovanni Domenico Panizono zu rechnen. Er war bereits seit 1531 im Auftrag des Herzogs von Mailand in der Eidgenossenschaft tätig gewesen112. Ende 1535 reiste er dann für die Herzoginwitwe Christine zu den Eidgenossen113. Panizono gehörte zu einem Kreis von Personen aus dem Dienst Sforzas, für die Gruyeres Granvelle um Übernahme in den kaiserlichen Dienst gebeten hatte 114 . Nach dem Rückfall Mailands an Karl wechselte Panizono demnach in kaiserlichen Dienst und unterstand Antonio de Leyva, dem Gouverneur von Mailand 115 . Für Leyva war Panizono fortan in der Eidgenossenschaft tätig oder zwischen Luzern und Mailand unterwegs 116. Panizono war allerdings ebensowenig wie Insula ein Gesandter, sondern wurde stets als Sekretär bezeichnet. Seine Aufgabe bestand vor allem in der Sammlung und Übermittlung von Informationen, einen Verhandlungsauftrag besaß er nicht. Dies war freilich auch nicht notwendig, da Leyva ja keine selbständigen Verhandlungen mit den Eidgenossen führen mußte, zumal wenn dort bereits zwei kaiserliche Gesandte tätig waren. Panizono verstärkte vielmehr die kaiserliche Vertretung in der Eidgenossenschaft und unternahm auch Reisen für die Gesandten, wenn es nur darum ging, Botschaften zu überbringen oder bestimmte Sachverhalte zu erkunden 117. Daß Baptist de

Gruyeres an Karl, Luzem, 11.3.1536 (ebd., fol. 214r-217r, hier fol. 214v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 12.3.1536 (ebd., fol. 221r-222v, hier fol. 221r). 112

Vgl. EA 4/1 b, Register.

113

Karl an Gruyeres, Neapel, 29.12.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 76r-v).

114

Gruyeres an Granvelle, Sursee, 17.11.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 73 rv, 75r, hier fol. 73v, 75r). Unter diesen war auch Juan Angelo Ritio, der später für den Kaiser in der Eidgenossenschaft tätig wurde. 115

Wenn Panizono als "secrétaire de l'empereur agent devers eulx (= die Eidgenossen, B.B.) pour monsr le prince d'ascule (= Antonio de Leyva, B.B.), gouverneur du duché de millan" bezeichnet wird (Bericht über die Tagsatzung am 19./20.1.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 173r-174v, hier fol. 174r)), so trifft das seine Stellung exakt. 116

Gruyeres verwies in seinen Schreiben an Leyva gelegentlich auf die Berichte Panizonos an Leyva, die ihm eine ausführliche Darstellung der Ereignisse ersparten (Gruyeres an Antonio de Leyva, Luzem, 31.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 238r-239v, hier fol. 239r)). Da Panizono seine Briefe Gruyeres zeigte, bevor er sie nach Mailand sandte (Gruyeres an Valgrana, Sekretär Antonio de Leyvas, Luzem, 6.2.1536 (ebd., fol. 190r)), wußte Gruyeres jeweils genau, was Panizono bereits berichtet hatte.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Insula und Panizono den Gesandten nicht gleichgestellt waren, sondern einen untergeordneten Status hatten, erhellt auch aus folgendem Detail: Als Karl Gruyeres die Übersendung von 25.000 fl. in Aussicht stellte, berichtete der Gesandte den beiden nur von 15.000 - um einen möglichst sparsamen Umgang mit dem Geld zu gewährleisten, wie er argumentierte 118. Panizono und Baptist de Insula stehen für die Verbindung nach Italien, über die, wie bereits 1533/34, die Informationen zum Kaiser liefen. Der Konflikt, der diese Aktivitäten ausgelöst hatte, spielte sich zwar im Westen ab, der Informationsfluß mußte aber von Luzern aus nach Süden gehen, da der Weg nach Westen gerade durch den Konflikt versperrt war und zudem Karl in Italien weilte. Außerdem wurde zwar mit einem Angriff Frankreichs im Westen gerechnet, es war jedoch klar, daß das Ziel dieser Unternehmung Mailand sein würde. Antonio de Leyva war mithin eine zentrale Person in diesen Wochen und Monaten und wurde von Gruyeres auch dementsprechend kontinuierlich auf dem laufenden gehalten, nicht zuletzt über Panizono. Mehr als Italien war von Karls Ländern aber zunächst und unmittelbar Burgund von den Kämpfen in Savoyen betroffen. Wie stets in solchen Situationen fürchteten die Burgunder um ihre Sicherheit. Dies veranlaßte den Marschall und den Präsidenten von Burgund, in Bern vorstellig zu werden. Zu diesem Zweck schickten sie mehrmals Claude Tissot an die Aare, auch dies indirekt eine Vertretung der kaiserlichen Position, wenn auch mit ganz eigenen Akzenten 119 .

117

Mitte Mai 1536 war Panizono in Zürich, um dort die letzten kaiserlichen Briefe vorzulegen (Gruyeres und Mamoz an Karl, Luzem, 18.5.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 172r-v, 174r-175r, hier fol. 172v)). Ende Mai ging er nach Schaffhausen, Glarus und Appenzell, um etwas über die französischen "Praktiken" zu erfahren (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 27.5.1536 (ebd., fol. 179r)). 118

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 18.5.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 170r-

v). 119

E A 4/1 C, Nr. 383; Marschall und Präsident von Burgund an Gruyeres, Dôle, 17.2.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 209r-v); Marschall und Präsident von Burgund an Gruyeres, Dôle, 13.3.1536 (ebd., fol. 229r-v). So ordnete der Präsident von Burgund an, Bern weiter Salz zu liefern und die Stadt auch sonst vom guten Willen Burgunds zu überzeugen (ebd., fol. 229r).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Der Erfolg dieser vereinten Bemühungen war freilich bescheiden120. Zwar versprachen die Eidgenossen, Frankreich keine Söldner zuziehen zu lassen. Sie gewährten aber auch dem Kaiser keine Anwerbeerlaubnis, sondern entschlossen sich, neutral zu bleiben. Diese Entscheidung war aber keineswegs eine Folge der Tätigkeit der Gesandten - auch dann wäre es ja nur ein sehr begrenzter Erfolg gewesen -, sondern erfolgte im ureigenen Interesse der Eidgenossen, die andernfalls um ihre innere Einheit fürchten mußten und unbedingt das Aufeinandertreffen eidgenössischer Soldaten in den gegnerischen Heeren in Italien vermeiden wollten. Selbstverständlich blieb den Gesandten der geringe Erfolg ihrer Bemühungen nicht verborgen. Hinzu kam, daß sie nicht zuletzt auch die Sache des Herzogs von Savoyen vertreten sollten, von diesem aber nicht über seine Absichten und konkreten Vorhaben informiert wurden 121 . Der wenig erfreuliche Verlauf ihrer Mission hinterließ Spuren bei den Gesandten. Besonders bei Gruyeres machte sich eine tiefe Frustration breit, die sich erstmals Mitte März 1536 gegenüber Granvelle entlud 122 . Dabei deklarierte er seine Bitte um Urlaub zunächst als Sparvorschlag, indem er ausführte, daß es billiger und zudem völlig ausreichend sei, wenn man allein Baptist de Insula oder Panizono mit der Vertretung der kaiserlichen Interessen beauftrage. Des weiteren machte er Sicherheitsbedenken für den Fall geltend, daß die eidgenössischen Orte Frank120

Wenn Gruyeres z.B. das Ende des Bemer Vormarsches in die Waadt auf die Vorhaltungen von kaiserlicher Seite zurückführte (Gruyeres an Ferdinand, Luzem, 3.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 213r-214r, hier fol. 213r)), unterlag er sicherlich einer groben Fehleinschätzung. 121

Gruyeres beklagte sich mehrmals bitter über das Verhalten des Herzogs, z.B. gegenüber Antonio de Leyva (Gruyeres an Antonio de Leyva, Luzem, 31.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 238r-239v, hier fol. 239r)); ähnlich Mamoz (Mamoz an Karl, Luzem, 2.4.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 146r-148v, hier fol. 146r)). Als der Herzog dann endlich einen Gesandten zu den Eidgenossen abgeordnet hatte, der auf der Tagsatzung die herzogliche Position vertreten sollte, klagte Gruyeres, daß der Gesandte eine völlig unzureichende Instruktion vom Herzog erhalten habe (Gruyeres und Mamoz an Karl, Luzem, 7.7.1536 (ebd., fol. 227r-229r, hier fol. 228r); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 16.7.1536 (ebd., fol. 241r-v, 247r, hier fol. 247r)). 122

Seine Ausführungen ließen an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: "les choses vont si estrangement et incertainement pardeca, que iay perdu lenvie dy négocier plus longuement, vous suppliant monsr bien humblement que si vous veez lappoinct y vous plaise tenir main a mon congé" (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 12.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 221r-222v, hier fol. 222r)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

reich ihre Unterstützung zusagten123. Nun war die Sicherheit ständiger Gesandter in Kriegszeiten durchaus ein Problem; an den Arbeitsbedingungen und an der Bewegungsfreiheit der Gesandten war die Verschlechterung in den Beziehungen zweier Länder häufig zuerst abzulesen, der Abbruch der diplomatischen Beziehungen war dann erst der letzte Schritt 124 . Dies galt beispielsweise für die Beziehungen und den diplomatischen Verkehr zwischen dem Kaiser und Frankreich. Im Fall der Eidgenossenschaft lagen die Dinge allerdings etwas anders: Ein Krieg zwischen Karl und den Eidgenossen stand nicht zu erwarten, die diplomatischen Beziehungen waren nicht gefährdet. Was schlimmstenfalls drohte, war, daß einige oder alle eidgenössischen Orte Frankreich Anwerbungen gestatteten oder gegen heimlich durchgeführte Werbungen nicht energisch einschritten. Praktisch hätte dies zwar eine Verschlechterung der gegenseitigen Beziehungen bedeutet, aber offizielle diplomatische Schritte hätten die Eidgenossen auch in einem solchen Fall mit Sicherheit vermieden, wie sie überhaupt allzu deutliche Festlegungen nach Möglichkeit umgingen. Zumindest von offizieller Seite war die Sicherheit der Gesandten mithin keineswegs gefährdet, die diesbezüglichen Sorgen Gruyeres' also übertrieben, möglicherweise auch vorgeschoben. Dessen ungeachtet wurden Gruyeres1 Bitten um Urlaub in den folgenden Wochen und Monaten immer drängender. Als Begründung kam zu den Sicherheitsbedenken ein gesundheitliches Argument hinzu. Gruyeres teilte Granvelle nämlich mit, sein Arzt habe ihm gesagt, daß er in Luzern nicht genesen könne 125 . Beide Argumente dienten fortan abwechselnd als Begründung für seinen Urlaubswunsch 126. Neben den Vorschlag, In-

123

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 12.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 221r-222v, hier fol. 222v). 124

Lunitz, Diplomatie und Diplomaten, S. 81-89.

125

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 9.5.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 162r-

v). 126

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 1.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 182r183r, hier fol. 182r-v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 3.6.1536 (ebd., fol. 190r-v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 4.6.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 282r283r, hier fol. 283r); Gruyeres und Mamoz an Karl, Luzem, 9.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 192r-193v, hier fol. 193r); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 9.6.1536 (ebd., fol. 191 r-v); Gruyeres an Karl, Luzem, 14.6.1536 (ebd., fol. 194r-v, 196r, hier fol. 194v, 196r); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 14.6.1536 (ebd., fol. 197r); Gruyeres an Perrenin, Luzem, 14.6.1536 (ebd., fol. 198r).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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sula oder Panizono mit der Wahrnehmung der Geschäfte zu betrauen, trat die Idee, sich in der Nähe der Eidgenossenschaft, also auf sicherem Gebiet, niederzulassen und von dort aus zu agieren 127 . Gruyeres wurde nicht müde, immer neue Varianten zu ersinnen, die allesamt einzig und allein das Ziel verfolgten, ihm die Abreise aus Luzern zu ermöglichen 128. Im Sommer 1536 verschob sich das Kräfteverhältnis innerhalb der Eidgenossenschaft dann deutlich zuungunsten Karls. Obwohl die eidgenössischen Orte in der Mehrzahl an ihrer Politik der Neutralität zwischen Karl und Franz I. festhielten, war doch nicht mehr zu übersehen, daß eidgenössische Söldner in erheblicher Zahl infranzösischen Dienst liefen 129 . Trotz der erheblichen diplomatischen Anstrengungen und der starken personellen Präsenz in der Eidgenossenschaft war es Karl also nicht gelungen, eidgenössische Unterstützung für Frankreich zu verhindern oder die Eidgenossen gar für die eigene Sache zu gewinnen. Die Ursachen dafür sind vielfältig, und es ist nicht möglich, eine oder mehrere davon als letztlich entscheidend zu bestimmen. Die Ausgangslage für Karl war insofern ungünstig, als nach der Übernahme der Herrschaft in Mailand die Eidgenossen eine habsburgische Übermacht befürchteten, was sie empfäng-

127

Gruyeres und Mamoz erklärten Karl, von Burgund oder von den Vorlanden aus könne man besser agieren als von Luzem aus. Selbst Zürich wurde als möglicher Aufenthaltsort der kaiserlichen Gesandten ins Gespräch gebracht (Gruyeres und Mamoz an Karl, Luzem, 9.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 192r-193v, hier fol. 193v)). 128

Eine dieser Varianten war, Mamoz solle in Zürich residieren, er, Gruyeres in den Vorlanden, von wo aus er sich ohne Probleme mit Mamoz absprechen könne (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 14.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 197r)). 129

Gruyeres und Mamoz fühlten sich dadurch in ihrer Auffassung bestätigt, daß im Kriegsfall die eidgenössischen Krieger nicht mehr zu Hause zu halten sein würden, sondern daß sie, da sie auf den Sold zu ihrem Lebensunterhalt angewiesen seien, auch gegen obrigkeitliche Verbote auslaufen würden (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 19.7.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 238r)). Die Gesandten hatten deshalb den Kaiser bedrängt, seinerseits Werbungen vornehmen zu lassen, um auf diese Weise immerhin zu verhindern, daß alle Söldner Frankreich zuliefen, waren damit jedoch auf taube Ohren gestoßen (Gruyeres an Granvelle, 12.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 22lr222v, hier fol. 221r-v); Gruyeres an Antonio de Leyva, Luzem, 15.4.1536 (ebd., fol. 243v-244r); Gruyeres an Antonio de Leyva, Luzem, 19.4.1536 (ebd, fol. 247r-v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 22.4.1536 (ebd., fol. 249r-250r, hier fol. 249v); Gruyeres an Karl, Luzem, 9.5.1536 (ebd, fol. 260r-261r, hier fol. 260r); Gruyeres an Granvelle, 4.6.1536 (ebd, fol. 282r-283r, hier fol. 282v); Gruyeres an Karl, Luzem, 14.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 194r-v, 196r, hier fol. 194v)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

licher für die französischen Werbungen und Angebote machte. Daran änderten auch der bernische Überfall auf die savoyische Waadt und der drohende französische Angriff auf Savoyen nichts, obwohl damit ein enger Verbündeter des Kaisers eindeutig der Angegriffene war und zudem acht Orte mit dem Herzog verbündet waren. Es gelang den Kaiserlichen nicht, diese Situation zu ihren Gunsten auszunutzen. Hinzu kam das ungeschickte Verhalten des Herzogs selbst 130 . Allerdings war die Lage für die Kaiserlichen hier in der Tat schwierig: Die anderen Orte waren zwar mit dem Vorpreschen Berns keineswegs einverstanden, wollten die Stadt aber gegenüber Dritten nicht desavouieren; an ein Vorgehen der anderen Orte gegen Bern war also nicht zu denken. Hinzu kam die konfessionelle Frage: Mochte eine Stadt wie Zürich vielleicht zwar den Ausbau der bernischen Machtposition eher mißtrauisch verfolgen, so sah sie andererseits den von Bern vorangetriebenen Kampf gegen die alte Kirche sicher nicht ungern. Das katholische Freiburg dagegen hatte sein Burgrecht mit Genf wegen der Hinwendung der Stadt zur neuen Lehre gekündigt, konnte sich aber in der Frage Savoyens nicht gegen Bern stellen, weil Freiburg sich ebenfalls einen Teil der Waadt angeeignet hatte, ebenso wie das Wallis. Andere katholische Orte wiederum fürchteten bei einem Eingreifen zugunsten Savoyens um das Wohlwollen des französischen Königs, und das bedeutete konkret vor allem, daß die Pensionennehmer um ihre Pensionen fürchteten. Dieses komplizierte Interessengeflecht, das kaum einem Ort von vornherein eine eindeutige Stellungnahme nahelegte, war den Kaiserlichen zu Beginn der Krise überhaupt nicht bewußt. Sie setzten vielmehr auf die ihnen aus den Verhandlungen von 1533 vertrauten katholischen sieben Orte, obwohl doch gerade die gescheiterten Bündnisverhandlungen eine Warnung hätten sein müssen, daß das Bekenntnis zur alten Kirche nicht unbedingt eine Parteinahme für den Kaiser nach sich ziehen mußte 131 . Dies galt in der ungleich komplizierteren Situa130

Nicht nur, daß er die kaiserlichen Gesandten, die ja nicht zuletzt seine Interessen wahrnehmen sollten, nur sporadisch informierte und seinen Gesandten in die Eidgenossenschaft nur unzureichend instruierte. Er befand sich zudem bei den acht Orten Zürich, Bern, Luzem, Zug, Basel, Freiburg, Solothum und Schaffhausen mit den Pensionszahlungen aus dem Bündnis von 1512 seit langem im Rückstand und unternahm auch jetzt keine Anstrengungen, die ausstehenden Gelder zu bezahlen, obwohl er auf den guten Willen der Eidgenossen angewiesen war. 131

Zu dieser Fehleinschätzung dürfte auch beigetragen haben, daß die Kaiserlichen sich geradezu einer Verschwörungstheorie hingaben, indem sie der Überzeugung waren, daß allein die französischen "Praktiken" die an sich gut kaiserlichen katholischen Orte zur Parteinahme für Frankreich bewogen, daß man also nur diese "Praktiken" unterbin-

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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tion von 1535/36 noch viel mehr. Die Kaiserlichen hielten unter diesen Voraussetzungen zu lange an dem konfessionellen Blickwinkel fest. Zu dieser strategischen Fehleinschätzung kamen Meinungsverschiedenheiten über das taktische Vorgehen zwischen dem Kaiser und seinen Gesandten. Während Karl für eine Wiederaufnahme der Bündnisverhandlungen plädierte, sprach sich Gruyeres dagegen aus, in der sicherlich richtigen Einschätzung, daß die katholischen Orte, selbst wenn sie bereit gewesen wären, das französische Bündnis zu verlassen - eine Möglichkeit, die er zeitweise sehr optimistisch beurteilte -, auf keinen Fall willens wären, danach sofort ein Bündnis mit dem Kaiser einzugehen132. Gruyeres trat dafür ein, die kaiserliche Partei in den katholischen Orten zu stärken, und mahnte für diesen Zweck immer wieder Geld an. Außerdem riet er, den französischen Werbungen eigene Werbungen entgegenzustellen, was Karl aber entschieden ablehnte. Dabei unterschätzte Karl wohl den Drang der eidgenössischen Söldner in den Kriegsdienst und überschätzte die Fähigkeit und den Willen der eidgenössischen Orte, ihre offiziell bekundeten Reislaufverbote auch tatsächlich durchzusetzen. Diese Meinungsverschiedenheiten führten unter anderem dazu, daß sich die Tätigkeit der kaiserlichen Gesandten auf allgemeine Ermahnungen sowie vage Versprechungen und Vertröstungen an die eigenen Anhänger beschränkte. Dadurch wurde die kaiserliche Position freilich nicht eben gestärkt. Mit dem Einmarsch Karls in die Provence Ende Juli 1536 war dann die Situation für den Kaiser in der Eidgenossenschaft fast hoffnungslos geworden. Frankreich konnte nun darauf verweisen, vom Kaiser im eigenen Land angegriffen worden zu sein, was die Eidgenossen nach dem Soldbündnis von 1521 verpflichtete, Frankreich Anwerbungen zu gestatten. In dieser Situation traten dann noch tiefe Risse innerhalb der kaiserlichen Gesandtschaft zutage: Gruyeres beschuldigte Baptist de Insula, mehr sein eigenes Interesse als das des Kaisers zu verfolgen und für einen erheblichen Teil der Schwierigkeiten, denen sich die kaiserlichen Gesandten gegenüber sahen, Ver-

den oder ihnen Gleichwertiges entgegensetzen müsse, worauf sofort die kaiserliche Gesinnung der Orte und vor allem des Volkes zum Vorschein käme. 132

Gruyeres an Karl, Luzem, 11.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 214r217r, hier fol. 215v-216r); Gruyeres an Antonio de Leyva, Luzem, 12.3.1536 (ebd., fol. 220r-221r, hier fol. 220r-v); Gruyeres und Mamoz an Karl, Basel, 21.10.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 349r-351v).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

antwortlich zu sein. Er bat deshalb um eine unauffällige Abberufung Insulas 133 . Granvelle stellte daraufhin eine baldige Abberufung Insulas in Aussicht 134 . Was Gruyeres zu seinem radikalen Wechsel in der Einschätzung Baptist de Insulas bewogen hatte, läßt sich nicht feststellen 135. Marnoz deutete immerhin an, daß Gruyeres wohl nicht schuldlos an dem Zerwürfnis war 1 3 6 . Für die Position und das Ansehen der kaiserlichen Gesandten dürfte es jedenfalls verheerend gewesen sein, daß zwei Vertreter des Kaisers sich offen bekämpften. Aus den Andeutungen Marnoz' ist nämlich herauszulesen, daß die beiden ihre Auseinandersetzungen nicht intern austrugen, sondern jeweils versuchten, die kaiserlichen Anhänger hinter sich zu scharen 137. Karl beauftragte Caracciolo, der als Gesandter in Mailand seit Jahren mit Insula zu tun gehabt hatte, Baptist de Insula nach Mailand zu beordern, um ihn auf diese Weise unauffällig aus der Eidgenossenschaft zu entfernen 138. Der Brief Caracciolos an Insula scheint freilich so abgefaßt gewesen zu sein, daß ohne weiteres erkennbar war, daß es sich dabei um eine "Strafversetzung" handelte 139 . An einen Ausgleich zwischen

133

Gruyeres und Mamoz an Granvelle (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 246r). Das Stück ist wohl eine Nachschrift zu fol. 241r-v, 247r; als Ausstellungsort und -datum sind damit Luzem, 16.7.1536 anzunehmen. Wegen seines brisanten Inhalts wurde es chiffriert und auf ein gesondertes Blatt geschrieben, um so von der offiziellen diplomatischen Korrespondenz abgetrennt werden zu können. 134

Die Antwort Granvelles ist nicht erhalten, doch finden sich bei einem Sommaire des Schreibens der Gesandten vom 16.7.1536 am Rand Anweisungen für den Entwurf einer Antwort (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 239r-240r, hier fol. 240r). In der Minute eines Schreibens Karls an die Gesandten wird die Abberufung Insulas ebenfalls in Aussicht gestellt, der betreffende Absatz ist aber durchgestrichen (Karl an Gruyeres und Mamoz, Frejus, 4.8.1536 (ebd., fol. 266r-269r, hier fol. 267v)). 135

Noch wenige Wochen zuvor war er nicht müde geworden, die Verdienste Baptist de Insulas zu loben und sich für dessen Bezahlung einzusetzen (Gruyeres an Granvelle, Luzem, 12.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 221r-222v, hier fol.221r und 222v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 9.5.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 162rv); Gruyeres an Antonio de Leyva, 24.5.1536 (ebd., fol. 176r-v)). 136

Mamoz an Granvelle, Baden, 22.9.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 318r-v).

137

Mamoz an Granvelle, Baden, 26.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 303r304r, hier fol. 303v). 138

Karl an Mamoz und Gruyeres, Frejus, 4.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 266r-269r, hier fol. 268v). Stephan de Insula, der sich offenbar am Kaiserhof befand, sollte dort bleiben.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

431

Gruyeres und Insula war nun vollends nicht mehr zu denken. Baptist de Insula folgte dem Ruf nach Mailand nicht 140 . Karl stufte daraufhin das Verhalten Insulas zwar als unverschämt ein, mußte aber weiterhin an einer unauffälligen Behandlung der Angelegenheit interessiert sein, weshalb er vorschlug abzuwarten, bis er in der Lombardei sei, dann werde er Insula zu sich rufen 141 . Marnoz gab immerhin zu bedenken, daß es nicht günstig sei, wenn Insula, der in Luzern großes Ansehen genieße, unzufrieden die Eidgenossenschaft verlassen müsse, weshalb er dafür plädierte, sich seiner noch eine Weile zu bedienen 142 . Während er die Abberufung Insulas betrieb, sann Gruyeres gleichzeitig weiterhin auf Möglichkeiten, selbst die Eidgenossenschaft und vor allem Luzern zu verlassen. Bereits auf die ersten Bitten Gruyeres' um Abberufung von seinem Posten hatte Karl ihm die Erfüllung seines Wunsches in Aussicht gestellt, ihn aber zugleich aufgefordert, in der Eidgenossenschaft zu bleiben, bis dort eine endgültige Entscheidung über die Erteilung von Anwerbeerlaubnissen gefallen sei 1 4 3 . Dabei blieb es auch im weiteren Verlauf des Sommers 144. Der Gedanke, die Eidgenossenschaft zu verlassen, beherrschte aber Gruyeres' Überlegungen so sehr, daß Marnoz sich veranlaßt sah, seine bisherige Zurückhaltung aufzuge139

Gruyeres und Marnoz an Granvelle, Baden, 27.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 301r-302r, hier fol. 30lr). Ein zweiter Brief Caracciolos war wohl nur unwesentlich besser (Gruyeres an Granvelle, Baden, 7.9.1536 (ebd., fol. 312r-v, 315r-v, hier fol. 315r)). 140

Noch Ende Oktober baten die Gesandten emeut um die Abberufung Insulas nach Italien und schlugen Karl vor, ihm einen Auftrag in Italien zu erteilen, der eine Rückkehr in die Eidgenossenschaft verhindere (Gruyeres und Marnoz an Karl, Basel, 21.10.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 349r-351v, hier fol. 350r)). In seinem Brief vom gleichen Tag warf Gruyeres Insula zusätzlich Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungsführung vor und beschuldigte ihn, Panizono auf seine Seite gezogen zu heben (Gruyeres an Granvelle, Basel, 21.10.1536 (ebd., fol. 353r)). 141

Karl an Gruyeres und Marnoz, Aix-en-Provence, 17.9.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 316r-317v, hier fol. 317v). 142

Mamoz an Karl, Luzem, 11.10.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 345r-348r, hier fol. 347v). 143

Karl an Gruyeres, Savigliano, 25.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 208r-v); Granvelle an Gruyeres, Savigliano, 25.6.1536 (ebd., fol. 209r-v). 144

Karl an Mamoz und Gruyeres, Frejus, 4.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 266r-269r, hier fol. 268r); Karl an Gruyeres und Mamoz, Aix-en-Provence, 17.9.1536 (ebd., fol. 316r-317v, hier fol. 316v).

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ben und klar gegen seinen Kollegen Stellung zu beziehen. Ein Teil der Briefe, in denen der Wunsch nach Verlassen des ungeliebten Postens geäußert wurde, war von Gruyeres und Marnoz gemeinsam unterzeichnet, so daß Granvelle davon ausgehen mußte, daß es sich hierbei um den gemeinsamen Wunsch der Gesandten handelte. Inzwischen war das Drängen Gruyeres' aber so massiv geworden, daß Marnoz glaubte, es nicht weiter mittragen zu können. Am 5. August erklärte er deshalb Granvelle, daß Gruyeres in dieser Frage Argumenten nicht mehr zugänglich sei und nur mit Mühe dazu habe bewogen werden können, vorläufig wenigstens in Baden zu bleiben; an eine Rückkehr nach Luzern sei aber nicht zu denken 145 . Um den Schaden für die kaiserliche Politik möglichst gering zu halten, begründete Marnoz den Schritt Gruyeres' nach außen hin mit dessen gesundheitlichen Problemen 146. Marnoz legte dar, daß er das Verhalten Gruyeres' für die kaiserliche Sache in höchstem Maße schädlich halte, und daß er auch Gruyeres' Vorschläge, die Gesandtschaft in die Vorlande zu verlegen, als nicht praktikabel ansah 147 , sondern daß es vielmehr nötig sei, in der Eidgenossenschaft selbst präsent zu sein 148 ; über den geeigneten Ort für den Sitz der Gesandtschaft könne man freilich durchaus reden. Insoweit teilte er also Gruyeres' Meinung, daß Luzern aufgrund der Dominanz der französischen Partei nicht unbedingt ideal sei als Sitz der kaiserlichen Gesandschaft. Er machte aber auch klar, daß es andere Orte gebe, die es sich als Ehre anrechnen würden, die kaiserliche Gesandtschaft zu beherbergen, ohne allerdings Namen zu nennen 149 . Gruyeres gegenüber äußerte Marnoz seinen Standpunkt freilich

145

Mamoz an Granvelle, Baden, 5.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol.271r274r). Gruyeres schrieb in der gleichen Zeit an Granvelle, daß Mamoz und er noch die nächste Tagsatzung am 21.8. in Baden abwarten wollten. Nach Luzem würden sie aber nicht mehr zurückkehren wegen des Luzerner Beschlusses, Frankreich Söldner zu stellen. Falls andere Orte diesem Beispiel folgten, was er erwarte, würden sie nach der Tagsatzung die Eidgenossenschaft sofort verlassen (Gruyeres an Granvelle, Baden, 6.8.1536 (ebd., fol. 227r-v)). Gruyeres nahm also selbstverständlich an, daß Mamoz seine Ansichten und Pläne teilte. 146

Mamoz an Granvelle, Baden, 5.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol.271r274r, hier fol. 273r); Mamoz an Granvelle, Luzem, 14.8.1536 (ebd., fol. 292r). 147

Mamoz an Granvelle, Baden, 5.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol.271r274r, hier fol. 27 lv). 148

Bereits drei Wochen zuvor hatte Mamoz darauf hingewiesen, daß man beim Verlassen der Eidgenossenschaft den Franzosen völlig das Terrain überließe (Mamoz an Granvelle, Luzem, 16.7.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 249r-253r, hier fol. 253r)).

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nicht und unterzeichnete auch weiterhin Briefe, in denen die Gesandten ihren Rückzug aus der Eidgenossenschaft ankündigten150, ja: er ging sogar so weit, daß er für eine Reise nach Luzern private Gründe vorschob, um Gruyeres nicht sagen zu müssen, daß er dort politische Gespräche führen wollte 1 5 1 . Es gelang Marnoz noch einige Wochen, Gruyeres wenigstens zum Bleiben in Baden zu veranlassen 152. Ende Oktober fanden sich Gruyeres und Marnoz in Basel ein, wo über einen Frieden zwischen Bern und Savoyen verhandelt werden sollte. Die Tagung kam aber nicht zustande, da keine Vertreter Berns erschienen. Dies war die letzte Tätigkeit Gruyeres' auf eidgenössischem Gebiet. Marnoz bat Granvelle, Gruyeres von seinem Auftrag zu entbinden, da an eine wirksame Vertretung der kaiserlichen Interessen durch Gruyeres ohnehin seit längerem nicht mehr zu denken war 1 5 3 . Anfang November 1536 ist Gruyeres letztmalig in der Eidgenossenschaft nachzuweisen154, unmittelbar danach verließ er das Land

155

.

149

Mamoz an Granvelle, Baden, 5.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol.271r274r, hier fol. 271v-272r). 150

Gruyeres und Mamoz an Karl, Baden, 21.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 295r-296r, hier fol. 295r); Gruyeres und Mamoz an Karl, Basel, 21.10.1536 (ebd., fol. 349r-351v, hier fol. 350v). 151

Mamoz an Granvelle, Baden, 26.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 303r304r, hier fol. 303r). 152

Obwohl Gruyeres Anfang August seine Abreise aus der Eidgenossenschaft unwiderruflich für die Zeit unmittelbar nach Ende der Tagsatzung am 21.8.1536 angekündigt hatte (Gruyeres an Granvelle, Baden, 6.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 277r-v)), war er Ende September nach wie vor in Baden, ebenso wie Mamoz (Gruyeres an Granvelle, Baden, 22.9.1536 (ebd., fol. 319r); Mamoz an Granvelle, Baden, 22.9.1536 (ebd., fol. 318r-v)). 153

Mamoz an Granvelle, Basel, 21.10.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 354r-v).

154

Gruyeres an Bonifatius Amerbach, Baden, 5.11.1536 (Amerbachkorrespondenz 4, Nr. 2085). 155

Der genaue Zeitpunkt des Rückzugs läßt sich nicht ermitteln. In einer Proposition in Luzem am 15.1.1537 erwähnte Mamoz die Abreise Gruyeres' (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 3v-4v, hier fol. 4r). Liebenau gibt für seine Aussage, daß "Gruyeres sich an der in Baden im November 1536 abgehaltenen Tagsatzung von den eidgenössischen Boten verabschiedet und dem Herrn von Mamol seine Instruktionen und Vollmachten übergeben hatte" (Liebenau, Mamol, S. 171), keine Quelle an. 28 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Die Abreise Gruyeres' war für das kaiserliche Ansehen in der Eidgenossenschaft nicht gerade von Vorteil 1 5 6 . Andererseits war die Stimmung in Luzern, verursacht durch den Streit mit Insula, so gegen Gruyeres gerichtet 157 , daß Gruyeres1 Verbleib in der Eidgenossenschaft für den Kaiser auch nicht unbedingt von Nutzen gewesen wäre. Für die praktische Arbeit der Gesandten fiel die Abreise Gruyeres' allerdings insofern kaum ins Gewicht, als ihre Haupttätigkeit, nämlich die Eidgenossen von militärischer Unterstützung Frankreichs abzuhalten, im Moment ohnehin fast ruhte. Karl hatte sich aus der Provence zurückgezogen - für sein Ansehen bei den Eidgenossen wie anderswo mit Sicherheit ein empfindlicherer Rückschlag als die Abreise seines Gesandten. Die militärische Saison war für das laufende Jahr zu Ende, so daß auch die Verhandlungen über Gewährung von Söldnern und die Anwerbungen selbst vorläufig weitgehend ruhten. Es war aber nötig, die allgemeine Stimmung wieder zugunsten Karls zu wenden, und dieser Aufgabe widmete sich Marnoz fortan allein. Im Februar 1536 als Sondergesandter in die Eidgenossenschaft geschickt, übernahm er nun endgültig den Posten eines ständigen Gesandten Karls in der Eidgenossenschaft. Als es um die Abberufung Gruyeres' ging, hatte Marnoz hervorgehoben, wie wichtig es sei, daß der Kaiser mit einem Vertreter in der Eidgenossenschaft präsent sei, gerade auch nach den Mißerfolgen der vergangenen Monate. Der Kaiser müsse im folgenden Jahr versuchen, den Rückzug aus der Provence durch einen entsprechenden Erfolg wettzumachen. Bis dahin sei in der Eidgenossenschaft der Boden dafür zu bereiten, daß die Eidgenossen nicht erneut Frankreich unterstützten 158. Trotz der Überlegungen über einen geeigneteren Sitz für die kaiserliche Gesandtschaft behielt Marnoz Luzern als seinen ständigen Aufenthaltsort bei. Er versuchte, beim Rat die Erlaubnis zu erwirken, eine Privatwohnung beziehen zu dürfen 159 , was ihm aber verweigert wurde 160 . Marnoz logierte deshalb weiter156

Bereits als Gruyeres' Abreise sich abzeichnete, hatte Mamoz von negativen Reaktionen auf diese Nachricht berichtet (Mamoz an Granvelle, Luzem, 11.10.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 322r-v)). 157

Mamoz an Granvelle, Luzem, 11.10.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 322r-

158

Mamoz an Granvelle, Basel, 21.10.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 354r-v).

v). 159

Proposition Mamoz' vom 15.1.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 3v-4v, hier fol. 4v). Liebenau (Liebenau, Mamol, S. 172) und ihm folgend Grüter (S. Grüter, Geschichte des Kantons Luzem im 16. und 17. Jahrhundert, Luzem 1945, S. 113) erwekken den Eindruck, daß es darum gegangen sei, wo Mamoz den Sitz der Gesandtschaft

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hin in einem Gasthaus. Erst ein Jahr später wurde ihm der Umzug in ein Privathaus bewilligt 161 . Diese Details am Rande illustrieren augenfällig und oft deutlicher als die Entscheidungen über die "große Politik", welche Stimmung den Gesandten, und das hieß stets auch: ihren Auftraggebern, entgegenschlug. Marnoz hatte es im Winter 1536/37 mit einer dem Kaiser nicht eben freundlich gesinnten Stimmung zu tun. Diese zu verbessern, war er in den nächsten Monaten unablässig tätig 1 6 2 . Zu diesem Zweck korrespondierte er mit kaiserliaufschlage. Von Mamoz ist aber aus dieser Zeit keine Äußerung überliefert, daß er die Absicht hatte, Luzem zu verlassen. Der Vorschlag Joseph Ambergs, des Ammanns von Schwyz, Mamoz möge sich in Baden niederlassen, scheint allein auf dessen Privatinitiative erfolgt zu sein (Joseph Amberg an Mamoz, vor 23.12.1536 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. lr-v)). Im Zentrum von Mamoz' Bemühungen stand der Wunsch, sich in einem Privathaus niederlassen zu dürfen und nicht im Gasthaus wohnen zu müssen. Dieses Problem beschäftigte auch noch seine Nachfolger. Was Mamoz so auf seiner Bitte insistieren ließ, deutete er in seinem Vortrag vor dem Rat nur an, wenn er ausführte, daß in einem Gasthaus so viel Volk sei, dem er argwöhnisch werden könnte (Proposition Mamoz' vom 15.1.1537 (ebd., fol. 3v-4v, hier fol. 4v)). Der Publikumsverkehr in einem Gasthaus konnte für die Arbeit eines Gesandten in der Tat hinderlich sein, machte er doch geheime Verhandlungen fast unmöglich. Die besseren Kontrollmöglichkeiten dürften auch der entscheidende Grund gewesen sein, weshalb der Luzemer Rat die Bitte abschlug. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Der bereits erwähnte Joseph Amberg wollte sich heimlich mit Mamoz treffen, und sie korrespondierten mehrmals über einen sicheren Treffpunkt. Als solcher kam das Gasthaus, in dem Mamoz wohnte, offenbar nicht in Frage. Amberg erklärte sich schließlich bereit, nach Luzem zu kommen - im Gespräch waren auch andere Orte gewesen -, wenn Mamoz sich um ein "vertrautes Haus" kümmere, wo er sich nachts mit ihm treffen könne (Amberg an Mamoz, 4.1.1537 (ebd., fol. 3r)). 160

Antwort Luzems auf Proposition Mamoz', 15.1.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 4v-5v). 161

Liebenau, Mamol, S. 179, erwähnt ein Dankschreiben Mamoz' für diesen Beschluß Luzems vom Januar 1538, allerdings ohne Hinweis auf den Fundort der Quelle. 162

Leider ist die Quellenlage für die Zeit von Mamoz' alleiniger Gesandtschaft bei weitem nicht so gut wie für die Zeit davor. Die Überlieferung der Korrespondenz mit dem Kaiserhof, die für 1536 in HHStA Wien, Schweiz 10 sehr dicht erhalten ist, bricht im Herbst 1536 ab. Das Kopialbuch, das Mamoz' Sekretär Mauritz Stud anfertigte (StA Luzem, COD 1435/21) bietet dafür keinen Ersatz. Zwar enthält es ebenfalls Kopien ein- und ausgehender Schreiben, die Texte der von Mamoz vorgetragenen Propositionen, auch einige wenige im Original eingeheftete Stücke. Es handelt sich dabei um die Korrespondenz 28*

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chen Anhängern aus den anderen Orten, vor allem aus der Innerschweiz 163, und reiste in der Eidgenossenschaft umher, um insbesondere auf den verschiedenen Tagsatzungen anwesend zu sein 164 . Wieder ging es in erster Linie darum, französische Anwerbungen zu verhindern. Nach wie vor herrschte aber keine Klarheit darüber, wie dieses Ziel am besten zu erreichen sei. Die Anhänger des Kaisers drängten darauf, Karl müsse sich ebenfalls um eidgenössische Söldner beMamoz' innerhalb der Eidgenossenschaft, vor allem mit kaiserlichen Anhängern in anderen Orten, und mit der Regierung Ensisheim. Die Stücke sind allesamt deutsch. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als Mamoz Stud einmal als den einzigen in seinem Dienst bezeichnete, der deutsch schreiben könne (Mamoz an Luzem, Salins, 4.10.1538 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54)). Wahrscheinlich erledigte Stud für Mamoz die deutsche Korrespondenz und sammelte diese in seinem Kopialbuch. Er dürfte demnach der deutsche Schreiber gewesen sein, den Mamoz einmal erwähnte (Mamoz an Regierung Ensisheim, Basel, 24.1.1538 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 129v-131v, hier fol. 130v)). Dies würde auch erklären, weshalb der Band keine Korrespondenz mit dem Kaiserhof, die es sicher gegeben hat, enthält, da diese auf französisch geführt wurde. Daß Mamoz einmal einen "welschen Sekretär" erwähnte (Mamoz an Zürich, Baden, 23.3.1538 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 124)), stützt diese Vermutung. Es erscheint also wahrscheinlich, daß Mamoz für die deutsche und die französische Korrespondenz unterschiedliche Schreiber hatte. Da aus dieser Zeit aber keine von der Gesandtschaft ausgehenden französischen Briefe im Original erhalten sind, läßt sich nicht feststellen, ob Mamoz den französischen Schreiber von Gruyeres übernommen hat. Stud jedenfalls scheint nicht unter Gruyeres gedient zu haben. Worauf Liebenau seine entgegengesetzte Behauptung stützt CLiebenau, Mamol, S. 171), ist nicht ersichtlich. Die deutschen Stücke im Kopialbuch Gruyeres1 stammen mit Sicherheit allesamt nicht von der Hand Studs. 163

Als Korrespondenzpartner sind hier vor allem zu nennen: Ammann Joseph Amberg aus Schwyz und dessen Sekretär Balthasar Stapfer, Ammann Wirtz aus Unterwaiden, Ammann Oswald Toß aus Zug, Hans Letter aus Zug, W. Langenecker aus Appenzell. 164

Einige Beispiele mögen hier genügen: Mamoz war am 25.2.1537 in Bern (Proposition vor dem Rat in Bern am 25.2.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 15r-v)), auf Tagsatzungen in Baden am 24.4.1537 (EA 4/1 c, Nr. 505, S. 835; Proposition Marnoz' vor der Tagsatzung (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 21v)) und Anfang Juni (EA 4/lc, Nr. 516, S. 851f.; Proposition Mamoz' vom 3.6. (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 34v)); am 3.7. auf einer Tagsatzung der katholischen Orte (EA 4/lc, Nr. 518, S. 857); am 16.7. wieder in Baden (ebd., Nr. 524, S. 863 und 867; Proposition Mamoz' am 7.8. (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 45v-49v)). Am 3.10.1537 war er in Zürich (StA Zürich, A 176.2, Nr. 118), am 5.10 in Baden (Mamoz an Zürich, Baden, 5.10.1537 (ebd., Nr. 119a)), am 19.10. erneut in Luzem (EA 4/lc, Nr. 535, S. 881f., Vortrag Mamoz' (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 61r-63v)).

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werben 165 , so wie Gruyeres und Marnoz dies dem Kaiser bereits im Jahr zuvor nahegelegt hatten. Dazu scheint Karl aber weiterhin nicht bereit gewesen zu sein 1 6 6 . Mehr als 1536 ließ der Kaiser nun auf die Erbeinung verweisen, die den Interessen der Eidgenossen doch wesentlich mehr entspreche als das französische Bündnis 167 . Auf diese Weise versuchte er, die Eidgenossen zu einer Abkehr vom französischen Bündnis zu bewegen, ohne ihnen selbst ein neues Bündnis anbieten zu müssen168. Daß die Aufmerksamkeit sich 1537 stärker als 1536 auf Burgund und weniger auf Mailand konzentrierte, erleichterte den Verweis auf die Erbeinung 169 . Obwohl die Verhandlungen der kaiserlichen und der französischen Gesandten über Truppenwerbungen das ganze Jahr 1537 hindurch weitergingen, fehlte ihnen doch die Brisanz des Vorjahres, da die erwartete Neuauflage des großen Krieges um Savoyen und Italien weitgehend ausgeblieben war. Der Kaiser hatte sich nach Spanien zurückgezogen. Der Krieg ging zwar weiter, wurde aber nicht mit der Vehemenz des vorigen Sommers geführt, der geographische Schwerpunkt lag zudem in den Niederlanden. Es fanden deshalb auch keine nennenswerten Auszüge von Söldnern aus der Eidgenossenschaft statt. Das Jahr verlief damit für Marnoz wesentlich ruhiger als das letzte, obwohl er nun die Last der kaiserlichen Gesandtschaft allein trug.

165

Balthasar Stapfer an Mamoz, 31.1.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 13v14v, hier fol. 14r); Hans Letter an Bürgermeister ?, 29.5.1537 (ebd., fol. 225r); Joseph Amberg an Mamoz, 6.12.1537 (ebd., fol. 8v-10v, hier fol. 9v). 166

Genaueres läßt sich nicht feststellen, da keine entsprechenden kaiserlichen Briefe überliefert sind. 167

So z.B. Mamoz in seiner Proposition vor der Tagsatzung am 3.6.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 34v; EA 4/1 c, Nr. 516, S. 851). 168

Zum einen wußte er, daß die Eidgenossen nur zu einem Bündnis bereit waren, bei dem er große Zugeständnisse machte und sie geringe Verpflichtungen eingingen; zum anderen entging er mit dem Verweis auf die Erbeinung dem konfessionellen Problem, das sich beim Abschluß eines neuen Bündnisses stellte. Daß ein Bündnis allein mit den katholischen Orten wenig sinnvoll und auch nicht einfach zu erreichen war, hatten die vergangenen Jahre gezeigt. Ein Bündnis mit evangelischen Städten wie Zürich, Bern oder Basel einzugehen, konnte Karl aus religionspolitischen Rücksichten, vor allem in Hinblick auf Deutschland, kaum wagen. 169

Die Eidgenossen wurden unter anderem mehrmals mit dem Falle des Grafen Pont-de-Vaux befaßt, dessen Güter der französische König eingezogen hatte.

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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Ihm zur Seite stand lediglich Panizono, der auch weiter in der Eidgenossenschaft tätig gewesen zu sein scheint 170 . Zu Beginn des Jahres 1538 wurde Marnoz dann von einer ganz anders gearteten Angelegenheit in Anspruch genommen. Drei französische Studenten der Basler Universität waren außerhalb der Stadt Basel überfallen worden, wobei einer von ihnen getötet worden war. Die anderen beiden waren mit dem Schiff den Rhein abwärts geführt worden 171 . Was zunächst wie ein gewöhnlicher Kriminalfall aussah, drohte schnell große politische Weiterungen nach sich zu ziehen. Basel, auf dessen Gebiet die Tat geschehen war, fürchtete französische Vergeltungsmaßnahmen und war deshalb an einer raschen Ergreifung der Täter interessiert. Einige der Täter oder Helfershelfer sollten auf vorderösterreichischem Gebiet wohnen, weshalb die Regierung Ensisheim um Hilfe gebeten wurde. An der Tat beteiligt war unter anderem Wilhelm Arsent, ein Freiburger Hauptmann, der in französischem Dienst gestanden hatte und nun mit dem französischen König im Streit um seine Bezahlung lag, was die Sache zusätzlich komplizierte. Über Wochen beschäftigte dieser Fall die Tagsatzung, was zeigt, wie labil der Frieden war, wenn durch die Tat einiger Krimineller so schnell seine Gefährdung herbeigeführt werden konnte. Marnoz war mit der Angelegenheit befaßt, obwohl es hier um vorderösterreichische Belange ging. Dr. Sturtzel, der für die Regierung Ensisheim seit Jahren in der Eidgenossenschaft agierte, war nämlich alt und krank und von daher kaum mehr einsatzfähig, so daß Marnoz dessen Aufgaben teilweise mit übernehmen mußte 172 .

170

Am 9.11.1537 bat Mamoz Zürich, Panizono, der einen Auftrag für ihn erledigen sollte, genauso Glauben zu schenken wie ihm (Mamoz an Zürich, Baden, 9.11.1537 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 122)). Anfang 1538 war Panizono dann im Auftrage Mamoz' in Zürich. Ob es sich dabei um den Auftrag vom November handelte, ist unklar (Zürich an Mamoz, 14.2.1538 (StA Zürich, B IV 10, Nr. 135)). Über den Aufenthaltsort und die Tätigkeit Baptist de Insulas in dieser Zeit liegen keine Nachrichten vor. Lediglich im Januar 1537 wird einmal seine Ankunft (Balthasar Stapfer an Mamoz, 27.1.1537 (StA Luzern, COD 1435/21, fol. 12r-v)) sowie im August seine Anwesenheit in Luzem erwähnt (W. Langenecker an Mamoz, 11.8.1537 (ebd., fol. 54v-55r)). 171

Eine Darstellung des Vorfalls gaben Basler Boten auf der Tagsatzung am 6.12.1537 (EA 4/1 c, Nr. 550, S. 911). 172

Er korrespondierte deshalb in dieser Zeit auch regelmäßig mit der Regierung Ensisheim, wie das Kopialbuch Studs zeigt.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Inzwischen verlor die Aufgabe, der sich Marnoz in den letzten beiden Jahren überwiegend gewidmet hatte, angesichts der sich anbahnenden Verhandlungen zwischen Karl V. und Franz I., die dann zu dem Waffenstillstand von Nizza führten, mehr und mehr an Bedeutung. Zwar wurde der Antagonismus zwischen Karl und Franz durch diese Abmachungen nicht aufgehoben, so daß auch das Ringen zwischen der kaiserlichen und der französischen Partei in der Eidgenossenschaft weiter ging, aber die offiziellen Verhandlungen genauso wie die inoffiziellen "Praktiken" gerieten doch in ein etwas ruhigeres Fahrwasser, sobald sie nicht mehr unter unmittelbarem militärischen Druck standen. Auch in der Eidgenossenschaft selbst war es 1538 verhältnismäßig ruhig. Mit dem Fehlen der großen Auseinandersetzungen ging die Tätigkeit der Gesandten unauffälliger vonstatten, und die Nachrichten darüber werden spärlicher. Es finden sich aber trotz der entspannten Lage keine Hinweise darauf, daß die Besetzung dieses diplomatischen Postens nun zur Disposition gestanden hätte. Nachdem der Streit um die Tötung und die Gefangennahme der französischen Studenten in Basel beigelegt worden war, erschien Marnoz auf keiner Tagsatzung mehr, und es liegen nur noch vereinzelt Informationen über seine Tätigkeit vor. Dies lag nun aber nicht nur an der Beruhigung der politischen Situation, sondern auch daran, daß eine Krankheit Marnoz zunehmend hinderte, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Einige Male entschuldigte er sich deshalb für sein Nichterscheinen bei geplanten Terminen oder auf Tagsatzungen173. Aber nicht nur sein Gesundheitszustand hinderte Marnoz in diesen Monaten an einer wirkungsvollen Vertretung der kaiserlichen Interessen. Marnoz war in einen Streit mit Hans Koli aus Zug verwickelt, bei dem es um Geldangelegenheiten ging. Koli erhob finanzielle Forderungen an Marnoz und wandte sich zu deren Durchsetzung auch an seine Obrigkeit, den Zuger Rat. Wieder drohte eine Spaltung der kaiserlichen Anhänger wie beim Streit Gruyeres' mit Insula. Ganz unabhängig von der Berechtigung der Forderungen und dem Ausgang des Streits wurde Marnoz1 Position in den fünf Orten dadurch erheblich geschwächt174. Im Sommer 1538 verließ Marnoz die Eidgenossenschaft und ging 173

Mamoz an Bern, 26.3.1538 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 184v-185r); Mamoz an Hans Letter, Luzem, 9.4.1538 (ebd., fol. 184r-v). 174

Die Details des Streits lassen sich nicht rekonstruieren, obwohl einige Korrespondenz zu dem Fall erhalten ist. Die Schreiber der Briefe setzten aber jeweils die Kenntnis der Angelegenheit beim Empfänger voraus und blieben dementsprechend vage in ihren Äußerungen. Jedenfalls hatte Koli von Mamoz eine Verschreibung bekommen, Mamoz war aber den darin enthaltenen Verpflichtungen nicht nachgekommen (Zug an

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nach Burgund auf seinen Besitz in Salins. Diese Reise erfolgte aber nicht wegen dieser Auseinandersetzung, sondern möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen oder um persönliche Angelegenheiten zu regeln. Dies war an sich nicht ungewöhnlich, hatte Marnoz doch auch vorher bereits gelegentlich die Eidgenossenschaft verlassen, um nach Burgund zu reisen 175 . An eine Beendigung seiner Tätigkeit als Gesandter in der Eidgenossenschaft war dabei jedenfalls nicht gedacht. Noch im September 1538 schickte ihm Karl neue Credenzen, um die Eidgenossen vom Waffenstillstand mit Franz I. zu unterrichten 176. Marnoz konnte von Burgund aus nicht mehr selbst in den Prozeß mit Koli eingreifen. Der Streit eskalierte so weit, daß Zug im Auftrag Kolis die Arrestierung von Marnoz' Besitz in Luzern betrieb 177 . Marnoz besaß in Luzern aber offenbar mächtige Fürsprecher, da die Arrestierung unterblieb 178 . Zu diesem Zeitpunkt nahm Marnoz weiterhin an, daß er bald auf seinen Posten in der Eidgenossenschaft zurückkehren würde. Ungefähr gleichzeitig mit der Erteilung neuer Credenzen hatte ihn Karl aber zu sich beordert, damit er ihm über die Lage in der Eidgenossenschaft berichte 179 . Marnoz räumte der Reise zum Kaiser Vorrang

Luzem, 10.9.1538 (StA Luzern, Al Fl Sch. 54)). Marnoz wies diese Anschuldigung zurück, verwies auf Zahlungen, die er Koli geleistet habe, und argumentierte, daß Koli es sich selbst zuzuschreiben habe, wenn er unnütze Ausgaben gemacht habe (Mamoz an Luzem, Salins, 4.10.1538 (ebd.)). Es scheint demnach so gewesen zu sein, daß Mamoz Koli für den kaiserlichen Dienst gewonnen hatte und ihm dafür in der von Koli angeführten Verschreibung eine Pension, Erstattung seiner Ausgaben oder ähnliches zugesagt hatte. Koli gab daraufhin offenbar Geld aus, das er nun erstattet haben wollte, ohne daß er diese Ausgaben vorher mit Mamoz abgesprochen hatte. 175

Hugues Marmier, Präsident von Burgund, an Gruyères, Dôle, 24.4.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 263r); Perrenin an Gruyères, Lucca, 12.5.1536 (ebd., fol. 266r-v). 176

Credenz Karls für Mamoz, Valladolid, 22.9.1538: Credenz für Zürich (StA Zürich, A 176.2, Nr. 126); für Luzem (StA Luzem, Al Fl Sch. 54); für Solothum (StA Solothum, Deutschland-Schreiben, AH 4, 2, Nr. 107). 177

Zug an Luzem, 10.9.1538 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54).

178

Mamoz an Luzem, Salins, 4.10.1538 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54).

179

Das Schreiben Karls ist nicht erhalten. Mamoz bezog sich aber auf einen solchen Befehl in Schreiben an die eidgenössischen Orte (Mamoz an Luzem, Salins, 11.10.1538 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54); Mamoz an Zürich, Salins, 11.10.1538 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 127)).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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ein und entledigte sich des Auftrages, die Eidgenossen vom Waffenstillstand zwischen Karl und Franz zu informieren, schriftlich 180. Marnoz kehrte danach nicht mehr nach Luzern zurück. Damit war seine Tätigkeit als Gesandter Karls in der Eidgenossenschaft - erst als Sondergesandter, dann als ständiger Gesandter - nach gut zweieinhalb Jahren beendet, ohne daß eine geordnete Übergabe der Geschäfte an einen neuen Gesandten oder auch an einen Übergangs Vertreter stattgefunden hätte 181 . Das Ende von Marnoz' Gesandtschaft war, ebenso wie bei Gruyeres zwei Jahre zuvor, gekennzeichnet durch Krankheit und einen unerfreulichen Streit, wodurch einefruchtbare Fortführung der Arbeit verhindert wurde. Abgesehen von diesen letzten Monaten ist Marnoz' Tätigkeit in der Eidgenossenschaft aber durchaus als erfolgreich zu bezeichnen. Er hatte es verstanden, ein weitgespanntes Netz von Kontakten zu knüpfen und genoß in vielen Orten offenbar hohes persönliches Ansehen. Allein sein Briefwechsel zeigt, welche enge Verbindungen er zu den Führern der kaiserlichen Partei in den katholischen Orten der Innerschweiz pflegte. Sein Ansehen in Luzern war immerhin so groß, daß die Stadt sich dem Ansinnen Zugs auf Arrestierung seiner Güter verweigerte und dies, obwohl Marnoz selbst gar nicht anwesend und seine Rückkehr auch nicht sicher war. Seine Kontakte beschränkten sich aber nicht auf die katholischen Orte der Innerschweiz. Er hatte häufig mit Zürich, Bern und Basel zu tun, wobei er insbesondere in Zürich und Basel eine dem Kaiser und auch ihm selbst wohlgesinnte Stimmung vorfand. Er unterstützte Zürich in dem Bestreben, mit Ferdinand endlich zu einer Einigung in dem Streit um die Einkünfte des Klosters in Stein a.Rh. zu kommen, wobei er Ferdinand und Karl eine nachgiebige Haltung in dieser Frage wegen der großen Verdienste Zürichs für den Kaiser empfahl 182 . Zu Basel wa180

Mamoz an Luzem, Salins, 11.10.1538 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54); Mamoz an Zürich, Salins, 11.10.1538 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 127). 181

Basel bedankte sich am 26.2.1539 für einen Brief Karls und eine Credenz für Mamoz (Basel an Karl, 26.2.1539 (StA Basel, Missiven B 2, fol. 21 l*v-212*r)). Dabei scheint es sich aber nicht um eine Credenz für Mamoz als Gesandten Karls in der Eidgenossenschaft gehandelt zu haben, sondern um eine Credenz für Mamoz als Vermittler in einem Streit der Stadt Basel mit dem Domkapitel. 182

Zürich an Mamoz, 14.2.1538 (StA Zürich, B IV 10, Nr. 135); Werner Beyel an Mamoz, Zürich, 16.3.1538 (ebd., Nr. 125); Zürich an Mamoz, 23.3.1538 (ebd., Nr. 134); Mamoz an Zürich, Baden, 23.3.1538 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 124); Mamoz an Zürich, Baden, 24.3.1538 (ebd., Nr. 125); Mamoz an Ferdinand, Baden, 24.3.1538 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 182r-183v); Zürich an Mamoz, 26.3.1538 (ebd., fol. 185r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

ren die Kontakte besonders eng, als es um die Aufklärung des Verbrechens an den französischen Studenten ging. Marnoz erwarb sich offenbar gerade in der Behandlung dieser Frage hohes Ansehen bei den Baslern, sonst hätten sie ihn wohl kaum als Vertreter im Streit mit dem Domkapitel akzeptiert 183 . Marnoz stellte in seiner Tätigkeit eindeutig die politische Haltung der Orte über die konfessionelle. Es gibt in der ganzen Zeit keinen Hinweis, daß die konfessionelle Orientierung der Orte für ihn eine Rolle gespielt hätte. Die ständige Gesandtschaft Karls in der Eidgenossenschaft hatte also diesbezüglich in weniger als fünf Jahren einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Gruyeres war ganz unter konfessionellen Vorzeichen in die Eidgenossenschaft aufgebrochen und hatte lange in der irrigen Annahme gehandelt, daß die konfessionelle Orientierung der Orte entscheidend sei, da sie im wesentlichen die politische präjudiziere. Bei seinem zweiten Aufenthalt in der Eidgenossenschaft hatte er diesen Irrtum zwar zunehmend erkannt, das Auseinanderfallen von politischer und konfessioneller Orientierung aber als irritierend angesehen, da es für ihn weiterhin eine Abweichung vom eigentlich zu erwartenden Verhalten bedeutete. Außerdem sah er sich als Geistlicher zu Verhandlungen mit den evangelischen Orten nicht in der Lage. Marnoz dagegen - bald nach seinem Eintreffen in der Eidgenossenschaft mit diesem irritierenden Sachverhalt konfrontiert - verstand die Konfession als einen Faktor unter vielen, der die politische Haltung der Orte bestimmte, und allein diese Haltung war für ihn wichtig. Er war auch im Unterschied zu Gruyeres von vornherein mit einem "machtpolitischen" Auftrag angetreten, nämlich militärische Unterstützung der Eidgenossen für Frankreich zu verhindern. Dies dürfte seine Perspektive entscheidend geprägt haben. Marnoz war wirklich Gesandter Karls in der Eidgenossenschaft, während Gruyeres im Grunde stets der Gesandte bei den katholischen Orten geblieben war. Aus der ununterbrochenen Anwesenheit von Gesandten Karls in Luzern von März 1533 bis in den Sommer 1539 hatte sich eine ständige Gesandtschaft mit Sitz in Lu-

183

Basel an Karl, 26.2.1539 (StA Basel, Missiven B 2, fol. 21 l*v-212*r). In diesem Streit ist Mamoz dann tatsächlich vermittelnd tätig geworden (Basel an Marnoz, 4.11.1539 (StA Basel, Missiven B 2, fol.277v), Karl an Bischof Philipp von Basel, Brüssel, 7.6.1540 (HHStA Wien, Schweiz 11, fol. 85r-v); Karl an das Domkapitel Basel, Brüssel, 7.6.1540 (ebd., fol. 85v, 87r-v)).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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zern entwickelt. Karl hatte damit mit Frankreich gleichgezogen, was die diplomatische Vertretung in der Eidgenossenschaft betrifft 184 .

4. Nach dem Ende der ständigen Gesandtschaft: Die Rückkehr zu ad-hoc-Lösungen Als Marnoz nicht mehr in die Eidgenossenschaft zurückkehrte und seine Gesandtschaft somit ein ungeordnetes Ende gefunden hatte, stellte sich die Frage, wie die diplomatische Vertretung Karls in der Eidgenossenschaft künftig aussehen sollte. Zunächst wurde so verfahren, wie Gruyeres es im März 1536 vorgeschlagen hatte, als er erstmals um Ablösung von seinem Gesandtschaftsposten gebeten hatte: Die diplomatische Vertretung des Kaisers in der Eidgenossenschaft wurde von Panizono wahrgenommen, auf die Entsendung eines ordentlichen Gesandten wurde verzichtet 185 . Dabei blieb es auch in den kommenden Jahren. Während der Gesandtschaften Gruyeres' und Marnoz' hatte es so ausgesehen, als ob sich eine ständige Gesandtschaft Karls in der Eidgenossenschaft als feste Einrichtung etabliert hätte. Nachdem die Abreise Marnoz' mit dem Abflauen der Spannungen zwischen Karl und Franzi, zusammengefallen war, stellte sich freilich rasch heraus, daß die Existenz der ständigen Gesandtschaft in der Eidgenossenschaft nach wie vor untrennbar mit der Rolle der Eidgenossen im militärischen Konflikt zwischen Habsburg und Valois verknüpft war. Nur in einer Krisensituation waren die Eidgenossen so wichtig, daß die ständige Anwesenheit eines kaiserlichen Gesandten als nötig angesehen wurde. Die Gesandtschaft in der Eidgenossenschaft gehörte also nicht zu den klassischen Gesandtschaftsposten im Netz der kaiserlichen Diplomatie wie Paris, London, Rom oder Venedig. Auch eine fünfjährige durchgehende Besetzung des Ge-

184

Zur diplomatischen Vertretung Frankreichs in der Eidgenossenschaft siehe E. Rott, Histoire de la représentation diplomatique de la France auprès des cantons suisses, de leurs alliés et de leurs confédérés. Bd. 1: 1430-1559, Bern 1900. 185

Karl an Panizono, Toledo, 28.10.1538 (HHStA Wien, Schweiz 11, fol. 14r). Panizono wurde in dem Schreiben nicht als Gesandter bezeichnet, sondern weiterhin als Sekretär. Der Auftrag, die Eidgenossen von der Wahl Johanns von Weeze, des Erzbischofs von Lund, zum Bischof von Konstanz zu unterrichten und mögliche Vorbehalte gegen ihn zu zerstreuen, entsprach dem Rahmen seiner bisherigen Tätigkeit. Es handelte sich also nicht um einen richtigen Verhandlungsauftrag.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

sandtschaftspostens hatte nicht ausgereicht, die Gesandtschaft auf Dauer zu etablieren. Wie sehr die diplomatische Vertretung des Kaisers in der Eidgenossenschaft vom Verhältnis zwischen Karl und Franz I. abhängig war, läßt sich auch daran ablesen, daß Karl Anfang 1542 eine Credenz für Baptist de Insula in die Eidgenossenschaft ausfertigte, just zu dem Zeitpunkt also, als ein neuerlicher Waffengang mit Frankreich allgemein für unvermeidbar gehalten wurde 186 . Baptist de Insula war damals offenbar nicht mehr dauernd in der Eidgenossenschaft ansässig, der kaiserliche Auftrag erreichte ihn jedenfalls in seiner Heimatstadt Genua 187 . Der Auftrag für Insula war der gleiche, wie er Jahre zuvor Gruyeres und Marnoz erteilt worden war: Er sollte verhindern, daß die Eidgenossen Anwerbungen gegen den Kaiser gestatteten188. Seinen Bemühungen war allerdings auch kein größerer Erfolg beschieden als denen seiner Vorgänger. Nur die vier evangelischen Städte ließen keine Söldner in französischen Dienst ziehen, die anderen Orte hatten Frankreich entsprechend dem Soldbündnis Anwerbungen gestattet und waren nicht bereit, ihre Söldner zurückzurufen 189. Noch mehr als zuvor war damit deutlich geworden, daß Karl bei den katholischen Orten keineswegs von vornherein auf größere Sympathien zählen konnte, ganz im Gegenteil: Nur bei den evangelischen Orten traf Karl auf die Bereitschaft, seinem Antrag nachzukommen. Daß die Front in diesem Falle entlang der konfessionellen Grenzen verlief, war freilich rein zufällig, da nicht die Konfessionszugehörigkeit diese Entscheidung bestimmt hatte, sondern andere Faktoren wie traditionelle Bindungen oder wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend waren. Die Unterscheidung in evangelische und katholische Orte spielte denn auch für die Tätigkeit Insulas offenbar überhaupt keine Rolle, zumindest taucht diese Kategorie in den Nachrichten über seine Tätigkeit nicht auf. Besonders zu Zürich und dessen Bürgermeister pflegte er engen Kontakt, während Luzern sogar 186

Credenz Karls für Baptist de Insula: Karl an Solothum, Madrid, 10.1.1542 (StA Solothum, Deutschland-Schreiben, AH 4, 2, Nr. 65). 187

Heggentzer an die Regierung Innsbruck, 29.3.1542 (TLA Innsbruck, Hofreg. A5 (III, 22)). 188 Heggentzer an die Regierung Innsbruck, 29.3.1542 (TLA Innsbruck, Hofreg. A5 (III, 22)); EA 4/1 d, Nr. 83, S. 148f.; Hans Hab an Zürich, Baden, 2.7.1542 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 132); EA 4/1 d, Nr. 93, S. 172 und 174f.; Baptist de Insula an Hans Hab, Baden, 15.8.1542 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 136); EA 4/ld, Nr. 102, S. 193. 189

EA 4/ld, Nr. 102, S. 193f.; Baptist de Insula an Marquis de Vasto, 31.10.1542 (ebd., S. 199-201).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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versuchte, seine Ausweisung zu erreichen 190. Nachdem Insula seinen Auftrag, wenn auch nicht erfolgreich, erledigt hatte, zog er sich aus der Eidgenossenschaft zurück. Im Gegensatz zu den Missionen Gruyeres' und Marnoz' blieb es in diesem Fall also bei der Durchführung des genau festgelegten Auftrags. Es sind keinerlei Tendenzen zur Verfestigung der Gesandtschaft zu beobachten191. Das Ergebnis der Verhandlungen Insulas entsprach sicher nicht den kaiserlichen Erwartungen 192. Karl wollte aber nichts unversucht lassen, um die Eidgenossen doch noch auf seine Seite zu ziehen. Ein solch letzter Versuch war wohl die Ausstellung einer Credenz für Granvelle 193 . Wenn Karl seinen wichtigsten Minister in die Verhandlungen mit den Eidgenossen einschaltete, macht dies mehr als deutlich, wie viel ihm an der Sache gelegen war. Allerdings war eine persönliche Entsendung Granvelles in die Eidgenossenschaft wohl von vornherein nicht geplant, da die Credenz ausdrücklich auch für den Fall ausgestellt war, daß Granvelle sich schriftlich an die Eidgenossen wandte. Damit war dieser Schritt offenbar nicht zuletzt als Signal an die Eidgenossen zu verstehen, daß sie beim Kaiser in hoher Wertschätzung standen. Als im Frühjahr 1543 burgundische Gesandte in der Eidgenossenschaft waren, teilte Granvelle den

190

EA 4/1 d, Nr. 83, S. 149. Ferdinands Gesandter, Heggentzer, berichtete dann auch, wenngleich einige Monate später, daß sich Insula zur Zeit nicht in der Eidgenossenschaft aufhalte, da er dort an etlichen Orten unerwünscht sei und sich deshalb vorsehen müsse (Regiment Innsbruck an Ferdinand, 29.4.1543 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 8, fol. 49v-52v, hier fol. 52r)). 191

Auf einer Tagsatzung der fünf Orte Anfang 1543 wurde beraten, ob man Insula für seine Mühe danken solle (EA 4/1 d, Nr. 111, S. 213); ob er zu dieser Zeit noch in der Eidgenossenschaft weilte, geht hieraus allerdings nicht hervor. In den nächsten Monaten widmete sich Insula Verhandlungen in Graubünden (ebd., Nr. 121, S. 236; Nr. 123, S. 240; Regierung Innsbruck an Jakob Khuen und Jakob Trapp, 21.4.1543 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 248v-249r); Jakob Khuen an Regierung Innsbruck, Naudersberg, 2.5.1543 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22)); Jakob Khuen an Baptist de Insula, Naudersberg, 2.5.1543 (ebd.)). 192

Auch für diese Zeit fehlt die Korrespondenz mit dem Kaiserhof, so daß man die kaiserlichen Anweisungen nur erschließen kann. 193

Credenz Karls für Granvelle: Karl an Luzem, Barcelona, 23.10.1542 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

eidgenössischen Orten mit, daß er diesen den Auftrag, den er vom Kaiser erhalten hatte, übertragen habe, und entschuldigte sein Ausbleiben 194 . Die burgundischen Gesandten traten deshalb in der Eidgenossenschaft als burgundische und kaiserliche Gesandte auf. Als burgundische Gesandte verhandelten sie über die Bestätigung der Erbeinung und betonten den Willen Karls, die Neutralität Burgunds zu achten. Als kaiserliche Gesandte baten sie die Eidgenossen, die Feinde Karls nicht zu unterstützen, die den Frieden gebrochen hätten 195 . Eine solche Konstruktion war ungewöhnlich: Bisher waren die burgundischen Angelegenheiten stets von Gesandten erledigt worden, die dazu vom Parlament in Dole beauftragt worden waren. Die kaiserlichen Gesandten dagegen wurden stets von Karl beauftragt und mit Angelegenheiten betraut, die die Existenz des Gesamtreiches betrafen, konkret vor allem seine Verteidigung gegenfranzösische Ansprüche. Nun traten erstmals Gesandte in einer Doppelfunktion auf, und folgerichtig legten sie Credenzen sowohl von Burgund als auch von kaiserlicher Seite vor 1 9 6 . Eine solche Doppelfunktion der Gesandten, so naheliegend sie zunächst auch zu sein scheint, war allerdings nur praktikabel, wenn es sich wie in diesem Fall um einen kurzfristigen und relativ allgemeinen Auftrag handelte, der keine ausführlichen Verhandlungen erforderte. Die gleichzeitige Durchführung zweier Verhandlungsaufträge durch einen oder mehrere Gesandte wäre kaum vorstellbar gewesen. Ein solches Verfahren wäre nämlich wenig erfolgversprechend gewesen, da die Positionen der einzelnen Orte zu Burgund und zum Kaiser sich nicht unbedingt deckten. Insbesondere für Burgund wäre eine solche Zusammenlegung der Gesandtschaften nicht ratsam gewesen: Was die Unterstützung der burgundischen Neutralität und den Willen, an einem gutnachbarlichen Verhältnis zu Burgund festzuhalten, anging, herrschte in der Eidgenossenschaft weitgehender Konsens. Der Freigrafschaft 194

Granvelle an Zürich, Nürnberg, 11.4.1543 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 140); Granvelle an Luzem, Nürnberg, 11.4.1543 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54). 195

Proposition der Gesandten Herr de la Chaulx, Herr de Thouraise, Herr de Chenesure vor der Tagsatzung, ca. 16.4.1543 (HHStA Wien, Schweiz 11/3, fol. 3r-4v); EA 4/1 d, Nr. 123, S. 242f. 196

EA 4/1 d, Nr. 123, S. 249. Die Gesandten präsentierten der Tagsatzung eine Credenz vom Parlament und Präsidenten in Dole, die bereits erwähnte Credenz Karls für Granvelle und eine auf ihre Namen ausgestellte Credenz Granvelles. Nach ihrer Rückkehr nach Dole berichteten die Gesandten dann Granvelle über die Ausführung des ihnen erteilten Auftrags (Herr de la Chaulx, Herr de Thouraise, Herr de Chenesure an Granvelle, Dole, 9.5.1543 (HHStA Wien, Schweiz 11/3, fol. 5r-6v)).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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mußte also an einer separaten Erledigung ihrer Anträge gelegen sein, da die Tatsache, daß ihr Landesherr der Kaiser war, ihr keineswegs einen Bonus und ihren Gesandten eine höhere Autorität sicherte. Die Freigrafschaft konnte vielmehr bei der Vorbringung spezifisch burgundischer Angelegenheiten bei den Eidgenossen auf ein größeres Entgegenkommen rechnen als der Kaiser bei seinen Anträgen. Es dürften in diesem Fall denn auch rein praktische Erwägungen gewesen sein, die dazu führten, daß die burgundischen Gesandten zusätzlich mit der Vertretung des Kaisers betraut wurden. Für Granvelle bot sich damit eine Möglichkeit, sich seines Auftrags, der ja nun schon eine Weile der Ausführung harrte, zu entledigen. Diese Gesandtschaft bildete freilich nur eine kurze Episode. Im Frühjahr 1544 war dann wieder Baptist de Insula als kaiserlicher Gesandter in der Eidgenossenschaft tätig, ohne daß aus den sporadischen Informationen Genaueres über seine Aufgabe und Tätigkeit zu erfahren wäre 1 9 7 . Danach verliert sich die Spur Insulas, als Gesandter Karls trat er nicht mehr in Erscheinung. Karl war seit Ende 1538 nicht mehr mit einem ständigen Gesandten in der Eidgenossenschaft vertreten gewesen, nach dem Ende der Tätigkeit Baptist de Insulas hatte er wohl überhaupt keinen Vertreter mehr bei den Eidgenossen, auch keinen Sekretär oder eine andere Person niederen Ranges. Dies dürfte damit zusammenhängen, daß der letzte Krieg mit Franz I. 1543/44 sich vorwiegend in den Niederlanden abgespielt hatte, weshalb die Haltung der Eidgenossen nicht die Bedeutung hatte wie bei einem Krieg in Italien. Nach dem Frieden von Cräpy 1544 trat die Auseinandersetzung mit Frankreich dann überhaupt für einige Jahre in den Hintergrund. Ob hier auch eine Rolle spielte, daß die militärische Bedeutung der eidgenössischen Söldner insgesamt abgenommen hatte, ist schwer zu entscheiden. Gerade das erbitterte Ringen um die eidgenössischen Söldner 1536 scheint eher darauf hinzudeuten, daß ihre psychologische Bedeu-

197

Zusammen mit Ferdinands Gesandten in der Eidgenossenschaft, Heggentzer, versuchte er, in dem Streit zwischen Zürich und Ferdinand über den Besitz der Dörfer Ramsen und Bibem zu vermitteln (Zürich an Baptist de Insula, 20.2.1544 (StA Zürich, B IV 15, fol. 55r-v); Ferdinand an die Regierung Innsbruck, Speyer, 19.4.1544 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 7, fol. 351r-352r, hier fol. 35 lr)). Außerdem bat er die Eidgenossen für Giangiacomo de Medici, den ehemaligen Kastellan von Musso, um Geleit durch die Eidgenossenschaft, damit er zum Kaiser reiten könne (EA 4/1 d, Nr. 171, S. 355). Beides dürften freilich keine offiziellen kaiserlichen Aufträge gewesen sein.

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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tung weiterhin enorm war und ihre militärische inzwischen vermutlich weit übertraf. Die diplomatischen Bemühungen Karls in der Eidgenossenschaft in den 30er und zu Beginn der 40er Jahre hatten ausschließlich militärischen Fragen der Auseinandersetzung mit Frankreich im weiteren Sinne gegolten. Karl trat den Eidgenossen dabei stets als Oberhaupt des habsburgischen Imperiums entgegen und nicht als Reichsoberhaupt. Dies sollte sich erst 1546 im Vorfeld des Schmalkaldischen Krieges ändern. Damit handelte Karl den Eidgenossen gegenüber erstmals seit 1522 wieder als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Sein Auftreten als Kaiser war eng mit seiner Rolle als Hüter der alten Kirche und damit auch als Haupt der katholischen Partei im Reich verknüpft. Indem Karl sich vor und während des Schmalkaldischen Krieges wieder direkt durch einen Gesandten an die Eidgenossen wandte, kehrte die konfessionelle Frage in das Verhältnis zwischen den Eidgenossen und dem Kaiser zurück, nachdem sie in den letzten zehn Jahren fast daraus verschwunden war. Zunächst aber versuchte Karl, die Eidgenossen wie andere davon zu überzeugen, daß es sich bei dem bevorstehenden Krieg eben nicht um einen Religionskrieg handelte. Zu diesem Zweck entsandte er seinen Pfennigmeister Jehan Mouchet, Herr von Chateaurouillant, der bereits früher für Burgund in der Eidgenossenschaft tätig gewesen w a r 1 9 8 in die Schweiz 199 . Selbstverständlich wurde das Manöver Karls V. von den Eidgenossen ebenso durchschaut wie von den Reichsständen und -Städten. Unmittelbar nach dem Anbringen Mouchets vor dem Berner Rat schrieben die Berner an Basel, daß die Sache die ganze deutsche Nation und vor allem die Evangelischen angehe und baten deshalb um Weiterleitung des Vortrags an Straßburg 200. Wenn die eidgenössischen Orte sich in der Reaktion auf den Vortrag Mouchets vor der Tagsatzung in Baden entlang der Konfessionsgrenzen schieden, so war das in diesem Fall allerdings

198

Karl an Hans Hab, Worms, 27.6.1545 (StA Zürich, A 176.2, ohne Nr., zwischen Nr. 151 und 152). 199

Credenz Karls für Mouchet, Regensburg, 13.6.1546: Karl an Zürich (StA Zürich, A 176.2, Nr. 153); an Luzem (StA Luzem, Al Fl Sch. 54); an Solothum (StA Solothum, Deutschland-Schreiben, AH 4, 2, Nr. 85); Instruktion Karls für Mouchet in die Eidgenossenschaft, Regensburg, 14.6.1546 (StA Basel, Politisches M 8.3, fol. 43r-47r). 200

Bern an Basel, 28.6.1546 (StA Basel, Politisches M 8.3, fol. 42r-v).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

449

keineswegs zufällig 201 . Die evangelischen Schweizer Städte befürchteten, daß der Kriegszug Karls sich nach einem Erfolg in Deutschland auch gegen sie wenden würde. Sie befanden sich deshalb in einem nahezu unauflöslichen Dilemma: Betrieben sie eine konfessionell ausgerichtete Politik und unterstützten die Schmalkaldener, um so auch den Kaiser zu schwächen und einen Angriff auf die eigenen Gebiete zu verhindern, mußten sie damit rechnen, die katholischen Orte auf den Plan zu rufen. Das Ergebnis wäre ein erneuter Religionskrieg in der Eidgenossenschaft gewesen, oder mindestens eine Teilnahme der Schweizer am Krieg in Deutschland auf beiden Seiten. Verhielten sie sich aber ruhig und verzichteten auf eine Unterstützung der Gegner des Kaisers, um die innere Einheit der Eidgenossenschaft nicht zu gefährden, erleichterten sie den Sieg des Kaisers und ermöglichten ihm dadurch einen Zug gegen die Evangelischen in der Eidgenossenschaft. Beide Varianten konnten sie nicht im Ernst anstreben. Also verfielen sie auf eine dritte Möglichkeit: Ebenso wie der Kaiser versuchten sie, den religiösen Gehalt des Krieges herunterzuspielen. Vor allem Bern und Basel sahen den jetzigen Kriegszug Karls V. in der Tradition habsburgischer Angriffe gegen die Freiheit im allgemeinen und die der Eidgenossen im besonderen 202. Das Ziel dieser antihabsburgischen Reden war klar: Auf diese Weise sollte eine einheitliche eidgenössische Abwehrfront gebildet werden, um eine gemeinsame Unterstützung der Gegner Karls oder wenigstens ein allgemeines Fernbleiben vom Krieg zu erreichen. Sowohl Karl als auch die evangelischen Städte versuchten mithin, durch Verweis auf den nicht religiösen Charakter des Krieges ein Überspringen des Konflikts über den Rhein hinweg zu verhindern. Dies entsprach der Erfahrung des Ersten Kappeler Krieges, daß allein religiöse Motive eine Zusammenarbeit über den Rhein hinweg noch möglich erscheinen ließen. Angesichts dieser Ausgangslage deutete sich verhältnismäßig bald an, daß die Eidgenossen versuchen würden, sich aus dem Krieg herauszuhalten203. Ganz sicher konnte sich der Kaiser dessen freilich nie sein, zumal trotz des weitgehend unumstrittenen Willens zur Neutralität die beiden Gruppen in der Eidgenossenschaft - die vier 201

EA 4/1 d, Nr. 301, S. 633, 640, 643f. Alle Orte außer den vier evangelischen Städten schrieben an den Kaiser und an den Schmalkaldischen Bund und baten um die Entlassung der bereits angeworbenen Knechte. Der Schmalkaldische Bund war auf der Tagsatzung übrigens auch mit einem Gesandten vertreten. 202

Vortrag der Berner Gesandten auf der Tagsatzung in Baden am 5.7.1546 (EA 4/1 d, Nr. 301, S. 643); Burckhardt, Basel zur Zeit des Schmalkaldischen Krieges, S. 32. 203

29 Braun

EA 4/1 d, Nr. 307, S. 657f.

4

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

evangelischen Städte auf der einen und die restlichen neun Orte auf der anderen Seite - weiterhin getrennte Stellungnahmen abgaben und auch getrennt tagten. Um so mehr war es für Karl notwendig, in der Eidgenossenschaft präsent zu sein, Informationen zu sammeln und den Eidgenossen stets aufs Neue die kaiserliche Position zu verdeutlichen, und zwar den Eidgenossen insgesamt wie auch beiden Gruppen getrennt. Diese Aufgabe versah während der ganzen Dauer des Schmalkaldischen Krieges Mouchet 204 . Über die Ausgaben, die ihm als Gesandten in der Eidgenossenschaft entstanden waren, legte Mouchet ausführliche Abrechnungen vor, die einen recht genauen Einblick in seine Tätigkeit erlauben 205 . Nach diesen Abrechnungen war Mouchet vom 25. März bis 28. April 1546, von Ende April bis Ende Mai 1546, vom 26. Juli bis 10. Dezember 1546 und vom 12. April bis 4. September 1547 in der Eidgenossenschaft. Zwischendurch kehrte er immer wieder nach Burgund zurück. Die verhältnismäßig geringe Entfernung erlaubte ein schnelles Reagieren auf kaiserliche Befehle, die ihn erneut mit einer Reise in die Eidgenossenschaft betrauten. Die Abrechnungen zeigen, daß er viel in der Eidgenossenschaft unterwegs war, ohne ein festes "Standquartier" zu besitzen 206 . Mouchet kam bei seinen Reisen in alle wichtigen eidgenössischen Orte, er war in Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen ebenso wie in Luzern, Solothurn oder Freiburg und selbstverständlich bei den Tagsatzungen in Baden, um die Eidgenossen von den hehren Absichten des Kaisers zu überzeugen. Bei seiner Tätigkeit spielte die Konfession der Orte insofern eine Rolle, als sie die Haltung der Orte in dem Krieg wesentlich mitbestimmte, der Auftrag Mouchets war aber kein unmittelbar konfes-

204

EA 4/1 d, Nr. 301, S. 633; Nr. 307, S. 657; Mouchet an Luzem, Baden, 17.8.1546 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54); Mouchet an Solothum, Baden, 17.8.1546 (StA Solothum, Deutschland-Schreiben, AH 4, 2, Nr. 87); EA 4/1 d, Nr. 327, S. 717 und 719; Nr. 360, S. 799 und 802; Credenz Karls für Mouchet: Karl an die neun Orte, Eger, 6.4.1547 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54; StA Solothum, Deutschland-Schreiben, AH 4, 2, Nr. 100); Vortrag Mouchets, Luzem, 16.5.1547 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54); EA 4/ld, Nr. 369, S. 813; Nr. 378, S. 825, Nr. 406, S. 877; Nr. 412, S. 898. 205

Abrechnung für die Zeit 6.11.1545-10.12.1546 (HHStA Wien, Schweiz 11/3, fol. 19r-21 r); 12.4.-1.6.1547 (ebd., fol. 23r-26r); 1.6.-30.6.1547 (ebd., fol. 26v-29v); 1.7.4.9.1547 (ebd., fol. 30r-32v). 206

Die Abrechnungen des Jahres 1547, vor allem die beiden ersten, sind sehr detailliert und listen die Ausgaben für Reisen, Übernachtung, Essen etc. oft von Tag zu Tag auf. Die Abrechnungen enthalten aber auch Ausgaben für Boten und Schreiber, für das Anfertigen von Übersetzungen, für Bestechungen, Geschenke und Bankette.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

451

sionell ausgerichteter. Er verhandelte denn auch mit katholischen Orten gleichermaßen wie mit evangelischen. Mit dem Sieg Karls in der Schlacht bei Mühlberg am 24. April 1547 war zwar der Schmalkaldische Krieg beendet, die Gefahr für die Eidgenossen aber noch nicht beseitigt, da Konstanz sich weiter weigerte, sich dem Kaiser zu unterwerfen. Es mußte also mit einem Vorgehen Karls gegen die unbotmäßige Stadt gerechnet werden, und das bedeutete, daß ein Vormarsch kaiserlicher Truppen bis an die Grenze der Eidgenossenschaft drohte 207 . Obwohl die Spannung an Bodensee und Hochrhein also noch nicht beseitigt war, entsandte Karl 1548 keinen Gesandten mehr zu den Eidgenossen, um sie von einem Eingreifen in der Konstanzer Angelegenheit abzuhalten.

5. Die Wiedererrichtung einer ständigen Gesandtschaft: Die Dominanz mailändischer Interessen Erneut war Karl also nicht unmittelbar in der Eidgenossenschaft vertreten. Indirekt allerdings war er doch präsent, und zwar über die mailändischen Vertreter Ritio und Panizono. Die beiden waren bereits seit 1547 in der Eidgenossenschaft tätig 2 0 8 . Dort hatten sie allerdings speziell Mailand betreffende Angelegenheiten vorgetragen, was nicht verwundert, da Karl zu dieser Zeit durch Mouchet selbst in der Eidgenossenschaft vertreten war. Dies blieb im wesentlichen auch 1548 so, obwohl sie nun die einzigen kaiserlichen Vertreter in der Eidgenossenschaft waren 209 . Sie dienten Karl offenbar in erster Linie als In207

Zu den Auseinandersetzungen um Konstanz siehe Dobras, Karl V , S. 215-220; Zimmermann, Rekatholisierung, S. 80-101. 208

Credenz für Giovanni Angelo Ritio und Giovanni Domenico Panizono: Ferrante Gonzaga an Luzern, Mailand, 27.6.1547 (StA Luzem, Al Fl Sch. 101). In der zweiten Jahreshälfte 1547 sind sie in der Eidgenossenschaft nachzuweisen: Ritio und Panizono an Granvelle, Luzem, 18.8.1547 (AG Simancas, Milan y Saboya, Leg. 1193, Nr. 68-69); Ritio an Granvelle, Luzem, 22.9.1547 (ebd., Nr. 70); Panizono an Karl, Luzem, 30.10.1547 (ebd., Nr. 170); EA 4/1 d, Nr. 406. Zumindest Panizono war auch bereits Anfang 1547 in der Eidgenossenschaft (Panizono an Karl, Baden, 15.1.1547 (AG Simancas, Milan y Saboya, Leg. 1194, Nr. 65); Panizono an Karl, Baden, 7.3.1547 (ebd., Nr. 241); Panizono an Karl, Baden, 15.1.1547 (ebd., Nr. 305)). 209

Karl an die Eidgenossen, Augsburg, 7.7.1548 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 252r-253v); Karl an Zürich, Augsburg, 7.7.1548 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 173); Karl an Basel, Augsburg, 7.7.1548 (StA Basel, Fremde Staaten Österreich, A 2); Karl an 29*

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

4

formanten, eigene Verhandlungsaufträge hatte der Kaiser in der Eidgenossenschaft zu dieser Zeit nicht durchzufuhren. 1549 verhandelte Ritio dann alleine in der Eidgenossenschaft 210. Er wurde zumeist - korrekt - als kaiserlicher und mailändischer Gesandter bezeichnet211, aber das Schwergewicht seiner Tätigkeit lag eindeutig bei den mailändischen Angelegenheiten. In der Hauptsache sollte er über eine Erneuerung des Mailänder Kapitulats verhandeln 212. Daneben ging es noch um die Frage der Ausweisung Sebastian Schärtlins von Hurtenbach, eines bekannten Söldnerführers, der immer wieder versuchte, in der Eidgenossenschaft Truppen für Frankreich anzuwerben 213. Ritio übte in dieser Zeit die Funktion eines ständigen Gesandten des Kaisers und Mailands in der Eidgenossenschaft aus, d.h. er vertrat den Kaiser und dessen Reiche im ganzen sowie ein Land, nämlich das Herzogtum Mailand, im besonderen. Eine solche Doppelfunktion hatte sich bereits in der Tätigkeit Panizonos angedeutet, sie entsprach auch dem beruflichen Werdegang Ritios, der aus herzoglich-mailändischem Dienst in den kaiserlichen übergewechselt war. Während eine solche Doppelfunktion in bezug auf Burgund Episode geblieben war, deutete sich hier doch eine Konstruktion von größerer Stabilität an. Als

Solothum, Augsburg, 7.7.1548 (StA Solothum, Deutschland-Schreiben, AH 4,2, Nr. 103). 210

Über Panizono gibt es fortan keine Nachrichten mehr.

211

EA 4/le, Nr. 2, S. 8; Nr. 33, S. 80; Nr. 70, S. 162.

212

EA 4/le, Nr. 2, S. 8 und 17; Nr. 12, S. 41; Nr. 30, S. 71; Nr. 47, S. 119; Nr. 70, S. 162. Das Mailänder Kapitulat von 1533 enthielt einen Passus, der es Mailand erlaubte, bei Getreideknappheit im eigenen Gebiet den Handelsverkehr in die Eidgenossenschaft zu sperren. 1549 nahm die Regierung in Mailand eine Teuerung zum Anlaß, ein Ausfuhrverbot für Getreide zu verhängen. Die Eidgenossen sahen darin einen Verstoß gegen die Bestimmungen von 1533. Mailand wollte in den sich anschließenden Verhandlungen eine Revision des Kapitulats erreichen, die Mailand unter anderem den freien Durchzug für Waffen, Munition und Kriegsvolk erlaubt und die Eidgenossen in bestimmten Fällen zu militärischer Hilfe verpflichtet hätte. 213

Schärtlin war Feldhauptmann des Schmalkaldischen Bundes gewesen. Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes floh er über Konstanz und Zürich nach Basel, wo er Ende November 1547 ankam. Er blieb bis 1551 in der Stadt. Im Frühjahr 1548 trat er in französische Dienste, am 3. August 1548 verhängte Karl V. die Acht über ihn. Fortan wurde von den Eidgenossen die Auslieferung Schärtlins verlangt. Siehe dazu: R. Thommen, Sebastian Schertlin in Basel, in: Basler Jahrbuch 1897, S. 226-263, und Burckhardt, Basel zurZeit des Schmalkaldischen Krieges, S. 90-95.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

45

Ritio nämlich im Herbst 1549 um Urlaub bat, nahm seine Stelle wiederum ein Mann aus mailändisch-kaiserlichem Dienst ein, Ascanio Marso. Auch er wurde dementsprechend als kaiserlicher und mailändischer Gesandter bezeichnet214. Marso war von Ende 1549 bis Ende 1558 ständiger Gesandter Karls und dann Philipps in der Eidgenossenschaft 215, also wesentlich länger als alle bisherigen Gesandten. Bis 1555 wurde er dabei von Ritio unterstützt, der zu wichtigen Verhandlungen regelmäßig als Sondergesandter in die Eidgenossenschaft zurückkehrte. Ritio war dabei nicht nur der Vorgänger und dann Kollege Marsos, er war auch dessen Mentor. Ritio scheint ihn für den Posten in der Eidgenossenschaft vorgeschlagen zu haben 216 , er verteidigte ihn auch später bei der Regierung in Mailand gegen den Vorwurf, der protestantischen Lehre zuzuneigen217. Ritio überließ Marso den Gesandtschaftsposten nicht unvorbereitet. Zur Orientierung Marsos verfaßte er vielmehr eine "informatione", in der er Marso über die Verhältnisse in der Eidgenossenschaft unterrichtete - unter anderem klärte er ihn über die Institution der Tagsatzung auf - und ihm Ratschläge für die Verhandlungsführung gab 2 1 8 . Erleichterten schon diese Angaben Marso mit Sicherheit das Hineinfinden in die neue Aufgabe und in die ihm fremden Verhältnisse in der Eidgenossenschaft erheblich, so dürften für seine praktische Arbeit vor allem die Informationen Ritios über die kaiserlichen Parteigänger in den einzelnen Orten nützlich gewesen sein. Ort für Ort durchgehend nannte er ihm die Namen der Männer, an die er sich bei seinen Verhandlungen halten konnte. Eine solche Aufstellung war von unschätzbarem Wert für einen neuen Gesandten, konnte er doch so auf die Verbindungen zurückgreifen, die sein Vorgänger geknüpft hatte und mußte nicht selbst mühsam Kontakte suchen und die Haltung der einzelnen Personen erkunden. Marso trat seinen neuen Posten also denkbar gut vorbereitet an. Wie seine Vorgänger residierte er in Luzern, und zwar zunächst in einem Wirtshaus. Ähn-

214

EA 4/1 e, Nr. 87, S. 198.

215

Bereits im November 1549 wurde er als "Residente in Isvizzera" bezeichnet (Haas, Discorso, S. XVII). 216

Haas, Discorso, S. XVII.

2X 1

Haas, Discorso, S. XXX.

218

"Informatione fatta per il secretario Ritio a messer Ascanio Marso nel partir suo di svizzeri per Milano, da Lucerna, ultimo ottobre 1549", in: Haas, Discorso, S. 1-10.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

lieh wie Marnoz anderthalb Jahrzehnte zuvor versuchte auch Marso, vom Luzerner Rat die Erlaubnis zu erhalten, in einem Privathaus wohnen zu dürfen 219 . Dies wurde ihm im Sommer 1550 im dritten Anlauf auch bewilligt 220 . Freilich konnte er sich dieses Privilegs nicht lange erfreuen. In der Fastenzeit 1551 wurden Marso und seine Familie beim Fleischessen ertappt. Damit erhielten die Gerüchte, Marso neige der evangelischen Lehre zu, neue Nahrung. Die Rechtfertigung Marsos traf beim Luzerner Rat auf taube Ohren 221 . Der Rat widerrief die Erlaubnis zum Wohnen in einem Privathaus, Marso mußte fortan wieder im Wirtshaus wohnen, "damit man gesechen mag, was er esse" 222 . Hier tritt die Kontrollfunktion der Unterbringung der Gesandten in einem Gasthaus offen zutage. Wenn ein kaiserlicher Gesandter sich eine derartige Verfehlung zuschulden kommen ließ, dann ging es bei der anschließenden Auseinandersetzung selbstverständlich nicht nur um die Reinhaltung der katholischen Lehre. Ein solcher Vorfall bot den politischen Gegnern des Gesandten und seines Auftraggebers eine willkommene Gelegenheit, die Position des Gesandten zu erschüttern. Diese Erfahrung mußte jetzt auch Marso machen, trotz einflußreicher Freunde wie Schultheiß Nikiaus von Meggen und Altschultheiß Heinrich Fleckenstein. Wieder einmal zeigte sich, daß die kaiserliche und die französische Partei in Luzern ungefähr gleich stark waren, so daß die Waage sich einmal zugunsten der einen, einmal zugunsten der anderen Partei neigte. Für die Tätigkeit eines Gesandten waren dies nicht sehr günstige, zumindest aber sehr nervenaufreibende Bedingungen. Diese Erfahrungen ließen Marso den Schritt vollziehen, den bereits Gruyeres und Marnoz erwogen hatten: Er verlegte den Sitz der ständigen Gesandtschaft, und zwar nach Altdorf in U r i 2 2 3 . Für einen

219

Zu den Details siehe Haas, Discorso, S. XXXI, Anm. 2.

220

Marso an Luzern, Luzem, Juni 1550 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54). Der Aufenthalt im Gasthaus dürfte für Marso besonders unangenehm und auch kostspielig gewesen sein, da er seine vielköpfige Familie nach Luzem hatte nachkommen lassen. Im Frühjahr 1551 umfaßte sein Haushalt einschließlich Gesinde immerhin 14 Personen (Haas, Discorso, S. XXIX). 221

Marso argumentierte, seine Frau und seine beiden Söhne seien seit Monaten krank, weshalb er den Propst um Erlaubnis gebeten habe, etwas Kalbfleisch und Eier essen zu dürfen (Marso an Luzem, 21.2.1551 (StA Luzem, A 1 Fl Sch. 54)). 222 223

StA Luzem, RP 1551, S. 35b, 25.2.1551.

In der zweiten Jahreshälfte 1552 hielt sich Marso vor allem in seiner Sommerresidenz Rapperswil auf (Haas, Discorso, S. XXXI, Anm. 2).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

45

Gesandten, der vor allem die Interessen Mailands vertrat, kam nur ein Ort mit guten Verbindungswegen nach Süden in Frage 224 . Uri bot sich hier an: Durch die Kontrolle des Gotthard war der Ort zugleich strategisch wichtig wie auch verkehrsgünstig gelegen. Uri selbst war von jeher mehr als alle anderen Orte an guten Verbindungen und Beziehungen nach Mailand interessiert. Ab Januar 1553 beherbergte Uri also den kaiserlichen Gesandten Ascanio Marso 2 2 5 . Das Problem der Unterkunft löste sich dort übrigens denkbar einfach: Marso wohnte im Haus seines Freundes Jakob a Pro. Marso blieb bis zum Ende seiner Gesandtschaft in Altdorf, auch seine Nachfolger nahmen dort ihren Sitz 2 2 6 . Die diplomatische Tätigkeit Marsos in den ersten Jahren seiner Gesandtschaft galt - darin von Ritio unterstützt - der Aushandlung eines neuen Kapitulats der Eidgenossen mit Mailand 2 2 7 . Die Verhandlungen gestalteten sich vor allem deshalb so schwierig, weil Mailand versuchte, militärische Hilfszusagen von den Eidgenossen zu erreichen, während die Eidgenossen vor allem an günstigen Handelsbeziehungen mit Mailand interessiert waren. Die eidgenössische Hartnäckigkeit wurde belohnt: In der für den Kaiser schwierigen Situation des Jahres 1552 gelang es ihnen, ihre Vorstellungen durchzusetzen, der Vertrag enthält denn auch keine Hilfsverpflichtungen der Eidgenossen228. Des weiteren bemühte sich Marso wie alle seine Vorgänger, französische Anwerbungen in der Eidgenossenschaft zu verhindern. Insbesondere die Umtriebe Sebastian Schärtlins von Burtenbach waren immer wieder Gegenstand seiner Verhandlungen auf den Tagsatzungen229. Besonders dringlich wurde diese Aufgabe 224

Zürich schied schon von daher aus. Zudem hätte sich dort wieder das Problem der Konfession gestellt, weniger für Marso selbst - er hatte hervorragende Beziehungen nach Zürich, unter anderem zu Bullinger - als für seine Auftraggeber. 225

Haas, Discorso, S. XXXI, Anm. 2.

226

C.F. Müller, Spanische Gesandte in Altdorf, in: Historisches Neujahrsblatt von Uri 18/19(1963/64), S. 100-104. 227

EA 4/le, Nr. 123, S. 323; Nr. 137, S. 384f.; Nr. 147, S. 436f.; Nr. 160, S. 473 und 481; Nr. 172, S. 507; Nr. 184, S. 547; Nr. 186, S. 554; Nr. 192, S. 580f, Nr. 205, S. 608; Vortrag Ritios auf der Tagsatzung in Luzem, 22.3.1552 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 181; Auszüge in EA 4/le, Nr. 206, S. 614); Ritio an Zürich, Luzem, 25.3.1552 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 182); EA 4/le, Nr. 216, S. 645; Nr. 226, S. 669; Nr. 237, S. 705; Nr. 246, S. 733. 228 229

EA 4/le, Beilage Nr. 2.

EA 4/le, Nr. 204, S. 606; Nr. 205, S. 608 und 610; Nr. 206, S. 612-615; Nr. 207, S. 615; Nr. 209, S. 622f.; Nr. 216, S. 646; Nr. 218, S. 650f.; Nr. 222, S. 661 f.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

während des Fürstenaufstandes 1552, als die deutschen Fürsten vom französischen König Heinrich II. unterstützt wurden. In dieser Zeit agierte Marso, und neben ihm immer wieder Ritio, noch am ehesten auch als kaiserlicher Gesandter und nicht nur als Vertreter Mailands. Es ergibt sich in diesen Jahren also ein seltsames und zugleich bezeichnendes Bild: Seit 1549 war Karl wieder mit einem ständigen Gesandten in der Eidgenossenschaft vertreten, der über lange Zeit zudem noch durch einen Sondergesandten unterstützt wurde; rein äußerlich also eine ähnliche Situation wie 1536. Diese Gesandten traten aber kaum noch als kaiserliche Gesandte in Erscheinung, waren vielmehr vor allem mailändische Gesandte. Daß gerade die Interessen Mailands wieder zur Etablierung einer ständigen Gesandtschaft in der Eidgenossenschaft geführt hatten, ist kaum zufällig. Die spanische Herrschaft in Mailand hatte sich zusehends gefestigt, nun galt es, die Beziehungen zu den jeweiligen Nachbarn zu regeln, und von diesen Nachbarn waren die Eidgenossen bestimmt nicht die unwichtigsten. Für das Gesamtreich Karls V. verloren die Eidgenossen freilich an Bedeutung: Nicht nur weil die militärische Bedeutung der eidgenössischen Söldnerheere im Schwinden begriffen war, sondern auch, weil sich nach der Konsolidierung der spanischen Herrschaft in Mailand der geographische Schwerpunkt der Auseinandersetzung zwischen Karl V. und Frankreich verlagerte. Gegen Ende seiner Regierungszeit war Karl also kaum mehr als Oberhaupt einer Hegemonialmacht in der Eidgenossenschaft vertreten, sondern nur durch seine Teilreiche: Mailändische Gesandte residierten ständig in der Eidgenossenschaft, burgundische Gesandte traten regelmäßig auf Tagsatzungen auf, um das Erbeinungsgeld zu entrichten und über burgundische Angelegenheiten zu verhandeln, dazu kamen die Gesandten Ferdinands. Insofern war es nur folgerichtig, daß Marso nach dem Rücktritt Karls 1556 in der Eidgenossenschaft blieb, nunmehr nicht als kaiserlicher und mailändischer Gesandter, sondern als spanisch-mailändischer Gesandter. Seine Nachfolger, die den Gesandtschaftssitz in Altdorf übernahmen, taten dies ebenfalls als spanisch-mailändische Gesandte. Kaiserlicher Gesandter war von nun an Hans Melchior Heggentzer, der Gesandte Ferdinands, der bereits seit 1542 die österreichischen Interessen in der Eidgenossenschaft vertrat. Die Politik Maximilians I. wurde insoweit eher von Ferdinand als von Karl fortgeführt, der nur in seinen Anfangsjahren - bis zu den Brüsseler Verträgen und seiner Abreise nach Spanien 1522 - kaiserliche und auch österreichische Politik gegenüber den Eidgenossen gemacht hatte. In den 30er Jahren handelte Karl als Herrscher eines großes Imperiums, bevor nach dem Abflauen der Kämpfe mit Frankreich die südliche, d.h. mailändische Perspektive auf die Eidgenossenschaft die Oberhand gewann.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

45

Erst in dieser Zeit, und d.h. als spanisch-mailändische Gesandtschaft, erreichte der Botschafterposten in der Schweiz jenes Maß an Institutionalisierung, das beispielsweise die diplomatische Vertretung Karls in Frankreich bereits seit langem kennzeichnete230.

II. Die Gesandtschaften und Gesandten Ferdinands in der Eidgenossenschaft Nachdem Karl im Frühjahr 1522 die österreichischen Erblande Ferdinand übergeben hatte, unterstanden die im Norden an die Eidgenossenschaft angrenzenden habsburgischen Gebiete von nun an Ferdinand allein. Die von den Eidgenossen - nicht ganz zu Unrecht - so gefürchtete Konstellation einer Personalunion von Reichsoberhaupt und Landesherr der habsburgischen Vorlande erst in der Person Maximilians, dann in der Karls - hatte damit nach gut drei Jahrzehnten zunächst ein Ende gefunden. Die neue Situation ähnelte auf den ersten Blick der unter Friedrich I I I , als ebenfalls zwei Angehörige des Hauses Habsburg die beiden Funktionen versehen hatten. Auf den zweiten Blick ergeben sich aber einige nicht unbeträchtliche Unterschiede: Der engere Verwandtschaftsgrad - Brüder statt Vettern - ließ eine engere Abstimmung der Politik zwischen dem Kaiser und dem österreichischen Landesherrn erwarten. Neu war überdies, daß der Kaiser mit dem Besitz von Burgund im Westen und eventuell von Oberitalien auch im Süden Nachbar der Eidgenossenschaft blieb. Insofern schien die Lage für die Eidgenossen also nicht so günstig zu sein, das Ende der Personalunion mithin kaum ins Gewicht zu fallen - ganz im Gegenteil: die habsburgische Einkreisung drohte den Eidgenossen mehr denn je. Andererseits war Karl durch seine weitgespannten Reiche vielfach in ganz anderen Regionen engagiert, und nach der Schlacht von Mohäcs 1526 sowie dem Tod König Ludwigs, der den Habsburgern das böhmisch-ungarische Erbe einbrachte, galt dies auch für Ferdinand. Die Eidgenossen konnten also davon ausgehen, nicht dauernd im Mittelpunkt des Interesses der habsburgischen Brüder zu stehen. Das konnte ihnen nur recht sein, hatte doch habsburgisches Interesse für sie in den letzten Jahrhunderten zumeist eine Gefahr bedeutet.

230

Siehe Lunitz, Die ständigen Gesandten, S.130. Zur spanisch-mailändischen Gesandtschaft in der Eidgenossenschaft in der Folgezeit siehe ausführlich Bolzern, Spanien.

4

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V. Doch schon bevor Ferdinand in den Besitz Böhmens und Ungarns gelangte

und sich somit der Schwerpunkt seiner Herrschaft vollends nach Osten verlagerte, hielt er sich häufig relativ weit von den Eidgenossen entfernt auf. Im Gegensatz zu Herzog Sigmund war er ja nicht nur Herr Oberösterreichs, sondern der gesamten österreichischen Erblande; dazu kam seine Aufgabe als Statthalter Karls während dessen Abwesenheit vom Reich. Deshalb kam den Regierungen in Innsbruck und Ensisheim eine um so wichtigere Rolle zu, und zwar in doppelter Hinsicht: Sie mußten Entscheidungen treffen und Anweisungen geben, wenn Ferdinand selbst zu weit entfernt oder mit anderen Geschäften überlastet war. Zudem entstammten die Männer, die diese österreichische Politik durchführten und gegenüber den Eidgenossen auch vertreten mußten, größtenteils aus ihren Reihen. Diese Entwicklung hatte sich schon 1520/21 angedeutet und setzte sich nach der Übertragung der österreichischen Erblande an Ferdinand verstärkt fort.

1. Die Anfänge der Regierung Ferdinands: Die Suche nach der geeigneten Form für die diplomatische Vertretung Am 4. April 1522 teilte Karl den eidgenössischen Orten den Wechsel in der Regierung der Erblande offiziell m i t 2 3 1 . In dem Verhältnis zwischen Österreich und den Eidgenossen markiert dieses Datum freilich keinen spürbaren Einschnitt. Die Informationsübermittlung und die Kontakte gingen vielmehr ihren gewohnten Gang gemäß den Gepflogenheiten, die sich bereits in den Jahren zuvor unterhalb der Ebene der von Karl beauftragten großen Gesandtschaften eingeschliffen hatten 232 . 231

Karl an die einzelnen eidgenössischen Orte, Brüssel, 4.4.1522 (Strickler, Actensammlung 1, Nr. 407); Karl an Bern (StA Bern, A V 1417, Nr. 42); an Luzem (StA Luzem, Urk. 22/854). 232

Die Überlieferungssituation für die diplomatischen Aktivitäten Ferdinands in der Eidgenossenschaft ist zwar nicht hervorragend, aber im großen und ganzen einigermaßen zufriedenstellend. In den Kopialbüchem der Regierung Innsbruck ist die Korrespondenz zwischen der Regierung und Ferdinand überliefert, in der die zu ergreifenden Maßnahmen erörtert werden und über deren Durchführung berichtet wird. In den sogenannten "Schwabenbüchern. Eidgenossen", bei denen es sich um Kopialbücher der Innsbrucker Regierung mit auslaufenden, die Eidgenossenschaft betreffenden Schreiben an untergeordnete Stellen handelt, sind die Anweisungen der Regierung Innsbruck an die Gesandten enthalten. Was dagegen - bis auf wenige Ausnahmen in HHStA, Schweiz

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Dr. Jakob Sturtzel und Veit Sutor, die in den letzten Jahren bereits für Karl in der Eidgenossenschaft tätig gewesen waren, hielten die Regierung in Innsbruck auf dem laufenden, die wiederum Ferdinand informierte 233. Dabei handelten sowohl Sturtzel als auch Sutor von außerhalb der Eidgenossenschaft: Sturtzel saß in Ensisheim, Sutor hatte in Konstanz Posten bezogen. Für eine Reise in die Eidgenossenschaft bedurfte es nämlich eines besonderen Auftrags, der eine solche Reise rechtfertigte. Als Sturtzel von französischen Umtrieben in der Eidgenossenschaft nach Innsbruck berichtet hatte, regte die Innsbrucker Regierung deshalb an, Sturtzel zur Bezahlung des gerade fälligen Erbeinungsgeldes in die Eidgenossenschaft zu schicken, damit er einen unverdächtigen Grund für eine Reise habe und dadurch Gelegenheit zu unauffälligen Erkundigungen und eigenen Aktivitäten erhalte 234 . Ein solcher vorgeschobener Grund diente aber nicht nur dazu, den tatsächlichen Zweck der Gesandtschaft zu verschleiern, er war auch nötig, um nicht die Ausweisung des Gesandten zu riskieren. Die Eidgenossen reagierten nämlich von Zeit zu Zeit höchst empfindlich auf die Anwesenheit von Vertretern ausländischer Mächte, wenn sie den Eindruck hatten oder auch haben wollten, daß diese nur "praktizierten", und das hieß aus ihrer Sicht: versuchten, die eidgenössischen Orte auseinanderzudivi-

und in TLA Innsbruck, Hofreg. - fehlt, sind die Berichte der Gesandten an die Innsbrukker Regierung oder den König. Da sich eine Registratur der Gesandten nicht erhalten hat, besitzen wir auch keine sonstige Korrespondenz von ihnen. Detaillierte Einblicke in das Alltagsgeschäft der Gesandten, wie sie die Kopialbücher Gruyeres' und Marnoz' für die Gesandten Karls doch in teilweise erfreulichem Maße bieten, lassen sich für die Gesandten Ferdinands deshalb nicht gewinnen. Möglicherweise besteht hier aber auch ein Zusammenhang mit der ganz anders gearteten Struktur des Gesandtschaftswesens Ferdinands in der Eidgenossenschaft. Sturtzel und Heggentzer waren ja nicht ständig in der Eidgenossenschaft, so daß sich der Aufbau einer eigenen Registratur nicht zwangsläufig ergab. Sie waren vielmehr in erster Linie Räte der Regierung Ensisheim, die je nach Bedarf in die Eidgenossenschaft reisten, von daher war ihre Korrespondenz mit eidgenössischen Politikern sicherlich auch nicht so umfangreich wie bei residierenden Gesandten. Die Gesandten besaßen vielleicht gar keine eigene Gesandtschaftsregistratur, sondern legten ihren Schriftwechsel zu den Akten der Regierung Ensisheim, die nicht erhalten sind. 233

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 29.5.1522 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von und an fürstl. Durchl. 2, fol. 207v-209r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 16.10.1522 (ebd., fol. 312r-313r). 234

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 29.5.1522 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von und an fürstl. Durchl. 2, fol. 207v-209r, hier fol. 208r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

dieren 235 . Ein solcher Vorwurf konnte zwar auch einen ständigen Gesandten treffen, bei Vertretern ausländischer Mächte mit unklarem Status und Auftrag lag ein solcher Verdacht jedoch noch näher. Das eben angeführte Schreiben der Innsbrucker Regierung an Ferdinand zeigt aber noch ein weiteres: Die Entsendung Sturtzels in die Eidgenossenschaft sollte nicht wegen regionaler Angelegenheiten, die die vorderösterreichischen Lande betrafen, erfolgen, sondern zur Erkundung und Verhinderung französischer "Praktiken" in der Eidgenossenschaft. Der Gesandte Ferdinands nahm hier also auch Aufgaben wahr, die ab den 30er Jahren eindeutig in Karls Zuständigkeit fallen sollten. Da Karl sich in den 20er Jahren nach seiner Abreise nach Spanien überhaupt nicht um die Eidgenossenschaft kümmerte und dort auch nicht vertreten war, fiel in dieser Zeit die Wahrung habsburgischer Interessen in der Eidgenossenschaft insgesamt, und das hieß eben auch: die Zurückdrängung des französischen Einflusses dort, Ferdinand zu. Freilich waren Ferdinands erste Regierungsjahre in dieser Hinsicht wie auch in bezug auf die direkten nachbarschaftlichen Beziehungen relativ ruhige Jahre. Aktivitäten, die über die Weiterleitung von Informationen hinausgingen, waren von daher kaum nötig. Dies sollte sich erst im Herbst 1524, dann allerdings schlagartig und gründlich, ändern. Ursache für diese Änderung waren Unruhen auf beiden Seiten des Rheins, nicht zuletzt infolge der immer stärker werdenden reformatorischen Bewegung. Beschäftigte der sogenannte Ittinger Sturm im Juli 1524 die im Thurgau regierenden Orte 2 3 6 , so bereitete das Wirken Balthasar Hubmaiers in Waldshut, insbesondere seine zunehmend täuferische Predigt, den vorderöster235

Ein solcher Vorwurf traf z.B. Wilhelm von Reichenbach und Veit Sutor 1524. Die Eidgenossen berieten deshalb, ob den Gesandten das Geleit verlängert werden sollte (EA 4/1 a, Nr. 224, S. 525). 236

Im Thurgau hatte sich, ausgehend von Zürich, die neue Lehre rasch ausgebreitet, sehr zum Mißfallen der anderen dort regierenden Orte, die energisch gegen die Neuerungen vorzugehen beabsichtigten. Ein solcher Schritt war die Verhaftung des die neue Lehre predigenden Pfarrers von Burg bei Stein a.Rh. durch den neuen Landvogt im Thurgau, den Schwyzer Joseph Amberg, in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 1524. Die Empörung bei der neugläubigen Bevölkerung der Gegend war groß, das Volk rottete sich zusammen, um den Pfarrer zu befreien. Als dies mißlang, richtete sich der Zorn gegen die Karthause in Ittingen, es kam zu wilden Plünderungen und Zerstörungen, am Schluß ging ein Teil des Klosters in Flammen auf, wobei Ursache und Urheberschaft nicht geklärt werden konnten (Handbuch 1, S. 464).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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reichischen Behörden Sorgen. Hinzu kamen die 1524/25 allenthalben um sich greifenden Bauernunruhen. In dieser verworrenen und explosiven Situation erkannte zudem Herzog Ulrich von Württemberg eine Chance, sein Herzogtum zurückzuerobern, und bemühte sich zu diesem Zweck um Truppen. Diese Entwicklungen alarmierten die Obrigkeiten auf beiden Seiten des Rheins, wobei der konfessionelle Zwist noch keine Rolle spielte, da Zürich zu dieser Zeit in der Eidgenossenschaft weitgehend isoliert war. Es war das gemeinsame Interesse der eidgenössischen wie der österreichischen Obrigkeiten, die eigene Herrschaft zu sichern. Deshalb versprach man sich gegenseitig, die Aufrührer im Gebiet der anderen Seite nicht nur nicht zu unterstützen, sondern sogar auszuliefern und eine Unterstützung der aufrührerischen Bewegung jenseits der Grenzen durch die eigenen Untertanen zu verhindern 237. Diese Übereinstimmung wirft nicht nur ein bezeichnendes Licht auf die Haltung der eidgenössischen Orte, die den gegen ihre Herrschaft gerichteten Aufruhr ihrer Untertanen genauso verfolgten wie die Obrigkeiten nördlich des Rheins. Die Hoffnung der Aufständischen auf Hilfe durch die "demokratischen" eidgenössischen Orte war also eine gewaltige Fehleinschätzung und Illusion. Deutlich wird in diesem Zusammenhang auch, daß beide Seiten den gegenseitigen Besitzstand akzeptierten, wie er zuletzt in der Erbeinung festgelegt worden war. Keine Seite versuchte, die Unruhen auf der anderen Seite auszunutzen, um so vielleicht die dortige Obrigkeit zu erschüttern und die instabile Situation zur Ausdehnung des eigenen Herrschaftsbereiches zu nutzen; man war sich wohl auf beiden Seiten der Risiken für die eigene Herrschaft zu sehr bewußt. Eine Ausnahme bildete lediglich Zürich, wo die religiöse Überzeugung die Oberhand über die Solidarität der Obrigkeiten gewann. Zürich unterstützte die religiöse Bewegung in Waldshut und verstieß damit nach österreichischer Ansicht gegen die Erbeinung. Da die anderen Orte das Verhalten Zürichs ebenfalls mißbilligten, versuchten sie gemeinsam mit Österreich, Zürich von seinem Vorgehen abzubringen, wobei die eidgenössischen Orte es allerdings nicht zum Bruch mit Zürich kommen lassen wollten. Dieses gemeinsame Interesse der Obrigkeiten geht deutlich aus der Instruktion Ferdinands für Dr. Wilhelm von Reichenbach und Veit Sutor auf die Tag-

237

Instruktion Ferdinands für Dr. Wilhelm von Reichenbach und Veit Sutor auf die Tagsatzung am 13.10.1524 in Frauenfeld, 9.10.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.ll*, fol. 2v-7r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Satzung am 13. Oktober 1524 in Frauenfeld hervor 238 . Sie sollten die Eidgenossen ermahnen, die Unruhen in den Vorlanden nicht zu unterstützen und Herzog Ulrich keine Hilfe zukommen zu lassen, umgekehrt versicherte Ferdinand, Unruhestifter aus der Eidgenossenschaft nicht in seinen Ländern zu dulden. Die Angelegenheit erschien den Innsbrucker Räten so wichtig, daß sie es für nötig erachteten, einen der Ihren, nämlich Reichenbach239, mit der Gesandtschaft zu betrauen; Sturtzel und Sutor sollten ihm als sach- und landeskundige Berater dienen 240 . Der Auftrag Reichenbachs war genau begrenzt und erlaubte keine längere Anwesenheit in der Eidgenossenschaft. Wegen der angespannten Lage erschien aber eine detaillierte Information über die Vorgänge, nicht zuletzt in Zürich, notwendig, und eine solche erfolgte eben am besten direkt vom Ort des Geschehens aus. Deshalb wurde erwogen, Sutor solle nach der Abreise Rei238

Instruktion Ferdinands für Dr. Wilhelm von Reichenbach und Veit Sutor auf die Tagsatzung am 13.10.1524 in Frauenfeld, 9.10.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.ll*, fol. 2v-7r). Die Credenz (ebd, fol. 7v) lautete zusätzlich auf Dr. Sturtzel, die in Zürich liegende Credenz dagegen wie die Instruktion nur auf Reichenbach und Sutor (StA Zürich, A 184.1, Nr. 139). Wahrscheinlich waren Reichenbach zwei Credenzen mitgegeben worden, eine mit und eine ohne Nennung Sturtzels, so daß er, je nachdem ob Sturtzel der Gesandtschaft angehörte oder nicht, die eine oder die andere übergeben konnte. 239

Die Wahl Reichenbachs erfolgte wohlüberlegt. Reichenbach war bereits im Dienste Maximilians mehrmals in der Eidgenossenschaft tätig gewesen (vgl. EA 3/2, Nr. 579, S. 831 (1514); Nr. 616, S. 894; Nr. 634, S. 936 (1515); Nr. 642, S. 955; Nr. 679, S. 1005 (1516)). Aufgrund seiner Kenntnisse über die finanziellen Verpflichtungen Maximilians in der Eidgenossenschaft und der unter anderem von ihm darüber geführten Register (Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Hans Acker an Regierung Innsbruck, Zürich, 12.2.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 248r-250r, hier fol. 249r-v)) wurde er nach dem Tode Maximilians gebeten, eine Aufstellung der Schulden Maximilians in der Eidgenossenschaft zu überprüfen (Regierung und Kammer Innsbruck an Reichenbach, 2.4.1519 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Bekennen 17, fol. 219v-220r)). Reichenbach scheint sich in Zürich aber nicht nur seinen dienstlichen Aufgaben gewidmet zu haben, sondern intime Kontakte zu einer ungenannten Frau gepflegt zu haben. 1520 mußte er dann erfahren, daß Hans Acker, der 1519/20 verschiedene Male mit Gesandtschaften Karls in Zürich weilte, ihm seine "alte uneliche frawen abgedrungen" hatte (Reichenbach an Sutor, Innsbruck, 30.10.1520 (HHStA Wien, Schweiz 5/1, fol. 23r-v, hier fol. 23r)), weshalb Acker ihm längere Zeit nicht geschrieben hatte. Er empfahl die Frau der Fürsorge Ackers, da sie "gar ain guts maidlin" sei (ebd.), womit auch die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Acker und Reichenbach behoben gewesen sein dürften. 240

Hofrat an Sutor, Innsbruck, 10.10.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 8r-v).

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chenbachs in der Eidgenossenschaft bleiben 241 , so wie er sich bereits 1520-22 ständig in Zürich aufgehalten hatte. Der Vorschlag wurde dann aber fallengelassen, weil Sutor bei den Eidgenossen inzwischen zur persona non grata geworden war; an der prinzipiellen Wünschbarkeit einer solchen Lösung hielt man freilich fest 242 . Sutor wurde deshalb befohlen, nach Konstanz zu gehen und von dort aus Erkundigungen über die Eidgenossenschaft einzuziehen243, die Entsendung einer anderen Person anstatt seiner in die Eidgenossenschaft erfolgte nicht 2 4 4 . Wilhelm von Reichenbach erging es mit seinem Auftrag wie vielen anderen Gesandten in der Eidgenossenschaft vor und nach ihm. Aufgrund der Eigenheiten der eidgenössischen Verhandlungsführung mit dem "Heimbringen" und Vertagen von Entscheidungen von einer Tagsatzung zur nächsten konnte er die ihm zugewiesene Aufgabe nicht in der vorgesehenen Zeit erledigen 245 . Als absehbar war, daß die Verhandlungen mit den Eidgenossen noch längere Zeit in Anspruch nehmen würden, beschied Reichenbach Sturtzel zu sich nach Kon-

241

Regierung Innsbruck an Reichenbach, 13.10.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 10r); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 13.10.1524 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 1, fol. 177v-180r, hier fol. 179r); Ferdinand an Kammer Innsbruck, Wien, 13.10.1524 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 23, fol. 240r). 242

Hofrat an Reichenbach, 31.10.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 10v-12r, hier fol. llr-v). 243

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Ybbs, 12.11.1524 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 1, fol. 203v-204r); Hofrat an Reichenbach, 17.11.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 15r). 244

Vermutlich wäre von den Eidgenossen eine entsprechende Erlaubnis auch nur schwer zu erhalten gewesen, nachdem bereits die Verlängerung des Geleits für Reichenbach und Sutor umstritten gewesen war und das Geleit Sutor dann auch tatsächlich verweigert wurde (Hofrat an Reichenbach, 10.11.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.ll*, fol. 14r-15r, hier fol. 14r). 245

Daß sowohl er als auch die Innsbrucker Regierung mit einer kürzeren Verhandlungsdauer gerechnet hatten, geht auch daraus hervor, daß er nur für einen Monat Zehrung erhalten hatte (Hofrat an Reichenbach, 31.10.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 10v-12r, hier fol. 10v)). Reichenbach war auf der Tagsatzung am 13. Oktober in Frauenfeld (EA 4/1 a, Nr. 218, S. 510). Nach Erledigung eines weiteren Auftrags in Konstanz kehrte er noch nicht nach Innsbruck zurück, sondern ging auch auf die Tagsatzung am 8. 11. in Luzem (ebd., Nr. 224, S. 524f.), obwohl ihn ein entsprechender Befehl aus Innsbruck erst verspätet erreichte.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

stanz, um ihm die Angelegenheit zu übergeben 246 - offensichtlich sah Reichenbach seine Aufgabe nicht als Gesandter für längere Zeit. Bereits auf der Tagsatzung in Einsiedeln am 23. November 1524 erschien dann Sturtzel als Gesandter Ferdinands in der Waldshuter Angelegenheit247, also lange bevor die Instruktion Ferdinands, die ihn offiziell mit der Aufgabe betraute, ihn erreichen konnte 248 . Im Unterschied zu Reichenbach sah Sturtzel seine Aufgabe offenbar von vornherein etwas langfristiger - schließlich hatte er bereits 1521 längere Zeit in der Eidgenossenschaft verbracht. Nach der Tagsatzung in Einsiedeln wartete er die Zürcher Antwort in Baden ab und richtete sich darauf ein, auch die nächste Tagsatzung am 11. Dezember in Baden zu besuchen249. Nicht nur Sturtzel selbst rechnete damit, für längere Zeit der Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft zu sein, auch die Regierung Innsbruck sah ihn offensichtlich so, da sie ihn anwies, bis auf einen weiteren Befehl nicht aus der Eidgenossenschaft abzureisen 250, und dies, obwohl die Instruktion vier Tage vorher ihn nur mit den gegenwärtigen Verhandlungen beauftragt hatte.

2. Dr. Jakob Sturtzel als ständiger Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft: Eine besondere Form der Diplomatie In dieser Schwebe blieb Sturtzels Position auch künftig: Tatsächlich übte er die Funktion eines ständigen Gesandten Ferdinands in der Eidgenossenschaft aus, ohne freilich ständig in der Eidgenossenschaft anwesend zu sein und ohne die Akkreditierung eines ständigen Gesandten und eine entsprechende Instruktion zu besitzen. Er erhielt vielmehr immer wieder Instruktionen für genau bezeichnete Verhandlungen, wie es für Sondergesandte typisch war, nahm daneben aber eine Vielzahl von Aufgaben in der Eidgenossenschaft wahr, für die er keine Instruktion besaß, eben die für einen ständigen Gesandten typische fort-

246

Hofrat an Sturtzel, 19.11.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 15v-16r).

247

EA 4/la, Nr. 226, S.531.

248

Instruktion Ferdinands für Sturtzel auf die nächste Tagsatzung der neun Orte der Eidgenossenschaft, 3.12.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 16r-17v). 249

Ferdinand an Sturtzel, 7.12.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 18r-20v, hier fol. 18r-v). 250

Ferdinand an Sturtzel, 7.12.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 18r-20v, hier fol. 20v).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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laufende Informationsbeschaffung und allgemeine Interessenvertretung seines Herrn. Dementsprechend war er, wenn es die Verhältnisse erforderten, wiederholt für längere Zeit in der Eidgenossenschaft. Dann wieder tauchte er dort monatelang nicht auf, ohne daß er in diesen Fällen jedoch wie ein ständiger Gesandter um Urlaub gebeten hätte. Sturtzels Position könnte deshalb als die eines ständigen Vertreters Ferdinands in der Eidgenossenschaft beschrieben werden. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß, wenn Ferdinand einen Vertreter in die Eidgenossenschaft entsandte, dies üblicherweise Sturtzel war; gleichzeitig soll seine Position damit aber von der genau definierten Stellung eines ständigen Gesandten abgegrenzt werden. Es liegt zwar keine Bestallung für Sturtzel als ständigen Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft vor, aber aus Sturtzels Besoldung ist ersichtlich, daß dies als fester zusätzlicher Tätigkeitsbereich angesehen wurde, für den er neben seinem Ratssold als Mitglied der Regierung Ensisheim ein zusätzliches Dienstgeld erhielt 251 . Erstmals findet sich dieses Dienstgeld im Raitbuch von 1521 2 5 2 , das Nebeneinander von Ratssold und Dienstgeld erstmals 1524 2 5 3 . Die Höhe des Dienstgeldes und der Besoldung läßt sich für diese frühe Zeit nicht sicher ermitteln, da die Zahlungen unregelmäßig erfolgten und bei den einzelnen Zahlungen nicht vermerkt ist, für welchen Zeitraum sie erfolgten. Ab 1530 ist dann zumindest die Höhe des Dienstgeldes zu ermitteln, es betrug 200 fl. jährlich 254 . Ab 1534 erfolgten die Zahlungen dann weitgehend regelmäßig, so daß sich nun auch der Ratssold sicher angeben läßt, ebenfalls 200 fl. jährlich. Insgesamt erhielt Sturtzel also 400 fl. jährlich, dazu kamen Erstattungen für ihm entstandene Ausgaben für Zehrung, Botenlohn, Kundschafter u.ä. Die letzte reguläre Bezahlung Sturtzels erfolgte am 26. März 1538 2 5 5 . Er erhielt

251

Diese Angaben sind den Raitbüchem der Innsbrucker Kammer zu entnehmen. Bei dem Dienstgeld ist zwar nicht vermerkt, für welche Dienste es gezahlt wurde, doch läßt die Parallelität zu den Zahlungen an Heggentzer ab 1542 nur den Schluß zu, daß es sich hier um die Bezahlung seiner Dienste in der Eidgenossenschaft handelte. 252

TLA Innsbruck, Raitbuch 1521, fol. 45v: 27.9. Dienstgeld für Dr. Sturtzel 50 fl.; 20.12. Dienstgeld für Dr. Sturtzel 50 fl. 253

TLA Innsbruck, Raitbuch 1524, fol. 141r-v.

254

Es finden sich nun nämlich immer Eintragungen wie "Abschlag der 200 fl. Extraordinaria: 50 fl." (z.B. TLA Innsbruck, Raitbuch 1530, fol. 520r-v). 255

30 Braun

TLA Innsbruck, Raitbuch 1538, fol. 142v.

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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also seine Bezahlung über sein Dienstende hinaus, möglicherweise weil man wußte, daß aus früheren Jahren noch einiges an Geldern ausstand. Wenn Sturtzel sich wie 1524/25 längere Zeit ununterbrochen in der Eidgenossenschaft aufhielt, so daß es leicht vorkommen konnte, daß die ihm ursprünglich zugesandte Instruktion die inzwischen eingetretene Entwicklung nicht mehr deckte, wurde diese durch die laufende Korrespondenz zwischen Sturtzel und der Innsbrucker Regierung ergänzt 256 . Der diesen längeren Aufenthalten Sturtzels in der Eidgenossenschaft innewohnenden Tendenz zur ständigen Gesandtschaft stellten sich die Eidgenossen freilich von Zeit zu Zeit entgegen: Als Sturtzel seit Ende November 1524 ununterbrochen in der Eidgenossenschaft gewesen oder zumindest auf allen Tagsatzungen aufgetreten war, wurde er auf der Tagsatzung am 27. Januar 1525 in Luzern aufgefordert, sich zu entfernen und vorläufig zu Hause zu bleiben 257 . Gegen eine solche Ausweisung waren der Gesandte und sein Auftraggeber machtlos. Man konnte lediglich versuchen, den Schaden so gering wie möglich zu halten, und mußte ansonsten auf bessere Zeiten hoffen. Die Innsbrucker Regierung wies Sturtzel deshalb an, vor seiner Abreise noch so viele Erkundigungen wie möglich einzuziehen, sich einiger Informanten in der Eidgenossenschaft zu versichern und sich dann nach Konstanz zu begeben, also möglichst nah am Orte des Geschehens zu bleiben 2 5 8 . Auf den Befehl aus Innsbruck reiste Sturtzel, der bereits wieder in En-

256

Die Beispiele hierfür sind zahllos: Eine entsprechende Reihe von Briefen sei hier für die erwähnte Zeit 1524/25 angeführt: Hofrat an Sturtzel, 13.12.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 20v-21r); Regierung Innsbruck an Sturtzel, 29.12.1524 (ebd., fol. 22r23v); Regierung Innsbruck an Sturtzel, 20.1.1525 (ebd., fol. 25r-v); Regierung Innsbruck an Sturtzel, 26.1.1525 (ebd., fol. 25v-26r); Regierung Innsbruck an Sturtzel, 28.1.1525 (ebd., fol. 26v-27r). 257

EA 4/1 a, Nr. 244, S. 571. Daß dies gerade auf einer Tagsatzung in Luzem geschah, läßt aufhorchen. Da der gastgebende Ort stets einen überdurchschnittlichen Einfluß auf den Tagungsablauf und die Verhandlungsführung hatte, weshalb ausländische Mächte auch, wenn irgend möglich, auf bestimmten Tagungsorten bestanden, erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß gerade Luzem hinter dieser Ausweisung des österreichischen Gesandten stand. 258

Regierung Innsbruck an Sturtzel, 7.2.1525 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 32r-33r, hier fol. 32r-v). In Zürich sollte Sturtzel Meister Jacob Viecher bitten, ihn ständig auf dem laufenden zu halten, und ihm dafür eine "Verehrung" von Ferdinand versprechen. Ebenso sollte Sturtzel den Thurgauer Landvogt um ständige Benachrichtigung ersuchen. Der Konstanzer Domherr Dr. Johann Meßnang, der als gut österrei-

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sisheim gewesen war, nach Konstanz und berichtete von dort über die Geschehnisse in der Eidgenossenschaft 259. Nach einigen Monaten in Konstanz kehrte Sturtzel in die Eidgenossenschaft zurück. Offenbar war man der Ansicht, daß nun genügend Zeit verstrichen sei, um eine neue Mission rechtfertigen zu können. Neben den Ereignissen um Waldshut, der Bauernerhebung und den Umtrieben Herzog Ulrichs war in den letzten Wochen, nicht zuletzt verursacht durch den Sieg des kaiserlichen Heeres bei Pavia am 24. Februar 1525, die Möglichkeit, einige oder alle Orte zum Bruch des französischen Bündnisses bewegen zu können, ins Blickfeld gerückt 260 . Über beide Themenkomplexe trug Sturtzel auf der Tagsatzung am 28. Mai 1525 in Frauenfeld vor 2 6 1 . Sturtzel trat dort zwar als Gesandter Ferdinands auf, handelte aber praktisch für Ferdinand und Karl 2 6 2 . Dies sah konkret so aus, daß Sturtzel den Eidgenossen das Angebot Ferdinands unterbreitete, zwischen ihnen und Karl über eine Konföderation zu verhandeln, um den Eidgenossen auf diesem Weg zu dem Geld zu verhelfen, das ihnen der französische König aufgrund des Soldbündnisses noch schuldete, das er ihnen wegen seiner derzei-

chisch bekannt war, sollte für Sturtzel Erkundigungen in der Eidgenossenschaft einziehen (ebd., fol. 32v). Sturtzel wartete diesen Befehl übrigens gar nicht ab, sondern reiste aus der Eidgenossenschaft direkt nach Ensisheim weiter und schrieb bereits am 8.2.1525 aus Ensisheim, also bevor das Innsbrucker Schreiben ihn erreichen konnte (Regierung Innsbruck an Sturtzel, 16.2.1525 (ebd., fol. 33r-v)). 259

Schreiben Sturtzels vom 1.3.1525 (Ferdinand an Sturtzel, 5.3.1525 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 37r)); von Mitte März (Ferdinand an Sturtzel, 24.3.1525 (ebd., fol. 37r-v)); vom 24.3.1525 (Regierung Innsbruck an Sturtzel, 28.3.1525 (ebd., fol. 38rv)). 260

Regierung Innsbruck an Sturtzel, 28.3.1525 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 38r-v); Ferdinand an den Herzog von Mailand, 1.4.1525 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 1, fol. 208r); Regierung Innsbruck an Sturtzel, 8.4.1525 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 39r); Regierung Innsbruck an den Vizekönig von Neapel und den Herzog von Mailand, 8.4.1525 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 1, fol. 21 Or); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 4.5.1525 (FK 1, Nr. 139, S. 294-298, hier S. 296). 261 262

EA 4/1 a, Nr. 276, S. 670.

In den EA wird Sturtzel ausdrücklich als Gesandter Ferdinands bezeichnet (EA 4/1 a, Nr. 276, S. 670), die von ihm den Eidgenossen übergebene Credenz und Instruktion sind nicht erhalten, stammten aber mit Sicherheit von Ferdinand. 30*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

tigen Gefangenschaft nun aber weniger denn je bezahlen könne 263 . Was hier wie das Angebot der Rolle des ehrlichen Maklers klang und so auch klingen sollte, war selbstverständlich der - in der innerhabsburgischen Korrespondenz klar ausgesprochene - Versuch, die Eidgenossen zur Aufkündigung des französischen Bündnisses zu bewegen 264 . Freilich war es ein allzu durchsichtiger Versuch: Auf der nächsten Tagsatzung wurde erneut das Heimbringen dieses Punktes beschlossen265, danach taucht diese Frage nicht mehr auf den Tagsatzungen auf. Aufschlußreich ist dieses Anbringen denn auch weniger von seiner inhaltlichen Seite her, als unter dem Aspekt, wie versucht wurde, ein Anliegen, das in erster Linie ein Anliegen Karls war, durch den Gesandten Ferdinands bei den Eidgenossen vorbringen zu lassen. Formal wurde streng daran festgehalten, daß Sturtzel nur der Gesandte Ferdinands war; theoretisch denkbar, wenn auch aufgrund der Entfernung nach Spanien zumindest nicht kurzfristig durchführbar, wäre ja auch eine Bevollmächtigung Sturtzels durch Ferdinand und Karl gewesen. Statt dessen griff man zu der etwas künstlichen Konstruktion eines Vermittlungsangebotes Ferdinands zwischen Karl und den Eidgenossen. Auch künftig wurden derartige Formalitäten genau beachtet, wenn Sturtzel Aufträge wahrnahm, bei denen er eigentlich im Dienst Karls handelte. Unproblematisch war dies, solange er lediglich französische Anwerbungen oder Praktiken auskundschaften sollte, da er dabei nicht offiziell auftreten mußte. Handelte es sich aber darum, die Eidgenossen von einer Unterstützung der Gegner Karls abzumahnen, tat Sturtzel dies unter Verweis auf die Erbeinung, bei der ja nicht zuletzt Ferdinand Vertragspartner der Eidgenossen war 2 6 6 . Eine weitere Möglichkeit bestand darin, eine Sache Karls als die des Kaisers und damit als 263

EA 4/1 a, Nr. 276, S. 670.

264

Karl an Ferdinand, Madrid, 26./31.3.1525 (FK 1, Nr. 133, S. 277-281, hier

S. 279). 265 266

EA 4/1 a, Nr. 285, S. 689.

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Speyer, 20.6.1526 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 1, fol. 371r-v): Ferdinand entsandte Sturtzel und Ulrich von Habsberg auf die nächste Tagsatzung, um die Eidgenossen angesichts der päpstlichen und venezianischen Umtriebe in der Eidgenossenschaft zur Einhaltung der Erbeinung zu ermahnen. Unter Bezug auf die Erbeinung wurden die Eidgenossen kurz darauf auch aufgefordert, sich nicht am französischen Zug gegen Mailand zu beteiligen (EA 4/1 a, Nr. 377, S. 963; Ulrich von Habsberg und Sturtzel an Ferdinand, Luzem, 20.7.1526 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 14r-16r)).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Reichsangelegenheit darzustellen, in diesem Fall konnte Ferdinand als Statthalter Karls handeln 267 . Bei solchen Missionen, die über das reine Routinegeschäft hinausgingen und auf einen gesonderten Auftrag hin erfolgten, reiste Sturtzel häufig nicht allein in die Eidgenossenschaft, sondern wurde von einem der Adligen begleitet, die in der Nähe der Eidgenossenschaft entlang des Rheins saßen und in österreichischem Dienst standen, d.h. zur habsburgischen Klientel in den Vorlanden gehörten, die bei Bedarf auf Abruf für vielfältige Dienste bereitstand 268. Dies soll an einigen Beispielen erläutert werden: Wolf von Homburg hatte bereits einigen der großen Gesandtschaften Karls angehört, 1524 war er zur Ablieferung des Erbeinungsgeldes in Zürich 269 , Anfang 1525 sollte er zusammen mit Sturtzel auf eine Tagsatzung abgeordnet werden 270 . Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre war dann sein Sohn Adam von Homburg vielfach in österreichischem Dienst tätig, wenn es um eidgenössische Angelegenheiten ging. So war er einer der Kommissare, die für die Christliche Vereinigung während des Ersten Kappeler Krieges in Waldshut saßen 271 . Verschiedene Male war auch Ulrich von 267

Als bereits kurz nach dem Friedensschluß von Madrid 1526 Gerüchte aufkamen, Frankreich wolle den Frieden brechen, wurden die Eidgenossen ermahnt, zum Reich zu halten und Frankreich zur Einhaltung des Friedens zu bewegen (EA 4/1 a, Nr. 371, S. 957). 268

Dazu zuletzt N. Lupke-Niederich, Habsburgische Klientel im 16. Jahrhundert: Hugo von Montfort im Dienste des Hauses Habsburg, in: Rabe, Karl V , S. 137-161. 269

Regierung Innsbruck an Sturtzel, 7.12.1524 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.ll*, fol. 18r-20v, hier fol. 19v). 270

Instruktion der Regierung Innsbruck für Wolf von Homburg und Sturtzel, 31.1.1525 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.ll*, fol. 27r-30v). Die Gesandtschaft kam freilich nicht zustande, weil die Vermittlungsbemühungen in der Waldshuter Angelegenheit inzwischen gescheitert waren. Die Herren von Homburg saßen auf der Homburg bei Stahringen, unweit von Radolfzell. Wolf von Homburg war erst im Dienst Maximilians, dann im Dienst Karls und Ferdinands in verschiedenen Missionen tätig, nicht zuletzt in der Eidgenossenschaft. Er starb 1525 (Am 31.1.1525 sollte er als Gesandter in die Eidgenossenschaft geschickt werden, bereits am 7.12.1525 wurde auf der Tagsatzung wegen seines Erbes im Thurgau verhandelt (EA 4/1 a, Nr. 328, S. 810)). 271

1527 wurde Adam von Homburg als Diener anstelle Wolfs angenommen (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 16.3.1527 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 3, fol. 16v-17r)); kurz darauf erfolgte die Ernennung zum "Rat von Haus aus" (ebd., fol. 31 v). 1532 war er zusammen mit Sturtzel in der Eidgenossenschaft (EA 4/1 b,

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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Habsberg, der Hauptmann der vier Waldstädte am Rhein, der Begleiter Sturtzels in die Eidgenossenschaft, so 1526, als die beiden die Eidgenossen zur Einhaltung der Erbeinung, d.h. zur Nicht-Unterstützung der Gegner Karls in Italien, ermahnen sollten 272 . Einer der Nachfolger Habsbergs als Vogt von Rheinfelden 273 , Hans Friedrich von Landeck, begleitete Sturtzel 1534 in die Eidgenossenschaft, um den Streit mit Bern wegen in Waldshut gelegener Güter des Klosters Königsfelden, die von Österreich arrestiert worden waren, zu beenden 2 7 4 .

Nr. 669, S. 1260; Regierung Innsbruck an Ferdinand, 9.3.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 5, fol. 18r-19r); Regierung Innsbruck an Adam von Homburg, 29.3.1532 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.12*, fol. 43v); Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 22.4.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 5, fol. 43r-45r); Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Regensburg, 29.4.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 4, fol. 37v-38v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 5.5.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 5, fol. 45r-v); Regierung Innsbruck an Bernhard von Cles, 25.5.1532 (ebd., fol. 54v-55r)). 272

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Speyer, 20.6.1526 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 1, fol. 371r-v); EA 4/la, Nr. 371, S. 953; Ulrich von Habsberg und Sturtzel an Ferdinand, Luzem, 20.7.1526 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 14r-16r); Ulrich von Habsberg und Sturtzel an Ferdinand, Waldshut, 6.8.1526 (ebd., fol. 24r-26r). Ende 1526 wurden Sturtzel und Habsberg emeut gemeinsam mit einer Mission in die Eidgenossenschaft betraut (EA 4/la, Nr. 412, S. 1023), die aber offenbar nicht zustandekam. Ob es sich dabei um den Auftrag handelte, dessen Ausführung Sturtzel und die Regierung Innsbruck einige Monate später für nicht ratsam hielten (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 13.5.1527 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 43r-v); Regierung Innsbruck an Sturtzel, 18.6.1527 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 41v)), ist nicht festzustellen. 273

1528 war Habsberg das letzte Mal in der Eidgenossenschaft (Regierung Innsbruck an Graf Friedrich von Fürstenberg, Ulrich von Habsberg, Hans von Fridingen, Dr. Sturtzel, 4.3.1528 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 2, fol. 186r); EA 4/la, Nr. 517, S. 1292). Ende 1528/Anfang 1529 starb Habsberg: Am 21.11.1528 wird noch von einem Treffen Habsbergs und Eitelecks von Reischach mit einigen eidgenössischen Politikern in Basel berichtet (Rudolf von Sulz an Regierung Innsbruck, Küssaberg, 21.11.1528 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 71r-72v, hier fol. 71v)); am 6.3.1529 wird Eiteleck von Reischach an Stelle des verstorbenen Habsberg zu Verhandlungen nach Waldshut abgeordnet (Regierung Innsbruck an Eiteleck von Reischach, 6.3.1529 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 58r-v)). 274

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 1.8.1534 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 5, fol. 36 lv); Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 1.8.1534 (HStA

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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War nach dem Bauernkrieg zunächst für einige Zeit Ruhe eingekehrt im eidgenössisch-vorderösterreichischen Grenzgebiet, so daß kaum diplomatische Aktivitäten in der Eidgenossenschaft nötig waren, so wich diese Ruhe geradezu schlagartig einer aufgeregten Geschäftigkeit, als erste Gerüchte über den bevorstehenden Abschluß eines Bündnisses zwischen Konstanz und Zürich auftauchten. Österreich registrierte zwar auch die Aussicht auf ein konfessionelles Bündnis mit Mißfallen, ordnete das Gerücht aber vor allem ein in die Reihe wiederholter Versuche der Konstanzer, Anschluß an die Eidgenossenschaft zu finden. Daß erneut ein "Schweizerisch-Werden" von Konstanz drohte, versetzte die österreichischen Behörden in höchste Alarmbereitschaft 275. Dies ist unter anderem an der Zusammensetzung der Gesandtschaft ablesbar, die Ende Januar 1528 - als das Burgrecht zwischen Konstanz und Zürich freilich längst unterzeichnet war - in die Eidgenossenschaft instruiert wurde: Neben Dr. Sturtzel sollten Graf Friedrich von Fürstenberg und Hans von Fridingen vor der Tagsatzung die österreichische Position vertreten, nachdem schriftliche Vorhaltungen fruchtlos geblieben waren 276 . Friedrich von Fürstenberg ragte schon aufgrund seines gräflichen Ranges aus der Reihe österreichischer Gesandter hervor, die bisher im Auftrag Ferdinands in der Eidgenossenschaft tätig geworden waren, und Hans von Fridingen hatte als Landvogt in Schwaben einen der wichtigsten Posten inne, den Habsburg im Südwesten zu vergeben hatte 277 . Im Laufe der

Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 61v-62r); Credenz für Sturtzel und Hans Friedrich von Landeck für ihre Verhandlungen in der Eidgenossenschaft, 1.8.1534 (ebd., fol. 62v); Regierung und Kammer Innsbruck an Landeck, 1.8.1534 (ebd., fol. 62v); EA 4/1 c, Nr. 194, S. 361; Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 21.8.1534 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 63r); Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 1.9.1534 (ebd., fol. 64v); Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 4.9.1534 (ebd., fol. 64r-v); Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 20.9.1534 (ebd., fol. 65r); Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 14.10.1534 (ebd., fol. 65v-66r). 275

Siehe dazu Dobras, Konstanz zur Zeit der Reformation, S. 63; Rüblack, Einführung, S. 120-126. 276

Instruktion Ferdinands für Graf Friedrich von Fürstenberg, Hans von Fridingen, Sturtzel in die Eidgenossenschaft, Innsbruck, 26.1.1528 (HHStA Wien, Vorderösterreich 1, fol. 215r-216v). 277

Daß die Zusammensetzung der Gesandtschaft keineswegs zufällig war, geht auch aus einem Schreiben der Regierung Innsbruck an die Regierung in Ensisheim hervor. Die Regierung Innsbruck teilte hier mit, daß sie alles versuche, damit das Burgrecht wieder aufgelöst werde, und daß sie deshalb jetzt "ain ansechliche Botschaft" in die Eidgenossenschaft schicke (Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 26.1.1528

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Verhandlungen stieß dann auch noch Ulrich von Habsberg zu der Gesandtschaft 278 . All diese Bemühungen waren indessen vergebens: Konstanz, Zürich und Bern waren nicht gewillt, von ihrem Bündnis abzurücken, und die anderen Orte sahen keine Möglichkeit, sie davon abzubringen. Aus der Zusammensetzung der Delegation läßt sich ablesen, welcher Stellenwert der Verhandlung beigemessen wurde. Man gehorchte keinesfalls der Not und verordnete einfach die Personen, die sich gerade zufällig in der Nähe aufhielten. Es fand vielmehr eine sorgfältige Auswahl statt, bei der neben der Sachkenntnis, für die in dieser Zeit stets Sturtzel sorgte, der Rang der in Frage kommenden Männer eine wichtige Rolle spielte. Und dies galt eben auch für Gesandtschaften zu den Eidgenossen, die ja selbst nicht Teil dieser adligen Welt waren. Daß Sturtzel zwar der Fachmann für eidgenössische Angelegenheiten war, trotzdem aber "nur" für das Routinegeschäft eingesetzt wurde, während man Verhandlungen von weitreichender Bedeutung eigens zusammengestellten und auch adlig besetzten Gesandtschaften übertrug, zeigte sich erneut und besonders deutlich bei den Verhandlungen zur Christlichen Vereinigung 1529. Zu den eigentlichen Vertragsverhandlungen in Feldkirch und später in Waldshut wurde Sturtzel zwar hinzugezogen, war aber nur ein Gesandter in einer größeren Delegation. Offenbar handelte es sich hier in der Sicht der Innsbrucker Regierung um eine ganz andere Verhandlungsebene, die eben auch die Entsendung ganz anderer Personen erforderte. In der Krisensituation vor, während und nach dem Ersten Kappeler Krieg 1529 wurde noch eine weitere Funktion Sturtzels deutlich sichtbar, nämlich die der Organisation der Informationsbeschaffung. Ohne daß Details zu erfahren sind, zumal Namen aus Sicherheitsgründen in der Korrespondenz nicht genannt wurden, ist doch erkennbar, daß Sturtzel eine ganze Reihe von Kundschaftern angeworben hatte, die ihn mit Informationen aus der Eidgenossenschaft ver-

(TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 2, fol. 134r-v)); auch die Innsbrucker Regierung betonte also eigens, daß es sich um eine höherrangig als üblich besetzte Gesandtschaft handelte. 278

Regierung Innsbruck an Friedrich von Fürstenberg, Ulrich von Habsberg, Hans von Fridingen, Sturtzel, 4.3.1528 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 2, fol. 186r; GLA Karlsruhe, 67/527, fol. 155v-156r); EA 4/la, Nr. 517, S. 1292.

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sorgten. Hin und wieder schickte er solche Kundschaften in Kopie weiter 279 , häufiger faßte er sie zusammen280, meist erfährt man von der Existenz der Kundschafter aber vor allem aus den Anforderungen Sturtzels um Geld für deren Bezahlung und der daraus folgenden Korrespondenz 281. Ihre Tätigkeit war für die Kundschafter nicht ganz ohne Risiko - um so mehr waren sie auf einen zuverlässigen Ansprechpartner angewiesen und das bedeutete eben auch: auf einen konstanten Ansprechpartner über längere Zeit. Eine solche Funktion konnte nicht eine Behörde wie die Regierung in Ensisheim wahrnehmen, hier bedurfte es des persönlichen Kontaktes und des persönlichen Vertrauensverhältnisses282. Auch unter diesem Aspekt war es wichtig, daß die eidgenössischen Angelegenheiten bei Sturtzel in einer Hand lagen, auch wenn ihm immer wieder andere Personen beigeordnet wurden. Durch das Konstanzer Burgrecht mit Zürich und Bern und vollends durch den Ersten Kappeler Krieg hatte die konfessionelle Frage in den Beziehungen Ferdinands zu den Eidgenossen eine dominierende Stellung eingenommen. Mit den Eidgenossen Politik unter konfessionellen Vorzeichen zu betreiben, be279

Regierung Innsbruck an Sturtzel, 27.8.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 2, fol. 497r-v); Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 1.10.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/5, fol. 33r, 38r), mit Kundschaft vom 28.9.1529 (ebd., fol. 34r-35r). 280

Regierung Innsbruck an Sturtzel, 5.1.1530 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 11*, fol. 60v); Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 6.1.1530 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 21)). 281

TLA Innsbruck, Raitbuch 1528, fol. 428v: Zahlung an Sturtzel zur Bezahlung der Person, die er auf königlichen Befehl in Luzem hat. 1529 erhielt Sturtzel dreimal Geld für das Halten von Kundschaftern in der Eidgenossenschaft, und zwar am 8.2. 100 fl. (TLA Innsbruck, Raitbuch 1529, fol. 495v), am 22.9. 50 fl. (ebd., fol. 496r) und am 8.10. 76 fl. (ebd.). Auch 1530 erhielt Sturtzel eine entsprechende Zahlung, und zwar am 20.4. 50 fl. für Kundschaften und Botenlohn (TLA Innsbruck, Raitbuch 1530, fol. 512r). Siehe auch: Regierung Innsbruck an Ferdinand, 7.10.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/5, fol. 39r); Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 8.10.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 3, fol. 399v-400r); Regierung Innsbruck an Sturtzel, 9.10.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 2, fol. 518r); Statthalter und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 22.4.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 6, fol. 146r-148r, hier fol. 146r); Statthalter und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 14.9.1532 (ebd., fol. 359v); Regierung Innsbruck an Sturtzel, 24.9.1532 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 45v). 282

Während des Ersten Kappeler Krieges spielte übrigens Mark Sittich von Hohenems für die östliche Eidgenossenschaft eine ähnliche Rolle.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

deutete für Ferdinand, mit den evangelischen und den katholischen Orten teilweise gesondert in Kontakt zu treten, mit den beiden Gruppen unterschiedliche Fragen zu verhandeln, in konfessionellen Fragen den katholischen Orten - wenn auch unverbindlich - Unterstützung zuzusagen. Im Unterschied zu Karl, der nach einer Pause von gut zehn Jahren die Beziehungen zur Eidgenossenschaft überhaupt erst unter konfessionellen Vorzeichen wieder aufnahm und über einige Jahre hinweg Kontakte nur zu den katholischen Orten unterhielt, beschränkte Ferdinand seine Aktivitäten also nicht allein auf die katholischen Orte. Dies wäre für Ferdinand auch kaum möglich gewesen: Mit Basel und Schaffhausen lagen zwei evangelische Städte direkt an der Grenze, Zürich war ebenfalls stark nach Norden orientiert. Zudem beschäftigte die Auseinandersetzung um die Einkünfte der Klöster Stein a.Rh. bzw. Königsfelden auf österreichischem Gebiet, die von Zürich bzw. Bern beansprucht wurden, jahrelang die Politiker der beiden Städte und die österreichischen Behörden 283 . Dieses Problem war eine der Hauptagenden, die Sturtzel bei seiner Arbeit in der Eidgenossenschaft Anfang der 30er Jahre beharrlich begleiteten284. Zu den regelmäßigen Aufgaben Sturtzels gehörte selbstverständlich auch alles, was mit der Bezahlung des österreichischen Anteils des Erbeinungsgeldes zusammenhing. Dabei war die Übergabe des Geldes an die Eidgenossen noch das Einfachste. Weit schwieriger war es, für die Beschaffung des Geldes zu sorgen. Dazu bedurfte es zumeist zahlreicher Schreiben nach Innsbruck, um die Regierung und die Kammer auf die Fälligkeitstermine aufmerksam zu machen, wobei Sturtzel stets auf die Wichtigkeit einer zuverlässigen Bezahlung hinwies. Einmal verhandelte Sturtzel sogar selbst mit den Ständen der Vorlande, um das Geld zu beschaffen - kurzum, es war ein reichlich mühsames Geschäft, das Sturtzel hier praktisch "qua Amt" zufiel. Denn einer eigenen Beauftragung bedurfte es in dieser Frage nicht, es gehörte zu Sturtzels selbstverständlichen Pflichten, dafür Sorge zu tragen, daß diese für das Verhältnis der Eidgenossen zu Österreich so wichtigen Zahlungen möglichst reibungs- und lückenlos erfolgten. Sturtzel hat sich dieser Pflicht beharrlich unterzogen und war damit letztlich auch recht erfolgreich - mehr als den weiter entfernt sitzenden Behörden waren ihm ja auch die negativen Folgen einer Nichtbezahlung bewußt.

283 284

Siehe dazu oben, S. 308f.

Es ist nicht möglich, hier alle Belegstellen aufzuführen, allein ein Blick in das Register der EA zeigt, wie häufig das Thema auf der Tagesordnung stand.

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Abgesehen von dem Streit mit Zürich und Bern wegen der Klostereinkünfte war das Verhältnis zwischen Österreich und den Eidgenossen in dieser Zeit nicht von größeren Spannungen belastet. Die Tätigkeit des österreichischen Gesandten erschöpfte sich weitgehend in der Routine, entsprechend dünn sind zumeist die Nachrichten. Auch wenn größere Verhandlungen also nicht zu führen waren, reiste Sturtzel dennoch immer wieder auf die Tagsatzungen285. Konkret ging das folgendermaßen vor sich: Wenn Sturtzel einen Auftrag erhalten hatte, der sein Erscheinen auf der Tagsatzung notwendig machte, meldete er dies den Eidgenossen286. Daraufhin teilten die Eidgenossen Sturtzel den Termin der nächsten Tagsatzung m i t 2 8 7 - vorausgesetzt, sie waren an seinem Erscheinen interessiert -, und Sturtzel konnte sich von Ensisheim auf den Weg machen 288 . Wenn es sich um langwierige Verhandlungen handelte, die von einer Tagsatzung auf die nächste vertagt wurden, war der Zeitpunkt der nächsten Tagsat285

Wenn er dort nicht wegen der Klostereinkünfte verhandelte oder das Erbeinungsgeld übergab bzw. dessen Ausbleiben entschuldigte, erfährt man von diesen Aufenthalten häufig nur in dürren Meldungen, in denen sich Ferdinand oder die Regierung Innsbruck für seine Berichterstattung von der Tagsatzung bedankten. Siehe z.B. Regierung Innsbruck an Sturtzel, 17.8.1533 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 48r); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 29.9.1533 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 4, fol. 277v-278v, hier fol. 278r). Selbst in diesen Fällen ist nicht immer eindeutig zu entscheiden, ob Sturtzel persönlich auf der Tagsatzung anwesend war, über die er berichtete, oder ob es sich dabei um Berichte aus zweiter Hand handelte. Sicher scheint jedenfalls, daß Sturtzel häufiger auf Tagsatzungen bzw. zur Zeit der Tagsatzung am Ort der Tagsatzung anwesend war, als aus den EA hervorgeht. 286

An wen diese Meldung genau ging, ist nicht festzustellen. Wahrscheinlich ist der Weg über den Landvogt in Baden: 1535 berichtete der Landvogt an Zürich, daß Stünzels Sekretär ihn gebeten habe, sobald eine Tagsatzung angesetzt werde, ihm dies zu berichten, damit er Sturtzel informieren könne (Benedikt Schütz an Zürich, 22.7.1535 (StA Zürich, A 184.1, Nr. 215)). Wenn dies der übliche Weg war, worüber es freilich keine Nachrichten gibt, weder bestätigende noch widersprechende, hieße das, daß Sturtzel einen Kontaktmann in Baden sitzen hatte, der außer Schreiber- wohl auch Kundschafterdienste versah und an den er sich in solchen Fällen wandte. 287

EA 4/1 c, Nr. 309, S. 532. Da Sturtzel in diesem Fall die Bezahlung des Erbeinungsgeldes angekündigt hatte, bestand an der Wünschbarkeit seines Erscheinens kein Zweifel. 288 j m vorliegenden Fall erschien Sturtzel tatsächlich wie angekündigt mit dem Geld auf der Tagsatzung (Bericht über die Tagsatzung in Baden von 17.-20.8.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 33r-34r); Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 24.8.1535 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 21))).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

zung jeweils bekannt. Dann stellte sich für Sturtzel nur die Frage, ob er solange in der Eidgenossenschaft bleiben wollte und durfte oder ob er nach Ensisheim zurückkehrte und zum angekündigten Termin wieder anreiste. Im allgemeinen war eine solche Wartezeit aber eine gern wahrgenommene Gelegenheit für einen längeren Aufenthalt in der Eidgenossenschaft, der vielfältige Möglichkeiten für Erkundigungen, Kontakte, kurz: "Praktiken", bot 2 8 9 . Daß die Aufgaben eines solchen ständigen Vertreters, besonders wenn er über so lange Jahre hinweg seinen Dienst versah, über das übliche diplomatische Geschäft hinausgehen konnten, zeigt ein Detail aus dem Jahre 1534. Luzern hatte sich an Sturtzel gewandt, um sich über die Möglichkeiten des Getreidekaufs in Ensisheim zu erkundigen, vermutlich, um in dieser Hinsicht weniger von den evangelischen Städten abhängig zu sein. Sturtzel erteilte nicht nur die gewünschte Auskunft, sondern stellte den Luzernern auch seine Hilfe in Aussicht, falls sie den Ensisheimer Markt besuchen wollten 290 . Sturtzel versah immerhin bereits anderthalb Jahrzehnte seinen Dienst in der Eidgenossenschaft, als im September 1536 erstmals erwähnt wurde, daß er eine Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen nicht übernehmen könne 291 . Ein dreiviertel Jahr später mußte er dann endgültig den Dienst quittieren 292 , kurz darauf starb er. 289

In einem anderen Fall sollte Sturtzel ebenfalls auf die nächste Tagsatzung geschickt werden. Sturtzel entsandte deshalb einen Boten in die Eidgenossenschaft, um sich umzuhören, ob in nächster Zeit eine Tagsatzung stattfinden solle (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 25.1.1537 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 6, fol. 110v)). Ob Sturtzel hier einen Auftrag hatte, der den Eidgenossen nicht von vornherein erwünscht war, so daß er nicht ohne weiteres auf eine offizielle Einladung rechnen konnte, ob er seinen Kontaktmann in Baden verloren hatte oder aus welchen Gründen sonst er diesen Weg wählte, ist nicht klar, da weitere Nachrichten über diesen Vorgang fehlen. 290

Sturtzel an Luzem, Ensisheim, 27.4.1534 (StA Luzem, Al Fl Sch. 56). Sturtzel teilte den Luzemem die üblichen Preise und Maße mit, informierte sie darüber, daß der Markt jeweils dienstags stattfinde und daß das Kom in kleinen Schiffen angeliefert werde. Er wußte darüber hinaus, daß es viel Weizen, aber wenig Roggen gebe, kurzum, er gab eine durchaus kompetente Antwort, mit der die Fragesteller wohl zufrieden sein konnten. 291

Gruyeres an Granvelle, Baden, 7.9.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 312r-v, 315r-v, hier fol. 312r). 292

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 19.5.1537 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 5, fol. 482r-483r, hier fol. 482v).

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3. Die Suche nach einem Nachfolger für Sturtzel: Die Anforderungen an einen ständigen Vertreter Nun wurde die Kehrseite einer derartigen Spezialisierung deutlich. Da Sturtzel in den letzten anderthalb Jahrzehnten weitgehend das Monopol für die Vertretung Österreichs in der Eidgenossenschaft besessen hatte, stand jetzt niemand bereit, der über entsprechende Kenntnisse verfügte, um die entstandene Lücke füllen und fortan für Ferdinand in der Eidgenossenschaft tätig sein zu können. Als wenige Wochen nach Sturtzels "Rücktritt" erneut Verhandlungen in der Eidgenossenschaft anstanden, wies die Innsbrucker Regierung ihre Ensisheimer Kollegen an, jemanden aus ihren Reihen oder eine sonst taugliche Person zu den Verhandlungen zu entsenden. Die Regierung in Ensisheim mußte aber eingestehen, "dann solches keynem uß uns gelegen, kondten auch das nit thun", und empfahl deshalb die Entsendung Balthasars von Ramschwag, der sich in der Eidgenossenschaft gut auskenne und dort auch angesehen sei 2 9 3 . Balthasar von Ramschwag, Vogt auf Gutenberg 294 , informierte die Innsbrucker Regierung seit langem fortlaufend über die Vorgänge in den Drei Bünden und übte dort über Jahrzehnte eine ähnliche Funktion aus wie bisher Sturtzel in der Eidgenossenschaft 295. Ein einziges Mal hatte ihn Ferdinand auch in die 293

Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 4.7.1537 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 21)). 294

Gutenberg liegt auf der rechten Rheinseite gegenüber von Sargans, heute im südöstlichsten Zipfel Liechtensteins. 295

Er ist als österreichischer Gesandter in den Drei Bünden von 1526 bis 1549 nachzuweisen. Einige Beispiele mögen hier genügen: 1526 war Balthasar von Ramschwag wegen Michael Gaismair, der sich angeblich in Graubünden aufhielt, auf einem Tag der Drei Bünde (Abschied eines Tags der Drei Bünde, Davos, 7.5.1526 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 1 lr-12r)); bald darauf, um die Bünde zu ermahnen, keine Söldner nach Italien ziehen zu lassen (Hofrat an Ferdinand, 14.6.1526 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An fürstl. Durchl. 2, fol. 287r-v)). Die Aufhebung von Klostergut im Prättigau veranlaßte seine Entsendung 1528 (Instruktion Ferdinands für Balthasar von Ramschwag auf einen Tag der Drei Bünde, 24.10.1528 (HHStA Wien, Schweiz 7/4, fol. 60rv)). Im Zusammenhang mit der Glaubensfrage stand auch seine Mission im Frühjahr 1532 (Ferdinand an Jakob Khuen und Balthasar von Ramschwag, 23.4.1532 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 139r-v)). Bei einer seiner letzten Gesandtschaften verhandelte Balthasar von Ramschwag zusammen mit Hans Khuen mit den Drei Bünden wegen des unerlaubten Wegtreibens von Vieh von königlichem Grund (Abschied des Tags der Drei Bünde, Ilanz, 20.7.1549 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 295r); Hans Khuen an Regierung Innsbruck, Naudersberg, 3.8.1549 (ebd, fol. 292r-293r)). Als 1555 der französi-

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Eidgenossenschaft geschickt, und zwar 1531 als Gesandten zu den fünf Orten 2 9 6 . Neben Balthasar von Ramschwag war in dieser Zeit Ulrich von Schellenberg als Gesandter im Gespräch. Als Vogt zu Feldkirch saß er ebenfalls an der östlichen Grenze der Eidgenossenschaft, von wo er der Regierung Innsbruck regelmäßig Berichte schickte 297 . Über diese aktuellen Notwendigkeiten hinaus strebte man aber eine dauerhafte Lösung an, das heißt, es wurde nach einem Nachfolger für Sturtzel gesucht. Bei dieser Suche wurden zuerst die anderen Ensisheimer Regenten gemustert. Die Konstruktion, einen Rat der Ensisheimer Regierung zu benennen, der dann jeweils zu Verhandlungen in die Eidgenossenschaft abgeordnet werden konnte, sollte also möglichst beibehalten werden - offenbar war man der Meinung, daß diese Praxis sich bewährt hatte. Die Suche gestaltete sich aber außerordentlich schwierig. Dies lag freilich nicht so sehr an einem Mangel an geeigneten Personen, sondern eher daran, daß die Aufgabe offenbar als wenig attraktiv galt. Auf die Absage Dr. Georg Schmotzers 298 schlug die Innsbrucker

sehe Gesandte in Graubünden den Bischof von Chur bat, ihm einen Mann zu nennen, dem er eine wichtige Botschaft zur Weiterleitung an Ferdinand anvertrauen könne, verwies ihn dieser an Ramschwag. Der französische Gesandte bestand darauf, daß Ramschwag diese Botschaft Ferdinand nur mündlich überbringen dürfe, was Ramschwag zunächst unter Hinweis auf sein Alter - er war ca. 60 Jahre - ablehnte. Ramschwag ließ sich schließlich doch erweichen und machte sich auf den Weg nach Augsburg (Ferdinand an Karl, Augsburg, 30.7.1555 (Lanz, Correspondenz 3, Nr. 990, S. 668-673, hier S. 671)). 296

EA 4/1 b, Nr. 655, S. 1229. Wenn die Regierung Ensisheim die Ansicht vertrat, daß Ramschwag für eine Mission in die Eidgenossenschaft, auch wegen seines dortigen Ansehens, wohl geeignet sei, so steckte dahinter wohl eine weitgehende Zuordnung der Drei Bünde zur Eidgenossenschaft. Ramschwag ist 1537 übrigens nicht in der Eidgenossenschaft nachzuweisen; was aus den angekündigten Verhandlungen geworden ist, ist unklar. 297

Er hatte bereits einer Gesandtschaft Karls in die Eidgenossenschaft 1519 angehört, dürfte also auch nicht mehr der Jüngste gewesen sein. 298

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 4.1.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 6, fol. 366v-367v, hier fol. 366v-367r). Dr. Georg Schmotzer ist nicht zu verwechseln mit Dr. Ulrich Schmotzer. Georg Schmotzer hatte zusammen mit Eiteleck von Reischach im Auftrag Ferdinands mit Basel wegen einiger lokaler Streitigkeiten um Holzrechte und Zoll verhandelt (Basel an Ferdinand, 30.10.1539 (Basler Urkundenbuch 10, Nr. 226, S. 255-258, hier S. 256)). Bei den Forderungen der Erben Sturtzels nach Auszahlung noch ausstehender Dienstgelder taucht dann Dr. Georg Schmotzer - als

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Regierung Hans Friedrich von Landeck und Friedrich von Hattstatt vor, die beide der Regierung Ensisheim angehörten, also in der Nähe der Eidgenossenschaft saßen und von daher gut informiert seien. Die Regierung gab aber zugleich ihrer Befürchtung Ausdruck, daß wohl keiner von beiden zur Übernahme dieser Aufgabe zu bewegen sein werde 299 . Die Innsbrucker Regierung wandte sich auch an den Landvogt im Oberelsaß und bat ihn, unter den beiden Vorgeschlagenen einen auszuwählen, da er die beiden gut kenne und von daher am besten wisse, wer für die Aufgabe geeignet sei. Aus dem Zusatz, falls der vom Landvogt Ausgewählte ablehnen sollte, solle er es bei dem anderen Bewerber probieren, spricht erneut die Skepsis, ob die Vorgeschlagenen die Aufgabe annehmen würden 300 . Offensichtlich lehnten beide Bewerber ab, da die Suche mit der Nennung weiterer Namen fortgesetzt wurde 301 . Vorgeschlagen wurde nunmehr Dr. Peter Gebweiler, der Landschreiber des Markgrafen Ernst von Baden. Daß man mittlerweile außerhalb der österreichischen Behörden suchte, läßt darauf schließen, daß man im Kreis der österreichischen Amtsträger wohl nicht fündig geworden war. Die Regierung wies Ferdinand aber gleich daraufhin, daß es wahrscheinlich nicht gelingen werde, Gebweiler aus dem badischen Dienst zu lösen 302 . Diese mühsame Suche nach einem Nachfolger für Sturtzel ist in mehrerlei Hinsicht aufschlußreich. Zum einen zeigt sie das Anforderungsprofil, dem ein geeigneter Kandidat zu entsprechen hatte, zum anderen sagt sie einiges aus über die Attraktivität des Postens. Vorgeschlagen für die Aufgabe wurden sowohl niedere Adlige als auch bürgerliche Juristen, hier legte man sich offenbar nicht von vornherein fest. Zudem gab es ja die Möglichkeit, bei wichtigen VerhandVertreter der Kinder Sturtzels - wieder auf (Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 2.4.1541 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22))). 299

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 4.1.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 6, fol. 366v-367v, hier fol. 367r). 300

Regierung Innsbruck an den Landvogt im Oberelsaß, 18.1.1538 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. lr-v). 301

Am 20.3.1538 schickte die Regierung Innsbruck Ferdinand die Antworten Hans Friedrichs von Landeck und Friedrichs von Hattstatt (Regierung Innsbruck an Ferdinand, 20.3.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 6, fol.405r)). Da diese Schreiben nicht erhalten sind und die Regierung eine Zusammenfassung unterließ, kennen wir den Inhalt nicht. 302

22)).

Regierung Ensisheim an Ferdinand, 27.3.1538 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III,

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

lungen ein entsprechendes Manko - entweder an ständischer Herkunft oder an juristischer Kenntnis - durch die Beigabe eines zweiten Gesandten auszugleichen. Das wichtigste Kriterium war Vertrautheit mit den Verhältnissen in der Eidgenossenschaft, eine selbstverständliche Bedingung und doch offenbar nicht leicht zu erfüllen. Bei den Räten der Regierung Ensisheim (Hattstatt, Landeck) wurde sie aufgrund der geographischen Nähe bis zu einem gewissen Grad als gegeben vorausgesetzt. Männer wie Schellenberg oder Ramschwag besaßen sie aufgrund ihres Sitzes an der Grenze der Eidgenossenschaft und jahrelanger Berichter-Tätigkeit. Insofern kamen alle Vögte und sonstigen Amtsträger Österreichs entlang des Rheins für die Aufgabe prinzipiell in Frage, auch Hans Friedrich von Landeck hatte ein solches Amt als Vogt von Rheinfelden 303. Der badische Landschreiber Gebweiler hatte sich diese Kenntnisse im Dienst des Kardinals Matthäus Schiner erworben 304 . Unabdingbar war ferner eine einigermaßen belastbare Gesundheit, da ständige Reisen in die Eidgenossenschaft nötig waren. Unter Hinweis auf seinen Gesundheitszustand hatte Dr. Georg Schmotzer die Übernahme der Aufgabe abgelehnt305. Deshalb sollte der künftige Gesandte auch nicht allzu alt sein, was z.B. gegen Ramschwag und Schellenberg sprach. Der Wohn- oder Dienstsitz in der Nähe der Eidgenossenschaft war aber nicht nur wegen der besseren Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung und der schnellen Erreichbarkeit wichtig, sondern auch, um die Kosten möglichst gering zu halten. Dieser Punkt wurde deutlich bei dem Vorbehalt der Regierung Innsbruck, den sie ihrem Vorschlag, notfalls erneut Ulrich von Schellenberg als Gesandten zu benennen, hinzufügte. Die Regierung machte Ferdinand darauf aufmerksam, daß Schellenberg "sich der 24 k(reuzer) ordinarij zerung auf ain pherdt des tags an dise ort zu reitten nit benuegen lassen" werde 306 . Schellenberg saß zwar direkt an der Grenze zur Eidgenossenschaft, aber vom üblichen Tagungsort Baden war Feldkirch eben doch ein ganzes Stück entfernt.

303

Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 14.5.1538 (TLA Innsbruck, Hofreg. A5 (III, 22)). 304

Bei ihm wurde übrigens auch seine Kenntnis der französischen und der italienischen Sprache hervorgehoben (Regierung Ensisheim an Ferdinand, 27.3.1538 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22))). 305 Regierung Innsbruck an Ferdinand, 4.1.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 6, fol. 366v-367v, hier fol. 366v-367r). 306

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 4.1.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 6, fol. 366v-367v, hier fol. 367r).

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Die Anforderungen an den künftigen Gesandten lagen also völlig im Rahmen des Üblichen. Daran konnte es kaum liegen, daß es so schwierig war, einen Mann für diese Aufgabe zu finden. Während das Anforderungsprofil direkt aus den Quellen hervorgeht, kann man über die Ursachen, weshalb die Aufgabe so wenig attraktiv war, nur Mutmaßungen anstellen. Lediglich die Tatsache selbst ist evident - die in die engere Wahl gezogenen Männer rissen sich ja keineswegs um die Stelle. Ein Grund war sicher, daß die Aufgabe keinerlei Aussicht auf finanziellen Gewinn versprach, ganz im Gegenteil: Die ständigen Reisen kosteten Geld, und es stand zu befürchten, daß die Bezahlung die Kosten kaum decken und der Gesandte überdies um die Rückerstattung jeder ihm entstandenen Ausgabe würde feilschen müssen. Dies war zwar auch bei anderen Gesandtschaftsposten die Regel, aber die Aufgabe in der Eidgenossenschaft bot keine Kompensation für diese Mühen und Ausgaben. So gab es z.B. keine Möglichkeit für Adlige, Kontakte zu ihresgleichen zu knüpfen und zu unterhalten, und dabei vielleicht Heiratsmöglichkeiten für sich selbst oder ihre Kinder zu erkunden. Für die Adligen wie auch für die bürgerlichen Juristen bot die Eidgenossenschaft keine Chance, sich möglichen künftigen Arbeitgebern zu empfehlen, da sich der attraktive Stellenmarkt nördlich des Rheins befand mit einer Vielzahl von Städten, vor allem aber auch weltlichen und geistlichen Höfen. Die Eidgenossenschaft lag in dieser Hinsicht nicht nur geographisch abseits, sie war nicht Teil des großen Karussells an Heirats- und Aufstiegsmöglichkeiten und konnte insofern für einen ehrgeizigen Mann leicht zur Sackgasse werden.

4. Hans Melchior Heggentzer als ständiger Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft Die Suche nach einem neuen ständigen Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft blieb denn auch zunächst erfolglos. Man behalf sich mii Übergangslösungen und entsandte immer wieder andere Personen 307. Recht häufig 307

Dr. Leonhard Jung: Regierung Innsbruck an Hans Friedrich von Landeck und Dr. Leonhard Jung, 1.4.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 13, fol. 72v-73r). Im August 1539 sollten Landeck und Jung erneut gemeinsam auf eine Tagsatzung geschickt werden (Regierung Innsbruck an Hans Friedrich von Landeck, 5.8.1539 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 4r)), Jung war aber verhindert (Regierung Innsbruck an die Tagsatzung, 19.8.1539 (ebd., fol. 4r-v)). Dr. Ulrich Schmotzer: An Stelle des verhinderten Jung wurde Dr. Ulrich Schmotzer auf die Tagsatzung ver31 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

war in dieser Zeit Hans Friedrich von Landeck, der Vogt von Rheinfelden, für Ferdinand in der Eidgenossenschaft tätig 3 0 8 . Weshalb seine Tätigkeit Ende

ordnet, die sich unter anderem mit der vom Konstanzer Bischof geplanten Inkorporation der Reichenau in das Hochstift und einem möglichen Beitritt der Stadt Konstanz zur Eidgenossenschaft befassen sollte (Regierung Innsbruck an Dr. Ulrich Schmotzer, 11.8.1539 (ebd., fol.4r); Regierung Innsbruck an die Tagsatzung, 19.8.1539 (ebd., fol. 4r-v)). Ende des Jahres ging Schmotzer erneut mit Landeck gemeinsam auf eine Tagsatzung (Regierung Innsbruck an Hans Friedrich von Landeck, 1.12.1539 (ebd., fol. 5r); Credenz der Regierung Innsbruck für Hans Friedrich von Landeck und Dr. Ulrich Schmotzer auf die Tagsatzung, 1.12.1539 (ebd., fol. 5v)). Für die Entsendung Schmotzers sprach möglicherweise, daß er Verwandte in Konstanz hatte (Rublack, Einführung, S. 331, Anm. 77). Die Regierung Innsbruck rechnete von daher wohl damit, daß Schmotzer über die Vorgänge in Konstanz gut unterrichtet war oder zumindest über gute Informationsquellen dort verfügte, was ihm bei seinen Verhandlungen wegen des erneuten Drängens von Konstanz in die Eidgenossenschaft nur zugute kommen konnte. Leonhard Strauß, Burgvogt von Breisach: Mit Leonhard Strauß griff man auf einen österreichischen Amtsträger zurück, der zwar nicht in unmittelbarer Nähe der Eidgenossenschaft, aber doch nicht allzu weit entfernt saß (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 13.6.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 6, fol. 234r-v); Instruktion Ferdinands für Hans Friedrich von Landeck und Leonhard Strauß auf die Tagsatzung am 24.6., Wien, 14.6.1539 (ebd., fol. 228v-230r)). 308

Er war auf den Tagsatzungen am 3.2.1538 (EA 4/1 c, Nr. 562, S. 930) und am 18.3. (Regierung Innsbruck an" Ulrich von Schellenberg und Hans Friedrich von Landeck, 11.3.1538 (HHStA Wien, Hs. W 376/3. fol. lv-2r); EA 4/lc, Nr. 572, S. 947; Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 1.4.1538 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 6, fol. 420r-v); Abschied der Tagsatzung zu Baden vom 12.5.1538 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22)); Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 20.5.1538 (ebd.)). Er wurde auf die Tagsatzung am 13.4.1539 verordnet (Regierung Innsbruck an Hans Friedrich von Landeck und Dr. Leonhard Jung, 1.4.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 13, fol. 72v-73r)) und erneut auf eine Tagsatzung im Juni 1539 (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 13.6.1539 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 6, fol. 234r-v); Instruktion Ferdinands für Hans Friedrich von Landeck und Leonhard Strauß auf die Tagsatzung am 24.6., Wien, 14.6.1539 (ebd., fol. 228v-230r)), wohin er aber nicht ging, da er verhindert war (Regierung Innsbruck an Hans Friedrich von Landeck, 18.7.1539 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 3r)). Danach wurde er auf die Tagsatzung am 24.8.1539 geschickt (Regierung Innsbruck an Hans Friedrich von Landeck, 5.8.1539 (ebd., fol. 4r); Regierung Innsbruck an die Tagsatzung, 19.8.1539 (ebd., fol.4r-v)); erneut auf die Tagsatzung am 7.12.1539 (Regierung Innsbruck an Hans Friedrich von Landeck, 1.12.1539 (ebd., fol. 5r); Credenz für Hans Friedrich von Landeck und Dr. Ulrich Schmotzer, 1.12.1539 (ebd., fol. 5v)).

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1539 ein abruptes Ende fand, ist nicht zu erkennen. Die Missionen Landecks hatten übrigens unter anderem dem Ziel gegolten, den erneuten Versuch von Konstanz, Anschluß an die Eidgenossenschaft zu finden, zu vereiteln. Bei Gerüchten in diese Richtung wurde man in Innsbruck stets sofort hellhörig und aktiv, was die häufigen Gesandtschaften des Jahres 1539 erklärt. Nachdem sich die Aufregung um Konstanz gelegt hatte, kehrte zunächst wieder Ruhe ein im eidgenössisch-österreichischen Verhältnis, so daß keine Notwendigkeit zur Entsendung eines Gesandten bestand. Erst auf der Tagsatzung am 12. September 1541 war erneut ein Gesandter Ferdinands anwesend, und zwar Hans Melchior Heggentzer, ein Mitglied der Regierung Ensisheim 309 . Was sich hier zunächst einzuordnen scheint in die Reihe von Gesandten Ferdinands, die seit Sturtzels Dienstende Aufträge in der Eidgenossenschaft erledigten, sollte sich als langfristige Lösung des Gesandtenproblems erweisen, und zwar als eine Lösung von außergewöhnlicher Dauer: Heggentzer vertrat Österreich fortan fast vier Jahrzehnte lang bei den Eidgenossen. Dies war anfangs so freilich noch nicht abzusehen: Als im Frühjahr 1542 den Eidgenossen ein Entschuldigungsschreiben Ferdinands wegen der Verzögerung der Bezahlung des Erbeinungsgeldes übergeben werden sollte, wies Ferdinand die Regierung Innsbruck an, diese Aufgabe Heggentzer oder Balthasar von Ramschwag zu übertragen 310 . Zu diesem Zeitpunkt war Heggentzer also noch nicht selbstverständlich für Missionen in die Eidgenossenschaft zuständig, sondern es wurde, wie in den letzten Jahren üblich, jeweils ad-hoc nach geeigneten Männern Ausschau gehalten: In diesem Fall beauftragte die Innsbrucker Regierung dann tatsächlich Heggentzer mit der Mission 311 . Dieser Beauftragung im Einzelfall folgte dann aber sehr schnell die grundsätzliche Entscheidung: Heggentzer erhielt einen Dienstbrief, der ihn zusätzlich zu seinen Aufgaben als Rat in Ensisheim mit der Vertretung Ferdinands in der Eidgenossenschaft betraute. Dafür erhielt er drei Pferde und zusätzlich zu seinem Ratssold 100 fl. pro Jahr. Bei Reisen erhielt er für jedes Pferd 24 xr., au309

Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, Tatenriedt, 27.9.1541 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22)). Worüber Heggentzer verhandelt hat, geht aus dem Schreiben nicht hervor, in EA 4/1 d, Nr. 33 ist Heggentzer gar nicht erwähnt. 310

Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Speyer, 1.3.1542 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 7, fol. 13r). 311

Regierung Innsbruck an Heggentzer, 9.3.1542 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 15v-16r). 31*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

ßerdem sollten ihm seine Ausgaben in der Eidgenossenschaft erstattet werden 3 1 2 . Der Ratssold Heggentzers betrug 200 fl. im Jahr, beide Beträge wurden vierteljährlich ausgezahlt. Insgesamt erhielt Heggentzer damit 300 fl. pro Jahr, also 100 fl. weniger als Sturtzel, der zwar ebenfalls 200 fl. Ratssold, aber auch 200 fl. Dienstgeld erhalten hatte 313 . 1548 wurde Heggentzers Dienstgeld auf 200 fl. erhöht, er erhielt nun also insgesamt 400 fl. Dabei blieb es bis auf weiteres. Sein Dienstgeld wurde Heggentzer erstmals am 5. Juni 1542 ausgezahlt, bei der vorigen Zahlung am 6. März hatte er noch lediglich seinen Ratssold erhalten 314 . Damit war die Zeit des Suchens und Experimentierens vorüber. Ferdinand hatte wieder einen ständigen Vertreter in der Eidgenossenschaft. Nach kleineren

312

Dienstbrief für Heggentzer, Innsbruck, 21.3.1542 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Bekennen 40, fol. 35r-v). 313

Diese Angaben gehen aus den Raitbüchem der Innsbrucker Kammer hervor, in denen die Ausgaben penibel aufgelistet sind. Daraus ist auch ersichtlich, daß Heggentzer - im Gegensatz zu Sturtzel in den ersten Jahren - tatsächlich regelmäßig seinen Sold erhalten hat, mit ganz wenigen Ausnahmen. Die Zahlungen zweier Jahre seien als Beispiel herausgegriffen: 1544 erhielt Heggentzer am 8.3., 16.6., 27.9. und 24.12. je 50 fl. Ratssold und 25 fl. Dienstgeld (TLA Innsbruck, Raitbuch 1544, fol. 173r). Außerdem wurden ihm am 2.5. 100 fl. übergeben, um bestimmten Personen in der Eidgenossenschaft eine "Verehrung" zu überreichen (ebd., fol. 36lr). Zur Erstattung seiner Ausgaben erhielt er am 2.5. einen Betrag in ungenannter Höhe (ebd., fol. 366v) und am 16.6. 50 fl. für Zehrung und Kundschaft (ebd., fol. 386v). 1553 erhielt Heggentzer am 31.3. 75 fl. Ratssold und 75 fl. Dienstgeld, am 1.7., 1.10. und 24.12. je 50 fl. Ratssold und 50 fl. Dienstgeld (TLA Innsbruck, Raitbuch 1553, fol. 213r-v). Die höhere erste Zahlung erklärt sich dadurch, daß er im Voijahr nur drei Zahlungen erhalten hatte (TLA Innsbruck, Raitbuch 1552, fol. 207v-208r). Außerdem wurden ihm am 1.7. und 24.12.1553 je 50 fl. für Zehrung und Kundschaft ausgezahlt (TLA Innsbruck, Raitbuch 1553, fol. 474v), zusätzlich am 1.7. noch 50 fl. für ein silbernes, vergoldetes Trinkgeschirr, das er hatte anfertigen lassen (ebd., fol. 506r) - das übliche Geschenk für jeden neuen Landvogt in Baden. 314

TLA Innsbruck, Raitbuch 1542, fol. 181v. Damit er zunächst seine Ausgaben in der Eidgenossenschaft bestreiten konnte, wurden ihm am 21.3. außerdem 70 fl. angewiesen (ebd., fol. 393r-v). Auch die zusätzlich gezahlte Aufwandsentschädigung für seine Reisen in die Eidgenossenschaft ist in den Raitbüchem jeweils aufgeführt, insgesamt eine für die Zeit durchaus beeindruckende Rechnungsführung.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Anfangsschwierigkeiten 315 tauchte Heggentzer von nun an regelmäßig auf der Tagsatzung auf. Die Aufgaben, die er zu erledigen hatte, waren dieselben wie bei Sturtzel: So ging es gleich bei seinen ersten Auftritten auf der Tagsatzung um die Bezahlung des Erbeinungsgeldes bzw. um deren Verzögerung 316, eine Aufgabe, die Heggentzer wie zuvor Sturtzel über die Jahre hinweg begleiten sollte. Zu seinen Pflichten gehörte selbstverständlich auch die Einziehung von Kundschaften, sei es persönlich, wenn er selbst in der Eidgenossenschaft weilte, sei es durch von ihm bestellte Kundschafter 317. Gerade zu Beginn seiner Tätigkeit, als Karl nur schwach in der Eidgenossenschaft vertreten war, kümmerte sich Heggentzer auch verstärkt um Themen, die eigentlich in die Zuständigkeit von Karls Gesandten fielen, wie diefranzösischen "Praktiken". Seine Berichte wurden dann an den Gouverneur von Mailand, Marquis de Vasto, weitergeleitet 3 1 8 . Heggentzer handelte in dieser Phase, ähnlich wie Sturtzel teilweise in den 20er Jahren, nicht nur für Ferdinand, sondern auch für Karl bzw. das Haus Habsburg insgesamt, so auch, wenn er den Eidgenossen ein Schreiben der Regierung Innsbruck übergab, in dem sie gebeten wurden, den Verunglimpfungen Karls und Ferdinands nicht zu glauben und Frankreich nicht gegen Karl und Ferdinand zu unterstützen 319. Der Mechanismus war der gleiche wie in den 20er Jahren: Formal blieb Heggentzer der Gesandte Ferdinands, aber es wurde stets eine Begründung gefunden, die es ihm erlaubte, in der Eidgenossenschaft auch für Karl zu handeln. In diesem Fall war es die dem französischen Gesandten angelastete Schmähung Karls und Ferdinands. Auch in den kommenden 315

Während die Regierung Innsbruck am 21.3.1542 Heggentzer auf die Tagsatzung verordnet hatte, beauftragte die Regierung Ensisheim Hans von Andlau (Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 28.3.1542 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 16r-v)). Dabei scheint es sich um mangelnde Koordination, nicht um eine absichtliche Verstärkung der Gesandtschaft gehandelt zu haben. 316

Regierung Innsbruck an Heggentzer, 9.3.1542 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 15v-16r); Regierung Innsbruck an Heggentzer, 1.4.1542 (ebd., fol. 16v). 317

Beide Möglichkeiten der Informationsbeschaffung erwähnte die Innsbrucker Regierung ausdrücklich in ihrem Schreiben vom 27.5.1542 (Regierung Innsbruck an Heggentzer, 27.5.1542 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 17r-v)). 318

Regierung Innsbruck an Statthalter und Räte, z.Z. in Trient, 24.5.1542 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 16v). 319

Regierung Innsbruck an Heggentzer, 26.7.1542 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 17v); Regierung Innsbruck an die Eidgenossenschaft, 26.7.1542 (ebd., fol. 17v-18r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Jahren berichtete Heggentzer immer wieder über die französischen Begehren und Umtriebe 320 . Wie für seinen Vorgänger stellte sich auch für Heggentzer das Problem, daß er Kundschaften machen mußte, ohne dauernd in der Eidgenossenschaft anwesend sein zu können. Und selbst wenn er in der Eidgenossenschaft war, konnte er seinen Aufenthalt dort nur so lange ausdehnen, wie ein offizieller Auftrag ihm dies erlaubte 321 . Dieser Schwierigkeit war ohne Akkreditierung eines ständigen Gesandten in der Eidgenossenschaft nicht beizukommen. Die vergangenen Jahre und Jahrzehnte und gerade auch die Suche nach einem Nachfolger für Sturtzel hatten aber gezeigt, daß man an die Einrichtung einer ständigen Gesandtschaft nicht dachte. Weder von Seiten der Regierungen in Innsbruck und Ensisheim noch von Ferdinand wurde diese Möglichkeit auch nur ins Gespräch gebracht. Das Manko der nicht-ständigen Anwesenheit des österreichischen Vertreters in der Eidgenossenschaft konnte durch den Unterhalt von Kundschaftern in der Eidgenossenschaft und durch die Beobachtertätigkeit der zahlreichen österreichischen Amtsträger unweit der Grenze doch weitgehend ausgeglichen werden. Eine schnelle Reaktion auf Entwicklungen in der Eidgenossenschaft war auch von Ensisheim aus möglich, in krisenhaften Zeiten konnte sich der Gesandte zudem in eine österreichische Stadt in der Nähe der Grenze begeben. Diese Form der diplomatischen Vertretung hatte überdies den Vorteil, daß sie wesentlich kostengünstiger als die Unterhaltung einer ständigen Gesandtschaft war 3 2 2 . 320

Heggentzer an Regierung Innsbruck, Baden, 10.8.1543 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22)); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 6.3.1544 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 8, fol. 234v-235r). 321

Anfang April 1542 wies ihn die Innsbrucker Regierung an, wenn er keinen besseren Vorwand fände, um auf der nächsten Tagsatzung die Lage in der Eidgenossenschaft zu erkunden, solle er vorbringen, daß er Antwort auf den letzten Abschied fordere (Regierung Innsbruck an Heggentzer, 1.4.1542 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 16v)). Ende des Jahres 1542 berichtete Heggentzer von einem Aufenthalt auf der Tagsatzung: Die Tagsatzung sei zwar noch nicht beendet, er habe aber "um Verdachts willen nit mehr dann ubemacht der enden verpleypen dorffen" (Heggentzer an Regierung Ensisheim, 3.11.1542 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22))). 322

Eine ständige Gesandtschaft erforderte nicht nur die Bezahlung eines Mannes nur für diesen Zweck, was mit Sicherheit eine größere Summe ausmachte als das zusätzliche Dienstgeld für Sturtzel bzw. Heggentzer. Ein Gesandter unterhielt auch einen häufig recht umfangreichen Haushalt mit Hauspersonal, aber auch Schreibern, und war überdies zu ständiger Gastfreundschaft und Freigebigkeit verpflichtet (siehe dazu

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Neben den Ausflügen in die große internationale Politik blieb die Hauptaufgabe Heggentzers aber die Regelung bilateraler, regionaler Fragen zwischen Österreich und der Eidgenossenschaft. 1543-1549 war dies vor allem der Streit mit Zürich um den Besitz der Dörfer Ramsen und Bibern. Stein a.Rh., das Zürich unterstand, hatte die beiden Dörfer und damit die niedere Gerichtsbarkeit erworben und beabsichtigte, dort einen evangelischen Pfarrer einzusetzen, während nach österreichischer Ansicht das Recht der Pfarrereinsetzung Ferdinand als Landvogt von Nellenburg und Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit zustand3 2 3 . Was aus heutiger Sicht wie eine Bagatelle anmutet, wurde von den Kontrahenten damals äußerst ernstgenommen und füllte über Monate und Jahre hinweg die Korrespondenz 324. Welch hohen Stellenwert die Angelegenheit hatte, zeigte sich auch daran, daß die Regierung Innsbruck erwog, Heggentzer

grundsätzlich Lunitz, Die ständigen Gesandten, S. 123f, wenn auch die Aufwendungen eines königlichen oder kaiserlichen Gesandten in der Eidgenossenschaft sicherlich bescheidener ausfielen als die eines Botschafters in Frankreich). Diese Ausgaben waren bei einem ständigen Vertreter wesentlich geringer: Die Verpflichtung zu kostspieligen Einladungen beschränkte sich auf die Zeiten seiner Anwesenheit in der Eidgenossenschaft, und die Schreibarbeiten dürften von Schreibern der Regierung Ensisheim mit erledigt worden sein. 323

Darstellung des Falls aus österreichischer Sicht durch Heggentzer auf der Tagsatzung am 16.4.1543 (EA 4/1 d, Nr. 123, S. 248f.). 324

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 29.4.1543 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 8, fol. 49v-52v, hier fol. 49v); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 8.5.1543 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 7, fol. 139v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 21.6.1543 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 8, fol. 89v-90v); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 4.7.1543 (ebd., fol. 102v-103r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 23.7.1543 (ebd., fol. 119v); EA 4/ld, Nr. 145, S. 288 und S. 293-295; Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 7.8.1543 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 7, fol. 204r-v); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Speyer, 19.4.1544 (ebd., fol. 351r-352r); EA 4/ld, Nr. 229, S.491; Nr. 250, S. 543; Heggentzer an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 16.11.1545 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 184r-185r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 4.12.1545 (ebd., fol. 177r-v); Regierung Innsbruck an Heggentzer, 4.12.1545 (ebd., fol. 178r-179r); Instruktion Ferdinands für Heggentzer in die Eidgenossenschaft und nach Stein a.Rh, 11.9.1548 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 28v-30r); EA 4/ld, Nr. 468, S. 1031; EA 4/le, Nr. 12, S. 35; Eidgenossenschaft an Ferdinand, Baden, 7.3.1549 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 284r-285r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 21.3.1549 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 10, fol. 33v-34r); EA 4/le, Nr. 47, S. 120.

Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

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"yemanndts verstendige[n]" zuzuordnen, wobei sie an Räte der Regierung Ensisheim dachte 325 . Von diesem Fall abgesehen, gab es kaum direkte Probleme zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich: Im Vergleich zu den 20er Jahren oder der Zeit der Religionskriege in der Eidgenossenschaft um 1530 hatte sich die Lage ziemlich entspannt. Seit 1539 war zudem endgültig klar, daß an einen Anschluß von Konstanz an die Eidgenossenschaft nicht zu denken war, so daß ein weiterer Konfliktherd wegfiel. Trotzdem fand Heggentzer nicht immer die besten Arbeitsbedingungen in der Eidgenossenschaft vor, da z.B. die Auseinandersetzungen um die gegen einige eidgenössische Städte und Klöster angestrengten Kammergerichtsprozesse wegen der Nichtbezahlung von Kammergerichtsunterhalt und Türkenhilfe die Atmosphäre belasteten. Dies ging so weit, daß Heggentzer im Frühjahr 1544 bat, von seiner Aufgabe entbunden zu werden. Die Innsbrucker Regierung war aber nicht gewillt, auf dieses Gesuch einzugehen, und betonte, daß sie dazu auch keinen Anlaß sehe, da sie bis jetzt mit Heggentzers Arbeit zufrieden gewesen sei 3 2 6 . Heggentzer war also weiterhin als Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft tätig. Die allgemeine Klimaverschlechterung machte sich im übrigen auch in dem verstärkten Auftreten von Schmäh- und Drohreden in der Eidgenossenschaft gegen Österreich und Ferdinand bemerkbar, insbesondere in den Grenzgebieten. Heggentzer sprach deshalb verschiedentlich auf der Tagsatzung vor, um die eidgenössischen Orte zu ermahnen, gegen diese Reden einzuschreiten 327.

325

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 21.6.1543 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 8, fol. 89v-90v). Die Regierung Ensisheim lehnte die Entsendung von Räten aus ihren Reihen genau unter Verweis auf die Relevanz der Angelegenheit ab; in einer solch wichtigen Sache solle besser die Innsbrucker Regierung jemanden abordnen (Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, 5.7.1543 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22))). Es wurde Heggentzer in der Tat mit Hans von Andlau ein weiterer Gesandter beigeordnet (EA 4/ld, Nr. 145, S. 288 und S. 293), und zwar aus den Reihen der Regierung Ensisheim. 326

Regierung Innsbruck an Landvogt im Oberelsaß, 26.4.1544 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 18v). Ob die Innsbrucker Regierung Heggentzers Wunsch nicht nachkam, oder ob er selbst es sich anders überlegte, ist nicht festzustellen. 327

EA 4/ld, Nr. 212, S. 455; Regierung Innsbruck an Heggentzer, 17.3.1545 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 19r); Regierung Innsbruck an Ferdinand, 18.3.1545 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 8, fol. 406r-v); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Worms, 27.3.1545 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 8, fol. 60v);

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Der Schmalkaldische Krieg belastete die gegenseitigen Beziehungen ebenfalls: Zwar war Österreich selbst zunächst nicht in den Krieg verwickelt, aber Ferdinand kämpfte selbstverständlich an der Seite Karls, und insofern berührte der Krieg eben auch das Verhältnis der Eidgenossen zu Österreich. Durch den Marsch des Schmalkaldischen Heeres unter Schärtlin von Burtenbach nach Tirol, wodurch der Zuzug italienischer Truppen zum kaiserlichen Heer verhindert werden sollte, wurde Österreich dann auch direkt vom Krieg betroffen. Das Gerücht, daß im Heer der Schmalkaldener auch einige Schweizer kämpfen sollten, nahm Österreich zum Anlaß, die Eidgenossen zur Einhaltung der Erbeinung zu ermahnen 328. Neben dem kaiserlichen Gesandten Mouchet erschien deshalb auch Heggentzer in dieser Zeit verschiedene Male auf der Tagsatzung, um die Eidgenossen von einer Einmischung in den Konflikt abzuhalten329. Dies zu erreichen, war indessen nicht allzu schwierig, da die Orte mit Rücksicht auf den Zusammenhalt der Eidgenossenschaft sich ohnehin recht bald zu einer neutralen Position entschlossen hatten. Insofern gab es für die Gesandten nicht allzu viel zu verhandeln. Die mehrmaligen Reisen zu den Tagsatzungen dürften denn auch wesentlich darin begründet gewesen sein, daß Heggentzer in der Eidgenossenschaft direkt anwesend sein wollte, um so über einen eventuellen Umschwung in der Haltung der Eidgenossen sofort informiert zu sein, denn völlig ausgeräumt war die Furcht vor einer Beteiligung der evangelischen Städte am Krieg keineswegs. Anfang 1547, als der burgundisch-kaiserliche Gesandte Mouchet nicht in der Eidgenossenschaft war 3 3 0 , übernahm Heggentzer

Instruktion Ferdinands für Heggentzer auf die Tagsatzung, 4.8.1546 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 21 r-22r). 328

Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 23.7.1546 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 20r). Die Innsbrucker Regierung sandte eine Credenz für Heggentzer (ebd., fol. 20r) und ein Memorial, das er den Eidgenossen übergeben sollte (ebd., fol. 20r-v). Siehe auch die Instruktion Ferdinands für Heggentzer auf die Tagsatzung, 4.8.1546 (ebd., fol. 21r-22r); Regierung Innsbruck an Karl, 29.8.1546 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 9, fol. 138v); EA 4/ld, Nr. 314, S. 684. 329

Er war auf der Tagsatzung am 9.8.1546 in Baden (Regierung Innsbruck an Karl, 29.8.1546 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 9, fol. 138v)) und am 20.9. (EA 4/ld, Nr. 314, S. 684). 330

Mouchet kehrte laut seinen Abrechnungen erst Mitte April 1547 in die Eidgenossenschaft zurück, siehe oben, S. 450.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

dann erneut die Berichterstattung für Karl 3 3 1 . Wie während der Krisen auf eidgenössischem Boden 1529 und 1531 bestand die Aufgabe des Vertreters Ferdinands auch im Schmalkaldischen Krieg mehr im Sammeln und Weiterleiten von Informationen als im Führen von Verhandlungen. Solange es sich nämlich um einen internen Konflikt der einen oder anderen Seite handelte, war der Verhandlungsbedarf gering. Um so wichtiger war dagegen das Einholen von Nachrichten, um über ein Übergreifen des Konfliktes auf die andere Rheinseite rechtzeitig unterrichtet zu sein. Auf diese Weise erklärt sich das auf den ersten Blick etwas eigentümliche Phänomen, daß ein Konflikt wie der Schmalkaldische Krieg nicht zu verstärkten diplomatischen Aktivitäten Ferdinands in der Eidgenossenschaft führte. Der Schmalkaldische Krieg ging zu Ende, ohne daß es zu ernsthaften Belastungen des eidgenössisch-österreichischen Verhältnisses gekommen wäre. Der Angriff gegen Konstanz und der anschließende Übergang der Stadt an Österreich gingen zu schnell, als daß in diesem Zusammenhang größere Aktivitäten hätten entfaltet werden können 332 . Ein allzu energischer Protest der Eidgenossen gegen diesen Schritt war ohnehin nicht zu erwarten, da die eidgenössischen Orte aus konfessionellen Gründen in ihrer Haltung zu Konstanz uneins waren und sie mehr als die Sorge um Konstanz die Befürchtung bedrückte, der Kaiser werde seinen Zug gegen eidgenössisches Gebiet fortsetzen. Zwar waren die Eidgenossen keineswegs erfreut über diesen österreichischen Vorposten direkt an ihrer Grenze; den Schwabenkrieg, an dem Konstanz auf der Seite des Schwäbischen Bundes gekämpft hatte, hatten sie noch in allzu schlechter Erinnerung.

331

Regierung Innsbruck an Karl, 20.3.1547 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 9, fol. 278v-279r); Regierung Innsbruck an Heggentzer, 21.3.1547 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 23v-24r). 332

Im Vorfeld hatten sich die österreichischen Behörden allerdings sorgfältig informiert, ob die Eidgenossen Konstanz bei einem österreichischen Angriff auf die Stadt unterstützen würden. Außerdem hatte man den Wechsel in der Landvogtei Thurgau von einem evangelischen (Leonhard Holzhalb aus Zürich) zu einem katholischen Landvogt (Nikiaus Klos aus Luzem) abgewartet, um sicherzustellen, daß die Stadt keine Hilfe von ihren Glaubensgenossen im Thurgau erhielt. Siehe dazu A. Maurer, Der Übergang der Stadt Konstanz an das Haus Österreich nach dem schmalkaldischen Kriege, in: SVGB 33 (1904), S. 3-83, hier S. 62; Zimmermann, Rekatholisierung, S. 21f. Lediglich im Nachhinein erklärte Heggentzer den Eidgenossen die Bereitschaft Ferdinands, die Erbeinung zu halten, wozu Ferdinand auch seine Kommissare in Konstanz angewiesen habe (EA 4/1 e, Nr. 12, S. 35).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Zunächst aber waren die Eidgenossen froh, selbst unbeschadet davongekommen zu sein. In den nächsten Jahren beschränkte sich die Tätigkeit Heggentzers wieder auf das Routinegeschäft. Dies äußerte sich so, daß Heggentzer zwar regelmäßig auf Tagsatzungen ging, dort aber keine größeren Verhandlungen zu führen hatte, sondern sich um allerhand kleine Streitigkeiten kümmerte - sei es die Arrestierung von Gütern geächteter Konstanzer Bürger, die in die Eidgenossenschaft geflohen waren 333 , seien es die Beschwerden des Vogts von Rheinfelden gegen einen eidgenössischen Hauptmann 334 oder Uneinigkeiten bei der Wiedereinlösung einer verpfändeten Herrschaft durch Ferdinand 335 . Daß Heggentzer keine Verhandlungen von eminenter politischer Bedeutung zu führen hatte, ist auch daran zu erkennen, daß er - im Unterschied zu Sturtzel - fast immer allein in die Eidgenossenschaft reiste, ihm also keine anderen Gesandten beigeordnet wurden. Auch als sich die Lage im Fürstenkrieg 1552 zuspitzte und einfranzösischer Angriff auf die Vorlande zu befürchen war, wurde allein Heggentzer beauftragt, die Eidgenossen zur Einhaltung der Erbeinung zu ermahnen: Die Eidgenossen sollten denfranzösischen König auffordern, militärische Aktionen gegen die österreichischen Vorlande zu unterlassen 336. Im Vergleich zu den Konflikten Mitte und Ende der 20er Jahre war die Gefahr einer Ausweitung der Auseinandersetzungen inzwischen doch spürbar geringer. Außerdem war die Herrschaft Ferdinands längst so gefestigt, daß nicht mehr bei jeder kleineren Unruhe eine existentielle Gefährdung der Herrschaft befürchtet wurde. Die Ausbreitung der Reformation in der Schweiz hatte eben-

333

EA 4/le, Nr. 89, S. 208.

334

Regierung Innsbruck an Heggentzer, 17.5.1550 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l3+, fol. lr-v). 335 336

EA 4/le, Nr. 160, S. 471 f.

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Linz, 25.4.1552 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 10, fol. 373v-375r, hier fol. 374r); Regierung Innsbruck an Heggentzer, 29.4.1552 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.13*, fol. 3r-4r, hier fol. 3r); Regierung Innsbruck an Heggentzer, 12.5.1552 (ebd., fol. 5r); EA 4/le, Nr. 239, S. 712f. In einem nächsten Schritt wurden die Eidgenossen gebeten, an den französischen König zu schreiben, daß er "seinem Diener" Albrecht Alcibiades nicht gestatte, in die Nähe der Eidgenossenschaft zu ziehen (EA 4/le, Nr. 239, S. 713; Basel an Luzern, 31.10.1552 (StA Luzem, Al Fl Sch. 57); Bern an Solothum, 31.10.1552 (StA Bern, Deutsche Missiven, A III, 29, S. 56)).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

falls nicht zu einer Destabilisierung der umliegenden Obrigkeiten geführt, wie dies Österreich angesichts der Kombination von ketzerischer Lehre und "eidgenössischem Wesen" zunächst befürchtet hatte. Die Ablehnung der alten kirchlichen Autoritäten und die Andersartigkeit der weltlichen Herrschaft in der Eidgenossenschaft mit dem Fehlen einer ständischen Gliederung der Gesellschaft erschienen als eine allzu brisante Mischung. Erst die allmählich sich durchsetzende Erfahrung, daß die Eidgenossenschaft keineswegs auf eine Expansion ihrer Ordnung ausgerichtet war, und daß die eidgenössischen Orte auch die evangelischen Städte - sich als Obrigkeiten gegenüber ihren Untertanen nicht prinzipiell anders verhielten als andere Obrigkeiten der Zeit, ließ die Befürchtungen auf österreichischer Seite geringer werden. Insofern spiegelt das Überwiegen diplomatischer Routine in der Tätigkeit Heggentzers auch die zunehmende Gelassenheit Österreichs gegenüber den Eidgenossen, wie sie in der ersten Hälfte der "Amtszeit" Sturtzels noch kaum denkbar gewesen wäre. Österreich und die Eidgenossenschaft hatten inzwischen zu einem weitgehend "normalen" nachbarschaftlichen Verhältnis gefunden. Den Rahmen für diese Nachbarschaft steckte die Erbeinung ab, deren Erfolg auch daran abzulesen ist, daß sich die ehemaligen Kontrahenten den Vertrag immer seltener gegenseitig vorhielten. Das Instrument, um die doch gelegentlich auftauchenden Schwierigkeiten zu lösen, war auf österreichischer Seite die Beauftragung eines Rates der Regierung Ensisheim mit allen in der Eidgenossenschaft notwendigen Aktivitäten und Verhandlungen. Dies ist in zweierlei Hinsicht aufschlußreich: Es war möglich, über kurz oder lang alle Streitfragen auf diesem Wege zu lösen das in der Erbeinung vorgesehene Schiedsgerichtsverfahren mußte kein einziges Mal bemüht werden. Mit Ausnahme der Verhandlungen 1529 wurden die Kontakte auf der Ebene der ober- und vorderösterreichischen Regierungen oder sonstiger unterer österreichischer Amtsträger, also im Rahmen der Verwaltung, abgehandelt. Die Entsendung von hochrangigen Sondergesandtschaften und damit eine Anhebung der Verhandlungen auf die Ebene der hohen Politik war nicht notwendig - auch dies ein deutliches Indiz für die Normalisierung der österreichisch-eidgenössischen Beziehungen.

III. Die Koordination der Aktivitäten Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft Karl und Ferdinand durften in ihrer Politik gegenüber den Eidgenossen keinesfalls ein Bild der Uneinigkeit bieten. Etwaige Interessendivergenzen oder

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Meinungsunterschiede mußten im Vorfeld geklärt werden und durften nicht offen vor den Eidgenossen zutage treten, wollte man sich nicht von vornherein jeglicher Erfolgsaussichten berauben. Es stellt sich von daher die Frage, ob und wie Karl und Ferdinand ihre Politik gegenüber der Eidgenossenschaft koordinierten, und zwar sowohl, was die großen Linien der Politik, als auch, was das konkrete Auftreten ihrer Gesandten angeht. Praktisch stellte sich das Problem der Koordinierung jedoch nur in relativ wenigen Fällen, da in den meisten Bereichen die Zuständigkeiten relativ klar geregelt, wenngleich nicht schriftlich fixiert, waren. Wenn es z.B. um spezielle Fragen der vorderösterreichischen Länder ging, so fiel das allein in Ferdinands Kompetenz und beanspruchte nicht die Aufmerksamkeit Karls und seiner Gesandten. Umgekehrt wurden Fragen, die allein Oberitalien betrafen, von Karl mit Hilfe seiner Gesandten geregelt, ohne daß Ferdinand einbezogen worden wäre. Lediglich auf zwei Gebieten war die Abgrenzung nicht von vornherein so klar, nämlich bei der Auseinandersetzung mit Frankreich und sobald konfessionelle Fragen berührt wurden. Der Kampf gegen Franz I. wurde zwar primär von Karl geführt, war aber als Kampf der beiden führenden Dynastien Europas gleichzeitig eine Angelegenheit des Hauses Habsburg insgesamt. Wenn Ferdinand durch seine Gesandten in der Eidgenossenschaft Informationen zukamen, die für Karl in diesem Zusammenhang wichtig sein konnten, leitete er diese selbstverständlich an Karl weiter. Dies galt besonders für Zeiten, in denen Karl selbst nicht diplomatisch in der Eidgenossenschaft vertreten war, also für die 20er und den Beginn der 40er Jahre. In diesen Jahren traten die Vertreter Ferdinands hin und wieder auch mit entsprechenden Anträgen vor die Tagsatzung337. Diese Übernahme von Aufgaben, die eigentlich in den Arbeitsbereich von Karls Gesandten fielen, durch die Vertreter Ferdinands erfolgte selbstverständlich, ohne daß es dazu ausdrücklicher Bitten Karls oder einer detaillierten Absprache zwischen den Brüdern bedurft hätte. Lediglich ganz zu Beginn scheint es einige Unstimmigkeiten gegeben zu haben, weil Ferdinand sich über die Absichten Karls nicht ausreichend informiert fühlte. Im Frühjahr 1523 entsandte Karl Dr. Prantner in die Vorlande, um Landsknechte anzuwerben, ohne Ferdinand vorher davon in Kenntnis zu setzen. Prantner dagegen war auf seine Aufgabe insofern schlecht vorbereitet, als er 337

Zu den Details siehe die Schilderung der Tätigkeit Sturtzels und Heggentzers, vor allem S. 459f., S. 467f., S. 485.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

nichts von der Absicht der Eidgenossen wußte, Frankreich die Anwerbung von Söldnern zu gestatten. Ferdinand beklagte sich deshalb bei Karl in relativ deutlichen Worten darüber, daß dieser ihn nicht im voraus über seine Pläne informiere. Ferdinand wies den Bruder zudem darauf hin, daß er mit großem Aufwand Spione in der Eidgenossenschaft unterhalte, um Karl zu dienen - auch dies implizit ein Vorwurf und zugleich eine Aufforderung, Ferdinands Dienste ausreichend zu würdigen und ihn auf dem laufenden zu halten, wenn Ferdinand ihn schon mit Informationen zur Entscheidungshilfe versorgte 338. Wie schlecht sich Ferdinand unterrichtet fühlte, geht auch daraus hervor, daß er versuchte, sich die benötigten Informationen auf anderem Wege zu verschaffen. Er wies nämlich die Regierung Innsbruck an, falls sie von Karl oder vom Herzog von Mailand um Knechte gebeten würde, solle sie ihm dies schreiben, sofern die Zeit dazu ausreichend sei 3 3 9 . Dies waren freilich Anfangsschwierigkeiten. Bereits ein Jahr später herrschte ein ganz anderer Ton, als Karl die Beantragung einer Tagsatzung und die Entsendung von Gesandten anregte, um die zwischen den Eidgenossen und Frankreich bestehenden Differenzen auszunützen, und dabei hinzufügte, daß er Ferdinand die Verhandlungsführung überlasse, da er ihm in dieser Sache völlig vertraue und nur so ein Auslaufen eidgenössischer Söldner nach Frankreich verhindert werden könne 340 . Damit hatte Karl die Aufgabenteilung für den Rest der 20er Jahre festgelegt. Karl kümmerte sich nämlich in diesen Jahren nicht selbst um die Eidgenossenschaft, sondern überließ dies weitgehend Ferdinand. So auch 1525, als sich nach dem Sieg von Pavia und der Gefangennahme des französischen Königs die Chance bot, die Eidgenossen aus ihrer engen Verbindung zu Frankreich zu lösen 341 . Auch in den kommenden Jahren finden sich 338

Ferdinand an Karl, Innsbruck, 12.5.1523 (FK 1, Nr. 36, S. 54-61, hier S. 55f. und

S. 59). 339

Ferdinand an Regierung und Hofrat Innsbruck, Linz, 3.9.1523 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 1, fol. 5r-6r, hier fol. 5r-v). 340

Karl an Ferdinand, Burgos, 25.5.1524 (FK 1, Nr. 69, S. 131-134, hier S. 133). Ferdinand erklärte sich mit dem Vorschlag Karls einverstanden und sagte zu, seine Gesandten nach dem Eintreffen der Instruktionen und Credenzen Karls entsprechend anzuweisen (Ferdinand an Karl, Regensburg, 7.7.1524 (ebd., Nr. 79, S. 196-199, hier S. 198)). Dazu scheint es aber nicht gekommen zu sein, es gibt jedenfalls keinerlei Nachrichten über das Auftreten einer solchen Gesandtschaft in der Eidgenossenschaft. 341

Karl an Ferdinand, Madrid, 26./31.3.1525 (FK 1, Nr. 133, S. 277-281, hier S. 279). Karl wies Ferdinand an, in der Eidgenossenschaft zu "praktizieren", um die

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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immer wieder Äußerungen der Art, daß Karl Ferdinand Anweisungen erteilte, wie er in der Eidgenossenschaft zu handeln habe und daß Ferdinand ihm dies zusicherte 342. Für die relativ ruhige zweite Hälfte der 20er Jahre war diese Aufgabenteilung ausreichend, d.h. es genügte, wenn Ferdinand für Karl mithandelte. Dies änderte sich, als sich die Reformation in der Eidgenossenschaft auch über Zürich hinaus durchsetzte und die Eidgenossenschaft spaltete. Die sich anbahnende konfessionelle Auseinandersetzung rief nicht nur Ferdinand als den Landesherrn der benachbarten Vorlande auf den Plan. Ferdinand setzte Karl vielmehr auseinander, welche Chancen und Risiken die konfessionelle Spaltung in der Eidgenossenschaft für Habsburg beinhalte 343 . Überhaupt erforderte die konfessionelle Frage als länderübergreifendes Problem doch eine etwas größere Absprache zwischen Karl und Ferdinand, da die konfessionelle Entwicklung in der Eidgenossenschaft nicht ohne Auswirkungen auf die Lage im Reich war. Die Christliche Vereinigung allerdings war eine Angelegenheit allein Ferdinands, und der Erste Kappeler Krieg ging zu schnell zu Ende, als daß die Brüder sich hätten beraten können, wie auf die Situation zu reagieren sei. Trotzdem nahm die Eidgenossenschaft ab 1529 in den Beratungen zwischen Karl und Ferdinand einen etwas größeren Raum als bisher ein, ja: sie war 1529 recht eigentlich erst wieder in das Blickfeld Karls gerückt, gefördert sicher auch durch seine persönliche Wiederannäherung an diesen geographischen Raum. In diesem Zusammenhang war außerdem wichtig, daß Karl als Kaiser eine besondere Rolle bei der Verteidigung des alten Glaubens zukam, so daß sein direktes

Eidgenossen zu einer Parteinahme für Karl zu veranlassen. Dies sollte dadurch geschehen, daß Ferdinand den Eidgenossen anbot, zwischen ihnen und Karl zu vermitteln, um so zu einer Allianz zu kommen. 342

Ferdinand an Karl, Tübingen, 1.9.1525 (FK 1, Nr. 149, S. 322-326, hier S. 325); Karl an Ferdinand, Toledo, 31.10.1525 (ebd., Nr. 158, S. 338-342, hier S.341); Ferdinand an Karl, Wien, 31.12.1526 (ebd., Nr. 261, S. 504-508, hier S. 507f.); Karl an Ferdinand, Valladolid, 31.7.1527 (FK 2, Nr. 82, S. 98-104, hier S. 100); Ferdinand an Karl, Gran, 23.11.1527 (ebd., Nr. 131, S. 152-161, hier S. 158); Instruktion Karls für Wilhelm von Montfort zu Margarete und Ferdinand, Madrid, 8.10.1528 (ebd., Nr. 232, S. 295308, hier S. 302f.); Antwort Karls auf die Instruktion Ferdinands für Gabriel Sanchez, Toledo, 8.11.1528 (ebd., Nr. 240, S. 318-332, hier S. 322f.); Ferdinand an Karl, Linz, 28.8.1529 (ebd., Nr. 344, S. 477-479, hier S. 479); Ferdinand an Karl, Linz, 7.9.1529 (ebd., Nr. 349, S. 489-493, hier S. 491). 343

Ferdinand an Karl, Linz, 7.9.1529 (FK 2, Nr. 349, S. 489-493, hier S. 491).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Eingreifen, mit der ganzen Autorität seiner kaiserlichen Würde, notwendig erschien 344 . Daß Karl in dieser Zeit wieder stärker in die Politik gegenüber der Eidgenossenschaft einbezogen wurde, lag sicherlich auch daran, daß Ferdinand mit der Abwehr der Türken vollauf beschäftigt war. Von daher informierte die Regierung Innsbruck Karl nunmehr häufig direkt, also ohne den Umweg über Ferdinand, um so eine rasche Entscheidungsfindung zu gewährleisten 345. Die Ausführung der habsburgischen Politik gegenüber den Eidgenossen lag aber weiterhin in den Händen der österreichischen Behörden und Amtsträger. Daran änderte sich auch 1531 nichts, als die konfessionellen Kämpfe in der Eidgenossenschaft einem neuen Höhepunkt entgegenstrebten und über die in dieser Situation zu ergreifenden Maßnahmen ein reger Gedankenaustausch zwischen Karl und Ferdinand einsetzte. Die Intensität des Austausches über die Entwicklung in der Eidgenossenschaft wurde noch dadurch gefordert, daß der gleichzeitige Konflikt mit dem Kastellan von Musso, der mit den konfessionellen Auseinandersetzungen in der Eidgenossenschaft zumindest in der Sicht von außen untrennbar verwoben war, die Verhältnisse in Italien und damit Karls unmittelbaren Interessenbereich direkt berührte. Mehr als jemals zuvor und danach bildete die Eidgenossenschaft in diesen Monaten ein immer wiederkehrendes Thema in der Korrespondenz zwischen den Brüdern 346 . Sobald sich die 344

Dies führte zwar noch nicht zur Entsendung eines eigenen Gesandten durch Karl in die Eidgenossenschaft, aber Ferdinand schlug beispielsweise vor, daß sich Karl schriftlich an die eidgenössischen Orte wenden sollte (Instruktion Karls für Graf Leonard Noguerol an Ferdinand, Piacenza, 23.9.1529 (FK 2, Nr. 356, S. 499-509, hier S. 507)). 345

Regierung Innsbruck an Karl, 13.12.1529 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 3, fol. 569v-570r): Die Regierung erwähnt hier eine Bitte Karls, ihn ständig auf dem laufenden zu halten. Regierung Innsbruck an Karl, 9.2.1530 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 4, fol. 39r); Regierung Innsbruck an Karl, 27.2.1530 (ebd., fol. 55r); Regierung Innsbruck an Statthalter und Räte in Trient zum Empfang Karls, 1.4.1530 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.l 1*, fol. 68r-v). 346

Karl an Ferdinand, Gent, Mai 1531 (FK 3, Nr. 489, S. 129-134, hier S. 134); Ferdinand an Karl, Prag, 28.6.1531 (ebd., Nr. 504, S. 172-176, hier S. 174); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Budweis, 11.7.1531 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 3, fol. 347v-348r); Karl an Ferdinand, Brüssel, 30.8.1531 (FK 3, Nr. 532, S. 244246, hier S. 245); Ferdinand an Karl, Göppingen, 5.9.1531 (ebd., Nr. 535, S. 250f.); Ferdinand an Karl, Speyer, 3.10.1531 (ebd., Nr. 552, S. 306f.); Ferdinand an Karl, Speyer, 15.10.1531 (ebd., Nr. 562, S. 323f.); Instruktion Ferdinands für seine Gesandten zu Karl, Stuttgart, 20.10.1531 (HHStA Wien, Schweiz 9, fol. 82r-84v); Karl an

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands Lage in der Eidgenossenschaft aber wieder beruhigt hatte, verschwand die Eidgenossenschaft wieder aus dem Schriftwechsel zwischen Karl und Ferdinand. Die Verhandlungen über ein Bündnis der katholischen eidgenössischen Orte mit Kaiser und Papst im Jahre 1533 führten dann zur Entsendung eines eigenen Gesandten durch Karl. Damit änderte sich die Art und Weise, in der die eidgenössischen Angelegenheiten in der Korrespondenz zwischen den Brüdern behandelt wurden. Obwohl die Eidgenossenschaft für Karls Politik in den 30er Jahren eine größere Rolle spielte als zuvor, wurden eidgenössische Themen in den zwischen den Brüdern gewechselten Briefen nun nicht häufiger behandelt. Da Karl und Ferdinand jetzt je einen eigenen Vertreter in der Eidgenossenschaft hatten, so daß Karl etwaige Anliegen direkt vorbringen lassen konnte und nicht mehr Ferdinand damit beauftragen mußte, waren fortan nur noch die Leitlinien der Politik gegenüber der Eidgenossenschaft in der Korrespondenz abzustimmen. Denkbar wäre freilich gewesen, daß nun eine genauere Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche erfolgt wäre, um so auch die Kompetenzen der beiden Gesandten klar voneinander zu scheiden. In diesem Bereich scheint es aber keinerlei Schwierigkeiten gegeben zu haben; zumindest wurde diese Frage in der Korrespondenz nicht thematisiert. Für alles, was den Krieg mit Frankreich, die Abwehr französischer Machenschaften und das Ergreifen geeigneter Gegenmaßnahmen bis hin zu eigenen Söldnerwerbungen betraf, waren ausschließlich Karls Gesandte zuständig. Daß diesbezüglich eine unausgesprochene Auf-

Ferdinand, Brüssel, 21.10.1531 (FK 3, Nr. 568, S. 332-334, hier S. 332f.); Ferdinand an Karl, Illertissen, 24.10.1531 (ebd, Nr. 570, S. 335-338, hier S. 335f.); Karl an Ferdinand, Brüssel, 31.10.1531 (ebd, Nr. 574, S. 343-347, hier S. 346); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 1.11.1531 (ebd, Nr. 575, S. 348f.); Karl an Ferdinand, Brüssel, 2.11.1531 (ebd, Nr. 576, S. 349-353, hier S. 350-353); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 3.11.1531 (ebd, Nr. 577, S. 353-358, hier S. 355-357); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 4.11.1531 (ebd, Nr. 579, S. 359f.); Karl an Ferdinand, Brüssel, 8.11.1531 (ebd, Nr. 581, S. 362-365, hier S. 363f.); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 8.11.1531 (ebd, Nr. 582, S. 365-367, hier S. 366); Karl an Ferdinand, Brüssel, 15.11.1531 (ebd, Nr. 585, S. 374377, hier S. 375f.); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 16.11.1531 (ebd, Nr. 587, S. 378-386, hier S. 380 und S. 382-384); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 24.11.1531 (ebd, Nr. 590, S. 393-406, hier S. 398-400); Karl an Ferdinand, Brüssel, 26.11.1531 (ebd, Nr. 593, S. 413-418, hier S.415f.); Ferdinand an Karl, Innsbruck, 29.11.1531 (ebd, Nr. 595, S. 419-424, hier S.421 und S.423); Karl an Ferdinand, Tournai, 6./9.12.1531 (ebd, Nr. 598, S. 427-435, hier S. 432f.); Karl an Ferdinand, Brüssel, 23.12.1531/2.1.1532 (ebd, Nr. 605, S. 454-459, hier S. 455-457); Karl an Ferdinand, Brüssel, 3.1.1532 (ebd, Nr. 606, S. 460-466, hier S. 461). 32 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

gabenteilung existierte, wird z.B. aus einem Schreiben Ferdinands aus dem Jahre 1534 deutlich, in dem es um ein mögliches Aufbrechen des eidgenössisch-französischen Bündnisses ging. Ferdinand hielt einen entsprechenden Versuch für nützlich, betonte aber zugleich, daß es ihm nicht gebühre, in diesem Fall Karl vorzugreifen, weshalb er die Angelegenheit an Karl gelangen lassen werde 347 . Die Festlegung der Kompetenzen trat auch in einem anderen Fall deutlich zutage, als sich die Interessen Ferdinands und Karls in der Haltung zu Zürich kreuzten. Ferdinand befand sich seit langem in einem Streit mit Zürich wegen der Klostereinkünfte von Stein a.Rh. auf österreichischem Gebiet, während Karl in dem Bemühen, die eidgenössischen Orte zum Bruch des französischen Bündnisses zu bewegen, nicht zuletzt auf Zürich rechnete, das dieser Allianz ja nie beigetreten war. In dieser Situation empfahlen die Gesandten Karls dem Kaiser, an Ferdinand zu schreiben und ihn zu bitten, in der Frage der Klostereinkünfte nachzugeben und so die habsburgfreundliche Haltung Zürichs zu honorieren 348. Sobald die Zuständigkeit Karls und Ferdinands gefragt war, bedurfte es erst einer Absprache auf höchster Ebene, um die weiteren Schritte festzulegen. Weder Karl noch Ferdinand griffen ohne Absprache in die Kompetenzen des anderen ein. Diese Abgrenzung der Zuständigkeiten wie auch die großen Linien der Politik gegenüber den Eidgenossen waren nicht umstritten. Der dadurch vielleicht entstehende Eindruck, daß die Politik Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft in den 30er und 40er Jahren nebeneinander her gelaufen sei, ohne daß überhaupt irgendeine Abstimmung stattgefunden hätte, täuscht jedoch. Vielmehr stimmten die beiden Brüder in den grundsätzlichen Fragen ihrer SchweizPolitik überein, wodurch konkrete Absprachen überflüssig wurden. Inwieweit der kaiserliche und der königliche Gesandte ihre Arbeit in der Eidgenossenschaft oder ihr Auftreten auf Tagsatzungen miteinander abgesprochen haben, läßt sich nur schwer feststellen. Zumindest gelegentlich korrespondierten die Gesandten jedenfalls miteinander und versorgten sich gegenseitig mit Informationen, zumal in Zeiten, in denen der Vertreter Ferdinands nicht in

347

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 3.8.1534 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 4, fol. 512r-v). 348

Gruyeres und Mamoz an Karl, Baden, 22.9.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 320r-321v, hier fol. 320r).

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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der Eidgenossenschaft weilte 3 4 9 . So informierte Gruyeres Sturtzel im Zusammenhang mit der Krise um Genf und Savoyen über die Lage in der Eidgenossenschaft und die kaiserlichen Absichten 350 , worauf Sturtzel ihm Informationen über die Lage in den Vorlanden und die erwartete Entwicklung in der Eidgenossenschaft zukommen ließ 3 5 1 . Sturtzel sandte diese Nachrichten Gruyeres' übrigens auch an die Regierung Innsbruck 352 . Als Marnoz den Text der Erbeinung von 1477 benötigte, wandte er sich offenbar an die Regierung in Ensisheim 3 5 3 . Der Statthalter der Regierung besorgte ihm ein Exemplar des Vertrages in Innsbruck und machte Marnoz im übrigen darauf aufmerksam, daß bereits 1474 eine Ewige Richtung zwischen Österreich und den Eidgenossen abgeschlossen worden war 3 5 4 . 349

Ein direkter Briefwechsel zwischen den Gesandten ist nicht überliefert, es finden sich aber in der übrigen Korrespondenz der Gesandten hin und wieder Hinweise auf solche Schreiben. So bot Gruyeres Sturtzel an, ihn fortlaufend über alles zu unterrichten, was Ferdinands Lande betreffe (Regierung Innsbruck an Sturtzel, 5.11.1533 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12+, fol. 48v-49r). Etienne Clerc erwähnte einmal ein Schreiben Sturtzels aus Ensisheim (Clerc an Granvelle, Luzem, 20.8.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 30r-v)). 350

Gruyeres an Granvelle, Sursee, 11./12.1.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 106r-107r, hier fol. 106v); Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 28.1.1536 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 21)); Sturtzel an Regierung Innsbruck, Buchheim, 7.3.1536 (ebd.); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 1.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 182r-183r). 351

Gruyeres an Granvelle, Sursee, 11./12.1.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 106r-107r, hier fol. 106v-107r); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 24.1.1536 (ebd., fol. 109r-v); Sturtzel an Regierung Innsbruck, Buchheim, 7.3.1536 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 21)); Gruyeres an Karl, Luzem, 20.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 202r-203r, hier fol. 203r). 352

Regierung Innsbruck an Sturtzel, 14.1.1536 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Causa Dom. 4, fol. 303r); Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 28.1.1536 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 21)); Sturtzel an Regierung Innsbruck, Buchheim, 7.3.1536 (ebd.); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 1.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 182r183r). 353

Hans von Andlau an Mamoz, Ensisheim, 8.7.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 38v-39r). Sturtzel hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Dienst quittiert, so daß es auf österreichischer Seite keinen direkten Ansprechpartner mehr gab. 354

39r). 3 *

Andlau an Mamoz, Ensisheim, 8.7.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 38v-

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

In dieser Zeit, in der die diplomatische Vertretung Ferdinands in der Eidgenossenschaft nach dem Ausscheiden Sturtzels reorganisiert werden mußte, versorgte der kaiserliche Gesandte Marnoz Ferdinand direkt 355 oder über die Regierung in Ensisheim 356 mit Nachrichten aus der Eidgenossenschaft. Dieses Miterledigen von Aufgaben, wenn einer der Brüder keinen Gesandten in der Eidgenossenschaft hatte, funktionierte also in beide Richtungen. So wie die Gesandten Ferdinands in den 20er Jahren auch für Karl tätig geworden waren, übernahm Marnoz nunmehr eine Berichtertätigkeit für Ferdinand. Zu Beginn der 40er Jahre war es dann wieder der Vertreter Ferdinands, der das Fehlen einer diplomatischen Vertretung Karls wenigstens ansatzweise zu kompensieren versuchte. Daß die gemeinsame Tätigkeit von Gesandten Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft aber nicht in jedem Fall ein konfliktfreies Miteinander war, sondern daß beide Seiten durchaus auch eifersüchtig über ihre vermeintlichen und tatsächlichen Rechte und Zuständigkeiten wachten, zeigte sich 1538, als es zu einem leicht gereizten Briefwechsel zwischen Marnoz und der Regierung Ensisheim kam. Bei der Verfolgung Wilhelm Arsents wegen der Entführung französischer Studenten und Tötung eines von ihnen auf Basler Gebiet gab es Abstimmungsprobleme zwischen Marnoz und der Ensisheimer Behörde. Offenbar hatte Marnoz die Regierung nicht über die Ansetzung eines Schlichtungstages in Schliengen in Kenntnis gesetzt, so daß die Regierung das Rechtsverfahren weiter vorantrieb. Die Regierung beschwerte sich bei Marnoz über diese mangelnde Information 357 . Marnoz schickte der Regierung aber anschließend einen versöhnlichen Brief 3 5 8 , so daß das frühere gute Einvernehmen wiederhergestellt gewesen sein dürfte.

355

Andlau an Mamoz, Ensisheim, 8.7.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 38v39r); Mamoz an Andlau, Luzem, August 1537 (ebd, fol. 53r-v). 356

Mamoz an Andlau, 16.8.1537 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 51r-v); Mamoz an Andlau, August 1537 (ebd, fol. 53r-v); Mamoz an Regierung Ensisheim, Basel, 31.12.1537 (ebd, fol. 108r-v). 357

Regierung Ensisheim an Mamoz, 18.3.1538 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 177v-178v). 358

Mamoz versicherte darin, daß er alles "uß sonderlicher liebe unnd begird, so ich zu erhalltung uwers loblichen stands unnd gewalltes" habe, getan habe und daß er keinen Unterschied zwischen Angelegenheiten des Kaisers und des Königs mache (Mamoz

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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Heggentzer war offenbar gewillt, die Kooperation mit den kaiserlichen Gesandten, wie sie Sturtzel gepflegt hatte, fortzusetzen. Als unmittelbar nach seinem eigenen Dienstantritt Baptist de Insula für Karl auf der Tagsatzung erschien, suchte Heggentzer ihn auf und bot ihm seine Dienste a n 3 5 9 . Diese freundliche Geste dürfte freilich ohne größere praktische Auswirkungen geblieben sein, da der Auftritt Baptist de Insulas lediglich ein kurzes Intermezzo darstellte. Es macht aber die grundsätzliche und selbstverständliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen kaiserlichen und königlichen Gesandten deutlich. 1548 wurde Heggentzer dann eigens angewiesen, mit den kaiserlichen Gesandten "in guotem verstanndt" zu bleiben 360 , nachdem bereits der Schmalkaldische Krieg wieder zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit geführt und Heggentzer die Benachrichtigung Ferdinands und Karls übernommen hatte 361 . In der Folgezeit ist über direkte Kontakte zwischen Heggentzer und den Gesandten Karls nichts mehr zu erfahren. Ob dies lediglich ein Überlieferungsproblem ist oder auch eine Folge der Tatsache, daß sich die Gesandten Karls in diesen Jahren nicht zuletzt als mailändische Gesandte verstanden und insofern ihr Augenmerk mehr auf die südlichen Regionen richteten, ob vielleicht auch Sprachschwierigkeiten ein zusätzliches Hemmnis darstellten, kann nicht entschieden werden. Es kann lediglich vermutet werden, daß die strukturellen und damit einhergehend die personellen - Veränderungen in der Gesandtschaft Karls auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit seiner Gesandten in der Eidgenossenschaft mit denen Ferdinands hatten. Karl und Ferdinand wandten sich der Eidgenossenschaft nur noch einmal in ihrem Briefwechsel etwas genauer zu, und zwar im Zusammenhang mit dem Fürstenkrieg 1552: Karl wies die Vorschläge Ferdinands, wie die Eidgenossen zum Verlassen des französischen Bündnisses und zum Überwechseln auf die

an Regierung Ensisheim, Baden, 23.3.1538 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 179v180r)). 359

Heggentzer an Regierung Innsbruck, 29.3.1542 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (111,22)). 360 Regierung Innsbruck an Ferdinand, 16.8.1548 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 9, fol. 547r-549r, hier fol. 547r). 361

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 14.10.1546 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 9, fol. 183r); Regierung Innsbruck an Karl, 20.3.1547 (ebd., fol. 278v-279r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Seite Karls zu bewegen wären, zurück 362 . In solchen Fragen von allgemeiner und militärischer Bedeutung galt nach wie vor, daß die letzte Entscheidung bei Karl lag, und Ferdinand sich im Zweifelsfall dessen Meinung anschloß363. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß es keine grundsätzlichen Differenzen zwischen Karl und Ferdinand über die gegenüber den Eidgenossen einzuschlagende Politik gab. In der alltäglichen Politik gegenüber den Eidgenossen agierten Karl und Ferdinand und dementsprechend auch ihre Gesandten weitgehend unabhängig voneinander. Sobald aber in einer besonderen Situation eine genauere Koordination erforderlich wurde oder aufgrund eines Defizits in der diplomatischen Vertretung eines der Brüder ein Handeln für die Interessen beider nötig wurde, erfolgten die notwendigen Schritte im allgemeinen problemlos und ohne sichtbare Anlaufschwierigkeiten. Umgekehrt schien auch für die Eidgenossen die Aufgabenteilung zwischen Karl und Ferdinand bzw. ihren Gesandten vollkommen klar gewesen zu sein, da keine Fälle überliefert sind, in denen sie sich mit einem Anliegen an den "falschen" Gesandten wandten.

IV. Kundschafter und Spione: Die konspirative Seite des Gesandtschaftswesens Die Tätigkeit der Gesandten Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft wie die Arbeit von Gesandten überhaupt - fand ihren Niederschlag in den Akten im allgemeinen nur dann, wenn die Gesandten auf Tagsatzungen auftraten, Verhandlungen führten oder Informationen weiterleiteten. Dies waren zweifellos wichtige Arbeitsbereiche der Gesandten. Erfolge konnten sie dabei freilich nur erzielen, wenn es ihnen gelang, in dem Land, in dem sie tätig waren, in diesem Fall: in der Eidgenossenschaft, ein weitgespanntes Netz von Kontakten aufzubauen 364 . Über diesen - inoffiziellen - Teil der Tätigkeit von Gesandten

362

Ferdinand an Karl, Passau, 24.7.1552 (Lanz, Correspondenz 3, Nr. 865, S. 389f.); Ferdinand an Karl, Passau, 28.7.1552 (ebd., Nr. 870, S. 396f.); Karl an Ferdinand, Villach, 31.7.1552 (ebd., Nr. 872, S. 399-404, hier S. 403). 363

Ferdinand an Karl, Passau, 5.8.1552 (Lanz, Correspondenz 3, Nr. 877, S. 413418, hier S. 417). 364

Siehe zur Informationsbeschaffung durch Diplomaten am Beispiel der Gesandten Karls in Frankreich Lunitz, Diplomatie und Diplomaten, S. 117-147.

B. Die diplomatische Vertretung Karls und Ferdinands

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erscheint zumeist wenig in den Akten, er läßt sich bestenfalls aus verstreuten Andeutungen und Indizien erschließen. Dabei handelte es sich um Kontakte ganz verschiedener Art: Zu erwähnen wären hier die zahlreichen Einladungen, die ein Gesandter auszurichten verpflichtet war - und deren Kostspieligkeit ihn häufig genug an den Rand der Verzweiflung trieb. Bei diesen und ähnlichen gesellschaftlichen Anlässen kam der Gesandte mit Politikern seines Gastlandes zusammen und lernte weitere wichtige Leute kennen, er konnte Stimmungen ausloten und versuchen, die Meinung der einzelnen Personen zu aktuellen Fragen zu erkunden sowie die Position seines Auftraggebers darzulegen. In den meisten Fällen dürfte der Gesandte bei solchen Anlässen allerdings kaum Dinge erfahren haben, die er nicht ohnehin schon wußte. Dennoch konnte sich kein Gesandter diesen gesellschaftlichen Verpflichtungen entziehen, zumal von der Freigebigkeit eines Gesandten durchaus Rückschlüsse auf die Freigebigkeit und auch die Zahlungsfähigkeit seines Herrn gezogen wurden. Um an die wirklich interessanten Nachrichten zu gelangen, bedurfte es freilich anderer Kanäle. Eine Möglichkeit waren dabei engere Verbindungen zu einzelnen Politikern, die über das oben beschriebene Maß hinausgingen. Die Gesandten bemühten sich um solche Kontakte, um auf diese Weise z.B. über den Entscheidungsprozeß in den maßgeblichen Gremien informiert zu sein, und zwar noch bevor die Entscheidung selbst gefallen war. Für die betreffenden Politiker war eine Motivation für die Weitergabe derartiger Informationen, auf diese Weise vielleicht der von ihnen befürworteten Richtung zum Sieg zu verhelfen. Erhöht wurde diese Motivation selbstverständlich durch finanzielle Zuwendungen, die sie von der begünstigten Seite erhielten - die berühmt-berüchtigten Privatpensionen, die so umstritten wie verbreitet waren. Eine Spielart dieser Kontakte stellen diejenigen zu offiziellen Amtsträgern dar. Für die Eidgenossenschaft sind hier unter anderem die Landvögte von Baden zu nennen, die, seitdem die Tagsatzungen regelmäßig in Baden stattfanden, eine wichtige Rolle für die Arbeit der ausländischen Gesandten spielten. Hier galt es, sich die im Zweijahresturnus wechselnden Landvögte zu verpflichten, um sich dadurch die eigene Arbeit zu erleichtern 365. 365

Besonders beliebt war die Überreichung eines silbernen, vergoldeten "Trinkgeschirrs". Als Anfang 1532 der Landvogt von Baden, Konrad Bachmann, starb und ein anderer Zuger, Heinrich Schönbrunner, die Stelle übernahm, schlug die Innsbrucker Regierung vor, diesem ein Trinkgeschirr zu verehren, da er als gut gesinnt gelte. Sturtzel sollte das Trinkgeschirr aber vorläufig bei sich behalten, bis Schönbrunner seine gute

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Neben diese offiziellen und halboffiziellen Kontakte trat ein konspirativer Bereich, nämlich das Unterhalten von Kundschaftern. Bei den Kundschaftern handelte es sich um Personen niederen Ranges, die für ein bestimmtes Entgeld bereit waren, die Gesandten regelmäßig mit Informationen zu versorgen. Alle Gesandten haben solche "Spione" unterhalten; insbesondere für die Vertreter Ferdinands, die selbst nicht ständig in der Eidgenossenschaft anwesend waren, waren sie unverzichtbar. Ihre Existenz geht aus den Eintragungen in den Raitbüchern der Kammer in Innsbruck hervor, wo Ausgaben für Kundschaften, Zehrung und Botenlohn zu den regelmäßig wiederkehrenden Buchungsposten gehörten. Das Geld erhielten die Gesandten, die es dann an die Kundschafter weiterreichten; die Namen oder auch nur ungefähre Angaben über die Kundschafter wie Herkunftsort oder Beruf sind auf diese Weise also nicht zu erfahren 3 6 6 . Die direkte Auszahlung wäre bei den damaligen Möglichkeiten des Zahlungsverkehrs zu aufwendig gewesen; sie hätte aber auch die Kundschafter gefährdet und kam schon von daher nicht in Frage. Es ist deshalb außerordentlich schwierig, Details über die Kundschafter zu erfahren. Man kann höchstens aus der Tatsache, wie gut oder schlecht ein Gesandter informiert war, Rückschlüsse auf die Qualität seiner Informanten ziehen. Nur selten sind solche Agenten in den Akten namhaft zu machen. Um so erfreulicher ist es, daß dies in einigen Fällen für die in habsburgischem Dienst tätigen Kundschafter zu Beginn der 20er Jahre möglich ist. Veit Sutor unterhielt in diesen Jahren zunächst von Zürich, ab Ende 1522 von Konstanz aus ein ganzes Netz von Kundschaftern 367. Das Wissen über einige von ihnen verdanken wir der Tatsache, daß ihre Tätigkeit "aufflog", sie Gesinnung bewiesen habe (Regierung und Kammer Innsbruck an Sturtzel, 11.3.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Gem. Missiven 6, fol. 80r-v)). Bachmann hatte ebenfalls ein Trinkgeschirr erhalten (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Entbieten 34, fol. 487r). Das Trinkgeschirr, für das Heggentzer am 1.7.1553 50 fl. erhielt (TLA Innsbruck, Raitbuch 1553, fol. 506r), dürfte ebenfalls für den Badener Landvogt bestimmt gewesen sein, da just zu diesem Zeitpunkt der turnusmäßige Wechsel in der Landvogtei stattfand. 1524 hatte Sturtzel dem Landvogt im Thurgau ebenfalls ein solches Trinkgeschirr überreicht (TLA Innsbruck, Raitbuch 1524, fol. 555r). 366

Dies gilt im übrigen auch für die Privatpensionen, deren Auszahlung auf die gleiche Weise geschah. 367

Siehe dazu: A. Vögeli (Hrg.), Jörg Vögeli, Schriften zur Reformation in Konstanz 1519-1538 (Schriften zur Kirchen- und Rechtsgeschichte 41), Bd. 2/2: Kommentar und Register, Tübingen/Basel 1973, S. 1008-1010, Anm. 289.

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also gewissermaßen "enttarnt" wurden. Ob die verhältnismäßig große Zahl solcher Enttarnungen so interpretiert werden kann, daß Sutor besonders viele Spione engagiert hatte, oder ob diese Kundschafter oder ihr Auftraggeber Sutor besonders unvorsichtig agierten, ist nicht zu entscheiden. Aus Luzern berichtete bis Ende 1521 unter anderem Augustin Rosenberg, ein Mitarbeiter der städtischen Kanzlei, für Sutor. Wann Rosenberg seine Kundschaftertätigkeit begonnen hat, ist nicht zu ermitteln. Erhalten sind lediglich seine Schreiben aus dem Jahre 1521 und drei Schreiben aus dem Januar 1522, nachdem er Luzern bereits verlassen hatte. Aus dem Jahre 1521 sind 19 Briefe an Sutor überliefert, es handelte sich also keineswegs um sporadische Berichte, sondern um eine regelmäßige und rege Korrespondenz. Das erste erhaltene Schreiben enthält freilich weniger politische Informationen als vielmehr die ausführliche Schilderung eines privaten Mißgeschicks. Rosenberg hatte seit zwei Jahren ein Verhältnis mit einer Magd namens Margret, die bei ihm im Hause diente. Aus der Verbindung war auch ein Kind hervorgegangen. Rosenbergs Frau verriet das Verhältnis Margrets Brüdern, die daraufhin zu dritt Rosenberg auflauerten, ihn mit einem Messer bedrohten und verprügelten. Kurze Zeit später kam es zu einem zweiten Handgemenge, bei dem Rosenberg unterstützt durch Margrets Schwester - sich nur durch einen Sprung aus dem Fenster retten konnte. Das Handgemenge erregte so großes Aufsehen, daß sogar Sturm geläutet wurde. Da der Friedbruch an den Weihnachtsfeiertagen stattfand, wurde Rosenberg vom Luzerner Rat auf eine Klage der Brüder hin mit einem Bußgeld von 50 Pfund belegt. Zunächst war er auch aus dem Dienst entlassen worden, doch wurde diese Maßnahme wieder rückgängig gemacht. Rosenberg schilderte Sutor diese Vorkommnisse in drastischen Worten 368 , um ihn anschließend zu bitten, ihm in seiner unglücklichen Lage zu helfen. Zum einen bat er Sutor, für Margret in Zürich eine Stelle als Näherin oder Magd zu besorgen, zum anderen wollte er selbst Luzern verlassen und hoffte auf eine Stelle in der Zürcher Kanzlei, wofür er ebenfalls Sutor um Vermittlung anging 3 6 9 . Auf diese Weise wollte er seine Frau loswerden und außerdem die Zahlung des ihm vom Rat auferlegten Bußgeldes umgehen.

368

Augustin Rosenberg an Veit Sutor, Luzern, 4.2.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 14r-15v). 369

Rosenberg an Sutor, Luzem, 4.2.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 14r-15v, hier fol. 15r).

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Den Wunsch nach einer Stelle für Margret konnte Sutor ihm offenbar erfüllen, jedenfalls war Margret von nun an in Zürich 370 . Dies war auch insofern von Vorteil, als Rosenberg seine Berichte alle an Margret schickte, die sie dann Sutor übergab. Auf diese Weise erregten seine häufigen Briefe nicht von vornherein Verdacht 371 . Damit wird ein zentrales Problem des Kundschafterwesens angesprochen: die sichere Beförderung der Berichte. In seinen Briefen erwähnte Rosenberg diese Schwierigkeit immer wieder: Mal schrieb er, daß er den Boten selbst entlohnt habe, um keinen Verdacht zu erregen 372 , mal bat er Sutor, den Boten zurückzuschicken, da er keinen anderen zuverlässigen Boten habe 373 , oder er konnte ihm in Ermangelung eines Boten ein Schreiben nicht zusenden374. Für einen guten Nachrichtendienst bedurfte es also nicht nur eines guten Kundschafters, sondern auch zuverlässiger Boten. In diesem Fall wurde die Briefübermittlung dadurch erleichtert, daß sie als Liebesbriefe getarnt werden konnten 375 . Rosenbergs zweiter Wunsch, eine Stellung in der Zürcher Kanzlei, ging dagegen nicht in Erfüllung. Vermutlich hat sich Sutor auch gar nicht darum bemüht, da für ihn Rosenbergs Dienste gerade in Luzern besonders wertvoll waren. In Zürich war er selbst und verfügte vermutlich über die nötigen Kontakte, hier waren die Dienste eines zusätzlichen Kundschafters kaum von Nutzen. Ein 370

Die Briefe Rosenbergs an Sutor enthalten nämlich regelmäßig Grüße an Margret.

371

Rosenberg schrieb selbst ausdrücklich, er habe "dem Margrethli befolhen, das sy gut sorg hab unnd uch die brieff allwegen selbs über antwurte, denn es ist vil geschickter und unverdachtlicher ir die brieff zu ze schicken dann uch" (Rosenberg an Sutor, 18.9.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/3, fol. 144r)). 372

Rosenberg an Sutor, 17.9.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/3, fol. 142r-v).

373

Rosenberg an Sutor, September 1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. 130r-v).

374

Der Bote, den Rosenberg sonst beauftragte, war nämlich nicht daheim. Dieser Bote sei zuverlässig und vertrauenswürdig, zumal er ein Ausländer sei. Diese Tatsache empfahl ihn offenbar in den Augen Rosenbergs, vermutlich, weil ein Ausländer nicht so viele Verbindungen zu Einheimischen hatte und deshalb die Gefahr des Ausplaudems geringer war. Rosenberg nannte auch den Grund für die Abwesenheit des Boten: Dieser sei "selten anheimisch unnd behilfft sich allein mit lauften, denn er hat nit mer dann ein hannd" (Rosenberg an Sutor, 4.11.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/1, fol. 122v-123r)). 375

Margret versah ihre Aufgabe offenbar sehr gewissenhaft und hielt sich streng an die Anweisung, die Briefe nur Sutor persönlich zu übergeben. Als Sutor einmal nicht zu Hause war, nahm sie nämlich die Briefe wieder mit (Rosenberg an Sutor, 14.10.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/1, fol. 105r-v)).

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Kundschafter in Luzern, einem der Zentren derfranzösischen Partei in der Eidgenossenschaft, war dagegen eine Quelle von unschätzbarem Wert. Rosenberg wiederholte ein ums andere Mal seinen Wunsch, Luzern zu verlassen 376, aber Sutor machte ihm offenbar klar, daß seine Anwesenheit in Luzern von ungleich größerem Nutzen sei 3 7 7 . Rosenbergs Dienste waren nicht allein deshalb so wertvoll, weil er aus Luzern schrieb, sondern vor allem, weil er als Angestellter der städtischen Kanzlei Zugang zu vielen Akten hatte, die für Sutor, und das heißt letztlich für Karl, von großem Interesse waren. So berichtete Rosenberg nicht nur über alle ihm zu Ohren kommenden Gerüchte und schilderte die Verhandlungen auf den Tagsatzungen, sondern schickte Sutor auch Zusammenfassungen 378 oder gar Abschriften wichtiger Schriftstücke 379. Dazu gehörten ne376

Rosenberg an Sutor, 24.3.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 47r); Rosenberg an Sutor, 7.4.1521 (ebd., fol. lr); Rosenberg an Sutor, o.D. [ca. April 1521] (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. 67r-68r, hier fol. 67r). Dabei spekulierte er zeitweise auch auf eine Stelle in kaiserlichem Dienst (Rosenberg an Sutor, 4.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/2, fol. 116r); Rosenberg an Sutor, 14.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 72r-v)). 377

Rosenberg fügte seinen erneuten Klagen nämlich die Bemerkung hinzu, wenn er Sutor aber nirgends mehr nütze als in Luzem, so solle er ihm doch wenigstens schreiben, wie lange er noch hier bleiben müsse (Rosenberg an Sutor, o.D. [ca. September 1521] (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 147r-v, 157r, hier fol. 147r)). 378

Beispielsweise referierte er den Inhalt eines Schreibens eidgenössischer Hauptleute in französischem Dienst und eines der Hauptleute in päpstlichem Dienst (Rosenberg an Sutor, o.D. [ca. September 1521] (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 147r-v, 157r, hier fol. 147r-v)), aber auch den Inhalt des französischen Soldbündnisses (Rosenberg an Sutor, Luzem, o.D. [ca. Mai 1521] (ebd., fol. 22r-v)). 379

Am 18.9.1521 sandte er Sutor Abschriften gerade eingegangener Schreiben aus Bern, Burgund und Mailand (Rosenberg an Sutor, 18.9.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/3, fol. 144r)). Als einige Luzemer einen Aufbruch zum Papst planten, wurden sie vom Rat in einem Schreiben ermahnt, von ihrem Vorhaben abzulassen (Luzem an J. Marti, Niclas Russen, H.H. Cristan u.a., 23.9.1521 (ebd., fol. 226r)). Das Schreiben liegt in Kopie ohne Kommentar bei den Akten im HHStA Wien, Schweiz; da es von der Hand Rosenbergs stammt, ist freilich klar, wie es seinen Weg dorthin gefunden hat. Den Bericht eines Luzemers über die Teilnahme am Italienzug versah Rosenberg in seiner Abschrift mit dem Kommentar: "Uff heut mitemtag ist minen herren von Lutzern ein schrifft von Jacob Ferren irem ratsfrund uss Meylannd zukomen, derselben ich uch ain abschlifft wie hernach volgtt zuschicken, darin ir wol ergötzt werden" (Jacob Ferr an Luzem, Mailand, 15.11.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/1, fol. 57r)). "Ergötzen" sollte Sutor die

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ben allen Arten von Korrespondenz auch die Abschiede der Tagsatzungen, die den ausländischen Gesandten offiziell nicht zugänglich waren 380 . Rosenberg hatte in der Kanzlei offenbar Zugang zu allen diesen Schriftstücken, obwohl er nur eine untergeordnete Funktion bekleidete 381 . Er gehörte damit einem Personenkreis an, der von den Gesandten bevorzugt für Kundschafterdienste angeworben wurde. Dies dürfte freilich auch den jeweiligen Obrigkeiten kein Geheimnis gewesen sein, so daß diese Männer besonders aufmerksam beobachtet wurden. Trotz der erwähnten Vorsichtsmaßnahmen geriet Rosenberg denn auch in Verdacht, die Kaiserlichen über alle Verhandlungen zu informieren. Er wurde deshalb von den Ratssitzungen ausgeschlossen, und die Abschiede wurden, wie Rosenberg Sutor mitteilte, vor ihm verborgen 382. Ob die Strafmaßnahme nur von kurzer Dauer war, schrieb Rosenberg nicht, jedenfalls belieferte er Sutor weiter mit Informationen und auch Schreiben aus der städtischen Kanzlei. Ende 1521 fand Rosenbergs Tätigkeit dann allerdings ein abruptes Ende. In seiner Abwesenheit waren Briefe in Luzern angekommen, die geöffnet wurden

Schilderung der Schwierigkeiten des französischen Heeres im Kampf gegen die Kaiserlichen. 380

Wenn ausländische Gesandte auf einer Tagsatzung einen Antrag vorbrachten und darauf einen "Abschied" erhielten, so war das nicht der gesamte Abschied, sondern lediglich ein Ausschnitt zu dem von den Gesandten vorgebrachten Punkt. Ein solcher Abschied bestand aus einer Zusammenfassung des Begehrens der Gesandten und dem Beschluß der Tagsatzung. Wenn kaiserliche Gesandte auf einer Tagsatzung anwesend waren, erhielten sie also beispielsweise nicht den Abschied, der einem gleichzeitig anwesenden französischen Gesandten auf sein Begehren hin überreicht wurde. 381

Genau läßt sich seine Funktion nicht bestimmen. Er war jedenfalls weder Stadtschreiber noch Unterschreiber, da er diese gelegentlich erwähnte (Rosenberg an Sutor, 21.5.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 63r-64r, hier fol. 63v)), nahm aber üblicherweise an den Ratssitzungen teil (Rosenberg an Sutor, o.D. [ca. April 1521] (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. 67r-68r, hier fol. 67r)). Er übte wohl eine Gehilfentätigkeit aus, da er einmal erwähnte, daß er damit rechne, zum Schreiber ernannt zu werden, d.h. er war dies noch nicht (Rosenberg an Sutor, 4.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/2, fol. 116r)). 382

Rosenberg an Sutor, o.D. [ca. April 1521] (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. 67r68r, hier fol. 67r).

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und die den bereits gegen ihn bestehenden Argwohn bestärkten 383. Rosenberg berichtete, als er nach Hause gekommen sei, habe seine Frau ihn gewarnt, daß er gesucht werde. Daraufhin sei er sofort geflohen 384 . Rosenberg kündigte an, nach Konstanz gehen zu wollen, und bat Sutor um Hilfe, da er völlig mittellos und auch ohne Kleider sei 3 8 5 . Rosenberg beteuerte schriftlich gegenüber dem Luzerner Rat seine Unschuld und bat Sutor, ebenfalls zu seinen Gunsten nach Luzern zu schreiben. Rosenberg schlug vor, Sutor solle zugeben, daß Rosenberg ihm gelegentlich geschrieben habe, "das sige aber der merteil beschehen von wegen einer person so ich zu Zürich hab, und so ich die begert, uch söllichs verschriben iro zu sagen, dann sy weder schriben noch lesen, wo hin und uff welchen tag sy zu mir komen soll" 3 8 6 - erneut sollte also das Verhältnis zu der Magd Margret herhalten, um den konspirativen Briefwechsel zu decken. Sutor war zu einem solchen Schreiben aber offensichtlich nicht bereit, und so blieb Rosenberg alleine in seiner verzweifelten Lage: ohne Geld, Kleider und Dienst. Er wandte sich in einem äußerst bitteren Brief erneut an Sutor und warf ihm vor, daß er ihn "in den hanndel bracht" habe, ihn jetzt aber "in der suppen stekken" und "versincken" lasse. Er wies daraufhin, daß er schließlich durch seinen Kundschafterdienst alles verloren habe, und bat wiederum um Hilfe, damit er nicht völlig an den Bettelstab komme. Außerdem wäre es auch nicht günstig, wenn publik würde, daß kaiserliche Diener so im Stich gelassen würden. Mit einer erneuten flehentlichen Bitte um Hilfe und der Bemerkung: "unnd wo mir nit gholffen, so besorg ich, es werd minethalb ein böß ennd nemen", endete dieser letzte Brief Rosenbergs an Sutor 387 . Ob aus Unvorsicht Sutors oder Ro383

Die genauen Umstände bleiben in Rosenbergs Schilderung unklar. Möglicherweise handelte es sich um Briefe, die zwar nicht namentlich an Rosenberg adressiert waren, aus denen aber die Tätigkeit eines Spions in der städtischen Kanzlei hervorging (Rosenberg an Sutor, Bremgarten, 6.1.1522 (HHStA Wien, Schweiz 7/3, fol. 17r». Dazu paßt auch die Bemerkung Sutors, er habe erfahren, "der stattschryber solle euch dargeben haben, euwer were sunst nie gedacht worden" (Sutor an Rosenberg, 11.1.1522 (ebd., fol. 44r-v, hier fol. 44v)). 384

Rosenberg an Sutor, Bremgarten, 6.1.1522 (HHStA Wien, Schweiz 7/3, fol. 17r).

385

Rosenberg an Sutor, Bremgarten, 6.1.1522 (HHStA Wien, Schweiz 7/3, fol. 17r). Seine Frau hatte nur einen Rock retten können, als man das Haus nach Rosenberg durchsuchte und seine Kleider mitnahm (ebd.). Diesen Rock, bat Rosenberg, solle Sutor durch einen Boten holen und ihm nach Konstanz bringen lassen. 386

Rosenberg an Sutor, 20.1.1522 (HHStA Wien, Schweiz 7/3, fol. 91r).

387

Rosenberg an Sutor, 28.1.1522 (HHStA Wien, Schweiz 7/3, fol. 13r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

senbergs oder aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände - die so reichlich sprudelnde Quelle in der Luzerner Kanzlei war versiegt. Eine der ihm von Rosenberg ans Herz gelegten Vorsichtsmaßnahmen hatte Sutor übrigens nicht befolgt: Rosenberg hatte ihn nämlich gebeten, seine Briefe zu verbrennen 3 8 8 . Der Tatsache, daß Sutor diesem Wunsch nicht nachkam, sondern die Schreiben im Original weitersandte, verdanken wir diesen seltenen Fund an Kundschafterberichten. Den Namen Rosenbergs erfährt man übrigens erst aus seinen letzten Briefen nach seiner Enttarnung, die er mit vollem Namen unterzeichnete. Die Briefe aus dem Jahre 1521 waren entweder mit "A.R." unterzeichnet oder ganz ohne jede Unterschrift, meist fehlte auch der Ausstellungsort. Im Ernstfall dürfte dies freilich nicht viel genutzt haben, da eine Identifizierung durch die Schrift jederzeit leicht möglich war, zumal wenn noch das Kürzel hinzukam 389 . Was diese Briefe des Augustin Rosenberg so interessant macht, ist nicht nur das Hervortreten eines individuellen Schicksals, sondern die Tatsache, daß hier zahlreiche grundsätzliche Probleme des Kundschafterwesens, die sonst nur aus Andeutungen zu erschließen sind, plastisch werden. Auf die Schwierigkeit der sicheren Übermittlung von Nachrichten wurde bereits hingewiesen390, ein Pro-

388

Rosenberg an Sutor, Luzem, 4.2.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 14r-15v, hier fol. 15v). 389

Statt einer Unterschrift enthielten einige Briefe übrigens auch Motti am Ende wie "Mich bedurt kein arbeit" (Rosenberg an Sutor, 17.9.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/3, fol. 142r-v, hier fol. 142v)), "Mich verlängt nach guter mär" (Rosenberg an Sutor, 18.9.1521 (ebd., fol. 144r)), "unferdrossen" (Rosenberg an Sutor, o.D. [ca. September 1521] (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. 130r-v, hier fol. 130v)), "Ich wurd witer red mit uch halten" (Rosenberg an Sutor, nach 9.12.1521 (ebd., fol. 52r-v, hier fol. 52v)), die für Rosenberg wohl nicht zuletzt die Funktion hatten, sich selbst zum Durchhalten aufzumuntern. 390

Entsprechend groß war der Einfallsreichtum, um Nachrichten auch in schwierigen Situationen sicher an ihren Empfänger gelangen zu lassen. Während des Zweiten Kappeler Krieges wollten die katholischen Orte Eiteleck von Reischach, dem Hauptmann der vier Waldstädte am Rhein, eine Nachricht zukommen lassen. Der Brief wurde zwischen zwei Brettchen gelegt und in ein Brot eingebacken, das Brot dann einer einfachen Frau zum Transport mitgegeben. Die Frau wurde unterwegs dreimal angehalten und einer Leibesvisitation unterzogen, aber auf ihre Bitte ließ man ihr das Brot, so daß die Nachricht ihren Adressaten erreichte. Ein zweites Mal hätte der Trick allerdings nicht funktioniert, da ein Knecht Reischachs die Geschichte erzählte und sie so schließ-

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blem, das sich durch sämtliche Gesandtenkorrespondenz nicht selten wie ein roter Faden zieht. Typisch ist außerdem die offenbar gezielte Anwerbung von Mitarbeitern der Kanzleien. Die Indienstnahme Rosenbergs war durchaus kein Einzelfall. Es finden sich vielmehr immer wieder Hinweise in diese Richtung. Gelegentlich werden z.B. Zahlungen oder Verehrungen an Schreiber erwähnt 391 . Dabei dürfte es sich allerdings in den meisten Fällen nicht um eine Kundschaftertätigkeit im eigentlichen Sinne wie bei Rosenberg gehandelt haben, sondern um gelegentliche Gefälligkeiten. Weiter ging da schon die Tätigkeit des Solothurner Unterschreibers, der Sutor offenbar ähnlich wie Rosenberg regelmäßig mit Informationen und Abschriften belieferte 392 . Auch er hatte hin und wieder Schwierigkeiten, an die gewünschten Schriftstücke zu kommen. Entgegen Sutors Bitte konnte er ihm z.B. den Abschied einer Tagsatzung in Bern nicht zuschicken, da, als der Abschied einging, weder er noch der Stadtschreiber anwesend waren, so daß das Schriftstück an den alten Stadtschreiber gelangte, von dem es der amtierende Schreiber bis jetzt noch nicht angefordert hatte 393 . Dieser Vorfall macht auch deutlich, wie wichtig es war, Informanten in verschiedenen Kanzleien sitzen zu haben, um solche Zwischenfälle ausgleichen zu können.

lieh auch an die evangelischen Orte gelangte (Jacob Hünerwadel an Ulrich Kambli in Zürich, Schaffhausen, 29.10.1531 (Strickler, Actensammlung 4, Nr. 635, S. 203)). 391

So wurde Sutor angewiesen, dem Stadtschreiber und dem Unterschreiber von Zürich zu Händen des Unterschreibers eine Ehrung zu übergeben und ebenso dem Stadtschreiber von Baden bei der nächsten Tagsatzung (Andreas Täubler an Sutor, Konstanz, 28.8.1520 (HHStA Wien, Schweiz 5/1, fol. 77r-79r, hier fol. 77r-v)); knapp ein Jahr später rechnete Sturtzel den Zürcher Unterschreiber übrigens eindeutig der kaiserlichen Partei zu (Sturtzel an Sutor, Ensisheim, 26.5.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 74r)). 1529 taucht dann der Luzerner Schreiber im Zusammenhang mit dem Abschluß der Christlichen Vereinigung als Empfänger einer Verehrung auf (Sturtzel an Regierung Innsbruck, Ensisheim, 31.5.1529 (HHStA Wien, Schweiz 8/1, fol. 58r-v)). 392

Unterschreiber zu Solothum an Sutor, 19.3.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 84r); Unterschreiber zu Solothum an Sutor, 14.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 61r). Erhalten sind zwar nur diese beiden Briefe, doch geht aus dem Inhalt hervor, daß es sich dabei um Teile einer regelmäßigen Korrespondenz handelte. 393

Unterschreiber zu Solothum an Sutor, 14.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 61r).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Während Rosenberg sich wohl von Sutor zu der Informantentätigkeit hatte überreden lassen, meldete sich der Luzerner Gerichtsschreiber 1536 aus eigenen Stücken bei Hans von Fridingen, dem Landvogt von Schwaben, und bot ihm an, ihn regelmäßig mit Berichten aus der Eidgenossenschaft zu versorgen 394. Auch der Landschreiber von Schwyz, Balthasar Stapfer, bot seine Dienste an, und zwar Karls Gesandten Marnoz. In diesem Fall sollte es sich aber weniger um eine Berichtertätigkeit handeln - hierfür waren die Kanzleien der Städte auch sicherlich besser geeignet, weshalb es sich bei allen bekanntgewordenen Fällen von Schreiber-Spionen um städtische Schreiber handelte -, sondern Stapfer sollte und wollte in den konspirativen Kontakten zwischen Marnoz und Joseph Amberg, dem Landammann von Schwyz, den Schriftverkehr übernehmen 395. Schreiber konnten also auf ganz unterschiedliche Art und Weise als Übermittler von Informationen dienen. Rosenberg und der Solothurner Unterschreiber waren aber keineswegs die einzigen Zuträger, die Sutor mit Informationen versorgten. Sutor unterhielt vielmehr ein ganzes Netz von Informanten in zahlreichen Orten der Eidgenossenschaft. Einiges davon wurde sichtbar, als 1523 Briefe zwischen Sutor, der sich inzwischen in Konstanz niedergelassen hatte, und dem Freiburger Dekan Jakob Huber von Bern aufgefangen worden waren 396 . Die Briefe waren von ei394

Regierung Innsbruck an Hans von Fridingen, 12.4.1536 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Causa Dom. 4, fol. 368v-369r). Die Innsbrucker Regierung befahl Fridingen, auf das Angebot einzugehen, und dem Gerichtsschreiber die Erstattung seiner Unkosten und des Botenlohns zuzusagen sowie eine Verehrung in Aussicht zu stellen (ebd.). Ob der Gerichtsschreiber dann tatsächlich Berichte lieferte, ist nicht bekannt. 395

Balthasar Stapfer an Mamoz, 23.12.1536 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. lv-2r). Obwohl es zunächst einige Unstimmigkeiten gab, vor allem eine Stapfer zugesagte Zahlung erst angemahnt werden mußte (Joseph Amberg an Mamoz, 26.1.1537 (ebd., fol. lOv-llr); Stapfer an Mamoz, 26.1.1537 (ebd., fol. llr-v); Stapfer an Mamoz, 27.1.1537 (ebd., fol. 12r-v)), scheint Stapfer dann entsprechende Aufgaben übernommen zu haben; zumindest fungierte er Ende 1537 als Übermittler von Briefen zwischen Amberg und Mamoz (Amberg an Mamoz, 6.12.1537 (ebd, fol. 8v-10v, hier fol. 10r)). 396

Sutor an Huber, Konstanz, 7.8.1523 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 67); Huber an Sutor, 12.8.1523 (ebd, Nr. 68). Die Schreiben und der Vorfall auch in EA 4/1 a, Nr. 149, S. 321 und S. 323-25. Huber wurde in Freiburg verhaftet, aber Freiburg weigerte sich, ihn vor der Tagsatzung vor Gericht zu stellen und übergab ihn dem Bischof von Lausanne als Richter (EA 4/la, Nr. 149, S. 321, 323-25; Nr. 155, S. 333-35; Nr. 156, S. 338 und 341; Nr. 160, S. 348; Nr. 168, S. 372). Siehe auch HBLS 4, Art. Huber, Jacques, S. 301.

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nem "Schüler" transportiert worden und zwar im Auftrag Jörg Morhopts, eines Zürcher Krämers. Morhopt rechtfertigte den jetzigen Dienst mit einem Schuldbrief, den Sutor von ihm habe, gab aber auch zu, früher für Sutor regelmäßig Botendienste in alle Orte der Eidgenossenschaft verrichtet zu haben 397 . Ansonsten aber versuchte Morhopt, seinen Kopf zu retten, indem er weitere Namen von Leuten nannte, die mit Sutor korrespondiert hatten 398 . Er erwähnte einen "Herrn Anshelm" 399 , vor allem aber den Luzerner Tuchscherer und Ratsherrn Heinrich Egli. Egli bestritt zunächst, Morhopt zu kennen 400 , folgte der Vorladung nach Zürich dann aber doch. Vor dem Zürcher Rat gab Egli die Bekanntschaft mit Morhopt und den Briefwechsel mit Sutor schließlich zu, behauptete aber, es sei in den Briefen um einen Studenten an der Universität Wien gegangen 4 0 1 . Den Briefwechsel rundweg abzulehnen hatte keinen Sinn mehr, da dem Morhopts unter Folter gemachte Aussage entgegenstand, also blieb Egli nur noch die Verharmlosung der Verbindung. Seine Aussage über den Inhalt des Briefwechsels mit Sutor war freilich falsch, er hatte diesen nämlich detailliert über die Verhandlungen innerhalb der Eidgenossenschaft vor dem Abschluß des Soldbündnisses mit Frankreich und die anschließende Siegelung des Vertrages informiert 402 . Als Ratsherr war Egli in den Meinungsbildungsprozeß involviert und konnte wichtige Ergänzungen zu den Berichten Rosenbergs liefern, der die schriftlich fixierten Ergebnisse wie zum Beispiel die Abschiede beisteuerte. Egli war kein Kundschafter im eigentlichen Sinne. Als Ratsherr, der der kaiserlichen Partei angehörte, dürfte er eher zu den sogenannten "Pensionern" zu zählen sein, also den Personen, die von einer ausländischen Macht, in diesem Fall: dem Kaiser, Privatpensionen erhielten. Als Gegenleistung für 397

Protokoll der Aussage Morhopts (StA Zürich, A 176.2, Nr. 58).

398

Protokoll der Aussage Morhopts (StA Zürich, A 176.2, Nr. 58).

399

Dabei könnte es sich um "Herrn Anshelm" aus Uri handeln, der bereits 1520 als Empfänger einer kaiserlichen Verehrung genannt wurde (Wolf von Homburg, Sturtzel, H. Acker, Sutor an Andreas Täubler, Zürich, 5.10.1520 (HHStA Wien, Schweiz 5/1, fol. llr)). 400

Luzem an Zürich, 2.10.1523 (,Strickler,

401

Urteilsbrief, Zürich, 20.10.1523 (StA Luzem, Al Fl Sch. 54).

402

Actensammlung 1, Nr. 674).

Heinrich Egli an Sutor, 31.3.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 58r); Egli an Sutor, 6.4.1521 (ebd., fol. 70r); Egli an Sutor, 7.4.1521 (ebd., fol. 2r); Egli an Sutor, 30.4.1521 (ebd., fol. 16r); Egli an Sutor, 21.5.1521 (ebd., fol. 61r-62r); Egli an Sutor, 9.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 41 r); Egli an Sturtzel und Sutor, 1.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/2, fol. 107r). 33 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

diese Zahlungen wurde in erster Linie nicht die Beschaffung und Weiterleitung von Informationen erwartet, sondern die Beeinflussung von Entscheidungen im Sinne des Pensionengebers. Dies schloß freilich gelegentliche Berichte nicht aus, und im Fall Heinrich Eglis erfolgten diese zumindest in den entscheidenden Wochen kurz vor und nach Abschluß des französischen Soldbündnisses sehr regelmäßig. Dieser Vorfall zeigt nicht nur, wie weitgespannt das Informantennetz Sutors war, sondern auch, wie gefährdet dieses Netz war, wenn es nur an einer Stelle riß. Für Österreich waren solche Vorfälle zwar bedauerlich, bedeuteten sie doch einen erheblichen Rückschlag für die Informationsbeschaffung; für die österreichischen Informanten jedoch waren sie existenzgefährdend. Dies hatte Rosenberg erfahren müssen, dies erfuhr Jakob Huber, während Morhopt einem ähnlichen Schicksal durch die Preisgabe weiterer Informanten zu entgehen trachtete 4 0 3 . Erneut erwies sich, daß der neuralgische Punkt weniger in der Zuverlässigkeit der Kundschafter als im Transport der hin- und hergehenden Schreiben lag. Der hier von Sutor gewählte Transportweg, nämlich die Briefe einem Krämer mitzugeben, war eine der damals gängigsten Arten, Post zu transportieren 4 0 4 . Bisher war fast nur von den Kundschaftern, die im Auftrag Sutors in der Eidgenossenschaft tätig waren, die Rede. Selbstverständlich haben aber auch Sturtzel und Heggentzer Kundschafter unterhalten, wie aus den regelmäßigen Zahlungen, die sie für Kundschafter erhielten, hervorgeht. Auch Karls Gesandte wurden mit Sicherheit von Kundschaftern mit Nachrichten versorgt, doch lassen sich dafür keine Quellenbelege finden. Marnoz unterhielt von Luzern aus offenbar enge Kontakte in die anderen Orte der Innerschweiz, doch wurde die uns erhaltene Korrespondenz nicht mit Kundschaftern im eigentlichen Sinne

403

Der von Bern aufgefangene Brief an Sutor war von zwei Personen verfaßt. Der zweite Mann neben Huber dürfte ein gewisser Seidennater gewesen sein, der sich zu Sutor nach Konstanz flüchtete und für den sich Sutor bei der Regierung einsetzte (Hofrat an Sutor, 5.11.1523 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Causa Dom. 1, fol. 29v-30v, hier fol. 30r); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Linz, 15.11.1523 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Geschäft von Hof 23, fol. 2v-3r, hier fol.2v); Hofrat an Sutor, 28.11.1523 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Causa Dom. 1, fol. 39r-v)). Auch dieser hatte also wegen seiner Tätigkeit für Österreich seine Heimat verlassen müssen. 404

In diesem Fall erledigte Morhopt den Auftrag aber nicht selbst, sondern gab ihn weiter, an einen in solchen Dingen möglicherweise Unerfahrenen.

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515

geführt, sondern mit Politikern wie dem Schwyzer Ammann Joseph Amberg, die in ihren Orten im Sinne der kaiserlichen Interessen tätig werden sollten. Ferdinand war für seine Politik gegenüber der Eidgenossenschaft nicht allein auf die Informationen angewiesen, die ihm bzw. seinen Vertretern von Kundschaftern in der Eidgenossenschaft zugingen. Die österreichischen Amtsträger und Adligen, die am Rhein entlang unweit der Grenze zur Eidgenossenschaft ihren Sitz hatten, berichteten über alle Beobachtungen und Informationen, die ihnen über die Lage in der Eidgenossenschaft zukamen. Im Westen, am Hochrhein, waren dies vor allem die österreichischen Beamten in den vier Waldstädten. Im Osten waren dies der Vogt zu Bregenz 405 oder an seiner Stelle der Amtmann zu Bregenz 406 , der Hubmeister von Feldkirch 407 oder der dortige Untervogt 4 0 8 , rheinaufwärts Balthasar von Ramschwag auf Gutenberg 409 und der Vogt der acht Gerichte im Prättigau 410. Diese Art der Nachrichtengewinnung war weniger riskant als die Anwerbung von Kundschaftern in den eidgenössischen Orten selbst. Allerdings waren so keine Informationen direkt aus den eidgenössischen Entscheidungszentren zu gewinnen, wie sie beispielsweise Rosenberg geliefert hatte. Die Informationsbeschaffung war ein unverzichtbarer Teil der diplomatischen Arbeit. Sie nahm je nach Situation sehr unterschiedliche Formen an, die Anwerbung von Kundschaftern gehörte aber - wenn möglich - immer dazu. Die Gesandten Karls und Ferdinands in der Eidgenossenschaft nutzten die ganze Bandbreite der Möglichkeiten, soweit Aussagen darüber bei den meist spärlichen Informationen getroffen werden können.

405

Gerade in den beiden Kappeler Kriegen spielte der damalige Vogt zu Bregenz, Mark Sittich von Hohenems, nicht nur aufgrund seines Amtes, sondern auch aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner militärischen Erfahrung eine zentrale Rolle. 406

Wolfgang Kantz.

407

Bis 1531 belieferte Moritz von Altmannshausen, später Achilles von Altmannshausen die Innsbrucker Regierung mit Informationen. 408

Ulrich Wochner begegnet in den Kriegsjahren 1529 und 1531 als Übermittler von Nachrichten. 409 410

Über Ramschwag siehe oben, S. 477f.

Peter von Finer versorgte die Regierung in Innsbruck in den 40er und 50er Jahren immer wieder mit Nachrichten. 33*

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich Auch wenn die Eidgenossen gerade den ausländischen Mächten gegenüber versuchten, sich als Einheit - eben als die Eidgenossenschaft - zu präsentieren, so blieben es doch dreizehn selbständige Orte, die hier handelten. Das gemeinsame Auftreten gegenüber dem Ausland war häufig genug das Ergebnis eines mehr oder minder mühsam ausgehandelten Kompromisses und keineswegs die Folge einer gewissermaßen "natürlichen" Eintracht. Die dreizehn Orte waren nämlich peinlich auf ihre Selbständigkeit bedacht, so daß sie der Eidgenossenschaft nur gerade jenes Maß an Verbindlichkeit zugestanden, das nötig war, um ihnen ihre Autonomie und Unabhängigkeit zu sichern. Zudem gab es beträchtliche Unterschiede zwischen den Orten. Einer dieser Unterschiede, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeitweise die Eidgenossenschaft in ihrer Existenz bedrohte, war der zwischen Städte- und Länderorten. Der Konflikt der 1470er Jahre wurde zwar im Stanser Verkommnis beigelegt, aber die Unterschiede und damit auch die Interessendivergenzen zwischen Städten und Ländern waren damit nicht aus der Welt geschafft. So spielte dieser Gegensatz in der Eidgenossenschaft des 16. Jahrhunderts weiterhin eine erhebliche Rolle. Von den vielfältigen Differenzen zwischen Städten und Ländern seien hier nur zwei herausgegriffen, nämlich die sozialen und die wirtschaftlichen. Die Städte waren mehr oder weniger oligarchisch verfaßt, Bern z.B. sogar mit stark aristokratischen Zügen, und sie herrschten über ein mehr oder weniger großes Landgebiet, in dem sie ihren Untertanen keineswegs größere Rechte und Freiheiten einräumten als andere, z.B. fürstliche, Obrigkeiten1. Die Länder dagegen verstanden sich als demokratische Bauerngemeinden, die sich von daher oft mehr den bäuerlichen Untertanen der Städte als den städtischen Patriziern verbunden fühlten 2. Demzufolge sympathisierten die Länder immer wieder mit Unzufrie1

Auch hier ist an der Spitze Bern zu nennen, das über das größte Territorium eines Stadtstaates nördlich der Alpen verfügte. 2

Daß die Länder auch nicht frei von oligarchischen Tendenzen waren, wird dabei freilich gerne übersehen. Auch hier konzentrierten sich die politischen Ämter immer wieder auf einige führende Familien.

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

517

denheitsbekundungen der bäuerlichen Untertanen der Städte. Die Unterstützung der Aufständischen im Oberhasle gegen Bern durch Unterwaiden 1528 hat hier - neben dem Kampf für den alten Glauben - eine ihrer wesentlichen Ursachen3. Zu diesen sozialen Differenzen kamen unterschiedliche wirtschaftliche Interessen, die nicht ohne Auswirkung auf die politischen Entscheidungen blieben. Die Länder waren agrarisch strukturiert. Die Landwirtschaft war freilich vielfach nicht in der Lage, die Bewohner der Länder zu ernähren. Nicht wenige von ihnen wichen deshalb auf den Solddienst als Erwerbsquelle aus und machten die Schweiz auf diese Weise zum wichtigsten Söldnerreservoir Europas4. Die Länder profitierten also ökonomisch von den Kriegen der Epoche, zumal die Schweiz selbst von diesen Konflikten verschont blieb. Die Städte dagegen lebten nicht zuletzt vom Handel, der freilich in Friedenszeiten besser florierte als in Kriegszeiten. Zwar gab es auch in den Städten Soldunternehmer und Reisläufer, aber der Handel bestimmte doch weit stärker die Ökonomie der Städte. Daß diese unterschiedlichen Interessen sich auf die Haltung der Städte und Länder zu den sie umgebenden ausländischen Mächten auswirkten, liegt auf der Hand. Dies war freilich keineswegs die einzige Konfliktlinie, die die eidgenössischen Orte in zwei oder mehr Gruppen spaltete. Es war vielmehr ein kennzeichnendes Element der Eidgenossenschaft, daß es eine Vielzahl solcher Konfliktlinien gab, die aber nicht deckungsgleich verliefen, sondern sich stets aufs Neue kreuzten und von daher je nach der Art des Konflikts zu immer neuen Koalitionen führten. Zu den Faktoren, die die Politik eines Ortes bestimmten, gehörte auch die geographische Lage. So ist die Politik Uris kaum zu verstehen, wenn man nicht berücksichtigt, daß Uri mit dem Gotthardpaß einen der wichtigsten Alpenüber3

Im Stanser Verkommnis war eine solche Unterstützung genau für solche Fälle ausdrücklich verboten worden. 4

Über den genauen Zusammenhang zwischen Wirtschaftsentwicklung, Bevölkerungsentwicklung und Solddienst gibt es zahlreiche und kontroverse Literatur. Die Diskussion wurde und wird von der These R. Fellers (Bündnisse und Söldnerdienst 15151798 (Schweizer Kriegsgeschichte Heft 6), Bern 1916, S. 7 u. 22) beherrscht, der Solddienst der Schweizer sei vom Bevölkerungsdruck verursacht worden. Siehe dagegen M. Mattmüller, Bevölkerungsgeschichte der Schweiz. Teil I: Die frühe Neuzeit 1500-1700 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 154), Bd. 1, Basel/Frankfurt a.M. 1987, S. 331 f. Auf diese Frage soll hier nicht näher eingegangen werden. Für unseren Zweck genügt die - in der Literatur nicht umstrittene - Feststellung, daß der Solddienst für die Wirtschaft der Länder sicherlich eine größere Rolle spielte als für die Städte.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

gänge kontrollierte. Mehr als alle anderen Orte war Uri deshalb nach Oberitalien orientiert, verfocht auch lange Zeit eigene territoriale Interessen südlich des Alpenkamms und versuchte, die anderen Orte für seine "ennetbirgische" Politik zu gewinnen. Die territorialen Ambitionen wurden zwar im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts weitgehend begraben, es blieben aber starke wirtschaftliche Interessen. Für Uri waren deshalb die Mailänder Kapitulate, also die Ausgestaltung der "terms of trade" zwischen Mailand und der Eidgenossenschaft, ein zentrales Anliegen der Politik. Davon war beispielsweise Bern weit entfernt. Lange Zeit mehr der burgundischen Eidgenossenschaft zugewandt, hatte die Aarestadt den Schwenk zur Eidgenossenschaft erst allmählich vollzogen und auch dann nicht ihre Orientierung Richtung Westen völlig aufgegeben. Die Eroberung der Waadt 1536 war sichtbares Zeichen und Folge dieser Westorientierung. Genf und Lyon spielten für Bern dauerhaft eine größere Rolle als Mailand, weshalb sich Bern stets nur schwer oder gar nicht für eine ennetbirgische Politik, wie sie Uri betrieb, hatte gewinnen lassen. Bern teilte diese Westorientierung übrigens mit Freiburg 5, teilweise auch mit Solothurn. Ebenfalls im Westen der Eidgenossenschaft gelegen, war Basel dagegen weit mehr nach Norden orientiert, die Blicke der Basler richteten sich traditionell den Oberrhein hinauf. Der Beitritt Basels zur Eidgenossenschaft implizierte insofern eine Änderung der Perspektive, bedeutete aber keineswegs ein vollständiges Kappen der alten Verbindungen. Zürich wiederum hatte neben der Eidgenossenschaft lange Zeit auch regelmäßig den verschiedenen Bünden der Bodenseestädte angehört. Richtung Norden, aber ebenso nach Osten gingen denn auch die territorialen Ambitionen Zürichs, und diese kollidierten im Alten Zürichkrieg aufs heftigste mit denen von Schwyz. Dieser Länderort, als einer der drei Urkantone scheinbar eng mit Uri verbunden, verfocht territorialpolitisch also eine ganz andere Stoßrichtung als Uri. Auch als die Expansionsabsichten Zürichs von den anderen Orten gestoppt worden waren, blieb die Limmatstadt freilich politisch und wirtschaftlich auf den Norden ausgerichtet, es blieb auch eine starke Fixierung auf Habsburg als die wichtigste Macht in diesem Raum. Was den Raum betrifft, den ihre Politik in den Blick nahm, waren sich also beispielsweise Zürich und das kleine, bäuerliche Appenzell näher als die beiden großen Städte Zürich und Bern. In einer besonders schwierigen Lage befand sich Luzern. Es war zwar Stadt, aber politisch und vertraglich eng an die drei Länderorte Uri, Schwyz und

5

Nicht zufällig sicherte sich gerade Freiburg ebenfalls seinen Teil von den Eroberungen des Jahres 1536.

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und F r a n k r e i c h 5 1 9 Unterwaiden gebunden6. Zudem lag die Stadt verkehrsmäßig so ungünstig, daß die großen Handelswege der Zeit sie nicht berührten, der Handel für Luzern also eine geringere Rolle spielte als für die übrigen Schweizer Städte. Dies verhalf dem Solddienst zu einem für eine Stadt eher untypischen Gewicht. In den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts kam eine neue Konfliktlinie hinzu, nämlich die zwischen altgläubigen und evangelischen Orten. Bis 1530 hatten sich die vier Städte Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen für die Reformation entschieden und bildeten fortan die Gruppe der evangelischen Orte. Da mit Luzern, Freiburg und Solothurn aber auch drei Städte beim alten Glauben verblieben, verlief die Linie zwischen evangelischen und katholischen Orten also nicht deckungsgleich mit der zwischen Städten und Ländern. Auf lange Sicht kam dann noch hinzu, daß zwei Länder, nämlich Glarus und Appenzell, gemischtkonfessionell waren7. In der Literatur erscheint der konfessionelle Konflikt zumeist als der allein dominierende. Dies trifft so aber wohl nur für die Zeit um 1530, den Höhepunkt der konfessionellen Auseinandersetzungen in der Eidgenossenschaft, zu. Ansonsten ist für die Eidgenossenschaft gerade kennzeichnend, daß nicht eine Konfliktlinie alle anderen überlagerte, die einzelnen Konfliktlinien sich auch nicht deckten, sondern nebeneinander existierten. Diese Vielzahl von Konfliktlinien machte das Zusammenleben in der Eidgenossenschaft schwierig und die Entscheidungsfindung kompliziert; sie rettete aber - neben dem Zwang zur Zusammenarbeit in den Gemeinen Herrschaften - auch den Bestand der Eidgenossenschaft. Wären mehrere dieser Konfliktlinien deckungsgleich gewesen und hätten so eindeutige und stabile Koalitionen ermöglicht, dann wäre ein Auseinanderbrechen der Eidgenossenschaft an dieser Linie vielleicht nicht zu verhindern gewesen. Bereits dieser skizzenhafte Überblick zeigt, wie unübersichtlich die politische Landschaft der Eidgenossenschaft im 16. Jahrhundert war. Das machte die Eidgenossenschaft in ihrer Haltung relativ schlecht berechenbar, erschwerte die Arbeit der ausländischen Gesandten ungemein, eröffnete aber stets auch die 6

Laut Bundesbrief von 1332 durfte Luzem keine Verträge ohne Zustimmung dieser drei Orte abschließen. 7

Und auch hier gab es noch einmal Unterschiede: Während Appenzell sich 1597 in zwei Halbkantone spaltete, die katholischen Innerrhoden und die evangelischen Außerrhoden, blieb Glarus ein Ort mit einem ausgeklügelten und - z.B. bei der Ämterbesetzung - fein austarierten Gleichgewicht zwischen Katholiken und Evangelischen.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Aussicht, durch erfolgreiches "Praktizieren" die Eidgenossenschaft auf die eigene Seite zu ziehen. Diese "Praktiken" mußten jeweils in den einzelnen Orten ansetzen, Ort für Ort mußte versucht werden, eine Mehrheit für die eigene Sache zu gewinnen. Die Haltung der Eidgenossenschaft zu den Großmächten der Zeit ist also nicht zu verstehen ohne den Blick auf die Verhältnisse in den einzelnen Orten. Eine sorgfältige Analyse der eidgenössischen "Außenpolitik" in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist von daher eigentlich erst möglich, wenn entsprechende Untersuchungen wenigstens für einige der Orte vorliegen8. Weder diese Einzelanalysen noch eine fundierte Gesamtschau können freilich im Rahmen der vorliegenden Arbeit geleistet werden. Dennoch erscheint es sinnvoll, wenigstens ansatzweise am Beispiel Zürichs und Luzerns darzustellen, welche Faktoren die außenpolitische Haltung der eidgenössischen Orte beeinflußten und zu welchen - teilweise überraschenden - Ergebnissen dies führte 9. Als nach dem Tode Maximilians die Gesandten, die die Eidgenossen vom Ableben des Kaisers unterrichteten, eine Tagsatzung beantragten, wurde als Tagungsort Zürich bestimmt10. Dies geschah keineswegs zufällig. Zwar entsprach die Abhaltung einer Tagsatzung in Zürich der führenden Position der Stadt innerhalb der Eidgenossenschaft 11. Die in diesen Jahren auf Antrag des französi8

Für die Länderorte werden solche Untersuchungen aufgrund einer zu schmalen Quellenbasis nicht möglich sein. Für die großen Städte liegt dagegen eine Fülle von Material vor. Nicht zu trennen ist die Frage der Außenpolitik der Städte von der Frage der Privatpensionen, d.h. von der Frage nach den Anhängern der Großmächte, vor allem Habsburgs und Frankreichs, in den Führungsschichten. Entsprechende Untersuchungen müßten also stark prosopographisch vorgehen, sofern nicht bereits entsprechende Untersuchungen wie im Falle Zürichs (Jacob, Politische Führungsschicht) vorliegen. 9

Die Darstellung erfolgt dabei meist aus habsburgischer Perspektive, da überwiegend Quellen habsburgischer Provenienz benutzt wurden. Eine systematische Heranziehung einzelörtischer Quellen (z.B. Ratsprotokolle, Instruktionen für Tagsatzungsboten, Korrespondenz zwischen den Orten etc.), gar Quellen prosopographischer Art, war nicht möglich. 10

Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Hans Acker an die Regierung Innsbruck, Zürich, 31.1.1519 (HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 244r-245v, hier fol. 244r-v). Die Gesandten hoben in dem Schreiben eigens die gute Gesinnung Zürichs hervor. 11

Die Position des sogenannten Vorortes war noch nicht definitiv festgelegt. Die fuhrende Position in der Eidgenossenschaft - und damit auch die Häufigkeit der Tagsatzungen an diesem Ort - hatte in den Jahrzehnten zuvor mehrmals gewechselt und war nicht zuletzt abhängig von den vorherrschenden Themen. So hatte die Führung während der Burgunderkriege eindeutig bei Bern gelegen.

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

521

sehen Königs wiederholt erfolgte Einberufung von Tagsatzungen nach Bern oder Luzern macht aber deutlich, daß Zürich als Tagungsort nicht zwingend war. Für Zürich sprach aus habsburgischer Sicht selbstverständlich auch die geographische Lage, doch dürfte dies kaum der entscheidende Grund gewesen sein. Mehr als an anderen Orten 12 konnte Habsburg in Zürich auf eine freundliche Aufnahme des eigenen Anliegens rechnen. Trotz der nicht allzu positiven Erfahrungen, die Zürich im Alten Zürichkrieg mit der habsburgischen Allianz gemacht hatte, hatte es in der Stadt doch seither immer eine starke pro-habsburgische Partei gegeben, wenn diese auch normalerweise nicht so dominant war wie zu Zeiten des Bürgermeisters Hans Waldmann. Die sich an dieses Gesuch anschließenden Verhandlungen ließen die innereidgenössischen Parteiungen bald deutlich werden. Waren sich die Eidgenossen in der Frage der Kaiserwahl insofern relativ schnell einig, als alle Orte die Übermacht Franz I.' von Frankreich fürchteten, der sich zu diesem Zeitpunkt auch im Besitz Mailands befand, so traten die Gegensätze zwischen den Anhängern Frankreichs und den Parteigängern Habsburgs anschließend wieder mit aller Schärfe zutage. Auslöser waren der Wunsch Frankreichs nach Abschluß eines Soldbündnisses mit den Eidgenossen und der Antrag Karls auf eine Erweiterung der Erbeinung. Insbesondere um das französische Soldbündnis wurde hart gerungen. Dabei stellte sich Zürich als einziger Ort von Anfang an und ohne jegliches Schwanken dem französischen Begehren entgegen, gut die Hälfte der Orte war dagegen von vornherein zur Zustimmung bereit 13 . Da das Bündnis auch abgeschlossen werden sollte, wenn nur ein Teil der Orte beitrat, entspann sich ein zähes Ringen um die unentschiedenen Orte, insbesondere um Schwyz 14 . Dabei unterstützte Zürich die habsburgische Politik nach Kräften 12

Als Tagungsort in Frage kamen im Grunde nur die Städte, und hier vorzugsweise die "alten" eidgenössischen Städte, also Zürich, Bern und Luzem. 13

Die Verhandlungen über das französische Bündnis zogen sich gut ein Jahr lang hin. Bereits zu Beginn der Verhandlungen gab Veit Sutor die Haltung der Orte in dieser Frage folgendermaßen wieder: Schwyz sei nicht auf der Tagsatzung erschienen, da es sich jeglicher Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten enthalten wolle; Zürich und Schaffhausen seien gegen die französische Allianz; Bern, Luzem, Freiburg, Solothum, Zug und Appenzell dafür; Uri, Unterwaiden und Glarus wollten sich der Mehrheit anschließen, Basel wollte nur die Beratungen anhören (Sutor an Zevenbergen, Zürich, 29.6.1520 (HHStA Wien, Schweiz 5/1, fol. 48r-50v, hierfol. 48v-49r)). 14

Während Schwyz sich nach Auskunft Sutors neutral verhalten wollte, rechnete Hans Acker Schwyz zu den Gegnern der französischen Vereinigung (Acker an die Regierung Innsbruck, Zürich, 30.6.1520 (HHStA Wien, Schweiz 5/1, fol. 51r)). Zürich lud

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

und versuchte, wenn schon nicht eine Zustimmung zu dem Begehren Karls, so doch wenigstens eine Ablehnung der französischen Anträge zu erreichen. Zu diesem Zweck entsandte die Stadt beispielsweise den Ratsherrn Hans Berger, einen Exponenten der antifranzösischen Partei, zu einer auf Begehren Frankreichs in Luzern stattfindenden Tagsatzung, um auf diese Weise sicherzustellen, daß die anderen Orte auch die auf Wunsch Karls angesetzte Tagsatzung in Zürich wenig später besuchten15. Die Gesandten Karls sollten Zürich auch mit Informationen über französische Aktivitäten versorgen, die Zürich als Argumentationshilfe bei den anderen Orten dienen konnten16. Karl verwies seine Gesandten sogar ausdrücklich an den Rat und die Hilfe Zürichs, um die Angelegenheit doch noch zu seinen Gunsten zu wenden17. Alle diese Bemühungen waren freilich vergebens. Auf einer Tagsatzung in Luzern im April 1521 stimmten alle Orte außer Zürich und Schaffhausen der französischen Allianz zu; Schaffhausen konnte schließlich nachträglich noch für das französische Bündnis gewonnen werden. Zürich hatte sich in dieser Frage ungewöhnlich stark exponiert und sich zuletzt allein dem vorherrschenden französischen Einfluß in Basel, Schaffhausen, Schwyz, Abt und Stadt St. Gallen deshalb zu einer Tagung nach Zürich, um sie von einer Zustimmung zum französischen Bündnis abzuhalten. Luzem dagegen wollte Schwyz notfalls mit rechtlichen Mitteln zum Beitritt zwingen, da die Bünde der drei Waldstätte und Luzems den einheitlichen Abschluß von Verträgen mit anderen Mächten vorschrieben (Acker und Sutor an Zevenbergen, Zürich, 30.6.1520 (ebd., fol. 54r-v)). Nachdem in Schwyz die Entscheidung zugunsten des französischen Bündnisses gefallen war, wollten die kaiserlichen Gesandten versuchen, eine erneute Einberufung der Landsgemeinde zu erreichen, in der Hoffnung, daß die nur mit knapper Mehrheit gefällte Entscheidung revidiert würde (Karl an Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Sturtzel, Sutor, Worms, 27.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI6, fol. 13r-14v, hier fol. 13v)). 15

Sutor an Regierung Innsbruck, Zürich, 25.3.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 49r-50v, hier fol. 49r). 16

Karl an Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Sturtzel, Sutor, Worms, 27.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 13r-14v, hier fol. 14r). 17

Karl an Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Sturtzel, Sutor, Worms, 27.4.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 13r-14v, hier fol. 13v). Diese enge Abstimmung des Vorgehens der kaiserlichen Gesandten mit Zürich war kein Einzelfall. Einige Zeit später schickte der Kaiser zwei an alle eidgenössischen Orte gerichtete unterschiedliche Schreiben Sutor zu und wies den Sekretär an, bei Zürich um Rat zu fragen, welches der beiden Schreiben er vorlegen solle (Sutor an Regierung Innsbruck, Zürich, 6.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 37r)).

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

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der Eidgenossenschaft entgegengestellt. Gerade auch die Zusammenarbeit mit den Gesandten Karls macht deutlich, daß es sich dabei um eine politische Richtungsentscheidung Zürichs und nicht um eine moralisch oder gar bereits reformatorisch begründete Ablehnung jeglichen Solddienstes handelte. Mit der Siegelung des französischen Bündnisses beruhigte sich das Ringen der beiden konkurrierenden Hegemonialmächte um Einfluß in der Eidgenossenschaft freilich nicht. Kurz darauf bat derfranzösische König nämlich entsprechend den Bestimmungen des Soldbündnisses um die Erlaubnis, in der Eidgenossenschaft Söldner anwerben zu dürfen. Mit dem Vertragsabschluß war zwar eine Grundsatzentscheidung gefallen, aber die Eidgenossen wollten in jedem Einzelfall neu über die Erteilung von Anwerbeerlaubnissen entscheiden, und häufig genug taten sie dies so, als ob sie keine vertraglichen Verpflichtungen eingegangen wären. Die Auseinandersetzung begann also von neuem, die Parteien allerdings blieben im wesentlichen die alten. Zürich war, da nicht Mitglied des Bündnisses, gar nicht erst gefragt worden; aber auch Schwyz neigte erneut mehr zu den Gegnern Frankreichs, und Uri, Unterwaiden und Zug schwankten, wie sie sich in dieser Frage verhalten sollten18. Karl wies seine Gesandten folglich an, Zürich und Schwyz ausdrücklich für ihre Haltung zu danken19. Wenn Karl verschiedentlich Dankesschreiben an Zürich sandte und die Stadt bat, in ihrem guten Willen zu verharren 20, so waren das nicht pure Höflichkeits-

18

Auf der Tagsatzung am 19.8.1521 in Luzem hatten sich Zürich und Schwyz gegen die Entsendung von Söldnern nach Frankreich ausgesprochen (Sturtzel und Sutor an Karl, Zürich, 19.-31.8.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. lllr-v, 123r-v, 119r-122r, hier fol. 123r)). Uri, Unterwaiden und Appenzell behaupteten wenig später, der Auszug von Reisläufem aus ihren Gebieten sei gegen ihren Willen geschehen (Karls Gesandte in der Eidgenossenschaft an Karl, Zürich, September 1521 (ebd., fol. 129r-v)), ein Hinweis auf die unschlüssige Haltung der Orte, die es mit keiner der beiden Seiten verderben wollten. Einige Monate später waren Zürich und Schwyz weiterhin bei ihrer ablehnenden Haltung geblieben; Uri hatte mittlerweile ebenso wie Bern, Basel, Luzem und Zug dem französischen Begehren statt gegeben (Bischof Wilhelm von Straßburg, Johann von Metten, Sutor an Karl, Zürich, 14.1.1522 (StA Marburg, PA 382, fol. 57r-59v, hier fol. 57r)). 19

Karl an seine Gesandten in der Eidgenossenschaft, Brüssel, 29.1.1522 (HHStA Wien, Belgien PA 4a, fol. 10r-12v, hier fol. 10r). 20

Karl an Zürich, Barcelona, 15.1.1520 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 28); Karl an Zürich, Brüssel, 21.6.1520 (das Schreiben selbst ist nicht erhalten, wird aber im Antwort-

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

schreiben. Die Zusammenarbeit in den ersten Regierungsjahren Karls war eng und völlig ungetrübt, Zürich war eindeutig der bevorzugte Ansprechpartner Karls in der Eidgenossenschaft und nicht zufallig auch der Aufenthaltsort seiner Gesandten. Die reiche Privilegierung Zürichs im Jahre 1521 war Ausdruck dieser hervorragenden Beziehungen21. So war es selbstverständlich, daß, wenn Karl wie im Mai 1522 den Eidgenossen ein Schreiben zukommen lassen wollte, er dieses zunächst an Zürich schickte und die Stadt um die Förderung seines Anliegens bei den anderen Orten bat 22 . Es versteht sich von selbst, daß eine so dezidiert pro-habsburgische Politik, zumal wenn diese der allgemeinen Stimmung in der Eidgenossenschaft zuwiderlief, nur möglich war bei der Existenz einer starken, in diesem Falle wohl übermächtigen pro-habsburgischen Partei in den Führungsschichten der Stadt. Genau lassen sich die Mehrheitsverhältnisse freilich nicht ausmachen, aber es finden sich doch immer wieder Hinweise auf die Haltung einzelner Ratsherren. Bestärkt wurden die Parteigänger der einen wie der anderen Partei durch die sogenannten Privatpensionen, wobei allerdings Maximilian mit seinen Zahlungen in argen Rückstand geraten war 2 3 . So gehörten sowohl der Zürcher Bürgermeister Hans Effinger als auch der Reichsvogt Felix Grebel zu den habsburgischen Parteigängern, beide wurden von Karls Gesandten als Empfänger von Pensionen vorgeschlagen24. Für eine kaiserliche Pension schlugen die Gesandten au-

streiben Zürichs erwähnt und sein Inhalt referiert: Zürich an Karl, 29.6.1520 (StA Zürich, B IV 2, Nr. 373); Karl an Zürich, Brüssel, 24.6.1521 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 51). 21

Siehe dazu die Details im Kapitel über die Privilegienbestätigungen.

22

Karl an Zürich, Brügge, 20.5.1522 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 60).

23

Es gehörte deshalb zu den Hauptaufgaben der Gesandten Karls im Frühjahr 1519 in der Eidgenossenschaft, die Gläubiger Maximilians zu befriedigen oder zu vertrösten, aber auch berechtigte Forderungen von unberechtigten zu scheiden. Die Gesandten klagten verschiedentlich über die offenbar in Scharen auftauchenden "Ansprecher" Maximilians, siehe z.B. Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 15.5.1519 (StA Marburg, PA 384, fol. 17r-20v, hier fol. 17r); Zevenbergen an die Augsburger Kommissare, Zürich, 22.3.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 102, S. 364-373, hier S. 364). 24

Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Sturtzel, Brunner an Sutor, Feldkirch, 21.9.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/3, fol. 213r-v). Bei Jacob, Politische Führungsschicht findet sich zahlreiches Material zu den führenden Zürcher Politikern der Zeit. Da Jacobs Interesse freilich in erster Linie der Einstellung der Männer zur Reformation gilt,

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

525

ßerdem einen Edlibach vor 2 5 . Mit Jörg Göldli ist ein weiterer Patrizier, und d.h. Mitglied der Constaffel, mit Sicherheit zu den Anhängern Habsburgs zu zählen 26 . Der Zunftmeister Hans Berger ging nicht nur auf eine Tagsatzung nach Luzern, um die habsburgische Politik zu unterstützen, er wurde auch verdächtigt, zusammen mit Jos von Kuos den kaiserlichen Gesandten einen Abschied zum Lesen gegeben zu haben27. Jacob bezeichnet ihn sogar als einen "der Exponenten der antifranzösischen Politik" 28 . Karl wußte in Zürich also wichtige Leute auf seiner Seite, und die hier namentlich Genannten können bei weitem nicht die einzigen gewesen sein 29 . Während also die personelle Zusammensetzung der habsburgischen Partei in Zürich und anderswo vorläufig nur in Umrissen erkennbar ist, so ist doch imfinden sich kaum Hinweise auf ihre Haltung in dem Konflikt zwischen Habsburg und Frankreich. 25

Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Sturtzel, Brunner an Sutor, Feldkirch, 21.9.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/3, fol. 213r-v). Aus dem Schreiben geht nicht hervor, ob dabei an Gerold Edlibach, den Chronisten, oder an seinen Sohn Hans gedacht war. Wahrscheinlicher erscheint die Berücksichtigung von Gerold Edlibach, da Hans zu diesem Zeitpunkt noch nicht im kleinen Rat saß. Dafür spricht auch die Aufzählung von Effinger, Edlibach und Grebel in einem Atemzug, d.h. die Inhaber der beiden wichtigsten Ämter und der wohl angesehenste Bürger der Stadt sollten bedacht werden. 26

Die kaiserlichen Gesandten wollten Göldli zu einem - leider nicht genannten Amt verhelfen (Graf Rudolf von Sulz, Wolf von Homburg, Sturtzel, Brunner an Sutor, Feldkirch, 21.9.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/3, fol. 213r-v); Brunner an Sutor, Feldkirch, 22.9.1521 (ebd., fol. 223r-224r, hier fol. 223r)). Während des Italienfeldzuges zeichnete sich Göldli aus, so daß Sturtzel dafür sorgte, daß Göldli vom Kardinal de Medici zum Ritter geschlagen wurde (Sturtzel an Sutor, "Corowadtsch", 10.11.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/1, fol. 41r-v)). 27

Aussage Bergers vor dem Rat in Zürich vom 31.10.1520 (Egli, Actensammlung, Nr. 137, S. 32). Dafür, daß diese Verdächtigung wohl nicht aus der Luft gegriffen war und zumindest engere Kontakte zu den kaiserlichen Gesandten bestanden, spricht die Tatsache, daß Wilhelm von Reichenbach Kuos und Berger durch Sutor Grüße ausrichten ließ (Reichenbach an Sutor, Innsbruck, 30.10.1520 (HHStA Wien, Schweiz 5/1, fol. 23r-v)). 28 29

Jacob, Politische Führungsschicht, S. 126.

Würde man die Zürcher Führungsschicht, so wie dies Jacob für deren Haltung zur Reformation getan hat, auf ihre Haltung zu Habsburg bzw. Frankreich hin untersuchen, ließe sich mit Sicherheit ein genaueres Bild der pro-habsburgischen Partei in Zürich gewinnen. So aber muß es vorläufig bei diesen wenigen Streiflichtem bleiben.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

merhin die Gesamtsumme an Privatpensionen pro Ort bekannt, für die Habsburg den Eidgenossen gegenüber Versprechungen eingegangen war. Dabei zeigt sich, daß Zürich mit 1700 fl. keineswegs an der Spitze lag, sondern erst an zweiter Stelle hinter Bern (2000 fl.) 3 0 . Das Geld für die Zürcher Privatpensionen trug also verhältnismäßig reiche Frucht, während die Zahlungen an andere Orte weitgehend als Fehlinvestitionen verbucht werden mußten. Ähnlich fiel auch die Analyse Sutors und Homburgs aus, die nach dem Abschluß des französischen Soldbündnisses weitere Verhandlungen mit Politikern aus den dem Bündnis beigetretenen Orten für zwecklos hielten und hinzufügten, daß dafür viel Geld ausgegeben worden sei, die betreffenden Orte aber trotzdem vom Kaiser "abgefallen" seien31. Die engen Beziehungen und die intensive Zusammenarbeit mit Zürich brachen nach der Abreise Karls nach Spanien ab. Zwar betonte auch die Regierung in Innsbruck die Bedeutung Zürichs für die habsburgische Politik gegenüber der Eidgenossenschaft und gab Ferdinand zu bedenken, "dieweil sy (= die Zürcher, B.B.) sich bisher wolgehalten, well unnderhalten werden, dann sollten sy fallen, so hat E.f.D. zuermessen, was Romischen kay. mt., E.f.D. unnd dem haws Österreich dardurch erwachsen möchte"32. Zürich erscheint hier geradezu als Bollwerk gegen den französischen Einfluß in der Eidgenossenschaft. Dennoch setzten Ferdinand und die Regierung in Innsbruck die enge Zusammenarbeit mit Zürich nicht fort. Wenige Zeit später wurde das Verhältnis außerdem durch die beginnende konfessionelle Auseinandersetzung getrübt. Im Zusammenhang mit den Unru30

Im Zusammenhang mit den Bemühungen, einen Überblick über die von Maximilian zugesagten und nicht geleisteten Zahlungen zu erhalten, war eine Liste über die in den einzelnen Orten zu zahlenden Privatpensionen erstellt worden ("Stat der pensionen auf sonder personen aufzerichten": HHStA Wien, Schweiz 4, fol. 338r). Dabei handelte es sich zwar um einen Vorschlag für die Zukunft, doch dürften sich die Zahlenverhältnisse an den bisherigen Zahlungen orientiert haben, schon um keinen Ort zu verärgern. Nach dieser Übersicht sollten erhalten: Zürich 1700 fl, Bern 2000 fl, Freiburg 1000 fl, Solothum 500 fl, Uri 800 fl, Schwyz 800 fl, Unterwaiden 900 fl, Luzem 1400 fl, Zug 700 fl, Glarus 700 fl, Schaffhausen 500 fl. Appenzell 200 fl, Basel 300 fl. und St. Gallen 200 fl, insgesamt also 11700 fl. 31

Sutor und Wolf von Homburg an Karl, Zürich, 9.-19.5.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/3, fol. 57r-60v, hier fol. 59v). 32

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 1523 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von u. an fürstl. Durchl. 2, fol. 423r).

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

527

hen in Waldshut 1524 wurde Zürich alsbald zu einem erbittert bekämpften Gegner. In Zürich bestimmten konfessionelle Überlegungen zunehmend die Politik, die religionspolitischen Ziele und Rücksichten gewannen für einige Jahre die Oberhand über andere Interessen. Die Auswirkungen der Zürcher Reformation und der Politik zu ihrer Verbreitung führten schließlich auch zu direkten Konflikten mit Österreich, so in der Frage der Güter des Klosters Stein a.Rh. oder des Burgrechts mit Konstanz. Diese Entwicklung erreichte ihren Höhepunkt in den beiden Kappeler Kriegen. Auch danach war keineswegs sofort deutlich, daß der im Zweiten Kappeler Landfrieden gefundene Kompromiß tragfähig sein würde. Erst langsam entspannte sich die Lage, und die Beziehungen zwischen den einzelnen Orten begannen sich zu normalisieren. Erleichtert worden war diese Entwicklung sicher auch dadurch, daß Zwingli, der doch stark polarisierend gewirkt hatte, in der Schlacht bei Kappel gefallen war. So gewannen allmählich auch wieder nicht-konfessionelle Gesichtspunkte an Gewicht in der Politik der eidgenössischen Orte, und zwar sowohl im Verhältnis der Orte untereinander als auch im Verhältnis zum Ausland. Aber nicht nur die eidgenössischen Orte mußten sich erst wieder von der übermächtigen Dominanz des Konfessionellen befreien. Auch der Kaiser hatte den erneuten Kontakt mit den Eidgenossen unter konfessionellen Vorzeichen gesucht, und d.h. eben zunächst nur den Kontakt mit den katholischen Orten. Dabei herrschte sowohl bei Karl als auch bei seinen Gesandten die Vorstellung, daß katholisch mit pro-habsburgisch gleichzusetzen sei. Um so größer war das Erstaunen, als Gruyeres und Marnoz bemerkten, daß diese Rechnung nicht aufging. Marnoz übermittelte Karl den ihn offenbar einigermaßen verwirrenden Befund, daß Zürich voll guten Willens gegenüber Karl sei und daß er überhaupt die evangelischen Orte den Anliegen Karls gegenüber viel aufgeschlossener vorgefunden habe als die katholischen. Marnoz beließ es nicht bei dieser Feststellung, sondern empfahl die Aufnahme von "guten Personen" aus den evangelischen Orten in kaiserlichen Dienst, was konkret wohl heißen sollte: ihre Annahme als "Pensioner"33. Karl reagierte auf diesen Bericht Marnoz' prompt, und zwar mit einem Dank- und Mahnschreiben an Zürich, wie er sie der Stadt anderthalb Jahrzehnte zuvor regelmäßig gesandt hatte 34 . Ein weiteres Vorge33

Mamoz an Karl, Luzem, 22.3.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 128r-130v, hier fol. 128r). 34

Karl an Zürich, Rom, 17.4.1536 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 90). Bereits zwei Monate später erging ein ähnliches Schreiben: Karl an Zürich, Savigliano, 25.6.1536 (ebd., Nr. 98), erneut am 11.9. (Karl an Zürich, Feldlager bei Aix-en-Provence, 11.9.1536

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

hensmuster aus den frühen 20er Jahren wurde ebenfalls wiederaufgenommen, nämlich die Weiterleitung von Briefen an die einzelnen Orte durch Zürich 35 ein Vertrauensbeweis für Zürich, der noch wenige Jahre zuvor kaum vorstellbar gewesen wäre. Auch Marnoz' Kollegen Gruyeres war die wohlwollende Haltung Zürichs nicht verborgen geblieben. Er hob sie in einem Brief an Granvelle vor allem im Vergleich mit dem Verhalten des Frankreich freundlich gesinnten Bern hervor 36 . Noch deutlicher stand Gruyeres freilich der Kontrast zwischen der Politik Zürichs und der seines Aufenthaltsortes Luzern vor Augen, wo eine starke französische Partei ihm und Marnoz das Leben und die Arbeit schwer machte. Gruyeres unterbreitete Granvelle deshalb einen geradezu sensationellen Vorschlag: Unter erneuter Hervorhebung der positiven Haltung Zürichs erwog er, ob es nicht besser sei, wenn Marnoz sich in Zürich niederließe, sobald sie sich beide aus Luzern zurückgezogen hätten - eine Tatsache, die für Gruyeres bereits unumstößlich feststand. Er fügte allerdings hinzu, daß die Frage des Glaubens dieser Verlegung des Gesandtschaftssitzes entgegenstünde und daß für ihn als Mann der Kirche Zürich als Aufenthaltsort ohnehin nicht geeignet sei 37 . Der Stellenwert eines solchen Vorschlags läßt sich erst ermessen, wenn man bedenkt, daß Gruyeres ursprünglich in die Eidgenossenschaft gegangen war, um ein Bündnis der katholischen Orte mit Kaiser und Papst auszuhandeln 38 . Da sich Karl und der französische König erneut im Krieg gegeneinander befanden und sich deshalb um eidgenössische Söldner bemühten, handelte es sich bei der Einschätzung der diesbezüglichen Haltung der Orte und der Frage nach den Konsequenzen, die daraus für die tägliche Arbeit der Gesandten zu ziehen waren, um alles andere als eine akademische Diskussion. Der Vorschlag Gruyeres1 markiert die Abkehr von einer rein konfessionell bestimmten Sicht der Lage. Wenn die Gesandten die Haltung Zürichs jetzt so einschätzten, setzte (ebd., Nr. 103)) und am 31.3.1537 (Karl an Zürich, Valladolid, 31.3.1537 (ebd., Nr. 110)). 35

Gruyeres an Zürich, Luzem, 18.6.1536 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 97).

36

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 9.5.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 162rv). Ähnlich wenig später: Gruyeres an Granvelle, Luzem, 27.5.1536 (ebd., fol. 179r). 37

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 3.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 190r-

v). 38

Ähnlich erneut am 14. Juni: Gruyeres an Granvelle, Luzem, 14.6.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 197r).

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

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dies freilich voraus, daß Zürich selbst diesen Schwenk bereits vollzogen hatte und Politik inzwischen nicht mehr ausschließlich nach konfessionellen Überlegungen betrieb. Von daher war für Zürich jetzt auch wieder eine Annäherung an den Kaiser, den Verteidiger der alten Kirche, möglich, in dem Zürichs ehemalige Verbündete nördlich des Rheins nach wie vor ihren Hauptgegner sahen. Durch die Rückkehr Zürichs zu der habsburgfreundlichen, antifranzösischen Haltung vom Beginn der 20er Jahre war freilich der Konflikt mit dem direkten habsburgischen Nachbarn im Norden, König Ferdinand, nicht ausgeräumt. Der Streit wegen der Einkünfte des Klosters Stein a.Rh. schwelte weiter. Es herrschte also die nicht ganz einfache Situation, daß Zürich zu dem einen der habsburgischen Brüder erneut in einem sehr guten Verhältnis stand, während die Stadt mit dem anderen nach wie vor einen langwierigen Streit ausfocht. Es stellte sich mithin die Frage, wie das eine Verhältnis das andere beeinflussen würde. Zürich beabsichtigte offenbar, die gute Beziehung zu Karl zu nützen, um den leidigen Streit mit Ferdinand zu beenden, selbstverständlich nach den eigenen Vorstellungen. Die Zürcher übergaben nämlich Marnoz eine Denkschrift, in der Karl aufgefordert wurde, den von Ferdinand verhängten Arrest auf die Güter des Klosters Stein a.Rh. auf österreichischem Gebiet aufzuheben 39. Nun konnte und wollte Karl nicht in die Kompetenzen Ferdinands eingreifen. Aber Gruyeres befürwortete die Zürcher Position doch insoweit, als er zu bedenken gab, daß Zürich ein guter Verbündeter sei, der Dank verdiene. Er schlug deshalb vor, Karl solle doch mit Ferdinand über die Angelegenheit reden, da man Zürich auf diese Weise in seiner Haltung bestärken könne 40 . Karl folgte dieser Argumentation und versprach, die Denkschrift Zürichs mit einer entsprechenden Bitte an Ferdinand zu senden. Er fügte hinzu, daß er überzeugt sei, Ferdinand werde diesem Wunsch nachkommen, zumal es für seine Autorität kaum nachteilig sei und auch seine Verpflichtungen gegenüber der Kirche kaum be-

39

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 16.7.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 24 lrv, 247r, hier fol. 247r). Zürich verfolgte diesen Weg zur Beilegung des Konflikts durchaus energisch. Als nach einer angemessenen Wartefrist noch keine Reaktion von Ferdinand eingetroffen war, wandte sich der Zürcher Stadtschreiber emeut an Gruyeres und bat ihn um Auskunft über den Stand der Dinge. Er vergaß auch nicht, auf die Verdienste Zürichs bei der Eindämmung des Reislaufens nach Frankreich hinzuweisen (Werner Beyel an Gruyeres, Zürich, 8.9.1536 (StA Zürich, B IV 7, Nr. 214)). 40

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 16.7.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 24 lrv, 247r, hier fol. 247r). 34 Braun

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

rühre 41 . Es dauerte allerdings noch eine ganze Weile und bedurfte eines weiteren Vorstoßes von Zürich 42 und einer Fürschrift Marnoz' an Ferdinand 43, bis Zürich endlich einen königlichen Bescheid erhielt 44 . Dieser scheint freilich nicht völlig den Zürcher Vorstellungen entsprochen zu haben, denn 1543 war die Angelegenheit immer noch nicht aus der Welt geräumt 45. Wie sehr Marnoz mit seiner Bemerkung recht gehabt hatte, daß die evangelischen Orte den kaiserlichen Anträgen wohlwollender gegenüberstünden als die katholischen, zeigte sich besonders deutlich, nachdem sich im Sommer 1536 nach und nach die Antworten der einzelnen Orte zu den französischen Bitten um eine Anwerbeerlaubnis herauskristallisierten: Nur Zürich, Bern und Basel untersagten die Anwerbungen, also drei der vier evangelischen Orte 46 . Die Karls Politik in der Eidgenossenschaft ab 1533 zugrundegelegte Gleichung: katholisch gleich pro-habsburgisch war nicht nur falsch, genau der entgegengesetzte Schluß schien richtig zu sein. Folgerichtig erklärte Gruyeres am Rande seiner wiederholten Tiraden über seinen Wunsch und die Notwendigkeit, Luzern zu verlassen, daß die Gesandten in der Eidgenossenschaft überhaupt nirgends sicher seien außer in Zürich, Bern oder Basel, die aber wegen ihres evangelischen Glaubens für ihn als Offizial nicht als Aufenthaltsort in Frage kämen 47 .

41

Karl an Gruyeres und Mamoz, Frejus, 4.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 266r-269r, hier fol. 267r). 42

Werner Beyel an Mamoz, Zürich, 16.3.1538 (StA Zürich, B IV 10, Nr. 125), Zürich an Mamoz, 23.3.1538 (ebd., Nr. 134). 43

Mamoz an Ferdinand, Baden, 24.3.1538 (StA Luzem, COD 1435/21, fol. 182r-

183v). 44

Regierung Innsbruck an Regierung Ensisheim, 8.8.1538 (HHStA Wien, Hs. W 376/3, fol. 2v). 45

Herr de la Chaulx, Herr de Thouraise, Herr de Chenesure an Granvelle, Dole, 9.5.1543 (HHStA Wien, Schweiz 11/3, fol. 5r-6v, hier fol. 5r). 46

Gruyeres und Mamoz an Karl, Baden, 21.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 295r-296r). 47

Gruyeres und Mamoz an Karl, Baden, 27.8.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 307r-309r, hier fol. 307r). Das Schreiben ist zwar von Gruyeres und Mamoz unterzeichnet, doch konnte oben, S. 421-423, gezeigt werden, daß für den Inhalt dieser Passagen allein Gruyeres verantwortlich war.

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

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Obwohl die kaiserlichen Gesandten in Zürich mehr Entgegenkommen fanden als in anderen Orten und Zürich der einzige konstant antifranzösische Ort war, unterblieb die Verlegung der Gesandtschaft nach Zürich. Karl und Granvelle reagierten überhaupt nicht auf die zahlreichen Vorstöße der Gesandten in diese Richtung, so daß man über die Gründe für dieses Verhalten nur spekulieren kann. Es ist freilich zu vermuten, daß es ihnen nicht angezeigt schien, die Gesandtschaft in eine evangelische Stadt zu verlegen, dazu nicht in irgendeine, sondern an die Wirkungsstätte Zwingiis, den Geburtsort der schweizerischen Reformation. Zürich freilich blieb seiner antifranzösischen Haltung treu. Auch vor dem nächsten Waffengang zwischen Karl V. und Franz I. versuchte Zürich, die anderen Orte von einem Zuzug zum französischen Heer abzuhalten, da die Eidgenossenschaft dadurch den Unwillen von Kaiser, König und Reich auf sich ziehe 48 . Zürich plädierte aber nicht nur für Zurückhaltung im gegenwärtigen Krieg, sondern sogar für eine Aufkündigung des französischen Bündnisses. Erneut wurde Zürich dafür ausdrücklicher Dank von kaiserlicher Seite zuteil, was zeigt, wie aufmerksam diese Parteinahme für den Kaiser registriert wurde 49 . Die Haltung Zürichs blieb selbstverständlich auch Frankreich nicht verborgen. Zürich wurde von französischer Seite deshalb vorgeworfen, dem Haus Österreich anzuhängen, wogegen sich die Stadt aber energisch verwahrte 50, indem sie betonte, sie handle nicht für oder gegen jemanden, sondern allein im Interesse der Eidgenossenschaft. Mittlerweile war auch Bern zunehmend auf die Linie Zürichs eingeschwenkt, nachdem die Stadt bereits Ende der 20er Jahre das französische Soldbündnis verlassen hatte. Hatte Bern 1536 wegen seines Angriffs auf die savoyischen Gebiete des mit Karl verbündeten und verwandten Herzogs einen kaiserlichen Angriff befürchtet, so fühlte sich die Aarestadt inzwischen zunehmend von Frankreich bedroht 51. 48

Ratsbeschluß vom 17.6.1542 (StA Zürich, B IV 13, Nr. 52); Zürich an Bern, 17.6.1542 (ebd., Nr. 53); Zürich an Bern, Basel, Schaffhausen, 11.7.1542 (ebd., Nr. 14 (Zusammenfassung in EA 4/1 d, Nr. 89, S. 167)); Zürich an die übrigen neun Orte, 11.7.1542 (StA Zürich, B IV 13, Nr. 10-12). 49

Baptist de Insula an Zürich, Baden, 5.8.1542 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 137); Baptist de Insula an Zürich, Chur, 26.9.1542 (ebd., Nr. 138). 50 51

EA 4/1 d, Nr. 99, S. 184; Nr. 102, S. 193.

Zur Außenpolitik Berns in dieser Zeit siehe J. Freymond, Les relations diplomatiques de Berne avec François I e r et Charles-Quint après la conquête du Pays de Vaud, in: SBAG 3 (1945), S. 210-228. Es ist von daher symptomatisch, wenn Karl 1544 einen 34*

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

Aber nicht nur in bezug auf den französisch-habsburgischen Hegemonialkonflikt wich die Haltung Zürichs von der der Mehrheit der Orte ab, auch in der Haltung zum Kaiser als Reichsoberhaupt stieß Zürich mit seinem Vorgehen auf Opposition. Als Zürich nämlich die Antwort Karls auf ein Schreiben der Eidgenossenschaft wegen der Nichtbezahlung der Reichssteuern erhielt, leitete die Stadt das Schreiben an die anderen Orte mit der Bemerkung weiter, daß man auf die Ansetzung einer Tagsatzung zu diesem Punkt verzichtet habe, da das Schreiben des Kaisers nicht ungnädig sei 52 . Diese Einschätzung wurde von den anderen Orten nicht ohne weiteres geteilt, ja: Basel richtete ein empörtes Schreiben an Luzern über das eigenmächtige Vorgehen Zürichs 53. Die Zuspitzung der konfessionellen Auseinandersetzungen im Reich im Schmalkaldischen Krieg ließ Zürich zwar eine Zeitlang wieder etwas von Karl abrücken, aber dies änderte doch prinzipiell nichts an der im Grunde pro-habsburgischen Haltung der Stadt. Der Überblick über die Politik Zürichs in den gut drei Jahrzehnten der Regierung Karls V. zeigt, daß Karl - und zwar als Habsburger und als Kaiser - bei Zürich grundsätzlich auf Entgegenkommen rechnen konnte. Dies entsprach der traditionellen Haltung der Stadt seit mehr als einem Jahrhundert. Zürich hatte seine Freiheit nicht gegen Österreich erkämpft wie die Waldstätte oder viel später und auf anderem Wege Freiburg. Der Kampf gegen Habsburg war in Zürich mithin nicht Teil des politischen Selbstverständnisses wie in den Waldstätten, wo an diesen Kampf mit der Ausarbeitung des Gründungsmythos gegen Ende des 15. Jahrhunderts verstärkt erinnert wurde. Zürich war von daher weit mehr als die fünf Orte der "natürliche" Partner Habsburgs in der Eidgenossenschaft. Der konfessionelle Konflikt überlagerte nur für einige Jahre diese Grundkonstanten, und eine auf die konfessionellen Fragen fixierte Geschichtsschreibung erlag deshalb dem gleichen Irrtum wie die kaiserlichen Gesandten

gleichlautenden Dankesbrief an Zürich und an Bern schickte (Karl an Zürich und Bern, Speyer, 25.2.1544 (StA Zürich, A 176.2, Nr. 144; HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 158r)). Die Entsendung einer Botschaft zum Kaiser nach Speyer, die de facto eine Parteinahme für Frankreich bedeutet hätte, lehnten Zürich und Bern im Gegensatz zu den anderen Orten ab (EA 4/1 d, Nr. 173, S. 364; Nr. 175, S. 369; Bericht Mouchets über seine Mission in der Eidgenossenschaft, Ende April 1544 (HHStA Wien, Schweiz 11/3, fol. 43r-44r)). 52

Zürich an alle anderen Orte, 7.2.1545 (StA Zürich, B IV 15, fol. 176r).

53

Basel an Luzem, 12.2.1545 (StA Luzem, Al Fl Sch. 56).

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

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zu Beginn der 30er Jahre und hielt das Zusammengehen der katholischen Orte mit Habsburg für selbstverständlich. Eine ähnliche Entwicklung, nur unter umgekehrten Vorzeichen, läßt sich auch bei dem wichtigsten katholischen Ort, Luzern, beobachten. Wenn der französische Gesandte nach dem völligen Fehlschlagen seiner Mission auf einer Tagsatzung in Zürich 1519 ankündigte, die nächste Tagsatzung in Bern, Luzern oder Zug abhalten zu lassen54, zeigt dies, an welchen Orten er sich bessere Chancen für die Sache desfranzösischen Königs erhoffte 55. Die Beratungen, die zwei Jahre später zum Abschluß des Soldbündnisses mit Frankreich führten, fanden deshalb nicht zufällig in Luzern statt 56 - Luzern gehörte von Anfang an zu den entschiedensten Befürwortern des Bündnisses. Auch als es darum ging, ob Frankreich entsprechend den Bestimmungen des Soldbündnisses Anwerbungen zu gestatten seien, war es vor allem Luzern, das sich für eine solche Erlaubnis aussprach. Angesichts dieser Position verwundert es nicht, daß gerade Luzern sich dafür einsetzte, daß ein Basler Ratsherr, der nicht nur wie andere wegen seiner Zugehörigkeit zurfranzösischen Partei aus dem Rat ausgeschlossen, sondern sogar ins Gefängnis geworfen worden war, wieder freigelassen wurde 57 . Daß in Luzern die französische Partei das Übergewicht hatte, geht auch aus den Berichten von Augustin Rosenberg, Sutors Informant in der Luzerner Kanzlei, hervor. Rosenberg wußte nicht nur, daß die Stimmung im Luzerner Rat feindselig war gegen Kardinal Schiner, den Hauptexponenten habsburgischer Politik in der Eidgenossenschaft in den ersten zwei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts und erbitterten Feind Frankreichs. Angesichts von Nachrichten über militärische Erfolge Frankreichs klagte Rosenberg des weiteren, er und Nikiaus von Meggen hätten seit 14 Tagen keine fröhliche Stunde mehr ge-

54

Wenn ein ausländischer Fürst eine Tagsatzung beantragte, konnte er auch den Tagungsort festlegen. Von dieser Möglichkeit machten die Fürsten wohlüberlegt Gebrauch. 55

Zevenbergen an Karl, Konstanz, 12.4.1519 (Le Glay, Négociations 2, Nr. 125, S. 415-424, hier S. 417). 56

Zu nennen sind hier vor allem die Tagsatzungen am 5.4.1521 (EA 4/1 a, Nr. 8) und am 24.4.1521 (ebd., Nr. 11). 57

Regierung Ensisheim an Veit Sutor, 29.10.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/1, fol. 140r-141v).

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

habt 58 . Damit nannte er einen der nicht allzu zahlreichen Parteigänger Habsburgs in Luzern 59 . Nikiaus von Meggen gehörte einem der bedeutendsten Luzerner Patriziergeschlechter an, das wohl insgesamt zu Habsburg neigte 60 . Allerdings hatte das Geschlecht seinen Zenit bereits überschritten und war im Aussterben begriffen. Nikiaus von Meggen war der letzte Vertreter seiner Familie. Er war verwandt mit Kardinal Schiner, auch dies ein Indiz für seine habsburgfreundliche Gesinnung61. Trotz der verwandtschaftlichen Beziehungen des lange Jahre wichtigsten Mannes Habsburgs in der Eidgenossenschaft zu einem führenden Luzerner Geschlecht kam die habsburgische Position im Luzerner Rat kaum zum Tragen. Die antihabsburgische Politik Luzerns ging sogar so weit, daß die Stadt auf die - auf Begehren Karls - am 7. Januar 1522 einberufene Tagsatzung in Zürich keinen Boten entsenden wollte 62 . In den konfessionellen Auseinandersetzungen freilich stand Luzern auf der gleichen Seite wie Habsburg. Dennoch mußten erst beträchtliche Widerstände ausgeräumt werden, bevor 1529 die Christliche Vereinigung der fünf Orte mit

58

Rosenberg an Sutor, 4.11.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/1, fol. 122v-123r).

59

Nikiaus von Meggen erhielt 1521 einen Adelsbrief von Karl V. (HBLS 5, Art. Meggen, S. 65). 60

Wemer von Meggen begleitete 1523 Heinrich Egli nach Zürich, um ihm beizustehen, als dieser wegen seiner Kontakte zu Sutor verhört werden sollte. 61

Der Verwandtschaftsgrad ist allerdings nicht ganz klar. Rosenberg bezeichnete Meggen als Schwiegersohn des Bruders des Kardinals (Rosenberg an Sutor, Luzem, 4.2.1521 (HHStA Wien, Schweiz 5/2, fol. 14r-15v, hier fol. 15v)). Messmer schreibt, er sei mit Margaretha, der Schwester des Kardinals verheiratet gewesen (Messmer, Luzerner Patriziat, S. 151). Auch im HBLS wird er als Schwager des Kardinals bezeichnet (HBLS 5, Art. Meggen, S. 65). Später bemühte sich Nikiaus von Meggen an der Spitze der Erben Schiners um dessen Besitz im Mailändischen, der ihnen streitig gemacht wurde, weshalb sie sich über die katholischen Orte an Karl wandten, um zu ihrem Besitz zu gelangen (Sieben katholische Orte an Karl, Baden, 21.6.1548 (HHStA Wien, Schweiz 11/1, fol. 249r-250r)). Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wird erwähnt, daß Nikiaus von Meggen mit der Tochter von Kardinal Schiners Bruder verheiratet sei (Eidgenossenschaft an Karl, Luzem, 6.5.1552 (HHStA Wien, Schweiz 12, fol. 61r-62r, hier fol. 61r)), Rosenbergs Angabe ist also gegen Messmer zuzustimmen. Gegen die Behauptung von Messmer spricht auch, daß Kardinal Schiner und Nikiaus von Meggen doch deutlich unterschiedlichen Generationen angehörten. 62

EA 4/1 a, Nr. 63, S. 147. Dies wußte auch Rosenberg zu berichten (Rosenberg an Sutor, nach 9.12.1521 (HHStA Wien, Schweiz 7/2, fol. 52r-v)).

C. Die eidgenössischen Orte zwischen Habsburg und Frankreich

535

Ferdinand geschlossen werden konnte 63 . Allzusehr stand dieses Bündnis im Widerspruch zur Luzerner Tradition, die, wie bei den Waldstätten insgesamt, stark gegen Habsburg gerichtet war. Nur die Eskalation der konfessionellen Kämpfe um 1530 ließ ein solches Bündnis denkbar erscheinen, weil in dieser Zeit die konfessionelle Frage alle anderen Überlegungen weit in den Hintergrund drängte. Daß der kaiserliche Gesandte ab 1533 seinen Sitz in Luzern nahm, hatte seinen Grund nicht etwa in einer veränderten Grundeinstellung Luzerns, sondern allein darin, daß der Gesandte gekommen war, um zusammen mit dem päpstlichen Nuntius ein Bündnis mit den katholischen Orten auszuhandeln. Deshalb bot sich Luzern als der führende katholische Ort als Aufenthaltsort an 6 4 . Die kaiserlichen Gesandten wurden freilich in Luzern bitter enttäuscht. Sie hatten vermutlich mit freundlicher Aufnahme gerechnet, trafen aber vielfach auf Ablehnung, zumindest auf unzählige Schwierigkeiten. Wenngleich die Befürchtungen Gruyeres' wegen seiner Sicherheit wohl übertrieben waren, so vermitteln sie doch einen Eindruck von der dem kaiserlichen Gesandten nicht sehr freundlich gesinnten Stimmung in der Stadt. Als der Luzerner Rat im Juli 1536 nach langem Hin und Her beschloß, dem französischen König Anwerbungen zu gestatten, war die Lage für die kaiserlichen Gesandten noch schwieriger geworden, und die Appelle Gruyeres', Luzern endlich verlassen zu dürfen, wurden noch flehentlicher. Marnoz teilte zwar nicht die Hysterie seines Kollegen, wohl aber die Ansicht, daß Luzern angesichts dieser deutlich pro-französischen Haltung nicht der geeignete Sitz für die kaiserliche Gesandtschaft sei. In dieser Meinung bestärkte ihn sicherlich auch die Weigerung des Luzerner Rats, ihm das Wohnen in einem Privatquartier zu erlauben. Dennoch blieb er in Luzern. Erst einer von Marnoz' Nachfolgern, Ascanio Marso, zog aus dieser unerquicklichen Lage die Konsequenz und übersiedelte 1553 nach Altdorf in Uri. Uri war weniger antihabsburgisch eingestellt als die anderen Waldstätte, da die Politik des Ortes vor allem von den Rücksichten auf den Gotthardverkehr, von dessen Einnahmen der Ort nicht zuletzt lebte, geprägt wurde. Diese Überlegungen schlossen stets den Blick über die Alpen, nach Mailand, ein, und dort herrschte seit geraumer Zeit wieder Habsburg. Die Politik in Uri wurde in die63 64

Siehe dazu ausführlich das Kapitel über die Christliche Vereinigung.

Daß die französischen Gesandten ihre Residenz in Solothum aufschlugen, obwohl Luzem als Sitz der Gesandtschaft ebenso gut denkbar gewesen wäre, dürfte an der günstigeren geographischen Lage Solothums zu Frankreich gelegen haben.

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Teil 2: Die Eidgenossen und das politische System Karls V.

sen Jahrzehnten vor allem von Josua von Beroldingen geprägt, der von 1520 bis zu seinem Tode 1563 ununterbrochen das Amt des Landammanns versah 65. Josua von Beroldingen kam bereits 1521 auf die "Gehaltsliste" Karls 66 und ließ sich vom Kaiser auch einen Wappenbrief ausstellen. Es finden sich immer wieder Hinweise, daß er über die Jahrzehnte hinweg ein treuer Anhänger Habsburgs blieb 67 . Mit der Übersiedlung Marsos nach Altdorf waren die kaiserlichen Gesandten die leidigen Auseinandersetzungen mit der französischen Partei in Luzern los. Im Falle Luzerns wird ebenfalls deutlich, wie stark die Politik der eidgenössischen Orte auch von traditionellen Ausrichtungen bestimmt wurde. Die Konfession war nur einer von mehreren Gesichtspunkten und dabei keineswegs stets der überwiegende.

65

Zu Josua von Beroldingen siehe H.C. Peyer, Die Anfänge der schweizerischen Aristokratien, in: K. Messmerl?. Hoppe, Luzerner Patriziat, Luzern/München 1976, S. 328, hierS. 14. 66

Zevenbergen hatte ihn in kaiserlichen Dienst genommen (Karl an Zevenbergen, Herzog Heinrich von Mecklenburg, Wolf von Homburg, Sturtzel, Sutor, Worms, 4.5.1521 (HHStA Wien, AUR 1520 XI 6, fol. 26r-28r, hier fol. 27r)). Auf den daraufhin angefertigten Listen von Pensionenempfängern taucht Josua von Beroldingen mit einer Pension von 125 fl. auf ("Pensionan, denen die kay. mt. verschreybungen verfertigt und gebn hat", o.D. (StA Marburg, PA 381, fol. 22r-29r, hier fol. 25r)). 67

1532 stand Beroldingen jedenfalls nach wie vor auf der Liste jetzt österreichischer Pensionenempfänger, da Überlegungen angestellt wurden, wie die ihm zustehenden überfälligen Zahlungen geleistet werden könnten (Regierung und Kammer Innsbruck an Ferdinand, 22.4.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, An kgl. Mt. 5, fol. 43r-45r, hier fol. 43v)). 1538 traf er im Auftrag der fünf Orte mit Hans Friedrich von Landeck zusammen (Hans Friedrich von Landeck an Regierung Innsbruck, Mai 1538 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22))). 1554 bot Beroldingen Ferdinand über Heggentzer seinen Dienst an (Heggentzer an Regierung Innsbruck, Baden, 11.9.1554 (HHStA Wien, Schweiz 12, fol. 158r)).

Zusammenfassung Die Eidgenossenschaft sah sich in den Jahren um 1500 tiefgreifenden Wandlungen gegenüber. Sie reorganisierte in dieser Zeit nicht nur ihre innere Gestalt - auf die schwere Krise um 1480 folgte nach dem Ausgleich zwischen Städte- und Länderorten die Aufnahme neuer Orte und eine Phase innerer Konsolidierung -, auch ihre Außenbeziehungen erfuhren eine gründliche Revision. Eine Konstante bildete dabei zunächst die Zugehörigkeit zum Reich: Die eidgenössischen Orte waren allesamt unmittelbare Glieder des Reichs und wollten dies auch weiterhin sein. An dieser Reichszugehörigkeit wurde im gesamten 16. Jahrhundert nicht gerüttelt, weder von Reichsseite aus noch von den Eidgenossen. Das heißt nun freilich nicht, daß das Verhältnis der Eidgenossen zum Reich im 16. Jahrhundert genau das gleiche gewesen wäre wie im Jahrhundert zuvor. Denn die tiefgreifenden Wandlungen der Reichsverfassung infolge der Reichsreform blieben auch für das Verhältnis der Eidgenossenschaft zum Reich nicht ohne Folge. Eine förmliche Entscheidung zu den Wormser Reformbeschlüssen von 1495 fällten die Eidgenossen freilich nicht; wie viele andere im Reich erkannten auch sie die Tragweite des Reformwerkes zunächst nicht. Da indessen die in Worms beschlossenen Institutionen Bestand hatten - was ja nicht ohne weiteres zu erwarten gewesen war -, mußten die Eidgenossen freilich über kurz oder lang entscheiden, welche Haltung sie diesen Institutionen gegenüber einnehmen wollten. Diese Notwendigkeit stellte sich zuerst in der Steuerfrage: Die Eidgenossen verweigerten die Bezahlung des Gemeinen Pfennigs und zeigten sich auch künftig ablehnend gegen jegliche Steuerforderung des Reichs. Am Reichskammergericht hatten die Eidgenossen schlicht keinen Bedarf: Bereits früher als das Reich hatten sie das Landfriedensproblem soweit in den Griff bekommen, daß das neue Gericht für sie keine Verbesserung der Rechtssicherheit bedeutete. Zwar keine Folge der Wormser Reformbeschlüsse, aber dennoch eines der wichtigsten Ergebnisse der Reichsreform war die Ausbildung des Reichstages in seiner bis zum Ende des alten Reichs bestimmenden Gestalt: Wer an den politischen Entscheidungsprozessen im Reich partizipieren wollte, mußte künftig auf dem Reichstag vertreten sein. Nichtbeschickung des Reichstages bedeutete weitgehenden Rückzug aus der Reichspo-

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Zusammenfassung

litik. Im 15. Jahrhundert hatten an den vom König einberufenen Tagen von den Eidgenossen, wenn überhaupt, nur die großen Städte, vor allem Zürich und Bern, teilgenommen. 1521 erhielten die Eidgenossen insgesamt eine Einladung nach Worms, der sie freilich nicht folgten. In der Folgezeit wurden sie nicht einmal mehr eingeladen, weder die Eidgenossenschaft als ganzes noch die einzelnen Orte. Dies war sicherlich auch eine Folge der Tatsache, daß sie nicht mehr - wie noch im 15. Jahrhundert - in der Reichsmatrikel verzeichnet waren. Wenn dennoch gelegentlich eidgenössische Gesandte auf den Reichstagen auftauchten, wie z.B. ein Luzerner und ein Solothurner Gesandter in Augsburg 1530, so galten diese Missionen regelmäßig nicht dem Reichstag, sondern KarlV. als Erzherzog von Österreich oder als der führenden katholischen Macht im Reich. Mit einer Teilnahme am Reichstag hatten diese Gesandten nichts im Sinn. Die eidgenössischen Orte entsandten im 16. Jahrhundert keine Vertreter mehr auf die Reichstage, und dies in einer Zeit, in der die Reichstage größere Bedeutung erlangten als je zuvor; sie konnten dies auch gar nicht tun, da sie nicht mehr eingeladen wurden. Am ehesten wären die Eidgenossen wohl noch bereit gewesen, sich am Romzug zu beteiligen, dieser alten Pflicht, die bereits das mittelalterliche Reich seinen unmittelbaren Gliedern abverlangt hatte. Aber Karl V. versuchte 1521 schon gar nicht mehr, die Eidgenossen als Reichsglieder zum Romzug zu verpflichten - sie waren ja auch nicht mehr in der Matrikel verzeichnet - sondern bot ihnen von vornherein eine Bezahlung an. So blieben die Eidgenossen zwar auch im 16. Jahrhundert im Reichsverband, aber doch in einer deutlich gekennzeichneten Sonderstellung, die bereits 1521 nicht mehr zu übersehen war. Diese Sonderstellung bestand darin, daß sich die Eidgenossen von den durch die Reichsreform geschaffenen Institutionen abseits hielten. Sie gehörten dem Reich weiterhin an, benötigten Kaiser und Reich auch weiterhin zur Legitimierung ihrer eigenen Herrschaft, weshalb sie sich vom Kaiser nach wie vor ihre Privilegien bestätigen ließen. Aber an dem durch die Reichsreform geschaffenen verdichteten Reich nahmen sie nicht teil; das Reich als politischer Handlungszusammenhang fand ohne die Eidgenossen statt, ihr politisches Forum war fortan allein die Tagsatzung. Dies war nun aber nicht eine Folge der Tatsache, daß erneut die Habsburger das Reichsoberhaupt stellten: Der Mechanismus, wonach die Eidgenossen auf einen habsburgischen König mit Distanz zum Königtum reagierten, wie Karl Mommsen für das Mittelalter gezeigt hat, griff im 16. Jahrhundert nicht mehr. Die Eidgenossen verweigerten sich viel-

Zusammenfassung mehr dem durch die Reichsreform veränderten Reich und hätten dies mit Sicherheit auch bei einem nichthabsburgischen Kaiser getan. Wenn dennoch Fragen wie die Bezahlung von Türkenhilfe und Kammergerichtsunterhalt auf den Tagsatzungen zwischen 1520 und 1550 immer wieder diskutiert wurden, so betrafen diese Diskussionen nie die Position der Eidgenossen insgesamt, sondern stets nur die der erst 1501 der Eidgenossenschaft beigetretenen Städte Basel und Schaffhausen sowie der Zugewandten Abt und Stadt St. Gallen und der übrigen in der Schweiz gelegenen reichsunmittelbaren Klöster. Sie waren ausnahmslos in der Reichsmatrikel verzeichnet und wurden deshalb immer wieder mit Einladungen und Forderungen des Reichs konfrontiert. Diese Schreiben lösten bei ihnen Befremden, Ratlosigkeit und Empörung aus. Verunsichert wandten sich die Städte und Äbte hilfe- und ratsuchend an die Eidgenossen, und zwar vor allem dann, wenn sie zu finanziellen Leistungen für das Reich herangezogen werden sollten. Die Diskussionen auf den Tagsatzungen waren insbesondere in der Steuerfrage außerordentlich langwierig und von tiefer Unsicherheit und tastender Suche geprägt. Denn bezeichnenderweise taten die Eidgenossen eines nicht: Sie behaupteten nicht, daß die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft von der Leistung der Reichspflichten befreie, was ja zumindest im Falle von Basel und Schaffhausen zu erwarten gewesen wäre. Dies war freilich folgerichtig, verstand sich die Eidgenossenschaft doch selbst als Bund innerhalb des Reichs. Es machte aber gleichzeitig die Argumentation gegen die Reichspflichten unerhört schwierig, denn innerhalb der Reichsverfassung konnte es keine juristische Handhabe gegen diese Forderungen geben. Dennoch wurde Ende der 40er Jahre eine Lösung gefunden, und zwar eine politische, keine juristische: Das Reich hielt an seinen Forderungen fest, verzichtete aber darauf, diese geltend zu machen. Damit waren für die Eidgenossen die Diskussionen um Forderungen des Reichs, sich am Reich auch finanziell zu beteiligen, endgültig beendet. Kaiser Karl V. hat diese politische Lösung der Frage zuletzt forciert, weil die Eidgenossen für ihn zu wichtig waren, als daß er aus diesem vergleichsweise nichtigen Grund ihre dauerhafte Verärgerung riskieren wollte. Und eine solche drohte, denn die Eidgenossen hatten die Ratifizierung der Erbeinung von einer Niederschlagung der Steuerforderungen abhängig gemacht. In der Erbeinung, die Maximilian I. 1511 für seine Territorien Oberösterreich und Burgund mit den Eidgenossen abgeschlossen hatte und die auf Vereinbarungen Herzog Sigmunds mit den Eidgenossen von 1474 und 1477 zurückging, war das Verhältnis zwischen Österreich und der Eidgenossenschaft auf eine friedliche Grundlage

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Zusammenfassung

gestellt worden, die gutnachbarliche Beziehungen zwischen den lange verfeindeten Parteien ermöglichen sollte. Karl V. und sein Bruder Ferdinand hatten die Erbeinung von Maximilian geerbt, und sie setzten seine Politik gegenüber den Eidgenossen fort. Auch wenn sie sich in ihrer Politik also bereits auf eine gewisse Tradition berufen konnten, die mit der Ewigen Richtung von 1474 ihren Anfang genommen hatte, von der "traditionellen" habsburgischen Politik den Eidgenossen gegenüber, wie sie noch Friedrich III. unerbittlich vertreten hatte, hatten sie sich damit weit entfernt. Zwei Jahrhunderte lang hatten sich die Eidgenossen vor allem auf Kosten Habsburgs ausgedehnt - zuletzt mit der Eroberung des Thurgaus 1460 -, und die Habsburger hatten stets auf der Rückgabe dieser Gebiete bestanden. Erst Herzog Sigmund war bereit, den Eidgenossen ihren territorialen Besitzstand zu garantieren, als er sie gegen die expansionistische Politik Karls des Kühnen benötigte - für Maximilian I. waren territoriale Rückgabeforderungen an die Eidgenossen bereits kein Thema mehr. Ausdruck dieser neuen österreichisch-eidgenössischen Beziehungen war die Erbeinung. Die Bezeichnung ist leicht irreführend, keineswegs handelte es sich dabei nämlich um einen Vertrag ähnlich den Erbeinungen und Erbverbrüderungen fürstlicher Häuser mit Vereinbarungen über die Erbfolge im Falle des Aussterbens eines Hauses: Die Erbeinung war ein Nachbarschaftsvertrag zur Vermeidung und Regelung von Konflikten zwischen Österreich-Burgund und den Eidgenossen. Als solcher hat sie sich bewährt, was sich auch daran ablesen läßt, daß ihre Einzelbestimmungen über die Beseitigung von Streitigkeiten oder gar das dort vereinbarte Schiedsgerichtsverfahren gar nicht erst zur Anwendung kommen mußten. Meist genügte schon der bloße Hinweis auf die Erbeinung, um beim Vertragspartner Kompromißbereitschaft auszulösen. Das war freilich nur möglich, weil beiden Seiten an einer Bewahrung des Status quo und einer guten Nachbarschaft gelegen war; eine Neuauflage des Schwabenkrieges von 1499 wünschte niemand. Deutlicher Ausdruck dieses Interesses an der Erbeinung sind die habsburgischen Bemühungen, den Eidgenossen zuverlässig die in dem Vertrag vorgesehene Pension, das sogenannte Erbeinungsgeld, zu bezahlen: In der Regierungszeit Karls V. erhielten die Eidgenossen das Erbeinungsgeld vollständig, auch wenn dessen Beschaffung für die Habsburger - trotz der vergleichsweise geringen Summe von 2700 fl. - häufig mit erheblichen Anstrengungen verbunden war. Wenngleich Karl V. an der Erhaltung der Erbeinung mit den Eidgenossen interessiert war, für seine eigenen Ziele war sie ihm direkt kaum nützlich. Von der Beseitigung möglicher Konfliktherde entlang der gemeinsamen Grenzen

Zusammenfassung profitierte vor allem Österreich, das Karl bereits 1522 an seinen Bruder Ferdinand abgetreten hatte. Die Bedeutung der Eidgenossen für Karl lag woanders: die Eidgenossenschaft war fast ringsum von Ländern umgeben, die Karl V. zwar teilweise nicht als Landesherrn unterstanden, aber doch Teil des übergeordneten politschen Systems waren, mit dem er die Gesamtheit seiner Territorien zu beherrschen suchte. Mit seinem weitgespannten Imperium stand er in scharfem Gegensatz zum französischen König, mit dem er um die hegemoniale Stellung in Europa rang, ein Kampf, der sich nicht zuletzt in und um Oberitalien abspielte. In diesem Kampf wurde den eidgenössischen Söldnern, die sich seit den Burgunderkriegen einen bemerkenswerten Ruhm erkämpft hatten, eine entscheidende Bedeutung zugemessen. Damit gewann die Eidgenossenschaft eine über ihre eigentliche politische Potenz weit hinausgehende Bedeutung. "Die Schweizer auf unsere Seite zu ziehen", wie dies Maximilian seinem Enkel Karl gegenüber 1518 als wichtige Etappe auf dem Weg zur Kaiserkrone formuliert hatte, das wurde über Jahrzehnte hinweg das beherrschende Ziel sowohl Karls V. als auch Franz' I. in ihrer Politik gegenüber den Eidgenossen. Um dieses Ziel zu erreichen, war freilich die Erbeinung ein denkbar ungeeignetes Instrument, zumal die Versuche Karls, den Vertragstext seinen Bedürfnissen anzupassen, restlos scheiterten. Frankreich war hier mit dem Soldbündnis, das der französische König 1521 mit allen Orten außer Zürich abgeschlossen hatte, eindeutig im Vorteil. Nachdem es Karl nicht gelungen war, auf der Grundlage der Erbeinung sich ein Zugriffsrecht auf die eidgenössischen Söldner zu verschaffen, versuchte er es zu Beginn der 30er Jahre erneut, und zwar mit einem - vorgeblich - konfessionell motivierten Bündnis mit den katholischen Orten. Aber auch dieser Versuch war nicht von Erfolg gekrönt; die Eidgenossen wollten sich je länger desto weniger in die Kämpfe der beiden Großmächte einspannen lassen. Die beiden Kappeler Kriege hatten ihnen die Fragilität ihres Bundes vor Augen geführt - zeitweise schien die Spaltung in eine katholische und eine evangelische Eidgenossenschaft fast unaufhaltsam -; nach dem Ende dieser Kämpfe wollte man den Bestand des Bundes nicht durch verschiedene außenpolitische Optionen aufs Spiel setzen, vielmehr "stillsitzen", oder, in der französischen Übersetzung durch die kaiserlichen Gesandten: "se tenir neutres". Hier liegt der Keim eidgenössischer Neutralitätspolitik, deutlich faßbar zuerst 1536 und damit lange bevor sie zur offiziellen eidgenössischen Staatsdoktrin erhoben wurde. Erleichtert wurde diese "Neutralitätspolitik" der Eidgenossen dadurch, daß die konfessionellen Parteiungen nicht mit den außenpolitischen deckungsgleich

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Zusammenfassung

waren. Katholisch war also nicht gleich kaiserlich, wie die kaiserlichen Gesandten zu ihrem Erstaunen in den 30er Jahren feststellten, nicht zuletzt am Beispiel Luzerns, dem führenden katholischen Ort, der aber traditionell zu Frankreich neigte. Daß die konfessionellen Gemeinsamkeiten oft nur sehr oberflächlich und nur auf dem Höhepunkt der konfessionellen Auseinandersetzungen die althergebrachten politischen Orientierungen überdeckten, zeigt die doch recht mühsame Vorgeschichte der Christlichen Vereinigung von 1529. Das konfessionell so naheliegende Bündnis zwischen Ferdinand und den fünf katholischen Orten der Innerschweiz war keineswegs die zwangsläufige Antwort auf die Burgrechtsverträge der evangelischen Städte. Bevor es abgeschlossen werden konnte, mußten vielmehr auf beiden Seiten erst ganz erhebliche Hindernisse überwunden, tiefsitzende Ressentiments wenigstens so weit abgebaut werden, daß eine begrenzte Zusammenarbeit möglich wurde. Daß die Umsetzung des Vertrages dann kläglich scheiterte, die katholischen Orte im Ersten Kappeler Krieg vergebens auf österreichische Hilfe warteten, lag freilich weniger an diesen Vorurteilen, sondern an den verschiedenen Erwartungen, die mit dem Vertrag verknüpft waren, ganz abgesehen von erheblichen innerösterreichischen Kommunikations- und Abstimmungsproblemen. Österreich war vor allem an der Stabilität der eigenen Herrschaft in den Vorlanden interessiert, und das bedeutete zu verhindern, daß der mit Unruhe und Destabilisierung gleichgesetzte Protestantismus insbesondere Zürcher Prägung sich nördlich des Rheins ausbreitete. Ziel war also erneut die Sicherung des Status quo, insofern hatte die Christliche Vereinigung für Österreich die Funktion einer Ergänzung der Erbeinung für die neue Situation der konfessionellen Spaltung. Mit Hilfe von Verträgen war es für die Habsburger also zwar möglich, ihr Verhältnis zu den Eidgenossen freundlich und gutnachbarlich zu gestalten sowie den Status quo zu sichern; weitergehende Verpflichtungen vertraglich festzuschreiben, waren die Eidgenossen indessen nicht bereit. Um hier weiterzukommen, aber auch, um diese Verträge auszuhandeln und mit Leben zu erfüllen, bedurfte es eines anderen Instruments, nämlich der Diplomatie. Auf unzähligen Tagsatzungen traten Gesandte Karls und Ferdinands auf und brachten die Anliegen des Kaisers und des Königs vor. Die Ausprägungen, die die diplomatischen Vertretungen Karls und Ferdinands erfuhren, sind bezeichnend für ihr Verhältnis zu den Eidgenossen. Ferdinand bediente sich für Missionen in die Eidgenossenschaft fast durchweg der Räte der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim. Bald kristallisierte sich mit Dr. Jakob Sturtzel ein Spezialist für eidgenössische Angelegenheiten heraus, der nun alle Missionen

Zusammenfassung übernahm, ohne dafür jeweils eigens beauftragt zu werden. Insofern war er einem ständigen Gesandten vergleichbar, besaß im Unterschied zu diesem allerdings keinen ständigen Sitz im Gastland. Wie sehr sich diese Praxis bewährt und verfestigt hatte, zeigt sich daran, daß nach Sturtzels Tod 1538 regelrecht nach einem Nachfolger für eben diese Position gesucht und in Hans Melchior Heggentzer auch für über vier Jahrzehnte gefunden wurde. Politik gegenüber den Eidgenossen war für Ferdinand demnach vor allem eine vorderösterreichische Angelegenheit; außerdem eine Routinesache, die auf Verwaltungsebene abgehandelt werden konnte und nur in Ausnahmefällen ausdrücklicher politischer Direktiven bedurfte. Die Politik und damit auch die diplomatische Vertretung Karls in der Eidgenossenschaft war dagegen stärkeren Wandlungen unterworfen. Zu Beginn seiner Regierungszeit bediente er sich großer, außerordentlicher Gesandtschaften mit dem niederländischen Rat Zevenbergen oder mit Reichsfürsten wie dem Bischof von Straßburg an der Spitze: Karl handelte hier deutlich vom Reich aus, was Aufträge wie die Verhandlungen über eine Erweiterung der Erbeinung, die nun eindeutig seinen Hausmachtinteressen dienten, freilich nicht ausschloß. Nach einer Pause von ungefähr zehn Jahren schickte Karl mit Leonard de Gruyeres, dem Offizial von Besançon, einen burgundischen Geistlichen in die Schweiz, um mit den katholischen Orten über ein konfessionell motiviertes Bündnis zu verhandeln. Aus dieser klassischen Sondergesandtschaft wurde nach dem Scheitern der Bündnisverhandlungen allmählich eine ständige Gesandtschaft mit Sitz in Luzern, ab 1536 verstärkt durch Nicolas de Gilley, Herrn von Marnoz, der nach der Abreise Gruyeres' den Gesandtschaftsposten alleine versah. Karl trat den Eidgenossen zu dieser Zeit nicht mehr primär als Kaiser gegenüber, sondern als Herrscher eines Imperiums, der zu dessen Verteidigung eidgenössische Söldner benötigte. Daß er sich dabei burgundischer Gesandter bediente, lag vor allem an der überragenden Stellung seines burgundischen Ministers Granvelle, der für die Auswahl dieser Gesandten verantwortlich gewesen sein dürfte. Bereits die Bündnisverhandlungen von 1532/33 hatten aber einen noch tiefergreifenden Perspektivenwechsel angedeutet: Geschlossen werden sollte das Bündnis vor allem zur Verteidigung der Machtverhältnisse in Italien. Nach der direkten Inbesitznahme Mailands 1535/40 überwog dann die südliche Perspektive auf die Eidgenossenschaft vollends. Dies wurde auch in der Auswahl der Gesandten deutlich: ab 1547 wurde Karl in der Eidgenossenschaft von Mailändern vertreten, die teilweise aus den Diensten Herzog Francesco Sforzas in den kaiserlichen Dienst übergetreten waren. Nach dem

544

Zusammenfassung

Rücktritt Karls vertrat der bisherige Gesandte Karls, Ascanio Marso, dann Spanien-Mailand als ständiger Gesandter in der Eidgenossenschaft und logierte in Altdorf in Uri. Der Sitz der Gesandtschaft lag damit, nachdem man der ständigen Querelen mit der französischen Partei in Luzern endgültig überdrüssig geworden war, nun in dem eidgenössischen Ort mit der stärksten Orientierung nach Süden infolge des direkten Zugangs zum Gotthard. Erst die Etablierung als vor allem mailändische Gesandtschaft brachte auch die endgültige Verfestigung dieses Gesandtschaftspostens. Hier zeichnet sich eine sehr gerade Linie zur Schweiz-Politik der spanischen Habsburger der Folgezeit ab - aber eben nicht zur Schweiz-Politik Ferdinands und seiner Nachfolger, die vielmehr grundsätzlich in den Bahnen der zu Beginn des 16. Jahrhunderts begründeten Einungspolitik verblieben. Auch wenn die Männer, die Karl in die Eidgenossenschaft schickte, stets als kaiserliche Gesandte bezeichnet wurden, kaiserliche oder Reichsinteressen vertraten sie dort mit Ausnahme der Anfangsjahre nicht. Karl handelte den Eidgenossen gegenüber nicht als Reichsoberhaupt, er nutzte auch nicht die ihm als Reichsoberhaupt zur Verfügung stehenden Mittel, wie z.B. Friedrich III. dies mit der Verweigerung der Privilegienbestätigung getan hatte, um seine Anliegen bei den Eidgenossen zu erreichen. Karls Sicht auf die Eidgenossen war weder die des Reichsoberhaupts, noch war sie durch österreichische Hausmachtinteressen bestimmt. Entscheidend war vielmehr die Ebene der europäischen Hegemonialpolitik und das bedeutete je länger desto mehr eine von Süden, von Mailand her, auf die Schweiz gerichtete Politik. In seinem Streben, sein imposantes Imperium und damit die Vorherrschaft in Europa zu sichern und zu stabilisieren, versuchte Karl, die Eidgenossen in sein politisches System einzubinden. Nachdem sich die Instrumentalisierung von Reichsrechten bereits unter Maximilian als wenig probates Mittel erwiesen hatte, um sich den Zugriff auf das eidgenössische Söldnerreservoir zu sichern - denn hierin bestand das primäre Ziel aller Anstrengungen - setzte Karl allein auf Verträge und Diplomatie, hierin übrigens seinem Kontrahenten Franz I. völlig gleich. Als sich Karl V. 1556 von allen Regierungsgeschäften zurückzog, mochte dies für die Eidgenossen zunächst kaum spürbar sein, denn ihre unmittelbaren Ansprechpartner, die Gesandten, blieben die gleichen, wenn auch mit einer charakteristischen Kompetenzverschiebung: Hans Melchior Heggentzer vertrat weiterhin Ferdinand in der Eidgenossenschaft, war aber fortan nicht mehr "nur" österreichischer, sondern auch kaiserlicher Gesandter, während Ascanio Marso für Philipp II. die spanisch-mailändischen Interessen in der Eidgenossenschaft

Zusammenfassung vertrat. Freilich trat auch Ferdinand als Kaiser den Eidgenossen nicht mehr so gegenüber wie noch sein Großvater Maximilian: Zwar bestätigte er ihnen ihre Privilegien, an eine Geltendmachung von Ansprüchen und Rechten des Reichs bei den Eidgenossen war aber nicht mehr zu denken - diese taugten nicht einmal mehr als Drohpotential, um eigene, notabene: österreichische, Interessen durchzusetzen.

Anhang I

Die Bezahlung des Erbeinungsgeldes Jahr der Fälligkeit

Österreich

Burgund

1519 1520

23.5.15201

1521

12.7.15212

1522

17.6.15223

1523

15244

10.2.15255

1524

15246

10.2.15257

1

EA 3/2, Nr. 818, S. 1235.

2

Dr. Sturtzel an Jakob Villinger, Zürich, 12.7.1521 (HHStA Wien, Schweiz 6/1, fol. 56r-v). 3

Strickler , Actensammlung 1, Nr. 439.

4

Die Zahlungen für 1523 und 1524 fallen zusammen mit der Auseinandersetzung zwischen Österreich und Burgund über die Höhe ihrer Anteile. Am 6.6.1524 lagen in Zürich 2.700 fl, nach eidgenössischer Meinung das Erbeinungsgeld für ein Jahr (EA 4/1 a, Nr. 184), Ferdinand verstand diese Zahlung als seine Hälfte des Erbeinungsgeldes von zwei Jahren (Ferdinand an Margarete, Stuttgart, 8.6.1524 (FK 1, Nr. 71, S. 136-138, hier S. 137)). Am 26.9.1524 kündigte Ferdinand die Zahlung eines weiteren Viertels an (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 26.9.1524 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg, Von kgl. Mt. 1, fol. 167v-170v, hier fol. 168r)), Sturtzel meldete am 12.12.1524 das Eintreffen des Geldes (EA 4/1 a, Nr. 228, S. 541), wenn er dabei von einer "Hälfte" redete, so bedeutete dies die Hälfte des noch ausstehenden Geldes (also 1.350 fl. als Hälfte eines Jahres = 1/4 von 2 Jahren). Damit waren die österreichischen drei Viertel für 1523 und 1524 bezahlt, die Auszahlung an die Eidgenossen erfolgte allerdings offenbar erst Anfang 1525 (Sturtzel an Zürich, Baden, 20.1.1525 (StA Zürich, A 184.1, Nr. 149)). 5

StA Luzem, A1 F1 Sch. 62 (Quittung vom 11.2.1525); EA 4/1 a, Nr. 247, S. 582.

6

Siehe Anm. 4.

Anhang I: Die Bezahlung des Erbeinungsgeldes

547

1525

7.1526 8

7.1526 9

1526

7.1526 10

7.1526 11

1527

9.5.1532 12

28.5.1527 13

1528

9.5.1532 14

26.10.1528 15

1529

9.5.1532 16

29.1.1532 17

1530

9.5.1532 18

29.1.1532 19

1531

9.5.1532 20

29.1.1532 21

7

StA Luzem, Al Fl Sch. 62 (Quittung vom 11.2.1525); EA 4/la, Nr. 247, S. 582.

8

Strickler , Actensammlung 1, Nr. 1532; EA 4/1 a, Nr. 377, S. 964.

9

Philibert de Chalon an Luzem, 4.7.1526 (StA Luzem, Al Fl Sch. 77); Strickler , Actensammlung l,Nr. 1532. 10

Strickler , Actensammlung 1, Nr. 1532; EA 4/la, Nr. 377, S. 964.

11

Philibert de Chalon an Luzem, 4.7.1526 (StA Luzem, Al Fl Sch. 77); Strickler , Actensammlung l,Nr. 1532. 12

StA Zürich, F III 32 (1532), S. 10; Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v). 13

EA 4/la, Nr. 449, S. 1101.

14

StA Zürich, F III 32 (1532), S. 10; Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v). 15

EA 4/la, Nr. 588, S. 1424.

16

StA Zürich, F III 32 (1532), S. 10; Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v). 17

StA Zürich, F III 32 (1531), fol. 154a; EA 4/lb, Nr. 671, S. 1272.

18

StA Zürich, F III 32 (1532), S. 10; Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v). 19 20

StA Zürich, F III 32 (1531), fol. 154a; EA 4/lb, Nr. 671, S. 1272.

StA Zürich, F III 32 (1532), S. 10; Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81 v). 35*

548

Anhang I: Die Bezahlung des Erbeinungsgeldes

1532

9.5.1532 22

4.11.1532 23

1533

16.8.1535 24

1.12.1533 25

1534

16.8.1535 26

8.5.1534 27

1535

16.8.1535 28

26.6.1536 29

1536

14.4.1539 30

26.6.1536 31

1537

14.4.1539 32

12.6.1537 33

1538

14.4.1539 34

7.7.1539 35

21

StA Zürich, F III 32 (1531), fol. 154a; EA 4/lb, Nr. 671, S. 1272.

22

StA Zürich, F III 32 (1532), S. 10; Vizestatthalter und Kammer Innsbruck an Hans Angerer, 13.6.1532 (TLA Innsbruck, Kop.b. Kammer, Missiven an Hof 28, fol. 80r-81v). 23

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/196 (1532/33); StA Zürich, F III 32 (1532), S. 11; EA 4/lb, Nr. 764, S. 1423. 24

StA Zürich, F III 32 (1535), S. 9; HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 32r-34r.

25

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/198 (1533/34); StA Zürich, F III 32 (1533), S. 12; EA 4/1 c, Nr. 116, S. 222. 26

StA Zürich, F III 32 (1535), S. 9; HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 32r-34r.

27

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/198 (1533/34); StA Zürich, F III 32 (1533),

S. 14. 28

StA Zürich, F III 32 (1535), S. 9; HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 32r-34r.

29

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/202 (1536/37); StA Zürich, F III 32 (1535), S. 11; EA 4/1 c, Nr. 437, S. 711. 30

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/205 (1538/39); StA Zürich, F III 32 (1538). S. 10; EA 4/1 c, Nr. 656, S. 1085. 31

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/202 (1536/37); StA Zürich, F III 32 (1535), S. 11; EA 4/1 c, Nr. 437, S. 711. 32

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/205 (1538/39); StA Zürich, F III 32 (1538), S. 10; EA 4/1 c, Nr. 656, S. 1085. 33

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/203 (1537/38); StA Zürich, F III 32 (1536), S. 11; EA 4/lc, Nr. 516, S. 848. 34

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/205 (1538/39); StA Zürich, F III 32 (1538), S. 10; EA 4/lc, Nr. 656, S. 1085.

549

Anhang I: Die Bezahlung des Erbeinungsgeldes 1539

19.5.1544 36

7.7.1539 37

1540

19.5.1544 38

27.6.1541 39

1541

19.5.1544 40

27.6.1541 41

1542

16.6.1545 42

17.4.1542 43

1543

16.6.1545 44

17.4.1542 45

1544

16.6.1545 46

23.6.1544 47

35

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/206 (1539/40); StA Zürich, F III 32 (1538),

S. 10. 36

StA Zürich, F III 32 (1543), S. 80; TLA Innsbruck, Kammer-Raitbuch 1544, fol. 77r-78r; EA 4/1 d, Nr. 178, S. 377. 37

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/206 (1539/40); StA Zürich, F III 32 (1538),

S. 10. 38

StA Zürich, F III 32 (1543), S. 80; TLA Innsbruck, Kammer-Raitbuch 1544, fol. 77r-78r; EA 4/1 d, Nr. 178, S. 377. 39

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/210 (1541/42); StA Zürich, F III 32 (1540),

S. 13. 40

StA Zürich, F III 32 (1543), S. 80; TLA Innsbruck, Kammer-Raitbuch 1544, fol. 77r-78r; EA 4/1 d, Nr. 178, S. 377. 41

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/210 (1541/42); StA Zürich, F III 32 (1540),

S. 13. 42

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/215 (1545/46); StA Zürich, F III 32 (1544), S. 81; EA 4/1 d, Nr. 229, S.491. 43

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/210 (1541/42); StA Zürich, F III 32 (1541), S. 80; EA 4/1 d, Nr. 74, S. 134. 44

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/215 (1545/46); StA Zürich, F III 32 (1544), S. 81; EA 4/1 d, Nr. 229, S.491. 45

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/210 (1541/42); EA 4/ld, Nr. 74, S. 134.

46

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/215 (1545/46); StA Zürich, F III 32 (1544), S. 81; EA 4/ld, Nr. 229, S.491. 47

S. 81.

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/212 (1544/45); StA Zürich, F III 32 (1543),

550

Anhang I: Die Bezahlung des Erbeinungsgeldes

1545

23.11.1547 48

15.4.1546 49

1546

23.11.1547 50

15.4.1546 51

1547

23.11.1547 52

1548/49 53

1548

9.3.1551 54

1548/49 55

1549

9.3.1551 56

9.3.1551 57

1550

9.3.1551 58

9.3.1551 59

48

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/219 (1547/48); StA Zürich, F III 32 (1547), S. 73; EA 4/1 d, Nr. 409, S. 886. 49

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/218 (1546/47); StA Zürich, F III 32 (1545), S. 85; Zürich an Luzern, 10.5.1546 (StA Luzern, Al Fl Sch. 57); Zürich an die fünf Orte, Glarus, Appenzell, Abt und Stadt St. Gallen, 10.5.1546 (StA Zürich, B IV 16, fol. 25r-v). 50

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/219 (1547/48); StA Zürich, F III 32 (1547), S. 73; EA 4/ld, Nr. 409, S. 886. 51

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/218 (1546/47); StA Zürich, F III 32 (1545), S. 85; Zürich an Luzern, 10.5.1546 (StA Luzern, Al Fl Sch. 57); Zürich an die fünf Orte, Glarus, Appenzell, Abt und Stadt St. Gallen, 10.5.1546 (StA Zürich, B IV 16, fol. 25r-v). 52

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/219 (1547/48); StA Zürich, F III 32 (1547), S. 73; EA 4/ld, Nr. 409, S. 886. 53

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/220 (1548/49); StA Zürich, F III 32 (1548),

S. 73. 54

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/225 (1550/51); StA Zürich, F III 32 (1550), S. 72; EA 4/le, Nr. 160, S. 468. 55

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/220 (1548/49); StA Zürich, F III 32 (1548),

S. 73. 56

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/225 (1550/51); StA Zürich, F III 32 (1550) S. 72; EA 4/le, Nr. 160, S. 468. 57

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/225 (1550/51); StA Zürich, F III 32 (1550)

S. 72. 58

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/225 (1550/51); StA Zürich, F III 32 (1550, S. 72; EA 4/le, Nr. 160, S. 468. 59

S. 72.

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/225 (1550/51); StA Zürich, F III 32 (1550)

Anhang I: Die Bezahlung des Erbeinungsgeldes

551

15

2.9.1553 60

27.9.1551 61

1552

2.9.1553 62

31.5.1552 63

1553

2.9.1553 64

9.4.1554 65

1554

25.6.1555 66

21.1.1555 67

1555

25.6.1555 68

7.5.1555 69

1556

12.2.1557 70

25.10.1556 71

60

StadtA Schafihausen, A II 05.01/232 (1553/54); StA Zürich, F III 32 (1553),

S. 73. 61

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/228 (1551/52); StA Zürich, F III 32 (1551),

S. 73. 62

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/232 (1553/54); StA Zürich, F III 32 (1553),

S. 73. 63

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/228 (1551/52); StA Zürich, F III 32 (1551), S. 74; EA 4/le, Nr. 222, S. 659. 64

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/232 (1553/54); StA Zürich, F III 32 (1553), S. 73. Der Eintrag im Zürcher Seckelamtsbuch gibt fälschlicherweise an, daß das Erbeinungsgeld für 1550-52 gezahlt worden sei, es handelt sich aber um die Jahre 1551-53, das Jahr 1550 war bereits bezahlt, wie auch aus dem Seckelamtsbuch von 1550 hervorgeht, ebenso aus den Schaffhauser Eintragungen. Auch das Jahresdatum des Eintrags "17.9.1554" ist falsch, es muß 1553 lauten, nicht nur weil die Eintragung sonst gar nicht in dieses Buch gehörte, sondern vor allem deshalb, weil als Überbringer des Geldes neben Stadtschreiber Hans Escher auch Bürgermeister Lavater genannt ist, der aber 1553 Bürgermeister war und als solcher auch als Tagsatzungsbote der genannten Tagsatzung aufgeführt ist (EA 4/le, Nr. 278, S. 827). 1554 war Hans Hab Bürgermeister. 65

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/232 (1553/54); StA Zürich, F III 32 (1553), S. 74; EA 4/le, Nr. 303, S. 899. 66

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/234 (1555/56); StA Zürich, F III 32 (1554),

S. 79. 67

StA Zürich, F III 32 (1554), S. 77; EA 4/le, Nr. 359, S. 1122.

68

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/234 (1555/56); StA Zürich, F III 32 (1554), S. 79. Die Eintragung im Zürcher Seckelamtsbuch, daß auf der Jahrrechnung am 25.6.1555 das Erbeinungsgeld für 1553 und 1554 übergeben wurde, ist wohl eine Folge der falschen Eintragung aus dem vorigen Band, es muß sich um die Zahlung für 1554 und 1555 handeln. 69

StA Zürich, F III 32 (1554), S. 78; EA 4/le, Nr. 385, S. 1200.

552

Anhang I: Die Bezahlung des Erbeinungsgeldes

Wenn in den Anmerkungen mehrere Quellen genannt sind, so geschieht dies nicht so sehr aus einem Streben nach Vollständigkeit heraus, sondern weil häufig erst die Kombination mehrerer Quellen eine eindeutige Rekonstruktion eines Zahlungsvorgangs erlaubt. So ist z.B. in den EA häufig nur die Übergabe des Geldes erwähnt, nicht aber, um welche Jahrgänge es sich dabei handelt. In den Seckelamtsbüchern der Orte findet sich diese Angabe dagegen häufig, zumindest läßt sich die Anzahl der Jahrgänge aus der gezahlten Summe erschließen, dagegen fehlt oft ein genaueres Zahlungsdatum. Als Datum wurde stets die früheste Erwähnung der Zahlung genommen, im allgemeinen also die Ablieferung auf der Tagsatzung oder beim Landvogt in Baden. Die Differenz zu einem eventuellen Datum in einem Seckelamtsbuch kann z.T. beträchtlich sein, abhängig davon, wann die einzelnen Orte das Geld abholten. Beispielsweise informierte Zürich am 10.5.1546 die anderen Orte vom Eintreffen der burgundischen Zahlung für 1545 und 1546, und fragte, ob sie eine Zusendung des Geldes wünschten oder eine Übergabe auf der Jahrrechnung in Baden. Die Eintragung im Schaffhauser Stadtrechnungsbuch ist zwar nicht datiert, stammt aber aus dem Juli, wie aus den Eintragungen davor und danach ersichtlich ist, offenbar holten die Schaffhauser Boten das Geld also auf der Jahrrechnung ab. Eine Angabe wie 1548/49 bedeutet, daß kein genaueres Übergabedatum zu ermitteln ist, das Erbeinungsgeld taucht als Einnahme im Schaffhauser Stadtrechnungsbuch von 1548/49 auf. Die Bücher begannen jeweils um Johannes, also am 24.6, die Zahlung erfolgte also zwischen Juli 1548 und Juni 1549.

70

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/235 (1556/57); StA Zürich, F III 32 (1556),

S. 80. 71

S. 79.

StadtA Schaffhausen, A II 05.01/235 (1556/57); StA Zürich, F III 32 (1556),

Anhang II

Biographische Skizzen zu den wichtigsten Gesandten Leonard de Gruyeres Gesandter Karls in der Eidgenossenschaft

von März 1533 bis Sommer 1534

und von Ende Mai 1535 bis November 1536 Gruyeres entstammte einer adeligen, ursprünglich wohl Freiburger Familie, die in Le Landeron in Neuenburg ansässig war, d.h. er kam aus dem eidgenössisch-burgundischen Grenzgebiet. Sein Vater war erst Kastellan von Boudry, danach Kastellan von Le Landeron1. Über Jugend, Ausbildung und Karrierestufen Leonard de Gruyeres' ist nichts bekannt. Offenbar gehörte Gruyeres zur weitverzweigten Klientel Granvelles in der Franche-Comté, wie seine Korrespondenz mit Granvelle, besonders im Zusammenhang mit der Förderung der Karriere seines Neffen, Dr. Estienne Clerc, zeigt2, als Clerc ihn auf dem Gesandtschaftsposten in Luzern vertrat. Als Karl Gruyeres auswählte, um zusammen mit dem päpstlichen Nuntius die Bündnisverhandlungen mit den katholischen Orten zu führen, war Gruyeres Offizial von Besançon. Die Betrauung Gruyeres' mit dieser Aufgabe schien auf den ersten Blick eine glückliche Wahl zu sein. Das Ziel der Verhandlungen war ja - zumindest offiziell - ein religionspolitisches, nämlich die Unterstützung der katholischen Orte in ihrem Widerstand gegen die Ausbreitung der neuen Lehre - ein geeignetes Betätigungsfeld für einen Mann der Kirche, der als Offizial aber nicht so sehr Theologe war, sondern als Jurist mit Verträgen wohl vertraut. Seine Herkunft ließ zudem eine gewisse Kenntnis der Eidgenossenschaft erwarten. Falls solche oder ähnliche Überlegungen tatsächlich zu der Ernennung Gruyeres' geführt haben sollten, erwiesen sie sich freilich als Fehlkalkulation.

1 2

Diese Angaben nach HBLS 3, Art. Gruyère, S. 783.

Granvelle an Clerc, Lager bei La Goletta, 24.6.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 13r-v); Gruyeres an Granvelle, Luzem, 17.9.1535 (ebd., fol. 40r-41v, hier fol. 40r).

554

Anhang II: Biographische Skizzen

Gruyeres fühlte sich in Luzern äußerst unwohl. Dies hatte zum einen politische Gründe, da die katholischen Orte dem geplanten Bündnis skeptischer gegenüberstanden als von Karl und seiner Umgebung wohl erwartet, und die starke französische Partei gerade in Luzern den kaiserlichen Gesandten die Arbeit erschwerte. Zum anderen ging Gruyeres1 Ablehnung des ungeliebten Postens aber weit über solche Klagen über schwierige politische Rahmenbedingungen hinaus und grenzte zeitweise an Hysterie, so, wenn er schrieb, daß er in Luzern seines Lebens nicht mehr sicher sei3. Bei seinem zweiten Aufenthalt in der Eidgenossenschaft scheint er seine Gesandtenpflichten nicht mehr sehr engagiert erfüllt zu haben. Seine Anstrengungen galten vor allem dem Ziel, die Erlaubnis für die Abreise aus Luzern zu bekommen. Es finden sich keine Hinweise darauf, daß Gruyeres in der Eidgenossenschaft intensive Kontakte aufgebaut und gepflegt hätte - für die erfolgreiche Tätigkeit eines Gesandten aber eine unabdingbare Voraussetzung. Bei seinem ersten Aufenthalt interpretierte er seinen Auftrag offenbar sehr eng und beschränkte sich allein auf die Vertragsverhandlungen, als Kontaktmann diente ihm in dieser Zeit vor allem Baptist de Insula. Während Gruyeres' zweitem Aufenthalt übernahm dann bald nach seiner Ankunft im Februar 1536 Gruyeres' Kollege Marnoz diese Funktion. Marnoz unternahm übrigens auch die Reisen in die übrigen Orte, während Gruyeres sich kaum aus Luzern entfernte. Über die Tätigkeit Gruyeres' sind wir - obwohl sie kaum "vorzeigbare" Resultate aufwies - gut informiert, da ein Teil seiner Registratur erhalten ist, und zwar aus der ersten Hälfte seines ersten und aus der zweiten Hälfte seines zweiten Aufenthaltes in Luzern. Das Manuskript liegt in der Bibliothek von Besançon in der Collection Granvelle, erneut ein Hinweis auf seine Verbindung zu Granvelle.

Nicolas de Gilley, Herr von Marnoz Ständiger Gesandter Karls in der Eidgenossenschaft Sommer 1538

von Februar 1536 bis

Marnoz entstammte einer ursprünglich bürgerlichen Familie aus Salins in der Franche-Comté; erst sein Vater war von Maximilian I. geadelt worden. Marnoz 3

Gruyeres an Granvelle, Luzem, 12.3.1536 (Bibl. mun. Besançon, Ms. 1145, fol. 221r-222v, hier fol. 222v).

Anhang II: Biographische Skizzen selbst kam über den Dienst Margaretes zu Karl. Auch die Dienstbeziehungen in der Familie seiner Frau Jeanne de Marnix gingen in diese Richtung: Marnoz' Schwiegervater war trésorier et receveur général Margaretes und später Sekretär des Conseil d'etat in den Niederlanden4. Im Februar 1536 bestimmte Karl Marnoz zu seinem Gesandten in der Eidgenossenschaft, wo er angesichts des sich erneut zuspitzenden Kampfes mit Frankreich den dort bereits seit längerem tätigen Gruyeres unterstützen sollte. Marnoz übernahm in dem "Gesandtenduo" offenbar sehr bald die Führung nicht nur, weil Gruyeres vor allem damit beschäftigt war, seine Abreise aus Luzern zu betreiben. Marnoz verfügte wohl auch über das ungleich größere politische und diplomatische Geschick, außerdem über eine bessere Fähigkeit zur Analyse, wie z.B. seine bald nach seiner Ankunft getroffene Feststellung, daß die evangelischen Orte den Anliegen Karls günstiger gesinnt seien als die katholischen, zeigt5. Marnoz beschränkte sein Tätigkeitsfeld nicht auf Luzern, sondern reiste häufig in der Eidgenossenschaft umher, auch in die evangelischen Städte. Marnoz' Auftrag war von Anfang an ein "machf'politischer und nicht ein religionspolitischer, was Kontakte zu den evangelischen Städten erforderlich machte. Marnoz hat seinen Auftrag denn auch so verstanden, und nachdem sich sein erstes Erstaunen darüber, daß die katholischen Orte keineswegs von vornherein pro-kaiserlich waren, gelegt hatte, spielte die konfessionelle Frage für seine Tätigkeit offenbar keine Rolle mehr. Dabei erwarb er sich gerade in den evangelischen Städten, besonders bei Basel, großes Ansehen. Basel schaltete Marnoz in die Bemühungen, eine Bestätigung der städtischen Privilegien zu erhalten, ein. Zu Basel pflegte er auch über die Zeit seiner diplomatischen Tätigkeit in der Eidgenossenschaft hinaus noch enge Kontakte. Daß die Stadt ihn 1538 bat, im Streit mit dem Domkapitel zu vermitteln, zeigt, daß er sich das Vertrauen der Basler erworben hatte. Auch im Konflikt mit der Regierung Ensisheim um den Besitz des Dorfes Hüningen wandte sich die Stadt Basel an Marnoz mit der Bitte, ihr Anliegen bei Karl und Ferdinand zu fördern 6. 4

Diese Angaben nach Lunitz , Diplomatie und Diplomaten, S. 243.

5

Marnoz an Karl, Luzem, 22.3.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 128r-130v, hier fol. 128r). 6

Basel an Mamoz, 16.10.1542 (StA Basel, Missiven A 32, S. 1076-1079); Basel an Mamoz, 21.4.1543 (ebd., S. 1087-1089); Basel an Mamoz, 29.6.1543 (ebd., S. 1090); Basel an Mamoz, 18.7.1543 (ebd., S. 1091).

Anhang II: Biographische Skizzen

556

Die Kontakte Marnoz* zu Basel beschränkten sich aber nicht auf den Bereich der politischen Vermittlung, Marnoz tätigte auch Geldgeschäfte mit Basel. Vom 31. März 1541 datiert eine Urkunde, mit der Marnoz und seine Frau sich bei Basel gegen einen jährlichen Zins von 250 Sonnenkronen 5000 Sonnenkronen liehen7. Knapp 10 Jahre später war Marnoz mit drei Jahresraten im Rückstand, und Basel mahnte die ausstehenden Zahlungen an8. Ein Jahr später mußte Marnoz Basel dann ein Pfandrecht auf die in der Urkunde genannten Herrschaften einräumen9. Nach dem Ende seines Aufenthaltes in der Eidgenossenschaft war Marnoz weiter als Diplomat im Dienste Karls tätig. Als Gesandter in Frankreich 1541/42 kam er auch erneut mit der Eidgenossenschaft in Berührung: Marnoz handelte den Vertrag über die Neutralität der Franche-Comté aus 10 , an dessen Zustandekommen die Eidgenossen beteiligt waren.

Giovanni Angelo Ritio Gesandter Karls und Mailands in der Eidgenossenschaft

von Juli 1547 bis

Oktober 1549; 1550-1555 immer wieder als Sondergesandter

in der Eidgenos-

senschaft Über seine Herkunft ist nichts bekannt. Ritio war bereits 1532 für den Herzog von Mailand in der Eidgenossenschaft tätig 11 . Nach dem Tode des Herzogs bat Gruyeres Granvelle, Ritio in den kaiserlichen Dienst zu übernehmen12, eine Bitte, der offenbar entsprochen wurde. Ritio wurde zunächst aber nicht in der Eidgenossenschaft verwendet. Erst 1547 entsandte ihn Ferrante Gonzaga, der Gouverneur von Mailand, dorthin. Im Herbst 1549 bat Ritio um Urlaub und schlug als seinen Nachfolger Ascanio Marso vor. Die Gründe für den Urlaubs7

Basier Urkundenbuch 10, Nr. 239.

8

Basel an Mamoz, 15.3.1550 (StA Basel, Missiven A 32, S. 963).

9

Basier Urkundenbuch 10, Nr. 362.

10

Lunitz, Diplomatie und Diplomaten, S. 243; EA 4/ld, Nr. 99, S. 183.

11

Credenz Herzog Francescos II. von Mailand für Ritio vom 22.8.1532 (Strickler, Actensammlung 4, Nr. 1848). 12

Gruyeres an Granvelle, Sursee, 17.11.1535 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 73rv, 75r, hier fol. 75r).

Anhang II: Biographische Skizzen wünsch sind nicht bekannt, jedenfalls dürfte es sich nicht um ein allgemeines Mißvergnügen an den eidgenössischen Angelegenheiten gehandelt haben, wie es seinerzeit bei Gruyeres zu beobachten gewesen war, da Ritio weiterhin immer wieder zu Verhandlungen in die Eidgenossenschaft reiste, um Marso zu unterstützen. Er war maßgeblich an der Aushandlung des Mailänder Kapitulats 1552 beteiligt. Im Juni 1555 war er letztmalig in der Eidgenossenschaft tätig 13 .

Ascanio Marso Ständiger

Gesandter Karls und danach Philipps in der Eidgenossenschaft

November 1549 - Dezember 1558 Marso wurde um 1500 in Bologna geboren 14. Der Vater stand seit 1514 im Dienst Karls, zunächst in Pavia (1514-27), dann in Castellazzo, ab 1531 in Domodossola. Marso studierte Jura und beendete das Studium nach eigenen Angaben mit dem Doktortitel. 1533 trat er in den Dienst Caracciolos, des kaiserlichen Gesandten in Mailand. Anders als Ritio und auch Panizono begann er seine Laufbahn also nicht in herzoglich-mailändischem Dienst und wurde aus diesem nach dem Tode des Herzogs in den kaiserlichen Dienst übernommen, sondern trat sofort in kaiserlichen Dienst, was bei der Position des Vaters nahelag. Nach dem Tode Sforzas 1535 verlieh Karl das Reichslehen Mailand nicht wieder, sondern ließ es durch Gouverneure regieren. Marso wechselte wohl mit Caracciolo, als dieser 1536 Gouverneur von Mailand wurde, in die mailändische Verwaltung. Unter dem Gouverneur Marquis del Vasto brachte er es zum "Cancelliero del Consiglio segreto di Milano". Marso begleitete den Gouverneur 1545 zum Kaiser nach Worms, eine Reise, die ihn durch die Schweiz führte. Dabei wurde auch ein Zwischenhalt bei Ritio eingelegt. Ob die beiden Männer sich erst jetzt kennenlernten, ist unklar; jedenfalls erfreute sich Marso von nun an der Protektion Ritios. Im Sommer 1549 wurde Marso als Gesandter nach Graubünden geschickt, allerdings kam er zu spät, um den Abschluß eines Bündnisses der Drei Bünde mit Frankreich zu verhindern. Auf Wunsch Ritios ging er dann im Herbst 1549 in die Eidgenossenschaft, wo er fast zehn Jahre als ständiger Gesandter tätig war. Bis 1555 wurde er in den Verhandlungen immer

13 14

EA 4/1 e, Nr. 393, S. 1250.

Die biographischen Angaben entstammen, wenn nicht anders angegeben, Haas, Discorso.

558

Anhang II: Biographische Skizzen

wieder von Ritio unterstützt, der als Sondergesandter häufig in die Eidgenossenschaft zurückkehrte. Obwohl Marso sich selbst nie eindeutig zur evangelischen Lehre bekannte vielleicht mit Rücksicht auf seine berufliche Laufbahn -, deuten doch zahlreiche Hinweise daraufhin, daß er zum Protestantismus neigte. Als er und seine Familie in der Fastenzeit 1551 in Luzern beim Fleischessen erwischt wurden, klang seine Rechtfertigung nicht sehr überzeugend15. 1558 wurde Marso dann noch einmal desselben Vergehens beschuldigt. Marso hielt engen Kontakt mit führenden evangelischen Persönlichkeiten der Eidgenossenschaft, wie Bullinger, Pellikan, Josias Simler, Johannes Haller. Ließe sich dies noch mit politischen Verhandlungen rechtfertigen, so war dies bei seinen Kontakten zu Pier Paolo Vergerio

schon schwieriger. Außerdem kaufte und las er regelmäßig

"ketzerische" Schriften, die er anfangs auch nach Mailand schickte, angeblich, damit sie der Zensur zur Kenntnis gelangten. Seine eigene Lektüre dieser Schriften bezeichnete er als "Zeitvertreib". Ließ sich jede einzelne dieser "Verfehlungen" vielleicht noch rechtfertigen und erklären, so ergibt die Gesamtheit doch ein ziemlich eindeutiges Bild. Für die Tatsache, daß Marso seine drei Söhne nach Zürich brachte, um sie dort im Hause Martins von Muralt, eines protestantischen Emigranten aus Locarno, erziehen zu lassen, gibt es vollends keine andere Erklärung, als daß er für seine Söhne eine protestantische Erziehung einer katholischen vorzog, womit kaum noch Zweifel an seiner persönlichen religiösen Einstellung bestehen dürften. Gegen Ende seiner Zeit in der Eidgenossenschaft faßte er seine Erkenntnisse - persönlich gewonnene wie durch Lektüre angeeignete - über die Eidgenossenschaft zusammen und legte sie in seinem "Discorso de i sguizzeri" nieder. Das Büchlein zeugt von den literarischen und historischen Interessen Marsos, wie auch seine offenbar nicht schlecht bestückte Bibliothek. Bereits zu Beginn seiner Tätigkeit in der Schweiz hatte er alle für ihn erreichbaren eidgenössischen Verträge, Bündnisse und Satzungen gesammelt, zunächst wohl für seinen eigenen Gebrauch 16. Später ließ er davon prächtige Handschriften anfertigen, die er 15

Selbst wenn es zutraf, daß seine Frau und seine Söhne krank waren, weshalb er sie von einem Propst von den Fastengeboten hatte dispensieren lassen, ist dies keine hinreichende Erklärung dafür, daß wohl auch Marso selbst Fleisch gegessen hatte. 16

Daß er dabei durchaus systematisch vorging, zeigt seine Bitte an den Bischof von Arras, ihm Kopien der Ewigen Richtung von 1474 und der Erbeinung von 1477 zu besorgen; Dokumente, die er sich offensichtlich nicht selbst hatte beschaffen können (Haas, Discorso, S. XXXIX, Anm.l). Arras kam dieser Bitte nach (Marso an den Bi-

Anhang II: Biographische Skizzen hochgestellten Persönlichkeiten in Mailand verehrte, darunter auch dem Gouverneur Ferrante Gonzaga. Alle diese Aktivitäten wiesen Marso als einen ungewöhnlich gebildeten Diplomaten mit weitgespannten Interessen aus. Nach dem Ende seiner Tätigkeit in der Eidgenossenschaft arbeitete Marso wieder in der Staatskanzlei in Mailand, zuletzt ist er 1567 nachzuweisen17.

Dr. Jakob Sturtzel Gesandter Ferdinands

in der Eidgenossenschaft

1522-1538

Sturtzel wurde um 1478 geboren 18. Er entstammte einer bürgerlichen Familie, die in österreichischem Dienst aufgestiegen war. Sein Vater Bartholomäus Sturtzel hatte erst Herzog Sigmund, dann Maximilian militärisch gedient, seit 1500 war er Rat der Regierung in Ensisheim. Sein Onkel war Dr. Konrad Sturtzel, der es in Herzog Sigmunds Dienst bis zum Kanzler gebracht hatte (1486), ein Posten, den er auch nach dem Übergang Tirols und der Vorlande an Maximilian versah. Im Jahre 1500 bat Konrad Sturtzel um seine Entlassung, übernahm aber weiterhin zahlreiche Aufgaben in Maximilians Dienst, unter anderem bei den Verhandlungen Maximilians mit den Eidgenossen um eine Erneuerung der Erbeinung 1500. Für ihre Verdienste um das Reich und das Haus Österreich waren Konrad und Bartholomäus Sturtzel in den Ritterstand erhoben worden. Maximilian gestattete ihnen, sich fortan "Sturtzel von Buchheim" zu nennen, nach ihrem Besitz Buchheim bei Freiburg.

schof von Arras, Altdorf, 11.5.1554 (HHStA Wien, Schweiz 12, fol. 243r-244v, hier fol. 243r)). 17

Bezeichnenderweise in einer Angelegenheit, in der er sich für einen Protestanten einsetzte: Der Landvogt von Mendrisio legte vor dem Gouverneur von Mailand im Beisein Marsos Fürbitte für einen von den Altgläubigen verfolgten ennetbirgischen Kleriker ein. Nach Auskunft des Landvogts setzte sich Marso für den Kleriker ein (Haas, Discorso, S. XIX). 18

Das Geburtsdatum ist nicht bekannt. Sturtzel immatrikulierte sich 1495 an der Universität. Wenn man annimmt, daß er zu diesem Zeitpunkt ca. 17 Jahre alt war, kommt man auf ein Geburtsjahr um 1478.

560

Anhang II: Biographische Skizzen

Während Jakob Sturtzels älterer Bruder Andreas den geistlichen Stand wählte 19 , folgte Jakob dem Vorbild seines Onkels 20 . Er immatrikulierte sich 1495 an der Universität Freiburg i.Br., promovierte zum Dr.jur.utr. und wurde 1506 zum außerordentlichen Professor für Zivilrecht an der Freiburger Universität ernannt, auch hier den Spuren seines Onkels folgend, der an der gleichen Universität gelehrt hatte und sogar zweimal Rektor gewesen war. Bereits 1508 beendete Sturtzel jedoch die akademische Laufbahn und wechselte in den österreichischen Verwaltungsdienst. Über das erste Jahrzehnt seines Dienstes - wohl die ganze Zeit als Rat der Regierung Ensisheim - wissen wir kaum etwas. Ab 1519 begegnet er dann regelmäßig als österreichischer Gesandter in der Eidgenossenschaft, er "wurde in den 1520er Jahren geradezu zum österreichischen Fachmann für die Beziehungen zur Eidgenossenschaft" 21. Diese Gesandtentätigkeit übte er als Rat der Regierung Ensisheim aus, wie unter anderem seine zahlreichen Schreiben aus Ensisheim beweisen22. Sturtzel 19

Er wurde Propst zu Waldkirch und Dompropst zu Basel. Sein Tod im Jahre 1537 löste den sogenannten Dompropsteihandel aus. Siehe dazu oben, S. 190f. 20

Diese Angaben alle nach J. Buchwald , Konrad Stürtzel von Buchheim aus Kitzingen, Doktor des kanonischen Rechts, Kanzler Maximilians I., Erbschenk der Landgrafschaft Elsaß. Eine Schilderung seines Lebens und Wirkens nach archivalischen Quellen, Leipzig 1900. 21

Das Zitat wie die vorigen Angaben nach J. Bücking , Das Geschlecht Stürtzel von Buchheim (1491-1790). Ein Versuch zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Breisgauer Adels in der frühen Neuzeit, in: ZGO N.F. 79 (1970), S. 239-278, das Zitat auf S. 256. 22

Die Vermutung Bückings, daß Sturtzel "zu diesem Zeitpunkt (1536, B.B.) sein Ratsamt in Ensisheim bereits lange aufgegeben [hatte] und (...) als Experte für die Eidgenossenschaft nach dem Vorbild seines Onkels nur noch wichtige Missionen durch [führte]" (S. 257), muß zurückgewiesen werden. Sturtzels Doppelfunktion geht eindeutig aus den Raitbüchem der Innsbrucker Kammer hervor: Sturtzel erhielt bis zuletzt Ratssold als Rat der Regierung Ensisheim und Dienstgeld für seine Tätigkeit in der Eidgenossenschaft (TLA Innsbruck, Raitbücher 1521-1538). Daß Sturtzel, wie Bücking angibt, öfters in Buchheim und Freiburg nachzuweisen ist, auch um den Familienbesitz zu verwalten, steht dem nicht entgegen. Die Verwaltung des eigenen Besitzes geschah bei Räten und Gesandten in fürstlichem oder königlichem Dienst im allgemeinen nebenbei. Wenn die Regierung Ensisheim Ferdinand offiziell Sturtzels "Schwachheit" und seine deshalb erfolgte Dienstaufkündigung mitteilte und Ferdinand daraufhin der Regierung Innsbruck befahl, für Sturtzel und einen weiteren verstorbenen Rat nach zwei fähigen Männern an ihrer Stelle für die Regierung Ensisheim Ausschau zu halten, beweist dies ebenfalls, daß Sturtzel bis 1537 der Regierung Ensisheim angehörte

Anhang II: Biographische Skizzen diente Ferdinand als ständiger Vertreter in der Eidgenossenschaft bis 1536, als Alter und Krankheit ihn an der Ausübung solcher Missionen hinderten, da diese ja stets Reisen, zumeist zu den Tagsatzungen nach Baden, erforderten 23. Von dieser Krankheit erholte er sich nochmals soweit, daß er schriftlich einige Amtsgeschäfte ausüben konnte 24 . Im Mai 1537 quittierte er dann offiziell den Dienst 25 . Anfang Mai 1538 starb Sturtzel. Sturtzels Besoldung war mit 400 fl. pro Jahr relativ großzügig bemessen. Ab 1534 erhielt er diesen Sold auch weitgehend regelmäßig. Daneben sollten ihm seine Ausgaben für seine Reisen in die Eidgenossenschaft, für das Unterhalten von Kundschaftern usw. erstattet werden. Bei diesen Zahlungen scheint es größere Schwierigkeiten gegeben zu haben. Nach Sturtzels Tod wandten sich nämlich seine Erben 1542 an die Regierung in Innsbruck und legten Ausgabenbelege vor, für die sie keine Quittungen Sturtzels gefunden hatten, weshalb sie annahmen, daß Sturtzel das Geld nicht erhalten hatte. Sie baten um eine Überprüfung und anschließende Begleichung der Außenstände26. Die Innsbrucker Regierung setzte daraufhin eine Untersuchung über die an Sturtzel geleisteten Zahlungen in Gang und empfahl Ferdinand angesichts der Verdienste Sturtzels eine großzügige Regelung der Angelegenheit27. Die Vermutung der Regierung ging zunächst dahin, daß Sturtzel einen Teil seiner Ausgaben vielleicht nicht aus Innsbruck, sondern vom Hof erstattet erhalten hatte. Der Hofzahlmeister überprüfte deshalb auf Bitten der Regierung seine Bücher, fand aber nur eine Zahlung im Zusammenhang mit den Waldshuter Verhandlungen 1529 28 und (Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 19.5.1537 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 5, fol. 482r-483r)). 23

Gruyeres an Granvelle, Baden, 7.9.1536 (HHStA Wien, Schweiz 10, fol. 312r-v, 315r-v, hier fol. 312r) erwähnt erstmals Alter und Krankheit Sturtzels, die eine Reise unmöglich machten, mit der Äußerung, daß Sturtzel "est tombe en paralise". 24

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 25.1.1537 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., An kgl. Mt. 6, fol. 110v); EA 4/1 c, Nr. 505, S. 833. 25

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Prag, 19.5.1537 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 5, fol. 482r-483r, hier fol. 482v). 26

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 2.4.1541 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III,

22)). 27

Regierung Innsbruck an Ferdinand, 2.4.1541 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III,

22)). 28

36 Braun

Notiz des Hofzahlmeisters Angerer, o.D. (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22)).

562

Anhang II: Biographische Skizzen

verwies die Regierung an die Innsbrucker Kammer. Diese machte daraufhin eine genaue Aufstellung der von den Erben vorgelegten Belege, für die keine Zahlungsnachweise zu finden waren. Die Außenstände betrugen demnach 380 fl. 262 xr. 2 9 . Die Klagen der Erben blieben nicht ohne Erfolg. Sie erhielten 1543 und 1544 je 150 fl., also doch einen erheblichen Teil ihrer Forderungen 30. Noch diese relativ großzügige und prompte Regelung der finanziellen Forderungen der Erben Sturtzels zeigt die Wertschätzung, die Sturtzels Tätigkeit bei der Regierung in Innsbruck und bei Ferdinand genoß. Daß man mit Sturtzels Arbeit zufrieden war, geht auch aus der mühsamen Suche nach einem Nachfolger hervor: Sturtzel hatte hier Maßstäbe gesetzt, an denen seine potentiellen Nachfolger gemessen wurden. Nur so ist es zu erklären, daß die Kriterien für den neuen ständigen Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft ganz offensichtlich an Sturtzel orientiert waren: Gesucht wurde ein Rat der Regierung Ensisheim, von niederem Adel und/oder juristischer Bildung, der mit den Verhältnissen in der Eidgenossenschaft vertraut war, weshalb eine Herkunft aus einer von der Eidgenossenschaft nicht allzu weit entfernten Gegend nützlich war. Daß Sturtzel auch über das für eine solche Tätigkeit nötige diplomatische Geschick verfügte, läßt sich der Tatsache entnehmen, daß er in all den Jahren in der Eidgenossenschaft nie mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, die in seiner Person begründet waren 31 .

29

Übersicht über die von Sturtzel vorgelegten Quittungen über Zehrung und Kundschaften in der Eidgenossenschaft, für die keine Zahlungsnachweise vorhanden, o.D. (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22)). 30

Die 150 fl. wurden jeweils in drei Raten zu je 50 fl. ausbezahlt und zwar unter der Bezeichnung "Dr. Sturtzels Erben, Abschlag ihrer Remanenz" (TLA Innsbruck, Raitbuch 1543, fol. 160v-161r; Raitbuch 1544, fol. 174v). Weitere Zahlungen über diese sechs Abschlagszahlungen hinaus sind in den Raitbüchem nicht verzeichnet, die Erben haben also wohl nicht die volle Summe erhalten. 31

Dies unterschied ihn z.B. positiv von Veit Sutor, der wegen solcher Schwierigkeiten seinen Kundschafterposten in Zürich aufgeben mußte.

Anhang II: Biographische Skizzen

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Hans Melchior Heggentzer von Wasserstelzen Österreichischer

Gesandter in der Eidgenossenschaft

1542-1581

Die Familie Heggentzer war ein altes Bürgergeschlecht, das seit dem 13. Jahrhundert in Schaffhausen nachzuweisen ist 32 . Der Zuname "von Wasserstelzen" verweist auf die Burgen Weißwasserstelz und Schwarzwasserstelz, die sich ca. 15 km östlich von Waldshut am Rhein gegenüberliegen. Hans Heggenzi wurde ca. 1453 vom Bischof von Konstanz mit Schwarzwasserstelz belehnt, dem südlichen der beiden Schlösser, das in einer Insel im Rhein lag. Konrad Heggenzi, der Vater Hans Melchiors, erhielt 1495 Weißwasserstelz als Lehen vom Abt der Reichenau und war als Vogt zu Kaiserstuhl auch im Besitz von Schwarzwasserstelz 33. Hans Melchior Heggentzer kam also nicht nur aus dem eidgenössisch-vorderösterreichischen Grenzgebiet, seine Familie saß geradezu auf der Grenze. Die Dienstbeziehungen wiesen freilich eindeutig nach Österreich. Im Jahre 1531 wurde Heggentzer Schultheiß in Waldshut34, ein Amt, über dessen Beset-

32

HBLS 4, Art. Heggenzi, S. 109.

33

HBLS 4, Art. Heggenzi, S. 109.

34

Regierung Innsbruck an Dr. Hieronymus Baidung, 24.7.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd. 12*, fol. 14v-15r). In der Geschichte der Stadt Waldshut wird Heggentzer als Schultheiß für das Jahr 1559 angegeben (C.A Birkenmayer/A. Baumhauer, Geschichte der Stadt Waldshut, neu bearbeitet von J. Ruch, Waldshut 1966, S. 387), allerdings ohne Quellenangabe. Die etwas unklare Formulierung suggeriert, daß der erste von Österreich eingesetzte Schultheiß Ludwig Homegg von Horrenberg bis 1557 amtierte (ebd.). An der Ausübung des Schultheißenamtes durch Heggentzer Anfang der 30er Jahre kann aber kein Zweifel bestehen, da Heggentzer dafür eine Besoldung von Innsbruck erhielt: 1536 bekam er 127 fl. 53 xr. (TLA Innsbruck, Raitbuch 1536, fol. 163r, unter dem Datum vom 30.5.1536), 1537 43 fl. 34 xr. als Bezahlung des Rests, den ihm der König wegen des Schultheißenamtes in Waldshut noch schuldete (TLA Innsbruck, Raitbuch 1537, fol. 164r, unter dem Datum des 9.10.1537). Daß die Raitbücher keine früheren Zahlungen verzeichnen, spricht nicht gegen eine Ausübung des Amts ab 1531, zumal aus der ungeraden Summe von 1536 und aus der Bemerkung von 1537 hervorgeht, daß es sich um nachträgliche Bezahlungen ausstehender Besoldungen handelte. 1534 erhielt Heggentzer offenbar Geld als Waldvogt auf dem Schwarzwald (auch bezeichnet als Vogt der Grafschaft Hauenstein), ohne daß allerdings eine Summe genannt ist (TLA Innsbruck, Raitbuch 1534, fol. 58r). Dieses Amt und das Waldshuter Schultheißenamt wurden meist vom gleichen Mann ausgeübt, was sich auch anbot, da Waldshut der Sitz 36*

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Anhang II: Biographische Skizzen

zung seit der Niederschlagung der Religionsunruhen die österreichischen Behörden zu entscheiden hatten35. 1535 bat Heggentzer um Beurlaubung vom Schultheißenamt. Da die Innsbrucker Regierung Heggentzer als fähigen Mann geschildert hatte, wies Ferdinand sie an, Heggentzer von seinem Wunsch abzubringen 36. Ende 1536 hatte Heggentzer das Amt dann tatsächlich aufgegeben 37. Was ihn zu diesem Schritt bewogen hat, ist freilich nicht zu erfahren. Ein Jahr später wurde Heggentzer von der Regierung Ensisheim für eine von zwei freigewordenen Ratsstellen vorgeschlagen. Ferdinand befürwortete diesen Personalvorschlag38, und Heggentzer wurde daraufhin zum Rat der Regierung Ensisheim bestellt. Für 1538 vermerkt das Innsbrucker Raitbuch erstmals die Auszahlung von Ratssold für Heggentzer 39. 1541 wurde Heggentzer erstmals als Gesandter in die Eidgenossenschaft entsandt40. Seit dem Frühjahr 1542 war Heggentzer ständiger Vertreter Österreichs in der Eidgenossenschaft, eine Aufgabe, die er nicht nur im Dienste Ferdinands über 20 Jahre lang versah, sondern nach dessen Tode auch im Dienste von dessen Nachfolger, Erzherzog Ferdinand II. Die Vertretung der österreichischen Interessen in der Eidgenossenschaft wurde ihm so zu einer Art Lebensaufgabe, eine Aufgabe, zu der ihn seine Herkunft, sein Besitz auf beiden Seiten des Rheins wie auch sein erstes Amt als Schultheiß von Waldshut prädestinierten. Auf der Jahrrechnung in Baden am 4. Juni 1581 vertrat Heggentzer Österreich des Waldvogts war (F. Metz (Hrg.), Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde, 2. erw. u. verb. Aufl. Freiburg i.Br. 1976, S. 454). 35

Heggentzer wird im Zusammenhang seiner Ernennung zum Schultheiß übrigens als "jung" bezeichnet (Regierung Innsbruck an Dr. Hieronymus Baidung, 24.7.1531 (HStA Stuttgart, B 17, Bd.12*, fol. 14v-15r)). 36

Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 20.6.1535 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 5, fol. 109r-v). 37

Ferdinand an Regierung und Kammer Innsbruck, Wien, 29.12.1536 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 5, fol. 338r). 38

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 17.9.1537 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 5, fol. 524r-v); Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 26.10.1537 (ebd., fol. 545v-546r). 39

TLA Innsbruck, Raitbuch 1538, fol. 146r: Heggentzer erhielt am 2.9., 1.10. und 24.12.1538 jeweils 50 fl. 40

Regierung Ensisheim an Regierung Innsbruck, Tatenriedt, 27.9.1541 (TLA Innsbruck, Hofreg. A 5 (III, 22)).

Anhang II: Biographische Skizzen zum letzten Mal auf einer Tagsatzung41, also ziemlich genau 40 Jahre nach seinem ersten Auftreten in der Eidgenossenschaft. Heggentzer verstand es offenbar in hohem Maße, den österreichischen Erzherzögen zu ihrer Zufriedenheit zu dienen, also deren Interessen gegenüber den Eidgenossen erfolgreich zu vertreten - anders ist seine lange Dienstzeit nicht zu erklären - und gleichzeitig zu den Eidgenossen in einem sehr guten Verhältnis zu stehen. Heggentzer verhandelte nämlich mit den Eidgenossen nicht nur regelmäßig im Dienste Österreichs, sondern hin und wieder auch in eigenen Angelegenheiten und traf dabei durchweg auf das Wohlwollen der Eidgenossen. Als Heggentzer 1548 von der Familie seiner Frau, Rebekka von Schellenberg, ein Lehen zu Dießenhofen erwerben wollte, wozu die Zustimmung der eidgenössischen Orte erforderlich war, betrafen die Verhandlungen auf den Tagsatzungen nicht etwa die Frage, ob Heggentzer diese Zustimmung erteilt werden solle, sondern es ging darum, ob in diesem Falle nur die Zustimmung der sieben im Thurgau regierenden Orte oder auch zusätzlich die von Bern und Schaffhausen nötig sei 42 . Es bestanden auf eidgenössischer Seite also offensichtlich keine Bedenken dagegen, daß ein österreichischer Gesandter ein Lehen auf eidgenössischem Gebiet besaß. Spricht schon das für ein gutes Verhältnis, so verstärkt ein Vorgang aus dem Jahre 1554 diesen Eindruck noch: Heggentzer wünschte für seinen Besitz Weißwasserstelz ein Burgrecht auf Lebenszeit mit den acht Orten abzuschließen. Heggentzer begründete seinen Wunsch damit, daß er als Inhaber von Schwarzwasserstelz bisher Landsasse der Eidgenossenschaft gewesen sei. Der Bischof von Konstanz, von dem er diesen Besitz als Pfand gehabt habe, habe das Pfand nun einlösen lassen, so daß er nicht weiter eidgenössischer Landsasse sei. Er wolle ihnen aber weiter zu Diensten stehen und begehre deshalb Aufnahme in ihr Burgrecht 43. Die Eidgenossen zeigten sich diesem Begehren gegenüber durchaus aufgeschlossen und verwiesen auf die großen Verdienste Heggentzers für die Eidgenossenschaft 44. Tatsächlich ins Bürgerrecht aufgenommen wurde Heggentzer übrigens 1571 von Basel 45 und

41

EA 4/2,1, Nr. 611, S. 741.

42

EA 4/1 d, Nr. 416, S. 905; Nr.435, S. 957.

43

EA 4/1 e, Nr. 312, S. 938.

44

EA 4/1 e, Nr. 312, S. 938. Ob es zur Aufnahme Heggentzers in das eidgenössische Burgrecht gekommen ist, geht aus den EA nicht hervor. 45

Basler Urkundenbuch 10, Nr. 503. Nach dem Tode Heggentzers kam es zu einer Kontroverse zwischen der Stadt Basel und Verwandten Heggentzers über das von Heg-

Anhang II: Biographische Skizzen

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1578 von Zürich 46 , ein weiteres Indiz für das hohe Ansehen, das er in der Eidgenossenschaft genoß. Heggentzer erhielt für seine Tätigkeit als Rat der Regierung Ensisheim und ständiger Vertreter Ferdinands in der Eidgenossenschaft erst 300, dann 400 fl. pro Jahr, zusätzlich Geld für Zehrung, Kundschaften etc. Inwieweit diese Zahlungen seine Ausgaben vollständig deckten, ist nicht zu ermitteln. Immerhin erhielt er seinen Sold weitgehend regelmäßig. In den Ruin führte ihn sein Dienst jedenfalls nicht, ganz im Gegenteil: Heggentzer scheint seinen Besitz kontinuierlich vermehrt zu haben, da sich an verschiedenen Stellen Nachrichten über den Erwerb von Gütern finden. Außer dem bereits erwähnten Lehen zu Dießenhofen erwarb er 1544 einen Freihof mit dem Dorf Rogesheim pfandweise von den Freiherren von Mörsperg 47, 1548 erwarb er von Elisabeth von Gilgenberg nicht näher bezeichnete Lehen 48 . Heggentzer starb 1587 in Ensisheim49.

gentzer als Gegenleistung zu entrichtende Schirmgeld (Georg und Friedrich von Landsberg an Basel, Zabem, 24.8.1589 (StA Basel, Adelsarchiv H 4)). 46

HBLS 4, Art. Heggenzi, S. 109.

47

Ferdinand an Regierung Innsbruck, Wien, 29.9.1544 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 8, fol. 262r-v). 48

Ferdinand an Regierung Innsbruck, 12.10.1548 (TLA Innsbruck, Kop.b. Reg., Von kgl. Mt. 9, fol. 42 lr). 49

HBLS 4, Art. Heggenzi, S. 109.

Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA Wien) Allgemeine Urkundenreihe (AUR) Mainzer Erzkanzler Archiv, Reichstagsakten 5,7-11 (MEA RTA) Mainzer Erzkanzler Archiv, Matrikelmoderation la, lb (MEA Matr.mod.) Reichskanzlei, Wahl- und Krönungsakten 1,2 (RK WuK) Reichskanzlei, Reichstagsakten 10-18 (RK RTA) "Schwabenbücher, Eidgenossen" 3: Hs. W 376/3 Staatenabteilung Außerdeutsche Staaten Schweiz 4-12 (Schweiz) Österreichische Akten, Vorderösterreich 1-3 (Vorderösterreich) Hs. blau 595 Hofkammerarchiv Wien (HKA Wien) Reichsakten 58 (RA) Tiroler Landesarchiv Innsbruck (TLA Innsbruck) Hofregistratur, Akten 5 (Hofreg. A) Kopialbücher der Regierung, Jüngere Reihe 1523-1556 (Kop.b. Reg.) - Von und an fürstliche Durchlaucht (Von und anfiirstl. Durchl.) - An königliche Majestät (An kgl.Mt. ) - Von königlicher Majestät (Von kgl. Mt. ) - Causa Domini (Causa Dom.) Kopialbücher der Kammer 1519-1556 (Kop.b. Kammer) - Bekennen - Entbieten - Missiven - Gemeine Missiven (Gem. Missiven) - Geschäft von Hof Raitbücher 1521-1556 Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStA Stuttgart) "Schwabenbücher, Eidgenossen" 1,2,4: B17, Bd.l 1*-13* Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA Karlsruhe) 67/527

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Quellen- und Literaturverzeichnis Stadtarchiv Schaffliausen (StadtA Schaffhausen ) Stadtrechnungen 1522-1556: A II 05.01,186-235 Stadtarchiv St. Gallen (StadtA St Gallen) Akten Tr. VII, 1.13-70; 7,28; 8.1-29 Ratsprotokolle 1521-1556(7^) Seckelamtsbücher 1521-1556 Universitätsbibliothek Basel (ÜB Basel) Amerbach-Nachlaß C VI Bibliothèque municipale de Besançon (Eibl mun. Besançon) Collection Granvelle: Ms. 1145 (Ms. 1145) Archivo General de Simancas (AG Simancas) Secretaria de Estado, Milan y Saboya, Leg. 1193-1194 (Milan y Saboya, Leg.)

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Register Das Register enthält Orts-, Länder-, Landschafts- und Personennamen. Es umfaßt jedoch nicht von diesen Namen abgeleitete adjektivische Wortbildungen. Nicht aufgenommen wurde - wegen der allzu großen Dichte der Belegstellen das Stichwort "Eidgenossenschaft". Die im Text genannten Autorennamen sind kursiv gedruckt. Aachen 70,102 Aare 119,424 Aargau 46,67,69, 71 f., 243,291 Acker, Hans 48,50-54,258, 309,393398,462,513,520-522 Adacker, Anton 326 Aix-en-Provence 431, 527 Albrecht Alcibiades, Markgraf von Brandenburg-Kulmbach 284,491 Albrecht, Markgraf von Brandenburg, Erzbischof und Kurfürst von Mainz 57 Aleander, Girolamo, Nuntius 108 Alexander, Pfalzgraf am Rhein zu Zweibrücken und Veldenz 119 Allerheiligen, s. Schaffhausen, Kloster Allerheiligen Alpen 36, 128, 147,219, 226,232, 252, 346,354, 366,373,401,516, 535 Altdorf 454-456, 535f., 544, 559 Altenburg 56f. Altmannshausen, Achilles von 515 Altmannshausen, Moritz von 515 Amberg, Joseph 160, 324, 435-437,460, 512,515 Amerbach, Basilius 193 Amerbach, Bonifatius 179, 184, 199, 201,433 Amont412 Arnstein, Hans 324 Andermann, Kurt 120

Andlau, Hans von 485,488,499f. Angerer, Hans 292, 300, 304f., 308, 547f., 561 Angermeier, Heinz 24 Anshelm, Valerius 34 "Anshelm" aus Uri 513 Antwerpen 263 Appenzell 68,85,96,193-195,231,290, 293, 305,424,436, 518, 521, 523, 526, 550 Appenzell-Außerrhoden 519 Appenzell-Innerrhoden 519 Appenzeller, Konrad 111 Arlberg 239, 248, 250, 276 Armerstorff, Paul von 48 Arona 220 Arsent, Wilhelm 438, 500 Asculi, Fürst, s. Leyva, Antonio de Asnel, Herr von 353 Augsburg, Stadt 15,41-44,47-52, 55-58, 60,62, 72f., 78, 83, 85, 106-108, 114f., 122f., 128, 143, 184, 193, 255-259, 299, 301,307, 309, 320, 348f., 352, 394-397, 402,405,45lf., 478, 524, 538 Augsburg, Bistum 119 Aulinger, Rosemarie 100,105,109f. Bachmann, Konrad 344, 353,503f. Baden/Aargau 34, 82,115,122,158,

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Register

163-165, 175f., 182, 187, 201,230, 252,292-294, 308,336f., 339,344, 368, 397, 401-403, 412f., 430-433, 435f., 438, 444, 448-451, 464, 475f., 480,482,484,486f., 489,498, 501, 503f., 511, 530f., 536, 546, 552, 561 Baden, Markgrafschaft 119, 200 Baidung, Hieronymus Dr. 259, 306,334, 343, 394-396, 403, 563 Barbarossa, Chaireddin 412 Barcelona 42, 50f., 54-57, 82, 256,259, 263, 365, 396, 409,445, 523 Barmont 84 Basel, Stadt 12f., 18,24,27f., 30-33, 35f., 61 f., 68, 70, 72f., 76, 79-85, 87, 94, 100-106, 110, 117f., 120-125,132, 138, 141-147, 149, 152, 154-161,164, 168-171, 173, 176-181, 183f., 186194, 196-202, 206, 212, 214f., 218f., 228, 230-232, 242, 244, 246f., 263f., 277-279, 286f., 289, 291, 294, 308f., 313, 330, 348, 351, 356f., 419,428f., 431, 433, 436-439, 441 f., 448-452, 470,474, 478, 491, 500, 518f., 521523, 526, 530-533, 539, 555f., 560, 565 Basel, Bistum 81, 107, 119, 128, 134, 136, 140, 142, 190, 246 Basel, Hochstift 277, 286 Bayern 38, 119, 157, 213, 237, 323, 346 Bellinzona 219f., 369 Bergen, Maximilian von, Herr von Zevenbergen 39f., 42-44,47-56, 5863, 105, 148, 254-257,259f., 263, 295, 391-396, 398-400, 521f., 524, 533, 536 Berger, Hans 522, 525 Bern 17, 32, 46,60f., 67-70, 73f., 83, 85f., 88, 90, 93-98, 102f., 107, 115, 125, 128, 130, 136, 147, 159, 165, 169,173, 176, 186, 192-194, 207,211, 213,215,218f., 227,231 f., 240,245, 268, 272,277-280, 283, 286, 288, 292,

294, 296, 305, 308f., 312f., 315f., 318f., 328, 330, 342,348,351, 353, 356f., 366, 383, 386, 389,407,413419, 421,424f., 428,433, 436f., 439, 441,448-450,458,470,472-475,491, 507, 511 f., 514, 516-521, 523, 526, 528, 530-533, 538, 565 Bernhard von Cles, Bischof von Trient 48, 79, 302f., 305, 354, 470 Beroldingen, Josua von 326, 536 Berthold V., Herzog von Zähringen 67 Berthold von Henneberg, Kurfürst und Erzbischof von Mainz 98 Besançon 283, 376,408,410,412, 543, 553f. Betz, Hans 75 Beuggen, Deutschordenskomturei 309 Beyel, Werner 441, 529f. Biberach 282 Bibern 277,447,487 Biel 270,313 Bludenz 344 Blumenegg 133 Bodensee 31, 340, 343,451 Böhmen 119, 131, 140, 325, 458 Bologna 153, 344, 346,348, 372, 374, 405, 557 Bolzern, Rudolf 21 Bonn 370,372 Bozen 84 Boudiy 553 Brandenburg, Albrecht von, s. Albrecht von Brandenburg Brandenburger, N. 320 Brandis, Herren von 133 Brandisser, Sigmund 340, 342f. Bregenz 282, 316f., 320, 340, 344, 515 Breisach 482 Breitenlandenberg, Hermann III. von, s. Hermann III. von Breitenlandenberg Bremgarten 509 Breslau 128 Brügge 40, 400, 524

Register Brüssel 42f., 255,296,353,360f., 364, 370f., 390,403f., 442,456,458,496498, 523f. Brunnen 413 Brunner, Hieronymus Dr. 400-402, 524f. Bubenberg, Adrian von 96 Buchheim 499, 559f. Buchhorn 340 Budweis 299, 339, 343, 345, 353,496 Büchi, Albert 43 Bücking, Jürgen 560 Bütler, Placid 195 Bullinger, Heinrich 455, 558 Burg 460 "Burgo" 83 Burgo, Andrea da 354 Burgos 280,297,315,494 Burgund 12, 54, 59, 73, 131, 169, 208210,212,224,229f., 233,240,251, 256, 266-268,270,274,279,281, 285f., 288f., 292, 294, 296-299, 302f., 306, 309-311, 345, 370, 390, 403,420, 424,427, 437, 440, 446,448, 450, 452, 457, 507, 539f., 546-551 Burgund, Freigrafschaft 20,240,276, 285f., 311, 407, 411, 447, 553f., 556 Burgund, Herzogtum 285, 311 Cambrai 225, 346,365 Campeggio, Lorenzo 361, 371 Caracciolo, Marino, Kardinal 354f., 361, 364, 366, 368, 383-386, 405,430f., 557 Castelberg, Christian von, Abt von Disentis 90 Castellazzo 557 Castrovillari 416 Chalon, Philibert de 294, 547 Chambrier, Jacques 376f., 406,409 Chateaurouillant, Herr von, s. Mouchet, Jehan Chenesure, Herr von 446, 530 Chièvres, s. Croy, Guillaume de

Christian II., König von Dänemark 359 Christine, Herzogin von Mailand 421, 423 Chur, Stadt 75,367,401,531 Chur, Bistum 119f., 123,128,133,140, 143, 165, 190,350,478 Claudia, Tochter König Ludwigs XII., 1. Gemahlin Franz' I. von Frankreich 222 Clemens VII., Papst 153, 200,354, 367, 369f., 372-375, 382 Clerc, Estienne Dr. 410-413,415,499, 553 Cles, Bernhard von, s. Bernhard von Cles Colmar 109 Corner See 316, 349f. Conrater, Familie aus Schaffhausen und Memmingen 190 "Corowadtsch" 525 Cosenza416 Courteville, Jean de, Herr von Coremont, de la Bussifcre et de Preurelles 39 Crfpy 447 Cristan, H.H. 507 Croy, Guillaume de, Herr von Chidvres 44,255 Dänemark 38, 57,128 Daldi, Konrad 344,352 Danzig 140 Davos 477 Deutschland 62,153,262,279,317,344, 359f., 396, 407,437,449 Dierauer, Johannes 224, 312 Diesbach, Christoph von 85f., 102 Diesbach, Nikiaus von 70,209 Diesbach, Wilhelm von 96-98 Dießenhofen 565f. Dijon 44f. Disentis, Abtei 90, 123,138,141-143, 160, 184 Dole 424,440,446, 530 Domaso 367 Domodossola 557

Register

590 Döring, Konrad 97 Dotzauer, Winfried

120

Eberhard von der Mark, Bischof von Lüttich 48 Eberstein, Hans, Graf 235 Eck, Andreas 114-116 Edlibach, Hans 525 Edlibach, Gerold 525 Effinger, Hans 524 Eger 450 Egli, Heinrich 513f., 534 Ehingen, Hug von 336 Ehingen, Rudolf von 336 Ehrenberger Klause 283 Eichhorn, Joachim, Abt von Einsiedeln 89 Eigen, Ambrosi 166f., 181f., 188 Einsiedeln 71,234,248f., 293,464 Einsiedeln, Abtei 89f., 98, 104,123,135, 138, 141, 143, 160,184 Elbing 140 Elsaß 28, 130, 134,143,207,279 Emmishofen 264 Endlisberg, Dietrich von 96 England 4lf., 391,404 Ensisheim 53, 80,228,266,278,282, 288f., 292, 300, 302,306f., 319, 333335, 337-339,343f., 352, 357, 394f., 397,400f., 407, 436, 438,458f., 465, 467,471, 473,475-480,482f., 485489, 492, 499-501, 511, 530, 533, 542, 555, 559f., 562, 564, 566 Entlebuch 71 Erfurt 128 Emst, Markgraf von Baden 479 Escher, Hans 551 Escher, Hermann 20, 328f., 331 f., 342, 354, 364, 369 Esslingen 395 Europa 12,27, 38,40f., 153,221,254, 358, 493,517, 541,544

Fabri, Johann, Bischof von Wien 81, 200f. Falkenstein, Freiherren von 134 Famsburg 134 Feer, Jakob 324,369, 507 Feilitzsch, Fabian von 57f. Feldkirch 91,147,209,236f., 282,320, 322-328, 333f., 344,472,478,480, 515, 524f. Feller, Richardis, 517 Fels, Leonhard von 81, 84 Ferdinand I., Kaiser 12,20f., 74, 78-88, 90, 106f., 124, 142, 153, 158, 160f., 163-166,171-174, 179,184,187, 199f., 205,224, 256-258,264, 276281,283, 286f., 289, 294-309, 311, 313-322,324-330,332-350,352-354, 356-364,368-373,386,389-391,396, 402,404,407,410f., 421,425,441, 445, 447,456-465,467-471,473-502, 504, 514f., 526, 529f., 535f., 540-546, 555, 559-562, 564, 566 Ferdinand IL, Kaiser 88,91 Ferdinand III., Kaiser 88, 101,110 Ferdinand II., Erzherzog von Österreich 564 Ferdinand, König von Aragon 53,221 f., 225, 229 Ferrara, Herzogtum 224f. Filonardi, Ennius, Bischof von Veroli, Nuntius 351,354f., 365-373,377,379, 382-386,403, 405-408,410 Finer, Peter von 515 Fislissdorfer, Jakob 191, 203 Fleckenstein, Heinrich 454 Florenz 372 Flüe, Jörg auf der 41 f. Francesco II. Sforza, Herzog von Mailand 351, 354, 365, 380, 383, 387,404, 414-416,423,467, 543, 556f. Franche Comté, s. Burgund, Freigrafschaft Frankfurt a.M. 55f., 70, 94, 127, 189f.

Register Frankfurter, Jakob Dr. 324, 334, 340, 342f., 349 Frankreich 1 lf., 21 f., 34-41,44f., 54, 58f., 62, 76, 82f., 99,103,112,135, 137, 139, 148-151, 169, 174,204,206211, 215-220, 222-227, 229f., 236, 251, 253f., 257, 260, 263, 265f., 269272, 274f., 279f., 282-284, 286, 289291, 299,309,31 lf., 315,320f., 331, 352,367,371, 375, 379,382, 389-391, 397-401, 403f., 407, 414f., 418-421, 424-429, 432, 434,442-444,447f., 452, 456f., 469,485,487,493f., 497, 502, 513, 516, 520-523, 525, 528f., 531-533,535, 541f., 555-557 Franz I., König von Frankreich 23, 38, 40, 47, 56, 58f., 61 f., 103,152,269271, 282, 285, 315, 321, 346f., 370, 382, 387,418, 420,427,439-441, 443f., 447,493, 521, 531, 541, 544 Franz II., Kaiser 89f. Frauenfeld 132, 287f., 292,461-463,467 Freiburg i.Br. 97f., 136, 196,200, 559f. Freiburg i.Ü. 29f., 60f., 68f., 73f., 78,9497, 125, 130, 191, 194, 213, 269, 312, 320, 374,405, 414,419, 421, 428, 438,450, 512, 518f., 521, 526, 532, 553 Frejus 430f., 530 Fricktal 31 Fridbolt, Christian 108, 111-116 Fridingen, Hans von 314, 334, 336f., 470-472,512 Friedrich IL, Kaiser 66f. Friedrich III., Kaiser 11,33,37,69-74, 81, 83f., 93f., 128, 134, 204, 206, 208, 210, 212, 216f., 234, 237-239, 243f., 265,457, 540, 544 Friedrich IV., Herzog von Österreich 6769,71, 132 Friedrich, Pfalzgraf 48, 157,163, 182 Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 57f.

Fruonz, Melchior 319 Fuchs, Christoph 51-53, 55,320,393 Fürstenberg, Friedrich, Graf 314,470472 Füssen 319 Fueter, Eduard 52, 57f., 61 Fugger, Augsburger Kaufmannsfamilie 301 Fugger, Anton 302 Fugger, Jakob 400 Fulda 119 Gaismair, Michael 477 Gallarate 44,253,269 Gasser, Adolf 209 Gauss, Julia 12, 15 Gebweiler, Peter Dr. 479f. Geiser, Martin 107 Geizkofler, Zacharias 175 Geldern 220 Genf, Stadt 414-418,421,428,499, 518 Genf, Bistum 140, 143, 184 Genfer See 414 Gent 170, 183,264,402f., 496 Genua 107, 346, 368,444 Georg, Hans 324 Georg, Herzog von Sachsen 57 Georg, Herzog von Schlesien 35 Germaine de Foix 222,229 Gilgenberg, Elisabeth von 566 Gilgenberg, Hans Immer von 336 Gilley, Nicolas de, Herr von Mamoz 82, 84, 279,283,408,417-420,422,424427,429-445,454,459,498-500, 512, 514, 527-530, 535, 543,554-556 Glarus 29, 33,61,66-68, 71,74, 79, 85, 90, 130, 133, 195, 213, 221, 227, 231, 293, 308, 315, 424, 519, 521, 526, 550 Göldli, Jörg 367, 525 Göppingen 496 Gonzaga, Ferrante 451, 556, 559 Gotthard 354,455,517, 544 Grafenried, Hans Rudolf von 344

592

Register

Gran 495 Granvelle, s. Perrenot, Nicolas Graubünden 28,90,119,140,160,173, 304, 324, 350, 445,477f, 557 Grebel, Felix 524 Greifenberg 172 Greiffenklau, Richard von, s. Richard von Greiffenklau Grüter, Sebastian 434 Gruyeres, Leonard de 82f., 279, 283, 371, 376-387,406-413,415-427, 429434, 436f., 439-445,454,459,476, 498f., 527-530, 535, 543, 553-557, 561 Gubel 355 Gundelsheim, Philipp von, s. Philipp von Gundelsheim Gutenberg 344, 477,515 Hab, Hans 444,448, 551 Habsberg, Ulrich von 289,294, 319-321, 324, 468,470, 472 Habsburg, Habsburger 11-13, 20, 22, 31, 34, 38, 42-47, 62, 66, 149, 159,204208, 210-215,220-222, 232, 234,241, 253, 264f., 271-273, 276,279, 281 f., 286, 290, 294, 299, 308, 31 lf., 316, 321, 332, 362, 364, 366, 380, 388, 404, 443, 457, 471,485, 493,495, 516, 518, 520f., 525f., 532, 534-536, 538, 540, 542, 544 Hagenau 109 Hagenbach, Michel 80,196-200 Hall in Tirol 270 Haller, Johannes 558 Hanau, Philipp IV., Graf 122 Hannart, Jehan 297 Hattstatt, Friedrich von 479f. Hauenstein 563 Haug, Anton 302 Hausmrth, René 14f., 76 Hebolt, Peter 78,107,319f. Hegau 119,337,356

Heggentzer, Hans Melchior 124,184, 283, 301,306f., 444f., 447,456,459, 465,481,483-493, 501, 504, 514, 536, 543f., 563-566 Heggenzi, Hans 563 Heggenzi, Konrad 563 Hegi, Friedrich 133 Heidelberg 57 Heidenreich, N. 304 Heilbronn 280 Heinrich (VII.), König 66 Heinrich VII, König 66 Heinrich VIII., König von England 39f, 44, 56, 253f. Heinrich II, König von Frankreich 382, 456 Heinrich V , Herzog von Mecklenburg 105,148, 263,295, 398f„ 522, 536 Heinrich, Graf von Nassau 48, 56 Hermann III. von Breitenlandenberg, Bischof von Konstanz 234f, 249 Hesdin, Jean 42f, 255 Hessen 119, 390 Hilprant, Balthasar 83 Hochrhein 132,134,451,515 Hohenems, Mark Sittich von 316-321, 324, 332, 335, 340, 344, 348, 350, 356f, 368,473,515 Hohenems, Wolf Dietrich von 350 Hohengeroldseck, Gangolf von 343 Hohenlandenberg, Hugo von, s. Hugo von Hohenlandenberg Hohentwiel 401 Hohkönigsburg 134 Hollenburg 236 Holstein 140 Holzhab, Leonhard 490 Homburg 400,469 Homburg, Adam von 334, 336, 352, 469f. Homburg, Wolf von 42,48, 50-53, 55, 75,105, 148,258,263f, 287,291, 295, 393-402, 404,462,469, 513, 520,

Register 522, 524-526, 536 Honstein, Wilhelm von, s. Wilhelm von Honstein Hornegg von Horrenberg, Ludwig 563 Hos, Christoph Dr. 178-180,183, 197200 Huber, Jakob 512, 514 Hubmaier, Balthasar 460 Hünerwadel, Jakob 511 Hüningen 228, 555 Hug, Hans 107, 321,326 Hugo von Hohenlandenberg, Bischof von Konstanz 105,148, 263, 316, 398400 Hux, Martin 117,162,181 Ilanz 477 Illertissen 358f., 497 Imhof, Caspar 324 Innerösterreich 240 Innerschweiz 193,211,214,219,230, 316, 341,436, 441,514, 542 Innsbruck 39f., 45f., 48-55, 65, 79, 8183, 85, 114, 142, 172f., 195f., 254, 258f., 264,277-279,281-283,288f., 292f., 296,298-309,311, 313f., 316326, 332-340, 342-353, 356-359, 361, 364, 368, 373, 386, 392, 394f., 401f., 407,410,444f., 447,458-460,462491,494, 496-499, 501, 503f., 51 lf., 514f., 520-522, 525f., 530, 536, 546548, 560-564, 566 Insula, Baptist de 107, 368, 374f., 377, 384f., 405,408f., 413,421-426,429431,434,438f., 444f., 447, 501, 531, 554 Insula, Stephan de 367-369, 384f., 405, 409, 422,430 Inwil 362 Isny 282 Italien 22,112, 141,147,153,157,217, 222,225,247,271,282f., 315f., 346348, 354, 358, 360, 365, 368, 371-375,

38 Braun

380, 386,415f., 422,424f., 431,437, 447,470,477,496, 543 Ittingen 287,317, 460 Jacob, Walter 524f. Jan, Ludwig Friedrich von 85 Janeschitz-Kriegl, Robert 234f. Joachim I., Kurfürst von Brandenburg 51 f. Johann, Pfalzgraf, Herzog von SimmernSponheim ("Hans auf dem Hunsrück") 119 Johann, Pfalzgraf, Herzog von SimmernSponheim, Kammerrichter 198 Johann Zapolya, Woiwode von Siebenbürgen 360 Jost von Silenen, Bischof von Sitten 322 Julius II., Papst 224-226 Jung, Leonhard Dr. 293,481 f. Kaiseraugst 31 Kaiserstuhl 563 Kambli, Ulrich 511 Kantz, Wolfgang 515 Kappel 23,106,112,180,281,284,288, 312,332, 339-343, 346,352,355f., 358, 362-365, 368f., 381f., 384, 386, 405,407, 421 f., 449,469,472f., 495, 510,515, 527, 541 f. Karl V., Kaiser 12f., 15,20-23, 38-42, 44,46-65, 74-88, 90f., 99-108, 110f., 114f., 117, 122-124, 137,139,146153,164f., 167-172, 174,178,182f., 187,201, 204-206,222f., 229f., 240f., 246,252-264, 271,274-277,279f, 282-285,289-291,294-299,301,303, 308-311, 315f., 320f., 328, 330, 343353, 358-365, 369-378, 380, 382, 386f., 389-393,395-409, 411-413, 416-427, 429-431,433f., 436f., 439453, 456-460,467-470,474,478, 485, 489f., 492-502, 507, 512, 514f., 521524, 526-534, 536, 538-544, 553-557

594

Register

Karl VII, König von Frankreich 265 Karl VIII, König von Frankreich 267f. Karl der Kühne, Herzog von Burgund 20, 70,206-208,210f, 247f„ 261,272, 540 Karl III, Herzog von Savoyen 361, 413f, 420 Kasimir, Markgraf von BrandenburgKulmbach 48 Kaufbeuren 34, 358 Keller, Lienhart 111-113 Khuen von Belasi, Hans 477 Khuen von Belasi, Jakob 324,445, 477 Kiburg, Kiburger 68 Klettgau 317f. Klingenberg, Hans Heinrich von 401 Klos, Nikiaus 490 Knebel, Johannes 70 Köln 128,370 Königsfelden 292, 308f, 344,470,474 Koli, Hans 439f. Konrad, Nikiaus 96 Konstanz, Stadt 31,33-36, 56,69, 73,99, 108, 110, 114, 117, 209, 224, 226, 234-236, 245-247, 249, 260, 264, 277f, 286,289,313-315,317,323, 330, 332, 348, 367, 395,451 f., 459, 463,466f, 471-473, 482f„ 488,490f, 504, 509, 51 lf, 514, 527, 533 Konstanz, Bistum 106, 119f, 128, 136, 142, 165, 246, 323, 443, 482, 563, 565 Konstanz, Hochstift 321, 482 Kooperberg, L.M.G. 40 Kramer, Christoph 362f. Kreuzlingen, Stadt 140 Kreuzlingen, Abtei 98, 100, 103f, 120, 135, 138, 142f, 146, 156, 159f, 177, 184,188 Küssaberg 320, 394,470 Küssaburg 317 Kuos, Jos von 525 Küttel, Beat, Abt von Einsiedeln 90

La Chaulx, Herr von 446, 530 La Goletta 411,553 Landau, Hans Jakob von 321, 334, 337, 339 Landeck 361 Landeck, Hans Friedrich von 173, 293, 470f, 479-483, 536 Landsberg, Friedrich von 566 Landsberg, Georg von 566 Lang von Wellenburg, Matthäus, s. Matthäus Lang von Wellenburg Langenecker, W. 436,438 Laubenberg, Jos von 357 Laufen 277,286 Laufenburg 31,132,289,321,344 Laufs, Adolf 120 Lausanne, Bistum 140, 143,184, 512 Lavater, Hans Rudolf 551 Lebertal 301 Le Glay, M. 43 Le Landeron 553 Lemnys 84 Leo X , Papst 59,366 Letter, Hans 436f, 439 Leyva, Antonio de, Fürst von Asculi 349, 386f, 417,419-425, 427,429f. Liebenau, Theodor von 433f, 436 Liebenswiller 105 Liechtenstein All Limmat 94 Lindau 97f, 114, 117, 195f„ 282 Linz 264, 302f„ 334, 338f, 344, 347, 491,494f, 514 Locarno 558 Lombardei 152,354,431 London 39,443 Lorenz, Sönke 187 Lothringen 119,323,346 Lucca 440 Ludovico Sforza, gen. il Moro, Herzog von Mailand 150,215,217 Ludwig X I , König von Frankreich 208211,229, 235-237, 249, 266f.

Register Ludwig XII., König von Frankreich 220222, 224f., 227,268f. Ludwig II., König von Ungarn 457 Ludwig, Kurfürst von der Pfalz 57 Ludwig, Herzog von Bayern-Landshut 207 Lützel, Abtei 80 Lund 443 Lunitz, Martin 390 Lutz, Heinrich 21 Luzern 30, 33f., 61, 66-68, 71, 74, 78, 82f., 90, 93,95f., 102f., 106-108, 125, 128, 130, 159, 169f., 176,195,211, 213f., 218,220f., 230-232,263f., 283, 291-294,296,308, 312,314,321 f., 324, 326, 335,342, 344,348f., 351, 354, 367-369, 371, 373f., 376f., 379387, 389, 397, 399,403, 405f., 408413, 415-419, 421-435, 438-442,444446,448, 450f., 453-455, 458,463, 466,468,470,473,476, 490f., 499, 505-508, 510-514, 518-523, 525-530, 532-536, 538, 542-544, 547, 550, 553555, 558 Lyon 290,518 Madrid 280, 315,411,444,468f., 494f. Mai, Miguel 368,373,405 Mailand 1 lf., 20, 36, 41,44, 59, 147, 152f., 215, 217, 219, 222, 224f., 251, 265, 312, 346, 349, 351, 354f., 360f., 365-369, 373, 375f., 378, 380, 383387, 403-406,414, 416,419,421-424, 427,430f., 437,451-453,455f., 467f., 485, 494, 507, 518, 521, 535, 543f., 556-559 Mainz 113,283,400 Malzan, Traugott 120 Mandorffer, Michel 304 Marburg 351 Margarete, Tochter Maximilians I., Regentin der Niederlande 39, 42-44, 4652, 54-56, 255f., 281, 292, 295-299, 38*

595

315,495,546, 555 "Margret" 505f., 509 Maria, Schwester Karls V. 296,358 Maria, Tochter Herzog Karls des Kühnen von Burgund 207,210,212 Marignano 19,252 Mark, Eberhard von der, s. Eberhard von der Mark Mark, Robert von der 38 Marmier, Hugues 440 Marnix, Jean 49f., 54,256, 259 Marnix, Jeanne de 555 Marnoz, s. Gilley, Nicolas de Marseille 382 Marso, Ascanio 453-456, 535f., 544, 556-559 Marti, J. 507 Maschwander, Gregor 304 Matthäus Lang von Wellenburg, Bischof von Gurk, Erzbischof von Salzburg 48, 256, 259 Matthias, Kaiser 91,101,110 Matthias Corvinus, König von Ungarn 210 Maurer, Helmut 18 Maximilian I., Kaiser 11-13,20,25,2830,32-41,43f., 47-49, 53,63,65,69, 73f., 80f., 83,94-96,98-100,149,151, 161, 195f., 204f., 207,210-230,232234, 238-240,243, 245-247, 251-256, 258,261 f., 265,268f., 274,276, 278, 290,295,303, 392, 394, 399,401 f., 456f., 462,469, 520, 524, 526, 539541, 544f., 554, 559 Maximilian II., Kaiser 86-88,90,101, 110 Maximilian Sforza, Herzog von Mailand 53 Mazzo 350 Mechelen 42,49-51,54,297 Medici, ital. Fürstengeschlecht 372 Medici, Giulio, Kardinal, s. Clemens VII., Papst

596

Register

Medici, Clara de 350 Medici, Gianangelo de, als Papst Pius IV. 349, 354 Medici, Giangiacomo de 316, 349f, 354, 366f, 447, 496 Medici, Katharina von 382 Meggen, Nikiaus von 107, 454, 533f. Meggen, Werner von 534 Memmingen 190, 282 "Meni" 401 Mendrisio 559 Merklin, Balthasar, Propst von Waldkirch 115,315 Messina 412 Messmer, Kurt 534 Meßnang, Johann Dr. 466 Metten, Johann von 264, 402f, 523 Metz, Bistum 140 Meyer, Bruno 29 Möggingen 400, 403 Mörsperg, Freiherren von 566 Mohäcs 457 Mommsen, Karl 11, 14, 36, 538 Montfort, Grafen von 340 Montfort, Hugo von 340, 357 Montfort, Wilhelm von 315, 345, 495 Montfort, Wolf von 340, 357 Montserrat 49, 54, 257 Monzon 380 Moqueron, Herr von 315 Moraw , Peter 16, 24, 204 Morbegno 349 Morhopt, Jörg 513f. Mouchet, Jehan 169, 280, 448, 450f., 489, 532 Mühlberg 451 Mülhausen 103f., 109, 118, 122f., 125, 136, 138, 140, 143f, 146, 155, 160, 164, 169, 176-178, 180, 183f, 207, 244, 270,313 München 108 Münster 191,200, 202 Münster (Müstair) 28

Muralt, Leonhard von 272 Muralt, Martin von 558 Murbach, Abtei 80 Musso 316, 349f, 447, 496 Näf, Werner 196 Nancy 210, 267 Naudersberg 445, 477 Navarra 283,400 Neapel 59, 220, 316, 387,417f, 420, 422f,467 Neidhart, Sebastian 302 Nellenburg, Landgrafschaft 142, 277, 282, 321,334,339, 344, 487 Neuburg 344 Neuenburg 292, 553 Neuhaus, Helmut 17 Neuner, N. 84 Nidwaiden 60f, 227, 230f, 326 Niederlande 35, 43, 47, 49f, 140, 240, 263, 295, 359, 392, 397, 399, 404, 407, 437,447, 555 Niederösterreich 240, 296 Nieder stätter, Alois 69 Nizza 439 Noguerol, Leonard, Graf 496 Norwegen 128 Novara 217, 219, 222, 231,268 Nürnberg 116, 128, 157, 165, 173,279, 297, 446 Oberdeutschland 313 Oberelsaß 479,488 Oberhasle 517 Oberitalien 34, 36, 40, 99, 149, 151f, 217, 221,252f, 269, 316, 347, 350, 365, 373, 390, 414, 457, 493, 518, 541 Oberösterreich 20, 274, 304, 326, 458, 539 Oberrhein 230, 261,518 Oberried, Hans 105 Obwalden 61, 268, 380 Österreich 11-13, 19-22, 28, 32f., 53-55,

Register 59, 66-72, 83,105, 107, 153, 188, 194, 206-209, 211,214, 216, 224, 226-230, 232f., 236-238,240f., 244,247,251, 256, 261, 268,272-278, 280-282, 286289, 291, 295-299, 304f., 307-314, 316-324, 326, 328, 330, 332f., 335f., 339, 341-343, 345f., 350, 355, 357, 359, 363, 370, 398,402, 458,461, 470f., 474f., 477,480,483,487-490, 492,499, 514, 526f., 53lf., 538-542, 546-551,559, 563-565 Orbe 240 Ort, Jakob am 78, 106f., 348f. Ortenburg 82-84 Ortenburg, Graf, s. Salamanca, Gabriel Osnabrück 191, 202 Oudenarde 402 Pace, Richard 44, 56 Palencia410f. Panizono, Giovanni Domenico 423f., 426,431,438, 443,451f., 557 Paris 443 Parma 376f., 406f. Passau 502 Paumgartner, Hans 301 f. Pavia 467, 494, 557 Payeme/Peterlingen 414 Pellikan, Konrad 558 Perrenin, Antoine 422,426,440 Perrenot, Antoine, Herr von Granvelle, Bischof von Arras 286, 558 Perrenot, Nicolas, Herr von Granvelle 82, 167, 283, 371, 377-381, 386f., 407413, 415, 420-427, 430-434, 445-447, 451, 476, 499, 528-531, 543, 553f., 556, 561 Peutinger, Konrad 98 Peyer, Hans Conrad 67 Pfäfers, Abtei 90,98,135, 138,141, 143, 160, 184 Pfeffingen 134 Pfirt, Sigmund von 200

Philipp II., König von Spanien 285f., 453, 544, 557 Philipp der Schöne, Herzog von Burgund 39,212,221-223 Philipp, Landgraf von Hessen 351 Philipp IV., Graf von Hanau 122 Philipp von Gundelsheim, Bischof von Basel 442 Piacenza 496 Pleine, Gerard de 48, 56 Polen 128 Pollweil, Nikolaus von 264 Pont-de-Vaulx, Laurens, Graf 264,402f., 437 Portugal 57 Prättigau 477,515 Prag 175f., 300-303, 315, 344f., 347, 353, 386, 476,487, 496,498, 561 Prantner, Wolfgang Dr. 493 Press, Volker 16 Pro, Jakob a 455 Provence 82, 112, 429,434 Pruntrut 190 Rabe, Horst 16,21 Radolfzell 339, 400,469 Raitter, Felix Dr. 163, 180,182 Raitter, Wolf 163 Ramsch wag, Balthasar von 344, 353, 364,477f., 480, 483,515 Ramsen 277, 447, 487 Ranieri, Filippo 189, 193 Ranke, Leopold von 92 Rapperswil 132, 454 Ravensburg 323, 340 Reding, Rudolf 96 Regensburg 86, 91,93f., 104,108,116, 139, 171, 175, 279-281, 339,448,470, 494 Reich 11-16, 18f., 23-33,36-38,40, 55f., 59,61-65, 67, 72, 74f., 82-87, 89, 91 f., 98f., 103 f., 108-111, 113, 117-120, 122,125-129,134, 136-138, 140-154,

598

Register

156f, 159, 161-172, 175-178, 181189, 193f, 196, 199, 202-204, 215f., 226, 237, 245, 263, 278, 282, 295, 314, 317, 319, 327, 330, 349, 351 f., 358f, 361, 364, 390, 396,417,448, 458,469,495, 531 f., 537-539, 543, 545, 559 Reichenau 332,482, 563 Reichenbach, Wilhelm von Dr. 287,460464, 525 Reichsitalien 119,140 Reischach, Eiteleck von 172, 353, 356f, 368, 470,478,510 Renner, Hans 48 Reutlingen 45 Rhein 12, 18, 31, 33, 85,118, 126,141f., 157, 209, 225, 229, 259, 279, 286, 317,319,328, 331f,336,341,352, 357, 359, 368,438,449,460f., 469f., 480f, 510, 515, 529, 542, 563f. Rheinau 135 Rheinfelden 31, 132,470,480,482,491 Rheintal 320, 328 Richard von Greiffenklau, Erzbischof und Kurfürst von Trier 57 Richmuth, Gilg 326 Riedlingen 142 Ritio, Giovanni Angelo 124, 423, 451453, 455f, 556-558 Rogendorf, Wilhelm von 358f., 363 Röist, Heinrich 98 Rogesheim 566 Roll, Christine 131 Rom 67, 152, 354, 367f., 371, 373,405, 443, 527 Rorschach 163, 195 Rosenberg, Augustin 102, 505-515, 533f. Rotenburg 71 Rottweil 78, 81, 109f., 118, 122f., 125, 136,138,146,193,244,270 Rudolf II, Kaiser 86-88, 101, 110, 175f. Rüsch, Ernst Gerhard 111, 113, 116 Rüti, Jakob an der 336

Russen, Niclas 507 Ruswil 71 Ryhiner, Heinrich 79f, 83 Rynach, Jost von 106 Säckingen 31, 132 Salamanca, Gabriel, Graf von Ortenburg 82f,306 Sahnas, Martin de 348 Salins 84, 270,436,440f„ 554 Salviati, Jacopo 361,371, 373 Salzburg, Stadt 128 Salzburg, Erzbistum 323 Sanchez, Gabriel 315,495 St. Blasien, Abtei 309 St. Dizier 169 St. Gallen, Reichsabtei 89, 91,101,104, 114, 120, 123, 134-136,138, 142f., 155,159f, 170,177,184, 231,270, 289f, 293,305, 316, 522, 539, 550 St. Gallen, Stadt 29,75,86,88f., 96f., 100-102, 104, 108-118, 120f, 123126,136, 138,141,143-147,154f., 157-159, 161-164,166f., 170, 176178,180-184,188f, 193-196, 231, 270,289f, 293,305,313,319, 522, 526, 539, 550 St. Gerold 90 St. Jakob an der Birs 266, 271 St. Johann im Thurtal, Abtei 91, 98, 135, 138,141, 143, 160, 184 St. Julien 414 St. Omer 207, 210,248 St. Peter, Abtei 309 Santiago de Compostela 107,263 Saragossa 345 Sargans 132-134,362f., 477 Sauch, Jean de la 51, 55 Savigliano 431,527 Savoyen 12,194, 323,346,353, 360f., 366,387, 403,408,413-420, 424f., 428,433,437, 499 Sax, Ulrich von 225f.

Register Saxer, Michael, Abt von Pfäfers 91 Schärtlin von Burtenbach, Sebastian 284, 452,455,489 Schaffhausen, Stadt 12,27, 31-35,46, 61 f., 68, 75, 78, 87,100-102, 104,110, 117, 120f., 123-125, 132, 136,138, 141, 143, 145-147, 154f., 157-160, 162, 164, 170f., 176-178, 180, 183f., 189f., 193f., 232, 287, 310, 313, 342, 356, 399, 419, 424,428,450, 474, 511, 519, 521 f., 526, 531, 539, 551f., 563, 565 Schaffhausen, Kloster Allerheiligen 91, 135, 138,142f., 159f., 184 Schaufelberger, Walter 19 Schellenberg, Rebekka von 565 Schellenberg, Ulrich von 42, 51 f., 55, 173,478,480,482 Schepper, Cornelius 361,364, 370f., 373, 405 Schiner, Margarete 534 Schiner, Matthäus, Kardinal, Bischof von Sitten 41-44,46,48, 50-52, 56, 105, 224, 226, 255, 366,400-402, 480, 533f. Schiner, Nikolaus, Bischof von Sitten 41 Schlesien 119 Schlettstadt 121-123, 200 Schliengen 500 Schlund, Gertraud 222, 224f. Schmid, Peter 135, 137 Schmidt, Georg 17, 118, 125 Schmidt, Hans Jakob 307 Schmotzer, Georg Dr. 478,480 Schmotzer, Ulrich Dr. 478, 481 f. Schönbrunner, Heinrich 107, 292, 503 Schütz, Benedikt 475 Schwaben 119, 322 Schwaben, Landvogtei 282,334,344, 471,512 Schwarzwald 207,318, 563 Schwarzwasserstelz 563, 565 Schweden 128

Schweiz 12-18,24, 37,41-44,48f., 51, 54,63, 76f., 89-91,100,120f., 124, 126,134,138,140-143,145-147,154, 164f., 168,171f., 177,184, 187,189f., 193, 204,208,210,213,220,234, 254-257, 261,280,282f., 295,359, 361,366, 369-371, 374, 378,381, 383, 389, 398-400,405f., 448,453,457, 491, 498, 517, 519, 539, 543f., 557f. Schwendiner, Hermann 194f. Schwyz 29, 33,43, 61 f., 66-68, 70, 74, 78f., 90,93,96,102f., 106f., 130, 160, 195,213f., 218f., 221, 227, 230f., 268, 315,324,326, 336, 378,435f., 512, 515,518,521-523, 526 Seidennater, N. 514 Seiler, Ludwig 96 Sellert, Wolfgang 187 Sempach 71 Senlis 209f. Semtein, Cyprian von 48 Sforza, ital. Fürstengeschlecht 312 Sickingen, Franz von 38 Siebenbürgen 360 Sigismund, Kaiser 11, 67,69, 72, 83f., 92,94,148 Sigmund, Erzherzog von Österreich 19, 71,73, 133,207,209-215,231,233240, 243,245, 247-250,261,272,276, 280,458, 539f., 559 Sigrist, Hans 13f., 24f., 29 Silenen, Jost von, s. Jost von Silenen Simler, Josias 558 Sitten, Bistum 41 f., 53,140,224 Sizilien 422 Solothum 29,32,61,67f., 73f., 78,93, 95-97,103, 107f., 125,130, 147,193f., 207,211,213,231 f., 264,269,281, 312, 315,319f., 383-386,405,409, 428,440,444,448,450,452,491, 511, 518f., 521,526, 535, 538 Sonnenberg 133,344 Spanien 11,21,38f., 41,47,49, 52f., 59,

600

Register

114f, 153, 221, 224, 229f., 232, 253, 256, 295, 378, 389f., 404, 407, 437, 456, 460, 468, 526, 544 Speyer, Stadt 103, 11 lf, 114f., 117, 120f, 139, 161 f., 164, 170, 179-182, 278, 286, 340, 356, 360, 447, 468, 470, 483, 487, 496, 532 Speyer, Bistum 119 Splügenpaß 350 Stahringen 469 Stans 68, 305, 516f. Stapfer, Balthasar 436-438, 512 Staub, Ulrich 324, 326, 344 Stein a. Rh., Stadt 75, 277, 460, 487 Stein a.Rh, Abtei 98, 120, 135, 138, 142f, 160, 308f, 441, 474, 498, 527, 529 Stockach 142 Stöcklin, Augustin, Abt von Disentis 90 Stör, Martin 51-53, 393f. Straßburg, Stadt 108, 157, 168, 196, 319, 335,338, 340,351,448 Straßburg, Bistum 119, 264, 402 Strauß, Leonhard 482 Stud, Mauritz 435f, 438 Stüssi, Rudolf 67 Sturtzel, Andreas Dr. 200, 560 Sturtzel, Bartholomäus 559 Sturtzel, Jakob Dr. 42, 51 f., 55, 75, 77, 105, 148, 172, 200, 263f, 277, 287, 292-295, 300f, 304-306, 309, 314, 321, 324, 333-336, 344, 396-404, 408, 438, 459f, 462-479, 483-486, 491493, 499-501, 503f., 511, 513f., 522525, 536, 542f, 546, 559-562 Sturtzel, Konrad Dr. 559 Stuttgart 189f, 325, 334, 337, 343, 357359, 363, 496, 546 Suleiman II, Sultan 153 Sulz, Grafen von 244 Sulz, Rudolf, Graf 42, 48, 50-53, 55, 258, 264, 316f, 319f, 324, 332, 334, 343, 353, 393-396, 400, 402f, 462, 470,

520, 524f. Supersaxo, Georg, s. Fliie, Jörg auf der Sursee 413, 421-423, 499, 556 Sutor, Veit 75, 77, 102, 105, 148, 263f, 287, 295f, 301, 344f„ 352f„ 356, 368, 397-404,459-463, 504-514, 521526, 533f, 536, 562 Tatenriedt 483, 564 Täubler, Andreas 395-397, 511,513 Thierstein 107, 134 Thierstein, Grafen von 134 Thierstein-Farnsburg, Grafen von 134 Thierstein-Pfeffingen, Heinrich, Graf 134 Thouraise, Herr von 446, 530 Thüringen 130 Thurgau 31, 33, 71 f., 89, 132, 156, 193f, 215,218, 243, 278, 313, 460, 466, 469,490, 504, 540, 565 Tierstein 108 Tirol 28, 239f, 261, 270, 296, 303-305, 334, 489, 559 Tissot, Claude 419, 424 Toggenburg 91, 265, 315f. Toggenburg, Grafen von 132 Toggenburg, Friedrich VII, Graf 133 Toledo 315, 495 Tordesillas 298 Toß, Oswald 348, 436 Toul, Bistum 140 Toumai 360, 497 Trapp, Jakob 445 Treusch von Butlau, Heinrich 324 Trient 84, 348,354, 485, 496 Trier 70 Tschudi, Aegidius 93 Tschudi, Gilg 292, 362f. Tübingen 495 Tunis 80,412f. Turin 348 Überlingen 196, 323, 339f„ 342f. Ulm 122f, 190, 282

Register Ulrich, Herzog von Württemberg 45-47, 102f., 256,264,281, 351, 397,401, 461 f., 467 "Ulrich" 401 Ungarn 325, 334,340,458 Unterelsaß 109 Unterwaiden 29,33,61 f., 66-68, 73f., 78, 90, 106,130,213,215,219,231,305, 308,316, 320, 324, 326,381,436, 517,519, 521,523,526 Uri 29, 33,43, 61 f., 66-69, 73-75, 78,90, 102, 106, 130,211,213-215,218220, 227,230f., 324, 326, 365, 367, 380f., 454f., 513, 517f., 521,523, 526, 535, 544

Villach 502 Villinger, Jakob 47f., 256,259,301,401, 546 Visconti, Galeazzo 218 Vorarlberg 141,279 Vorderösterreich 73,211 f., 238-240,276, 289,296, 300, 305f., 321, 323,332334,341-343,346f., 353,358,392, 407, 427,432, 462, 469,474, 491, 493, 495, 499, 542, 559 Vorlande, s. Vorderösterreich Vorster, Pankraz, Abt von St. Gallen 89

Waadt 140,386,413-415,417,419,425, 428,518 Wächter, Florian 200 Vadian, s. Watt, Joachim von Wackernagel Rudolf Vaduz 133 Wähinger, Veit 361 Valencia 386 Waldmann, Hans 94, 521 Waldkirch 560 Valgrana, Sekretär Ley vas 423 Waldkirch, Propst von, s. Merklin, Valladolid 440,495, 528 Balthasar Valois, französisches Fürstengeschlecht 38, 149, 204f., 221, 253, 311, 366, Waldshut 31, 132,206f., 287, 299, 309, 380, 443 312, 317, 323-326, 331, 334-340, Vambüler, St. Galler Familie 29,137, 344f., 352, 368,460f., 464, 467,469f., 181, 194 472, 527, 561, 563f. Varnbüler, Hans 114, 195 Wallis 42,44, 140,270, 366, 374, 376, Varnbüler, Ulrich, Bürgermeister von St. 413, 421,428 Gallen 29, 163,195 Wallis, Bistum, s. Sitten, Bistum Varnbüler, Ulrich, Kanzler am ReichsWangen 323, 340 kammergericht 111-113, 115, 117, Watt, Joachim von 108,111,114-116, 163, 195 167, 188, 193 Vasella, Oskar 20, 312f., 318, 329, 333, Weeze, Johann von 443 Weingarten 337 349, 398 Weißwasserstelz 563, 565 Vasto, Marquis de 444,485, 557 Wellenberg, Thomas 108 Vaz 133 Wenzel, König 66f. Veltlin 349f. Werdenberg, Grafen von 132-134 Venedig 12,225,391,443 Werdenberg-Heiligenberg, Hugo, Graf Verdun, Bistum 140 132 Vergerio, Pier Paolo 558 Veroli, Bistum 282,366 Werdenberg-Sargans, Grafen von 133 Viecher, Jacob 466 Werdenberg-Sargans-Trochtelfingen, Vigevano 364 Grafen von 132

602

Register

Werdenberg-Sargans-Vaduz, Grafen von 133 Werdenberg-Sargans-Vaduz, Hartmann IV, Graf 133 Werdenberg-Sargans-Vaz, Georg, Graf 133 Werdenberg-Sargans-Vaz, Heinrich II, Graf 132f. Werdenberg-Sargans-Vaz, Wilhelm, Graf 133 Wessenberg, Humprecht von 105 Westerrich 119 Wetterau 119 Wettstein, Johann Rudolf 191, 200,202f. Wien 80f, 153, 172,200,298,300,302305, 346,463,475, 482,495, 513, 546, 564, 566 Wiener Neustadt 277 Wilhelm von Honstein, Bischof von Straßburg 264,402-404, 523, 543 Wilhelm von Reichenau, Bischof von Eichstätt 94 Winterthur 132 Wirtz, N. 436 Wirz, Caspar 365, 372 Wochner, Ulrich 515 Worms, Stadt 25-27,30, 74f, 77f„ 97f„ lOlf, 104f, 111-113, 121, 129, 135, 137f, 143, 147,153f, 157, 170,177, 183,196,263,295, 301,398f, 448, 488, 522, 536-538, 557 Worms, Bistum 119 Württemberg 23,45f„ 102,119,189f, 264, 296, 326, 332-334, 345, 386 Ybbs 463

Zabern 566 Zähringen, Zähringer 68 Zevenbergen, s. Bergen, Maximilian von, Herr von Zevenbergen Zhag, Götschi 326 Ziegler, Nikolaus 47f, 256, 259 Zürich 25, 32, 34, 36, 42f„ 46,48f„ 5153, 55, 57f, 60-62, 66-68, 70, 73-77, 83, 85-87, 90,93-95,97f„ 101-104, 115, 125, 128,130, 147f, 151,158f, 165, 169f, 173, 175f, 186, 192f, 195f, 206,211,213,215f, 218f, 227f, 231 f., 244f, 256,258f, 263, 270,277f, 281,283,286-288,290294,301, 305,308-310, 312f, 315f, 318f, 323,328,330f, 335,342,344, 348, 351,355-357, 366f„ 371f, 389, 392-405,407, 410,416,419-421, 424, 427f, 436-438,440, 444,446-448, 450-452,455,460-462, 464,466,469, 471-475,487,490,495,498, 504-506, 509,511,513,518-532, 534, 538, 541 f., 546, 550-552, 562, 566 Zürich, Fraumünsterabtei 135 Zug 29,33,61,66-68, 71, 73f, 78,90, 106f„ 130,186,213,218,220,230f, 308, 320, 324,326,348,352, 355, 367, 377,428,436,439-441, 503, 521, 523, 526, 533 Zurzach 344,352 Zwick, Konrad 114 Zwingli, Huldrych 342,355f, 359,367, 381,527, 531