Die deutsche Strafgesetzgebung: Eine Sammlung aller gegenwärtig geltenden Strafprozeß und Strafrecht betreffenden Gesetze des Deutschen Reich [Reprint 2020 ed.] 9783112377628, 9783112377611

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Die deutsche Strafgesetzgebung: Eine Sammlung aller gegenwärtig geltenden Strafprozeß und Strafrecht betreffenden Gesetze des Deutschen Reich [Reprint 2020 ed.]
 9783112377628, 9783112377611

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Die

Deutsche Mchesetzgebung. Eine Sammlung aller gegenwärtig geltenden Strafprozeß und Strafrecht betreffenden Gesetze des Ventfchrn Reich?.

Text-Ausgabe mit Anmerkungen, einem vollständigen chronologischen nnd Sachregister

A. Heltweg,

Dr. A. Arndt,

u»d

Richter am Landgericht zu Hannover

Justitiar am Gbcrbergamt zu Halle a/S.

Serlin und Leipzig. Verlag von I. Guttentag (D. Collin).

1883.

Vorwort. Das vorliegende Werk, aus den Bedürfnissen der Praxis entstanden, ist überall mit Rücksicht auf diese bearbeitet.

Ohne Anspruch auf wissen­

schaftliche Bedeutung und wissenschaftliche Forschung verfolgt es den Zweck,

das

gesummte

noch

geltende Gesetzesmaterial des deutschen Strafrechts

einschließlich des Strafverfahrens in einem handlichen Bande zusammen­

zufassen und damit einem doppelten, in den Sitzungssälen der Strafgerichte

tagtäglich hervortretenden Bedürfnisse abzuhelfen: einmal aus der kaum noch zu übersehenden Fülle der im Lauf der Zeit erlassenen, bald ab­

geänderten, bald aufgehobenen Gesetze das geltende Recht klar gestellt, dann aber auch das gesummte dem Strafrichter nöthige Gesetzesmaterial in

Einem Werke gesammelt zur Hand zu haben.

Bei dieser Aufgabe, gewisser­

maßen einen codex Juris criminalis zu schaffen, konnte auch von der

Mitaufnahme der beiden größeren Kodifikationen, des Strafgesetzbuchs und der Strafprozeßordnung, nicht abgesehen werden, obwohl für die neben

ihnen geltenden Gesetze, besonders seitdem die von Hartmann und Neumann veranstalteten Sammlungen in den erheblichsten Materien veraltet sind,

das praktische Bedürfniß für eine erneute derartige Sammlung erheblich dringender hervorgetreten ist.

Diese Mitaufnahme wird aber auch durch

den fast zwingenden inneren Grund gerechtfertigt, daß die übrigen straf­ rechtlichen Gesetze auf diesen Kodifikationen basiren und in ihnen ihre Ergänzung und Erläuterung finden.

In erster Linie war bei diesem Zwecke des vorliegenden Werkes auf möglichste Korrektheit des Gesetzestextes Gewicht zu legen; es ist mit pein­

lichster Sorgfalt selbst die abweichende Orthographie der einzelnen Gesetze beachtet.

Der Schwerpunkt der Arbeit beruhte sodann in der Abgrenzung

und Feststellung des als geltendes Recht zu bringenden Gesetzesmaterials. Aufgenommen ist, was der Strafrichter der ordentlichen Gerichte als solcher

bedarf.

Ausgeschieden sind daher alle nur Ordnungs- und Disziplinar-

Vorwort.

IV

strafen betreffenden Gesetze, sowie das Militärstrafrecht, soweit es nur die

Militärgerichte interessirt; ausgeschieden sind ferner alle nicht nur aus­ drücklich aufgehobenen, sondern auch diejenigen Gesetzesvorschriften, welche,

wie z. B. Uebergangsbestimmungen, thatsächlich für die Praxis bedeutungs­ los

geworden sind.

Ausgenommen sind sodann nur diejenigen Gesetze,

welche wirklich strafrechtliche Bestimmungen enthalten, wogegen diejenigen, welche

nur indirekt für das Strafrecht von Bedeutung sind,

bei Seite

gelassen werden mußten, weil bei dem innigen Zusammenhang aller Rechts­

gebiete andernfalls eine Grenze überhaupt nicht zu finden gewesen sein

würde.

Von den hiernach aufgenommenen Gesetzen ist ferner nicht überall

der ganze Text gebracht, sondern derselbe nur insoweit, als er strafrechtliche Bedeutung in Anspruch nehmen kann.

In letzterer Beziehung

ist aber

möglichst weit gegangen, indem nicht nur alle die Strafnormen selbst ent­ haltenden und selbstverständlich auch alle von diesen in Bezug genommenen

bzl. vorausgesetzten oder auf diese verweisenden bzl. diese voraussetzenden Paragraphen, sondern auch diejenigen ausgenommen sind, welche nur zur

Interpretation des strafrechtlichen Inhalts des Gesetzes verwerthbar sind oder selbst auch nur als verwerthbar von Andern erachtet werden könnten.

Daß allerdings hier, wo die Entscheidung lediglich dem subjektiven Ermessen

anheimfällt, über das Mehr oder Minder gestritten werden kann, liegt in der Natur der Sache.

Von diesem letzterwähnten Gesichtspunkte aus waren die einzelnen Gesetze verschieden zu behandeln.

In manchen Gesetzen, beispielsweise dem

Münzgesetz oder der Konkursordnung, heben sich die strafrechtlichen Be-

stimmungen von den übrigen Vorschriften mit bestimmtem klarem That­ bestände ab, und konnten daher lediglich diese Bestimmungen ausgenommen

werden.

Bei anderen Gesetzen hängen die Strafbestimmungen mit dem

wesentlichen Inhalte

ganzen Gesetzes zusammen, und scheiden nur

des

einzelne Paragraphen oder Abschnitte als lediglich für den Civilrichter

oder lediglich für die Verwaltung von Interesse aus.

In solchen Fällen

erschien es zweckmäßig, das Gesetz in seinem Zusammenhänge zu bringen und diejenigen Bestimmungen, welche strafrechtliche Bedeutung in keiner

Weise beanspruchen können, entweder durch bloße Inhaltsangabe der be­ treffenden Paragraphen

in

Einzelfall zum Verständniß

besonderer gesperrter Schrift,

des Gesetzes dies

oder wo

Wünschenswerth

im

erschien,

auch die betreffenden strafrechtlich bedeutungslosen Bestimmungen selbst zu bringen, diese alsdann jedoch gleichfalls durch besondere gesperrte Schrift kenntlich zu machen.

Im Gegensatze zu

den

erwähnten Hartmann' und Neumann'schen

Sammlungen erhebt das vorliegende Werk keinen Anspruch auf die Be­ deutung eines Kommentars.

Die beigefügten Noten, in knappester Form

v

Vorwort.

gehalten, bezwecken zunächst nur durch Verweisungen und kurze Zusammen­

stellung bzl. Allegirung dessen,

was

anderweit durch Wissenschaft und

Praxis zur Interpretation der Gesetze geleistet ist, eine rasche Orientirung innerhalb des Gesetzes selbst und in seinem Zusammenhänge mit anderen Gesetzen

zu

ermöglichen;

sie

bieten

aber damit, wie

eine

eingehende

Prüfung ergeben wird, dennoch, abgesehen vom Strafgesetzbuch, im Wesent­

lichen dasselbe Material, wie die vorhandenen Kommentare.

Ausgehend

von den für die juristische Praxis vorauszusetzenden Kenntnissen ist als

selbstverständlich eine Reihe von Anmerkungen größerer Kommentare bei Seite gelassen,

und von dieser Voraussetzung aus sind auch, je häufiger

ein Gesetz in der Praxis zur Anwendung gelangt, desto mehr die Noten

auf das Nicht-Alltägliche beschränkt, bei selten zur praktischen Anwendung gelangenden Gesetzen

zurückgehalten.

dagegen

auch

Im Strafgesetzbuch

näher liegende Bemerkungen sind daher,

nicht

zumal hier die Voll­

ständigkeit eines Kommentars doch unerreichbar geblieben sein würde, ab­

gesehen von Verweisungen nur solche Noten beigefügt, welche den gegen­ wärtigen Stand der Praxis in zweifelhaften Fragen darlegen, daher im Wesentlichen nur kurze Hinweise auf diejenigen Entscheidungen des Reichs­

gerichts, welche von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung sind.

In eben diesem

Sinne war bereits die in demselben Verlage erschienene, allseitig als vor­ züglich anerkannte, von dem Geh. Ober-Finanzrath Dr. Rüdorff heraus­

gegebene Text-Ausgabe des Strafgesetzbuchs bearbeitet, und mit Genehmigung des Geh. Ober-Finanzraths Rüdorff ist daher dessen Ausgabe der vor­

liegenden Ausgabe zu Grunde gelegt und nur unerheblich, nämlich abgesehen

von dem Einstigen einiger neuerer reichsgerichtlicher Entscheidungen haupt­ sächlich nur in der äußern Form insoweit abgeändert, als die Einfügung

derselben in das übrige Werk erforderte. Die Anordnung der Gesetze ist systematisch erfolgt, wie das Jnhaltsverzeichniß näher angiebt.

Es mag dahin gestellt bleiben, ob nicht, zumal

die systematische Gruppirung nothwendig eine unvollkommene und mannig­ fach willkürliche bleiben muß, eine rein chronologische Anordnung vor­ zuziehen gewesen wäre.

Ausschlaggebend ist die Erwägung gewesen, daß

der Vortheil der chronologischen Folge durch ein besonderes chronologisches

Register erreicht werden könne,

und daß es andererseits wünschenswerth

erschien, manche innerlich eng zusammenhängende Gesetze, z. B. die Zoll-

und Steuer-, sowie die Nachdrucksgesetze, neben einander zu bringen. — Was die Betheiligung der beiden Herausgeber an dem vorliegenden Werke anlangt, so ist, wie die Prüfung desselben hoffentlich bestätigen

wird, nach einem einheitlichen Plane und in fortwährender Verbindung mit einander gearbeitet, und sind auch zum größeren Theile die von dem einen Herausgeber bearbeiteten Gesetze der Durchsicht und Korrektur des

Vorwort.

VI

anderen Mitarbeiters unterworfen gewesen.

Dennoch aber liegt in der

Natur eines derartigen Sammelwerks, daß die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Korrektheit im Wesentlichen denjenigen treffen muß, der

die Bearbeitung des betreffenden Gesetzes übernommen hat. der Arbeit ist im großen Ganzen dahin erfolgt,

Die Theilung

daß die ihrem Wesen

nach vorwiegend juristischen Gesetze dem Landrichter Hellweg, dagegen die

vorwiegend die Verwaltung berührenden Gesetze dem Justitiar Dr. Arndt überwiesen sind.

Im Einzelnen sind Theils und 2 und von Theil 3

die Abth. VII von dem Landrichter Hellweg, Theil 3 Abth. I—VI von dem Justitiar Dr. Arndt, bearbeitet.

Der Druck des Werkes hat leider fast den Zeitraum eines Jahres in Anspruch genommen, wodurch es sich erklärt, daß namentlich in der ersten

Hälfte des Werkes neuere Entscheidungen des Reichsgerichts und vereinzelte, allerdings nur unerheblichere neue Gesetze und Verordnungen keine Be­ rücksichtigung

gefunden haben.

Das Wesentlichere

ist in einem kurzen

Nachtrag nachgebracht.

Indem die Herausgeber schließlich das Werk der freundlichen Auf­ nahme der Berufsgenoffen empfehlen, erlauben sie sich zugleich die Bitte,

etwaige Versehen und Ungenauigkeiten einigermaßen durch die übergroße Fülle des zu bearbeitenden Materials entschuldigen zu wollen. Hannover und Halle a. S., im August 1882.

Heüweg.

Arndt

Inhalt. Erster Theil.

Strafprozeßordnung mit

Neben- und Ergänzungsgesetzen. Seile

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Einführungsgesetz zum Gerichtsversassungsgesetze. Vom 27. Januar 1877 1 Gerichtsversassungsgcsetz. Vom 27. Januar 1877 ...................................... 4 Einsührungsgesetz zur Strafprozeßordnung. Vom 1. Februar 1877 . . 33 Strafprozeßordnung. Vom 1. Februar 1877 ................................................. 37 Rechtsanwaltsordnung. Vom 1. Juli 1878. (Auszug.)................................142 Gerichtskostengesetz. Vom 18. Juni 1878. (Auszug.)................................144 Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher. Vom 24. Juni 1878. (Auszug.) 154 Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige. Vom 30. Juni 1878 157 Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Vom 7. Juli 1879. (Auszug.) . 160 Militair-Strafgerichts-Ordnung. Vom 3. April 1845. (Auszug.) . . 163 Gesetz über den Belagerungszustand. Vom 4. Juni 1851...........................171 Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit. Vom 10. Juli 1879. (Auszug.) 176

Zweiter Theil.

Strafgesetzbuch mit den dasselbe unmittelbar betreffenden

Neben-, Abänderungs- und Ergänzungsgesetzen. (Vgl. S. 184.)

Einsührungsgesetz zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund. Vom 31. Mai 1870 ...................................................................................... 185 14. Gesetz, betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Strafgesetz­ buchs für das Deutsche Reich vom 6. Mai 1871 und die Ergänzung desselben. Vom 26. Februar 1876 ........................................................... 187 15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Vom 15. Mai 1871 .... 188

13.

Inhalt.

VIII

Seite 16. Konkursordnung. Vom 10. Februar 1877. (Auszug.)............................... 266 17. Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung. Vom 6. Februar 1875.

(Auszug.)............................................................... 268

Dritter Theil.

Die übrigen Strafgesetze. I.

Abtheilung.

Gesetze, betreffend Gewerbe- und Verkehrswesen. 18. 19. 20. 21.

22. 23. 24.

25. 26.

Gewerbeordnung. Vom 21. Juni 1869 ...................................................... 279 Gesetz, betreffend die Jnhaberpapiere mit Prämien. Vom 8. Juni 1871 317 Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs. Vom 28. Oktober 1871 319 Gesetz, betreffend die Einführung von Telegraphen-Freimarkeu. Vom 16. Mai 1869. (Auszug.)............................................................................... 326 Münzgesetz. Vom 9. Juli 1873. (Auszug.).....................................................327 Bankgesetz. Vom 14. März 1875 ...................................................................... 328 Gesetz, betreffend die Statistik des Waarenverkehrs des deutschen Zoll­ gebiets mit dem Auslande. Vom 20. Juli 1879 ................................ 337 Gesetz, betreffend die Bezeichnung des Raumgehalles der Schankgefäße. Vom 20. Juli 1881 ...................................................................................... 342 Bahnpolizei-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands. Vom 4. Januar 1875. (Auszug.)................................................................................................ 344

II.

Abtheilung.

3oU-, Steuer- und Stempelgesetze. 27. Vereinszollgesetz. Vom 1. Juli 1869 ........................................................... 28. Gesetz, betreffend den Zolltarif des Deutschen Zollgebiets und den Ertrag der Zölle und der Tabacksteuer. Vom 15. Juli 1879 ........................... 29. Gesetz, betreffend die Sicherung der Zollvereinsgrenze in den vom Zoll­ gebiete ausgeschlossenen hamburgischen Gebietstheilen. Vom 1. Juli 1869 ...................................................................................................................... 30. Gesetz, betreffend die Sicherung der gemeinschaftlichen Zollgrenze in den vom Zollgebiete ausgeschlossenen bremischen Gebietstheilen. Vom 28. Juni 1879 ................................................................................................. 31. Gesetz, betreffend die Bestrafung von Zuwiderhandlungen gegen die österreichisch-ungarischen Zollgesetze. Vom 17. Juli 1881 .... 32. Gesetz, betreffend die Erhebung einer Abgabe von Salz. Vom 12. Oktober 1867 ........................................................................................................... 33. Gesetz, die Besteuerung des Zuckers betreffend. Vom 26. Juni 1869 . 34. Gesetz wegen Abänderung der Verordnung, die Besteuerung des im Jnlande erzeugten Rübenzuckers betreffend. Vom 2. Mai 1870 . . . 35. Verordnung, die Besteuerung des im Jnlande erzeugten Rübenzuckers betreffend. Vom 7. August 1846 ................................................................. 36. Gesetz wegen Erhebung der Brausteuer. Vom 31. Mai 1872 .... 37. Gesetz, betreffend die Besteuerung des Tabacks. Vom 16. Juli 1879 . 38. Gesetz, betreffend die Besteuerung des Branntweins in verschiedenen zum Norddeutschen Bunde gehörenden Staaten und Gebietstheilen. Vom 8. Juli 1868 ......................................................................................................

348

390

418

423 424 426 433

436 437 445 459

473

Inhalt.

ix Leite

39. Gesetz, betreffend die subsidiarische Haftung des Brennerei-Unternehmers für Zuwiderhandlungen gegen die Branntweinsteuer-Gesetze durch Ver­ walter, Gewerbsgehülfen und Hausgenossen. Vom 8. Juli 1868 . 489 40. Gesetz, betreffend die Steuerfreiheit des Branntweins zu gewerblichen Zwecken. Vom 19. Juli 1879 ...................................................................... 491 41. Gesetz, betreffend die Erhebung einer Abgabe von der Branntwein­ bereitung in den Hohenzollernschen Landen. Vom 4. Mai 1868 . . 493 42. Gesetz, betreffend die Wechselstempelsteuer. Vom 10. Juni 1869 . . 496 43. Gesetz, betreffend den Spielkartenstempel. Vom 3. Juli 1878 .... 502 44. Gesetz, betreffend die Erhebung von Reichsstempelabgaben. Vom 1. Juli 1881 ....................................................................................................................... 507

III.

Abtheilung.

Gesetze, betreffen- Schutz des geistigen Ligenttznms und der Handelsmarke.

45. Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musi­ kalischen Kompositionen und dramatischen Werken. Vom 11. Juni 1870 46. Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste. Vom 9. Januar 1876 ............................................................................................... 47. Gesetz, betreffend den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nach­ bildung. Vom 10. Januar 1876 ................................................................. 48. Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen. Vom 11. Januar 1876 ............................................................................................ 49. Gesetz über den Markenschutz. Vom 30. November 1874 ...................... 50. Patentgesetz. Vom 25. Mai 1877 .................................................................

518

532 537 539 543 547

IV. Abtheilung.

Gesetze, betreffend Medizinal- und Veterinärwesen.

51. Gesetz. Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend. Vom 7. April 1869 52. Jmpfgesetz. Vom 8. April 1874 ...................................................................... 53. Gesetz, betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Vieh­ beförderungen auf Eisenbahnen. Vom 25. Februar 1876 .... 54. Gesetz, betreffend Zuwiderhandlungen gegen die zur Abwehr der Rinder­ pest erlassenen Vieh-Einfuhrverbote. Vom 21. Mai 1878 .... 55. Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen. Vom 14. Mai 1879 ...................................... 56. Gesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen. Vom 23. Juni 1880 .................................................................................................

V.

556 558 561

563 565

569

Abtheilung.

Gesetze, betreffend Zeeangelegenheiten. 57. Gesetz, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugniß zur Führung der Bundesflagge. Vom 25. Oktober 1867 . . 58. Gesetz, betreffend die Registrirung und die Bezeichnung der Kauffahrtei­ schiffe. Vom 28. Juni 1873 ...................................................................... 59. Noth- und Lootsen-Signalordnung für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern. Vom 14. August 1876 ................................................. 60. Verordnung über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen aus See. Vom 15. August 1876 ......................................

581 585 586 588

Inhalt.

X

Seite

61. Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßes der Schiffe aus See. Vom 7. Januar 1880 ...................................................................................... 62. Seemannsordnung. Vom 27. Dezember 1872 ........................................... 63. Strandungsordnung. Vom 14. Mai 1874 ................................................. 64. Gesetz, betreffend die Verpflichtung Deutscher Kauffahrteischiffe zur Mit­ nahme hilfsbedürftiger Seeleute. Vom 27. Dezember 1872 . . . 65. Gesetz, betreffend die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des Deutschen Reichs. Vom 25. März 1880 ...................................................................... 66. Verordnung, betreffend die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des Deutschen Reichs. Vom 28. Juli 1880 ................................................. 67. Gesetz, betreffend die Küstenfrachtfahrt. Vom 22. Mai 1881 .... VI.

589 594 610

614

616 617 618

Abtheilung.

Gesetze, betreffend Vereins- und Gescllschaftswestn. 68. Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften. Vom 4. Juli 1868 ........................................... 69. Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktien­ gesellschaften. Vom 11. Juni 1870 ............................................................ 70. Gesetz über die eingeschriebenen Hülsskassen. Vom 7. April 1876 . .

619

627 635

VII. Abtheilung.

Gesetze, betreffend Militarwcscn, presse und Sozialdemokratie. 71. Gesetz über die Presse. Vom 7. Mai 1874 ................................................ 639 72. Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Vom 21. Oktober 1878 ................................................................................. 647 73. Gesetz, betreffend die authentische Erklärung und die Gültigkeitsdauer des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878. Vom 31. Mai 1880 ........................................... 654 74. Gesetz, betreffend die Beschränkungen des Grundeigenthums in der Um­ gebung von Festungen. Vom 21. Dezember 1871 ................................ 655 75. Gesetz über die Kriegsleistungen. Vom 13. Juni 1873. (Auszug.) . . 660 76. Reichs-Militärgesetz. Vom 2. Mai1874. (Auszug.)....................................... 661 Nachtrag. Zusätze und Berichtigungen..................................................................... 665 Chronologisches Register der Rcichsgesetze................................................................ 669 Sachregister........................................................................................................................... 673

Erklärung der Abkürzungen rc Die Zuständigkeit der Gerichte ist fiir jedes Strafgesetz durch hinter der Paragraphenzahl in Klammern gesetzte Buchstaben angegeben, und zwar bedeutet: (A.) Zuständigkeit des Schöffengerichts bzw. des Amtsgerichts, (L.) Zuständigkeit der Strafkammer des Landgerichts, (Sw.) Zuständigkeit des Schwurgerichts, (L. bzw. A.) Zuständigkeit der Strafkammer des Landgerichts bzw. des Schöffen­ gerichts in den Fällen, wo die Zuständigkeit durch die Höhe der in concreto verwirkten Strafe ab­ hängig oder die Sache in Gemäßheit des § 75 GV.G. an das Schöffengericht verweisbar ist. Die Marginalien des Gesetzestextes sind der Raumersparnis halber in Klämmern hinter den Paragraphenzahleu in gleicher Schrift, wie der Gefetzestext selbst gebracht. Arabische Zahlen ohne Zusatz bezeichnen die Seite, römische den Band des citirteu Werkes. Paragraphencitate ohne Zusatz beziehen sich auf das gerade vorliegende Gesetz.

Ferner ist: Abs. = Absatz. C.Bl. A. — Centralblatt fiir die preuß. Abgaben-

gesetzgeblmg rc. A.E. — Allerhöchster Erlaß. A.L.R. = Allgemeines Landrecht für die Preußi­ schen Staaten. Süt m. — Anmerkung. A. O. = Allerhöchste Ordre. Ausf.G. - Ausführungsgesetz. B. — Bekanntmachung. B. G.Bl. = Bundesgesetzblatt. C. P.O. = Civilprozehordnung. d. i. — das ist. d. s. das sind. E. — Entscheidungen des Reichsgerichts in Straf­ sachen. Herausgegeben von den Mit­ gliedern des Gerichtshofes. E.G. ----- Einführungsgesetz. Entsch. = Entscheidungen. G. - Gesetz. G.A. = Goltdammer's Archiv. Gew.O. ----- Gewerbe-Ordnung. G.K.G. = Gerichtskostengesetz. G.O. f. G. — Gebührenordnung für Gerichtsvoll­ zieher.

G.O. f. R. — Gebührenordnung

für Rechtsan­ wälte. G.O. f. Z. u. S. = Gebührenordn, für Zeugen und Sachverst. G.S. — Gesetz-Samml. G. u. V.Bl. — Gesetz- und Verordnungs-Blatt. G. B.G. — Gerichtsverfaffungsgesetz. H. G.B. — Handelsgesetzbuch.

i. f. = in fine. J.M.Bl. = Justiz-Ministerial-Blatt.

Jnstr. — Instruktion. J.B. = Verfügung des Justizministers.

K.G. Kammergericht. K.O. — Kabinets-Ordre. Komm.Ber. — Kommissionsbericht des Reichstags bzw. des Herren- oder Abgeordneten­ hauses. 1. c. — loco citato. M. oder Mot. = Motive des betreffenden Gesetzes. M-St.G.B. — Militär-Strafgesetzbuch. M.V. — Ministerial-Verfügung. Ob.Trib. — Ober-Tribunal. O.R. — Oppenhoff's Rechtsprechung des OberTribunals. O.V.G. — Ober-Verwaltungsgericht. Prot. — Protokolle der Justizkommission des Reichs­ tags. R. — Rechtsprechung des Reichsgerichts in Straf­ sachen. Herausgegeben von den Mit­ gliedern der Reichsanwaltschaft. R.C.Bl. — Centralblatt für das Deutsche Reich. R.G.Bl. = Reichs-Gesetzblatt. R.O.H.G. = Entsch. des Reichs-Oberhandels ­ gerichts. Herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofes. R. Verf. Reichs-Verfassung. S. oder s. — Sieh' oder sieh'. S. mit Zahl — Seite. Sten.Ber. = Stenographischer Bericht der Verhandl. des Reichstages bzw. des

Herren- oder Abgeordneten-Hauses. St.G.B. ----- Strafgesetzbuch. St.P.O. = Strafprozeßordnung. Strieth.Llrch. — Striethorst's Archiv für Rechts­ fälle d. Ob.Trib.

B. = Verordnung. vgl. = vergleiche. V.M.Bl. — Ministerial-Blatt für die innere Ver­ waltung.

Erster Theil:

Strafprozeßordnung mit

Neben- und Ergänzungsgesetzen.

1. Einsührungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetze.

3. Einsührungsgesetz zur Strafprozeßordnung.

4. Strafprozeßordnung.

Vom 1. Februar 1877.

Vom 1. Februar 1877.

5. Rechtsanwaltsordnung. 6. Gerichtskostengesetz. Auszug.)

Vom 27. Januar 1877.

Vom 27. Januar 1877.

2. Gerichtsverfassungsgesetz.

Vom 1. Juli 1878.

Vom

18. Juni 1878.

7. Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher. G. v. 29./6. 81. Auszug.)

(Auszug.)

(Fassung

Vom 24. Juni 1878.

8. Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige. 9. Gebührenordnung für Rechtsanwälte. 10. Militair-Strafgerichts-Ordnung.

12. Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit.

(Fassung d.

Vom 30. Juni 1878.

Vom 7. Juli 1879.

Vom 3. April 1845.

11. Gesetz über den Belagerungszustand.

d. G. v. 29./6. 81.

(Auszug.)

(Auszug.)

Vom 4. Juni 1851.

Vom 10. Juli 1879.

(Auszug.)

Zweiter Theil:

Strafgesetzbuch mit

den dasselbe unmittelbar betreffenden

Neben-, Abänderungs- und Ergänzungsgesetzen.

Uebersicht. 13. Einsührungsgesetz zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (den Nord­ deutschen Bund). Vom 31. Mai 1870.

14. Gesetz, betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 und die Ergänzung desselben. Vom 26. Februar 1876. 15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. gellende Fassung.)

Vom 15. Mai 1871.

16. Konkursordnung. Vom 10. Februar 1877. der §§ 281—283 St.G.B.)

(Gegenwärtig

(Auszug. Unter Anderem Ersatz

17. Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und der Eheschließung. Vom 6. Februar 1875. (Auszug. Unter Anderem Ersatz des § 337 St.G.B.) Außerdem innerhalb obiger Nummern:

Gesetz, betreffend die Redaktion des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Vom 15. Mai 1871. (Siehe dasselbe in den Notizen zur Ucberschrist des E.G. in Nr. 13.) Gesetz, betreffend die Ergänzung des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich. Vom 10. Dezember 1871. (Siehe den § 130 a. Abs. 1 St.G.B. in Nr. 15.) Gesetz, betreffend den Wucher. Vom 24. Mai 1880. (Siehe die §§ 302 a.—ä., 360 Nr. 12 St.G.B. in Nr. 15.)

Als Ersatz des § 287 St.G.B. würde endlich auch das Gesetz über den Markenschutz vom 30. November 1874 in diesen Theil gehören. Dasselbe ist jedoch wegen seines Zusammenhangs mit den Gesetzen, betreffend das Urheberrecht, im dritten Theil unter diesen gebracht.

13. Einführungsgesetz zum

Strafgesetzbuch für das Deutsche Deich (den Norddeutsche« Sund». Bom 31. Mai 1870 (B.G.Bl. 195). Gesetzeskraft im Nordd. Bundesgebiet einschließl. Süd-Hessen seit 1. Januar 1871.

Gesetzeskraft im

ganzen Reiche (mit Ausnahme von Elsaß-Lothringen) seit 1. Januar 1872.

Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund ist nebst dem Einführungsgesetz durch das G. betr. die Berf. des Deutschen Reichs vom 16./4. 71 (B.G.Bl. 63) ausdrücklich zum Reichsgesetz erhoben, und sind darauf durch G. v. 15./5. 71 (R.G Bl. 127), welches wörtlich lautet:

Einziger Paragraph. Das Strafgesetzbuch für den Nordd. Bund vom 31. Mai 1870 erhält unter der Bezeichnung als „Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich" vom 1. Januar 1872 an die beiliegende Fassung, die erforderlichen Fassungsänderungen für das Strafgesetzbuch ausdrücklich festgestellt. Für das Ein­ führungsgesetz, für welches ein Gleiches nicht geschehen ist, sind diese Aenderungen nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 des eit. G. v. 16./4. 71 in dem Text ergänzt, und zwar sind die Aenderungen gesperrt, der ursprüngliche Wortlaut klein und in Klammern gedruckt.

§ 1. Das Strafgesetzbuch sür das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) tritt im ganzen Umfange des Bundesgebietes mit dem 1. Januar 1872 (i8?i) in Kraft. § 2. Mit diesem Tage tritt das Reichs- (Bundes-) und Landesstrafrecht, insoweit dasselbe Materien betrifft, welche Gegenstand des Strafgesetzbuchs für d a s Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) sind, außer Kraft. 1 In Kraft bleiben die besonderen Vorschriften des Reichs- (Bundes-) und Landesstrafrechts, namentlich über strafbare Verletzungen der Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-, Fischerei-, Jagd-, Forst- und Feldpolizei-Gesetze, über Mißbrauch des Vereins- und Versammlungsrechts und über den Holz- (Forst-)Diebstahl.2 3 1 Abs. 1 enthält nichts Neues; er gibt den Grundsatz: daß das neue Gesetz das ältere aufhebt, für das Reichs- und Landesstrafrecht wieder und überläßt das Weitere der Landesgesetzgebung. Weder das Pr. St.G.B. noch ein anderes wird durch das St.G.B. formell beseitigt. Abs. 2 schränkt den Abs. 1 nicht ein, sondern gibt nur Beispiele der nicht behandelten Materien. In Kraft geblieben sind z. B. auch die Vorschriften betr. das Spielen in auswärtigen Lotterien. E. I. 219, 274. R. I. 380, 460; nicht dagegen auch die Disziplinargesetze über die StudentenDuelle. E. I. 443. R. II. 14. Soweit das St.G.B. abweichende Vorschriften enthält, sind auch die

besond. Ges. aufgehoben, z. B. § 23 des Wechs.Stemp.Ges. v. 10./6. 69 durch die §§ 275, 276.

186

13. E.G. z. Strafgesetzbuch f. d. Deutsche Reich (d. Nordd. Bund). §§ 3—8.

3 Abs. 3 — in Folge der Einführung der Reichskonkursordnung vom 10./2. 77 weggefallen — lautete: „Bis zum Erlasse eines Reichs- (Bundes-) gesetzes über den Konkurs bleiben ferner diejenigen Strafvorschriften in Kraft, welche rücksichtlich des Konkurses in Landesgesetzen enthalten sind, insoweit dieselben sich auf Handlungen beziehen, über welche das Straf­

gesetzbuch für das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) nichts bestimmt." Vgl. unten Bemerkungen zu Abschn. 24 des St.G.B. (§§ 281 ff.) und Nr. 16.

§ 3. Wenn in Landesgesetzen auf strafrechtliche Vorschriften, welche durch das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) außer Kraft gesetzt sind, verwiesen wird, so treten die entsprechenden Vorschriften des letzteren an die Stelle der ersteren. § 4. Bis zum Erlasse1 der in den Artikeln 61 und 68 der Verfassung des Deutschen Reichs (Norddeutschen Bundes) vorbehaltenen Reichs- (Bundes-)gesetze sind die in den §§ 81, 88, 90, 307, 311, 312, 315, 322, 323 und 324 des Straf­ gesetzbuchs für das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) mit lebenslänglichem Zuchthaus bedrohten Verbrechen mit dem Tode zu bestrafen, wenn sie in einem Theile des Bundesgebietes, welchen der Kaiser (Bundesfeldherr) in Kriegszustand (Art. 68 der Verfassung) erklärt hat, oder während eines gegen das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) ausgebrochenen Krieges auf dem Kriegsschauplätze begangen werden. * 1 Inzwischen ist das in Art. 61 vorbehaltene Neichs-Militärgesetz am 2./5.74 (R.G.Bl. 45) ergangen, das in Art. 68 vorbehaltene Gesetz steht noch aus, so daß § 4 noch gilt. 2 § 4 gilt nicht für Bayern. G. v. 22./4. 71 (B.G.Bl. 87) § 7 Abs. 2.

§ 5. In landesgesetzlichen Vorschriften über Materien, welche nicht Gegen­ stand des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) sind, darf nur Gefängniß bis zu zwei Jahren, Haft, Geldstrafe, Einziehung einzelner Gegenstände und die Entziehung öffentlicher Aemter angedrvht werden.1 1 § 6 bezieht sich nur auf künftige Landesgesctzc. Die bestehenden bleiben nach Maßgabe des § 6 in Geltung, selbst wenn sie höhere Strafandrohungen enthalten, z. B. die noch geltende preuß. V. v. 8./7. 44 wegen Bestrafung des Handels mit Negersklaven (G.S. 399).

§ 6. Vom 1. Januar 1872 (1871) ab darf nur aus die im Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) entf^Itenen ©trofttrien1 erkannt werden. Wenn in Landesgesetzen anstatt der Gefängniß- oder Geldstrafe Forst- oder Gemeinde-Arbeit angedroht oder nachgelassen ist, so behält es hierbei sein Be­ wenden. 1 St.G.B. §§ 13-42, 57, 362.

§ 7. Vom 1. Januar 1872 (i87i) ab verjähren Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung' der Branntweinsteuer, der Biersteuer und der Postgesälle in drei Jahren.1 1 Vgl. bezügl. der Bier- und Branntweinsteuer die Bundesges. v. 4. u. 8./7. 68 § 37 bez. 68 (B.G.Bl. 383, 401) und das G. betr. die Erhebung der Brausteuer v. 31./5. 72 (R.G.Bl. 153) § 40.

§ 8. Der Landesgesetzgebung bleibt Vorbehalten, Uebergangsbestimmungen zu treffen, um die in Kraft bleibenden Landesstrafgesetze mit den Vorschriften des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich (den Norddeutschen Bund) in Ueber­ einstimmung zu bringen.1 1 Solche Uebergangsgesetze sind in sämmtlichen Bundesstaaten — allerdings in sehr verschiedenem Umfange — erlassen, mit Ausnahme von Preußen nebst Lauenburg und Waldeck.

betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Strafgefetzvuchs für das Deutsche Keich vom 15. Wai 1871 und die Ergänzung dessetve«. Vom 26. Februar 1876 (R.G.Bl. 25). Gesetzeskraft seit 20. März 1876.

Art. I. Die §§ 4, 55, 64, 70 Nr. 2 und 3, 88, 95, 102, 103, 104, 113, 114, 117, 130a, 135, 140, 144, 145, 176, 177, 178, 183, 194, 200, 208, 223, 228, 232, 240, 241, 247, 263, 275 Nr. 2, 292, 296, 303, 319, 321, 360 Nr. 3, 4, 7 und 12, 361 Nr. 6, 363, 366 Nr. 3, 8, 9 und 10, 367 Nr. 5, 8 und 10, 369 und 370 des Strafgesetzbuchs in der durch die Gesetze vom 15. Mai 1871 und 10. Dezember 18711 festgestellten Fassung werden durch nachstehende, den bisherigen Zifferzahlen entsprechende Bestimmungen ersetzt: 1 S. § 130a St.G.B. (Die abgeänderten §§ sind in der neuen Fassung an betreffender Stetle im St.G.B. eingeschaltet und ist dies zu jedem betr. § in den 91 mit. erwähnt.)

Art. II. Hinter die §§ 49, 103, 223, 296, 353 und 366 des Strafgesetzbuchs werden die folgenden neuen §§ 49a., 103a., 223a., 296a., 353a. und 366a., hinter die Nr. 8 des § 361 wird die neue Nr. 9 eingestellt: (Die neuen §§ sind an betreffender Stelle im St.G.B. eingeschaltet und als solche in den Sinnt, erkennbar gemacht.)

Art. III. Bei den Handlungen, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen sind, wird das Erforderns des Antrages auf Verfolgung, sowie die Zulässigkeit der Zurücknahme nach den bisherigen Gesetzen beurtheilt. Art. IV. Wo in dem Strafgesetzbuche der Betrag einer Geldstrafe oder einer Buße in der Thalerwährung ausgedrückt ist, tritt bev entsprechende Betrag in Reichswährung an die Stelle. Art. V. Der Reichskanzler wird ermächtigt, den Text des Strafgesetzbuchs, wie er sich aus den in den Artikeln I., II. und IV. festgestellten Aenderungen der Fassung ergibt, unter Weglassung der §§ 287 und 337 durch das ReichsGesetzblatt bekannt zu machend 1 Die Bekanntmachung des neuen Textes ist erfolgt mittels Erlasses des Reichskanzlers v. 26.Z2. 76 (R.G.Bl. 39 ff.).

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Deich* Vom 15. Mai 1871. (Gegenwärtig geltende Fassung.) Gesetzeskraft im ganzen Reiche seit 1. Januar 1872, im Nordd. Bundesgebiet einschließl. Süd-Hessen

bereits seit 1. Januar 1871. (Vgl. die Notizen zur Ueberschrift zum E.G. und die Uebersicht S. 184.)

Einleitende Bestimmungen. § 1. Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Festungshaft von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung ist ein Verbrechen. Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefängniß oder mit Geld­ strafe von mehr als einhundertsunfzig Mark bedrohte Handlung ist ein Vergehen. Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertsunfzig Mark bedrohte Handlung ist eine Uebertretung.1 1 Für die Qualifizirung einer strafbaren Handlung ist im Einzelnen die schwerste Art (bei Festungshaft und Geldstrafe das höchste Maß) der angedrohten Strafe maßgebend. R. II. 547.

§ 2. Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.1 Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren Aburtheilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden.2 3 1 Selbstverständlich muß auch zur Zeit der Aburtheilung die Strafbestimmung noch gelten. E. II. 402. Bei einem Wechsel der Strafgesetzgebung ist eine Feststellung nach beiden Gesetzen zur Bestrafung erforderlich. E. I. 191. 2 Besteht der Thatbestand der Strafthat aus mehreren Akten, so ist allein die Zeit der Vollendung

entscheidend. E. II. 337. R. II. 210, 277. 3 Wegen des Antrages vgl. auch Art. III. des Gesetzes vom 26. Febr. 1876 (s. oben Nr. 14).

§ 3. Die Strafgesetze des Deutschen Reichs finden Anwendung auf alle im Gebiete desselben1 begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Thäter ein Ausländer ist. 1 Deutsche Konsulargerichtsbezirke gelten als deutsches Gebiet im Sinne des § 3; vgl. G. über die Konsularg. v. 10./7. 79 (R.G.Bl. 197).

§ 4.1 Wegen der im Auslande2 begangenen Verbrechen und Vergehen findet in der Regel keine Verfolgung statt. Jedoch kann nach den Strafgesetzen des Deutschen Reichs verfolgt werden: 1) ein Deutscher3 oder ein Ausländer, welcher im Auslande eine hochverrätherische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundes-

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 5—9.

189

staat, oder ein Münzverbrechen, oder als Beamter des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats eine Handlung begangen hat, die nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im Amte anzusehen ist;4 2) ein Deutscher,3 welcher im Auslande eine landesverrätherische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, oder eine Beleidigung gegen einen Bundesfürsten begangen hat;^ 3) ein Deutscher,3 welcher im Auslande eine Handlung begangen hat, die nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen anzusehen und durch die Gesetze des Orts, an welchem sie begangen, wurde, mit Strafe bedroht ist. Die Verfolgung ist auch zulässig, wenn der Thäter bei Begehung der Handlung noch nicht Deutscher war. In diesem Falle bedarf es jedoch eines Antrages der zuständigen Behörde des Landes, in welchem die strafbare Handlung begangen worden, und das ausländische Straf­ gesetz ist anzuwenden, soweit dieses milder ist. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25). 2 Ausland? vgl. § 8 und Ausnahmen in §§ 102, 298, Seemannsordn. v. 27./12. 72 § 100 und M.St.G.B. § 161, sowie wegen Militürpersonen allgemein M.St.G.B. § 7. Wegen des Gerichtsstandes St.P.O. §§ 9, 10. 3 Vgl. Reichsangehorigkeitsg. v. 1./6. 70 (R.G.Bl. 365). 4 Vgl. §§ 80—86, 146, 147, 149, 331 ff. — Daß das Münzverbrechen gegen das Reich oder einen Bundesstaat begangen wird, ist nicht erforderlich. M. 19. 5 Vgl. §§ 87—93, 94, 95, 98, 99.

§ 5. Im Falle des § 4 Nr. 3 bleibt die Verfolgung ausgeschlossen, wenn 1) von den Gerichten des Auslandes über die Handlung rechtskräftig er­ kannt und entweder eine Freisprechung erfolgt oder die ausgesprochene Strafe vollzogen, 1 2) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nach den Gesetzen des Auslandes verjährt oder die Strafe erlassen, oder 3) der nach den Gesetzen des Auslandes zur Verfolgbarkeit der Handlung erforderliche Antrag des Verletzten nicht gestellt worden ist. 1 Vgl. § 37.

§ 6. Im Auslande begangene Uebertretungen sind nur dann zu bestrafen, wenn dies durch besondere Gesetze oder durch Verträge angeordnet ist.

§ 7. Eine im Auslande vollzogene Strafe ist, wenn wegen derselben Handlung im Gebiete des Deutschen Reichs abermals eine Verurtheilung erfolgt,

auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen.1 1 Vgl. §§ 3, 4 Nr. 1, 2 11. 3.

§ 8. Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reich gehörige ©cbiet.12 * Bayern, Württemberg und Baden galten im ehem. Norddeutschen Bundesgebiet (einschl. Süd-Hessen) schon vom 4-/5. 71, dem Tage der Rechtskraft des Gesetzes vom 16./4. 71 als In­ land, — dagegen galt das ehem. Nordd. Bundesgebiet in jenen südd. Staaten erst mit dem 1./1. 72, dem Tage der Einführung des St.G.B. als Reichsgesetz in jene Staaten, strafrechtlich als Inland. Vgl. unten § 244. 2 Schiffe: vgl. St.P.O. § 10. E. II. 17. R. I. 642, II. 261.

§ 9.

Ein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder

Bestrafung nicht überliefert werdend 1 Die Auslieferungsverträge des Deutschen Reichs s. Anm. 3 zu § 318 St.P.O.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

190

§§ 10—15.

§ 10. Auf Deutsche Milüärpersonen* finden die allgemeinen Strafgesetze des Reichs insoweit Anwendung, als nicht die Militärgesetze 2 ein Anderes bestimmen. 1 Ueber den Begriff ,,Militärpersonen" vgl. M.St.G.B. § 4 und das dem M.St.G.B. beigegebene Verzeichniß (R-G.Bl. 1872 S. 204 jetzt auch 1880 S. 169) in Verbindung mit dem Wehrg. v. 9./11. 67 (B.G.Bl. 131) § 15 und dem Militärg. v. 2./5. 74 (R-G.Bl. 45) bes. § 56; vgl. auch E.G. zum M.St.G.B. § 2. 2 Für Militärpersonen gilt im ganzen Reich jetzt das Militär-Strafgesetzbuch v. 20./6. 72 (R-G.Bl. 173).

§ 11. Kein Mitglied eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reich gehörigen Staats darf außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerung zur Verantwortung gezogen werden.12 1 Vgl. Art. 30 der Reichs-Verf.

2 Daher auch § 199 nicht anwendbar.

E. IV. 14.

§ 12. Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reich gehörigen Staats bleiben von jeder Verant­ wortlichkeit frei.1 1 Art. 22 der Reichs-Verf.

Erster Theil.

Bon der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen im Allgemeinen. Erster Abschnitt.

Strafen. § 13.

Die Todesstrafe ist durch Enthauptung zu vollstrecken.1

1 Vgl. St.P.O. §§ 485, 486.

§ 14.

Die Zuchthausstrafe ist eine lebenslängliche oder eine zeitige.

Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist fünfzehn Jahre,1 ihr Mindest­ betrag Ein Jahr.2 Wo das Gesetz die Zuchthausstrafe nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige. 1 Vgl. auch § 74 Abs. 3. — Dieser Höchstbetrag gilt jedoch nicht für mehrfache Bestrafungen, soweit § 79 nicht zutrifft. E. IV. 53. 2 Nach § 19 Abs. 2 darf die Dauer einer Zuchthausstrafe nur nach vollen Monaten bemessen werden.

§ 15. Die zur Zuchthausstrafe Verurtheilten sind in der Strafanstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt, insbesondere zu öffent­ lichen oder von einer Staatsbehörde beaufsichtigten Arbeiten verwendet werden. Diese Art der Beschäftigung ist nur dann zulässig, wenn die Gefangenen dabei von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden.1 1 Vgl. preuß. G. v. 11./4. 54 (G.S. 143).

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 16—23.

191

§ 16. Der Höchstbetrag der Gefängnißstrafe ist fünf Jahres ihr Mindest­ betrag Ein Tag. Die zur Gefängnißstrafe Verurtheilten können in einer Gefangenanstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden; auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu beschäftigen. Eine Beschäftigung außerhalb der Anstalt (§ 15) ist nur mit ihrer Zustimmung zulässig.2 1 Vgl. jedoch §§ 57 Nr. 1, 3, 74 Abs. 3. 2 Vgl. für Preußen: Allg. Verf. des Min. d. I. u. des Just.-Min. betr. die Untersuchungshaft und den Vollzug der Gefängnißstrafe und Haft v. 19./2. 76 (J.M.Bl. 38; V.M.Dl. 30). Für die Gefäng­ nisse der Justizverwaltung ist an deren Stelle die J.V. v. 16./4. 81 (J.M.Bl. 50) getreten.

§ 17.

Die Festungshaft ist eine lebenslängliche oder eine zeitige.

Der Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist fünfzehn Jahre, ihr Mindest­ betrag Ein Tag. Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige. Die Strafe der Festungshaft besteht in Freiheitsentziehung mit Beauf­ sichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen; sie wird in Festungen oder in anderen dazu bestimmten Räumen vollzogen.1 1 Für Preußen vgl. J.V. v. 2./11. 73 (J.M.Bl. 302).

§ 18. Der Höchstbetrag der Haft ist sechs Wochen,1 ihr Mindestbetrag Ein Tag. Die Strafe der Haft besteht in einfacher Freiheitsentziehung. 1 Vgl. jedoch §§ 77, 78.

§ 19. Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vierundzwanzig Stunden, die Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit gerechnet.1 Die Dauer einer Zuchthausstrafe darf nur nach vollen Monaten,2 die Dauer einer anderen Freiheitsstrafe nur nach vollen Tagen bemessen werden. 1 Berechnung der Strafdauer vgl. St.P.O. §§ 492, 493; Berechnung der Strafzeit vgl. St.P.O. § 482 (Untersuchungshaft nach dem Urtheil) und unten St.G.B. § 60 (Untersuchungshaft vor dem Urtheil). 2 Dies gilt nicht für den Fall der Umwandlung einer Gefängnißstrafe in Zuchthaus. §§ 74, 79. E. IV. 161.

§ 20. Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungshaft ge­ stattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt wird, daß die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist. Vgl. §§ 81, 83-86, 88, 89, 94, 96, 98, 100, 105 u. 106.

§ 21. Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjährigen Gefängnißstrafe, achtmonatliche Gefängnißstrafe einer einjährigen Festungshaft gleich zu achten.

§ 22. Die Zuchthaus- und Gefängnißstrafe können sowohl für die ganze Dauer, wie für einen Theil der erkannten Strafzeit in der Weise in Einzelhaft vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von anderen Gefangenen ge­ sondert gehalten wird. Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von drei Jahren nicht übersteigen.

§ 23. Die zu einer längeren Zuchthaus- oder Gefängnißstrafe Verurtheilten können, wenn sie drei Viertheile, mindestens aber Ein Jahr der ihnen auferlegtcn

192

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 24—29.

Strafe verbüßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zu­ stimmung vorläufig entlassen werden.1 1 Vgl. zu §§ 23—26 preuß. J.V. v. 21./1. 71 (J.M.BI. 35), v. 23./12. 71 (J.M.Bl. 1872 S. 7) und V. 14./8. 79 (J.M.BI. 237).

§ 24. Die vorläufige Entlassung kann bei schlechter Führung des Entlassenen oder, wenn derselbe den ihm bei der Entlassung auferlegten Verpflichtungen zuwiderhandelt, jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf hat die Wirkung, daß die seit der vorläufigen Entlassung bis zur Wiedereinlieferung verflossene Zeit auf die festgesetzte Strafdauer nicht angercchnet wird. § 25. Der Beschluß über die vorläufige Entlassung, sowie über einen Wider­ ruf ergeht von der obersten Justiz-Aufsichtsbehörde. Vor dem Beschluß über die Entlassung ist die Gefängnißverwaltung zu hören. Die einstweilige Festnahme vorläufig Entlassener kann aus dringenden Gründen des öffentlichen Wohls von der Polizeibehörde des Orts, an welchem der Ent­ lassene sich aufhält, verfügt werden. Der Beschluß über den endgültigen Widerruf ist sofort nachzusuchen. Führt die einstweilige Festnahme zu einem Widerrufe, so gilt dieser als am Tage der Festnahme erfolgt.

§ 26. Ist die festgesetzte Strafzeit abgelaufen, ohne daß ein Widerruf der vorläufigen Entlassung erfolgt ist, so gilt die Freiheitsstrafe als verbüßt. § 27. Der Mindestbetrag der Geldstrafe ist bei Verbrechen und Vergehen drei Mark, bei Uebertretungen Eine Mark. § 28. Eine nicht bcizutreibende Geldstrafe ist1 in Gefängniß und, wenn sie wegen einer Uebertretung erkannt worden ist, in Haft umzuwandcln. Ist bei einem Vergehen Geldstrafe allein oder an erster Stelle, oder wahl­ weise neben Haft angedroht, so kann die Geldstrafe in Haft umgewandelt werden, wenn die erkannte Strafe nicht den Betrag von sechshundert Mark und die an ihre Stelle tretende Freiheitsstrafe nicht die Dauer von sechs Wochen übersteigt. War neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt, so ist die an deren Stelle tretende Gcfängnißstrase nach Maßgabe des § 21 in Zuchthausstrafe umzuwandelu. Der Verurtheilte kann sich durch Erlegung des Strafbetrages, soweit dieser durch die erstandene Freiheitsstrafe noch nicht getilgt ist, von der letzteren freimachen. 1 Der Grundsatz gilt auch für die besonderen Reichs- oder Landesgesetze, soweit sie nicht abweichende Bestimmungen enthalten. Eine Umwandlung findet nicht statt nach den Reichsg. v. 10./6. 69 (Wechselstemp.) § 15 (B.G.Bl. 193), v. 11./6. 70 (Nachdruck) § 24 und zwar im Falle des 8 7» (B.G.Bl. 339), v. 1.17. 81 (Stempelabgaben) § 25 (R.G.Bl. 185), ferner nach d. preuß. K.O. v. 24./5. 44 (G.S. 238) (Stempelstrafen). — Besondere Bestimmungen siehe noch: Postg. v. 28./10. 71 (R.G.Bl. 347) § 31, Gew.O. § 147, stets Haft; preuß. Forstdiebstahlsg. v. 15./4. 78 (G.S. 222) § 13, stets Gefängniß. — Für Ordnungs-, Disciplinar- und Exekutivstrafen gilt § 28 an sich nicht. Vgl. z. B. §§ 56, 179, 180 G.B.G., §§ 50, 69, 77 St.P.O., § 68 Abs. 3 Personenstandsg. v. 6./2. 75 (R.G.Bl. 23). 2 Vgl. St.P.O. §§ 491 (nachträgliche Umwandlung), 495 (Vollstreckung).

§ 29. Bei Umwandlung einer wegen eines Verbrechens oder Vergehens erkannten Geldstrafe ist der Betrag von drei bis zu fünfzehn Mark, bei Um­ wandlung einer wegen einer Uebertretung erkannten Geldstrafe der Betrag von Einer bis zu fünfzehn Mark einer eintägigen Freiheitsstrafe gleich zu achten.1 Der Mindestbetrag der an Stelle einer Geldstrafe tretenden Freiheitsstrafe ist Ein Tag, ihr Höchstbetrag bei Haft sechs Wochen, bei Gefängniß Ein Jahr?

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 30—34.

193

Weun jedoch eine neben der Geldstrafe wahlweise angcdrohte Freiheitsstrafe ihrer Tauer nach den vorgedachten Höchstbetrag nicht erreicht, so darf die an Stelle der Geldstrafe tretende Freiheitsstrafe den angcdrohten Höchstbetrag jener Freiheitsstrafe nicht übersteigen. 1 Abweichend: preuß. Forstdiebstahlsg. v. 16./4. 78 (G S. 222) § 13. 2 Vgl. jedoch § 78 Abs. 2. — Vereinszollgesetz § 162 und ähnlich die meisten Zoll- und Steuer­ gesetze.

§ 30. In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden, wenn das Urtheil bei Lebzeiten des Verurtheilten rechtskräftig geworden war? 1 Wegen der Kosten vgl. St.P.O. § 497 Abs. 2; Privatkläger St.P.O. § 433.

§ 31. Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde Unfähigkeit zum Dienste in dem Deutschen Heere und der Kaiserlichen Marine, sowie die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter von Rechtswegen zur Folge? Unter öffentlichen Aemtern im Sinne dieses Strafgesetzes sind die Advokatur, die Anwaltschaft und das Notariat, sowie der Geschworenen- und Schöffendienst mitbegriffen? 1 Vgl. §§ 33, 36.

- Wegen der im St.G.B. gemachten Unterscheidung zwischen öffentlichem Amt und Beamten vgl. § 359.

§ 32. Neben der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe kann1 aus den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, neben der Gesängnißstrafe nur, wenn die Dauer der erkannten Strafe drei Monate erreicht und entweder das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt? oder die Gesängnißstrafe wegen Annahme mildernder Umstände an Stelle von Zuchthausstrafe ausge­ sprochen wird?

Die Dauer dieses Verlustes beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe mindestens zwei und höchstens zehn Jahre, bei Gesängnißstrafe mindestens Ein Jahr und höchstens fünf Jahre? 1 Bei Meineid (§ 161), schwerer Kuppelei (§ 181) und gewerbs- oder gewohnheitsmäßigem Wucher (§ 302 ä) muß auf Verlust der bürgerl. Ehrenrechte erkannt werden. 2 Neben Gesängnißstrafe läßt das St.G.B. diesen Verlust ausdrücklich zu in den §§ 49 a, 108, 109, 133, 142, 143, 150, 160, 161, 164, 168, 173, 176, 180, 183, 248, 266, 262, 263, 266, 280, 284, 289, 294, 302, 304, 329, 333, 350. 3 Bei Versuch vgl. § 45, bei Jugend § 57 Nr. 5, bei Konkurrenz § 76. 4 Die meisten Einführungsgesetze haben die vor Geltung des St.G.B. auf Lebenszeit erkannten

oder von Rechtswegen an die Verurtheilung geknüpften Ehrenstrafen nach Maßgabe des § 32 auf 10 bez. 5 Jahre herabgesetzt. Für Preußen vgl. den generellen Gnadenerlaß v. 28./2. 72 (G.S. 269).

§ 33. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauernden Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurtheilten hervorgegangenen Rechte, ingleichen den dauernden Verlust der öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen. Vgl. §§ 81, 83, 84, 87—91, 94, 95. — Wegen Abnahme und Ablieferung der Orden und Ehren­

zeichen vgl. preuß. J.V. v. 23./4. 75 (J.M.Bl. 105).

§ 34. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt ferner die Unfähigkeit, während der im Urtheile bestimmten Zeit

1) die Landeskokarde zu tragen; 2) in das Deutsche Heer oder in die Kaiserliche Marine einzutreten; 3) öffentliche Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen; Hellweg und Arndt, Strafgesetzgebung.

13

194

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 35—39.

4) in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auszuüben; 5) Zeuge bei Aufnahmen von Urkunden zu sein; 6) Vormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Beistand oder Mitglied eines Familienraths zu sein, es sei denn, daß es sich um Verwandle absteigender Linie handele und die obervormundschaftliche Behörde oder der Familienrath die Genehmigung ertheile? 1 Vgl. auch wegen Haltens von Lehrlingen u. s. w. Gew.O. §§ 106, 150 Nr. 1, 154, ferner §§ 83, 86 das., Genossenschaftsg. v. 4,/7. 68 (B.G.Bl. 415) § 38.

§ 35. Neben einer Gefängnißstrase, mit welcher die Aberkennung der bürger­ lichen Ehrenrechte überhaupt hätte verbunden werden können, kann auf die Unfähig­ keit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden? Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter hat den dauernden Verlust der bekleideten Aemter von Rechtswegen zur Folge. 1 Vgl. auch §8 126, 129, 331, 339-341, 352-355, 357, 358.

§ 36. Die Wirkung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt, sowie der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter insbesondere, tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein; die Zeitdauer wird von dem Tage berechnet, an dem die Freiheitsstrafe, neben welcher jene Aberkennung ausgesprochen wurde, verbüßt, verjährt oder erlassen ist. § 37. Ist ein Deutscher im Auslande wegen eines Verbrechens oder Ver­ gehens bestraft worden, welches nach den Gesetzen des Deutschen Reichs den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge hat oder zur Folge haben kann, so ist ein neues Strafverfahren zulässig, um gegen den in diesem Verfahren für schuldig Erklärten aus jene Folge zu erkennen? 1 ®gl. § 5 Nr. 1 u. 3.

§ 38. Neben einer Freiheitsstrafe kann in den durch das Gesetz vorgesehenen Fällen auf die Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden? Die höhere Landespolizeibehörde2 erhält durch ein solches Erkenntniß die Befugniß, nach Anhörung der Gefängnißverwaltung den Verurtheilten auf die Zeit von höchstens fünf Jahren unter Polizei-Aussicht zu stellen. Diese Zeit wird von dem Tage berechnet, an welchem die Freiheitsstrafe verbüßt,

verjährt oder erlassen ist. 1 Vgl. §§ 44 Abs. 2, 49 a,

115, 116, 122, 125, 146, 147, 180, 181, 248, 256, 262, 294 u. 325,

sowie 88 45, 57 Nr. 5 u. 76. 2 Zuständig ist die Landespolizcibehörde des Bezirks bez. Bundesstaats, in dem der VcrurtheiUe Aufenthalt nimmt. Vgl. Beschluß des Bundesraths v. 16./6. 72, §8 361 Nr. 1 u. 2 u. 362 Anm., sowie preuß. Min.Jnstr. v. 19./4. 71 (J.M.B1. 126); Bayern E.G. Art. 49—51 u. Min.B. v. 25./2. 72 (Reg.Bl. Np. 22 u. J.!vr.Bl. 98).

§ 39. Die Polizei-Aussicht hat folgende Wirkungen: 1) Pew Verurtheilten kann der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten

von der höheren Landespolizeibchörde untersagt werden'/

2) die höhere Landespolizeibehörde ist befugt, den Ausländer aus dem Bundesgebiete zu verweisen/ 3) Haussuchungen2 unterliegen keiner Beschränkung hinsichtlich der Zeit, zu welcher sie stattfinden dürfen.3

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 40—43.

195

1 Vgl. § 361 Nr. 1 u. 2. 2 Wegen Haussuchung, vgl. St.P.O. §S 103, 104, 106.

3 Vgl. auch St.P.O. § 113 hinsichtlich der Untersuchungshaft.

§ 40. Gegenstände, welche durch ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, könnens sofern sie dem Thäter oder einem Theilnehmer gehören, eingezogen werden? Die Einziehung ist im Urtheile auszusprechen. 1 Die Einziehung inuk erfolgen in den Füllen der §§ 152. 295, 369 Nr. 2.

Vgl. ferner G. v.

12./10. 67 (B.G.Bl. 41) 88 11 ff- (Salzabgabc), Vereinszollg. v. 1./7. 69 (B.G.Bl. 317) §§ 134, 154—157, G. v. 11./6. 70 (B.G.Bl. 339) § 21, vgl. auch §§ 25, 26, 36 u. G.G. v. 9., 10., ll./l. 76 (R.G.Bl. 4, 8, 11) 8 16 bzl. 9, bzl. 14 (Urheberrechte), G. v. 30./11. 74 (R.G.Bl. 143) § 17 (Markenschutz), G. v. 3./7. 78 (R.G.Bl. 133) § 10 (Spielkartenstempel).

2 Für einzelne Strafthaten gelten besondere Vorschriften, vgl. Anm. 1, außerdem §§ 360, 367, ferner G. v. 25./10. 67 (B G Bl. 35) § 13 (Bundesflagge).

§ 41. Wenn der Inhalt einer Schrift, Abbildung oder Darstellung strafbar ist, so ist1 im Urtheile auszusprechen, daß alle Exemplare, sowie die zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen sind. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die im Besitze des Verfassers, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder Buchhändlers befindlichen und auf die öffentlich ausgelcgtcn oder öffentlich angebotenen Exemplare. Ist nur ein Theil der Schrift, Abbildung oder Darstellung strafbar, so ist, insofern eine Ausscheidung -möglich ist, auszusprechen, daß nur die strafbaren Stellen und derjenige Theil der Platten und Formen, auf welchem sich diese Stellen befinden, unbrauchbar zu machen sind.2 1 Zwangsvorschrift. 2 Das in den §§ 41 u. 42 vorgesehene Verfahren bei Schriften, Abbildungen u. f. w. ist auch ohne das Vorhandensein einer strafbaren Handlung bzw. einer verfolgbaren Person zulässig. E. II. 220, IV. 87.

§ 42. Ist in dell Fällen der §§ 40 und 41 die Verfolgung oder die Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar/ so können2 die daselbst vorgeschriebcnen Maßnahmen selbständig erkannt werden? 1 Anm. 2 zu 8 41. 2 Vgl. jedoch § 152 u. G. v. 3./7. 78 (R.G.Bl. 133) § 10 (Spielkartenstempcl). 3 Äerfahren: §§ 477—479 St.P.O.

Zweiter Abschnitt. Versuch.

§ 43.1 Wer den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen2 zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung diese- Verbrechens oder Ver­ gehens enthalten/ bethätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte Verbrechen oder Ver­ gehen nicht zur Vollendung gekommen ist, wegen Versuches zu bestrafen. Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen bestraft, in

welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt? 1 Vgl. wcgcn der vom ehemaligen preuß. St.G.B. abweichenden Begriffsbestimmung § 46.

2 Der Versuch einer Uebertretung ist straflos. 3 Auch bei untauglichen Mitteln und untauglichem Objekt möglich.

E. I. 439, 451.

R. I.

819, II. 56. 4 Bei folgenden Vergehen ist der Versuch strafbar: §§ 107, 120, 140, 141, 148, 150, 160, 169, 240, 242, 216, 253, 263, 289, 303—305, 339, 350, 352.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

196

§§ 44—48.

§ 44. Das versuchte Verbrechen oder Vergehen ist milder zu bestrafen, als das vollendete? Ist das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zucht­ haus bedroht, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein, neben welcher auf Zulässigkeit von Polizei-Aussicht erkannt werden kann. Ist das vollendete Verbrechen mit lebenslänglicher Festungshaft bedroht, so tritt Festungshaft nicht unter drei Jahren ein. In den übrigen Fällen kann die Strafe bis auf ein Viertheil des Mindest­ betrages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen angedrohten Freiheits­ und Geldstrafe ermäßigt werden. Ist hiernach Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe des § 21 in Gefängniß zu ver­ wandeln. 1 Auf den Versuch ist die für die vollendete That maßgebende Strafandrohung anzuwenden, nur soll er milder bestraft werden, als jene bestraft sein würde. Der unklar gefaßte Abs. 1 enthält somit nur eine Strafzumessungsregel, welche in Abs. 2—4 näher bestimmt wird. Die Versuchsstrafe darf nach Abs. 4 zwar, aber muß nicht unter den Mindestbetrag hinabgehcn, dagegen darf sie nicht den Höchstbetrag der auf die vollendete That angedrohten Strafe erreichen. — Vgl. jedoch preuß. ForstdiebstahlSg. v. 16./4. 78 (G.S. 222) § 4, preuh. F. u. Forstpolizeig. v. 1./4. 80 (G.S. 230) § 8.

§ 45. Wenn neben der Strafe des vollendeten Verbrechens oder Vergehens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig oder geboten ist, oder auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden kann, so gilt Gleiches bei der Versuchsstrafe. § 46.

Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Thäter

1) die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne daß er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren, oder 2) zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Thätigkeit abgewendet hat.1 1 Eine Beweislast für das Vorhandensein eines der Strafausschließungsgründe trifft den Angeschuldigten nicht. — Vgl. St.P.O. § 296 Abs. 2 (Nebenfrage).

Dritter Abschnitt. Theilnahme. 54.

Unter Theilnehmer begreift das St.G.B. den Mitthäter, Anstifter und Gehülfen, vgl. §§ 47, Begünstig ung vgl. § 257. Im Schwurger.-Verfahren sind die Fragen für jeden Theilnehmer

besonders zu stellen. St.P.O. § 292 Abs. 3.

§ 47. Wenn Mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen, so wird Jeder als Thäter bestraft? 1 Gemeinsame Verabredung genügt nicht (E. IV. 177), es ist ein Mitwirken bei der Ausführung

erforderlich (E. I. 145, III. 142, 269. R. I. 229), dagegen nicht, daß dasselbe die Realifirung eines Thatbestandsmerkmales zunt Inhalt habe (E. II. 160. R. I. 764). Gegenüber der Beihülfe ist die Willensrichtung entscheidend, ob die That als eigene gewollt oder als fremde unterstützt wird (E. II. 160, HI. 181. R. L 764).

§ 48. Als Anstifter wird bestraft, wer einen Anderen zu der von demselben begangenen strafbaren Handlung1 durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrthums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat?

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 49—50.

197

Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat? 1 Der Anstifter zu jeder strafbaren Handlung (also auch zu einer Uebertretung) ist strafbar. 2 Besondere Fälle der Anstiftung vgl. in §§ 111, 85, 110, 159, 160. 3 Der Anstifter, welcher bei der Ausführung Beihülfe leistet, kann nicht deshalb gemäß § 74 gestraft werden. E. II. 145. R. I. 707.

§ 49. Als Gehülfe wird bestraft, wer dem Thäter zur Begehung des Ver­ brechens oder 286^^31 durch Rath oder That? wissentlich Hülfe geleistet hat? Die Strafe des Gehülfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hülfe geleistet hat,^ jedoch nach den über die Bestrafung des Versuches ausgestellten Grundsätzen zu ermäßigen? 1 Die Beihülfe zu einer Uebertretung ist straflos. 2 Spezialisirung bei der schwurgerichtlichen Fragestellung nicht erforderlich. E. I. 391. R. I. 645. 3 Vgl. Amn. 1 i. f. zu § 47. 4 Maßgebend ist danach dasjenige Gesetz, welches den Thatbestand und die Strafe in abstracto normirt. Die so gedrohte, nicht die in concreto vom Hauptthäter verwirkte Strafe bestimmt die Strafe des Gehülfen. E. II. 383. R. II. 386. Bgl. auch § 50. E. II. 261. R. II. 243. 6 §§ 44, 45. u Vgl. eine Ausnahme in § 143 Abs. 2, auch preuß. Forstdiebstahlsg. v. 15./4. 78 (G.S. 222) § 4, F. u. Forstpolizeig. v. 1./4. 80 (G.S. 230) § 7.

§ 49 a.1 (L.) Wer einen Anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen ausfordcrt, oder wer eine solche Aufforderung annimmt, - wird, soweit nicht das Gesetz eine andere Strafe androht, wenn das Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe bedroht ist, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten, wenn das Verbrechen mit einergeringeren Strafe bedroht ist, mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich zur Begehung eines Ver­ brechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen erbietet, sowie denjenigen, welcher ein solches Erbieten annimmt. Es wird jedoch das lediglich mündlich ausgedrückte Auffordern oder Erbieten, sowie die Annahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vortheilen irgend welcher Art" geknüpft worden ist. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizei-Aussicht erkannt werden? 1 Eingeschaltet durch G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 2d). - Ist das Erbieten nicht ernstlich gemeint, so ist eine, auch ernstliche, Annahme nicht strafbar. E. I. 338. R. I. 515. ' z. B. auch das Versprechen einer Heirath. E. III. 63. R. II. 564. 4 Vgl. §§ 85, 110-112, 159 (auch 160). Seemannsordn. § 88 Abs. 2.

§ 50. Wenn das Gesetz die Strafbarkeit einer Handlung nach den persön­ lichen Eigenschaften oder Verhältnissen desjenigen, welcher dieselbe begangen hat, erhöht oder vermindert? so sind diese besonderen Thatumstände dem Thäler oder demjenigen Theilnehmer (Mitthäter, Anstifter, Gehülfe) zuzurechnen, bei welchem sie vorliegen? 1 Vgl. §§ 80, 215, 217, 221 Abs. 2, 223 Abs. 2, 340, 341, 342, 347—351, sowie §§ 57, 157, 158, 244 (E. II. 261. R. II. 243), 261, 264, 260 (E. IV. 184), 294. 2 Ueber die Stellung von Nebenfragen im Schwurger.-Verfahren St.P.O. § 295 Abs. 1.

198

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 51—56.

Vierter Abschnitt. Gründe, welche die Strafe ausschtießen oder mildern. Tie Strafausschließungsgründe der §§ 61—54, 59 Abs. 1 werden von der Schuldfrage umfaßt. Nebcnfragen über dieselben sind an die Geschworenen nicht zu richten. St.P.O. §§ 262 u. 295.

§ 51. Eine strgsbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäler zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befand, durch welchen seine freie Willens­ bestimmung ausgeschlossen war? 1 Bgl. Anm. z. Ueberschrift.

§ 52. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäler durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtigen, auf andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genöthigt worden ist? Als Angehörige im Sinne dieses Strafgesetzes sind anzusehcn Verwandte und Verschwägerte auf- und absteigender Linie, Adoptiv- und Pflege-Eltern und -Kinder, Ehegatten, Geschwister und deren Ehegatten, und Verlobte? 1 Vgl. Anm. z. Ueberschrift. 2 Abs. 2 bestimmt: wer Angehöriger ist. Vgl. §§ 54, 213, 247, 257, 258, 263, 292, 303. — Verw. auf- und abst. L'iiiic sind eheliche und außereheliche. Verschwägerte auf- und obst. Linie sind Schwiegereltern und -Kinder, und Stiefeltern und -Kinder.

§ 53. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Nothwehr geboten war? Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um einen gegen­ wärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwcnden. Die Ueberschreitung der Nothwehr ist nicht strafbar, wenn der Thäter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Vertheidigung hinaus­ gegangen ist. 1 Vgl. Anm. z. Ueberjchrift.

§ 54. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung außer dem Falle der Nothwehr in einem unverschuldeten, aus andere Weise nicht zu beseitigenden Nothstände zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Thäters oder eines Angehörigen1 begangen worden ist.2 1 Vgl. § 52 Abs. 2.

2 Vgl. Anm. z. Ueberschrift.

§ 55? Wer bei Begehung der Handlung das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hat, kann wegen derselben nicht strafrechtlich verfolgt werden? Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der landesgesetzlichen Vorschriften die zur Besserung und Beaufsichtigung geeigneten Maßregeln getroffen werden. Insbesondere kann die Unterbringung in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt erfolgen, nachdem durch Beschluß der Vormundschaftsbehörde die Begehung der Handlung festgestellt und die Unterbringung für zulässig erklärt ist.3 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25). 2 Abs. 1 findet auch auf die Landesstrafgesetze Anwendung; natürlich auch Abs. 2. ' Abs. 2 ist durch das G. v. 26. Febr. 1876 bcigefügt. — Vgl. preuß. G. v. 13./3. 78 (G.S. 132), betr. die Unterbringung verwahrloster Kinder, nebst Ergänzungsges. v. 27./S. 81 lG.S. 275). J.B. v. 25./8. 79 (I.M.Bl. 251) 16, V. 27./4. 81 (J.M.Bl. 81).

§ 56. Ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare Handlung begangen

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 57—59.

199

hat, ist freizusprechen, wenn er bei Begehung derselben die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besaßt In dem Urtheile ist zu bestimmen, ob der Angeschuldigte seiner Familie über­ wiesen oder in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt gebracht werden soll. In der Anstalt ist er so lange zu behalten, als die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungs­ behörde solches für erforderlich erachtet, jedoch nicht über das vollendete zwanzigste Lebensjahr? 1 Nebenfrage an die Geschworenen St.P.O. § 298. 2 Vgl. § 361 Nr. 9 u. preuß. Forstdiebstahlsg. v. 15./4. 78 (G.S. 222) § 2.

§ 57. Wenn ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare Handlung begangen hat, bei Begehung derselben die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besaß, so kommen gegen ihn folgende Bestimmungen zur Anwendung? 1) ist die Handlung mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, so ist auf Gefängniß von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 2) ist die Handlung mit lebenslänglicher Festungshaft bedroht, so ist auf Festungshaft von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 3) ist die Handlung mit Zuchthaus oder mit einer anderen Strafart bedroht, so ist die Strafe zwischen dem gesetzlichen Mindestbetrage der angedrohten Strafart und der Hälfte des Höchstbetrages der angedrohten Strafe zu bestimmen? Ist die so bestimmte Strafe Zuchthaus, so tritt Gefängnißstrafe von gleicher Dauer an ihre Stelle: 4) ist die Handlung ein Vergehen oder eine Uebertretung, so kann in besonders leichten Fällen auf Verweis erkannt werden 5) auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner bürger­ lichen Ehrenrechte, sowie aus Zulässigkeit von Polizei-Aussicht ist nicht zu erkennen. Die Freiheitsstrafe ist in besonderen, zur Verbüßung von Strafen jugendlicher Personen bestimmten Anstalten oder Räumen zu vollziehen. 1 Ter Charakter der Handlungen als Verbrechen oder Vergehen wird dadurch nicht berührt. III. 52. R. II. 547.

E.

2 Nr. 3 gilt nicht nach preuß. F. u. Forstpolizeig. v. 1./4. 80 (G.S. 230) § 4. 3 Nr. 4 gilt nach einzelnen besondern Landesgesetzen nicht, z. B. nach § 10 des preuß. ForstdiebstahlSg. v. 15./4. 78 (G.S. 222).

§ 58. Ein Taubstummer, welcher die zur Erkenntniß der Strafbarkeit einer von ihm begangenen Handlung erforderliche Einsicht nicht besaß, ist freizu­ sprechen? 1 Nebenfrage an die Geschworenen St.P.O. § 298.

§ 59. Wenn Jemand bei Begehung einer strafbaren Handlung das Vor­ handensein von Thalumständen1 nicht kannte, welche zum gesetzlichen That­ bestände gehören oder die Strafbarkeit erhöhen, so sind ihm diese Umstände nicht

zuzurechnen. Bei der Bestrafung fahrlässig begangener Handlungen gilt diese Bestimmung nur insoweit, als die Unkenntniß selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist. 1 Darunter ist auch der Rechtsirrthum über Sätze des bürgerlichen Rechts (nicht aber des Straf­

rechts) zu subsumiren.

E. I. 368, II. 268, III. 49, IV. 98.

R. I. 610, II. 256, 546.

200

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 60—64.

§ 60. Eine erlittene Untersuchungshaft kann bei Fällung des Urtheils auf die erkannte ©träfe1 ganz oder theilweise angerechnet? werden? 1 Freiheits- oder andere Strafe und ohne Rücksicht auf die §§ 21, 29. 2 Auch wenn die Verhaftung wegen eines andern Vergehens erfolgt war. 3 Die erkannte Strafe ist im Urtheilstenor anzugeben.

E. III. 264.

§ 61. Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt,1 ist nicht zu verfolgen, wenn der zum Anträge Berechtigte es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu stellen? Diese Frist beginnt mit dem Tage? seit welchem der zum Anträge Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntniß * gehabt hat? 1 Folgende strafbaren Handlungen erfordern einen Antrag: §§ 102—104, 123 Abs. 1, 170, 172, 179, 182, 189, 194—196, 232, 236, 237, 247, 263, 288, 289, 292, 293, 299, 300—303, 370 Nr. 5 u. 6. — G. v. 11./6. 70 (B.G.Bl. 339) § 27 (Nachdruck), SeemannSordn. v. 27./12. 72 (R.G Bl. 409) §§ 81, 84, Prehg. v. 7./5. 74 (R.G.Bl. 66) § 19 Nr. 3, Markenschutzg. v. 30./11. 74 (R.G.Bl. 143) § 14, G.G. v.

9., 10., ll./i. 76 (R.G.Bl. 4, 8, 11) § 16, bzl. 9, bzl. 14 (Urheberrechte), Patentg. v. 25./S. 77 (R.G.Bl. 601) § 34. 2 Ist der Antrag gestellt, so gilt er für die Handlung, wie sie nach dem Ergebniß der Ver­ handlung — entsprechend den §§ 153, 263 St.P.O. — sich darstellt. E. V. 97. 3 Dieser zählt also mit. E. I. 40. 4 Daß Jemand die Kenntniß hatte, wird nicht verinnlhet. Tie Rechtzeitigkeit des Antrag? ist von Amtswegen zu prüfen. — Antrag ohne Kenntniß des Thäter? ebenfalls wirksam. R. I. 615. 6 Form des Antrags: vgl. § 156 Abs. 2 St.P.O. Vorläufige Festnahme (Verhaftung) ist von der Stellung des Antrags nicht abhängig. St.P.O. § 127. — Bei Mangel de? Antrag? oder Zurück­ nahme desselben ist der Angeklagte nicht freizusprechen, sondern nur das Verfahren einzustellen. St.P.O. § 259 u. § 202. Ueber Nothwendigkeit und Vorhandensein des Antrags entscheidet das Gericht, nicht die Geschworenen. E. II. 221. R. II. 188. Verhandlung darüber in der Hauptverhandlung nicht

erforderlich.

E. IV. 264.

R. II. 430.

§ 62. Wenn von mehreren zum Anträge Berechtigten einer die dreimonat­ liche Frist versäumt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht ausgeschlossen.1 1 Vgl. §§ 198, 232 Abs. 3.

§ 63. Der Antrag kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche Verfahren findet gegen sämmtliche an der Handlung Betheiligte (Thäter und Theilnehmer), sowie gegen den Begünstiger1 statt, auch wenn nur gegen eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen worden ist? 1 Begünstiger vgl. § 257. 2 Ausnahmen von der Regel des § 63 vgl. in

247 Abs. 3, 263 Abs. 4, 292 Abs. 2, 303 Abs. 4.

§ 64?

Die Zurücknahme? des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen3 und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urtheils zulässig? 5 Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages gegen eine der vorbezeichneten Per­ sonen hat die Einstellung des Verfahrens auch gegen die anderen zur Folge. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25). 2 Die bei der zuständigen Behörde erklärte Zurücknahme des Antrages kann nicht widerrufen werden (Entsch. d. R.O.H.G. XI. 114; Entsch. d. O.Trib. LXXI. 327). — Vergleich oder bloßer Verzicht ohne Rücknahme des Antrages gegenüber der Behörde, oder vor Stellung des Antrages sind unwirksam, sogar der gerichtliche Verzicht. E. III. 221. 3 Die nach dem früheren § 64 allgemein zulässige Zurücknahme ist durch das G. v. 26./2. 76 im St.G.B. für zulässig erklärt nur in den §§ 102, 103, 104, 194, 232, 247, 263. 292, 303 u. 370 (Schluß). Vgl. außerdem § 27 des G. v. 11./6. 70, bctr. das Urheberrecht an Schriftwerken re. (R.G.Bl. S. 339) und G.G. v. 9., 10., ll./l. 76 (R.G.Bl. 4, 8, 11) § 16, bzl. 9, bzl. 14. 4 Die Kosten trägt bei der Zurücknahme der Antragsteller. St.P.O. § 502. 5 Verschieden von der Zurücknahme des (auch für die öffentl. Klage erforderlichen) Antrags

ist die nach St.P.O. § 431 zulässige Zurücknahme der Privat klage (bei Beleidigungen und Körper­ verletzungen). Letztere kann bis zur Verkündung des Urtheils 2. Instanz zurückgenommen werden. Ein

Widerspruch zwischen St.G.B. und St.P.O. liegt hierin nicht.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 65—70.

201

8 65. Der Verletzte, welcher das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist selbständig zu dem Anträge auf Bestrafung berechtigt.

So lange der Verletzte minderjährig ist, hat der gesetzliche Vertreter desselben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das Recht, den Antrag zu stellen.1

Bei bevormundeten Geisteskranken und Taubstummen ist der Vormund der zur Stellung des Antrages Berechtigte. 1 Ist der gesetzt. Vertreter selbst der Thäter oder Teilnehmer, oder versäumt er Pflichtwidrig den Antrag zu stellen, so ist dem Verletzten ein besonderer Vertreter (Kurator) zu bestellen. Tie Zmonatl. Frist (§ 61) läuft dann vom Tage der Kenntniß des Kurators. O.R. XIII. 146, 196. E. IV. 145. R. III. 264. — Generalbevollmächtigter (Administrator): E. 1.387, II. 145. R. I. 620, 707. —

Tie unehel. Mutter als solche nicht.

E. I. 370.

R. I. 607.

Wohl aber in dem Spezialfall § 182.

§ 66. Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung ausgeschlossen.1 1 Neber die Voraussetzungen der Verjährung entscheiden die Geschworenen nicht. und 293.

St.P.O. §§ 262

§ 67. Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt, wenn sie mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht1 sind, in zwanzig Jahren;

wenn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheitsstrafe von einer längeren als zehnjährigen Dauer bedroht1 sind, in fünfzehn Jahren;

wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht1 sind, in zehn Jahren. Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchstbetrage mit einer längeren als dreimonatlichen Gefängnißstrase bedroht1 sind, verjährt in fünf Jahren, von anderen Vergehen in drei Jahren. Die Strafverfolgung von Uebertretungen verjährt in drei Monaten.2 Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges.3 1 Mildernde Umstände und Milderungsgründc z. B. § 57 bleiben unberücksichtigt. 9t II. 547.

E. III. 52.

2 Besondere Fristen vgl. Einf.G. § 7, Prcßg. § 22, Secmannsordn. § 100, Gewerbcordn. § 145, V. Zollg. § 164, Vrausteuerg. v. 31./5. 72 § 40. 3 Bei Unterlassungen beginnt die Verjährung mit dem Aufhören der Verpflichtung, was im Einzelfalle zu prüfen ist 9L II. 212.

§ 68. Jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist? unterbricht die Verjährung.1 Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich desjenigen statt, auf welchen die Handlung sich bezieht. Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung. 1 Tie Verjährung einer Uebertretung wird durch die vorläufige polizeil. Straffestsetzung unterbrochen, St.P.O. § 453 Abs. 4; ebenso durch die Strafbescheide der Verwaltungsbehörden bei Zuwiderhdlgen. geg. d. Vorschr. über öffentl. Abgaben u. Gefälle nach St.P.O. § 459 Abs. 3. — Bei

Wechs.St.G. v. 10./6. 69 (B.G.Bl. Ebenso § 24 d. G. v. 1./7. 81 (R.G.Bl. 185) Reichsstempelabgaben.

Wechselstempelhinterziehungen unterbricht jede amtliche Handlung.

193) § 17.

§ 69. Ist der Beginn oder die Fortsetzung eines Strafverfahrens von einer Vorfrage abhängig, deren Entscheidung in einem anderen Verfahren erfolgen muß, so ruht die Verjährung bis zu dessen Beendigung.* 1 Vgl. §§ 164 Abs. 2, 172, 191, sowie 171 Abs. 3. — Vgl. auch § 100 Abs. 2 der Seemannsordn.

§ 70.

Die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt, wenn

202

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 71—74.

1) auf Tod oder auf lebenslängliches Zuchthaus oder auf lebenslängliche Festungshaft erkannt ist, in dreißig Jahren;

2) 1 auf Zuchthaus oder Festungshaft von mehr als zehn Jahren erkannt ist, in zwanzig Jahren; 3) 1 auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder auf Festungshaft von fünf bis zu zehn Jahren oder Gefängniß von mehr als fünf Jahren erkannt ist, in fünfzehn Jahren;

4) auf Festungshaft oder Gefängniß von zwei bis zu fünf Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als sechstausend Mark erkannt ist, in zehn Jahren; 5) auf Festungshaft oder Gefängniß bis zu zwei Jahren oder auf Geld­ strafe von mehr als einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark erkannt ist, in fünf Jabren; 6) auf Haft oder auf Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark erkannt ist, in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem das Urtheil rechtskräftig geworden ist.2 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25). Die Nebenfolgcn (Verlust der Ehrenrechte, Polizeiaufsicht) verjähren nicht mit der Hauptstrafc. Vgl. §§ 36, 38.

§ 71. Die Vollstreckung einer wegen derselben Handlung neben einer Freiheitsstrase erkannten Geldstrafe verjährt nicht früher, als die Vollstreckung der Freiheits­ strafe. § 72. Jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Handlung derjenigen Be­ hörde, welcher die Vollstreckung obliegt, sowie die zum Zwecke der Vollstreckung erfolgende Festnahme des Verurtheilten unterbricht die Verjährung. Nach der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe beginnt eine neue Ver­ jährung.

Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer Kandkungen. § 73. Wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt, so kommt mir1 dasjenige Gesetz, welches die schwerste 2 Strafe, und bei ungleichen Strafarten dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafart androht,3 zur An­ wendung.^ 5 1 Auch hinsichtlich der Nebcnstrafen, z. V. Polizeiaufsicht, Publikationsbefuguiß. E. IV. 218. - Dabei ist nicht nur das Strafmaximum, sondern auch da? Strafminimum zu beachten, indem unter das höhere Strafminimum nicht herabgcgangen werden darf. E. III. 390. 3 Erfordert das eine Strafgesetz einen Antrag, das andere nicht, so ist das erstere nur dann anzuwenden, wenn ein Antrag vorliegt. 4 Die Feststellung und Verurthcilung hat sich aber auf beide Thatbestände zu erstrecken. E. IV. 179, 190. 5 Vgl. die Spezialvorschriften: G. v. 8./7. 68 (B.G.Bl. 384) § 67 (Branntweinsteuer), Gew.O. §§ 147, 148, B.Zollg. v. 1./7. 69 (B.G.Bl. 317) §§ 158, 159, G. v. 31./5. 72 (R.G.Bl. 153) § 37 (Brausteuer).

§ 74. Gegen denjenigen, welcher durch mehrere selbständige Handlungen mehrere Verbrechen oder Vergehen, oder dasselbe Verbrechen oder Vergehen mehr­ mals begangen und dadurch mehrere zeitige Freiheitsstrafen verwirkt hat, ist auf eine Gesammtstrafe zu erkennen, welche in einer Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe besteht.1

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 75—79.

203

Bei dem Zusammentreffen ungleichartiger Freiheitsstrafen tritt diese Erhöhung bei der ihrer Art nach schwersten Strafe ein.2 Das Maß der Gesammtstrafe darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus, zehnjähriges Gefängniß oder fünf­ zehnjährige Festungshaft nicht übersteigen.3 4 1 §§ 74—76 beziehen sich einmal nur auf Verbrechen und Vergehen (nicht Nebertretungen) und sodann nur auf zeitige Freiheitsstrafen. Von der Gesammtstrafe bleiben deshalb: Todesstr.,

Geldstr., Verweis, Ehrenstr., sowie auch die Haft (vgl. § 77) ausgeschlossen. — Die Gesammtstrafe greift auch bei einer späteren Verurtheilung wegen einer früher (vor der 1. Verurth.) begang. That Platz, vgl. § 79. - § 19 Abs. 2 bleibt dabei außer Anwendung. E. IV. 161. 3 Nach Abs. 3 muh der Betrag der (nach Ansicht des Richters) verwirkten Einzel strafen aus den Urtheilsgründen hervorgehen. Die schwerste dieser Strafen (in den Motiven: Einsatzstrafe

genannt) ist nach Abs. 1 angemessen zu erhöhen. E. II. 235. N. II. 222. Der angedrohte Mindestbetrag der Strafe des schwersten Verbrechens muß immer überschritten

werden. 4 Vgl. auch die Citate Anm. 5 zu § 73.

§ 75. Trifft Festungshaft nur mit Gefängniß zusammen, so ist auf jede dieser Strafarten gesondert zu erkennen. Ist Festungshaft oder Gefängniß mehrfach verwirkt, so ist hinsichtlich der mehreren Strafen gleicher Art so zu verfahren, als-wenn dieselben allein verwirkt wären. Die Gesammtdaner der Strafen darf in diesen Fällen fünfzehn Jahre nicht übersteigen.

§ 76. Die Verurtheilung zu einer Gesammtstrafe schließt die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nicht aus, wenn diese auch nur neben einer der ver­ wirkten Einzelstrasen zulässig oder geboten ist. Jngleichen kann neben der Gesammtstrafe auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden, wenn dieses auch nur wegen einer der mehreren strafbaren Hand­ lungen. statthaft ist. § 77. Trifft £mft1 mit einer anderen Freiheitsstrafe zusammen, so ist auf die erstere gesondert zu erkennen.2 Aus eine mehrfach verwirkte Hast ist ihrem Gesammtbetrage nach, jedoch nicht über die Dauer von drei Monaten zu erkennen. 1 Vgl. § 18.

2 Abs. 1 gilt auch bei dem Vergehen der Beleidigung. §§ 185, 186.

§ 78. Aus Geldstrafen, welche wegen mehrerer strafbarer Handlungen allein oder neben einer Freiheitsstrafe verwirkt sind, ist ihrem vollen Betrage nach zu erkennen. Bei Umwandlung mehrerer Geldstrafen ist der Höchstbetrag der an die Stelle derselben tretenden Freiheitsstrafe zwei Jahre Gefängniß und, wenn die mehreren Geldstrafen nur wegen Uebertretungen erkannt worden sind, drei Monate £mft.1 1 Vgl. § 29.

§ 79. Die Vorschriften der §§ 74 bis 78 finden auch Anwendung, wenn, bevor eine erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, die Verurtheilung wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, welche vor der früheren Verurtheilung1 be­ gangen war.2 4 ,.Frühere Verurtheilung" setzt nur Verkündung, nicht Rechtskraft des Urtheils voraus. E. III. 213. — Ist jedoch zur Zeit des zweiten Urtheils das frühere noch nicht rechtskräftig, so wird die Anordnung des § 79 zweckmäßig dem Separatverfahren gemäß § 492 St.P.O überlassen.

E. V. 1.

2 Vgl. St.P.O. §§ 492, 494.

204

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 80—83.

Zweiter Theil.

Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung. Erster Abschnitt. Kochverrath und Landes verrath. Bei Hoch- oder LandeSverrath gegen Kaiser und Reich ist nach G.V.G. § 136 das Reichsgericht zuständig. — Vgl. auch § 4 Nr. 1, 2.

§ 80. (Sw.) Der Mord und der Versuch des Mordes, welche an dem Kaiser, an dem eigenen Landesherrn, oder während des Aufenthalts in einem Bundes­ staate an dem Landesherrn dieses Staats verübt worden sind, werden als Hoch­ verrath mit dem Tode bestraft? 1 Vgl. § 93.

§ 81. (Sw.) Wer außer den Fällen des § 80 es unternimmt, 1) einen Bundessürsten zu todten, gefangen zu nehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig zu machen, 2) die Verfassung des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats oder die in demselben bestehende Thronfolge gewaltsam zu ändern, 3) das Bundesgebiet ganz oder theilweise einem fremden Staate gewaltsam einzuverleibcn oder einen Theil desselben vom Ganzen loszureißen, oder 4) das Gebiet eines Bundesstaats ganz oder theilweise einem anderen Bundesstaate gewaltsam einzuverleibcn oder einen Theil desselben vom Ganzen loszureißen, wird wegen Hochverraths mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft1 bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangcnen Rechte erkannt werden." 1 Zur Verhängung von Zuchthaus bedarf cs nach § 20 hier und für die §§ 83-86, 88, 89, 94, 96, 98, 100, 105, 106 der Feststellung der ehrlosen Gesinnung. 2 Vgl. § 93.

§ 82. Als ein Unternehmen, durch welches das Verbrechen des Hochverraths vollendet wird, ist jede Handlung anzusehen, durch welche das Vorhaben unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll.

§ 83. (Sw.) Haben Mehrere die Ausführung eines hochvcrrätherischen Unter­ nehmens verabredet, ohne daß es zum Beginn einer nach § 82 strafbaren Hand­ lung gekommen ist, so werden dieselben mit Zuchthaus1 nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter zwei Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangcnen Rechte erkannt werden. ? 1 Vgl. Anm. 1 5ii § 81.

2 Vgl. § 93.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 84—88.

205

§ 84. (Sw.) Die Strafvorschriften des § 83 finden auch gegen denjenigen Anwendung, welcher zur Vorbereitung eines Hochverraths entweder sich mit einer auswärtigen 1 Regierung einläßt oder die ihm von dem Reich oder einem Bundes­ staate anvertraute Macht mißbraucht oder Mannschaften anwirbt oder in den Waffen einübt. 1 Auswärtig kann im Gegensatz zu ausländisch (§ 87) auch die Regierung eines Bundes­ staats sein. 2 Vgl. § 93.

§ 85. (Sw.) Wer öffentlich1 vor einer Menschenmenge, oder wer durch Ver­ breitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen zur Ausführung einer nach § 82 strafbaren Handlung auf­ fordert, wird mit Zuchthaus2 bis zu zehn Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.3 Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem bis zu fünf Jahren ein. 1 Öffentlichkeit vgl. zu § 110. 2 Vgl. Sinnt. 1 zu § 81. 3 Vgl. §§ 110, 111 und Preßg. 8 23 Nr. 3.

§ 86. (Sw.) Jede andere, ein hochverrätherisches Unternehmen vorbereitende1 Handlung wird mit Zuchthaus2 bis zu drei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu drei Jahren ein. 1 wenn auch zunächst nur eine fernere Vorbereitungsrnaßregel vorbereitende; es muß jedoch ein bestimmtes Unternehmen in Frage stehn. E. V. 60. 2 Vgl. Sinm. 1 zu § 81.

§ 87. (Sw.) Ein Deutscher,1 welcher sich mit einer ausländischen2 Regierung einläßt, um dieselbe zu einem Kriege gegen das Deutsche Reich zu veranlassen, wird wegen Landcsvcrraths mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist, mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist, Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Neben der Festungshaft kann aus Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.3 1 Vgl. §§ 91. 2 Ausländisch (8 8) vgl. § 84 Anrn. 1. 3 Vgl. §§ 31 Abs. 2, 35 — auch 8 93.

§ 88? (Sw.) Ein Deutscher, welcher während eines gegen das Deutsche Reich ausgcbrochenen Krieges in der feindlichen Kriegsmacht Dienste nimmt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen trägt, wird wegen Landesverrats mit lebenslänglichem Zuchthaus2 oder lebenslänglicher Festungs­ haft bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Ein Deutscher, welcher schon früher in fremden Kriegsdiensten stand, wird, wenn er nach Ausbruch des Krieges in der feindlichen Kriegsmacht verbleibt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen trägt, wegen Landesverrats mit Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren oder mit Festungs­ haft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.3

206

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25). 3 Vgl. § 93.

§§ 89—92.

2 Vgl. Anm. 1 zu § 81.

§ 89. (Sw.) Ein Deutscher,1 welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges einer feindlichen Macht Vorschub leistet oder den Truppen des Deutschen Reichs oder der Bundesgenossen desselben Nachtheil zufügt, wird wegen Landesverraths mit Zuchthaus2 bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. 1 Vgl. § 91.

2 Vgl. Anm. 1 zu § 81.

3 Vgl. § 93.

§ 90. (Sw.) Lebenslängliche Zuchthausstrafe trifft einen Deutschen,1 welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgcbrochenen Krieges 1) Festungen, Pässe, besetzte Plätze oder andere Vertheidigungsposten, in­ gleichen Deutsche oder verbündete Truppen oder einzelne Offiziere oder Soldaten in feindliche Gewalt bringt; 2) Festungswerke, Schiffe oder andere Fahrzeuge der Kriegsmarine, Kassen, Zeughäuser, Magazine oder andere Vorräthe von Waffen, Schießbcdarf oder anderen Kriegsbedürfnissen in feindliche Gewalt bringt oder die­ selben, sowie Brücken und Eisenbahnen zum Vortheile des Feindes zer­ stört oder unbrauchbar macht; 3) dem Feinde Mannschaften zuführt oder Soldaten des Deutschen oder verbündeten Heeres verleitet, zum Feinde überzugehen; 4) Operationspläne oder Pläne von Festungen oder festen Stellungen dem Feinde mittheilt; 5) dem Feinde als Spion dient oder feindliche Spione aufnimmt, verbirgt, oder ihnen Beistand leistet, oder 6) einen Aufstand unter den Deutschen oder verbündeten Truppen erregt. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein. Neben der Festungshaft kann aus Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden? 1 Vgl. § 91.

2 Vgl. § 93.

§ 91. Gegen Ausländer ist wegen der in den §§ 87, 89, 90 bezeichneten Handlungen nach dem Kriegsgebrauche zu verfahren. (Sw.) Begehen sie aber solche Handlungen, während sie unter dem Schutze des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats sich innerhalb des Bundesgebietes aufhalten, so kommen die in den §§ 87, 89 und 90 bestimmten Strafen zur An­ wendung. 1 1 Vgl. § 93.

§ 92. (Sw.) Wer vorsätzlich 1) Staatsgeheimnisse oder Festungspläne, oder solche Urkunden, Aktenstücke

oder Nachrichten, von denen er weiß, daß ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats erforderlich ist, dieser Regierung mittheilt oder öffent­ lich bekannt macht; 2) zur Gefährdung der Rechte des Deutschen Reichs oder eines Bundes­ staats im Verhältniß zu einer anderen Regierung die über solche Rechte

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 93—96.

207

sprechenden Urkunden oder Beweismittel vernichtet, verfälscht oder unter­ drückt, oder 3) ein ihm von Seiten des Deutschen Reichs oder von einem Bundesstaate aufgetragenes Staatsgeschäft mit einer anderen Regierung zum Nachtheil dessen führt, der ihm den Auftrag ertheilt hat, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter sechs Monaten ein.1 1 Vgl. § 93.

§ 93. Wenn in den Fällen der §§ 80, 81, 83, 84, 87 bis 92 die Unter­ suchung eröffnet wird, so kann bis zu deren rechtskräftigen Beendigung das Ver­ mögen, welches der Angcschuldigte besitzt, oder welches ihm später anfällt, mit Beschlag belegt werden? 1 Ueber das Verfahren vgl. St.P.O. §§ 480 bez. 333-335. — Demnach ist die Beschlagnahme durch den Reichsanzciger bekannt zu machen und sind etwaige Verfügungen der Staatskasse gegenüber nichtig.

Zweiter Abschnitt. Beleidigung des Aandesherrn. § 94. (Sw.) Wer einer Thätlichkeit gegen den Kaiser, gegen seinen Landes­ herrn oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate einer Thätlichkeit gegen den Landesherrn dieses Staats sich schuldig macht, wird mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft, in minder schweren Fällen mit Zucht­ haus 1 nicht unter fünf Jahren oder mit Festimgshaft von gleicher Dauer bestraft. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hcrvorgegangenen Rechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein? 1 Vgl. Sinnt. 1 zu § 81.

* Vgl. § 4 Nr. 2.

§ 95? (L.) Wer den Kaiser, seinen Landesherrn oder während seines Aufent­ halts in einem Bundesstaate dessen Landesherrn beleidigt? wird mit Gefängniß nicht unter zwei Monaten oder mit Festungshaft von zwei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Neben der Gesängnißstrafe kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden? 1 Fassung des G. v. 2G./2. 76 (R G.Bl. 25). 2 Wahrheitsbeweis ist ausgeschlossen. E. II. 213. 3 Vgl. § 4 Nr. 2 u. Preßg. § 23 Nr. 3.

Auch § 193.

E. V. 46.

§ 96. (Sw.) Wer einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied des landesherrlichen Hauses seines Staats oder gegen den Regenten seines Staats oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied des landesherrlichen Hauses dieses Staats oder gegen den Regenten dieses Staats sich schuldig macht, wird mit Zuchthaus1 nicht unter fünf Jahren oder mit Festungs­ haft von gleicher Dauer, in minder schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem bis zu fünf Jahren ein. 1 Vgl. Sinnt. 1 zu § 81.

208

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 97—102.

8 97. (L.) Wer ein Mitglied des landesherrlichen Hauses seines Staats oder den Regenten seines Staats oder während seines Aufenthalts in einem Bundes­ staate ein Mitglied des landesherrlichen Hauses dieses Staats oder den Regenten dieses Staats beleidigt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahreu oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.

Dritter Abschnitt. Meteidigung von Mundesfürsten. 8 98. (Sw.) Wer außer dem Falle des 8 94 sich einer Thätlichkeit gegen einen Bundesfürsten schuldig macht, wird mit Zuchthaus 1 von zwei bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ein.2 1 Vgl. Anm. 1 zu § 81.

2 Bgi. $ 4 Nr. 2.

8 99. (L.) Wer außer dem Falle des 8 95 einen Bundesfürsten beleidigt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die Verfolgung tritt nur mit Ermächtigung des Beleidigten ein.1 1 Vgl. §§ 4 Nr. 2, 185.

8 100. (Sw.) Wer außer dem Falle des 8 96 sich einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied eines bundesfürstlichen Hauses oder den Regenten eines Bundes­ staats schuldig macht, wird mit Zuchthaus1 bis zu fünf Jahren oder mit Festungs­ haft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem Monat bis zu drei Jahren ein. 1 Vgl. Anm. 1 zu H 81.

8 101. (L.) Wer außer dem Falle des 8 97 den Regenten eines Bundes­ staats beleidigt, wird mit Gefängniß von Einer Woche bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die Verfolgung tritt nur mit Ermächtigung des Beleidigten ein.

Vierter Abschnitt. Kerndtiche Kandtungen gegen befreundete Staaten. 8 102.1 (Sw.) Ein Deutscher, welcher im Jnlande oder Auslande, oder ein Ausländer, welcher während seines Aufenthalts im Jnlande gegen einen nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staat oder dessen Landesherrn eine Handlung vor­ nimmt, die, wenn er sie gegen einen Bundesstaat oder einen Bundessürsten be­ gangen hätte, nach Vorschrift der 88 81 bis 86 zu bestrafen sein würde, wird in den Fällen der 88 81 bis 84 mit Festungshaft von Einem bis zu zehn Jahren oder, wenn mildernde Umstände vorhanden sind, mit Festungshaft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen der 88 85 und 86 (L.) mit Festungs­ haft von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft, sofern in dem anderen Staate dem Deutschen Reiche die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 lR.G.Bl. 25).

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. §§ 103—107.

209

§ 103.1 (L.) Wer sich gegen den Landcsherrn oder den Regenten eines nicht zum Deutschen Reich gehörenden Staats einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Gefängniß von Einer Woche bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft, sofern in diesem Staate dem Deutschen Reich die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25).

§ 103 a.1 (L.) Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität eines nicht zum Deutschen Reich gehörenden Staats oder ein Hoheitszeichen eines solchen Staats böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 1 Eingeschaltet durch G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25).

§ 104.1 (L.) Wer sich gegen einen bei dem Reich, einem bundcsfürstlichen Hose oder bei dem Senate einer der freien Hansestädte beglaubigten Gesandten oder Geschäftsträger einer Beleidigung schuldig macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Beleidigten ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R-G.Bl. 25).

Fünfter Abschnitt. Zerbrechen und Wergehen in ZZeziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Aechte.

§ 105. (Sw.) Wer es unternimmt, den Senat oder die Bürgerschaft einer der freien Hansestädte, eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaats auseinander zu sprengen, zur Fassung oder Unterlassung von Be­ schlüssen zu nöthigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu entfernen, wird mit Zuchthaus1 nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter Einem Jahre ein. 1 Vgl. Anin. 1 zu § 81.

§ 106. (Sw.) Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Versammlungen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, sich an den Ort der Versammlung zu begeben oder zu stimmen, wird mit Zucht­ haus 1 bis zu fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zwei Jahren ein.2 1 Vgl. Anm. 1 zu § 81.

2 Vgi. § 339 Abs. 3.

§ 107. (L.) Wer einen Deutschen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, in Ausübung feiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen, wird mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten, oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft.1 Hellweg und Arndt, Strafgesetzgebung.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

210

§§ 108—113.

Der Versuch ist strafbar. 1 Vgl. § 339 Abs. 3.

§ 108. (L.) Wer in einer öffentlichen Angelegenheit mit der Sammlung von Wahl- oder Stimm-Zetteln oder -Zeichen oder mit der Führung der Beur­ kundungsverhandlung beauftragt, ein unrichtiges Ergebniß1 der Wahlhandlung vor­ sätzlich herbeiführt oder das Ergebniß verfälscht, wird mit Gefängniß von Einer Woche bis zu drei Jahren bestraft. Wird die Handlung von Jemand begangen, welcher nicht mit der Sammlung der Zettel oder Zeichen oder einer anderen Verrichtung bei dem Wahlgeschäfte beauftragt ist, so tritt Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren ein. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 1 nicht bloß im Endresultat, sondern auch nur hinsichtlich des Stimmenverhältnisses.

§ 109.

E. V. 49.

(L.)

Wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlstimme kauft oder verkauft, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt. § 110. (L.) Wer öffentlich1 vor einer Menschenmenge, oder wer durch Ver­ breitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder­ anderen Darstellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verord­ nungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auffordert, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.2 1 Ob Öffentlichkeit vorhanden sei, ist unter Berücksichtigung des Zwecks der Strafbestimmung lediglich nach den thatsächlichen Umständen zu beurtheilen. Im Allgemeinen die Möglichkeit der Wahrnehmung unbestimmt von welchen und wie vielen Personen. M. 2 Vgl. §§ 85, 111.

§ 111. (L.) Wer auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung einer strafbaren Handlung ausfordert, ist gleich dem Anstifter1 zu bestrafen, wenn die Aufforderung die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuch derselben zur Folge gehabt hat. Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe bis zu sechs­ hundert Mark oder Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre ein. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte.2 1 Vgl. § 48.

2 Bgl. §§ 85, 110, Scemannsordn. § 88 u. Preßges. § 23 Nr. 3.

§ 112. (L.) Wer eine Person des Soldatenstandes/ es sei des Deutschen Heeres oder der Kaiserlichen Marine, aufsordert oder anreizt, dem Befehle des Oberen nicht Gehorsam zu leisten, wer insbesondere eine Person, welche zum Beurlaubtcnstande2 gehört, auffordert oder anreizt, der Einberufung zum Dienste nicht zu folgen, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.3 1 Soldatenstand vgl. G. v. 9./11. 67 §§ 6, 7, 15 (B.G.Bl. S. 132); M.St.G.B. §§ 4—6 und die Aufzählung in der Beil. z. M.St.G.B. (R.G.Bl. 1872 S. 204). — Milit.-Beamte gehören nicht z. Soldatenstand. 2 Beurlaubtenstand: G. v. 9./11. 67 § 15 u. Mil.G. § 56. 3 Gegen Personen des Soldatenstandcs selbst kommt das M.St.G.B. §§ 99 ff. zur Anwendung.

§ 113.1 (L. bzw. A.) Wer einem Beamten,2 welcher zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von

Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 114—117.

211

Urtheilen und Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmäßigen Aus­ übung seines Amtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer einen solchen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes thätlich angreist, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre oder Geldstrafe bis zu eintausend Mark ein. Dieselben Strafvorschriften treten ein, wenn die Handlung gegen Personen, welche zur Unterstützung des Beamten zugczogen waren, oder gegen Mannschaften der bewaffneten Macht, oder gegen Mannschaften einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienstes begangen wird.3 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25). 2 Beamten vgl. § 359. 3 Vgl. G. v. 12./10. 67 (V.G.Bl. 41) § 17 (Salzsteuer), G. v. 8./7. 68 (B.G.Dl. 384) § 68 (Brannt-

weiusteuer), G. v. 31./5. 72 (N.G.Bl. 153) § 36 Nr. 2 (Braustcucr), V.Zollg. v. 1./7. 69 (B.G.Bl. 317) §§ 148, 161, Seemaunsordu. § 87.

§ 114.1 (L. bzw. A.) Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung eine Behörde oder einen Beamten zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nöthigen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.2

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren ein. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25). 2 § 114 nur anwendbar, soweit nicht die Voraussetzungen des § 113 vorlicgen.

E. IV. 143.

§ 115. (L.) Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei welcher eine der in den §§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften be­ gangen wird, Theil nimmt, wird wegen Aufruhrs mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft. (Sw.) Die Rädelsführer, sowie diejenigen Aufrührer, welche eine der in den §§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen begehen, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.1 1 Vgl. § 125, Seemauusordn. §§ 89—92, G. bctr. Belagerungszustand v. 4./6. 51 (G.S. 451) § 9.

§ 116. (L. bzw. A.) Wird eine auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen versammelte Menschenmenge von dem zuständigen Beamten oder Befehls­ haber der bewaffneten Macht aufgefordcrt, sich zu entfernen, so wird jeder der Versammelten, welcher nach der dritten Aufforderung sich nicht entfernt, wegen Auflaufs mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu ein-

tausendsünfhundert Mark bestraft. (L. bzw. Sw.) Ist bei einem Auslaufe gegen die Beamten oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften thätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt verübt worden, so treten gegen diejenigen, welche an diesen Handlungen Theil genommen haben, die Strafen des Aufruhrs ein. § 117.1 (L. bzw. A.) Wer einem Forst- oder Jagdbeamten, einem Wald­ eigenthümer, Forst- oder Jagdberechtigten, 2 oder einem von diesen bestellten Auf­ seher in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes oder Rechtes" durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet,3 oder wer eine dieser Per­ sonen während der Ausübung ihres Amtes oder Rechtes thätlich angreist, wird mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren bestraft.

212

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 118—122.

(L.) Ist der Widerstand oder der Angriff unter Drohung mit Schießgewehr, Acxten oder anderen gefährlichen Werkzeugen erfolgt, oder mit Gewalt an der Person begangen worden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt in den Fällen des Absatz 1 Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre, in den Fällen des Absatz 2 Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein. 1 Fassung des G. v. 26./2. 70 (R.G.Bl. 25).

2 Soweit sie Befugnisse der Jagd- oder Forstpolizei ausüben. E. II. 170. N. I. 835. 3 nicht blos; in der Forst, auch bei Haussuchung u. s. w. E. II. 167. R. I. 789.

§ 118. (Sw.) Ist durch den Widerstand oder den Angriff eine Körperver­ letzung dessen, gegen welchen die Handlung begangen ist, verursacht worden, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Sind mildernde Umstünde vorhanden, so tritt Gesängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. § 119. (Sw.) Wenn eine der in den §§ 117 und 118 bezeichneten Hand­ lungen von Mehreren gemeinschaftlich begangen worden ist, so kann die Strafe bis um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnißstrafc jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden. § 120. (L. bzw. A.) Wer einen Gefangenen aus der Gefangcnanstalt oder ans der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder desjenigen, unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich befindet, vorsätzlich befreit oder ihm zur Sclbstbcsrciung vorsätzlich behülflich ist, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar.

§ 121. (L.) Wer vorsätzlich einen Gefangenen, mit dessen Beaufsichtigung oder Begleitung er beauftragt ist, entweichen läßt oder dessen Befreiung befördert, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.

(A.) Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert worden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark ein.1 1 Vgl. § 347.

§ 122. (L.) Gefangene, welche sich Kräften die Anstaltsbeamten oder die mit greifen, denselben Widerstand leisten oder oder Unterlassungen zu nöthigen, werden unter sechs Monaten bestraft.

zusammenrotten1 und mit vereinten der Beaufsichtigung Beauftragten an­ es unternehmen, sie zu Handlungen wegen Meuterei mit Gefängniß nicht

Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene sich zusammenrotten und mit ver­ einten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen. (Sw.)

Diejenigen Meuterer, welche Gewaltthätigkeiten gegen die Anstalts­

beamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten verüben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von PolizeiAufsicht erkannt werden. ? 1 Zwei Personen genügen.

E. II. 80.

R. II. 5.

Vorherige räumliche Trennung derselben nicht

erforderlich eod. Räumliche Trennung schlicht Zusammenrotten aus. E. III. 1. R. II. 257. 2 Vgl. G. bett'. Belagerungsz. v. 4./6. 51 (G.S. 451) § 10, Seemanusordu. §§ 87, 91.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. §§ 123—128.

213

Siebenter Abschnitt. Verbrechen «nd Vergehe« wider die öffentliche Hrdnung. Oeffentlichkeit vgl. § no Anm. 1.

§ 123.

(A.)

Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das be­ friedete Besitzthum eines Anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugniß darin verweilt, auf die Aufforderung 1 des Berechtigten sich nicht entfernt, wird wegen Hausfriedensbruches mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft.2 Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. (L. bzw. A.) Ist die Handlung von einer mit Waffen versehenen Person oder von Mehreren gemeinschaftlich begangen worden, so tritt Gefängnißstrafe von Einer Woche bis zu Einem Jahre cüi.3 1 Einmalige Aufforderung genügt, sollte auch erst durch diese daS Verweilen ein unbefugtes werden. E. V. 109. - Vgl. rucksichtlich der Beamten § 342 u. § 50. 3 Im Fall des Abs. 3 ist (vgl. Mot. 88) ein Antrag nicht erforderlich.

§ 124. (L.) Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitzthum eines Anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird Jeder, welcher an diesen Handlungen Theil nimmt, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft.

§ 125. (L.) Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und mit vereinten Kräften gegen Personen oder Sachen Gewaltthätigkeiten begeht, so wird Jeder, welcher an dieser Zusammenrottung Theil nimmt, wegen Landfriedens­ bruches mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. (Sw.) Die Rädelsführer, sowie diejenigen, welche Gewaltthätigkeiten gegen Personen begangen oder Sachen geplündert, vernichtet oder zerstört haben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von PolizeiAufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß­ strafe nicht unter sechs Monaten ein.1 1 Vgl. § 115.

§ 126. (L.) Wer durch Androhung eines gemeingefährlichen 23erbred)en§1 den öffentlichen Frieden stört, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.2 1 §§ 306 ff.

2 Vgl. §§ 241, 254.

§ 127. (L.) Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mannschaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugniß gesammelt ist, mit Waffen oder Kriegsbedürfnissen versieht, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen anschließt, wird mit Gefängniß

bis zu Einem Jahre bestraft.

§ 128. (L.) Die Theilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Ver­ fassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu sechs

214

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 129—132.

Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre zu bestrafen. Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter 1 auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. 1 Vgl. §§ 35, 36.

§ 129. (L.) Die Theilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Ge­ setzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, ist an den Mit­ gliedern mit Gefängniß bis zu Einem Jahre, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter * auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. 1 Vgl. §§ 35, 36.

§ 130. (L.) Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise ver­ schiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.1 1 Vgl. Prcstges. § 23 Nr. 3.

§ 130a.1 (L.) Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen be­ stimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstände einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft. ? Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes Schrift­ stücke ausgibt oder verbreitet, in welchen Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstände einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind.3 1 Fassung des G. v. 26,/2. 76 (R.G.Bl. 25). 9 § 130a Absatz 1 ist durch Reichsgesctz betr. die Ergänzung des St.G.B. f. d. D. N. v. 10./12. 71 ausgenommen (R.G.Bl. 442). — In Els.-Lothr. eingcfiihrt durch Kaiscrl. V. v. 15./7. 72 G.Bl. f. E.-L. 531). 3 Abs. 2 ist durch das Gesetz v. 26./2. 76 ausgenommen.

§ 131. (L.) Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen/ wissend, daß sie er­ dichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staats­ einrichtungen oder Anordnungen? der Obrigkeit verächtlich zu machen/ wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 1 Nicht Absichten. Motive, Zwecke. R. II. 167. 9 Auch nur einen konkreten Einzelfall betreffende.

E. IV. 297.

3 ,.verächtlich machen" vgl. E. I. 161.

§ 132. (L.) Wer unbefugt sich mit Ausübung eines öffentlichen Amtes1 besaßt oder eine Handlung vornimmt' welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf/ wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. 1 Selbst wenn dasselbe in der behaupteten Weise nicht existircn sollte. 167, 716. 9 Winkeladvokatur kein öffentl. Amt, nur nach Landcsgesetz strafbar.

Vgl. E. II. 292.

R. III. 121.

N. II.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 133—139.

215

§ 133. (L.) Wer eine Urkunde, ein Register, Akten oder einen sonstigen Gegenstand, welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten1 amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft oder beschädigt, wird mit Ge­ fängniß bestraft. Ist die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.2 1 Thäter kann auch der Aufbewahrende selbst sein. 2 Vgl. §§ 274, 303, 348, 349.

E. II. 425.

R. II. 474.

§ 134. (L. bzw. A.) Wer öffentlich angeschlagene Bekanntmachungen, Ver­ ordnungen, Befehle oder Anzeigen von Behörden oder Beamten böswillig abreißt, beschädigt oder verunstaltet, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. § 135.1 (L.) Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität des Reichs oder eines Bundcsfürsten oder ein Hoheitszeichen eines Bundesstaats böswillig weg­ nimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 1 Fassung des G. v. 2G./2. 76 (N.G.Bl. 25).

§ 136. (L. bzw. A.) Wer unbefugt ein amtliches Siegel/ welches von einer Behörde oder einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu be­ zeichnen oder in Beschlag zu nehmen, vorsätzlich erbricht, ablöst oder beschädigt oder den durch ein solches Siegel bewirkten amtlichen Verschluß aufhebt, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. 1 ,.Siegel" auch Siegclmarken.

E. III. 286.

N. II. 663.

§ 137. (L. bzw. A.) Wer Sachen, welche durch die zuständigen Behörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag genommen worden sind, vorsätzlich bei Seite schafft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder theilweise entzieht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.1 1 Vgl. §§ 288, 289. Verstrickung liegt auch in der Sequestration eines Grundstücks. — Pertinenz­ stücke von Grundstücken, Irrthum öarübcr entschuldigt. Vgl. E. I. 368. R. I. 610.

§ 138. (A.) Wer als Zeuge, Geschworener oder Schöffe berufen, eine un­ wahre Thatsache als Entschuldigung vorschützt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Monaten bestraft. Dasselbe gilt von einem Sachverständigen, welcher zum Erscheinen gesetzlich verpflichtet ist. Die auf das Nichterscheinen gesetzten £^1019^01^111 werden durch vor­ stehende Strafbestimmung nicht ausgeschlossen. 1 Vgl. St.P.O. §§ 50, 77; G.B.G. §§ 56 u. 96.

C.P.O. §§ 345, 374.

§ 139. (L.) Wer von dem Vorhaben eines Hochverraths, Landesvcrraths Münzverbrechens,* Mordes, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefähr­ lichen Verbrechens2 zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der durch das Verbrechen bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängniß zu bestrafen.

216

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 140—142.

1 Vgl. § 1 Abs. 1. 8 Anzeigepflichtig sind auch die wegen persönlicher Verhältnisse von der Zeugenpflicht (St.P.O. § 51) entbundenen Personen. E. II. 57. R. I. 785.

§ 140.1 (L.) Wegen Verletzung der Wehrpflicht wird bestraft:2 1) ein Wehrpflichtiger, welcher in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Er­ laubniß entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach erreichtem mili­ tärpflichtigen^ Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufhält: mit Geld­ strafe von einhundertsunfzig bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre; 2) ein Offizier oder im Osfizicrrange stehender Arzt des Beurlaubten­ standes/ welcher ohne Erlaubniß auswandert: mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Mo­

naten; 3) ein jeder Wehrpflichtige, welcher nach öffentlicher Bekanntmachung einer vom Kaiser für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr erlassenen besonderen Anordnung in Widerspruch mit derselben auswandert: mit Gefängniß bis zu zwei Jahren, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann. Der Versuch ist strafbar.6 Das Vermögen des Angeschuldigten kann, insoweit als es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigtcn möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden.7 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25). 2 Vgl. § 360 Nr. 3; G. über die Verpflichtung zum Kriegsdienst v. 9./11. 67 (B.G.Bl. 131) §§ 1, з, 6, 15; M.St.G.B. §§ 64 ff., 81—83; Mil.G. §§ 10, 27, 28, 33, 57-60, 67, 69. Teutsche Wehr­ ordnung v. 28./9. 75 (N.C.Bl. 535 ff. u. Ergänzg. V. 31./8. 80 (N.C.Bl. 578); G. Über die Neichsи. Staats-Angehörigk. v. 1./6. 70 (R.G.Bl. 355) und wegen des Strafprozeß-Verfahrens St.P.O. §§ 470—476, 480; preuh. J.V. v. 6./4. 80 (Atteste) (J.M.Bl. 191). 3 „Wehrpflichtig" ist jeder Deutsche (N.V. Art. 57 u. G. v. 9./11. 67 § 1). Die Wehrpflicht beginnt mit dem vollendeten 17. und dauert bis zum vollendeten 42. Lebensjahre (W.O. I. § 4 Nr. a). 4 ,,Mi litärpf lich tig" d. h. der Aushebung unterworfen ist jeder Wehrpflichtige vom 1. Januar des Kalenderjahres, in welchem er das 20. Lebensjahr vollendet (Mil.G. § io; W.O. I. § 20). 6 „Beurlaubtenstand" welche Personen? vgl. Mil.G. § 56. « Ausgewanderte, in Nordamerika naturalisirte Deutsche unterliegen bei der Rückkehr der Strafe (§ 140 Nr. 1) nicht, und sollen etwa erkannte Strafen unvollstreckt bleiben. Vertr. zw. d.Nordd. Bund und d. Vereinigten Staaten von Amerika v. 22./2. 68 Art. 1 u. 3 (B.G.Bl. 228), prcuß. Min.Verf. v. 6,/7. 68 (B.M.Bl. 200), desgl. zwisch. d. Verein. Staaten und Bayern 26./5. 68, Württem­ berg 27./7. 68, Baden 19./7. 68, Hessen 1./8. 68 vgl. Militärgesetze d. Deutsch. Reichs (Amtl. AuSg. Berlin 1877) I. Bd. Abth. II. S. 83 ff. 7 Wegen Vermögensbeschlagnahme vgl. St.P.O. §§ 480 bzw. 425, 426.

§ 141. (L.) Wer einen Deutschen zum Militärdienste einer ausländischen Macht anwirbt oder den Werbern der letzteren zusührt, ingleichen wer einen Deutschen Soldaten vorsätzlich zum 2)cfcrtircn1 verleitet oder die Desertion des­ selben vorsätzlich befördert,wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. 1 Vgl. M.St.G.B. § 69 (Fahnenflucht, Desertion). 2 Zur Vollendung des Vergehens gehört auch hier Vollendung der Desertion.

E. V. 125.

§ 142. (L.) Wer sich vorsätzlich durch Selbstverstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder durch einen Anderen

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 143—146.

217

untauglich machen läßt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Jahre bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werdend Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher einen Anderen auf dessen Verlangen zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht. 1 Vgl. M.St.G.B. §§ 81, 82; Mil.G. § 60 Nr. 3; W.O. I. § 36 Nr. 4; Wehrpflicht vgl. § 140 Sinnt. 2, 3.

§ 143. (L.) Wer in der Absicht, sich der Erfüllung der Wehrpflicht ganz oder theilwcise zu entziehen, auf Täuschuug berechnete Mittel anwendet, wird mit Gefängniß bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.1 Dieselbe Sirasvorschrift findet auf den Teilnehmer2 Anwendung. 1 Vgl. M.St.G.B. § 83 u. Anm. zu § 142.

2 §§ 48, 49, vgl. auch Sinnt. 5 zu § 49.

§ 144.1 (L.) Wer es sich zum Geschäfte macht, Deutsche unter Vor­ spiegelung falscher Thatsachen oder wissentlich mit unbegründeten Angaben oder durch andere auf Täuschung berechnete Mittel zur Auswanderung zu verleiten, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (N.G-Bl. 25).

§ 145.1

(L. bzw. A.) Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See, über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstöße von Schiffen auf See, oder in Betreff der Noth- und Lootsensignale für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern erlassenen Verordnungen2 übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendsünshundert Mark bestraft.3 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25). - In Ausführung des § 145 sind ergangen: 1. Die Kaiscrl. V. zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See v. 7./1. 80 (N.G.Bl. 1) u. V. v. 16./2. 81 (N.G.Bl. 28). 2. Die Kaiser!. V. über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See v. 15./8. 76 (N.G.Bl. 189). 3. Noth- und Lootseu-Signalordnung für Schiffe auf See und aus den Küstengewäffern v. 14./8. 76 (N.G.Bl. 187). 3 Vgl. St.P.O. §§ 319 ff. (Verfahren gegen Abwesende).

Achter Abschnitt. Wünzverörechen und Wünzvergehen.

§ 146. (Sw.) Wer inländisches oder ausländisches Metallgeld oder $cipier= geli)1 nachmacht, um das nachgemachte Geld als echtes zu gebrauchen oder sonst in Verkehr zu bringen, oder wer in gleicher Absicht echtem Gelde durch Ver­ änderung an demselben den Schein eines höheren Werths oder verrufenem Gelde durch Veränderung an demselben das Ansehen eines noch geltenden gibt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft; auch ist Polizei-Aufsicht zulässig? Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefäugnißstrafe ein.34 1 Vgl. § 149. 2 Die abweichende Redaktion „auch ist Polizeiaufsicht zulässig" bedeutet nichts anderes, als daß auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden kann, vgl. § 38. 8 Vgl. § 152. 4 Vgl. wegen der int Auslande begangenen Münzverbrechen § 4 Nr. 1.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

218

§§ 147—153.

§ 147. (Sw.) Dieselben Strafbestimmungen finden auf denjenigen Anwendung, welcher das von ihm auch ohne die vorbezeichnete Absicht nachgemachte oder ver­ fälschte Geld als echtes in Verkehr bringt, sowie aus denjenigen, welcher nachge­ machtes oder verfälschtes Geld sich verschafft und solches entweder in Verkehr bringt oder zum Zwecke der Verbreitung aus dem Auslande einführt? 1 Mehrfaches Vorausgeben bei einmaligem Verschaffen nicht Realkonkurrenz. I. 114.

E. I. 25.

R.

§ 148. (A.) Wer nachgemachtes oder verfälschtes Geld als echtes empfängt und nach erkannter Unechtheit als echtes in Verkehr bringt, wird mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft? Der Versuch ist strafbar. 1 Vgl. § 152.

§ 149. Dem Papiergelde werden gleich geachtet die auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen, Banknoten, Aktien oder deren Stelle vertretende Interims­ scheine oder Quittungen, sowie die zu diesen Papieren gehörenden Zins-, Gewinnantheils- oder Erneuerungsscheine, welche von dem Reich, dem Norddeutschen Bunde, einem Bundesstaate oder fremden Staate oder von einer zur Ausgabe solcher Papiere berechtigten Gemeinde, Korporation, Gesellschaft oder Privatperson ausgestellt sind. § 150. (L.) Wer echte, zum Umlauf bestimmte Metallgeldstücke durch Be­ schneiden, Abfeilen oder auf andere Alt verringert und als vollgültig in Verkehr bringt, oder wer solche verringerte Münzen gewohnheitsniäßig oder im Ein­ verständnisse mit dem, welcher sie verringert hat, als vollgültig in Verkehr bringt, wird mit Gefängniß bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann.1 Der Versuch ist strafbar. 1 Vgl. § 152.

Vgl. ferner Bek. des Reichskanzlers v. 9./5. 76 (R.C.Bl. 260 u. preuß. J.M.Bl. 114).

§ 151. (L.)

Wer Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder andere zur An­ fertigung von Metallgeld, Papiergeld, oder dem letzteren gleich geachteten Papieren dienliche Formen zum Zwecke eines Münzverbrechens angeschafft oder angefertigt hat, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.1 1 Vgl. § 152. — Vgl. auch § 360 Nr. 4.

§ 152. Auf die Einziehung des nachgemachten oder verfälschten Geldes, sowie der im 8 151 bezeichneten Gegenstände ist zu erkennen, auch wenu die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht stattfindet.1 1 Vgl. §§ 40, 42. — Vgl. auch § 92 St.P.O.

Neunter Abschnitt. Meineid. Meineid int Sinne des St.G.V. ist der feste Begriff für die in den §§ 153—155 vorgesehene

wissentliche Verletzung des Eides. Abschn. IX. enthält in den §§ 156—160, 162, 163 auch Vor­ schriften, welche andere Handlungen als den Meineid betreffen. — Falscher Eid vgl. § 160.

§ 153. (Sw.) Wer einen ihm zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auf­ erlegten (gib1 wissentlich falsch schwört, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft? 1 gleichgültig, ob dieser nach den Vorschriften des Civilprozcsses unzulässig war.

2 Wegen der Ehrenfolgen hier und in den folgenden §§ vgl. § 161.

E. V. 124.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 154—158.

219

§ 154. (Sw.) Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde wissentlich ein falsches Zeugniß oder ein falsches Gutachten mit einem Eide* bekräftigt oder den vor seiner Vernehmung geleisteten Eid* wissentlich durch ein falsches Zeugniß oder ein falsches Gutachten verletzt/ Ist das falsche Zeugniß oder Gutachten in einer Strafsache zum Nachtheile eines Angeschuldigten abgegeben und dieser zum Tode, zu Zuchthaus oder zu einer anderen mehr als fünf Jahre betragenden Freiheitsstrafe verurtheilt worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein. 1 Vgl. C.P.O. §§ 357, 375, St.P.O. §§ 61, 69. 2 Eideslllimiindigcr (§ 56 Nr. 1 St.P.O., § 358 Nr. 1 C.P.O.) nicht strafbar, wohl aber ein sonst Eidesunfähigcr (§ 56 Nr. 2, 3 St.P.O., § 358 Nr. 2—4 C.P.O.). E. I. 217, IV. 33. R. III. 165.

§ 155. Der Ableistung eines Eides wird gleich geachtet, wenn 1) ein Mitglied einer Religionsgesellschast, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Bctheuerungsformcln an Stelle des Eides gestattet, eine Er­ klärung unter der Betheuerungsformel seiner Religionsgesellschaft abgibt;1 2) derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen Eid geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid abgibt, oder ein Sachverständiger, welcher als solcher ein- für allemal vereidet ist, eine Versicherung auf den vou ihm geleisteten Eid abgibt;2 3) ein Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgibt. 1 Vgl. St.P.O. § 64 ii. 9(iun., C.P.O. § 446. 2 Vgl. St.P.O. § 66 u. 9111111., § 79 ii. 9(11111., C.P.O. §§ 363, 375.

§ 156. (L.) Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eidcsstatt zuständigen 1 eine solche Versicherung wissentlich falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung wissentlich falsch aussagt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft.52 1 Konkrete sachliche Zuständigkeit erforderlich. 2 S. auch § 161 Abs. 2.

E. II. 123.

R. II. 110.

§ 157. Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineides (§§ 154, 155) oder einer falschen Versicherung an Eidcsstatt schuldig gemacht, so ist die an sich verwirkte Strafe aus die Hälfte bis ein Viertheil zu ermäßigen, wenn 1) die Angabe der Wahrheit gegen ihn selbst eine Verfolgung wegen eines Verbrechens oder Vergehens nach sich ziehen konnte/ oder 2) der Aussagende die falsche Aussage zu Gunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht, die Aussage ablehncn zu dürfen, belehrt worden zu fein.2 Ist hiernach Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe des § 21 in Gefängnißstrafe zu verwandeln/ 1 Nebenfrage. C. I. 423. N. I. 674. 2 Wegen der Bclchrnng vgl. C.P.O. §§ 348, 367, St.P.O. §§ 51, 57, 72, 76 u. preuh. J.V. v. 14./10. 78 (J.M.Bl. 155). Ncbcnfragc: § 295 916s. 1 St.P.O. 3 Theilnehmer § 50. E. IV. 377.

§ 158. Gleiche Strafermäßigung tritt ein, wenn derjenige, welcher sich eines Meineides oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig gemacht hat, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage

220

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 159—164.

entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, wider­ ruft^ 1 Nebenfrage: § 295 Abs. 1 St.P.O.

§ 159. (L.) Wer es unternimmt, einen Anderen zur Begehung eines Mein­ eides 1 zu verleiten, ? wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, und wer es unter­ nimmt, einen Anderen zur wissentlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt3 zu verleiten, mit Gefängnis; bis zu Einem Jahre bestraft.4 1 §§ 153—155. Vgl. 9üim. zur Ueberschrift. 2 erfolglos; andernfalls § 48. — Vgl. auch § 160 nebst Anin. 3 § 156. < Vgl. Anm. 1 zu 8 161.

§ 160. (L.) Wer einen Anderen zur Ableistung eines falschen Eides1 ver­ leitet, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Ver­ lust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, und wer einen Anderen zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eidesstatt verleitet, wird mit Ge­ fängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Der Versuch ist strafbar. 1 Falscher Eid, d. h. ein thatsächlich unrichtiger Eid. Beim „falschen Eide (§ 160)" ist die Kenntniß der Falschheit nur Seitens des VerlcitcrS, beim „Meineide (8 159)" auch Seitens des­ jenigen, der schwören soll, die Voraussetzung der Strafbarkeit.

§ 161. Bei jeder Verurtheiluug wegen Meineides,1 mit Ausnahme der Fälle in den §§ 157 und 158, ist auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und außer­ dem aus die dauernde Unfähigkeit des Vernrtheitten, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, zu erkennen. ? In den Fällen der §§ 156 bis 159 kann neben der Gefängnißstrafe auf Ver­ lust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 1 Abs. 1 bezieht sich nur auf Meineid (cinschließl. Versuch u. Theilnahme), nicht auf versuchte Verleitung in § 159. E. II. 93. N. II 49. 2 Auf Verlust der E. und auf Zeugniß-Unfähigkeit ist im Falle des Abs. 1 nothwendig zu erkennen; wird dieses übersehen, so bleiben die E. und die Zeugniß- (Eides-) fähigkcit bestehen. R. I. 269. Es gilt auch hier hinsichtlich des Verlustes der E. die Frist des § 32 von 2 10 I. Vgl. Mot. 50, 55. Vgl. 8 32.

§ 162. (L.) Wer vorsätzlich einer durch eidliches Angelöbniß vor Gericht bestellten Sicherheit oder dem in einem Offenbarnngseide gegebenen Versprechen zuwiderhandelt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. § 163. (L.) Wenn eine der in den §§ 153 bis 156 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen lvorden ist, so tritt Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre ein. Straflosigkeit tritt ein, wenn der Thäler, bevor eine Anzeige1 gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Be­ hörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft.55 1 Vgl. E. V. 92.

2 Nebcufragc: 8 295 Abs. 2 St.P.O.

Zehnter Abschnitt. Katsche Anschuldigung.

§ 164. (L.)

Wer bei einer Behörde eine Anzeige1 macht, durch welche er Jemand wider besseres Wissen der Begehung einer strafbaren Handlung2 oder der Verletzung einer Amtspflicht beschuldigt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 165—169.

221

Monat bestraft; auch kann gegen denselben auf Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte erkannt werden. So lange ein in Folge der gemachten ''Anzeige cingeleitetes Verfahren an­ hängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entscheidung über die falsche An­ schuldigung inne gehalten werden. 1 Auch eine Privatklage oder ein Strafantrag wegen Beleidigung ist eine Anzeige im Sinne des § 164. R. I 44, 245. 1 Auch einer bereits verjährten. E. I. 229. N. I. 393. 3 Vgl. § 69.

§ 165. Wird wegen falscher Anschuldigung auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzusprechcn, die Verurtheilung auf kosten des Schul­ digen öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben, ist in dem Urtheile zu bestimmen. Dem Verletzten ist auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urtheils zu ertheilen.

Elfter Abschnitt. Vergehen- welche sich auf die Religion beziehen.

§ 166. (L.) Wer dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden 1 Aeußerungen Gott lästert, ein Aergerniß gibt, oder wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechtcn innerhalb des Bundesgebietes bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft,1 inglcichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte beschimpfenden1 Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. 1 Herabwürdigung ist noch keine Beschimpfung im Sinne des § 166.

N. I. 144.

§ 167. (L.) Wer durch eine Thätlichkeit oder Drohung Jemand hindert, den Gottesdienst einer im Staate bestehenden Neligionsgesellschaft auszuüben, ingleichen wer in 1 einer Kirche oder in1 einem anderen zu religiösen Versammlungen be­ stimmten Orte durch Erregung von Lärm oder Unordnung den Gottesdienst oder einzelne gottesdienstliche Verrichtungen einer im Staate bestehenden Religions­ gesellschaft vorsätzlich verhindert oder stört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.2 1 Ter Störer braucht nicht in der Kirche zu sein. 2 Beamte vgl. § 339 Abs. 3.

N. III. 70.

§ 168. (L.) Wer unbefugt eine Leiche1 aus dem Gewahrsam der dazu be­ rechtigten Person wegnimmt, ingleichen wer unbefugt ein Grab zerstört oder be­ schädigt,2 oder wer an einem Grabe beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 1 Wegnahme von Theilen einer Leiche vgl. § 367 Nr. 1.

2 Vgl. auch § 304.

Zwölfter Abschnitt. Verbrechen

Zergehen in Beziehung auf den Personenstand.

§ 169. (L.) Wer ein Kind unterschiebt oder vorsätzlich verwechselt, oder wer auf andere Weise den Personenstand .eines Anderen vorsätzlich verändert1 oder unterdrückt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren und, (Sw.) wenn die Handlung

222

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 170—173.

in gewinnsüchtiger Absicht begangen wurde, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Der Versuch ist strasbar. 1 Auch durch Bezeichnung der unehelichen Mutter als Ehefrau bei der Geburtsanzeige. E. II. 303. N. II. 291. Vgl. auch E. I. 9. N. I. 65.

§ 170. (L.) Wer bei Eingehung einer Ehe dem anderen Theile ein gesetz­ liches Ehehinderniß arglistig verschweigt, oder wer den anderen Theil zur Ehe­ schließung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet, welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten, wird, wenn aus einem dieser Grunde die Ehe aufgelöst worden ist, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des getäuschten Theils ein.

Dreizehnter Abschnitt. Aerörechen und vergehen wider die Sittlichkeit. § 171. (L.) Ein Ehegatte, welcher eine neue Ehe eingeht, bevor seine Ehe aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt worden ist,1 ingleichen eine unverheirathete Person, welche mit einem Ehegatten, wissend, daß er verheirathet ist, eine Ehe eingeht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafc nicht unter sechs Monaten ein. Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt mit dem Tage, an welchem eine der beiden Ehen aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt worden ist.2 1 Dolus des Ehegatten: Bewußtsein, daß die frühere Ehe nicht aufgelöst u. s. w. ist. ihm zu beweisen. E. IV. 38. R. III. 175. 2 Bestrafung der Neligionsdicncr u. s. w. vgl. § 338.

Dies ist

§ 172. (L. bzw. A.) Der Ehebruch wird, wenn wegen desselben die Ehe ge­ schieden ist, an dem schuldigen Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.1 1 Vgl. §§ 64 Abs. 2, 69. — Der Lauf der Verjährung beginnt mit der Rechtskraft des Scheidungsurtyeils bzw. nach franz. Recht vom Tage der Verkündung der Scheidung durch den Civilstandsbeamten, code civil art. 264 u. R.G. v. 6,/2. 75 § 55, u. der Antragsfrist mit der Kenntniß hiervon. E. II. 62. R. I. 505. — Ein vor jenem Zeitpunkt gestellter Strafantrag ist wirkungslos. E. I. 44. R. I. 180.

§ 173. (L.) Der Beischlaf' zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie2 wird an den ersteren mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, an den letzteren mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Der Beischlaf zwischen Verschwägerten auf- und absteigender Linie, sowie zwischen Geschwistern wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.

Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte er­ kannt werden.

Verwandte und Verschwägerte absteigender Linie bleiben straflos, wenn sie das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet haben. 1 Nur dieser, nicht auch sonstige unzüchtige Handlungen. E. III. 64. N. II. 565. 2 ,,Verwandte auf- u. absteigender Linie" begreift auch die uneheliche Verwandtschaft. E. II. 239. R. II. 223. 3 Verschwägerte sind Schwieger- und Sticf-Eltern und -Kinder — auch nach Auflösung der betr. Ehe. R. I. 548.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 174—177.

223

§ 174. (L.) Mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren werden bestraft: 1) Vormünder, welche mit ihren Pflegebefohlenen, Adoptiv- und Pflege­ eltern, welche mit ihren Kindern, Geistliche, Lehrer und Erzieher, welche mit ihren minderjährigen Schülern oder Zöglingen unzüchtige Hand­ lungen vornehmen; 2) Beamte, die mit Personen, gegen welche sie eine Untersuchung zu führen haben oder welche ihrer Obhut anvertraut sind, unzüchtige Handlungen vornehmen; 3) Beamte,1 Aerzte oder andere Mcdizinalpersoncn, welche in Gefängnissen oder in öffentlichen, zur Pflege von Kranken, Armen oder anderen Hülflosen bestimmten Anstalten beschäftigt oder angestellt sind, wenn sie mit den in das Gefängniß oder in die Anstalt aufgenommenen Personen unzüchtige Handlungen vornehmen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 1 Beamte sind hier nicht bloß die im § 359 Genannten, sondern auch andere Angestellte; die amtliche Ucbersetzung für Elsaß-Lothringen überträgt danach frei, aber richtig „les fonctionnaires, employ6s, mödecins etc.

§ 175. (L.) Die widernatürliche Unzucht,1 welche zwischen Personen männ­ lichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 1 ,.Widernatürliche Unzucht" begreift nur ..bcischlafähnliche" Handlungen (sodomia ratione sexus und rat. generis: Päderastie, Bestialität) und ist eingeschränkter als der Begriff: „unzüchtige Handlungen" in den §§ 174, 176. E. I. 896, II. 237. R. I. 652, 662, II. 220. — Bestialität: E. III. 200. N. I. 723, III. 113.

§ 176.1 Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1) (Sw.) mit Gewalt unzüchtige Handlungen an einer Frauensperson vor­ nimmt oder dieselbe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung unzüchtiger Handlungen nöthigt; 2) (Sw.) eine in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande befindliche oder eine geisteskranke Frauensperson zum außerehelichen Beischlafe miß­ braucht, oder 3) (L.) mit Personen unter vierzehn Jahren unzüchtige Handlungen vor­ nimmt oder dieselben zur Verübung oder Duldung unzüchtiger Hand­ lungen verleitet. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.2 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25). 2 Das Erforderns des Antrags ist durch G. v. 26./2. 76 beseitigt.

§ 177.1 (Sw.) Mit Zuchthaus wird bestraft, wer durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine Frauensperson zur Duldung des außerehelichen Beischlafs nöthigt, oder wer eine Frauensperson zum außerehelichen Bcischlafe mißbraucht, nachdem er sie zu diesem Zwecke in einen willenlosen oder bewußtlosen Zustand versetzt hat.2 Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25). 2 § 177 hebt aus der allgemeinern Bestimmung des § 176 Nr. 1 den gemeinrechtlichen Begriff der „Nothzucht" hervor. — Das Erfordcrniß des Antrags ist durch G. v. 26./2. 76 beseitigt. — Immissio seminis nicht erforderlich. — Nothzucht auch an Kindern. R. III. 144. E. IV. 23.

224

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 178—183.

§ 178.1 (Sw.) Ist durch eine der in den §§ 176 und 177 bezeichneten Hand­ lungen der Tod der verletzten Person verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Dl. 25).

§ 179. (L.) Wer eine Frauensperson zur Gestaltung des Beischlafs dadurch verleitet, daß er eine Trauung vorspiegelt, oder einen anderen Irrthum in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen hielt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gesängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.

§ 180. (L.) Wer gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz durch seine Ver­ mittelung oder durch Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit der Uit^udit1 Vorschub leistet,2 wird wegen Kuppelei mit Gefängniß bestraft; auch kann auf Ver­ lust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.3 1 Unzucht im Sinne des § 180 ist nicht bloß Beischlaf. O.N. XIII. 437. 2 Halten eines Bordells selbst mit polizeilicher Gestattung ist strafbar. E. I. 88. R. I. 291. Vermiethen von Wohnungen an Frauenspersonen: N. I. 630, 828. 3 Auf Zul. von Polizeiaufsicht, nicht aber auf Verlust d. E. kann crkanut werden, wenn die Gcfangnißstrafe 3 Monate nicht erreicht. §§ 32, 38. N. II. 132.

§ 181. (L.) Die Kuppelei ist, selbst wenn sie weder gewohnheitsmäßig noch aus Eigennutz betrieben wird, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wenn 1) um der Unzucht Vorschub zu leisten, hinterlistige Kunstgriffe angewendet worden sind, oder 2) der Schuldige zu den Personen, mit welchen die Unzucht getrieben worden ist, in dem Verhältniß von ©ttern1 zu Kindern, von Vormündern zu Pflegebefohlenen, von Geistlichen, Lehrern oder Erziehern zu den von ihnen zu unterrichtenden oder zu erziehenden Personen steht. Neben der Zuchthausstrafe ist2 der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte aus­ zusprechen; auch kann auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. 1 Eltern sind auch Stiefeltern. O.R. XVIII. 200. 2 Wegen des obligatorischen Ehrverlustes vgl. Anm. 2 zu § 161.

§ 182. (L.) Wer ein unbescholtenes Mädchen, welches das sechszehnte Lebens­ jahr nicht vollendet hat, zum Beischlafe verführt/ wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern2 oder des Vormundes der Verführten ein. 1 ,,Verführung" auch bei mangelndem Bewußtsein des Mädchens, warum es sich handelt. III. 168. 2 Antragsberechtigt ist auch die uneheliche Mutter. E. III. 89. R. II. 614.

R.

§ 183.1 (L. bzw. A.) Wer durch eine unzüchtige Handlung2 öffentlich ein Aergerniß gibt,3 wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark bestraft. Neben der Gefängnißstrase kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte

erkannt werden. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25). 2 Nach Ansicht des Reichsgerichts auch Aeußerungen umfassend.

E. IV. 130.

N. III. 273.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 184—187.

225

3 Nach Ansicht des Reichsgerichts erforderlich, daß Jenrand wirklich Aergerniß genommen habe.

E. II. 196.

R. II. 183, 273. (?)

§ 184. (L. bzw. A.) Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen verkauft, vertheilt oder sonst verbreitet, oder an Orten, welche dem Publikum zu­ gänglich sind, ausstellt oder anschlägt,1 wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. * 1 Wegen Ankündigung unzüchtiger Verkaufs-Artikel

N. I. 149 und Annoncen

überhaupt

N.

III. 165. 2 Vgl. §§ 41, 42 u. Prcßg. § 23 Nr. 3. Die Einziehung (§§ 41, 42) unzüchtiger Schriften und Abbildungen ist auch ohne ein Zuwiderhandeln gegen § 184 zulässig. E. IV. 87. III. 60.

Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung. Beleidigungen — soweit die Verfolgung nur auf Antrag (§§ 194, 197) eintritt — können im Wege der Privat klage verfolgt werden (St.P.O. § 414 u. G.V.G. § 27 Nr. 3), wobei mit Ausnahme des § 196 vorgängiger Sühneversuch nöthig ist (St.P.O. § 420); öffcntl. Klage wird (mit Aus­ nahme des § 197 nur aus Antrag des Beleidigten § 194 bzl. 189) bloß erhoben, wenn ein öffentl. Interesse vorlicgt (St.P.O. § 416). Zuständig ist im Falle der Privatklage das Schöffengericht (G.V.G. § 27 Nr. 3), im Fall der öffentl. Klage das Landgericht, welchem nach G.V.G. § 75 Nr. 4 (außer § 197) die Ucberweis. an d. Schöffengcr. überlassen ist.

§ 185. (L. bzw. A.) Die Beleidigung * wird mit Geldstrafe bis zu sechs­ hundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn die Beleidigung mittels einer Thätlichkeit begangen wird, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.2 1 Die Absicht zu beleidigen ist nicht erforderlich, es genügt das Bewußtsein der Ehrverletzung mit Ausnahme der Fälle des § 193. N. 1.116. — Ob bei Beleidigung Mehrerer durch eine zusammen­ hängende (schriftl. ob. mündl.) Aeußerung mehrere Beleidigungen (oder nur eine) vorliegen, ist That­ frage. R. III. 26. E. III. 433. In ein und denselben Worten kann nur eine Beleidigung gefunden werden. N. III. 485. Liegt nur eine vor, so regelt St.P.O. § 415 die Befugnis; der mehreren Ver­ letzten zur Strafverfolgung. E. III. 363. N. III. 74. — Beleidigung juristischer Personen und sonstiger Kollektivbegriffe (abgesehen von § 196, § 197 und der Kreditgefährdung in § 187) nur soweit die darunter fallenden einzelnen Personen beleidigt sind. E. III. 246, IV. 75. R. II. 701. Vgl. R. I. 292 (Richterstand). E. I. 178. R. I. 302 (Firma). 2 Vgl. §§ 192—200, 233.

§ 186. (L. bzw. A.) Wer in Beziehung auf einen Anderen1 eine Thatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffent­ lichen Meinung herabzuwürdigen 2 geeignet ist, wird, wenn nicht diese Thatsache erweislich wahr ist,3 wegen Beleidigung mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn die Beleidigung öffentlich4 oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen ist, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefäng­ niß bis zu zwei Jahren bestraft.3 1 Daher erforderlich, Dritten gegenüber. R. I. 14. E. IV. 401. 2 Nicht auch, den Kredit zu gefährden; nur § 187. Vgl. jedoch auch E. II. 309. 3 Vgl. §§ 190,192. Das Fürwahrhalten der behaupteten Thatsachen, auch der Glaube der Erweis­ barkeit macht nicht straflos. R. I. HO. 4 ANM. 1 zu § HO. » Vgl. §§ 188, 190-200, 233.

§ 187. (L. bzw. A.) Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen Linderen eine unwahre Thatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben ver­ ächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden4 geeignet ist, wird wegen verleumderischer Beleidigung mit Gefängniß bis zu zwei Jahren und, wenn die Verleumdung öffentlich oder durch

Hellweg und Arndt, Strafgesetzgebung.

15

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

226

§§ 188—193.

Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen ist, mit Ge­ fängniß nicht unter Einem Monat bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf Einen Tag Gefängniß ermäßigt, oder auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden. ? 1 Auch Aktien- und Handelsgesellschaften steht wegen verleumderischer Kreditgefährdung eine Klage zu.

G.A. XXV. 218.

2 Vgl. §§ 188, 193, 194-200.

§ 188. In den Fällen der §§ 186 und 1871 kann auf Verlangen des Be­ leidigten, wenn die Beleidigung nachthcilige Folgen für die Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringt, neben der Strafe auf eine an den Beleidigten zu erlegende Buße bis zum Betrage von sechs­ tausend Mark erkannt werden.2 Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungs­ anspruches aus. 1 Vgl. § 231 11. G. v. 11./6. 70 (B.G.Bl. 339) (Nachdruck) § 18, G. v. 30./11. 74 (N.G.Bl. 143) (Markenschutz) § 15 11. die Gesetze v. 9./1., 10./1., 11./1. 76 (N.G.Bl. 4, 8,11) § 16, bezl. 9, 14 (Plastik, Photogr., Muster u. Modelle- u. v. 25./5. 77 (N.G.Bl. 501) § 36 (Patente). 2 Wegen des Verfahrens vgl. St.P.O. §§ 443—446.

§ 189. (L. bzw. A.) Wer das Andenken eines Verstorbenen dadurch be­ schimpft, daß er wider besseres Wissen eine unwahre Thatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben bei seinen Lebzeiten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet gewesen wäre, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann aus Geldstrafe bis zu neun­ hundert Mark erkannt werden. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern, der Kinder oder des Ehe­ gatten des Verstorbenen ein.

§ 190. Ist die behauptete oder verbreitete Thatsache eine strafbare Handlung, so ist der Beweis der Wahrheit als erbracht anzusehen, wenn der Beleidigte wegen dieser Handlung rechtskräftig verurtheilt worden ist. Der Beweis der Wahrheit ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Beleidigte wegen dieser Handlung vor der Behauptung oder Verbreitung rechtskräftig sreigesprochen worden ist. § 191 Ist wegen der strafbaren Handlung zum Zwecke der Herbeiführung eines Strafverfahrens bei der Behörde Anzeige gemacht, so ist bis zu dem Beschlusse, daß die Eröffnung der Untersuchung nicht stattfinde, oder bis zur Beendigung der eingeleiteten Untersuchung mit dem Verfahren und der Entscheidung über die Be­

leidigung inne zu halten.1 1 Wegen der Verjährung vgl. § 69.

§ 192. Der Beweis der Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Thatsache schließt die Bestrafung nach Vorschrift des § 185 nicht aus, wenn das Vorhanden­ sein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.1 1 Der Beweis der Wahrheit ist nicht abzuschneiden, wenn auch eine Beleidigung aus § 185 schon

feststeht.

E. I. 260.

R. I. 339.

§ 193. Tadelnde Urtheile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, ingleichen Aeußerungen, welche zur Ausführung oder Vertheidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen1 gemacht werden,

15.

Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 194—200.

227

sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienst­ liche Anzeigen oder Urtheile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung2 aus der Form der Aeußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.3 1 Nicht bloß des Aeußernden. E. I. 128, II. 251, V. 121 N. I. 171. Vgl. auch E. 1.19, III. 303. R. I. 89 (Veröffentlichung gerichtlicher Urtheile). 2 Hier die Absicht, nicht blos; das Bewußtsein der Beleidigung erforderlich. E. I. 317, III. 328. N. I. 475. Feststellung nach dem Wortlaut des Gesetzes genügend. E. I. 400. 3 Im Falle des § 187 (Verleumderische Beleidigung) ist der § 193 nicht unbedingt ausgeschlossen. (£. V. 56. Wohl aber int Fall der Majestätsbcleidigung. E. V. 46.

§ 194.1 Die Verfolgung einer Beleidigung tritt nur auf Antrag ein.2 Zurücknahme des Antrages (§§ 185 bis 193) ist zulässig. 3

Die

1 Fassung des G. v. 20./2. 76 (N.G.Bl. 25). 2 Vgl. jedoch § 197. 3 Der Antrag kamt nach § 64 nur bis zur Verkündigung eines auf Strafe lautenden Urtheils zurück­ genommen werden. Die Privat!läge (§§ 414 ff. St.P.O.) wegen Beleidigung kann nach St.P.O. § 431 bis zur Verkündigung des Urtheils 2. Instanz zurückgenontmen werden, vgl. oben Anm. 5 zu § 64. — Bedingte oder beschränkte Zurücknahme ist unwirksam. G.A. XXI. 500.

§ 195. Siud Ehefrauen oder unter väterlicher Gewalt stehende Kinder be­ leidigt worden, so haben sowohl die Beleidigten, als deren Ehemänner und Väter1 das Recht, auf Bestrafung anzutragcn.2 1 Auch nach dem Tode der Ehefrau bzl. des Kindes.

E. I. 29.

2 Vgl. § 65.

§ 196. Wenn die Beleidigung gegen eine Behörde, einen Beamten/ einen Religionsdiener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während sie in der Ausübung ihres Berufes begriffen sind, oder in Beziehung auf ihren Beruf be­ gangen ist, so haben außer den unmittelbar Betheiligtcn auch deren amtliche Vor­ gesetzte2 das Recht, den Strafantrag zu stellen. 1 Beamter? vgl. § 359, St.P.O. § 420. 2 ,,Amtliche Vorgesetzte" E. IV. 220, Landgerichtspräsidcnt N. II. 686.

§ 197. (L.) Eines Antrages bedarf cs nicht, wenn die Beleidigung gegen eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaats, oder gegen eine andere politische Körperschaft begangen worden ist. Dieselbe darf jedoch nur mit Ermächtigung der beleidigten Körperschaft verfolgt werden. § 198. Ist bei wechselseitigen 1 Beleidigungen von einem Theile auf Bestra­ fung angetragen worden, so ist der andere Theil bei Verlust seines Rechts ver­ pflichtet, den Antrag auf Bestrafung spätestens vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz zu stellen, hierzu aber auch dann berechtigt, wenn zu jenem Zeit­ punkte die dreimonatliche Frist bereits abgelaufen ist.2 1 Wechselseitige Beleidigungen sind nicht bloß die auf der Stelle erwiderten (§ 199), sie brauchen auch einen that- oder ursächlichen Zusammenhang nicht zu haben. E. II. 87. Nach St.P.O. § 428 ist die Widerklage bis zur Beendigung der Schluhvorträge in I. Instanz zulässig. 2 Vgl. § 232.

§ 199. Wenn eine Beleidigung * auf der Stelle2 erwidert wird, so kann der Richter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären/ 1 Nicht eine nach § 193 straflose. E. II. 181. Nicht eines Abgeordneten gegen eine Privatperson. Vgl. Anm. 2 zu § 11. — Ueber Kompensation von Beleidigungen mit leichten Körperverletzungen vgl. § 233. 2 ,,Auf der Stelle" bezieht sich nicht auf den Ort. G.A. XXL 539. Annal. I. 552. 3 Wegen der Kosten vgl. St.P.O. § 500.

§ 200.1 Wird wegen einer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder Abbildungen begangenen Beleidigung auf Strafe erkannt, so 15*

228

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 201—207.

ist zugleich dem Beleidigten die Befugniß zuzusprcchcn, die Vcrurtheilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben ist in dem Urtheile zu bestimmen. ? Erfolgte die Beleidigung in einer Zeitung oder Zeitschrift, so ist der ver­ fügende Theil des Urtheils auf Antrag des Beleidigten durch die öffentlichen Blätter bekannt zu machen, und zwar wenn möglich durch dieselbe Zeitung oder Zeitschrift und in demselben Theile und mit derselben Schrift, wie der Abdruck der Beleidigung geschehen.3 Dem Beleidigten ist auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urtheils zu ertheilen. § 1 Fassung deS G. v. 26./2. 76 sR.G.Bl. 25). 2 Diese Vcfugniß muß ohne Antrag im Urtheilstenor ausgesprochen werden. — Tic Bekannt­ machung erfolgt — abgesehen vom Falle des Abs. 2 — nicht von Amtswegcn, auch nicht im Falle des § 196. 3 Hier bedarf es der näheren Festsetzung im Urtheil nicht. Der Antrag ist noch im Vollstreckungsverfahren zulässig; vgl. R. I. 598. Tic 5t o ft c n trägt (vorschußweise) der Antragsteller. Aus bffeutlichcu Fonds (Krimiualfonds) können die Sloftcn nur, wenn im Falle deS § 196 der Strafantrag von dem amtlichen Bvrgcsctztcn gestellt ist, vorgeschosscn werden. Vgl. auch Prcßg. § 11. 4 Die Ausfertigung muß in allen Fällen der (öffentlichen oder nicht öffentlichen) Beleidigung — ohne Antrag — ertheilt werden. O.N. XVII. 254. G.A. XXIV. 227.

Funszrhliter Abschnitt. Zweikampf. Die nachstehenden Bestimmungen auch auf Studcutcn-Tuclle anwendbar. E. I. 443. Vgl. Anm. 2 zu § 2 E.G. — Duelle der Militärpcrsoneu: M.St.G.V. 112, 113.

N. II. 14.

§ 201. (L.) Die Herausforderung zum Zweikampf mit tödlichen Waffen, sowie die Annahme einer solchen Herausforderung wird mit Festungshaft bis zu sechs Monaten bestraft. § 202. (L.) Festungshaft von zwei Monaten bis zu zwei Jahren tritt ein, wenn bei der Herausforderung die Absicht, daß einer von beiden Theilen das Leben verlieren soll, entweder ausgesprochen ist oder aus der gewählten Art des Zweikampfs erhellt. § 203. (L.) Diejenigen, welche den Auftrag zu einer Herausforderung über­ nehmen und ausrichten (Kartcltträger), werden mit Festungshaft bis zu sechs Monaten bestraft. § 204. Die Strafe der Herausforderung und der Annahme derselben, sowie die Strafe der Kartellträgcr fällt weg, wenn die Parteien den Zweikampf vor dessen Beginn freiwillig aufgegcbcn habend 1 Nebenfrage: St.P.O. § 295 Abs. 2.

§ 205. (L.) Der Zweikamps1 wird mit Festungshaft von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 408.

1 Vollendung, wenn auch erst der eine Theil eilte kämpfende Thätigkeit entwickelt hat. N. III. 508.

E. IV.

§ 206. (Sw.) Wer seinen Gegner im Zweikampf tödtet, wird mit Festungs­ haft nicht unter zwei Jahren, und wenn der Zweikampf ein solcher war, welcher den Tod des einen von Beiden herbeisührcn sollte, mit Festungshaft nicht unter drei Jahren bestraft. § 207. Ist eine Tödtung oder Körperverletzung mittels vorsätzlicher Uebertretung der vereinbarten oder hergebrachten Regeln des Zweikampfs bewirkt worden, so ist der Uebertrcter, sofern nicht nach den vorhergehenden Bestimmungen eine

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 208—217.

229

härtere Strafe verwirkt ist, nach den allgemeinen Vorschriften über das Verbrechen der Tödtung oder der Körperverletzung zu bestrafen.

§ 208.1 (Sw.) Hat der Zweikampf ohne Sekundanten stattgefunden, so kann die verwirkte Strafe bis um die Hälfte, jedoch nicht über fünfzehn Jahre erhöht werden. 1 Fassung de? G. v. 2G./2. 76 (R.G.Bl. 25).

§ 209. Kartellträger, welche ernstlich bemüht gewesen sind, den Zweikampf zu verhindern, Sekundanten, sowie zum Zweikampf zugezogene Zeugen, Aerzte und Wundärzte sind straflos. § 210. (L.) Wer einen Anderen zum Zweikampf mit einem Dritten ab­ sichtlich, insonderheit durch Bezeigung oder Androhung von Verachtung anreizt, wird, falls der Zweikampf stattgefunden hat, mit Gefängniß nicht unter drei Mo­ naten bestraft.

Lechszehnter Abschnitt. Zerbrechen und Vergehen wider das Leven. § 211. (Sw.) Wer vorsätzlich einen Menschen1 tobtet, wird, wenn er die Tödtung mit Ueberlegung ausgesührt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft. 446.

1 Beginn der Eigenschaft eines solchen nicht erst nach völliger Trennung von der Mutter. N. II. 41. 2 Vgl. §§ 216, 217, 80, 206.

E. I.

§ 212. (Sw.) Wer vorsätzlich einen Menschen tobtet, wird, wenn er die Tödtung nicht mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Todtschlages mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.1 1 Vgl. §§ 213—215.

§ 213. War der Todtschlüger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen1 zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem Getödteten zum Zorne gereizt und hierdurch auf der Stelle zur That hingerissen worden, oder sind andere mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gesängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. 1 § 52 Abs. 2.

§ 214. (Sw.) Wer bei Unternehmung einer strafbaren Handlung, um ein der Ausführung derselben entgegentretendes Hinderniß zu beseitigen oder um sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen, vorsätzlich einen Menschen tobtet, wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.

§ 215. (Sw.) Der Todtschlag an einem Verwandten aufsteigender Linie wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.1 1 Vgl. § 212 und wegen des Thcilnchmers § 50.

§ 216. (L.) Ist Jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getödteten zur Tödtung bestimmt worden, so ist auf Gefängniß nicht unter drei Jahren zu erkennen.

§ 217. (Sw.) Eine Mutier, welche ihr uneheliches Kind in oder gleich nach der Geburt vorsätzlich tobtet,1 wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

230

§§ 218—222.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter zwei Jahren ein. 1 § 211 u. § 212. Theilnehmer nach § 50 als Mörder bzl. Todtschläqer zu strafen. Die Mutter auch im Fall bloßer Theilnahme nach § 217 zu strafen. E. II. 153.

R. III. 93.

§ 218. (L.) Eine Schwangere, welche ihre Frucht vorsätzlich abtreibt1 oder im Mutterleibe tödtet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gesängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Dieselben Strafvorschriften finden auf denjenigen Anwendung, welcher mit Einwilligung der Schwangeren? die Mittel zu der Abtreibung oder Tödtung bei ihr angewendct^ oder ihr beigebracht hat.^ 1 mit dem Vorsatz und Erfolg der Tödtung der Frucht. E. IV. 380. 2 Sie selbst alsdann regelmäßig nach Abs. 1 strafbar. E. I. 263. N. I. 394. Ihre Straflosigkeit schließt aber eine Bestrafung nach Abf. 3 nicht aus. E. I. 350. N. I. 568. 3 Andere Handlungen, z. B. bloßes Verschaffen, als Beihülfe zu Abs. 1 strafbar. E. 1.194, 270. R. I. 326, 450. 4 Nach Ansicht des Reichsgerichts Abs. 3 nur anwendbar im Fall wirklich erfolgter Abtreibung. Versuch nach Abs. 3 daher nicht möglich und nur als Beihülfe nach Abs. 1 strafbar. E. I. 350, III. 162, IV. 302. N. I. 568.

§ 219. (Sw.) Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer einer Schwangeren, welche ihre Frucht abgetrieben oder gelobtet f)at,1 gegen Entgelt die Mittel hierzu verschafft, bei ihr angewendet oder ihr beigebracht hat. 1 Erfolg daher Voraussetzung des § 219. Versuch nur als Beihülfe zu § 218 Abs. 1 strafbar. E. I. 194, 350, III. 162, IV. 302. N. I. 326, 568. — Nicht erforderlich, daß die Schwangere selbst Thäterin. E. I. 350. R. I. 568.

§ 220. (Sw.) Wer die Leibesfrucht einer Schwangeren ohne deren Wissen oder Willen vorsätzlich abtreibt oder tobtet, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft.

Ist durch die Handlung der Tod der Schwangeren verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. § 221. (L.) Wer eine wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder Krank­ heit hülflose Person aussetzt, oder wer eine solche Person, wenn dieselbe unter seiner Obhut steht oder wenn er für die Unterbringung, Fortschaffung oder Auf­ nahme derselben zu sorgen hat, in hülfloser Lage vorsätzlich verläßt, wird mit Ge­ fängniß nicht unter drei Monaten bestraft.

Wird die Handlung von leiblichen Eltern gegen ihr Kind begangen, so tritt Gesängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. (Sw.) Ist durch die Handlung eine schwere1 Körperverletzung der ausgesetzten oder verlassenen Person verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden ist, Zuchthaus­ strafe nicht unter drei Jahren ein. 1 § 224.

§ 222. (L.) Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen setzte, ver­ möge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet nmr,1 so kann die Strafe bis auf fünf Jahre Gefängniß erhöht werden. 1 Vgl. Gewerbeordn. § 120 Abs. 3.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 223—227.

231

Liebenzehnter Abschnitt. Körperverletzung. Körperverletzungen sind vorsätzliche (§§ 223—229) oder fahrlässige (§ 230). — Das St.G.B. unterscheidet (bezüglich der vorsätzlichen Körperverletzungen) : leichte (§ 223 Abs. 1 u. 2), quäl ifizirt (§ 223 a.), schwere (§ 224). — Leichte vorsätzliche und alle fahrlässigen Körperverletzungen (mit der im § 232 bestimmten Ausnahme) sind nur auf Antrag zu verfolgen und können im Wege der Privatklage verfolgt werden (St.P.O. §§ 414 ff.); wobei vorgängiger Sühneversuch nicht erforderlich ist (St.P.O. § 420). Oeffentliche Klage wird bei diesen Körperverletzungen nur erhoben, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt (St.P.O. § 416). Zuständig ist im Falle der Privatklage das Schöffengericht (G.V.G. § 27 Nr. 3), im Falle der öffent­ lichen Klage das Landgericht, welchem für die nur auf Antrag zu verfolgenden Körperverletzungen (§ 232) und für die qualifizirten (§ 223a.) die Ueberweisung an das Amtsgericht freisteht. (G.V.G. § 75 Nr. 4 u. 5.)

§ 223.1 (L. bzw. A.) Wer vorsätzlich einen Anderen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, * wird wegen Körperverletzung mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft. Ist die Handlung gegen Verwandle aufsteigender Linie begangen, so ist auf Gefängniß nicht unter Einem Monat3 zu erkennen. 1 2 E. II. E. II. 3 4

Fassung des G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25). Widerrcchtlichkeit vorausgesetzt. Vgl. E. II. 10. R. I. 593 (Züchtigungsrecht der Lehrer) und 7. N. I. 573 (Dienstherrschaft). Einwilligung des Verletzten schließt die Strafbarkeit nicht aus. 442. N. II. 521. Vgl. jedoch im Fall mildernder Umstände § 228. Wegen Buße, Antrages u. s. w. vgl. §§ 231—233. Beamte: § 340.

§ 223 a.1 (L. bzw. A.) Ist die Körperverletzung mittels einer Waffe, ins­ besondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen2 Werkzeuges, oder mittels eines hinterlistigen Ueberfalls,3 oder von Mehreren gemeinschaftlich, oder mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung * begangen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter zwei Monaten6 ein.6 7 1 Eingeschaltet durch G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25). 2 Nach objektiver Beschaffenheit und Art des Gebrauchs. E. IV. 397. Bewußtsein des Thäters von der Gefährlichkeit nicht erforderlich. E. II. 278. 3 Auch aus dem subjektiven Gesichtspunkt des Thäters zu prüfen. E. II. 74. R. I. 844. 4 Nur objektiv zu prüfen; übrigens nicht Erfolg, sondern die „Behandlung" maßgebend. E. II. 106, 278. R. II. 68, 271. 5 Vgl. jedoch im Fall mildernder Umstände § 228. 6 Antrag nicht erforderlich. § 232. R. I. 442. 7 Vgl. § 367 Nr. 10.

§ 224. (L.) Hat die Körperverletzung zur Folge/ daß der Verletzte ein wichtiges Glied des Körpers, das Sehvermögen auf einem oder beiden Augen, das Gehör, die Sprache oder die Zeugungsfähigkeit verliert, oder in erheblicher Weise dauernd entstellt wird, oder in Siechthum, Lähmung oder Geisteskrankheit verfällt, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu erkennen/ 1 wenn auch diese vom Thäter nicht vorausgesehen werden konnte. E. V. 29. 2 Wegen mildernder Umstände vgl. § 228 und wegen Buße § 231.

§ 225. (Sw.) War eine der vorbezeichneten Folgen beabsichtigt und einge­ treten, so ist auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen. § 226. (Sw.) Ist durch die Körperverletzung der Tod des Verletzten verur­ sacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder Gefängniß nicht unter drei Jahren zu erkennend 1 Wegen mildernder Umstände vgl. § 228 und wegen Buße § 231.

§ 227. (L.)

Ist durch eine Schlägerei oder durch einen von Mehreren ge-

232

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 228—232.

machten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) verursacht worden, so ist Jeder, welcher sich an der Schlägerei oder dem Angriffe beiheiligt hat, schon wegen dieser $6^1119^9 1 mit Gefängniß bis zu drei Jahren zu bestrafen, falls er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist. Ist eine der vorbezeichneten Folgen mehreren Verletzungen zuzuschreibcn, welche dieselbe nicht einzeln, sondern nur durch ihr Zusammentreffen verursacht haben, so ist Jeder, welchem eine dieser Verletzungen zu Last fällt, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestreifen.3 1 Sollte auch der Tod ober die Körperverletzung zu einer Zeit, als er nicht betheiligt war, ver­ ursacht sein. Vgl. E. III. 236. 2 Vgl. § 367 Nr. 10. 3 Vgl. wegen mildernder Umstände § 228.

§ 228.1 Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist in den Fällen des § 223 Absatz 2 und des § 223 a auf Gefängniß bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Mark, in den Fällen der §§ 224 und 227 Absatz 2 auf Gefängniß nicht unter Einem Monat, und im Falle des § 226 aus Gefängniß nicht unter drei Monaten zu erkennen. 1 Fassung des G. v. 26.,2. 76 (N.G.Bl. 25).

§ 229. (Sw.) Wer vorsätzlich einem Anderen, um dessen Gesundheit zu be­ schädigen, Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Ist durch die Handlung eine schwere1 Körperverletzung verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden, aus Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder auf lebensläng­ liches Zuchthaus zu erkennen. * § 224.

§ 230. (L. bzw. A.) Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines Anderen verursacht, wird mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark oder mit Gesängniß bis zu zwei Jahren bestrafte (L.) War der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet, so kann die Strafe aus drei Jahre Gefängniß erhöht werden. 1 Wegen des erforderlichen Antrags und der Privatklage vgl. § 232. — Aberratio ictua: E. II. 335, III. 384. R. III. 46.

§ 231. In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des Ver­ letzten neben der Strafe auf eine an denselben zu erlegende Buße bis zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungs­

anspruches aus.1 Für diese Buße hasten die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner. 1 Vgl. § 188. — Vgl. St.P.O. §§ 443-446.

§ 232.1 Die Verfolgung leichter vorsätzlicher, sowie aller durch Fahrlässigkeit verursachter Körperverletzungen (§§ 223, 230) tritt nur auf Antrags ein, insofern nicht die Körperverletzung mit Uebertretung einer Amts-, Beruss- oder Gewerbs­ pflicht begangen worden ist.

Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen3 verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig.

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 233—239.

233

Die in den §§ 195, 196 und 198 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (R.G.Bl. 25). 2 Bei wechselseitigen Körperverletzungen (vgl. § 198) ist die Erhebung der Widerklage nach § 428

St.P.O. bis zur Beendigung der Schlußvorträgc in 1. Instanz zulässig. — Auf den Fall, wo Körper­ verletzung und Beleidigung einander gegeniiberstehen, ist der § 198 (anscheinend aus Versehen) nicht ausgedehnt. 3 § 52 Abs. 2.

§ 233. Wenn leichte Körperverletzungen mit solchen, Beleidigungen mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit ersteren auf der Stelle erwidert werden, so kann der Richter für beide Angeschuldigte, oder für einen derselben eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt feine Strafe eintreten lassen.1 1 Vgl. § 199; im Falle des § 223a. findet keine Aufrechnung statt. N. I. 23.

Achtzehnter Abschnitt. Werörechen und Vergehen wider die persönliche Kreiheit.

§ 234. (Sw.) Wer sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, um ihn in hülfloser Lage auszusetzen oder in Sklaverei, Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste zu bringen, wird wegen Menschen­ raubes mit Zuchthaus bestraft. § 235. (L.) Wer eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Ge­ walt ihren Eltern oder ihrem Vormunde entzieht, wird mit Gefängniß und, (Sw.) wenn die Handlung in der Absicht geschieht, die Person zum Betteln oder zu ge­ winnsüchtigen oder unsittlichen Zwecken oder Beschäftigungen zu gebrauchen, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. § 236. (Sw.) Wer eine Frauensperson wider ihren Witten durch List, Dro­ hung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn die Entführung begangen wurde, um die Ent­ führte zur Ehe zu bringen, mit Gefängniß bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.1 1 93gL § 238.

§ 237. (L.) Wer eine minderjährige, unverehelichte Frauensperson mit ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes, entführt, um sie zur Uuzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.1 1 Vgl. § 238.

§ 238. Hat der Entführer die Entführte geheirathet, so findet die Verfolgung nur statt, nachdem die Ehe für ungültig erklärt worden ist. 1 Vgl. §§ 236, 237, 69.

§ 239. (L.) Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise des Gebrauches der persönlichen Freiheit beraubt, wird mit Ge­ fängniß bestraft. (Sw.) Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder wenn eine schwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden ist, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände

vorhanden, so tritt Gefüngnißstrafe nicht unter Einem Monat ein.

234

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§§ 240—243.

(Sw.) Ist der Tod des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein.1 1 Vgl. § 341.

§ 240.1 (L.) Wer einen Anderen widerrechtlich * durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geld­ strafe bis zu sechshundert Mark bestraft. Der Versuch ist strafbar? 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (N.G.Bl. 25). 2 Wenn nur die Anwendung der Gewalt oder Bedrohung widerrechtlich; daß auch das Nöthigen selbst widerrechtlich, ist nicht erforderlich. E. I. 5, II. 286, III. 179. N. I. 9, 173, II. 699. Ersteres ausgeschlossen bei Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs. E. III. 222. R. II. 725. 3 Nur gegen die Person, nicht auch, wenn ausschließlich gegen Sachen. E. III. 179. N. II. 699. ,,Gewalt" umfaßt übrigens auch vis absoluta. E. IV. 429. 4 Vgl. §§ 114, 126, 241, 253, 254, 339; Gew.O. § 153. G. v. 26./2. 76 beseitigt.

R. III. 526. Das Erforderniß des Antrags ist durch

§ 241.1 (L. bzw. A.) Wer einen Anderen mit der Begehung eines Verbrechens 2 bedroht,wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft/ 1 Fassung des G. v. 26./2. 76 (G.G.Bl. 25). 2 § 1 Abs. 1. 3 Tie Drohung muß an sich geeignet sein, Furcht zu erwecke», und der Thäter dies beabsichtigt haben. Daß die Furcht beim Bedrohten wirklich cingetrcten, und daß die Verwirklichung der Trohung

beabsichtigt, ist nicht erforderlich. E. IV. 10. R. III. 73. 4 Vgl. §§ 126, 240, 253, 254. — Das Erfordernis; des Antrags ist durch G. v. 26./2. 76 beseitigt.

Neunzehnter Abschnitt. Aievstahl und Unterschlagung. Wcgcu Zulässigkeit des Verlustes der Ehrenrechte und der Stellung unter Polizeiaufsicht vgl. § 248. — Wegen gewisser leichterer Entwendungen vgl. § 370 Nr. 2, 5 (u. 6). Forst- und Feld­

diebstähle: vgl. E.G. § 2.

Preus;. G. v. 15./4. 78 (G.S. 222) u. 1./4. 80 (G.S. 230).

§ 242.1 (L. bzw. A.) Wer eine fremde bewegliche Sache 2 einem Anderen

in der Absicht wegnimmt,dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen,wird wegen Dieb­

stahls mit Gefängniß bestraft? Der Versuch ist strafbar. 1 Einfacher Diebstahl, vgl. § 244.

2 Auch z. B. Leuchtgas.

R. III. 14.

3 Diebstahl der Ehefrau in Gütergemeinschaft: E. IV. 83. R. III. 222. 4 Vollendung: vgl. R. II. 660. 5 Die Wegnahme von Sachen, um sich für eine begründete Geldforderung bezahlt zu machen, ist Diebstahl, nicht aber von Geld.

E. I. 193, II. 184.

R. II. 73.

0 Vgl. §§ 244, 247 u. Anm. zur Ueberschrift.

§ 243.1 (L.) Auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn 1) aus einem zum Gottesdienste bestimmten Gebäude Gegenstände gestohlen

werden, welche dem Gottesdienste gewidmet sind; 2) aus einem Gebäude oder umschlossenen Raume2 mittels Einbruchs,Ein­

steigens * oder Erbrechens von Behältnissen gestohlen wird; 3) der Diebstahl dadurch bewirkt wird, daß zur Eröffnung eines Gebäudes oder der Zugänge eines umschlossenen Raumes,2 oder zur Eröffnung der im Innern befindlichen Thüren oder Behältnisse falsche Schlüssel

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

§ 244.

235

oder andere zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmte Werkzeuge angewendet werden; 4) auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffentlichen Platze, einer Wasserstraße oder einer Eisenbahn, oder in einem Postgebäude oder dem dazu gehörigen Hofraume, oder auf einem Eisenbahnhofe eine zum Reisegepäck oder 511 anderen Gegenständen der Beförderung gehörende Sache mittels Abschneidens oder Ablösens der Befestigungs- oder Verwahrungsmittcl, oder durch Anwendung falscher Schlüssel oder anderer zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmter Werkzeuge gestohlen wird; 5) der Dieb oder einer der Theilnchmer am Diebstahle bei Begehung der That Waffen bei sich führt; 6) zu dem Diebstähle Mehrere Mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Be­ gehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben, oder 7) der Diebstahl zur Nachtzeit8 in einem bewohnten Gebäude, in welches sich der Thäter in diebischer Absicht eingeschlichen,7 oder in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, begangen wird, auch wenn zur Zeit des Diebstahls Bewohner in dem Gebäude nicht anwesend sind. Einem bewohnten Gebäude werden der zu einem bewohnten Gebäude gehörige umschlossene Raum und die in einem solchen befindlichen Ge­ bäude jeder Art, sowie Schiffe, welche bewohnt werden, gleich geachtet. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein.8 1 Schwerer Diebstahl Vflt. § 244. 2 Unter Umständen auch ein BcrgwcrkSschacht, E. III. 411. R. III. 138, nicht aber eilt, wenn auch bewohnter Wagen, E. IV. 164. N. III. 242, nicht ein Schiff, E. IV. 433. R. III 534, nicht eine abgeschlossene Räumlichkeit im Innern eines Gebäudes. E. I. 216. N. I. 379. Das Vorhandensein einer unverschließbaren Thür hebt den Begriff eines umschlossenen Raumes nicht auf. R. II. 649. 3 Einbruch: Vgl. E. IV. 353. R. II. 589, III. 466, aber auch E. II. 371. R. II. 371. 4 Hinansteigeu und Stehlen durch Hineinlangen genügt nicht, E. IV. 175. R. III. 302, wohl aber Hincinkricchcn, R. I. 470. Das Einsteigen muß zum Zweck des Diebstahls erfolgt sein. E. III. 440. R. III. 163. Vgl. aber auch E. III. 423. R. III. 145. 5 d. s. auch solche, welche von dem Berechtigten zur Zeit der That zur ordnungsgemäßen Eröffnung nicht bestimmt waren. E. IV. 414, V. 17. R. III. 518. 524. 6 Nach Ansicht des Reichsgerichts die Zeit der Dunkelheit zw. Sonnen-Auf- und Untergang. E. III. 209. 9t II. 667. Vgl. auch §§ 293, 296. 7 Zwischenzeit zwischen Einschleichen und Stehlen nicht erforderlich. E. II. 223, IV. 127. R. II 198, III. 279. 8 Vgl. Aum. zur Ueberschrift u. §§ 244, 247.

§ 244. (L.) Wer im Jnlande' als Dieb,? Räuber8 oder gleich einem Räuber oder als Hehler8 bestraft8 worben ist, darauf abermals eine dieser Handlungen begangen hat, und wegen derselben bestraft8 worden ist,7 wird, wenn er einen ein­ fachen Diebstahl (§ 242) begeht, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, wenn er einen schweren Diebstahl (§ 243) begeht, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt beim einfachen Diebstahl Gesängnißstrafe nicht unter drei Monaten, beim schweren Diebstahl Gesängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein. 1 Als Inland gilt — auch für die Vergangenheit — das ganze Reichsgebiet d. h. jeder einzelne Bundesstaat im Gebiet des ehem. Rordd. Bundes (einschlicßl. Südhessen) seit dem 4./5. 71, — in Bayern, Württemberg und Baden dagegen erst seit dem l./l. 72. (Vgl. oben Anm. 1 zu § 8.) Bei Verfolgung der nach diesen Tagen begangenen Diebstähle kommen alle irgendwo früher in einem das jetzige Reichsgebiet bildenden Jnlande stattgefundenen Vorbcstrafungen in Betracht. O.R. XIV. 485, XVII. 740. 2 8 242. Nicht auf Grund von Spezialgesetzen (z. B. 8 370 Nr. 5 oder Forstdiebstahl), soweit

15. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.

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§§ 245—248..

nicht einzelne Strafthaten in denselben als gewöhnliche Diebstähle qualifizier sind. 772, II. 353.

3 § 249.

4 § 252, § 255.

E. II. 354.

N. I.

5 § 258, § 259.

" Auch polizeilich erkannte Diebstahlsstrafen begründen den Rückfall.

R. II. 718.

7 Voraussetz, des § 244 u. somit Sache der thatsttchl. Feststen. ist: daß jede der beiden früheren Strafen (ganz oder theilweise) entweder verbüßt oder erlassen ist. Vgl. § 245 u. Prcuß. J.M.Vl. 1871

S. 152. — Ueber die Voraussetzungen des Rückfalls entscheiden die Geschworenen nicht. §§ 262, 293.

St.P.O.

8 245. Die Bestimmungen des § 244 finden Anwendung, auch wenn die früheren Strafen nur theilweise verbüßt oder ganz oder theilweise erlassen sind, bleiben jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Verbüßung oder dem Erlasse der letzten Strafe bis zur Begehung des neuen Diebstahls zehn Jahre verflossen sind? 1 Entscheidend ist allein, daß seit der Verbüßung (Erlaß) der letzten Strafe d. h. seit dem letzten Tage der Strafverbüßung bis zur Begehung des neuen (des zu bestrafenden) Diebstahls 10 Jahre verflossen sind. Sind sie nicht verflossen, so ist für die Nückfallsstrafe nur erforderlich, daß der Thäter irgend einmal in seiuem Leben wegen eines? früher (d. h. vor dem mit der letzten Strafe belegten) begangenen Diebstahls Strafe erlitten loder erlassen erhalten) hat. Bloß erkannte — d. h. nicht verbüßte oder erlassene — Strafen bleiben außer jedem Betracht. E. I. 246. N. I. 425, II. 833.

§ 246. (L. bzw. A.) Wer eine fremde * bewegliche Sache, die er in Besitz oder Gewahrsam hat, fiel) rechtswidrig zueignetwird wegen Unterschlagung mit Gefängniß bis zu drei Jahren und, wenn die Sache ihm anvertraut ist, mit Ge­ fängniß bis zu fünf Jahren bestraft." Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu neun­ hundert Mark erkannt werden. Der Versuch ist strafbar? 1 Lediglich nach eivilrcchtlichen Grundsätzen zu cutschciden. E. III. 150, 344. N. III. 35. 2 Verpfändung fremder (gemietheter) Sachen mit Willen u. Fähigkeit der Wiedereinlosung ist keine Untcrschl. E. II. 21. 9i. I. 659, 664. — Der