Allgemeiner Theil - Das Russische Reich - Skandinavien - Dänemark - Das Deutsche Reich

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EUROPÄISCHE

STAATEN KUNDE. MIT EINEM ANHANG:

DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA.

MIT BENUTZUNG

DER HINTER LASSENEN MANUSCRIITE

OSCAR PESCHEL'S NACH DEN ORIUINALQUKLLEN BEARBEITET VON

^fi

OTTO KRÜMMEL.

»

t

ERSTER BAND. ERSTE ABTHEILUNG. ALLGEMEINER

THEIL.



DAS?



RUSSISCHE REICH. SKANDINAVIEN. DAS BRITISCHE REICH.

— DANEMARK.

LEIPZIG,

VERLAG VON DUNCKEK

&

II

U M B LOT.

1880.

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Das Uobersetzungsrecht

bleibt vorbehalten.

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»

1

VORWORT. Es

war um Ostern 1876,

Oscar Peschel's,

dem Tode

also

mehr

ein

als

halbes Jahr

nach

mir von der verehrten Frau Wittwe

als

desselben der Auftrag übermittelt wurde, denjenigen Theil seines hand-

der sich auf die Vorlesungen über Europäische

schriftlichen Nachlasses,

Staat enkund*

und das Deutsche Reich bezog, zu bearbeiten und heraus-

Obwohl

zugeben.

geschlossen hatte, nicht die

keit

damals meine Universitätsstudien noch nicht ab-

entziehen zu dürfen, und so ging ich denn im October 1876 an

Arbeit,

dass

ich

meinte ich doch einer so ehrenvollen Aufgabe mich

die

im Verlaufe dreier Jahre endlich soweit gefördert Diese lange Verzögerung

übergeben werden kann.

sehr veranlasst

ist

ebenso

durch die Art des vorliegenden Stoffes wie durch per-

sönliche Verhältnisse des unterzeichneten Verfassers, Zeit

ist,

wenigstens die vorliegende Hälfte des ersten Bandes der Oeffentlich-

und Arbeitskraft besonders

seit

der sich in seiner

seinem Eintritt in die akademische

I^aufbahn nicht unbeträchtlich eingeschränkt sah.

man

Will

die I^eistungen des Bearbeiters

richtig

beurtheilen

,

so

ihm überlieferte handschriftliehe Material beschaffen war und worauf es ihm bei der Bearbeitung desselben besonders ankam.

wird

es

Als trat,

gilt

vorher zu vernehmen,

sein,

Oscak Peschel

wie

das

Ostern 1871 seine Professur

in

Leipzig an-

entbehrte die Erdkunde völlig einer Vertretung an den deutschen

Universitäten

durch ad hoc berufene Lehrer; denn an der einzigen

an der auch vorher geographische Vorlesungen gehalten wurden, hier in Göttingen, war die Professur für Geographie mit derjenigen für Statistik vereinigt. Bei einem solchen Mangel aller Tradition und Continuität hinsichtlich der Lehrzweige und Lehrmethode war Hochschule,

Pes« hei. sich

ganz

und gar auf

über den Plan

Er wurde hierbei geborenes

in

für

sein

eigenes Urtheil augewiesen,

seine Vorlesungen schlüssig zu

machen

als

er

hatte.

der glücklichsten Weise geleitet durch sein an-

pädagogisches Geschick,

durch

ein

unverkennbares

Ver-

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Vorwort.

VI ständniss

Alles das.

fiir

was

die

nicht nur packt

Jugend

sondern auch lenkt und anregt zu eigenen Studien.

wie der Erfolg durchaus

Bemühungen

seinen

und begeistert, Es ist bekannt,

entsprach

wie

,

schon

nach wenigen Semestern seine Vorlesungen zu den besuchtesten der Universität

PE8CHEL

dass

und

gehörten

er

Dies

trotz

seiner

allzu

am

den

zu

selber

verehrten Lehrern.

seinen Schülern

allein

Höclisten

macht

es

von

erklärlich,

nur durch neun Semester

kurzen,

(von Ostern 1871 bis August 1875) sich ausdehnenden akademischen

Wirksamkeit

eine ganze Schule eifriger

und

treuer Jünger, namentlich

unter der sächsischen Lehrerwelt, heranbilden konnte

1

).

Ueber das Ziel, welches ihm bei den Vorträgen über Staatenkunde von Europa vorschwebte, hat er sich in der einleitenden Vorlesung klar ausgesprochen, und ich lasse dieselbe möglichst wörtlich nach seinem hier sehr ausführlichen Manuskripte folgen,

zumal

auch sonst ein

sie

allgemeineres Interesse beanspruchen dürfte.

„Akademische Vorträge", so begann er, „müssen sich durchaus dem. was in Trivialschulen oder Gymnasien von Geographie gelehrt wird. Die wissenschaftliche Erdkunde betrachtet unterscheiden von

die

Erdoberfläche als einen

Erscheinungen

nach

Raum

bestimmten

,

Wohnort des Menschengeschlechts. mit der Beschreibung irdischer

auf

dem

Gesetzen Sie

hat

eine

sich

abspielt, es

nicht

Fülle

von den

und

als

blos

zu thuu

Erscheinungen, sondern vor Allem

der Erforschung und Erklärung der (Kausalität. Ein solches Studium mu8s stets beginnen mit der physikalischen Erdkunde. Selbst auf diesem Gebiete wurde schon versucht, gesellschaftliche Zustände auf die physikalische Ortsnatur zurückzufuhren. Wir

mit

Der Plan seiner Vorlesungen wird aus folgender Zusammenstellung die den officiellen, bei AI.EX. EDELMANN in Leipzig erschienenen Lectionscatalogen entnommen ist. Darnach hat Pesch EL angekündigt: ')

ersichtlich,

1.

Sommer

2.

Winter 1871 72: Völkerkunde.

3.

Sommer

1871:

1872:

Physikalische Erdkunde t 2 Stunden. 4 St.

Europäische Staatenkunde, 2 St.; Entdeckung der Seacege nach Indien. 2 St.

6.

Winter 1872 73: Physikalische Erdkunde, 4 St.: Colloquium. Anthropologie und Ethnographie. 4 St.; Colloquium. Sommer 1873: Winter 1873/74: Europäische Staatenkunde, 4 St.; Colloquium; Seminar.

7.

Sommer

4.

5.

1874:

Deutsclus Reich,

2

St.;

Geschichte

der

Seeirege

nach

Indien. 2 St.; Colloquium; Seminar. ^.

9.

Winter 1874/75: Physikalische Erdkunde, 4 St.; Seminar: Colloquium. Anthropologie und Ethnographie. 4 St.; Seminar; ColSommer 1S75: loquium.

(10.

Winter 1875 76: Europäische Staatenkunde mit Berücksichtigung der Colonien und Töchterstaateu 4 St., verknüpft mit einem ,

Colloquium; Seminar.



Nicht mehr vorgetragen.)

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Vorwort.

finden

B. Räubervölker,

z.

besonders

in

VII

entweder noch jetzt oder doch früher,

den Wüsten und Steppen zu Hause.

In der Sahara

schweifen die Tuarek, in den transkaspischen Steppen die Turkmenen

gegen

innerasiatische

Rauberhorden

errichtete

oder vollendete

der

Kaiser T8IN - SCHI - HW ANG - TI die grosse chinesische Mauer, und ganz damit übereinstimmend begegnen wir in der Neuen Welt auf

den ödesten Flächen der und Comanchen. „Alsdann

folgte

die

dem

schäftigte sich mit

Prairien

und Felsengebirge den Apachen

Völkerkunde und Anthropologie.

Sie be-

System, mit der Olassificirung des Menschen-

geschlechts nach seinen Körpermerkmalen, Schädeln, Gliedmaassen,

Haar und Haut und sonstigen Kennzeichen, ferner mit den geistigen Merkmalen, den Sprachschöpmngen, endlich seinen gesellschaftlichen Zuständen und dem Gange der Civilisation. Auch dabei wurde die Abhängigkeit der Entwickelung vieler Gesellschaftsformen von ihren

Wir erkannten

Schauplätzen nachgewiesen.

irdischen

B.

z.

dass

,

die Australier geistig begabt, aber durch die ungünstige Lage und physikalische Gestaltung ihres Festlandes an höherer Entwickelung

gehindert waren.

„Immer ging

die

Tendenz dahin,

die

Erdräume aufzufassen als ist eben die moderne

Schauplätze geschichtlicher Erscheinungen. Das

Autgabe unserer Wissenschaft, das Ziel, welches ihr Alexander von Humboldt und Carl Ritter gesteckt haben, die uns auch einzelne Beispiele als Muster hinterlassen haben,

Aufgabe gelöst dachten ). „Wir vermeiden für

wie

sie

diese

sich

1

Namen

Geographie,

sprüngliche

Würde

(Geographie und

weil

diese

neue Wissenschaft absichtlich den

dieses

Wort durch Missbrauch seine urPtolem aeus unterschied zwischen

eingebüsst hat.

Chorographie.

Was

er

das, was wir heute Geographie nennen.

Chorographie nannte, Dieses letztere

ist

Wort aber

seinem wahren Sinne entfremdet worden seit es Bücher giebt über eine Geographie von Sachsen oder eine Geographie des Oantons Uri oder Unteruxüden, Hier bedeutet das Wort nichts anderes als Topographie. Der Name Erdkunde ist noch nicht so missbraucht worden 2 und darum vorzuziehen für die Bezeichnung unserer ist

,

)

Wissenschaft.

')

Dieser Satz, der wörtlieh, so wie er da steht,

entlehnt

ist,

ihm nur einen

verkannt haben, dass Vgl. auch unten S. XVT, Anm. sie in

*)

Perm

(

dem Manuskripte

Peschel's

wird nur Diejenigen überraschen, welche Ost' AK Peschel soweit

Gegner Carl

Kittek's erblicken.

0. K.

2.

Indess hat C. ZERENNEtt doch wirklieh eine Erdkunde den (rourernement* 0. K.

Leipzig 1853) zu Stande gebracht. **

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Vorwort.

VIII

„Die Geographie der Schulen die Erlernung nichts

ist

als

einer

Sprache,

ist

keine Wissenschaft,

sondern

etwa wie die dcscriptive Anatomie

eine Topographie des menschlichen Körpers,

die zur

lebendigen Anschauung seiner Bestandtheile führen und für sie

gemeine Benennungen einführen

dagegen

ist

eine

Wissenschaft,

soll.

all-

Die vergleichende Anatomie

denn

den

beobachtet

sie

Ent-

Die Schulgeographie gehört zu den traurigsten Schon Plinius seufzt über das Aufzählen blosser

wickelungsgang. Lehrfachern.

Ortsnamen {locorum nu