Unruhige Städte: Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648-1806) 9783486713633, 9783486707571

Die Reichsstädte entwickelten sich im Verlauf der Frühen Neuzeit zu Bühnen des Reiches - zu materiellen Verfestigungen e

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Unruhige Städte: Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648-1806)
 9783486713633, 9783486707571

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Thomas Lau Unruhige Städte

bibliothek altes Reich herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal

Band 10

Thomas Lau

Unruhige Städte Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648–1806)

R. Oldenbourg Verlag München 2012

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2012 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: hauser lacour, www.hauserlacour.de. Umschlagbild: Plünderung der Judengasse in Frankfurt am Main, Kupferstich kol., von Matthäus Merian (Ausschnitte). © akg-images. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Layoutkonzeption und Herstellung: Karl Dommer, Cornelia Horn Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-70757-1 e-ISBN 978-3-486-71363-3

Inhaltsverzeichnis 1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung . . .

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2. Die streitende Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2.1 2.2 2.3 2.4

,,Unser und unseres Reiches Stadt“ – Republikanismus und Reichsunmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitende Nachbarn – die Reichsstadt im Reichssystem . . Unsere lieben Brüder – Städtebünde, Städtenetze, Städtetage ,,Unsere gnädigen Herren“ – die Genese regionaler Identitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Streit in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 3.2 3.3

50 59

. .

59 72

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4. Der Streit um die Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.4 3.5

4.1 4.2

Juden in der Stadt – verschränkte Räume . . . . . . . . . Ein loblicher und wohlweiser Rat – die urbanen Eliten . . Untertanen oder Bürger? – Imaginationen des Politischen in frühneuzeitlichen Reichsstädten . . . . . . . . . . . . Orientierung im Raum – die Geistlichen und ihre Erben Räume des Aufruhrs – der Gemeine Mann und die städtischen Randgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Reichsstadt im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arenen der Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Unruhige Städte – eine Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . .

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Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung Der Kontrast könnte größer nicht sein: Die kleine Stadt, beschaulich über dem Taubertal gelegen, scheint der Gegenwart weit entrückt zu sein und doch – bzw. genauer: gerade deshalb – wälzen sich durch ihre Gassen Touristenmassen aus allen fünf Kontinenten, die mit digitalen Fotoapparaten bestückt ihre Sehenswürdigkeiten als beglückende Erinnerung mit nach Hause nehmen wollen. Sommer für Sommer erlebt ein multikulturelles Publikum Rothenburg ob der Tauber so als ein vermeintliches Freilichtmuseum vergangener Lebensqualität. Amerikaner, Italiener, Japaner und Australier – sie alle sind auf der Suche nach einer verlorenen Zeit, in der Städte Idyllen der Ruhe und der Übersichtlichkeit waren. Der von der Metropole des 21. Jahrhunderts gestresste Besucher träumt vom urbanen Lebensraum der Harmonie, in dem sich Nachbarn kennen und grüßen, Fassaden und Gärten liebevoll gepflegt werden und Konsens darüber herrscht, nach welchen Werten man zu leben hat. Schrille Werbung, Lärm, lieblose Funktionsbauten, Anonymität, Kriminalität – all das scheint in dieser heilen Welt der Türmchen, Maßwerkfenster und Butzenscheiben keinen Platz zu haben.1 Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Besucher einer sorgfältigen Inszenierung aufsitzen. Was sie sehen, ist nicht nur das Ergebnis eines gnädigen historischen Zufalles, der die markante Station an der ,,Romantischen Straße“ vor großen Katastrophen bewahrte. Es ist auch das Produkt einer Erinnerungspolitik, die Rothenburg als geschlossenes Biotop zum unverzichtbaren Bestandteil einer guten, humanen Geschichte und damit auch als Gegenpol zur Barbarei der Jahre 1933 bis 1945 erklärte.2 Die Stadt wurde zum ewigen Erinnerungsort versiegelt, in dem man für unpassend erachtete Veränderungen aus ,,nachidyllischer“ Zeit entweder ausgetilgt bzw. kosmetisch bereinigt und Zerstörungen aus dem Zweiten Weltkrieg lückenlos behoben hat.3 Die gute Vergangenheit sollte dem Zugriff von Gegenwart und Zukunft, ja des Wandels insgesamt entzogen werden.4 Rothenburg ob der Tauber, Carcassonne, Murten – all diese Stätten touristischen Entzückens sind damit urbane Baudenkmäler in des Wortes doppeltem Sinne. Die historische Substanz verschmilzt in ihnen mit

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Albers: Altstadt, 8–11, 58–60. Zum New Urbanism: Krier: Architektur. Dröge/Müller: Revision, 72–77. Bodenschatz/Geisenhof: Tode. Zur Theorie des Erinnerungsortes, die auf die Gedächtnistheorien von Halbwachs zurückzuführen sind: Nora: Geschichte. Schroer: Räume, 227ff.

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1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

zeitgenössischer Sinngebung.5 Sie zeugen von der Vergangenheit und sind doch Produkte der Gegenwart. Die alte Stadt, wie sie heute zu bewundern ist, hat nichts mehr vom Gestank, von der Enge, der Brutalität, der kulturellen Kleinräumigkeit der Frühen Neuzeit. Sie ist ihrem zeitgenössischen Kontext entzogen und in einen neuen eingebettet. Die steingewordenen Verdichtungspunkte der gemeinschaftlichen Profilbildung dienen nunmehr der verkaufsfördernden Herstellung von Lokalkolorit. Die Altstadt ist zum Themenpark geworden.6 Selbiges gilt selbstverständlich auch für Residenzen und Burgen in der fränkischen Umgebung des Kleinods an der Tauber. Und doch unterscheidet sich das Städtchen in einem entscheidenden Punkt von diesen fürstlichen Attraktionen. Es ist – anders als die Würzburger Residenz – noch immer bewohnt. Es zeugt von urbaner Kontinuität. Man mag den Reichtum höfischer Inszenierung mit Bewunderung betrachten, letztlich bleibt er für das moderne Publikum der Inbegriff von Verstellung, Hochmut und Dekadenz. Der Palast ruft zur Besinnung einer vergangenen, einer toten Epoche auf. Die alte Stadt dagegen lebt. Sie ist ein vermeintlich fester Bezugspunkt eigener Erwartungen an ein städtisches Wohnumfeld. Sie ist aus Sicht des Publikums Symbol des Vergangenen und zugleich der Kontinuität.7 Max Weber hat diesen ianusköpfigen Charakter der frühneuzeitlichen Stadt in bis heute wirkungsmächtige Thesen gegossen.8 Er meinte, in der okzidentalen Stadt das Alleinstellungsmerkmal Europas zu erkennen. Nur hier seien Agglomerationen neuen Typs entstanden. In dem von äußerer Herrschaft und innerer Sklaverei befreiten Raum habe man Ökonomie und Administration nach neuen, rationalen Prinzipien betreiben können. Und dennoch habe sich diese Speerspitze der Moderne nicht vollständig von jenen Prinzipien einer stratifikatorisch organisierten Gesellschaft lösen können, die der Kapitalakkumulation und der Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit entgegenstanden. Patrizische Gesellschaften etwa zeugten von der Präsenz des Alten im Neuen. Dennoch sei Fortschritt letztlich nur in Regionen festzustellen, in denen die Städte den Adel nachhaltig marginalisierten oder ihn im Sinne einer Verbürgerlichung transformierten – vornehmlich also in den Niederlanden und England. Dort habe eine Expansion der urbanen Agglomerationen stattgefunden. Die Aristokraten hätten sich hier, so Weber, den neuen Regeln der

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Zur Rekonstruktion der Alten Stadt: Hearn (Hg.): Theory. Murphy: Memory. Baridon: Imaginaire. Vgl. auch: Meyer: Denkmalschutz, 69–72. Fischer: Denkmalzone, 259ff. Vgl. zum Versuch der Integration von Industriebauten in das Idyll der Alten Stadt: Rasso: Deindustrialisierung. Deutlich wird das Dilemma etwa bei der Diskussion um die Rekonstruktion von Schlossbauten: Flierl: Schloss, 349ff. Hanselmann (Hg.): Rekonstruktion. Weber: Wirtschaft. Vgl. dazu: Eichhorn: Ursprung.

1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

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Rationalität beugen müssen, wenn sie als Elite bestehen wollten. Nicht überall sei die Stadt dermaßen erfolgreich gewesen. Im Reich etwa sei die Tendenz zur urbanen Stagnation, die mit einer unverkennbaren Rearistokratisierung der Gesellschaft einherging, unverkennbar gewesen. In Osteuropa gar könne von Urbanität in der Frühen Neuzeit nur in eingeschränktem Maße die Rede sein. Nach Weber war dies ein deutliches Zeichen der Rückständigkeit. Der Ausbreitungsgrad der okzidentalen Urbanität ist – so man diesem Modell folgt – ein Pulsmesser der Moderne.9 Der Endpunkt steht fest. Unter den Donnerschlägen der politisch-industriellen Doppelrevolution des 19. Jahrhunderts wird das altständische Bürgertum, werden Zunft und Patriziat schließlich von den Bürgerlichen abgelöst. Selbstbeschränkungen, seien sie wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Natur, werden gesprengt. Die Städte beginnen nun mit Wachstumsprozessen, die eine völlig neue Qualität aufweisen. Jacob Burckhardts von Faszination überlagertes Grauen vor dem faustischen Genie der Neuzeit – es fand sich in ähnlicher Form bei den meisten großen Modernisierungstheoretikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.10 Die Forschung hat dieses so eingängige Bild in den letzten Jahren und Jahrzehnten nachhaltig in Frage gestellt. Dies gilt für die These der Modernität der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reichsstädte ebenso wie für die strikte Trennung zwischen dem altständischen und modernen Bürgertum. Die Grenze zwischen alt und neu, zwischen stabil und dynamisch, zwischen Stadt und Land ist zunehmend verschwommen. In Deutungen jüngeren Datums wird daher die Rolle der Städte als Kampf- und Marktplätze einer allmählichen, durchaus entwicklungsoffenen Strukturveränderung betont.11 Angesichts dieses anderen Blickwinkels auf den Untersuchungsgegenstand lohnt die Beschäftigung mit dem bisher scheinbar Selbstverständlichen. So etwa mit dem Locus Classicus der Stadtgeschichtsforschung: der Frage, was eine Stadt eigentlich ausmacht.12 Die traditionelle Definition verweist auf juristische Merkmale. Die Verleihung von Stadtrechten, die Berechtigung eine Stadtmauer zu bauen und eine weitgehende Binnenautonomie der Stadt werden als unfehlbare Erkennungsmerkmale genannt. Es ist eine durch und durch eurozentrische Sichtweise.13 Die bedeutenden Agglomerationen im heutigen Botswana, die sich ab dem Jahr 1500 entwickelten und bis zu 30.000 Menschen umfassten, sind beispielsweise mit ihr kaum zu fassen. Stadtrechte kannte man hier offenbar ebenso wenig wie Befestigungsanlagen.

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Schreiner: Webers Analyse, 119–150. Vgl. auch: Stoob (Hg.): Stadt. Schweers: Bedeutung, 41ff. Denecke: Stadtbegriff, 111–131. Eine Begriffsgeschichte: Heit: Vielfalt, 1–12. Hofmeister: Stadtstruktur.

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1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

Selbst im Europa der Frühen Neuzeit war eine Reihe von Beispielen anzutreffen, die den Forscher ratlos zurücklassen. Was etwa unterschied – abgesehen von ihrer juristischen Position – die an der Schlei gelegenen Zwergstädte Kappeln, Anis und Maasholm von ihrer dörflichen Umgebung? So wichtig das Stadtprivileg sein mochte; es zum alleinigen Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Dorfgemeinde zu machen, erscheint lediglich in rechtshistorischem Kontext vertretbar zu sein.14 Ähnliches gilt für statistische Definitionsversuche, die an banalen Abgrenzungsproblemen scheitern. Wie viele Einwohner muss der Historiker anhand höchst unsicherer Steuerlisten gezählt oder vielmehr als wahrscheinlich berechnet haben, bevor er von einer Stadt sprechen darf?15 Die neuere, von der New Cultural Geography inspirierte, historische Stadtgeographie verzichtet auf solche scheinobjektive Kriterienkataloge der Urbanität.16 Stattdessen wird vor allem das Phänomen der räumlichen Verdichtung als spezifisch städtisches Phänomen in den Vordergrund gerückt.17 Der Begriff Raum wird in diesem Zusammenhang weder metaphorisch verstanden, noch beschreibt er stabile physische Entitäten.18 Das bedeutet keineswegs den Abschied von allem Fassbaren. Räume, städtische Räume zumal, sind auch für die Mehrzahl der Vertreter des so genannten Spatial Turn mehr als Imaginationen.19 Die physisch materielle Welt, so Martina Löw und Benno Werlen, werde erst von Akteuren mit Bedeutungen versehen und damit veränderbar.20 Löw betrachtet den Raum dementsprechend nicht mehr als Grundlage des Handelns, sondern als zu konstituierendes Phänomen.21 Der Akteur ordne die Dinge gemäß seinen Vorstellungen (Löw spricht vom Spa14 15 16 17 18

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Vgl. auch: Keller: Kleinstädte, 21. Einen interessanten Versuch, das Problem zu lösen, legte Olbricht Mitte der 30er Jahre vor: Olbricht: Bevölkerungsentwicklung. Simms: Wege, 54f. Zur momentanen Methodendiskussion: Sturm: Wege, 141ff. Das Konzept des sogenannten substantialistischen Raumverständnisses stößt mittlerweile auf breite Ablehnung. Der Raum ist, so die Kritiker, eben nicht die unbewegliche, ewige Bühne, auf der sich wechselnde Akteure immer neue Konflikte lieferten. Der Versuch der klaren Grenzziehung, die Beschreibung, Vermessung und Vergleich ermöglicht, zeugt lediglich von der Willkür des Beobachters. Dessen kategoriale Setzungen werden zum Maßstab der Wahrnehmung, sie konstruieren erst das, was sie zu beschreiben vorgeben. Angesichts dieser höchst erfolgreichen Dekonstruktionsversuche kamen Zweifel daran auf, ob die Kategorie Raum überhaupt noch als sinnvoller Parameter einer wissenschaftlichen Untersuchung dienen kann. McLuhan und Caincross stellten die These vom Verschwinden des Raumes auf. Im Zeitalter des Global Village tritt die Beschreibung des physisch messbaren Raumes (auch Containerraum genannt) und die Beschäftigung mit der aus ihm erwachsenen Prägekraft zunehmend in den Hintergrund (McLuhan: Media, 3. Cairncross: Death). Döring/Thielmann (Hgg.): Turn. Zum radikal handlungstheoretischen Ansatz Werlens: Werlen: Gesellschaft. Vgl.: Scheiner: Mauer. Zur Strukturationstheorie: Giddens: Constitution.

1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

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cing) und versehe sie mit Bedeutungen. Erst das Zusammenwirken aus ,,relationaler Platzierung“ und ,,Syntheseleistung“ erzeuge den Raum.22 Raumimaginationen, so Sigrid Weigel und Karl Schlögel, brauchten Anknüpfungspunkte.23 Sie seien auf die formbare und nichtformbare Materie als Element der Sinngebung angewiesen. Das habe nichts mit einer Rückkehr zum Raumverständnis des 19. Jahrhunderts zu tun, sondern vielmehr mit der erinnerungsstiftenden Funktion des Gegenstandes. Der vorgestellte Körper rage gleichsam in die Materie hinein – und umgekehrt. Imaginierte Gedächtnisorte seien daher an Objekte in der sinnlich wahrgenommenen Welt gebunden. Räume seien, so Sigrid Weigel, in diesem Sinne Zeichensysteme und wie Texte les- und entschlüsselbar. Imagination und Materie treffen in der Stadt wirkungsmächtig zusammen, denn Städte sind beides: Sie sind sinnlich erlebbare Umschlagplätze materieller Güter.24 Zugleich sind sie aber auch Laboratorien der Sinngebung. Entfremdung, Anonymisierung und Verunsicherung sind Phänomene, die nicht nur in der Stadt zu beobachten waren.25 Die Intensität dieser Erfahrung war hier aufgrund der höheren Bevölkerungs- und Informationsdichte, aber auch aufgrund der allgegenwärtigen Erfahrung der interkulturellen Begegnung besonders ausgeprägt. Der Unterschied zwischen Stadt und NichtStadt ist somit nur relational fassbar.26 Erst durch die Gegenüberstellung von Verdichtungsräumen und die Analyse wechselseitiger Abhängigkeiten kann Urbanität beschrieben werden. Die Stadt ist isoliert von den sich überlappenden Räumen, deren Referenzpunkt sie bildet, nicht denkbar. Urbanität ist aus diesem Grunde gekennzeichnet durch das Bedürfnis und das Vermögen, neue Orientierungsmuster zu generieren. Die Stadt muss mit Bedeutung aufgeladen und in einem größeren Ordnungsrahmen positioniert werden.27 Es gilt Imaginationen in der Stadt zu entwickeln und sie durch die sinnhafte Anordnung oder die Gestaltung von Körpern im kulturellen Gedächtnis zu fixieren.28 Doch wer erdachte diese ,,mind maps“ und wie konnte es gelingen, sie in das Bewusstsein einer höchst heterogenen Zielgruppe zu implantieren? Ein einfaches Top-Down Modell der Genese und Durchsetzung kollektiver Raumvorstellungen zugrunde zulegen, ist vor dem Hintergrund der Ergebnisse der 22 23 24 25 26 27 28

Löw: Raumsoziologie. Löw/Steets/Stoetzer: Einführung. Schlögel: Raume, 151–165. Bartetzky/Dmitrieva/Kliems: Imaginationen. Ob von einer Diffusion der Urbanität die Rede sein kann, mag daher bezweifelt werden: Paesler: Urbanisierung, 341–359. Vgl. auch: Hauxner: Raume, 6–15. Rexroth: Grenzen, 157. Ähnliche Leistungen vollzieht auch der Hof, der allerdings durch seine Ausrichtung auf den Monarchen den Raum zwar strukturiert, in ihm aber nicht fixiert ist. Geschieht dies doch, so ist eine Urbanisierung des Hofes zu beobachten: Rosseaux (Hg.): Zeitrhythmen. Rosseaux: Städte.

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1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

neueren Forschung zu frühneuzeitlichen Konfessions- und Staatsbildungsprozessen nicht haltbar. Wenn selbst die Regeln der höfischen Gesellschaft als Ergebnis eines mulitpolaren Aushandlungsprozesses begriffen werden, so hat dies umso mehr für die Stadt zu gelten. Die Möglichkeiten, auf den Prozess des Aushandelns Einfluss zu nehmen, waren indes auch in der Stadt – einerlei ob es sich um eine Residenzstadt oder eine Reichsstadt handelte – ungleich verteilt. Wer materielle, soziale und symbolische Ressourcen akkumulieren konnte, war zugleich in der Lage, Imaginationen des städtischen Raumes wirkungsmächtig zu propagieren, die den eigenen Interessen entsprachen.29 Zünfte, Patrizier, Kaufleute oder auch Hofräte warben um das Publikum und erzielten Wirkung – wenngleich nicht immer jene, die erwünscht war. Der Kampf um die ideologische Hegemonie in den frühneuzeitlichen Städten wurde von zahlreichen Unwägbarkeiten begleitet. Da war zunächst einmal das Risiko der Fehleinschätzung eigener Handlungsmöglichkeiten. Wie die Bürger der eigenen Stadt auf ein ideologisches Angebot reagieren würden, war bereits schwer genug zu prognostizieren. Noch schwieriger war dies, wenn es um das Verhalten abwesender Akteure ging. Was mochte der Kaiser wohl – um nur ein Beispiel zu nennen – von der Selbstdarstellung eines Frankfurter Patriziers halten, der sich einen Adelstitel zulegte, ohne ein kaiserliches Privileg zu besitzen? Fragen wie diese gewannen im Zuge der Verdichtung der Kommunikationsnetze im 17. Jahrhundert unverkennbar an Bedeutung.30 Eine weitere Aufgabenstellung, die die Raumkonstrukteure zu bewältigen hatten, bestand in der Harmonisierung ihres ideologischen Angebotes mit dem anderer Akteure. Dies musste zwar nicht, es konnte aber zu Problemen führen. Gentiläre Konflikte, Rivalitäten zwischen sakralen Orden oder der Streit zwischen Zünften: Sie alle waren eng mit dem Streit um den städtischen Raum verbunden. Jede der rivalisierenden Gruppen prägte eigene Vorstellungen von Binnenstrukturen des städtischen Raumes und dessen Platzierung im Suprasystem. Die Produktion dieser städtischen Räume war damit ein ebenso dynamischer wie konfliktgeladener Prozess. Konkurrierende Imaginationen der Stadt, ihrer Struktur und ihres Platzes im Raum, prallten beständig aufeinander, drängten auf Materialisierung, überlagerten sich, wurden verworfen oder teilweise adaptiert. Städte gleichen aus dieser Perspektive Stein gewordenen, ideologischen Schlachtfeldern, auf denen die Trümmer divergierender Raumkonzepte zu

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Vgl. dazu auch die Ausführungen des Begründers der neueren Raumforschung: Lefebvre: Production. AT-OeStA/HStA RK Diplomatische Akten Frankfurt Berichte 1 b, Brief des kaiserlichen Gesandten vom 1.8.1709.

1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

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besichtigen sind. Der Rest ist zugleich Baustein, er ist Bestandteil von etwas Neuem, das überformt, teilsaniert oder planiert wird.31 Die Alte Stadt ist eine wahre Schatzkiste solcher in Bausteine verwandelter Trümmer. Neuschöpfungen finden im neuinterpretierten alten Kontext, auf altem Fundament, mit alten Bestandteilen statt. 32 Veränderungen sind jedoch nicht nur an die Bausteine des Bestehenden rückgebunden. Sie sind zugleich untrennbar mit inter- und transurbanen Entwicklungsprozessen verwoben. Die Stadt gewinnt ihr Profil aus der Interaktion mit ihrem bäuerlichen Umfeld, mit Nachbarstädten und mit übergeordneten Instanzen. Neben den Streit der innerstädtischen Akteure tritt daher jener der abwesenden Mitgestalter. Wer die Stadt mitformt, gewinnt schließlich auch Einfluss auf die Gestalt jener supraurbanen Räume, als deren Referenzpunkt sie dient. Eine sorgsame Beobachtung von Veränderungen der städtischen Raumimaginationen und ihrer Materialisierungen ist daher ein Pulsmesser für Machtverschiebungen innerhalb und außerhalb der Stadt. Auch das bereits erwähnte kleine Städtchen Rothenburg war in einen solchen Strukturzusammenhang eingebunden, den es im Folgenden zu erhellen gilt. Rothenburg ob der Tauber war als Reichsstadt Teil einer Gruppe von urbanen Zentren, die unterschiedlicher nicht sein konnten.33 Neben Großstädten wie Augsburg und Köln, zählten Winzlinge wie Buchau und Aalen zu den Städten unter dem Kaiseradler. Wirtschaftliche Prosperität (wie etwa in Hamburg) war hier ebenso häufig vertreten wie ökonomische Stagnation (man denke an Nürnberg nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges). Manche besaßen nominell einen Stadtherrn (wie etwa Bremen oder Köln, die bischöfliche Städte waren), hatten jedoch seit dem 13. Jahrhundert sukzessive immer mehr Privilegien erworben oder auf andere Weise an sich gebracht. Sie waren zu Freien Städten geworden, die nur noch Kaiser und Reich als übergeordnete Instanzen anerkannten. In ihrem rechtlichen Status hatten sie sich damit de facto den Reichsstädten (wie etwa Frankfurt) angenähert, die auf Königsgut oder auf Reichsvogteien gegründet worden waren und als solche ebenfalls reichsunmittelbar waren. Welche Stadt nun tatsächlich Reichsstadt oder Freie Stadt war – darüber stritten bereits die Zeitgenossen trefflich. Nicht immer war Reichsunmittelbarkeit ein erstre31 32

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Zu den begrenzten Möglichkeiten, das kollektive Gedächtnis nur zu strukturieren: Assmann: Gedächtnis, 9–19. Stadtgeschichte beschränkt sich damit nicht auf die Analyse vergangener Raumkonzepte, sie beschreibt zugleich die Entstehung jener Elemente, mit denen die Gestaltung heutiger städtischer Räume und von Städten mitstrukturierter Räume bewerkstelligt wird. Die in diesen Elementen enthaltenen Grenzen der Neukombination und Interpretation können ebenso offen gelegt werden wie ihre oft versteckten Potentiale. Grenzen und Möglichkeiten der Wandelbarkeit treten bei wohl kaum einem anderen Forschungsobjekt so deutlich hervor wie bei der Alten Stadt. Gollwitzer: Bemerkungen, 488–516.

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1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

benswerter Zustand. Wer dem Reich direkt Untertan war, von dem forderte es auch Abgaben und Gefolgschaft. In der Frühphase ihrer Geschichte schwebte über den Reichsstädten zudem das Damoklesschwert einer möglichen Verpfändung durch ihren kaiserlichen, chronisch von Geldknappheit geplagten Stadtherrn. Die Vorteile der Reichsunmittelbarkeit, die man gegen die Begehrlichkeiten mächtiger Nachbarn ins Feld führen konnte, wollten von Fall zu Fall ausgehandelt werden. Eine Stabilisierung des komplizierten Verhältnisses zwischen dem Reich und seinen Städten ließ sich erst im Verlaufe des 15. Jahrhunderts – namentlich im Zuge der Hussitenkriege – beobachten. Der Kaiser benötigte stabile Einkommensquellen und die Städte brauchten einen Rechtsrahmen, der ihren Status gegenüber den erstarkenden Landesherrschaften garantierte. In den Wormser Matrikeln von 1521 fanden insgesamt 85 von ihnen Aufnahme, wobei die Unterscheidung zwischen Freien und Reichsstädten bereits zu verschwimmen begann. Jene, die dazu gehörten, hatten einen hohen finanziellen Preis dafür zu zahlen. Die Steuerlast, die ihnen das Reich auferlegte, sollte zu einem dauerhaften Quell städtischer Beschwerden werden. Im Gegenzug erhielten sie einige Mitspracherechte auf dem Reichstag. Noch im frühen 15. Jahrhundert wurden die Vertreter der Städte allenfalls als Ratgeber der Kur- und Reichsfürsten akzeptiert. Dies sollte sich nur langsam und – selbst nach der Anerkennung der Städtekurie am Reichstag durch den Westfälischen Frieden – niemals vollständig ändern. Ihre Zahl sollte sich bis zum Ende des Alten Reiches 1806 auf 51 vermindern – vornehmlich aufgrund von Abtretungen an Frankreich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und aufgrund der Exemption der eidgenössischen Orte von 1648. Was bedeutete der Status einer Reichsstadt für die Binnenstruktur dieser Gemeinwesen? Auf den ersten Blick wenig bis gar nichts! Keine Reichsstadt glich der anderen. Die Wahl von Senatoren und Bürgermeistern, die Strafrechtsordnungen, die Policeyordnungen, das Besteuerungssystem, die Mitspracherechte auswärtiger Fürsten – all diese wichtigen Strukturmerkmale wurden in den einzelnen Reichsstädten höchst unterschiedlich organisiert. Vor allem waren Eliten dieser Städte höchst unterschiedlich strukturiert. Ihre jeweiligen Möglichkeiten, soziale Kontrolle zu entfalten, und ihre Strategien, diese zu stabilisieren, waren ortsspezifisch. Wenn es etwas gab, was sie gemeinsam hatten, dann war es die Instabilität ihrer Position. Systeme des Ressourcenausgleichs und das feine Spiel der symbolischen Machtteilhabe konnten vor allem bei wachsendem ökonomischem Druck ins Leere laufen. Die Rituale der Ermächtigung – etwa im Rahmen von Eidesleistungen – konnten scheitern. In diesem Falle griffen Gegenrituale, Alternativnarrative des Politischen oder Umkehrungen der bestehenden Ordnung. Städtische Unruhen waren von erstaunlich gleichförmigen Handlungsabläufen geprägt. In ihrem Verlauf veränderten sich die Zugangsmöglichkeiten zu den symbolischen und sozialen Ressourcen der Stadt. Akteure und Akteursgruppen, die

1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

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bislang kaum in Erscheinung getreten waren, erhielten eine Stimme und damit auch Gestaltungsmöglichkeiten. Versuche dieser Gewinner innerstädtischer Umbrüche, ihre Position mit der Hilfe äußerer Mächte zu stabilisieren, waren reich an der Zahl. Die Erfolgschancen dieser Interventionsangebote unterschieden sich jedoch von Stadt zu Stadt erheblich. Zudem blockierten sich die Interventionswilligen zumeist gegenseitig. Noch war völlig unklar, wer in den Reichsstädten im Namen des Reiches oder auf Antrag der Streitenden eingreifen durfte und nach welchen Regeln dies zu geschehen hatte. Dies änderte sich erst mit dem Sieg des Kaisers im Schmalkaldischen Krieg 1547. Die Reichsstände akzeptierten in den nun folgenden Jahren – zumindest im Prinzip – das Recht des Kaisers (und seines Reichshofrates) die inneren Verhältnisse der Reichsstädte neu zu ordnen. Bis in die 30er Jahre des 17. Jahrhunderts wurde diese neue Kompetenz vor allem zur Außenstabilisierung der Obrigkeiten genutzt. Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges sollte sich dies jedoch ändern: Die Reichsstädte erfuhren einen Homogenisierungsschub.34 Man richtete den Blick aufeinander und verstärkte die wechselseitigen Kommunikationsströme. Die Reichsstädte begannen sich in ihren Konfliktlösungsmechanismen und ihrer Selbstdarstellung einander anzugleichen.35 Dieser Prozess soll im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen stehen und zwar auch deshalb, weil er nicht nicht nur Rückschlüsse auf die Städte selbst zulässt, sondern auch und vor allem auf die Strukturen, in die sie eingebettet waren36 – insbesondere auf das Reich.37 34

35 36 37

Vgl. dazu die demnächst im Druck erscheinende Dissertation von David Petry mit dem Titel: Reichshofratsprozesse als Medienereignisse. Zur Wahrnehmung und Rezeption reichsstädtischer Verfassungskonflikte im 18. Jahrhundert. Zur Vielschichtigkeit der städtischen Konflikte: Ehbrecht: Ringen, 219. Zur Ausstrahlung städtischer Konfliktlösungsmechanismen auf die Wahrnehmung und Struktur transurbaner Räume in der Frühen Neuzeit: Friedrichs: Politics. Sie berührt ein Forschungsfeld, das von kontroverser Thesenbildung geprägt ist. Dass das Reich der Frühen Neuzeit tiefgreifenden Veränderungsprozessen ausgesetzt war, ist unbestreitbar (Gotthard: Reich). Die Debatte jedoch, in welche Richtung es sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges noch bewegte, ja, ob überhaupt eine klare Entwicklungslinie zu erkennen ist, erhitzt nach wie vor die Gemüter. Ist das Alte Reich des 17. und 18. Jahrhunderts für die einen ein Anachronismus, so wollen die anderen hier zukunftsweisende Strukturen erkennen. Bemängeln die einen seine zu schwach ausgeprägte Konkurrenzfähigkeit, so werden seine angebliche Friedfertigkeit und seine konsensualen Mechanismen des Konfliktaustrags von anderen gefeiert (Schmidt: Geschichte). Derartige Kontroversen werden auch deshalb erbittert geführt, weil der vermeintliche Charakter des Alten Reiches zum negativen oder positiven europäisch-deutschen Mythos aufgebaut wird. Die von ihm repräsentierten Raumvorstellungen, die in ihm durch soziale Praxis gebildeten Räume sollen dem Betrachter – je nach Standpunkt – ein Lehr- oder ein Mahnstück sein (Burgdorf: Reichskonstitution. Burgdorf: Weltbild). Die Wurzeln des Dilemmas liegen in der verwirrenden Vielzahl jener Reichsimaginationen, die seit dem 16. Jahrhundert verstärkt generiert wurden. Das Reich ließ sich als öffentlich-rechtli-

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1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

Die Konflikte um den städtischen Raum strahlten nun in ganz anderer Weise auf das Reich aus, und jene zwischen den Reichsakteure sehr viel direkter auf die Reichsstädte, als dies vor 1648 der Fall war. In den Reichsstädten wurde der Proteus in der Mitte Europas, der je nach Standpunkt ganz verschiedene Verdichtungszonen, Grenzen und Peripherien aufwies, fassbar.38 Zwei hochkonfliktuale Konstruktionsprozesse überlagerten und befruchteten sich damit. Das urbane Mind-Mapping und das Ringen um die Gestalt des Reiches waren in den Reichsstädten untrennbar miteinander verwoben. Man mag einwenden, dass das Reich nicht nur hier präsent war. In der Tat imaginierten alle Reichsstände, vor allem aber die Fürstbistümer und Reichsritterschaften, eigene Bilder des Reiches, die sich nicht zuletzt auch in steingewordenen Erinnerungsorten wie der Würzburger Residenz verdichteten.39 Dennoch war die Position der Reichsstädte als Verdichtungsräume des Reiches exzeptionell. Nur hier wurden die Polyzentrik des Reiches, sein Ereignischarakter und die Versuche seiner Eliten, die Strukturen des Systems an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen, gleichermaßen fassbar.40

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cher Ordnungsrahmen, als durch Rituale konstituierter Lehensverband, als Bollwerk des Christentums, als Wirtschaftsraum, als Informationsmarkt, ja selbst als Sprachgemeinschaft definieren (Stollberg-Rilinger: Reich). Conrad: Bedeutung, 493–500. Vgl. die Ausführungen Peter Stephans zum Reichsstil: Stephan: Glanz. Um die Funktionsweise des Reiches nach dessen Neustrukturierung Mitte des 17. Jahrhunderts zu erfassen, rekurrierte Volker Press auf den Systembegriff (später prägten seine Schüler den Terminus Reichssystem), den er allerdings nicht mit Sinne Luhmanns und Parsons verwendete (Roeck: Reichssystem. Schnettger (Hg.): Imperium. Marquardt: Reich). Nicht der Blick auf die Reichsinstitutionen oder die großen Reichsstände war aus seiner Sicht zum Verständnis dieses Systems essentiell, sondern die Analyse der kleineren Reichsstände. Sie bildeten, nachdem die Eliten des Reiches ihre Foren des persönlichen Interessenausgleiches verloren hatten, den eigentlichen Kitt des Imperiums. So spielten die Reichsritter am kaiserlichen Hof eine ebenso wichtige Rolle wie an den Höfen der Reichsfürsten, denen viele von ihnen ebenfalls durch lehensrechtliche Verpflichtungen verbunden waren. Durch diese Doppelfunktion erleichterten sie die Kommunikation zwischen den diversen Machtzentren des Reiches. Ähnlich sah Press die Bedeutung der Reichsstädte, die als wirtschaftliche, kulturelle und politische Zentren des Reiches ein Gegengewicht zu den Metropolen der Territorien bildeten. Vgl.: Press: Reichsstadt, 9–42. Press: System, 221–242). Der bereits in Quellen des 18. Jahrhunderts auftauchende Begriff Reichssystem hat gegenüber anderen Modellen einen unabweisbaren Vorzug. Er enthebt den Historiker der schier unlösbaren Aufgabe, über die Staatsform des Reiches zu reflektieren. Die ebenso fruchtlose wie leidenschaftliche Debatte über diese Frage bildet den langen Nachhall der Bodinschen Souveränitätstheorie. Die Suche nach dem Ort der Staatsgewalt hat seitdem das Denken der Staatsrechtslehrer und Rechtshistoriker bestimmt. Press hielt sie für unsinnig. Er betonte den dezentralen Charakter des Reiches, das aus einer unüberschaubaren Zahl von Knotenpunkten unterschiedlicher Ordnung bestand. Sie werden als Subsysteme und damit als Elemente eines Systems begriffen, das durch wechselseitige aufeinander bezogene Handlungen nach außen abgeschlossen ist und das damit der eigenen Selbsterhaltung dient. Das Problem des Begriffes Reichssystem liegt indes in seiner Unbestimmtheit. Weder Press noch Schnettger oder Lanzinner verwenden ihn im Sinne Parsons oder

1. Das Reich, die Stadt und die Reichsstadt – eine Annäherung

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Reichsstädte dienten dem Reich als Bühnen der Selbstdarstellung. Hier waren Reichskammergericht, Reichskreise und Reichstag ansässig. Hier war aber auch die Wirkungsmacht kaiserlicher Befriedungs- und Ordnungsversuche zu besichtigen.

Luhmanns. Höchst unterschiedliche Methoden und Fragestellungen können unter dieser weichen Begrifflichkeit gefasst werden, die damit lediglich eine freundlichere und zeitgemäße Variante des Pufendorfschen Diktums darstellt, demzufolge das Reich ein irreguläres Gebilde sei.

2. Die streitende Stadt 2.1 „Unser und unseres Reiches Stadt“ – Republikanismus und Reichsunmittelbarkeit Warum sollte man sich überhaupt für frühneuzeitliche Reichsstädte interessieren? Immerhin erfuhr dieses Forschungsobjekt bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts kaum Beachtung, doch dann erscholl ein politischer Weckruf. Bundespräsident Gustav Heinemann beschwor die historische Wissenschaft, nach demokratischen Traditionen in der deutschen Geschichte zu suchen.1 Der Blick richtete sich in diesem Sinne geradezu zwangläufig auf die Stadtrepubliken des Alten Reiches.2 Galten sie zuvor als sichtbare Mahnmäler des Verfalls eines einst blühenden Imperiums, so meinte man nun in ihren Mauern Zeugnisse eines anderen, eines freiheitlichen Deutschlands zu entdecken. Fern des Untertanendenkens der Landesfürstentümer habe sich hier eine besondere politische Kultur ausgebildet. Die Reichsstädte wurden als Geburtsstätten der Rechtsstaatlichkeit und der politischen Öffentlichkeit benannt.3 Die neuere Forschung hat Zweifel an diesem Bild angemeldet. Ohne die Reichsstädte erneut zu unbedeutenden Relikten alter Größe degradieren zu wollen, weisen Mager oder von Friedeburg auf unscharfe Grenzen zwischen reichsstädtischer und fürstlicher Herrschaftspraxis hin.4 Letztlich könne man das Amtsverständnis, den familiären Hintergrund, die Ausbildung und die Machtbefugnisse eines reichsstädtischen Senators kaum von jenen eines fürstlichen Rates unterscheiden. Dies habe auch damit zu tun, so ergänzt Thomas Maissen, dass die Entstehung des frühneuzeitlichen Republikanismus untrennbar mit der Adaption der Souveränitätstheorie verknüpft sei.5 Erst der Zwang, sich in einem Kosmos der souveränen Völkerrechtssubjekte zu positionieren, habe in den Nicht-Monarchien Europas, wie den Niederlanden, der Eidgenossenschaft oder Venedig das Bewusstsein das Andersartigkeit erzeugt und dort eine spezifische politische Kultur entstehen lassen. Die Reichsstädte, die unter dem Dach der kaiserlichen Fürsorge verharrten, hätten diesen Prozess nicht mitvollzogen. Sie hätten sich im Grunde kaum von Städten unterschieden, die sich unter fürstlicher Herrschaft befanden. 1 2 3 4 5

Vgl. Kießling: Bauernkrieg, 152. Zum Republikbegriff in der Frühen Neuzeit und die Rolle des Reiches im Republikanismusdiskurs: Gelderen/Skinner (Hgg.): Repulicanism. Schilling: Stadtrepublikanismus, 19–39. Schilling: Republikanismus, 101–143. Zückert: Republikanismus, 53–73. Mager: Genossenschaft, 13–122. Friedeburg: Wegscheide, 561–616. Maissen: Geburt.

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2. Die streitende Stadt

Die Reichsstädte verband aus dieser Sicht lediglich ihre gemeinsame Reichsstandschaft.6 Eine Differenz der Binnenstruktur, die Ausbildung eines reichsstädtischen Republikanismus gar, war demgegenüber nicht feststellbar.7 Des Kaisers Städte bildeten eine Scheineinheit aus über 50 Einzelfällen, die 1806 mit dem Untergang des Reiches spurlos verschwanden. Um diese These zu überprüfen und – dies sei vorweggenommen – zu widerlegen, ist zunächst ein Blick auf einen reichsstädtischen Binnenkonflikt am Ende des 18. Jahrhunderts ratsam – jener Zeit also, in der angeblich der altständische Republikanismus in den modernen liberalen Republikanismus übergegangen sein soll. Ein in der Reichspublizistik heftig diskutierter Konflikt fand ab 1785 in der Reichsstadt Nürnberg statt.8 Betrachten wir zunächst eine bemerkenswerte Broschüre, die im Jahre 1787 ihren Weg zum Druck fand. Im Vergleich zu Monarchien, so erklärte der anonyme Autor der Philosophische Bemerkungen über die Republiken überhaupt und über die kaiserlichen freien Reichsstädte insbesondere, seien in Republiken die Gesetze in ihrem Wortlaut und ihrer Durchsetzung stets härter gewesen.9 Der Grund für den Tatbestand liege auf der Hand: In Fürstentümern sei der Entzug der Gnade des Monarchen für den Untertan bereits eine harte Strafe. In den Republiken hingegen werde der innere Frieden nicht durch die Heiligkeit einer Person, sondern durch die Ehrfurcht vor dem Gesetz sichergestellt. So klar der innere Gehalt (der ,,republikanische Geist“), so unklar sei die äußere Gestalt der Republik. Manche besäßen ein monarchisches Haupt, andere nicht. Ich selbst glaube, dass keine Republik eine einer andern ähnliche Grundverfassung habe. So viele Republiken, so viele verschiedene Regierungsformen. Man müsste neue griechische Namen erfinden, um die Grundverfassung einer ieden anzuzeigen.

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Zu den Unterschieden der Verfassungsstrukturen: Moser: Reichstättisches Handbuch, 30ff. Goppold: Kommunikation. AT-OeStA/HHStA RK Deduktionen 183b, Verschiedene die Stadt und deren Verfassung betreffende Gegenstände – Nürnberg. Dazu: Endres: Rolle, 125–167. Ernstberger: Nürnberg, 409ff. Malblanc: Darstellung. Vgl. dazu auch die Rezension in: Allgemeine LiteraturZeitung, 14.6.1788, 578–81. Dort heißt es mit Blick auf die überregionale Resonanz auf diesen Konflikt: ,,Eine Streitigkeit, welche in ihren Folgen für einen beträchtlichen, durch seine Betriebsamkeit merkwürdigen Theil der deutschen Nation so äusserst wichtig ist, und welche bereits die Erwartung des Publikums rege gemacht hat, verdiente diese ausführliche, gründlich und gelehrte Abhandlung [. . . ].“ (577). AT-OeStA/HHStA RK Deduktionen 183b, Philosophische Bemerkungen über die Republiken überhaupt und über die kaiserlichen freien Reichsstädte insbesondere.

2.1 ,,Unser und unseres Reiches Stadt“

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Jene, der die größte Zukunft zu verheißen sei, liege in Amerika. Die momentan wohl glücklichste sei Großbritannien. Hier müsse noch der höchste Würdenträger um seinen Kopf fürchten, wenn er gegen die Gesetze verstoße, und jeder Bürger besitze über ein frei gewähltes Parlament eine Stimme in der öffentlichen Debatte. Mancher wolle das Königreich daher als Vorbild aller europäischen Völker anpreisen: ein Vorschlag, von dem er – wie der Autor maliziös anmerkt – nur abraten könne. Die britische Verfassung sei, so erläutert er in Anlehnung an eben jenen Montesquieu, der das Lob der Engländer singt, Ausdruck des britischen Nationalcharakters. Deren angeborene Tugend bilde erst die Voraussetzung einer Verfassung, die auf dem Kontinent unmöglich gedeihen könne. Es folgten einige trostlose Beispiele kontinentaler Republiken: die (durch die Oranier zur Unfreiheit geführten) Niederlande, das (als korrupt eingestufte) Venedig und schließlich die (in ihrem Status bedrohten) Reichsstädte: Die ,,Republiken des Heiligen Römischen Reiches“ lägen, ähnlich den italienischen Republiken, zwischen übermächtigen Fürstentümern verstreut. Immer schwankend, immer von Kriegen bedroht, sei ihre Haltung von Furcht und Flexibilität geprägt. Als geschmeidige Partner der Monarchen seien sie kaum durch Heldenmut aufgefallen, hätten aber ihre Freiheit immerhin seit sechs- bis siebenhundert Jahren bewahrt. So verschieden ihre Verfassungen seien, in einem Punkt glichen die ,,teutschen Republiken“ einander. Sie seien nicht aus einem Befreiungskampfe hervorgegangen, sondern verdankten ihre Freiheit der tumben Ungeschicklichkeit mittelalterlicher Fürsten. Nicht durch Gewalt, sondern durch taktische Finesse und Handelsglück seien diese Gemeinwesen emporgestiegen. Ob dieses Modell allerdings noch zukunftstauglich sei, dürfe man getrost in Zweifel ziehen: Das Ende aller scheint nahe zu sein, und würde vielleicht schon gekommen sein, wenn sie nicht ire wiewol kostspielige Verbindung mit dem teutschen Reich, welche inen die Rechte und das Ansehen anderer Reichsstände gibt, aufrecht erhielte. Die klügsten Teutschen scheinen an eine baldige Veränderung des Reichssistems zu glauben, einige der besten Staatsmänner des Landes scheinen sie sogar zu wünschen.

Müsse man diese Entwicklung bedauern? Nun, die Vorzüge des Titels eines Reichsbürgers hätten stets mehr vom Schein als vom Sein gelebt, in jetziger Zeit aber seien diese nahezu verschwunden. ,,Dass man iemand Reichsbürger nennt, wenn man ihn lächerlich machen und verachten will.“ Besonders deutlich werde dieser Sachverhalt am Beispiel der einst so blühenden Reichsstadt Nürnberg. Während Hamburg oder Frankfurt – nicht zuletzt aufgrund des segensreichen Eingreifens der Reichsgerichte – weiterhin in Blüte stünden, befände sich die Stadt an der Pegnitz in einem unaufhaltsamen Prozess des Niedergangs. Dort verwalteten zwanzig ratsfähige Geschlechter das Gemeinwesen wie ihren Privatbesitz. Die Bürger würden mit ungerechten Steuern ausgepresst und die Wirtschaft an den Rand des Ruins gebracht.

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2. Die streitende Stadt

Der Autor dieser Anklageschrift firmierte als Niederländer. Der Herausgeber gab an, zugleich der Übersetzer zu sein. Von dem Inhalt der Schrift wolle er sich ausdrücklich distanzieren. Es war ein Spiel mit Masken. Tatsächlich war es mehr als unwahrscheinlich, dass ein ausländischer Pamphletist dem Publikum in Amsterdam die komplexen Probleme der Reichsstadt Nürnberg vorzutragen beabsichtigte. Stattdessen war der Urheber der Betrachtungen eher im Umfeld der Nürnberger Bürgeropposition zu suchen, die seit 1785 eine umfangreiche publizistische Tätigkeit entfaltet hatte und deren Anliegen dem des besagten Pamphlets entsprach.10 Anlass der Streitigkeiten war der Versuch des Nürnberger Rates, einen drohenden Bankrott durch die Einführung neuer Steuern abzuwenden. Die Kaufmannschaft lehnte dies ab und zeigte den Rat beim Kaiser an. Man forderte Mitspracherechte des Großen Rates in allen wichtigen finanzpolitischen Fragen. Begleitet wurde das Gerichtsverfahren durch eine umfangreiche öffentliche Informationskampagne, in deren Rahmen nicht nur die Schulden der Stadt einem breiten Publikum zur Kenntnis gebracht wurden, sondern die Leserschaft darüber hinaus über die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Streites aufgeklärt wurde.11 Die Opposition legte großen Wert darauf, den Nürnberger Finanzstreit in einen größeren Kontext zu stellen. Wenn es um die Rechte der Bürgerschaft zu Nürnberg ging, so machte man deutlich, dann ging es zugleich um die Verfassung des Reiches im Allgemeinen und seiner Städte im Besonderen.12 Das gemeinsame Anliegen all der zahlreichen Schriften, die von der Opposition veröffentlicht wurden, lag in der Einrichtung von Kontrollgremien. Nur wenige Autoren rekurrierten dabei auf republikanische Begründungsmuster. Typisch war eher jene Argumentation, die der Urheber der Schrift Vollständige Darstellung der Rechte des größeren bürgerlichen Raths zu Nürnberg aus dem Jahre 1787 wählte. Der verwies auf die segensreichen Folgen, die die Einrichtung von Landständen in den Fürstentümern des Reiches gezeitigt hätten.13 Sie täten der Landeshoheit keinerlei Abbruch und würden der Willkür durch 10

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Vgl. auch: Patriotische Betrachtungen über das Besteuerungsrecht in Reichsstädten, Frankfurt am Main und Leipzig 1786; Die Kopfsteuer oder Der Teufel zu Nürnberg. Eine launichte Zeitbroschüre, 1786; Über einige Reichsstädte Teutschlands. Ein Wort zu dieser Zeit geredet von einem Staatbürger, 1786, AT-OeStA/HHStA RK Deduktionen 183b. Allgemein: Endres: Nürnberg, 141–167. Fiskalische Probleme der Reichsstädte führten im Verlaufe des 18. Jahrhunderts zu einer Reihe von Reichshofratsverfahren. In diesen Fällen konnte Wien handeln, ohne dass die Voraussetzungen einer Bürgerklage erfüllt sein mussten. Im Falle Augsburgs reichte beispielsweise eine Popularklage. Die Gefahr der Nichtzahlung von Reichssteuern tangierte unmittelbar die Kompetenzen des Reichsfiskals, vgl.: Batori: Reichsstadt Augsburg. Lettenmeyer: Niedergang. Rothe: Finanzwesen. Mödel: Weissenburg. Vollständige Darstellung der Rechte des größern bürgerlichen Raths zu Nürnberg, sowohl überhaupt als besonders in Steuersachen 1787, AT-OeStA/HHStA RK Deduktionen 183b.

2.1 ,,Unser und unseres Reiches Stadt“

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die Obrigkeit Einhalt gebieten. In einer Reichsstadt, in welcher der Senat die Landeshoheit ohnehin nur verwalte, sei die Einführung eines solchen Gremiums ebenso unproblematisch wie segensreich. Ein entsprechender Vorschlag könne daher schwerlich als Freiheitsträumerei abgetan werden. Verglichen mit den Philosophischen Bemerkungen des Jahres 1786 nahm sich die Position, die in der Vollständigen Darstellung vertreten wurde, gemäßigt, ja geradezu harmlos aus. Hatte jene die Reichsstädte als integralen Bestandteil eines republikanisch-europäischen Kulturraums gefeiert, so unterschied die Reichsstädte in dieser Schrift von einem Reichsfürstentum nur wenig. Doch es gab auch Gemeinsamkeiten. Beide mahnten den Schutz vor obrigkeitlichen Willkürmaßnahmen an, befürworteten die Einrichtung eines Systems der wechselseitigen Kontrolle und äußerten ihre Abscheu vor der Regierung des Pöbels. Was sie unterschied, war ihre Semantik. Dabei war auffällig, dass der republikanisch argumentierende Autor der Philosophischen Bemerkungen im Gegensatz zu seinem reichsrechtlichen Mitstreiter den Kunstgriff der vermeintlichen Außensicht wählte – er operierte, wie erwähnt, mit Masken. Offenbar wurde seine Argumentation vom Publikum innerhalb des Reiches zwar verstanden, rührte aber an Tabus. Eine nähere Betrachtung der Republikanismusdefinition des Autors zeigt, an welchen. Die altrömische Gesetzesstrenge, die Praxis der Selbstaufopferung, die Angst vor Zerfall der zu großen Republiken, die Warnung vor politischer und ökonomischer Ungleichheit der Bürgergemeinschaft – dies alles zielte auf die Beschreibung eines durch selbstlose Praxis immer wieder realisierten republikanischen Tugendprogrammes. Republiken entzogen sich in diesem Sinne einer klaren juristischen Definition. Sie waren vielmehr idealisierter Zielpunkt eines auf den gemeinen Nutzen und die individuelle Vervollkommnung ausgerichteten öffentlichen Handelns.14 Es gab daher nicht das eine Modell der Republik, sondern viele verschiedene Wege, die ein und demselben Resultat entgegenstrebten. Der Autor nannte Beispiele, die große ebenso wie kleine Gemeinwesen, Königreiche ebenso wie Polyarchien umfassten. Bei aller Vielgestaltigkeit dieser Republikenlandschaft, die er vor den Augen des Lesers entwarf, fiel indes zweierlei auf. Erstens waren Monarchen, die sich in den Dienst der Republik gestellt hatten, zu einem Dasein als bloße Galionsfiguren verurteilt. Im Grunde konnten Republiken und Fürstenthrone also nicht miteinander harmonieren. Zweitens waren alle vom Autor genannten Republiken souveräne Völkerrechtssubjekte. Die Integration in einen übergeordneten Herrschaftsverband machte die Entfaltung des genannten Tugendprogrammes also aus seiner Sicht unmöglich. Republiken mussten frei von Fremdbestimmung sein.

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Maissen: Geburt.

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2. Die streitende Stadt

Das Reich wurde von ihm daher als ein System und nicht als eine Monarchie benannt. Sein Verständnis der Landeshoheit der Reichsstände entsprach dementsprechend dem völkerrechtlichen Souveränitätsbegriff. War diese Schlussfolgerung erst einmal gezogen, ergab sich zugleich die nächste Frage – jene nach der Kraft, die nun in den Reichsstädten Reformen durchsetzen sollte. Wenn der Kaiser – auf den der Verfasser der zweiten geschilderten Flugschrift seine Hoffnungen setzte – als legitimer Stadtherr ausfiel, blieb an sich nur noch die Bürgerschaft als Hort der Tugend und der kollektiven Reinigung der Republik übrig. Angesichts der heftigen Auseinandersetzung um die patriotische Bewegung in den Niederlanden, aus denen die Schrift angeblich stammte, war dies eine naheliegende Schlussfolgerung. Wer den Republikbegriff auf Reichsstädte applizierte, wollte – wie die vorliegende Broschüre zeigte – provozieren.15 Doch wollte er auch in jedem Fall deren volle völkerrechtliche Souveränität einfordern? Wie vielschichtig sich der Begriff verwenden ließ, zeigte ein Hamburger Ratsgutachten aus dem Jahre 1708.16 Die Senatoren der Freien Stadt befanden sich zu diesem Zeitpunkt in heftigen Auseinandersetzungen mit ihrer Bürgerschaft. Die beharrte auf Mitspracherechten, die sich aus den vermeintlich demokratischen Grundsätzen der Stadtverfassung ergäben. Die Räte widersprachen. Hamburg sei niemals eine Demokratie gewesen, wohl aber eine Republique, die stets die Hochachtung von Königen, Fürsten und anderen Republiquen genossen habe. Um die erworbene Reputation zu schützen, müsse man jeden Anschein innerer Unruhe vermeiden, denn nichts schade einer Republique mehr als der Ruf der Instabilität. Der Senat stellte Hamburg mit diesen Ausführungen in 15

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Kaiser und Reich reagierten in der Tat seit Mitte des 17. Jahrhunderts mit Misstrauen auf jeden Versuch eines Reichsstandes, sich diesen Titel zuzulegen. Dies galt etwa für Sebastian Peregrin Zwyer von Evibach, der als einer der ersten die Eidgenossenschaft nicht nur als Respublica bezeichnete, sondern den Begriff darüber hinaus völkerrechtlich auflud. Das Wort selbst blieb äußerst vieldeutig. Er konnte ebenso die Regimentsverfassung an sich beschreiben wie ein Gemeinwesen, das sich aus zahlreichen Einzelständen zusammensetzte – oder eben eine Polyarchie. Wenn Zwyer die Eidgenossen, die der Kaiserhof auch nach 1648 als Teil des Reiches betrachtete, als Respublica bezeichnete, so musste dies kein Angriff auf des Kaisers Majestas sein – es konnte sich aber darum handeln. Wichtig war der Kontext, in den der Begriff gestellt wurde. Zwyer hatte ihn beispielsweise mit dem ,,Wörtlein Neutralität“ gekoppelt – ein Affront, der die Reichskanzlei sofort zu einer missbilligenden Rüge veranlasste. Die Möglichkeit der Selbstneutralisierung war einem souveränen Staat vorbehalten. Vgl.: Zurfluh, Zwyer, Zweiter Teil, A, Buch Vier, 382– 383 (Schreiben des Kaisers an Zwyer, 30.III.1644). Der Titel der Republik lud zum Spiel ein. Der Freiherr von Trautmannsdorff etwa, kaiserlicher Gesandter an der eidgenössischen Tagsatzung, bezeichnete die um ihren Status besorgten Eidgenossen ausdrücklich mit diesem Begriff, nur um noch im selben Atemzug auch die Reichsstädte als Republiken zu benennen und damit die völkerrechtliche Bedeutung des Titels zu konterkarieren. Vgl.: Zwey Memorialien Welche Seine Excellenz der Kayserl. Ambassadeur Herr Frantz Ehrenreich Graff und Herr zu Trautmansdorff, bey währender Tagsatzung in Baden übergeben haben. (UB BernH XXI 4 VI, 32). AT-OeStA/HStA RK, Diplomatische Akten Hamburg – Berichte, 452.

2.1 ,,Unser und unseres Reiches Stadt“

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eine Linie mit den souveränen Völkerrechtssubjekten des europäischen Staatensystems. Gerichtet war das Gutachten jedoch – ungeachtet aller Versuche, den eigenen Handlungsspielraum zu erhöhen – an den Reichshofrat. Der Rat erwartete, vom Kaiser in seinem Rechtsstatus geschützt zu werden. Der Herrschaftstitel, den er beanspruchte – die schon erwähnte Landeshoheit –, war damit eine abgeleitete und in ihrem Umfang beschränkte Autonomie innerhalb des Reichsverbandes. Unattraktiv war diese Position nicht. Von einem Völkerrechtssubjekt war ein Reichsstand nur mit Mühe zu unterscheiden und doch genoss er den Schutz der Reiches vor inneren Unruhen und äußeren Übergriffen. Die zeitgenössischen Staatsrechtler waren sich keineswegs einig, ob ein solcher Status einer Reichsstadt tatsächlich zuzubilligen war. Gegen die Reichsstädte schien vor allem das Argument zu sprechen, dass sie direkte Untertanen, nicht aber Vasallen des Reiches waren.17 Eine Mehrheit der Gelehrten schob dergleichen Bedenken indes beiseite. Es sei unstrittig, dass die Städte in ihrem Territorium nach dem Kaiser die höchste Gewalt ausübten. Sie seien damit selbstverständlich im Besitze der Landeshoheit. Diese Privilegierung erstrecke sich jedoch nicht allein auf den Senat, sondern auch auf die Bürgerschaft. Zudem komme die besondere Stellung der Reichsstädte gegenüber dem Kaiser in den weitgehenden Eingriffsrechten zum Ausdruck, die der Reichshofrat ihnen gegenüber geltend machen könne.18 Dergleichen Einschränkungen seiner Landeshoheit trafen den Rat empfindlich, denn sie drohten die städtischen Obrigkeiten zum Spielball klagender Bürger und reformfreudiger Reichshofräte zu machen. Ziel der reichsstädtischen Senatoren war es daher, eben diesen Zustand zu beenden und ihre rechtliche Position jener der Landesfürsten anzupassen.19 Der Gebrauch des Republiktitels zielte in diese Richtung. Die reichsstädtischen Obrigkeiten nutzten ihn, um die strukturelle Ähnlichkeit zwischen der Landeshoheit der Reichsstände und der Souveränität der europäischen Staaten zu unterstreichen. Ebensowenig wie man die Republiken auf europäischer Ebene anders als Monarchien behandeln durfte, war eine Abwertung der Reichsstädte gegenüber fürstlichen Trägern der Landeshoheit zu rechtfertigen. Auch die Senatoren der Reichsstädte hatten, diesem Standpunkt zufolge, Anspruch auf die ungestörte Ausübung ihrer Herrschaftsrechte. Wenn die Senatoren mit dem Begriff der Republik zu spielen begannen, so taten sie dies also nicht, um die Differenz zwischen ihnen und den fürstlichen Häusern zu unterstreichen. Im Gegenteil, es ging darum, dem Kaiser vor Augen zu führen, dass auch Städte dieselbe Dignität und dieselbe Stabilität erreichen konnten wie ihre fürstlichen Nachbarn. 17 18 19

Ausführlich diskutiert wird die Frage unter Zitation der zeitgenössischen Literatur von: Häberlin: Handbuch, 117–137. Ortlieb: Frankfurt, 57–76. Zur zeitgenössischen Debatte: Malblanc: Abhandlungen.

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2. Die streitende Stadt

Diese Imagination des Reiches als Spielfeld und Schutzschirm der Inhaber der Landeshoheit war für den kaiserlichen Hof wenig interessant. Nicht umsonst untersagte der Reichshofrat den Senatoren 1717, den Titel der Republik im Verkehr mit dem Kaiser zu verwenden.20 Auch dieser Akt hatte nichts mit einer antirepublikanischen Grundeinstellung des Kaisers oder seinem Wunsch zu tun, die Bürger der Reichsstädte zu unterdrücken. Im Gegenteil, Wien brachte hier zum Ausdruck, dass man nicht daran dachte, die Senatoren um jeden Preis gegenüber den Protesten ihrer Bürger zu schützen. Das Ventil des Bürgerprozesses und damit die Möglichkeit der Bürger, auf dem Klageweg Verfassungsreformen zu erzwingen, sollte offengehalten werden. Tatsächlich ließ erst der politische Wille des Kaisers, in die innere Struktur der Reichsstädte einzugreifen, hier eine besondere politische Kultur entstehen. Ähnlich wie bei den Landstädten, so hatten nun auch die Reichsstädte Kommunikationsregeln zu beachten, die von ihrem Stadtherrn vorgegeben wurden.21 Diese Entwicklung hatte sich seit 1548 – also seit dem Ende des Schmalkaldischen Krieges – abgezeichnet. Der Kaiser hatte erstmals Interventionsrechte gegenüber den Reichsstädten nicht nur geltend gemacht, sondern großflächig und wirkungsmächtig umgesetzt.22 Noch war dies zugunsten patrizischer Ratseliten geschehen, die das Haus Habsburg als Bollwerk gegen reformatorische und gegenüber dem Kaiser kritische Tendenzen zu etablieren versuchten. Dieses politische Experiment erwies sich im Verlaufe des Dreißigjährigen Krieges als grandioser Fehlschlag. Das städtische Patriziat, dessen Genese der Kaiserhof zu fördern versuchte, blieb keineswegs resistent gegenüber dem Druck und den Lockungen des schwedischen Gegenspielers. Man begann umzudenken. Wien schenkte nunmehr den klagenden Bürgern rechtliches Gehör und machte sie damit zu potentiellen Bündnispartnern der kaiserlichen Politik. Die neue Aufmerksamkeit gegenüber Bürgerklagen war mit der Durchsetzung von Verhaltensregeln verbunden. Die Bürger hatten Ausschreitungen zu unterlassen, das Gesicht ihrer Bewegungen musste von Eliten innerhalb der Stadt geprägt sein und ihr Stil den Usancen des gelehrten Rechts entsprechen. Die klagenden Bürger hatten dem Bild des unbeherrschbaren Mobs permanent entgegenzuwirken und jenes der unschuldig leidenden Opfer einer Willkürherrschaft zu generieren. Wien erzwang also

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Moser: Staatsrecht, Buch 3, 282. Diese Position konnte den Spielraum der semiautonomen Städte zeitweise vergrößern: Mörke: Autonomie, 219–244. Ungeachtet der wachsenden Bedeutung des Kaisers gegenüber den Reichsstädten verblieb deren politischen Eliten noch immer ein erheblicher Gestaltungsspielraum, vgl.: AT-OeStA/HStA, RHR Decisa K 1885, Elsaß Städte 1671, diverse Gravamina.

2.1 ,,Unser und unseres Reiches Stadt“

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die Verrechtlichung und eine strukturelle Angleichung der Konfliktverläufe der Reichsstädte.23 Ebenso wie nur bestimmte Formen des Protestes gestattet waren, waren auch die Möglichkeiten der Lösung beschränkt. Deutlich wurde dies insbesondere in der Regierungszeit Karls VI., in der die Rechte des Kaisers wieder verstärkt geltend gemacht und umgesetzt wurden. In einem Reichshofratsvotum zum Prozess Mühlhausen contra Mühlhausen vom 23.6.1727 wurde der kaiserliche Kommissar Kurtzrock ganz in diesem Sinne aufgefordert, die ,,Resolutiones“ des Kaisers im Frankfurter und im Augsburger Bürgerprozess bei seiner Tätigkeit ,,pro norma et fundamento genau in Obacht“ zu nehmen.24 Die genannten Grundsatzentscheidungen sollten ,,auch in künftigen dergleichen Fällen“ die Leitlinie für die Vorgehensweise der kaiserlichen Justiz bilden. Wien gab zwei Lösungsschemata vor: Das erste und bevorzugte war die Professionalisierung des obrigkeitlichen Regiments nach dem Muster Augsburgs. Beschwerden wider den Rat sollten durch eine strukturelle Angleichung zwischen dem fürstlichen und reichsstädtischen Verwaltungsapparat beruhigt werden. An die Stelle der Familieninteressen sollte die Dominanz der Experten treten. Soweit das Augsburger Modell nicht auf Akzeptanz traf, kam das zweite, das Frankfurter, zum Tragen. Es zielte auf die Einrichtung eines Systems wechselseitiger Kontrollen durch Ratsgremien und Bürgerausschüsse, bei dem der Reichshofrat als ständiger Schiedsrichter im Dickicht der zu erwartenden Prozesse eine wichtige Rolle spielte.25 Beide Seiten – Bürgerschaft und Rat – wurden auf diese Weise eng an den Kaiserhof gebunden. Der stark formalisierte Bürgerprozess des 18. Jahrhunderts schien daher nur wenig mit den für den Rat so unberechenbaren Bürgerunruhen des 16. Jahrhunderts zu tun zu haben.26 Und doch gab es Anknüpfungspunkte: Auch die elitären Bürgerausschüsse brauchten die Unterschriften von mindestens zwei Dritteln ihrer Mitbürger, um einen Prozess beginnen zu können. Mechanismen der rituellen Mobilisierung in Form von Bürgerversammlungen, prozessionsartigen Demonstrationen und kollektiven Unterschriftsleistungen blieben damit zumindest am Beginn einer Konfrontation mit dem Rat wichtig, um das notwendige Quorum zu erreichen. In fein dosierter Form wurden sie auch im weiteren Verlaufe des Rechtsstreits eingesetzt, um die Bindung der Gemeinde an den Prozess zu erhalten und um das Gericht davon zu überzeugen, dass eine Entscheidung bald herbeigeführt werden musste. Im Falle eines Kollabierens des 23 24 25 26

Lau: Reichsstädte, 129–154. Schulze: Bedeutung, 277–302. NHStA, Hann 9 h, Nr. 160, 60r. Moser: Reichstättisches Handbuch, 98ff. Zur Verlaufsweise der mit rituellen Elementen angereicherten und eine Umkehr (geradezu eine Persiflage) des Wahlverfahrens darstellenden Unruhen, nebst einem chronologischen Überblick gibt: Ehbrecht: Bürgertum, 46–71. Ehbrecht: Hanse, 105–128.

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2. Die streitende Stadt

juristischen Konfliktlösungsverfahrens, das in seltenen Ausnahmefällen zu beobachten war (wie in Mühlhausen 1727 oder in Buchau 1748), konnten diese Moblisierungstechniken eine erhebliche Eigendynamik entfalten und in Ausbrüche der Gewalt münden.27 Ereignisse wie diese mochten zu der Schlussfolgerung führen, dass in den Reichsstädten im Grunde seit dem 16. Jahrhundert alles beim Alten geblieben war. Sobald die Macht des Kaisers an Glaubwürdigkeit verlor, wurden die alten Inszenierungen der periodischen Machtkämpfe und Selbstreinigungsrituale wieder aufgeführt.28 Dergleichen von Zeitgenossen wiederholt geäußerte Urteile berücksichtigen kaum, dass neben die alten Mobilisierungstechniken neue getreten waren. Die Gemeinden wurden zunehmend mit Druckschriften über den Verlauf eines Konfliktes informiert. Die Bedeutung der Druckerpresse nahm zu, und zwar auch deshalb, weil die publizistischen Erzeugnisse der Anwälte sich nicht nur an die eigenen Bürger, sondern an die Bürger aller Reichsstädte wandten.29 Man hoffte auf Sympathien über die Stadtgrenzen hinaus und darauf, dass eigene Argumentationen von anderen Klägern aufgenommen und verstärkt wurden. Die Prozesse hatten die Reichsstädte zu einer Informationsgemeinschaft zusammengeschmiedet, die voller Interesse neue Semantiken, Legitimationsmuster und rhetorische Figuren aufnahm. Die Sprache der Republik gehörte – wie das Nürnberger Beispiel schon eingangs zeigte – dazu. Ihr Gebrauch war zwar kaum opportun, verstanden wurde die republikanische Sprachebene jedoch durchaus.30 Die Reichsstädte waren damit nicht nur ideale Einfallstore, sondern auch Verbreitungszentren für neue politische Zielvorstellungen, wie sie etwa mit 27

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So etwa Johann Jakob Moser: ,,In den Zeiten, da in Teutschland der Stärckere den Schwächeren noch nicht auf eine so feine Weise, als heute geschiehet, in den Sack schieben konnte, das ist, ehe der Land Fried und das Cammer Gericht errichtet wurden, entstunden in den Reichs Stätten, wenn entweder der Magistrat übel hausete, oder zwischen denen Patriciis und Zünften eine allzu große Jalousie entstunde, oder der Pöbel aufgehetzet, oder sonst toll wurde, leichtlich Aufruhren, welche sich öfters mit einer Veränderung in der Verfassung des Statt Regiments endigten. Im vorigen und diesem Seculo probierten es in einigen Reichs Stätten die Bürgerschaften abermals auf diesen alten Fuß, zumal, wann sie glaubten daß der Magistrat an denen Reichsgerichten mehr Gehör fände, als die Bürgerschaft, es setzte aber blutige Köpfe und die alten wilden Zeiten seynd vorbei. Jetzt heißt es: leiden oder Prozeß führen. Indessen werden die Reichs Stätte ruiniert, man erwähle jenen oder diesen Weg“ (Moser: Teutsches Staatsrecht, 41. Theil, 213). Schlögl: Vergesellschaftung, 9–62. Würgler: Unruhen. Die These, dass Republikanismus kein geschlossenes Prinzip, sondern eine aus einzelnen Motiven, einzelnen Momenten zusammengesetzte Sprache sei, geht auf John Pocock zurück, der in der Forschungstradition von Hans Baron und Gordon Wood stand. Es sei ein Bündel von Vorstellungen, das sich vor allem mit den Fragen der Tugend und der Stabilität beschäftige. Pocock verfolgt die Geschichte dieser republikanischen Bilder und Motive von Italien über Frankreich, die Niederlande, England bis hin in die USA. Die Reichsstädte bilden auf seiner Republikanismusweltkarte einen weißen Fleck. Vgl.: Pocock: Machiavellian Moment. Baron: Crisis. Wood.: Creation.

2.1 ,,Unser und unseres Reiches Stadt“

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dem sich wandelnden republikanischen Diskurs des späten 18. Jahrhunderts verbunden waren. Waren die Reichsstädte in den genannten Punkten seltene Ausnahmeerscheinungen? Waren sie einsame Inseln des Reiches und des altständischen Republikanismus im monarchischen Ordnungsraum? Nun, vor 1648 konnte von einem solchen Urteil keine Rede sein. Die Grenze zwischen den reichsunmittelbaren Städten und den Landstädten war sowohl, was ihren Rechtsstatus als auch ihre innere Struktur anging, unscharf gezogen.31 Der Status etlicher Gemeinwesen wie Braunschweig oder Erfurt war völlig unklar und sollte es bis weit in das 17. Jahrhundert hinein bleiben. Hamburgs Senatoren hatten noch bis 1770 auf die offizielle Anerkennung ihrer Reichsstandschaft zu warten. Letzteres Beispiel zeigt, dass auch nach der Konsolidierung der Reichsstandschaft um 1648 Landstädte unter bestimmten Rahmenbedingungen sowohl in ihrer Position im Reichssystem wie auch in ihrer inneren Konfliktkultur Ähnlichkeiten gegenüber den Reichsstädten aufweisen konnten.32 So etwa im Falle Lüttichs, das im Verlauf des 17. Jahrhunderts durch eine geschickte Gleichgewichts- und Bündnispolitik seinen Handlungsspielraum zu erweitern versuchte, wobei das Reich als Vermittlungs- und Stabilisierungsinstanz eine wichtige Rolle im Kalkül von Bürgerschaft und Rat spielte. Wie komplex das politische Kräftefeld im Westen des Reiches strukturiert war, zeigt ein Konflikt aus dem Jahre 1680. In diesem Jahr trat eine schwelende Auseinandersetzung zwischen der Stadt und ihrem Stadtherrn über das Recht der Bürgermeisterwahl in eine neue, schärfere Phase.33 Bischof Maximilian Heinrich, der zugleich Kurfürst von Köln war, erhielt Unterstützung von Seiten des französischen Königs, während die Bürger auf den Kaiser und die Generalstaaten vertrauen konnten. Das Engagement des kaiserlichen Residenten zielte darauf ab, Wien als Schutzmacht der Freiheiten und Privilegien der Stadt fest zu etablieren und den kaiserlichen Hof zum Austragungsort der Konflikte zu machen. Ähnlich wie in Hamburg war dieses Vorhaben zumindest zeitweilig von Erfolg gekrönt. Solange das Haus Habsburg in einer unübersichtlichen Konfliktlage als ausschlaggebendes Zünglein an der Waage gelten konnte, ähnelte die Position 31

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Zahlreiche semiautonome Städte, die ihre Privilegien mit Hilfe des Reiches gegen ausgesprochen schwache Landesherren verteidigten (Lüttich, Osnabrück, Lemgo), waren bis weit in das 17. Jahrhundert (und teilweise noch darüber hinaus) kaum von Reichsstädten zu unterscheiden. Umgekehrt wurden kleinere Reichsstädte (wie Esslingen) von übermächtigen Nachbarn in einem Maße dominiert, dass ihre Bewegungsfreiheit kaum größer als die einer Landstadt war. Landstädte konnten damit funktional den größeren Reichsstädten näher stehen als die Reichsstädte en miniature in Oberschwaben. Vgl.: Schilling: Stadt in der Frühen Neuzeit. Schilling: Konfessionskonflikt. Einführungen mit einem Literaturüberblick geben: Demoulin/Kupper: Histoire. Stiennon (Hg.): Histoire. Zu den Spätfolgen: Strothotte: Exekution.

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2. Die streitende Stadt

Lüttichs durchaus jener einer Reichsstadt. Es handelte sich jedoch um einen fragilen Zustand, der bei einer Veränderung des Machtgefüges ein rasches Ende fand.34 Der Fall Lüttich zeigte immerhin, dass die enge Verflechtung zwischen dem urbanen Konfliktraum und dem Konfliktraum Reich in Ausnahmefällen auch bei Städten zu beobachten war, die nicht dem Reiche unmittelbar untertan waren. Noch ein weiterer Punkt wird hier deutlich: Städte (auch Reichsstädte) hatten sich in einem multipolaren Kräftefeld zu positionieren, das sich beständig veränderte. Der Stadtherr – im Falle der Reichsstädte also der Kaiser – bildete zweifellos den wichtigsten Machtpol, dessen Interessen von den Akteuren innerhalb der Stadt zu beachten war. Doch es gab noch weitere Einflussnehmer, deren Wirkungsmacht nicht zu unterschätzen war. Reichsstädte standen in einem überaus komplexen Interaktionskontext, den sie mitgestalteten und von dem sie geformt wurden.

2.2 Streitende Nachbarn – die Reichsstadt im Reichssystem ,,Unser und unseres Reiches Stadt“: so lautete die offizielle Bezeichnung, mit der der Kaiser die Reichsstädte in seinen Schreiben ansprach. Wien agierte in den reichsunmittelbaren Städten eben nicht in ähnlicher Weise wie ein landesherrlicher Stadtherr. Man war auf die Kooperation der Reichsinstitutionen und Reichsstände angewiesen. Bürger und Rat hatten daher in ihrem Verhalten nicht nur die Handlungserwartungen des Reichshofrates und des Reichskammergerichts zu berücksichtigen, sondern auch jene der Reichsstände – insbesondere der aufstrebenden Reichsfürsten in der Nachbarschaft. Die Notwendigkeit der Integration in ein sich laufend veränderndes regionales Machtgefüge und der Homogenisierungsdruck von Seiten des Reichshofrates bildeten die beiden Anforderungspole, zwischen denen sich die städtischen Akteure zu bewegen hatten.35

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AT-OeStA/HStA RHR Vota 30, L 1, Lüttich Stadt vs. Erzbischof von Lüttich, Votum vom 17. Dezember 1682, sowie das Gutachten vom 25.1.1647. Das komplexe Verhältnis zwischen den beiden höchsten Reichsgerichten wird beleuchtet im Sammelband: Sellert (Hg.): Reichshofrat. Prinzipiell handelte es sich um eine konkurrierende Gerichtsbarkeit. In der Praxis konnte sich das Verhältnis sehr viel komplexer gestalten, so im Fall Wetzlar vs. Wetzlar 1611–14. Während die Bürger beim Kaiser und damit vor dem RHR Klage erhoben, wandte sich der Rat an das Reichskammergericht. Entschieden wurde der Streit durch einen Mediator (den Landgrafen von Hessen Darmstadt), der nachträglich zum kaiserlichen Kommissar ernannt wurde. Friedrichs: Urban Conflicts.

2.2 Streitende Nachbarn – die Reichsstadt im Reichssystem

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Die benachbarten Reichsstände wirkten dabei nicht ausschließlich von außen auf die Stadt ein. Die oft amorphe Struktur der Städte und ihre unvollständige Abgrenzung von der Umwelt erleichterten es Außenakteuren, direkten Einfluss auf die Binnenkommunikation der Städte zu nehmen.36 Eine einzige städtische Agglomeration, die gegenüber dem Umland eine funktionale Einheit bildete, konnte in verschiedene autonome Rechts- und Verwaltungsbezirke zerfallen. Dass die Hauptkirche einer Stadt nicht dem Rat unterstand, war (um nur ein Beispiel zu nennen) in den meisten katholischen und protestantischen Reichsstädten des 17. und 18. Jahrhunderts keineswegs eine Seltenheit.37 Der Chor des Lübecker Doms sowie einige umliegende Gebäude des Dombezirks blieben unter der Kontrolle des Hochstifts Lübeck. Dessen Fürstbischof residierte in Eutin, war Haupt des einzigen rein protestantischen geistlichen Territoriums und wurde durch ein Domkapitel gewählt, das teilweise vom Papst besetzt wurde.38 Ähnlich kompliziert waren die Verhältnisse in Hamburg.39 Auch der dortige Dom war der Gerichtsbarkeit des Rates entzogen. Bis 1648 stand er unter Kontrolle des Administrators des Erzbistums Bremen, danach des Königs von Schweden und ab 1715 schließlich des Kurfürsten von Hannover. Selbst die Krönungskirche des Kaisers, St. Bartholomäus in Frankfurt, unterstand nicht der Stadt, sondern dem Reichsstift.40 Sie bildete daher seit Einführung der Reformation in Frankfurt zusammen mit einigen Klöstern katholische Inseln im protestantischen Häusermeer. Bis 1675 blieb die gewaltige Kirche an Sonntagen dementsprechend nahezu leer. Erst die Einwanderung einiger katholischer Handwerker sollte dies ändern und der Stadt eine katholische Minderheit von etwa 7 % der Bevölkerung bescheren.41 In Köln wurde das dortige Domstift gemeinsam mit der ebenfalls autonomen Universität42 gar zum Motor der katholischen Reform und zur Speerspitze im Kampf gegen die drohende Reformation in der Stadt.43 Ähnliches galt für Regensburg. Dort blieben nicht nur der Dom und die Klöster in der Hand der Altgläubigen. Es bestand zudem die Regelung, dass in der Stadt Untertanen des Herzogs von Bayern sowie der Klöster Niederlassungsrechte hatten.

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Ehbrecht: Ordnung, 27–45. Flachenecker: Immunitätsbezirke, 1–28. Prange: Wandel. Jens: Hamburger Domkapitel. Vgl. dazu die Bedeutung italienischer Einwanderung für die katholische Gemeinde in Frankfurt: Augel: Italienische Einwanderung. Demographische Informationen zu Frankfurt: Meyn: Frankfurt. Soliday: Community. Vgl. dazu der Dauerkonflikt zwischen der Universität und der Hansestadt Rostock: ATOeStA/HHStA RHR Grat Feud Citationes 2–47, Titel Rostock Universität contra Stadt, Entstehungszeitraum 1605. Molitor: Erzbistum.

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2. Die streitende Stadt

Dies führte dazu, dass während des 17. und 18. Jahrhunderts im protestantischen Regensburg zeitweise mehr Alt- als Neugläubige ansässig waren.44 Die sakralen Enklaven des Anderen waren in den Reichsstädten, wie diese Beispiele zeigen, keine isolierten Fremdkörper. Sie waren Akteure innerhalb des städtischen Sakralraumes. Sie bildeten konkurrierende wirtschaftliche und juristische Räume, die in die Stadt hineinragten bzw. mit ihr interagierten.45 Besonders deutlich wurde dies, wenn die Reichsstadt ein mächtiges Reichsstift in oder vor ihren Mauern beherbergte. So etwa in der Reichsstadt Buchau: Dort begann der ummauerte Bezirk der Fürstabtei Buchau wenige Meter hinter dem Rathaus der Reichsstadt. Als deren Senatoren während der Unruhen des Jahres 1748 ihres Lebens nicht mehr sicher schienen, sprangen einige der besonders Gefährdeten über die Mauer und waren in Sicherheit.46 Ganz ähnlich war die Situation in der protestantischen Reichsstadt Lindau am Bodensee. In und neben der Stadt befand sich das gefürstete Damenstift Lindau. Die katholische Stiftskirche ,,Unserer Lieben Frauen“, die nach einem Neuaufbau 1748–52 in italienischer Pracht erstrahlte, stellte die benachbarte evangelische Stadtkirche St. Stephan weit in den Schatten. Dies war nicht der einzige Berührungspunkt zwischen Stadt und Stift.47 Zahlreiche Bürger sahen sich beispielsweise angesichts der städtischen Wohnungsnot gezwungen, auf Territorium des Stiftes zu siedeln. Dafür hatten sie der Äbtissin Zins zu entrichten, blieben aber Bürger der Stadt.48 Das Stift übte damit wirtschaftliche Macht über Teile der Bürgerschaft aus. Wer die Kontrolle über das Stift hatte, konnte damit auch Einfluss auf die Politik der Stadt nehmen. Im Falle des Lindauer Reichsstiftes zeigten die reichsritterlichen Kantone Hegau und Bodensee Interesse daran, diese Möglichkeit zu nutzen. Sie stellten 1721 einen Antrag an den Reichshofrat, ihnen das ,,Conservatorium“ des Stiftes zu übertragen, um dessen Niedergang zu verhindern.49 Das mittellose Stift sollte gestützt und seine Position in der Stadt – zum Wohle der Ritterschaft – gestärkt werden. Stifte und Chorherrenkapitel bildeten eben nicht nur autonome Akteure innerhalb eines gemeinsamen Interaktionsraumes. Sie waren zugleich Brückenköpfe höchst unterschiedlicher externer Machtinteressen.50 Die Präsenz des Nachbarn in der Reichsstadt war nicht auf geistliche Einrichtungen beschränkt. Dass Zollrechte, niedere Gerichtsbarkeiten, 44 45 46 47 48 49 50

Hausberger: Verhältnis, 134–146. Ein markantes Beispiel dafür bildete auch die thüringische Reichsstadt Mühlhausen: Thiele: Kirchenpatronate, 26–46. StadtA Buchau 2, 16, 19ff. Wolfart: Geschichte. AT-OeStA/HHStA RHR Miscellanea Revisiones 3–55, Titel Buchau Fürstäbtissin Maximiliana contra Bürgermeister und Rat zu Buchau, Entstehungszeitraum 1786. AT-OeStA/HHStA RHR Judicialia Vota 30–12, Reichhofratsgutachten in Sachen Zu Lindau Frey weltliches Reichsstift gefürstete Abtissin in pto Conservatorii. Vgl. auch den Fall Isny: Greiffenhagen: Kultur Isnys.

2.2 Streitende Nachbarn – die Reichsstadt im Reichssystem

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Forstrechte oder Pflegschaften in fremden Händen lagen, war in den reichsstädtischen Territorien keineswegs eine Ausnahme. In welchem Maße die oft umstrittenen Privilegien realisiert bzw. erweitert werden konnten, hing wesentlich von den Ressourcen des jeweiligen Trägers ab. Äußerst komplex war etwa das Verhältnis Rottweils zu seinen Nachbarn.51 Bei den zahllosen Streitigkeiten, die die Senatoren mit der Äbtissin der Reichsabtei Rottenmünster um die Forst- und Hochgerichtsbarkeit im Dorf Frittlingen ausfochten, befand man sich eindeutig in der stärkeren Position.52 Hier war es die Reichsstadt, die den Nachbarn unter Druck setzte, und nicht umgekehrt. Völlig anders gelagert waren bereits die Machtverhältnisse im Dauerkonflikt zwischen Rottweil und den Freiherren bzw. (ab 1746) Reichsgrafen von Bissingen-Nippenburg, die Teil des vorderösterreichischen Herrschaftsverbandes waren.53 Im Kräftemessen um Lehensrechte in dem von den Reichsgrafen beanspruchten Schramberg zeigten sich die Vasallen Habsburgs als ebenso zähe wie erfolgreiche Gegenspieler der Reichsstadt. Noch schwieriger war deren Position, wenn sich die Stadtväter der Begehrlichkeiten des Herzogtums Württemberg zu erwehren hatten (wie etwa 1731 bei einem Streit um Malefizrechte im Rottenburger Territorium).54 Je besser das Zusammenspiel zwischen Ehrbarkeit, Geistlichkeit und Hof in diesem größten schwäbischen Territorialfürstentum funktionierte, umso stärkere Anziehungskräfte entfaltete das Herzogtum auch auf die Reichsstädte. Ohnehin schon bestehende rechtliche Bindungen wurden gepflegt und erweitert. Dazu gehörte nicht zuletzt die Festigung formaler Schutzherrnverhältnisse, die der Herzog etwa gegenüber Weil der Stadt, Rottweil oder Giengen unterhielt. Sie wurde durch die wirtschaftlichen Druckmöglichkeiten des Herzogs, den Einfluss seiner Universität und vor allem durch seine Position im schwäbischen Reichskreis weiter abgerundet.55 Die Herzöge von Württemberg bekleideten das Wahlamt des Kreisobristen (später des Kreisfeldmarschalls) als militärischer Befehlshaber und das Amt des Kreisdirektors, das in Schwaben mit der Funktion des Kreisausschreibamtes zusammenfiel. In dieser Dreifachfunktion waren sie nicht nur für Kreisexekutionen zuständig, sie luden auch auf die Kreistage ein, stellten die Tagesordnung zusammen und saßen den Treffen vor.56 Der Kreis bildete damit die militärische, wirtschaftliche und rechtliche Einflusssphäre

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Vgl. den Fall Nördlingen: Kiessling: Stadt und ihr Land, 24ff. HStA Stuttgart B 37 a Bü 108. HStA Stuttgart B 40 Bü 1496. HStA Stuttgart B 40 Bü 776. Vgl.: HStA Stuttgart H 101/30 Bd. 4, 232v. Zum Verhältnis zwischen Württemberg und den paritätischen Reichsstädten: Warmbrunn: Konfessionen. Eine Neubewertung der bikonfessionellen Konfliktkultur nimmt vor: Schorn-Schütte: Bikonfessionalität, 299–318. Zur Parität in Kaufbeuren: Alt: Reformation. Junginger: Kaufbeuren. Berger: Auswirkungen, 255–275. Weber: Kommissionen, 205–236. Storm: Kreis.

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2. Die streitende Stadt

der Württemberger.57 Vor allem die kleineren protestantischen Reichsstädte waren auf das Wohlwollen des Herzogs angewiesen, besaß dieser doch die Macht, die Exekution missliebiger Reichsgerichtsurteile zu blockieren, theologische Streitigkeiten zwischen Stadtpfarrern zu vergleichen und Angriffe auf die Privilegien der Städte zu verhindern.58 Stuttgarts Macht hatte allerdings Grenzen, denn neben dem weltlichen Kreisdirektor besaßen die Reichskreise nach einem Edikt Kaiser Ferdinands I. von 1559 einen geistlichen Widerpart. Im Falle Schwabens waren dies die Fürstbischöfe von Konstanz. Ohne ihre Kooperation blieb Württemberg handlungsunfähig. Dies eröffnete die Möglichkeit zur interkonfessionellen Kooperation der kleineren, vom übermächtigen Nachbarn bedrohten Reichsstände. Bei aller Anlehnung an einzelne Landesherren verblieb den Reichsstädten somit ein Spielraum, um eigenständig auftreten zu können.59 Dies galt umso mehr, als der multipolare Raum, in dem sie sich zu positionieren hatten, nicht an den Grenzen der Kreise endete. Benachbarte Reichsfürsten, zu denen oft ältere formelle und informelle Bindungen bestanden, wirkten durch die Reichsstädte und mit den Reichsstädten in die Kreise hinein. So blieben die Reichsstädte in der attraktiven Position interterritorialer Foren des materiellen und inmateriellen Güteraustausches, die als solche die Regeln der Kommunikation innerhalb des Reiches mitbestimmen konnten. Sie wurden zu machtpolitischen Pufferzonen und Impulsgebern der regionalen Räume, die durch geschicktes Taktieren ihr Eigengewicht stärken konnten. Neben dem Reichstag und den Kreistagen bildeten vor allem die Reichsgerichte wichtige Foren der Selbstbehauptung. Hier konnten die Reichsstädte demonstrieren, dass sie mehr waren als Einflusszonen des jeweiligen Kreisdirektors oder des nächstgelegenen Kurfürsten.60 War im 15. Jahrhundert die Fähigkeit, die eigene Ehrbarkeit zu verteidigen und Rechtsansprüche militärisch durchzusetzen, für die Position der Städte entscheidend, so hatten sie seit Beginn des 16. Jahrhunderts ihre Satisfaktionsfähigkeit auf dem Felde des Federstreites zu beweisen. Die Prozesse dokumentieren nicht nur die höchst komplexen Konfliktstrukturen zwischen Nachbarn, die oft als Akteure desselben wirtschaftlichen und demographi-

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Zur Ausbildung hegemonialer Einflusssphären innerhalb des Reiches: Schmidt: Städtetag, 41–61. Wüst (Hg.): Reichskreis. Fimpel: Reichsjustiz. Zur wechselseitigen Durchdringung von Reichsstadt und reichsfürstlichem Verwaltungsapparat (bzw. reformierter Geistlichkeit): Press: Territoriale Konfessionsbildung, 251–296. Zur Position der Reichsstädte in den Reichskreisen: Wüst: Debatten, 225–243. Hartmann: Der Bayerische Reichskreis, 186ff. Kießling (Hg.): Reich in der Region. Laufs: Der Schwäbische Kreis. Krischer: Fürstengesellschaft.

2.2 Streitende Nachbarn – die Reichsstadt im Reichssystem

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schen Verdichtungsraumes auftraten. Sie spiegeln zugleich die Möglichkeiten der Reichsgerichte wider, lokale und regionale Strukturen mitzugestalten.61 Einer der zahlreichen dauerhaften Konfliktherde des Reiches, an denen dies deutlich wurde, war der Streit zwischen der Reichsstadt Friedberg und der gleichnamigen Reichsburg.62 Beide, Stadt und Burg, waren wirtschaftlich und rechtlich eng miteinander verzahnt. Die Burg befand sich seit dem Hochmittelalter in Besitz einer Ganerbenschaft – einer Erbengemeinschaft, die den ungeteilten Besitz verwaltete.63 Aus ihrer Mitte wurden auf Lebenszeit ein Burggraf, zwei Baumeister und zwölf weitere Burgmannen gewählt, die die Rechte des Landesherrn ausübten. Unmittelbar am Burgtor begann die Reichsstadt, die sich seit dem 15. Jahrhundert in einem Pfandschaftsverhältnis gegenüber der Burg befand. Da sich seit dem Westfälischen Frieden dergleichen Pfänder nicht mehr einlösen ließen, war diese Bindung dauerhaft. Für den Rat der Stadt waren die Folgen ausgesprochen lästig. Der Burggraf war nicht nur oberster Richter der Stadt, er war auch ihr Oberamtmann und in dieser Funktion Vorsitzender des Rates. Dort waren noch sechs weitere Burgmänner präsent, die allerdings von den Bürgern gewählt werden konnten. Wichtigster Vertreter des Burggrafen in der Stadt waren der von ihm bestellte Schultheiß und dessen Büttel.64 Diese Konstellation beschwor eine Reihe von permanenten Konfliktpunkten herauf.65 Da war etwa die Frage, ob die Stadt überhaupt noch als reichsunmittelbarer Stand zu behandeln war oder ob sie diesen Status nicht schon lange verloren hatte. Der Rat zeigte sich emsig bemüht, jeglichen Zweifel in diese Richtung zu zerstreuen. Er konnte mit der Unterstützung der benachbarten Reichsstädte Wetzlar und Frankfurt rechnen, die eine für sie gefährliche Präzedenzentscheidung fürchteten. Die Auseinandersetzung in Friedberg gewann durch den Umstand an Komplexität, dass der Burggraf in der Stadt nicht nur Gegner hatte. So besaß er die Unterstützung von jenen Teilen der Bürgerschaft, die vom Ratsregiment ausgeschlossen waren und mit Missfallen zusahen, wie die Senatoren die städtischen Privilegien zur Festigung der eigenen Position zu nutzen verstanden. Als der Rat 1653 einen weiteren Anlauf unternahm, die weitgehenden Rechte des Burggrafen einzudämmen, sah er sich beispielsweise einer Ablehnungsfront gegenüber, die zahlreiche Bürger der Stadt mit ein61 62 63 64 65

Zu den älteren Strukturen: Graf: Fehde, 167–189. AT-OeStA/HStA RHR Decisa K 2404, Friedberg Statt Contra Friedberg Burg, 1699– 1740. Rack: Burg Friedberg. Rack: Friedberg, 2. Bd. Dieffenbach: Friedberg in der Wetterau. Waas: Krakehler, 100–118. Zur Vorgeschichte des nun Folgenden: AT-OeStA/HHStA RHR Grat Feud Commissiones 1–144, Titel Friedberg, Burggraf, contra Bürgermeister und Rat, Entstehungszeitraum 1613. Der Reichshofrat ernannte den Bischof von Worms zum Kommissar mit der Anweisung für den Fall, dass keine einvernehmliche Lösung möglich war, eine Interimsvereinbarung zu erlassen. Die Streitpunkte wurden ausführlich aufgelistet.

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2. Die streitende Stadt

schloss. Unter Führung des Bierbrauers Johann Rudolf Lichtstein gingen diese ein Bündnis mit der Burg ein und brachten die Position der Obrigkeit ins Wanken. Wie die verwirrenden, einander überlappenden Konfliktlinien in Friedberg verliefen, zeigte sich, wenn ein neuer Burggraf sein Amt antrat. Der von den Bürgern eingeforderte Akt der Huldigung wurde keineswegs automatisch vollzogen. Man stellte Bedingungen und trat in Verhandlungen ein.66 Der Rat warb um eine breite Zustimmung zu seinen Forderungen innerhalb der Bürgerschaft, während der neue Burggraf alles tat, um die Autorität der Senatoren zu untergraben. Im günstigsten Fall kam es zu einer Einigung zwischen den Parteien, die durch die Huldigung einen rechtsverbindlichen Charakter erhielt. Durch den feinen Wechsel zwischen Konfliktlösungsverfahren und Ritual wurden in diesem Falle die Kommunikationsstrukturen stabilisiert und soziales Handeln berechenbar gemacht. Doch es gab auch die Möglichkeit des Scheiterns.67 Der Versuch des Burggrafen, am 6. April 1685 die Bürger zu einer Huldigungsleistung zu bewegen, führte zu einem Konflikt, der erst 1740 im Zuge eines Vergleiches vor dem Reichshofrat beigelegt wurde. Schon der Beginn der Verhandlungen gestaltete sich schwierig. Der Senat übergab dem neuen Burggrafen eine Beschwerdeliste, in der man zur aktuellen Eidleistung ebenso Stellung nahm wie zu einer langen Reihe weiterer Konfliktpunkte, die in den letzten Jahrzehnten aufgelaufen waren.68 Darüber hinaus machte man den Burggrafen auf einen inakzeptablen Formfehler aufmerksam. Die Huldigung sei, so der Rat, anberaumt worden, obwohl eine offizielle Bestätigung der Wahl des neuen Burggrafen durch den Kaiser noch nicht erfolgt sei. Man betrachte dies als einen Akt, der die Würde der Stadt und ihres Senats beschädige. Wenn man auch diesmal erschienen sei, so folge man nur der Höflichkeit und wolle ein Zeichen des guten Einvernehmens setzen. Keineswegs sei man jedoch gewillt, rechtsverbindliche Folgen, die sich aus der vorzeitigen Huldigung ergeben könnten, zu akzeptieren. Man protestiere daher in aller Form und bitte, ein ähnliches Prozedere in der Zukunft zu vermeiden. Zudem müsse der Rat auf eine größere Zahl von Übergriffen durch den alten Burggrafen hinweisen. Grenzsteine seien überbaut worden, der Müller, der bisher der städtischen Kirchengemeinde zugehörig gewesen sei, gehe nunmehr in die Burg zum Gottesdienst, Senatoren seien vom Burggrafen mit juristischen Zwangsmaßnah66 67 68

Zur Verschränkung zwischen Ritual und Verfahren: Goppold: Kommunikation. Das Alte Reich als Anwesenheitsgesellschaft: Stollberg-Rilinger (Hg.): Verfahren. AT-OeStA/HStA RHR Decisa K 2404, Friedberg Statt Contra Friedberg Burg, Extractus aus dem über weyland des wohlgebohrenen Burggraffen Rawen von Holtzhausen sel. In ao 1685 den 8. Aprillies geleisteter Pfandschafts-Huldiung errichteten offenen Instrumento gezogenen und von H. Bürgermeister und Rath des H. Reichsstatt Friedberg in Castro Fridberg die 6t. Aprilis erstgedachten Jahrs per Noruium testes überlieferten Gravaminum.

2.2 Streitende Nachbarn – die Reichsstadt im Reichssystem

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men bedroht worden, vor allem geriere er sich als Schutzherr der Judenschaft, obwohl diese doch der Stadt unterstünde. Die Juden seien daher für die Bürger zu wirtschaftlichen Konkurrenten geworden. Sie übten mittlerweile nahezu jedes Handwerk aus und könnten sich dabei auf den Schutz der Burg berufen.69 Man bitte dringend einzuschreiten und die Stadt in ihren Privilegien zu schützen. Die enge Nachbarschaft zwischen Stadt und Burg hatte, wie die Klageschrift zeigt, beide Akteursgruppen in einen beständigen Zustand der Beobachtung und der Alarmierung versetzt. Wer in welchen Gottesdienst ging, wie die jeweils andere Seite mit den eigenen Würdenträgern umging, ob beim Ausbau von Wallanlagen die Grenze genau eingehalten wurde, all dies wurde akribisch vermerkt. Bezeichnend für eine solche Konfrontation war aber nicht nur die Konzentration der Wahrnehmung auf den jeweils anderen, sondern auch die Entstehung von Zwischenräumen. Einzelne Akteure – in Friedberg war dies unter anderem die wachsende jüdische Gemeinde – nutzten das Misstrauen beider Seiten, um ihre Privilegien zu erweitern.70 Die Konsequenzen eines Konfliktes waren, wie dieses Beispiel zeigte, für beide Seiten kaum beherrschbar. Er erzeugte unvorhergesehene Machtverschiebungen, die den Zwang zur Einigung erhöhen konnten. Eine Chance, dies zu tun, lag in der Formulierung von Petitionen und Beschwerdelisten. Indem die Bürger dem Burggrafen die Huldigung zunächst verweigerten und auf eine Reihe von Beschwerden hinwiesen, wurde die Möglichkeit zu Verhandlungen eröffnet. Ein Ergebnis dieses Verfahrens konnte es sein, dass das alte Rechtsverhältnis in modifizierter Form erneuert wurde. Erschwert wurde eine solche Konfliktlösung allerdings dadurch, dass zahlreiche Einzelfragen in einem Gesamtpaket – einer Gravaminaliste – zusammengefasst waren. Dieses Bündel aufzuschnüren, war für die Beschwerdeführer ebenso wie für die Adressaten der Beschwerdeschreiben riskant. Jeder Versuch, die Opposition zu teilen, ließ die Wahrscheinlichkeit steigen, dass 69 70

Battenberg: Juden, 25, 28, 35, 39. AT-OeStA/HStA RHR Decisa K 2404, Friedberg Statt Contra Friedberg Burg, Extractus . . . ,,Und demnach auch Sechstens sich, besag oft angeregten Instrumenti vor und nach jüngst beschehener Huldigung gemeiner Statt und Bürgerschaft beklagt, dass die Juden nicht allein des Metzlerns, sondern auch sonst in allen Handlungen wie die nahmen haben mögen, sich ein zwischen underfangen, und von Seithen der Bürger von jdewedern Juden so Crämerey anstellet, newerlich vier Gülden abgefordert und eingezogen worden, worduch aber diese aremen Bürgerschaft di nahrung und Kummerschaft geschwächt und entzogen würde, undt der damahlige Herr Burggraff Seel. Andenckens selbst befundnen, dass darinnen einige mißbräuche vorlieffen, undt deshalben die Vertröstung gethan, bey nechsten Rath Sitz über diese Sache zu deliberiren und zuschaffen, dass nach möglichkeit darinnen und was wieder herkommen wäre geholffen werde, solches aber bis dato nicht beschehen.“ Vgl.: Gotzmann, Andreas (Hg.): Kehilat Friedberg, Teilbde 1–2, 1: Kasper-Holtkotte, Cilli, Jüdisches Leben in Friedberg (16.–18. Jahrhundert); 2: Litt, Stefan, Protokollbuch und Statuten der Jüdischen Gemeinde Friedberg (16.–18. Jahrhundert), Friedberg 2003.

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jene Interessengruppen, die man isolierte hatte, Unterstützung bei externen Entscheidungsinstanzen wie dem Reichshofrat suchten. Die Folgen eines Schrittes waren – wie erwähnt – kaum abzuschätzen. Fälle, wie der Streit im hessischen Friedberg konnten das ganze Räderwerk des Reiches in Bewegung setzen. Anwälte, Reichshofratsagenten, Reichshofräte, Reichsstände (die zu Kommissaren berufen wurden), ihre Räte (die als Subdelegierte fungierten), Kreistage und oftmals der Kaiser selbst wurden in das Verfahren involviert.71 Dies wirft eine zweifache Frage auf: Warum wandte man sich nach Wien und warum gab sich der Reichshofrat, der nur mit einer knappen Personaldecke ausgestattet war, mit dergleichen Angelegenheiten ab? Möglichkeiten, nach dem Scheitern innerstädtischer Konfliktlösungsverfahren und vor der Eröffnung eines reichsgerichtlichen Prozesses einen externen Vermittler anzurufen, bestanden durchaus.72 Der Erfolg dieser Mediationen war nach dem bisherigen Forschungsstand überraschend gering, was auf eine begrenzte Durchsetzungsfähigkeit der größeren Reichsfürsten (insbesondere der kreisausschreibenden Stände) in ihren Einflusszonen hinwies. Die Lösung des Falles Friedberg gegen Friedberg wurde eben nicht unter Hinzuziehung eines einflussreichen Nachbarn (wie dem Landgrafen von Hessen Darmstadt) angestrebt, sondern auf dem Prozessweg gesucht.73 Der Ausbau regionaler politischer Räume, die von einzelnen Akteuren dominiert wurden, war offenbar nur mit Hilfe der Reichsinstanzen, insbesondere der Reichsgerichte möglich. Zwar waren Reichshofrat und Reichskammergericht bei der Exekution ihrer Urteile auf die Hilfe des Kreises angewiesen, umgekehrt jedoch waren auch die Reichsfürsten von der Kooperation der Gerichte abhängig, wenn sie ihre Konfliktlösungskompetenzen zu erweitern gedachten. Diese reziproke Abhängigkeit barg vor allem aus Sicht des Wiener Hofes eine Reihe von Vorteilen. So boten die oft langwierigen Prozesse dem Reichskammergericht und dem kaiserlichen Reichshofrat faszinierende Einblicke in die Mikrostruktur des Reiches. Die Funktionsweise der kleinen Reichsterritorien, ihre Verfassungen, ihre inneren Friktionen wurden den Richtern de71 72

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Sellert: Prozeßgrundsätze. Wobei die Möglichkeit eines Austrägalverfahrens für die Reichsstädte nur eingeschränkt gegeben war: Friedrich Merzbacher: Art. Austrägalinstanz, in: HRG I, Sp. 273f. Die Problematik außergerichtlicher Einigungen zeigt sich vor allem bei konfessionellen Streitigkeiten in den paritätischen Reichsstädten, so in Ravensburg 1672 als ein Konflikt um einen entlaufenen Mönch von den Rechtsfakultäten der Universitäten Freiburg und Tübingen völlig unterschiedlich beurteilt wurde: Dreher: Ravensburg, 438ff. Eine der wenigen Vergleichsverhandlungen, die von Erfolg gekrönt waren, stammte bezeichnenderweise aus der Eidgenossenschaft. Die Reichsstadt Rottweil hatte sie als zugewandter Ort 1579 erwirkt. Das sogenannte Laudum wurde vom Kaiser bestätigt und blieb auch im Zuge weiterer Streitigkeiten 1686–88 Grundlage des Reichshofratsentscheides: Ruckgaber: Rottweil, Bd. 2, 44. Vgl. den Fall Weißenburg: Moser: Reichstättisches Handbuch, 442ff. Mödel: Weissenburg.

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tailliert vor Augen geführt. Das kostbare Gut der Information konnte damit in Wetzlar und, was politisch von erheblicher Bedeutung war, in Wien gesammelt werden. Man verglich Konfliktlagen in einzelnen Teilen des Reiches und ordnete sie juristischen Fallmodellen zu.74 Man knüpfte dauerhafte Kontakte und man stellte sicher, dass alle Verfahrensbeteiligten sich den Regeln des Reichhofratsprozesses beugten.75 Die Flut der Verfahren, die sich über Wien ab Mitte des 17. Jahrhunderts ergoss, festigte zudem die kaiserlichen Netzwerke im Reich und stärkte dauerhaft die Einflussmöglichkeiten des Kaisers auf lokaler Ebene. Die an die Reichsgerichte getragenen Konflikte in den kleinen Territorien des Reiches – vor allem aber in den Reichsstädten – wurden damit zu einem wichtigen Motor der Verdichtung der Reichsstrukturen. War diese Entwicklung Ausdruck eines Staatsbildungsprozesses?76 Die Tatsache, dass die beiden Reichsgerichte in einem Konkurrenzverhältnis standen und auf die Kooperation der Kreise angewiesen waren, spricht keineswegs gegen diese These. Die frühneuzeitliche Staatsbildung, im Sinne der Herausbildung institutionalisierter Herrschaftspraxis, kann, so stellt die jüngere Forschung fest, nur auf der Grundlage eines multipolaren Beziehungsmodells verstanden werden. Beteiligt ist eine Vielzahl von intermediären Gewalten. Regeln des Entscheidens und des Kommunizierens werden dabei immer wieder aufs Neue diskursiv gesetzt.77 Im Rahmen der Reichshofratsverfahren war dies zweifellos der Fall: Prozessparteien, Anwälte, Kommissare und Reichshofräte waren in einem unübersichtlichen und stetigen Prozess des Aushandelns an der Ausgestaltung von Regeln beteiligt. Wien hatte sich juristischen und politischen Erwartungshaltungen ebenso zu beugen wie die Kreisdirektoren, die für eine etwaige Exekution von Urteilen verantwortlich waren. Die ließ sich zwar verschleppen, aber nicht völlig vermeiden. Der Reichshofrat konnte, wenn es um die Frage der Rechtsdurchsetzung ging, die Geduld einer lauernden Katze an den Tag legen. Man wartete, bis sich ein günstiger Moment ergab, in dem der Handlungsdruck unübersehbar und die Position des Kaisers stark genug war.78 Hier von einem Staatsbildungsprozess zu sprechen, ist dennoch problematisch. Versteht man unter Staatsbildung die Intensivierung von Abhängigkeitsbeziehungen, gemeinsamen gedanklichen Bezugspunkten und Kommunikationsmustern zwischen den Eliten, die in einem multipolaren Prozess Herrschaftspraxis konstituieren, so fällt es schwer, diese 74 75 76 77 78

So wirkte Graf von Grävenitz am Reichshofrat u. a. als Spezialist in Salinenfragen: ATOeStA/HStA RHR Den. Rec. 38, Votum vom 12.6.1777. Zu den verschieden Verfahrensarten: Uhlhorn: Mandatsprozeß. Schmidt: Geschichte. Holenstein (Hg.): Alternative. Sailer: Selbstverständnis, 1–41.

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Definition auf das Reich anzuwenden.79 Eine solche Entwicklung war aber nur in jenen Teilen des Reiches zu beobachten, die von einer starken Präsenz von Reichsgrafen, Reichsstiften, Ritterschaften und Reichsstädten geprägt waren. Dort, wo die weltlichen Kurfürstentümer dominierten, fanden Staatsbildungsprozesse eher in Abgrenzung zum Reich statt. Mochte auch die württembergische Hegemonialstellung in Schwaben unabdingbar mit der Kooperation mit Wien verknüpft sein, so konnte ähnliches von Sachsen oder Preußen Mitte des 18. Jahrhunderts nur sehr bedingt behauptet werden.80 Noch am besten lässt sich das Reich daher als offenes System fassen.81 Es war ein System, das auf Konflikte mit der Intensivierung der internen Kommunikation reagierte. Der Konflikt war gleichsam der Lebenssaft des Reiches, denn er erzwang Reaktionen und eröffnete dem Streitschlichter die Möglichkeit, Informationen zu sammeln. Die Reichsstädte waren in diesem Sinne ausgesprochen wichtige Systembildner, die auf die Gestaltung des Reichssystems durch ihre Forderungen an die Rechtssprechungsorgane Einfluss nahmen.

2.3 Unsere lieben Brüder – Städtebünde, Städtenetze, Städtetage Wenngleich die Reichsstädte im Verlaufe des 17. und 18. Jahrhunderts als strukturell unterscheidbare Entitäten mit ähnlicher Interessenlage fassbar wurden, traten sie als gemeinsam handelnde Einheit kaum in Erscheinung. Die reichsstädtische Kurie am Reichstag wurde von nur wenigen Städten tatsächlich am Leben erhalten und spielte in der Beschlussfassung des Gesamtgremiums offenbar eine untergeordnete Rolle. Dieser Umstand erstaunt umso mehr, als die strukturell so heterogenen Städte des 15. und 16. Jahrhunderts sehr viel kooperationsfreudiger waren und eine Reihe höchst wirkungsmächtiger strategischer Städtenetze bildeten.82 79 80 81

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Brückner: Volkskultur, 17. Blitz: Liebe. Ein System, in dem die kleineren Reichsstände, wie Press betonte, eine zentrale Rolle spielten. Das Herausdriften der mächtigsten Reichsstände aus dem Reichsverband widersprach vor allem ihren Interessen. Sie erhielten durch die Machtkämpfe zwischen Kreisdirektor und Kaiser, zwischen kleinen und größeren Reichsständen die Möglichkeit, ihren Bewegungsraum zu erhalten bzw. auszubauen. Seiner langsamen Erosion wirkte man vor allem hier entgegen. Die Fürstbischöfe von Würzburg aus dem illustren Geschlecht der Schönborn ließen etwa nichts unversucht, um das Reich nicht nur als Interaktionsraum, sondern auch als Imagination im Erfahrungsraum der Eliten zu verankern (Stephan: Glanz). Ähnliches war auch in den Reichsstädten zu beobachten, wobei zu fragen ist, ob das urbane, das reichsstädtische Bild des Reiches, das hier generiert wurde, sich von jenem, das die Schönborn entwarfen, unterschied. Der Aufsatz Cities as systems within systems of cities des Stadtgeographen B.J.L. Berry von 1964 gilt als ein wichtiger Markstein auf dem Weg zur Städtesystemforschung. Ausgehend

2.3 Unsere lieben Brüder – Städtebünde, Städtenetze, Städtetage

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Die Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung bildet ein klassisches Interessengebiet der historischen Städteforschung. Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: Die Städte der Frühen Neuzeit, so erläuterte schon Otto von Gierke in seinem umfangreichen Werk zum deutschen Genossenschaftsrecht, hätten es versäumt, mit den bäuerlichen Einungen zu einem Interessenausgleich zu gelangen.83 Statt wie in der Eidgenossenschaft den Weg zu einem genossenschaftlichen Staatsbildungsprozess zu beschreiten, hätten sich die Reichsstädte von den Landesfürsten marginalisieren lassen. Die neuere Forschung mag das Verdikt nicht gelten lassen: An die Stelle der Geschichte des Niederganges ist nunmehr die eines höchst komplexen Anpassungsprozesses getreten.84 Die Städtebünde, so die neue Sicht der Dinge, verschwanden nicht einfach ersatzlos. Sie wurden ersetzt bzw. überlagert durch funktionale Netzwerke, in die auch Fürstenhöfe eingebunden waren. Reichsstädte blieben also gerade durch die Fähigkeit zur Anpassung an neue Rahmenbedingungen weiterhin wichtige Mitgestalter einer sich permanent wandelnden Reichsverfassung. Dies zeige sich auch in der Entwicklung neuer Formen der Kooperation zwischen den Reichsstädten, die nicht mehr auf Bundesschlüssen beruhten, sondern den Charakter informeller Ad-HocBündnisse trugen.85 Das Beispiel des elsässischen Zehnstädtebundes zeigte, warum die alten

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von der sehr viel älteren Zentralitätsforschung, deren Begründer in den 20er und 30er Jahren wirkten, begriff Berry die Stadt als Teil eines arbeitsteilig organisierten Systems. Statt Rangfolgen der Zentralörtlichkeiten herzustellen, steht die Analyse von Interaktionen zwischen Städten im Fokus dieses Forschungsansatzes. Interaktionswege, -ströme und Machtbeziehungen werden näher untersucht und zu einem Gesamtbild zusammengeführt. Dabei ist die Frage zu klären, ob bei den untersuchten Städten einer Region eine sektorale bzw. hierarchische Funktionsspezialisierung zu beobachten ist. Kommt es auf der Grundlage dieser Interaktionsmuster zu stabilen Zusammenschlüssen von Städten, die räumlich oder funktional teilkomplementäre Interessen haben, so spricht man von Städtenetzen. Priebs unterscheidet zwischen funktionalen und strategischen Städtenetzen. Funktionale Städtenetze müssten von den Beteiligten keineswegs als solche wahrgenommen werden. Sie bilden Kategorien der geographischen Beschreibung und sind als solche Konstrukte des Beobachters. Strategische Städtenetze seien demgegenüber bewusste Zusammenschlüsse eines Städtenetzes zur Bewältigung selbstgestellter Aufgaben. Vgl.: Berry: Cities, 147–163. Blotevogel: Städtesystem, 71–103. Priebs: Städtenetze, 35–45. Danielzyk/Priebs (Hgg.): Städtenetze. Der von der Stadtgeschichtsforschung z. T. verwendete Begriff der Städtelandschaft rekurriert auf kulturelle Einheiten, die (ähnlich dem Konzept der Landesgeschichte) als gewachsene geographische Räume mit flexiblen Grenzen begriffen werden. Sie laufen damit Gefahr, Konstrukte (vornehmlich des 19. Jahrhunderts) in ihrem Bestand zu perpetuieren und für gegenläufige Entwicklungen (wie sie vor allem die Regionalgeschichte ins Blickfeld nimmt) wenig Offenheit zu entwickeln, vgl.: Keller: Kleinstädte, 7ff. Borsay: Network, 1–15. Favier: Réseau urbain, 17–23. Gierke: Genossenschaftsrecht. Blickle: Gierke, 245–267. Vgl. auch: Kroeschell: Rechtsgeschichte, 7. Distler: Städtebünde. Carl: Der Schwäbische Bund. Haug-Moritz: Der Schmalkaldische Bund.

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2. Die streitende Stadt

Formen der Kooperation unter den neuen Rahmenbedingungen des 17. und 18. Jahrhunderts einen schweren Stand hatten. Das im 14. Jahrhundert geschlossene Bündnis knüpfte nicht zufällig an das Bild der biblischen Dekapolis an. Die Reichsstädte am Oberrhein, die in Auseinandersetzung mit der vorderösterreichischen Landvogtei ein regionales Profil generierten, stilisierten sich als Taktgeber eines neuen gelobten Landes.86 An den Gestaden des neuen Jordans lagen indes nicht nur Reichsstädte kleinerer und mittlerer Größe. Neben vorderösterreichischen Territorien waren hier auch die Reichsstadt Straßburg und der eidgenössische Ort Basel zu finden.87 Diese wichtigen Akteure, die ihrerseits eigene Raumkonzepte oberrheinischer Identität entwickelten, sollten tunlichst auf Distanz gehalten werden. Man versuchte, zwischen den Machtpolen, die sich im Umfeld entwickelt hatten, eine eigene – politische und wirtschaftliche Kooperationen erleichternde – Raumimagination zu etablieren. Dies konnte zumindest partiell funktionieren, solange die regionalen Schwergewichte sich gegenseitig in Schach hielten. Sobald diese Geschäftsgrundlage entfiel, war der Städtebund kaum überlebensfähig.88 1660 erhoben die Reichsstädte Kaysersberg, Münster und Türkheim Klage gegen die Schwesterstadt Colmar.89 Diese habe gegen einen 1592 gemeinsam verabschiedeten Zolltarif verstoßen, der ihnen Handelserleichterungen gewährt hatte. Der Markt von Colmar sei für sie von immenser Bedeutung und jede neuerliche Zollbelastung kaum erträglich. Man habe sie in den vergangenen Jahren toleriert, da die Bürger der umliegenden Reichsstädte während des Krieges auf den Schutz Colmars angewiesen gewesen seien. ,,So bald aber der getreue Gott aus seiner grundlosen Barmherzigkeit unser geliebtes Vatterlandt Teütscher Nation mit dem Edlen hocherwinschten Friden widerumb beseeleget“, habe man Einspruch gegen die neuen Belastungen erhoben. Da Colmar eine eng verbündete Stadt sei und sie alle Probleme auf dem Wege des Einverständnisses gelöst habe, sei es umso bedauerlicher, dass nun keinerlei Kompromisssignale vom Klagegegner ausgingen. Es bleibe daher nichts anderes übrig, als den Magistrat der Stadt wegen der Einführung von Abgaben zu verklagen, die den Vorschriften des Westfälischen Friedens und der kaiserlichen Wahlkapitulationen widersprächen. Was war geschehen? Warum gelang es nicht, den Streit in einem Schiedsverfahren zu regeln – ein Modus, der – wie Kläger betonten – bislang reibungslos funktionierte? Die Antwort auf diese Fragen war ernüchternd 86 87 88

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Zum Begriff der regionalen Identität: Schmitt-Egner: Identität, 129–158. Die Komplexität der sich überlappenden Raumimaginationen im Elsass zeigt sich am Beispiel der Positionierung von Mulhouse als eidgenössische Stadt: Oberlé: Mulhouse. Nicht zu übersehen sind allerdings die fortdauernden Konflikte innerhalb des Bündnisses: Sittler: Décapole. Vogler (Hg.): Décapole. Verwiesen sei zudem auf das noch laufende Habilitationsprojekt ,,Urbanisierung im Elsass im 12. und 13. Jahrhundert“ von Gabriel Zeilinger. AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, K. 1885, Elsaß, Städte Kaysersberg, Munster und Thüringheimb vs. Colmar, Mandatsprozess, 1660–1671.

2.3 Unsere lieben Brüder – Städtebünde, Städtenetze, Städtetage

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einfach. Mit der Übernahme der Landvogtei Hagenau durch den König von Frankreich im Jahre 1648 sahen sich die Reichsstädte einer neuen machtpolitischen Lage gegenüber.90 Weder das Haus Habsburg noch die Eidgenossenschaft, geschweige denn die Reichsstadt Straßburg waren fähig oder willens, den Bourbonen Paroli zu bieten und für die Rechte der Reichsstädte eine militärische Auseinandersetzung zu riskieren. In Colmar hatte man dies erkannt und die alte Kooperation mit den Bündnispartnern weitgehend eingestellt.91 Die Situation des Zehnstädtebundes, dessen Glieder 1679 endgültig aus dem Reichsverband ausschieden, stellte sicherlich einen Extremfall dar.92 Er verdeutlichte jedoch ein Grundproblem, mit dem auch die fränkischen und schwäbischen Reichstädte konfrontiert wurden. Die Reichsfürsten hatten sukzessive ihre fiskalischen und militärischen Möglichkeiten verstärkt. Sie wurden als Gegner gefährlicher und als Bündnispartner zunehmend interessant. Die Bildung von Einungen wie dem Schwäbischen Bund, der Fränkischen Einung, aber auch dem Schmalkaldischen Bund oder der Union Ahausen, in denen Reichsstädte sich mit Rittern, Grafen und Fürsten zusammenschlossen, ließ am neuen Kooperationszwang keinerlei Zweifel. Die konfessionellen, ökonomischen und juristischen Interessen der Reichsstädte waren nicht gegen, sondern nur mit den Fürsten durchsetzbar.93 Dies sagte weniger etwas über den Bedeutungsverlust der Städte aus, als vielmehr etwas über den geringen Stellenwert, den die Senatoren dem strukturellen Gegensatz zwischen Stadt und Fürstenhof einräumten. Man vermied Konfrontationen und strebte nach Anerkennung.94 Eben die erhielten die Reichsstädte mit dem Bundesschluss, denn hier wurden die Senatoren von den Landesherren – auch den Habsburgern – als gleichberechtigte Akteure akzeptiert. Städte und Fürsten wuchsen zu einem Leib zusammen. Die Attraktivität dieses Modells zeigte sich daran, dass es von den Reichskreisen in modifizierter Form adaptiert wurde.95 Das Conclusum des schwäbischen Reichskreises vom 21. Mai 1689 zählte die Vertreter von 61 Ständen auf – 31 davon waren Reichsstädte. Anders als etwa auf der eidgenössischen Tagsatzung waren auf der Sitzung des Kreises in 90 91

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Zur Kontinuität der Besetzungen: Ohler: Frankreich. Eine wichtige Fallstudie: Wallace: Communities, 109ff. AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, K. 1885, Elsaß, Städte 1671, Diverse Gravamina, Zehn Elsässische Vereinstätte in Specie Meister undt Rhat der Reich Cammer und Statt Hagenau in Litteris ad Imperatorem de dato 5 Augusti. Zur reichsrechtlichen Position der zehn Reichsstädte bis in das 18. Jahrhundert: Gumpelzhaimer, C. G.: Versuch einer actenmässigen Geschichte der zehen vereinigten Reichsstädte im Elsaß von ihrem Ursprung bis auf gegenwärtige Zeiten, Ulm 1791. Vgl. dazu: AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, alt A 80, AB I/1, Hansestädte (Anseestädte) vs. England, 1564 – 1566, die Stöhrung des freyen commercii betr., Handelsstreit zwischen den Hansestädten und dem Königreich England. Carl: Der Schwäbische Bund. Haug-Moritz: Der Schmalkaldische Bund. StadtA Schwäbisch Hall, 5/597, Protokoll 2. und StadtA Schwäbisch Hall, 5/597, Protokoll 1.

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2. Die streitende Stadt

der Reichsstadt Ulm keine Standeshäupter vertreten. Den Bischof von Konstanz suchte man hier ebenso vergeblich wie den Herzog von Württemberg oder den Bürgermeister von Ulm. Stattdessen trafen hier der Geheimrat von Rühle und der Oberrat Dr. Jakob Schröder als Vertreter Württembergs, der Hofrat Dürheimer als Vertreter des Bischofs von Konstanz oder der Kriegsrat Rad als Vertreter der Reichsstadt Ulm zusammen.96 Wie auf den Reichstagen so erfolgten auch auf den Kreistagen die Beratungen innerhalb der Standesgruppen. Bei Abstimmungen indes besaß jeder Kreisstand – auch der kleinste – eine Stimme.97 Auch war die Bedeutung der reichsstädtischen Bank, schon aufgrund des ökonomischen Gewichts ihrer Vertreter, auf Kreistagen ungleich höher als jenes der reichsstädtischen Kurie beim Reichstag. Zudem hatten die reichsstädtischen Juristen dieselbe akademische Sozialisation wie die fürstlichen Standesvertreter genossen und waren (etwa im Falle Schwäbisch Halls) mit ihnen vielfach klientelär bzw. familiär vernetzt.98 Von einer Fürstendominanz, einer Unterwerfung der Städte unter den Hof, konnte daher keine Rede sein. Diese Rahmenbedingungen trugen dazu bei, dass die Treffen der Städtetage seltener wurden und auch die Präsenz der Reichsstädte auf dem Reichstag zu wünschen übrig ließ.99 Es gibt Hinweise darauf, dass die gemeinsame Vertretung reichsstädtischer Interessen gegenüber den Reichsfürsten nunmehr vorrangig im Rahmen der Kreisorganisation betrieben wurde. Im Jahre 1710 richteten beispielsweise die Reichsstädte des Reichskreises Schwaben an den Kaiser eine gemeinsame Petition.100 Es sei dem Kaiser bereits wiederholt vorgetragen worden, was gestalten das Reichs-Stättische Collegium in Schwaben von 32 Stätten zwar zahlreich, jedoch in solchen bedaurlichen Zustand sich befinde, dass Es in bälde vollendts in gäntzlichen Ruin und Zerfall gerathen muß, dafern nicht Euer Kayserliche Mayestät dero allhöchste Hülfs Hand selben scheunig mit seiner Macht anzugedeiyhen lassen würde.

Die einst so blühenden Reichsstädte, die die Kronjuwelen des Reiches bildeten, seien in Verfall geraten. Wo lagen die Gründe? Da seien zunächst einmal die hohen Abgaben an Kaiser und Reich, die sich in Kriegszeiten noch erhöh96 97 98

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GLA Karlsruhe, 51/Grhzgl. HstA, VI 1 Schwäbische Kreisakten, Fasc. 174a. Stollberg-Rilinger: Kaisers, 50ff. Dort, wo ihre Position am stärksten war – im fränkischen und im schwäbischen Reichskreis – funktionierte auffälliger Weise auch die Kreisverfassung am effizientesten. Man kann also geradezu von einem symbiotischen Verhältnis zwischen Reichsstadt und Reichskreis ausgehen. Einen Überblick bietet: Dotzauer: Deutschen Reichskreise. Schmidt: Städtetag. Vgl. demgegenüber die Vertretung der Landstädte in den Territorien: AT-OeStA/HStA RHR, Denegata recentiora, alt M 23, AB I/1, Mecklenburg modo Bürgermeister und Rat der Vorderstadt Neubrandenburg; für sich und im Namen der übrigen Städte des Stargardischen Kreises vs. Mecklenburg modo Herzog zu Mecklenburg-Strelitz, 1750. AT-OeStA/HStA RHR, Denegata recentiora, K. 1268/16, AB I/1, Schwäbischer Kreis, Reichsstädte, 1710, diverse Gravamina.

2.3 Unsere lieben Brüder – Städtebünde, Städtenetze, Städtetage

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ten. Die Anschläge stammten noch aus Zeiten, als der gesamte Handel und Wandel noch in den Reichsstädten seinen Schwerpunkt gehabt habe. Ihre Besteuerungssätze seien daher überproportional hoch. Ja, die Belastungen drohten nunmehr zu einer Überschuldung dieser Gemeinwesen zu führen. Der Beschluss des Kreises, ausstehende Zahlungen nunmehr mit Gewalt einzutreiben und Kreisexekutionen zu veranlassen, sei in diesem Zusammenhang alles andere als hilfreich.101 Dies gelte umso mehr, als die Territorialherren alles andere als unschuldig am Niedergang der Städte seien. Es sei wohl bekannt, dass aus allerhand privat und neben Absichten das restirende wenige Commercium von denn Reich Stätten gänzlich ab- und vermittelst der in der Voder österreich. Landen und andren Orthen in Schwaben wider altes Herkommen je länger je mehr erhöhenden Zöllen und Imposti errichtene neuerlichen Land Straßen und beschwehrlichen Hemmung der Schwäb. Fuhren in Pündten und sonsten [...] anderwerts hin gezogen

werden solle. Die Klage über die missgünstigen Fürsten, die den freien Städten den Wirtschaftskrieg erklärt hatten, durfte in Zweifel gezogen werden. Bei näherem Hinsehen konnte von einem wirtschaftlichen Verdrängungswettbewerb zwischen Landstädten und Reichsstädten nur bedingt die Rede sein.102 Als ein Beispiel aus dem oberrheinischen Reichskreis sei der Ausbau der Stadt Hanau durch die Grafen zu Hanau zu Beginn des 17. Jahrhunderts genannt. Hanau nahm einen Großteil der wallonischen Flüchtlinge auf, die zuvor in Frankfurt gesiedelt hatten, und entwickelte sich zu einem Standort für Manufakturen, der mit der Reichsstadt konkurrierte. Das Kapital für zahlreiche der dort entstehenden Anlagen stammte aus Frankfurt selbst. Die Reichsstadt und ihre Bürger verdienten an den Manufakturen, ohne allerdings die lästigen Arbeitsstätten, die erhebliche Unruhe ausgelöst hatten, und ihre reformierten Betreiber weiterhin dulden zu müssen. Die Manufakturblüte in Hanau war damit vor allem auf Antagonismen innerhalb der Frankfurter Bevölkerung und auf die Mithilfe wohlhabender reichsstädtischer Bürger zurückzuführen.103 101

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Es sei, so die Antragsteller ,,die militarische Execution wider die nicht ein-haltende Con Status resolviert und beharret worden ist, dergleichen erst zu Ende vorigen Jahrs, ungeachtet der Reich-Stätt. Remonstration Lit. G verhängt, und so rigorose außgeübt worden ist, dass die militariche Creiß Execution unter anderen bey denen von Fründt und Feind ausorgt ruinierten 2 Vorsitzenden Stätten Augspurg und Ulm nicht nur etliche Tagen und Wochen, sondern etliche Monat auf dem Hals ligend gelassen worden, dass also menschlichen Ansehens nach keine Hoffnung zu machen, jemahlen in Circulo Suevico zu einer Perequation oder andern mehr proportionierten universalen Provisional Mittel unter einander zu gelangen“ (ibd.). So betont Gall, ohne die ebenfalls zu beobachtenden Brüche zu unterschlagen, auf der Basis zahlreicher Einzelfallstudien die Elitenkontinuitäten in zahlreichen Reichs- und Landstädten zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert: Gall: Bürgertum, 1–18. Zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung Frankfurts im 18. Jahrhundert: Dietz: Handelsgeschichte, Bd. 1, 88ff. Duchhardt: Frankfurt, 284. Klötzer: Reichsstadt. Mau-

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2. Die streitende Stadt

Das Verhältnis zwischen Hanau und Frankfurt wurde also weniger durch Konkurrenz als durch eine funktionale Arbeitsteilung innerhalb eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes bestimmt.104 Ähnliches galt auch für die beiden Städte Altona und Hamburg (im niedersächsischen Reichskreis), die sich in einem gewachsenen Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeiten befanden. Wurde dieses Gleichgewicht gestört, etwa durch die Gründung von konkurrierenden Handelszentren durch den dänischen König, so war die Reichsstadt gerade durch ihre geschickte Bündnispolitik mit anderen Reichsständen bzw. europäischen Königshäusern in der Lage, den Rivalen in die Schranken zu weisen.105 Die Beschwerde über die missgünstigen Territorialherren, die aus Neid und Hass gegen die Reichsstädte allen Handel an sich zogen, war also wenig stichhaltig. Sie diente den Reichsstädten, die im Jahre 1710 ihren Protest beim Reichshofrat zum Ausdruck brachten, gleichwohl dazu, die Rechtsposition der Gegenseite zu erschüttern. Tatsächlich ging es nicht um den Kampf freier Republiken gegen heimtückische Fürsten, sondern schlicht um den reichsstädtischen Versuch, die Reichsmatrikel zu revidieren.106 Die hohe Besteuerung der Reichsstädte, die ein Erbe des 16. Jahrhunderts war, war ein dauerhafter Beschwerdepunkt. Wenn eine Reichsstadt wie Augsburg durch den Spanischen Erbfolgekrieg mit Lasten in Höhe von 4.575.500 fl.

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ersberg: Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 324ff. Frankfurt konnte seinen Platz als überregionale Messestadt (trotz Leipziger Konkurrenz) mit einigen Abstrichen behaupten und seine Position als regionales Handelszentrum ausbauen. Der Reichtum der Stadt wurde unter anderem darin sichtbar, dass die Zahl einheimischer Kaufleute auf der Frankfurter Messe im 18. Jahrhunderts deutlich zunahm und die kulturelle Entwicklung einen erstaunlichen Aufschwung nahm. Manufakturen konnten sich nur in geringer Zahl ansiedeln. Dies lag vor allem daran, dass der florierende Handels- und Dienstleistungssektor die Insuffizienzen im produzierenden Gewerbe ausglich. Der Innovationsdruck war somit äußerst gering. Dazu trug auch die Tatsache bei, dass die umliegenden Territorien günstige Investitionsbedingungen für Manufakturen bereitstellten. Die Hauptinvestoren, die man, z. B. in Hanau, vornehmlich anlockte waren Frankfurter Bürger. Die Reichsstadt partizipierte somit über den wachsenden Wohlstand einzelner Bürger und die größer werdende Bedeutung der Region indirekt auch am gewerblichen Aufschwung. In anderen Reichsstädten wurde neben dem Handelssektor mit großem Erfolg auch der gewerbliche Sektor gefördert. Vgl.: Laufenberg: Hamburg, 53–58. Zorn: Handels- und Industriegeschichte, 12–70. Zorn: Reichsstädte Bayerisch Schwabens, 113ff. Dirr: Augsburger Textilindustrie, 28–31. Zur Kooperation zwischen Reichsstadt und Umland vgl. auch: Ebeling: Bürgertum, 69. Ein anderer Entwicklungsverlauf war in Isny zu beobachten. Dort gelang es den Manufakturisten, die wirtschaftspolitischen Entscheidungen des Rates wesentlich zu prägen: Hauptmeyer: Verfassung. Die rechtliche Position der Stadt und die wirtschaftlichen Implikationen des Streites erschließen sich aus: AT-OeStA/HHStA MEA Zollsachen 18-1, Titel Eingabe der Stadt Hamburg wegen Aufhebung des Zolls in Glückstadt; Zollbefreiungen im Reich, Entstehungszeitraum 1640–1644. Zur Funktion der reichsstädtischen Niedergangsrhetorik: Hoffmann-Rehnitz: Rhetoriken, 145–180.

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konfrontiert wurde und selbst das kleine Bopfingen 78650 fl. zu zahlen hatte, so konnte die Unverhältnismäßigkeit dieser geradezu ruinösen Besteuerung kaum bestritten werden.107 Diese hatte indes nicht mit dem Hass der Aristokraten wider den Bürger, sondern mit Rechtsvereinbarungen zu tun, die von den Reichsfürsten aus wohl erwogenen Eigeninteressen nicht verändert wurden. Die patriotischen Beschwörungsformeln der Senatoren, denen zufolge ein Untergang der Reichsstädte letztlich allen Ständen schade, stieß bei ihnen in Anbetracht der Summen, um die es hier ging, auf taube Ohren.108 Die Steuern waren indes nur einer von vielen Punkten, die Reichsstädte zu gemeinsamem Handeln zwangen. Eine weitere Beschwerde trugen die schwäbischen Reichsstädte dem Kaiser in einem Schreiben vom 6. Februar 1713 vor. Ein Streitfall zwischen einem Bürger der Stadt Augsburg und lechhäuserischen Untertanen sei, obwohl beide dem Gerichtsstab der Reichsstadt Augsburg unterworfen gewesen seien, an das kaiserliche Landgericht zu Ravensburg gezogen worden.109 Dem Kläger habe man freies Geleit (gegenüber seiner eigenen Obrigkeit) gewährt, den Beklagten jedoch aufgrund seines Nichterscheinens in die Acht getan und diesen Beschluss in den benachbarten Territorien öffentlich verlautbaren lassen. Man bitte den Kaiser dringlich einzuschreiten. Das Landgericht, das sich zu Unrecht als Berufungsinstanz der reichsstädtischen Justiz sehe, müsse endlich in die Schranken gewiesen werden.110 Beide Fälle – der Streit um die Reichsmatrikel ebenso wie jener um das kaiserliche Landgericht – zeigten, dass auch die Reichsstädte des 18. Jahrhunderts durchaus zu einer strategischen Netzwerkbildung fähig waren. Formelle Bündnisse, die die Städtevertreter an Bundestagen zusammenführten, waren nicht mehr notwendig, um die reichsstädtischen Kommunikationsstrukturen zu stabilisieren. Man war über die Interessen des anderen und seine mögliche Reaktion bestens informiert und konnte daher kurzfristig und zielgerichtet Allianzen schließen. Dass die Senatoren der Reichsstädte im Bedarfsfalle 107 108

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AT-OeStA/HHStA Wien, RHR, Denegata recentiora, K. 1268/16, Schwäbischer Kreis, Reichsstädte, 1710, diverse Gravamina, Beilagen. Zu den Reichsmatrikeln und dem Konflikt über ihre Revision: Rauscher: Kaiser und Reich, 55. Hofer: Reichsstaatsrechtliche Untersuchung der Frage: Sind die Kreise des deutschen Reichs verpflichtet, ihren in den Kreis-Usual-Matrikeln beschwerten Mitgliedern bis zur Allgemeinen Rectification der Reichsmatrikel provisorische Erleichterung durch Herstellung eines billigen Ebenmaßes zu verschaffen? o.O. 1798. StA Sigmaringen, Dep. 30/12 T 3 Nr. 116. Allg. Kreistage in Ulm 1677. Gedr. Denkschrift der Reichsstadt Biberach an den Reichstag betr. Moderation der Reichsmatrikel. Sowie: IPO VIII, Paragraph 3. AT-OeStA/HHStA Wien, RHR, Denegata recentiora, K. 1268/10, Schwäbischer Kreis, wg. Landgericht. Prozeß der Reichsstadt Buchau (Kläger) vor dem Reichshofrat in Wien gegen Johann Gebhard aus Buchau (Beklagter) wegen widerrechtlicher Eingriffe in die Bestellung des Stadtbotenamts und Aufhebung des Urteils des Landgerichts Schwaben, Malstatt Ravensburg (StadtA Buchau 89).

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2. Die streitende Stadt

weiterhin miteinander kooperierten, zeigte sich nicht zuletzt im Verlaufe von Rechtsverfahren vor dem Reichshofrat. Als Beispiel seien die Bürgerprozesse der Reichsstadt Mühlhausen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts genannt. Der Kommissionsbefehl des Reichshofrates vom November 1640 erging nach Klageerhebung der Bürgerschaft an die Reichsstände Hessen-Darmstadt und Nordhausen.111 Zwischen den Senatoren dieser Reichsstadt und der beklagten Obrigkeit in Mühlhausen entspann sich rasch ein intensiver Briefverkehr. Die Nordhäuser, so erklärten die Mühlhäuser Amtsbrüder, sollten das Verfahren so lange wie möglich verschleppen. Auf diese Weise würde ihnen die Möglichkeit gegeben, die innerstädtischen Probleme mit Hilfe des Kurfürsten von Sachsen zu lösen. Nachdem sich die sächsische Unterstützung als wertlos erwies und die kaiserliche Kommission auf hessischen Druck hin die Verabschiedung eines Rezesses erzwang, der zu Ungunsten des Rates ausfiel, griff man den unterlegenen Kollegen ein weiteres Mal unter die Arme.112 Ohne Wissen der hessischen Kommissare erließ der Senat von Nordhausen einseitig Instruktionen (im Sinne von Erläuterungen des Rezesses), die die Vereinbarung in wesentlichen Punkten zugunsten des Rates veränderten.113 Als 1676 erneut eine Klage der Bürger in Wien einging, wiederholten die Senatoren das bewährte Verfahren.114 Man drang auf die Ernennung der Reichsstadt Nordhausen und des Herzogs von Sachsen-Gotha zu kaiserlichen Kommissaren.115 Der gütliche Hauptrezess zwischen Rat und Bürgerschaft, der unter ihrer Leitung ausgehandelt wurde, trug wiederum die Handschrift des Senats. Dieses Mal waren es die Bürger, die Neuverhandlungen erzwangen, indem sie die Unterschrift unter dem Vergleich verweigerten.116 In einem Nebenrezess – dessen Umsetzung vom Rat später systematisch verschleppt wurde – gelang es ihnen, einige ihrer Forderungen umzusetzen.117 Wenngleich die Blütezeit des Thüringischen Städtebundes mehr als 200 Jahre zurücklag118 , funktionierte die Zusammenarbeit zwischen den Senaten der beiden Reichsstädte offenkundig noch immer hervorragend. Dies hatte weniger etwas mit gewachsenen Bindungen als vielmehr mit der Tatsache zu 111

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StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 1, 216r-219r; StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 3, 29r-30r. Der Erzbischof von Mainz, der zunächst zum Kommissar ernannt worden war, lehnte die Berufung ab, da er selbst Klage gegen den Rat führte. Der Kommissionsbefehl: StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 1, 164r-165r. Der Streit um die Ablehnung des Erzbischofs: StadtA Mühlhausen, J 7 c, Bd. I, 107r-110v. Zu den Kommissionen: Moser: Reichstättisches Handbuch, 454ff. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 3, 335r-339r. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 3, 364r-374v. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 6, 77r-88v. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 7, 149r-153r, 157r-v. Kommissionsbericht vom 26.5.1679: StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 7, 485r-497v. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 8, Der Erläuterungsrezeß von 1681 (inklusive Änderungsvorschlägen beider Seiten). Mägdefrau: Städtebund. Mägdefrau: Thüringer Städte und Städtebünde.

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tun, dass die Nordhäuser Obrigkeit vor ähnlichen Problemen stand wie ihre Mühlhäuser Kollegen. Auch hier gab es unzufriedene Bürger, die das Geschehen in der Nachbarstadt genau beobachteten.119 Die Nordhäuser Senatoren waren daher bemüht, durch enge Kooperation mit dem wohlweisen Rat der Reichsstadt Mühlhausen des Kaisers Macht im Zaume zu halten. Es galt, den Reichsinstitutionen zu zeigen, wo die Grenzen des Durchsetzbaren lagen. Man wollte Wien nach allen Regeln der Kunst ausbremsen. Die durchaus erfolgreiche Kooperationsgemeinschaft der um ihre Macht fürchtenden Senatoren war beliebig erweiterbar: 1694 suchten Nordhausen und Mühlhausen etwa das Bündnis mit der Reichsstadt Goslar, um den Reichshofrat durch höhere Steuerzahlungen von der Verfahrenseröffnung in einigen missliebigen Streitfällen abzuhalten.120 Lose in dieses strategische Netzwerk der drei Städte integriert waren – wie das Beispiel Sachsen-Gotha zeigte – auch kleinere Reichsfürsten. Zudem kooperierte man zeitweise mit Kreisdirektoren und städtischen Schutzherren. Der Nutzen des reichsstädtisch-fürstlichen Schutzschirms gegen Bürgerprozesse lag im Zeitgewinn, den er den Obrigkeiten verschaffte. Mehr war nicht zu erreichen. Letztlich hatten sich kaiserliche Kommissare gegenüber dem Reichshofrat für ihr Verhalten zu rechtfertigen.121 Kam Wien zu dem Ergebnis, dass der erwünschte Erfolg ausblieb und ein Konflikt nicht erfolgreich beigelegt wurde, so wurden neue Kommissare ernannt.122 Der vermeintliche Kompetenzvorsprung, den Wien dem reichsstädtischen Senat in einer reichsstädtischen Angelegenheit zugebilligt hatte, war in diesem Falle langfristig verspielt. Informationen über die Haltung von Reichshofrat, Reichskammergericht und Reichskanzlei wurden, wie dieses Beispiel zeigt, für die Reichsstädte immer wichtiger.123 Neben die strategische Netzwerkbildung auf regionaler Ebene musste die genaue Beobachtung von Reichshofrats- und Reichskammergerichtsprozessen treten, die andere (oft weit entfernte) Reichsstädte 119 120 121

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Klage der Bürger vor dem RHR gegen den Rat Nordhausens 1712: Silberborth: Geschichte, 354–596. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 31, 43r-51v. Dies grenzte auch die Möglichkeiten der Protektion der Kreisdirektoren ein, wie etwa im Falle Leutkirchs. Dessen protestantische Majorität stand unter dem Schutz Württembergs, das sich allerdings in Prozessen zwischen 1714–1727 gezwungen sah, die Klagen der katholischen Minderheit in der Stadt im Auftrag des Kaisers zu untersuchen und sie zumindest teilweise zu unterstützen. Roth: Leutkirch. So stärkte das Scheitern der kurmainzischen Kommission für Ravensburg 1650–60 die Position der kreisausschreibenden Fürsten: Dreher: Ravensburg, 438ff. Dies führte 1790 schließlich zur Herausgabe einer Zeitschrift, die sich ausschließlich mit diesen Prozessen beschäftigte: Juristisches Magazin für die deutschen Reichsstädte, hg. v. Ulrich Jäger, 6 Bde., Ulm 1790–97. Die Bedeutung dieser Literatur für die reichsstädtischen Senate zeigte sich etwa im Aufbau der Ratsbibliotheken: Finke: Ratsbibliothek, 118–135. Weber: Ratsbibliothek.

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betrafen. Als Kommunikationskanäle und Netzwerkbildner fungierten in der Regel Advokaten, Prokuratoren und Agenten.124 Sie schätzten die Chancen der eigenen Klienten (der Senatoren ebenso wie der Bürger) gemäß der Rechtsprechung des jeweiligen Reichsgerichtes in vergleichbaren Fällen ein.125 Der beständige Blick nach Wien und Wetzlar, die Omnipräsenz der Anwälte, die beständige Drohung, in einen weiteren Prozess hineingezogen zu werden, veränderten das Verhalten der Obrigkeiten und der Bürger. Die Frage, welche rechtlichen Folgen eigene Handlungen haben könnten, wurde zu einer beständigen Begleiterin der städtischen Akteursgruppen. Der von Wien forcierte Verrechtlichungsprozess sozialer Konflikte in der Stadt bewirkte damit nicht nur – wie mehrfach erwähnt – eine Homogenisierung der politischen Kultur der Reichsstädte, er führte auch zur Entwicklung spezifisch reichsstädtischer Rechtspositionen. Bürger und Räte der Reichsstädte lernten – auch dies zeigte das vorangegangene Beispiel – aus dem Erfolg oder Misserfolg von Prozessstrategien und entwickelten immer neue Techniken, um den Reichshofrat im eigenen Sinne zu beeinflussen.126 Eine erfolgreiche Konfliktlösung war vor allem dann wahrscheinlich, wenn beide Prozessparteien das Ergebnis des Prozesses akzeptierten. Wien war daher bestrebt, die juristischen Positionen der Streitparteien in der eigenen Rechtssprechung zu berücksichtigen. Das Reich prägte damit nicht nur in zunehmendem Maße die Reichsstädte, sondern die Reichsstädte prägten auch die Rechtsprechung des Reiches.127 Die Reichsstädte waren in diesem Sinne im 17. und 18. Jahrhundert durchaus als kollektive Akteure im Reichssystem aktiv. Bemerkenswert war die Vielschichtigkeit und Vielstufigkeit der translokalen Kooperation. Nicht nur Senatoren, sondern auch Gilden, Zünfte, Untertanenverbände und jüdische Gemeinden schlossen informelle Kooperationsbündnisse höchst unterschiedlicher Intensität und Lebensdauer. An die Stelle der von Anwesenden begründeten formalisierten Einungen war der flexible und offene Interessenverbund jener getreten, die einander meist nie begegnet waren.

2.4 „Unsere gnädigen Herren“ – die Genese regionaler Identitäten Reichsstädte waren, wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, zur beständigen Strukturanpassung gezwungen. Sie waren Mitgestalter der 124 125 126 127

Baumann: Prokuratoren, 179–197. Ehrenpreis: Reichshofratsagenten, 165–177. Zur Rolle der Reichshofratagenten als Informationsbroker: Gestrich: Absolutismus. Troßbach: Bewegung. Vgl. die Darstellung der Entscheidungsfindung im Falle Frankfurt: Hohenemser: Frankfurter Verfassungsstreit.

2.4 ,,Unsere gnädigen Herren“ – die Genese regionaler Identitäten

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Kreis- und Reichsstrukturen. Kaiser, Fürsten, Grafen, Ritter und die reichsstädtischen Brüder waren ihre Partner, auf deren Interessen sie Rücksicht zu nehmen hatten. Die eigentliche Basis ihrer ökonomischen Macht und ihrer kulturellen Ausstrahlungskraft lag jedoch nicht auf der Reichs- oder der Kreisebene, sondern in ihrem unmittelbaren Einzugsgebiet. Die Stadt ist – so stellte bereits Sombart fest – auf ihr Umland angewiesen. Sie erzeugt weniger primäre Güter, als sie verbraucht, und bedarf des Imports, um sich ernähren zu können.128 Doch die Stadt ist nicht nur ein Verband der Fordernden. Sie generiert einen funktionalen Bedeutungsüberschuss und stellt zentrale Güter zur Verfügung.129 Manche dieser Güter werden noch aus weiter Entfernung nachgefragt – etwa sakrale Dienstleistungen –, andere sind nur für einen Kundenkreis interessant, der in unmittelbarer Näher zur Stadt angesiedelt ist. Noch ein anderer Faktor macht die Definition dessen, was als Einzugsgebiet einer Reichsstadt anzusehen war, schwierig: Die Einzugsgebiete von Städten überschnitten sich im 17. und 18. Jahrhundert, dass eher von einem multipolaren Feld als von einem zentralisierten Raum auszugehen war.130 128 129

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Sombart: Begriff der Stadt, 1ff. Güter können hier zentral und unter normierten Bedingungen sicher getauscht werden, politische und juristische Entscheidungen mit überlokaler Ausstrahlungswirkung werden getroffen sowie sakrale Ressourcen eröffnet, die Menschen von weither heran strömen lassen. All diese Aufgaben könnten auch dezentral gelöst werden. Europa kennt weitgehend städtefreie Zonen – wie Island und zeitweise auch Irland –, in denen gleichwohl stabile Herrschaftsstrukturen ausgebildet wurden, eine weitgehende Homogenität des Kultes gewährleistet war und der Warenaustausch auf der Grundlage gelegentlich abgehaltener Märkte durchaus funktionierte. Die Stadt als permanenter Agglomerationsbereich bildete nur eine – keineswegs unumgängliche – Möglichkeit, die angesprochenen Aufgabenbereiche zu erfüllen. Vgl.: Nicholls: Ireland. Das von Christaller geprägte Modell der zentralörtlichen Systeme, das von einer Abstufung von Zentralitäten moderner Städte ausgeht, ist – wie Hans Heinrich Blotevogel feststellte – eine mögliche, nicht aber eine zwangsläufig zu beobachtende Interaktionsstruktur zwischen urbanen Zentren. Auch für ein System von gleich geordneten, arbeitsteilig funktionierenden Zentren gilt gleichwohl das von Christaller herausgearbeitete Prinzip der begrenzten Reichweite zentraler Güter. Christaller unterschied zwischen einer oberen oder einer unteren Reichweite. Letztere bezeichnet das Gebiet, das eine Mindestzahl von Konsumenten eines Gutes enthält, die für dessen wirtschaftlichen Vertrieb benötigt werden. Die erstgenannte Entfernung ist demgegenüber die höchstmögliche, ökonomisch noch tragfähige Distanz eines Konsumenten von dem jeweiligen Zentrum, das das Gut bereitstellt. Dass die von Christaller festgesetzten kreisförmigen Einzugsgebiete und seine nüchternen ökonomischen Kosten-Nutzen Berechnungen zu kurz greifen, ist sattsam bekannt. Die Kritikpunkte an seiner Theorie falsifizieren indes nicht die grundsätzliche Feststellung, dass die Stadt Güter für ein Umfeld produziert und dieses Umfeld je nach Attraktivität dieses Gutes in seinen Grenzen variiert. Der scheinbar so griffige Terminus städtisches Umland ist damit von vornherein eine nur schwer zu fassende Größe – ist doch die Frage seiner Grenze abhängig von den jeweiligen Beobachtungsparametern. Auch die Frage, wo das Umland beginnt und die Stadt endet, bereitet Geographen erhebliche Schwierigkeiten. Die typische Vorstadt schlechthin, so fasst eine neuere Studie zusammen, gibt es nicht. Vgl.: Blotevogel: Zen-

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2. Die streitende Stadt

Ungeachtet der Schwierigkeiten, das städtische Umfeld näher zu bestimmen, war die raumbildende Prägekraft der Stadt – ob Reichs- oder Landstadt – kaum zu bestreiten.131 Sie entfaltet sich vor allem auf der Grundlage ihrer Marktfunktion, wobei der Marktbegriff sowohl in seinem konkreten wie in seinem funktionalen Kontext Verwendung findet. Unter Markt soll in diesem Sinne ein intraurbaner, interurbaner, aber auch urban-ruraler Begegnungsraum verstanden werden, auf dem ein geregelter Güteraustausch stattfindet. Marktordnungen können damit als Zwischenergebnisse eines komplexen Entscheidungsbildungsprozesses über Transferregeln bezeichnet werden, in dessen Rahmen Rat und Bürgerschaft der gastgebenden Stadt eine tonangebende Position einnehmen.132 Die nicht-städtische Bevölkerung kann ihre Interessen in diesem Prozess mit einbringen, muss sich aber prinzipiell den Regeln der Stadt beugen, wenn sie als Marktteilnehmer erfolgreich sein will. Der Markt ist daher auch ein Ort des Informationstransfers, auf dem die ländlichen Besucher urbane Verhaltensnormen erlernen und zugleich in Berührung mit neuen Konsumtions- und Produktionsmöglichkeiten kommen. Die Stadt weckt Begehrlichkeiten und sie eröffnet Perspektiven des Kapitalerwerbs. Ein Resultat des kurzzeitigen Stadtaufenthaltes kann Einwanderung in die Stadt sein.133 Die Integration der Neuankömmlinge verläuft, wie die historische Migrationsforschung hat zeigen können, sehr unterschiedlich. Sie kann durch den Einkauf in das Bürgerrecht oder über den Umweg des Lehrlings- bzw. Gesellenstatus erfolgen. Der Migrant und seine Nachkommen können aber auch im Status des minderprivilegierten Mitbewohners (des Beisassen) verharren.134 Wer in die Stadt zieht, nimmt zugleich das Wissen über die Strukturen des Landes mit sich und bleibt in familiären Netzwerken verhaftet, die über die Stadtmauern hinausreichen. Migration, zumal stetige und zahlenmäßig signifikante, förderte den Informationsfluss und die Bindung zwischen dem alten und dem neuen Wohnort.135 Die Grenze zwischen Stadt und Land war nicht nur fließend, sie war, wie zahlreiche Untersuchungen verdeutlichen, auch durchlässig. Verdichtungs-

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trale Orte, 9–25. Christaller: Zentralen Orte in Süddeutschland. Sieverts: Zwischenstadt. Burgess: Growth, 156–163. Hoyt: Structure. Harris/Ullmann: Nature of cities. Vgl.: Gregory (Hg.): Human geography, Kapitel 8. Agnew (Hg.): Human geography, 378– 384. Ipsen: Raumbilder, 102ff. Zur Position der Reichsgerichte innerhalb dieses Prozesses: Härter: Reichskammergericht, 247/48. Vgl. auch: RA 1654 §106 (Schmauß (Hg.): Neue und vollständigere Sammlung der Reichsabschiede, welche von den Zeiten Kayser Konrads II. bis auf jetzo auf den Teutschen Reichs – Tagen abgefasset worden, sammt den wichtigsten Reichs – Schlüssen so auf dem noch fortwährenden Reichs – Tage zur Richtigkeit gekommen sind. In vier Theilen. Frankfurt 1747). Moser: Reichstättisches Handbuch, 305ff. Zu den Push- und Pull-Faktoren von Migrationsbewegungen (bei aller Vorsicht hinsichtlich der Anwendung in historischen Studien): Scholz: Verstädterung, 341–385. Ehbrecht: Ordnung, 38. Steinbrink: Leben.

2.4 ,,Unsere gnädigen Herren“ – die Genese regionaler Identitäten

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prozesse verliefen schon aus diesem Grunde weder linear noch einseitig. Seit den ersten Entwicklungen einer Konzentration und arbeitsteiligen Organisation des exportorientierten Textilsektors waren im nordalpinen Bereich Entwicklungen zu beobachten, die der von Richardson entwickelten ,,Polarisation-Reversal-Hypothese“ zumindest in Teilen entsprechen.136 Die großen Arbeitsmarktressourcen, der Marktzugang, die politische und militärische Absicherung verleihen den Städten in diesem Prozess zunächst einen deutlichen Standortvorteil. Sie ziehen – wie etwa Augsburg, St. Gallen oder Memmingen – mobile Produktionsfaktoren aus anderen Landesteilen an und ermöglichen einen sich selbst tragenden Wachstumsprozess.137 Es bildet sich auf diese Weise eine Zentrum-Peripherie-Raumstruktur. Überschreitet die Größe der Agglomeration allerdings einen kritischen Punkt, so kehrt sich das Verhältnis um. Die Agglomerationsnachteile (wie vor allem das Steigen der Bodenpreise und der Löhne) beginnen die Vorteile zu überwiegen und die Stadt beginnt ihre Produktion teilweise wieder auf das Land oder in Subzentren auszulagern. Dies kann geplant oder ungeplant, im Konsens oder im Konflikt mit dem Land geschehen. Zu erheblichen Problemen führte in den Reichsstädten der Frühen Neuzeit die Konkurrenz zwischen Land- und Stadthandwerkern. Trotz Einrichtung einer sogenannten Bannmeile durch den Senat, innerhalb derer die gewerbliche Produktion verboten war, konnte der Protest der Zünfte gegen ihre Konkurrenten vom Lande kaum gemindert werden. Vorwürfe, das Landhandwerk könne die hohen Qualitätsstandards der Stadt nicht erreichen, wurden durch deren günstigere Preise aufgehoben.138 Dass nicht nur arbeitsaufwändige Produktionsvorgänge in die Peripherie abwanderten, sondern das kostengünstige Land der Stadt auch Teile des Handelssektors abspenstig machen konnte, demonstrierte das Beispiel Schwäbisch Hall. Zur kommerziellen Konkurrenz von Land und Stadt gab der Rat dem Reichskammergericht in einem Schreiben vom 16.5.1798 folgende Auskunft: Das Salz und der Wein sind die Hauptnahrungszweige des Bürgers zu Hall. Die Hallischen Untertanen auf dem Lande sind durch ihren Wohlstand dahin gekommen, dass sie sich mehrmals beträchtliche Wein Vorräte [...] im Ausland angeschafft und damit Handel getrieben haben. Die Anmaßung dieser bürgerlichen Gewerbe hat hauptsächlich veranlasst, dass man den hergebrachten Bodenschatz etwas vermehrt hat.139

Diese im Rahmen eines Prozesses zwischen Landuntertanen und Rat gemachte Aussage stand den Angaben der ländlichen Schultheißen entgegen, 136 137

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Richardson: Polarization, 67–85. Zur Genese regionaler Wirtschaftsräume in der Frühen Neuzeit: Ebeling/Schmidt: Handwerkswirtschaft, 249–269. Ebeling: Zwischen Handel und Industrie, 367–382. Ebeling: Entstehungs- und Existenzbedingungen, 109–144. Schremmer: Wirtschaft Bayerns, 439. Schultz: Landhandwerk. Sczesny: Kontinuität und Wandel. HStA Stuttgart C3, 1535 IV, Q 92.

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2. Die streitende Stadt

die erklärten, lediglich ihre eigene Überproduktion an Wein zu verkaufen oder auszuschenken. Nun war der Weinbau im Kochertal ein kaum lukratives Gewerbe und die Hauptträger der Klage gegen den Senat waren alles andere als ,,arme Hackersleut“. Wein war ein Importgut, das von den Vertreibern des Haller Salzes als Rückfracht transportiert und in Hall verbraucht bzw. umgeschlagen wurde.140 Die Wirtsleute und Schultheißen des Haller Umlandes hatten von dieser Entwicklung profitiert und waren selbst in das Handelsgeschäft eingestiegen. Probleme zwischen Stadt und Land ergaben sich, sobald die Gewinne der Erbsieder aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb der Saline zu sinken begannen. Der Senat reagierte durch ein Weinhandelsverbot auf dem Lande, das die Verluste dieses bedeutenden Teils der Bürgerschaft ausgleichen sollte.141 Die Schultheißen und Wirte im Haller Umland zeigten sich indes widerborstig.142 Man war nicht bereit, für den inneren Frieden der Reichsstadt zu zahlen und begann, Unterschriften für einen Prozess vor dem Reichskammergericht in Wetzlar zu sammeln.143 Beschwerden über schleichende Abgabenerhöhungen, eine unberechenbare Steuerpolitik, neue Fronbelastungen und mangelnde Zuwendungen des Rates für den Straßenbau wurden nun den Klagen gegen die Handelsbeschränkungen hinzugefügt. Das Verfahren zog sich bis zum Ende des Alten Reichs 1806 hin und endete erst mit der Mediatisierung.144 Die intensiven Wechselbeziehungen zwischen Stadt und Land zwangen – wie dieser Fall zeigte – den Rat geradezu, seine potentiellen Konkurrenten im Umland so weit wie möglich zu kontrollieren. Die wirtschaftliche und kulturelle Durchdringung musste durch den Ausbau herrschaftlicher Gewalt ergänzt werden, damit der Druck von außen nicht zu inneren Verwerfungen führte. Es galt, die Definitionsmacht über den Rechtsstatus des Umlandes zu gewinnen, um so zumindest eine klare (das heißt juristisch imaginierte) Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen Bürgern und Bauern herstellen zu können.145 Der Versuch, im Umland die Rolle des Richters und der militärischen Schutzmacht einzunehmen, konnte mit dem direkten Ausbau der Kontrolle über Produktionsbedingungen einher- oder ihm vorangehen. Im oberdeutschen Raum hatte der boomende Textilsektor die Entwicklung arbeitsteiliger Strukturen und den Anbau neuer Agrargüter beschleunigt. Man baute 140 141 142 143 144 145

HStA Stuttgart C3, 1535 V, Q 156, § 46. StadtA Schwäbisch Hall, 15/6.7, No. 50, 119r-127v. HStA Stuttgart C3, 1535 V, Q 156, § 46. So drohen die Untertanen zunächst mit einem Steuerstreik: HStA Stuttgart C3, 1535 I, Q 3, Lit.A. Vgl. dazu die Klage der Dinkelsbühler Untertanen vor dem Reichshofrat 1688: Wagner: Dinkelsbühl, 328–337. Vgl. Jüngling: Reichsstädtische Herrschaft. Weber: Städtische Herrschaft. Weber: Städtische Herrschaft.

2.4 ,,Unsere gnädigen Herren“ – die Genese regionaler Identitäten

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Flachs an oder war selbst im Landhandwerk tätig. Die nach Rohstoffen und billigen Arbeitern fahndenden Investoren stellten Landarbeitern Material und Werkzeuge zur Verfügung, damit diese dezentral, in Heimarbeit, am Produktionsprozess teilhaben konnten. Es war eine bewusste, von der Stadt mitbestimmte Auslagerung von Produktionsstätten, die gleichwohl zu heftigen Auseinandersetzungen in der Stadt selbst führen konnte. 146 Städtisches Kapital floss in das Umland und band dieses an die urbanen Märkte. Dieser Prozess wies zahlreiche regionale Spezifika auf. In Mecklenburg etwa wurde der Einkauf von Bürgern in den Großgrundbesitz des Herzogtums erst sehr spät – nämlich Ende des 18. Jahrhunderts – zu einem drängenden Problem.147 Der Herzog, der diese Entwicklung als entscheidende Schwächung des Adels wahrnahm und sie mit allen Mitteln zu stoppen versuchte, sah sich 1789 mit Klagen seiner Aristokraten konfrontiert, die das Kapital der Bürger händeringend brauchten, um ihren Status halten zu können. Eine solche Entwicklung ist nicht mit einem Prozess der Binnenkolonisierung zu verwechseln. Der Anspruch auf wachsende rechtliche, militärische, kulturelle und ökonomische Kontrolle einer von der Stadt selbst als solcher definierten Peripherie traf auf die Eigeninteressen ländlicher Genossenschaften und ihrer Eliten. Eine zunehmende Verflechtung zwischen Stadt und Land stärkte Abhängigkeiten in beide Richtungen und eröffnete für das Land Möglichkeiten, selbst Druck auszuüben. Neben dem klassischen Mittel der Steuerverweigerung ergab sich für die Untertanen der Reichsstädte die Möglichkeit der Klage.148 Ihre rechtliche Einbindung, die Definition ihres Status und die (oft nur auf dem Papier wirksame) Regulierung ihrer Märkte erwiesen sich damit als Bumerang, denn der von der Stadt generierte Herrschafts- und Rechtsraum funktionierte nach Regeln, an die sich auch Bürger und Rat zu halten hatten.149 Um eine nicht mehr zu kontrollierende Klagewelle zu verhindern, waren städtische Magistrate deshalb dazu gezwungen, den Informationsfluss zwischen Dorf und Stadt zu verstetigen. Das Wissen über das Untertanengebiet musste geordnet und zugänglich gemacht werden.150 Auch diese Entwicklung zog zahlreiche unerwünschte Konsequenzen nach sich. Da die Stadt innerdörfliche Konfliktregulierungen an sich zog, begannen sich die dörflichen Ehrbarkeiten zusammenzuschließen und ge146 147

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Zur Entstehung und Verflechtung von Wirtschaftsräumen im Bodenseegebiet: Sonderegger: Politik, 34–45. Mayer: Leinwandindustrie. Göttmann: Verflechtungen, 58–74. AT-OeStA/HStA RHR, Denegata recentiora, K. 774/6, Mecklenburg, Herzogtümer, Landräte und Deputierte von Ritter- und Landschaft zum engeren Ausschuß vs. Mecklenburg-Schwerin, Herzog zu, 1789, die Verpachtung der Bauerstellen an Personen bürgerlichen Standes betr. Jüngling: Reichsstädtische Herrschaft. Weber: Städtische Herrschaft. Vgl. demgegenüber das Beispiel Wetzlar, in dem das Reichskammergericht seinen Sitz hatte: Rau: Wetzlar. Holenstein: ,,Gute Policey“. Holenstein: Empowering Interactions, 1–31.

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2. Die streitende Stadt

meinsam Partizipationsforderungen zu stellen. In der Reichsstadt Zell war man auf dem Prozesswege derart erfolgreich, dass sich die Machtverhältnisse zwischen städtischen und ländlichen Eliten umkehrten, was zu erheblichen Antagonismen innerhalb der Stadt selbst führte.151 Wie bereits das Beispiel der klagenden Bürger von Schwäbisch Hall zeigte, war das Umland um Mitgestaltung eines gemeinsamen Herrschafts- und Wirtschaftsraumes ebenso bemüht wie um die Erhaltung eigener Handlungsoptionen. Verdichteten sich rural-urbane Interaktionsräume, so konnte dies – etwa im südlichen Bodenseeraum – die Bildung regionaler Raumimaginationen erleichtern. Dies galt vor allem dann, wenn diese Interaktionsräume in hierarchische oder nichthierarchische Städtenetze eingebunden waren.152 Aufgrund des geringen Territorialbestandes der Reichsstädte waren solche Entwicklungen in den meisten Teilen des Reiches indes kaum zu erwarten.153 Das Gebiet, in dem sie als Landesherren auftraten, entsprach bestenfalls (wie in Nürnberg oder Ulm) der Größenordnung eines kleineren Reichsfürstentums.154 Zumeist umfassten sie (wie in Rottweil, Rothenburg, Schwäbisch Hall oder Schwäbisch Gmünd) einige kleinere Ämter.155 Vor allem aber befand man sich in Nachbarschaft landesfürstlicher Gebiete, in denen die Zentralfunktion der Residenzstädte und damit des Hofes seit Ende des 16. Jahrhunderts zunahm.156 Wenngleich die Reichsstädte im schwäbischen Reichskreis ein erhebliches Gewicht besaßen, fanden sich die wichtigsten Gestalter einer schwäbischen Regionalidentität am württembergischen und am habsburgischen Hof.157 Die Gefahr war daher groß, dass eine Reichsstadt als Teil einer von einzelnen Landesfürsten geprägten Region wahrgenommen wurde. Die Möglichkeit der Vereinnahmung, der schleichenden Mediatisierung, schwebte wie ein Damoklesschwert über den Häuptern der Senatoren. Es galt, dem ohnehin übermächtigen Einfluss einzelner Landesfürsten entgegenzutreten und sich auch symbolisch von ihnen abzugrenzen. 151 152

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Sailer: Untertanenprozesse. Die Definition solcher regionaler Identitätsräume ist schwierig, da sie durch Vorannahmen vor allem des 19. Jahrhunderts geprägt wird: Schorn-Schütte: Territorialgeschichte, 390–416. Kreutz: Städtebünde. Allgemein: Wunder: Reichsstädte als Landesherrn, 79–91. Zur Entstehung und Funktion der territorialen Besitzungen bis in das 15. Jahrhundert.: Orth: Stadtherrschaft, 99–156. Ihre wirtschaftliche und fiskalische Bedeutung war allerdings keineswegs zu vernachlässigen. In Schwäbisch Hall standen um 1790 etwa 5.000 Stadtbewohner ca. 12.000 Landuntertanen gegenüber und selbst in Mühlhausen in Thüringen, dessen Territorialbesitz eher bescheiden war, lebten zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Stadt und Land jeweils ungefähr 7.000 Menschen (Sup. A. Mühlhausen, MHL 792/K 106. HStA Stuttgart C3, 1535 II, Q 47). Moser: Reichstättisches Handbuch, 373ff. Harding: Land-Adel, 159–180.

2.4 ,,Unsere gnädigen Herren“ – die Genese regionaler Identitäten

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Eine Option bestand darin, die eigene Nähe zu Kaiser und Reich zu betonen.158 Reichsstädte wurden seit dem 16. Jahrhundert zu Trägern einer überbordenden Reichssymbolik und zu Zentren des nationalen Diskurses. Huldigungseide und Reichsadler kündeten davon, dass die Städte, so klein sie auch sein mochten, doch Teile eines größeren Ordnungsrahmens waren. In ihren Mauern war das Reich zuhause, hier war die kaiserliche Schutzgewalt unmittelbar zu spüren.159 Dasselbe galt für die Kategorie der deutschen Nation, über deren Gestalt sich die Deutschgesinnete Genossenschaft und der Elbschwanenorden in Hamburg oder die Pegnitzschäfer in Nürnberg Gedanken machten.160 Die Reichsstädte gehörten – nach eigenem Verständnis – nicht sich selbst. Sie gehörten zu einem größeren Raum, als dessen Taktgeber sie sich stilisierten.161 Als Standorte des Reichstags (Regensburg), des Reichskammergerichts (Speyer bzw. Wetzlar) und der deutschen Nationalakademie (Schweinfurt) konnten sie in der Tat Reichskompetenz demonstrieren und damit ein transregionales Identifizierungsmodell anbieten, das für zahlreiche kleinere Reichsstände interessant war. Ihre Anbindung an das Reich verstärkte damit ihre Fähigkeit, ein in seinen Grenzen nicht mehr fassbares Umland mit zu prägen und an der Konstruktion von Großräumen teilzuhaben. Die Reichsstadt transferierte das symbolische Kapital des Reiches in die eigenen Mauern, machte es nutzbar und mehrte es. Vor allem größere, ökonomisch potente Reichsstädte, die sich in einem fragmentierten territorialen Umfeld befanden wie Köln, Hamburg oder Frankfurt konnten ein auf das Reich zugeschnittenes Profil generieren und erhalten, das sie zu Bezugspunkten regionaler Identitätsbildung machen konnte.162

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Lanzinner: Kommunikationsraum, 227–336. Reichssymbole in Reichsstädten: Braunfels: Kunst im Heiligen Römischen Reich. Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Über den engen Zusammenhang zwischen Städtelob und Lob der Nation: Arnold: Städtelob, 247–268. Janssen: Rheinland, 31–42.

3. Streit in der Stadt 3.1 Juden in der Stadt – verschränkte Räume Die frühneuzeitliche Reichsstadt war eine Gesellschaft der Anwesenden, die in ihren Interaktionen die Reaktion der Abwesenden stets mit zu berücksichtigen hatten – gleich ob dies Kreisdirektoren, Reichshofräte, wirtschaftliche Mitbewerber oder Glaubensbrüder waren. Diese Außenakteure waren in der Stadt in vielfacher Weise indirekt präsent: Sei es durch Symbole, die eine rituelle Integration des Abwesenden in den städtischen Entscheidungsbildungsprozess ermöglichten, sei es durch Objekte des wirtschaftlichen oder kulturellen Austausches (wie Zeitungen, Briefe, Münzen, Konsumgüter), die das Wissen über das andere evozierten und damit gleichfalls das Bewusstsein symbolischer Anwesenheit generierten. Die Grenze der Stadt, so sie überhaupt definiert werden konnte, war unscharf und durchlässig. So blieb der Abwesende ein Fremder, über den es Wissen zu sammeln galt, und doch war er ein stiller Mitakteur im unmittelbaren städtischen Umfeld.1 Die wichtigste Informationsquelle über soziale Fremdräume und den in ihnen agierenden Personen waren Menschen, die als Vertreter dieser Räume wahrgenommen wurden. Der Fremde war damit nicht gleichbedeutend mit dem Abwesenden, er stand aber mit dem oder den Abwesenden in einem besonderen Interaktionsverhältnis. Er gehörte einem Fremdraum an. Unabhängig davon, ob diese Fremden zeitweilig oder dauerhaft in der Stadt präsent waren, wurden sie daher als Projektionsflächen des Anderen, als Ankerpunkte der Selbstvergewisserung, aber auch als Impulsgeber zur Generierung von Fremdbildern genutzt. Fremdheit war in diesem Sinne keine Ausnahmeerscheinung, sie war vielmehr ein stadttypisches Phänomen. Der Umgang mit den Freunden, ihre Integration in die städtische Mind Map war dennoch von latenten Spannungen geprägt. Schließlich enthielt jede Handlung gegenüber einem Fremden zugleich ein Element der Positionierung der Stadt gegenüber einem anderen Interaktionsraum (im Sinne einer Neben-, Über- oder Unterordnung). Der Konflikt um und mit dem Fremden war damit beides: Er war ein innerstädtischer Konflikt und er besaß eine über die Stadt hinausreichende Dimension. Dies zeigt sich an keiner anderen Fremdgruppe so deutlich wie an den jüdischen Gemeinden innerhalb der Reichsstädte. Sie waren gefestigte, niedergelassene Gruppen, die ihre Existenz dem Schutz des Kaisers verdankten. Die Positionierung gegenüber der städtischen Judenschaft war immer auch eine Bestimmung der eigenen Stellung gegenüber dem Reich. 1

Schütz: Fremde, 73–92.

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3. Streit in der Stadt

Der Umgang mit den Juden zeigte, welche Funktionen das Fremde einnahm und wie Bilder des Fremden generiert wurden. Vor allem zeigte dieser Umgang, wie schwer es war, die Grenzlinie zwischen Binnenkonflikt und Außenkonflikt zu ziehen. Waren Juden wirklich Fremde? Darüber ließ sich trefflich streiten, denn Fremdheit war und ist kein objektives Merkmal, sondern das Produkt der Wahrnehmung von Zeitgenossen. Sie wird einer Person oder einer Personengruppe nicht auf der Grundlage tatsächlicher Differenz, sondern eines erlernten Wahrnehmungsmusters zugeordnet. Dessen Anwendung enthält zugleich einen Akt der kulturellen Selbstvergewisserung. Bei aller Wahrnehmung der Alterität blieb und bleibt dennoch die Überzeugung partieller Gleichheit. Die Möglichkeit des wechselseitigen Austausches bleibt erhalten.2 Assimilationsprozesse konnten daher prinzipiell die Erfahrung der Fremdheit revidieren.3 Der in die Stadt kommende Bauer oder der Neubürger aus einem andern Gebiet des Reiches konnten beispielsweise in die Bürgergemeinschaft aufgenommen und vollständig integriert werden. Auch dem Juden stand diese Möglichkeit – zumindest theoretisch – auf dem Wege der Taufe offen. Der konvertierte Jude konnte selbstverständlich das Bürgerrecht erwerben. Die Konversion blieb indes die Ausnahme. Jüdische Gemeinden blieben in aller Regel stabile Entitäten. Damit waren sie keineswegs per se aus der städtischen Interaktionsgemeinschaft ausgeschlossen. Sie bildeten vielmehr eine Kleinstgemeinschaft neben anderen.4 Innerhalb der Zunft, des Hauses oder der Straße waren Geheimnisse kaum zu bewahren. Der erschreckenden Fülle des Fremden stand eine nicht minder erschreckende Distanzlosigkeit der Vertrauten gegenüber. Dem Nachbarn und Zunftbruder war kaum etwas zu verheimlichen.5 Vertrautheit war damit auf Diskretion und den Einhalt von Taburegeln angewiesen. Die Enge der Stadt erforderte eine Schulung in der Kunst des Wegsehens, des Weghörens und des Nichtaussprechens.6 Die Zusammenschlüsse des Vertrauens waren – ob es sich nun um Bruderschaften, Zünfte oder jüdische Gemeinden handelte – klein und überschaubar. Sie mussten allerdings permanent mit anderen Gemeinschaften interagieren, über deren Glieder man wenig wusste und deren Verhalten damit partiell unberechenbar war. Um diese Probleme zu überbrücken, musste die Stadt ein Orientierungsraster entwickeln, das die Kleinstgemeinschaften in eine vorgestellte Groß2 3 4 5 6

Schütze: Vom Fremden, 16, 96. Sowie: Albrecht/Wierlacher (Hgg.): Kulturthema. Münkler (Hg.): Herausforderung. Schreiner/Kampling: Der Nächste. Allal: Der Feind, 75–98. Hans: Assimilation. Blockmans: Stratifikation, 11. Roodenburg: Inzest, 99–111. Lau: Sodom, 273–294.

3.1 Juden in der Stadt – verschränkte Räume

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gemeinschaft integrierte. Ratseliten und Handwerker, Metzger und Bäcker, Männer und Frauen waren als Akteure eines gemeinsamen Spielfeldes zu definieren. Man erkannte sich als Akteur innerhalb eines imaginierten Raumes der Ehrbaren an – eines Raumes, innerhalb dessen nicht alle gleichwertig, aber gleichförmig waren. Die Verpflichtung auf die für alle gültigen Regeln im Wettbewerb um soziales, symbolisches und ökonomisches Kapital grenzte diese imaginierte Gemeinschaft nach außen ab. Die Integration jüdischer Gemeinden in ein solches Wettbewerbsfeld fiel schwer, da einerseits wichtige gemeinschaftsbildende Bezugspunkte wie Bürgereid oder die sakrale Festkultur fehlten, während andererseits Muster der Perhorreszierung des Judentums in den christlichen Gemeinden fest verwurzelt waren. Dennoch gab es Möglichkeiten der Kooperation.7 Die Fähigkeit zum raschen Perspektivenwechsel, der das Gemeinsame gegenüber dem Trennenden hervorhob, war für die Funktionsweise der städtischen Märkte von essentieller Bedeutung. Städte mussten auf Jahrmärkten, Festveranstaltungen oder Messen oft Gästeströme bewältigen, die ihre Einwohnerzahl nahezu verdoppelten. Der Transaktionspartner musste – gleich ob er Jude oder Christ war – aus Gründen der Friedenswahrung und der Gewinnmaximierung rasch in berechenbare Kommunikationsebenen integriert werden. Aus Feinden mussten – zumindest in einem begrenzten Interaktionsraum – Kooperationspartner werden.8 Im Umgang mit der jüdischen Gemeinschaft waren damit sowohl kulturelle Optionen der Kooperation als auch der Exklusion gegeben. Welche von ihnen realisiert wurden, hing von einer Vielzahl von Faktoren ab.9 Davon, dass die Judenschaften der Reichsstädte in jedem Falle und zu jeder Zeit geschlossene Gegenwelten bildeten, die sich hermetisch gegen die Außenwelt abschlossen, zeigt sich die neuere Forschung daher nicht mehr überzeugt. Das Bild der grausamen Ghettoidylle, die erst durch die (identitätsgefährdende) Aufklärung zerbrochen worden sei, wird zunehmend als Mythos entlarvt.10 So wurden in Untersuchungen zur jüdischen Geschichte der letzten Jahre vor allem die Interdependenzen zwischen den jüdischen 7

8 9 10

Außenwelt wurde keineswegs entlang binärer Wahrnehmungssysteme kategorisiert. So komplex das Binnensystem war, in dem Nähe und Ferne abgestuft wurde, so ausdifferenziert war die Beziehung zum Anderen. Dies bedeutete auch, dass die Grenzen des Eigenen verschiebbar waren. Landuntertanen konnten als Fremde innerhalb der Stadt oder als Teile einer größeren imaginierten Gemeinschaft wahrgenommen werden. Dasselbe gilt für Bewohner verbündeter Städte oder für die Bewohner der benachbarten Reichsstände. Städtische Identitätsdiskurse waren auf regionale und nationale Ebenen ausweitbar: Lau: Stiefbrüder. Zum Verständnis des Fremden in Städten der Frühen Neuzeit (das Fremde und das sozial Marginalisierte): Sicken: Fremde, 271–329. Zur Problematik des Minderheitenbegriffs allgemein: Tschernokoshewa/Mischek (Hgg.): Beziehungsgeflecht Minderheit. Ähnliche Ergebnisse gibt es zu den Refugiantengemeinden: Asche: Neusiedler. Asche/ Herrmann/Ludwig/Schindling (Hgg.): Krieg. Niggemann: Immigrationspolitik.

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3. Streit in der Stadt

Gemeinden und dem System, in dem sie sich bewegten, herausgearbeitet.11 Juden gerieten damit zunehmend als Mitgestalter nicht nur der reichsstädtischen Räume, sondern auch des Reichsraumes in den Fokus der Forschung. Wie komplex das jüdisch-christliche Zusammenleben in den Reichsstädten der Frühen Neuzeit war, zeigte exemplarisch das Beispiel Frankfurt. Die Juden der Stadt am Main waren nur eine von zahlreichen Minderheiten in einer Metropole, die mit 20.000 Einwohnern zu den mittelgroßen, als Messestadt, kaiserlicher Krönungsort und Tagungszentrum zweier Reichskreise aber gleichwohl zu den bedeutendsten Städten des Reiches gehörte. Etwa 7 % der Bevölkerung im späten 17. Jahrhundert waren katholisch und zumeist italienischer Herkunft. Etwa 20 % entstammten der Wallonie oder Flandern und waren bekennende Calvinisten. Hinzu kamen 3.000 Juden, die seit dem 15. Jahrhundert in einer Judengasse lebten und dort zahlreichen Beschränkungen ausgesetzt waren.12 Juden hatten begrenzte Ausgangszeiten, sie durften auf dem Markt erst dann erscheinen, wenn die besten Waren verkauft waren, Handwerks- und Handelstätigkeit waren ihnen weitgehend untersagt. Reserviert war für sie lediglich das Wechsel- und Kreditgeschäft – eine Vorschrift, die man trickreich zu umgehen wusste. Verglichen mit den reformierten Gemeinden war ihre Position stabil. Ihr Wohnrecht war gesichert, ebenso wie die Möglichkeit der Religionsausübung innerhalb der Judengasse. Soweit die christlichen Feiertage nicht gestört wurden, ließ man auch die Juden innerhalb ihres Sakralbereiches gewähren.13 Dass von einem Schutzraum des Jüdischen, der bei aller Diskriminierung doch zugleich die Kontinuität antiker Tradition sicherstellte und sich damit wohltuend vom modernen Assimilationsdruck abhob, trotzdem kaum die Rede sein kann, konnte Andreas Gotzmann eindrucksvoll belegen.14 Zahlreiche Zivilrechtsprozesse wurden, allen Beschwörungen der eigenen Autonomie zum Trotz, im 17. und 18. Jahrhundert wie selbstverständlich auch dann vor städtischen Gerichten (zumindest in zweiter Instanz) verhandelt, wenn beide Parteien der jüdischen Gemeinde angehörten.15 Wie gängig diese Praxis war, zeigte sich im Bestreben der Rabbinengerichte, jene Verfahren, bei denen eine Appellation beim städtischen Rat wahrscheinlich war, von vornherein so zu gestalten, dass das Risiko einer Kassation des Urteils beherrschbar blieb.16 Auch die Frankfurter Judengasse existierte nicht in einem luftleeren Raum, fernab von allen Einflüssen der christlichen Umgebung. Man entwickelte – 11 12 13 14 15 16

Ullmann: Nachbarschaft. Demographische Daten, vgl.: Duchhardt: Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, 263. Backhaus: Bevölkerungsexplosion, 103–117. Gotzmann: Autonomie. Zum städtischen Instanzenweg: Moser: Reichstättisches Handbuch, 200ff. Zu den normativen Rahmenbedingungen allgemein: Kisch: Jüdisches Recht, 187–198. Zu den Judenordnungen im landesfürstlichen Territorium: Marzi: Judentoleranz. Zum Fall Frankfurt: Schlick: Rolle der reichsstädtischen Gerichtsbarkeiten, 171–188.

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etwa bei der Beeidigung rechtlich relevanter Aussagen – Formen der Interaktion, die immer dichtere Netze des Vertrauens entstehen ließen. Stabilisiert wurden sie durch die schützende Hand des Kaisers. Wenngleich der Rat weitgehende Befugnisse gegenüber der Gemeinde beanspruchen konnte, standen die Juden als kaiserliche Kammerknechte prinzipiell unter dem Schutz des Kaisers. Es war eine Beziehung, die die Gemeinde durch Huldigungsakte und Gebete für den neu gewählten Imperator zu betonen wusste.17 Juden konnten den Schutz ihrer Rechte vor den kaiserlichen Gerichten einklagen, und sie taten dies im 17. und 18. Jahrhundert mit erstaunlicher Geläufigkeit.18 Das Erlernen der Spielregeln des Reiches, der Normen der Ehrbarkeit und der ungeschriebenen Verhaltensmuster innerhalb der Stadt stellte eine unabdingbare Überlebensstrategie dar. Nur wer die Welt außerhalb der Gasse verstand und sich in ihr bewegen konnte, war in der Lage, Risiken des eigenen Handelns abzuschätzen und Möglichkeiten der Konfliktlösung auszuloten. Dass diese Normen und Verhaltensmuster auch Eingang in die jüdische Gemeinschaft fanden, darf kaum erstaunen, zumal auch die jüdische Gemeinde von Gegensätzen geprägt und die Versuchung für die unterlegenen Konfliktparteien groß war, eine externe Gewalt um Hilfe zu bitten.19 Die in Frankfurt schwelenden Konflikte eskalierten zwischen 1612 und 1614 im Rahmen des sogenannten Fettmilchaufstandes.20 Durch diese in eine Vielzahl von Einzelstreitigkeiten und Konfliktphasen zerfallende Bürgerunruhe zog sich die gemeinsame Forderung des Ausschusses, die Juden aus der Stadt zu vertreiben oder ihre Privilegien zumindest empfindlich einzuschränken, wie ein roter Faden.21 Die Juden erschienen in den Protestschriften der Bürger als Fremdkörper, die Judengasse wurde zum Hort des Bösen, zu einer Gegenwelt stilisiert, die nur unter dem Regiment einer von Grund auf verdorbenen Obrigkeit erblühen konnte.22 Die angegriffene jüdische Gemeinde indes ähnelte in ihren Strukturen und ihren inneren Konflikten der christlichen Außenwelt. Als die christlichen Bürger 1612 an den Kaiser eine Beschwerdeschrift über die Politik des Rates übergaben, folgten bald darauf jüdische Protestbriefe, die sich in ähnlicher Weise über Vorsteher innerhalb der Judengasse beschwerten. Die Klagen über ein korruptes Netz von reichen Familien, das die Verwaltung des Gemeinwesens zum eigenen Nutzen ausbeutete, zeigten klare inhaltliche Berührungspunkte zu den Protestschriften der Bürgeropposition im

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Wendehorst: Kaiserhuldigung, 213–235. Moser: Reichstättisches Handbuch, 111ff. Zu den Gegensätzen in den jüdischen Gemeinden Frankfurts: Kracauer: Geschichte der Juden. Bothe: Frankfurts wirtschaftlich – soziale Entwicklung. Vgl. auch die Ausbreitung der Bewegung in die umliegenden Reichsstädte: Friedrichs: Anti-Jewish Politics, 91–152. Friedrichs: Politics or Pogrom?, 186–228.

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christlichen Teil Frankfurts.23 Gleiches galt für die Lösungsansätze, die man bereithielt, und die Zählebigkeit, die dem Konflikt innewohnte. Wenngleich der Sturm der Judengasse und die Vertreibung der Gemeinde die innerjüdischen Unruhen für einige Zeit in den Hintergrund treten ließen, flammten die Antagonismen nach 1620 wieder auf. Ähnlich wie die Streitigkeiten zwischen Bürgern und Senatoren schlug nun auch die jüdische Oppositionsbewegung vornehmlich den Rechts- und Vergleichsweg ein. Man disputierte über funktionierende Gemeindeverfassungen in anderen Städten (vor allem Prag) und diskutierte die Einrichtung von Kontrollgremien.24 Das scheinbar so exotisch Ferne, die Judengasse, war bei näherer Betrachtung alles andere als fremd. Der kleine Raum des sozialen Agierens, der mit dem geographisch klar fassbaren ,,Containerraum“ der Judengasse in eins fiel, war tatsächlich keineswegs so klar nach außen abgegrenzt, wie es schien.25 Wenngleich die Juden- und die Bürgerschaft ihre wechselseitigen Konflikte zunehmend auf dem reichsgerichtlichen Wege austrugen, war die Gefahr gewaltsamer Zusammenstöße keineswegs gebannt. Mehr noch, Insuffizienzen des Reichssystems konnten zu einem Perhorreszierungsschub auf kommunaler Ebene führen, die ein beachtliches Radikalisierungspotential offenbarten. Der Fall Mühlhausen zeigte dies besonders eindringlich. Ähnlich wie etwa in Offenburg oder in Buchau war die dortige Judenschaft erst im Verlaufe der frühen Neuzeit eingewandert.26 Eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis war zum Zeitpunkt der Immigration (um 1630) nicht erteilt worden. Sofern sie mit ordnungspolitischen Gesichtspunkten begründet werden konnte, war eine Ausweisung der Judenschaft daher kein Eingriff in wohl erworbene Rechte und damit nur begrenzt justiziabel.27 Bereits 1641 wurden erste, diesbezügliche Forderungen von Seiten der Bürgerschaft tatsächlich erhoben. Kaufleute und Händler beschuldigten die Juden, in ihre Marktsegmente einzudringen und ihre Preise zu unterbieten. Es waren Beschwerden, die im Rahmen eines längeren Katalogs von vermeintlichen Missständen vorgetragen wurden und hier keineswegs eine prominente Stellung einnahmen. Die Juden wurden ähnlich wie die Landhandwerker, gegen die die Bürgerschaft in noch weit schärferer Form polemisierte, als Störer der wirtschaftlichen Ordnung wahrgenommen und ihre Ausweisung als unabdingbare Forderung an jede wohlgeordnete Obrigkeit dargestellt. Der Rat verpflichtete sich, diesen Bitten nachzukommen, den geduldigen Buchstaben des Bürgervertrages folgten jedoch keine Taten. Um 1700 – 60

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Kracauer: Geschichte der Juden, Bd. 2. Zum Fettmilchaufstand als jüdischem Erinnerungsort: Elhan/Ulmer (Hgg.): Turmoil. Zur Bedeutung der antijüdischen Stereotype: Brandt: Autonomie, 229–248. Vgl. dazu: Schwanke: Fremde. Schwanke: Nachbarschaft, 293–316. Ruch: Quellen. Baer: Vertreibung, 110–127. Malmendier: Vom Wohlerworbenen Recht.

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Jahre und etliche Prozesse später – waren die Juden noch immer in der Stadt. Ihre wirtschaftliche Bedeutung hatte massiv zugenommen.28 Abraham Süßmann war unter dem Schutz der Bürgermeister Öhme und Tilesius aus Fulda nach Mühlhausen gezogen und hatte ein blühendes Geschäft mit Luxuswaren aufgebaut.29 Seine Tätigkeit rief den erbitterten Widerstand jener Großhändler hervor, die seit Mitte des 17. Jahrhunderts das Rückgrat der Bürgeropposition bildeten. Der Ton gegen die unliebsame Konkurrenz wurde langsam, aber kontinuierlich schärfer. Die Anwesenheit der jüdischen Händler in der Stadt wurde nunmehr symbolisch überhöht. Sie stand für die angebliche Verlogenheit einer Obrigkeit, die ihre bisherigen Versprechungen stets gebrochen habe. Abgesehen von den konkreten Interessengegensätzen, die in dieser Form auch gegenüber anderen, nicht verbürgerten Gruppen bestanden, wurde der Konflikt um die Judenschaft also durch die Symbolfunktion verschärft, die ihr die Bürgeropposition zuwies.30 Gefördert, wenn nicht gar ermöglicht wurde diese Entwicklung durch die Verschärfung eines völlig anderen, nämlich theologischen Streites, der aufgrund seiner wachsenden Publizität die Debatte um die jüdischen Tuchhändler unverkennbar zu überlagern begann: Die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des pietistisch beeinflussten Superintendenten Johann Adolph Frohne und seinem Archidiakon Georg Christian Eilmar tobten seit 1698.31 Entzündet hatten sie sich an einer Druckerlaubnis, die Frohne dem aus Langensalza stammenden Pietisten Petersen erteilt hatte und die diesem die Veröffentlichung chiliastischer Schriften ermöglichte.32 Die sich hier abzeichnende Rivalität zwischen zwei theologischen Positionen und den zwei Patronageverbänden, die sie trugen, sollte Mühlhausens Kirchen bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts prägen.33 Die Anhänger der Wittenberger Richtung, die sich scharf von den Pietisten abzugrenzen versuchten, taten dabei alles, um Frohne und seinem Nachfolger Lungershausen die Kontrolle der kirchlichen Schlüsselpositionen zu entreißen.34 Da sie innerhalb des Rates durchaus Anklang fanden, war die obrigkeitskritische Haltung der pietistisch gesinnten Superintendenten eine vorhersehbare Reaktion. Deren Sonntagspredigten lasen sich in der Tat wie Positionspapiere der Bürgeropposition.35 28 29 30 31 32 33 34 35

Die Vereinbarungen hinsichtlich der Vertreibung der Juden in den diversen Rezessen werden zusammengestellt in: StadtA Mühlhausen, S 30/41b, 151r-154v. StadtA Mühlhausen, S 30/41a, 25r-27r. StadtA Mühlhausen, S 30/41b, 159r-167r. StadtA Mühlhausen, S 30/41a. Wotsche: Eilmars Kampf, 93–117. Frohnes Gutachten findet sich im: Sup. A. Mühlhausen, K. 108, Acta Min., 312r-313v. Vgl. den Fall Esslingen: Schuster: Kirchengeschichte, 235–250. StadtA Mühlhausen, E 6, No. 22, S. 22ff. (Eilmar: Theologische Streitpunkte. Mühlhausen 1699, handschriftlich). StadtA Mühlhausen, 61/34c, 83v: Die Chronik berichtet, die Bürger hätten den Superintendenten aufgefordert ,,das dritte Capitel des Propheten Micha [zu] erklären, welches

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Die sogenannten ,,Orthodoxen“ antworteten, indem sie den Philosemitismus der Pietisten geißelten. Die von Lungershausen ab 1716 festlich begangenen Judentaufen wurden brüsk zurückgewiesen. Sie zeigten, so die Kritik, dass die Pietisten Chiliasten und damit Ketzer seien, die nicht unter dem Schutz des Religionsfriedens standen. Es sei doch bekannt, dass Juden von Natur aus nicht fähig seien, den christlichen Glauben anzunehmen. Die Taufe sei für sie nur ein Geschäft. Schon hinter der nächsten Straßenecke würden sie zu ihrem alten Kult zurückkehren.36 Nur drei Jahre nachdem die orthodoxen Prediger wortgewaltig begonnen hatten, auf die vermeintliche Verlogenheit der Juden einzugehen und den Gemeinden ihre natürliche Minderwertigkeit vor Augen zu führen, strebten die Bürgerproteste gegen die jüdische Minderheit in der Stadt ihrem Höhepunkt entgegen. Abraham Süßmann hatte die Ausweisungsbescheide, die nach langem Streit tatsächlich vom Rat erlassen worden waren, geschickt umgangen, indem er sich von der verwitweten Fürstin Augusta Dorothea von Schwarzenberg zum Hofjuden ernennen ließ.37 Versuche des Rates, den Schutzpass, der ihm daraufhin ausgestellt wurde, zu umgehen, wurden mit wütenden Protesten der Herzogin vereitelt.38 Für jene Teile der Oppositionsbewegung, die ungeachtet aller Versuche des Rates, mit den Bürgern zu einem Ausgleich zu gelangen, an ihrer Haltung festhielten, war diese Wendung der Ereignisse geradezu ein Geschenk des Himmels. Die Polemik gegen Süßmann und seinen Schutzpass wurde nunmehr in ungewohnt heftiger Form radikalisiert. In einem Schreiben vom 11.8.1719, das die Bürger direkt an den Kaiser richteten, wurde eine Kehrtwendung im Umgang mit den jüdischen Kaufleuten gefordert. Vespasians Beispiel sei zu loben. Er sei mit Gewalt gegen die Juden vorgegangen und habe über eine Million von ihnen getötet. Dieses Volk sei ähnlich den Blutegeln, die sich von der Arbeit der Ehrlichen ernährten. Ihre angeborenen Charakterzüge seien Bos-

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er auch gethan hat und gemeltes Capitel von Wort zu Wort erkläret, hat aber dabey vermeldet, daß er aber diese Erklärung auff hiesigen Rath zu applicieren, das könte er nicht.“ Auszug aus dem von den Bürgern vorgelegten Bibeltext: ,, So höret doch dies, ihr Häupter im Hause Jakob und ihr Herren im Hause Israel, die ihr das Recht verabscheuet und alles was gerade ist, krumm macht; die ihr Zion mit Blut baut und Jerusalem mit Unrecht – seine Häupter richten für Geschenke, seine Priester lehren für Lohn und seine Propheten wahrsagen für Geld – und euch dennoch auf den Herrn verlaßt. [...] Darum wird Zion um euretwillen wie ein Acker gepflügt werden und der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden Gestrüpps“ (Micha 3,9-12). StadtA Mühlhausen, 843312, Ratswechselpredigt vom 4.2.1718. Die Pflichten christl. Obrigkeit und Unterthanen. StadtA Mühlhausen, 61/39, 320r, 321r, 337r, 342v-343r. Lungershausens theologische Rechtfertigung findet sich in seiner Ratswechselpredigt vom 5.2.1720 (StadtA Mühlhausen, 84/3312). StadtA Mühlhausen, S 30/41b, 90r-v. StadtA Mühlhausen, S 30/41b, 80r-v.

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heit und Hass, und ihr gemeinsames Ziel sei es, die Christen ins Verderben zu stürzen.39 Der theologische Grundsatzstreit, der auf offener Kanzel und mit gedrucktem Wort ausgetragen wurde, hatte offenbar die Grenzen des Sagbaren verschoben. Er hatte die Aufmerksamkeit der Gemeinde auf diese Minderheit gelenkt und sie als von Natur aus nicht integrierbares Element innerhalb der Stadt definiert; sie nicht wie einen ansteckenden Krankheitsherd zu behandeln, sei mehr als fahrlässig, ja, geradezu verbrecherisch. Was sich als Angriff auf den pietistischen Superintendenten lesen sollte, ließ sich leicht in eine Obrigkeitskritik umdeuten. Ethnisch und religiös identifizierbare Minderheiten wie die Juden ließen sich leichter stabilen Stereotypen zuordnen als andere Gruppierungen, deren wirtschaftliche Aktivitäten ebenfalls als skandalöser Eingriff in die Privilegienordnung der Reichsstadt wahrgenommen wurden.40 Ihr Hauptmerkmal bestand darin, dass der Andere in der Stadt als Teil einer weit größeren imaginierten Gemeinschaft wahrgenommen wurde. Tatsächlich waren Minderheiten aus Gründen des wirtschaftlichen Überlebens auf ihre Fähigkeiten zum Kultur- und Technologietransfer angewiesen. Sie als Agenten einer äußeren Macht zu beschreiben, einer größeren Gemeinschaft, die mit der eigenen sakralen oder nationalen im Widerstreit lag, schien damit durchaus plausibel zu sein. 41 Während ethnische Stereotypisierungen im 17. und 18. Jahrhundert zumeist instabil und (im zeitlichen Ablauf) überwindbar waren, wogen sakrale Differenzen schwerer. Sie gaben den Vertretern des geistlichen Stands die Möglichkeit, das Ketzermotiv als ein das eigene geistliche Profil schärfendes, wenn nicht gar konstituierendes Grundmuster immer wieder von neuem einzuüben. Die Imagination eines geschlossenen jüdischen Kultur- und Rechtsraumes erfüllte damit eine wichtige integrierende Funktion – auf Seiten der Mehrheit ebenso wie auf jener der Minderheit.42 Inmitten der Proteste gegen Süßmann und die Seinen empfing der Senat im Januar 1701 eine von 200 Bürgern unterschriebene Petition zugunsten der Juden. Diese hätten sich immer wieder für die Ärmsten der Armen eingesetzt. Ihre Mildtätigkeit und Großzügigkeit sei geradezu sprichwörtlich. Der 39 40 41 42

StadtA Mühlhausen, S 30/41b, 127r-142r. Wellmann: Linguistik, 183–193. Erb: Persistenz, 217–248. Ries: Mitte des Netzes, 118–130. Wenngleich die reformierten Flüchtlinge aus lutherischer Sicht durchaus als Anhänger eines gefährlichen Irrglaubens zu verurteilen waren, flößte die Verfolgung, die sie durch die katholischen Könige erlitten hatten, den Bürgern Frankfurts doch Respekt ein. Hier waren Grenzen der Perhorreszierung zu beachten, die angesichts der mühsam auf Reichsebene ausgehandelten Regeln eines Modus Vivendi auch im Umgang mit der katholischen Konfession galten. Gegenüber der jüdischen Minderheit waren diese schützenden Tabus weit schwächer ausgeprägt – ein Umstand, den jüdische Akteure nach Kräften zu verändern suchten.

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Rat solle daher von jeglichem Versuch Abstand nehmen, diese Wohltäter zu vertreiben.43 Die Argumentation der Bittsteller stützte die Äußerungen Süßmanns, der die jüdische Gemeinschaft als gesetzestreu und geradezu altruistisch darstellte, während die Kläger vor allem ihren Eigennutz verfolgten.44 Die Mehrzahl der Bürger indes unterzeichnete Forderungen nach einer Ausweisung der Judenschaft und akzeptierte radikale verbale Abgrenzungen gegenüber dieser Minderheit. Dies war weniger auf deren konkretes Handeln zurückzuführen, es speiste sich vielmehr aus der Möglichkeit, die Juden zu einer symbolhaften Größe zu reduzieren. Außerhalb des rein ökonomischen Verkehrs war das Wissen über Juden – vor allem über die in ihren Gemeinden herrschenden Konflikt- und Konfliktlösungsstrukturen – offenbar nur schwach entwickelt. Die Fiktion der jüdischen Autonomie und kulturellen Isolation generierte auf beiden Seiten Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster, die die Differenz betonten und immer wieder neu fixierten. Normengleichheit und partielle Interaktion waren daher allein nicht ausreichend, um die Möglichkeiten der Entfremdung und der Verfeindung zwischen der jüdischen und der christlichen Gemeinde zu begrenzen. Nicht nur für die jüdischen Gemeinden, sondern auch für den Rat konnte dies unangenehme Folgen haben, wie das Beispiel Buchaus zeigt. Ebenso wie in Mühlhausen war auch hier die jüdische Gemeinde relativ spät – nämlich im 16. Jahrhundert – zugelassen worden.45 Ihre Anwesenheit hatte 1748 zu den Beschwerdepunkten gezählt, die die Bürgeropposition gegenüber dem Rat vorzubringen hatte. Wie in Mühlhausen oder in Frankfurt so diente auch der Protest gegen Buchaus Juden den Klägern als Belegpunkt ihrer These, der Rat durchbreche mit seiner Regimentsverwaltung alle göttlichen und natürlichen Normen. Der Ton der Klageschriften blieb indes hinsichtlich der Beurteilung der Minderheit – verglichen mit dem protestantischen Mühlhausen – moderat. Man gab seiner Befürchtung Ausdruck, dass ein weiteres Wachstum der jüdischen Gemeinde das wirtschaftliche Gefüge der Stadt zerstören könne. Von einer Ausweisung der Juden oder gar von gewaltsamen Ausschreitungen war im katholischen Buchau allerdings nicht die Rede.46 Gegenüber den Senatoren, die als Tyrannen und Straftäter charakterisiert wurden, war man weniger zurückhaltend. Die Situation in Buchau eskalierte überraschend schnell. Nachdem die Bürger die Senatoren gefangen gesetzt hatten, wurde die Reichsstadt von Truppen des Kreises besetzt und die Oppo-

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StadtA Mühlhausen, S 30/41a, 28r-30r. StadtA Mühlhausen, S 30/41b, 159r-167r. StadtA Buchau 1, 18; 3, 8. StadtA Buchau 1, 18; 3, 6. Der Rat selbst spricht von einer höchst erfolgreichen illegalen Kooperation zwischen Bürger- und Judenschaft beim Holzhandel; StadtA Buchau 1, 18; 3, 25.

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sitionsbewegung gewaltsam entwaffnet.47 Was blieb, war ein gewaltiger Schuldenberg. Die einzige Möglichkeit der Tilgung sah der Rat darin, die Stadt für jüdische Geldgeber attraktiver zu machen. Der Bau einer Synagoge und der Zuzug von Juden wurden gegen ein hohes Schutzgeld genehmigt.48 Angesichts der verzweifelten fiskalischen Situation blieben die Proteste der Bürger zurückhaltend.49 Die Folgen dieser neuen Haltung waren bemerkenswert: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entsprach die Zahl der jüdischen Einwohner der kleinen Reichsstadt in etwa jener der christlichen. Etwa zwei Drittel des Steueraufkommens wurden von ihnen getragen und auch die neue wirtschaftliche Bedeutung der Stadt im Viehhandel war auf ihre Aktivitäten zurückzuführen.50 Von einer jüdischen Minderheit – ein angesichts der ständischen Fragmentation der frühneuzeitlichen Gesellschaft ohnehin problematischer Begriff – konnte nun keine Rede mehr sein. Die Stadt war von ihren jüdischen Einwohnern wirtschaftlich abhängig. Was in der jüdischen Gemeinde geschah, welche Familien hier dominierten, wie sie mit anderen jüdischen Gemeinschaften interagierten, welche Konflikte innerhalb der Judenschaft bestanden – dies alles waren Fragen, die für den Rat von eminenter Bedeutung waren. Die Gerichtshoheit der Obrigkeit, d. h. ihre Zuständigkeit in allen Rechtsfeldern, die nicht den sakralen Bereich betrafen, wurde nun energisch eingefordert. Mehr noch: ähnlich wie gegenüber dem eigenen Klerus begann der Rat nun auch gegenüber den Rabbinern und den Gemeindevorstehern den ohnehin instabilen Bereich des sakralen Propriums einzuschränken. Was sakral und was profan war, wurde neu ausgehandelt.51 Dass der Anspruch auf Rechtsprechungsbefugnisse indes das eine, deren tatsächliche Umsetzung aber etwas völlig anderes ist, zeigte sich in einem Kon47 48 49

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Nahezu zeitgleich mit der Reichsstadt Reutlingen und mit ähnlichen Konsequenzen: Schön: Reutlingen Revolution. Stähle: Verfassung. Verhandlungen mit der Judenschaft: StadtA Buchau 5, 33. StadtA Buchau 3, 1. StadtA Buchau 4, 10. Eine entsprechende Protestschrift aus dem Jahre 1751 war weniger gegen den Zuzug der Juden gerichtet als vielmehr auf eine Neuverteilung der Prozesskosten und Bußgelder innerhalb der Bürgerschaft. Auch in diesem Falle war das Reden über die jüdische Minderheit ein Reden über die richtige Ordnung innerhalb der Bürgergemeinschaft: StadtA Buchau 5, 26. StadtA Buchau 5, 36. AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, K. 1067 (alt B 241), AB I/1 (= alt AB 48) Bd. 3/Buchau 37, Beylage 1. Artikel Vornach sich die schutzverwandte Judenschafft zu achten hat (23. Mai 1765): ,,Sollen sich die Schutzverwandten Juden insgesamt und ein Jeder insbesondere nicht unterfangen, einig unter Ihnen alleinfahls beschehend verbottenend Frevel, Contract Streit und Unhändel eigenmächitg und ohne vorwissen des Löbl. Bürgermeister Amts auszumachen, zu vergleichen oder gar zu bestraffen, nicht weniger der gleichen unerlaubte Vertusch- und Verfeelungen, Betrügereiyen unter was vor Praetext solche immer seyn mögen, unter sich selbst nicht vor nehmen, sondern all der gleichen vorfallenheiten bey ihrer vorgesetzten Schutzobrigkeit fürzubringen...“

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flikt zwischen der jüdischen Gemeinde und einem ihrer Gemeindemitglieder im Juli 1784. Meyer Kuhn hatte einen Bauplatz neben der Synagoge erworben. Gegen sein Vorhaben, ein Haus an dieser Stelle zu errichten, erhob die Gemeinde schwerwiegende Bedenken und trug sie dem Rat vor. Die Senatoren nahmen sich des Falles eilig an – offenbar in der Hoffnung, endlich Informationen über die Konfliktstrukturen innerhalb der jüdischen Gemeinde sammeln zu können. Es kam zu einer Baubegehung, in deren Verlauf man sich – so das Ratsprotokoll – auf eine einvernehmliche Lösung einigte. Wenige Tage nach dem vermeintlichen Kompromiss erschien indes ein Notar an der Baustelle und untersagte eine Fortsetzung der Erdarbeiten.52 Die Zehn des jüdischen Ausschusses hatten ausgerechnet Klage vor dem kaiserlichen Landgericht zu Ravensburg erhoben, das seit Jahren seine Rechtsprechungsbefugnisse auszudehnen versuchte. Als Begründung hatte man den vom Rabbi bemängelten zu geringen Abstand zwischen dem Neubau und der Synagoge angegeben. Angeblich hatte der Rat auf diesen Einwand nicht reagiert. Der wiederum erhob Gegenklage beim Reichshofrat. Weder sei die Judenschaft berechtigt, ihre Obrigkeit in Ravensburg zu verklagen, noch besitze das Landgericht die Kompetenz, den Fall zu verhandeln. Wien stimmte dieser Position zu.53 Mittlerweile hatten sich die Fronten in Buchau allerdings in bemerkenswerter Weise verschoben. Der Streit zwischen der Gemeinde und Kuhn war unter Vermittlung des Rabbis (und nicht etwa des Rates) beigelegt worden. Man einigte sich auf einen Grundstückstausch. Die beiden frisch ausgesöhnten Parteien gingen nun gemeinsam gegen den Rat vor. Ihm warf man Rechtsbeugung, willkürliche Abgabenerhöhungen und Eingriffe in die Rechte der Gemeinde vor.54 52

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AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, K. 1067 (alt B 241), AB I/1 (= alt AB 48) Bd. 3/Buchau 37, Beylage 2. Verordnung von 1785: ,,Hat man sich ab Seiten des Magistrats in die Jüdische Ceremonien, Religions- und Kirchen Sachen niemlas gemischt und überlässt solche auch für die zukunft der Anordnung der Judenschaft selbsten, was aber die Klage betrifft, so ein Jud gegen den andern enthebt, so hat es bey denen der Judenschaft bereits untern 23ten May 1765 zu ihrer schuldigsten Nachahmung zugestellt gewordenen Artieln § 4 und 10 derohalben auch in Zukunft sein Bewenden.“ AT-OeStA/HStA RHR, Obere Registratur, K. 150/6 (alt B 1), AB I/1 (= alt AB 48) Bd. 3/ Buchau 36. StadtA. Buchau 179: Vorgeschlagene Vergleichspunkte:,,2. Soll niemahl die Anzahl der jüdischen Familien unter 45, wohl aber können derer mehr sein [. . . ] 3. Sollen jüdischen Ceremonien Religons und Kirchensachen der Judenschafft ohne anderwärtige Einmischung überlassen und so auch 4. die Händel Jud contra Jud den jüdischen Vorgesetzten, wie auch anderwärte gebräuchlich, zur Erledigung aucheingestelt bleiben. Sonderheitlich und 5. sollen die Verlassenschaftsverhandlungen, mithin Obsignation, Inventur und Theilung nach Anleitung der Artikel von 1786 und sonstigem Hertringen von ermelt jüdichen Vorgesetten ungestört besorgt werden. 6. Soll die weibliche Freiheit der Jüdinnen, so wie diese auch an anderen Orten nach Anleitung des mosaischen Rechts anerkannt wird, nimmer gekränkt werden. 7. Soll das Rechsmittel der Revision gegen Erkenntnisse wohllöbl. Magistrats den Juden reichsgesetzmäßig verbleiben. 8. Protokolar auszüge oder

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Der Konflikt verdeutlichte die Probleme, vor denen ein reichsstädtischer Senat im Umgang im den Autonomierechten der Judengemeinden stand: Auf der einen Seite war eine wachsende Kontrolle der dortigen Rechtsgeschäfte aus Gründen der Herstellung innerstädtischer Rechtssicherheit geboten und in Anbetracht der wachsenden Zahl von Prozessen, die von dort eingingen, auch möglich. Auf der anderen Seite aber blieben die Informationen des Rates über die inneren Konfliktstrukturen in den jüdischen Gemeinden dürftig. Man agierte also auf einem Feld, dessen konkrete Fallstricke man (trotz struktureller Analogien) nicht kannte und man hatte es mit Partnern zu tun, die mit den Möglichkeiten der Prozessführung (vor allem vor den Reichsgerichten) bestens vertraut waren. Die von Teilen der jüdischen Gemeinde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vorgetragene Forderung nach Autonomie, Steuergleichheit und unbeschränkten Zuzugsmöglichkeiten spiegelte zudem deren neue Macht in Buchau wider. Jüdische Gemeinden, so zeigte sich hier, mussten keineswegs immer die Verlierer auf dem multipolaren Spielfeld der Herrschaftsbildung sein. Ihre Anbindung an transurbane Räume gab ihnen die Möglichkeit, den eigenen Gestaltungsraum auszubauen und im Wettlauf um Informationen einen deutlichen Vorsprung zu erarbeiten. Mehr noch: Minderheiten wie die jüdische generierten eigene Bilder ,ihrer’ Stadt und eigene Vorstellungen davon, wie sie in den Reichskontext eingebunden war.55 Die Möglichkeit der Klage vor den Reichsgerichten sowie der informelle Einfluss, den etwa die jüdischen Gemeinden auf Kaiser und Reich ausüben konnten, gaben ihr die Instrumente in die Hand, um Rat und Bürgerschaft mit diesen Imaginationen zu konfrontieren.56 Diese Konflikte wurden nicht zuletzt deshalb so leidenschaftlich ausgetragen, weil die Grenze zwischen Juden und Christen zunehmend unscharf wurde. Die soziale Norm, die von beiden Seiten eine Trennung verlangte, und das soziale Handeln gerieten in Widerspruch zueinander. Ein direkter Konfliktaustrag erwies sich unter diesen Umständen zunehmend als schwierig. Man bevorzugte stattdessen den Rechtsweg. Durch eine Klage vor den Reichsgerichten wurde der Streit vom städtischen in den Reichsraum verlagert. Zudem wurden die Parteien dazu bewegt, auf

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sonstige Aktenstücke an deren Einsicht der Judenschaft gelegen ist, sollen auf Verlangen gegen gebühr jederzeit mitgetheilt werden. 9. das Schlachten zu ihrem Hausbrauch soll ihr das ganze Jahr hindurch gestattet sein, und die Hintere Viertel, so selbe nicht genießen darf, in ganzen an allhiesige Bürger verkauft werden. 10. der Waidgang soll die Judenschaft wie bisher zu genießen haben. 11. Soll auch selber erlaubt sein, Handelschaft, wie sie immer heißen möge Spezerei allein ausgenommen, ungestört zu treiben.“ Weitere Forderungen beziehen sich auf die Festschreibung des Schutzgeldes und die Zollbefreiung der Juden. Weinberg: Memorbuch, 113–120. Vgl.: Staudinger: Majestät, 143–183. Battenberg: Juden vor dem Reichskammergericht, 322–327.

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3. Streit in der Stadt

eine semantische Ebene zu wechseln, auf der die Taktik des bewussten Missverstehens nicht mehr griff. Der juristische Konfliktaustrag versprach dabei keineswegs rasche Lösungen. Die betreffenden Prozesse zogen sich oft über Jahre hin und wurden immer wieder aufgenommen.57 Immerhin garantierte die Aufsicht der kaiserlichen Gerichte und die juristische Fixierung der wechselseitigen Forderungen den Ausschluss von Handlungsoptionen (wie etwa der noch im 17. Jahrhundert praktizierten Vertreibung jüdischer Gemeinden). Das Verfahren generierte damit Vertrauen in die Berechenbarkeit des jeweils anderen.58 Es erzwang zugleich das Eigene, das Unverwechselbare gegenüber den Richtern als ein Vergleichbares darzustellen. Privilegierung und Diskriminierung konnten nur unter Hinweis auf etwas Bekanntes, auf einen Präzedenzfall begründet werden. Die Rechtsposition der jüdischen Gemeinden wurde daher an Regelungen angelehnt, die den Schutz protestantischer oder katholischer Minderheiten im Reiche gewährleisteten.59 Der Einzelfall wurde kontextualisiert. Die klagende oder beklagte jüdische Gemeinde einer Stadt wurde nicht nur als Teil einer größeren, im ganzen Reich agierenden jüdischen Gemeinschaft imaginiert, sondern zunehmend als religiöse Minderheit im reichsrechtlichen Sinne wahrgenommen. Der reichsstädtische Konflikt war damit außerhalb des vom Reich gesetzten Rahmens nicht mehr denkbar. Das Lokale wurde, ungeachtet aller Spezifika, automatisch zu einem Pars pro Toto, es hatte Kategorien zu akzeptieren, die vom Reich gesetzt und von ihm erhalten wurden.60

3.2 Ein loblicher und wohlweiser Rat – die urbanen Eliten Vorgestellte Gemeinschaften entstehen in einem multifaktoriell bedingten Prozess, an dem zahlreiche Akteure und Akteursgruppen beteiligt sind. Sie monokausal als Produkt einer prägenden gesellschaftlichen Minderheit zu begreifen, greift sicherlich zu kurz. Dennoch ist die impulsgebende Bedeu57 58

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Riotte: Paritätische Stadt, 352ff. Bemerkenswert war etwa die Fixierung des kommunalen Wissens über die jüdische Gemeinde durch einen protestantischen Pfarrer, der den jüdischen Raum ausdrücklich als Subraum des kommunalen Raumes Frankfurt definierte: Ju¨dische Merckwu¨rdigkeiten vorstellende was sich curieuses und denckwu¨rdiges in den neuern Zeiten bey einigen Jahrhunderten mit denen in alle IV Theile der Welt/sonderlich durch Teutschland/zerstreuten Juden zugetragen. Sammt einer vollstaendigen Franckfurter JudenChronick/Darinnen der zu Franckfurt am Myyn wohnenden Juden/von einigen Jahrhunderten/biß auff unsere Zeiten/merckwuerdigste Begebenheiten enthalten, Fankfurt/ Leipzig 1714. Wendehorst/Gotzmann: Kaiser, Landesherrschaft und Halacha, 1–10. Wendehorst: Imperial Spaces, 436–475.

3.2 Ein loblicher und wohlweiser Rat – die urbanen Eliten

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tung von Eliten gerade für die Konstituierungsphase dieser Gemeinschaften unbestritten.61 Eine Konsolidierung neuer gesellschaftlicher Minderheiten, denen es gelang, soziales, ökonomisches und symbolisches Kapital zu akkumulieren, war in der Mehrzahl der Reichsstädte im 14. und 15. Jahrhundert zu beobachten. Ihre herausgehobene Position beruhte auf ihrem bevorzugten Zugang zu Außenressourcen und auf ihrer Fähigkeit, den Marktwert der von ihnen bereitgestellten Güter maßgeblich mitzubestimmen.62 Gelingen konnte dies nur jenen Familien, die auf Veränderungen rasch und entschieden reagierten. Das eigene Profil musste für äußere Kapitalgeber attraktiv bleiben und der Wert der Außenressourcen, die der Stadt erschlossen wurden, so hoch wie irgend möglich veranschlagt werden.63 Um der Konkurrenz jener, die rasch neue Ressourcenquellen erschließen und dabei mit hohem Risiko vorgehen, begegnen zu können, zeigte man sich zudem bemüht, den eigenen Status zu perpetuieren. Juristische Privilegierungen, soziale Bindungen und ein Überschuss an symbolischem Kapital sollten helfen, Schwächeperioden zu überstehen und den Aufstieg konkurrierender Geschlechter zu erschweren.64 Selbst in Städten, in denen sich ein Stadtadel herausgebildet hatte – und dies war nur in einer Minderheit der Fälle zu beobachten – gestaltete sich dies 61

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Wie entstehen kollektive Identitäten? Wie werden städtische Räume imaginiert? Im Gegensatz zu essentialistischen und primordialistischen Ansätzen hat der norwegische Anthropologe Frederic Barth die Genese kollektiver Identitäten bereits 1969 als Ergebnis situationsbedingter historischer, ökonomischer und politischer Rahmenbedingungen bezeichnet. Wir-Gruppen sind nicht das Ergebnis natürlichen Wachstums, sie sind Produkte eines kontrovers geführten Diskurses, dessen Teilnehmer sich kaum auf ethische oder ästhetische Kernpunkte, wohl aber auf Grenzmarkierungen des ,,Wir“ gegenüber dem ,,Sie“ einigen können. Barth: Ethnic groups. Um in den oben umrissenen Kommunikationsprozessen Erfolge zu erzielen, bedarf es einer intimen Kenntnis der Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen persuasiver Kommunikation. Auf dem Markt der Missverständnisse gilt es in nimmermüden Versuchsreihen, Zielgruppen zu identifizieren und ein Eigenprofil zu erarbeiten. Kommunikation führt, wie Luhmann feststellte, nach einem Try-and-Error-Verfahren zu berechenbaren Reaktionen. Der Spielraum des Erwartbaren bleibt groß, lässt sich aber einschränken und durch die Verdichtung von Kommunikationschancen weiter reduzieren. Es gilt Kapital zu akkumulieren und Teilhabechancen zu eröffnen. Die damit verbundenen neuen Kommunikationschancen sind zu nutzen, indem die Elite ihren Zielgruppen Orientierung bietet. Jene Quelle auswärtigen Kapitals, das die entsprechenden Elitenangehörigen erschlossen haben, wird zur Grundlage der städtischen Existenz erklärt. Dies kann der Handelskontakt zu Italien ebenso sein wie ein Solddienstvertrag mit Frankreich. Stets gilt es, das erworbene Kapital als besonders wertvoll und die für die Transaktion zuständigen Eliten als unentbehrlich darzustellen. Das Eliteninteresse wird in der Selbstdarstellung der Akteure dementsprechend mit jenem der Stadt gleichgesetzt. Der städtische Raum wird zu einer Erweiterung des von führenden Familien generierten gentilen Raumes erklärt. Vgl.: Riedenauer: Kaiser, 526–653. Rivalitäten innerhalb der Ratseliten – vor allem zwischen aufsteigenden und etablierten Familien – gehörten zu den wichtigsten Gründen für Destabilisierungen der obrigkeitlichen Positionen, vgl.: 900 Jahre Giengen, 55.

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3. Streit in der Stadt

als ein ausgesprochen schwieriges Unternehmen. Frankfurt am Main, dessen Patriziat im 17.und 18. Jahrhundert heftige Statuskonflikte austrug, war ein besonders eindrucksvolles und im Reich notorisches Beispiel dafür.65 In der Mainmetropole hatte die Gesellschaft Alt-Limpurg bevorzugten Zugang zu den Ratssitzen. Verglichen mit den patrizischen Gesellschaften in Lindau, Nürnberg oder Augsburg war Alt-Limpurg jung.66 Ihr adliger Habitus war nicht unumstritten. ,,In Frankfurt an dem Maine, ein neuer Adel ist, gebacken nur alleine von Kot und lauter Mist“, so dichtete ein spöttischer Bürger, der diese Entwicklung offenbar missbilligte. Der neue Adel der Alt-Limpurger blieb indes in seiner Dominanz nicht unumstritten. Mit den Frauensteinern hatte sich eine zweite Gesellschaft gegründet, die ebenfalls Anspruch auf privilegierten Zugang zu den Ratssitzen erhob.67 Beiden Gesellschaften gemeinsam war der Anspruch auf unantastbare Distanz gegenüber der übrigen Bürgerschaft, der sich aus ihrem aristokratischen Habitus und kaiserlichen Privilegien ableitete.68 Den Zünften bzw. Handwerken bot man sich als altruistischer Schiedsrichter an, das heißt als eine stadtadlige Elite, die – so zumindest im Falle Frankfurts – nur von ihren Pensionen lebend, nicht dazu gezwungen war, das Wohl der Stadt um des eigenen Profits willen zu verkaufen.69 Frankfurt bedürfe zudem ihres Dienstes als Kulturdolmetscher. Nur durch Senatoren, die die Tabus und die Symbolsprache des Hofes beherrschten, konnte man – nach Darstellung der betreffenden Familien – sicherstellen, dass die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Reichsstadt gewahrt blieben. Diese aristokratische Selbststilisierung traf schon deshalb auf Widerwillen, weil den Frankfurter Patriziern wesentliche Elemente des landadligen Habitus fehlten. Sie waren Aufsteiger, ihr Stammbaum wies Handwerker und Kaufleute auf.70 Darüber hinaus war ihr Zugriff auf die Ratsämter weder unumschränkt noch unumstritten. Neben dem Patriziat blieben in der uneinheitlichen Elitenstruktur Frankfurts rivalisierende aufsteigende Familien mit einem nicht-patrizischen Profil erhalten. An die Stelle der selbstverständlichen Überlegenheit jener, die schon immer da gewesen waren, trat für die

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Hecht: Patriziatsbildung. Zur Diskussion um den Patriziatsbegriff vgl. auch die wichtige Arbeit von: Reißmann: Hamburgische Kaufmannschaft. Die Forschungsdiskussion fasst zusammen: North: Kommunikation, 74ff. Eine Auswahl: Stolze: Sünfzen. Dreher: Patriziat der Reichsstadt Ravensburg. Koschig: Patriziat der freien Reichsstadt Ulm. Eine klassische ältere Zusammenstellung: Schreckenstein: Patriziat. Moritz, Johann Anton: Versuch einer Einleitung in die Staatsverfassung derer oberrheinischen Reichsstädte. Erster Theil: Reichsstadt Frankfurt. Zweiter Theil: Reichsstadt Frankfurt, Frankfurt 1785–86. Zur Elitenpluralität in Frankfurt: Schulz: Sozialer Aufstieg. Vgl. Ebeling: Bürgertum und Pöbel, 15, 29. Häberlein: Fugger.

3.2 Ein loblicher und wohlweiser Rat – die urbanen Eliten

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Frankfurter Patrizier daher die ständige Beweislast des um Anerkennung kämpfenden Verdienstadels.71 Ab 1548 schien das kaiserliche Wohlwollen einen Ausweg aus dem Dilemma zu bieten. Die Habsburger protegierten städtische Eliten, die nach einem aristokratischen Habitus strebten, und erwarteten im Gegenzug konfessionelles und militärisches Entgegenkommen. Die Konsequenzen einer solchen Grundentscheidung waren 1616 nach dem Ende des sogenannten Fettmilchaufstandes zu beobachten. Die Proteste der Bürgerschaft gegen die patrizischen Gesellschaften wurden vom Reichshofrat keineswegs zum Anlass genommen, die Zünfte zu stärken. Stattdessen wurde die Ruhe in der Stadt militärisch erzwungen und die Position des Stadtadels weiter gestärkt. Die beiden Gesellschaften der Alt-Limpurger und der Frauensteiner kontrollierten den städtischen Rat nunmehr nahezu uneingeschränkt. Ihr symbolisches und soziales Kapital war geliehen – eine Tatsache, die das Patriziat untrennbar an Kaiser und Reich band. Dies galt nicht nur für Frankfurt, sondern auch für die Eliten anderer Reichsstädte. So unterschiedlich etwa das Rollenmodell der handeltreibenden Augsburger Patrizier und jenes der Alt-Limpurger in Frankfurt waren, strebten doch beide nach kaiserlicher Unterstützung.72 Die Perpetuierung ihres sozialen und politischen Status war aber nur mit dem Segen Wiens möglich. Nach ihm strebten direkt oder indirekt die politischen Eliten nahezu aller Reichsstädte.73 Man suchte nach kaiserlicher Standeserhöhung und versuchte rechtliche Mechanismen durch den Reichshofrat sanktionieren zu lassen, die die Dominanz einzelner Ratsfamilien stärkten.74 Die Ratseliten der frühneuzeitlichen Reichsstädte wurden aufgrund dieses Abhängigkeitsverhältnisses, das auch durch Bindungen an einzelne Reichsfürsten kaum konterkariert wurde, zu lokalen Reichseliten. Sie konnten den Erwartungen des Kaisers indes nur entsprechen, wenn sie innerstädtische Akzeptanz erlangten. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, bestand in der Weiterentwicklung einer auf das Reich zugeschnittenen Bild- und Symbolsprache, die die Rolle des Patriziats für die Erhaltung und die Festigung der reichsstädtischen Landeshoheit betonte. Eindringlich deutlich wurde diese Botschaft etwa in der Ausgestaltung des zwischen 1615 und 1620 erbauten neuen Augsburger Rathauses.75 Stadtrömische Palastformen verschmolzen mit den Traditionen des nordalpinen

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Ehbrecht: Die Halberstädter Schicht, 252–269. Bock: Chronik Eisenberger. Hansert (Hg.): Aus auffrichtiger Lieb. Körner: Frankfurter Patrizier. Trauchburg: Häuser und Gärten. Heiss/Kranz/Metzger: Landsitze. Roth von Schreckenstein: Patriziat in den deutschen Städten. Vgl den Streit um die Herrenzunft der Reichsstadt Isny: Hauptmeyer: Isny. Moser: Reichstättisches Handbuch, 84ff. Baer/Kruft/Roeck: Elias Holl.

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3. Streit in der Stadt

Rathausbaus, wobei die Form des griechischen Kreuzes dem Gebäude einen dezidiert sakralen Charakter verlieh. Es war in seinen Dimensionen außergewöhnlich groß und repräsentativ geraten. Sein zentraler Versammlungsraum, der goldene Saal, besaß eine Fläche von 552 Quadratmetern. Die Höhe betrug 14 Meter (was drei Stockwerken entsprach), die Länge 33 Meter und die Breite 17 Meter. Die Saaltüren waren 5 Meter hoch und 2,20 Meter breit. Insgesamt konnte der Saal knapp 650 Menschen fassen – sitzend fand etwa die Hälfte Platz. Dass er mehr war als der Versammlungsort urbaner Würdenträger, deutete auch das vom Jesuiten Matthäus Rader stammende Bildprogramm an. P  R R (,,Durch mich herrschen die Herrscher“) verkündet die Sapientia, die als Kerntugend fungiert. Sie gibt das Leitmotiv vor, indem sie das gute Regiment als Ergebnis eines Erziehungsprozesses darstellt. Nicht der Einzelne und auch nicht eine erwählte Familie herrschen, sondern die Tugend selbst.76 Gekennzeichnet ist die Sapientia durch ihre Begleiterinnen, die sie freudig umrahmen: Fleiß, Arbeit, Frömmigkeit, Wissen, Redlichkeit, Wohlstand, Heilkunst und Gerechtigkeit. Wie der wahre Prophet an seinen Früchten zu erkennen ist, so auch das gute, von Weisheit durchdrungene Regiment. Seine Früchte preisen das westliche und das östliche Rundbild, auf dem blühende Städte und studierende Knaben zu sehen sind. Müßiggang hat hier keinen Platz, Frömmigkeit ist eine Selbstverständlichkeit. Fruchtbar sind diese Städte, sie wachsen, halten Treu und Glauben, zeigen sich wehrhaft und dem Handel zugeneigt. Wo ist ein solch wunderbarer Ort zu finden? Wo ist das neue Rom Wirklichkeit geworden? Die mit dem Reichsadler gemeinsam thronende Augusta scheint eine Antwort auf diese Fragen zu sein. Hier, an dieser Stelle, an diesem Orte, an dem Abundantia ihr Füllhorn entleerte, ist ein Paradies auf Erden entstanden.77 Ja, mehr noch – die Wahlsprüche der Kaiser und die Abbildungen der römischen Imperatoren signalisieren, dass von hier die Weisheit in die Welt ausstrahlt. Die einzelne hervorragende Herrschergestalt allein ist indes kein Garant für die Erfüllung dieses Auftrags – neben die Kaiser platziert der Schöpfer des Bildprogramms Szenen der Gefährdung und des moralischen Zwiespaltes. Heroinnen sind zu erblicken, die – wie Semiramis – durchaus unabhängig und selbstbewusst agieren und – wie Lukretia – durchaus scheitern können. Der Kaiser bedarf der Beratung, des gemeinsamen Suchens nach dem Weg der Tugend. Er residiert nicht nur in seiner Stadt – er sucht hier auch Rat und wird beraten.78 Das Gebäude, das Senat und Volk von Augsburg hier errichteten, war offensichtlich als Tagungsstätte des Reichstages konzipiert. Die Stadt dokumentierte ihren Anspruch auf Zentralität, auf das Erbe des großen Rom. Ihre 76 77 78

Vgl. Mende: Nürnberger Rathaus. Vgl. zur Selbstdarstellung eines Reichsfürsten: Stephan: Glanz. Adel und Staatsbildung: Asch: Europäischer Adel.

3.2 Ein loblicher und wohlweiser Rat – die urbanen Eliten

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Einladung an Kaiser und Reich hatte damit zugleich etwas Forderndes – dokumentierte doch das Bildprogramm das Bewusstsein eigener Erwähltheit und natürlichen Vorrangs. Im Goldenen Saal des neuen Rathauses feierten sich jene Geschlechter, die sich als neues Patriziat des Reiches fühlen durften. Als Gestalter und Erneuerer des germanischen Roms mehrten sie die Reputation der Stadt und ernteten kaiserliche Anerkennung für ihre bisherige Arbeit. Wenn auch manche der hier regierenden Geschlechter jung sein mochten, die Rolle, die sie ausführten, war dies nicht. Das Bekenntnis zum Reich, ja, seine Verherrlichung strahlte zugleich auf die Senatoren der Stadt aus und gab ihren Familien die Patina des Ewigen, des Unverrückbaren.79 Stadt und Reich, Patriziat und Stadt wurden zu unzertrennlichen Einheiten, die in Bildern und in den Riten (wie den Reichstagseröffnungen) aufs Neue belebt wurden. Sie bildeten Ankerpunkte einer städtischen Identität, die auf das Reich bezogen war, und zugleich über die Stadtgrenzen hinaus ausstrahlte. Motive des Streits zwischen der Stadt und ihrem Herrn hatten in diesem wohlgeordneten Bild der Augsburger Reichsstadtherrlichkeit nichts zu suchen. Die zur Schau getragene Harmonie im Bildprogramm war indes das eine, die Notwendigkeit der Senatoren, sich in einem multipolaren Umfeld zu positionieren, etwas anderes. Kaisertreue war nicht immer ratsam. Vor allem im Vorfeld und im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges sahen sich reichsstädtische Eliten wiederholt dazu gezwungen, die Seiten zu wechseln. Auch patrizische Räte, so musste die Hofburg feststellen, kooperierten mit den Schweden, wenn sie auf diesem Wege ihre Privilegien erhalten konnten. Schon Mitte der 30er Jahre des 17. Jahrhunderts zeichnete sich eine veränderte Haltung des Reichshofrates gegenüber den reichsstädtischen Obrigkeiten ab. Oppositionsbewegungen wurde ein offenes Ohr gewährt. Der Glanz der dem Adel zustrebenden Senatsfamilien, die erbittert um den bevorzugten Zugang zu symbolischem Kapital rivalisierten, wurde matter. Wien zeigte Sympathien für die Idee des Volkstribunats. Bürgerschaftliche Kontrollorgane wurden in einigen – keineswegs in allen – Reichsstädten zugelassen.80 Für die Ratselite hatte dies weitreichende Folgen. Bereits 1677 – Jahrzehnte bevor eine weitere, in ihren Ergebnissen umwälzende Bürgerunruhe die Reichsstadt Frankfurt erschütterte – klagten die Gebrüder Fleischbein gegen die Vorsteher der Gesellschaft Alt-Limpurg.81

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Vgl. Selbstdarstellung der Kölner Elite: AT-OeStA/HHStA RHR Decisa K 1225, 303r ff. Malblanc, Julius Friedrich: Abhandlungen aus dem Reichsstädtischen Staatsrechte, Erlangen 1793, S. 215ff. Zu Malblanc: Eisenhart: Malblanc, 129–131. AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, K. 2541, Fleischbein, Brüder vs. Altlimburg, adelige Gesellschaft zu, 1676 – 1680. Vgl.: AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, K. 2847 (alt G 88), AB I/1, Glaßer, Augustin vs. Biberach, Patriziat und adelige Gesellschaft zu, 1728–1732, receptionis in senatum civicum.

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3. Streit in der Stadt

Der Kaiser habe sie nobilitiert und ihre Aufnahme in die patrizische Gesellschaft angeordnet. Die Alt-Limpurger jedoch widersetzten sich. In einer Verteidigungsschrift der Vorsteher der Gesellschaft vom 16. Februar 1677 wurde dieser Tatbestand keineswegs bestritten. Im Gegenteil, man bestand auf der Rechtmäßigkeit des eigenen Vorgehens. Ein Adelsbrief allein, so die Begründung, ziehe keineswegs die automatische Aufnahme in ihre Gesellschaft nach sich. Das Recht der Selbstergänzung sei in Frankfurt ebenso wie in Nürnberg, Augsburg oder Ulm unantastbar. Es stelle ein wohlerworbenes Recht dar, in das selbst der Kaiser nicht eingreifen dürfe. Zudem stehe es dem Kläger frei, in die Gesellschaft der Frauensteiner einzutreten und auf diesem Wege einen Sitz im Rat zu erlangen. Die Klage der Gebrüder wurde abgewiesen. Gleichwohl bildete das kaiserliche Patent ein Menetekel an der Wand. Das Patriziat, das sich als Gestalterin eines imperialen Raumes auf lokaler Ebene zu stilisieren suchte, wurde zur Anpassung aufgefordert.82 Was dem handeltreibenden Patriziat in Augsburg und den um Ausgleich mit der Kaufmannschaft bedachten Nürnbergern gelang, scheiterte indes in Frankfurt. Das daraus folgende Resultat war eine vom Reichshofrat sanktionierte Verfassungsrevision, die die patrizische Position empfindlich schwächte. In einer Klage der Gesellschaft Frauenstein aus dem Jahre 1775 gegen den Rat der Stadt Frankfurt monierten die Beschwerdeführer, bei den Ratswahlen mehrfach übergangen worden zu sein.83 Die Senatoren reagierten kühl. Tatsächlich weise der Bürgerrezess das Wahlgremium lediglich an, eine bestimmte Zahl von Patriziern als Senatoren zu bestimmen, sofern diese geeignet seien. Die von den Frauensteinern vorgestellten Kandidaten hätten die erforderlichen Kriterien jedoch nicht erfüllt. Vorwürfe, es sei nur darum gegangen, einen missliebigen Kandidaten (Fähnrich Bienenthal) zu verhindern, wies man empört zurück. Senatoren, so die neue Anforderung der Frankfurter Ratsverfassung, hatten vor allem durch Fachkompetenz hervorzustechen. Nicht das Erlernen eines höfisch-aristokratischen Habitus, sondern ein Universitätsstudium wurde zum Ausweis der Zugehörigkeit zur städtischen Elite.84 Frankfurt experimentierte ohnehin seit Mitte des 16. Jahrhunderts mit verschiedenen Modellen der Statusbildung und -perpetuierung. Zur Elite gehörten gewerbetreibende Zunftmeister und Großkaufleute ebenso wie ein Patriziat, das sich als patriotische Mittlerinstanz zwischen Hof und Stadt dar82 83

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Zur Rolle der patrizischen Gesellschaften in den Konflikten des 18. Jahrhunderts: Soliday: Community. AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, K. 2102, 2103, Frankfurt, Frauensteiner Gesellschaft zu vs. Frankfurt, Magistrat zu, 1775–1781, appellationis, die Übergehung derselben bey den lezten Rathswahlen betr. Herborn: Graduierte Ratsherr, 337–400.

3.2 Ein loblicher und wohlweiser Rat – die urbanen Eliten

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zustellen wusste. Nun trat ein drittes Modell neben die anderen, begann es zu überlagern, zu verdrängen, zu ergänzen. Es war jenes der Funktionselite. Die alten Familien konnten hier durchaus ihren Platz finden, sie konnten sogar die neuen Funktionseliten dominieren, sie mussten sich allerdings neuen Regeln des Wettbewerbs unterwerfen und dabei das Risiko des Scheiterns eingehen.85 Der Reichshofrat war an dieser Entwicklung beteiligt, ja, er forcierte sie. Immerhin glich die neue Juristenelite der alten in einem entscheidenden Punkt. Auch sie verstand sich als Mittler zwischen Wien und ihrer Stadt. Das Grundprinzip der kaiserlichen Politik gegenüber den Reichsstädten wurde damit nicht fallengelassen, sondern lediglich variiert und verfeinert. Wien blieb im 17. und 18. Jahrhundert bestrebt, die Städte unter dem Kaiseradler durch eine vom Kaiser abhängige Elite an sich zu binden. Der Erfolg einer solchen Strategie fußte indes auf Voraussetzungen, die keineswegs in jeder Stadt gegeben waren. Vor die Aufgabe gestellt, das Ratsregiment der Reichsstadt Buchau 1748 zu reformieren, kapitulierten die kaiserlichen Kommissare. In ihrem Schreiben an den Reichshofrat skizzierten sie die Gründe dieses Scheiterns: Die Bürgermeister und Senatoren dieser kleinen Stadt tränken mit ihren Bürgern in den Wirtsstuben, feilschten mit ihnen auf dem Markt, wohnten in denselben Häusern, besäßen denselben Ausbildungshintergrund – sie unterschieden sich in nichts von jenen, von denen sie Gehorsam forderten. Das obrigkeitliche Amt besäße in Buchau keinen Glanz und entbehre damit einer essentiellen Basis der Autorität.86 Eine Elite, so die Botschaft der Kommissare, war nur dann als solche zu benennen, wenn sie in der Lage war, Orientierung zu stiften. Wenn sie Distanz wahrte und Gestaltungskraft bewies – vor allem aber, wenn sie Rollenmodelle und Kollektividentitäten generierte.87 Ohne asymmetrische Ressourcenverteilung konnte auch ein vom Kaiser von Außen stabilisiertes Ratsregiment kaum funktionieren. Der Fall Buchau war indes ein seltener Ausnahmefall. Zumeist bereitete es den Richtern in Wien wenig Schwierigkeiten, die städtischen Eliten zu benennen. Diese konnten ausgesprochen unterschiedlich strukturiert sein. Während einige Städte ein ausgebildetes Patriziat (wie in Nürnberg) besaßen, waren in anderen die städtischen Oberschichten sehr viel offener gegenüber Aufsteigern (Frankfurt). Manche Elite war vergleichsweise homogen strukturiert (Nördlingen), andere bestanden aus rivalisierenden Geschlechtern oder funktional voneinander geschiedenen Segmenten.88 Ihnen allen gemeinsam war das Ringen um

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Zum Wandel der städtischen Elitenstrukturen in der Frühen Neuzeit: Schilling: Vergleichende Betrachtungen, 1–32. StadtA Buchau 2, 16, 27. Vgl. mit dem Fall Offenburg: Moser: Reichstättisches Handbuch, 436ff. François: Städtische Eliten, 65–83.

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3. Streit in der Stadt

Distinktion und ihre Einbindung in translokale Beziehungsnetze. Sie alle rangen daher auch um die Unterstützung von Kaiser und Reich. Im Idealfall gelang es den Richtern, ein neues Elitengleichgewicht in den Städten zu fixieren und das Gericht als permanenten Wächter des neuen Systems zu etablieren. Dies funktionierte nicht immer. In einigen Reichsstädten eskalierte die Gewalt. Weit gefährlicher als eine Rückkehr zu den Konfliktmustern des 16. Jahrhunderts war für die Richter aber ein anderes Extrem: die Abwesenheit von Klagen. Ein Gericht ohne Prozesse war überflüssig. Eine Stadt ohne Unruhe, die sich mit ihren Nachbarn auf dem Wege des Vergleichs zu einigen wusste, bedurfte weder der Unterstützung, noch des Reichshofrates, noch des Reichskammergerichts. Selbiges traf auf die eidgenössischen Orte zu, die aufgrund hoher Einkünfte aus dem Solddienst von ihren Bürgern keine direkten Steuern erheben mussten und auch die Autonomierechte der Landgemeinden kaum antasteten. Die Eidgenossen hatten sich aus dem Reich nicht durch heldenhafte Kämpfe und erbitterten Widerstand gelöst. Man war aus dessen Rechtsverband langsam heraus gedriftet. Dort, wo man weder Reichskreise noch Reichsgerichte geschweige denn den Reichstag brauchte, war das Reich schlicht überflüssig. Die Richter durften beruhigt sein: Vom Zustand der eidgenössischen Orte waren die Reichsstädte nördlich des Rheins weit entfernt. Die bereits erwähnten Belastungen durch die Reichsmatrikel, die oftmals schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen und das bescheidene Umland begrenzten die zu verteilenden ökonomischen Ressourcen.89 Auch die militärischen Möglichkeiten der Senatoren waren, von wenigen Ausnahmen wie Hamburg ausgenommen, mehr als begrenzt. Die Reichsstadt Schwäbisch Hall etwa unterhielt gerade einmal 11 Kavalleristen und 75 Infanteristen – zu wenig, um mehr als 5.000 Bürger in Schach zu halten. Dieses Manko wog umso schwerer, als der Rat kaum über eine stabile Klientel innerhalb der Stadt verfügte. Selbst in der Salzmetropole Schwäbisch Hall war angesichts der Konkurrenz und des Innovationsdrucks, unter dem die Saline stand, kaum etwas zu verteilen. Die Senatoren, die zumeist zu den sogenannten Lehnherrn des Haals gehörten, konnten Kapital nur dadurch akkumulieren, dass sie die Einkünfte der Erbsiederschaft beschränkten. Ihrer Beliebtheit innerhalb der Bürgerschaft war dies kaum förderlich.90 Wie brüchig die Machtbasis der reichsstädtischen Senatoren war, zeigte ein Beispiel aus der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen aus dem Jahre 1701: Der Führer der dortigen Tuchmacher Christoph Schiede sollte auf Beschluss 89

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Vgl. auch: Malblanc, Julius Friedrich: Abhandlung zu dem reichsstädtischen Staatsrechte, Erlangen 1793, S. 140–168. Sowie die Aussage des Haller Rates gegenüber dem RKG Ende des 18. Jahrhunderts: HStA Stuttgart C3, 1535 IV, Q 92. In einigen Reichsstädten entwickelte sich das Stadtmilitär aufgrund der schlechten Entlohnung zu einem Sicherheitsrisiko: Schwarck: Lübecks Stadtmilitär, 1–14.

3.2 Ein loblicher und wohlweiser Rat – die urbanen Eliten

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des Rates verhaftet werden. Da man den Widerstand seiner Klienten befürchtete, riefen die Senatoren die Bürgerschaft mit Trommelschlägen zu den Waffen. Die Resonanz auf den Gestellungsbefehl war niederschmetternd. Nur eine Minderheit der Bürger leistete ihm Folge. Als die kleine Schar sah, dass Schiedes Anhänger ihren Anführer mit Waffengewalt zu verteidigen gesinnt waren, gingen auch sie nach Hause. Obwohl Schiede und seine Tuchmacher Forderungen stellten, die keineswegs den Interessen der Mehrheit der Bürgerschaft entsprachen, war es dem Rat nicht gelungen, seine Autorität auszuspielen. Die meisten Bürger sahen dem Schauspiel einfach zu.91 Worin lag angesichts dieser Hilflosigkeit des Rates im Streitfalle die Attraktivität des Ratsamtes? Warum drängten die aufsteigenden Eliten in das Rathaus? Wenngleich die geliehene Macht des Reiches kaum ausreichte, um einen Zentralisierungsprozess innerhalb der Reichsstädte zu forcieren, gab das Amt den Senatoren durchaus genügend Möglichkeiten an die Hand, die eigenen Ressourcen zu mehren. Räte kamen zumeist mit illustren Vorfahren, akademischer Ausbildung und geringer ökonomischer Ausstattung in das Gremium. Wenn sie es verließen, gehörten sie zu den reichsten Personen der Stadt. Das Amt öffnete ihnen wichtige Kontakte, gewährleistete Informationsvorsprünge und gab ihnen die Möglichkeit, die eigenen Interessen durch obrigkeitliche Entscheidungen zu schützen – so etwa, wenn es um die Einquartierung fremder Truppen ging. Zudem war der legale, mehr aber noch der verdeckte Griff in die Stadtkasse – wie die kaiserlichen Kommissare nach langwierigen Ermittlungen nachweisen konnten – eine geläufige Form der Gehaltsaufbesserung. Damit lag zugleich auf der Hand, welche Gruppen innerhalb der Bürgerschaft die bevorzugten Führer einer Oppositionsbewegung waren. Wirtschaftliche Aufsteiger, die ihr Vermögen letztlich nur schützen konnten, wenn die Wahl in den Rat gelang, zählten zu den heftigsten Kritikern der etablierten Familien. Prüft man die Steuerlisten jener Städte, in denen Bürgerprozesse geführt wurden, so ergibt sich zumeist das Bild einer gespaltenen ökonomischen Elite. Während der eine Teil den Rat domininierte, bildete der andere die Spitze der Oppositionsbewegung. Keiner der beiden Teile bildete eine belastbare, einheitliche Handlungsgemeinschaft. Auch innerhalb der Ratselite gab es einen erbitterten Streit um Ressourcen. Die etablierten Familien, die über ein dichtes verwandtschaftliches Netzwerk in den Gremien verfügten, verwehrten den Neuzugängen die interessantesten Einnahmemöglichkeiten. Dies führte zu heftigen Verwerfungen, die einem offenen Konflikt zwischen Bürgern und Rat zumeist vorausgingen. Das Hauptproblem der reichsstädtischen Eliten bestand damit in ihrer Fragmentierung. Die ohnehin stets brüchige Geschlossenheit der Elite als

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AT-OeStA/HStA RHR Den. Rec. 726.

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3. Streit in der Stadt

gentilärer, auf der Basis von Schwurverbänden und Familien strukturierter Verband, wurde im Verlaufe des 17. Jahrhunderts immer instabiler. Die Integration von Neuaufsteigern und ressourcenschwachen Verwandten erwies sich als schwierig. Die Folge war, dass die Rivalitäten innerhalb der Elite einen potentiell System sprengenden Charakter erhielten. Der Grundkonsens der wechselseitigen Anerkennung bei gemeinsamer Abgrenzung nach unten schwand. Welche Rolle die führenden Familien zu spielen hatten und welchen Wert das jeweils von ihnen generierte Kapital für die Stadt hatte, darüber gab es nun permanenten Streit. Dies stärkte die Rolle der Sekundär- und Tertiäreliten, die als Bündnispartner unentbehrlich waren. Vor allem aber stärkte es die Position von Kaiser und Reich innerhalb der Städte. Denn in einem Punkt herrschte zwischen den Rivalen Einigkeit. Erfolg konnte nur jenes Elitensegment haben, das die Unterstützung des Reichshofrates gewann.

3.3 Untertanen oder Bürger? – Imaginationen des Politischen in frühneuzeitlichen Reichsstädten In Anbetracht des prägenden Anteils, den wohlhabende, der Elite zugehörige Familien in den Oppositionsbewegungen des 17. und 18. Jahrhunderts hatten, hat die neuere Forschung Zweifel an Interpretationsmodellen geäußert, die die Reichsstadt als Arena im Kampf zwischen Republik und Obrigkeit, zwischen Adel und Bürgertum begriffen. Es habe, so Rudolf Schlögl, eine erhebliche Diskrepanz zwischen den genossenschaftlichen Grundprinzipien der Reichsstädte und der sozialen Praxis einer hierarchisch-klientelär geordneten Bürgerschaft bestanden.92 Das modern anmutende Verfahren blieb eine Fassade.93 Bestenfalls war es ein Instrument, das den Eliten dazu diente, ihre Kommunikationschancen zu erweitern. Dies galt für Wahlen 92 93

Schlögl: Vergesellschaftung unter Anwesenden, 3–24. Vgl. im Gegensatz dazu: Blickle: Unruhen. Blickle: Untertanen, 483ff. Blickle: Kommunalismus, 2 Bde. Schlögl wendet sich damit gegen die Thesen Otto Brunners. Während die ältere Stadtgeschichtsforschung den Kampf zwischen Bürgerschaft und Rat als ein Spezifikum der Städte des 13. bis frühen 16. Jahrhunderts betrachtete, lenkte Otto Brunner 1963 den Blick auf die frühneuzeitlichen Bürgerkonflikte. Tatsächlich, so Brunner, seien in den Reichsstädten bis ins 18. Jahrhundert hinein alteuropäische Denktraditionen lebendig geblieben. Die Res Publica sei hier noch mit Populus und Societas Civilis identisch gewesen. Diese Societas Civilis habe sowohl die wirtschaftlich-soziale Struktur (im älteren Sinne) wie auch die politische Gesamtordnung (im modernen Sinne) umfasst. Die Vorstellungen der direkten Auseinandersetzung einander zur Treue verpflichteter Rechtssubjekte hätten noch immer die städtischen Entscheidungsstrukturen beherrscht. Geändert habe sich dies erst unter dem Einfluss juristischer Funktionsträger. Senatoren und Bürger hätten sie als Fachleute der transparenten und effizienten Konfliktlösung

3.3 Imaginationen des Politischen in frühneuzeitlichen Reichsstädten

83

ebenso wie für Gerichtsprozesse.94 Die jeweiligen Ergebnisse dieser rational anmutenden Entscheidungsprozesse hätten immer schon von vornherein festgestanden.95 Die persönlichen Beziehungen hätten auch noch so komplexe Verfahrensrichtlinien problemlos unterlaufen. Ja, im Grunde habe das ganze Spektakel den Einfluss von Machtclustern, die auf persönlichen Beziehungen fußten, noch gestärkt. Die Existenz eines autonomen politischen Entscheidungsraumes, in dem eine Gesellschaft sich selbst zum Objekt verbindlicher Entscheidungen macht, dürfe in frühneuzeitlichen Reichsstädten ebenso wenig als selbstverständlich vorausgesetzt werden wie ein entpersonalisiertes Amtsverständnis der Herrschaftsträger.96 Die Proteste der Frauensteiner gegen ihre Marginalisierung bei der Ratsbesetzung waren – soweit man diesem Interpretationsmodell folgt – Ausdruck einer Übergangszeit. Die Mitglieder des Patriziats zeigten sich nicht anpassungsbereit und beharrten auf Normen, die den Entscheidungsfindungsprozessen der Anwesenheitsgesellschaft entsprachen. Man distanzierte sich von einem neuen Verständnis des Politischen, das eng an den Habitus des geschulten Verwaltungsfachmanns gekoppelt war, und geriet damit langfristig ins Hintertreffen.97 Die Moderne hatte die Reichsstädte erreicht. Die stratifikatorische Gesellschaft hatte der funktional differenzierten Gesellschaft zu weichen. Dieses Erklärungsmodell fußt auf der Voraussetzung, dass klienteläre Verflechtungsmechanismen in den Reichsstädten weitgehend autonom funktionierten.98 Dieses Axiom ist anfechtbar. Die sich rasant verdichtenden Kommunikationslinien im Reich ließen die Reichsgerichte – wie mehrfach betont – zu beständigen Beobachtern und Mitgestaltern der innerstädtischen Entscheidungsbildung werden. Es war eine Entwicklung, die den Streit in

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geschätzt. Mit der Gelehrsamkeit seien allerdings auch neue Gedanken – wie die Souveränitätslehre Jean Bodins – in die Städte gekommen: Gedanken, die zunächst dem Rat von Nutzen zu sein schienen. Im Bemühen, den Senat zum Inhaber der Souveränität zu erklären, habe man die Machtposition gegenüber den Bürgern zu verbessern versucht. Diese hätten auf gleiche Weise reagiert und nunmehr die Bürgerschaft zum Souverän erklärt. Ein auf Treue ausgerichtetes Gemeinwesen, in dem die wechselseitigen Verpflichtungen einem steten, von traditionellen Vorstellungen unterfütterten Aushandlungsprozess unterlagen, wurde in Grundsatzstreitigkeiten gestürzt, die ihm fremd waren. Brunner: Souveränitätsproblem, 294–321. Arlinghaus/Baumgärtner/Colli/Lepsius/Wetzstein (Hgg.): Praxis der Gerichtsbarkeit. Das scheinbar Moderne, wie etwa das Beharren auf dem Bodinschen Souveränitätstitel, habe nur der Stabilisierung einer vormodernen Struktur gedient. Der Wandel von der stratifikatorisch gegliederten zur funktional differenzierten Gesellschaft sei vergleichsweise rasch gekommen und habe sich in einem relativ engen zeitlichen Korridor von weniger als 100 Jahren (der Sattelzeit) vollzogen. Brakensiek: Fürstendiener. Vgl. dazu die divergierenden Standpunkte (,,Kulturgeschichte des Politischen“ oder ,,Neue Politikgeschichte“) der jüngeren Politikgeschichte: Landwehr: Diskurs – Macht – Wissen, 71–117. Steinmetz (Hg.): "Politik". Sieh-Burens: Oligarchie.

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3. Streit in der Stadt

den Städten keineswegs ersterben ließ, sondern ihm im Gegenteil neuen Zündstoff verlieh und (durch die wachsende Bedeutung gedruckter Stellungnahmen) die Adaption neuer Argumentationsmuster in den Reichsstädten beförderte. Führte dies aber tatsächlich dazu, dass die klagenden Bürger neue Vorstellungen des Politischen generierten, oder wurden hier nur theoretische Leerformeln zur Anwendung gebracht? Um das innovative Potential reichsstädtischer Unruhen beurteilen zu können, soll im Folgenden ein besonders spektakulärer Fall näher analysiert werden, in dem die Beteiligten nicht nur über die Machtverteilung zwischen einzelnen Familien, sondern auch um politische Grundsatzfragen erbittert stritten. Die Rede ist von den Gülichschen Unruhen der Jahre 1680–1686 in Köln.99 Für die Metropole am Rhein traf dieselbe Aussage zu, die auch alle anderen Reichsstädte exakt beschrieb: Sie war in ihren Verfassungsstrukturen, in ihrer geographisch-machtpolitischen Situation und ihrer inneren Heterogenität ein Unikat. Neben dem Rat übten die Universität und das Chorherrenstift sowie der Erzbischof von Köln Einfluss auf die Entscheidungsmechanismen innerhalb der Stadt aus. Grundlage der Stadtverfassung war der Verbundbrief von 1396. Das Wahlrecht oblag Gaffeln, einer Einteilung der Bürgerschaft, die ursprünglich die Stellung von wehrfähigen Bürgern und ihre Organisation im Falle einer militärischen Auseinandersetzung regelte.100 Sie konnten, mussten aber nicht, identisch mit Zünften oder Bruderschaften sein. 36 Ratsherren wurden direkt von den Gaffeln bestimmt, 13 Senatoren (das Gebrech) kooptierte der Rat aus verschiedenen Gaffeln. Ihre Amtszeit betrug ein Jahr, eine Wiederwahl war erst nach zwei Jahren möglich. Bei wichtigen Entscheidungen waren die beiden Bürgermeister und der Senat gehalten, die 44er einzuberufen – eine Versammlung, die aus je zwei Vertretern jeder Gaffel bestand. Deren Häupter waren die Bannerherren, die ein institutionalisiertes Gegengewicht zum Senat bildeten. Die Verfassungspraxis sah anders aus. Wenngleich der Rat sich in einem Rotationsturnus befand und auch die 44er und die Bannerherrn nach wie vor bestanden, lag die Macht de facto in den Händen einiger weniger Familien, deren aristokratischer Habitus die Konsolidierung eines Quasi-Patriziats signalisierte.101 Die Bannerherren waren zumeist selbst Mitglieder des Senats und die Ergebnisse der Gaffelwahlen wurden durch geschickte Manipulationen im Sinne der Elite gelenkt.102 War die komplexe Verfassung der Stadt damit letztlich nichts anderes als eine Camouflage? Eine solche Interpretation griffe sicherlich zu kurz. Ähnlich wie in Aa99 100 101 102

Dreher: Nicolaus Gülich. AT-OeStA/HHStA RHR Decisa K 1225. Die folgenden Zitate sind diesem Bestand entnommen. Vgl. dazu Brandt: Die Grenzen, 247–264. Herborn: Kölner Verfassungswirklichkeit, 85–113. Looz-Corswarem: Die politische Elite Kölns, 421–444.

3.3 Imaginationen des Politischen in frühneuzeitlichen Reichsstädten

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chen zwang die Gaffelverfassung die Senatoren zu einer außergewöhnlich intensiven Pflege ihrer Klienten. Neben die soziale Distinktion musste ein permanenter Ressourcenausgleich treten.103 Antagonismen innerhalb der Elite, Spannungen zwischen Primär- und Sekundäreliten und Störungen im Ressourcentransfer konnten hier schneller zu manifesten Konflikten führen als andernorts. Die komplizierte Verfassung bot Oppositionsbewegungen Raum, sich auf legalem Wege zu konstituieren. Sie erleichterte den Klageweg und bot die Chance zu einer subtilen Veränderung der städtischen Spielregeln – ohne dass an der äußeren Verfassungsform etwas verändert werden musste.104 Auch am Beginn der Gülich Unruhen standen, wie so oft in den Reichsstädten, Steuererhöhungen. Die strukturelle Unterfinanzierung der Obrigkeit hatte auch in Köln den Stadtsäckel geleert. Um der Schuldenfalle zu entgehen, verfielen die – zumeist überaus wohlhabenden – Senatoren auf die Idee, den Bürger zur Kasse zu bitten. Es schlug die Stunde jener Bannerherrn, Zunftmeister und Kaufleute, die bislang bei den Wahlen im Rat und bei der Besetzung der lukrativsten Ämter wenig Berücksichtigung fanden. Man nutzte die Möglichkeiten der Gaffelverfassung und erzwang die Einberufung der 44er. Nach kurzen Verhandlungen wurde eine gemeinsame Untersuchungskommission – bestehend aus Zunftvertretern und Ratskommissaren – eingerichtet, die eine Generalinquisition vornehmen und die Schuldigen bestrafen sollte. Das Ergebnis fiel in den Augen der Kläger wunschgemäß aus. Die Kommission hatte drei Gebrechen festgestellt: 1. sei gemeines Gut veruntreut worden, 2. habe der Senat sich als bestechlich erwiesen, 3. sei die ursprüngliche Verfassung zerfallen (,,formae regiminis redintegranda“). Nicht Strukturmängel wurden als Ursachen für die Missstände benannt, sondern das Fehlverhalten von Personen wurde beklagt. Gegen die Bürgermeister Krebs, Wolffs, Kreck und Wahrenberg erging, wie es in dem Bericht der Bürgerschaft hieß, ,,ein Rechtsspruch“. Der Weg zurück zur guten alten Ordnung schien gebahnt zu sein. Tatsächlich jedoch tat sich nichts. Im Bericht der Bürgerschaft an den Reichshofrat las sich dies wie folgt: Dieweilen danach solche verlangte Execution sodann die Regiments Verbeßerung bis ins Jahr 1683 verzogen und mittlerweilen 5 turni undt Magistrats verwechselung ohn die mindeste fortsetzung dieses so nöthigen werkes abgelauffen, so seindt entlichen Löblichen ambter und Zunfften angenötiget und einmüthig Rhats worden, ihre des falls habende

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Zu Aachen: Beckers: Parteien und Parteienkampf, 321–360. Schilling: Bürgerkämpfe in Aachen, 175–231. Schmitz: Verfassung und Bekenntnis. Wessling: Die Konfessionellen Unruhen, 26–87. Die Verbreiterung der an der Entscheidungsbildung in kontroversen Fragen beteiligten Eliten erfolgte in anderen Reichsstädten zumeist über den äußeren Rat: Moser: Reichstättisches Handbuch, 65ff.

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3. Streit in der Stadt

gravaminia auszufertigen und Magistratui [. . . ] in Februario 1683 gebührendt bey zu bringhen.

Was war geschehen? Die ehemaligen Inquisitoren waren, so die Berichterstatter, zum größeren Teil selbst in den Rat gewählt worden, die restlichen hatte man auf andere Art und Weise beruhigt. Für diese Gruppe nunmehr saturierter Eliteangehöriger bestand kein Grund, die Klage weiterzuführen und gegen jenen Rat des Jahres 1680, den man einst einmütig verurteilt hatte und der nunmehr wieder turnusgemäß im Amte saß, zu opponieren. Der Interessenausgleich innerhalb der Eliten bedeutete allerdings keineswegs das Ende des Konfliktes. Der trat vielmehr in eine neue Phase.105 An die Stelle der verfassungsmäßig vorgesehenen Vertretungsorgane der Gaffeln wurde ein neues, größeres Gremium geschaffen, in dem die Handwerke eine herausgehobene Rolle spielten. Als Führungsgestalt der Bewegung gewann nunmehr die charismatische Figur des Nikolaus Gülich an Bedeutung. Der 1644 geborene Manufakturkaufmann hatte bereits 1680 zu den entschiedensten Gegnern des Rates gehört. Im Gegensatz zur Mehrzahl seiner Mitstreiter hatte er sich jedoch nicht mit den Senatoren arrangiert. Als erbitterter Gegner des Ratssyndikus Judendonk war er vielmehr wesentlich daran beteiligt, die Forderungen der Opposition weiter zuzuspitzen. Dieses Mal trafen die Bürger auf entschlossenen Widerstand. Die Senatoren, die nach der Kooptation opponierender Eliteangehöriger auf Verbündete innerhalb der Bürgerschaft zurückgreifen konnten, reagierten auf die Vorwürfe der 80er mit Härte. Zunftladen wurden aufgebrochen, Ausgangs- und Versammlungssperren verhängt. Vor dem Rathaus stärkte man die eigene Militärpräsenz. Ein Kräftemessen zeichnete sich ab, das die Bürger durch eine handstreichartige Besetzung der militärischen Schlüsselstellungen der Stadt gewannen. Eine ihrer ersten Entscheidungen bestand in der Wiedereinrichtung der 44er. Die Stadt sollte – so erklärten die Bürger dem Reichshofrat – wieder in ihren guten alten Verfassungszustand zurückversetzt werden. Der schöne Schein des Alten trog. Tatsächlich blieb nur die Fassade der Gaffelverfassung erhalten.106 Dies zeigte sich vor allem bei den Ratswahlen im Juni 1683. Die Mehrheit der Ämter bestimmte einen neuen Rat, der die Interessen der alten Familien weitgehend außer Acht ließ. Man ging sogar noch einen Schritt weiter: Als der sitzen bleibende Ratsteil, von den Ereignissen geschockt und eingeschüchtert, der konstituierenden Sitzung des Senats fernblieb, interpretierten die Bürger dies als einen Bruch des Ratseides. Die betroffenen Personen hätten sich, so hieß es, selbst ihres Amtes entsetzt. Sie wurden so rasch als möglich durch neu gewählte Senatoren ersetzt.107 105 106 107

Zur Dynamik der Unruhen: Hildebrand: Rat contra Bürgerschaft, 221–241. Zu den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten der Zünfte: Gerteis: Repräsentation, 275– 287. Zur Bedeutung der zwischen Ritual und Verfahren schwankenden Ratswahl im Sinne

3.3 Imaginationen des Politischen in frühneuzeitlichen Reichsstädten

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Die Entmachtung des alten Rates war gleichbedeutend mit einem politischen Dammbruch. In Köln waren auf der Grundlage der Gaffelverfassung Klientelverbände stärker ausgeprägt und leichter mobilisierbar als in anderen Reichsstädten. Im Zusammenhang mit den Unruhen hieß dies, dass in Köln die Internierung der Senatoren nicht ausreichte, um den Erfolg des Unternehmens zu gewährleisten. Neben den Angehörigen des Senates gerieten deshalb auch die Ratssyndici und etliche Zünfte, die sich auf die Seite der Obrigkeit geschlagen hatten, ins Visier der Bürgeropposition. Häuser wurden gestürmt, Amtsträger verhaftet, Zunfttruhen aufgebrochen. Jene Senatoren, die schließlich aus der Stadt vertrieben wurden, drängten den Reichshofrat zum Handeln. Der war über die Situation durch seinen Residenten beim Erzbischof von Köln bestens informiert und reagierte vorsichtig. Immerhin hatten die Bürger jeden ihrer Schritte stets unter Berücksichtigung reichsgerichtlicher Konsequenzen durchgeführt. Die Neuwahl der Senatoren entsprach dem Wahlmodus der Gaffelverfassung, die militärische Bewaffnung wurde als Akt der Notwehr nach dem Verfassungsbruch der Gegenseite dargestellt, wobei die Bürger darauf bedacht waren, das eigene Vorgehen als berechenbar und geordnet darzustellen. Was in Köln stattfand, so suchte man den Reichshofrat zu überzeugen, war kein Tumult, sondern der Versuch, die alte Verfassungsordnung wiederherzustellen. Doch welches waren die Grundfesten dieser alten Ordnung? Die Konfliktparteien waren sich in diesem Punkt keineswegs einig. Die alten und die neuen Senatoren entwickelten Imaginationen des politischen Raumes, die unterschiedlicher nicht sein konnten. In voluminösen lateinischen Gutachten wurde das Für und Wider der Demokratie diskutiert. Die Ergebnisse, zu denen sich beide Seiten durchrangen, waren fürwahr erstaunlich. Schon die Position des Rates ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: In der Statt Cöllen ist niemahlen der Gemeinde einige macht zugestanden gewesen, sondern alles waß die gemeinden nach und nach und endtlich durch den Verbundt erhalten, solches alles hat der Magistrat nach und nach bey eingefallenen Strittigkeiten zu derselben beruhigung aus Liebe des Friedens nachgegeben.

Das Zentrum politischer Kommunikation blieb nach dieser Darstellung allein der Rat. Er war die Quelle aller Mitspracherechte, die Letztentscheidungsinstanz in allen die Stadt betreffenden Angelegenheiten – er war der Träger der Landeshoheit.108 Die Bedeutung der Institution und ihrer personellen Trägergruppe war dabei nicht voneinander zu trennen. Als hätte es den Verbundbrief von 1396 nie gegeben, stellten sich die vertriebenen Senatoren als Erben einer ungebrochenen patrizischen Tradition dar:

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einer Kommunikation zwischen Anwesenden, die dauerhafte Bindungskräfte entfaltet: Goppold: Kommunikation. Dazu allgemein: Poeck: Rituale. Vgl. Malblanc, Julius Friedrich: Abhandlungen aus dem Reichsstädtischen Staatsrechte, Erlangen 1793, S. 206ff.

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3. Streit in der Stadt

Zumahlen unlaugbahr ist, das a tempore Caesareis Traiani omnis potestas bey den fünfzehn von Rom gekommenen Adelichen Familiis bestanden, welche diese Statt vermittels eines engen Raths absolute regiert.

Personale Dominanz und Amtskompetenz wurden von den Senatoren damit als untrennbare Einheit definiert. Politik wurde ganz offen an soziale Netzwerke gekoppelt. Das Ziel des Regimentes sei, so die Senatoren, doch immerhin die Verwirklichung der bürgerlichen ,,Harmonia“. Der Streit wurde stigmatisiert, Interessengegensätze sollten – ganz im ,,alteuropäischen“ Sinne – durch Mechanismen der Freundschaft und Treue ausgeglichen werden. Daher sei die Aufnahme der Bannerherren in den Rat nicht ein Bruch der alten Ordnung gewesen, sondern im Gegenteil ein Versuch, sie wiederherzustellen. Die Diskrepanz zwischen der Imagination des Politischen – wie sie vom Senat vorgetragen wurde – und der Praxis politischer Kommunikation in der Stadt lag auf der Hand. Der Rat hatte schließlich im Verlauf der Unruhen kaum Unterstützung durch seinen Klientelverband erfahren. Die Frage war allerdings, ob es den Bürgern gelang, ein tragfähiges Alternativkonzept vorzustellen. Nur wenn die Bürger den Reichshofrat davon überzeugten, dass sie künftig die Stabilität innerhalb der Stadt gewährleisten und ihre Unabhängigkeit sichern konnten, war die Möglichkeit gegeben, dass er ihren rechtlichen Argumenten folgte. In ihren Erwiderungen auf die Darstellung des Rates führte die Opposition zunächst grundsätzliche Erwägungen ins Feld: Seit den Zeiten des Verbundbriefes sei, so schrieben die Bürger, Köln eine Demokratie gewesen. Die Vorrangstellung der oft bemühten 15 Geschlechter im antiken Köln sei weder nachweisbar noch in irgendeiner Form relevant. Der Rat war für die Bürger ein Ausschuss der Gemeinde.109

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Die Bürger ließen sich damit – ähnlich wie Oppositionsbewegungen in anderen Reichsstädten – auf eine Staatsformendebatte ein. Es war ein auf den ersten Blick ermüdendes Ritual, das zumeist in der Bestätigung des Modells der Identitätsrepräsentation endete. In einem ähnlichen Konflikt in der Reichsstadt Mühlhausen hatte der Syndicus Schilling dem Prokurator des Rates am 9.6.1678 denn auch den üblichen Verlauf solcher Diskussionen vorausgesagt: ,,der Punct des status dürffte sich endlich geben, und dahin es hinaus lauffen, daß H. Seebach [Prokurator der Bürger] sagen möchte, were selbiger nicht [...] demokratisch, were er auch nicht [...] aristokratisch, undt also mixtus, dießeits wird man behaupten, daß er mehr aristokratisch, als democratisch [...], das Conclusum aber wird seyn er bliebe in statu quo.“ StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 7, 101r–103r. Der sachliche Gehalt der Debatte um die Frage, ob eine Stadt eine Demokratie oder eine Aristokratie sei, lag nicht zuletzt im Streit um die Zulässigkeit einer Bürgerklage. Indem der Rat sich als alleiniger Inhaber der Landeshoheit gerierte, meinte er das Klagerecht der Bürgerschaft auf Appellationsverfahren oder Fälle offensichtlicher Rechtsverweigerung begrenzen zu können.

3.3 Imaginationen des Politischen in frühneuzeitlichen Reichsstädten

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In den Augen der Bürger war dementsprechend die enge Anbindung der Bannerherren an den Senat der politische Sündenfall der Stadtgeschichte: wodurch alle die Observantien und gebrechen eingerissen, und das politische Wesen in Verwirr gerathen, dan gleich ein Notorium, dass das Politische Corpus ohne innerliche antipathien nicht bestehen kann.

Der von ihnen imaginierte Raum politischer Kommunikation unterschied sich damit in einem entscheidenden Punkt von jenem des Rates: er war multipolar. Er basierte auf verschränkten Verfahren und Prinzipien des gegenseitigen Ausbalancierens. Nicht Harmonie, sondern Antipathie sollte das Grundprinzip der Verfassungsordnung sein. Indem das Leitmotiv des Streites und die Möglichkeit, ihn in institutioneller Form nutzbar zu machen, angesprochen wurden, gelang es, die politische Imagination an die Praxis der politischen Kommunikation anzunähern. Der Antagonismus zwischen Bürgerschaft und Rat war indes nur ein Konfliktherd unter vielen. Tatsächlich waren beide Lager höchst heterogen. Nur in Ausnahmesituationen (wie z. B. im Zuge einer Bürgerunruhe) agierten sie tatsächlich über einen längeren Zeitraum einheitlich. Die Bruchlinien innerhalb der beiden Lager waren, wie auch das Kölner Beispiel zeigen sollte, jedoch auch in diesen Phasen kaum zu übersehen. Der Einfluss der exilierten Bürger in der Stadt war noch immer groß genug und die Antagonismen innerhalb der Bürgerschaft waren hinreichend tief greifend, um eine permanente Destabilisierung der politischen Entscheidungsprozesse in Köln herbeizuführen. Die von Wien erzwungene Restauration des alten Rates war damit letztlich unvermeidlich. Dennoch sollte in dem Modell der Bürgerschaft, das in ähnlicher Form auch in anderen Reichsstädten vorgetragen wurde, die Zukunft liegen. Die an sich artifizielle Dichothomisierung zwischen Bürgerschaft und Rat sollte stabilisiert und perpetuiert werden. Dies setzte voraus, dass der institutionalisierte Konflikt von funktional getrennten Eliten getragen wurde. Konzepte, wie dies zu bewerkstelligen war, wurden in den Reichsstädten Mühlhausen, Hamburg und Frankfurt zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa zeitgleich entwickelt (mit leichter Verspätung ist noch Augsburg hinzuzurechnen). Wie in Köln, so verfolgten auch hier die klagenden Bürger das Ziel der Einrichtung dauerhafter Kontrollgremien. Im Verlauf der Verhandlungen mit den Subdelegierten der kaiserlichen Kommissare, dem Reichshofrat und der Reichskanzlei, erfuhr dieser Vorschlag eine entscheidende Konkretisierung. Die entsprechenden Gremien sollten künftig durch ausgebildete Spezialisten getragen werden. Veränderungsprozesse, die seit dem 17. Jahrhundert zu beobachten waren, wurden damit forciert und aufeinander abgestimmt. Künftig garantierte die Sozialisierung an Juristenfakultäten und die Kontrolle durch die kaiserlichen Gerichte die Transparenz und Rationalität des politischen Kommunikationsprozesses. Die Lösungskonzepte, die in Augsburg und Frankfurt erarbeitet wur-

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3. Streit in der Stadt

den, wurden in der Regierungszeit Karls VI. vom Reichshofrat als Muster für zukünftige Verfassungsreformen verwendet.110 Kaiserliche Kommissare wurden angehalten, innerstädtische Verhandlungen in diese Richtung zu lenken. Ein Ergebnis dieses neuen Verfassungsmodells war es, dass Reichsstädte wie Frankfurt, Mühlhausen oder Aachen nunmehr geradezu permanent in Rechtsstreitigkeiten in Wien und Wetzlar verwickelt wurden.111 Ihrer ökonomischen Prosperität schadete dies ebenso wenig wie ihrer politischen Stabilität.112 Im Gegenteil: An die Stelle von Brezelbäckern und Manufakturkaufleuten traten als Interessenvertreter von Korporationen und Bürgergemeinden nunmehr Anwälte, die die schwierige Aufgabe des Dolmetschens zwischen juristischen und nicht-juristischen Kommunikationsprozessen übernahmen. Konfliktverläufe und Entscheidungsbildungsprozesse wurden berechenbarer – ein Prozess, der eine weitere Professionalisierung einzelner Elitenfragmente noch zusätzlich beschleunigte. Die politische Kommunikation in den Reichsstädten hatte sich – wie die patrizischen Gesellschaften zu ihrem Leidwesen feststellen mussten – mit Hilfe der Reichsjustiz gewandelt.

3.4 Orientierung im Raum – die Geistlichen und ihre Erben Der Vermittlungsakt zwischen einem unverständlichen und doch wirkungsmächtigen Normensystem und dem ihm unterworfenen Individuum ließ die Reputation der Anwälte in den frühneuzeitlichen Reichsstädten kontinuierlich anwachsen. Sie waren Männer des Buches, die mit Gutachten, Schriftsätzen und Pamphleten für ihre Schutzbefohlenen eintraten. Sie versprachen Orientierung und mehr noch Rettung aus schier ausweglosen 110

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Verfassungsrevisionen fanden in der Regierungszeit Karls VI. statt in: Rottweil 1713 (Laufs: Verfassung und Verwaltung. Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil), Dinkelsbühl 1726 (Jäger, Tobias Ludwig Ulrich (Hrg.): Juristisches Magazin für die deutschen Reichsstädte, Ulm 1790–1797. Bd. II, S. 203), Wimpfen 1731 (Jäger, Tobias Ludwig Ulrich, Hrg.: Juristisches Magazin für die deutschen Reichsstädte, Ulm 1790– 1797. Bd. II, S. 162), Frankfurt 1725 (Hohenemser: Frankfurter Verfassungsstreit), Biberach 1734 (Riotte: Paritätische Stadt, 352ff.), Mühlhausen (Lau: Bürgerunruhen, 381), Aalen (Bauer: Aalen, 79). Müller, Christoph Sigismund: Vollständige Sammlung der kaiserlichen in Sachen Frankfurt contra Frankfurt ergangenen Resolutionen und anderer dahin einschlagender Stadt-Verwaltungs-Grund-Gesetzen, 3 Bde., Frankfurt 1776–1779. Die Verfassungsrevisionen in den genannten Städten folgten dem Mischverfassungsprinzip, wie man es in Frankfurt etabliert hatte, während etwa die Revision in Schweinfurt dem Augsburger Modell glich, das eine Professionalisierung der Ratselite vorsah: Enderlein: Reichsstadt Schweinfurt.

3.4 Orientierung im Raum – die Geistlichen und ihre Erben

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Situationen. Das Recht verhieß Schutz vor Bedrohung. Zugleich konstituierte es jedoch einen dunklen Raum, in dem Regeln zu beachten waren, die der Rechtsunterworfene staunend wahrnahm. Wer sie beherrschte, erzeugte Distanz. Er genoss Reputation – aber genoss er auch Vertrauen? Die Frage, wie man einen Anwalt fand, der tatsächlich die ihm anvertrauten Interessen sorgsam vertrat, wurde angesichts der zunehmenden Prozessdichte in den Städten drängender. Neben dem offensichtlichen Qualitätsmerkmal des Erfolges wurde ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts jenes der familiären Bindung wichtiger. Bürgergemeinden, Ratsgremien und Zünfte vertrauten sich gern einem der ihren an – dem Sohn eines Zunftmeisters etwa, der die Rechte studiert hatte. Die personale Bindung sollte die Autorität des Anwaltes relativieren. Das undurchsichtige Verfahren, so hoffte man, wurde durch die sozialen Bindekräfte, denen der Anwalt unterlag, wieder an bekannte Kommunikationsmuster angenähert.113 Für den Anwalt selbst bedeutete dies einen schwierigen Balanceakt, da Verfahren vor den Stadt-, vor allem aber vor Reichsgerichten juristischen Eigendynamiken gehorchten und Versuche der Einflussnahme auf die Gerichte mit äußerster Vorsicht betrieben werden mussten. Anwälte, die sich nicht nur als Experten des Rechts, sondern auch als intime Kenner der sozialen Strukturen der Richterschaft darstellten, konnten sich rasch in den Fallstricken der eigenen Versprechungen verfangen. Der Toggenburger Anwalt Riedlinger etwa starb durch die Hand der Bauern, die er vertreten und enttäuscht hatte.114 Da man davon ausging, dass Riedlinger gegen Kugeln gefeit war, schlugen ihn die Toggenburger mit Knüppeln tot.115 Dieser Fall aus dem schweizerischen Kontext war in dieser Form sicher singulär. Dennoch unterstrich das Bild des Anwalts als Hexenmeister, wie sehr die Rolle des Advokaten jener des Geistlichen ähnelte. Rechtsgelehrte waren in ihren schwarzen Roben, ihrer gelehrten Ausbildung, ihrer hermetischen Sprache, ihrer translokalen Vernetzung, ihrer Befähigung in tabuisierten Räumen zu agieren und ihrer vermittelnden Funktion im politischen Kommunikationsprozess getreue Erben der Geistlichen des 16. und 17. Jahrhunderts. Sie hatten Zeichensysteme, Kommunikationsstrukturen und Verhaltenserwartungen geschaffen, die sich als äußerst zählebig und bemerkenswert leicht säkularisierbar erwiesen. Wie war es dazu gekommen?116 Einer der Gründe lag in einer Veränderung der Position der Geistlichkeit.117 Die Reformation hatte eine neue Grenzziehung zwischen dem 113

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Die Aufgabe des Anwaltes bestand damit darin, die Justizphantasien seiner Klienten aufzunehmen und die Justiznutzung zu ermöglichen: Dinges: Frühneuzeitliche Justiz, 269–292. Vgl. auch den Fall Schiede in Mühlhausen in Thüringen: StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 31, Handschrift vom 10.9.1701. Das Urteil des RHR: AT-OeStA/HHStA RHR Ant. 375/15, RHR vom 6.11.1700. Lau: Rechtsanwalt, 75–96. Ranieri: Stand, 83–104. Schilling: Dortmund, 151–202.

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3. Streit in der Stadt

Sakralen und dem Profanen erzwungen. Die neue, überaus populäre Lehre vom Jedermannspriestertum bedeutete zunächst eine deutliche Reduktion der geistlichen Position. Ein eigener Rechtsstatus der Geistlichkeit ließ sich aus dieser theologischen Grundhaltung nicht ableiten. Neugläubige Geistliche waren selbstverständlich Bürger ihrer Städte und damit deren Gerichten untertan. Sie hatten die städtischen Satzungen zu befolgen und ordneten sich in allen Fragen, die die Temporalia (den weltlichen Besitz der Kirche) betrafen, der Obrigkeit unter. Ihre Autorität speiste sich allein aus der Fähigkeit zur Auslegung des Wortes. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung, die die Heilige Schrift in der Theologie der Reformatoren einnahm, war diese Kompetenz nicht hoch genug einzuschätzen. Wenngleich geistliches und weltliches Schwert strikt getrennt bleiben sollten, betonten die Reformatoren die alldurchdringende, normgebende Gewalt Gottes. Die Schrift erteilte Auskunft über das rechte Handeln in allen Lebensbereichen. So waren die Pastoren zwar von der Ausübung weltlicher Ämter ausgeschlossen, zur Vermahnung von Fürsten und Senatoren jedoch aufgerufen. Dass das Bild der obrigkeitshörigen protestantischen Geistlichkeit in der Frühen Neuzeit nicht haltbar ist, ist von der Forschung der letzten Jahrzehnte in extenso dargelegt worden. Luise Schorn-Schütte konnte die rasche Verdichtung der lutherischen und der reformierten Pfarrerschaft zu einem Stand mit deutlich konturiertem Eigenbewusstsein darlegen – einem Stand, der bei Verletzung seiner Eigeninteressen Bündnispartner suchte und zu Widerstandshandlungen aufrief.118 Wie dies gerechtfertigt wurde, zeigt das Beispiel des Schwäbisch Haller Predigers Michael Gräter, der 1559 seine Senatoren zur Abschaffung der Messgewänder aufrief: Item wann meiner Herrn Thürner sieht ein Feuer in der Stadt aufgehen, ist er schuldig, die Sturm zu schlagen, unangesehen, daß ein groß Tumult und Auflauf daraus folgt, und die Leut bekümmert werden. Ich höre wohl er müßte darumb im Verdacht liegen, als ob er Herr und Meister über ein gemeine Bürgerschaft sein wolle. Wer wollte das können mit Grund sagen. Sondern er soll für einen getreuen Diener gehalten werden. Also ist es auch mit meiner eines jeden Kirchendieners Vocation. [...] So höre ich wohl, wann ein Kirchendiener vor einem Schaden und unchristlichen Handel warnt, man wollte darum sagen: Siehe, die Pfaffen wollen unsere Herren sein, wir müssen tun, was sie wollen, und müssen ihre Knecht sein, weg mit ihnen. Nein, sondern sie richten ihr befohlen Amt aus, um dessen willen sie vom Heiligen Paulo für getreue Haushalter Gottes genannt werden.119

Die Haushälter Gottes durften nicht still schweigen. Sie mussten die Sache des Herrn verteidigen, wobei Gräter bewusst sein musste, dass er einer Gemeinde predigte, in der sich vielfache Beschwerden gegen den Rat angehäuft hatten. Tatsächlich scheute er sich nicht, die Senatoren ausdrücklich vor einem drohenden Aufstand zu warnen. Wie weit konnte ein Geistlicher in seinen 118 119

Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit. Haug: Gräter-Pfarrer, 18.

3.4 Orientierung im Raum – die Geistlichen und ihre Erben

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Drohungen gehen, welchen Widerstand durfte er billigen, welchen musste er – trotz christlicher Absichten – als Irrweg ablehnen? Die protestantische Geistlichkeit hatte schon im 16. Jahrhundert ein breites Spektrum von Antworten auf diese Fragen entwickelt. Die wohl radikalste der möglichen Positionen ging auf die Autoren des Magdeburger Bekenntnisses von 1550 zurück. Das Recht, einer ungerechten Obrigkeit notfalls auch mit Waffengewalt zu widerstehen, wurde von ihnen nicht auf die niederen Magistrate beschränkt. Könige und Senatoren, die Gottes Gebote missachteten und gegen seine Ordnung stritten, hatten sich ihrer Ansicht nach selbst ihres Amtes entsetzt. Sie glichen Räubern, Dieben und Mördern, gegen deren Übergriffe sich jedermann wehren durfte und musste. Dass dies auch im lutherischen Kontext keine zeitlich und räumlich isolierte Position war, zeigte die Äußerung des Haller Landpfarrers Vogelmann aus dem Jahre 1603. Der erklärte den verblüfften Befragern auf die Frage, warum er die Bürgeropposition unterstütze: Sie [die Bürger] wißen auch so wohl aus den Schriften, Sprüchen und Exempeln der Heiligen Schrift, und täglicher Erfahrung, daß der Ungehorsam je und allwegen gestraft worden, darum sie deßen erbietig, daß sie ihrer von Gott vorgesetzten Obrigkeit in allen dingen [...] darum gebührenden Gehorsam leisten wollen, jedoch wißen sie auch nach anweißung heiliger Schrift, unter dem Ambt und unter der Person zu unterscheiden, sein auch unterthäniger dienstlicher Zuversicht Euer Ehrbahrkeiten werden sich günstig zu besinnen wißen, daß wann in Einer Zunft, oder Handwerk eine Person suspect, dieselbige billich andern zum Exempel abzuschaffen, vielmehr soll man in solchen wüchtigen, ja, in dem Ambt welches Gott selbsten gestifftet, und verordnet, ein Einsehen haben auf das der gemeine Mann, nicht habe Ursach zu sagen: medici curate ipsum.120

Der Ausbruch von Gewalt stand – so Vogelmann – unmittelbar bevor. Dass ein solcher Akt legitim sein würde, lag angesichts der Notlage, in der sich die Bürger nach Meinung ihres Seelsorgers befanden, auf der Hand. Dennoch schreckte der Pfarrer vor einer klaren Billigung eines solchen Verhaltens zurück. Er mahnte zur Umkehr, er sah die Katastrophe voraus, er benannte Missstände und mögliche Reaktionen. Mehr jedoch tat er nicht. Der Repräsentant des imaginierten Raumes der Reinheit durfte seine Hände nicht mit Blut beflecken. Angesichts der ambivalenten, überaus einflussreichen Haltung, wie sie uns hier begegnete, kann es nicht erstaunen, dass die protestantische Geistlichkeit des späten 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts eine führende Rolle in einer Reihe von Bürgerunruhen spielte (über die katholische Gegenseite wissen wir leider noch immer sehr wenig): Ein kurzer Überblick unterstreicht dies: In Bremen kam es in den Jahren 1556–1562 zu einem heftigen Konflikt zwischen dem Prediger Hardenberg und dem Superintendenten, der die Bürgerschaft in zwei Lager spaltete. Nach der Entlassung Hardenbergs weiteten sich die Auseinandersetzungen zu ei120

StadtA Schwäbisch Hall, 4/598, 65r-67v.

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3. Streit in der Stadt

ner Bürgerunruhe aus, die vom Rat nur mit Mühe beigelegt werden konnte. Ein neuerlicher Abendmahlsstreit in den Jahren 1569–1571 führte ebenfalls zu Spannungen mit der Bürgerschaft, ohne dass der Konflikt allerdings die Intensität der sogenannten ,,Hardenbergschen Unruhen“ erreichte.121 Ähnliches ist von Nordhausen zu berichten, wo es 1570 gleichfalls zu Streitigkeiten über das Wesen der Sakramente kam.122 In Schwäbisch Hall mündete ein Konflikt zwischen dem Dekan des Kapitels Weidner und seinem Diakon Schneck 1602 in eine Bürgerunruhe. Zentraler Konfliktpunkt war die Unterstützung des Ratskanzlers Schulter für den Diakon, die letztlich auf eine Schwächung der Position der Geistlichkeit abzielte.123 In Lindau initiierte der protestantische Prediger Alexius Neukomm im Jahre 1626 Bürgerdemonstrationen, um die Einführung der Privatbeichte zu verhindern. Seine daraufhin ausgesprochene Entlassung wurde auf den massiven Druck der Bürgerschaft hin wieder zurückgenommen. Die sogenannten ,,Neukommschen Händel“ zogen zwar politische Auseinandersetzungen nach sich, konnten aber intern beigelegt werden, bevor der kaiserliche Hof von den Streitigkeiten erfuhr.124 In Kempten mobilisierte der evangelische Prediger Rudolf Schalter 1642 die Bürgerschaft und zwang den Rat, ihn in seine Ämter wiedereinzusetzen. Die ,,Schalterschen Wirren“ dauerten bis 1646 an und wurden schließlich durch eine kaiserliche Kommission beendet.125 In Heilbronn wurde 1651 der protestantische Pfarrer Konrad Hiemer suspendiert, weil er in seinen Predigten Partei für die Bürgeropposition genommen hatte.126 In den rein protestantischen Reichsstädten – und dies waren um 1648 immerhin 41 von insgesamt 64 Städten (17 waren katholisch, 6 weitere waren konfessionell gespalten) – spielten die Geistlichen eine eigenständige Rolle im politischen Kommunikationsprozess. Mehr noch, sie fungierten als Taktgeber und Initiatoren von Bürgerbewegungen. 127 Dieser Befund bestätigt die für die hessischen und braunschweigischen Territorien gewonnenen Erkenntnisse. Zugleich werfen sie neue – in der Forschung bislang nur kursorisch angerissene – Fragen hinsichtlich der genauen Positionierung der protestantischen Geistlichen im politischen Kommunikationsprozess der Reichsstädte auf: Unter welchen Umständen engagierten sich die Pastoren auf Seiten der Bürgerschaft? Welche Ressourcen stellten sie den Bürgern zur Verfügung? Wie gelang es ihnen, ihre Unabhängigkeit

121 122 123 124 125 126 127

Schwarzwälder: Bemen, Bd. 1, 232–254. Silberborth: Reichsstadt, 354–596. Kolb: Schneckischen Unruhen, 163–216. Wolfart (Hg.): Lindau, 28–44. Wolfart: Religion. Haggenmüller: Kempten, 183–187. Dürr: Heilbronn, 203. Auf katholischer Seite – die sehr viel schlechter erforscht ist – sei der Fall des Präses Eble genannt, der ab 1788 als Führer der Bürgerbewegung in Weil der Stadt in Erscheinung trat: Hubig: Weil der Stadt.

3.4 Orientierung im Raum – die Geistlichen und ihre Erben

95

gegenüber den Bürgerbewegungen zu bewahren? Warum war das Phänomen der Kooperation nach 1648 kaum noch zu beobachten? Angesichts der Inanspruchnahme überregionaler Netzwerke bei innerstädtischen Konflikten zwischen Geistlichen bzw. zwischen Geistlichen und Obrigkeiten sind die einzelnen Konflikte nicht als isolierte Phänomene zu begreifen. Die Akteure hatten sich vielmehr geläufiger Argumentations- und Verhaltensmuster zu bedienen, um transurbane Ressourcen erschließen zu können. Deutlich wird dies am Beispiel des Konfliktverlaufes zwischen Bürgerschaft, Rat und Geistlichkeit in der Reichsstadt Mühlhausen in den Jahren 1632 bis 1634: Das Phänomen der Selbstrekrutierung der Geistlichkeit war in Mühlhausen ebenso gängig wie in anderen protestantischen Reichsstädten. Zumindest die lukrativen Pfarrstellen in der Stadt wurden innerhalb etablierter Pfarrerdynastien verteilt. Neben den Gewinnern dieses Systems gab es zwangsläufig auch Verlierer. Sie saßen in den schlecht dotierten Landpfarrstellen und in Hospitalpflegschaften fest. Mit den steigenden Kriegsbelastungen war ihre Position kritisch geworden. Dass zugleich ihre Bereitschaft, die Dominanz der etablierten Pfarrerfamilien zu akzeptieren, sank, zeigte sich nach dem Tode des Superintendenten Starcke. Als sein natürlicher Nachfolger präsentierte sich Archidiakon Liborius Gallus, der mit den wichtigsten Pastorenfamilien der Stadt eng verwandt war.128 Tatsächlich wurde Gallus im üblichen Konsensverfahren zwischen Pastoren und Senatoren zum Amtsverweser bestellt. Auf seine Ernennung zum Superintendenten konnte man sich allerdings nicht einigen. Angesichts der leeren Kassen und der zahlreichen Besoldungsrückstände weigerten sich die ohnehin unterbezahlten Landpfarrer, dem Vertreter der Stadtgeistlichkeit ihren Segen zu geben. Andreas Cramer, der als Pfarrer von St. Nicolai dem Gemetzel von Magdeburg nur knapp entronnen war, bot sich als Ausweichkandidat an und wurde gewählt.129 Gallus kehrte in das Amt des Archidiakons zurück. In den knapp acht Jahren, in denen Cramer nunmehr als Superintendent von Mühlhausen wirken sollte, führten die beiden Geistlichen einen erbitterten Kleinkrieg. Der neue Superintendent machte es seinen Gegnern leicht. Kaum in Würden, floh er bereits vor der heranrückenden kaiserlichen Soldateska aus der Stadt. Der Glaubensheld, der den kroatischen Söldnern in Magdeburg angeblich mit der Heiligen Schrift in der Hand Paroli geboten hatte, ließ seine Gemeinde im Stich.130 An seiner Stelle verhandelte ausgerechnet Liborius Gallus mit dem kaiserlichen Feldmarschall Pappenheim, und zwar mit bemerkens128 129

130

StadtA Mühlhausen, Q 1, Nr. 7, p. 61. Falckner: Andreas Cramer. Mühlhausen o.J. (maschinenschriftlich, einsehbar im StadtA Mühlhausen). Jordan: M. Andreas Cramer, 74–83. StadtA Mühlhausen, E 7, No. 11a, p. 74ff. StadtA Mühlhausen, T ¼ No. 7, p. 555-97.

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3. Streit in der Stadt

wertem Erfolg. Die martialischen Drohworte, mit denen man die Stadtväter einzuschüchtern suchte, wichen unter dem geschickten Einfluss von Gallus bald einem gemäßigten Ton.131 Der Archidiakon durfte sich als Retter des wahren Glaubens in seiner Stadt feiern lassen.132 Cramer sah sich nunmehr unter Zugzwang. Er musste sein beschädigtes symbolisches Kapital wiederherstellen und tat es, indem er einem Einladungsschreiben des Herzogs von Sachsen-Weimar folgte. Das Eichsfeld – ein erobertes katholisches Territorium, das dem Erzbischof von Mainz untertan war – sollte einen eigenen Superintendenten erhalten. Seine festliche Einführung sollte vom Haupt der Mühlhäuser Geistlichkeit vorgenommen werden – als ein Zeichen, dass die Thüringer Protestanten den Konfessions- und Herrschaftswechsel im Eichsfeld einhellig bejubelten.133 Gallus erkannte die Chance, die sich ihm mit der bevorstehenden Ordinationsfeier eröffnete. Warnend berichtete er dem Senat über die herzoglichen Pläne. Man möge, so der Archidiakon, die Gefahr eines erneuten Vorstoßes der kaiserlichen Truppen nicht unterstützen. Wie solle man in diesem Falle, den Generälen Seiner Majestät einen weiteren Verstoß gegen das Reichsrecht erklären?134 Auch der Senat wusste keine schlüssige Antwort auf diese Frage und untersagte seinem Supterintendenten die Reise ins Eichsfeld.135 Cramer blieb unbeugsam und wurde nun von Gallus in öffentlicher Predigt scharf kritisiert. Es kam zum offenen Schlagabtausch. Der Superintendent beharrte darauf, seine christlichen Amtspflichten erfüllt zu haben, während Gallus das Ministerium und den Senat davon überzeugte, dass hier ein gefährlicher Fall von Gehorsamsverweigerung vorlag.136 Am 30.8.1634 – zwei Tage nachdem Gallus von der Kanzel herab seinen vorgesetzten Amtsbruder verbal gegeißelt hatte – wurde Cramer vom Dienst suspendiert.137 Der so Gemaßregelte ließ dem Rat ein Gutachten der theologischen Fakultät in Erfurt zustellen, das ihn von jeglicher Schuld freisprach.138 131 132

133 134

135 136 137

138

StadtA Mühlhausen, E 7, No. 11a, p. 1r-14r. Zur Rolle der protestantischen Geistlichkeit als Widerpart und Verhandlungspartner kaiserlicher Militärs vgl. auch: Enßlin: Bopfingen, 131 (bezüglich der Verhandlungen um die Durchsetzung des Restitutionsediktes). StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 8r-v. Anders als der Senat Nördlingens zeigte sich Mühlhausen damit vorsichtiger gegenüber der schwedischen Strategie, protestantische Reichsstände durch Territorialerwerbung und Einflussgewinnung auf eroberte katholische Reichsstände an sich zu binden und einen Rückweg unter den Schirm des Kaisers zu erschweren: Voges: Nördlingen, 247ff. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 9r-14v. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 16r. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 46r-49r. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 19r-v. In den nachfolgenden Verhandlungen über die vorübergehende Verwaltung des Superintendentenamtes durch Gallus zeigte sich, dass der Archidiakon aus einer Position der Stärke heraus verhandeln konnte. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 153r. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 31r.

3.4 Orientierung im Raum – die Geistlichen und ihre Erben

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Die Ausweitung des Konfliktes ließ die Senatoren nicht unberührt. Die heftigen Vorwürfe, die sie gegenüber dem Erfurter erhoben, zeugten von berechtigter Nervosität:139 Cramer hatte bereits 1633 erste Kontakte zu Teilen der Bürgerschaft geknüpft, die um Unterstützung in ihrem Kampf gegen die Steuerpolitik des Rates nachsuchten.140 Der nach dem Pappenheim-Vorfall in seiner Reputation geschwächte Superintendent ergriff die Möglichkeit, seine Position wieder zu festigen, mit beiden Händen. In scharfer Predigt attackierte er die Bestechlichkeit und Vetternwirtschaft des Rates und bot zugleich den Bürgern an, ihre Anliegen und Petitionen zu unterstützen. Seine Amtsbrüder wusste Cramer in diesem Punkte hinter sich, warteten sie doch zum Teil schon seit Jahren auf die Auszahlung ihrer Besoldung. Der Rat hatte auf die Beschwerdeliste, die ihm im Zuge dieser gemeinsamen Aktion von Geistlichkeit und Bürgerschaft unterbreitet worden war, zunächst empört, dann drohend und schließlich konziliant reagiert. Den warmen Versprechen, die angesprochenen Probleme abzustellen, folgten indes keinerlei Taten – angesichts des offenkundigen Ungleichgewichts zwischen den Belastungen der städtischen Sekundäreliten und ihren Senatoren war eine weitere Eskalation des Konfliktes daher geradezu unvermeidbar. So durfte es niemanden erstaunen, dass Cramer nur wenige Tage nach seiner Suspendierung Besuch von einigen ,,Patrioten“ erhielt. Erneut bat man um Hilfe und man sollte sie erhalten. Cramer begnügte sich dieses Mal nicht mit einer Sympathieerklärung, er begann die Petitionen der Bürger zu redigieren.141 Rechtlich anfechtbare Formulierungen wurden von ihm gestrichen oder durch neue Phrasen ersetzt. Die so entstandene Bittschrift löste beim Empfänger Missbehagen aus. Die Situation wurde zusehends schwieriger. Weder gelang es, Cramer zu einer Entschuldigung zu bewegen, noch zeigte sich die theologische Fakultät der Universität Erfurt bereit, die Handlungen des Superintendenten zu verurteilen. Intern beschwor der Syndicus den Senat, den Streit endlich zu beendigen. Wenn dies nicht geschehe, so bestehe die Gefahr, dass Cramer seinen Standpunkt in Form einer Druckschrift veröffentliche. In diesem Falle sei die Position der Obrigkeit außerordentlich schwach. Cramer könne seine Position problemlos rechtfertigen. Immerhin sei er nicht der einzige Geistliche, der den Rat heftig kritisiert habe.142 Der Vater des Archidiakons Gallus sei als Superintendent weit rüder mit den Senatoren verfahren und habe sie auf der Kanzel öffentlich als Kirchenräuber bezeichnet, ohne dass er disziplinarisch belangt worden sei. Es sei dem Umland zudem kaum verständlich zu machen, dass man einem Superintendenten 12 Wochen

139 140 141 142

StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 34r-v. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 135r-142r. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 50r-52v. (Konzept eines Schreibens der Bürgeropposition mit handschriftlichen Korrekturen Cramers). StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 106r-107r. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a.

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3. Streit in der Stadt

lang die Kanzel verbiete, nur weil dieser eine protestantische Andacht auf dem Eichsfeld abgehalten habe. So einleuchtend diese Warnungen sein mochten, so wenig halfen sie den Senatoren bei der Lösung des Problems. Entschloss man sich, den Superintendenten wieder in Gnaden aufzunehmen, so unterwarf man sich zugleich dem geistlichen Richteramt. Angesichts der schwierigen, konfliktgeladenen Situation und der Nähe des Superintendenten zur Bürgeropposition war dies kaum ratsam. So blieb es bei der vorläufigen Suspendierung Cramers. Der erhöhte den Druck auf seine Widersacher, als er am 24.3.1635 die Stadt verließ.143 In einer umfangreichen, offenbar für den Druck vorgesehenen Denkschrift vom April 1635 legte er die theologische Begründung seines Handelns nochmals dar. Kernpunkt seiner Argumentation war die Dreiständelehre Melanchthons.144 Das Recht, eine Obrigkeit zu kritisieren, die unchristliche Gebote erlasse, stünde kraft des Taufbundes jedermann zu. Für den Geistlichen werde das Recht zur Amtspflicht. Der Geistliche habe ,,die Reichsverfassung Gottes“ vor die Autorität des Rates zu stellen. Befehle ihm ,,die Reichsverfassung Gottes“, nach Heiligenstadt zu reisen, so müsse er dem Folge leisten, gleichgültig, ob die Obrigkeit ihm dies verboten habe oder nicht. Dies gelte auch, wenn diese Handlungsweise politische Gefahren in sich berge. Habe denn Mose nach den politischen Gefahren gefragt, als er das Volk Israel aus Ägypten geführt habe? Die Haushälter Gottes übten ihre Wächterfunktion in allen Bereichen des christlichen Lebens aus. Wenn ein Tischler sein Handwerk vernachlässige oder wenn er sich der Habsucht schuldig mache, so sei es die Pflicht der Geistlichkeit, ihn zu ermahnen. Also wenn die Obrigkeit Witwen und Waisen betrübt, die Untertanen drücket und gleiches nicht allenthalben gehen laßet, tyrannischer Weise mit den Leuten zur Ungebür verfähret, Predigern zusetzet, deren Strafamt anfeindet und einzuschrenken oder zu hindern sich unterstehet, da müßen die diener Gottes nicht stumme Hunde sein, sondern den hohen Prelaten ihre Fehler entdecken und straffen, und aus Gottes Wort dieselben weisen, daß sie ihr ampts gescheffte nach dem wort in rechte Heiligung zur ehre Gottes verrichten.145

Der Vorwurf der Tyrannei wog schwer und die Möglichkeit, dass er von Cramer mit Hilfe der Druckerpresse in die Welt hinausgetragen wurde, eröffnete für den Rat höchst unangenehme Perspektiven. Man stand ohnehin unter Druck. Im August 1635 trafen in dichter Folge eine Petition der Bürgerschaft zugunsten des Superintendenten und ein scharfes Ermahnungsschreiben seines Protektors, des Herzogs von Sachsen-Weimar, in der Ratsstube ein.

143 144 145

StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 92r-v. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 121r-142r. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 141v.

3.4 Orientierung im Raum – die Geistlichen und ihre Erben

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Um eine Eskalation des Konfliktes zu vermeiden, entschied der Senat schließlich, Cramer zu ,,amnestieren“ und ihn wieder in sein Amt einzusetzen.146 Die lautstarken Warnungen des Archidiakons Gallus, der dem Rat vorhersagte, es werde ein ,,neuer münzerscher Aufruhr“ ausbrechen, wenn man den Superintendenten zurückkehren lasse, waren wirkungslos geblieben.147 Letztlich sollte sich diese nachgiebige Haltung auszahlen. Cramer distanzierte sich von den unzufriedenen Teilen der Bürgerschaft und die Protestbewegung flaute ab. Der Rat hatte Zeit gewonnen, aber er nutzte sie nicht. Bereits 1639 formierte sich die Opposition erneut. Wie schon vier Jahre zuvor holten deren Führer den Ratschlag der Pastoren ein, bevor die sich mit einer Petition an den Rat wandten.148 Dieses Mal blieb es allerdings nicht bei Bittschriften – die Bürger hatten einen Ausschuss gebildet und waren zur Klage in Wien entschlossen. Es war ein Schritt, den das geistliche Ministerium ausdrücklich mit Sympathie begleitete. Der Tod des Superintendenten Andreas Cramer änderte an dieser Haltung nichts. Auch sein Nachfolger zeigte sich äußerst obrigkeitskritisch und stets bereit, mit dem Zorn des Gemeinen Mannes zu drohen, sofern der Senat nicht einlenkte. Der Name des Nachfolgers war – Liborius Gallus. Derselbe Mann, der noch vier Jahre zuvor die Würde des obrigkeitlichen Regiments betont und die Gehorsamspflicht der Geistlichkeit beschworen hatte, beriet nunmehr die Bürgerbewegung. Mit dem Amtsantritt hatte Gallus auch sein Verhalten gegenüber der Obrigkeit und der Bürgeropposition geändert. Bei Treffen mit den kaiserlichen Kommissaren wurde er gar zu einem der wichtigsten Fürsprecher einer Reform.149 Warnungen vor der Macht des Reichshofrates, der die Stadt jederzeit zum alten Glauben zurückführen könne, wies er demgegenüber brüsk zurück. Er, Gallus, stehe in engem Kontakt zum Anwalt der Bürgerschaft, dem katholischen Amtmann des Eichsfeldes Polentz, und er sei überzeugt: ,,kayl. May. were mehr zu trauen“.150 Der Superintendent und der Advokat tauschten sich nicht nur aus, sie ergänzten sich – ja, der Aufgabenbereich, den die Geistlichen im Verlaufe der Unruhen ausgefüllt hatten, war mit jenem der Rechtsgelehrten in weiten Teilen komplementär.151 Die Geistlichkeit war über die Konfliktstrukturen in der Stadt ausgezeichnet informiert. Darin und der Möglichkeit, politische Kommunikationsprozesse von der Kanzel aus zu leiten, lag ihre Macht.

146 147 148 149 150 151

StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11a, 92r-97r; 149r. StadtA Mühlhausen, E 7, Nr. 11b, 83r. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 1, 100r-101r. Die Gehaltsforderungen der Geistlichkeiten waren noch immer unerfüllt geblieben: StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 3, 251r-274r. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 2, 53r. StadtA Mühlhausen, J 7 c, 248r-249r.

100

3. Streit in der Stadt

Die Pastoren unter Kontrolle zu halten, zählte daher zu einer der zentralen Aufgaben einer reichsstädtischen Obrigkeit. Sie zu erfüllen war nahezu unmöglich. Leicht konnten Rivalitäten zwischen den Pfarrerdynastien oder Antagonismen der Pastoren gegenüber ihren Dienstherren in einen Flächenbrand münden. Die Kanzel wurde in diesem Falle zum Ort, von dem aus eine fragmentierte Bürgerschaft auf gemeinsame Ziele verpflichtet und eine Semantik des Widerstandes vermittelt wurde.152 Nicht jede Obrigkeitskritik war indes das Resultat erbitterter Machtkämpfe. Beließ es der Prediger bei der allgemeinen Klage über die menschliche Fehlbarkeit aller Machthaber und den Zorn des Volkes über ungerechte Richter, so hatte die Jereminade einen rituellen Charakter. Sie forderte den Rat lediglich zu einer symbolischen Reuehandlung auf – man erwartete ein zerknirschtes Zuhören. In diesem Falle erfüllte die Kritik die Aufgabe der kollektiven Selbstvergewisserung. Die Geistlichen festigten ihren Anspruch auf das Wächteramt, die Senatoren gerierten sich als demütige Christen und die Gemeinde durfte sich am Spektakel der Bußfertigkeit erfreuen. Der Unterschied zwischen geistlicher Mahnung und politischer Provokation lag in semantischen Nuancen und vor allem in der Wahl des richtigen Zeitpunktes. Entscheidend war auch, ob man bereit war, mehr zu tun, als zu predigen. In Mühlhausen fungierten Cramer oder Gallus als Rechtsberater der unzufriedenen Bürgerschaft. Sie stellten ihre Kenntnisse hinsichtlich des feinen Unterschiedes zwischen Aufruhr und legitimer Bitte der Opposition zur Verfügung und minimierten damit deren Handlungsrisiko.153 Die Position der Geistlichen im innerstädtischen Kommunikationsprozess und ihre überregionalen Netzwerke machten sie zu geradezu unentbehrlichen Verbündeten der Bürgerschaft. Dem Ratschlag der Pastoren zu folgen, bedeutete, der sicheren Inhaftierung durch den Rat zu entgehen. Mit der wachsenden Offenheit des Reichshofrates gegenüber reichsstädtischen Bürgerklagen verlor die Geistlichkeit im Rahmen der innerstädtischen Konflikte an Bedeutung. An die Stelle der theologisch-politischen Protektion durch Universitätsgutachten trat die juristische Konfliktlösung. Dieser Transformationsprozess konnte auch deshalb weitgehend geräuschlos vollzogen werden, weil die Advokaten in ein Rollenmodell hineinschlüpfen konnten, das zuvor von Pastoren entwickelt worden war.154 Deren Bedeutung für innerstädtische Protestbewegungen nahm in gleichem Maße ab, wie jene der Juristen zunahm. Zeitgleich scheint es den Obrigkeiten gelungen zu sein, über eine verbesserte finanzielle Ausstattung der Pfarreien Konfliktpotentiale zu entschärfen. Die Bürgergemeinden wurden 152 153 154

StadtA Mühlhausen, J 7 c, 102r-105v. Zum Aufruhrtatbestand: Roth: Kollektive Gewalt, 94ff. Kernpunkt zahlreicher Beschwerdekataloge war die Forderung der Bürgeropposition nach einem institutionalisierten Advokaten, einem Konsulenten: Moser: Reichstättisches Handbuch, 104ff.

3.5 Räume des Aufruhrs – der Gemeine Mann und die städtischen Randgruppen

101

damit als Bündnispartner für die Pastoren unattraktiver. Kam es zum Streit innerhalb der Geistlichkeit, so hütete man sich davor, die so freigebigen Räte zu attackieren. Stattdessen wandten sich die kampfeslustigen Seelenhirten nunmehr bevorzugt an ihre Patrone innerhalb des Rates, wenn es galt, die geistliche Konkurrenz auszuschalten.

3.5 Räume des Aufruhrs – der Gemeine Mann und die städtischen Randgruppen Es sei doch jedermann bekannt, so erklärte die Frankfurter Bürgerschaft ihrer Obrigkeit in einem Schreiben vom 1.9.1612, daß der Rat um der Bürgerschaft willen und nicht die Bürgerschaft um des Rats willen da ist, und diese löbliche freie Reichsstadt nit aus dem Rat, sondern der Rat aus der Bürgerschaft zu ihrem beständigen Wesen, Aufnahmen und Gedeihen mit Gnad und Bewilligung der Röm. Kaiser und Könige entsprossen und erwachsen.155

Stellungnahmen wie diese, die meist mit dem Hinweis kombiniert wurden, die reichsstädtischen Bürger seien keine Untertanen, fanden sich auch in den reichsstädtischen Protest- und Prozessprotokollen. Ihre Deutung ist umstritten. Meinen die einen hier einen Streit um die Souveränitätsrechte des Rates zu erkennen, so sehen andere im Streit um den Bürgertitel lediglich einen Ehrenhandel zwischen Eliteangehörigen – reiche Kaufleute und Anwälte seien vom Senat als Untertanen angesprochen worden und hätten sich zur Wehr gesetzt.156 Unterschiedlich eingeschätzt werden vor allem die Handlungschancen von Bürgern, die nicht zum Kreis der regimentsfähigen Familien und Funktionsträger zählten. Welche Rolle spielte der in den Quellen des 16. Jahrhunderts immer wieder beschworene ,,Gemeine Mann“ in den Bürgerunruhen und Bürgerprozessen der Reichsstädte in der Frühen Neuzeit?157 Eskalierten die innerstädtischen Streitigkeiten, wie in Frankfurt 1612, so schien er als kollektiver Akteur zeitweise deutlich hervorzutreten. Vincent Fettmilch, der Brezelbäcker, wird hier zur Integrationsfigur der in Zünfte gespaltenen Bürgerschaft.158 Außer einem unbändigen Hass gegen Patrizier, Juden und Getreidespekulanten hielt diese Protestbewegung jedoch kaum etwas zusammen. Von einem Kampf des Gemeinen Mannes um seine Teilhaberechte am Gemeinwesen konnte in Hinblick auf den sogenannten Fettmilch-Aufstand

155 156 157 158

Zitiert nach: Bothe: Entwicklung, 385. Zusammenfassend: Maissen: Geburt. Zum Begriff des ,,Gemeinen Mannes“: Wunder: ,,Gemeiner Mann“, 161–167. Meyn: Frankfurt.

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3. Streit in der Stadt

kaum die Rede sein – eher von einem Konfliktkonglomerat, das der Kontrolle der Eliten entglitten war.159 Die Bürgerausschüsse waren damit überfordert, neue Modelle der politischen Entscheidungsbildung zu erarbeiten. Dies lag in der Kompetenz von Richtern, Anwälten oder Kaufleuten. Man strebte nach Stabilität und Prognosesicherheit. Forderungen nach bürgerlichen Kontrollorganen hatten, wie neuere Untersuchungen zeigen, wenig mit dem Kampf um die Rechte der Genossenschaft und vieles mit dem Streben nach einer Professionalisierung der städtischen Verwaltungen zu tun. Handwerksmeister hatten in diesen neu geschaffenen Gremien denn auch kaum Sitz und Stimme. Für Gesellen, Lehrlinge und Manufakturarbeiter, jene Gruppen also, die nicht einmal das Bürgerrecht besaßen, traf dies ohnehin zu.160 Die Randgruppen der Stadt, die in höchst unterschiedlichem Maße in die genossenschaftliche Privilegiengemeinschaft integriert waren, ließen sich kaum als Einheit fassen und waren allenfalls juristisch von der Bürgergemeinde abgrenzbar.161 An politischer Relevanz gewannen sie im Falle eine Bürgerbewegung, wie sie 1612 in Frankfurt zu beobachten war. Dergleichen Spektakel des transständischen Ungehorsams wurden indes in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts selten. Die Eliten konnten zunehmend auf die Unterstützung der Handwerker, Gesellen und Lehrlinge verzichten. Sie prozessierten gegen den Rat, sobald dessen Mitglieder sie nicht hinreichend in politische Entscheidungsbildungsprozesse integrierten. Der übrigen Bevölkerung dagegen blieb – soweit sie sich dem nicht anschließen konnte oder wollte – nur die Demonstration des offenen Ungehorsams.162 Es waren Proteste, die ungeachtet ihrer altständischen Zielperspektiven eine erhebliche Wirkungsmacht entfalten konnten. Man könnte von einem 159

160

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Peter Blickle sieht (in Anlehnung an Otto von Gierke) die vom ,,Gemeinen Mann“ getragenen städtischen und ländlichen Genossenschaften als wirtschaftlich-politisches Rückgrat eines landständischen-kommunalistischen Korrelativs zur frühmodernen Staatsbildung. In diesen Kontext ordnet er nicht nur die Bauernkriege als Widerstandsbewegungen gegen die Stärkung des fürstlichen Obrigkeiten (Blickle spricht von der Revolution des Gemeinen Mannes) ein, sondern auch die Bürgerunruhen des 17. Jahrhunderts: Blickle: Untertanen, 483ff. Blickle, Peter: Unruhen. Blickle (Hg.): Landgemeinde. Blickle: Kommunalismus, 2. Bde. Ablehnend gegenüber der Interpretation der Bauernkriege, sowohl hinsichtlich der Kausalitäten als auch der Struktur des Konfliktes: Goertz: Deutschland 1500–1648. Die wohl schärfste Kritik formulierte: Stollberg-Rilinger, Barbara: Rezension zu: Blickle, Peter: Das Alte Europa. Vom Hochmittelalter bis zur Moderne. München 2008, in: H-Soz-u-Kult, 16.09.2008. Griessinger: Das symbolische Kapital. Vgl. auch: Clasen: Streiks. Bake: Frauenerwerbsarbeit. Zur wachsenden Bedeutung der Manufakturen im oberschwäbischen Raum und zu den damit verbundenen Veränderungen der Verteilung des sozialen und ökonomischen Kapitals: Hauptmeyer: Isny. Dazu ausführlich: Hippel: Armut. Vgl. die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich vollziehenden Veränderungen des Arbeitsbegriffes, mit dem die Gesellen konfrontiert wurden: Treiber/Steinert: Fabrikation. Pfeisinger: Arbeitsdisziplinierung. Schuck: Ständeordnung, 113–142.

3.5 Räume des Aufruhrs – der Gemeine Mann und die städtischen Randgruppen

103

gewaltsam erstrittenen und immer wieder zu erstreitenden Vetorecht jener sprechen, die selbst nur eingeschränkt dazu befähigt waren, den juristischen Konfliktlösungsmechanismus für sich arbeiten zu lassen. Das Spiel mit der Angst vor Gehorsamsverweigerungen und physischen Attacken gehörte zu den permanenten Begleitern des Rechtsstreites. Es wirkte von außen auf den Prozess ein, es konnte aber auch von des Prozessparteien bewusst genutzt und zum Teil mit initiiert werden. Vor allem Bürgersyndikate oder klagende Zünfte zeigten ein ambivalentes Verhältnis zu öffentlichen Protestaktionen. Es galt, die Fähigkeit und die Bereitschaft zu demonstrieren, Autoritäten herauszufordern. Die Protestzüge waren dabei alles andere als ungeordnete Zusammenrottungen. Sie folgten in ihrem Verlauf eingeübten Verhaltensmustern, die dem Publikum eine Vielzahl von Botschaften übermitteln sollten.163 Die wichtigste bestand zweifellos in der sichtbaren Demonstration, gemeinsam komplexe Handlungen durchführen zu können. Zugleich stellte sich die handelnde Gemeinschaft in einen historischen Kontext. Ihre wohl choreographierten Aktionen verliefen nach Mustern, die an das kulturelle Gedächtnis der Ausführenden wie der Beobachtenden appellierten.164 Ob die fein dosierte Drohung eine Steigerung erfuhr oder gar – zum Entsetzen jener, die sie initiierten – eingelöst werden musste, hing vor allem vom Verhalten der Adressaten (vornehmlich des Rates und des Gerichtes) ab. Gaben sie nach? Signalisierten sie Entgegenkommen? Konnten sie glaubhaft mit Sanktionen drohen? Oder taten sie – wie im Fall der Mühlhäuser Unruhen der Jahre 1727–1733 – nichts von dem? In diesem Fall drohte sich aus dem Rechtsstreit eine Unruhe zu entwickeln, die in ihrem Verlauf tradierten Verlaufsmustern folgte und sich der Kontrolle der Eliten weitgehend entzog. Doch dies war die Ausnahme. In der Regel funktionierte das feine Zusammenspiel zwischen den Trägern des Prozesses und den Trägern des Protestes. Der Streit der Feder und der Streit der Straße ergänzten einander, wobei die Anwälte sorgsam Grenzen des Sinnvollen und des Möglichen absteckten. Dies bedeutet nicht, dass Protestbewegungen in jedem Falle nach diesem Muster verliefen. Neben dem klassischen Bündnis zwischen Elitenangehörigen, Handwerksmeistern und Gesellen gab es zahllose weitere mögliche Konfliktkonstellationen.165 Dabei ist die von Eibach festgestellte Tendenz zu einer Verlagerung des nicht rechtsförmigen Protestes auf Konfliktkonstellationen zwischen kapitalarmen Bevölkerungsgruppen und Eliten unverkennbar.166 Diese Konflikte indes als Zeugnisse eines ohnmächtigen

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Dies galt auch dann, wann die Demonstrierenden mit physischer Gewalt vorgingen, wie bereits Thompson feststellte: Thompson: Die ,,sittliche“ Ökonomie, 13–80. Dazu auch: Greyerz/Siebenhüner (Hgg.): Religion und Gewalt. Zu den Gesellengilden fasst die Forschung zusammen: Reininghaus: Gesellengilden. Eibach: Frankfurter Verhöre.

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3. Streit in der Stadt

Protestes, als rückwärtsgewandte Aktionen der Verlierer zu interpretieren, greift zu kurz.167 Tatsächlich zwang der sich verändernde Bedeutungskontext, in dem die Proteste stattfanden, seine Träger zur Anpassung. Die Demonstrationen fanden nunmehr vor den interessierten Augen einer translokalen Öffentlichkeit statt. Anwälte, Gesellen und Senatoren im ganzen Reich beobachteten die Geschehnisse und Reaktionen der Rechtssprechung. Die Handelnden selbst hatten ihren Platz in einem Raum zu definieren, der weit größer war als die lokale Bühne auf der sie sich gemeinhin bewegten. Sie hatten ihre Vorstellungen vom Rechts- und Wirtschaftsraum ,,Reich“ zu präsentieren und für sie zu werben. Wie dies konkret aussah, wird am Beispiel zweier Gesellenunruhen im Nürnberg der Jahre 1727 und 1729 deutlich. Beide hatten ein rechtliches Nachspiel vor dem Reichshofrat, dem die Gesellen ihren Standpunkt darzulegen wussten. Handwerker, so erklärte der Rat in seiner Anzeigeschrift im ersten angesprochenen Fall, seien im ganzen Reiche zunehmend widerspenstig.168 Verweigerten sie den Gehorsam, so seien daher grundsätzlich harte Strafen zu verhängen. Der Rat hege keinen Zweifel, dass der Reichshofrat diese Position teile und die eingeleiteten Verfahren wegen Aufruhrs billigen werde. Die Gesellen seien ohne obrigkeitliche Genehmigung aus der Stadt entwichen, da sie mit der Besetzung des Marktmeisteramtes durch einen Freibänkler nicht einverstanden gewesen seien. Der Vorwurf, der Rat habe das Handwerk geschädigt und in seine wohlerworbenen Rechte eingegriffen, sei völlig haltlos. Schon seit Jahren sei es schwierig, für das Marktmeisteramt geeignete Kandidaten zu finden. Die Metzger unterliefen beständig dessen Arbeit und seien nicht bereit, die qualitätssichernden Bestimmungen des Rates zu akzeptieren. Es sei den Senatoren daher nichts anderes übrig geblieben, als eine Person zu bestellen, die einerseits fachkundig, andererseits jedoch nicht in die Zunftstrukturen integriert sei. Diese nach billigem Ermessen getroffene Entscheidung zum Anlass für einen Akt der Notwehr, einen demonstrativen Rechtsbruch, zu nehmen, sei völlig unsinnig. Die Metzgerknechte widersprachen. Tatsächlich habe man stets den Rechtsweg und den Instanzenzug eingehalten. Zunächst sei die Brüderschaft der Knechte selbstverständlich beim Handwerk selbst vorstellig geworden. Diesem habe man, wie in Auszügen aus den Handwerksprotokollen zu ersehen sei, dargelegt, dass dringender Handlungsbedarf bestehe: Nemlich dass ein solcher UnEhrlicher Mensch solle vor Tichtig erkandt werden. Und wir wohl nur meinen, dass es die Meisterschafft, so viel und noch mehr anbetrifft. Dass wir eines solchen Einigen bössen Menschen halben andere Orden vor untichtig erkannt werden!

167 168

Hartinger: Handwerker, 28. AT-OeStA/HStA RHR, Obere Registratur, K. 832/7, Nürnberg, Stadt, 1727, den von denen Metzgerknechten erregten Aufstand betr.

3.5 Räume des Aufruhrs – der Gemeine Mann und die städtischen Randgruppen

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In dem solches niemals geschehen, noch erwiesen kann werden, dass ein solcher bösser Mensch vor Tichtig erkandt worden.

Mit der Ernennung eines Freibänklers sei also die Ehre des gesamten Handwerks gefährdet – eine Tatsache, die die Metzgerknechte im besonderen Maße angehe. Für sie ging es, nach eigener Darstellung, um ihre Zukunft. Wenn das Ansehen der Metzger zu Nürnberg geschädigt wurde, gab es für sie kaum noch die Chance, in anderen Städten als Meister angenommen zu werden.169 Die eigenen Handwerksmeister schienen diesem Standpunkt zuzustimmen. Dies versicherten sie den Knechten zumindest, einige Tage nach ihrem Auftritt in der Zunftstube. Mittlerweile waren diese nach Schwabach gezogen und drohten dort zu verharren, bis die Angelegenheit in ihrem Sinne geregelte war. Die Meister, die die Ernennung des neuen Marktmeisters gleichfalls zurückwiesen und eine Aufweichung ihres privilegierten Status gegenüber den Freibänklern befürchteten, sandten daraufhin Boten zur Brüderschaft. Die Emissäre versicherten den Protestierenden ihre Sympathie. Man werde alles tun, um dem Anliegen zum Siege zu verhelfen. Einer der abgesandten Meister verstieg sich gar zu der pathetischen Versicherung, er werde sich seinen Arm abhauen lassen, wenn nicht alles zur vollen Zufriedenheit der Knechte geregelt werde. Die Träger des Protestes zeigten sich unbeeindruckt. Ohne eine rechtsverbindliche Zusage des Rats bleibe man, wo man sei. Kniefällig baten die Meister den Senat, ihrem Anliegen zu folgen. Der zeigte sich erstaunt und holte Nachrichten aus dem benachbarten Schwabach ein. Der Oberamtmann und der Stadtrichter der Nachbarstadt stellten den Knechten ein überaus freundliches Leumundszeugnis aus. Nein, von Aufruhr könne man nichts berichten. Die Bruderschaft zeichne sich durch ein vorbildliches Benehmen aus. Wenn man nicht gerade über die Schwierigkeiten in Nürnberg berate, werde gebetet. In Nürnberg wurde der Bericht missfällig zur Kenntnis genommen. Mit der Hilfe des Kreises gegen einen friedlichen Protest war nicht zu rechnen. Was die Ansbacher anging, so waren diese offenbar daran interessiert, die Metzgerknechte bei sich aufzunehmen und wirtschaftlichen Nutzen aus der Nürnberger Krise zu ziehen. Dass ein solcher Schritt unmittelbar bevorstand, hatten die Knechte bereits angedeutet. Man könne nicht ewig warten, so hatten sie den Meistern bedeutet. Wenn der Rat nicht bald zu einer positiven Entscheidung in ihrer Angelegenheit komme, ,,wären sodann gezwungen das äußerste zu ergreifen, die Lade bey einer andern Brüderschaft unterzubringen (oder wie es den Verlaut haben will zu zerschlagen) und sich in die weite Welt hin und her zu begeben.“

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Zur Reputation Nürnbergs als Zielpunkt der Gesellenwanderungen in Oberdeutschland: Elkar: Gesellenwanderung, 85–116. Elkar: Gesellen, 262–293.

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3. Streit in der Stadt

Die Drohung zeigte Wirkung. Der Rat nahm die Ernennung des Marktmeisters zurück und lud die Gesellen zur Heimkehr ein. Es war ein Sieg auf ganzer Linie, den man gebührend zu feiern wusste: Dem 16. Sept. geschahe die Anzeit, dass die ausgetrettenen Meztgers Knecht der oberherrl. Verordnung diametraliter entgegen fast just um Mittag ganz ordentlich und öffentlich gleichsam processions weise drey und drey mit grünen eichenem Laub Püchsen auf den Hüten in signum Triumphi mit ihrer Laden zum Spitler Thor herein auf ihre Herberg zu großer Argernus auch vieler bißher vor sie zimlich portirt gewesenen Persohnen gezogen sind.

Der Triumphzug der Metzgerknechte war eine Demonstration ständischer Selbstgewissheit. Die mit Eichenlaub bekränzten Heimkehrer ließen keinen Zweifel daran, dass sie die Fähigkeit besaßen, ihre Ehre zu verteidigen. Es war eine Tat, die nicht nur das Nürnberger Publikum beeindrucken sollte. Das Verhalten der Metzgerknechte wies – und dies war den Akteuren nach eigener Aussage durchaus bewusst – über den lokalen Raum hinaus.170 Es stand im Kontext nicht nur der Verteidigung, sondern der Ausgestaltung von Gesellenrechten und der Anerkennung ihrer Verhaltensnormen. Von einer rein reaktiven, konservativen, ,,antimodernen“ Haltung konnte dabei kaum die Rede sein. Noch deutlicher wird dieses gestaltende, dynamische Element im zweiten bereits erwähnten Prozess von 1729. Wie im vorangegangenen Verfahren handelte es sich um eine Anzeige des Rates vor dem Reichshofrat. Dieses Mal waren es allerdings keine Metzgerknechte, sondern Büttnergesellen, die des Aufruhrs bezichtigt wurden.171 Ein weiterer Unterschied zu dem nunmehr zwei Jahre zurückliegenden Fall lag in der strikt oppositionellen Haltung der Gesellen gegenüber ihren Meistern. Mochte bei den Metzgern noch der Verdacht aufkommen, dass hier eigentlich das Geschäft der Zunftoberen betrieben wurde und der Konflikt dem Muster der verdeckten Vertretung von Eliteninteressen entsprach, so war dies bei den Büttnern nicht der Fall.172 Wiederum ging es um die Wiederherstellung der Ehrbarkeit einer Gesellenbruderschaft und wiederum war das Kampfmittel der Austritt aus der Stadt. Da die Metzger glimpflich davon gekommen waren, schien man diesen Weg gefahrlos beschreiten zu können. Dies galt umso mehr, als die Büttner einen handfesten Skandal als Anlass ihres Verhaltens anzugeben wussten. Den Stein des Anstoßes bildete die Zulassung Peter Müllers zum Gesellenamt. Dass er seine Lehrzeit noch nicht vollständig absolviert hatte, war, so die Gesellen, bereits kaum zu akzeptieren, sein Lebenswandel mache ihn indes zu einem einzigen Ärgernis für die Gesellenbruderschaft. Schließlich sei stadtkundig, dass er eine Frau geschwängert 170 171 172

Vgl. auch: Moser: Reichstättisches Handbuch, 322ff. AT-OeStA/HStA RHR, Obere Registratur, K. 832/6 (alt N 6), AB I/1, Nürnberg, Stadt, 1729, den von denen Büttnergesellen erregten Aufstand betr. Moser: Reichstättisches Handbuch, 328.

3.5 Räume des Aufruhrs – der Gemeine Mann und die städtischen Randgruppen

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habe, mit der er selbstverständlich (Lehrjungen besaßen keine Heiratserlaubnis) nicht verheiratet war.173 Da es aber um die Ehrbarkeit des Handwerkes und nicht um persönliche Animositäten ginge, habe man sich zu einem Kompromiss bereit erklärt. So habe man Müller vorgeschlagen, zwei Jahre auf Wanderschaft zu gehen, bis sich die Aufregung gelegt habe. Doch Müller lehnte ab – wohl wissend, dass er als Sohn eines Rugherren keinerlei Sanktionen zu befürchten hatte. Tatsächlich habe das Rugamt das nunmehr angestrengte Verfahren systematisch verschleppt. Die letzte Möglichkeit, um die Aufnahme Müllers in das Handwerk zu verhindern, habe daher im Auszug der Gesellen aus der Stadt bestanden. Das angegebene Motiv für den Zug der 60 Gesellen nach Fürth war damit wiederum jenes der Bewahrung der eigenen Ehrbarkeit, doch reichten die impliziten Forderungen der Demonstranten weiter. Proteste wider die Macht der Meister, eine Gesellenzeit, die über 14 Jahre hinweg ging, und die Schwierigkeit, Arbeitgeber außerhalb der Stadt zu gewinnen, wurden in der Verteidigungsschrift wiederholt angesprochen. Darüber hinaus formulierten die Gesellen einen Lösungsansatz, der weit über den aktuellen Fall hinaus wies: Viertens würden die Nürnbergische Meisters Söhne, und alle die jenige welche aldort das Büttner Handwer erlernet, nirgend fortkommen können, sondern einig und allein daselbst zu verbleiben gezwungen sey, allermassen diese Suite leyder bey denen Handwerken im Reich gar zu bekannt und eingewurtzelt ist, auch so lange ohn effective Remedur vrblieben wird, biß zuvor durch das gantze Römische Reich und allen desselben Creissen eine anders gemeinsamliche Verordnung nicht allein abgefasset und gemachtl sondern auch würklichen observantz und durchgeends gleicher beobacht- und Handhabung gebracht worden seyn wird.

Die Gesellen hofften auf die Reichsgerichte und die Durchsetzung einer Reichshandwerksordnung, deren Inhalt sie in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchten.174 Der Protest der Gesellen war damit weit mehr als eine spontane Kundgebung oder ein isolierter Versuch, Interessen in der Stadt durchzusetzen und die eigene Position zu verbessern.175 Für eine solche Spontaneität war in Anbetracht der rechtlichen Folgen, vor denen die Beteiligten standen und die ihnen wohl bewusst waren, kein Raum in der Reichsstadt zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Und selbst wenn der Anlass des Protestes spontan war, so musste er rasch in einen rechtsförmigen Kontext eingeordnet werden, um nicht katastrophale Folgen zu zeitigen. Die Gesellen drangen auf eine Veränderung des städtischen Interaktionsraumes zu ihren 173 174 175

Vgl. dazu: Schwarz: Handwerksgesellen in Bremen. Winzen: Handwerk – Städte – Reich. Vgl. dazu auch: AT-OeStA/HStA RHR, Decisa, alt B 211, AB I/1 (= alt AB 48) Bd. 3/ Bremen 70, Bremen, Strumpfwürkermeister zu vs. Bremen, Strumpfwürkergesellen zu, 1763–1768. AT-OeStA/HStA RHR, Denegata antiqua, alt S 56, AB I/1, Straßburger, und consortes, als Alt- und Junggesellen im Namen der sämtlichen Zimmergesellen zu Hamburg vs. Die Alten und Worthaltenden ihres Amtes, 1749.

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3. Streit in der Stadt

Gunsten. Indem sie dies taten, begannen sich auch neue Ordnungsstrukturen des Reiches zu imaginieren und zu propagieren. Die Stadt konnte sich, ihrer Einschätzung zufolge, offenbar nur verändern, wenn auch das Reich dies tat. Mikro- und Makroebene waren damit in den Lösungsmodellen, die sie vorstellten, miteinander verwoben.

4. Der Streit um die Stadt 4.1 Die Reichsstadt im Krieg Die Hinrichtung vermeintlicher Straftäter, die Schlägerei zwischen Wirtshausgästen, Duelle, die Rache für den Überfall auf Schutzbefohlene, Geiselnahmen, Raubüberfälle – dies alles bestimmte zwar nicht den Alltag frühneuzeitlicher Gemeinwesen, es waren jedoch geläufige Elemente des Daseins.1 Wer Gewalt ausübte, wer die eigenen Zielvorstellungen gegen einen Kontrahenten mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen durchsetzte, die dem anderen Schaden zufügten und ihn im äußersten Falle in seiner körperlichen Integrität verletzten, musste dies allerdings im Einklang mit vorgegebenen Regeln tun, sofern er keine Sanktionen zu akzeptieren bereit war. Gewalt fand in einem gesonderten Kommunikationsfeld statt.2 Um es zu betreten, bedurfte es eines legitimen Grundes. Der Raum der Gewalt besaß wenige Eingangstüren, deren bequemste der angebliche Normenverstoß des Widersachers und der Hinweis auf die Ausschöpfung aller anderen Konfliktlösungsmöglichkeiten bildeten.3 Die offene, für eine nicht berechenbare Zielgruppe beobachtbare Gewaltausübung barg indes zahlreiche Unwägbarkeiten in sich. Das Spektakel des fließenden Blutes, des blinkenden Stahls, der knirschenden Knochen, des geplatzten Fleisches, des Wimmerns und Schreiens war mehr als ein Zwangsmittel, es war ein Kommunikationsinstrument.4 Gewalt, ungehinderte Gewalt zumal war ein Kennzeichen der Normenbeherrschung und der Stabilität der eigenen Position. In einer Stadt war ein solches Spektakel ungemein gefährlich. Was bereits in der Face-to-Face Gesellschaft des Dorfes riskant war, wurde im städtischen Umfeld unberechenbar. Gewalt konnte, wenn sie in Gegenwart von Unbekannten ausgeübt wurde, missinterpretiert oder gar vom Publikum bewusst neu kontextualisiert werden. Der insuläre Gewaltausbruch drohte eine Kaskade der Gewalt zu provozieren.5 Gerade dies galt es zu vermeiden, wenn die Stadt ihre Position im transurbanen Warentransfer nicht gefährden wollte. Gewalt war schlecht fürs Geschäft. Sie trieb die Transaktionskosten nach oben.6 Wer in die Stadt kam, 1

Einen Überblick zum Stand der historischen Gewaltforschung der Frühen Neuzeit geben: Jaeger: Gewalt, 301–321. Schwerhoff: Gewalt, 787–794. 2 Zur Historisierung des Gewaltbegriffes: Eibach: Geschichte der Gewalt, 182–218. 3 Zemon: Riten der Gewalt, 171–209. 4 Die Verteidigung der Ehre als Hauptanknüpfungspunkt für Gewalthandlungen: Eibach: Provokationen, 201–16. Schwerhoff: Aktenkundig. 5 Medick: Massaker, 15–20. 6 Göbel: Institutionenökonomik, 129. Zum Ansatz der Institutionenökonomik: North: Process of Economic Change. Pies/Leschke (Hgg.): Douglass Norths ökonomische

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4. Der Streit um die Stadt

um Handel zu treiben, um zu wallfahren oder vor Gericht zu gehen, musste sich in einer gewaltsamen Umgebung kostspieligen bewaffneten Schutz leisten und konnte auch dann nicht sicher sein, sein Ziel zu erreichen. Funktionsfähige urbane Ordnungen waren daher zwangsläufig Friedensordnungen.7 Das heißt nicht, dass ein frühneuzeitlicher Senat ein Gewaltmonopol im modernen Sinne durchzusetzen in der Lage war.8 Die Macht der Obrigkeit lag vielmehr darin, Gewalt langsam in soziale Räume abzudrängen, in denen sie beherrschbar blieb. Das Duell, die häusliche Gewalt, die Wirtshausschlägerei – all dies wurde vorläufig akzeptiert, blieb stillschweigend geduldet, soweit es keinen Skandal auslöste und kein Gerede über die Stabilität des Normenkorsetts der Stadt hervorrief.9 Geschah dies doch, so stellte die obrigkeitliche Gewalt – sei es durch Folter oder durch Strafen – den Friedensraum rituell wieder her.10 Räume des Friedens waren zugleich geschlossene Räume. Sie boten Schutz vor physischem Zwang durch kollektive Abwehr. Der Zwang des äußeren Machthabers durfte hier nicht toleriert werden. Städte befanden sich schon aus diesem Grunde im mitteleuropäischen Raum nahe von befestigten Stätten oder sie wurden selbst von Befestigungen umgeben. Tore, Gräben und Türme kündeten von der Wehrhaftigkeit der Stadt, der Effizienz ihrer Verteidigungsanstrengungen, der Differenz gegenüber dem ländlichen Umfeld, der Macht des Rates, der Öffnung zu Handelspartnern und Verbündeten.11 Ihr Wappenschmuck rief dem Eintretenden in Erinnerung, wer ihr Stadtherr war, aufgestellte Gegenstände gemahnten an Siege und Niederlagen der Stadt, aber auch an innere Erschütterung, wie sie durch blutige Straftaten und deren Sühne hervorgerufen wurden.12 Die Befestigungsanlagen waren damit mehr als nur funktionale Bauwerke. Sie waren zugleich städtische Erinnerungsorte par excellence. Die militärische Stärke der Stadt war indes nicht nur eine defensive. Sie ließ sich auch zur Vermehrung von eigenem Kapital durch einen physisch erzwungenen Kapitaltransfer nutzen. Städte waren nicht nur Zentren der Ordnung, sondern auch Impulsgeber der Unordnung. Von hier aus konnten Raubzüge

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Theorie. Döring: Institutionenökonomik, 355ff. Vgl. auch: Simon: Theories of decision making, 253–283. Eibach: Instituionalisierte Gewalt, 189–206. Eibach: Containment, 52–73. Eibach: Burghers or Town Council?, 14–26. Eibach: Reich, Stadt und Reichsstadt, 353–368. Bei der Einrichtung eines Systems der politischen Ordnung entstehen Kosten. Das dazu nötige Kapital muss über Steuern und Gebühren aufgebracht werden, was sich in den Reichsstädten nicht als gangbarer Weg erwies. Die von Eilbach konstatierte Entwaffnung der Bürger war damit vor allem auf Mechanismen der Selbstverpflichtungen und der Veränderung der Systeme kognitiver und moralischer Überzeugungen zurückzuführen: Richter/Furubotn: Institutionenökonomik, 32ff. Schmidt-Voges: Haus, 105–131. Evans: Rituale. Holenstein: Frugalität, 117–130. Lampen: Stadttor, 1–36.

4.1 Die Reichsstadt im Krieg

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organisiert werden. Hier durften plündernde Söldner konsumieren, sich rekreieren und zugleich den Schutz der Stadtmauern genießen.13 Die heftigen militärischen Zusammenstöße zwischen den städtischen Kriegern Schwabens und der Eidgenossenschaft legten bis Ende des 15. Jahrhunderts Zeugnis von dieser Entwicklung ab. Kaum 50 Jahre später hatte sich das Blatt gewendet. Nicht nur, dass militärische Raubzüge mit dem Wachstum der Landfriedensräume in immer entferntere Räume ausweichen mussten und immer riskanter wurden, die Reichsstädte verloren zudem zusehends an selbstständigem militärischem Gewicht. Nach der Niederlage im Schmalkaldischen Krieg traten sie endgültig als Akteure auf militärischer Bühne in den Hintergrund.14 Das neue Theater des Krieges war nunmehr vor allem ein Geduldsspiel. Entscheidend waren die logistischen Möglichkeiten der Kriegführenden und ihre Fähigkeit, riesige Menschenmassen zu disziplinieren und zu lenken. Wie sollten die Reichsstädte mit den neuen militärischen Ungetümen konkurrieren können, die Mitte des 17. Jahrhunderts noch einmal ein geradezu infernalisches Wachstum erlebten?15 Die Möglichkeit eines urbanen Zusammenschlusses, wie ihn die Eidgenossen vorführten, kam angesichts der weit auseinanderklaffenden Interessen der Reichsstädte nicht in Frage. Was blieb, war der Versuch, Lücken zu suchen, die sich zwischen den zusammenprallenden Monstren ergaben. Es galt, die eigene Autonomie zu bewahren, den eigenen Friedensraum zu sichern – nicht durch militärische Stärke, sondern durch geschicktes Kalkül. Aus den urbanen Akteuren des Krieges wurden Foren und Bühnen des Krieges – ein Funktionswandel war dies gewiss, aber nicht notwendig auch ein Bedeutungsverlust. Dies zeigte sich gerade auf regionaler und lokaler Ebene. Wenngleich die Befestigungen der Städte nicht entfernt ausreichend waren, um ein mehrere Zehntausend Mann starkes Heer in Schach zu halten, so waren sie durchaus in der Lage, die Landbevölkerung vor marodierenden Söldnern zu schützen.16 Die thüringische Reichsstadt Mühlhausen diente in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts den Bauern als dauerhafter Aufenthaltsort. Die Feldarbeit wurde nur stundenweise unter der Bewachung des städtischen Militärs und auch nur nahe der Stadt selbst wieder aufgenommen.17 Von einem sicheren Hafen zu sprechen, wäre übertrieben. Nach Auskunft der Stadtväter war die Zahl der Bürger in der Stadt durch Kriegshandlungen bedingt um die Hälfte auf 775 Bürger gesunken (dass zugleich 197 Witwen und 156 unmündige Waisen in der Stadt lebten, spricht für sich).18 Wenngleich diese Angaben mit 13 14 15 16 17 18

Kroll/Krüger (Hgg.): Militär, 240. Zur reichsstädtischen Militärverfassung: Moser: Reichstättisches Handbuch, 229ff. Kaiser: Politik. Demura: Flucht der Landbevölkerung, 155–172. StadtA Mühlhausen, L 2, Nr. 13, Rat an Gustav Adolph vom 2.7.1632. Vgl. die Zahlen für Dinkelsbühl: Gluth: Dinkelsbühl, 105.

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4. Der Streit um die Stadt

großer Vorsicht zu behandeln sind, da sie die Armeen von weiteren Einquartierungen abhalten sollten, mussten sie für den Adressaten dennoch plausibel klingen. Die vorgetragenen Zahlen entsprachen damit in etwa den Erfahrungen der Militärs. Ungeachtet der zweifellos beträchtlichen Verluste war die befestigte Reichsstadt in der Lage, ein Minimum an funktionsfähigen Strukturen im unmittelbaren Umland zu erhalten – eine Tatsache, die ihre Bedeutung gerade in den Augen der in Thüringen agierenden Feldherrn steigen ließ.19 Für sie waren die Reichsstädte vor allem Rekreationsräume. Reichsstädte zahlten Kontributionen und hatten Einquartierungen zu erdulden.20 Hier wurden Offiziere und Unteroffiziere (aus Sicht des Dienstherren) kostengünstig bei Bürgerfamilien einquartiert. Dies galt nicht nur für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. 1675 etwa erschienen die Truppen des Herzogs von Braunschweig-Calenberg vor den Toren der genannten Stadt Mühlhausen.21 Die im Reichskrieg zur Verfügung gestellten Truppen sollten nun auch auf dem Territorium des Reiches versorgt werden – eine Forderung, die die Stadt allen Protesten zum Trotz zu erfüllen hatte.22 Im Falle einer Einquartierung drang die Ordnung des Krieges, insbesondere die Ordnung des Militärischen, in den städtischen Ordnungsraum ein. In der Stadt befanden sich nunmehr Personengruppen, die sich der Friedenshoheit des Rates entziehen konnten. Als besonders eindringliches Fallbeispiel sei in diesem Zusammenhang ein Rechtsstreit genannt, den die Bürger dem Reichshofrat in einem Schriftsatz vom August 1678 zur Kenntnis brachten. Der Senat hatte, so die Beschwerdeführer, die Klage einer Frau abgewiesen, obwohl die Rechtmäßigkeit ihres Begehrens auf der Hand lag. Die Betroffene hatte einen Hannoveraner Soldaten wegen Vergewaltigung angezeigt und dem Gericht Zeugen für den Vorfall, der sich offenbar mitten in einer belebten Gastwirtschaft abspielt hatte, beigebracht. Die Richter indes folgten der Gegendarstellung des Beklagten. Der hatte ihr vorgeworfen, sie selbst sei ihm ,,nachgelaufen, [und habe] ihn von der Bank auf die Streu gezerret, zum Beischlaf genötiget, ja, in Anschau des Hauswirts 2mal den Congressum verübet“. Nachdem sie sich derart skandalös verhalten habe, sei sie über Wochen hinweg nicht mehr in der Stadt angetroffen worden, was den Verdacht nahelege, dass sie abgetrieben habe.23 Der Rat hatte sich offenbar auf die wenig glaubhaften Argumente der Verteidigung eingelassen, um eine Verurteilung des Beklagten unter allen Um19 20 21 22 23

StadtA Mühlhausen Gegen J No. 1, 284r–285r. Die defensive Stärke der Städte bestand indes nicht nur in ihren eher brüchigen Befestigungen als vielmehr in ihrer Finanzstärke: Bartz: Köln im Dreißigjährigen Krieg. Vgl. die sich ebenfalls an der Verteilung der Kriegskontributionen entzündende Konflikte in Wangen ab 1675: Thierer: Verfassungsstreitigkeiten. Das Reich reagierte mit zahlreichen Räumungsbefehlen, die vom Kurfürsten ignoriert wurden (StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 6, 463v–468r). StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 7, 315–325 (Zitat 323r).

4.1 Die Reichsstadt im Krieg

113

ständen zu vermeiden. Man hatte zwar die Verhandlung des Falles vor dem Stadtgericht durchgesetzt – die tatsächliche Entscheidungsgewalt lag jedoch keineswegs bei der städtischen Obrigkeit, sondern bei der Besatzungsmacht. So unharmonisch, wie es den Anschein hatte, war das Verhältnis zwischen Stadt und Besatzungstruppen jedoch nicht notwendigerweise. Besatzungsarmeen brachten einigen Teilen der reichsstädtischen Bevölkerung durchaus Vorteile. Im Kriegsfalle wirkten sie ebenso als Belastung wie als berechenbare Größe, die zum eigenen Schutz eingesetzt werden konnte.24 Zudem konnten sie herrschaftsstabilisierend wirken. Als Mühlhausen in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts eine schwedische Garnison zu bewirten hatte, waren die Lasten ausgesprochen ungleich verteilt.25 Bürgermeister und Rat, die als direkte Verhandlungspartner der Schweden und als administrative Instanz der Kontributionserhebung fungierten, standen weiterhin auf der Sonnenseite des Krieges. Die Möglichkeiten, der Kontribution zu entgehen, waren für Senatoren mannigfaltig – für Bürger, zumal vermögende, war dies nicht der Fall. Einzelne verloren im Verlaufe der Jahre nahezu ihr gesamtes Vermögen, während die Mitglieder des Ratsregiments die unter wirtschaftlichem Druck zum Verkauf stehenden Grundstücke günstig an sich zogen. Kontributionsrückstände wurden dabei zu einer wirksamen Waffe, Wohlverhalten zu erzwingen. Wer protestierte, musste die Eintreibungspraxis schwedischer Soldaten fürchten. Der an sich schwache Senat war mit einem Male in einer ausgesprochen starken Position. Er verfügte über die geliehene Macht des schwedischen Militärs. In Anbetracht der Tatsache, dass nur ein Drittel der reichsten dreißig Bürger der Stadt Mitglieder des Rates waren, schien sich ein beträchtlicher Ressourcentransfer abzuzeichnen, sofern es nicht jenen ökonomischen Eliten, die nicht am Regiment beteiligt waren, gelang, ein Gegengewicht zu schaffen. Die Bildung einer Garnison in einer Reichsstadt konnte damit einerseits die Position des Rates kurz- und mittelfristig stärken, andererseits jedoch zugleich Spannungen auslösen oder vertiefen, die bei Abzug der Garnison in Unruhen und in Prozesse münden konnten. In der erwähnten Reichsstadt Mühlhausen sahen sich die Bürger 1639 – nach Abzug der Schweden – ebenso wie 1678 – nach Abzug der Hannoveraner – zu einer Klage gegen den Rat veranlasst.26 24 25

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Kaiser: Vereinbarte Okkupation, 271–314. StadtA Mühlhausen, J 7 c, No. 1, 151r. StadtA Mühlhausen, Gegen J, No. 3, 173r-v. Zu Streitigkeiten über Kriegssteuern in anderen Reichsstädten, vgl.: Wolf: Reichsstädte in Kriegszeiten, 160ff. Die Dortmunder Bürgerschaft schlug 1632 einen anderen Weg ein, indem sie den Einmarsch hessischer Truppen nutzte, um die Wahl eines Nichtpatriziers zum Bürgermeister durchzusetzen. Diese Anlehnung an eine regionale Macht war auch deshalb von Bedeutung, weil Wilhelm von Hessen-Kassel sich ausdrücklich für eine Umgestaltung des Reiches einsetzte, die auf eine Stärkung der größeren Reichsfürstentümer, des Reichstages und des Reichskammergerichtes, bei gleichzeitiger Schwächung des Kaisers herauslief: Winterfeld: Dortmund, 136. Weiand: Hessen-Kassel.

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4. Der Streit um die Stadt

Bemerkenswert war insbesondere die Klageerhebung in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, denn sie verwies auf eine weitere Konsequenz der reichsstädtischen Kriegserfahrung. Mit der Verselbstständigung der militärischen Konflikte lief ein seit Ende des 16. Jahrhunderts eingeübtes dichotomes konfessionelles Orientierungsmuster, das Räume des Misstrauens gegen Räume des Vertrauens abgrenzte, ins Leere. Die um ihren Status und ihr Leben bangende Bürgeropposition suchte daher nach neuen Rastern des Verhaltens, der Wahrnehmung und der Kommunikation. Obwohl vor dem Reichshofrat noch immer die Klage einer katholischen Minderheit, die die Rückkehr nach Mühlhausen verlangte, anhängig war und der Kaiser unmittelbar nach Erlass des Restitutionsediktes konkrete Forderungen an die Stadt gestellt hatte, blieben selbst die protestantischen Geistlichen ungerührt ob der Kritik des Rates.27 Wenn Seine kaiserliche Majestät auf katholische Gottesdienstausübung in der Stadt bestehe, so werde man sich dieser Forderung auch beugen. Selbst die Aussicht auf die Etablierung eines kaiserlichen Schultheißen schreckte weder die Pastoren noch die säkulare Bürgeropposition. Ein Prozess der Vertrauensbildung hatte begonnen, der die Bürger von Heilbronn und Dinkelsbühl bereits 1650 dazu veranlasste, dem thüringischen Beispiel nachzueifern – es sollten nicht die letzten Nachahmer sein.28 Das Eindringen des Fremden hinterließ Spuren, es motivierte zu Reaktionen, zerstörte alte Kommunikationsstrukturen und ließ neue Vertrauensbindungen (etwa zwischen protestantischen Reichsstädten und dem Reichshofrat) entstehen. Eben weil die Reichsstadt für die Ordnung des Reiches stand und ihre Bürger stolz das ,,Cives Romanus sum“ auszusprechen berechtigt waren –, wurden militärische Angriffe auf sie mit besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen. War der Kaiser in der Lage, die Stützpfeiler seines Reiches zu erhalten? Nutzte ein potentieller Eroberer die Reichsstadt als Bühne des Schreckens oder für eine Demonstration einer kommenden, vorgeblich gerechten Herrschaft? Die Mediation von Reichsstädten, der Verlust ihrer Reichsstandschaft wirkte als ein Fanal, das weit über die eigentliche militärische und politische Bedeutung der Stadt hinauswies.29 Diese Erfahrung hatte schon Karl V. 1548 gemacht, als er die Reichsstadt Konstanz in den habsburgischen Machtbereich integrierte und den reformier27

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Umgekehrt nutzten die katholischen Bürger von Schwäbisch Gmünd 1632 die Besatzung durch die Schweden zum Protest gegen ihren Rat: Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd, hg. v. Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd, Stuttgart 1984. Dürr (Hg.): Heilbronner Chronik, 203. Die Zerstörung oder die Eroberung von Reichsstädten, aber auch von semiautonomen Städten mit reichsweiter Ausstrahlungsfunktion (wie Magdeburg, das sich als imaginierter Verdichtungsraum des Protestantismus darzustellen verstand) war im hohen Maße geeignet, politische Botschaften zu generieren, vgl.: Emich: Bilder, 197–235. Kaiser: Excidium Magdeburgense, 43–64. Medick: Historisches Ereignis, 377–407. Tschopp: Rhetorik des Bildes, 79–103.

4.1 Die Reichsstadt im Krieg

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ten Reichsständen damit ein nützliches Propagandainstrument in die Hände legte.30 Die Mediatisierung einer Reichsstadt rief Widerstand hervor und wirkte integrierend auf die reiche Zahl der Kritiker. Ähnliches war 1608 zu beobachten, als die Reichsacht über Donauwörth verhängt wurde. Vorangegangen war dieser Entscheidung ein langjähriger Konflikt zwischen der protestantischen Mehrheit der Donauwörther Bürgerschaft und einer kleinen dort verharrenden katholischen Gemeinde, die auf die Unterstützung des Benediktinerklosters ,,Heilig Kreuz“ und des Herzogs von Bayern zählen konnte. Keine von beiden Seiten konnte sich durchsetzen, auch Versuche, eine klare Grenzlinie zwischen den konfessionellen Sakralräumen herzustellen, misslangen. Die Stadt wurde von beständigen Versuchen, die Grenzen des Sagbaren im eigenen Sinne zu verschieben, in einen Zustand nervöser Erwartung versetzt. Es war schließlich eine Prozession der katholischen Gemeinde, die zu Ausschreitungen und dem Eingreifen der Reichsjustiz führte. Die katholische Minderheit provozierte Maßnahmen, die von Wien als notorischer Ungehorsam, als Aufruhr bewertet und mit der Verhängung der Reichsacht geahndet werden konnte. Der Effekt dieser Rechtssanktion war erheblich. Der Herzog von Bayern exekutierte die Acht und erhielt die Stadt im Ausgleich für seine Kosten als Pfandschaft, die nie eingelöst wurde und schließlich 1704 zur Integration Donauwörths in das Kurfürstentum Bayern führte.31 Das Schicksal der Stadt wurde auf Seiten der protestantischen Reichsfürsten aufmerksam beobachtet. Es galt als ein Signal der Entschlossenheit des Kaisers, seine juristischen Möglichkeiten auszudehnen. Um eine schleichende Veränderung der Reichsverfassung zu verhindern, schloss sich – so die offizielle Begründung – ein Großteil der protestantischen Reichsstände zur Union zusammen. Die Einnahme des kleinen Donauwörth hatte damit Wellen geschlagen, die im ganzen Reich zu spüren waren. Militärische Aktionen in einer Reichsstadt erregten Aufmerksamkeit im ganzen Reich.32 Sie wiesen über sich selbst hinaus und verdeutlichten, welche Position der Akteur gegenüber der Reichsverfassung einnahm. Sie wirkten daher – im positiven wie im negativen Sinne – im besonderen Maße profilbildend. Im optimalen Falle dienten entsprechende Feldzüge der Profiländerung und Vertrauensbildung – so geschehen 1632 bei der Besetzung Augsburgs 30 31 32

Haug-Moritz: Schmalkaldische Bund. Zu den Folgen in der Stadt selbst: Zimmermann: Rekatholisierung. Richter: Ächtung. Stieve: Donauwörth. Vgl. auch den Fall Bopfingen: Rat und Geistlichkeit wandten sich nach der Besetzung durch kaiserliche Truppen an die benachbarten protestantischen Reichsstände, um eine Durchführung des Restitutionsediktes zu erreichen. Straßburg riet zur Klage und verwies dabei auf die große publizistische Wirkung, die ein solcher Prozess haben würde. Am Ende gelang es den Bopfingern, eine Durchführung des Ediktes so lange zu verschleppen, bis der Kriegseintritt Schwedens eine Veränderung der kaiserlichen Position erzwang. Enßlin: Bopfingen, 134.

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4. Der Streit um die Stadt

durch König Gustav Adolph von Schweden. Dessen hier festlich unterstrichene Toleranz und seine Appelle an die deutsche Nation waren es, die neben den militärischen Erfolgen eine Welle der Verehrung für den Löwen aus Mitternacht auslösten.33 Die Wiederherstellung eines reichsstädtischen Friedensraums und seine langfristige Stabilisierung konnten als Beweis für die Vertrauenswürdigkeit eines Monarchen und damit als Ausweis für seine Eignung für das Kaiseramt dargestellt werden.34 Besonders erfolgreich und durchaus auch folgenreich taten dies die Hohenzollern, die als Direktoren dreier Reichskreise im Verlaufe des 18. Jahrhunderts ihren Einfluss auf die rheinischen und niedersächsischen Reichsstädte kontinuierlich ausbauten. Der Vormarsch General Custines und die bevorstehende Eroberung von Mainz sowie der Reichsstädte Speyer und Worms im Jahre 1792 waren für Friedrich Wilhelm II. daher Bedrohung und Chance zugleich. Neben den linksrheinischen Reichsstädten war auch Frankfurt in die Hände Frankreichs gefallen, Koblenz war unmittelbar bedroht. Der Fall der Mainmetropole, des Krönungsorts des Kaisers, war eine besondere Demütigung der Heere, die nach der Kanonade von Valmy den Rückzug angetreten hatten. Wenn man den Feind stoppen, ihn zum Rückzug zwingen und zugleich die eigene Position im Reich festigen wollte, so war jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen. In Frankfurt selbst waren die Revolutionstruppen mit ebenso wenig Begeisterung empfangen worden wie in den benachbarten Reichsstädten. Vom revolutionären Elan, wie er ansatzweise in Mainz zu finden war, war hier nichts zu sehen.35 Im Gegenteil, der entgeisterte Custine hatte sich in Speyer mit Bürgerpetitionen zu beschäftigen, die ihn beschworen, auf keinen Fall etwas an der überkommenen Verfassung zu verändern.36 In Frankfurt war seine Popularität durch Geiselnahmen und Geldforderungen auf den Nullpunkt gesunken. Die Stunde Preußens hatte geschlagen, dessen Truppen zumindest ein geordneter Rückzug aus dem Land der Revolution gelungen war. Nun stellte man sich neu auf und schritt zur Rückeroberung der symbolträchtigen Wahl- und 33 34

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Roeck: Stadt in Krieg und Frieden. Die Fixierung der Parität in den Reichsstädten Augsburg, Biberach, Ravensburg und Dinkelsbühl im Westfälischen Frieden war– wie auch der Umfang der entsprechenden Bestimmungen zeigte – gleichsam paradigmatisch für das Gelingen einer langsamen Deeskalation. Die zahlreichen hier geführten Prozesse waren damit – auch in der zeitgenössischen Wahrnehmung – permanente Testfälle der reichsweiten Parität: Warmbrunn: Zwei Konfessionen. Wagner: Auseinandersetzungen. Zu Leutkirch: Roth: Leutkirch. Zur Resonanz der französischen Revolution in den Reichsstädten noch immer unverzichtbar: Press: Reichsstadt und Revolution. Vgl. insbesondere das Beispiel Aachen: Brunert: ,,Neue Partei“, 103–187. Harbauer: Verfassungsschriften, 49–67. Teppe: Unruhen, 35–68. Heusch: Verfassungskämpfe. Julku: Revolutionäre Bewegung. Sowie vergleichend: Müller: Studien, 102–160. Borst: Verfassung und Staatlichkeit, 106–194.

4.2 Arenen der Diplomatie

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Krönungsstadt. Die Feldherren konnten sich dabei auf die Unterstützung der wütenden Bürgerschaft verlassen, die den Sturm der preußischen Soldaten nach Kräften unterstützten. Die Schlacht um Frankfurt war ein Triumph auf der ganzen Linie. Als der König von Preußen nach dem Gemetzel in die Stadt einzog, umgab ihn, wie Lombard in einem Brief an seine Frau berichtete, ,,eine unzählbare Menge“ ,,Die Rufe ,Held! Befreier von Deutschland!‘ waren zum Betäuben. Jeder wollte seinen Rock berühren.“37 Reichsstädte waren, wie diese folgenreiche Episode zeigte, Bühnen symbolischer Politik. Akteure auf dieser Bühne waren indes nicht nur Feldherrn und Soldaten, sondern auch, ja, in erster Linie Diplomaten.

4.2 Arenen der Diplomatie So interrumpierte mich der Churfürst, und nahmbe Gott zum Zeugen Er begehre ia nichts als EM aller underth. Churfürst (es wehren seine formalia) und treüester diener sich zuerzaigen, allein es gingen offt sachen vor wohrinnen man nicht anderst könne als die selbst aigne authoritet in acht nehmen. Es seye das extensionswesen zu Regenspurg ia allein dahin angesehen, dass man die Landstände zu immediat, und die Chur- und Fürsten zu nichts mache, Man khönne niehmalen Ihnen nicht einräumen, dass zu einer jeden zur Reichs defension gehörigen sache man sie bitten soll, EM machet es wohl anderst in ihrem Königreich und Landen.38

Der hier eloquent Klage führende Kurfürst Maximilian Heinrich von Bayern, Erzbischof von Köln, stand 1671 vor einer überaus schwierigen Situation. In unmittelbarer Nachbarschaft stand ein militärischer Großkonflikt bevor. Frankreich rüstete zum Krieg gegen die Generalstaaten. Des Kurfürsten enge Bindung an Versailles war kein Geheimnis. Er hatte zu den führenden Köpfen des Rheinbundes gehört und stand in Verhandlungen über ein Neutralitätstraktat mit Ludwig XIV. Sein Dompropst Franz Egon von Fürstenberg war zugleich Bischof von Straßburg und gehörte zu den wichtigsten Aktivposten französischer Politik im Reich. Andererseits war der Kurfürst nur dann ein wichtiger Bündnispartner, wenn seine Position am Rhein und unter den Reichsfürsten stabil war. Eine dezidiert antihabsburgische Politik konnte in diesem Zusammenhang langfristig kontraproduktiv wirken. Mit Beunruhigung nahm Maximilian Heinrich das Anschwellen antifran37

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Lombard an seine Frau. Frankfurt 4.12.1792, zitiert nach: Hüffer, Hermann: Briefe Lombards aus dem Hauptquartier Friedrich Wilhelm II. während des Feldzugs gegen Frankreich im Jahr 1792, in: Deutsche Revue 1 (1883), S. 331–332. Vgl.: Jessen: ,,Preußens Napoleon“?, 131–136. AT-OeStA/HHStA RK Köln Berichte 1a, Relatio de H. Marchese di Grana, de dato Cölnn den 12 et M. dn. 24. Aprilis 1671. Zum folgenden mit ausführlichen Literaturangaben: Bergerhausen: Köln, 301–348. Schlutheiß-Heinz: Politik, 251ff. Lau: Stiefbrüder, 202– 328.

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4. Der Streit um die Stadt

zösischer Rhetorik im Reiche wahr. Der Kaiserhof förderte diese Entwicklung aktiv und gab damit den Landständen ein interessantes Werkzeug in die Hand, mit dem sie ihre oppositionelle Haltung gegenüber einem frankreichfreundlichen Landesherrn begründen konnten. Besondere Sorge bereitete dem Kurfürsten allerdings nicht sein Domkapitel, sondern die Reichsstadt Köln. Die hatte eine niederländische Besatzung zugelassen und ihre Befestigungsanlage erheblich verstärkt. Die Situation wurde damit zunehmend unangenehm. Der Preis, den Maximilian Heinrich für seine lukrative Anlehnung an Versailles zu zahlen hatte, begann sich zu erhöhen. Köln drohte zu einem vom Reich geduldeten Zentrum der Opposition gegen ihn zu werden. Als Verhandlungspartner kam in dieser Situation der kaiserliche Resident am Brühler Hof, Marchese di Grana, in Frage. Im Gespräch mit ihm schilderte der Erzbischof zunächst genüsslich die habsburgische Doppelzüngigkeit. Der Kaiser rede von der deutschen Freiheit, aber er untergrabe die Landeshoheit der Reichsfürsten. Er suche die Unterstützung der Reichsfürsten, begünstige aber gleichzeitig dem Kampf ihrer Untertanen wider das landesherrliche Regiment. Vom Adressaten dieser Worte erwartete der Kurfürst ein Zeichen der Kooperation. Der Kaiser, so signalisierte er, habe es selbst in der Hand, seinem französischen Widersacher echten Schaden zuzufügen. Was der Wittelsbacher konkret vom Hause Habsburg erwartete, hatte man dem Marchese wiederholt unterbreitet. Seine Majestät möge endlich die Reichsstadt Köln – die der Erzbischof nach wie vor als Teil seines Herrschaftsbereiches betrachtete – zur Raison bringen. Der Diplomat, dem dieses Ansinnen unterbreitet wurde, hatte seine Reaktion fein abzuwägen. Di Grana kannte die militärische Bedeutung Kölns nur zu gut. Er selbst kommandierte eine Garnison in der Reichsstadt und kooperierte eng mit den niederländischen Befehlshabern. Seine Aufgabe bestand darin, die Voraussetzungen für einen bevorstehenden Waffengang möglichst günstig zu gestalten. Köln durfte nicht einfach preisgegeben werden, doch war es auch sinnlos, eine konfrontative Haltung einzunehmen, die sich militärisch nicht decken ließ. Die Reichsstadt war indes mehr als nur eine wichtige strategische Verfügungsmasse. Neben der militärischen Bedeutung Kölns war die Stadt vor allem ein Symbol für die Präsenz und den Einfluss des Kaisers im Westen des Reiches. Die erzwungene Abberufung von di Granas Garnison aus Köln war daher als Demütigung zu verstehen, die eine Revanche herausforderte. Sie sollte 1674, also drei Jahre nach dem Aufenthalt des italienischen Feldherrn am kurkölnischen Hof, erfolgen. Der militärische Stern der Franzosen war rasch gesunken. Am Rhein hatte die Allianz aus kaiserlichen, niederländischen und brandenburgischen Truppen Turrennes Angriffen standgehalten. Generalwachtmeister di Grana hatte während des Feldzuges eine wichtige Rolle gespielt und drängte den Kaiser nun zu einer Demonstration der Stärke. Handstreichartig ließ man Wilhelm von Fürstenberg – einen der einflussreichsten frankophilen Ratgeber des

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Kurfürsten – gefangen nehmen und nach Bonn überführen. Fürstenberg war auf dem Weg zu seinem erzbischöflichen Herrn gewesen. Der hielt sich nicht mehr in seiner Residenz, sondern ausgerechnet in der Reichsstadt Köln auf, in der er Zuflucht vor den kaiserlichen Truppen gesucht hatte. Der Magistrat von Köln, so der Kurfürst, dürfe deren Anwesenheit auf reichsstädtischem Territorium nicht dulden und möge sofort beim kaiserlichen Generalfeldwachtmeister intervenieren. Der zeigte sich ungerührt und spielte gar mit dem Gedanken, von Fürstenberg zum Tode verurteilen zu lassen – ein Plan, der schließlich durch die Intervention des Papstes vereitelt wurde. Auch ohne den Gebrauch des Richtschwertes hatte di Grana sein Ziel erreicht. Er hatte die neue Macht des Kaisers eindrucksvoll demonstriert und dabei die vom Kurfürsten einst beschworenen antihabsburgischen Ressentiments zu eigenen Gunsten instrumentalisiert. Ein Kurfürst, so die Botschaft, war dem Reich zur Treue verpflichtet. Die Grenzen, die seiner Bündnisfreiheit im Westfälischen Frieden gesetzt wurden, konnten durchaus eingefordert werden. Die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Verhaftung Köln Schauplatz eines Friedenskongresses war, der den Holländischen Krieg beenden sollte, garantierte die rasche Verbreitung und allgemeine Aufmerksamkeit der Aktion.39 Di Grana – der Aristokrat, Diplomat und Militär – hatte vor den Augen des Reiches für all jene ein Menetekel an die Wand gezeichnet, die erneut mit dem Gedanken spielten, eine antihabsburgische Allianz mit dem König von Frankreich einzugehen. Die Affäre Fürstenberg sollte die Publizistik ebenso wie den diplomatischen Schriftverkehr noch über Jahre hinweg beschäftigen. Im Kontext der Fragestellung dieser Untersuchung verdeutlicht diese Episode dreierlei. Erstens unterstreicht das Verhalten di Granas ebenso wie jenes seiner Gegenspieler, wie wichtig die Kontrolle über eine Reichsstadt wie Köln aus politischer Perspektive war. War der Kaiser nicht einmal in der Lage, seinen schärfsten Widersacher aus einer Stadt zu vertreiben, deren Herr er war, so war dies ein niederschmetterndes Zeugnis für seine Durchsetzungsfähigkeit. Umgekehrt eröffnete eine erstarkte militärische Präsenz den Habsburgern die Möglichkeit, kaiserliche Rechtsansprüche mit neuem Nachdruck zu vertreten. Zweitens resultiert die besondere Bedeutung der Reichsstadt nicht zuletzt aus ihrer Funktion als diplomatische Drehscheibe und damit als Informationszentrum. Was in Köln, Hamburg, Nürnberg, Frankfurt oder Augsburg geschieht, ist deshalb interessant, weil auf diesen Wettkampfstätten der Diplomaten jede noch so kleine Machtverschiebung aufmerksam verzeichnet und medial verbreitet wurde. Drittens illustriert das Beispiel di Granas die Bedeutung der Reichsdiplomatie, d. h. des Gesandtenaustausches zwischen den Reichsständen, für die Funktionsweise des Reiches.40 39 40

Schilling: Stellung, 83–107. Lau: Diplomatie, 97–106.

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4. Der Streit um die Stadt

Residenten hielten, so Pütter, ,,die Reichsverfassung in merklicher Thätigkeit“.41 Die Ausbildung eines kaiserlichen Gesandtschaftswesens im Reiche geht bereits auf die Zeit Ferdinands I. zurück.42 Ordentliche und außerordentliche Envoyés hielten Kontakte zu den Reichsfürsten und den Senatoren der Reichsstädte. Sie bereiteten Kongresse, Kreistage und Reichstage vor, sammelten Informationen und wirkten als diplomatisches Löschkommando bei aufflammenden Krisen. An die Stelle des reisenden Kaisers traten seine reisenden Stellvertreter. Ihre Bedeutung sollte beständig anwachsen. Ab 1648 entfiel der Reichstag als Forum der Kommunikation zwischen den anwesenden Herrschaftsträgern des Reiches.43 Er war zum Gesandtenkongress geworden und selbst zu den Kaiserwahlen schickten die Kurfürsten bevorzugt ihre Stellvertreter.44 Das komplexe Spiel der Interaktion bedurfte nunmehr der medialen bzw. der diplomatischen Vermittlung.45 Es war nicht nur der Kaiser, der in der Folgezeit immer dichtere Netzwerke bildete, seine Emissäre immer sorgfältiger auswählte und an sich band; ein Prozess der Verdichtung der Reichsdiplomatie war auch in BrandenburgPreußen oder Bayern unverkennbar.46 Das habsburgische Kontakt- und Informationsnetz blieb indes das bei weitem stärkste und differenzierteste.47 Sein Rückgrat waren die Residenturen – preisgünstige ständige Vertretungen, die von drittrangigen Diplomaten besetzt wurden.48 Nur in Ausnahmefällen wurden Ambassaden eingerichtet, wobei das eigentliche Tagesgeschäft zumeist ohnehin bei den dort ebenfalls aktiven Residenten lag. Bei Krisensituationen wurden diese Einrichtungen durch außerordentliche Gesandtschaften ergänzt. Selbige traten auch dann in Erscheinung, wenn in einem Ort keine ständigen diplomatischen Vertreter ansässig waren, wobei der 41 42 43 44 45

46

47 48

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs, Teil 2, Göttingen (3) 1798, S. 208. Meußer: Für Kaiser. Pflüger: Kommissare. Neuhaus: Von Reichstag(en), 135–149. Wanger: Kaiserwahl. Zur Professionalisierung der Diplomatie: Roosen: Age. Die neuere Diplomatiegeschichte betont die Bedeutung des Diplomaten als Kulturvermittler und Kulturdolmetscher. Angelehnt an Spieltheorien werden bevorzugt Aushandlungsprozesse untersucht, in deren Verlauf divergierende Zeichensysteme auf kompatible Grundnormen zurückgeführt werden bzw. neue Normen als Basis des Gütertausches gebildet werden. Zwar werden Rivalitäten nicht ausgeblendet, doch als letztlich – aufgrund gemeinsamer Interessen – ausgleichbare Erscheinungen behandelt. Nur wenig Interesse finden Strategien des bewussten Ideologietransfers, der erfolgreichen Veränderung von Spielregeln und der Manipulation von Wahrnehmungen, vgl.: Windler: Diplomatie als Erfahrung, 5–44. Windler: Ohne Geld, 105–133. Droste: Unternehmer, 205–226. Droste: Im Dienste. Kurbrandenburgisches Gesandtschaftswesen: Santifaller (Hg.): Repertorium, 21–64. Zu den Problemen der kleineren Reichsstände, die im Wettlauf um Informationen und Beeinflussungsmöglichkeit zurückfielen und auf Protektoren angewiesen waren: Gestrich: Absolutismus. Zur kaiserlichen Diplomatie allgemein: Müller: Das kaiserliche Gesandtschaftswesen. Moser: Von denen kaiserlichen Regierungsrechten, Erster Teil, 1205–1206.

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kurze Besuch nicht selten als Sondierungsversuch für die Einrichtung einer ständigen Niederlassung genutzt wurde. Residentenposten waren, wenngleich das diplomatische Renommee ebenso wie die Bezahlung zu wünschen übrig ließ, überaus begehrt. Wurde eine Stelle frei, so meldeten sich rasch verschiedene Aspiranten. Georg Ludwig von Völckern etwa bat die Reichskanzlei in einem Brief vom 16.5.1695, ihn zum neuen kaiserlichen Residenten in Frankfurt zu ernennen.49 Seine Majestät möge bedenken, welch Ungemach er mit seiner Konversion zum katholischen Glauben auf sich genommen habe. Seine Existenz hänge jetzt ganz von der Gnade des Kaisers ab. Von Völckern wurde erhört und seine Ernennung sollte sich tatsächlich lohnen. Lukrativ waren insbesondere die kaiserlichen Kommissionen, mit denen er im Verlaufe seiner Amtszeit wiederholt betraut wurde. Neben den Erbstreitigkeiten des Hauses Hessen-Homburg erwies sich vor allem die Sequestration der zwischen Kurköln und Kurpfalz umstrittenen Stadt Kayserswerth als eine überaus einträgliche Aufgabe. Wie Residenten- und Ambassadorenposten im einzelnen besetzt wurden, bedarf noch der genaueren Untersuchung. Unübersehbar ist indes das Bemühen der Reichsvizekanzlei, Kandidaten zu bevorzugen, die in der Lage waren, die Position des Kaisers in dem Umfeld, in dem sie agieren sollten, zu stärken. Die jeweiligen Anforderungsprofile wichen je nach Einsatzgebiet erheblich voneinander ab. Der Gesandte di Grana etwa befand sich in Kurköln und Köln in einer militärisch-diplomatischen Doppelmission. Seine Abstammung von einem der vornehmsten oberitalienischen Geschlechter sicherte ihm ebenso wie sein Einfluss am Hof und sein militärischer Rang die Aufmerksamkeit seiner Gesprächspartner. Der Generalwachtmeister besaß hinreichendes Gewicht, um schwankende Reichsstände neu über ihre Haltung gegenüber dem Kaiserhaus nachdenken zu lassen. Zugleich bot ihm der diplomatische Auftrag die Möglichkeit, das komplexe machtpolitische Interaktionsgeflecht am Rhein zu erkunden. Di Grana lernte Freund und Feind genau kennen und es war dieses Wissen, das ihn dazu befähigte, auch kleinere militärische Erfolge politisch zu nutzen. Vor allem zögerte er nicht, jede Chance zu nutzen, um die Reputation der französischen Klientel am Rhein gründlich zu ruinieren. Di Grana war der richtige Mann, um in einem unübersichtlichen Interaktionsraum das Machtgleichgewicht durch dramatische Handlungen zu verändern. Für das diplomatische Alltagsgeschäft waren andere – vornehmlich die Residenten – zuständig. Sie stammten aus einem deutlich anderen Umfeld und waren zumeist tief in einem Einsatzgebiet verwurzelt. Als Beispiel seien die Söhne des Grafen Franz Ico von Frydag zu Gödens genannt. Von Frydag zu Gödens hatte 1639 eine Katholikin geheiratet und damit den Konfessionswechsel dieses wichtigen 49

AT-OeStA/HStA RK, Diplomatische Akten Hamburg – Weisungen, 29. Zuvor die Verhandlungen über die Berufung Ratzendorfs: ibd. 9–27.

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ostfriesischen Adelsgeschlechts eingeleitet.50 Der Graf stellte seinen Kindern die Wahl der Konfession frei. Sie entschieden sich, zur Freude Wiens, für die römisch-katholische Kirche. Haro Burchhard machte aus der Herrlichkeit Gödens eine Insel der religiösen Duldung, in der neben einer lutherischen und einer jüdischen Gemeinde auch eine katholische Missionsstation ihren Platz fand. Als zeitweiliger Präsident des Administratorenkollegs, Diplomat und Titularreichshofrat war er einer der reichsten und mächtigsten Aristokraten Ostfrieslands. Franz Heinrich diente dem Kaiser als Gesandter am Hofe Kurbrandenburgs. Carl Philipp schlug eine geistliche Laufbahn ein und wurde zum Großprior des Malteserordens in Ungarn. Ico Wilhelm trat als Jesuitenpater in Maastricht in Erscheinung. Soviel kaiserliche Gnade hatte ihren Preis. Wien erwartete von seinen katholischen Klienten im hohen Norden Hilfe bei schwierigen politischen Fragen. Im Januar 1689 war ein solcher Moment gekommen. Der Bischof von Trier bedurfte dringend der finanziellen Unterstützung des Reiches, um seinen Widerstand gegen die Heere Ludwigs XIV. fortführen zu können. Da die eigenen Taschen leer waren und der Reichstag eine Entscheidung verschleppte, schlug Wien vor, die Stände von Ostfriesland sollten die Zahlung übernehmen.51 Im Gegenzug möge ihnen der Kurfürst von Brandenburg versichern, dass er auf Einquartierungen in Ostfriesland verzichte. Dessen Zustimmung zu diesem Arrangement war offenbar an das Einverständnis der Hansestadt Hamburg gekoppelt, vom Kurfürsten sequestrierte Schiffe auszulösen und ihm damit dringend benötigtes Kapital bereitzustellen. Es war ein höchst fragiles politisches Geschäft, das hier eingefädelt wurde. Funktionieren konnte es nur durch das beherzte Eintreten der von Frydag zu Gödens, die sich der Angelegenheit in Berlin, Hamburg und in Ostfriesland gleichzeitig annahmen. Ihr Zusammenwirken zeigte, wie wichtig es war, Residenten zu berufen, die in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zur Hofburg standen. Zugleich zeigte es, dass die kaiserliche Diplomatie gleichsam auf zwei Beinen stand. Da waren zum einen die Vertretungen an den zentralen Höfen des Reiches – Berlin, Stuttgart, Dresden, München, Braunschweig und Hannover. Hier agierten die Residenten als Diplomaten neben anderen, deren einziger Vorteil gegenüber der französischen Konkurrenz in der besseren Vernetzung im Reich bestand. Kaiserliche Residenten konnten den Kurfürsten gute Dienste in der Nachrich50

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Zu den Freiherrn von Frydag zu Gödens: Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser, Gotha 1896, S. 262–266. Loringhoven: Frydag und Freytag(h). Ihre Rolle in Ostfriesland: König: Verwaltungsgeschichte. Die Toleranzpolitik der von Fridag zu Gödens: Smid: Kirchengeschichte, 388–390. Hagenscheid: Synagogengemeinde Neustadtgödens, 97–112. Nöldeke: Haro Burchard. Zu den komplexen Verfahren der Konfliktregulierung und des Interessenausgleichs in Ostfriesland: Schmidt: Politische Geschichte. Heißler ,,Ostfriesische Singularität“. Dillinger: Repräsentation. Kappelhoff: Regiment.

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tenbeschaffung leisten und wirkten darüber hinaus immer wieder als gütliche Vermittler im Streit mit benachbarten Territorialherren. Diese guten Dienste verwiesen auf das zweite Standbein der kaiserlichen Diplomatie: ihre Präsenz in den Reichsstädten Augsburg, Bremen, Hamburg, Lübeck und Frankfurt. Die Reichsstädte erwiesen sich als ideale Informationsbörsen.52 Allein in Hamburg waren 1707 nach Auskunft eines kaiserlichen Residenten unter anderem Vertreter aus ,,Engellandt, Schweden, Denemark, Preussen, Hollandt, Hannover, Florenz, Wolfenbüttel, Hollstein“ zu finden.53 Die Stadt war neben Frankfurt eines der wichtigsten Pressezentren des Landes, Postlinien trafen hier zusammen, in Gastwirtschaften wurden Informationen zwischen Händlern, Seeleuten und Militär aus dem ganzen nordeuropäischen Raum ausgetauscht.54 Gerüchte, abgefangene Nachrichten und gezielte Fehlinformationen kursierten in Gassen der Hansestadt und wurden von den kaiserlichen Residenten weitergegeben. Diplomatische Kongresse von europäischer Bedeutung wurden in den Reichsstädten ebenso abgehalten wie die Kreistage.55 Die Absenz eines Hofes und der Schutz des Reiches machten sie zu idealen politischen Bühnen, auf denen sich die Akteure auf gleicher Augenhöhe begegnen konnten. Wer seine Hand am diplomatischen Puls des Reiches haben wollte, der musste in den Reichsstädten vertreten sein. Die kaiserlichen Residenten waren indes mehr als nur Akteure auf diesen diversen diplomatischen Bühnen. Sie nutzten die Informationen, die sie erhielten, und die Kontakte, die sie knüpften, um die Reichsvizekanzlei über bevorstehende Rechtsstreitigkeiten aufzuklären und den Reichshofrat in der Frage zu beraten, ob Klagen anzunehmen oder (aufgrund mangelnden kaiserlichen Interesses) ad acta zu legen waren. Wurde ein Verfahren eröffnet, so wurde nicht selten der Resident selbst zum kaiserlichen Kommissar ernannt. Die Gesandten des Kaisers waren an ihrem Wohnort daher meist alles andere als resident. Ihre Reisewege waren beachtlich und sie kündeten von dem Ziel, Einflussräume des Kaisers zu schaffen. Dies galt vor allem für den nördlichen und den westlichen Teil des Reiches. Gesandte wie die von Frydag zu Gödens, die von Völckern oder die von Kurtzrock banden durch ihre Tätigkeit als Sequestratoren und Kommissare vor allem die kleineren katholischen Reichsstände an das Haus Habsburg. Im Zentrum dieser neuen kaiserlichen Einflussräume lagen die Reichsstädte, in denen sie residierten und in deren Machtkämpfe sie sich verstärkt einschalteten. In einem Beschwerdeschreiben an den Reichshofrat vom 23. März 1683 wusste der Senat der Hansestadt Bremen von Tätigkeiten des dortigen 52 53 54 55

Droste: Zentrum schwedischer Außenbeziehungen, 17–34. Über Hamburg als diplomatisches Zentrum: AT-OeStA/HStA RK, Diplomatische Akten, Berichte aus Hamburg, 5a, Freiherr zu Gödens an Reichskanzlei, Hamburg den 27.2.1691. Behringer: Merkur. Reichspost. North: Kommunikationsrevolutionen. Müller: Die Reichsstadt Frankfurt, 107–137.

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4. Der Streit um die Stadt

kaiserlichen Residenten Theobold von Kurtzrock zu berichten, die ihn außerordentlich beunruhigten. Nicht genug, dass er als kaiserlicher Kommissar in verschiedenen Reichshofratsprozessen stets die Position der Kläger gegen den Rat unterstützt habe, er schüre auch sonst nichts als Unruhe und Unfriede. Am Rathaus habe er eine Kundmachung angebracht, die jeden, der etwas gegen den Senat vorzubringen habe, aufrufe, sich an ihn zu wenden.56 Angesichts eines solchen Verhaltens erstaunt es wenig, dass die Senatoren der Reichsstadt ihr Möglichstes taten, um den ungebetenen Gast aus ihren Mauern wieder herauszudrängen.57 Neben der Diskussion um den Rang des Residenten erwies sich die Weigerung des Rates, ihm ein dauerhaftes Domizil zu gewähren, als probates Zermürbungsinstrument. Entnervt von der schlechten Unterkunft, von Einbrüchen und einem nicht enden wollenden Kleinkrieg mit dem Rat verließ Kurtzrock schließlich die Stadt an der Weser. Die Anwesenheit eines Residenten oder gar eines Ambassadors (wie in Hamburg) hatte allerdings nicht nur negative Konsequenzen für die Obrigkeit einer Reichsstadt. Der Diplomat erleichterte den Zugang zu den kaiserlichen Entscheidungswegen. Proteste gegen Eingriffe benachbarter Landstände konnten leichter lanciert und die Aussichten bei Rechtsstreitigkeiten besser eingeschätzt werden. Zudem stärkte die Residentur die Funktion der Reichsstadt als Forum des Informationsaustausches und der Informationsgenese. All diese vorteilhaften Aspekte kaiserlicher Gesandtentätigkeit besaßen indes auch eine Schattenseite. So überwachte der Resident die Druckproduktion in der Stadt und forderte Zensurmaßnahmen ein. Er berichtete über die Nichteinhaltung von Reichstagsbeschlüssen und er zeigte dem Kaiser an, ob sich die Senatoren neue Ehrentitel beilegten, die ihnen nicht zustanden. Zudem etablierten sich die Residenten in den Reichsstädten als Ansprechpartner der Bürgerschaft. Ähnliche Klagen über kaiserliche Residenten, wie sie der Bremer Senat in seinem Schreiben nach Wien formuliert hatte, waren bald auch aus Augsburg, Hamburg und Frankfurt zu vernehmen. In allen drei Fällen förderten die Residenten eine Klageerhebung und spielten zudem im Prozessverlauf als Kommissare bzw. Subdelegierte eine wichtige Rolle.58 Die Kurtzrocks, die in Bremen, Lübeck und Mühlhausen Verfassungsrevisionen herbeiführten, wurden im norddeutschen Raum zu regelrechten Experten des innerstädtischen Konfliktes.59 Nahm der Resident die Position eines Kommissars ein, so kehrten sich die Machtverhältnisse in der Stadt um. Vor dem Bilde des Kaisers thronend konnte der Resident nach Belieben Zeugen bestellen, Vergleichsverhandlun56 57

58 59

AT-OeStA/HStA RK Reichshofrat Decisa K 973, 10.2.1683. Einen Überblick über die komplizierten Konfliktstrukturen in Bremen geben: Schwarzwälder: Bremen, Bd. 2. Schwartz: Handwerksgesellen in Bremen. Zur Rolle der Residenten mit ausführlichen Quellenbelegen: Lau, Diplomatie. Augner: Kommission. Hohenemser: Verfassungsstreit. Batori: Augsburg, 35–39. Fiege: Geschichte Wellingsbüttels, 27–63.

4.2 Arenen der Diplomatie

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gen anberaumen und Reformen vorschlagen. In Augsburg war der Resident Karl von Garbe 1716 vom Reichshofrat beauftragt worden, gemeinsam mit dem Bischof von Konstanz eine neue ,,Regiments Ordnung“ für die Stadt zu erarbeiten. Die sich bis 1739 hinziehenden Verhandlungen mit Bürgerschaft und Rat wurden für die Senatoren zu einem Alptraum. Stets präsent und wohl informiert, sammelte der Resident unermüdlich Materialien und Reformvorschläge. Verschleppungsstrategien der Obrigkeit beantwortete von Garbe mit einer demütigenden Vorladung vor die Kommission. Dort beschied man die Senatoren, man könne die Dinge auch dann entscheiden, wenn sie nicht kooperierten.60 Die Residenten des Kaisers traten in den Reichsstädten mit erheblichem Selbstbewusstsein auf. Einige reichsstädtische Räte begannen sich die Frage zu stellen, ob die Macht der Residenten ihnen nicht über den Kopf zu wachsen drohte.61 So etwa in Hamburg. Die Hansestadt befand sich am Ende des 17. Jahrhunderts in einem instabilen Umfeld.62 Die Rivalität zwischen den regionalen Großmächten Schweden, Brandenburg, Dänemark und Hannover verwandelte Hamburg in eine heftig umstrittene Einflusssphäre. Der eigene politische Gestaltungsspielraum drohte verloren zu gehen. In dieser Situation gewannen Kaiser und Reich für die Senatoren der Hansestadt an Bedeutung. Man erhoffte sich – nicht ohne Grund – rechtliche, politische und militärische Unterstützung. Das Engagement des fernen Protektors hatte allerdings seinen Preis. Dass der Senat die vom Reichstag beschlossenen Handelsbeschränkungen mit Frankreich veröffentlichte und umsetzte, war in den Augen der Reichskanzlei das mindeste was man erwarten durfte.63 Doch weit gefehlt: Hamburg protestierte und konnte 1677 – durch eine geschickte Bestechungspolitik in Wien – tatsächlich eine Ausnahmegenehmigung erreichen.64 Zwölf Jahre später 1689 misslang ein ähnlicher Versuch. Dabei war Wien durchaus bereit, die intensiven Handelsbeziehungen zwischen Hamburg und seiner Allerchristlichen Majestät weiterhin stillschweigend zu dulden.65 Auf einen formalen Anschlag der sogenannten ,,Avocatorien“ indes bestand man – Hamburg sollte sich vor den Augen Europas seinem Kaiser unterwerfen, auf dass dieser als der Vertreter eines außenpolitisch handlungsfähigen Reiches auftreten konnte. Zudem zeigte sich Wien kompromisslos hinsichtlich der ebenfalls vom Reichstag beschlossenen Ausweisung aller französischen

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AT-OeStA/HStA RHR, Decisa K 293, Sitzung vom 31.1.1719. Vgl. die Rolle eines französischen Ambassadors in der Eidgenossenschaft: Lau: Fremdwahrnehmung und Kulturtransfer, 313–341. Ramcke: Beziehungen. Der Hafen als wirtschaftlicher Lebensnerv Hamburgs genoss die gesteigerte Aufmerksamkeit des Senats: Postel: Entwicklung, 211–227. Bog: Reichsmerkantilismus. Reißmann: Hamburgische Kaufmannschaft, 57–95.

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4. Der Streit um die Stadt

Gesandten aus dem Reichsgebiet. Der französische Vertreter in Hamburg namens Bidal hatte nach dem Willen des Kaisers Hamburg zu verlassen. Die Forderung beinhaltete mehr als eine Umsetzung des Reichsrechts. Die Vertreibung des wichtigsten Widersachers der Habsburger in der Stadt war zugleich dazu geeignet, das Gewicht der kaiserlichen Vertretungen deutlich zu stärken. Die palastartige Ambassade, die ostentative Stärkung der katholischen Minderheiten durch die Gesandtschaft, die wichtige Rolle der Gesandten in innerstädtischen Konflikten, ihr Engagement zugunsten der Stadt in der Auseinandersetzung mit dem König von Dänemark – dies alles ließ ein Bestreben erkennen, ein kaiserliches Machtzentrum, einen Gesandtenhof in der Reichsstadt aufzubauen.66 Die Neuordnung der machtpolitischen Verhältnisse im Umfeld der Stadt zu Beginn des 18. Jahrhunderts ließ dergleichen Entwicklungsperspektiven in den Hintergrund treten. Die Ambassade und die Residentur blieben allerdings starke Impulsgeber des politischen Diskurses: Sie standen für das erfolgreiche Bestreben der Reichskanzlei, mit Hilfe von Gesandten subimperiale Räume zu bilden – Regionen, die durch ein Netzwerk zuverlässiger Klienten an den Residenten und über den Residenten an den Kaiserhof angebunden waren. Die Reichsstadt diente als Ausgangs-, aber auch als Referenzpunkt dieses Netzwerkes. Verfügte der Gesandte über einen direkten Zugang zu den kaiserlichen Entscheidungszentren und über hinreichende eigene Ressourcen, so war er – wie gerade das Beispiel Hamburg untermauerte – durchaus in der Lage, den Diskurs um die Ordnung des reichsstädtischen Raumes und die Genese regionaler Räume mitzuprägen. Der Einfluss des kaiserlichen Vertreters in Stadt und Region war – man denke an die von Frydag zu Gödens – nicht Selbstzweck. Er erschloss der Reichskanzlei Ressourcen, die es ihr erleichterten, mächtige Regionalakteure (wie die Kurfürsten von Brandenburg und die Kurfürsten von Hannover) in das Reichssystem zu integrieren. Die Tätigkeit der kaiserlichen Diplomaten bildete damit auch einen unmittelbaren Beitrag zur Gestaltung des Reiches. Ja, sie trug dazu bei, das Reich als politische Interaktionsgemeinschaft und als gemeinsam imaginiertes Ordnungssystem zu stabilisieren.

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Hatje: Repräsentation.

5. Unruhige Städte – eine Schlussbetrachtung

Das Alte Reich hatte viele Gesichter. Je nachdem, ob es als wirtschaftlicher, politischer, kultureller, rechtlicher oder sozialer Interaktionsraum imaginiert wurde, verschoben sich seine Grenze, seine Verdichtungszonen und seine Bindungskräfte. Einer der Gründe dafür liegt auf der Hand: Anders als in den Königreichen Frankreich, England, Spanien, Schweden oder Dänemark gab es im Alten Reich keinen zentralen Ort des Austausches. Städtekolosse, die den Staatsbildungsprozess im westlichen Europa geradezu erzwangen, indem sie ungekannte Zentralitätswirkungen entfalteten, waren dem Reich fremd. Stattdessen besaß es ein funktional ausdifferenziertes urbanes Netzwerk. Das Reich war multipolar strukturiert. Seine einzelnen Zentren ergänzten einander. Innerhalb dieser Netzwerke nahmen die Reichsstädte eine besondere Position ein, denn hier wirkte der Kaiser unmittelbar als Stadtherr – ein Titel, der im Verlaufe des 17. und 18. Jahrhunderts an konkretem Gehalt gewann. In dem Maße, in dem fürstliche Höfe und landesherrliche Städte den Austausch symbolischen, sozialen und ökonomischen Kapitals immer stärker an sich zu ziehen vermochten, war die Erhaltung ihrer Zentralitätsfunktionen an die Funktionsfähigkeit des Reiches gebunden. So wichtig das Reich für die Reichsstädte war, so unentbehrlich waren die Reichsstädte auch für das Reich. Als neutrale Kommunikationsforen, Zentren des wirtschaftlichen Austausches, Bühnen der Selbstdarstellung und Brückenköpfe der Einflussnahme waren sie für die regionalen und überregionalen, für die kleinen und die großen Akteure des Reiches unentbehrlich. Sie gewährleisteten die Funktionsfähigkeit des Reichssystems und wiesen damit, wie bereits Volker Press und Karl Ottmar von Aretin betonten, eine strukturelle Ähnlichkeit mit anderen kleineren Reichsständen auf. Innerstädtische Konflikte, Erschütterungen ihrer Stabilität, die zwangsläufig äußere Vermittler auf den Plan riefen, konnten die Reichsinstitutionen aufgrund ihrer besonderen Position innerhalb des Reichssystems nicht unberührt lassen. Das Reich in Gestalt der Reichsgerichte musste als Ordnungs- und Aufsichtsinstanz auftreten. Die Konflikte in der Stadt gewannen damit an reichspolitischer Bedeutung. Für die Konfliktbeteiligten hieß dies, dass sie ihre eigenen Interessen in einen reichspolitischen Kontext platzieren mussten, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben wollten. So wurden innerstädtische Konflikte von den beteiligten Akteuren zum Anlass genommen, eigene Imaginationen des Reiches zu entwickeln und durchzusetzen. Innerstädtische Konflikte erhielten damit einen Zeichencharakter, der weit über sie selbst hinauswies.

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5. Unruhige Städte – eine Schlussbetrachtung

Gerade deshalb war auch die publizistische Reaktion auf sie so ausgeprägt: Selbst auf kleine Reichsstädte richteten sich die Augen der Nachrichtenproduzenten. Wenn sich in diesen Knotenpunkten der Postlinien und Stätten der Druckproduktion Veränderungen etwa der Stellung von jüdischen Gemeinden, des Zusammenlebens der Konfessionen oder der Mitspracherechte von Geselleninnungen ergaben, so wurde dies aufmerksam verfolgt. Der Streit um die Ordnung in der Stadt war stets in einen reichspolitischen Zusammenhang eingebettet. Man suchte Verbündete außerhalb der Stadtmauern und war bemüht, dem jeweiligen Konflikt einen paradigmatischen Charakter zu geben. Dies traf auf Patriziergesellschaften ebenso zu wie auf Gesellenverbände. Stets galt es, das eigene Anliegen publizistisch und juristisch aufzubereiten, Mitstreiter zu gewinnen und den eigenen Kampf als Teil eines viel größeren Konfliktes um die Gestaltung des Reiches darzustellen. Die Reichsstädte provozierten das Reich zum Handeln und gaben ihm zugleich ein Gesicht. Der beständige Blick auf den kaiserlichen Richter hatte eine homogenisierende Funktion. Die Argumentationsmuster der Konfliktparteien, deren Zusammensetzung und der Verlauf der Konflikte begannen austauschbar zu werden. Die Vorstellung eines jüdischen Rechts- und Kulturraums im Reich oder einer Reichshandwerkerschaft wurden hier konkret fassbar. Die Imagination des Reiches als Schutz- und Handlungsraum überregional agierender Stände und Interessengruppen wurde hier zu einer sozialen Realität. Da der Streit in der Stadt über die Stadt selbst hinauswies, waren die Reichsinstitutionen hier in besonderem Maße präsent. Dies galt für die schon mehrfach erwähnten Reichsgerichte, ebenso wie für die Reichskreise, die Residenten des Kaisers oder die Reichspost. Fassbar wurde das Reich indes nicht nur in den Reichsstädten. Ein Blick auf die Würzburger Residenz und den dort entwickelten Reichsstil zeigt hinlänglich, wie aktiv etwa die geistlichen Reichsfürstentümer waren, wenn es um die steingewordene Fixierung von Imaginationen des Reiches ging. Was die Reichsstadt von anderen Reichsständen unterschied, war die Verdichtung von Konflikten, die durch Reichsinstanzen entschieden wurden, und die hohe Frequenz neuer Bilder des Reiches, die hier generiert wurden. Reichsstädte waren verdichtete Räume des Reiches, in denen das Reich in seiner ganzen Vielfältigkeit präsent war. Mehr noch: Sie bildeten Räume der Interaktion, in denen die verschiedenen Ebenen des Reiches zusammentrafen – regionale und transregionale, ökonomische und kulturelle, politische und sakrale Imaginationen wurden hier in soziale Praxis verwandelt und soziale Praxis in Form von Imaginationen abstrahiert.

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Register Aachen 85, 90 Aalen 13 Altona 46 Amsterdam 22 Anis 10 Ansbach 105 Augsburg 13, 27, 46f., 53, 74–78, 89, 115, 119, 123–125 Basel 42 Berlin 122 Bonn 119 Bopfingen 47 Braunschweig 29, 122 Bremen 13, 123f. Buchau 13, 28, 32, 64, 68, 70f., 79 Carcassonne Colmar 42

7

Darmstadt 48 Dinkelsbühl 114 Donauwörth 115 Dresden 122 Erfurt

29, 96f.

Florenz 123 Frankfurt am Main 12f., 21, 27, 31, 35, 45f., 57, 62–64, 68, 74f., 77–79, 89f., 101f., 116f., 119, 121, 123f. Friedberg 35–38 Frittlingen 33 Fürth 107 Giengen 33 Goslar 49

Kaysersberg 42 Kayserswerth 121 Kempten 94 Koblenz 116 Köln 13, 29, 31, 57, 84f., 87–89, 117–119, 121 Konstanz 114, 125 Langensalza 65 Lindau 32, 74, 94 Lübeck 31, 123f. Lüttich 29f. Maasholm 10 Maastricht 122 Magdeburg 95 Mainz 116 Memmingen 53 Mühlhausen 27f., 48f., 64f., 100, 111–114, 124 München 122 Münster 42 Murten 7 Nördlingen 79 Nordhausen 48f., 94 Nürnberg 13, 20–22, 28, 56f., 74, 78f., 104–106, 119 Offenburg

64

Ravensburg 47, 70 Regensburg 31f., 57, 117 Rom 76, 88 Rothenburg ob der Tauber Rottweil 33, 56

7, 13, 56

Hagenau 43 Halle 93 Hamburg 13, 21, 24, 29, 31, 46, 57, 80, 89, 119, 122–126 Hanau 45f. Hannover 112, 122f. Hardenberg 94 Heilbronn 94, 114

Schramberg 33 Schwabach 105 Schwäbisch Gmünd 56 Schwäbisch Hall 44, 53, 56, 80, 92, 94 Schweinfurt 57, 90 Speyer 57, 116 St. Gallen 53 Straßburg 42f., 117 Stuttgart 34, 122

Kappeln

Türkheim

10

42

156 Ulm Valmy

Register 44, 56, 78 116

Wetzlar 35, 39, 50, 54, 57, 90 Wien 26f., 29f., 38–40, 48–50, 70, 75, 77, 79, 89f., 99, 115, 122, 124f.

Wolfenbüttel 123 Worms 116 Würzburg 8, 16, 128

Zell

56

bibliothek altes Reich – baR herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal

Als ein innovatives, langfristig angelegtes Forum für Veröffentlichungen zur Geschichte des Alten Reichs setzt sich die „bibliothek altes Reich – baR“ folgende Ziele: – Anregung zur inhaltlichen und methodischen Neuausrichtung der Erforschung des Alten Reichs – Bündelung der Forschungsdiskussion – Popularisierung von Fachwissen – Institutionelle Unabhängigkeit Inhaltliche und methodische Neuausrichtung An erster Stelle ist die Gründung der Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als Impuls für die interdisziplinäre Behandlung der Reichsgeschichte und deren Verknüpfung mit neuen methodischen Ansätzen konzipiert. Innovative methodische Ansätze, etwa aus der Anthropologie, der Geschlechtergeschichte, den Kulturwissenschaften oder der Kommunikationsforschung, wurden in den letzten Jahren zwar mit Gewinn für die Untersuchung verschiedenster Teilaspekte der Geschichte des Alten Reichs genutzt, aber vergleichsweise selten auf das Alte Reich als einen einheitlichen Herrschafts-, Rechts-, Sozial- und Kulturraum bezogen. Die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ ist daher als Forum für Veröffentlichungen gedacht, deren Gegenstand bei unterschiedlichsten methodischen Zugängen und thematischen Schwerpunktsetzungen das Alte Reich als Gesamtzusammenhang ist bzw. auf dieses bezogen bleibt. Bündelung der Forschung Durch die ausschließlich auf die Geschichte des Alten Reichs ausgerichtete Reihe soll das Gewicht des Alten Reichs in der historischen Forschung gestärkt werden. Ein zentrales Anliegen ist die Zusammenführung von Forschungsergebnissen aus unterschiedlichen historischen Sub- und Nachbardisziplinen wie zum Beispiel der Kunstgeschichte, der Kirchengeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der Geschichte der Juden, der Landes- und der Rechtsgeschichte sowie den Politik-, Literatur- und Kulturwissenschaften. Popularisierung von Fachwissen Die „bibliothek altes Reich – baR“ sieht es auch als ihre Aufgabe an, einen Beitrag zur Wissenspopularisierung zu leisten. Ziel ist es, kurze Wege zwischen wissenschaftlicher Innovation und deren Vermittlung herzustellen. Neben primär an das engere Fachpublikum adressierten Monographien, Sammelbänden und Quelleneditionen publiziert die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als zweites Standbein auch Bände, die in Anlehnung an das angelsächsische textbook der Systematisierung und Popularisierung vorhandener Wissensbestände dienen. Den Studierenden soll ein möglichst rascher und unmittelbarer Zugang zu Forschungsstand und Forschungskontroversen ermöglicht werden. Institutionelle Unabhängigkeit Zur wissenschaftsorganisatorischen Positionierung der Reihe: Die „bibliothek altes Reich – baR“ versteht sich als ein grundsätzlich institutionsunabhängiges Unternehmen. Unabhängigkeit strebt die „bibliothek altes Reich – baR“ auch in personeller Hinsicht an. Über die Annahme von Manuskripten entscheiden die Herausgeber nicht alleine, sondern auf der Grundlage eines transparenten, nachvollziehbaren peer-review Verfahrens, das in der deutschen Wissenschaft vielfach eingefordert wird. Band 1 Lesebuch Altes Reich Herausgegeben von Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal 2006. VIII, 283 S. 19 Abb. mit einem ausführlichen Glossar. ISBN 978-3-486-57909-3

Band 2 Wolfgang Burgdorf Ein Weltbild verliert seine Welt Der Untergang des Alten Reiches und die Generation 1806 2. Aufl. 2008. VIII, 390 S. ISBN 978-3-486-58747-0 Band 3 Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich Herausgegeben von Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich 2007. 303 S. ISBN 978-3-486-57910-9 Band 4 Ralf-Peter Fuchs Ein ,Medium zum Frieden‘ Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 2010. X. 427 S. ISBN 978-3-486-58789-0 Band 5 Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien Herrschaftsmanagement jenseits von Staat und Nation Herausgegeben von Stephan Wendehorst 2012. ISBN 978-3-486-57911-6 Band 6 Anette Baumann, Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal Venus und Vulkan Ehen in der Frühen Neuzeit 2011. 276 S. ISBN 978-3-486-57912-3 Band 7 Kaiser und Reich in der jüdischen Lokalgeschichte Herausgegeben von Stefan Ehrenpreis, Andreas Gotzmann und Stephan Wendehorst 2012. ISBN 978-3-486-70251-4 Band 8 Pax perpetua Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal, Volker Arnke und Tobias Bartke 2010. 392 S. 2 Abb., ISBN 978-3-486-59820-9 Band 9 Alexander Jendorff Der Tod des Tyrannen Geschichte und Rezeption der Causa Barthold von Wintringerode 2012. VIII. 287 S. ISBN 978-3-486-70709-0 Band 10 Thomas Lau Unruhige Städte Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648–1806) 2012. 156 S. ISBN 978-3-486-70757-1